„Große Koalition beschädigt die Demokratie“ AGV-DIALOGPROGRAMM IN (20. – 22. SEPTEMBER 2016) GAB EINBLICKE IN DIE POLITISCHE BEFINDLICHKEIT EIN JAHR VOR DER BUNDESTAGSWAHL

VON BBR. HERMANN-JOSEF GROSSIMLINGHAUS

Die aktuellen politischen Entwicklun- gen nach den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern machten das diesjährige Dialogpro- gramm der Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AGV) in der Bundeshauptstadt besonders spannend. Mit Vertretern aus Politik, Medien und Kirche – darunter Bundes- tagspräsident , der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende und der Linken-Politiker Gregor Gysi – konnten die 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem AGV-Vor- stand, den Vororten von CV, KV und UV sowie dem Ringpräsidium des RKDB, Christoph Schwennicke (2. von rechts), Chefredakteur des Magazins CICERO, zog eine kritische Bilanz die politische Situation ein Jahr vor der Großen Koalition. der Bundestagswahl diskutieren.

Zum Auftakt führte der Weg nach ben unsinnige Konzessionen an die je- sie speisen sich nach seiner Auffassung zu Kreuzberg zum Res Publika-Verlag. Dort weilige Klientel wie die Rente mit 63 hier einem erheblichen Teil aus einem Gefühl der wartete schon Christoph Schwennicke, und die Mütterrente dort. Ohnmacht, wenn in großen politischen Herausgeber und Chefredakteur des politi- Fragen alle derzeit im Parlament vertretenen schen Magazins CICERO. Er zog ein Jahr vor Zeit für einen Parteien einer Meinung sind. Es sei Zeit für der Bundestagswahl eine eher ernüchtern- politischen Wechsel einen Wechsel. Schwennicke glaubt, dass bei de Bilanz der bisher elf Jahre Große einer Neuauflage der Großen Koalition nach Koalition unter : „Wenn sich Der mehrfach ausgezeichnete Journalist, den nächsten Bundestagswahlen die Demo- die beiden bislang großen Volksparteien unter anderem mit dem Henri-Nannen-Preis kratie in Deutschland einen beträchtlichen zusammentun, so addiert sich das nicht im und dem Medienpreis des Deutschen Schaden nehmen würde. Er wünscht sich Regierungshandeln“, stellte Schwennicke Bundestags, sieht die Wahlerfolge der AfD wieder eine handlungsfähige Regierung, der fest. Die beiden starken Kräfte würden sich nicht in erster Linie als Folge von Rassismus eine starke Opposition gegenübersteht.„Mit vielmehr gegenseitig aufheben. Übrig blie- und dumpfem Rechtsradikalismus, sondern diesem politischen Gezeitenspiel ist die parlamentarisch-repräsentative De- mokratie in unserem Land ein hal- bes Jahrhundert im Großen und Ganzen gut gefahren“, stellte Christoph Schwennicke fest.

Zur AfD sagte der Chefredak- teur, dass es ihr zwar gelungen sei, als Protestpartei in eine Reihe von Landtagen einzuziehen. Doch: „Der Protest wird nicht Kanzler.“ Bisher messe man der AfD keine Problem- lösungskompetenz zu. Es gehe nur um einen Denkzettel, doch das sei nicht zukunftsfähig. Es bedürfe viel- mehr einer konstruktiven Mitarbeit in den Parlamenten und einer Positionierung in anderen Politik- feldern als nur der Flüchtlings- Bundestagspräsident Norbert Lammert (7. von links) stellte sich nach dem Gespräch mit den AGV-Vertretern auf problematik. Er verwies auf Die der Präsidialetage des Reichstagsgebäudes zum Gruppenfoto. Grünen, die sich aus einer Protest- bewegung zu einer stabilen Partei

298 unitas 4/2016 entwickelt habe. Ob dies auch der AfD gelin- ge, bleibe abzuwarten. Immerhin habe sie eine höhere Wahlbeteiligung bewirkt, in- dem sie vor allem ehemalige Nichtwähler mobilisiert habe. Die etablierten Parteien müssten sich nun schnell überlegen, wie sie die enttäuschten Protestwähler zurückge- winnen können.

