Weiter So, Deutschland Wolfgang Gerhardt Nach Einem Sieg

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Weiter So, Deutschland Wolfgang Gerhardt Nach Einem Sieg Deutschland Mögliche Bundeskanzler Helmut Kohl, 68, CDU Fortsetzung der Regierungsmannschaft: christlich-liberalen Koalition Vizekanzler und Bildung, Außenminister Zukunft Wirtschaft Klaus Kinkel, 61, Wolfgang Rainer FDP Finanzen Inneres Verteidigung Arbeit, Soziales Justiz Gerhardt, 54, Brüderle, 53, Theo Waigel, 59, Michael Glos, 53, Volker Rühe, 55, Horst Seehofer, Rupert Scholz, FDP FDP CSU CSU CDU 49, CSU 61, CDU Weitere Kandidaten... Wie viele Bundesbürger halten eine Fortset- Kanzleramtsminister Friedrich Bohl, 53, CDU zung der bisherigen Koalition nach der Bundes- Regierungssprecher Otto Hauser, 46, CDU tagswahl für wahrscheinlich... Angaben in Prozent ...und die Führungsriege in Parlament Anhänger von und Fraktionen Befragte insgesamt CDU/ B’90/ CSU SPD Grüne FDP PDS Bundestagspräsident Rudolf Seiters, 60, CDU CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble, 55, CDU 21 39 5 17 28 7 FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms, 57 einen Schlag“, aber erste Teile können schon zum 1. Januar 1999 in Kraft sein. „Tempo machen“ will auch FDP-Chef Weiter so, Deutschland Wolfgang Gerhardt nach einem Sieg. Aber die Abwehrfront der SPD bleibt bestehen. Eine neue Mehrheit für die alte Koalition wird kaum Die Sozialdemokraten stellen im Bundes- rat weiter die Mehrheit. Noch immer kön- die angekündigten, einschneidenden Reformen verwirklichen. nen sie alle Pläne der Koalition blockieren. Ein Markenzeichen soll die Bildungspolitik werden. Kohl und Gerhardt hätten „überhaupt keine Chance“, so prophezeit SPD-Chef elmut Kohl hatte seinen Sieg im- vertrauter Runde auf ein Aktionsprogramm Oskar Lafontaine, „ihre Steuervorstellun- mer wieder vorhergesagt, beschwö- einigen. Kein prickelnder Neu-Aufbruch, gen durch die Länderkammer zu bringen“. Hrend eingeredet auf die Ungläu- keine Politikwende ist da vorgesehen. Vor- Diese „unverfrorene Drohung“ hält bigen und Verzagten der eigenen Partei. dringlich bleibt die schnelle Umsetzung Waigel für einen Bluff. Die Unions-Führer Einsam war es um den Kanzler geworden bereits geplanter, aber aufgeschobener haben bereits das Skript eines Szenarios in den letzten Wochen vor der Wahl un- Politik-Projekte. parat, wie einer erneut bockigen SPD die ter dem Eindruck miserabler Prognosen. Den Haushaltsplan für 1999 hatte die Eisen gezeigt werden sollen. Selbst Minister seines Kabinetts hatten den Koalition schon vor der Wahl im Bundes- „Dann werden wir die hessische Land- Erfolg bereits abgeschrieben und sich vor- tag eingebracht. In zentralen Fragen der tagswahl im Februar zu einem Plebiszit über sichtig abgesetzt, um bei den Erbfolge- Regierungspolitik wird sich, davon sind die Reform machen“, so ein CDU-Spitzen- kämpfen nicht mit Kohls Niederlage iden- Union und FDP überzeugt, schnell ein mann, „das hält die SPD niemals durch.“ tifiziert zu werden. Kompromiß finden lassen: Auf Betreiben der FDP, die dafür ihren Und dann diese Wende! In einem furio- Zur Großen Steuerreform waren FDP Chef Gerhardt ins Kabinett schickt, sollen sen Schlußspurt hatte die Walz aus der und CDU/CSU im Wahlkampf noch mit zehn Milliarden Mark in einem Sofortpro- Pfalz den Strahlemann der Sozialdemo- leicht variierten Konzepten aufgetreten. gramm zu den Hochschulen gepumpt wer- kratie doch noch überholt. Gerhard Schrö- Bei einer Mehrheit für die alte Koalition den. Die Bildungsförderung wird nach dem der war bereit zum Wechsel, die Republik wird „sofort“, so Kanzler Kohl, das bereits Willen der Koalitionäre zu einem Marken- aber war es nicht. im Vorjahr vom Bundestag beschlossene, zeichen dieser Legislaturperiode. Weiter so, Deutschland. Schwarz-Gelb, aber von der SPD im Bundesrat gestoppte Ein neu aufgelegtes „Bündnis für Arbeit“ nicht Rot regiert das Land. Helmut Kohl, Reformpaket neu eingebracht. wird es mit Schwarz-Gelb nicht geben. Die nicht Gerhard Schröder, wird als erster Rund 30 Milliarden Mark sollen die Partner sind sich einig, neue Arbeitsplätze bundesdeutscher Regierungschef in der Steuerzahler nach der Reform netto mehr durch mehr Markt, weniger Staat und die Hauptstadt Berlin amtieren. Und die Li- haben. Das sei „realistisch, natürlich in Stu- Förderung des Unternehmertums zu errei- beralen, die ihr Glück kaum fassen können, fen innerhalb von etwa zwei Jahren“, ver- chen. Trotzdem wird für Langzeitarbeits- stehen weiter in Treue fest zu Kohl. kündet CSU-Chef Theo Waigel, der alte lose ein Kombilohn-Programm aufgelegt – Nur wenige Tage nach dem gloriosen und in dieser Wahlvariante auch neue Fi- auf Wunsch der skeptischen FDP aber Wahlsieg werden sich die Koalitionäre in nanzminister. Die Reform käme „nicht auf zunächst nur als eng begrenzter Testlauf. 