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Deutschland FOTOS: MARCO-URBAN.DE FOTOS: Hunzinger (r.), CDU/CSU-Fraktionschef (M.)* Mit Justizministerin Herta Däubler-Gmelin*

LOBBYISTEN „Bisschen viel Wind“ Moritz Hunzinger lebt von dem Nimbus, jederzeit Unternehmern Kontakte zu Politikern vermitteln zu können. Doch nicht immer profitieren die Kunden vom Wirken des PR-Beraters.

er Mann, der früher gern ans offe- destagshandbuch veröffentlicht werden – Hunzinger eher wie Häme an: „Der macht ne Fenster trat und aus voller Keh- ähnlich wie im Europaparlament. seine Arbeit vielleicht ein bisschen mit Dle „Ich bin der Größte“ brüllte, Doch das ist weniger eine Reaktion auf viel Wind.“ fühlt sich plötzlich klein gemacht. Die Re- einen erfolgreichen PR-Berater denn auf Tatsächlich rentieren sich Hunzingers aktion auf seine unermüdliche Arbeit in das System der Einflüsterer zwischen Poli- Projekte für seine zahlende Kundschaft aus „Politischen Salons“ und bei diskreten tik und Wirtschaft, die auf so formidable der Industrie nicht immer, wie eine Reihe Wirtschaftsdinners kommt Moritz Hunzin- Weise das Geben und Nehmen in Einklang von internen Firmenunterlagen nahe le- ger, 43, „apokalyptisch“ vor. zu bringen verstehen. Der Name Hunzin- gen. So hatte die öffentliche Aufkündigung Erst versuchte es der „Beziehungsmak- ger steht nur als Synonym für dieses eben- der Zusammenarbeit durch die deutsche ler“ (Eigenwerbung) mit einer Drohung an so delikate wie diskrete Geschäft. Microsoft-Dependance nichts mit der ak- die kontaktbedürftige Elite des Landes. Der vom „Straßenjungen“ (Selbsturteil) tuellen Krise zu tun. In dürren Worten teil- Sollte der vom Kanzler davongejagte Ex- zum Bundesverdienstkreuz-Träger sowie zur te das Unternehmen mit, es habe „mit Verteidigungsminister Börsen-Sternschnuppe des Neuen Markts ihrer Kommunikationsstrategie gegen- durch die Affäre „nachhaltig geschädigt“ aufgestiegene Hunzinger erlebt dagegen die über politischen Entscheidungsträgern“ die werden, „werde ich meinen Ranzen schnal- Diskussionen als größten anzunehmenden Agentur ECC Public Affairs beauftragt – ei- len und was ganz anderes machen“. persönlichen Unfall. Kaum ist die Diskretion nen von Hunzingers Hauptkonkurrenten Weil das keinen so richtig schreckt, fin- zerstört, ist der Zauber verflogen. im politischen Lobby-Business. det Hunzinger in den „total anstrengen- Keine Spur von Distanz, eher „eine herz- Die Entscheidung, sich von Hunzinger, den“ Tagen nur noch Trost in aufmun- liche Verbundenheit“ mit dem heutigen der zuletzt über ein Millionen-Budget ver- ternden Mails und Faxen alter Weggefähr- CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich fügen konnte, zu trennen, war bei Micro- ten („Du warst und bist das, was man in Merz stellten Teilnehmer einer von Hun- soft im Frühjahr gefallen. Da war klar, dass alten Zeiten einen Herrn nannte“) und der zinger moderierten Gala im August 1999 in Hunzingers Bemühungen, über Abend- Überzeugung, dass jene, „die mit uns zu- der Deutschen Börse fest. Zum essen für Abgeordnete und Präsentationen sammenarbeiten, wissen, was sie an uns Börsengang des Internet-Providers Giga- für Bundestagsbedienstete, nicht den er- haben“. bell hielt Wirtschaftsexperte Merz die Lau- wartet lukrativen Auftrag für Microsoft ge- Immerhin entzündete sich an seiner an- datio. Ein damaliger Gigabell-Manager: bracht hatten. Das Unternehmen wollte rüchigen Rundumbetreuung für Scharping „Wir wollten einen Prominenten, und Hun- den mit seinem System ausrüs- eine Debatte über Politik und (Un-)Moral. zinger hat Merz vorgeschlagen.“ Über ten. Doch nach monatelangen Diskussio- Die rot-grüne Bundestagsmehrheit will 150000 Mark habe der PR-Berater abge- nen hinter verschlossenen Türen entschied noch vor der Wahl die Offenlegungspflicht rechnet und keine Aktien akzeptiert. Of- sich die Parlamentskommission für Infor- von Nebeneinkünften für Parlamentarier fenbar in weiser Voraussicht: Schon einen mations- und Kommunikationstechnik am verschärfen. Künftig sollen Benefits wie Tag später registrierte die von Merz so ge- 28. Februar mehrheitlich für den Micro- Vortragshonorare im Internet und im Bun- priesene New Economy einen Flop – der soft-Konkurrenten Linux. Gigabell-Kurs fiel unter den Emissionswert. Schon gut eineinhalb Jahre zuvor hatte * Links: mit dem Vorstandsvorsitzenden der SKW Trost- Ein Jahr später folgte die Insolvenz. Heu- Hunzinger in einer anderen diffizilen An- berg AG, Utz-Hellmuth Felcht; rechts: mit dem Vor- standsvorsitzenden der Bausparkasse Schwäbisch Hall, te hören sich vermeintliche Solidaritäts- gelegenheit nicht ganz die Erwartungen Alexander Erdland. erklärungen des Duz-Kumpels Merz für des Computerunternehmens erfüllen kön-

