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Plenarprotokoll 14/200

Deutscher

Stenographischer Bericht

200. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Antidiskriminierungsgesetz im November 2001 Befragung der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwick- MdlAnfr 3 lung des Finanzplatzes Deutschland, Dr. Ilja Seifert PDS Viertes Finanzmarktförderungsgesetz 19625 A Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ ...... 19629 A , Bundesminister BMF ...... 19625 B ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS ...... 19629 A CDU/CSU ...... 19626 A

Hans Eichel, Bundesminister BMF ...... 19626 B Schlussfolgerungen aus der Erörterung des CDU/CSU ...... 19626 C BMJ mit Verbänden über Eckpunkte zum Ent- wurf für ein zivilrechtliches Antidiskriminie- Hans Eichel, Bundesminister BMF ...... 19626 D rungsgesetz im November 2001 Sylvia Bonitz CDU/CSU ...... 19626 D MdlAnfr 4 Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ Dr. Ilja Seifert PDS CSU ...... 19627 A Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ ...... 19629 D Hans Eichel, Bundesminister BMF ...... 19627 A ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS ...... 19630 A Leo Dautzenberg CDU/CSU ...... 19627 B

Hans Eichel, Bundesminister BMF ...... 19627 C Vergabe von EU-Mitteln und Abschluss von Leo Dautzenberg CDU/CSU ...... 19627 C Verträgen mit der Firma Efp in ohne Aus- schreibung durch das BMA Hans Eichel, Bundesminister BMF ...... 19627 C MdlAnfr 5, 6 () BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 19628 A FDP Hans Eichel, Bundesminister BMF ...... 19628 A Antw PStSekr BMA ...... 19630 C Sylvia Bonitz CDU/CSU ...... 19628 B ZusFr Dirk Niebel FDP ...... 19630 D Hans Eichel, Bundesminister BMF ...... 19628 C Ungleichbehandlung zwischen Wehr- und Zi- vildienstleistenden bezüglich Weihnachtsgeld Tagesordnungspunkt 2: MdlAnfr 7 Fragestunde Ina Lenke FDP (Drucksache 14/7396) ...... 19628 D Antw PStSekr’in Dr. Edith Niehuis BMFSFJ 19632 A ZusFr Ina Lenke FDP ...... 19632 B Erörterung des BMJ mit Verbänden über Eck- punkte zum Entwurf für ein zivilrechtliches ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS ...... 19633 A II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Ungleichbehandlung zwischen Wehr- und Zi- Antw PStSekr’in Margarete Wolf BMWi . . . . 19638 B vildienstleistenden bezüglich Entlassungsgeld ZusFr Ernst Hinsken CDU/CSU ...... 19638 C MdlAnfr 8 Ina Lenke FDP Zahl der für die Bewachung US-amerika- Antw PStSekr’in Dr. Edith Niehuis BMFSFJ 19633 C nischer Liegenschaften in Deutschland einge- ZusFr Ina Lenke FDP ...... 19633 D setzten Bundeswehrsoldaten ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS ...... 19634 B MdlAnfr 21 Werner Siemann CDU/CSU Übertragung der im Inno-Regio-Programm Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19639 C nicht abgeflossenen Mittel auf 2002 ZusFr Werner Siemann CDU/CSU ...... 19639 D MdlAnfr 9 Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) CDU/CSU Ausrüstung der für die Bewachung US-ameri- kanischer Liegenschaften in Deutschland ein- Antw PStSekr Wolf-Michael Catenhusen gesetzten Bundeswehrsoldaten BMBF ...... 19634 C ZusFr Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) MdlAnfr 22 CDU/CSU ...... 19634 D Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19640 A Vereinfachung der Antragsmodalitäten des ZusFr Werner Siemann CDU/CSU ...... 19640 B Inno-Regio-Programms für kleine und mittel- ständische Betriebe Kriterien der Entscheidung über Verbleib bzw. MdlAnfr 10 Reduzierung von Standortverwaltungen der Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) CDU/CSU Antw PStSekr Wolf-Michael Catenhusen MdlAnfr 23 BMBF ...... 19635 C Ernst Hinsken CDU/CSU ZusFr Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19640 C CDU/CSU ...... 19636 A ZusFr Ernst Hinsken CDU/CSU ...... 19640 D

Zinsbelastung des Bundes für den übernom- menen Altschuldenanteil der ostdeutschen Zusatzpunkt 1: Wohnungswirtschaft von 1995 bis 2000 Aktuelle Stunde betr.: Was beabsichtigt MdlAnfr 14, 15 die Bundesregierung angesichts der in Christine Ostrowski PDS der jüngsten Steuerschätzung prognosti- Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 19636 C, D zierten erheblichen Einnahmeausfälle von Bund, Ländern und Gemeinden zu ZusFr Christine Ostrowski PDS ...... 19636 D tun? ...... 19641 C CDU/CSU ...... 19641 C Anstieg der Zahl versandter Werbefaxe; Durchsetzung einer europaweiten Identifika- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin tion des Absenders BMF ...... 19642 D MdlAnfr 16, 17 Rainer Brüderle FDP ...... 19644 B Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMWi . . . 19637 B, C NEN ...... 19645 C ZusFr Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Dr. PDS ...... 19646 C CDU/CSU ...... 19637 D Horst Schild SPD ...... 19647 D

Auswirkungen einer von der EU-Kommission Klaus-Peter Willsch CDU/CSU ...... 19648 C geplanten Erhöhung der Fördergrenze beim Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Jahresumsatz auf kleine und mittlere Unter- NEN ...... 19650 B nehmen Dagmar Wöhrl CDU/CSU ...... 19651 C MdlAnfr 18 Ernst Hinsken CDU/CSU Nicolette Kressl SPD ...... 19652 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 III

Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...... 19653 C MdlAnfr 11 Sylvia Bonitz CDU/CSU Bernd Scheelen SPD ...... 19654 C Antw StMin Hans Martin Bury BK ...... 19660 A Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU ...... 19655 D Jörg-Otto Spiller SPD ...... 19657 A Anlage 4 Nächste Sitzung ...... 19658 C Geplanter Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen der gemeinsamen Reaktion auf die Berichtigung ...... 19658 C Terroranschläge gegen die USA MdlAnfr 12 Sylvia Bonitz CDU/CSU Anlage 1 Antw StMin Dr. Christoph Zöpel AA ...... 19660 B Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 19659 A

Anlage 5 Anlage 2 Vertragsverhältnis zwischen dem BMF und Staats- Bundesmittel für deutsche Minderheiten in sekretär a. D. Klaus-Peter Schmidt-Deguelle den EU-Beitrittsländern; Einbürgerung von MdlAnfr 13 abgelehnten Spätaussiedlerbewerbern nach Dietrich Austermann CDU/CSU vierjährigem Inlandsaufenthalt Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 19660 C MdlAnfr 1, 2 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper Anlage 6 BMI ...... 19659 C, D Soziale Absicherung der sich im Einsatz befin- denden Soldaten des E-3A-Einsatzverbandes Anlage 3 Erweiterung des Dialogs mit der wehrtechni- schen Industrie angesichts der Entwicklung Haltung des Bundeskanzlers zur Mehrheit der der aktuellen sicherheitspolitischen Lage Regierungskoalition bei zentralen politischen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem MdlAnfr 19, 20 Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen der Günther Friedrich Nolting FDP gemeinsamen Reaktion auf die Terroran- Antw PStSekr’in Brigitte Schulte schläge gegen die USA BMVg ...... 19660 C, 19661 C

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19625

(A) (C)

200. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. h. c. : Liebe Kol- Weise soll die Funktionsfähigkeit des Finanzplatzes ge- leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. schützt, seine Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und die Funktion des Kapitalmarktes als Motor für Wachstum und Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Beschäftigung fortentwickelt werden. Befragung der Bundesregierung Ziel der geplanten Änderungen im Börsengesetz ist es, Die Bundesregierung hat das Thema der heutigen Ka- den Börsen mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Bör- binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur wei- senhandels zu geben. Wir wollen ihnen die Möglichkeit teren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland, eröffnen, auf Veränderungen des Marktes flexibler rea- Viertes Finanzmarktförderungsgesetz. gieren zu können. Die bisherige Kopplung der Zulassung von Wertpapieren in einem Marktsegment an eine einzige Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht Form der Preisfeststellung ausschließlich durch einen hat der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel. Makler soll entfallen. Das Maklerrecht wird reformiert. (B) Im Wertpapierhandelsrecht wird der Anlegerschutz (D) Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: Herr Prä- durch die Verbesserung der Marktintegrität gestärkt. sident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung Beispiele hierfür sind die Neuregelung des Verbots der schafft einen Rahmen für einen langfristig attraktiven Kurs- und Marktmanipulation und die Übertragung der Wirtschaftsstandort Deutschland. Neben einer soliden Zuständigkeit hierfür auf den Bund. Die Vorschriften zur Haushaltspolitik und einer beschäftigungsfreundlichen Ad-hoc-Publizität kursrelevanter Tatsachen werden kon- Steuerpolitik, die gerade auch vom Sachverständigenrat kretisiert und es wird eine Anspruchsgrundlage für den ausdrücklich so gewürdigt worden ist, ist die Stärkung des Ersatz von durch falsche Mitteilungen entstandenen Finanzplatzes von großer Bedeutung; denn ein moderner Schäden geschaffen. Finanzplatz Deutschland ist für einen guten Wirtschafts- standort unabdingbar. Die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder börsen- notierter Gesellschaften werden verpflichtet, ihre Ge- Der heute vom Kabinett verabschiedete Entwurf eines schäfte mit Wertpapieren der eigenen Gesellschaft zu Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes ist Teil dieser veröffentlichen. Die Geschäftsmöglichkeiten der Kapital- umfassenden Strategie zur Modernisierung und Förde- anlagegesellschaften werden erweitert und der Anleger- rung des Finanzplatzes Deutschland. Er steht somit in en- schutz wird gestärkt. gem Zusammenhang mit weiteren Gesetzesinitiativen der Bundesregierung, die insgesamt das Ziel haben, den Im Bereich des Kreditwesens werden die Vorschriften Finanzmarkt in Deutschland leistungsfähiger zu machen. der Fortentwicklung der internationalen Standards in der Ich nenne hier das Übernahmegesetz, das Bundesbank- Bankenaufsicht angepasst und wird die Richtlinie der änderungsgesetz und das Gesetz zur Errichtung einer Europäischen Union, die sich mit dem elektronischen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Geld beschäftigt, umgesetzt. Zugleich werden Lücken bei der Bekämpfung der Geldwäsche geschlossen. Mit dem vorgelegten Entwurf verfolgt die Bundes- regierung drei Hauptziele: Beabsichtigt ist erstens, den Banken müssen insbesondere EDV-gestützte Siche- Anlegerschutz durch Erhöhung der Marktintegrität und rungssysteme vorhalten, die die Überprüfung von Ge- der Markttransparenz zu verbessern, zweitens, die schäftsbeziehungen nach Risikogruppen und Auffällig- Handlungsmöglichkeiten der Marktteilnehmer zu erwei- keiten erlauben. Außerdem wird der Bundesanstalt für tern und zu flexibilisieren, und drittens, Lücken im Ab- Finanzdienstleistungsaufsicht ermöglicht, bei den Ban- wehrsystem gegen die Geldwäsche zu schließen und das ken kontenbezogene Daten, die den Kontoinhaber, die Aufspüren von Geldern, die der Finanzierung terroristi- Verfügungsberechtigten und die – soweit abweichend da- scher Vereinigungen dienen, zu erleichtern. Auf diese von – wirtschaftlich Berechtigten betreffen, in einem 19626 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Bundesminister Hans Eichel (A) automatisierten Verfahren abzurufen. Dies sind große berechtigt ist. Wir haben die Sache überprüft. Es kann (C) Fortschritte im Kampf gegen die Geldwäsche, die ange- sehr wohl sein, dass der offizielle Kontoinhaber nicht der sichts der terroristischen Bedrohungen unabdingbar sind. wirtschaftlich Verfügungsberechtigte ist. In den Fällen, um die es uns geht, wird das vielfach so sein. Es muss Im Bereich des Versicherungswesens wird die Aufsicht möglich sein, dass, wenn es von irgendeiner Seite einen über professionelle Rückversicherungsunternehmen ver- Hinweis gibt, dass es bezüglich einzelner Personen mög- bessert. Damit werden wir Entwicklungen innerhalb der licherweise Probleme gibt, wir in einem solchen Fall so- Europäischen Union gerecht. Rückversicherungsunter- fort feststellen können: Hat der Betroffene in Deutschland nehmen müssen nun hinsichtlich ihrer Rechtsform und ein Konto und wo hat er ein Konto? Erst bei Vorliegen ent- der Qualifikation ihrer Geschäftsleitung den gleichen auf- sprechender Anhaltspunkte erfolgt ein Zugriff. Dazu sichtsrechtlichen Anforderungen unterliegen wie die Erst- braucht es – Sie wissen das – keine Änderungen beste- versicherer. hender Gesetze. Bereits nach den bestehenden Gesetzen Fazit: Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz trägt haben wir die Möglichkeit, auf die einzelnen Konten zu- entscheidend dazu bei, Deutschlands Bedeutung auf den zugreifen, um durch Überprüfung der Kontenbewegun- internationalen Kapitalmärkten weiter zu erhöhen. Es ist gen festzustellen, ob sich der Anfangsverdacht erhärten ein wichtiger Mosaikstein bei der Verbesserung des lässt. Wirtschaftsstandortes Deutschland. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich erteile dem Kollegen Dautzenberg das Wort zu einer Frage. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Vielen Dank, Herr Bundesfinanzminister. Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Herr Minister, zur Änderung des Börsengesetzes: Sie haben ausgeführt, in Ich stelle den Bericht der Bundesregierung zur Dis- diesem Bereich solle eine flexiblere Handhabung erfol- kussion und gebe zu einer Frage zunächst dem Kollegen gen. Bisher gibt es im Börsengesetz die Vorschrift, dass Bernhardt das Wort. ein unlimitierter Auftrag an den maklergestützten Bereich gegeben werden muss. Diese Bestimmung wollen Sie Otto Bernhardt (CDU/CSU): Herr Minister, ich habe jetzt unter Hinweis auf eine größere Flexibilisierung auf- zu dem von Ihnen angesprochenen dritten Komplex weichen. – Lücken im Abwehrsystem – eine Frage: Es soll die Meine Frage ist: Welchen Stellenwert haben denn Möglichkeit eröffnet werden, auf die bei den einzelnen zukünftig die Börsen und die Makler als amtliche Fest- Kreditinstituten geführten Konten zurückzugreifen. Wel- (B) steller von Kursen? Wird sich dies zu einer reinen Preis- (D) che Kosten kommen in diesem Zusammenhang auf die feststellung entwickeln? Bekommen dann vor allen Din- deutschen Kreditinstitute zu und wie soll das Ganze prak- gen die Kleinanleger noch faire Preise? tisch erfolgen? Gibt es irgendwelche Voraussetzungen, um zugreifen zu können, oder soll die entsprechende Bun- desbehörde jederzeit zugreifen können? Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: Der Kursmakler wird sein Monopol verlieren. Die Börse selbst wird wählen können, wie der Preis festgestellt wird. Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: Ihre Auf der einen Seite fällt das Monopol weg; das ist richtig. Frage nach den Kosten kann ich Ihnen so nicht beantwor- Auf der anderen Seite werden damit den Kursmaklern an- ten. Wir wollen ein EDV-gestütztes Recherchesystem im dere Beschäftigungsfelder eröffnet. Im Übrigen muss Gesetz vorschreiben. Die Banken müssen die bei ihnen man darauf hinweisen, dass zumindest der Handel beim geführten Konten in einer Datei zusammenführen; diese DAX zu 90 Prozent elektronisch und nicht über den muss für uns elektronisch abrufbar sein. Wir haben lange Kursmakler stattfindet. darüber diskutiert, wie dies geschehen soll. Wir brauchen keinen zentralen Computer beim Bund; entsprechende Bei Ihrer Frage, bezogen auf den Kleinanleger, sehe ich Pläne haben wir aufgegeben, weil das technisch nicht er- kein Problem. Ich will aber einräumen: Ich bin kein Spe- forderlich ist. Die Daten können bei den Banken verblei- zialist in diesen Bereichen. Wenn ich jetzt eine Frage nicht ben; es darf aber nicht so sein, dass wir 2 900 Banken ein- präzise beantworten kann, werde ich Ihnen diese – das zeln abfragen müssen. Sonst wären wir international gar sage ich Ihnen zu – schriftlich beantworten. nicht zur Zusammenarbeit beim Kampf gegen die Geld- wäsche im Zusammenhang mit der Finanzierung terroris- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine Frage tischer Vereinigungen fähig. Wir müssen direkt zugreifen der Kollegin Bonitz. können. Die Lösung des Problems, wie dies geschehen kann, ist Aufgabe der Banken. Sylvia Bonitz (CDU/CSU): Herr Minister, wenn Sie Der Zugriff ist deswegen prinzipiell voraussetzungslos gestatten, möchte ich nicht auf Ihren Vortrag als solchen möglich, weil wir nicht in die einzelnen Konten schauen. eingehen, sondern etwas ansprechen, das heute auch Ge- Wir wollen nur wissen, wer der Kontoinhaber ist; er muss sprächsthema in der Kabinettsrunde gewesen sein dürfte. identifizierbar sein. Wir wollen auch wissen, wer der wirt- schaftlich Verfügungsberechtigte ist. In diesem Zusam- In welch katastrophalem Zustand befindet sich eigent- menhang gab es Kritik seitens der OECD, die aber nicht lich die rot-grüne Regierungskoalition, wenn es der Bun- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19627

Sylvia Bonitz (A) deskanzler für nötig befindet, die Vertrauensfrage mit der chen Kursfeststellungen an Börsen nicht mehr die Rede (C) wichtigen Entscheidung über den deutschen Streitkräfte- sein, sondern dann haben wir nur reine Preisfeststellun- einsatz zur Unterstützung der USA zu verknüpfen? Es ist gen. eine Sachentscheidung, die in ihrer Tragweite in der deut- schen Außen- und Sicherheitspolitik eine historische Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: Es ist so, Zäsur darstellt. dass die Börse selber entscheidet, wie sie solche Dinge re- gelt. Da haben Sie Recht. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Frau Kolle- gin, Sie müssen mit dieser Frage noch einen Augenblick warten; denn die Fragerunde zum Bericht des Bundes- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Noch eine finanzministers ist noch nicht abgeschlossen. Aber Sie Nachfrage? – Bitte. können im Anschluss an diese Runde Fragen zu anderen Bereichen stellen. Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Herr Minister, ich Ich darf die Frage stellen, ob sich noch jemand zu dem habe noch eine Frage zur Geldwäsche, die ebenfalls im Bericht des Finanzministers äußern möchte? – Herr Kol- Vierten Finanzmarktförderungsgesetz behandelt wird. lege Hauser. Die im Gesetz genannten Maßnahmen bewegen sich im nationalen Bereich. Was werden Sie unternehmen, um auch international die Abstimmung zur effektiven Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) (CDU/CSU): Bekämpfung der Geldwäsche zu gewährleisten? Ich Herr Minister, ich möchte Sie fragen: Wie sehen Sie die denke an Offshore- und andere Gebiete, wo Bedingungen Zukunft der Regionalbörsen? Werden bei der Novellie- gelten, die von unseren nationalen Regelungen gravierend rung des Börsengesetzes weitere Eingriffe und Beschrän- abweichen. kungen vorgenommen?

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: Ich will Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: Wenn ich zu Ihrer vorhergehenden Frage noch etwas sagen, was mir das richtig sehe, wird diese Sache der Markt selber regeln. eben zugereicht worden ist, weil ich nicht alle Details Wir haben nicht die Absicht, eine die Regionalbörsen be- kenne. Dafür bitte ich Sie um Verständnis. einträchtigende Regelung zu treffen. Das Einzige, was wir für ihre Funktionsfähigkeit für notwendig halten, ist die Eine faire Preisbildung ist gewährleistet, weil das Bör- Übertragung der Börsenaufsicht auf den Bund, weil wir sengesetz vorschreibt, dass Preise ordnungsgemäß zu- bei der Verfolgung von Tatbeständen länderübergreifend stande kommen müssen. Dazu werden im Gesetz Metho- (B) handeln müssen. Wir haben folgende Situation: acht Bör- den genannt. Die Börse kann dann selber wählen. (D) sen in acht deutschen Ländern, aber 16 Länder, die offizi- Nun zu Ihrer anderen Frage. Mit dem Thema „interna- ell die Börsenaufsicht ausüben. Das kann nicht funktio- tionale Finanzarchitektur“ beschäftigen wir uns sehr in- nieren. tensiv. Sie wissen, dass sich auf der einen Seite die OECD Ich habe schon mit dem davon besonders betroffenen mit der Financial Action Task Force on Money Laun- hessischen Wirtschaftsminister geredet und ihm klar ge- dering und dass wir uns auf der anderen Seite gleichzeitig macht, dass ich kein Interesse daran habe, hierüber mit über IWF und Weltbank mit dem Thema beschäftigen, den Ländern in einen Konflikt zu geraten. Wir haben ein dass die Implementierung von Codes und Standards ins- gemeinsames Interesse daran, zu einer gemeinsamen Bör- besondere durch den Internationalen Währungsfonds, senaufsicht zu kommen, weil dies sonst nicht funktionie- aber auch durch die Weltbank überwacht wird und künf- ren kann. Deswegen gibt es aus unserer Sicht keinerlei tig – das ist die nächste Diskussion – diese Implementie- Beeinträchtigung der Regionalbörsen. Im Gegenteil: Ich rung unter Umständen auch Voraussetzung für die Ver- glaube, wenn die Börsenaufsicht einheitlich durch den gabe von Krediten sein wird. Ganz so weit sind wir Bund ausgeübt wird, dann gibt dies den Regionalbörsen allerdings noch nicht. eher mehr Chancen. Was sie und der Markt daraus ma- chen, kann ich allerdings nicht beurteilen. Ich muss noch eines dazu sagen: Es gibt noch keine wirklich gesicherte gemeinsame Interessenlage der gro- ßen Finanzplätze dieser Erde, das alles vernünftig zu re- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Noch eine geln. Ich kann eine zunehmende gemeinsame Position Frage des Kollegen Dautzenberg. zum Beispiel im Rahmen der G 20 erkennen. Aber mit al- lem Freimut sage ich: Die größte Wirtschaftsmacht dieser Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Herr Minister Eichel, Erde verhielt sich in diesen Fragen bisher eher zurück- ich habe Verständnis dafür, dass man Einzelheiten zum haltend. Meine Hoffnung ist, dass sich diese Position Börsengesetz in einer Regierungsbefragung nicht ohne geändert hat oder ändert. Es kann aus meiner Sicht letzten weiteres beantworten kann. Aber ich möchte noch einmal Endes nur im Interesse aller sein, zu völlig geregelten Ver- grundsätzlich fragen: Wird es nicht insgesamt zu einer hältnissen zu kommen, das heißt auch zur Unterstellung neuen Weichenstellung kommen, wenn der Makler nicht der Offshore-Finanzzentren unter die allgemeinen Re- wie bisher als Intermediär den Interessenausgleich zwi- geln, und auch die Gefahren, die von Hedge-Funds aus- schen Käufer und Verkäufer herbeiführen kann? Wenn die gehen, einzugrenzen, indem man ganz andere Kapital- Makler weiter zurückgedrängt werden, kann von amtli- unterlegungen fordert. 19628 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Bundesminister Hans Eichel (A) Das aber sind, wenn Sie sich die weltpolitische Debatte Meine Frage: Sieht der Bundeskanzler in der Verknüp- (C) zu diesem Thema ansehen, klare Positionen der Konti- fung mit der Vertrauensfrage einen angemessenen Weg, um nentaleuropäer, die so bisher selbst im G-7-Kreis noch den frei gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundesta- nicht mehrheitsfähig waren. Wie gesagt: Meine Hoffnung ges diese wichtige Gewissensentscheidung ohne Pressio- ist, dass sich die Entwicklung in diesem Punkt ein ganzes nen zu ermöglichen? Ich mache kein Hehl daraus – – Stück nach vorne bewegt, und zwar im Sinne dessen, was jedenfalls Kontinentaleuropa in diesem Bereich schon seit längerem will. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Nein, Frau Kollegin, Sie haben Ihre Fragemöglichkeiten ausge- schöpft. Die Frage ist klar gestellt. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Es gibt doch noch eine Frage zu diesem Punkt. Bitte schön, Frau (Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Ich sehe darin eine Fischer. politische Vergewaltigung des gesamten Par- laments! – Gegenruf von der SPD: Gemäß Grundgesetz!) Andrea Fischer (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Herr Minister, gerade haben Sie in der Antwort auf Ich hoffe, sie wird auch klar beantwortet. die Frage des Kollegen Dautzenberg gesagt, dass es Re- geln der ordnungsgemäßen Preisfeststellung gibt. Vorhin Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: Herr Prä- haben Sie darauf hingewiesen, dass 90 Prozent des sident! Meine Damen und Herren! Dies war nicht Gegen- Handels elektronisch stattfinden. Würden Sie so weit ge- stand der Kabinettssitzung. Die Regierung hat heute ganz hen, zu sagen, dass der Beruf des Kursmaklers ein Ana- unaufgeregt und hervorragend ihre Arbeit gemacht. chronismus ist? (Beifall bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Stellen Sie sich das einmal vor: So viel Frage Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: Nein, und so wenig Antwort! Ist das nicht schön? – dazu habe ich keinen Grund. Aber dies unterliegt natür- lich gewaltigen Veränderungen. Im Übrigen wird es mit Gegenruf des Abg. Dirk Niebel [FDP]: Das ist der Aufhebung des Monopols den Kursmaklern ermög- auch nichts Neues!) licht, andere Geschäfte zu tätigen. Das ist die andere Seite derselben Medaille. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Dann stelle ich ebenso unaufgeregt fest, dass die Regierungsbe- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich sehe fragung beendet ist. Ich danke Ihnen, Herr Bundesfinanz- (B) keine Wortmeldung mehr zum Bericht der Bundesre- minister. (D) gierung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Ich frage also, ob andere Fragen gewünscht sind. – Frau Kollegin Bonitz. Ich frage die Bundesregierung, ins- Fragestunde besondere Staatsminister Bury oder den Finanzminister, – Drucksache 14/7396 – ob die Frage wiederholt werden soll. Mit Blick auf die Uhr weise ich schon jetzt die Parla- (Hans Eichel, Bundesminister: Muss nicht!) mentarischen Geschäftsführer darauf hin, dass die Frage- Frau Bonitz, Sie haben die Frage bereits gestellt. – Wer stunde früher als vorgesehen zu Ende gehen wird. Darauf steht zur Beantwortung bereit? möge man sich bitte einstellen. (Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Ich war mit der (Dr. Uwe Küster [SPD]: Beginnt die Aktuelle Frage noch nicht fertig!) Stunde vor 15 Uhr oder um 15 Uhr?) – Sie waren noch nicht fertig? – Bitte schön. – Das bedarf einer Abmachung zwischen den Parlamen- tarischen Geschäftsführern. Normalerweise wird in einem Ich weise allerdings darauf hin, dass nach der Ge- solchen Fall die Sitzung des Bundestages um 15 Minuten schäftsordnung des Bundestages Fragen kurz zu stellen unterbrochen; aber man kann sich auch auf etwas anderes und kurz zu beantworten sind. verständigen, zumal in der heutigen Fragestunde nicht sehr viele Fragen aufgerufen werden. Sylvia Bonitz (CDU/CSU): Es geht um den Zustand Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Regierungskoalition, nachdem der Bundeskanzler es des Innern auf. Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Hartmut für nötig befunden hat, die Vertrauensfrage mit einer be- Koschyk werden schriftlich beantwortet.1) deutsamen Entscheidung zu verknüpfen, die wie kaum eine andere eine historische Zäsur in der deutschen Außen- Damit kommen wir bereits zum Geschäftsbereich des und Sicherheitspolitik darstellt, die wohl auch wie kaum Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der eine andere in dieser Legislaturperiode eine besonders kri- Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Profes- tische Würdigung in der Entscheidungsfindung jedes ein- sor Dr. Eckhart Pick zur Verfügung. zelnen Abgeordneten erfährt und erfahren muss und die unabhängig von parteipolitischen Solidaritätsbekundun- gen für angeschlagene Regierungsmitglieder sein soll. 1) Anlage 2 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19629

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters (A) Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf: und Rasse genannt werden, entsprechend Art. 13 hinaus- (C) Mit welchen Ergebnissen wurde am 7. November 2001 vom gehen und auch andere Benachteiligungsgründe in unsere Bundesministerium der Justiz eine Erörterung mit Verbänden Regelung aufnehmen. Wir wollen das Ganze also umfas- über Eckpunkte zum Entwurf für ein zivilrechtliches Antidis- kriminierungsgesetz durchgeführt? sender angehen, als es der Wortlaut der Richtlinie vor- sieht.

Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin der Justiz: Herr Kollege Dr. Seifert, ich beant- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine zweite worte Ihre Frage wie folgt: Die vom Bundesministerium der Zusatzfrage. Justiz vorgelegten Eckpunkte eines zivilrechtlichen Antidis- kriminierungsgesetzes sind bei der Erörterung von den Ver- Dr. Ilja Seifert (PDS): Habe ich Sie richtig verstanden, bänden positiv aufgenommen worden. Die Verbände haben dass Sie Art. 13 des Amsterdamer Vertrages meinen? noch verschiedene Anregungen für die Gestaltung eines Ge- setzentwurfes gegeben. Diese Anregungen werden derzeit ausgewertet. Dem Ergebnis dieser Auswertung möchte ich Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- allerdings heute noch nicht vorgreifen. ministerin der Justiz: Ja.

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine Zu- Dr. Ilja Seifert (PDS): Das heißt also, dass auch Dis- satzfrage des Kollegen Seifert. kriminierungen von behinderten Menschen geahndet wer- den sollen. Dr. Ilja Seifert (PDS): Vielen Dank, Herr Staatssekre- Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob tär. Auch wenn Sie dem Ergebnis nicht vorgreifen wollen, Ihr Ministerium die Definition eines Behinderungsbegriffs bitte ich Sie, mir und der Öffentlichkeit die wichtigsten plant, der von dem, was im SGB IX steht, abweicht, und Punkte darzulegen, die die Verbände vorgetragen haben. mit dem endlich klargestellt wird, dass das persönliche Es ist ja hinreichend bekannt, dass ein zivilrechtliches Schicksal von behinderten Menschen nicht durch deren Antidiskriminierungsgesetz seit langem gefordert wird. Behinderung, sondern durch Behinderungen von außen Morgen sollen wir immerhin das Gleichstellungsgesetz beeinträchtigt wird. Die WHO-Definition des Behinde- für behinderte Menschen beraten, in dem gerade der zi- rungsbegriffs hebt eher auf die Beeinträchtigung durch die vilrechtliche Teil fehlt, was einem Gleichstellungsgesetz Behinderung der Menschen ab. Es gibt leider das Problem, eigentlich zuwiderläuft. Demzufolge wäre es wichtig, zu dass im Gleichstellungsgesetz der Behinderungsbegriff als wissen, welche Punkte mit hoher Wahrscheinlichkeit in persönliches Schicksal missverstanden wird. (B) Ihre Ergebnisse einfließen werden. (D) Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin der Justiz: Herr Dr. Seifert, es ist wichtig, dass ministerin der Justiz: Ich nenne einige Punkte, Herr ein Begriff gefunden wird, der im gesamten Rechtsbe- Seifert, die bei der Anhörung angesprochen worden sind. reich Gültigkeit hat. Unser Bestreben ist: Wenn wir in un- Zum einen ging es um die Frage des Anwendungsbe- serem Gleichstellungsgesetz Definitionen vornehmen, reiches. Es wurde angeregt, dass wir über den von uns dann müssen wir das im Kontext mit anderen Regelungen vorgesehenen Bereich der vertraglichen Schuldverhält- machen. Es hat keinen Sinn, unterschiedliche Begriffe zu nisse hinaus zum Beispiel auch Finanzdienstleistungen verwenden. einbeziehen. Dies war eine sehr wichtige Anregung, die Banken und Versicherungen betrifft. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich rufe Eine andere Frage war, wie man den sachlichen Grund, Frage 4 des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf: der eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, objektiv erfas- Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus sen kann. Daran arbeiten wir; wir brauchen eine Formu- dem Ergebnis der genannten Erörterung für die weitere Er- lierung, die möglichst objektiv und damit unanfechtbar ist. arbeitung eines Antidiskriminierungsgesetzes und für wann be- absichtigt sie die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs? Des Weiteren gab es den Hinweis, noch der Frage nachzugehen, die im angloamerikanischen Recht als „rea- sonable accomodation“ bezeichnet wird, also der Frage, Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- wie man ein bestehendes Vertragsverhältnis so auslegen ministerin der Justiz: Das Bundesministerium der Justiz kann, dass es mit einem für den Betroffenen zumutbaren zieht aus dem Ergebnis der Anhörung den Schluss, dass Ergebnis ausgeht. Um es anschaulich zu machen: Wenn in die entworfene Konzeption eines zivilrechtlichen Anti- einem Lokal einem blinden Mitbürger eine in Blinden- diskriminierungsgesetzes grundsätzlich richtig ist. Der in schrift verfasste Speisekarte nicht vorgelegt werden kann, Vorbereitung befindliche Gesetzentwurf wird aber noch dann sollte ihm die Karte ersatzweise vorgelesen werden. in Einzelpunkten verändert werden. Danach wollen wir Das ist nur ein kleines Beispiel. Es geht also um eine zu- den dann vorliegenden Diskussionsentwurf öffentlich mutbare Anpassung der Verträge. vorstellen. Im Übrigen bestand Übereinstimmung, dass wir über den reinen Wortlaut der Richtlinie, in der ausschließlich Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine Zu- Diskriminierungstatbestände wegen ethnischer Herkunft satzfrage. 19630 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

(A) Dr. Ilja Seifert (PDS): Herr Staatssekretär, es ist ja be- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- (C) kannt, dass der Fahrplan der Bundesregierung vorsieht, ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr Niebel, ich würde das Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen zum die beiden Fragen gern gemeinsam beantworten. – Ich sehe 1. Mai nächsten Jahres in Kraft zu setzen. Kann man da- an Ihrem Kopfnicken, dass Sie damit einverstanden sind. mit rechnen, dass Ihr Entwurf eines Gleichstellungsgeset- zes in das Parlament eingebracht wird, bevor es verab- schiedet werden soll, damit man zumindest weiß, in Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Dann rufe welche Richtung dieser Teil des zivilrechtlichen Anti- ich auch die Frage 6 des Abgeordneten Dirk Niebel auf: diskriminierungsgesetzes gehen soll, um nicht im Nebel Treffen Pressemeldungen zu, dass das BMA ohne Ausschrei- herumstochern zu müssen? bung Verträge mit der Firma EfP in Bonn im Gesamtwert von mehr als 50 Millionen DM abgeschlossen hat – AFP, 6. Novem- ber 2001 –? Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin der Justiz: Wir bemühen uns, den Diskussions- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- entwurf noch in diesem Jahr fertig zu stellen, sodass er dann ter für Arbeit und Sozialordnung: Die Frage 5 beantworte an die entsprechenden Ressorts und Verbände zur Stellung- ich wie folgt: nahme verteilt werden kann. Davon abhängig gehe ich da- von aus, dass es uns gelingt, in der ersten Hälfte des nächs- Die Pressemeldungen treffen insofern zu, als die EU- ten Jahres das Gesetzgebungsvorhaben zu beenden. Ich Kommission die Beauftragung eines Trägers mit der prognostiziere, dass im ersten Quartal des nächsten Jahres Durchführung von aus ESF-Mitteln kofinanzierten Pro- ein entsprechender Gesetzentwurf vorliegen wird. grammen prüft. Die Bundesregierung ist allerdings der Auffassung, dass das gewählte Verfahren nicht zu bean- Dr. Ilja Seifert (PDS): Vielen Dank für diese zeitlichen standen ist. Vorgaben. Die Frage 6 beantworte ich wie folgt: Ich möchte noch einmal auf die Frage der Definition Das BMA hat die Firma EfP im Wege der öffentlich- zurückkommen. Sie sagten, dass es sinnvoll sei, eine be- rechtlichen Beleihung mit der Durchführung der techni- stehende Definition immer wieder zu verwenden. Wenn schen Hilfe für die Gemeinschaftsinitiative „EQUAL“ sich aber nun herausstellt, dass die bestehende Definition gegen Erstattung der entstandenen Kosten betraut. Die für alles Mögliche geeignet ist, nur nicht dafür, Diskrimi- Beleihung eines Privaten mit öffentlich-rechtlichen Ver- nierungstatbestände festzustellen – darum soll es ja bei waltungsaufgaben nach § 44 Abs. 3 der Bundeshaushalts- diesem Bürgerrechtsgesetz gehen –, dann stellt sich die ordnung unterliegt nach der Rechtsprechung des Bundes- (B) Frage, ob vielleicht nicht doch eine andere Definition gerichtshofs nicht dem Vergaberecht. Nach meiner (D) sinnvoller wäre. Gibt es zumindest solche Überlegungen Auffassung macht das EU-Recht keine Vorgaben, die von in Ihrem Ministerium? Das ist, denke ich, einer der ent- dieser Rechtsprechung abweichen. Insofern hat das BMA scheidenden Punkte, um die es inhaltlich geht. eine Ausschreibung für nicht erforderlich erachtet.

Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zusatzfrage, desministerin der Justiz: Herr Seifert, wir wenden uns Herr Kollege Niebel. diesem Problem nicht erst seit heute zu. Überlegungen dazu sind in der Tat auch schon im Vorfeld der informellen Anhörung, die Anlass Ihrer Fragen war, angestellt wor- Dirk Niebel (FDP): Herr Staatssekretär, vielen Dank. den. Ich gehe davon aus, dass wir zu einer sinnvollen und Wenn die EU Ausschreibungen ab einer Vergabehöhe auch angemessenen Regelung kommen. Wie sie im Detail von 400 000 DM vorsieht, Sie aber nach deutschem Recht aussehen wird, Herr Dr. Seifert, kann ich Ihnen im Mo- vergeben haben, stellt sich immer noch die Frage, ob bei ment allerdings noch nicht sagen. Wir bemühen uns mit der öffentlichen Beleihung der Haushaltsgrundsatz der allen Kräften um eine solche Regelung. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten worden ist. Deswegen würde mich interessieren, zu erfahren, wel- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Wir sind am che Wirtschaftlichkeitserwägungen im Endeffekt zur Ein- Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr beziehung der Firma EfP geführt haben. Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- teriums für Arbeit und Sozialordnung. Die Fragen 5 und 6 ter für Arbeit und Sozialordnung: Im Vorfeld gab es eine des Kollegen Dirk Niebel werden vom Parlamentarischen europaweite Ausschreibung. An dieser Ausschreibung Staatssekretär Gerd Andres beantwortet. haben sich drei Bieter beteiligt, darunter die Firma EfP. Dieses Ausschreibungsverfahren ist von einem Mitbe- Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Dirk Niebel auf: werber gerichtlich angefochten worden. Ein Gericht hat die Ausschreibung aufgehoben, weil die Ausschreibung Treffen Pressemeldungen zu, dass der EU-Kommissar Frits noch nicht hätte stattfinden können; die entsprechenden Bolkestein prüft, ob das Bundesministerium für Arbeit und So- zialordnung, BMA, EU-Mittel ohne rechtmäßige Ausschreibung Unterlagen waren von der EU noch nicht abschließend vergeben hat – AFP, 6. November 2001 –? behandelt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19631

Parl. Staatssekretär Gerd Andres (A) In diesem Bieterverfahren ist auch die Firma EfP auf- geordneter Niebel, für diese Frage bin ich Ihnen außeror- (C) getreten. Ein Gutachtergremium aus 21 Vertretern der So- dentlich dankbar, weil sie mir ermöglicht, eine Praxis zu zialpartner, des Bundes und der Länder und des beteilig- widerlegen, die ich für relativ schlimm halte. Das genann- ten Ministeriums hat sich einstimmig für die Vergabe der te Foto stammt aus einer Broschüre der Nationalen Koor- damals ausgeschriebenen Komplexe an die Firma EfP dinierungsstelle „Horizon“ der Bundesrepublik Deutsch- ausgesprochen. Nachdem das Ausschreibungsverfahren land, erschienen im Jahre 1995. aufgehoben worden war und wir öffentlich-rechtlich be- liehen haben, war die Firma EfP diejenige, die mit dem (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Auftrag betraut wurde. SPD) In dieser Broschüre wird über eine Tagung mit Exper- ten aus Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine zweite und anderen Ländern berichtet. Übrigens ging es um ein Zusatzfrage. Projekt, das die Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt betraf. Dieses Projekt hat in den Jahren Dirk Niebel (FDP): Ist es richtig, Herr Staatssekretär, 1991 bis 1994 EfP und damit Frau Dr. Honnef, die dort als dass einer der drei weiteren Anbieter in dem aufgehobe- Leiterin beschäftigt ist, durchgeführt. nen Ausschreibungsverfahren die Bundesanstalt für Ar- Wenn Sie in die Broschüre schauen, sehen Sie, dass am beit gewesen ist? Abend dieser Tagung auch ein Fest stattgefunden hat, was ich für selbstverständlich halte. Sie finden auch mehrere Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- Fotos – diese möchte ich Ihnen gerne einmal zeigen –, auf ter für Arbeit und Sozialordnung: Das ist richtig. denen Sie sehen können, dass die Tagungsteilnehmer tan- zen. Daraus weitere Schlüsse zu ziehen, halte ich für ab- solut unter der Gürtellinie. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Dritte Zusatzfrage. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf von der SPD: Nur Herr Niebel war nicht da- Dirk Niebel (FDP): Ist es weiter richtig, dass, wie dem bei! – Andrea Fischer [Berlin] [BÜNDNIS 90/ Bericht des „Stern“, auf den sich die Grundfrage bezogen DIE GRÜNEN]: Herr Niebel ist nur neidisch!) hat zu entnehmen ist, der zuständige Referatsleiter, Minis- terialrat Kurt Brüss, im Vorfeld der öffentlichen Belei- Ich kann Ihnen die Broschüre gerne zur Verfügung stel- hung die Leiterin der Firma EfP, Frau Honnef, mehrfach len. Sie werden viele internationale Gäste und auch Be- (B) (D) mit nach Brüssel genommen hat und sogar als Vertreterin hinderte finden, die darin zu sehen sind. in einer EU-Arbeitsgruppe eingesetzt hat? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- Ich halte die Praxis, ein solches Foto auf diese Art und ter für Arbeit und Sozialordnung: Die Leiterin der Firma Weise zu benutzen, für einen Skandal. Deswegen bin ich EfP gehört einem Ausschuss an, den die Europäische Ihnen für diese Frage außerordentlich dankbar. Kommission eingerichtet hat. In diesen Ausschuss ist sie als Sachverständige berufen worden. In der Vorbereitung (Dirk Niebel [FDP]: Ich bin ja nicht der und Abwicklung dieser Ausschussarbeit ist es selbstver- „Stern“! – Zurufe von der SPD: Setzen! – Herr ständlich notwendig, dass Reisen nach Brüssel durchge- Niebel, einen Tanzkurs beantragen!) führt werden und Sitzungen in Brüssel stattfinden. Zum Teil war auch der zuständige Referatsleiter mit dabei. Alle Dr. h. c. Rudolf Seiters (CDU/CSU): Wir sind am weiteren Rückschlüsse daraus halte ich für nicht zulässig. Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Letzte Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis- Zusatzfrage. teriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Fragen werden von der Parlamentarischen Staatssekretä- Dirk Niebel (FDP): Herr Staatssekretär, in dem rin Dr. Edith Niehuis beantwortet. „Stern“-Artikel, auf den sich die Ausgangsfrage bezieht, ist ein Foto zu sehen, auf dem Ministerialrat Brüss mit Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Ina Lenke auf: Frau Honnef tanzenderweise abgebildet ist. Entspricht es Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass das dem üblichen Verfahren, dass Personen im Ministerium, Bundesamt für den Zivildienst laut Sonderinformation 7/2001 die für die Entscheidung über 50 Millionen DM zuständig vom 17. Juli 2001 plant, Zivildienstleistenden, die am 28. Februar sind, mit Personen, die öffentlich beliehen werden, in 2002 ihren elfmonatigen Zivildienst beenden, schon im Vorgriff auf das voraussichtlich am 1. Januar 2002 in Kraft tretende Gesetz dieser Art und Weise kommunizieren? zur Neuausrichtung der Bundeswehr zum 15. Dezember 2001 le- diglich ein gekürztes Weihnachtsgeld in der Höhe von 337,50 DM auszuzahlen, obwohl die Zivildienstleistenden freiwillig einen Gerd Andres, Parlamentarischer Staatssekretär beim elften Monat Dienst leisten und die Auszahlung auf einen Zeit- Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Ab- punkt vor In-Kraft-Treten des Gesetzes fällt? 19632 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

(A) Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- Zivildienst machen und Ihren Zivildienst nächstes Jahr (C) desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: beenden, ein gekürztes Weihnachtsgeld bekommen. Frau Kollegin Lenke, mit dem voraussichtlichen In-Kraft- Treten des Bundeswehrneuausrichtungsgesetzes am Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- 1. Januar 2002, das eine Verkürzung des Grundwehrdiens- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: tes auf neun Monate vorsieht, dauert der Zivildienst dann Diejenigen, die ihren Zivildienst nach elfmonatiger entsprechend zehn Monate. Dienstzeit am 31. Januar 2002 beenden, bekommen nicht Das Bundesamt für den Zivildienst ist aus Fürsorge ge- 337,50 DM, sondern 375 DM Weihnachtsgeld. genüber den Zivildienstleistenden verpflichtet, frühzeitig über eine geplante Gesetzesänderung zu informieren Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine zweite – daher die Sonderinformation, die Sie ansprechen – und Zusatzfrage der Kollegin Lenke. damit Sorge dafür zu tragen, dass auch bei einem Be- schluss des Deutschen Bundestages und des Bundesrates über die gesetzliche Neuregelung kurz vor dem In-Kraft- Ina Lenke (FDP): In meiner Frage ging es nicht da- Treten am 1. Januar 2002 eine pünktliche Auszahlung der rum, zu erfahren, was mit denjenigen ist, deren Zivildienst Bezüge an die Zivildienstleistenden erfolgen kann. am 31. Januar 2002 endet; es ging vielmehr um dieje- nigen, die am 28. Februar 2002 ihren elfmonatigen Zivil- Hinsichtlich der besonderen Zuwendung – Weih- dienst beenden. Wie sieht es bei ihnen aus? nachtsgeld – erfolgt eine Auszahlung immer zum 15. De- zember eines Jahres und nur, falls dies nicht möglich ist, zum Dienstende des Zivildienstleistenden. Daher musste Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- für die Auszahlung zum 15. Dezember 2001 eine Rege- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: lung getroffen werden, die das gekürzte Weihnachtsgeld Sie bekommen aufgrund der Dienstzeitverkürzung ein ge- für alle Entlassenen nach dem Datum des In-Kraft-Tre- ringeres Weihnachtsgeld. tens berücksichtigt. Für Zivildienstleistende, die auf Antrag die ursprüng- Ina Lenke (FDP): Aber diese Personen haben doch elf lich festgesetzte Dienstzeit von elf Monaten leisten wol- Monate und nicht zehn Monate lang Zivildienst geleistet, len, ist in den Übergangsregelungen des Bundeswehr- oder nicht? neuausrichtungsgesetzes in Art. 5 Nr. 10 festgelegt, dass bei einer Entlassung zum 31. Januar 2002 das höhere Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- Weihnachtsgeld gezahlt wird. desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: (B) (D) Ohne diese Übergangsregelung entstünde die nicht Das haben sie freiwillig getan. Frau Lenke, ich versuche tragbare Situation, dass ein Zivildienstleistender nach es noch einmal: zehnmonatiger Dienstzeit am 31. Dezember 2001 ein (Ina Lenke [FDP]: Nein, nicht versuchen! Es Weihnachtsgeld von 340,91 DM bekäme – also zehn geht um eine Ungleichbehandlung derjenigen, Elftel der Zuwendung – , bei seiner Entlassung nach elf die jeweils elf Monate Zivildienst geleistet ha- Monaten Dienstzeit, am 31. Januar 2002, aber nur ben! Trotz der Freiwilligkeit der einen liegt 337,50 DM. Bei allen späteren Entlassungen kann diese Zeitgleichheit vor!) besondere Konstellation nicht mehr eintreten. – Nein! Also: Es gibt eine Dienstzeitverkürzung.

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine Zu- (Ina Lenke [FDP]: Das ist klar!) satzfrage? – Bitte. Das war auch vorher so: Es gab eine Dienstzeitverkür- zung am 1. Oktober 1990 und am 1. Januar 1996. Da wur- Ina Lenke (FDP): Bei all den komplizierten Bestim- den die Bezüge ebenfalls entsprechend geändert. Nächs- mungen, tes Jahr findet eine Dienstzeitverkürzung um einen Monat statt. Die Bezüge für die Zeit der Dienstzeitverkürzung im (Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist Prozentrech- Jahre 2002 werden, wie bei den vorherigen Dienstzeit- nen, Frau Lenke!) verkürzungen, entsprechend gemindert. die Sie mir hier vorgelesen haben Frau Lenke, gerade was die Konstellation des Über- (Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin: Das gangs von 2001 auf 2002 angeht, liegt der Fall vor, dass ist ganz einfach!) ein Zivildienstleistender von der Möglichkeit Gebrauch machen kann, nur zehn Monate zu dienen. Ein solcher – Frau Niehuis, das mag bei Ihnen so sein; denn Ihre Mit- Zivildienstleistender ist am 31. Dezember fertig. Aller- arbeiter haben Ihre Antwort ja für Sie vorbereitet –, dings sind diejenigen, die ihre Dienstzeit, wie vertraglich vereinbart, nach elf Monaten beenden wollen, erst am (Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie hatte Prozentrech- 31. Januar 2002 fertig. Damit diese Personen nicht unter nen in der Schule, Sie nicht!) diese neue Regelung fallen und weniger Weihnachtsgeld hätte ich gerne eine klare Antwort – entweder mit Ja oder als diejenigen, die ihren Zivildienst nach zehn Monaten mit Nein – auf die Frage, ob diejenigen Zivildienstleis- beenden, bekommen, befindet sich im Bundeswehrneu- tenden, die elf Monate, also freiwillig einen Monat länger, ausrichtungsgesetz diese Übergangsregelung. Diese Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19633

Parl. Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis (A) Regelung kann nicht darüber hinaus Bestand haben, weil – Gut, Sie haben vorhin allerdings drei Zusatzfragen ge- (C) sie nur für diese bestimmte Konstellation gilt. stellt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Klaus (Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin: Se- Lennartz [SPD]: Hervorragend erklärt! Su- hen Sie mal, so nett ist die Bundesregierung! per!) Ich habe mitgezählt!)

