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Plenarprotokoll 17 I 1 68

Deutscher

Stenog rafischer Bericht

168. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 22. März 2012

Inhalt;

Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- Elisabeth Saharfenberg (BLTNDNIS 90/ nung...... 198598 DIE CRLINEN) 19874 A

Absetzung der Tagesordnungspunlle 6 und Wolfgang Zöller ICDL/CSU) . 19875 A 30b...... 198608 Dr Marlies Volkmer (SPD) 19875 D NachträglicheAusschussüberweisung ...... 19860B Cabriele MolitorlfDP) ...... 19876 D Birgitr Bender (BÜNDMS 90/ Tagesordnungspunkt 3: DrE GR(hrEN) ... 1s87,7 C a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) 19878 C , Dr. Frank-Walter (SPD) ...... 19879 C Steinmeier, , Rainer Brüderle, Dr. , Renate Künast, Dr. (CDU/CSU) ...... 19880C Jürgen Trittin sowie weiteren Abgeordne- Michael Brand (CDU/CSU) ...... 19881 C ten eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Regelung der Entscheidungslö- sung im Transplantationsgesetz Tagesordnungspunkt 4: (Drucksachel7l9030)...... 19860C Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski- b) Elste Beratung des von der Bundesregie- Weiß, , Petra Crone, weiterer Ab- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- geordneler und der Fraktion der SPD: Ver- zes zur Anderung des Transplantations- braucherpolitik neu ausrichten Verbrau- gesetzes - cherpolitische Strategie vorlegen (Drucksache1717376)...... 19860C (Drucksache 17 /8922) ...... 19882 C Volker Kauder (CDU/CSU) ... .. 19860D (SPD) ...... 19882D Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) ...... 198628 Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär Rainer Brüderle (FDP) ...... 19864 A BMELV...... 19884 D Dr Gregor Gysi (DlE LINKE) ... 19865C (DIE LINKE) ...... 19887B Jüryen Trittin (BÜNDMS 90/ Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . .. 19888B DIE GRTINEN) . . 19867 B Nicole Maisch (BÜ.NDNIS 90/ Daniel Balr, Bundesminister DrE GRITNEN) ... 19890 A BMG ...... 19868 C Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) ...... 19891 C Dr. Carola Reimann (SPD) ...... 19870B (CDU/CSU) . ... 19892D (CDU/CSU) ...... t987lB Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . .. 19894 C (DIE LINKE) . . .. 19872 B Hans-Michael Goldmann (FDP) 19896 A 19988 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode- 168. Silzung. , Donnerstag, den 22 März2012

Viz€präsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent- Regierungen. Erst vor kurzem konnte ich eine namibi (c) würfe auf den Drucksachen 1711469 und 17/1468 an die sche Delegation treffen. Es war ein sehr offenes Ge- Ausschüsse vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung spräch, in dem Punkte der Zusammenarbeit angespro- finden. Gibt es dazu anderweitige Vo6chläge? Das ist chen worden sind, zum Beispiel die Visapolitik und nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. wirtschaftliche Investitionen. Mein Kollege , stellvertetender Vorsitzendü der Parlamenta- Ich rufe den Tagesordnungspunlct 14 sowie Zusatz- riergruppe SADC-Staaten, wird noch ausführlich darauf punkt 8 auf: eingehen. 14 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be, Deutschland hat Namibia bei den dringlichen Heraus- richts des Auswärtigen Ausschusses (3.Aus- forderungen derjeweiligen Zeit stets unterstützt. So war schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Niema es auch die intensive Unterstützung des damaligen Au- Movassat, Sevim Daidelen, , wei- ßenministers Hans-Dietrich Genscher, der sich ftir die t€rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Resolution 435 der Vereinten Nationen eingesetzt hat, Die deutschen Kolonialverbrechen im ehema- die von südafrikanischer Mandatsherrschaft zu namibi- ligen Deutsch-Südwestafrika als Völkermord scher Unabhängigkeit führte. Deutschland leistete zu- anerkennen und wiedergutmachen dem finanzielle Starthilfe und gilt als größtes ceberland der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit. - Drucksachen I7 187 6'1 , 17 189'11 Liebe Kolleginnen und Kollegen, wennwiruns mit der Berichterstattung; wichtigen Frage auseinandersetzen, wie wir unserer his- Abgeordnete Hartwig (Göft Fischer ingen) torischen Verantwortung gegenüber Namibia heute am Heidemarie Wieczorek-Zeul besten gerecht werden können, dann könnte das dadurch geschehen, dass wir die enge politische, kulturelle, wirt- Stefan Liebich schaft liche und entwicklungspolitische Zusammenarbeit Hans-Christian Ströbele weiter intensiv fortführen. Wir setzen auf verschiedene ZP Be-ratung Projekte, zum Beispiel aufdie Förderung von Gemeinde- 8 des Antrags -der Fraktionen SPD und BLINDNIS gO/DIE GRUNEN entwicklung, kleinbäuerlicher Viehzucht, ländlicher Was- serversorgung, Grundbildungsinfrastruktur und ländli- Die Beziehungen zwischen Deutschland und chem Wegebau. Namibia stärken und Deutschlands histori- scher Verantwortung gerecht werden Es ist in dem Antrag der SPD und der Grünen auch erwähnt worden, dass die Sonderinitiative die Nami- (B) - Drucksache 1719033(neu) - bian-German Special Initiative nicht immer reibungs- (D) los und auch nicht so verläuft, wie wir uns das damals Hierzu ist es vorgesehen, eine halbe Stunde zu debat- vorgestellt haben. Es wurden ja 20 Millionen Euro be- tieren. Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das - reitgestellt. Ich denke, es wäre so beschlossen. sehr an der Zeit, dass wir klären, worin die Ursachen liegen, damit davon ein Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der neuer Impuls ausgehen kann. Daran sollten wir ganz Kollegin Marina Schuster für die FDP-Fraktion. konkret arbeiten- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Hans-Christian Ströbele IBÜNDNIS 90/DIE der CDU/CSU) GRUNEN]: Unserem Antrag zustimmen! Da steht dasja drinl) Marina Schuster (FDP): Ich möchte darauf hinweisen, dass ich es gut fünde, Frcu Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! wenn wir weiterhin dazu auch über die Fraktionen hin- Die schrecklichen Gräueltaten, die im Namen des Kai- weg im Dialog bleiben würden. serreichs an den Volksst?immen der Herero, Nama, Da- Vielen Dank. mara und San vedbt worden sind, kann man durch nichts ungeschehen machen. Wir bekennen uns zu unse- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) rem schweren historischen Erbe und der daraus erwach- senden Verantwortung Deutschlands gegenüber Nami- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: bia. Wir bedauem zutiefst die schrecklich€n Gräueltaten. Das Wort hat Heidemarie Wieczorek-Zeul für die Deswegen ist es richtig, dass sich der Bundestag in den SPD-Fraktion . vergangenen Jahren immer wieder mit diesem Thema befasst hat; denn die Erinnerung daran darf nicht ver- (Beifall bei der SPD) blassen. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD); (Beifall im ganzen Hause) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass es Deutschland und Namibia in Anbetracht un- Anfang März hat uns eine Delegation des namibischen serer beschämenden Vergangenheit dennoch gelungen Parlam€ntes Sie haben es erwählt, Frau Schuster - hier ist, fteundschaftliche Beziehungen zu entwickeln, ist im Deutschen Bundestag besucht. In all den Gesprächen eine große kulturelle, politische und auch entwioklungs- alle Fraktionen haben daran teilgenommen haben wir politische Leistung unserer Nationen und derjeweiligen zugesagt: Wir möchten endlich eine gemeinsame Parla- - 17 Wahperiode 168 den22 M^r7.2012

