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Samstag, 20. September 2008 REPORTAGE UND HINTERGRUND 7

BERLIN INTERN r Von Martin Ferber Warum Europa Bush noch nachweinen wird ls Fußballspieler beim TuS Talle Awar Gerhard Schröder einst ge- Politikprofessor Stephan Bierling analysiert den Wettlauf um das Weiße Haus fürchtet, bei Mitspielern wie Geg- nern. Mit Brachialgewalt setzte sich Von Gerald Schneider Vizepräsidentschaftskandidaten: der spätere Kanzler durch, und weil McCain hat ja eine völlig unerfahre- kein Grashalm auf dem anderen merika wählt. Am 4. Novem- ne Frau in dieses Amt berufen; das blieb, erwarb er sich den wenig ber entscheiden die US-Bür- ist eine Konterkarierung seiner schmeichelhaften Spitznamen Ager über die Nachfolge von Kompetenzkampagne. Obama hat „Acker“. Sein Zögling Frank-Walter US-Präsident George W. Bush. Der einen der am längsten dienenden, Steinmeier hingegen, der in seiner Wechsel an der politischen Spitze erfahrensten Senatoren benannt Jugend beim nur 15 Kilometer ent- der Supermacht hat Einfluss auf die und das nimmt den Vorwürfen der fernten TuS 08 Brakelsiek kickte, ganze Welt. Wir sprachen mit Ste- Unerfahrenheit die Spitze. Zudem war eher für die Defensivarbeit phan Bierling über die Lage in den geht es jetzt mehr um die Frage, wer zuständig. Damals trug der Vize- USA wenige Wochen vor der Ab- Amerika in diesen schwierigen Zei- kanzler und Kanzlerkandidat der stimmung. Bierling ist Professor für ten weiterführen kann. SPD den Spitznamen „Prickel“. internationale Politik und transat- Warum ist in den vergangenen Doch keiner weiß mehr, wie es dazu lantische Beziehungen an der Uni- Wochen die „Obamania“ so spürbar kam. Als der TuS 08 vor wenigen versität Regensburg. abgeebbt? Tagen im Beisein Steinmeiers sein Bierling: Das ist ganz normal. 100-jähriges Vereinsjubiläum feier- Herr Professor, ist das Rennen Obama hat sehr stark einen persön- te, konnten weder seine Klassenka- um das Weiße Haus schon gelaufen? lichkeitszentrierten und emotiona- meraden noch seine Fußballfreunde Bierling: Nein, ganz bestimmt len Wahlkampf geführt. Damit war diese Frage beantworten. Nicht ein- nicht. Alle Umfragen zeigen, dass es er in den Vorwahlen sehr erfolg- mal sein einstiger Trainer Ernst Null äußerst knapp ist. Letztlich dürfte reich. Jetzt geht es aber darum, konnte sich erinnern. Und auch aber Obama doch die besseren konkrete Antworten auf Themen zu Steinmeier selbst gab offen zu, er Chancen haben. bieten, und das hat er auch schon wisse es nicht mehr. „Vielleicht“, Welche Themen werden den bei seiner Abschiedsansprache bei meinte er achselzuckend, „weil je- Wahlkampf entscheiden? der Parteiversammlung in Denver mand einen festen Schuss auf den Bierling: Die Wirtschaft, die getan. Er ist sehr viel konkreter Oberschenkel abbekommen hat – Wirtschaft und die Wirtschaft. Wir geworden, und dadurch verliert er und es danach geprickelt hat.“ sehen ganz deutlich, dass außenpo- natürlich etwas den Nimbus des litische Themen weit in den Hinter- Emotionalisierers, des Show-Stars *** grund rücken. 20 Prozent der Ame- und muss sich die Hände ein biss- uido Westerwelle ist ein begehrter rikaner sagen, außenpolitische The- chen schmutzig machen. Wenn es GMann. Auf einmal wieder. Plötz- men wie der Irakkrieg oder die Be- ihm gelingt, die Amerikaner zu lich kann sich der smarte FDP-Chef kämpfung des Terrorismus sind die überzeugen, dass er trotz seiner Un- vor Angeboten kaum mehr retten. wichtigsten Themen. Aber fast 70 erfahrenheit der bessere Mann ist, will mit ihm, was Prozent sind der Meinung, dass Fra- ist er der nächste Präsident. Westerwelle gar nicht bestreitet gen wie drohende Rezession, die Fi- Worauf muss sich Europa nun („Frau Merkel und ich wären mut- nanzmarktkrise oder die Immobili- einstellen? maßlich ein schönes Paar“), aber enkrise die zentralen Themen dieses Bierling: Auf schwierigere Zei- auch die neue SPD-Spitze macht Wahlkampfs sein sollten. ten. Die Europäer hatten es unter ihm in aller Offenheit den Hof, was Welcher der beiden Kandidaten dem unbeliebten George W. Bush beim Chef-Liberalen hingegen deut- hat die besten Antworten auf diese sehr gut, weil sein Ansehen in Euro- Stephan Bierling ist