30 31/2002 Mit dem ehemaligen Außenminister (FDP) Mit CSU-Schatzmeisterin Dagmar Wöhrl Politiker-Freund Hunzinger: „Wenn Sie in einem halben Jahr in jeder Fraktion einen Fürsprecher haben, ist eine Menge erreicht“ nen. Microsoft beauftragte den Frankfurter Preis“. Besonders verdross die deutsche CSU-Spitze und brüstete sich, gerade ein Spindoctor mit dem Projekt „Krisenkom- Microsoft-Dependance, dass es weder ge- „Beratungsgespräch zur Vermarktungs- munikation“ – im Vorfeld der Entschei- lungen sei, für das Unternehmen positive fähigkeit von CSU-Spitzenpolitikern“ ge- dung des zuständigen Bundesgerichts in Äußerungen von „politischen Entschei- führt zu haben. Um Maßmann, den das den USA zur Monopolstellung des Unter- dungsträgern“ zu platzieren, noch ein Landgericht Augsburg in der vorigen Wo- nehmens. Hunzinger sollte hier zu Lande Statement des damaligen Deutschland- che wegen Steuerhinterziehung – noch Unterstützung der Medien und der Politik Chefs Richard Roy vor laufenden „Tages- nicht rechtskräftig – zu fünf Jahren Ge- für Microsoft organisieren. schau“- oder „Tagesthemen“-Kameras zu fängnis verurteilt hat, richtig mit Insider- Ganz wie es so seine Art ist, wirbelte organisieren. Hunzinger war „unter großen kenntnissen zu beeindrucken, entwarf er der PR-Mann kräftig. Meinungsartikel will Schmerzen“ mit einer Honorarkürzung um gleich auch noch Szenarien, die dem Be- er in der „FAZ“ und dem „Handelsblatt“ ein Drittel einverstanden, doch Microsoft trachter aus heutiger Sicht nur ein mildes „platziert“ haben, Politikerstatements wur- bestand auf Zahlung von nur 20000 Mark: Schmunzeln entlocken. den blanko vorbereitet („Ich finde es nicht „In diesem Fall bleiben wir hart.“ Nach dem Rücktritt des affärengeplagten gerade unbedenklich, dass ein einzelner Wie hoch das Honorar wirklich war, dar- „ist damit zu rechnen“, analy- Bundesrichter die Macht haben soll, eine über schweigen beide Parteien. Hunzinger sierte der Alleswisser, „dass Bundesfinanz- der wichtigsten Branchen der globalen behauptet unverdrossen, Microsoft sei minister bayerischer Minister- Ökonomie neu zu ordnen“). Hunzinger, höchst zufrieden mit ihm gewesen, seine präsident in München und Spitzenkandidat mit seiner Arbeit hoch zufrieden, ließ am Leute hätten „einen guten Job gemacht“. bei der Landtagswahl 1994 wird“. Bundes- 20. Juni 2000 Microsoft mitteilen: „Wenn Die Korrespondenz zum Projekt „Kri- innenminister werde ins Fi- Sie in einem halben Jahr in jeder Fraktion senkommunikation“ wirft aber ein be- nanzministerium wechseln. Als Seiters-Nach- einen Fürsprecher haben, ist eine Menge zeichnendes Licht auf die Usancen des folger, so Hunzingers prophetische Gabe, erreicht, und wir können alle stolz sein.“ Gewerbes. Unternehmen beauftragen Hun- komme nur in Frage. Doch was Hunzinger für das von ihm zinger vor allem deswegen, weil sie Politi- Namedropping, vermeintliches Herr- veranschlagte Honorar von 75 000 Mark ker und Medien beeinflussen wollen. schaftswissen en passant fließen lassen – ablieferte, stand für Microsoft „in keinem Dabei scheinen sie geradezu blind den voll- das ist Hunzingers Art der Kundenwer- Verhältnis zum von Ihnen vorgeschlagenen mundigen Versprechungen des Multikon- bung. Dabei hilft ihm ein ganzes Heer von takters vertraut zu haben, Politikern oder Polit-Beamten a. D. dass Minister, Parlamenta- Das ostdeutsche Recycling-Unterneh- rier und Meinungsführer men SVZ, für das die Hunzinger-Truppe springen, wenn Hunzinger ein Geschäft im Kosovo einfädeln woll- ruft. An diesem Image hat te, wurde von Matthias Zender betreut. der Mann, der vom Verkauf Zender war bis zu seiner Versetzung in von Kontakten lebt, auch den einstweiligen Ruhestand 1992 Chef lange gearbeitet. der Staatskanzlei in -Vorpom- Dass er dabei auch gern mern. Das Projekt wurde nie realisiert. mal übertreibt, macht ein Zur politischen Landschaftspflege für ein pittoreskes Hunzinger-Me- umstrittenes Hochhausprojekt der Zürich- mo aus dem Jahre 1993 an Versicherungsgruppe in der Finanzmetro- den damaligen Thyssen- pole Frankfurt heuerte Hunzinger gegen Manager Jürgen Maßmann ein Salär von 20000 Mark den ehemaligen deutlich. In dem Schreiben Stadtkämmerer und Senator h. c. Ernst vom 11. Mai 1993 schwa- Gerhardt an. Zwar wird das Hochhaus ent- dronierte er nicht nur von gegen dem ursprünglichen Stadtrats- seinen guten Kontakten zur beschluss nun in der von der Versiche- rungsgruppe von Anfang an favorisierten