Haben Sie das verstanden? Ich rufe die Frage 8 der Kollegin Lenke auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Ungleichbehandlung Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine weitere zwischen Wehr- und Zivildienstleistenden, die durch die unter- Zusatzfrage stellt der Kollege Dr. Seifert. schiedlichen Regelungen zum Entlassungsgeld gegeben sind, weil Zivildienstleistende, die freiwillig elf statt zehn Monate Dienst leisten, Entlassungsgeld in der gleichen Höhe (1 350 DM) wie die Dr. Ilja Seifert (PDS): Frau Staatssekretärin, wenn ich zehn Monate dienenden Zivildienstleistenden erhalten, während Wehrpflichtige, die freiwillig einen zusätzlichen zehnten Monat mich recht entsinne, dann ist die SPD-Grünen-Regierung dienen, zusätzlich einen Wehrdienstzuschlag von 1 200 DM und mit dem Ziel angetreten, mehr Gerechtigkeit zu schaffen ein erhöhtes Entlassungsgeld von 1 500 DM erhalten? oder zumindest dafür zu sorgen, dass es etwas weniger Ungerechtigkeit gibt. Unter diesen Umständen muss ich auf Folgendes hinweisen: Zivildienstleistende, die ihren Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- Dienst unter der Voraussetzung angetreten haben, elf Mo- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: nate zu dienen – sie haben sich also auf diesen Zeitraum Diese Frage ist zwar so ähnlich wie Frage 7, aber ein biss- eingestellt – und die nicht von der Möglichkeit Gebrauch chen anders gelagert. machen, die Dauer ihres Dienstes um einen Monat zu ver- Die von Ihnen angesprochene Konstellation ergibt sich kürzen – diese Möglichkeit besteht, weil sich inzwischen aus der Tatsache, dass Grundwehrdienstleistende die das Gesetz geändert hat –, bekommen, mit Ausnahme der- Möglichkeit erhalten, im Anschluss an den Grundwehr- jenigen, die ihren Dienst im Januar 2002 beenden, nach dienst einen freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst zu leisten. Ihrer jetzigen Aussage weniger Weihnachtsgeld, als ihnen Das steht in § 6 b Wehrpflichtgesetz. Das zieht Bezüge zu Beginn ihrer Dienstzeit zugesagt worden ist. Außer- vergleichbar denen eines Zeitsoldaten nach sich. Eine der- dem bekommen sie weniger Urlaub, weil der Urlaubsan- artige Konstellation gibt es im Zivildienst nicht. spruch – ich hoffe, dass ich richtig informiert bin – für den elften Monat nicht berücksichtigt wird. Finden Sie das ge- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Sie haben recht oder ungerecht? Wenn Sie es ungerecht fänden, dann noch zwei Zusatzfragen. (B) müssten Sie anders als alle Ihre Vorgängerregierungen (D) handeln. (Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin: Ei- gentlich nur eine, wenn man die von vorhin mit- rechnet!) Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Frau Staats- sekretärin. Ina Lenke (FDP): Frau Staatssekretärin, ich finde, Sie haben die Frage wirklich nicht richtig beantwortet. Es gibt Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- eine Ungleichbehandlung zwischen Wehrpflichtigen und desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zivildienstleistenden zulasten der Zivildienstleistenden. Herr Seifert, in jedem neuen Gesetz – so auch in dem Bun- Zu Ihrer Antwort auf meine letzte Frage muss ich ganz deswehrneuausrichtungsgesetz, an dem wir uns orientie- deutlich sagen: Als ich im Ausschuss bemängelt habe, ren; der Zivildienst ist von den entsprechenden Regelun- dass Sie im Vorfeld der Neuausrichtung der Bundeswehr gen dort abhängig – gibt es einen Stichtag. Das ist nun den Zivildienstleistenden nicht gesagt haben, dass sie ei- einmal so. Mit jedem Stichtag sind besondere Probleme nen geteilten Dienst von sieben plus drei Monaten leisten verbunden. Diejenigen, die ihren Zivildienst im können, haben Sie gesagt, das Gesetz sei noch nicht in Jahre 2002 beenden, müssen nur zehn Monate Zivildienst Kraft. Wir wussten alle, dass Sie sowieso die Mehrheit ha- leisten. Daran orientiert sich das Gesetz. Die Übergangs- ben. Sie diskutieren einmal so und einmal so. regelung betrifft nur diejenigen – ich sage es noch ein- mal –, die bei Beendigung ihres elfmonatigen Zivildiens- (Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin: tes um die Jahreswende davon betroffen wären, weniger Nein!) Weihnachtsgeld zu bekommen als Zivildienstleistende, Egal, welche Gesetze und Stichtage Sie jetzt anführen, Sie die zehn Monate lang gedient haben. Ansonsten findet das sollten einmal ganz deutlich sagen, dass es eine Un- neue Gesetz, wie jedes andere Gesetz, vom Stichtag an gleichbehandlung – und das ist meine Frage – von Wehr- Anwendung. und Zivildienstleistenden gibt. Gibt es das zulasten der Zivildienstleistenden? Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Frau Lenke, (Zuruf von der SPD: Die Frage ist nicht klar!) ich bin davon ausgegangen, dass Ihre zweite Frage beant- wortet wurde. Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- (Ina Lenke [FDP]: Nein, die ist nicht beant- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: wortet worden!) Dann muss ich es noch einmal versuchen. 19634 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

(A) Ina Lenke (FDP): Sie brauchen es nicht zu versuchen; Um diesen Stichtag herum gibt es immer Fälle, wo Leute (C) Sie sollten mir antworten. fragen, warum sie nicht unter die alte Regelung fallen und warum die neue Regelung für sie gilt. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Wir haben für die Fälle, bei denen es Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- in der Tat ungerecht wäre, nämlich wenn einer, der zehn desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Monate dient, mehr Weihnachtsgeld oder Entlassungs- Ich versuche es die ganze Zeit. geld bekommt als einer, der elf Monate dient – das gibt es nur über die Jahreswende –, eine Übergangsregelung ge- Ina Lenke (FDP): Dass Sie sagen „versuchen“, finde macht. Danach gilt das neue Gesetz. ich schon recht heftig. Das zeigt mir, wie Sie meine Frage bewerten. Das muss ich ganz deutlich sagen. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich danke der Frau Staatssekretärin. Das Gespräch kann sicherlich Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Das Wort im kleinen Kreis fortgesetzt werden. hat die Parlamentarische Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Der Parlamentarische Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen beantwortet die desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Fragen. Darf ich einmal versuchen, es zu erklären? Das ist doch ein Versuch. Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Dr. Schmidt (Hals- brücke) auf: Derjenige, der Grundwehrdienst leistet, kann seinen Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die im Pro- Dienst verlängern und Zeitsoldat werden. Dann bekommt gramm Inno-Regio 2001 nicht abgeflossenen Finanzmittel auf das er den Wehrsold als Zeitsoldat. Die Verlängerung kann ei- Jahr 2002 zu übertragen? nen Monat betragen oder länger. Durch die Verlängerung wird er vom Grundwehrdienstleistenden zum Zeitsolda- Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei ten. Diese Konstellation haben wir im Zivildienst nicht, der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Frau Lenke. Zivildienst ist für anerkannte Kriegsdienst- Kollege Schmidt, zu Ihrer Frage möchte ich Sie davon verweigerer eine Ableistung der Wehrpflicht. Damit ist in Kenntnis setzen, dass der Entwurf des Haushalts 2002 der Dienst beendet. Darüber hinaus ist es möglich, private im Inno-Regio-Titel einen Ansatz in Höhe von 70 Milli- Verträge zwischen Beschäftigungsstelle und ehemals Zi- onen DM vorsieht. vildienstleistendem abzuschließen. Aber wir haben nicht (B) den Zeitzivildienstleistenden. Insofern gibt es die Kate- In diesem Jahr konnten vom für Inno-Regio zur Verfü- (D) gorie „Wehrsold für Zeitsoldaten“ nicht für den Zivil- gung stehenden Haushaltsansatz im Rahmen der dienst. Deckungsfähigkeit zugunsten eines anderen Haushaltsti- tels 10 Millionen DM umgeschichtet werden. Wegen der verzögerten Antragstellung zu Beginn des Jahres 2001 Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine Zu- und dem überwiegenden Beginn von einzelnen Projekten satzfrage des Kollegen Dr. Seifert. in der zweiten Jahreshälfte wurden diese Mittel in diesem Jahr nicht in Anspruch genommen. Es ist beabsichtigt, diese Umschichtung im kommenden Jahr wieder auszu- Dr. Ilja Seifert (PDS): Frau Staatssekretärin, Sie haben gleichen. uns das jetzt alles sehr buchstabengetreu nach dem Gesetz erklärt. Hinsichtlich jener Fördermittel, die in bereits laufen- den Vorhaben nicht in Anspruch genommen wurden, be- (Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin: Das steht die Möglichkeit, im Rahmen der im Haushaltsplan ist meine Aufgabe, Herr Seifert!) vermerkten Übertragbarkeit von Ausgaben Ausgabereste – Darf ich meine Frage trotzdem stellen? Sie sind doch zu bilden. Im Jahre 2000 waren das 6 Millionen DM. In- diejenigen, die, wenn es um Stichtagsregelungen geht, wieweit im Jahre 2001 weitere Ausgabenreste gebildet Übergangsregelungen vorschlagen und vom Gesetzgeber werden können, wird natürlich erst nach Abschluss der beschließen lassen. Sie hätten doch auch Übergangsrege- Rechnungslegung Anfang 2002 festzustellen sein. Im lungen einführen können, die den Zivildienstleistenden Übrigen gilt die Entscheidung der Bundesregierung, das gegenüber wesentlich weniger ungerecht gewesen wären. Programm Inno-Regio wegen der eingetretenen Verzöge- Können Sie denn das nicht wenigstens dem Parlament ge- rung bis in das Haushaltsjahr 2006 zu verlängern. genüber bestätigen? Wir sehen dafür also in einem begrenzten Umfang Möglichkeiten. Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Eine Zu- Herr Seifert, ich habe schon bei der vorherigen Frage ge- satzfrage. sagt, dass jedes Gesetz einen Stichtag hat. (Dr. Ilja Seifert [PDS]: Und Übergangsrege- Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) (CDU/ lungen!) CSU): Herr Staatssekretär, die von Ihnen zuletzt ange- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19635

Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) (A) sprochene Verlängerung findet bei den Betroffenen nur Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Frage 10 des (C) bedingt Zustimmung. Der Grundtenor lautet vielmehr: Kollegen Dr. Joachim Schmidt (Halsbrücke): Innovationen sollte man nicht verschieben, schon gar Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung im Rahmen nicht aus administrativen Gründen. Welche Chancen se- des Programmes Inno-Regio, das Antragsprozedere und die hen Sie also, die Jahresscheiben bis 2005 zu erhöhen, auf Bonitätsprüfung für kleine und mittelständische Betriebe zu ver- die Verlängerung zu verzichten und damit in dem bisher einfachen? vorgesehenen Zeitrahmen die zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen? Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Auf Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei Ihre Frage möchte ich Ihnen antworten, dass nach unserer der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sie for- Einschätzung im Interesse von Innovationen, die sich aus dern damit, die ursprünglich vorgesehene Laufzeit von dem Zusammenwirken von unterschiedlichen Partnern, fünf Jahren für die praktische Durchführung von Branchen und Disziplinen ergeben, Inno-Regio eine Forschungsprojekten zu verkürzen. Man muss sich in die- ganze Palette von Förderinstrumenten und -tatbeständen sem Zusammenhang überlegen, ob man nicht eine mittel- vereint. Die Verknüpfung unterschiedlicher Kompetenzen fristige Entwicklung anstoßen will. Es ist keine Frage, und Ziele in regionalen Innovationskonzepten und Netz- dass die Verteilung der Mittel im Rahmen der Weiter- werken muss deshalb mit einer entsprechenden Verstär- führung und Fortschreibung der mittelfristigen Finanz- kung der Bearbeitungs- und Beratungskapazität einherge- hen. Für beide Seiten, für die in Inno-Regio-Netzwerken planung vor allem für die Jahresscheiben 2004 und 2005 zusammengeschlossenen Unternehmen und Einrichtun- überdacht werden muss. Für die Finanzplanung bis 2003 gen, die einen Antrag auf Förderung stellen, einerseits und sind aber Festlegungen getroffen worden; bei einer Ände- für unser Ministerium und die von uns beauftragten Pro- rung müssten wir auch die Gesamtverpflichtungen in un- jektträger andererseits, stellt dieses eine Herausforderung serem Haushalt mitbedenken. Wir hoffen allerdings sehr, dar und verlangt durchaus auch neue Lernprozesse ab. dass wir etwa durch die Möglichkeit der Übertragbarkeit de facto die Beträge, die für die Jahre 2002 und 2003 vor- Die erste Grundlage für eine Förderung von Projekten gesehen sind, in begrenztem Umfang steigern können. im Rahmen von Inno-Regio ist und bleibt das jeweilige Konzept, das, nachdem es im letzten Jahr von einer unab- hängigen Jury bewertet wurde, zur Förderung und Umset- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zweite Zu- zung empfohlen wurde. Somit muss jedes einzelne Vor- satzfrage. haben nicht nur nach seiner ihm eigenen Schlüssigkeit, sondern auch nach seinem Beitrag zur Umsetzung des (B) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) (CDU/ Innovationskonzeptes insgesamt bewertet werden. (D) CSU): Herr Staatssekretär, welche Gründe hat die Bun- Abweichend von anderen Förderprogrammen ge- desregierung dafür, von den ursprünglich ausgelobten schieht dies nicht durch Projektträger und die von ihnen 500 Millionen DM für Inno-Regio – nach meinen letzten beauftragten externen Gutachter, sondern in der Region Erkenntnissen sind ja kürzlich vier weitere Inno-Regio- durch einen wissenschaftlichen Beirat, den jede Inno-Re- Vorhaben genehmigt worden – nur etwa 450 Milli- gio selbst berufen hat. Dabei finden neben wissenschaft- onen DM auszuschöpfen? Wenn dies stimmt, würde man lich-technologischen Fragen auch wirtschaftliche und re- ja nur etwas mehr als 90 Prozent des ursprünglich vorge- gionale Kriterien Berücksichtigung. sehenen Betrages für Inno-Regio ausgeben. Insgesamt gilt: Verbesserungen im Antragstellungs- und Bearbeitungsverfahren nicht nur bei Inno-Regio, sondern Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei allgemein mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Natür- werden vom BMBF zurzeit geprüft. Wir haben bereits ei- lich ist es richtig – Sie weisen darauf hin –, dass wir erst nige neue Vorgehensweisen vereinbart, etwa die Einführung nach Abschluss des Auswahlverfahrens und der Festle- von Sprechtagen in den Regionen, an denen Antragsteller gung der Inno-Regio-Projekte die volle Höhe der Ver- frühzeitig alle wichtigen Informationen zur Antragstellung pflichtungen übersehen können. Wir konnten ja nicht im adressatengerecht aus einer Hand erhalten sollen. Vorhinein prognostizieren, welche Inno-Regio-Projekte in einer zweiten Runde in die Förderung aufgenommen Jede Bemühung um Vereinfachung muss allerdings das werden. Nach wie vor ist es unser politisches Ziel, diese Haushalts- und Förderrecht des Bundes und der Europä- 500 Millionen DM umzusetzen. Wir haben – darauf wei- ischen Gemeinschaft beachten. Das gilt natürlich auch für sen Sie richtigerweise hin – bis 2005 nach den jetzigen die so genannte Bonitätsprüfung, deren Verfahren bereits Planungen Vorsorge für 450 Millionen DM getroffen und kritisch analysiert worden ist. Im Kern ist es die gegebe- damit diese Summe sichergestellt. Wenn wir die Förde- nenfalls nicht vorhandene Bonität, die problematisch sein rung auf das Jahr 2006 ausdehnen würden, würde sich kann. In solchen Fällen umfasst die Prüfung der Bonität diese Summe ja ohnehin um einen bedeutenden Faktor, zugleich auch immer die Beratung und die gemeinsame den wir jetzt nicht beziffern können, erhöhen. Wir werden Suche nach Alternativen für den Nachweis des erforderli- uns bemühen, bei der Fortschreibung der mittelfristigen chen Eigenanteils des Unternehmens. Finanzplanung, beginnend schon bei den Vorbereitungen An dieser Stelle haben wir versucht, bis an die Grenze auf den Haushalt 2003, die Gesamtsumme von 500 Milli- der juristischen Mindestanforderungen zu gehen. Wir onen DM zu realisieren. meinen aber auch, dass diese gesetzlich vorgeschriebene 19636 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Parl. Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen (A) Bonitätsprüfung nicht zuletzt im Interesse des Unterneh- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Vielen (C) mens selbst erfolgt, dessen Insolvenzrisiko sich – im Falle Dank, Herr Staatssekretär. von kleinen Unternehmen – durch eine Förderung wegen Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- des geforderten Eigenanteils deutlich erhöhen könnte. kanzleramtes. Die Frage 11 der Kollegin Sylvia Bonitz Dass dieser Aspekt gerade bei solchen Förderkonzepten wird schriftlich beantwortet.1) eine gewisse Rolle spielt, liegt auf der Hand. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Die Frage 12 der Kollegin Sylvia Bonitz wird eben- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Haben Sie falls schriftlich beantwortet.2) nach dieser umfassenden Antwort noch Zusatzfragen? Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministe- riums der Finanzen. Die Parlamentarische Staatssekretä- Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) (CDU/ rin, Frau Kollegin Dr. Barbara Hendricks, wird die Fragen CSU): Ich habe noch zwei Zusatzfragen. beantworten. Die Frage 13 des Kollegen Dietrich Austermann wird Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Bitte schön. schriftlich beantwortet.3)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) (CDU/ Ich rufe nun die Frage 14 der Kollegin Christine CSU): Herr Staatssekretär, der nicht ganz glückliche Start Ostrowski auf: von Inno-Regio in Phase drei hängt nach meiner Meinung Wie hoch sind die Zinsen, die der Bundeshaushalt für den erstens mit dem gerade beschriebenen komplizierten An- übernommenen Altschuldenanteil der ostdeutschen Wohnungs- tragsprozedere und zweitens mit dem Versuch zusammen, wirtschaft an Privatbanken in den Jahren von 1995 bis 2000 leis- dieses sehr modern gedachte Programm mit tradierten tete? Förderinstrumenten umzusetzen. Meine zwei Fragen lauten – Herr Präsident, mit Ihrer Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Erlaubnis fasse ich sie zusammen –: Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Ostrowski, wenn Sie einverstanden sind, beantworte ich die beiden Erstens. Stimmen Sie mir zu, dass man komplizierte Pro- Fragen zusammengefasst. grammstrukturen nur mit möglichst einfachen Förderinstru- menten umsetzen und eine Förderung betreiben kann? Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Dann rufe Zweitens. Was wollen Sie tun, damit in Zukunft nicht ich auch die Frage 15 auf: (B) nur Inno-Regio, sondern auch andere netzwerkorientierte (D) Programme – das sind die zurzeit modernsten Programme Welcher Zinssatz wird für diese Altverbindlichkeiten im Durchschnitt erhoben und wie hat er sich in dieser Zeit ent- auf dem Gebiet – wesentlich wirkungsvoller und sinnvol- wickelt? ler realisiert werden können, als dies bei Inno-Regio bis jetzt der Fall ist? Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen: Der Erblastentilgungsfonds Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei hat zum 1. Juli 1995 die Teilentlastung der ostdeutschen der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Wohnungswirtschaft von Altschulden übernommen. Ent- Kollege Schmidt, ich stimme Ihnen zunächst zu, dass das sprechend § 3 des Erblastentilgungsfonds-Gesetzes hat der Konzept von Inno-Regio sehr modern ist und dass es den Fonds die Altkredite abgelöst. Insoweit bestehen die alten Ergebnissen der Innovationsforschung im vollen Umfang Schuldverhältnisse nicht mehr, sodass weder der Fonds gerecht wird. noch der Bundeshaushalt Zinsen aus den Altkrediten an Wir haben in unserem Hause schon vielfach Erfahrun- die Gläubigerbanken der Wohnungswirtschaft zahlt. gen mit komplexen Forschungsvorhaben sammeln kön- nen. Ich denke beispielsweise an Bio-Regio und andere Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zusatzfrage. regionale Innovationsnetzwerke. Aber die Komplexität von Inno-Regio übersteigt die der bisherigen Projekte deutlich. Deswegen stimme ich Ihnen zu – ich will es ein- Christine Ostrowski (PDS): Können Sie vielleicht mal so formulieren –, dass wir noch nicht am Ende der eine Aussage machen, was Anfang 1990 anbelangt? Ich Überlegungen sind, wie wir die Förderinstrumente bis an stelle die Frage deshalb, weil es – wie Sie vielleicht wis- die Grenze dessen, was nach den Förderrichtlinien des sen – Probleme gibt, was die Beteiligung der Banken am Bundes und der Europäischen Gemeinschaft noch zu ver- Stadtumbau Ost anbelangt. Die DDR-Kredite für die treten ist, vereinfachen können. Wohnungswirtschaft wurden damals mit fünf Prozent verzinst. Wie hat sich der Zinssatz erhöht, als die staat- Ich denke, dass wir in der neuen Legislaturperiode ins- lichen Kredite quasi in die Marktwirtschaft überführt gesamt Bilanz ziehen werden, wie unsere Erfahrungen hinsichtlich des Greifens der klassischen Förderinstru- mente bei sehr komplexen Forschungs- und Innovations- vorhaben sind. Wir werden möglicherweise mit der - 1) Anlage 3 päischen Gemeinschaft über die Veränderungen der 2) Anlage 4 Rahmenbedingungen reden müssen. 3) Anlage 5 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19637

Christine Ostrowski (A) wurden und an Kreditinstitute übergingen? Wie hoch ist Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- (C) die Zinsdifferenz zwischen Anfang der 90er-Jahre und minister für Wirtschaft und Technologie: Der Bundes- der 90er-Jahre gewesen? regierung ist die Tatsache bekannt, dass die unerwünschte Zusendung von Werbefaxen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Verärgerung auslöst. Bei den zuständigen Minis- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim terien, insbesondere aber bei der Regulierungsbehörde für Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Ostrowski, es Telekommunikation und Post und den Verbraucherschutz- tut mir Leid. Das kann ich Ihnen im Rahmen einer münd- organisationen ist in den letzten Monaten ein erheblicher lichen Fragestunde nicht beantworten; denn es weicht Anstieg der Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern etwas von der ursprünglichen Fragestellung ab. über derartige Praktiken zu verzeichnen gewesen. Die Sie haben zum gleichen Themenkomplex auch eine Bundesregierung prüft derzeit alle Möglichkeiten, die zu Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Wir einer wirksamen Bekämpfung der unerwünschten Fax- sind mit der Beantwortung nahezu fertig. Die Antwort werbung beitragen können. wird Ihnen in nächster Zeit zugehen. Ich werde überprü- Als erste Konsequenz hat die Bundesregierung bereits fen, ob die Frage, die Sie jetzt angeknüpft haben, schon im Gesetzgebungsverfahren zum Schuldrechtsmoder- Gegenstand dieser Antwort ist. Sonst werde ich dafür sor- nisierungsgesetz einen Auskunftsanspruch zugunsten der gen, dass diese Frage gesondert schriftlich beantwortet Verbraucherschutzverbände, der Industrie- und Handels- wird. kammern sowie der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg eingebracht. Dieser in § 13 Christine Ostrowski (PDS): Gut, dann bedanke ich des geplanten Unterlassungsklagengesetzes enthaltene, mich. sachlich beschränkte Anspruch gegen Telekommuni- Ich kann eine zweite Frage anschließen. Vielleicht wis- kations-, Tele- und Mediendiensteanbieter ist auf Aus- sen Sie auch das nicht; ich frage trotzdem: Haben Sie ei- kunft über Namen und ladungsfähige Anschrift der am Te- nen ungefähren Überblick, wie hoch die Erlösabführun- lekommunikationsverkehr beteiligten Personen gerichtet. gen sind, die bislang von der Wohnungswirtschaft in Hiermit steht den Verbraucherschutzorganisationen ein Ostdeutschland an den Erblastentilgungsfonds zurückge- wirksames Mittel zur Seite, um die Identität des Nutzers flossen sind? einer bestimmten Rufnummer zu ermitteln. Dies ist, wie die Bundesregierung findet, in der Praxis eine wesentliche Voraussetzung dafür, rechtliche Schritte zur Abwehr un- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim erwünschter Faxversendung zu ergreifen. Bundesminister der Finanzen: Tut mir Leid, auch das (B) kann ich Ihnen so nicht beantworten. Aber das ist sicher- Die zuständigen Ministerien erhalten eine Vielzahl von (D) lich Gegenstand der Beantwortung Ihrer Kleinen Anfrage. Vorschlägen zur Verbesserung der Abwehr unerwünschter Faxwerbung. Alle diese Vorschläge werden eingehend ge- (Christine Ostrowski [PDS]: Gut! Das war es prüft. dann! Danke!) Dazu zählt auch der Gedanke einer besonderen Anbie- terkennzeichnung, auf den Sie in Ihrer Frage abheben. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Vielen Was diesen Vorschlag anbelangt, ist die Bundesregierung Dank, Frau Staatssekretärin. der Auffassung, dass eine Verpflichtung zur Kennzeich- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums nung für gewerbliche Anbieter bereits nach geltendem für Wirtschaft und Technologie auf. Frau Parlamenta- Recht besteht. Dies ergibt sich aus § 2 des Fernabsatzge- rische Staatssekretärin Margareta Wolf steht zur Verfü- setzes. Die Regelung dient der Umsetzung der EG-Richt- gung. linie 97/7 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Ver- Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Dr. Martin tragsabschlüssen im Fernabsatz. Mayer auf: Eine europäische harmonisierte Regelung zur Anbie- Ist der Bundesregierung bekannt, dass die deutlich gestiegene terkennzeichnung existiert folglich ebenfalls bereits. Auf- Zahl versandter Werbefaxe bei vielen Empfängern zu erheblichen Belästigungen führt? grund des geplanten, bereits erwähnten § 13 des Unter- lassungsklagengesetzes werden die Anbieter, die sich an die Kennzeichnungspflicht nicht halten, zukünftig besser Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- ermittelt werden können. minister für Wirtschaft und Technologie: Herr Präsident! Herr Kollege Mayer! Ich würde gerne die beiden Fragen zusammen beantworten. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zusatz- frage?