Professor für internationale Politik an der Uni Regensburg. lich wenig Begeisterung auslöst. Im- Herausforderungen, Barack Obama pa zu niedrig war, um den Europä- merhin, Berührungsängste habe er oder John McCain? beiden Kandidaten Patentlösungen rend einer republikanischen Amts- ern etwas abfordern zu können. Das nicht, gab Westerwelle zu, eben erst Bierling: Keiner. Beide fallen zu erwarten. zeit ausgebrochen. Damit werden wird mit einem neuen Präsidenten habe er neben Gregor Gysi, dem zurück in alte stereotype Antworten Wie sehr beeinflusst der neuerli- die Republikaner dafür verantwort- ganz anders sein. Der wird die Eu- Fraktionschef der Linkspartei, im ihrer Parteien, wie die Wirtschaft che Höhepunkt der internationalen lich gemacht. Davon wird Obama ropäer etwa in der Frage Afghanis- Flugzeug gesessen, als sie beide von wiederzubeleben ist. McCain gibt Finanzmarktkrise mit Bankenplei- profitieren. tan oder bei der Frage Druck auf Wahlkampfauftritten in Bayern zu- sich im Grunde in der Tradition von ten und Verstaatlichungen den McCain gegen Obama, das heißt Russland ganz anders in die Pflicht rück nach geflogen seien, er- Ronald Reagan und ist für Steuer- Wahlkampf? zugleich Erfahrung gegen Neuan- nehmen, als es sein Vorgänger noch zählt er. Sie hätten sich gut unter- senkungen – Obama will die Ausga- Bierling: Die Kandidaten müs- fang – welchen Weg wird Amerika tun konnte. halten. Mehr noch, welche Überra- benprogramme ausweiten. Die sen im Grunde fast nur noch Rede nun gehen? Stephan Bierling ist auch Refe- schung: „Das Gespräch ist völlig ge- Probleme sind allerdings von einer und Antwort stehen, was sie in die- Bierling: Beide Kandidaten rent bei der Veranstaltung „Die waltfrei verlaufen.“ Natur, die sozusagen keine wirkli- ser Finanzkrise tun würden. Und versuchen, den Gegensatz von Neu- USA vor der Wahl“ der Akademie *** chen Lösungen anbietet. Man muss letztlich wird diese Thematik na- beginn und Erfahrung zu verkün- für politische Bildung, Tutzing, vom er den Schaden hat, braucht für hier wirklich auf Sicht fliegen, wie türlich Obama zugute kommen. den. Ich denke, diese Gegen- 10. bis 12. Oktober. Weitere Infor- Wden Spott nicht zu sorgen. Fried- es die Bush-Administration auch Beide haben zwar keine großen überstellung verliert ihre Bedeu- mationen und Anmeldung unter bert Pflüger, einst als Mann der Zu- tut. Deshalb wäre es falsch, von Konzepte, aber die Krise ist wäh- tung – das sieht man schon an den www.apb-tutzing.de. kunft gefeierter Nachwuchsstar der CDU, der den siechen Berliner Lan- desverband modernisieren und auf den Jamaika-Tripp bringen wollte, CSU-Tandem zeigt sich erfolgreich in Berlin kann ein Lied davon singen. Erst wurde der Ex-Spitzenkandidat von Beckstein verordnet Biertrinkern Fahrverbot – Huber redet im Klartext seinen eigenen Parteifreunden ruck, Von Hannes Burger der arbeitenden Bevölkerung vor- zuck in die politische Wüste ge- tragen konnte, musste er sich erst schickt, weil er den einflussreichen oweit ist es mit Bayern ge- gegen freche Pöbeleien von Wester- Kreisvorsitzenden im alten Westteil kommen, dass die CSU nach welle und Gysi wehren, die sich gefährlich wurde, nun macht sich Berlin fahren muss, um Plus- zwar nicht ausstehen können, sich auch noch ein Köpenicker Musiker S punkte zu sammeln. Jedenfalls ha- aber an Arroganz und unbegründe- im Internet über den gescheiterten ben diese Woche Ministerpräsident tem Hochmut gegenüber der CSU Christdemokraten lustig. Auf You- Beckstein und Parteichef Huber in gegenseitig noch überboten. tube hat der 29-jährige Barde Ro- Berlin unter der erfahrenen lautlo- Wie die meisten Altbayern erst zu bert Mietzner einen Video-Clip ein- sen Regie von CSU-Landesgruppen- Kampfrednern werden, wenn man gestellt, in dem er den Aufstieg und Chef und dem Par- sie zuvor richtig reizt, so lief auch Fall des Friedbert Pflüger in holpri- lamentarischen Geschäftsführer Erwin Huber im Bundestag zu gen Reimen beschreibt. Sein Re- Hartmut Koschyk ein paar glückli- Hochform auf. Als erstes musste er frain: „Friedbert Pflüger, der Name che Tage erlebt. Erwin Huber war in der Retourkutsche mit einer Re- ist Konzept, er zog als Umweltpflü- schon am Dienstag dabei, als der tourkutsche gegen die zwei Zentra- ger zum großen Staatsbankett, dort frühere Postminister Wolfgang listen sein verfassungsmäßiges Re- holte er sich Rosinen und guten Bötsch zu seinem 70. Geburtstag in derecht als Landesvertreter vertei- Mäusespeck, doch so schnell wie er der bayerischen Vertretung mit gro- digen. Huber wurde aber dann nicht da war, war er auch wieder weg.