DEUTSCHLAND
Tatsächlich steckt die kleine Partei so Doch die Versuche, mehr Profil zu FDP tief wie nie in der Existenzkrise. Und gewinnen, mochten nicht recht fruch- keiner weiß, wie sie zu retten wäre: Die ten. In der Diätenfrage widersetzte sich Liberalen scheinen in der Parteienland- die FDP-Fraktion dem enormen Druck schaft entbehrlich. des Koalitionspartners, aber ihre Stand- Tiefe Narben Ohne Pietät bereiten sich die Grünen festigkeit blieb, wie von Kohl richtig auf den Erbfall vor. Womöglich wird eingeschätzt, weithin unbemerkt. Die Liberalen betteln beim Kanzler: sich auch die PDS in der Bundesrepu- Einen Ersatz für den Kohlepfennig Der soll ihnen ein paar Themen fürs blik langfristig etablieren. Manche in lehnten die Liberalen ab, Waigels Jah- der Koalition sehen bereits, trotz der ressteuergesetz blieb nicht ungeschoren: Profil überlassen. jüngsten SPD-Einbrüche, die von Willy All die kleinen Heldentaten von ge- Brandt beschworene Mehrheit links von stern, die Fraktionschef Hermann Otto ine Lektion wenigstens hat der der Union: „Wenn wir das linke Lager Solms gern in seiner Erfolgsbilanz auf- FDP-Vorsitzende Wolfgang Ger- addieren“, so CSU-Landesgruppenchef zählt, honorierte der Wähler nicht. Ehardt gelernt: Er darf nur ja nicht Michael Glos, „kann uns schon für die Troubleshooter Jürgen Möllemann wie Vorgänger Klaus Kinkel in den Zukunft bange werden.“ legt sich wegen der Gesundheitsreform Ruch geraten, vor Helmut Kohl zu ku- Die Schreckensrechnung ist zwar so mit dem CSU-Minister Horst Seehofer schen. Gerhardt, 51, hält sich an seinen unrealistisch wie eine Kooperation von an, die Bauchlandung ist programmiert. Leitspruch: „In der Ruhe liegt die SPD und PDS. Doch furchterregend für Das weiß auch Solms: „Selbst wenn wir Kraft.“ die Unionschristen sind die schwinden- uns nicht durchsetzen, wird die FDP Er brüllt und poltert wenigstens sichtbar.“ nicht wie der choleri- Hauptsache Schlagzei- sche Kinkel, der dann len, das alte Mölle- am Ende im Angesicht mann-Motto. des Kanzlers zu oft klein Das populäre Lieb- beigab. Freundlich und lingsthema der Freide- mit strahlendem Lä- mokraten, Steuersen- cheln, leise, aber be- kung, wirkt angesichts stimmt tritt der Nachfol- der Milliardenlöcher in ger in der Koalitions- Waigels Haushalt eher runde auf. Höflich be- als Traumtänzerei. Ein lehrt er den Kanzler, Erfolg ist kaum vorstell- was nach seiner Ansicht bar. „Die lügen sich mit der FDP geht und doch was in die Ta- was nicht. „Er hat einen sche“, weiß Irmgard eigenen Stil“, begeistert Schwaetzer, die früher sich Generalsekretär die Kassen der FDP ver- Guido Westerwelle, waltete. „die kältesten Sachen Schon betteln die Li- warm einzupacken.“ beralen, die Union solle Letzte Woche ver- ihnen Felder zur Profi- suchte es Gerhardt mal lierung überlassen. Die wieder bei Kohl auf sei- FDP müsse die Möglich- ne Art. Der Oberlibera- keit haben, beschwor le, schwer getroffen Solms den Kanzler, ein durch die katastrophale Lauschen an der Basis Kölner Stadt-Anzeiger Thema allein zu beset- 2,5-Prozent-Niederlage zen. Der ließ abfällig seiner Partei in Berlin, beklagte sich den Chancen des liberalen Partners bei verbreiten, von derlei „Brosamen“ kön- über den Vernichtungswahlkampf der den im März bevorstehenden Landtags- ne die FDP nicht leben. Hauptstadt-CDU. Hemmungslos hätten wahlen in Baden-Württemberg, Rhein- Gegen den Widerstand von Solms hat die Christdemokraten die FDP angegrif- land-Pfalz und Schleswig-Holstein. der Vorsitzende seiner Partei auch noch fen („Im Abgeordnetenhaus hat die Nach Umfragen der Mannheimer For- eine innere Zerreißprobe beschert – mit FDP nichts zu suchen“). Dieser unan- schungsgruppe Wahlen ist die FDP in al- seiner Mitgliederbefragung ausgerech- ständige Umgang mit dem Partner von len drei Ländern „gefährdet oder sehr net zum Thema Lauschangriff. Große Bonn habe „tiefe Narben“ hinterlassen. gefährdet“. Turbulenzen sind Ende des Jahres zu er- Jetzt, so Gerhardt, müsse der Koali- Es könnte so weit kommen, daß die warten, wenn das Votum positiv aus- tionspartner die Folgen tragen. „Rigo- FDP nur noch in Hessen im Landtag fällt: Austritte verbliebener Linkslibera- ros“ werde die FDP dafür sorgen, daß sitzt – wo sie dank des Landeswahlrechts ler aus der Partei und der Rücktritt der die Themen ihrer Wunschliste „Punkt von den Zweitstimmen der CDU profi- Justizministerin Sabine Leutheusser- für Punkt“ und umgehend umgesetzt tierte. Von „Schicksalswahlen“ im Früh- Schnarrenberger. werden: Liberalisierung beim Laden- jahr redete schon Parteichef Gerhardt. Historisch belesene Parteifreunde er- schluß, doppelte Staatsbürgerschaft, „Eine körperlose Partei“, so Dieter innert der unaufhaltsame Niedergang Abbau des Solidaritätszuschlags. Roth von der Forschungsgruppe Wah- der FDP an das Ende der freisin- Kohl war nicht sonderlich beein- len, „kann auch in Bonn nicht überle- nigen Deutschen Demokratischen Par- druckt: Es sei auch nicht gerade die fei- ben.“ tei (DDP) in der Weimarer Repu- ne Art, wie Otto Graf Lambsdorff mit In der Bonner Fraktion herrscht Un- blik: DDP-Abgeordnete kandidierten Finanzminister Theo Waigel wegen der ruhe. Die Partei sei „ein überzeugungs- schließlich auf der Liste der SPD. Haushaltslöcher umspringe, gab er zu- loser, machtorientierter Haufen“, treibe Die letzten Liberalen von heute wür- rück. Im übrigen: Die angepeilte Kon- nur noch „im Kielwasser der Union“, den wohl Zuflucht auf den Listen der fliktstrategie helfe gewiß nicht weiter. erregt sich Irmgard Schwaetzer. CDU suchen. Y
36 DER SPIEGEL 44/1995