AFP / DPA * Mit Telefónica-Chef Juan Villa- Höhe von mindestens 160 Metern gebaut. Hunzinger-Helfer Bangemann*: „Wichtige Rolle spielen“ longa am 30. Juni 1999. Ein Verdienst von Hunzinger und seinem

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Helfer Gerhardt sei das aber nicht, beteu- ert Versicherungssprecher Hanns-Chris- toph Ruhl. Das Projekt sei erst voran- UNION gekommen, nachdem der Vertrag – laut Hunzinger mit 500000 Mark dotiert, laut Angaben der Versicherung „deutlich ge- „Ich will Beute machen“ ringer“ – gekündigt war. Hunzingers An- teil, so Ruhl, sei „nicht einmal so groß wie Mit dem jovialen Gemütsmenschen plant Dreck unter dem Fingernagel“. Ein Knotenpunkt in Hunzingers Netz- Kanzlerkandidat Stoiber in der Agrarpolitik eine Rolle werk ist seit langem der EU-Kommissar rückwärts. Der Nordfriese gilt als Kandidat der Bauernlobby. a. D. . Als Hunzinger im Frühjahr 2000 erfuhr, dass der FDP-Mann zum spanischen Telefon-Giganten Telefó- nica wechsele, frohlockte der PR-Mann: „Fein, Telefónica wird bei uns eine wichti- ge Rolle spielen.“ Was dann folgte, ist Hun- zinger-Geschäftsgebaren in Reinkultur. Der spanische Telekommunikationskonzern hat- te damals vage Pläne, sich in Osteuropa zu engagieren. Hilfreich, so glaubte der Netz- werker, könne dabei der Vatikan sein, schließlich kommt der Papst ja aus Polen. Seine Truppe erstellte ein „Sponsoring- Konzept zur Vertriebsoptimierung der Telefónica Grupo“. Kern: Eine Millionen- spende an die päpstliche Stiftung „Popu- lorum Progressio“ sollte helfen, „Wohlwol- len bei Entscheidungsträgern zu gewinnen“. Als milder Spender sollte allerdings nur die Hunzinger Information AG und nicht