Im nächsten Gespräch mit Bundestags- präsident Prof. Dr. Norbert Lammert, das im Reichtagsgebäude stattfand, ging es vor- nehmlich um Fragen unseres demokratisch- parlamentarischen Systems. Durch eine Er- weiterung der Parteienlandschaft – etwa durch die AfD – werde der Ablauf im Bun- Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert hält das deutsche Wahlsystem im internationalen destag zwar komplizierter und die Organi- Vergleich für das beste. (Rechts neben Lammert der AGV-Vorsitzende Bbr. Moritz Findeisen, sation der verschiedenen Interessen schwie- links der stv. AGV-Vorsitzende Alexander Drees [KV].) riger, aber es sei ein „Spiegel des souveränen Wählerwillens“. Der zweite Mann im Staate rät in diesem Zusammenhang zu mehr Gelassenheit. des Bundestages von vier auf fünf Jahre zu dert die Wahlbeteiligung erkennbar nicht verlängern – wie es in allen Bundesländern und stört bei politischen Prozessen“, be- Nach dem Brexit-Votum in Großbritan- außer Bremen sowie beim Europaparla- tonte der Bundestagspräsident. nien sprach sich Bundestagspräsident Nor- ment schon der Fall sei. Die ständigen bert Lammert gegen Volksentscheide auf Wahlkämpfe schränkten „die Gestaltungs- Höchstgrenze für Abgeordnete Bundesebene aus. Diese begünstigten die möglichkeiten des Bundestages faktisch im Deutschen Vereinfachung komplizierter Zusammen- erkennbar ein“, sagte der CDU-Politiker. hänge und bildeten eine ideale Plattform Eine fünfjährige Wahlperiode würde diesen Norbert Lammert hält das deutsche für Populisten. „Mein Eindruck ist, dass die Umstand relativieren. Seine Rechnung Wahlsystem im internationalen Vergleich zwischenzeitliche Begeisterung für Plebis- dazu: Bei vier Jahren vergehe ein halbes, bis zwar für das beste; dennoch sei es zu kom- zite und die Vorstellung, solche Volksent- sich das Parlament arbeitsfähig gemacht pliziert. Daher möchte er das Wahlrecht scheide seien der repräsentativen Demokra- habe, und das letzte Jahr stehe schon im ändern und für die Abgeordneten des tie sogar überlegen, mittlerweile deutlich Zeichen des nächsten Bundestagswahl- Deutschen Bundestags eine Höchstgrenze an Strahlkraft verloren haben“, betonte der kampfes. Der Bundestag habe also nur festlegen. Das Parlament hat eine Soll- CDU-Politiker. zweieinhalb Jahre, in denen er darauf keine größe von heute 598 Abgeordneten. Der- Rücksicht nehmen muss.„Bei einer fünfjäh- zeit sind es 630 Männer und Frauen. Be- Legislaturperiode des rigen Wahlperiode wären es dreieinhalb dingt durch den im Wahlrecht vorgeschrie- Bundestags verlängern Jahre“, sagte Lammert. Außerdem werde benen Vollausgleich aller Überhangmanda- nirgendwo so oft gewählt wie in Deutsch- te könnten es nach der Bundestagswahl Norbert Lammert befürwortete in dem land: Bürgermeister und Landräte, Stadt- 2017 sogar mehr als 700 sein. Daher stellt Gespräch mit den Vertretern der katholi- räte und Kreistage, Landtage, der Bundes- sich Lammert eine Obergrenze für die Ab- schen Studentenverbände, die Wahlperiode tag, das Europäische Parlament. „Dies för- geordnetenzahl vor. Ausgleichssitze für Überhangmandate soll es auch weiterhin geben, aber nur bis zur festgelegten „Kap- pungsgrenze“. Union hat historische Verantwortung

Im Fraktionssaal der Partei Die Linke tra- fen die Seminarteilnehmer am nächsten Tag den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Dr. Gregor Gysi. Auf die Frage, wie die AfD aufzuhalten sei, misst er der Union eine „historische Verantwortung“ bei. Nach den Bundestagswahlen 2017 müsse die CDU/ CSU in die Opposition geschickt werden und wieder konservativer werden. Dann könne sie einen Teil der AfD-Wähler inte- grieren, eine Aufgabe, die keine andere Partei erledigen könne. Gleichzeitig müsse Die Linke die SPD von links unter Druck set- zen, damit sie wieder sozialdemokratischer werde. „Wenn dann eine rot-rot-grüne Nach getaner Arbeit folgte am ersten Abend der schon traditionelle Besuch in der „Ständigen Vertretung“, Regierung die sozialen Fragen deutlich bes- kurz: StäV, an deren Wände hunderte von Fotos und Dokumenten aus der Zeit der Bonner Republik und ser löst, erledigt sich die AfD zum Teil von der Jahre in Berlin seit dem Regierungsumzug hängen: ein politisches Lese- und Bilderbuch. Hier gab es selbst“, meint Gregor Gysi. Und er mahnt: Gelegenheit zum geselligen Beisammensein und Austausch zwischen den Verbandsvertretern. „Wenn in Deutschland der Rechtsruck gestoppt wird, sendet dies auch ein wichti- >>

unitas 4/2016 299 Weitere Gesprächspartner: (linkes Bild) Der Vorsitzende der CDU/CSU-Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung Dr. [rechts daneben der stv. AGV-Vorsitzende Alexander Drees und die AGV-Pressereferentin Bsr. Petra Lammerding]; (rechtes Bild) der Linken-Politiker Dr. Gregor Gysi.