Heidemärie Wieczorek-Zeul (A) mentarierdelegation einsetzen, die gemeinsam die Ver- wirtschaftsminister und vom Vertreter der Herero (c) gangenheit aufarbeitet, die aber auch die gemeinsameZu- furuako, angenommen. kunft zwischen den Parlamenten und den Menschen in unseren beiden Ländem vora.nbringt, Ich habe damals die Verdoppelung der Mittel für deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia an- (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem gekündigt. Dies habe ich umgesetzt, soweit mir das gO/DIE BÜNDNIS GRÜNEN) möglich war. Ich habe auch einen zusätzlichen Hilfs- Ich bitte Sie alle. dass Sie dieser Initiative zustimmen. fonds vorgesehen. Die Mittel sollten vor allem für die Entwicklung in den Gebieten eingesetzt werden, in de- In dem Antrag, den wir, die SPD-Bundestagsfraktion, nen die heutigen Nachfahren der Volksgruppen leben, und die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grün€n die besonders unter dieser deutschea Unterdrückung lei- eingebracht haben, anerkennen wir die schwere Schuld, den mussten. Diese Versöhnungsinitiative und die ge- die ich zitiere ,deutsche Kolonialtruppen mit dem plante Unterstützung für die betroffenen Gebiete sind Verbrechen an den Herero, Nama, Damara und Saa auf aber nur langsam vorangekommen. Das wurde in den sich geladen haben" und betonen, ,,wie Historiker seit letzten Jahren offensichtlich verschleppt. Der Dialog langem belegt haben, dass der Vemichtungskdeg in Na- zwischen den Parlamenten sollte neue lmpulse bringen. mibia von 1904 1908 ein Kriegsverbrechen und Völker- mord war". Der Unterschied zwischen dem Antrag von SPD und Grünen und dem Antrag der Linksfraktion besteht darin, Wir sagen: dass wir formelle Wiedergutmaahungs- oder Entschädi- Der Deutsche Bundestag betont deshalb die fort- gungszahlungen, insbesondere individuelle, nicht für dauemde Verantwortung Deutschlands für die Zu- sinnvoll und möglich halten. Wir sind dem Land Nami- kunft Namibias. bia als Canzem verpflichtet. lndividuelle Wiedergu! machungszahlungen sind ohnehin nicht mögtich. Ich Und: möchte auch sagen, dass ich in all meinen Gesprächen Der Deutsche Bundestag bittet die Nachfahren der mit den beteiligten Gruppen in Namibia immer wieder Opfer des im deutschen Namen geschehenen Un- festgestellt habe, dass es ihnen nicht um Reparationszah- Iungen rechts und zugefügten Leids an ihren Vorfahren um oder finanzielle Wiedergutmachung geht, son- Entschuldigung. dern darum, dass die Ungerechtigkeit, die ihre Vorfahren erfahren haben, als solche beim Namen genannt und an- (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem erkannt wird. Deshalb fordem wir die Bundesregierung BÜNDNIS 9O,DIE GRÜ\EN) auf, ihre bleibende Verartwortung fi.ir Namibia, ,,die politische moralische (B) Da diese koloniale Vergangenheit im öffentlichen Be- und Verantwortung für das histori- (D) sche Unreaht zu übemehmen" und wusstsein übrigens gilt das auch für die Schulen oft das öffentlich anzuer- kennen. nichtbekannt ist" will ich noch einmal daran erinnem:Die deutschen Kolonialherren hatten Ende des 19. Jahrhun- (Beifall bei der SPD, der LINKEI{ und dem derts die Bevölkerung im heutigen Namibia von ihrem BLINDN]S gOlDIE GRLINEN) Land vertrieben. Als sich die Herero dagegen wehrten, ff.ihrten die Truppen des Generals von Trotha gegen sie In der Ietzten Debatte zu diesem Thema - das war die und die Nama einen Vemichtungskrieg. [n seinem be- erste Lesung des Antrags der Linksfraktion - ist vonsei- rüchtigten Schießbefehl befahl General von Trotha,jeden ten der CDU/CSU argumentiert worden, diese Verbre- Herero - auch Frauen und Kinder zu erschießen. Die chen könne und dürfe man nichl ,,Völkermord" nennen. Überlebenden der Schlacht am Waterberg 1904 wurden in Ja, es ist chtig, dass die Konvention der Vereinten Na- die Wüste getrieben. Si€ verhungerten, sie verdursteten. tionen über die Verhütung und Bestrafung des Völker- Die Uberlebenden *urden in Lager verschleppt und zur mords erst 1948 beschlossen wurde. Das darf uns aber Zwangsarbeit gezlyungen. Mele Tausende haben diese doch nicht daran hindem, zu sagen: Das, was danals, ungeheure Brutalität nicht überlebt. 1904 und danach, begangen wurde, nennen wir heute Völkermord. So unzrveideutig sollten wir es bezeichnen, Ich habe für die Bundesregierung in Namibia im Jahr 2004 an der Gedenkfeier zum 100. Jahrestag teilgenom- (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem men und in meiner Rede gesagt: Die damaligen Gräuel- BÜNDNIS 9O/DIE GR{JNEN) taten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet In unsercm Antrag verlangen wir, ein weiteres düste- werden würde. Und: Der General von Trotha würde res Erbe der d€utschen Geschichte endlich aufzuklären. heutzutage vor Gericht gebracht und verurteilt werden. dem Vemichtungskrieg gegen Ich habe damals gesagt: ln die Herero begingen die damaligen deutschen sogenannten Rassenforscher lch bitte Sie im Sinne des gemeinsamen Vaterunser ein arderes widerwärtises Verbrechen. indem sie sterbli- um Vergebung unserer Schuld. che Ütberreste ron Ge"fallenen. Hingerichteren oder in den Zwangslagem Ungekommenen nach Deutschland (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem veßchleppten, um sie zu konservieren. Es ist eine BÜD{DNIS gO/DIE GRÜ\IEN sowie bei Ab- Schande für unser Land, dass es erst im September des geordneten der CDU/CSU und der FDP) letzten Jahres gelang, 20 Schädel dieser Menschen einer Die Bitte um Vergebung wurde vom späteren namibi- Delegation der Nachfahren der Herero zu übergeben. schen Präsid€nten Pohamba damals war er noch Land- Diese Delegation kam zur Übergabe der Schädel nach den22 MtttT 2O12

