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Au§ensicht Übersicht Voraussicht

Playboy-Girls und Horror-Faber: Othello streckt die Zunge raus: Die Polleschs Erben: Wie sieht das Thea- Europäische Theatermacher rechnen zehn bemerkenswertesten Bilder aus ter im Jahr 2047 aus? Elf Theater- mit dem deutschen Theater ab. zwei Festivalwochen. promis blicken in die Zukunft. Seiten 4/5 Seite 6 Seite 7

tt festivalzeitung! das blatt zum theatertreffen ausgabe sieben 23. mai 2005

Eine Kooperation der Berliner Festspiele, der Berliner Zeitung und der Universität der Künste Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und unterstützt durch die Allianz Kulturstiftung

Das Theater geht weiter

PIERO CHIUSSI tt festivalzeitung! Eine vollständige Zeitungsredaktion in den Räumen einer als Team, eine Institution Ð die Berliner Festspiele Ð als He- seite 2 ausgabe sieben Universität einzurichten, mit Layout-Platz, Server und rausgeber, eine Universität als Gastgeber und eine routiniert Computern, ist an sich schon aufregend. Nimmt man dazu arbeitende Tageszeitung als Betreuerin. Zu viele Interessen editorial noch neunzehn Journalisten aus allen Himmelsrichtungen, prallen hier aufeinander Ð dachten manche. die sofort nach ihrer Ankunft das erste Blatt machen müs- Doch es hat funktioniert, das zeigen auch die vielen positi- sen, ist das Abenteuer komplett. ven Reaktionen Ð weil uns alle das Ziel einte, gemeinsam Sieben Mal haben wir es gewagt und gepackt. Sieben Mal eine Festivalzeitung zu machen, die es so noch nie gab. Die Zeitungmachen bis in die Nacht Ð manchmal begleitet von Chance und das Risiko, jeden Tag eine Ausgabe zu impro- einem Fernsehteam, manchmal gespickt mit Schreckminu- visieren, haben alle beflügelt und in Spannung gehalten. ten, weil plötzlich der Computer abstürzte, Bilder oder Tex- Als Projektleiter und journalistische Betreuer möchten wir te sich nicht wiederfanden. Um die Texte und Fotomotive keinen Tag missen, keinen gemeinsamen Theaterbesuch, wurde so lange und intensiv gerungen wie in keiner ande- keine Diskussion in der Runde, keinen abendlichen ãAb- ren Zeitungsredaktion – mitunter nächtelang Ð, viele Ideen sacker“ bei Bier oder Wein. Wir wünschen jedem so ge- noch in letzter Minute umgesetzt. Es war eine Werkstatt und nannten alten Profi, der stets der Gefahr ausgesetzt ist, ir- zugleich jedes Mal wirklicher Ernst. Am Ende wartete die gendwann im ãDas-ham-wa-schon-immer-so-gemacht“ zu Druckerei, um 200 000 Exemplare über die Rolle zu schi- verharren, solch eine Verjüngungskur. Es war anstrengend, cken. und es hat Spa§ gemacht. Mancher hatte gezweifelt, ob eine solche Konstellation Uwe Gössel, Projektleiter (im Foto rechts) überhaupt funktionieren kann: junge, kritische Journalisten Torsten Harmsen, Redaktionsleiter BARBARA BRAUN

Die Schlacht findet jeden Abend statt

Der Osten und die Provinz waren die gro§en Leerstellen des Theatertreffens. Was existiert jenseits des Metropolentheaters? Schlaglichter auf den Theateralltag in Deutsch- land von Andreas Jüttner, Dirk Plamböck, Christian Rakow und Robert Schröpfer