ges Signal nach ganz Europa. Wenn Köpenick. Eine Absicherung auf einem stützung gewinne, wie sich große Teile der Deutschland es nicht schafft ebenso!“ Listenplatz will er nicht. „Ich will Ratschläge bürgerlichen Mitte radikalisierten, wie die geben in Fragen, die mir wichtig sind, aber Demokratieverachtung wachse und die Das sei keine leichte Aufgabe, aber sie ich will keine Ersatz-Führungsrolle, auch kein Sitten verrohen würden. Sie alle eine die sei unbedingt notwendig, meint der Links- Ministeramt in einer möglichen rot-rot-grü- Angst vor Veränderungen und das Miss- Politiker. Ein Problem sieht er allerdings bei nen Koalition“, stellte Gysi klar. trauen gegen die Eliten. den Grünen, da sie alles offen ließen und sich nicht auf eine Koalition festlegen Im Gespräch mit dem Bundesvorsitzen- Linnemann schloss sich der Meinung wollten. „Das ist ein unglückliches Signal“, den der CDU/CSU-Wirtschafts- und Mittel- der AGV an, dass die Flüchtlingskrise so Gysi. standsvereinigung, Dr. Carsten Linnemann, Gefahren für den Sozialstaat mit sich brin- machte der Paderborner Abgeordnete klar, ge. „Ich sehe durchaus das Risiko, das wir Bestimmte konservative Werte dass die AfD Ausdruck für einen allgemei- uns nur noch mit Flüchtlingsfragen be- sind in Merkel nicht verwurzelt nen Vertrauensverlust in das politische schäftigen und andere wichtige Politik- Establishment und die Eliten sei. Die Flücht- bereiche auf der Strecke bleiben“, stellte der Die Rolle von Bundeskanzlerin Merkel in lingskrise sei nur das Ventil, den aufgestau- CDU-Politiker heraus. Es werde etwa leicht der Flüchtlingsfrage sieht Gregor Gysi kri- ten Druck abzulassen. „Die Angst vor dem vergessen, dass eine starke Wirtschaft tisch. Dass Merkel in der CDU gelandet sei, sozialen Abstieg bestimmt mittlerweile das unabdingbar sei, um die Herausforde- sei reiner Zufall. Bestimmte konservative Denken vieler Bürger. Und das hat weitrei- rungen überhaupt finanzieren zu können. Werte seien in ihr nicht verwurzelt. „Sie ist chende Folgen für den Rest der Gesell- bescheiden, nicht eitel, aber überfordert“, schaft“, betonte Linnemann. Die CDU/CSU Auch Carsten Linnemann ist der An- sagte der ehemalige Fraktionsvorsitzende. müsse die Sachlage deutlich ansprechen sicht, dass eine erneute Große Koalition Sie richte sich oft nach der Mehrheits- und Lösungsoptionen anbieten.„Sonst sind nach der nächsten Bundestagswahl „Gift meinung oder verspreche etwas, das sie die AfD-Wähler für die Union verloren“, für die Demokratie“ wäre. Für die Men- nicht halten könne. Auch beschließe sie warnte der CDU-Politiker. schen gebe es keine erkennbaren Unter- manchmal Dinge über Nacht, womit keiner schiede mehr zwischen den Parteien. „Es gerechnet habe. Er kritisiere nicht Merkels Kein Verständnis für den Streit besteht die Gefahr, dass wir die politische Satz »Wir schaffen das«, sondern dass sie zwischen CDU und CSU Mitte verlieren. Die CDU muss wieder ihr die Voraussetzungen dafür nicht geschaf- eigenes Profil schärfen“, forderte der MIT- fen habe. Die Flüchtlingsproblematik hat nach Vorsitzende. Er würde eine schwarz-gelbe Auffassung des MIT-Vorsitzenden das Koalition bevorzugen. Angela Merkel habe die AfD insofern Potenzial, die Union zu spalten. Für die ermöglicht, als sie die Union „sozialdemo- Streitigkeiten zwischen CDU und CSU zeig- Jeden Tag ein neuer Shit-Storm kratisiert“ habe. Gerhard Schröder und te er keinerlei Verständnis. Zu den sinken- seine Nachfolger hätten die SPD „entsozial- den Umfragewerten der Union sagte er: Zum Abschluss des gut einstündigen demokratisiert“. Beide Partner in der Gro- „Zwar gab es schon in der Vergangenheit Gedankenaustauschs brachte Carsten ßen Koalition seien so zur Mitte „zusam- Themen, die bei unseren Stammwählern Linnemann seine Sorge über die zuneh- mengerückt worden“. Links davon gebe es auf wenig Gegenliebe stießen, wie bei- mende Schärfe der Auseinandersetzungen Die Linke, am rechten Rand fülle nun die AfD spielsweise der Umgang mit der Euro- im Internet zum Ausdruck. „Und es wird die entstandene Lücke. Staatsschuldenkrise“. „Doch viele spüren, immer schlimmer. Jeden Tag gibt es einen dass es dieses Mal nicht nur um eine neuen Shit-Storm“, sagte der Abgeordnete. Im Blick auf seine künftigen Pläne drängt Richtungsentscheidung, sondern um eine Bei Facebook und Twitter lese man offenen Gregor Gysi nicht wieder in die erste Reihe. existenzielle Frage geht – nämlich um die Hass und Morddrohungen – „eine Debat- Der Achtundsechzigjährige kandidiert noch Aufrechterhaltung unserer staatlichen Ord- tenkultur am Abgrund“. Es müssten neue einmal für den nächsten Bundestag als nung“, sagte Linnemann. Es sei bedrohlich, Wege gefunden werden, die Menschen Direktkandidat im Wahlkreis Treptow- wie schnell die Protestbewegung an Unter- wieder an die Politik zu binden.