Heidemrrie Wieczorek-Zeul (A) Berlin. Es befinden sich aber weitere sterbliahe über- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (c) reste in den Asservatenkammem deutscher Universitä- NENI: Die sind dahin getrieben worden!) ten. Es muss in unser aller lnteresse liegen, alle diese Gebeine in würdiger Form nach Namibia zu überführen. Ja. - Von rund 80 000 bis 100 000 Herero im Jahre 1904 lebten 1911 nur noch 15 130. Die verbrech€rische (Beifall bei der SPD, dem Bt^rDNtS 90/DIE und menschenverachtende Vorgehensweise bei der Nie- GRUNEN und der LINKEN sowie bei Abge- derschlagung der Revolte der Herero war bezeichnend ordneten der CDU/CSU und der FDP) für die Denkweise der damals Vemntwortlichen- Schon Wir müss€n die Wissenschaftler in Deutschland unter- die Rhetorik der damals Handelnden, allen voran der als stützen.--die sich dieses Anliegen zur Aufgabe gemachr Vemichtungsbefehl in die Ceschichte eingegangene haben. Uber 100 Jahre isr das her; aber es isr noch immer ,,Aufiuf an das Volk der Herero" des verantwortlichen nicht ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Ich hoffe Generals Lothar von Trotha, lässt uns heute erschaudem sehr. dass diese Debane dazu beiträgr. und besahämt uns zutiefst. Gefangen€ Herero und Nama wurden von den Deutschen in eigens für sie enichtete Ich möchte an dieser Stelle insbesondere an d€n nam! Konzentrationslager gebracht. ln diesen Lagem breiteten bischen BischofKameeta erinnem, der im September in sich schnell Krankheiten aus, die Tausende von Todes- einem bewegenden Goüesdienst hier in Berlin aus An- opfem forderten. Nicht einmal die H?ilfte der Gefange- lass der Rückführung der Gebeine in der St.-Matthäus- nen überlebte den Aufenthalt in den Konzentrationsla- Kirche gedacht der Opfer hat. Ich habe diesem Gottes- gem dienst beigewohnt. Bischof Kameeta hat gesagt - ich habe seine Worte ins Deutsche übersetzt : Die umfassende Verurteilung der damaligen Ereig- parteiunabhängige An die politischen Entscheider in Deutschland: nisse ist €ine Konstante deutscher Lassen Sie lhre Gleichgültigkeit und das Verd6n- Außenpolitik. So wurden sowohl im Jahr 1989 unter der gen beiseite. Es geht um eine bessere, ehrliche, ver- CDU/CSU-geführten Bundesregierung als auch im Jahre trauensvolle, respektvolle Beziehung zwischen 2004 unter der sozialdemokratisch geführten Bundesrc- gierung Namibia und Deutschland. Übemehmen Sie mora- weitreichende Anträge beschlossen, die das Iische und ethische Verantwortung für das, was vor deutsch-namibische Verhältnis betreffen. In diesen An- hundert Jahren geschah, und sprechen Sie es un- trägen bekennen sich die Antragsteller zu Schuld und zweideutig aus. Verantwortung. Diese vom Bundestag verabschiedeten Anträge besitzen selbstverständlich auch für die heutige Wir als Deutscher Bundestag sollten - das ist das Ziel Bundesregierung volle Cültigkeit und stellen den Weg- des Antrags von SPD und Bündnis 90Die Grünen Bi- weiser ftir ihre Namibia-Politik dar (B) schof Kameetas Worte emst nehmen. Wir fordem die (D) Bundesregierung auf, dies endlich zu tun. Ich bin ganz Wir stehen nach wie vor zu unserer historischen und sicher: Wir werden gemeinsam mit den Kolleginnen und moralischen Verantwortung fiiI Namibia, wie sie bereits Kollegen in Namibia für eine gute Zukunft zusammenar- mit der Entschließung des Bundestages im Jahre 1989 beiten. zum Ausdruck gebracht worden ist. Wir stehen zu der besonderen Beziehung Deutschlands Melen Dank. zu Namibia. So heißt es beispielsweise auf der Homepage des Bundes- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNtS 90/ ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Dm GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich Enfwicklung ich zitiere : IDIE LINKED Die Bundesregierung bekennt sich zu der besonde- ren historischen Vizepräsidentin Katrin cöring-Eckardt: und moralischen Verantwortung von Deutschland fur Namibia. Der Deutsche Bun- Das Wort hat der Kollege Dr. Egon Jüttner für die destag hat in seiner Namibia-Entschließung von CDU/CSU-Fraktion 1989 das Konzept der besonderen Verantwortung (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Deutschlands gegenüber Namibia geprägt und in neten der FDP) seiner Entschließung von 2004 ausdrücklich bekräftigt. Dieser Verantwortung wird die Bundes- Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU): regierung durch eine verstärkte bilaterale Zusam- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und menarbeit, vor allem in der Entwicklungszusam- Herren! Alle Mitglieder des Hohen Hauses teilen die menarbeit, gerecht. Beurteilung, dass würend der deutschen Kolonialzeit (Beifall des Abg. Bemhard Kaster [CDU/ zwischen 1884 und l9l5 schreckliche Dinge in Deutsch- csul) Südwestafiika passiert sind. Den traurigen Höhepunkt stellt dabei die brutale Niederschlagung des Aufstandes Dieses Bekenntnis macht deutlich, dass sich die Bun- der Herero, Nama und Darnara dar, in deren Folg€ Zehn- desrepublik Deutschland, an der Spitze die Bundesregie- tausende Menschen auf grausamste Weise umkamen. rung, der historisch€n Verantwortung Deutschlands für Als im August 1904 der Aufstand der Herero niederge- die Ereignisse im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika worfen wurde, floh der größte Teil von ihnen in die fast bewusst ist und zu ihrer Verantwortung steht. wasserlose Kalahari-Wüste, wo sie mitsamt ihren Frauen, Kindem und Rinderherden verdursteten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag 17 Wahlperiode 168 Sitzung Berlin, Donnerstag, den 22.Maü2012 19991

