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SWR2 Zeitwort 12.11.1955: Die ersten Rekruten der Bundeswehr werden vereidigt

Von Marie-Luise Sulzer

Sendung: 12.11.2018 Redaktion: Elisabeth Brückner Produktion: SWR 2018

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Autorin: So begrüßte Bundeskanzler Adenauer die ersten Bundeswehrsoldaten. Ansonsten ging alles ohne große Zeremonie! Den Gründungsakt der Bundeswehr bestimmten Improvisation und Unvollständigkeit; militärisch Korrektes war ihm geradezu fremd. Die eingeladenen Journalisten dürften sich denn auch wie in einem falschen Film vorgekommen sein, als sie in der Ermekeilkaserne in eintrafen. Seit kurzem war sie Sitz des neu geschaffenen Bundesverteidigungsministeriums. Und dort in der leeren Kraftfahrzeughalle sollten die ersten hundert Soldaten in die Bundeswehr aufgenommen werden. Ein Ausschuss hatte zuvor ihr Verhalten in Hitlers überprüft und sie dann für höhere Aufgaben empfohlen. Deutschlands erste Nachkriegssoldaten waren natürlich in Hitlers Armee und für nicht wenige deshalb ein Problem. Nicht so für Adenauer, der auf eine für ihn typische Weise konterte, dass ihm die Nato 18-jährige Generäle wohl nicht abnehmen würde. Doch die Geschichte der Bundeswehrsoldaten begann mit einer Panne: Nur die Wehrwilligen in der ersten Reihe trugen Uniform. Die anderen übernahmen in zivil – aufgestellt in Fünfer-Reihen – vom Verteidigungsminister ihre Ernennungsurkunde. Ihre Uniformen, die nicht mehr an die Wehrmacht erinnern sollten, waren einfach nicht rechtzeitig fertig geworden. Im Sitzungssaal des Ministeriums wurden dann die Freiwilligen auf das Grundgesetz vereidigt. Nach 45 Minuten war alles vorbei: ein Fahneneid wurde – natürlich – nicht geleistet, aber auch die Nationalhymne wurde nicht gespielt. Selbst Konrad Adenauer, allem Militärischen eher unverdächtig, war das dann doch alles zu schlicht: Alle Mann in Uniform und am Ende das – das hätte er sich schon gewünscht, schrieb er wenig erfreut seinem Verteidigungsminister. Auch Heusinger sprach von einer „unterkühlten Zeremonie“ – und schlug gleich einen neuen, einen richtigen Gründungstermin vor. Vielleicht hatte der unkonventionelle Start ja auch etwas Ehrliches. Ein Jahrzehnt zuvor hatte die Wehrmacht Europa in Schutt und Asche gelegt; ein aufgerüstetes Deutschland konnte sich gleich nach 1945 kaum einer vorstellen. Doch jetzt plötzlich sollte eine Armee in einem demokratischen Staat aufgebaut werden. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen: Noch trauerten Tausende von Frauen um ihre gefallenen Männer, Söhne und Brüder. In der Paulskirche wurde das „Deutsche Manifest“ verabschiedet. Vor allem Sozialdemokraten und Gewerkschaften kritisierten die neue Weltanschauung, die sie so auf den Punkt brachten: „Viel verdienen; Soldaten, die das verteidigen und Kirchen, die beides segnen!“ Doch die Realpolitik konnte auf solche Bedenken keine Rücksicht nehmen. In Europa standen sich zwei feindliche Gesellschaftssysteme gegenüber. West-

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Deutschland musste also im Westen eingebunden werden. Auf eine Armee glaubte man da nicht verzichten zu können. Der Druck kam vom Westen. Kritik vor allem, weil Bonn seinen Verpflichtungen nicht nachkomme. Also musste Adenauer signalisieren, dass es mit der Bundeswehr vorangeht. Ein Ereignis musste inszeniert werden. Auch wenn das Ganze – wie General Heusinger kritisierte – zu einer „Schau-Nummer“ wurde.

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