Die Wackeren Der Hingucker Die Badische Landesbühne Bruchsal spielt beim Theater- Was unterscheidet Leipzig von Hannover? Was ist das treffen keine Rolle. Trotzdem war sie in Berlin vertreten Ð Spezifische an Theaterarbeit im Osten? ãEs gibt die beim Internationalen Forum junger Bühnenangehöriger, Gefahr einer Opfermentalität, die in alle Lebensbereiche in Person des Schauspielers Wolf E. Rahlfs. Wo er Thea- abstrahlt und auch die Erwartungen als Theaterrezipient ter macht, wird an Aufführungsabenden das Bürgerzent- prägt“, beobachtet Heike Müller-Merten, ab kommender rum in ãStadttheater“ umbenannt. Gastspiele führen nach Spielzeit Chefdramaturgin in Leipzig und zuvor in glei- Bensheim, Biberach oder Burghausen. Das Theater soll cher Funktion in . ãAus einem verunsichernden eine Identität herstellen, sagt Rahlfs, soll ãTheaterbegeis- Alltag entsteht die Erwartung, im Theater bestätigt zu terten in kleinen Orten ein eigenes Ensemble mit eigener werden.“ Für die Arbeit bedeutet das: ãDas Theater muss Ästhetik nahe bringen“. Bei dieser Ästhetik muss das die Leute dort abholen, wo sie sind, ohne den Kotau vor Reiseensemble vor allem praktische Fragen beachten: einer vermeintlichen Zuschauererwartung zu machen.“ Was passt an Inhalt und Ausstattung auf die kleinsten Leipzig ist vom Nimbus der 89er Heldenstadt Saalbühnen? Der Vergleich mit dem Theatertreffen liegt beherrscht und will eine erste Rolle unter den deutschen da nicht unbedingt nahe. Trotzdem blickt Rahlfs mit Inte- Städten spielen. Erst wurde die Olympiabewerbung, nun resse auf die Inszenierungen in Berlin: ãWirklich umge- die Fußball-WM 2006 zum identitätsstiftenden Ereignis. rissen haben mich die Münchner Nibelungen. In dieser „An diese Mentalität heranzukommen, sie zu kreuzen, Epik, theatralen Vielfalt und Verspieltheit könnten wir so auch die Klingen zu kreuzen“ ist der Ansatz von Müller- etwas nicht machen.“ Dass derartiges Gro§theater aber Merten. So stehen Elfriede Jelineks „Sportstück“, insze- anspornend sein kann, hat Bruchsal bereits bewiesen. Mit niert vom ãDresdner Weber“-Regisseur Volker Lösch, und dem Sechs-Stunden-Marathon ãMerlin“ von Tankred Marc Beckers ãWir im Finale“ auf dem Spielplan. Am Dorst wurden die heimischen Arbeitsmöglichkeiten aus- Theatertreffen teilzunehmen sei nicht das Ziel der Thea- gelotet. terarbeit, auch wenn es eine Rolle spiele, in der Fachwelt Provinz kommt nicht ohne Qualitätsanspruch aus. So wahrgenommen zu werden. Das Theatertreffen gebe sieht es auch Kay Metzger, fünfeinhalb Jahre Intendant Anlass für eine Bestandsaufnahme, Kritik und Selbstkri- des Nordharzer Städtebundtheaters Halberstadt/Quedlin- tik. Dass der Osten dort nicht vorkommt, ist Thema am burg und seit April in Detmold. Es sei richtig, dass sich in Haus. Auch sie wünscht sich, ãdass genauer und zeitiger kleinen Städten auch Leute mit dem Theater identifizie- hingeguckt wird.“ Doch „die Schlachten werden in der ren, obwohl sie es gar nicht selbst besuchen, dass man Region geschlagen, jeden Abend.“ vom Taxifahrer hören kann: ãWenn ihr das Theater zumacht, ist hier gar nichts mehr los, dann ist die Region Im Sog der Metropole tot.“ ãImmer mehr Zuschauer wissen, dass Potsdam nicht pro- Aber ãLeute identifizieren sich auch mit Anerken- vinzieller als Berlin sein muss“, meint Uwe Eric Laufen- nung, die von au§en kommt“, sagt Metzger und verweist berg, neuer Intendant des Hans Otto Theaters. Das Thea- auf die starke Resonanz, die eine glänzende Besprechung tertreffen, das seine Schwester Iris Laufenberg leitet, seines ãFliegenden Holländers“ in der „Opernwelt“ in besitze für ihn trotzdem keine Bedeutung. Wäre es nicht Halberstadt ausgelöst hat. Neben Publikumshighlights ein Ziel, dort mitspielen zu dürfen? ãWenn ich mir die wie ãKiss Me Kate“ hat Halberstadt deshalb auch zeitge- diesjährige Auswahl betrachte: nein“, formuliert Laufen- nössische Stücke und Inszenierungen auf dem Spielplan. berg selbstbewusst. Auf seinem Spielplan stehen klassi- Denn Leute werden zu ãLobbyisten, die sich für das The- sche Moderne, Zeitgenossen und Boulevard. Auch Star- ater einsetzen“, wenn sie dort Anspruch und ästhetische Importe aus Berlin sind zu sehen wie Katja Riemann oder Profilierung entdecken. ãWer nur auf die nackten Zahlen Katharina Thalbach. Einen Aufmerksamkeitsschub wird schaut, verliert.“ die Eröffnung des 27 Millionen Euro teuren Theaterneu- baus im Herbst 2006 bringen. Lieber Philipp-Maria, post tt festivalzeitung! du, also Semmelknödel… Ach, da wird es mir warm ums Herz. München plus Knödel ausgabe sieben seite 3 plus Fleisch ist gleich ein schöner Abend. Ein schöner Abend wie ich ihn schon lange nicht mehr hatte, denn die Hauptstadt macht zwar viele Versprechungen in die Fremde, denkt aber gar nicht daran, sie einzulösen, wenn sie den Fremden erst einmal erfolg- reich verschluckt hat. Sprich: Ich hasse jede einzelne Minibarauffüllerin und will heim. Auch wegen der Wäsche. Gestern war ich in einem Waschsalon, und meines Erachtens habe ich in Berlin niemandem ernsthaft Böses zugefügt, trotzdem brüllte ein 80-Jähriger Waschsalonbesucher auf mich ein, ich solle dieses ãautistische Buchge- lese“ sein lassen. „Normale Menschen lesen Zeitung“, sprach’s, packte seine Bild-Zei- tung zusammen und ging. In der Tür drehte er sich um: „Ich bin Psychologe.“ Okay, aber was ist mit den Menschen, die die Zeitungen für all die normalen Menschen voll schreiben? Die lesen im Angesicht der Nacht an die Tür gekritzelte Wortauswürfe: ãErdbeeren bluten Rosen in Moll, ich durchkämme gesalzene Dachstühle.“ Kultur, lie- ber Philipp-Maria, ist das Gegenteil von Leben. Nur dass wir uns nicht falsch verste- hen: Ich habe nichts gegen Theater Ð aber mindestens ein Drittel meines Lebens wollte ich mit sinnvollen Dingen verbringen: mit Schweineschlachten, mit und mit Schlingensief-Schauen. Denn was der macht, ist für mich kein Theater mehr. Stell das Wei§wurstwasser auf, ich reise ab. Barbara