Dr. Egon Jüttner

(A) Aus dieser Vemntwortung ergeben sich die Verpflichtun- zwischen Deutschland und Namibia. Bereits im (c) gen fur die Gegenwaf,t und für die Zukunft, denen sich Jahre 1991 wurde ein bilatemles Kulturabkommen zwi- die Bundesregierung in enger Zusammenarbeit mit den schen beiden Ländem geschlossen. Es umfasst weitrei- namibischen Partnem stellt. ahende Koopemtionen in den Bereiah€n Hochschule, Sprach{iirderung, Medien, Film, Literatur und Sport. Meine sehr verehrten Damen und Henen, die von Aus dem Kulture rhalt-Programm des Auswärtigen Amts Deutschland eingegangenen Verpflichtungen zeigen, wurden bisher Projekte mit einem Volumen von fast dass sich Deutschland seiner Vergangenheit stellt und I Million Euro geördert. Das Spektrum reicht von der daraus Konsequenzen zieht. Diese schlagen sich im Ver- Restaurierung der Felsmalereien am Brandberg bis hin hältnis Deutschlands zu Namibia nieder. Integraler Be- zur Dokumentation mündlich überlieferter Starnmestra- standteil, fagende Säule und Ausdruak dff besonderen ditionen. Auch die deutsch-namibische Sportforderung Beziehungen zwischen Namibia und Deutschland ist da- ist erwähnenswert. Ihre Schwerpunlctaufgaben liegen in bei, wie ich schon sagte, die Entwicklungspolitik. Seit der Jugendiörderung und in der Trainerausbildung. der UnabhZingigkeit Namibias vor 22 Jahren steht Deutschland in einem besonderen Verhältnis zu Nami- (Zurufvon der LINKEN: Sagen Sie doch mal bia, was die Entwioklungszusammenarbeit betrifft. Er- was zur Sache!) wähnt sei die seitherige Summe der deutschen Entwick- Namibische Übungsleiter werden an der DFB-Sport- lungshilfe, die fast 700 Millionen Euro beträgt. Damit ist schule in Hennef und an der Universität Leipzig aus- Namibia nicht nur afiikaweit Spitzenreiter im Hinblick g€bildet. auf die deutschen Zuwendungen pro Einwohner. Viel- mehr war Namibia mit 15,80 Euro pro Kopf im Jahre 2010 auch das Land, das weltweit die höchste Ent- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wicklungshilfeleistung pro Einwohner erhielt. Hen Kollege, möchten Sie eine Zwischenliage des Kollegen Liebich zulassen? Im Rahrnen der deutschen Entwicklungszusammenar- beit werden Fachkräfte entsandt und beispielsweise für Dr. Egon Jüftner (CDU/CSU): den Transportbereich Ausbildungsprogramme erarbeitet. lch möchte meinen Auch das Straßennetz wird verbessel1. Bisher wurden Vortrag zu Ende führen; danke schön. fast I 000 Kilometer Staße mit deutscher Unterstützuns gebaut oder emeuert. Im Jahre 2007 wurde die deutschl Die deutschsprachige Gemeinschaft in Namibia namibische Sonderinitiative begonnen, für die Deutsch- zeichnet sich durch ein aktives Kulturleben aus. Zeitun- land 20 Millionen Euro bereitgestellt hat. Mit diesen gen und Rundfunkprogmmme zeugen von der tiefen (B) (D) Mitteln werden Maßnahmen der Kommunalentwicklung Verankerung der deutschen Sprache in Narnibia. Hierzu in den Siedlungsgebieten derjenigen Volksgruppen fi- tragen auch zehn Schulen bei, an denen rnuttersprachli- nanziert, die unter der deutschen Kolonialherrschaft be- cher Deutschunterricht angeboten wird, und über sonders gelitten haben. Die Sonderinitiative bezieht sich 30 Schulen, an denen man Deutsch als Fremdsprache sowohl auf Amutsbekämpfung als auch auf die Förde- lemen kann. Dies alles wird von der Bundesregierung rung der Begegnung und Verständigung in bestimmten aktiY unterstützt. Regionen Narnibias. Die Partnerschaft zwischen dem Land Bremen und Der großen Bedeutung der deutschen Entwicklungs- Namibia, die Städtepartne$chaften der Hauptstadt Wind- hilfe, aber auch deutscher Investitionen sind sich beide huk mit Berlin, Bremen und Trossingen sowie der wach- Regierungen bewusst. Eine der größten Auslandsinvesti- sende Tourismussektor mit über 80 000 deutschen Tou- tionen in Namibia ist das Zementwerk der deutschen Un- risten pro Jahr sind weitere Beispiele für die lebendigen temehmensgruppe Sahwenk mit einem lnvestitionsvolu- Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia. men von 250 Millionen Euro. Für dieses Werk, das rund Meine Damen und Herren, wir sollten alles um 300 direkte und 2 000 indirekte Arbeitsplätze geschaffen tun, diese guten bilateralen Beziehungen nicht nur zu erhal- hat, wurde im Jahre 2009 in Anwesenheit des Staats- ten, sond€m möglichst auch weiter auszubauen, und wir präsidenten von Namibia der Grundstein gelegt. Im F€- sollten das hohe Niveau der Entwicklungszusarnmenatr- bruar 2010 nahm dann Bundesministü im beit ohne Wenn und Aber beibehalten; denn die Ent- Rahmen seiner ersten Reise nach Namibia als Entwick- wicklungszusammenarbeit ist eine der tragenden Säulen lungshilfeminister gemeinsam mit dem Premierrninister der besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und am Richtfest für dieses Werk teil. Februar des ver- Im Namibia. gangenen Jahres schließlich wurde das Werk in Anwe- senheit des Staatspfüsidenten, des Premierrninisters und Ich danke lhnen. zahlreicher Mitglieder der namibischen Regierung in Betrieb genommen. Eine derart prominente offizielle (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Beteiligung von namibischer Seite zeigt die große Aner- kennung Namibias für das deutsche Engagement im Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wirtschaftlichen Bereich. Der Kollege hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. Im kulturellen Bereich, um nur ein weiteres Beispiel an nennen, gibt es ebenfalls eine gute Zusammenarbeit (Beifall bei der LINKEN) 19992 Deutscher Bundestag 17. Wailperiode- 168 Sitzung. Bertin, Donnerstag, den 22 Miirz2012