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Dann rufe ich auch die Frage 17 auf: Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Bis wann werden die Prüfungen, von denen Sie gesprochen Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zur Abwehr die- haben, abgeschlossen sein, sodass der belästigte Nutzer ser Belästigungen bei gewerblichen Faxen generell eine europa- weite Identifikation des Absenders ähnlich der Impressumspflicht unmittelbar gegen den Werbenden, der unerlaubt Werbe- bei Flugblättern durchzusetzen? faxe versendet, vorgehen kann? 19638 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

(A) Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Nach diesem Entwurf sollen die Schwellenwerte für (C) minister für Wirtschaft und Technologie: Ich habe ver- den Umsatz von 40 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro sucht, Ihnen darzustellen, dass wir durch das Unterlas- und für die Bilanzsumme von 27 Millionen Euro auf sungsklagengesetz, das im Moment in der Beratung ist, 43 Millionen Euro erhöht werden. Die Obergrenze von für unsere Begriffe relativ gute Voraussetzungen geschaf- 250 Beschäftigten bleibt jedoch unverändert. Die Anpas- fen haben, für den Verbraucher hier tätig zu werden. Da- sung der Schwellenwerte bei Umsatz und Bilanzsumme rüber hinaus prüfen wir alles, was an Vorschlägen he- nach vier Jahren ist bereits in der schon angesprochenen reinkommt, bis wir diesem Unwesen ein Ende gesetzt Empfehlung enthalten. Die nun vorgeschlagene Erhöhung haben. stellt nach Auffassung der Bundesregierung eine Anpas- sung an die Produktivitäts- und Preisentwicklung dar.

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zweite Zu- Wir erwarten von dieser Anpassung – danach haben satzfrage. Sie gefragt – keine wesentliche Ausweitung des Kreises von Begünstigten bei Fördermaßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen, da das Schlüsselkriterium, die Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Wenn Beschäftigtenzahl, unverändert bleibt und außerdem auch ich Ihre Antwort richtig verstanden habe, dann haben das Unabhängigkeitskriterium erfüllt sein muss. Das Bun- zwar bestimmte Verbände und Institutionen ein Recht, zu deswirtschaftsministerium hat deshalb in der Konsulta- erfahren, wer die Werbefaxe versendet, aber nicht der tionsphase zum Kommissionsvorschlag nach Abstim- Empfänger. Das eigentliche Anliegen vieler Bürger ist mung mit den Ressorts und den Ländern in diesen aber, dass sie, wenn sie ein solches Fax empfangen, des Punkten keine Einwände erhoben. Absenders kundig werden, um ihm mitzuteilen, dass sie Wir haben dazu auch die Verbände gehört. Lediglich das nicht wünschen, und gegebenenfalls ihr Recht auf der ZDH hat sich gegen eine Anhebung ausgesprochen. dem Klagewege durchsetzen können. Die anderen Verbände, also BDI, BDA, DIHK, haben in einer gemeinsamen Stellungnahme die Anhebung der Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Schwellenwerte begrüßt und eine Ausdehnung auf alle minister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Familienunternehmen explizit unterstützt. Mayer, Sie merken schon, das ist nicht mein Spezialge- biet. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zusatzfrage. (Werner Siemann [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine Antwort?) Ernst Hinsken (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, (B) Nach dem, was hier aufgezeichnet worden ist, haben die Sie haben eben angesprochen, dass sich das Handwerk (D) Verbraucherschutzverbände in Vertretung der Empfänger energisch dagegen ausgesprochen hat. Sind Sie denn be- reit, zur Kenntnis zu nehmen, dass auch verschiedene die Möglichkeit, tätig zu werden. Ich werde Ihnen Ihre mittelständische Verbände, wie die „FAZ“ vom 9. Okto- Frage aber gerne schriftlich beantworten. ber dieses Jahres berichtet, größte Bedenken haben? ( [CDU/CSU]: Das ist doch Hier heißt es: eine gute Anregung! – Zuruf von der FDP: Faxen Sie sie doch mal rüber!) Unternehmensvertreter fürchten jedoch, dass die Europäische Kommission damit den Weg bereitet, – Ich faxe sie rüber, genau. KMU so weit zu definieren, dass alle Unternehmen, bis auf die Industrieunternehmen, erfasst würden. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich rufe die Hier wird ein großes Bedenken eingebracht. Aufgrund Frage 18 des Kollegen Ernst Hinsken auf: Ihrer Aussage gehe ich davon aus, dass dem nicht nach- Treffen Pressemeldungen zu, wonach die EU-Kommission gekommen wird. Hat man hier zu wenig Kontakt zu den eine neue Definition der kleinen und mittleren Unternehmen, Verbänden, insbesondere zu denen des deutschen Hand- KMU, das heißt eine Erhöhung der Fördergrenze beim Jahres- werks, gehabt? umsatz von 40 auf 50 Millionen Euro, plant, sodass es zu einer er- heblichen Ausweitung des Kreises der Begünstigten käme, und ist die Bundesregierung mit einer solchen Vorgehensweise ein- Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- verstanden? minister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Hinsken, wie ich schon sagte: Wir hatten Kontakt zum Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Handwerk und haben mit ihm selbstverständlich darüber minister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege gesprochen. Der Zentralverband des Deutschen Hand- Hinsken, es trifft zu, dass die Europäische Kommission werks ist der einzige Verband, der die Anhebung der Ende September dieses Jahres einen Entwurf zur Ände- Schwellenwerte mit einem Fragezeichen – also keines- rung ihrer Empfehlung 96/280/EG vom 2. April 1996 be- wegs mit scharfer Kritik, wie Sie das gesagt haben – ver- treffend die Definition der kleinen und mittleren Unter- sehen hat. Denn er ist der Meinung, dass die Umsatz- nehmen vorgelegt hat. Bis zum 9. November waren die entwicklung des Handwerks das nicht hergibt respektive die Schwellenwerte zu hoch sind. Mitgliedstaaten, die Wirtschaftsverbände und die interes- sierte Öffentlichkeit aufgerufen, ihre Kommentare zum Vielleicht kann ich Sie aber mit einer darüber hinaus- Kommissionsentwurf abzugeben. gehenden Antwort beruhigen: Die anderen Verbände, die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19639

Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf (A) wir auch angehört haben, also der DIHK, die BDAund der dieser Frage inzwischen eine etwas differenziertere Posi- (C) BDI, haben zusammen mit dem Handwerk festgestellt, tion haben, werde ich bei den Verbänden gerne noch ein- dass die neuen Festlegungen hinsichtlich des Unabhän- mal vorstellig und mich in dieser Hinsicht in Kenntnis gigkeitskriteriums viel zu kompliziert sind und in der setzen. Da wir davon ausgehen, dass erst im kommenden Verwaltungspraxis wahrscheinlich zu mehr Bürokratie Jahr ein überarbeiteter Vorschlag der Kommission vorlie- führen würden. Diese Bedenken haben wir sehr ernst ge- gen wird, hätten wir noch die Möglichkeit, unseren Ein- nommen. Außerdem haben sie festgestellt, dass einige fluss eventuell geltend zu machen. Festlegungen die Bemühungen zur Beteiligungsförde- rung, also zur Zurverfügungstellung von Risikokapital, Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Frau Staats- konterkarieren. sekretärin, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Seitens der Verbände gab es auch Bedenken hinsicht- Wir kommen zum letzten Geschäftsbereich, zu dem lich der allgemeinen Definition eines Unternehmens. Die des Bundesministeriums der Verteidigung. vorgesehene Definition könnte die hohe Förderung von Forschungseinrichtungen in Deutschland gefährden, Die Fragen 19 und 20 des Kollegen Günther Friedrich wenn diese wegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit wie ein Nolting werden schriftlich beantwortet.1) Unternehmen behandelt werden müssten. Das Wirt- Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Werner Siemann schaftsministerium hat deshalb in Abstimmung mit dem auf: BMBF Ausnahmen vorgeschlagen. Die Kommentare Wie viele Soldaten der Bundeswehr werden bereits jetzt für wurden der Generaldirektion Unternehmen übermittelt. die Bewachung US-amerikanischer Liegenschaften in Deutsch- Auf der Anhörung in Brüssel am 7. November dieses Jah- land eingesetzt? res kamen aus der Wirtschaft auch zu diesen Punkten kri- tische Hinweise, sodass wir davon ausgehen, dass die Die Fragen werden von der Parlamentarischen Staats- Kommission erst im kommenden Jahr einen überarbei- sekretärin Brigitte Schulte beantwortet. teten Vorschlag vorlegen wird. Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zweite Zu- minister der Verteidigung: Lieber Herr Kollege Siemann, satzfrage. zurzeit werden 301 Soldaten zur Unterstützung der Be- wachung von zwölf Liegenschaften der amerikanischen Streitkräfte und einem militärischen Sicherheitsbereich in Ernst Hinsken (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, Deutschland eingesetzt. auch wenn Sie das Ganze noch so blumig umschreiben, Darüber hinaus werden weitere 62 Soldaten zur zu- (B) kann ich Ihren Ausführungen nicht folgen. Ich möchte da- (D) sätzlichen Absicherung der NATO-Einrichtungen in Gei- rauf verweisen, dass nach wie vor große Wettbewerbsver- lenkirchen eingesetzt. Durch die Notwendigkeit der Auf- zerrungen zu verzeichnen sind und diese sogar noch aus- rechterhaltung eines 24-stündigen Dienstes ergibt sich geweitet werden. Ich erwähne nur ein Beispiel – in diesem somit ein Gesamteinsatz von etwa 1100 Bundeswehrsol- Zusammenhang hat es einen umfangreichen Briefverkehr daten für diese Aufgabe. Darüber hinaus werden in mit Ihrem Ministerium gegeben –: die Errichtung von 13 Standortbereichen Liegenschaften allierter Streitkräfte Großsägewerken in den neuen Bundesländern zulasten in Deutschland durch 109 Soldaten der Feldjägertruppe der kleinen und mittleren Sägewerke in den alten Bun- bestreift. desländern. Wenn der Schwellenwert für den Umsatz in diesem Bereich jetzt sogar auf 50 Millionen Euro ausge- weitet wird, ist das ein weiterer Schlag in das Gesicht des Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zusatzfrage. Mittelstandes. Dies kann ich nicht nachvollziehen und deshalb prangere ich es hier an. Ich bitte Sie als Mittel- Werner Siemann (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, standsbeauftragte, sich dessen zu erwärmen und sich da- auf welcher rechtlichen Grundlage wurden diese Soldaten rum zu bemühen, dass für Letztere etwas getan wird. eingesetzt? Lag ein formelles Anforderungsschreiben der amerikanischen Seite vor? Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege, Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- das tue ich selbstverständlich ständig. Aber wie ich schon minister der Verteidigung: Natürlich lag eine Anforderung versucht habe, Ihnen darzustellen: Wir haben gerade zu vor. Sie wissen, dass wir im Rahmen des Host Nation Sup- diesem Aspekt alle Verbände angehört. Es gab zwischen port militärische Anlagen – alliierter Streitkräfte – mit- den Verbänden keine Einigkeit. Die Verbände, die ich ge- betreuen können. In diesem Fall war es so, dass die nannt habe – eine Ausnahme bildet das Handwerk –, US-Streitkräfte Unterstützung bei der Bewachung mili- (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ich habe eben tärischer Einrichtungen beantragt haben. Wir haben je- noch einen genannt!) weils – bei militärischen Einrichtungen natürlich in Zu- sammenarbeit mit den Ländern – Hilfe geleistet. Weitere waren der Meinung, dass wir hier eine Anpassung an die Anforderungen liegen zurzeit nicht vor. wirtschaftliche Realität, das heißt an die Produktivitäts- und Preisentwicklung, brauchen. Da Sie der Meinung sind, dass neben dem ZDH auch die anderen Verbände in 1) Anlage 6 19640 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

(A) Werner Siemann (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich rufe die (C) wäre es möglich, uns eine Liste zukommen zu lassen – das Frage 23 des Kollegen Ernst Hinsken auf: muss nicht heute sein –, um welche Liegenschaften es sich Welche Kriterien hat die Bundesregierung bei der Entschei- handelt? dung über den Verbleib bzw. Reduzierung von Standortverwal- tungen der Bundeswehr angewandt, und ist hier insbesondere, wie zum Beispiel in Regen, die Grenznähe, das schwache strukturelle Brigitte Schulte Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Umfeld und die Bedeutung dieser Behörde für dringend benötigte Verwaltungsarbeitsplätze im öffentlichen Bereich genügend mister der Verteidigung: Aber ja, die können Sie selbst- gewürdigt worden? verständlich bekommen. Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Wir kom- minister der Verteidigung: Lieber Herr Kollege Hinsken, men zur Frage 22 des Kollegen Siemann: die Einführung neuer Strukturen in den Streitkräften und Mit welchen Ausrüstungsgegenständen sind die zur Bewa- in der Wehrverwaltung erfordert auch eine grundlegende chung US-amerikanischer Liegenschaften eingesetzten Soldaten Reform der Standortverwaltungen. Diese müssen und sol- der Bundeswehr ausgerüstet? len – das sage ich dem Handwerksmeister – mehr auf Wirtschaftlichkeit und Effektivität sowie eine modernere, Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bun- kostengünstigere und leistungsfähigere Verwaltung aus- desminister der Verteidigung: Die Ausrüstung der einge- gerichtet sein. setzten Soldaten entspricht dem Standard aller Bundes- Der Bundesrechnungshof hat seit vielen Jahren die wehrsoldaten, der im Wachdienst in Deutschland im Forderung erhoben, die beiden Standortverwaltungen Re- Frieden Anwendung findet. Danach führen die Soldaten gen und Bogen zusammenzuführen. Das bedeutet freilich hauptsächlich folgende Ausrüstungsgegenstände mit nicht, dass die bisher unmittelbar vor Ort eingesetzten – dies ist sicherlich auch für die Zuhörer interessant –: Mitarbeiter, zum Beispiel die Mitarbeiter der Bezirksver- Der Zweckmäßigkeit halber tragen sie natürlich einen waltung, die Meister, Handwerker oder Kasernenwärter, Feldanzug Tarndruck. Sie haben eine ABC-Schutzaus- ihren Arbeitsplatz dort verlieren werden. Allerdings müs- stattung. Sie tragen eine entsprechende Waffe. Posten sen die Mitarbeiter in aufzugebenden Liegenschaften so- sind mit Pistole und Streifen mit Gewehr ausgestattet. wie das Verwaltungspersonal in aufzugebenden Standort- Sie haben Armbinden, an denen erkennbar wird, dass es verwaltungen mit Veränderungen rechnen, das heißt, dass sich um eine Wache oder Streife handelt. Sie tragen auch diese entweder ganz aufgegeben oder reduziert werden. gegebenenfalls Splitterschutzwesten und sie haben ge- (B) gebenenfalls bei größeren Liegenschaften Handfunk- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zusatz- (D) geräte. frage?

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Zusatzfrage. Ernst Hinsken (CDU/CSU): Gern, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, was hat Ihr Ministerium dazu be- Werner Siemann (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, wogen, die Pläne zu Abbau und Umstellungen der Öf- Sie haben dies nun ausführlich dargestellt, aber ist es zu- fentlichkeit immer nur scheibchenweise mitzuteilen? treffend, dass die eingesetzten Soldaten auch Ausrüs- Dies ist zu guter Letzt so weit gegangen, dass sich Ihr und tungsgegenstände wie beispielsweise Nachtsichtgeräte mein Kollege Leidinger zu der Aussage hinreißen ließ, sowie die von Ihnen angesprochenen unterziehbaren dass in dem strukturschwachen Regen 90 Prozent der Splitterschutzwesten aus amerikanischen Beständen er- Arbeitsplätze gehalten werden. Tatsächlich sind dies nun halten? aber viel weniger, nämlich nur etwa die Hälfte.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister der Verteidigung: Dazu liegen mir keine Infor- minister der Verteidigung: Ich habe bewusst den Hand- mationen vor. Es kann natürlich sein, dass dies der Fall werksmeister erwähnt. Wer sich nur etwas der Mühe un- war, wenn ein Einsatz sehr schnell erfolgen musste. Ich terzieht, sich den Zustand der Standortverwaltungen in habe darüber jedoch keinerlei Nachweise. Wir sind in der der Vergangenheit anzusehen und schaut, wie viele Mit- Lage, die Soldaten selbst auszurüsten. arbeiterinnen und Mitarbeiter im Verwaltungs- und im Handwerksbereich dort beschäftigt sind, der wird nichts finden, was mit Wirtschaftlichkeit gemein ist. Deswegen Werner Siemann (CDU/CSU): Schließen Sie aus hat der Bundesverteidigungsminister bei seinem Amts- – denn diese Information ist uns gegeben worden –, dass antritt gesagt, es gehe nun wirklich darum, die Liegen- eine Ausstattung der Soldaten durch die Amerikaner er- schaften mithilfe der entsprechenden Leute in einen an- folgt, weil wir nicht in der Lage sind, diese Ausrüstung zur gemessenen Zustand zu bringen. Verfügung zu stellen? Herr Kollege Hinsken, der Rechnungshof klagt seit Jahr und Tag – es wird Sie freuen, dass ich ihm in meiner Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- jetzigen Funktion widersprochen habe –, dass Regen und minister der Verteidigung: Das schließe ich aus. Bogen zusammengelegt werden sollten. Da ich aber um Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19641

Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte (A) die Differenz zwischen diesen beiden Standorten weiß, Da die Fragestunde früher als ursprünglich vorgesehen (C) habe ich immer gesagt: Das, was bezüglich Erhalt und In- zu Ende gegangen ist, haben sich die Fraktionen verstän- standsetzung der Liegenschaften geleistet werden muss, digt: Die Aktuelle Stunde wird um 15 Uhr aufgerufen. sollte tunlichst auch vor Ort geschehen. Die Sitzung ist unterbrochen. Über die Personalausstattung in der Vergangenheit (Unterbrechung von 14.23 bis 15.00 Uhr) würde ich mit Ihnen gerne eine Diskussion führen. Die hatte mit Wirtschaftlichkeit nichts zu tun. Vizepräsident Dr. : Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und rufe den Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Es gibt eine Zusatzpunkt 1 auf: zweite Zusatzfrage. Aktuelle Stunde Ernst Hinsken (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, es auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU ist nicht von der Hand zu weisen, dass gerade im struk- Was beabsichtigt die Bundesregierung an- turschwachen Raum Arbeitsplätze bei Behörden von gesichts der in der jüngsten Steuerschätzung äußerster Wichtigkeit sind. Deshalb hatte ich die Frage prognostizierten erheblichen Einnahmeaus- gestellt. fälle von Bund, Ländern und Gemeinden zu tun? Mich würde interessieren – Herr Präsident Seiters hat eine zweite Zusatzfrage zugelassen –, wie lang die Über- Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der gangsfristen beim Personalabbau sind. Trifft es zu, dass Kollege Dietrich Austermann von der CDU/CSU-Frak- der Personalabbau, im Gegensatz zu früheren Aussagen, tion das Wort. wonach es eine drei- bis fünfjährige Übergangsfrist geben sollte, mit sofortiger Wirkung vollzogen wird und die Wä- Dietrich Austermann (CDU/CSU): Herr Präsident! gen, die das Material wegschaffen, in der Zwischenzeit Meine Damen und Herren! Normalerweise müsste man bereits in voller Aktion sind? anhand der Fragestellung der Aktuellen Stunde erwarten, dass zuerst die Regierung die Gelegenheit wahrnimmt, Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- sich zu äußern. Dies hätte der Bundesfinanzminister tun minister der Verteidigung: Erstens trifft es zu, dass wir ei- können. Er wollte aber stattdessen in den Haushaltsaus- nen erstaunlich guten Tarifvertrag ausgehandelt haben. schuss kommen. Wir haben dafür die Sitzung unterbro- Die Leute, deren Dienstposten weggefallen sind, weil ein chen, sodass er Zeit hat. Er erscheint aber trotzdem nicht. Standort völlig aufgegeben wird – wir brauchen dann dort Das macht aber nichts, weil bekannt ist, was die Bun- (B) auch keine Standort- und Liegenschaftsverwaltung (D) desregierung beabsichtigt zu tun, nämlich nichts. mehr –, können, wenn sie nicht an einem anderen Ort auf ihren eigenen Wunsch hin einen Arbeitsplatz finden, aus (Zuruf von der SPD: Warum fragen Sie dann?) dem öffentlichen Dienst ausscheiden, und zwar mit einer Wir müssen der Öffentlichkeit deutlich machen, dass es tariflichen Ausgestaltung, die wir vor einem Jahr noch die Regierung bisher abgelehnt hat, eine Politik zu ma- nicht für möglich gehalten haben. chen, die dazu beiträgt, dass das Einnahme-Ausgabe-Ver- Zweitens wird zunächst jedem angeboten, an einer an- hältnis in eine vernünftige Relation kommt. deren Stelle einen Arbeitsplatz zu finden. Bund, Länder und Gemeinden werden in diesem Jahr Drittens trifft es zu, dass viele Parolen verbreitet wer- Steuerausfälle in Höhe von 13,3 Milliarden DM und im den, die mit der Realität überhaupt nichts zu tun haben. nächsten Jahr Mindereinnahmen von 24,5 Milliarden DM verkraften müssen. Das ist eine Folge der falschen rot- (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Darf ich Sie bit- grünen Politik. ten, demnächst zu mir in den Wahlkreis zu kom- men?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) – Das würde ich gern. Es ist aber eine Zeitfrage. Wir haben dies seit vielen Monaten vorhergesagt. Die Regierung hat das bis zuletzt geleugnet. Die Folge ist klar (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ich lade Sie gern erkennbar: Die Gewerbesteuer bricht auch infolge der ein!) Auktion der UMTS-Lizenzen ein. Die Gemeinden müs- – Ich bedanke mich ausdrücklich. sen die freiwilligen Leistungen kürzen. Die Investitionen gehen zurück. Es wird mehr Sozialhilfeaufwendungen und mehr Arbeitslose geben. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Das war ein harmonischer Abschluss dieser Fragestunde, die ich hier- Zur Begründung der katastrophalen Ergebnisse ver- mit für beendet erkläre. Ich danke Ihnen, Frau Staats- weist der Bundesfinanzminister auf externe Einflussfak- sekretärin. toren. Das heißt, schuld sind wieder einmal die anderen. Man könnte es auch anders sagen: Er kann halt nichts Die Fraktion der CDU/CSU hat eine Aktuelle Stunde dafür. Die Zahlen der Steuerschätzung geben jedoch für verlangt. Das Thema lautet: Was beabsichtigt die Bundes- eine externe Begründung wenig her. regierung angesichts der in der jüngsten Steuerschätzung prognostizierten erheblichen Einnahmeausfälle von Der Bund beispielsweise verliert im nächsten Jahr Bund, Ländern und Gemeinden zu tun? aufgrund der Schätzabweichung 2,7 Milliarden Euro. 19642 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Dietrich Austermann (A) Aufgrund von Steuerrechtsänderungen wird er mehr als finanzieren. Den Aktiengesellschaften und Aktionären (C) das Doppelte verlieren, nämlich 5,7 Milliarden Euro. macht sie ohne Not milliardenschwere Steuergeschenke. Steuerrechtsänderungen sind das Paradebeispiel für einen (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- internen Faktor. Die Körperschaftsteuer, also die von den NEN]: Das sehen wir aber anders!) großen Aktiengesellschaften und GmbHs zu entrichtende Gewinnsteuer, erlebt in diesem Jahr einen Einbruch von Die Salamireform bei den Steuern ist eine Missgeburt, mehr als 90 Prozent, die Einnahmen stürzen von 23,6 Mil- die, verknüpft mit den Erhöhungen der Energiepreise, liarden Euro im letzten Jahr auf nur noch 1,7 Milliar- jede Konsum- und Investitionsbereitschaft abgedämpft den Euro. hat. Sie hat den Abschwung verstärkt. Man kann sogar, kurz gefasst, sagen: Die Steuereinnahmen zeigen, dass In der Ableitung der Körperschaftsteuer wird das so ge- diese Regierung eine Abschwungregierung ist. nannte Steuersenkungsgesetz mit Auswirkungen in Höhe von zusammen 17 Milliarden Euro in den Jahren 2001 (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und 2002 als wesentlicher Grund genannt. Auch dies ist Die Steuerschätzer gehen davon aus, dass die Arbeits- kein externer Faktor. Abschreibungen wegen des Erwerbs losenzahlen im nächsten Jahr um mindestens 400 000 und der Zinsen für Kredite zum Kauf von UMTS-Lizen- über denen der bisherigen Haushaltsplanung liegen. zen, Zahlungen aufgrund der Zwangsarbeiterentschädi- Schon in diesem Jahr wird sich das Defizit der Bundesan- gungen, Verlustverrechnung innerhalb der Organschaften stalt für Arbeit auf rund 4 Milliarden DM verdreifachen. sind alle nicht extern verursacht. Der Einbruch bei der Ich habe nicht den Eindruck, dass die für das nächste Jahr Umsatzsteuer, weil nicht mehr privat investiert wird, ist zu erwartenden Ausgabensteigerungen und Risiken im eine Folge der schlechten rot-grünen Politik. Haushaltsentwurf der Bundesanstalt vollständig berück- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans sichtigt sind. Michelbach [CDU/CSU]: Das ist hausge- Vor diesem Hintergrund, liebe Kollegen, muss man macht!) feststellen: Die Bundesregierung tut nicht nur zu wenig, – Das ist hausgemacht. nein, sie tut nichts! In den Haushaltsberatungen, die zur- zeit laufen, wird getrickst, kaschiert, vertuscht. Steigende Allein bei der Halbierung des rechnerischen Aufkom- Ausgaben werden künstlich klein gerechnet, Investitio- mens der Körperschaftsteuer im laufenden Jahr handelt es nen nur virtuell gesteigert, die Nettokreditaufnahme wird sich um eine Aufkommensminderung von etwa 11 Milli- nur scheinbar abgesenkt, die Einnahmen werden zu opti- arden Euro. Nach allem, was man hört, ist dies im mistisch veranschlagt. Alle wesentlichen Haushaltsdaten Wesentlichen nicht konjunkturbedingt, sondern Folge des zeigen in die falsche Richtung. (B) von unserem Fraktionsvorsitzenden sehr nachdrücklich (D) bekämpften Halbeinkünfteverfahrens. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ( [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Das ist keine verantwortliche Politik für unser Land. Wir wollen mehr Investitionen, echte und anhaltende Die Sonderausschüttungen der großen Körperschaften Steuerentlastungen für den Mittelstand und für alle, die verfolgen das Ziel, die aufgelaufenen Anrechnungsgutha- investieren wollen und mehr Arbeitsplätze schaffen wol- ben für die Anteilseigner nutzbar zu machen und nicht mit len. Die Regierung ist, wie diese Steuerschätzung zeigt, der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens verfallen zu auf dem falschen Weg. lassen. Die Union hat sich im letzten Jahr massiv gegen diesen Systemwechsel bei der Steuer gewendet. Ich sage Herzlichen Dank. Ihnen: Die Steuereinnahmen zeigen, wie richtig diese Po- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sition war. Die konjunkturelle Lage ist schwierig genug. Die von der rot-grünen Bundesregierung willkürlich und oft mit geradezu schlampiger Arbeit im Detail provozier- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort ten Mindereinnahmen sind ein Skandal. hat jetzt für die Bundesregierung die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Barbara Hendricks. Lassen Sie mich darauf hinweisen, was das für den nor- malen Steuerzahler bedeutet. Die Steuerschätzung zeigt, (Zuruf des Abg. Karl-Josef Laumann dass für den Lohnsteuerzahler, die Bezieher kleiner oder [CDU/CSU]) mittlerer Einkommen, die Reform wirklich nichts bringt. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer werden trotz des An- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim stiegs der Arbeitslosenzahl auf fast vier Millionen schon Bundesminister der Finanzen: Karl-Josef, es sollen ja im nächsten Jahr über denen des Jahres 2000 liegen. Es auch die Parlamentarier der Regierung zuhören. Es müs- wird also Steuermehreinnahmen geben, obwohl es angeb- sen nicht die Regierungsmitglieder sich selber zuhören. lich eine gewaltige historische Entlastung gegeben hat. (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Ihr seid auf Nur in diesem Jahr gibt es eine Delle, ein vergleichs- der Flucht! – Heiterkeit bei der CDU/CSU) weise geringfügiges Minus von nicht einmal 2,5 Prozent. Die Regierung knebelt die Kleinen, schröpft diejenigen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der die etwas leisten, benachteiligt den Mittelstand, lässt die- guten Fundamentaldaten in Deutschland und des erfolg- jenigen zur Ader, die sich darum bemühen, ihr Leben reichen Reformkurses dieser Bundesregierung sind wir nicht nur selbst zu bestimmen, sondern auch selbst zu – wie unsere Partner in Europa – von dem weltwirtschaft- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19643