ungleiche innerstädtische Konkurrenzsitu- Jukebox ation zurück: ãDer Spielplan der hoch sub- ventionierten Staatsbühnen schwenkt Wie sieht es aus, das neue Theater? Andrea Breth, zunehmend in den Komödienbereich. deren „Don Carlos“ leider nicht beim Theatertreffen Dadurch ist unsere Nische gefährdet.“ zu sehen war, fasst zusammen: ãTextbruchstücke, angereichert mit eigenen Tagebuchnotizen, ein wenig In der Warteschleife Polemik, ein bisschen von der Lieblings-CD“. Hier die Lieblings-Bisschen vom Theatertreffen 2005: Noch vor ein paar Jahren war die Entschei- dung Off-Theater zu spielen eine gegen die Eminem: ãLose Yourself“ („Othello“, Stefan etablierten Bühne. Heute begreift sich die Pucher). Der wei§e Schwarze aus der Gosse von Det- Off-Szene in weiten Teilen als ein Sprung- roit taugt bestens, wenn der wei§e Schwarze (Alexan- brett hin zu den großen Fördertöpfen. Nico der Scheer) aus Berlin seinen Affenfelsen erobert. and the Navigators, Artists in Residence der Sophiensaele Berlin, waren mit ãEggs Rammstein: „Mutter“ („Nibelungen“, Andreas on Earth“ im Gespräch für das Theatertref- Kriegenburg). Brachial und kernig deutsch. Es tanzt fen. Die Gruppe produziert eine Arbeit pro Urmutter Ute (Hildegard Schmahl). Miriam Makeba: ãPata, Pata“ (ãHotel Paraiso“, Barbara Bürk). Läuft zum Einlass in der Endlos- schleife. Anschlie§end gibt es viele grelle Farben, Es gibt noch Hoffnung: aber wenige Popsongs. Stattdessen trifft eine Folklo- Richtfest für den Neubau des Potsdamer retruppe ein. Hans Otto Theaters, 2004 Bert Wrede: Originalmusik („Lulu“, Michael Thal- heimer). Knallharte E-Gitarren schmei§en jeden neuen Akt an. Dazu sehen wir Lulu (Fritzi Haber- landt) in wechselnden Kostümen, zum Schluss regen- Jahr, die zwei Wochen lang am Haus bleibt durchnässt, in schwarz, ganz auf den Hund gekom- men - bitterste Grunge-Ästhetik. und dann auf Festivals und in Stadttheatern tourt. 70 Prozent des Budgets stammen Tom Waits: ãMake It Rain“ (ãVirginia Woolf“, Jür- mittlerweile aus internationalen Kooperati- gen Gosch). Wenig Pop, viel blanke Nerven. Aber onen. Eine Einladung zum Theatertreffen wenn es zwischen Nick (Alexander Khuon) und Mar- brauche die Gruppe, laut Regisseurin tha (Corinna Harfouch) lauschig wird, taugt der Nicola Hümpel, für ihre Erfolgsgeschichte Grummler Waits bestens. nicht. Neben den größeren Fördermitteln, die fließen, ãwenn man auf dieser Ebene Melanie: ãRuby Tuesday“ („Elementarteilchen“, spielt“, sei ein Auftritt aber ãeine gute Johan Simons). Geklonte Hippies Ð geklonte Songs: Möglichkeit, neue Zuschauerschichten Die Woodstock-Ikone mit dem Jagger/Richards-Klas- siker. BARBARA BRAUN anzusprechen und zu beweisen, dass wir nicht ausschließlich eine Szene-Gruppe für Band Aid: ãWe Are The World“ (ãKunst und ein junges Publikums sind.“ Gemüse“, Christoph Schlingensief). Wenn die Twin Towers wanken und die Volksbühne rotiert, dann sin- Die Avantgarde Die Abgeschafften gen Christiane Tsuereas, Reami Rosignoli und Kerstin ãAvantgarde sein“ bedeutet für den Intendanten des Thea- Theaterabende sind ein flüchtiges Vergnügen. Schauspiel- Witt von der Harmonie in der Welt oder mindestens in ters am Kurfürstendamm Martin Wölffer privat zu wirt- ensembles können es auch sein. In an der Oder der Schlingensief-Familie. schaften und Kosten zu decken. Doch diese Form der gibt statt eines festen Ensembles einen 36 Millionen Euro Avantgarde werde von der Theatertreffen-Jury ãnicht ein- teueren Theaterneubau. Seit 2001 finden hier Einmietun- The Beatles: ãYour Mother Should Know“ (ãHomo mal angeguckt“. „Diese Jury um die Leute von Theater gen, Kongresse und Tagungen statt. Der Etat ist mit rund Faber“, Stefan Pucher). Entlässt in die Pause. Auch sonst kommen Beatles-Fans mit ãFor No One“ und Heute schmort seit Jahren in ihrem eigenen Saft.“ Dabei drei Millionen Euro halb so hoch wie beim Ensemblethea- „Because“ auf ihre Kosten. Den Nachschlag kann wäre es in seinen Augen durchaus denkbar, dass auch Stü- ter. ãFarben und Richtungen“ will der künstlerische Leiter man aktuell in der Prata-Saga 4 abholen. Dort lässt cke, „die den Geschmack des breiten Publikums“ treffen, Arnold Bischinger trotzdem ãerkennen lassen“, auch wenn Pucher das komplette „Let It Be“-Album nachspielen. das Festival bereichern. Als eine Spielstätte stand das The- das bei Gastspielen ãnur in begrenztem Maße möglich (cr.) ater am Kurfürstendamm mit seiner umfangreichen Büh- ist“. Statt des Schauspiels seien nun alle Sparten im Haus nentechnik bereits mehrfach in der Diskussion. Hier spie- vertreten. Phantomschmerz spüre das Frankfurter Publi- len die Stars aus Film und Fernsehen in amüsanten kum nicht: 85 Prozent beträgt die Auslastung. Wo einst Geschichten. Doch seit dem Mauerfall ist das Theater am Regisseure wie Frank Castorf, Leander Hau§mann, And- Kurfürstendamm ein defizitärer Betrieb. Eine ausgegli- reas Kriegenburg und Armin Petras ihren Einstand gaben, chene Bilanz garantieren nur weitere Standbeine wie die regieren jetzt Koproduktionen, Gastspiele und Festivals. Komödie Winterhuder Fährhaus in und der Ver- Für den Umbau der Theaterlandschaft Deutschland kauf von Produktionen. Wölffer führt die Krise auf die scheint das ein zukunftsbildendes Modell zu sein. tt festivalzeitung! Der Hotelzimmerschlüssel___ Er ist der treuloseste Geselle, den tion. Der Schlüssel für den Zugang ist der Moment, ab dem man seite 4 ausgabe sieben man sich vorstellen kann. Heute morgen noch bei mir, heute Nach- sich im Stück heimisch fühlt. In welcher Szene er zum Einsatz requisit des tages mittag schon bei dir. Er schafft es, jedem aufs Neue eine Heimat zu kommt und welche Tür er öffnet, hängt vom Zuschauer ab. versprechen. Nun hat er sich mir entzogen. Aber Typen wie er blei- Und wie das Hotel bietet auch das Theater nur Heimat auf Zeit. ben nicht lang allein. Schlie§lich dient er jedem ohne Widerstand. Sogar noch radikaler: Nach der letzten Aufführung wird das „Zim- Anpassungsfähig wie er ist, wird er natürlich nie Hauptdarsteller mer“ komplett abgebaut. Wenn dann sämtliche Bühnenbildteile eines Dramas. Höchstens mal ein Statistenauftritt ist drin, wie in verstaut, alle Gäste abgereist und die Wimpel vom Haus der Fest- ãHotel Paraiso“. Da wird er ein bisschen herumgeschwenkt. Aber spiele verschwunden sind, bleiben vom Theatertreffen nur Erinne- gespräch dann spielt das Stück doch nur im Frühstücksraum. rungen. Und abgegebene Zimmerschlüssel. Andreas Jüttner Dabei sind Bühnen wie Hotelzimmer: leere Räume, die immer neu gefüllt und bespielt werden. Und nach jeder Aufführung geht der tt festivalzeitung! Zimmerservice durch und bringt alles wieder in die Anfangsposi- ausgabe sieben seite 5 PIERO CHIUSSI