(A) Niema Movassat (DIE LTNKE): klammert und unser Antrag weitergehend ist, werden (c) Frau Praisidentin! Meine Damen und Herren! Herr wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag enthal- Dr. Jüttner, ich habe mich bei weiten Teilen lhrer Rede ten. gefragt, was Sie uns hier eigentlich sagen wollen. Wir Herr Dr. Jüttnet Sie haben hier den Aspekt Wieder- sprechen über eines der dunkelsten Kapitel der deut- gutmaahung mit der Entwicklungszusammenarbeit ver- schen Geschichte, und darauf muss es heute Antworten geben. mischt. Das muss aber strikt getrennt werden. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BTINDN IS 9O/DIE GRUNEN) Entwicklungshilfe ist immer an Bedingungen ge- krüpft, die der Geber einseitig vorgibt. Klar sind Son- Zwischen 1904 und 1908 beging das deutsche Kaiser- derinitiativen und Entwicklungsgelder gut gemeint; aber reich in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, alle Beteiligten müssen einbezogen werden: Deutsch- dem heutigen Namibia, einen Völkemord. Deutsch€ land, Namibia und die Nachkommen der Opfer. Versöh- Soldaten ermordeten etwa 100 000 Menschen. Dieser nung lässt sich nämlich nicht einseitig diktieren, sondem Teil unserer Geschichte geme vergessen. wird Die eneicht man nur im Dialog. Franffarter Rundsclaa schrieb zur Verdrängungskultur: (Beifall bei der LINKEN) Welche Schande für ein Land, das sich auf seine Vergangenheitsbewältigung so viel zugutehält. Wir müssen auch hierzulande unsere Hausaufgaben machen. Es ist eine Schande, dass heute noch Straßen in Heute, einen Tag nach dem namibischen Unabhängig- unseren Städten naah Kolonialverbrechem benannt sind. keitstag, wollen wir als Linke mit unserem Antng zum damaligen Völkermord einen Beitrag gegen das Verges- (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem sen, gegen die Schande und fi.ir Versöhnung leisten. BÜNDN'I S 9OIDIE GRÜNEN)

(Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen Schulbücher, die über diese Verbrechen und ihre Ursachen au{klären. Wir brauchen eine Bundes- ln der Kolonie Deutsch-Südwestafrika erhoben sich stiftung, um die Kolonialgeschichte aufzuarbeiten, 1904 die Herero gegen die deutschen Besatzer Sie woll- ten ein Ende von Rassismus, Willkft und Unterdü- (Wolfgang Gehrcke [DlE LINKE]: Sehr rich- ckung. Die Vergeltung des Kaiseneichs wax gmusam. tig!) Die Völker der Herero, Nama, Damara und San wurden Leider wird auch die heutige Abstimmung die syst€matisch vemichtet, Sie wurden erschossen, erhängt, (B) Schande weiter verlängem; denn beide vorliegenden An- (D) oder man trieb sie in die Wüste und ließ sie dort verdurs- träge wird die Koalition ablehnen. Aber Sie halten es ten. Viele starben in Konzentrationslagem und durch nicht einmal fiiI nötig, etwas Eigenes vorzulegen. Das ist Zwangsarbeit. ein unwürdiger Umgang mit diesem wichtigen Thema. Was damals passiete, ist Verbrechen, eine ein (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Schande. Dass sich die deutsche Politik bis heute wei BTINDNTS gO,DIE GRÜNEN) gert, die damaligen Geschehnisse überhaupt einmal als Völkermord zu benennen, ist ebenfalls eine Schande. Sie schaden so weiterhin den deutsch-namibischen Beziehungen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD und des Abg. Hans-Chdstian Hoffnung macht zumindest die Zivilgesellschaft in sböbele [BÜNDNrs 90/DrE GRÜNENI) Deutschland. Uber 100 Initiativen haben einen Appell an den Deutschen Bundestag unterschrieben. Vor der De- vorgeschobenen rechtlichen Mit Argumenten weigert batte o€anisierten diese eine Demonstration vor d€m sich die Bundesregierung bis heute, die moralisch-histo- Deutschen Bundestag unter dem Motto ,,Entschuldigung rische Verantwortung zu übemehmen. Eine Schande ist sofort! Völkermord verjähfi nicht!". auch, dass es bis heute keine offizielle Entschuldigung gab. Zwar hat sich die damalige Ministerin Wieczorek- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Zeul 2004 mit bewegenden und guten Worten entschul- Heute hat der Deutsche Bundestag die Chance, einen digt; aber keine Regierung hat diese Worte je als offiziel- Beitrag zur eahten Vercöhnung zu leisten. Lassen Sie uns len Standpunkt übemommen. Stets wurde betont, es han- gemeinsam etwas g€gen die anhaltende Schande tun. dele sich um private Außerungen. Auch das ist Teil der fortgesetzten deutschen Schande. Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD und d95 BÜTNDMSSES 9O/DIE Noch heute leiden die Herero und Nama unter den GRTTNEN) Folgen der brutalen deutschen Kolonialzeit, beispiels- weise bei Landfragen, Wiedergutmachung sollte hier an- setzen. Man sollte einen Beitrag leisten, um die bis heute Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: vorhandenen strukturellen Nachteile auszugleichen. hat jetzt für Bündnis 90/Die Grünen Weil der rot-grüne Antrag die Wiedergutmachung aus- das Wort- Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 168. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 22. März 2012 1.9993