36 der spiegel 36/1998 wird. Und dennoch könnte die Reform des Nur gut ein Fünftel der Bundesbürger erwartet noch einmal Ausländerrechts – zumindest theoretisch eine von Helmut Kohl geführte Unionsregierung mit den – die einzige Bruchstelle sein, an der das Liberalen als Juniorpartner. Wunschbündnis von Kohl und Gerhardt Jugend, gefährdet ist. Bauwesen Umwelt Gesundheit Landwirtschaft Verkehr Entwicklung Senioren, Anders als 1994 verlangen die Liberalen Eduard Angela Sabine Jochen Matthias Hans-Peter Familie diesmal verbindliche Vereinbarungen im Oswald, 50, Merkel, 44, Bergmann-Pohl, Borchert, 58, Wissmann, 49, Repnik, 51, Claudia Nolte, Koalitionsvertrag. Die FDP will Auslän- CSU CDU 52, CDU CDU CDU CDU 32, CDU dern der zweiten und dritten Generation, die in Deutschland geboren wurden, auto- matisch die deutsche Staatsbürgerschaft verleihen. Bis zum 18. Lebensjahr sollen diesen Kindern und Jugendlichen doppel- te Staatsangehörigkeiten erlaubt sein. CDU/CSU lehnten dies vor der Wahl kategorisch ab. Die FDP-Führer steuern deshalb einen Kompromiß an: die Freiga- be der Abstimmung im Bundestag. So hat- te es die Koalition schon einmal mit Erfolg ...und wie viele halten sie für gemacht: beim Votum über die Reform des kompetent, die anstehenden Probleme Abtreibungsparagraphen 218. Auch dies- zu lösen? mal wird es im Parlament eine parteiüber- Ergebnisse einer Emnid-Umfrage für den greifende Mehrheit geben – für die dop- SPIEGEL, 18. und 19. August, 1004 Befragte pelte Staatsbürgerschaft. Befragte Anhänger von Personell wird sich in der Auslaufphase insgesamt CDU/ B’90/ des Großen Kanzlers nichts allzu Drama- CSU SPD Grüne FDP PDS tisches tun. Kohl liebt altbekannte Gesich- 16 39 1 2 42 4 ter um sich und würde es am liebsten bei kosmetischen Neuerungen belassen. Den auffälligsten Wechsel gibt es beim li- beralen Partner. Der FDP-Vorsitzende Ger- hardt, bisher außen vor, soll nun selbst in Obwohl der spät berufene Kanzler-In- Die CDU glaubt ohnehin, daß in der die Regierung. Für den Bildungspolitiker novationsberater und Jenoptik-Chef Lothar Rentenversicherung mit dem bereits be- wollen die Liberalen ein Mega-Ministerium Späth eine „Reformkoalition“ einfordert, schlossenen Reformgesetz, das im Januar für Bildung, Forschung und Technologie plant die Kohl-Truppe nach den harten 1999 in Kraft tritt, der größte Umbaubedarf schneidern, in das Teile des Verkehrsmi- Schnitten der letzten Legislaturperiode gedeckt ist. Sie drängt vornehmlich auf nisteriums eingegliedert werden. Dafür keine radikalen Umbrüche. eine Neuordnung der Hinterbliebenen- opfern sie das Justizressort, dem bisher Selbst den Liberalen, die im Wahlpro- Renten und ein verstärktes Anrechnen der Edzard Schmidt-Jortzig vorstand. gramm noch eine „Richtungsentschei- Kindererziehung in der Altersversorgung. Mit ihm soll Wirtschaftsminister Günter dung“ gegen den „Wohlfahrtsstaat“ an- Auch in der Krankenversicherung soll Rexrodt weichen, dem der wortflinke Rai- mahnten, ist der Umbau der Sozialsyste- der eingeschlagene Weg fortgeführt wer- ner Brüderle, Parteivize und Wirtschafts- me, so ein Gerhardt-Vertrauter, „nicht so den. Das bedeutet für die Patienten: mehr minister in Rheinland-Pfalz, nachfolgt.An- eilbedürftig“. Nicht einmal bei der Rente Eigenbeteiligung und mehr Zuzahlungen. ders als der steife Berliner Rexrodt soll der pressiert es, bei der die Liberalen nur lang- Gemeinsam wollen CDU/CSU und FDP lebensfrohe Brüderle („I red’ mit die Leut“) fristig auf „Basisversorgung“ statt „Voll- erreichen, daß die Zuwanderung von Aus- das Wirtschaftsressort ganz auf die Förde- versicherung“ umstellen wollen. ländern stärker kontrolliert und begrenzt rung des Mittelstandes trimmen – der Stammklientel der Liberalen. Nur Außenminister Klaus Kinkel darf wieder in sein altes Ressort. Zwar schielten auch Waigel und Volker Rühe seit langem auf den Posten. Doch der Schwabe Kinkel ist populär wie kein anderer FDP-Führer, hinter ihm steht der starke Landesverband Baden-Württemberg. Gerade 1999, wenn Deutschland die EU- Präsidentschaft übernimmt und eine ganze Gipfel-Serie im eigenen Land ausrichtet, gilt der FDP-Führung das Außenamt als „höchst gewinnbringendes Ressort“. For- derungen der CSU, die Europapolitik aus dem Auswärtigen Amt herauszulösen und einen EU-Koordinator im Kanzleramt zu installieren, werden die Liberalen abweh- ren. „Klar ist“, so ein FDP-Führer, „das ACTION PRESS ACTION läuft nicht.“ Koalitionspartner Waigel Der SPD die Eisen zeigen 37.
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