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks (A) lichen Abschwung getroffen worden. Dieser Abschwung Sie müssen jedoch bei einer konjunkturellen Erholung (C) zeigt sich in den Zahlen der Steuerschätzung und auch bei rasch zurückgeführt werden, damit wir den Konsolidie- den Mehrausgaben für den Arbeitsmarkt. rungspfad nicht verlassen. Die Ereignisse vom 11. September 2001 haben die Un- (Beifall bei der SPD – sicherheit der Investoren und Verbraucher noch verstärkt [CDU/CSU]: Die letzten Mohikaner klat- und so die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich negativ schen!) beeinflusst. – Ich verstehe Ihre Zwischenrufe nicht so recht. Der Herr (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das gilt doch Finanzminister hat schon oft darauf hingewiesen, dass die erst für nächstes Jahr!) automatischen Stabilisatoren wirken müssen. Dies ent- spricht auch einer europäischen Übereinkunft und dem Diesem konjunkturellen Abschwung, dessen Tiefe und Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Dauer auch heute noch nicht endgültig absehbar ist, muss sich die Finanzpolitik stellen. Ich erinnere hier noch einmal daran, dass wir durch die bereits wirkenden Erleichterungen der großen Steuerre- Ich möchte die Zahlen der Steuerschätzung nicht ver- form sowie durch die ab 2002 wirkenden weiteren Ele- harmlosen, hier aber einmal feststellen, dass durchaus mente dieser Reform und die zusätzlichen Entlastungs- größere Schätzabweichungen bei den Steuern zwischen schritte wie das Zweite Familienförderungsgesetz die der Mai- und der Novemberschätzung zum Beispiel auch Konjunktur in erheblichem Umfang stabilisieren. Sie ha- in den Jahren 1997 und 1995 vorgekommen sind, und ben ja, Herr Kollege Austermann, als Sie der Bundesre- zwar ohne solche Ereignisse, wie wir sie zurzeit zu be- gierung vorhalten wollten, dass nicht nur exogene, also klagen haben. von außen wirkende Faktoren die Steuermindereinnah- Angesichts dieser Zahlen geht es jedenfalls nicht um men verursachten, gerade selbst verdienstvoll auf unsere hektischen Aktionismus, wie es uns die Opposition ja Steuersenkungspolitik hingewiesen. In der Tat werden die nahe legen will. Das verstärkt nämlich nur die Unsicher- Steuern erheblich gesenkt. heit der Investoren und Verbraucher und verlängert so den (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und erhöht!) Weg zum Aufschwung. Wir werden die Ratschläge der Das führt natürlich zu Steuereinnahmeausfällen. Anderer- Opposition daher nicht befolgen und eben nicht versu- seits haben Sie dann wieder gesagt, die Bürger würden chen, die Konjunktur auf Pump anzuheizen. mehr Steuern zahlen. Dies zeigt, dass Sie auch heute wie- (Beifall bei der SPD – Hans Michelbach der bei Ihrer ohnehin meist unklaren Argumentation ge- [CDU/CSU]: Immer tiefer in den Keller, immer blieben sind. (B) mehr Arbeitslose!) (D) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir werden vielmehr unseren Kurs einer konjunktur- DIE GRÜNEN – Jochen-Konrad Fromme gerechten und zugleich stabilitätsorientierten Finanzpo- [CDU/CSU]: Sie verstehen es einfach nicht!) litik fortsetzen, die das Vertrauen der Märkte stärkt. Diese expansiven Impulse, die zugleich unser Steuer- Zugleich werden wir auch unseren europäischen Ver- system langfristig auf wachstums- und beschäftigungs- pflichtungen nachkommen und die Regeln des Europä- förderndem Kurs halten, werden 2003 und 2005 nach ei- ischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes einhalten. nem klaren Fahrplan fortgesetzt. Wir wollen die Nettokreditaufnahme möglichst rasch Um insbesondere die kommunale Finanzsituation zu zurückführen und im Jahr 2006 verbessern, werden wir spätestens im Frühjahr des kom- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die Staats- menden Jahres eine Kommission einsetzen, die sich mit quote weiter erhöhen!) den Problemen des kommunalen Finanzsystems befassen soll. den Bundeshaushalt ohne neue Kredite ausgleichen. Da- nach werden wir beginnen, die Staatsschulden abzu- (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das bauen. haben Sie schon vor drei Jahren versprochen!) Die Vorteile dieses finanzpolitischen Kurses, der uns – Es ist schon richtig, dass wir das in unserer Koalitions- Spielräume für zukünftige Aufgaben zurückbringt und vereinbarung festgelegt haben. Aber Sie werden mir der der entscheidende Beitrag zur Generationengerechtig- zugestehen, dass die Klagen der Südländer, die den bun- keit ist, sind offenkundig. Auch die Länder und Kommu- desstaatlichen Finanzausgleich angegriffen haben, zu nen sind sich dessen sehr bewusst. Andererseits ist klar, Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren geführt ha- dass die Steuermindereinnahmen nicht durch zusätzliche ben. Einsparungen prozyklisch verstärkt werden dürfen. Wir (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Faule dürfen nicht in einen Abschwung hineinsparen. Die auto- Ausrede! Das hätte man schon längst machen matischen Stabilisatoren müssen wirken. Deshalb werden können! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist der Bund, die Länder und die Kommunen höhere Defizite aber ein toller Zusammenhang, den Sie da her- in Kauf nehmen. stellen!) (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Auf Neben der Zukunft der Gewerbesteuer wird es in einmal?) dieser Kommission auch um besonders drückende 19644 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks (A) Ausgabenblöcke wie die Sozialhilfe gehen. – Entschuldi- Die Strategie des Nichtstuns war und ist angesichts der (C) gen Sie bitte meinen Hustenanfall. Wachstums- und Beschäftigungseinbrüche grundver- kehrt. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Weniger rau- chen! – Zuruf von der CDU/CSU: Daran würde (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ich mich auch verschlucken!) Folgen: Die Steuereinnahmen brechen weg und die Sozi- alausgaben steigen, weil seit Januar die Arbeitslosigkeit in Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Deutschland Monat für Monat steigt. Jetzt zeigt sich: Hendricks, Sie können auch noch einmal das Wort neh- Grün-Rot selbst sabotiert die Konsolidierung des Haus- men. halts, weil es die Wachstumskräfte schwächt. Deshalb ist der Haushalt nicht mehr rund. Die ruhige Kugel, die hier Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim geschoben wird, wird als ruhige Hand kostümiert. Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident, herzlichen Die falsche Wirtschafts- und Finanzpolitik führt auch Dank; aber ich glaube, es wird schon gehen. Ich werde mit dazu, dass Länder und Gemeinden bereits durch Steuer- meiner Rede auch bald fertig sein. gesetzgebung und das beschlossene Sparpaket überpro- Dies alles zeigt: Wir sind uns der schwierigen Situation portional belastet werden. Entgegen der Vereinbarung im bewusst. Wir suchen jetzt aber nicht nach kurzatmigen Koalitionsvertrag wird die Finanzkraft der Gemeinden Aktionen, sondern nach Lösungen, die dauerhafte Ver- durch die falsche Politik sukzessive weiter geschwächt. besserungen bringen. Nicht Aktionismus, sondern finanz- Interessant ist auch, dass der Sachverständigenrat eine politische Weitsicht ist gefragt. grundlegende Reform der Gewerbesteuer vorschlägt, wie Dieser klare, problembewusste und zugleich unaufge- sie die FDP seit langem fordert. Aber auch hier geschieht regte Kurs der Bundesregierung ist übrigens gerade heute nichts. Im Gegenteil, der Finanzminister macht das Mittag vom Sachverständigenrat in seinem aktuellen Jah- Falscheste, was er machen kann: In der jetzigen Situation resgutachten mit dem Titel – bitte hören Sie gut zu – „Für erhöht er die Steuern. Durch die Erhöhung der Tabak- und Stetigkeit – gegen Aktionismus“ in allen wesentlichen der Versicherungsteuer sowie die nächste Stufe der Öko- Punkten bestätigt worden. steuerreform werden zusätzlich über 10 Milliarden DM (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ abkassiert. Falscher kann man es nicht machen. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich begrüße vor allem die klaren Worte des Rates gegen Hinzu kommen noch haushaltskosmetische Trick- (B) die Auflegung von Konjunkturprogrammen oder das Vor- sereien. So werden veranschlagte Ausgaben für die Post- (D) ziehen der nächsten Stufe der Steuerreform. Beides lehnt unterstützungskasse in Höhe von 10,6 Milliarden DM der Sachverständigenrat ab. Er hält punktuelle Maßnah- kurzerhand in einen Schattenhaushalt überführt. Weiter men für verfehlt. Die Bundesregierung sieht das genauso. werden 2,6 Milliarden DM Finanzhilfe Ost einfach von (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der Ausgabenseite auf die Einnahmenseite des Haushalts DIE GRÜNEN) geschoben. Solche Tricksereien führen in das wachstums- politische Nirwana. Inzwischen ist der Abschwungskanz- ler zum Rezessionskanzler geworden. Das ist ein tiefer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als Fall. nächster Redner hat der Kollege Rainer Brüderle von der FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir müssen von der fantasielosen Buchhalterei weg- Rainer Brüderle (FDP): Herr Präsident! Meine Da- kommen. Hier muss der Turbo rein, damit die men und Herren! Hans Eichel fliegt sein Haushalt um die Wachstumskräfte wieder gestärkt werden und wieder Ohren. Die Steuerschätzung der vergangenen Woche mehr Beschäftigung entstehen kann. Nicht nur die Steu- offenbart ein finanzpolitisches Desaster: 32,1 Milliar- erschätzung – das sagen alle Experten – legt nahe: weni- den DM Steuermindereinnahmen für dieses und das ger ist mehr. Wenn die Menschen weniger Steuern zahlen, nächste Jahr in Bund, Ländern und Gemeinden. Dieses verbessern sich Wachstums- und Beschäftigungschancen, niederschmetternde Ergebnis ist wohl noch nicht das weil die Menschen dann die Möglichkeit haben, Geld aus- Ende der Fahnenstange. Heute hat der Sachverständigen- zugeben und zu investieren. Deshalb führt an einem Vor- rat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent- ziehen der nächsten Stufe der Steuerreform nichts vorbei. wicklung die Wachstumsprognosen für 2001 und 2002 Ein solches Vorziehen würde nach Expertenansicht 1 Pro- nach unten korrigiert: 0,7 Prozent Wachstum im kom- zent Wachstum bringen. Das bräuchten wir dringend, menden Jahr. Damit bleibt die Wirtschaft klar in der Krise. auch psychologisch. Die Sachverständigen gehen davon aus, dass Deutsch- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten land durch eine Rezession geht, die zwei bis vier Quartale der CDU/CSU) dauern kann. Die korrigierten Wachstumszahlen werden zu weiteren Steuerausfällen und zu zusätzlichen Sozial- Verbesserte Wachstumsaussichten sind wichtig, damit wir ausgaben führen. Dabei muss man bedenken: Die Steuer- auch mental aus der momentanen fatalen Situation he- schätzung beruht noch auf zu optimistischen Annahmen. rauskommen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19645

Rainer Brüderle (A) Ich habe bereits vor einem halben Jahr, als ich mein Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) Blitzprogramm vorgeschlagen habe, gesagt: Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir das Blitzprogramm angeschaut, Herr Brüderle, (Susanne Kastner [SPD]: Ein „Blitzpro- gramm“? – Lachen bei der SPD und dem (Zuruf von der FDP: Guter Mann!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und da kann ich nur sagen: Wenn man dieses Blitzpro- Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz bietet die Möglich- gramm umsetzte, dann schlüge der Blitz ein, und zwar mit keit, unverzüglich zu handeln und die Steuern um 10 Pro- negativen Folgen. zent zu senken. Das ist ein Vorschlag, den Sie sofort (Zuruf von der CDU/CSU: Der Blitz schlägt umsetzen können; denn die Störung des gesamtwirt- am Freitag ein!) schaftlichen Gleichgewichts liegt ohne Frage vor. Die Alle Haushalte, die Haushalte des Bundes, der Länder und Voraussetzungen für die Anwendung des Stabilitäts- und der Kommunen, gingen Bankrott. Das ist die Finanz- und Wachstumsgesetzes sind also gegeben. Sie können die Steuerpolitik, die die FDP zu bieten hat. Wirkung dieses Gesetzes noch verstärken, indem Sie Abschlagszahlungen auf Steuersenkungen in Form von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Steuerschecks vornehmen und so die Menschen unmittel- und bei der SPD – Zuruf von der FDP: Das war bar entlasten. Es ist wichtig, dass Sie das tun, bevor sie in nicht überzeugend!) ein Loch fallen. Jetzt, wo es auf der Kippe steht und die Sie versuchen hier permanent, mit wunderbaren Um- Sachverständigen schon eine Rezession attestiert haben, schreibungen ein finanzpolitisches Desaster darzustellen. müssen Sie unverzüglich handeln und neue Schulden ma- Da möchte ich wirklich einmal ganz im Ernst an Ihr Ver- chen. Sie werden das ohnehin tun müssen, weil Sie die antwortungsbewusstsein appellieren. politischen Weichen falsch gestellt haben. (Rainer Brüderle [FDP]: Man muss endlich die (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wahrheit sagen!) Widerspruch bei der SPD) Es hilft uns allen nicht, wenn man in einer schwierigen Der Sozialetat wird sowieso mit höheren Ausgaben belas- konjunkturellen Situation, in der sich Deutschland unbe- tet werden, weil Sie die Arbeitslosigkeit Monat für Monat stritten befindet – andere europäische Länder, die USA, steigen lassen. Das Unsozialste, was man machen kann, Japan und der asiatische Raum übrigens auch –, hier ein ist, die Arbeitslosigkeit weiter steigen zu lassen. Hier solches Horrorszenario an die Wand malt. kann man sich auch nicht herausreden. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben es ge- (B) Das, was ich vorschlage, sind keine schuldenfinanzier- schafft, dass wir Schlusslicht geworden sind! – (D) ten Programme. Ich habe vielmehr ein Vorziehen der Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schlusslicht!) schon beschlossenen Stufe der Steuerreform zur steuer- Ich glaube nicht, Herr Kollege Brüderle, dass man damit lichen Entlastung vorgeschlagen, damit sie schneller einen ausländischen Investor nach Deutschland locken wirkt und Deutschland nicht weiter abgleitet. Sie werden kann. Ich finde es unverantwortlich, in welcher Art und am Ende meinem Vorschlag folgen müssen; denn der Weise die FDP die Wirtschaftssituation in Deutschland Kanzler – darin ist er ein Spezialist – wird mit seinem darstellt. Das hat negative Wirkungen bis ins Ausland hi- feuchten Finger im Wind spüren, dass er mit seinem bis- nein und ist zum Schaden der Bevölkerung der Bundes- herigen Kurs an die Wand fahren wird. Sie werden schnel- republik Deutschland. ler eine Kehrtwende machen, als Sie jetzt glauben. Die (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans meisten von Ihnen verteidigen zwar noch das, was gestern Michelbach [CDU/CSU]: Das ist Wähler- war. Aber manche denken schon weiter, auch wenn sie beschimpfung und Oppositionsbeschimpfung!) heute die rhetorische Pflichtübung absolvieren müssen, noch einmal die alten Attitüden vorzutragen. Obwohl die Situation sehr schwierig ist, haben wir es geschafft – das muss man auch einmal deutlich machen –, Jeder Tag, den Sie ins Land gehen lassen, ohne zu han- die Steuer- und Abgabenbelastung zu senken. deln, ist ein Tag gegen die Arbeitslosen, ist ein Tag gegen (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo denn? – die, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben, ist ein Tag ge- Zuruf von der CDU/CSU: Was ist das wieder gen den Mittelstand, ist ein Tag gegen die Zukunftsfähig- für ein Rechenkunststück?) keit unseres Landes. Deshalb fordere ich Sie auf: Kehren Sie endlich um! Warten Sie nicht immer, bis Sie mit dem 1998, als wir die Regierung von Ihnen übernommen ha- Kopf an die Wand geknallt sind. Da steht eine Wand. Es ben, haben die Sozialversicherungsbeiträge bei 42,1 Pro- ist eine Wand von Unvermögen. Überwinden Sie diese zent gelegen. In Ihrer Regierungszeit, von Anfang der Wand und machen Sie etwas Gescheites für unser Land! 80er-Jahre bis 1998, ist also eine Steigerung um 30 Pro- zent zu verzeichnen. So haben Sie, CDU/CSU und FDP (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) gemeinsam, die Sozialversicherungsbeiträge nach oben getrieben. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Als nächste (Zuruf von der CDU/CSU: Nur mithilfe der Rednerin hat die Kollegin Christine Scheel vom Bünd- Schwankungsreserve gelingt es Ihnen über- nis 90/Die Grünen das Wort. haupt, das stabil zu halten!) 19646 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Christine Scheel (A) Mittlerweile sind wir trotz der schwierigen Situation woher Sie die 130 Milliarden DM nehmen? Das ist doch (C) bei 40,9 Prozent angekommen. Augenwischerei. (Unruhe bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wir haben vor, im nächsten Jahr nicht nur den Rentenver- sicherungsbeitrag stabil zu halten, Auch kündigen Sie damit den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt auf, und zwar mit verheerenden Kon- (Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie den sequenzen. Auch an dieser Stelle kann ich nur sagen: Ich Leuten vor der Wahl die Wahrheit!) bin froh, dass wir diese rot-grüne Koalition haben sondern auch die Sozialversicherungsbeiträge insgesamt (Zuruf von der CDU/CSU: Wie lange noch?) auf 40 Prozent zu senken. und dass wir in der Wirtschafts- und Steuerpolitik einen (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das glaubt so guten und klaren Kurs fahren. keiner mehr!) Danke schön. Das ist das Ziel, das wir verfolgen. An diesem Ziel halten wir fest. Ich weiß nicht, ob es gelingt, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ihnen gelingt nichts mehr!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort auf die 40 Prozent zu kommen, aber das politische Ziel ist hat jetzt die Kollegin Dr. Christa Luft von der PDS-Frak- klar. Wir tun alles dafür, damit es auch erreicht wird. tion. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Werner Dr. Christa Luft (PDS): Herr Präsident! Verehrte Kol- Siemann [CDU/CSU]: Ihr seid doch schon im leginnen und Kollegen! Die Mindereinnahmen, die die freien Fall!) Steuerschätzer gerade präsentiert haben, sind massiv. Ich muss Ihnen sagen, dass der Kurs, den die Regie- Aber unvorhersehbar waren sie nicht. Seit Monaten haben rung in der Haushaltskonsolidierung eingeschlagen hat, die Spatzen von den Dächern gepfiffen, was in einem von allen Instituten, vom Sachverständigenrat, von den Land passiert, wenn seine Konjunktur abstürzt und sich fünf Weisen, von allen Gremien, die dies beurteilen kön- dieses Land durch seine Politik maßgeblich – man könnte nen, auch sagen: einseitig – darauf verlassen hat, dass ein (B) exportorientiertes Wachstum zu Arbeitsplatzaufbau und (D) (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Kritisiert Steuereinnahmen führt. Das hat sich nicht bewahrheitet, wird!) weil sich jetzt die Kürzung öffentlicher Investitionen, die als richtig anerkannt wird. Dieser Haushaltskonsolidie- bei uns seit Jahren vorgenommen wird, und die Vernach- rungskurs trägt letztlich auch zu einem stabilen Euro bei. lässigung der Inlandsnachfrage massiv gerächt haben. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer hat den (Beifall bei der PDS – Dr. [PDS]: denn abgewirtschaftet?) Das ist zwar nicht zum Klatschen, aber es ist wahr!) Durch niedrige Zinsen – es hat ja die Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte gegeben – kann auch die Konjunktur Die Regierung aber hat für meine Begriffe leichtfertig neuerlich anspringen, was zu mehr Steuereinnahmen auf rechtzeitiges Gegensteuern verzichtet. Sie setzt immer führt und gleichzeitig die Zinslast für den Haushalt noch auf das Prinzip Hoffnung. Nun sollen im Hauruck- senkt. verfahren Lösungen gesucht werden, die wir nicht nur für fragwürdig, sondern auch für kontraproduktiv, ja sogar (Zuruf von der CDU/CSU: Lautes Pfeifen im für falsch halten. dunklen Wald!) Kaum noch eine Eckzahl des Haushaltsentwurfes 2002 In der Konsequenz steigen die Spielräume im Haushalt, stimmt: Das Wachstumsziel ist obsolet; die Steuerein- was es uns ermöglicht, das Ganze positiv zu gestalten. nahmen werden nicht so hoch wie geplant sein; die Zahl Wir können nicht so panisch reagieren, wir wollen der Arbeitslosen eskaliert geradezu und der Zuschuss zur nicht so panisch reagieren und wir werden auch nicht so Rentenkasse ist nicht mehr so wie vorgesehen. Diese Liste panisch reagieren, könnte man fortführen. (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr reagiert gar Nur an einem Ziel soll festgehalten werden: am ge- nicht! – Zuruf von der FDP: Es wäre gut, wenn planten Abbau der Nettokreditaufnahme. Damit hier kein Missverständnis entsteht, möchte ich festhalten: Wir ha- Sie überhaupt reagierten!) ben uns in den vergangenen Jahren dahin gehend wie uns die FDP das vorschlägt – mit allen Konsequen- geäußert, dass wir nicht in das Schuldenmachen verliebt zen, die damit verbunden sind. Sie wissen selbst, dass Ihre sind. Aber jetzt besteht eine Situation, in der Sie, um un- Vorschläge Steuerausfälle von zusammengerechnet rund ter den jetzigen Bedingungen stur an dem Abbau der Net- 130 Milliarden DM mit sich bringen. Wie wollen Sie das tokreditaufnahme festhalten zu können, zu einem Mittel denn finanzieren? Was wollen Sie denn den Leuten sagen, greifen, das wir für nicht richtig halten. Sie möchten nun, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19647

Dr. Christa Luft (A) dass das verbliebene öffentliche Vermögen, an dem sich Sofortmaßnahme für ein kreditfinanziertes Infrastruktur- (C) bereits Ihre Vorgängerregierung tüchtig vergriffen hat, programm aus. Die Maastricht-Kriterien lassen dafür ei- weiter schrumpft. Als Beispiele nenne ich den Verkauf der nen entsprechenden Spielraum. Wichtiger, als in Brüssel Deutschen Ausgleichsbank sowie von Post- und Tele- eitel niedrige Defizitquoten anzumelden, ist doch wohl, kommunikationsanteilen. die den Bürgerinnen und Bürgern gegebenen Wahlver- sprechen einzulösen. Davon ist diese Regierung leider Mit diesen Erlösen – man weiß noch gar nicht, in wel- weit entfernt. cher Höhe sie sich bewegen werden – sollen notdürftig ei- nige Löcher gestopft werden. Künftige Generationen aber (Beifall bei der PDS) haben doch nicht nur eine Bürde durch akkumulierte Als zusätzliche finanzielle Mittel zur Einnahmeverbes- Schulden der Vorgängergenerationen, sondern sie haben serung fordern wir, endlich energische Anstrengungen zur auch eine Bürde, wenn ihnen für Notsituationen keinerlei Bekämpfung der Umsatzsteuerhinterziehung zu unterneh- Zugriff auf öffentliches Vermögen mehr zusteht. Außer- men, die Steuerfreistellung von Gewinnen aus der Ver- dem verliert die Politik weitere Gestaltungsmöglich- äußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften rückgän- keiten. Das muss man sehr deutlich betonen. gig zu machen, eine progressive Körperschaftsteuer für (Beifall bei der PDS) Großkonzerne einzuführen und die Vermögensteuer – auf reformierter Grundlage – wieder zu erheben. Sie müs- Inzwischen wird im Finanzministerium auch kein Hehl sen der Öffentlichkeit erklären, weshalb die öffentlichen mehr daraus gemacht, dass vielen Einzelplänen globale Schulden pausenlos steigen und gleichzeitig das private Minderausgaben verpasst werden sollen. Das bedeutet ja Vermögen gewisser Bevölkerungsgruppen explodiert. im Klartext, dass deren Erwirtschaftung wieder zulasten der Investitionsprojekte geht. Wenn Investitionsprojekte (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das nicht wie geplant durchgeführt werden, dann geht dies SED-Vermögen!) wiederum zulasten von Wachstum, Beschäftigung und Diesen Widerspruch hat die Gesellschaftspolitik zu erklä- Steuereinnahmen. ren. (Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Die Katze beißt sich (Beifall bei der PDS) in den Schwanz!)