Juha: Ich habe den Eindruck, in Deutschland ist eine Auf- führung ohne Geschichte, ohne Entwicklung, ohne Identi- fikation und ohne Gefühle wertvoller als eine mit. Laur: Ja, das ist alles Post-post-post-post. Ihr seid anscheinend anderes gewohnt. Juha: Das finnische Theater ist viel emotionaler als das deutsche. Auch diese Frauenbilder, diese Playboy-Girls, ãDas deutsche kann man in Finnland nicht machen ohne großen Ärger. Snezhina: In Bulgarien flirten die Schauspieler immer mit dem Publikum. Das ist dort das Ziel des Theaters, dem Pu- blikum Spa§ zu machen. In Deutschland macht das das Theater nicht; es skandalisiert. Ich wei§ nicht, ob das gut Theater ist ein Witz“ oder schlecht ist. Wie sieht denn die Theaterszene bei euch zu Hause aus? Laur: In Estland gibt es neun Theater, davon zwei private. Keine Geschichten, keine Gefühle – fünf Teilnehmer des Internationalen Forums Das Finanzierungssystem wurde gerade geändert. Früher fällen ein hartes Urteil über die eingeladenen Inszenierungen und erzählen vom bekamen die Theater ihr Geld abhängig von der Besucher- Theater in ihrer Heimat zahl. Da gab es dann vor allem Musicals oder Pyjamapar- tys für Jugendliche. Jetzt richtet sich der Etat nach dem fi- nanziellen Bedarf für die Produktion. Im Groben herrscht etwas vor, was man psychologischen Realismus nennen würde. Unter jüngeren Theaterleuten in Estland spüre ich Ihr habt jetzt ganz viel ãbemerkenswertes“ deutsches Ildikó Gáspár: Vorstellungen wie ãVirginia Woolf“ sind in keine grundsätzlichen Proteste dagegen. Häufig ist es aber Theater gesehen. Zufrieden? Ungarn ganz üblich. Aber Thalheimers „Lulu“ würde nicht einfach langweilig gemacht. Juha Jokela: Na ja, in Finnland bewundern wir eigentlich funktionieren. Die Zuschauer würden gehen. Obwohl es Snezhina: In Bulgarien wurden vor zwei Monaten das Kul- die deutsche Regiekunst. Aber das deutsche Theater ist ein mir gut gefällt. tur- und das Tourismusministerium zusammengelegt. Aber