(A) uwe KekeriE (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): jetzt nicht näher auf die Versöhnungsinitiative ein; Frau (c) Sehr geehrte Frau Pdsidentinl Werte Kolleginnen Wieczorek-Zeul hat sie schon erklärt. und Kollegen! Wir besprechen heute sicherlich ein sehr SPD und Linke haben immer wichtiges Thema. Ich möchte der Linken danken, dass daraufhingewiesen, wer sie dieses Thema auf die heutige Tagesordnung gesetzt denn nun von namibischer Seite am Dialog mit den hat. Deutschen beteiligt sein muss. lch möchte dies ergän- zen: Auch die Frage, wer auf deutscher Seite beteiligt Es stellt sich die Frage, warum die Aufarbeitung der sein soll, nuss transparent und vor allen Dingen sinnvoll Gräueltaten in Namibia vor über 100 Jahren nicht schon entschieden werden. Iängst vollzogen wurde. Dafür mag es viele Gründe ge- ben, und darüber müssen wir sehr intensiv nachdenken. Ich bin der Meinung, dass die Ergebnisse des Aussöh- Warum auch immer: Wahrheit muss Wahrheit bleiben. nungsdialogs sowohl im deutschen als auch im namibi- Es ist Deutschlands Pflicht, den Völkermord in Namibia schen Parlament würdig und feierlich öffentlich gemaaht als solchen auch zu bezeichnen werden müssen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Aber ich will das schonjetzt laut und deutlich sagen. (BCifAII bCiM BI]ND\'IS gO/DTE GR[]\EN, bei der SPD und der LINKEN) Dabei geht es selbstventändlich nicht darum, dass wir einen Schlussstrich ziehen. Wir alle haben den perma- und Namibia in einem würdigen Rahmen um Verzeihung nenten Auftrag, beizutragen, dass schwere Menschen- zu bitten. Nur so können wir eine tragf?ihige Grundlage rechtsverletzungen zukünft ig verhindert werden. fiir eine gute und gemeinsame Zukunft mit Namibia le- gen, Es ist ftr mich nicht akzeptabel, wenn dies mit for- (Beifall der Abg. Marina Schuster [FDP]) maljuristischen Argumenten verwei gert wird. Wir müssen deshalb auch daflir sorgen, dass bereits in In diesem Zusarnmenhang möchte ich an eine Sitzung unseren Schulen der Grundstein zu einer verantwor- des AwZ erinnem, in der sich die Vertreter der Regie- tungsbewussten Erinnerungskultur gelegt wird. rungskoalition auf die Konvention von 1948 berufen ha- (Beifall beim rEN, ben. Diese sei nach dem Völkermord verabschiedet wor- BÜ\DMS 90/DIE CR( den, und deswegen könne man nicht von Völkermord bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Marina reden. Ich denke, das ist nicht zu tolerieren. Völkermord Schuster [FDP]) ist nämlich zunächst einmal gar kein juristisches Pro- Wir müssen weg von der Verdfüngungskultur blem, Es ist ein menschliches Problem, Mit dem hoffentlich gemeinsam verabschiedeten An- IBCifAJI bCiM BÜNDMS SO/Dlf CRt'NEN, trag und mit der Versöhnungsinitiative senden wir ein (B) bei der SPD und der LINKEN) klares, weltweit vernehmbarcs Signal, dass Verbrechen (D) ein ethisches und ein moralisches Problem. Menschlich- gegen die Menschlichkeit nicht verjähren. Kein Despot keit und Gerechtigkeit müssen dem kulturellen Bewusst- darfsichjemals wieder in Sicherheit wiegen. Wir sollten sein entspringen und individuell im Kopfund im Herzen also heute kein Signal der Schwäche in die Welt senden. verankert sein. Wenn das gegeben ist, dann ist eine Auf- Darum bitte ich Sie im lnteresse der Würde Deutsch- arbeitung durchaus möglich. lands und einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit Nami- bia um die Zustimmung zu unserem Antrag. Paragrafen eignen sich eben nicht dazu, Verantwor- tung loszuwerden. Wir müssen uns dieser stellen. Mit Danke schön. formaljuristischen Argumenten hätte D€utschland da- - (Beifall beim BÜNDNIS 90/DtE GRt^rEN, rüber muss man sich klar sein auch den Holocaust bei der SPD und der LINKEN) nicht akzeptieren müssen, und das ist ein undenkbarer Fall. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir sprechen heute auch über die Frage der morali- Michael Kauch hat das Wort für die FDP-Fraktion. schen und ethischen Integrilät und das Selbstbewusstsein Deutschlands. Die Beantwortung der Fragen zeigt, dass (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wir uns nicht hinter Paragrafen verstecken können und der CDU/CSU Kerstin Müller [Köln] auch nicht wollen. Feigheit vor der eigenen Vergangen- lB( TDNIS 90,/DIE GRüNE]{: Jetzt erktär, heit kann keine deutsche Position sein. dass ihr zustimmt oder euah enthaltet!) Zur Aufarbeitung der deutsch-namibischen Ge- schichte müssen wir die 2004 von der damaligen Minis- Michael Kauch (FDP): terin Wieczorek-Zeul beispielgebende Aktion - dafür Frau Präsidentin! Meine Danen und Herren! Wir ha- möchte ich Ihnen noch heute danken: Sie haben darnit ben Verantwortung vor der Ceschichte, und wir haben Geschichte geschrieben -, Verantwortung für die Zukunft. Verantwortungsüber- nahme fur die Vergangenheit zeigt sich der Über- (Beifall beim Bt\DMS go,DrL cRIJNEN, in nahme von Verantwortung durch Handeln, nicht allein bei der SPD und der LINKEN) durch Worte. Deshalb finde ich es schon befremdlich, die begonnene Versöhnungsinitiative, wieder aufgreifen. wenn hier gesagt wird, die Debatte über die bilaterale Es muss natürlich auoh geklärt werden, warum die da- Zusammenarbeit unserer beiden Länder gehöre nicht mals gesteckten Ziele nicht erreicht wurden. Ich gehe zum Thema. Es gehört zum Thema; 19994 Deutscher Br:ndestag - 17. Wahlperiogl- 168. Sitzung. Berlin, Doni ersta& den 22. Mdtz2}12