300 unitas 4/2016 Für die nächste Ge- sprächsrunde ging es ins Jakob-Kaiser-Haus des Deutschen Bundes- tags zum Chef der CDU/CSU-Bundestags- fraktion Volker Kauder. Im Blick auf die AfD for- derte auch er eine Profil- schärfung seiner Partei. Er glaubt, dass die Union Teile der AfD-Wähler zu- rückgewinnen könne, wenn sie glaubwürdig vermittle, dass sie Sicher- Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Volker Kauder (5. von links), klagte über das Fehlen von heit und Ordnung im Vertretern eines politischen Katholizismus im Deutschen Bundestag. Land wiederherstellen kann. Vor allem verwies er auf die christlich- abendländische Tradition der Christde- Volker Kauder macht sich seit vielen freiheit dort bedroht, wo eine Konversion mokraten und betonte, die CDU müsse das Jahren dafür stark, dass der Einsatz für in eine andere Religionsgemeinschaft christliche Menschenbild weiter in den Religionsfreiheit – insbesondere gegen die nicht erlaubt ist und wo es keinen aus- Mittelpunkt ihres Handelns stellen, statt weltweite Diskriminierung und Verfolgung reichenden staatlichen Schutz mehr gibt, darüber zu diskutieren, ob die Partei ihre von Christen – zu einem wichtigen Be- etwa im Irak und in verschiedenen Staaten konservativen Wurzeln ausreichend pflege. standteil der deutschen Außenpolitik und Afrikas. „Die CDU ist keine konservative Partei, son- Entwicklungshilfe wird. Für sein Engage- dern sie hat konservative, liberale und ment hat er 2014 sogar den päpstlichen Christen in Flüchtlingsheimen christlich-soziale Elemente. Gregorius-Orden verliehen bekommen. Die belästigt und beleidigt AGV arbeitet zurzeit an einem Positions- Politischer Katholizismus fehlt papier zum Thema »Bedrängte und verfolg- Nach Berichten befragt, wonach Chris- im Bundestag te Christen« und erhoffte sich wichtige ten auch in deutschen Flüchtlingsheimen Impulse von der Diskussion mit dem CDU- vermehrt Opfer von Übergriffen und Belei- Die Christlich-Demokratische-Union sei Fraktionsvorsitzenden. digungen durch muslimische Mitbewohner immer eine sozial ausgerichtete Partei ge- und Wachleute werden, gestand der CDU- wesen. Er gestand allerdings zu, dass sie in Ohne Religionsfreiheit gibt es Politiker zu, dass es solche Fälle gebe. den letzten Jahren eine stärkere wirt- keine wirkliche Freiheit Bisher liege aber noch kein faktenfester schaftsliberale Ausrichtung bekommen Überblick vor. Dabei betonte Kauder aller- habe, vor allem durch jüngere Mitglieder. Volker Kauder betonte, dass nirgendwo dings,„dass es sich hier um eine ganz ande- „Vielleicht liegt darin auch der Eindruck auf der Welt wirkliche Freiheit existiere, re Dimension von Übergriffen handele im begründet, die CDU kümmere sich nicht wenn es keine Religionsfreiheit gebe. Er ver- Vergleich zu denen, wie wir sie in den ver- mehr genügend um die Kleinen Leute“, wies darauf, dass nach neuesten Schät- gangenen Jahren etwa in Indien oder in meinte Volker Kauder. In diesem Zu- zungen der Hilfsorganisation Open Doors, Pakistan erlebt haben“. Aber so weit wie sammenhang beklagte er, dass der politi- die sich den Schutz von Christen zur dort dürfe es natürlich in unserem Land nie sche Katholizismus im Deutschen Bun- Aufgabe gemacht hat, weltweit deutlich kommen. destag „dramatisch“ fehle, es gebe kaum über 100 Millionen Christen in über 50 noch Leitfiguren und die Stimme der katho- Ländern aufgrund ihres Glaubens diskrimi- „Solche Vorgänge sind auch von unse- lischen Verbände sei nur noch schwach zu niert, bedrängt oder gar verfolgt werden. rem Staatsverständnis her unerträglich“, vernehmen. Nach seiner Meinung ist die Religions- stellte Kauder heraus. Neben dem Staat >>

Kauder glaubt, dass die CDU sich künf- tig verändern wird. Durch die zunehmende Säkularisierung unserer Gesellschaft könn- ten immer mehr Menschen mit dem „C“ nicht mehr viel anfangen, dies gelte vor allem für die neuen Bundesländer. Die CDU sei schon immer eine pragmatische Partei. Sie habe zwar ein Leitbild auf der Grund- lage des christlichen Menschenbildes, sei aber ansonsten ideologiefrei. „Deshalb eig- nen wir uns nicht für die Opposition; wir wollen mit gestalten“, so Kauders Schluss- folgerung.

Beim Parteinachwuchs fehlt dem Fraktionsvorsitzenden vielfach das Wissen über die Grundlagen und die Identität der Partei.„Hier bräuchten wir so etwas wie die Fuxenstunden in den Studentenverbindun- gen, wo dieses vermittelt würde“, meinte Volker Kauder (rechts) mit dem stv. AGV-Vorsitzenden Alexander Drees. der CDU-Politiker.

unitas 4/2016 301 Links: Besonders interessant war der Besuch im Parlamentsbüro der BILD-Zeitung. Hier konnten die Teilnehmer des AGV-Dialog- programms zunächst die tägliche Schaltkonferenz mit den Außen- redaktionen in verschiedenen deutschen Städten verfolgen.