Telefónica auftauchen. Am 23. Juni 2000, UNGER MARC-STEFFEN so Recherchen der Illustrierten „Max“, Unionspolitiker Carstensen, Stoiber*: „Nu komm wieder runter“ reiste der promovierte Theologe Michael Spangenberger, der bei Hunzinger auf der m besten gefällt Peter Harry Cars- Mit der Agrarwirtschaft ist Carstensen Payroll stand, in diskreter Mission in die tensen, 55, die Politik, wenn er so tatsächlich verwoben, aus Sicht der rot- Ewige Stadt. Arichtig zupacken kann. „Moin, Herr grünen Bundesregierung allerdings zu sehr. Zwei Tage nach einem Treffen mit Ver- Ministerpräsident“, ruft er Edmund Stoiber Der Vorsitzende des Landwirtschaftsaus- tretern des Heiligen Stuhls meldete Span- entgegen, drückt mit beiden Pranken des- schusses im Bundestag habe „eine starke genberger Vollzug. Besonders freue ihn, so sen Hand und strebt nach der Begrüßung Affinität zum agro-industriellen Komplex“, ließ der Mediator seinen Auftraggeber wis- gleich dem Stall entgegen. Hier muss der rügt Reinhard Loske, umweltpolitischer sen, dass „wir in aller Offenheit auch über die schwarzbunte Bulle „Kalli“ ran. Carsten- Sprecher der Grünen-Fraktion. Carsten- Erwartungen Ihrerseits sprechen konnten“. sen lockt das Rindvieh mit Heu in Fotopo- sen stehe für die „absolute Rolle rückwärts Ob der Hunzinger-Agent dabei ein we- se, plaudert gleichzeitig locker mit Stoiber in der Agrarpolitik“, so der Parlamentari- nig geprahlt hat? Spangenberger hüllt sich über Fütterungssysteme, will vom Bauern sche Staatssekretär im Verbraucherschutz- in Schweigen. Fest steht jedenfalls, dass die wissen: „Wi oolt is he denn?“, und bei all ministerium, . Undercover-Aktion nicht zu einem Tele- dem sieht der Hüne so aus, als könnte ihm Sollte Carstensen nach der Wahl am fónica-Engagement in Osteuropa führte. nichts anderes mehr Spaß machen als Stoi- 22. September tatsächlich Agrarminister Der Geschäftsbericht des Unternehmens ber und Rindvieh im Stall. werden, dann dürfte sich einer ganz be- weist lediglich eine Fünf-Prozent-Beteili- Carstensen, Landeschef der CDU in sonders freuen: Gerd Sonnleitner, Präsi- gung an einer ukrainischen Telefongesell- Schleswig-Holstein, wäre geradezu eine dent des Deutschen Bauernverbandes schaft aus. Die Spende, beteuert Hunzin- Idealbesetzung für die Grüne-Woche-Show, (DBV). „Politisch lagen Herr Carstensen ger, sei geflossen. An die genaue Höhe mag die der jeweilige Bundeslandwirtschaftsmi- und ich bisher in vielen Fällen auf einer er sich nicht mehr erinnern: „Siebenstellig nister alljährlich in Berlin absolviert – mit Linie“, sagt Sonnleitner. An grundlegende war sie schon, und für einen guten Zweck.“ Kälbchenstreicheln und Biss ins Schinken- Meinungsverschiedenheiten könne er sich Es gab bisher nur wenige Momente im brot. Auf einem Bauernhof in Tornesch bei nicht erinnern. Leben des Moritz Hunzinger, in denen er Hamburg stellt Stoiber den Nordfriesen am Wird Stoiber Kanzler, stehen aus Sicht zur Selbstkritik fähig war. Einer davon war vergangenen Freitag als Mitglied in seinem des DBV die Chancen nicht schlecht, dass der Tag, an dem sein „privates Hobby“, die „Kompetenzteam“ vor. „Er ist ein Mann, in der Landwirtschaftspolitik wieder alles 47,5-Prozent-Beteiligung an der Ingolstäd- der auf die Menschen zugehen kann“, sagt so wird wie früher: der Minister als ver- ter MBB Security Cars AG, sich als glattes Stoiber über seinen Wunschkandidaten für längerter Arm der Bauernlobby. Carsten- Fehlinvestment erwies. Als der Hersteller das Landwirtschaftsressort. Er brauche je- sen weist das zurück. Dass der Bauernver- für gepanzerte Pkw am 22. Mai 2000 manden, der „seit langem politisch mit die- band im Hintergrund die Strippen ziehe, das Insolvenzverfahren beantragte und sen Themen verwoben ist“, nennt der CSU- sei eine schlicht „beknackte“ Behauptung. Hunzinger („Die Situation ist nieder- Chef als Grund dafür, warum er sich aus- Doch schon der neue geplante Zuschnitt schmetternd“) 25 Millionen Mark verloren gerechnet den Oberlandwirtschaftsrat a. D. des Ressorts – der dem alten aus Helmut- hatte, räumte er ein: Aufsichtsrat und Con- ausgesucht hat. Kohl-Zeiten ähnelt – kann als Programm trolling hätten versagt – „einschließlich gelten. Carstensen soll sich voraussichtlich mir“. Andreas Wassermann * Am vergangenen Dienstag in Travemünde. um Lebensmittel, Landwirtschaft und länd-

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