Witz: sehr formal, unemotional, ohne Handlung, trocken, Thorleifur: Ich frage mich bei Thalheimer: Warum macht die Künstler haben nicht protestiert. Wir warten auf die CHIUSSI (3) PIERO langweilig, überintellektuell. Ich war überrascht, wie voll- er das Stück? Seine Inszenierung hat überhaupt nichts mit nächsten Wahlen. Meine Generation ist sowieso die letzte, Fünf Forums-Teilnehmer diskutieren die tt Auswahl, ständig dieses Klischee erfüllt wird. Es gibt hier eine gro- unserer Gesellschaft zu tun. von links nach rechts: Ildikó Gáspár, Juha Jokela, §e Angst vor Gefühlen, davor, dass es kitschig und unintel- Laur Kaunissaare: Wenn ich das inszenieren würde, wür- Thorleifur Örn Arnarsson, Snezhina Petrova und lektuell wird, wenn man sie zeigt. Aber ich kann oft besser de ich das Mädchen 13, 14 Jahre alt machen. Mich würden Beim Internationalen Forum junger Bühnenangehöriger Laur Kaunissaare (links). nachdenken, wenn ich berührt bin. die Konflikte interessieren, die dadurch entstehen. Dass finden sich im Rahmen des tt junge Theaterleute zusammen, Snezhina Petrova meint: ãDeutsches Theater ist zu Selbst ãVirginia Woolf“ hat euch nicht bewegt? ich als männlicher Zuschauer dieses Mädchen als begeh- um Aufführungen zu sehen, an Workshops teilzunehmen, konzeptionell Ð und die Konzepte versteht man sehr Thorleifur Örn Arnarsson: ãVirginia Woolf“ war so eine renswert empfinde, und dann sehe ich all die anderen, die mit Gästen zu diskutieren und sich auszutauschen. schnell“ (oben). In diesem Jahr waren 54 Teilnehmer aus 19 Ländern dabei. Gefühlssuppe. Schrecklich. Super-Schauspieler, Super- hinter ihr her sind, Pädophile, und ich kann mich fragen: Stück, und Gosch hat es doch kaputt gemacht. Keine Ent- Worin unterscheide ich mich von denen? Vasco Boenisch, Dirk Plamböck, Jenny Schmetz und Theater ist das letzte freie Mittel, und deshalb muss es an die wicklung. Wenn ãVirginia Woolf“ mit 150 Prozent Schrei- Thorleifur: Was man bei „Lulu“ heute benutzen kann, ist, Willibald Spatz sprachen mit: Front des ideologischen Kampfes. Oft wird nur über neue en und Energie anfängt – was wird in den zwei Stunden dass Frauen aus Osteuropa und Südostasien verkauft wer- Formen gesprochen. Das meine ich nicht. Inhalte! mit den Figuren passieren? Überhaupt nichts. Ich habe den. Stattdessen sehen wir immer dieses Schlampenimage, Thorleifur Örn Arnarsson (26), freier Autor und Regisseur Welche denn? Was für gesellschaftliche Gefahren? beim Theatertreffen noch keine Geschichten und noch kei- einen sexuellen Traum 50-jähriger Männer. Unglaublich! aus Reykjavik (Island) Thorleifur: Habt ihr fünf, sechs Stunden Zeit? Die ideologi- ne Entwicklung gesehen. In jedem Stück. Auch in diesem Horror-Faber. Ildikó Gáspár (29), Dramaturgin, Budapest (Ungarn) sche Diskussion ist nicht frei. Kapitalismus. Westliche Rich- Juha: Ja, immer dieses Stereotyp Hure oder Madonna. Wir Juha Jokela (35), freier Autor und Regisseur, Helsinki (Finnland) tigkeit... Warum sind Palästinenser automatisch Terroristen? Laur Kaunissaare (23), freier Regisseur, Tartu (Estland) hatten ein Playboy-Girl und Krankenschwestern bei ãHo- Snezhina Petrova (35), freie Schauspielerin, Sofia (Bulgarien) Ich meine nicht, dass das Theater die Leute auffordern soll, mo Faber“, und Puchers Desdemona war ein Pornostar. mit Waffen rauszurennen und Revolution zu machen. Mir Thorleifur: Pucher ist der Schlimmste. Es geht nur um ihn. geht es um eine nachhaltige ideologische Diskussion, und da Ich will so ein Theater nicht sehen. Wenn ich Stefan Pu- die sich noch fürs Theater interessiert und engagiert. Es kann Theater sehr, sehr wichtig sein. cher kennen lernen will, dann rufe ich ihn an. gibt kaum noch Geld für die wenigen freien Gruppen. Wir Juha: Ich möchte auf die großen Bühnen. Theater würde Snezhina Petrova: Ich bin nicht so extrem enttäuscht. „Ho- Theatermacher sind ständig im Konflikt und können nicht vielleicht wichtiger in Finnland, wenn man diesen Musical- mo Faber“ hat mir gefallen. Da hatte ich Raum für meine miteinander arbeiten. Es gibt zum Beispiel fünf sehr talen- Farce-Roman-Adaptionen-Kreis zerbrechen könnte. Für eigene Aufführung. Das war mein Rhythmus, eine gute tierte, junge Regisseure, aber die könnten niemals etwas mich sind politische Themen wichtig, aber nicht das einzige. Meditation. Mich würde dennoch interessieren, ob die zusammen machen. Es gibt auch immer noch große persönliche Erfahrungen, Produktionen, die wir hier sehen, wirklich die Situation Thorleifur: In Island geht, statistisch gesehen, jeder Schmerzen, Wunden, die wir mitteilen müssen. des deutschen Theaters zeigen oder ob sie eine politische Mensch 2,3 mal im Jahr ins Theater. Wir sind 290 000 Snezhina: Ich glaube, Theater könnte eine heutige Kirche Entscheidung sind. Ich hoffe, dass es Politik ist. Menschen, das macht 650 000 Besuche pro Jahr. Unglaub- sein. Wir haben unser Religionsgefühl total verloren, aber im Thorleifur: Ja, dass Pucher mit jemandem in der Jury ge- lich viel. Aber in den letzten Jahren hat sich was verändert. Theater kann man in einen Dialog mit seiner Spiritualität tre- schlafen hat! Es gab viele billige Produktionen, die nur auf Kasse aus ten. Wenn das passiert, könnte das etwas verändern. Viel- Snzehina: Ja, ich bin sicher, so schlecht kann das deutsche waren, gerade auch in der freien Szene. Jetzt wollen viele leicht bin ich ein bisschen utopistisch. Theater nicht sein. avantgardistisch sein. Man hört sehr oft, dass wir das bes- Laur: Ich finde politisches Theater sehr wichtig. Zum Bei- te Theater der Welt machen. Aber wir haben nicht die Mit- spiel, den Konflikt von Reichen und Armen bewusst zu ma- tel und Ausbildungsmöglichkeiten, um wirklich Avantgar- chen. Nicht intellektuell bewusst, sondern durch den Unter- Laur Kaunissaare: ãAlles ist Post-post-post-post.“ de zu machen. leib. Juha: In Finnland ist das anders. Wir haben Theaterhoch- Na, dann los! Habt ihr hier Anregungen dafür bekom- schulen in Helsinki und Tampere, auch für Regisseure und men? Thorleifur: Ich kenne das deutsche Theater zu gut, um zu Dramaturgen. Und neben den 60 staatlichen Theatern gibt Thorleifur: Jeder hier beim Forum ist nicht sehr glücklich denken, das ist es jetzt. Ich glaube, die Jury wollte das es auch ungefähr 15 Off-Theater in Helsinki. mit dem Theater und möchte etwas neu machen. Was das ge- schlechte Theater ausstellen. Das ist ein interessantes Ex- Ildikó: Bei uns in Ungarn ist es ähnlich wie in Deutschland nau ist, ist bei jedem unterschiedlich. Aber wichtig ist, dass periment. Es sagt mir, dass das Theater ohne Geschichten mit Stadttheatern und einer kleinen freien Szene in Buda- man wei§, es gibt noch 50 andere, die etwas machen wollen kein Theater ist. pest. Aber die ästhetische Konvention ist der psychologi- Ð und man hat deren Telefonnummern. Euch fehlen also die Geschichten. sche Realismus. Es gibt zwar auch andere Versuche, doch Juha: Wir sind international. Theater ist politisch. Und The- Thorleifur: Wenn ich an das Theater von Castorf oder Mart- bei den Zuschauern kommt das nicht an. ater ist eine Kirche. haler denke Ð das ist verrückt und hat manchmal auch kei- Was wollt ihr denn anders machen? Thorleifur: Eine politische Kirche. Wenn Gott tot ist, dann ne Handlung oder Entwicklung, aber es ist in seinen besten Thorleifur: Politisches Theater! Ein Theater, das von der haben wir keinen Gott, der sagt, wie seine Kirche sein soll. Momenten Magie. unglaublichen Gefährlichkeit unserer Gesellschaft spricht. Wir können eine politische Kirche machen. (lacht) tt festivalzeitung! seite 6 ausgabe sieben fotos Bühnenbilder