Nicht erfüllt haben sich die Erwartungen der Regie- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kommen rung in die Wirkungen der Steuerreform. Statt Beschäf- Sie bitte zum Schluss. tigungsaufbau erleben wir vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen Haushaltsmindereinnahmen. Wer jetzt, (B) wie die Union und die FDP dies tun, sogar noch das Vor- Dr. Christa Luft (PDS): Es ist höchste Zeit, Tabus, die (D) ziehen der nächsten Stufe der Steuerreform fordert, will bisher gegolten haben, zu durchbrechen. das Finanzdisaster offenbar vollenden, Kollege Brüderle. Danke. Denn warum sollten Entlastungen in Höhe von 13,5 Mil- liarden DM im nächsten Jahr das bewirken können, was (Beifall bei der PDS) Entlastungen in Höhe von 23 Milliarden DM im Jahr 2001 nicht zustande gebracht haben? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als (Rainer Brüderle [FDP]: Weil sie es falsch nächster Redner hat der Kollege Horst Schild von der gemacht haben!) SPD-Fraktion das Wort. Die Besserverdienenden werden doch das Geld, das sie durch die Steuerentlastung zusätzlich in ihrem Porte- Horst Schild (SPD): Herr Präsident! Meine Damen monnaie haben, nicht einsetzen, um inländische Waren und Herren! Dass es Abweichungen bei Steuerschätzun- und Leistungen nachzufragen, sondern sie werden es für gen geben kann, ist kein neuer Tatbestand. Das haben wir lukrative Geldanlagen nutzen. Durchschnittsverdiener schon in der Vergangenheit gehabt. Die Bundesregierung werden in diesen unsicheren Zeiten ohnehin jeden Pfen- hat durch die Parlamentarische Staatssekretärin erklärt, nig, den sie einsparen können, für ihre zusätzliche, private wie sie darauf reagieren wird. Angesichts der Be- Altersvorsorge zurücklegen. antragung dieser Aktuelle Stunde dachte ich mir: Na ja, man kann immer noch etwas dazulernen. Ich dachte, die Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von der Regie- Antragsteller würden hier erläutern, wie erfolgreich sie in rung ein Zeichen, dass sie fähig ist, der konjunkturellen der Vergangenheit Abweichungen von der Steuerschät- Talfahrt entgegenzuwirken. Vor allen Dingen erwarten sie zung gemanagt hätten. Impulse für ein Anspringen der Binnennachfrage, die (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- noch immer die sicherste, weil am ehesten selbst beein- NEN]: Teilweise 30 Milliarden!) flussbare Möglichkeit zur Schaffung von mehr Wachs- tum, von mehr Arbeitsplätzen und damit von mehr Steuer- Da Sie das nicht getan haben, möchte ich ein paar einnahmen ist. Die PDS spricht sich deshalb als Worte dazu sagen, wie Sie es in der Vergangenheit ge- handhabt haben. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Für einen Zehnjahresplan aus! – Rainer Brüderle [FDP]: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Steuererhöhungen!) DIE GRÜNEN) 19648 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Horst Schild (A) Die Vergangenheit fördert durchaus so manches Auf- und den Weg in das Schuldenmachen rasant beschleunigt (C) schlussreiche zutage: Die mittelfristige Steuerschätzung haben. von Mai 1996 prognostizierte gegenüber der Vorjahres- (Zuruf von der CDU/CSU: Sind wir hier im schätzung von 1995 konjunkturbedingte Steuerausfälle Geschichtsunterricht?) von 70 Milliarden DM für das Jahr 1997, Sie sind auch heute noch auf diesem Pfad. Dazu wird si- (Bernd Scheelen [SPD]: Hört! Hört! Unglaub- cherlich noch einiges gesagt werden. Addieren Sie doch lich!) einmal, was die Vorschläge, die Sie in den letzten Jahren von 90 Milliarden DM für das Jahr 1998 und von sage und hier eingebracht haben, gekostet hätten. Malen Sie sich schreibe 100 Milliarden DM für das Jahr 1999. Da waren einmal aus, wo wir dann heute wären. Dramatisch ange- Sie dann nicht mehr in die Verantwortung. So lautete aber stiegene Schulden, höhere Zinslasten und später höhere die Schätzung. In der darauf folgenden Schätzung muss- Steuern wären die unausweichliche Folgen Ihrer unver- ten dann auch diese Ansätze nach unten korrigiert werden. antwortlichen Vorschläge. Es gab also noch mehr Steuerausfälle. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Im Vergleich dazu muss man die von der Parlamenta- DIE GRÜNEN) rischen Staatssekretärin vorhin genannten Abweichungen Nein, meine Damen und Herren, unsere Regierung und für die Jahre 2001 und 2002 sehen: 12 Milliarden DM für diese Koalition haben den Marsch in die Schuldenfalle das Jahr 2001 – das ist nicht erfreulich – und 18 Milliar- gestoppt und die Konsolidierung der Staatsfinanzen ein- den DM für das Jahr 2002. Auf dem Hintergrund der geleitet. Davon werden wir uns nicht abbringen lassen. früheren Steuerschätzungen – das war nicht nur 1996 so – sind das kalkulierbare Rückgänge der Steuereinnahmen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Das Sie wissen, wer damals für die Steuerschätzung mit- ist mein Aufschwung, hat er damals gesagt!) verantwortlich war: Das war der Bundesfinanzminister . Ich will Ihnen gern erläutern, wie Theo Waigel damals vorgegangen ist. Er hat bei den Schätzun- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als gen unrealistisch hohe Wirtschaftswachstumsraten ange- Nächster hat der Kollege Klaus-Peter Willsch von der setzt, aus denen sich dann unrealistisch hohe Steuerein- CDU/CSU-Fraktion das Wort. nahmen ergaben und konnte so den Zustand der Staatsfinanzen schönen. Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Herr Präsident! (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Was macht ihr Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ganzen (B) denn jetzt? – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Rechnereien können eines nicht vertuschen und die aktu- (D) Erklären Sie mir einmal die Differenz von 2,5 elle Steuerschätzung zeigt vor allen Dingen eines: Bun- zu 0,6!) deskanzler Schröder und die rot-grüne Koalition sind im Bereich der Finanz-, Wirtschafts- und Steuerpolitik voll- – Dazu werde ich noch ein Wort sagen. – Als sich die An- ständig gescheitert. nahmen später als haltlos herausstellten, mussten die Steuerschätzungen nach unten korrigiert werden. Welche (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der Begründung ist damals von Ihrer Seite gegeben worden? SPD – Susanne Kastner [SPD]: Wunderbar, In einer Presseerklärung des Finanzministeriums von diese Selbstbeweihräucherung! Herrlich!) 1997 heißt es: „Basiseffekt“, „schwächeres Nominal- Die Steuereinnahmen brechen weg, weil Rot und Grün wachstum“, „unbefriedigende Beschäftigungslage“. Offen- durch ihre Politik Wachstumskräfte strangulieren, statt sie sichtlich wiederholen Sie das heute nur. zu ermuntern. Die scharfe Korrektur auf der Einnahmeseite bewirkte (Susanne Kastner [SPD]: Jetzt aber, harte vor allem das Auseinanderklaffen der Plan- und Istwerte Worte!) bei der Nettokreditaufnahme des Bundes in den Jahren Ih- rer Regierungsverantwortung. Gegenüber der mittelfristi- Herr Schild, wenn Sie hier lange aus der Vergangenheit gen Finanzplanung aus dem Jahre 1995 musste allein der berichten, muss man doch auch eines zur Kenntnis neh- Bund in den Folgejahren trotz umfangreicher Privatisie- men und da empfehle ich Ihnen, sich die aktuellen Zahlen rungserlöse signifikant höhere Kredite aufnehmen als ge- vorzunehmen. Seit Rot-Grün dieses Land regiert, hat sich plant. 1996 zusätzlich 18,5 Milliarden DM Kreditauf- Deutschland im Euroraum und in der Europäischen Union nahme, im Jahr 1997 zusätzlich rund 15 Milliarden DM im Vergleich der Wachstumsraten im hinteren Bereich Kreditaufnahme und im Jahr 1998 zusätzlich 15,4 Milli- festgesetzt. Aktuell sind wir an der letzten Stelle. arden DM Kreditaufnahme. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schlusslicht!) Daraus kann man doch nur den Schluss ziehen: Das Wir sind Schlusslicht. waren Paradebeispiele für unseriöse Finanzpolitik, die (Beifall bei der CDU/CSU – Werner Siemann eine Planbarkeit der Haushalte für alle Gebietskörper- [CDU/CSU]: Das habt ihr geschafft! – schaften nahezu unmöglich gemacht Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Der NEN]: Ein bisschen anderes Niveau als in Por- große Bluff! Der eine redet über Außenpolitik, tugal! – Bernd Scheelen [SPD]: Was war in den der andere über die Vergangenheit!) 90er-Jahren?) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19649

Klaus-Peter Willsch (A) Dass Sie, Frau Staatssekretärin Hendricks, und auch Gehen wir weiter zur Gesundheitsreform: Nichts (C) Ihr Haus Schwierigkeiten haben die Wirklichkeit wahrzu- wurde angepackt, Totalausfall! Die Beiträge laufen da- nehmen, sehen wir an dem Lauf, den die Prognostizierung von; eine Ministerin ist ja auch schon weg. Inzwischen für dieses Jahr genommen hat. Im September 2000 kam wurde ein Basar eröffnet, auf dem gegen dreistellige aus dem BMF die Prognose: rund 3 Prozent für 2001. Im Millionenbeträge Gesetzgebungsvorhaben abgekauft Mai 2001 hieß es: Hoffentlich erreichen wir die 2 vor dem werden können. Sie wollten die Gesamtbeiträge einmal Komma. Im Oktober haben Sie endlich, nachdem die unter 40 Prozent senken. In welchem Jahrhundert denn, Zahlen nicht mehr zu halten waren, gesagt: Es werden bitte schön? 1,25 Prozent. Heute wird vom Sachverständigenrat veröf- fentlicht, dass es wohl 0,6 Prozent werden. 0,6 Prozent (Peter Dreßen [SPD]: Wer hat sie denn über 40 sind wirklich die Obergrenze dessen, was realistisch ist, gebracht?) wenn wir uns den konkreten Verlauf des ersten Halbjah- Es ist kein Wunder, dass Frau Schmidt mittlerweile auch res anschauen. Gerade 1 Prozent ist im ersten Halbjahr er- schon auf der Transferliste geführt wird. reicht worden. Alle diese Zahlen stammen aus der Zeit vor dem 11. September. Das hat nichts mit der Situation in den Thema Arbeitsmarkt: Die Arbeitsmarktpolitik war USA zu tun, das ist hausgemacht. doch der zentrale Bereich, in dem Sie sich beweisen woll- ten. An Erfolgen in diesem Feld wollte sich der Kanzler Wenn Sie sich dann auch noch die Länderwerte anse- messen lassen. Schauen Sie sich einmal die Bilanz an: Sie hen, werden Sie feststellen, dass Ihre sozialistischen Vor- ist geradezu desaströs, totale Fehlanzeige! zeigemodelle -Vorpommern und Sachsen- Anhalt mit minus 2,1 Prozent und minus 1,8 Prozent, also (Erika Lotz [SPD]: Sie wollten sie halbieren! einer Schrumpfung, beitragen, während Sie von den Spit- Ist auch nicht geschehen!) zenreitern Hessen und Baden-Württemberg, von unions- geführten Ländern, ein bisschen bekommen, um Ihre Zah- Alle, die von Wirtschaftspolitik etwas verstehen, werden len zu verbessern. Ihnen attestieren, dass die Verkrustungen im deutschen Arbeitsmarkt beseitigt werden müssen und mehr Libera- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) lität nötig ist. Sie haben genau das Gegenteil davon ge- Das alles ist Folge falscher Politik. Ich gehe es nur kur- macht: 630-Mark-Gesetz, Scheinselbstständige, Neure- sorisch durch. Steuerreform – angepackt, aber falsch ge- gelung des Betriebsverfassungsgesetzes – damit haben macht. Sie Ihre Gegenleistung für die millionenschwere Wahl- kampfhilfe des DGB erbracht –, Teilzeitgesetz, Erweite- (Lachen bei der SPD) rung des Kündigungsschutzes, der heute höchstens vor Die großen Konzerne, die Kapitalgesellschaften haben Einstellungen schützt. (B) (D) Sie entlastet, (Erika Lotz [SPD]: Ungeheuerlich!) (Ludwig Eich [SPD]: Wer sagt das?) Sie haben im Bereich Arbeitsmarkt alles falsch gemacht. aber den Mittelstand, wo Arbeitsplätze entstehen können, Das Ergebnis davon sind 4 Millionen Arbeitslose; wo Ausbildungsplätze sind, haben Sie auf das Jahr 2005 3,9 Millionen planen Sie selbst schon im Jahres- vertröstet, zusätzlich belastet mit AfA-Tabellen, zusätz- durchschnitt ein. lich belastet mit Ökosteuer. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Betrachtet man die verheerende wirtschafts-, finanz- Nehmen wir die Rentenreform. Angepackt, aber falsch und steuerpolitische Bilanz von Rot-Grün, so findet man gemacht, zu kurz gesprungen. Als Erstes müssen Sie eine dafür insbesondere drei Ursachen: riesige neue Behörde mit 1 200 Beschäftigten schaffen, (Ludwig Eich [SPD]: Keine Ahnung!) (Ludwig Eich [SPD]: Arbeitsplätze!) Entweder können Sie es nicht besser machen oder Sie weil das Gesetz so kompliziert ist, dass man so viele Be- wollen es nicht besser machen oder es ist Ihnen schlicht amte dafür braucht. Das kostet 120 Millionen DM, die egal. Alle drei Erklärungen sind gleichermaßen schlimm. vorneweg für eine ordentliche Rendite bei der Privatvor- Statt den Nutzen unseres Volkes zu mehren und Schaden sorge fehlen. von ihm abzuwenden, tun Sie das Gegenteil. Sie haben es trotz der Realeinkommensverluste der (Widerspruch der Abg. Erika Lotz [SPD]) Rentner durch Ihr Getrickse bei der Anpassung, trotz der mittlerweile vierten Stufe der Ökosteuer – im nächsten Nachdem inzwischen führende Vertreter der Grünen Jahr 7,5 Milliarden DM – und trotz des Absenkens der Re- den Einsatz der Bundeswehr im Krieg gegen den Terro- serve auf 0,8 Monatsbeiträge nicht hingekriegt, die rismus als humanitäre Aktion schönreden, wie Frau Beiträge weiter zu senken. Es gibt keine Senkung im Scheel, wird, wenn man die Voraussagen richtig deutet, nächsten Jahr. Es bleibt bei den 19,1 Prozent. dieses rot-grüne Gewurstel wohl auch über kommenden Freitag hinaus noch im Dezember weitergehen in unserem (Ludwig Eich [SPD]: Rentenerhöhung) Land, zum Schaden unseres Landes. Sie verfehlen alle Sie sind froh, wenn Sie diesen Betrag halten können. Ihre selbst gesetzten Ziele. Wir werden bei der Wahlauseinan- Zahlen sind Makulatur. dersetzung im nächsten Jahr (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Ludwig Eich [SPD]: Mit wem denn?) 19650 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Klaus-Peter Willsch (A) deutlich machen, dass es nicht widrige Zeitläufte waren, kann ich Ihnen darauf nur antworten: 1998 sowie 1997 (C) die Sie scheitern ließen. Es ist die falsche Politik von Rot hatten Sie die Schwankungsreserve auf 0,5 bzw. 0,6 Mo- und Grün, die unser Land zum Wachstumsschlusslicht in natsbeiträge zurückgefahren. Das erste Mal in den 90er- Europa gemacht hat. Das hat unser Volk nicht verdient. Jahren wurde die Schwankungsreserve durch diese Regierung wieder auf einen Monatsbeitrag aufgefüllt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Willsch. Der zweite Punkt: Wenn Sie, Kollege Brüderle, im Zu- sammenhang mit dem Investitionsförderungsgesetz von Bilanzverkürzung sprechen, ist dazu zu sagen: Gerade Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Ich komme zum Ihre Truppen in Rheinland-Pfalz können sich nicht genug Schluss, Herr Präsident. – Unser Volk hat eine Regierung loben, dass sie im Juni im Bundesrat bei den Abstimmun- verdient, die außen- und innenpolitisch das als richtig Er- gen über den Solidarpakt und das Steuerreformpaket im kannte entschlossen umsetzt, eine Regierung, die ein Rahmen der sozialliberalen Koalition eine wichtige Rolle Klima und Rahmenbedingungen schafft, in denen sich gespielt haben. Sie können sich doch jetzt nicht hinstellen Leistung lohnt, statt die Leistungswilligen zu strangulie- und uns eine Bilanzverkürzung vorwerfen, nur weil wir ren mit übermäßigen Steuern und Abgaben. den ostdeutschen Bundesländern im nächsten Jahr 7 Mil- liarden DM an eigenen Steuermitteln belassen, statt ent- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kol- sprechende Kompensationszahlungen auf der Ausgaben- lege Willsch, ich meinte Schluss machen und nicht weiter seite des Bundes zu etatisieren. Diese Bilanzverkürzung reden. im Bundeshaushalt führt eher zu einem verstärkten Soli- ditätsdruck. Das hat von Ihnen noch niemand begriffen.

Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Und eine Regie- (Rainer Brüderle [FDP]: Kosmetik!) rung, die mit den richtigen Maßnahmen Wachstum stimu- Wissen Sie, was das heißt? Für uns wird es künftig liert und damit Beschäftigung schafft, statt durch Überre- schwieriger, die Verschuldungsgrenze nach Art. 115 des gulierung Beschäftigung zu verhindern. Die CDU/CSU Grundgesetzes einzuhalten, weil die Investitionen durch ist dazu bereit. diese Bilanzverkürzung reduziert werden müssen. Unsere Regierung weiß also genau, dass mit dieser Maßnahme Vielen Dank. der Abbau der Verschuldung eine Daueraufgabe bleiben (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – wird. (B) Widerspruch bei der SPD) (D) Die Obleute der Oppositionsfraktionen werden uns am Freitag vorwerfen, wir würden mit dem Etat des nächsten Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als Jahres, den wir morgen Nacht im Haushaltsausschuss be- nächster Redner hat der Kollege Oswald Metzger von schließen, die Investitionsquote absenken. Richtig. Wir Bündnis 90/Die Grünen das Wort. senken sie ab, indem wir 7 Milliarden DM als Bundes- ergänzungszuweisungen auf der Ausgabenseite wegneh- men und dafür den neuen Ländern diese Summe als Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Steuereinnahmen belassen, über die sie in ihren Etats frei Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben verfügen können. Sprechen Sie mit Ihren CDU-Minister- heute auf Antrag der Opposition die Beratungen im Haus- präsidenten im Osten! Diese haben das Geld im Juni gerne haltsausschuss unterbrochen. Zu dieser Stunde hätte jetzt genommen. Sie können uns also keine Vorhaltungen ma- der Bundesfinanzminister zum Gutachten des Sachver- chen. ständigenrates im Ausschuss Rede und Antwort gestan- den. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) (Zuruf von der CDU/CSU: Er hätte ja hierhin kommen können!) Punkt zwei. Die Schätzgenauigkeit der Gesamtsteuer- einnahmen, die im nächsten Jahr bei über 900 Milli- Die Opposition hat es vorgezogen, hier eine Aktuelle arden DM liegen werden, soll 2,7 Milliarden Euro, also Stunde durchzuführen. So bin ich jetzt kurzfristig als Red- rund 5 Milliarden DM, betragen. Wenn sie angesichts der ner eingesprungen. schwierigen weltwirtschaftlichen Situation glauben, dass Man merkt sofort, wer Ahnung von Zahlen hat. Wenn man Steuern mit einer solchen Genauigkeit, nämlich mit Sie, Kollege Vorredner über 99 Prozent, abschätzen kann und dass man diese Steuerausfälle als dramatisch bezeichnen muss, dann wis- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Der hat auch sen Sie nicht, wo die Musik spielt. einen Namen!) (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie gehen – Kollege Willsch, ich weiß es doch –, zum Beispiel sa- doch immer weiter in den Keller!) gen, wir würden im nächsten Jahr mithilfe der Reserve bei Der Kollege Schild hat auf die Situation der Jahre der Rentenversicherung tricksen, 1996/97 hingewiesen. Damals führte die dramatische Si- (Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich!) tuation zu einem verfassungswidrigen Haushalt. Der Bun- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19651

