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DEUTSCHLAND

Tatsächlich steckt die kleine Partei so Doch die Versuche, mehr Profil zu FDP tief wie nie in der Existenzkrise. Und gewinnen, mochten nicht recht fruch- keiner weiß, wie sie zu retten wäre: Die ten. In der Diätenfrage widersetzte sich Liberalen scheinen in der Parteienland- die FDP-Fraktion dem enormen Druck schaft entbehrlich. des Koalitionspartners, aber ihre Stand- Tiefe Narben Ohne Pietät bereiten sich die Grünen festigkeit blieb, wie von Kohl richtig auf den Erbfall vor. Womöglich wird eingeschätzt, weithin unbemerkt. Die Liberalen betteln beim Kanzler: sich auch die PDS in der Bundesrepu- Einen Ersatz für den Kohlepfennig Der soll ihnen ein paar Themen fürs blik langfristig etablieren. Manche in lehnten die Liberalen ab, Waigels Jah- der Koalition sehen bereits, trotz der ressteuergesetz blieb nicht ungeschoren: Profil überlassen. jüngsten SPD-Einbrüche, die von Willy All die kleinen Heldentaten von ge- Brandt beschworene Mehrheit links von stern, die Fraktionschef Hermann Otto ine Lektion wenigstens hat der der Union: „Wenn wir das linke Lager Solms gern in seiner Erfolgsbilanz auf- FDP-Vorsitzende Wolfgang Ger- addieren“, so CSU-Landesgruppenchef zählt, honorierte der Wähler nicht. Ehardt gelernt: Er darf nur ja nicht , „kann uns schon für die Troubleshooter Jürgen Möllemann wie Vorgänger in den Zukunft bange werden.“ legt sich wegen der Gesundheitsreform Ruch geraten, vor zu ku- Die Schreckensrechnung ist zwar so mit dem CSU-Minister schen. Gerhardt, 51, hält sich an seinen unrealistisch wie eine Kooperation von an, die Bauchlandung ist programmiert. Leitspruch: „In der Ruhe liegt die SPD und PDS. Doch furchterregend für Das weiß auch Solms: „Selbst wenn wir Kraft.“ die Unionschristen sind die schwinden- uns nicht durchsetzen, wird die FDP Er brüllt und poltert wenigstens sichtbar.“ nicht wie der choleri- Hauptsache Schlagzei- sche Kinkel, der dann len, das alte Mölle- am Ende im Angesicht mann-Motto. des Kanzlers zu oft klein Das populäre Lieb- beigab. Freundlich und lingsthema der Freide- mit strahlendem Lä- mokraten, Steuersen- cheln, leise, aber be- kung, wirkt angesichts stimmt tritt der Nachfol- der Milliardenlöcher in ger in der Koalitions- Waigels Haushalt eher runde auf. Höflich be- als Traumtänzerei. Ein lehrt er den Kanzler, Erfolg ist kaum vorstell- was nach seiner Ansicht bar. „Die lügen sich mit der FDP geht und doch was in die Ta- was nicht. „Er hat einen sche“, weiß Irmgard eigenen Stil“, begeistert Schwaetzer, die früher sich Generalsekretär die Kassen der FDP ver- , waltete. „die kältesten Sachen Schon betteln die Li- warm einzupacken.“ beralen, die Union solle Letzte Woche ver- ihnen Felder zur Profi- suchte es Gerhardt mal lierung überlassen. Die wieder bei Kohl auf sei- FDP müsse die Möglich- ne Art. Der Oberlibera- keit haben, beschwor le, schwer getroffen Solms den Kanzler, ein durch die katastrophale Lauschen an der Basis Kölner Stadt-Anzeiger Thema allein zu beset- 2,5-Prozent-Niederlage zen. Der ließ abfällig seiner Partei in Berlin, beklagte sich den Chancen des liberalen Partners bei verbreiten, von derlei „Brosamen“ kön- über den Vernichtungswahlkampf der den im März bevorstehenden Landtags- ne die FDP nicht leben. Hauptstadt-CDU. Hemmungslos hätten wahlen in Baden-Württemberg, Rhein- Gegen den Widerstand von Solms hat die Christdemokraten die FDP angegrif- land-Pfalz und Schleswig-Holstein. der Vorsitzende seiner Partei auch noch fen („Im Abgeordnetenhaus hat die Nach Umfragen der Mannheimer For- eine innere Zerreißprobe beschert – mit FDP nichts zu suchen“). Dieser unan- schungsgruppe Wahlen ist die FDP in al- seiner Mitgliederbefragung ausgerech- ständige Umgang mit dem Partner von len drei Ländern „gefährdet oder sehr net zum Thema Lauschangriff. Große habe „tiefe Narben“ hinterlassen. gefährdet“. Turbulenzen sind Ende des Jahres zu er- Jetzt, so Gerhardt, müsse der Koali- Es könnte so weit kommen, daß die warten, wenn das Votum positiv aus- tionspartner die Folgen tragen. „Rigo- FDP nur noch in Hessen im Landtag fällt: Austritte verbliebener Linkslibera- ros“ werde die FDP dafür sorgen, daß sitzt – wo sie dank des Landeswahlrechts ler aus der Partei und der Rücktritt der die Themen ihrer Wunschliste „Punkt von den Zweitstimmen der CDU profi- Justizministerin Sabine Leutheusser- für Punkt“ und umgehend umgesetzt tierte. Von „Schicksalswahlen“ im Früh- Schnarrenberger. werden: Liberalisierung beim Laden- jahr redete schon Parteichef Gerhardt. Historisch belesene Parteifreunde er- schluß, doppelte Staatsbürgerschaft, „Eine körperlose Partei“, so Dieter innert der unaufhaltsame Niedergang Abbau des Solidaritätszuschlags. Roth von der Forschungsgruppe Wah- der FDP an das Ende der freisin- Kohl war nicht sonderlich beein- len, „kann auch in Bonn nicht überle- nigen Deutschen Demokratischen Par- druckt: Es sei auch nicht gerade die fei- ben.“ tei (DDP) in der Weimarer Repu- ne Art, wie mit In der Bonner Fraktion herrscht Un- blik: DDP-Abgeordnete kandidierten Finanzminister wegen der ruhe. Die Partei sei „ein überzeugungs- schließlich auf der Liste der SPD. Haushaltslöcher umspringe, gab er zu- loser, machtorientierter Haufen“, treibe Die letzten Liberalen von heute wür- rück. Im übrigen: Die angepeilte Kon- nur noch „im Kielwasser der Union“, den wohl Zuflucht auf den Listen der fliktstrategie helfe gewiß nicht weiter. erregt sich . CDU suchen. Y

36 DER SPIEGEL 44/1995