Das Theater geht, die Bilder bleiben: 14 Tage lang begleiteten die Festivalzeitungsfotografen Barbara Braun und Piero Chiussi das Theatertreffen. Eine Foto-Bilanz

BARBARA BRAUN (5)

14 000 Bilder in 14 Tagen, immer mittendrin, vor, auf, Näher ran kam niemand: an George Tabori (oben rechts), hinter der Bühne – unsere tt Festivalfotografen waren an Jan Plewka (Mitte), an Alexander Scheer als Othello dort, wo sonst keiner hinkommt: in den Hinterzimmern und Jana Schulz als Desdemona (Mitte oben). Immer auf von ãHotel Paraiso“ (unten rechts). Und dort, wo alle hin- der Suche nach Momenten, Menschen, Miniaturen. Stim- wollen: auf den gro§en Premierenfeiern (ãKunst und mungen im Querformat. Lachen hochkant. Applaus, den Gemüse“ im Grünen Salon, unten links). man nicht hört, aber sieht.

PIERO CHIUSSI (5) tt festivalzeitung! ausgabe sieben seite 7 zukunft

2047

1964 fand das erste Berliner Theatertreffen statt. Zum Ende des 42. Festivals blicken wir in die Zukunft. Wie wird das Theater in 42 Jahren aussehen? Elf Visionen

das theater des jahres 2047 wird ein zwergenhafter 1. Gedanke: Ich bin dann 80 Jahre alt. gemeinsamer nenner sein / ein naturalistischer alp- 2. Gedanke: Meine Kinder sind dann 44 und 46. traum die schreckliche herrschaft der / lagerfeuerer- Auch nicht mehr jung. Hoffentlich gibt es Enkel. zähler die resterampe unverlangt eingesandter dreh- Das Theater in 42 Jahren? Immer noch total veraltet bücher das / richtfest nur für handwerker / im Sinne von: viel zu teuer, viel zu langsam. in hundert jahren aber ist die welt endlich arbeitslos (Gemeint ist die Zeit, die man braucht, um es zu und ausgeschlafen / tausend bühnen blühen in einem machen). Das macht es so menschlich, denn Men- schönen violett schen sind langsam und werden es bleiben. Deshalb Oliver Schmaering, Autor, Preisträger Stückemarkt wird auch das Theater bleiben. Wie es aussehen (ãSeefahrerstück“) wird? Ist mir egal. Im ungünstigsten Fall so wie heute. Alles andere ist Sache der Enkel. (Wunsch- liste: weniger Unterscheidungen, weniger Enge im Das ist eine utopische Frage, aber ich glaube, 2047 Kopf. Mehr Jugend ins Erwachsenentheater, mehr wird es immer noch tolles Theater geben. Es wird Erwachsene ins Kindertheater, mehr Ausländer auf sogar einen wichtigeren Stellenwert besitzen als die deutsche Bühne, mehr Tanz im Sprechtheater, heute. Theater ist dann vielleicht der letzte Ort, an mehr Theaterspezialisten auf die Stra§e, mehr Senio- dem man sich treffen kann, um Diskurse miteinander ren auf die Bühne, usw.) auszutragen. Diese Diskurse werden von der dann Barbara Bürk, Regisseurin (ãHotel Paraiso“) herrschenden gesellschaftlichen Realität abhängen und so verschieden sein, wie die Menschen, die The- ater machen. Momentan ist eine Sehnsucht der Men- schen spürbar nach etwas Verbindendem, einem Sinn, den man teilen kann. Diese Sinnsuche des Lebens wird uns als Thema nicht verloren gehen. Viele den- ken vielleicht polemisch, dass das Theater ver- Auch das Theater im Jahr schwinden wird. Aber das glaube ich nicht. Theater wird wichtiger werden. 2047 wird nur in der Michael Thalheimer, Regisseur („Lulu“) Gegenwart existieren. Barbara Ehnes, Bühnenbildnerin („Othello“, ãHomo Faber“) Was ich nachts um 2 Uhr, nach einer kräftezehrenden Diskussion zur Zukunft der Theaterkritik und nach einem kleinen Gläschen Wodka, das ich mit Ulrich Matthes getrunken habe, auf dieselbe Frage schon einmal geantwortet habe, wei§ ich nicht mehr ganz genau. Da wusste ich über die Zukunft des Theaters Bescheid. Heute habe ich das Visionäre abgestreift. Fragen Sie den Propheten Schlingensief. Im Jahr 2047 werden die Menschen ununterbrochen Dr. Joachim Sartorius, Intendant Berliner Festspiele mit drahtlosen Informationssystemen verbunden sein. Arbeit wird Telearbeit sein und alle Zeit in Anspruch nehmen. Wer es sich leisten kann, geht ins Theater Ich sach mal besser nix. und gibt seinen Personal Organizer an der Garderobe Christoph Schlingensief, Regisseur/Produzent ab, um dann in dem dunklen Raum ohne jede elektro- (ãKunst und Gemüse, A. Hipler“) nische Stimulanz endlich schlafen zu können. Chris Kondek, Videokünstler („Othello“)