Unten: Anschließend wurden die Studenten von der Chefredakteurin der BILD-Zeitung, Tanit Koch, begrüßt, die sich als Mitglied der Tübinger Studentenverbindung „Akademische Gesellschaft Stutt- gardia“ outete. Danach stand der Leiter der Parlamentsredaktion, Ralf Schuler (Bildmitte im grauen Jackett), noch für ein Gespräch über aktuelle politische Fragen zur Verfügung.

sieht er Heimbetreiber, Wachdienste und Zurückhaltend zeigte sich Kauder hinge- Fehler. Abgesehen davon würden viele Wäh- Ehrenamtliche in der Verantwortung, ge- gen bei der Forderung, Flüchtlinge nach ler nach elf Jahren Amtszeit einen personel- gen solche Missstände vorzugehen. Bei der Religionszugehörigkeit zu trennen. „Die len Wechsel anstreben. Einen innerpar- sorgfältigen Auswahl des Wachpersonals Menschen, die zu uns kommen, müssen ler- teilichen Putsch gegen die Kanzlerin erwar- sollte nicht nur auf fachliche Qualifizierung nen, anderen Kulturen, Überzeugungen oder tet er nicht. „Die CDU wird mit Merkel bis geachtet werden, sondern möglichst auch auch dem anderen Geschlecht mit Respekt zum bitteren Ende gehen“, so seine Prog- auf eine gemischte Zusammensetzung. zu begegnen“, forderte der CDU-Politiker. nose. Der CDU könne es eigentlich ganz „Wo Männer und Frauen, Christen und recht sein, wenn es eine überschaubare AfD Muslime, Araber und Europäer gemeinsam Der nächste Weg führte ins Axel- in den Parlamenten gebe, da so die rechneri- für Ordnung sorgen, ist die Gefahr wesent- Springer-Haus, wo ein Besuch im BILD- schen Chancen für Rot-Rot-Grün geringer lich geringer, dass einzelne Gruppen Parlamentsbüro anstand. Zunächst beka- würden zugunsten einer Machtoption für bedrängt werden“, so der Unionsfraktions- men die Teilnehmer des AGV-Seminars die Union. chef. Nur wenn die Verantwortlichen interessante Einblicke in die Redaktions- „Flagge zeigten“ und im Zweifel auch tätig arbeit und konnten die tägliche Schalt- Große Koalitionen stärkten die Ränder; würden, könnten die Flüchtlinge von An- konferenz mit Korrespondenten in anderen Österreich sei das mahnende Beispiel, so fang an Vertrauen in die staatlichen Insti- deutschen Städten mitverfolgen, bei der Schuler. Der Nichtwähleranteil sei unter tutionen entwickeln. Kritik an der aktuellen Ausgabe und Vor- Angela Merkel gestiegen und werde nun schläge für Themen der nächsten Zeitung wieder aktiv für die AfD, der man die Konkrete Zeichen christlicher vorgebracht werden konnten. Nach einer Denkzettel-Funktion eher zutraue als ande- Solidarität setzen Begrüßung durch die Chefredakteurin der ren Parteien. „Politiker vermitteln heute oft BILD-Zeitung Tanit Koch – die sich als den Eindruck, das Volk störe sie beim Er könnte sich auch vorstellen, dass sich Mitglied der Tübinger Studentenverbin- Regieren, statt das Gefühl zu geben, dass Kirchengemeinden und auch die katholi- dung Akademische Gesellschaft Stuttgardia die Menschen ernst genommen und ihre schen Verbände noch intensiver gerade um outete – stand dann der Leiter der Interessen vertreten werden“, begründete christliche Flüchtlinge in den Unterkünften Parlamentsredaktion Ralf Schuler für ein Ralf Schuler die Auflösung der Stamm- kümmern, indem sie vor Ort Präsenz zei- Gespräch über aktuelle politische Fragen wählerschaft der etablierten Parteien. gen, Ansprechpartner sind und so deutlich zur Verfügung. machen, dass die Christen in Flüchtlings- Die BILD-Zeitung habe sich mit der heimen nicht allein sind. „Dies wäre ein Merkel sei derzeit die Projektionsfläche Flüchtlingskrise ziemlich schwergetan. Das konkretes Zeichen christlicher Solidarität“, für allen Politikverdruss. Ihre Flüchtlings- Blatt möchte grundsätzlich ja oder nein, so der engagierte evangelische Christ. politik hält der Merkel-Experte für einen schwarz oder weiß zu einem Sachverhalt

302 unitas 4/2016 (Linkes Bild):Prälat Dr. Karl Jüsten (rechts) informierte über die Aufgaben des Katholischen Büros. Links daneben: der AGV-Vorsitzende Bbr. Moritz Findeisen. (Rechtes Bild): Die Teilnehmer des Dialogprogramms konnten auch an der Messe teilnehmen, zu der Prälat Jüsten in regelmäßigen Abständen Abgeordnete des Deutschen Bundestags in die Kapelle des Katholischen Büros einlädt.