Micha€l Kauch

(A) (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Aber selbstver- der Frallionszugehörigkeit ist, welche Worte man findet, (c) ständlich!) sondem dass es darum geht, dass alle Bundesregierun- gen an ihrer Wortwahl und ihrer völkerrechtlichen denn die Übemahme der Verantwortung für die Vergan- Ein- schätzung f€stgehalten haben. Das ist eben keine partei- genheit zeigt sich eben auch in den besonderen Bezie- politische Auseinandersetzung. hungen, die wir mit Namibia haben, die wir dadurch zei- gen, dass dieses Land pro Kopf der Bevölkerung die (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten größte Hilfe im Rahmen der Entwicklungszusammenar- der CDU/CSU) beit Deutschlands mit Afrika erhält. Das zeigt sich darin, dass unsere L?inder auch kulturell weiterhin verbunden Deshalb sollten wfu uns der Frage widmen, wie wir sind. Kein Land in Afiik4 keine ehemalige Kolonie in für die Zukunft vorankommen können, um dem namibi- Afrika hat noch so viele Wurzeln deutscher Tradition sohen Volk deutlich zu machen, dass wir unsere histori- und deutscher Kooperation, wie das in Namibia der Fall sche Verantwortung und unserc besonderen Beziehun- ist. gen tatsächlich als solche anerkennen. Das Eßte ist, glaube ich, dass wir Anwalt Namibias in Europa sein (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten müssen. Ein Punkt ist sicherlich die Frage der Visapoli- der CDU/CSU) tik, also wie wir namibische Staatsbürger im Schengen- Raum und namibische Geschäftsleute behandeln. Es ist Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: weder in unsercm Interesse, noch ist es fair und ange- Herr Kollege Kauch, der Kollege Liebich möchte lh- messen gegenüber einem Land, das nicht nur deutsche nen geme eine Zwischenlrage stellen. Kolonie war, sondem ftir das wir als Land auch beson- dere Schuld und Verantwortung tragen. Michael Kauch (FDP): Das muss sich ändem. Wir können das nicht alleine Bitte. tun, sondem wir müssen uns im Schengen-Raum dafur einsetzen, dass die Msapraxis für die namibischen Stefan Liebich (DIE LINKE): Staatsbürger verbesseft wird. Hen Kollege Kauch, Sie haben recht: Die binationale (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Zusammenarbeit ist ein Thema. Aber Worte damit ha- dcr CDU/CSU UNd dES BI]NDNISSES 9O/DIE ben Sie eingefihrt spielen auch eine Rolle. - wichtige GRtJNEN) Deswegen interessiert mich tatsächlich und ganz im Emst: Was hindert die FDP-Fmktion eigentlich daran, Wir müssen die umfangreiche Entwicklungszusam- sich für einen Völkermord, den sie bereit ist, so zu nen- menarbeit fortführen und intensivieren. Wir müssen (B) nen, zu entschuldigen? auch darauf achlen, dass insbesondere die Landstriche (D) Namibias Berücksichtigung finden, wo Herero, Damara lBeilall bei der LNI(IN und dem BÜND- und Nama leben. Ich war diesen Januar in Damaraland NIS 90/DIE GRTINEN sowie bei Abgeordne- und weiß, dass es eine der ärmsten Regionen des Landes ten der SPD) ist. Deshalb muss man bei der Zusammenarbeit darauf achtcn, dass die Hilfe genau dort landet. Michael Kauch (FDP): Die Kollegin Schuster hat die Frage nach der histori- Wenn wir wie 2004 aus der Sonderinitiative Projekte schen Schuld und der historischen Verantwortung unse- Itnanzieren, dann müssen wir auch darauf achten, dass res Landes für Namibia beantwortet. dies beispielsweise im Rahmen der Landreform den Menschen zugutekommt, die dort leben. Es ist nicht ak- (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Eindeutig!) zeptabel, wenn Mittel vergeben werden, mit denen Men- lch glaube, dass der Deutsche Bundestag in seinen Reso- schen aus Windhuk Land kaufen, und diejenigen, die vor lutionen, die übdgens zum Teil in rot-grüner Regie- Ort leben, vertrieben werden. Auch bei der Umsetzung rungszeit verabschiedet worden sind, hierzu die trcfen- dieser Projeke gibt es Probleme. Das zeigt, dass wir den Worte gefunden hat. Ich finde es unpassend, wie hier noch nicht dort angekommen sind, wo wir hintommen pafi eipol itisch instrumentalisiert wird. wollen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Das sind Dinge, die wir im Blick auf die Vergangen- der CDU/CSU Niema Movassat [DIE heit berücksichtigen müssen, aber eb€n auch im Blick LINKEI: Unglaublich!) auf die Zukunft. Da will jemand eine Zwischenflage stellen. Lieber Kollege, wenn beispielsweise Frau Wieczorek- Zeul, der ich das persönliche Engagement abnehme Vizepräsidentin : lUwe Kekerirz IBÜ\DMS 90/DtE CRt - Das ist nicht mehr rnöglich. Sie ignorieren schon eine NENI: Aber gerade noch so!) ganze Weile das Minuszeichen. und deren Worte, die sie damals gefunden hat, ich sehr beeindruckend finde, gemeinsam mit der Fraktion der Michael Kauch (FDP): Grünen einen Antrag stellt, deren damaliger Außen- Frau Pfüsidentin, ich möchte als einziger Vertreter der minister erklärt hat: ,,Das ist die Privatmeinung von Frau Parlamentariergruppe der SADC-Staat€n in der Debatte Wieczorek-Zeul", dann zeigt das, dass es keine Frage nur aufeinen Punkt eingehen. Deutscher Bundestag 17. Wailperiode - 168. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22 Marz20i2 19995