Oswald Metzger (A) desfinanzminister, die Fraktion der SPD und die Fraktion Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als (C) der Grünen sagen jetzt: Wir haben Solidität gepredigt und nächste Rednerin hat die Kollegin Dagmar Wöhrl von der wollen uns daran messen lassen; es wird keine Schatten- CDU/CSU-Fraktion das Wort. haushalte geben. (Lachen bei der CDU/CSU) Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bei der Postbeamtenversorgungskasse – Kollege Willsch, Auf der einen Seite brechen die Steuereinnahmen weg; ich glaube, Sie oder ein anderer Vorredner haben diesen auf der anderen Seite wachsen die Ausgaben des Bundes. Punkt angesprochen – trifft Ihre Aussage, es handele sich Ich glaube, man musste nicht Nostradamus sein, um diese um einen Schattenhaushalt, nicht zu. Die Ausgaben sind katastrophalen Zahlen kommen zu sehen. im Bundeshaushalt etatisiert. Lassen Sie sich von Austermann einmal belehren! Die Privatisierungseinnah- Zu lange wurde hier einfach schöngeredet. Es wurde zu men dienen der Finanzierung der Postunterstützungskasse lange jongliert. Es wurde zu lange verschleiert. und sind im Bundeshaushalt eingestellt. Wir handeln also (Horst Schild [SPD]: Das ist eine Verwechs- absolut transparent. Wir geben im laufenden Jahr lung! Das war bei Waigel so!) 10,6 Milliarden DM für frühere beamtete Mitarbeiter der Post aus. Diese Ausgaben werden durch Einnahmen aus Jetzt liegen die dramatisch steigenden Arbeitslosenzahlen Veräußerungserlösen im Postunternehmensbereich refi- auf dem Tisch. nanziert. Das bleibt auch im nächsten Jahr so. Ich möchte (Susanne Kastner [SPD]: Wir sind noch weit einmal wissen, wo hier ein Schattenhaushalt sein soll. unter Ihren!) Dritter Punkt. Wir haben es durch Solidität in der Ver- Diese führen zu einem höheren Zuschuss von 7 Milliar- gangenheit geschafft, dass wir weniger für Zinsen ausge- den DM für die Bundesanstalt für Arbeit und die Arbeits- ben müssen. Wir haben sozusagen noch eine kleine losenhilfe. Der Haushalt 2002 weist mit 20 Milliar- Reserve, die wir jetzt auflösen, um die Steuerausfälle auf- den DM Riesenlöcher auf. Die Defizitquote schrammt zufangen. gerade noch an den Maastricht-Kriterien vorbei. Vierter Punkt. Die Schuldner dieser Republik sind Gott Es ist nicht so, wie immer wieder behauptet wird, wie sei Dank bessere Zahler geworden. Das bringt mehr Ge- ich auch heute Morgen wieder im Fernsehen gehört habe, währleistungseinnahmen in die Staatskasse. Das ist die dass unsere Wirtschaft infolge der Terroranschläge einen zweite Säule, um die Ausfälle besser abdecken zu können. plötzlichen Schwächeanfall erlitten hätte. Die dritte Säule wird sein, Privatisierungserlöse als Über- (B) brückung einzustellen, damit wir die Nettokreditauf- (Joachim Poß [SPD]: Wer sagt das denn? Was (D) nahme im nächsten Jahr halten. erzählen Sie für einen Unsinn!) Die Bilanz sieht so aus: Gemessen an den Horrorszena- Es ist kein Schwächeanfall. Es ist ein chronisches, haus- rien, die von der Opposition aufgestellt werden, muss man gemachtes Wachstumsproblem, das Sie auf den Weg ge- ganz nüchtern und sachlich feststellen, dass wir in dieser bracht haben. Legislaturperiode – zu dieser Bilanz gehört auch das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Haushaltsgesetz 2002 – die Neuverschuldung des Bundes Joachim Poß [SPD]: Wer von uns sagt so et- in vier Jahren gerade einmal um 5 Prozent erhöht haben. was?) Das ist zwar immer noch nicht zufrieden stellend – wir haben nämlich immer noch nicht ein ausgeglichenes Das Wirtschaftswachstum unter Ihrer Regierung, unter Budget –, aber diese Zahl zeigt auch, dass der Anteil der Rot-Grün, ist das schwächste in ganz Europa. Unter Ihrer Zinsausgaben am Gesamthaushalt sinkt. Das ist ein ent- Regierung, unter Rot-Grün, sind wir jetzt die Ersten in je- scheidender Fortschritt. der Konjunkturkrise und die Letzten, die sich aus ihr wie- der hochrappeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich sage Ihnen auch, wieso: weil Rot-Grün eine schlechte Wirtschaftspolitik, weil Rot-Grün eine schlechte Steuerpolitik macht. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kol- lege Metzger, kommen Sie bitte zum Schluss. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben nicht allein konjunkturelle Defizite. Wir haben Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In vor allem strukturelle Defizite. Dafür sind Sie verant- Ihrer Regierungszeit betrug die Erhöhung der Nettoneu- wortlich. Unser Land ist überreguliert, überbürokratisiert verschuldung in vier Jahren 25 Prozent. An diesen Zahlen, und überbesteuert. Wir haben mit die höchsten Steuern die man jeder Bürgerin und jedem Bürger und jeder Steu- und Abgaben in Europa, vor allem bei den kleineren und erzahlerin und jedem Steuerzahler deutlich machen muss, mittleren Betrieben. kommen Sie nicht vorbei. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vielen Dank. Das lähmt unsere Wirtschaft. Das macht unsere Wirt- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schaft anfällig. Die massiven Steuerausfälle sind nun die und bei der SPD) Rache dafür, dass Sie die Verbraucher und die Investoren 19652 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Dagmar Wöhrl (A) durch eklatante ökonomische Fehlentscheidungen ver- Es ist höchste Zeit, dass Ihr Minister Eichel seine Är- (C) schreckt haben. Dies ist die Rache dafür, dass Sie das melschoner ablegt. Unsere Wirtschaft braucht diese klein- Wirtschaftsklima in unserem Land massiv belastet haben, krämerische Buchhalterei nicht. Minister Müller – wo ist vor allem für die kleineren und die mittleren Betriebe. er denn? – ist inzwischen zum virtuellen Minister ver- kommen: Man sieht ihn nicht, man hört ihn nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Mittelstandsvernich- ( [CDU/CSU]: Eon! Er besucht tung! – Michael Glos [CDU/CSU]: Zu einer Frau Röstel! – Bernd Scheelen [SPD]: Da hät- solchen Regierung können wir kein Vertrauen ten Sie um 13 Uhr hier sein müssen! – Susanne haben!) Kastner [SPD]: Wenn Sie nicht sehen und hören können, können wir nichts dafür!) Ich brauche hier nur an Ihre mittelstandsfeindliche Steu- erreform, an die Verschärfung der Abschreibungsbedin- Sie haben eine vakante Stelle, die Sie besetzen müssen, gungen, die Ökosteuer, die Stromsteuer und andere Ver- wenn Sie endlich wieder die Wirtschaft nach vorne brin- brauchsteuererhöhungen, das Betriebsverfassungsgesetz, gen wollen: Sie brauchen endlich einen Chefökonomen. die Minijobregelung usw. zu erinnern: ein Nadelstich Wo ist der bei Ihnen? Wer auf Ihrer Seite kann überhaupt nach dem anderen für unsere Wirtschaft, für unsere klei- Wirtschaftspolitik betreiben? neren und mittleren Betriebe. Was machen Sie, was fällt Ihnen ein? Billige Tricks, (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Luftbuchungen usw., Schätzansätze nach dem Prinzip Rainer Brüderle [FDP] – Hans Michelbach Hoffnung im Etat, Zaubertricks; aber das hat nichts mit ei- [CDU/CSU]: Preistreiberpolitik! – Susanne ner seriösen Haushaltspolitik oder einer seriösen Wirt- Kastner [SPD]: Man sieht ja, wie schlecht sich schaftspolitik zu tun, was Sie hier herbeizaubern. Sie Wöhrl entwickelt!) haben sich von einer seriösen Wirtschaftspolitik verab- schiedet und die Quittung dafür halten Sie jetzt in der Vor diesem Hintergrund ist selbst die anämische Zahl Hand. von 0,7 Prozent Wachstum, die die fünf Weisen jetzt ver- öffentlicht haben, noch zu optimistisch. Im zweiten Quar- Vielen Dank. tal 2001 hatten wir eine Wachstumsrate von exakt (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 0,0000 Prozent. Dabei bedeutet – das wissen auch Sie – 1 Prozentpunkt weniger Wachstum 10 Milliarden DM we- niger Steuereinnahmen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt unsere Kollegin Nicolette Kressl von der SPD- Was lernt man daraus? Dass Konsolidierung nur mit ei- Fraktion. (B) ner wachstumsorientierten Politik möglich ist. Das sollten (D) auch Sie daraus lernen. Nicolette Kressl (SPD): Herr Präsident! Meine sehr (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans geehrten Damen und Herren! Zu einem Mindestmaß an Michelbach [CDU/CSU]: Das ist das Einmal- Konsistenz und Logik in der Argumentation sollte, wenn eins der Finanzpolitik!) wir über Finanz- und Haushaltspolitik sprechen, eigent- Ich sage es noch einmal zum Mitschreiben: Konsolidierung lich auch die Opposition verpflichtet sein. Frau Wöhrl je- ist nur mit einer wachstumsorientierten Politik möglich. Das doch hat eben im ersten Teil ihrer Rede gesagt, wir seien heißt, Reformen sind notwendig, vor allem Reformen am ganz knapp an der Erfüllung der Maastricht-Kriterien vor- Arbeitsmarkt, durchgreifende Reformen bei den Sozialver- beigeschrammt, und im zweiten Teil hat sie tatsächlich sicherungssystemen und auch ein Vorziehen der Steuerre- das Vorziehen der Steuerreform gefordert. Dergleichen form. Ich bin ehrlich: Die Entlastung wird nicht gleich kom- zieht sich durch Ihre gesamte Argumentation. Auf der ei- men, auch wenn die Steuerreform vorgezogen wird. Aber nen Seite zu klagen, dass wir Mindereinnahmen haben, das psychologische Moment des Vorziehens ist es, was un- und auf der anderen Seite Maßnahmenpakete vorzuschla- sere Wirtschaft und die Investoren jetzt bräuchten. gen, die zig Milliarden kosten, ist eine ganz besondere Form der Bewusstseinsspaltung; das muss ich Ihnen ehr- Was machen Sie? Sie bleiben sich treu: lich sagen. (Ludwig Eich [SPD]: Ruhige Hand!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Abwarten, Nichtstun, Hände in den Hosentaschen. Die DIE GRÜNEN) buchhalterische Sturheit, die Sie hier an den Tag legen, ist Ich beginne mal aufzuzählen: Sie fordern das Vorzie- kein tragfähiges politisches Konzept. hen der Steuerreform – 128 Milliarden DM Steuerausfälle (Ludwig Eich [SPD]: Politik der ruhigen in den nächsten drei Jahren. Dann gibt es die CDU/CSU- Hand!) Forderung, den Ländern und Kommunen UMTS-Anteile zu geben. Damit stellen Sie Forderungen an den Bund in Sie ist in guten Zeiten schädlich, in schlechten fatal. Sie Höhe von 60 Milliarden DM. Hinzu kommt eine Forde- haben leider die Chancen der guten Zeiten, der Jahre 1999 rung in Höhe von lächerlichen 40 Milliarden DM für ein und 2000, glatt verschlafen. Sonderprogramm Ost. Dann haben wir noch Renten- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – reformforderungen von der CDU/CSU, die zu weiteren Joachim Poß [SPD]: Hatten wir 1999/2000 Kostenbelastungen in Höhe von fast 40 Milliarden DM „gute Zeiten“?) führen, die im Endeffekt natürlich ebenfalls beim Bun- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19653

Nicolette Kressl (A) deshaushalt landen. Darüber hinaus gibt es eine Forde- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als (C) rung zur Aufstockung des Bundeswehretats. Da schwan- nächster Redner hat der Kollege Karl-Josef Laumann von ken die Zahlen hin und her; so genau kennen wir die Höhe der CDU/CSU-Fraktion das Wort. nicht. Aber auf jeden Fall bewegt sie sich im mehrstel- ligen Milliardenbereich. Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Herr Präsident! Das kann doch alles nicht wahr sein, was Sie uns hier Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass erzählen wollen, und ich kann nicht einmal eine jetzt feststeht – die Wirtschaftsweisen haben heute ein Bemühung um Konsistenz und Logik in der Argumen- entsprechendes Gutachten vorgelegt –, dass wir auf dem tation erkennen. Arbeitsmarkt eine sehr schwierige Situation zu erwarten haben. Die Bundesregierung hat in der letzten Woche zu- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gegeben, dass sie die Zahl von 3,5 Millionen Arbeitslosen DIE GRÜNEN) nicht erreichen wird. Die Zahl wurde um 400 000 nach Die Krönung Ihrer Forderungen, die unter die Men- oben korrigiert. Das wurde getan, weil das für den Haus- schen gestreut werden, ist das Familiengeld in Höhe von halt des nächsten Jahres prognostizierte Wirtschafts- 60 Milliarden DM, das noch dazu auf eine extrem unge- wachstum aufgrund der neuen Eckdaten von 2,5 auf rechte Art und Weise gezielt einkommensstarken Fami- 1,25 Prozent gesenkt werden musste. Die Wirtschaftswei- lien gegeben werden soll, weil die einkommensschwa- sen sagen: Wenn wir Glück haben, werden wir ein Wachs- tum von 0,7 Prozent erreichen. Wenn wir Pech haben, chen Familien mit Erziehungsgeld und Kindergeld schon wird es zu einer Rezession kommen. fast in die Höhe dessen kommen, was Sie jetzt fordern. Auf der einen Seite muss man sich Sorgen machen, (Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Uner- dass die Arbeitslosenzahl in diesem Winter höher als träglich!) 4 Millionen sein kann. Auf der anderen Seite gibt es den Sie haben immer behauptet, Sie seien gegen Gießkannen- markigen Spruch des Bundeskanzlers vom 20. August politik; aber was Sie hier fordern, ist exakt das. Sie sind 1998: unlogisch, inkonsistent und auch noch sozial ungerecht in Am Abbau der Massenarbeitslosigkeit muss sich Ihren Forderungen. eine SPD-Regierung messen lassen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ „Abgemacht!“ – so stand es damals auf einem Flug- DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: blatt der IG Metall. Ich finde das in Ordnung: Abgemacht! So was!) (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) (B) Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Sie jetzt ernst- (D) haft behaupten wollen, Ihre Vorschläge würde jemand Ich bin sehr gespannt darauf, wie die Gewerkschaften ernst nehmen. Ich finde, Sie verspielen mit Ihrer Argu- und auch andere darauf reagieren werden. Wir sollten uns mentation die Legitimation, sich hier als diejenigen auf- einmal Gedanken darüber machen, was die neue Regie- zuspielen, die wirtschaftlich irgendetwas besser können. rung eigentlich getan hat, um zu Impulsen auf dem Ar- beitsmarkt zu kommen. Gehen wir es doch einmal Punkt (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ für Punkt durch. DIE GRÜNEN) Zunächst einmal wurde unsere Rentenreform außer Ich füge hinzu – Frau Staatssekretärin und auch andere Kraft gesetzt. Eine unzureichende wurde in Kraft gesetzt. haben es heute schon deutlich gemacht –: Der Sachver- (Bernd Scheelen [SPD]: Sie haben die Reihen- ständigenrat hat sich eindeutig für eine Fortsetzung der folge verwechselt, Herr Laumann!) Konsolidierung ausgesprochen, denn damit werde Glaubwürdigkeit geschaffen. Wenn wir das zusammen- Die Folgen sehen wir in diesem Jahr: Sie erhöhen die zählen, was Sie hier gerade an zusätzlichen Forderungen Ökosteuer und entziehen den Familien Kaufkraft in Höhe gestellt haben, kommen wir insgesamt auf 466 Milliar- von 7,5 Milliarden DM, können aber den Arbeitneh- den DM Volumen – das ist das Gegenteil von Glaubwür- merinnen und Arbeitnehmern dieses Geld durch eine Sen- digkeit. kung des Rentenversicherungsbeitrages noch nicht ein- mal teilweise zurückgeben. (Susanne Kastner [SPD]: So eine Schuldenop- position! – Bernd Scheelen [SPD]: Ein kom- (Zurufe von der SPD: Doch! – Das haben wir pletter Jahreshaushalt!) gemacht! – Über 1 Prozent!) Wenn der Sachverständigenrat sagt, wir sollten die Kon- Für einen Menschen, der ein sozialversicherungspflich- solidierungspolitik fortsetzen, weil das Glaubwürdigkeit tiges Einkommen in Höhe von 60 000 DM hat, bedeutet schaffe, dann werden wir das ganz sicher tun. Wir haben dies, dass sein Rentenversicherungsbeitrag rund auch einen Finanzminister, der dies zusammen mit den 300 DM höher ist, als es von Ihnen zugesagt wurde. Das Koalitionsfraktionen erreichen wird. wird einfach abgezockt und steht dem Konsum nicht zur Verfügung. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Susanne Kastner [SPD]: Bei wie viel Prozent DIE GRÜNEN) waren Sie, Herr Laumann?) 19654 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Karl-Josef Laumann (A) Ich frage Sie: Was hat Sie nach der Bundestagswahl ei- – Ihr JUMP-Programm ist toll: Erst haben Sie es aus dem (C) gentlich geritten, die gemäßigten Zuzahlungen zur Reha- Bundeshaushalt finanziert und jetzt finanzieren es allein bilitation und zu den Arzneimitteln, die wir mit Sozial- die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne eine Mark und Überforderungsklauseln für chronisch Kranke und Steuergeld. Nennen Sie das innovative Arbeitsmarktpoli- nicht Einkommensstarke versehen hatten, so weit zurück- tik? Auch hierfür bekommen Sie null Punkte. zufahren, wie Sie es getan haben? Jetzt haben Sie die Quittung: Auf breiter Front steigen die Beiträge. Dadurch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wird gerade den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Deshalb wäre es gut, wenn dieses Theater am Freitag erneut Kaufkraft entzogen. beendet würde. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Schönen Dank. Schauen wir uns einen Bereich in der Arbeitsrechtspo- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) litik an. Ich sage Ihnen ganz offen: Für die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, mit der Sie einige Dinge, die wir heute hinsichtlich der Mitbestimmung anders se- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hen müssen, angehen wollen, gibt es gute Gründe. Aber hat jetzt der Kollege Bernd Scheelen von der SPD-Frak- was hat sie um Herrgotts willen geritten, die Zahl der Be- tion. triebsräte heraufzusetzen? Kein Betriebsrat in Deutsch- land hat einen Brief geschrieben, in dem steht, dass er Bernd Scheelen (SPD): Herr Präsident! Meine Da- mehr Betriebsräte haben möchte. Damit erzielen Sie eine men und Herren! Herr Kollege Laumann, ich habe gehört, Stimmung – denn das kostet Geld –, die man in der der- dass Sie hinsichtlich der Notwendigkeit des Erhalts des zeitigen Situation besser nicht erreichen sollte. Fliegerhorstes Rheine gesagt haben, dass es eine Lücke (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) im Luftraum Deutschlands gebe und man Passagierma- schinen nur abschießen könne, wenn man den Flieger- Es ging Ihnen darum, sich für das Millionengeschenk des horst Rheine erhalte. Von gleicher Qualität wie diese Aus- DGB, das Sie während des Wahlkampfes erhalten haben, sage war auch Ihre soeben gehaltene Rede. zu bedanken, und das ohne Rücksicht auf die Entwicklung der Zahl der Arbeitsplätze und die Situation der Arbeit- (Beifall bei der SPD – Zurufe von der nehmerinnen und Arbeitnehmer. CDU/CSU: Oh!) (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genauso ist Die Finanzpolitik dieser Bundesrepublik zeichnet sich es!) durch zwei Qualitätsmerkmale aus (B) Was hat Sie eigentlich bei der 630-Mark-Gesetzgebung (Zurufe von der CDU/CSU) (D) geritten? Sie wissen genau, dass Sie Hunderttausende von – dass Sie sich aufregen, kann ich verstehen; es zeigt, dass Arbeitnehmern in die Schwarzarbeit gedrückt haben, die Sie getroffen sind –: Konsolidierung und Steuersenkung. jetzt nicht mehr zur Wertschöpfung in diesem Staat bei- Von diesem Pfad lassen wir uns nicht abbringen, auch tragen. nicht von der Opposition. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sie müssen doch nur einmal abends mit offenen Augen DIE GRÜNEN) durch die Gaststätten Ihres Wahlkreises gehen. Fragen Sie Konsolidierung ist deswegen notwendig, weil Sie uns einmal nach einer Veranstaltung den Wirt, wie er seine 1998 einen Schuldenstand – das darf man ruhig immer Gaststätte organisiert! Wie weit sind Sie denn von den wieder in Erinnerung rufen – in Höhe von 1,5 Billi- Menschen entfernt? onen DM hinterlassen haben. Diese Schulden führen zu (Ludwig Eich [SPD]: Wir haben Millionen einer jährlichen Belastung des Haushaltes durch Zinszah- neuer Jobs geschaffen!) lungen in Höhe von 82 Milliarden DM. Es ist wichtig, dass man den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder ins Was hat Sie eigentlich geritten, einen Rechtsanspruch Gedächtnis ruft, welche Konsequenzen das hat. auf Teilzeitarbeit durchzudrücken, ohne dass die Menschen dafür Gründe haben müssen? Hätten Sie dies auf Menschen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) konzentriert, die kleine Kinder erziehen müssen, wäre das 82 Milliarden DM pro Jahr bedeuten 156 000 DM jede in Ordnung gewesen. Es generell zu machen ist doch eher Minute. Das ist also während dieser Aktuellen Stunde bei schädlich. Aber von einer Partei, die heute noch in ihrem jedem Redebeitrag von fünf Minuten gut eine dreiviertel Parteiprogramm stehen hat – das steht wirklich im derzeit Million DM, die der Bund sofort von der Steuersumme, gültigen Programm der SPD –, dass die Zeitarbeit verboten die die Bürgerinnen und Bürger aufbringen, nehmen und werden muss, kann man wohl nicht mehr erwarten. Des- an die Banken weiterreichen muss, ohne dass wir in der wegen sollten wir uns damit auseinander setzen. Lage sind, diesen Betrag für die Gestaltung einer aktiven Was haben Sie gemacht, um den Arbeitsmarkt zu sta- Politik zu verwenden. bilisieren? Bei allem Wohlwollen kann ich hier nichts er- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des kennen. Das ist Ihr ganz großer Fehler. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael (Ludwig Eich [SPD]: Eine ganze Menge! Das Glos [CDU/CSU]: Hören Sie doch auf zu reden, JUMP-Programm!) dann wird es billiger!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19655

