<<

10 BZB Juni 09 Politik

BLZK Vor der Bundestagswahl

Gesundheitspolitik im Fokus der SPD und CSU

Der Ausgang der Bundestagswahl 2009 ist ent- zum Interview gebeten. Alle Vertreter beantwor- scheidend für die weitere Gestaltung des Gesund- ten die gleichen drei Fragen zu den Problemen, heitswesens in Deutschland. Damit sich die baye- ihren jeweiligen Lösungsansätzen und den Per- rischen Zahnärzte ein Bild über die gesundheits- spektiven im deutschen Gesundheitswesen. In politischen Grundsätze der Parteien machen diesem BZB äußern sich (SPD) können, hat die Bayerische Landeszahnärzte- und Dr. (CSU) zur Gesundheits- kammer Vertreter von CSU, SPD, FDP und Grünen politik ihrer Parteien.

Frage 1: Worin zu vereinbaren, wenn er extra Komfort sehen Sie die und Ästhetik will. Schwarz-gelbe Kon- Hauptprobleme zepte mit mehr Wahlfreiheiten, mehr des deutschen Eigenverantwortung, mehr Wettbewerb Gesundheits- bedeuten für die Patienten sehr viel wesens? mehr Geld für medizinische Dienstleis- Florian Pronold: Trotz hervorragender tungen auszugeben als heute und als Qualität der Medizin nehmen Sicher- jeder allein finanziell schultern kann. heitsgefühl und Vertrauen in das Ge-

sundheitswesen ab. Die SPD will mehr art Foto: Deutscher /Elisabeth Wiesner/foto Frage 3: Wie kann vor dem Hintergrund Solidarität und eine bedarfsgerechte Florian Pronold (SPD) der demografischen Entwicklung bei zu- medizinische Versorgung für alle statt nehmendem medizinischem Fortschritt Individualisierung und Privatisierung. Der Gesundheits- Rationierung aufgrund von Geldmangel künftig verhindert fonds kann nur eine Zwischenlösung zu einer solidarischen werden? Bürgerversicherung sein und wird nach der Wahl dahin - Florian Pronold: Im Zuge des demografischen Wandels gehend verändert. wäre es nicht ausreichend, alleine auf Beiträge der Ver- sicherten zu setzen. Die SPD will die Steuerfinanzierung Frage 2: Welche Konzepte und Lösungsansätze verfolgt stärken, weil sich damit auch diejenigen am Gesundheits- Ihre Partei? system beteiligen, die ihr Einkommen aus Kapitalerträgen Florian Pronold: Die Sicherstellung der Gesundheit aller erzielen. Um die Bevölkerung, besonders im ländlichen ist eine solidarische Aufgabe. Die SPD will die solidarische Raum, weiter versorgen zu können, muss die ambulante Bürgerversicherung: Alle Kranken- und Pflegeversicherten Versorgung in Bayern gestärkt werden. Konkrete Maßnah- sind in ihr versichert. Die medizinisch notwendigen Leis- men dazu sind: tungen werden nach dem Sachleistungsprinzip, also nicht · Nur die Einführung der solidarischen Bürgerversicherung nach Kostenerstattung, gewährt. Jeder Versicherte trägt ermöglicht eine realistische, dauerhafte und nachhaltige mit seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit dazu bei. Wer- Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, der den beide Versicherungssysteme (gesetzlich und privat) Gesundheitsfonds kann nur ein Zwischenschritt sein! miteinander verbunden, flössen Milliarden Euro vom pri- · Die SPD will ein Präventionsgesetz, bei dem Bund, Län- vaten ins gesetzliche System – bisher sind die privat Ver - der und Kommunen zusammenarbeiten. sicherten unzureichend beteiligt. Der Kassenbeitrag von · Die SPD will die regionale Strukturverantwortung stärken derzeit insgesamt 15,5 Prozent (14,9 Prozent) soll bald und die flächendeckende Allgemein- und Facharztver- wieder je zur Hälfte von Arbeitgebern und -nehmern ge- sorgung beibehalten. Die Qualität wird durch regionale zahlt werden. Keine Frage dabei ist, dass gewisse Freihei- Kooperation und Koordination zwischen den Akteuren ten, die insbesondere Zahnärzte betreffen, bestehen blei- im Gesundheitswesen sichergestellt und weiterentwickelt, ben. Es bleiben Möglichkeiten, mit dem Patienten etwas die Krankenhäuser bleiben verlässlich finanziert. Politik BZB Juni 09 11