“ ßem Auftrieb von Prominenz gefei- nur von der CSU-Landesgruppe un- *** ert wurde. Laudator terstützt, sondern erhielt auch zum ie nächste Tankfüllung ist gesi- überbrachte mit vielen Pointen und Inhalt – einschließlich Pendlerpau- Dchert. Axel E. Fischer, der für die Spitzen in feiner fränkischer Ironie CSU-Chef Erwin Huber bei seiner Rede im Bundestag am vergangenen Mitt- schale! – starken Beifall aus der CDU den Wahlkreis Karlsruhe- auch Glückwünsche von Helmut woch. Im Hintergrund sitzt Bundeskanzlerin Angela Merkel. CDU und viele Gratulationen zu sei- Land im Bundestag vertritt, kann Kohl samt dem Auftrag: „Grüßen nem starken Auftritt – auch von der sich wenigstens einmal den teuren Sie mir alle alten Gauner!“ Chef der CSU-Landesgruppe richte- kam Beckstein kaum dazu, auch nur Bundeskanzlerin. Gang an die Zapfsäule sparen. Der Betroffen fühlen konnten sich damit te: „Du hast oft auch der großen eine Maß Bier zu trinken, geschwei- Weniger gut wird Erwin Huber of- Grund: Parviz Shahgazov, der Bot- die Ex-Minister Waigel, Warnke Schwester die Stirn geboten. Das ge denn, seine Promille-Rechnung fensichtlich von seiner Mannschaft schafter der Republik Aserbaid- und Schwarz-Schilling, die amtie- war aber auch noch leichter, als die zu erklären. Er beschränkte sich da- in der Münchner CSU-Landeslei- schan, überreichte dem stellvertre- renden Bundesminister Schäuble Schwester noch ein Bruder war.“ her lieber auf den Rat: „Aber nicht tung unterstützt, die wohl nicht zu tenden Vorsitzenden der CDU-Lan- und Jung, der Unions-Fraktionschef Zum „Bayerischen Oktoberfest in selber ans Steuer setzen, das Auto Unrecht gern von Journalisten als desgruppe Baden-Württemberg, ei- Kauder, Landtagspräsident Glück Berlin“, das seit Jahren ein paar gar nicht anfassen!“ Angela Merkel „toter Briefkasten“ bezeichnet wird. nen Kanister Benzin. Mit diesem und eine Reihe von FDP-Politikern. Tage vor dem Münchner Original in bekam starken Beifall, als sie von In Berlin hatten Peter Ramsauer und symbolischen Akt unterstrich er bei Erwin Huber saß nicht sehr lang mit einem Löwenbräu-Festzelt vor dem Beckstein in überschwänglicher Hartmut Koschyk noch am Vor- einem Gespräch mit Fischer den am Ehrentisch. Er war offenbar mit Roten Rathaus stattfindet, kam Mi- Herzlichkeit begrüßt wurde und den abend bemerkt, dass das ZDF die Willen der Kaukasus-Republik, als dem Kopf schon bei seiner „Jung- nisterpräsident Beckstein im dunk- Wunsch äußerte, ein weiß-blaues Übertragung aus dem Bundestag ge- verlässlicher Öl- und Gaslieferant fernrede“ im Bundestag am nächs- len Trachtenanzug, Frau Marga im Oktoberfest vor dem Roten Rathaus nau zu dem Zeitpunkt abschalten für Mitteleuropa zur Verfügung zu ten Tag – seinem ersten Auftritt dort schwarzen Rock mit gelbem Walk- bräuchte Berlin jeden Tag. wollte, als Erwin Huber drankam. stehen. Fischer unterstrich seiner- als Finanzminister. Aber bevor der janker. Dafür hatten sich viele Mit- Die Kanzlerin hatte mit der Haus- Erst als sie am Morgen General- seits das große Interesse Deutsch- CSU-Vorsitzende heim ging, um an glieder der CSU-Landesgruppe – haltsdebatte im Bundestag einen an- sekretärin Christine Haderthauer lands an einer sicheren und kosten- seiner Rede zu feilen, hat Huber darunter sogar fränkische MdBs – strengenden Tag hinter sich. Dazu als Mitglied des ZDF-Fernsehrates günstigen Energieversorgung. So ge- noch den schönen Satz mitbekom- schon im Bundestag in Trachtenan- gehörte auch Hubers „Jungfernre- aufscheuchten, verlängerte das ZDF sehen ist der volle Kanister Benzin men, den Wirtschaftsminister Glos züge und Dirndl geworfen. de“. Bevor Bayerns Finanzminister die Sendung bis Hubers Rede mit schon mal ein guter Anfang. an Bötsch, an seinen Vorgänger als Ständig von Reportern umringt, sein Steuerkonzept zur Entlastung starkem Beifall zu Ende war.