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: für die Fraktion Die Linke und Wolfgang Wieland für (C) Nein, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kom- die Fraktion Die clünen. men. Günter Lach (CDU/CSU): (FDP): Michael Kauch Es isl uns allen bekannt, dass die Struktur der deut- Ich würde mich freuen, wenn dieses Parlament we- schen llaffenverwahung dunerst heterogen und kot. nigstens in der nächsten Wahlperiode eine Deutsch- ist. Insgesamt sind gegenwdttigfost 600 dezentrale Namibische Parlamentariergruppe einsetzen würde. Wir fenbehüden in den Ldndern und Kommunen mit der haben besondere Beziehungen zu diesem Land. Sie ma- gistrierung und Archiyierung im Zusqmmenhang chen auch besondere Lösungen im Rahmen der Parla- dem Waflengesetz befasy. Sie arbeiten mit mentarieryruppen erforderlich. lichen Systemen und sind nicht miteinander gibt (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Darunter es Wqfenbehörden, die noch wof- q0/ in elekironischer Form der CDU/CSU U&e Kekerirz IBÜT{DNtS fendqtei fiihren, DIE CRUNENI: Das srehr doch im Antrag! herkimmliche Kqrteikorten nutzen. Dqrüber hinaus - existieren Niema Movassat [DIE LINKE]: Dann stim- bisher auch keine einheitlichen bei men Sie doch zu! Das steht im Antrag!) Erfassung, Speicherung und Archivierung cher Dqten. Dies soll sich mit del Natio- nalen Wqlfenregisters in Deutschland nun Vizepräsidentin Petra Pau; Ich schließe die Aussprache. Die Schaffung eines Nationalen Waffenrcgisters spdtestens bis zum 31 2014 Wir komrnen zur Beschlussempfehlung des Auswärti- ist ein klqter Auftrag der alle gen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke liir Mitglie^tqqten der EU. Diesem kommt die mit dem Titel ,,Die deutschen Kolonialverbrechen im Bundesregierung nun mit dem Geselzent- ehemaligen Deutsch-Südwestafrika als Völkermord an- wurf nach. Mit 43 a des Wr wurfun die erkennen und wiedergutmachen". Der Ausschuss emp- $ Vorgaben der EU in nationales umgesetzt. Dqbei fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- sind wir über die Mindestyolgqben EU-Waffenicht che l718971, den Anrrap. der Fraktion Die Linke auf linie hinausgegangen und hqben zum Ziel geselzt, D,uiGäihE I 7'87671b-äEffi-en. Wer ylfrfrt :täifiese das ll'affenregister in bereits zwei Jahre BeschlussemlEEäirg? Wcr stimmt dagegen? Wer - früher, bis zuu 31. Dezember 201 zu errichlen enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfiaktion und der FDP-Fraktion ge- In einer zweiten Stufe, 2013, sollen die Re- (B gen - die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung c herc he mögl ichkeite n v e it er werden und In- (D) der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- lotmationen von sowie yonseiten der nen angenommgn. Wil tsc h ajl, Wafe nhers le I ler Wafenfuindler, einbe- zogen werfun. Ab 201I ist in einer dütten Stufe Zusatzpunkt 8. Abstimmung über den Antrag der auch die elektronische A von Verwaltungsvor- Fraktionen von auf gtingen vorgesehen. dem Titel ,,Die lun- gen Deutschland und Namibia stärken und Mit der Elrichtung N qti o nale n Wafenregisters Deutschlands historischer Verantwortung gerecht wer- machen wir in einen entscheidenden den". Wer stimmt für diesen Antlag? - Wer stimmt dage- Schtitt zur des Wafemtesens. Es wer gen? Wer enthält sich? Der den verbindliche fi,il die gesdmte Waffen- verwaltung um den legalen privaten llafen- besitz in zu erfassen. Ziel ist es dqbei, wesehtliche über eine Wafe und deren gelehnt. Verbleih zenttal speichern. Dafür sollen /ür mindes- tens 20 Jahre Modell, Fabfikat, Kaliber, Serien- rufe den Tagesordnungspunkt l3 auf: nummer von sowie Namen und Anschriften von Beratung des von der Bundesregierung ein- Lieferanten der Person, die die Wafe enaiftt odel Entwurfs eines Gesetzes zur Errich- besitzt, und gespeichert werden. Unter Beibe- Nationalen Waffenregisters (Natio- haltung Strukturen werden die in bisher 577 Waffenbehölden erfassten Informationen nun t und in eine zentrale Datenbank über- führt. Datenerfassung und -aktualisierung wird da- bei u von den örtlichen Waflenbehörden vorge- werden. Von dort verden die Daten über Netze qns Nationale Wdfenrcgister übetmittelt. wird dadurch die genaue Anzahl fur legalen und Schusswaffen in einer Dqtei nalional Reden zu Protokoll genommen. Es gende Kolleginnen und Kollegen: Cünter Unionsfraktion, für die Zut Alqualitcit det Dqten Dägt quch die Einbeziehung tion, Serkan Tören für die FDP-Fraktion, Frank Tempel der Meldebehörden bei. So werden VorgAnge wie der