BLZK

Frage 1: · Folge der Dokumentationspflichten Worin se- einer ausufernden Richtlinienmedizin hen Sie die ist nicht mehr akzeptabel. Hauptpro- · Regionalität statt Zentralismus: Zu ei- bleme des deutschen Gesundheits- nem regionalen Gesundheitswesen wesens? gehören vor allem die wohnortnahe Dr. Peter Ramsauer: Qualität und Um- Versorgung durch niedergelassene fang der Gesundheitsversorgung in Ärzte und Zahnärzte, Apotheker und Deutschland sind weltweit führend. Dies andere Leistungserbringer, leistungs-

beruht vor allem auf der hohen Quali- Foto: Laurence Chaperon starke Krankenhäuser und regionale fikation und Leistungsbereitschaft der Dr. Peter Ramsauer (CSU) Krankenkassen. Bei den Leistungs ver- in der gesundheitlichen Versorgung gütungen müssen vor allem auch die Beschäftigten. Trotz dieser positiven Rahmenbedingun- regionalen Versorgungs- und Kosten strukturen berück- gen ist das deutsche Gesundheitssystem in Gefahr! Per - sichtigt werden. manente staatliche Eingriffe haben in über 25 Jahren zu · Entideologisierung der Krankenversicherung: Die Finan- Budgetierung und einem Übermaß an Reglementierung zierung der Krankenversicherung muss entideologisiert geführt. Auch wenn jede einzelne Maßnahme für sich be- werden. Die Diskussionen der Vergangenheit um „Bür- gründet gewesen sein mag, so zwingt die Summe der Ein- gerversicherung“ und „Kopfpauschale“ haben uns griffe heute zu einer grundlegenden Neuorientierung. nicht vorangebracht. Dies beweist die aktuelle Diskus- Der von Bundesgesundheitsministerin Ulla einge- sion um die Honorarreform. schlagene Weg führt in eine zentralistisch gesteuerte Staats- · Nicht zuletzt steht die CSU für den Erhalt der priva- medizin mit Einheitsstrukturen. Dieser Weg verunsichert ten Krankenversicherung als Bestandteil eines freiheit - die Patienten, aber auch die Leistungserbringer – betroffen lichen Gesundheitswesens. Zwangssysteme haben auf ist vor allem auch die Ärzteschaft. Die bisher getroffenen Dauer immer Qualitätseinbußen zur Folge. Die CSU Regelungen sind intransparent und büro kratisch, sie be- wird entschieden dafür eintreten, dass bei der künf- nachteiligen gerade die bayerischen Patienten und Ärzte. tig zu entwickelnden Gebührenordnung im privat - ärztlichen Bereich Leistungen angemessen honoriert Frage 2: Welche Konzepte und Lösungsansätze verfolgt werden. Ihre Partei? Dr. Peter Ramsauer: An die Stelle von zunehmendem Zen- Frage 3: Wie kann vor dem Hintergrund der demografi- tralismus muss ein bürgerlich-föderales Gesundheitsmodell schen Entwicklung bei zunehmendem medizinischem Fort- treten. Oberstes Ziel ist es, die medizinisch erforderliche Ver- schritt Rationierung aufgrund von Geldmangel verhindert sorgung, einschließlich Spitzenmedizin, für jeden Patienten werden? in Deutschland zu gewährleisten, und zwar unabhängig von Dr. Peter Ramsauer: Erklärtes Ziel der CSU bleibt die Einkommen, Alter und Herkunft. Grundlage sind die Regeln Teilhabe aller Versicherten am medizinischen Fortschritt. einer sozialen Medizinwirtschaft und nicht der zentralistische Dies alles kostet viel Geld. Auf Dauer werden die steigen- Ansatz einer Planwirtschaft. Das bürgerlich-föderale Ge- den Gesundheitskosten nicht ganz überwiegend von sundheitsmodell fordert mehr freiheitliche Spielräume ein: den Beitragszahlern, also Arbeitnehmern und Arbeit- · Therapie statt Bürokratie: Im Mittelpunkt der medizini- gebern, geschultert werden können. Zur Ehrlichkeit ge- schen Versorgung steht der Patient und sein Recht auf freie hört deshalb die Feststellung, dass wir alle uns – trotz Arztwahl. Im Krankheitsfalle muss er die Möglichkeit ha- politisch gebotener Einsparbemühungen – auf weiter ben, sich vom Arzt seines Vertrauens behandeln zu lassen. ansteigende Gesundheitsaufwendungen einstellen müs- Im Gegenzug braucht der Arzt die Möglichkeit, dem Pa- sen. Die Alternative wäre eine deutliche Einschränkung tienten die medizinisch erforderliche Therapie verordnen von Gesundheitsleistungen. Dies jedoch findet zu Recht zu können. Der angewachsene Bürokratieaufwand als keine gesellschaftliche Akzeptanz.

In der nächsten Ausgabe des Bayerischen Zahnärzteblatts äußern sich Vertreter der FDP und der Grünen zur jeweiligen Gesundheitspolitik ihrer Parteien.