sagen, die Flüchtlingsfrage verlange aber Kirchen sind für die Politik der Sterbehilfe und aktuell die konkrete auch Grautöne. Im Nachhinein bedauerte wichtige Ansprechpartner Unterstützung bei der Unterbringung von Schuler, dass die BILD wie auch die meisten Flüchtlingen. „Beide großen Kirchen sind anderen Medien blindlings auf den Will- Aber der Schwerpunkt der Aktivitäten Stützen der Demokratie, weil sie in ihren kommenskultur-Hype aufgesprungen sei. des Katholischen Büros besteht aus hand- Gemeinden Werte vermitteln, auf die die „Alles andere hätte aber zu einer Stigma- fester politischer Arbeit, bei der Jüsten etwa Gesellschaft angewiesen ist“, so der Leiter tisierung als Hetzer geführt“, rechtfertigte ein Dutzend Mitarbeiter unterstützen. Sie des Katholischen Büros. er diese Haltung. arbeiten mit den Referenten in den Minis- terien und mit den Bundestagsabge- Sein Mandat hat Jüsten von den deut- Fremdes wird als Gefahr ordneten zusammen, besuchen die Sit- schen Bischöfen bekommen. Die Arbeit ist empfunden zungen der Parlamentsausschüsse, schrei- geleitet von der Vorstellung, dass die katho- ben Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen. lische Kirche in Deutschland dem Gemein- Die Flüchtlingsfrage lässt sich nach Die Themen reichen von ethischen Fragen wohl im Ganzen verpflichtet ist und sich in Schulers Meinung nicht aussitzen und in am Anfang und Ende des Lebens über diesem Sinne in den politischen Meinungs- den Hintergrund des Interesses verbannen, Sozial-, Familien-, Renten- und Bildungs- bildungsprozess einbringt. da sie den Menschen tagtäglich präsent politik bis zu Menschenrechtsfragen, werde. „Dieses Problem spricht archaische Entwicklungszusammenarbeit und Ener- Der nächste Gesprächspartner war Dr. Gefühle und tiefliegende psychologische giewende. „Bei vielen Entscheidungen sind Bernhard Felmberg, Unterabteilungsleiter Sensoren im Menschen an, der Fremdes die Kirchen für die Politik nach wie vor im Bundesministerium für wirtschaftliche zunächst als Gefahr empfindet“, betonte wichtige Ansprechpartner“, bemerkte der Zusammenarbeit und Entwicklung. Auch der Leiter des Parlamentsbüros. Prälat aus dem Rheinland. Das gelte vor hier war die Flüchtlingskrise eines der allem für ethische Fragen wie die Regelung Themen. Felmberg verwies darauf, dass >> Das Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin gehört schon zu den ständigen Anlaufpunkten der AGV-Dialogprogramme in der Bundes- hauptstadt. Dessen Leiter, Prälat Dr. Karl Jüsten (KV), hatte die Studenten zur Teil- nahme an der regelmäßig stattfindenden Messe mit Bundestagsabgeordneten und im Anschluss daran zu einem Gespräch ein- geladen. Der „Cheflobbyist der deutschen Bischöfe“ – er selbst hört diese Bezeich- nung nicht so gerne, sondern bezeichnete sich in dem Gespräch als „Lobbyist für den lieben Gott und den Menschen“ – will nicht in eine Reihe gestellt werden mit Interes- senvertretern einer bestimmten Klientel wie etwa bei der Pharma- oder Banken- lobby. „Wir kämpfen dafür, dass die Ge- sellschaft menschlicher wird.“ Darüber hinaus ist Prälat Jüsten die Seelsorge wich- tig; er versteht sich als Pfarrer für alle, die in der Politik aktiv sind. Dazu gehört auch der schon erwähnte regelmäßige Gottesdienst Ministerialdirigent Dr. Bernhard Felmberg aus dem Entwicklungshilfeministerium informiert mit den Abgeordneten. über die deutschen Leistungen zur Ursachenbekämpfung für die Flüchtlingswelle.

unitas 4/2016 303 Deutschland zu den größten Gebern ge- höre. „Alleine in diesem Jahr werden wir rund drei Milliarden Euro an Hilfsgeldern zusagen, um die Situation der Flüchtlinge in den Nachbarländern zu verbessern“, erklärte er. Man wolle damit einen wichti- gen Schritt zur Fluchtursachenbekämpfung leisten. Ein Auslöser für die Flüchtlings- welle im letzten Jahr sei vor allem die Kürzung der UN-Lebensmittelhilfe für die Menschen in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer gewesen. Die Not habe viele der Flüchtlinge veranlasst, sich weiter auf den Weg nach Europa zu machen. „Die Weltgemeinschaft hat hier versagt“, klagte Felmberg an.