Bernd Scheelen (A) Dies aber machen wir nicht mit. Wir sagen: Raus aus den Wenn Sie sich jetzt die Preise an den Tankstellen anse- (C) Schulden! hen, werden Sie feststellen, dass Sie in Berlin, zumin- dest am Flughafen Tegel, einen Liter Superbenzin für Die Vorschläge, die ich hier zum Beispiel vom Kolle- 1,719 DM bekommen. Vor einem halben Jahr kostete er gen Brüderle gehört habe, bedeuten doch nur, dass Sie ei- dort noch 2,20 DM. ner weiteren Verschuldung das Wort reden. Dieser Marsch in den Verschuldungsstaat ist mit uns nicht zu machen. (Widerspruch bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Diese Absenkung der Energiepreise ist ein Konjunktur- programm. Hier kann der Staat gar nicht mithalten. Da- Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass die Steuer- durch verbleiben den Bürgern zweistellige Milliarden- reform gewirkt hat, dann wird dieser durch die Zahlen die- beträge mehr in der Tasche. Dies wird Wirkung zeigen. ser Steuerschätzung geliefert. (Beifall bei der SPD – Friedrich Merz (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – [CDU/CSU]: Nicht zu fassen!) Werner Siemann [CDU/CSU]: Wie wollen Sie denn das jetzt begründen?) Ich möchte ganz kurz auf die Frage der Gemeinde- finanzen eingehen. Diese sind hier angesprochen worden. – Warten Sie ab, darauf komme ich gleich. Sie werden es Die Gemeinden befinden sich in einer schwierigen Situa- gleich nachvollziehen können. tion, weil die Gemeindesteuern, insbesondere die Gewer- (Michael Glos [CDU/CSU]: Keine Drohun- besteuer, tatsächlich stärker einbrechen, als wir das pro- gen!) gnostiziert haben. Deswegen hat diese Bundesregierung auch gehandelt. Sie haben sich im Frühjahr, als die Steuereinnahmen durchaus positiv waren, hier hingestellt und haben gesagt, (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Geistiger das sei der falsche Weg, die Regierung müsse handeln. Sturzflug!) Jetzt sind die Steuereinnahmen nicht mehr so günstig und Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung haben da sagen Sie auch, das sei der falsche Weg, die Regierung entsprechende Vorhaben auf den Weg gebracht. Die müsse handeln. Sie müssen sich irgendwann einmal ent- Städte und Gemeinden sind uns sehr dankbar, dass wir die scheiden, was Sie eigentlich wollen. Lösung ihrer Probleme aktiv angehen. Das sind sie näm- Wir haben in diesem Jahr eine Steuerreform mit einem lich aus Ihrer Regierungszeit überhaupt nicht gewohnt. Entlastungsvolumen für dieses Jahr in Höhe von 45 Mil- (Beifall bei der SPD) liarden DM durchgeführt. 45 Milliarden DM Minder- (B) einnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden müssen Wir haben insbesondere die Organschaftsfragen neu (D) sich natürlich irgendwo in Form von geringeren Steuer- geregelt. Das wird dazu führen, dass die Gemeinden im einnahmen bemerkbar machen. Sonst macht es keinen nächsten Jahr bei der Gewerbesteuer über Mehreinnah- Sinn. Das heißt also, die Summe, die wir an Steuern we- men von etwa 1 Milliarde DM verfügen können. Ich finde niger einnehmen, haben die Bürger und Unternehmen es sehr interessant, dass gerade die Kolleginnen und Kol- mehr. Sie können damit konsumieren und investieren. Es legen von der CDU/CSU, die sich ja vermeintlich immer wäre gut und richtig, wenn sie das auch intensiv täten. für die Gemeinden einsetzen, im Finanzausschuss diesen Regelungen nicht zugestimmt haben. Das zeigt, wie Das Problem ist, dass sich dies vor dem Hintergrund doppelzüngig Sie agieren. Das werden wir auch bei den einer konjunkturellen Entwicklung abspielt, die nicht so Städten und Gemeinden deutlich machen. Sie haben das ist, wie wir sie alle gemeinsam noch im Frühjahr erwartet auch schon erkannt. haben. Ich darf daran erinnern, dass die Institute Ihre Prognosen viermal in diesem Jahr nach unten korrigiert (Beifall bei der SPD – Friedrich Merz [CDU/ haben: über 2,8 Prozent, 2,1 Prozent bis auf 0,7 Prozent. CSU]: Deshalb gewinnen Sie eine Bürgermeis- Das heißt ganz konkret: Durch die Konjunktur ist es nicht terwahl nach der anderen!) zu Mehreinnahmen in dem Maße gekommen, wie wir es Deswegen sind die Städte und Gemeinden sehr dankbar gerne hätten. Deshalb werden die guten Wirkungen der dafür, dass es die kommunalfreundlichste Bundesregie- Steuerreform nicht so deutlich sichtbar. rung seit 20 Jahren gibt. Dabei wird es auch bleiben. Die Steuerreform konnte Anfang und Mitte des Jahres Herzlichen Dank. ihre volle Wirkung noch nicht entfalten, weil – Sie und alle anderen wissen das genauso gut wie ich – beispiels- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ weise die Entwicklung auf den Ölpreismärkten Ende DIE GRÜNEN – Lachen und Zurufe von der letzten Jahres so dramatisch war, dass ein Großteil der CDU/CSU) Entlastungsfunktion der Steuerreform von den erhöhten Ölpreisen, von den Kosten im Zusammenhang mit BSE Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als und Maul- und Klauenseuche aufgesogen wurde nächster Redner hat das Wort der Kollege Jochen-Konrad (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Dank Fromme von der CDU/CSU-Fraktion. dem Durchlauferhitzer Ökosteuer war das so!) und die Menschen über dieses zusätzliche Geld nicht in Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Herr Präsi- der Weise verfügen konnten, wie wir uns das vorstellen. dent! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Scheelen, 19656 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Jochen-Konrad Fromme (A) wenn die Verschuldung so schlimm ist, weiß ich über- zent – beispielsweise für Zinsen, Sozialhilfe und Perso- (C) haupt nicht, warum wir am Ende dieser Wahlperiode noch nalkosten – auf Pump finanziert. Das nennen Sie dann einmal 100 Milliarden DM mehr Schulden haben werden Konsolidierung! Ich nenne das ganz anders. als am Anfang, und das, obwohl Sie 100 Milliarden DM Warum stehen wir jetzt so schlecht da? – Weil die aus der UMTS-Versteigerung zusätzlich zur Verfügung Kommunen, genauso wie die Bürgerinnen und Bürger, hatten. aufgrund der schlechten Finanzkraft als Nachfrager aus- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – fallen. Wenn die Kommunen kein Geld haben, können sie Susanne Kastner [SPD]: Die Zinsen haben wir auch keine Aufträge erteilen. nicht zu verantworten!) (Zuruf von der SPD: Das ist die Folge Ihrer Herr Kollege Schild, die Überschrift über die Erfolgs- Steuerpolitik!) story Ihrer Wirtschaftspolitik wird heißen: „Von der Lo- Weniger Aufträge bedeuten weniger Arbeit. Weniger Ar- komotive Europas zur roten Laterne“. Nichts anderes. beit bedeutet weniger Steuern und führt zu Mehrausgaben (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bernd bei der Sozialhilfe. Das genau ist die Krux, in der wir jetzt Scheelen [SPD]: Die Lokomotive waren wir stecken. unter und nicht unter Helmut Herr Kollegen Scheelen, Sie fragen, was man denn an- Kohl!) ders machen soll. Das kann ich Ihnen sagen. Sie haben Dass der Kollegin Scheel das Bild vom Blitz eingefal- eine Steuerreform nach der Salamitaktik gemacht. Erstens len ist, kann ich verstehen; denn bei der Koalition hat es haben Sie die Falschen begünstigt bzw. die Richtigen, richtig eingeschlagen und geblitzt. Leider ist die damit nämlich den Mittelstand, bei dem Arbeitsplätze entstehen meistens verbundene Erleuchtung ausgeblieben. können, nicht begünstigt. Sie ernten heute die Früchte Ihrer völlig falschen Wirt- (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: So ist es! – schaftspolitik. Wo Sie mit Ihrer Konsolidierung, insbe- Nicolette Kressl [SPD]: Da sagt der Sachver- sondere bei den Kommunen, angekommen sind, will ich ständigenrat heute etwas ganz anderes!) Ihnen mit zwei Zahlen belegen. Die laufenden Ausgaben Zweitens ist die Wirkung aufgrund ihrer scheibchenwei- liegen auf einem niedrigeren Niveau als 1992. Die In- sen Taktik völlig verpufft. vestitionen – diese sind wichtig für die Volkswirtschaft – liegen um 25 Prozent unter dem Niveau von 1992. Das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans fehlt Ihnen für das Wachstum. Michelbach [CDU/CSU]: Die Salamitaktik geht nicht auf!) (B) (Horst Schild [SPD]: Deswegen wollen Sie den (D) Kommunen auch mit einer 20-prozentigen Ab- Wenn Sie ein Beispiel suchen, wie es richtig geht, dann senkung der Gewerbesteuer helfen!?) sollten Sie einmal auf die Jahre 1985 bis 1989 schauen. Auch den Bürgern haben Sie über die Ökosteuer, die (Lachen bei der SPD) Tabaksteuer und Ähnliches die Konsumkraft weggenom- Die stoltenbergschen Reformen haben zu einer Absen- men. Bei Ihnen heißt es doch: Rasen für die Rente und kung der Steuern um nominal 43 Milliarden DM geführt. Rauchen für die Sicherheit. Und weil Sie bei den Kran- Am Ende hatten wir 120 Milliarden DM mehr in der kenkassen auch nicht mehr klarkommen, heißt es im Kasse und 3 Millionen Menschen mehr waren sozial- nächsten Jahr: Saufen für die Gesundheit. versicherungspflichtig beschäftigt. Das ist eine richtige (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wirtschaftspolitik. So muss man Wirtschaftspolitik betreiben. Ihre Politik hat dazu geführt – jetzt hören Sie einmal genau zu! –, dass die Städte und Gemeinden in Deutsch- (Beifall bei der CDU/CSU) land am 30. Juni 2001 17 Prozent ihrer laufenden Aus- Wenn man eine Steuerreform macht, muss man sie so gaben mit Kassenkrediten finanzieren mussten. Das ist gestalten, dass sie als Initialzündung wirkt. Es darf nicht so das Doppelte von dem, was wir am Ende des letzten Jah- sein, dass die Menschen anfangen, zu taktieren und ihre res hatten. Kassenkredite, das klingt sehr technisch. Was Gewinne zu verstecken, um in eine niedrigere Steuerzone heißt das? Weil die laufenden Ausgaben am 1. Januar an- zu kommen. Die Vorteile der Steuerreform sollen in die fallen und die Einnahmen erst später eingehen, dürfen die Wirtschaft zurückfließen und nicht wirkungslos verpuffen. Kommunen zur Überbrückung Kredite aufnehmen. Das ist wie beim Handwerksmeister: Wenn er einen Auftrag Sie haben die Reform nicht richtig angefangen. erhält, kauft er sich das Material auf Kredit; wenn der (Ludwig Eich [SPD]: Wer sagt das?) Auftrag abgewickelt ist, muss er das Geld zurückzahlen. – Ich sage das. Das reicht. Am 31. Dezember 2000 waren immerhin noch 15 Mil- (Bernd Scheelen [SPD]: Gut, dass das mal liarden DM nicht zurückgezahlt, obwohl der Stand hätte klargestellt wurde!) „Null“ betragen müssen. Das sind 6,8 Prozent der laufen- den Ausgaben. Im ersten Halbjahr – also noch vor dem – Ich verstehe, dass Sie das nicht gerne hören. Sie haben 11. September; Sie können das niemand anderem anlas- einen einzigen Verschiebebahnhof eingerichtet und das ten –, also im liquiditätsmäßig besseren Halbjahr, hat sich nennt man nicht sparen. Jetzt, da der Finanzminister ohne diese Quote noch verdoppelt. Inzwischen werden 17 Pro- UMTS-Mittel, die ihm wie ein Lottogewinn zugefallen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19657

Jochen-Konrad Fromme (A) sind, zum ersten Mal mit den Realitäten eines Finanzmi- Schätzungen vor einem halben Jahr Mindereinnahmen (C) nisters konfrontiert wird, müssen wir sehen, wie es bei Ih- geben wird. nen läuft. Was machen Sie? – Sie machen höhere Schul- Dass es im Zuge einer weltweiten konjunkturellen Ab- den. Das ist genau das, was Sie eben gegeißelt haben. So schwächung Mindereinnahmen bei den Steuern gibt, ist kann es nicht gehen. Sie werden die Abwärtsspirale in völlig normal. Wir haben – der Sachverständigenrat hat Deutschland weiter beschleunigen das unterstrichen – die ganz ungewöhnliche Situation, (Bernd Scheelen [SPD]: Das macht die Oppo- dass es in den drei großen Wirtschaftsräumen der Welt, sition mit ihrer Schwarzmalerei!) nämlich USA, Westeuropa und Japan, gleichzeitig eine Abschwächung des Wachstums gibt. Es wäre geradezu und wir werden weiter die rote Laterne in der EU haben. verblüffend, wenn eine solche Entwicklung ausgerechnet Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie die ruhige Hand su- in Deutschland, das wie kaum ein anderes Land wirt- chen, dann suchen Sie sie tief in den Taschen des Bürgers. schaftlich mit dem Rest der Welt verflochten ist, keine Sie nehmen den kleinen Leuten das Geld aus der Tasche. Auswirkungen auf die Konjunktur hätte. Es ist völlig nor- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mal, dass in einer solchen Situation Steuereinnahmen ge- ringer ausfallen als in Zeiten eines Booms. Das ist doch Nehmen Sie endlich die Hand aus den Taschen des Bür- völlig selbstverständlich. gers und tun Sie etwas, damit die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Wir müssen endlich wieder mehr Arbeits- Wie sollen wir darauf reagieren? plätze haben. Denken Sie einmal an die Menschen, die auf (Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Jürgen Gehb Arbeit warten und die gerne arbeiten möchten. [CDU/CSU]: Durch Tatenlosigkeit! – Hans (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu- Michelbach [CDU/CSU]: Sie sind doch an der ruf von der SPD: Frechheit!) Regierung! Sie sind regierungsunfähig!) – Das ist typisch, Sie lachen. Außer Lachen fällt Ihnen gar Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort nichts ein. hat jetzt der Kollege Jörg-Otto Spiller von der SPD-Frak- Es ist völlig vernünftig, in einer solchen Situation da- tion. rauf zu achten, dass Steuermindereinnahmen nicht auto- matisch zu einer Kürzung der Ausgaben führen. Das sind Jörg-Otto Spiller (SPD): Herr Präsident! Meine sehr die so genannten automatischen Stabilisatoren, wovon verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Brüderle, auch die Sachverständigen in ihrem Gutachten sprechen. meine Damen und Herren von der Union, Sie richten sich Es ist ein erster Beitrag, um eine stabilisierende Wirkung (B) offensichtlich auf eine lange Oppositionszeit ein. zu erreichen, wenn man Mindereinnahmen in begrenztem (D) Maße hinnimmt, ohne dass die öffentliche Hand ihre Aus- (Bernd Scheelen [SPD]: Genau!) gaben drosselt. Wir werden nichtsdestoweniger an der Sie haben uns heute viel Polemik geboten, aber nicht Fortsetzung des Konsolidierungskurses festhalten. das, was auch zur Rolle der Opposition gehört, nämlich (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das machen nüchterne und realistische Handlungsalternativen aufzu- Sie doch gar nicht!) zeigen, um den Bürgern zu ermöglichen, sich ein Bild zu machen und ihnen zu zeigen, wofür sie sich entscheiden Herr Brüderle, ich weiß nicht, wie oft Sie mit den Pro- können, wenn sie bei den nächsten Wahlen eine andere fessoren im Sachverständigenrat zusammenkommen, Partei wählen wollen. Das Aufzeigen solcher Alternativen aber offenbar kennen sie Sie. Deren Vorschläge sind wie lassen Sie nach wie vor vermissen. Außer Polemik bieten für Sie geschrieben: für Stetigkeit und gegen Aktionis- Sie reinweg gar nichts. mus. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Rainer Brüderle [FDP]: Die Arbeitslosigkeit DIE GRÜNEN) steigt von Monat zu Monat!) Sie sind schlecht aufgestellt, Sie kennen Sie, aber sie mögen Sie nicht. Es ist offen- sichtlich so, dass Ihre Blitzprogramme niemanden beein- (Susanne Kastner [SPD]: Ja, sehr schlecht!) drucken. Es ist geradezu widersinnig, jetzt in hektischen und zwar nicht nur personell, sondern leider auch ge- Aktionismus zu verfallen. Es kommt darauf an, dass wir danklich. Das hat Frau Kressl vorhin schon an einigen mit Stetigkeit auch in dieser konjunkturellen Situation un- Beispielen verdeutlicht. Es passt einfach nicht zusammen: sere Haushaltskonsolidierung und unsere verlässliche Sie fordern Steuersenkungen und klagen im selben Atem- Finanzpolitik bekräftigen. Der Sachverständigenrat, über zug über Steuerausfälle. Herr Fromme hat das eben be- dessen Gutachten wir bei anderer Gelegenheit bestimmt sonders schön zum Ausdruck gebracht. ausführlich diskutieren werden, hat uns dazu noch einmal aufgerufen. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das war eine gute Rede! Ganz im Unterschied zu den Reden Er hat übrigens das Gutachten nicht nur an die Regie- von euch!) rung, sondern auch an den Deutschen Bundestag adressiert. Wir tun gut daran, es nicht einfach beiseite zu schieben. Er hat gesagt, die Gemeinden hätten kein Geld mehr, und gleichzeitig beklagt – es war fast im gleichen Satz –, dass (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- es nach den jüngsten Steuerschätzungen gegenüber den NEN]: Das kann auch die Opposition lesen!) 19658 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

Jörg-Otto Spiller (A) – Auch die Opposition kann das lesen. Wenn Stetigkeit an- ger Beitrag, der durch Hektik, Ratlosigkeit und das (C) gemahnt wird, dann sollte man ruhig auch an Brüderle Durcheinander der Oppositionsparteien nicht ersetzt wer- denken. den kann. Eine kurze Bemerkung noch, weil dieser Punkt immer (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wieder falsch dargestellt wird – er wird durch die andau- DIE GRÜNEN) ernde falsche Darstellung allerdings nicht wahrer –: Es trifft nicht zu, Herr Fromme, dass es bei unserer Unter- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Ak- nehmensteuerreform eine Benachteiligung von Personen- tuelle Stunde ist beendet. gesellschaften bzw. Personenunternehmen gibt. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord- (Widerspruch des Abg. Jochen-Konrad nung. Fromme [CDU/CSU]) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- Der Sachverständigenrat hat noch einmal hervorgeho- tages auf morgen, Donnerstag, den 15. November 2001, ben, dass unsere Finanzpolitik ausgewogen und verläss- 9 Uhr, ein. lich ist. Sie leistet nicht nur für den Haushalt selbst, son- Die Sitzung ist geschlossen. dern auch für die Wirtschaftsentwicklung in unserem Lande einen stabilisierenden Beitrag. Das ist ein wichti- (Schluss: 16.23 Uhr)

Berichtigung 198. Sitzung, Seite 19373 (A), 3. Absatz, der letzte Satz ist wie folgt zu lesen: „Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 4. Juli 2001 bestätigt, dass solche Informationen grundsätzlich nur mit Einwilligung der Be- troffenen zugänglich gemacht werden dürfen.“ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19659

(A) Anlagen zum Stenographischen Bericht (C) Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten

Anlage 2 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Antwort Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ 14.11.2001 des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die DIE GRÜNEN Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Drucksache 14/7396, Fragen 1 und 2): Behrendt, Wolfgang SPD 14.11.2001 Welche längerfristigen Vorstellungen hat die Bundesregierung Bierwirth, Petra SPD 14.11.2001 über die Unterstützung aus dem Bundeshaushalt für die deutschen Minderheiten in den Staaten, die mittelfristig Aufnahme in die Eu- ropäische Union finden werden, und wie begründet die Bundes- Bulmahn, Edelgard SPD 14.11.2001 regierung ihre Vorstellungen? Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 14.11.2001 Treffen Zeitungsmeldungen (vergleiche „Siebenbürgische Zeitung“ vom 31. Oktober 2001) zu, wonach abgelehnte Spätaus- Friedrich (Altenburg), SPD 14.11.2001 siedlerbewerber, deren volkstumsmäßige Vereinsamung aufgrund Peter des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 1998 nicht mehr als Benachteiligung im Sinne des § 4 Abs. 2 anerkannt wird, nach einer vierjährigen Inlandsaufenthaltsdauer einzubür- Fritz, Erich G. CDU/CSU 14.11.2001 gern sind, und gibt es Überlegungen der Bundesregierung, ebenso gegenüber anderen Altfallgruppen bei abgelehnten Spätaussied- Heinrich, Ulrich FDP 14.11.2001 lerbewerbern zu verfahren? Hempelmann, Rolf SPD 14.11.2001 Zu Frage 1: Hohmann, Martin CDU/CSU 14.11.2001 Der Beitritt eines Landes zur Europäischen Union steht Dr. Höll, Barbara PDS 14.11.2001 aus Sicht der Bundesregierung der Fortführung der För- Koppelin, Jürgen FDP 14.11.2001 derung der dort lebenden deutschen Minderheiten nicht grundsätzlich entgegen. Es ist allerdings zu erwarten, dass Lamp, Helmut CDU/CSU 14.11.2001 sich infolge der EU-Mitgliedschaft die wirtschaftliche Lange (Backnang), SPD 14.11.2001 Lage der Beitrittsländer insgesamt und damit auch der (B) Christian deutschen Minderheiten weiter verbessern wird. Insoweit (D) werden Dauer und Art der Hilfen dem europäischen Inte- Lippmann, Heidi PDS 14.11.2001 grationsprozess anzupassen sein. Dies sieht auch schon Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 14.11.2001* das vom Beauftragten der Bundesregierung für Aussied- Erich lerfragen 1999 veröffentlichte Konzept zur Aussiedler- politik 2000 vor. Die konkrete Ausgestaltung dieser Müller (Berlin), PDS 14.11.2001* grundsätzlichen Überlegung wird zu gegebener Zeit mit Manfred den Betroffenen unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen zu erörtern sein. Dies gilt gleicher- Ost, Friedhelm CDU/CSU 14.11.2001 maßen auch für die Unterstützung aus Deutschland für Philipp, Beatrix CDU/CSU 14.11.2001 kulturelle Aktivitäten der deutschen Minderheiten. Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 14.11.2001 Zu Frage 2: Schauerte, Hartmut CDU/CSU 14.11.2001 Zeitungsmeldungen, denen zufolge abgelehnte Spät- Schenk, Christina PDS 14.11.2001 aussiedlerbewerber, deren volkstumsmäßige Vereinsa- mung aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsge- Schlee, Dietmar CDU/CSU 14.11.2001 richts vom 3. März 1998 – 9 C 3.97 – nicht mehr als Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 14.11.2001 Benachteiligung im Sinne des § 4 Abs. 2 Bundesvertrie- Hans Peter benengesetz anerkannt wird, nach einer vierjährigen In- landsaufenthaltsdauer einzubürgern sind, treffen nicht zu. Dr. Spielmann, Margrit SPD 14.11.2001 Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsan- Straubinger, Max CDU/CSU 14.11.2001 gehörigkeitsrecht (StAR-VwV) vom 13. Dezember 2000 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 14.11.2001 sieht in Nr. 8.1.3.4 die Möglichkeit vor, deutschsprachige Einbürgerungsbewerber aus deutschsprachigen Gebieten Dr. Thomae, Dieter FDP 14.11.2001 in anderen europäischen Staaten, in denen Deutsch Dr. von Weizsäcker, SPD 14.11.2001 Amts- oder Umgangssprache ist, abweichend von dem Ernst Ulrich grundsätzlich geforderten Mindestaufenthalt von acht Jah- ren (Nr. 8.1.2.2 StAR-VwV) bereits nach einer Inlands- * für die Teilnahme an Tagungen der Parlamentarischen Versammlung aufenthaltsdauer von vier Jahren einzubürgern. Ob und in- der WEU wieweit von dieser Ausnahmeregelung bei abgelehnten 19660 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001

(A) Spätaussiedlerbewerbern Gebrauch gemacht wird, steht mit ihren Fähigkeiten bei. Der Beitrag schließt auch Leis- (C) im Ermessen der für die Ausführung des Staatsangehörig- tungen zum Zweck der humanitären Hilfe ein. Im Verlauf keitsgesetzes zuständigen Länder. der Operation wird die Bundesregierung ständig prüfen, inwieweit die zur Verfügung gestellten Fähigkeiten der Die Frage, ob bei Einbürgerungsbewerbern aus rumä- deutschen bewaffneten Streitkräfte für die Erreichung der nischen Gebieten, die zwar im Aufnahmeverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz nach Deutschland ge- jeweils gesetzten Ziele einen wirksamen Beitrag leisten. kommen sind, aber keine Spätaussiedlerbescheinigung Im Lichte des Ergebnisses dieser Prüfung und in Abspra- erhalten haben, die Voraussetzungen für eine Verkürzung che mit den USA und den Partnern wird sie dann die je- der Mindestaufenthaltsdauer im Sinne der Nr. 8.1.3.4 weils nötigen Entscheidungen treffen. StAR-VwV vorliegen, war Gegenstand einer Staatsan- gehörigkeitsreferentenbesprechung am 19./20. Juni 2001. Es wurde hierin festgestellt, dass die StAR-VwV keine Anlage 5 gruppenspezifische Regelung für diesen Personenkreis vorsieht. Zugleich wurde Übereinstimmung darüber er- Antwort zielt, dass bei diesem Personenkreis und in vergleichba- der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die ren Fällen grundsätzlich keine Bedenken gegen eine vor- Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/ zeitige Einbürgerung im Wege des Ermessens bestehen, CSU) (Drucksache 14/7396, Frage 13): wenn neben ausreichenden Kenntnissen der deutschen Trifft es zu, dass unverändert ein Vertragsverhältnis zwischen Sprache auch die sonstigen Einbürgerungserfordernisse dem Bundesministerium der Finanzen und dem Staatssekretär gegeben sind. a. D. Klaus-Peter Schmidt-Deguelle bzw. einer von ihm geleiteten Beratungsfirma besteht? Es trifft zu, dass unverändert ein Vertragsverhältnis Anlage 3 zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und Herrn Staatssekretär a. D. Schmidt-Deguelle als Person Antwort besteht; das Vertragsverhältnis ist bis zum 31. Dezember des Staatsministers Hans Martin Bury auf die Frage der 2001 befristet. Abgeordneten Sylvia Bonitz (CDU/CSU) (Drucksache 14/7396, Frage 11): Anlage 6 Welche Bedeutung misst der Bundeskanzler Gerhard Schröder einer eigenen Mehrheit der Regierungskoalition bei zentralen po- litischen Entscheidungen bei, und ist für ihn die Entscheidung Antwort (B) über den Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen der gemeinsa- (D) men Reaktion auf die Terroranschläge gegen die USA eine solche der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen zentrale politische Frage, die zwingend einer eigenen Mehrheit des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting (FDP) der Mitglieder der Regierungskoalition bedarf? (Drucksache 14/7396, Fragen 19 und 20): Der Bundeskanzler hat deutlich gemacht, dass er bei Wie will die Bundesregierung die umfassende soziale Ab- der von Ihnen angesprochenen Entscheidung über den sicherung der Soldaten des E-3A-Einsatzverbandes, die sich ge- Einsatz deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der genwärtig bereits zu einer besonderen Verwendung im Einsatz be- finden, sowie von deren Familienangehörigen sicherstellen, und gemeinsamen Reaktion auf die terroristischen Angriffe übernimmt die Bundesregierung die Versicherungsleistungen für gegen die USA eine eigene Mehrheit der Koalitionsfrak- den Fall, dass die entsprechenden privaten Versicherungsunter- tionen erwartet. nehmen auf die jeweils gültigen Kriegsklauseln rekurrieren? Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass es ange- sichts der aktuellen sicherheitspolitischen Lageentwicklung drin- gend einer Erweiterung des Dialogs mit der wehrtechnischen In- Anlage 4 dustrie, insbesondere der klaren Definition wehrtechnischer Kernkapazitäten bedarf, und wie wird die Bundesregierung die- Antwort sem Leitgedanken künftig Rechnung tragen? des Staatsministers Dr. Christoph Zöpel auf die Frage der Zu Frage 19: Abgeordneten Sylvia Bonitz (CDU/CSU) (Drucksache 14/7396, Frage 12): Die Soldaten des NATO-E-3A-Verbandes, die gegen- wärtig in den USA Dienst leisten, befinden sich in einem Wann ist das Ziel des geplanten Einsatzes deutscher Streit- kräfte im Rahmen der gemeinsamen Reaktion auf die Terror- Auslandseinsatz innerhalb des Bündnisses. Sie erhalten anschläge gegen die USA erreicht, und wer trifft diese Feststel- einen erweiterten Versorgungsschutz, wie bei Einsätzen lung? auf Beschluss der Bundesregierung im Sinne von § 58 a Die auf der Grundlage der Resolution 1368 (2001) des des Bundesbesoldungsgesetzes, für Unfälle aufgrund der VN-Sicherheitsrates erfolgende Operation ENDURING besonderen Verhältnisse des Einsatzes im Rahmen von FREEDOM, an der sich deutsche bewaffnete Streitkräfte Auslandsverwendungen, falls eine vergleichbar gestei- beteiligen sollen, hat das Ziel, staatlich geduldete und gerte Gefährdungslage vorliegt. Diese Feststellung wird unterstützte Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von im Schädigungsfalle im Einvernehmen mit den Bundes- Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, ge- ministerien des Innern, der Finanzen und mit dem Aus- fangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen sowie Dritte wärtigen Amt getroffen. Dies gilt auch für Unfälle bei ei- dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten nem Überwachungsauftrag des Verbandes im Ausland. Zu abzuhalten. Deutsche bewaffnete Streitkräfte tragen dazu dem erweiterten Versorgungsschutz gehört auch der ge- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001 19661

(A) setzliche Anspruch der Soldaten und ihrer Hinterbliebe- sicherung von Solden des NATO-E-3A-Verbandes in den (C) nen auf einen Schadensausgleich in angemessenem Um- genannten Auslandseinsätzen sowie ihrer Familienan- fang, wenn Versicherungsunternehmen unter Berufung gehörigen ist damit bereits sichergestellt. auf die Kriegsklausel in privaten Lebens- oder Unfallver- sicherungsverträgen die Auszahlung der vereinbarten Zu Frage 20: Versicherungsleistungen verweigern. Die Lage der wehrtechnischen Industrie und die Falls die Anwendung der Kriegsklausel nicht sachge- Neuausrichtung der Bundeswehr haben in den vergange- recht erscheint, würde der Bund gegen Abtretung der Ver- nen Jahren zu einer Intensität des Meinungsaustauschs sicherungsansprüche durch den Bezugsberechtigten mit und der Erörterung gemeinsamer Ziele geführt. Selbst- dem Schadensausgleich in Vorleistung treten und gege- verständlich sind in diesen Dialog auch aktuelle Entwick- benenfalls die Versicherungssumme bei der Versiche- lungen eingeflossen und in ihren Auswirkungen bewertet rungsgesellschaft einfordern. Die umfassende soziale Ab- worden.

(B) (D)

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