Ich hoffe, dass weiterhin gro§e Themen in gro§en Räumen verhandelt werden. Und dass Theater ein Schutzraum bleibt, um über das Leben zu reden. Thea- ter wird eine der letzten Instanzen sein, wo ein kollek- Wenn ich das wüsste, würde ich es jetzt machen. tives Denkgefühl möglich sein wird, im Gegensatz Martin Zehetgruber, Bühnenbildner („Don Carlos“) zum Fu§ballstadion, wo es ein kollektives Gefühl ist, oder zum Museum, wo es ein individuelles Denkge- fühl ist. Im Jahr 2047 gibt’s wahrscheinlich kein subventio- Johan Simons, Regisseur (ãElementarteilchen“) niertes Theater mehr, sondern nur noch freie Produk- tionsgruppen. Die mischen sich, auch international. Ensembles finden sich über Regisseure oder kommen Es werden plötzlich die großen, alten Klassiker werk- über bestimmte Themen (auch über die Sprache hin- treu gespielt: Roland Schimmelpfennig, Albert Oster- aus) zusammen. In hundert Jahren agiert das Theater maier, Falk Richter, Gesine Danckwart, René Pollesch, als subversive, kulturelle Eingreiftruppe, die in klei- Moritz Rinke, Dea Loher. Vorsicht: Die Pollesch-Er- nen Einheiten operiert Ð gegen den Zugriff einer ben sind noch schlimmer als die Brecht Erben! Gesellschaft, die das Lesen und die Kultur verbietet. Tom Stromberg, Intendant Deutsches Schauspielhaus Hans Kremer, Schauspieler, Hamburg (ãNibelungen“, ãMittagswende“) tt festivalzeitung! seite 8 ausgabe sieben fragebogen

Der Morgen danach

Katerstimmung am Ende des Theatertreffens. Von Vasco Boenisch BERLINER FESTSPIELE