Er prognostizierte für die kommenden Jahrzehnte eine noch viel größere Migra- tionsbewegung als heute. In Afrika würden 2030 voraussichtlich doppelt so viele Men- schen leben, als es aktuell der Fall sei. „Da Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Caren Marx, kommt eine Riesenherausforderung auf un- will die Partizipation Jugendlicher an der Politik fördern. seren alten Kontinent zu“, sagte Bernhard Felmberg voraus. Hier müsse auch die Ent- wicklungshilfe vorausschauend ansetzen. und Jugend (BMFSFJ) mit der Parlamenta- Parlamentarische Staatssekretärin. Es gebe Die Rolle der Religionen in der Ent- rischen Staatssekretärin (SPD) zwar gute Gründe, keine gesetzliche Wahl- wicklungspolitik, die – so der Ministerial- statt. Hier richteten die Fragen der Stu- pflicht einzuführen. Dennoch sei es wich- beamte – in der Vergangenheit lange stief- denten sich zunächst auf die Jugendpolitik: tig, selber eine Bürgerpflicht zu entwickeln, mütterlich behandelt worden sei, habe unter „Was macht die Bundesregierung für unse- wählen zu gehen und sich einzubringen. Minister Dr. Gerd Müller wieder größere re Generation? Marks gestand ein, dass die „Dies muss man mit den jungen Leuten im Bedeutung gewonnen. Er verwies auf das Pa- Jugend aufgrund „demografiestrategi- Dialog klären“, so Caren Marks. pier Religionen als Partner in der Entwick- scher“ Überlegungen bisher nur eine unter- lungszusammenarbeit, das vom gesamten geordnete Rolle gespielt habe. Doch dies Auch im Familienministerium ist die Ministerium erarbeitet wurde. soll sich jetzt ändern: „Die Partizipation Flüchtlingsfrage ein großes Thema.„Im ver- Jugendlicher soll stärker gefördert wer- gangenen Jahr sind über 50.000 unbeglei- Religionen beeinflussen Denken den“, kündigte die Sozialdemokratin an. tete Jugendliche unter 18 Jahren nach und Handeln der Menschen Neben den schon bestehenden Kontakten Deutschland gekommen, die unabhängig zu den Jugendverbänden, die im Bundes- von einem positiven Asylbescheid ein 80 Prozent der Weltbevölkerung sind jugendring zusammengeschlossen sind, Grundrecht auf Verbleib haben. Hier sei die religiös. Bernhard Felmberg folgerte daraus, habe das Ministerium eine Arbeitsgruppe Familien- und Jugendhilfe gefordert. „Das dass die Religion das Denken und Handeln eingerichtet, in der Jugendliche für sie rele- mit zwölf Millionen Euro ausgestattete der meisten Menschen beeinflusse. „In vie- vante Themen benennen sollen, die dann in Bundesprogramm, das bis 2018 durchge- len Ländern – gerade in Entwicklungslän- die politische Arbeit einbezogen würden. führt wird, trägt ganz konkret dazu bei, die dern – genießen Religionsvertreter ein deut- Unter dem Stichwort »Jugendbrille« sollen Lebenssituation von jungen Flüchtlingen in lich höheres Vertrauen als der Staat“, stellte Gesetzesvorhaben auf ihre Relevanz im Deutschland zu verbessern“, erläuterte der evangelische Theologe und ehrenamtli- Blick auf die Zielgruppe Jugendliche unter- Caren Marks. So werde nicht nur eine che Sportpfarrer von Hertha BSC fest. Reli- sucht werden, wobei auch die anderen Willkommenskultur in Deutschland beför- gionen erreichten die Menschen mit ihren Ministerien beteiligt würden. dert, sondern mit dem Programm würden Netzwerken auch dort noch, wo es längst auch die Kommunen bei der Wahrneh- keine staatlichen Strukturen mehr gebe. Seit „Die Jugendzeit ist eine sehr prägende mung ihrer gesetzlichen Aufgaben unter- Jahrhunderten leisteten die Religionsge- Phase im Leben der Menschen“, hob Caren stützt. meinschaften in Afrika den wichtigsten Marks hervor. Daher müsse man sich insbe- Beitrag zur sozialen Grundsicherung. sondere der Zielgruppe der jungen Er- Im Zusammenhang mit der Flüchtlings- wachsenen annehmen. Wer sich in der diskussion verwies Marks auf Teile unserer Felmberg gestand zu, dass Religion Jugend engagiere, übernehme auch später Gesellschaft, die sich benachteiligt fühlten, auch Teil des Problems sein könne, etwa im Leben Verantwortung. wenn Geld für die Flüchtlinge ausgegeben wenn sie von Machthabern zur Recht- werde. „Solche Ängste – auch wenn sie un- fertigung von Kriegen verwendet, Frauen Defizite in der politischen Bildung begründet sind – müssen von den Poli- unter Berufung auf religiöse Vorschriften und im Demokratieverständnis tikern gehört und ernst genommen wer- unterdrückt oder Minderheiten verfolgt den“, forderte die SPD-Politikerin. Das würden. „Aber überall, wo Religion Teil des Die Tatsache, dass viele jüngere Bundes- Schwarz-Weiß-Denken müsse im kommen- Problems ist, muss sie auch Teil der Lösung bürger ihr Wahlrecht nicht wahrnehmen, den Wahlkampf durchbrochen werden. sein“, stellte Bernhard Felmberg fest. Daher ist für die Sozialdemokratin nicht zuletzt seien der Dialog und die Zusammenarbeit auf Defizite in der politischen Bildung und Integriert in das AGV-Dialogprogramm mit den Religionen unerlässlich. im Demokratieverständnis zurückzuführen. war die Teilnahme an einer hochrangig „Jugendliche tragen die Verantwortung, besetzten Diskussionsveranstaltung, die Ein neuntes Gespräch fand im Bundes- sich in demokratische Prozesse und die unter dem Titel Gerechtes Wachstum welt- ministerium für Familie, Senioren, Frauen Willensbildung einzubringen“, forderte die weit – wie gestalten wir unseren Wohlstand

304 unitas 4/2016 neu? vom Sachbereich Wirtschaft und Soziales des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) am 21. September 2016 im Haus der deutschen Wirtschaft in Berlin durchgeführt wurde. Unter der Moderation der Sprecherin des Sachbereichs, Hildegard Müller, diskutierten Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, die Vorstands- sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Tanja Gönner, der Vorsitzende des Sach- verständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, sowie der Präsident der Hochschule für Philosophie in München, Prof. Dr. Johannes Wallacher. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, Hochrangig besetzt war auch das Podium der vom ZdK ausgerichteten Diskussionsveranstaltung im welches Wachstum heute angesichts der „Haus der deutschen Wirtschaft“ zu Fragen eines gerechten Wachstums in einer globalisierten Welt: Herausforderungen von Globalisierung, (Von links) Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, Hildegard Klimawandel und weltweiter Ressourcen- Müller, Tanja Gönner sowie Prof. Dr. Johannes Wallacher. knappheit möglich oder nötig ist und wie ein gerechtes, nachhaltiges Wachstum weltweit gestaltet werden kann. beispielweise zu Klima oder Handel, an verbände näherzubringen, wurde als wich- In einem Impuls zu Beginn der Ver- gemeinsamen Zielen orientierten. tige Erfahrung gewürdigt. anstaltung forderte Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble dazu auf, bei der Positive Resonanz Hervorgehoben wurde auch die Mög- Debatte über die Globalisierung insbeson- lichkeit, die Vororte der anderen Verbände dere den Blick auf die Ärmsten der Welt zu Am Ende des dreitägigen Seminars war zu Beginn ihrer Amtszeiten intensiver ken- lenken. Bei allen Fortschritten der Armuts- das Fazit der Teilnehmer durchweg positiv. nenzulernen und sich mit ihnen auszu- bekämpfung könne er verstehen, dass es Die Gespräche hätten zahlreiche Impulse tauschen. als ungerecht empfunden werde, wenn für die eigene Arbeit in den Verbänden einige wenige in kürzester Zeit zu unglaub- gegeben, insbesondere das Thema „Flücht- So stand am Ende des Seminars der lichem Reichtum gelangen könnten, wäh- lingskrise“, das sich wie ein roter Faden herzliche Dank der Teilnehmer an den rend vielen das Minimum zur menschen- durch fast alle Diskussionen zog, und das Vorstand der AGV für die gute Vorbe- würdigen Existenz fehle. Ziel müsse sein, Thema „Bedrängte und verfolgte Christen“, reitung, die exzellente Auswahl der Ge- gerechtes Wachstum, mehr Wohlstand, zu dem die AGV aktuell ein Positionspapier sprächspartner und die reibungslose mehr Freiheit und mehr Recht für alle zu erarbeitet. Durchführung. Das nächste Dialogpro- schaffen. gramm wird voraussichtlich im Frühjahr Die prominenten Gesprächspartner 2017 in Frankfurt stattfinden und soll die Ein gerechtes Wachstum braucht „hautnah“ im direkten Gegenüber zu erle- Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz Regeln und Institutionen ben und ihnen die katholischen Studenten- einbeziehen.

In der Debatte war sich das Podium einig, dass es bei der Frage nach der Ge- staltung von Wachstum im Kern um die Die Arbeitsgemeinschaft Frage nach dem Nutzen für die Menschen katholischer Studentenverbände (AGV) e.V. gehen muss, wo und wie Wachstum wirk- lich zur Erweiterung der Handlungsmög- Die AGV ist der Zusammenschluss der Verbände CV, KV, UV, RKDB und TCV. Die lichkeiten für die Menschen beiträgt. Der Vertretungsverantwortung liegt bei den Vorortspräsidien / Ringpräsidium der Weg zu gerechtem und nachhaltigem Mitgliedsverbände. Wachstum führe nur über klare Regeln und handlungsfähige Institutionen. Es gelte Sie repräsentiert in ihren Mitgliedsverbänden knapp 10.000 Studierende. nicht auf Wachstum zu verzichten, sondern den Prozess zu gestalten. Gerade für die Sie ist Plattform für den Austausch zwischen den Verbänden und für gemein- ärmsten Regionen der Welt sei, im Gegen- sames Auftreten (z.B. bei Katholikentagen). satz zu den Industrieländern, ein Wachstum zur Reduzierung von Armut notwendig. Sie vertritt gemeinsam erarbeitete Positionen gegenüber Staat, Kirche, Hochschule und Gesellschaft. Dazu dienen unter anderem Dialogprogramme auf Einig waren sich die Gesprächspartner Bundes- und Länderebene. auch in der Überzeugung, dass es ange- sichts der unterschiedlichen geschicht- Sie unterstützt die Mitgliedsverbände bei ihren pastoralen Bemühungen mit dem lichen Erfahrungen und Wertevorstellun- überverbandlichen Angebot der Studenten-Wallfahrten. gen weltweit kein einheitliches Wachs- tumsmodell geben könne. Es komme aus- Sie will mit einer engagierten Öffentlichkeitsarbeit für christliche Wertvor- drücklich auf die Entwicklung dezentraler stellungen werben und durch sachliche Information immer noch bestehende Entwicklungskonzepte an und darauf, eine Vorurteile gegen die katholischen Korporationen abbauen. Reihe „sozialer und ökologischer Markt- wirtschaften“ zu schaffen, die sich durch Mehr: www.agvnet.de internationale, verbindliche Abkommen,

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