Wolfgang Kralicek ufwachen, es ist vorbei. auch du bist hier nur zu Gast. Das schafft Probleme. Gro§e. ist Theaterkritiker der Wiener Stadt- A Kleine. Ð Hygiene-Probleme. Wie bei Kathi und Jost im ãHotel zeitung ãFalter“ und einer der sieben Reib dir die Augen. Schlaff liegt SIE da, neben dir, abge- Paraiso“. „Habe ich geschnarcht?“, fragte er sie. ãIst doch egal. tt Juroren, die aus 300 Inszenierungen kämpft. Muss sich erholen. (Du auch.) Im Rausch der Nacht war Willst du mich küssen?“ „Ich hab mir die Zähne noch nicht die zehn bemerkenswertesten des alles anders. SIE hat dich bezirzt, dich eingeladen: Komm, Klei- geputzt.“ Jahres auswählten. ner, komm, ich spiel nur für dich. Gebuhlt hat SIE, mit Wimpeln Apropos. Du willst aufstehen. Doch die Schwerkraft ist stär- 1. Was befähigt Sie, beim Berliner geschmückt, gelockt mit ãBemerkenswertem“. Und du bist ker. Dröhnen im Kopf. Apathisch blickst du zur Decke. Dann Theatertreffen in der Jury zu sitzen? gefolgt, nach Berlin, und jetzt liegt ihr hier, und es hämmert in wieder auf SIE. ãZu einer Beziehung kommt es, weil man nicht Mein Beruf. deinem Schädel: Was ist geschehen? Schluss macht am Morgen danach“, hast du kürzlich gelesen. 2. Wie unterscheiden Sie gutes Der Morgen danach. Verspricht Klarheit. Spielt Schicksal. Das hei§t: Du musst gar nichts tun. Das nächste Mal. Warten. von schlechtem Theater? Entscheidet. Tut weh. Wiederkommen. SIE wird da sein. Mit offenen Armen. Ob du Das ist mein Berufsgeheimnis. Tut weh. Zu allererst das. ãAm Morgen danach geht’s mir das willst? 3. Und wie wird man Sieger im immer furchtbar schlecht / Ich hab’ die ganze Nacht gezecht, und Keine vorschnellen Schlüsse. So oder so. Die peinlichen Auf- Wettbewerb? das nicht schlecht“, reimten mal die Böhsen Onkelz, nicht tritte der letzten Wochen Ð sollst du sie IHR vielleicht doch ver- Beim Theatertreffen gibt es nur Sieger. uncharmant. Fast wie bei Wittenbrinks Heimatliedern: ãIch wach zeihen? IHR Versprechen im friedlichen Lächeln: ãIch werde Das ist ja das Schöne daran. 4. Über was haben Sie sich im Theater auf am Nachmittag, der Sodbrand ist enorm / Ja, gestern war ich dich überraschen.“ – sollst du IHR das noch mal glauben? zuletzt besonders gefreut, über was wieder gut in Form.“ geärgert? Ja, gestern. Was für eine Gefreut hab ich mich zuletzt, als ich Nacht! Du denkst an ãVirginia ãOom Vanja“ von Luk Perceval sah. Woolf“. An Martha, inmitten lee- Geärgert hat mich, dass „Don Carlos“ rer Whiskygläser, Chipskrümel, nicht zum Theatertreffen gekommen ist. Blumenstängel, wie sie stöhnte: 5. Welches Theatererlebnis hat Sie ãHerrgott, es wird schon hell.“ Sie am meisten geprägt? ahnte, was kommt. Und Honey Als ich 1989 das erste Mal La Fura dels flüsterte: ãIch will mich an nichts Baus sah, bekam ich es mit der Angst zu erinnern.“ tun. Seither bin ich im Theater auf alles gefasst. Aber du. Du willst. Musst. Wie 6. Heimat im Theater, gibt es das? kommt SIE in dein Bett. Oder du Nur für Abonnenten. in IHRs? War’s nur Affäre? Oder 7. Was bedeutet für Sie Heimat? Anfang von mehr? Wien. Der Morgen danach: Moment voller Zauber. Oder böses Erwa- chen. Jane Fonda öffnete einst ihre Augen in ãThe Morning After“ – und lag neben einem unbekannten Toten. Schei§e! Doch, nein, zum Glück, SIE atmet. Tief und ruhig. Alle Texte und Fotos der BRAUN ARBARA tt festivalzeitung! Und wenn SIE erwacht? Was B und noch mehr finden sich dann? Was sagen? Ein falsches in der Online-Ausgabe unter: Wort, und Ð Du denkst an Kriem- hild. Im Morgengrauen der Volksbühne fand sie Brunhilds Gür- SIE schläft noch immer, als du, Stunden später, den Zug nach www.festivalzeitung.de tel, zerstritt sich und verriet Hagen, vermeintlich zum Schutz, Hause besteigst. Neben dem Bett liegt dein Brief: Hab ja jetzt Siegfrieds wunden Punkt, den dann der Speer des Tronjers traf… deine Nummer. Melde mich, wenn ich wieder mal hier in der Stop. Vergiss Siegfrieds Schicksal im fremden Worms. Klar, Gegend bin. Danke. Mach’s gut.

Impressum Redaktionsleitung Mentorin dieser Ausgabe Gefördert durch tt festivalzeitung! Torsten Harmsen (ViSdP) Christiane Kühl das blatt zum theatertreffen, ausgabe sieben, 23. Mai 2005 Layout: Stephan Lammel (Berlin) Unterstützt durch Ein Projekt zur Förderung des Kulturjournalismus der Berliner Festspiele Mentoren des Projekts in Kooperation mit der Berliner Zeitung und der Universität der Künste Christiane Kühl, Dirk Pilz, Prof. Dr. Stephan Porombka, Prof. Dr. C. Bernd Berlin, im Rahmen des Theatertreffens vom 6. bis 22. Mai 2005. Sucher und Kai Festersen (online) Belichtung und Druck Schirmherr: Prof. Manfred Eichel G+J Berliner Zeitungsdruck GmbH, Am Wasserwerk 11, 10365 Berlin Redaktionsteam Berliner Verlag GmbH & Co KG Vasco Boenisch (München), Michael Brommer (Rosenheim), Christiane Dank an Berliner Zeitung, Karl-Liebknecht-Str. 29, 10178 Berlin Enkeler (Köln), Andreas Jüttner (Karlsruhe), Klaus Christian Lüber (Ber- Iris Laufenberg (Leiterin Theatertreffen), Friederike Tappe-Hornbostel lin), Jan Oberländer (Berlin), Katrin Pauly (Berlin), Anne Peter (Berlin), (Kulturstiftung des Bundes), Michael M. Thoss (Allianz Kulturstiftung) und Herausgeber Katja Petrovic (Berlin), Dirk Plamböck (Berlin), Christian Rakow (Berlin), das Team der Berliner Festspiele Berliner Festspiele Jenny Schmetz (Aachen), Robert Schröpfer (Leipzig), Willibald Spatz ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes (München), Kai Splittgerber (Hildesheim), Barbara Teichelmann (Mün- in Berlin GmbH, Schaperstra§e 24, 10719 Berlin chen), Ulrike Wendt (Berlin) Intendant: Prof. Dr. Joachim Sartorius Fotos: Barbara Braun (Berlin), Piero Chiussi (Berlin) Kfm. Geschäftsführung: Dr. Thomas Köstlin Uwe Gössel (Projektleitung), Silke Bittkow (Assistenz) Redaktionsadresse Universität der Künste Berlin, Bundesallee 1Ð12, 10719 Berlin Universität der Künste Berlin Telefon: (030) 3185-2084, Fax: (030) 3185-2964 Theatertreffen vom 6. bis 22. Mai 2005 Weiterbildungsstudiengang Kulturjournalismus E-Mail: [email protected], Internet: www.festivalzeitung.de In freundlicher Zusammenarbeit mit der Verena Tafel (Geschäftsführung) 10719 Berlin