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Deutschland

UNION Die Rache der Verlierer Raffiniert und oft ruppig hat ihren Aufstieg organisiert und dabei viele Parteifreunde gedemütigt. Die Opfer proben in diesem Sommer die Revanche. , und sind im Zorn vereint: Sie sticheln, stänkern und stören.

KARSTEN HENNIG / ACTION PRESS CDU-Vorsitzende Merkel: „Geradezu raubtierhafter Instinkt für Macht“

m festlich gestimmten Bayreuth lausch- Möge denn so das ganze Rittergezücht un- ten aller Arbeitnehmerrechte, die Union te Angela Merkel der Musik Richard ter sich selber sich würgen!“ und das Volk in Wallung gebracht. „Unko- IWagners. Vor ihr Parsifal und der Bühnendramatik und Berliner Polit-Be- ordiniertes Gegacker“, empörte sich ein Zauberer Klingsor, neben ihr Edmund trieb produzieren zuweilen ähnliche Sze- CDU-Arbeitnehmerfunktionär. Stoiber, und Laurenz nen und vergleichbare Reaktionen. Kaum Flugs wies Angela Merkel ihren Wächter Meyer. war die Vorführung beendet, sah sich auch an, aktiv zu werden. Er Immer wieder drangen martialische Merkel – einmal mehr in diesem Sommer solle, so der Wille der Vorsitzenden, für Schlachtrufe an ihr Ohr. In der Mitte des – von Angreifern umstellt. Ruhe sorgen. zweiten Akts sah der Zauberer sich und Eben erst waren die Attacken auf ihre Sticheln, stänkern, stören – keine sein Schloss von Angreifern umstellt: „Ihr Gesundheitspolitik verklungen, da hatte Woche vergeht, ohne dass nicht ein Uni- Wächter! Auf! Feinde nah! Wie übel den der christdemokratische Wirtschafts- und onspolitiker die CDU-Chefin Angela Mer- Tölpeln der Eifer gedeiht!“ Dann drohte er Finanzexperte Friedrich Merz mit seiner kel herausfordert. Nur vordergründig geht nach Herzenslust: „Seine Wunde trägt je- Forderung nach Streichung des Kündi- es um Kündigungsschutz, Gesundheits- der nach heim! Wie das ich euch gönne! gungsschutzes (siehe Seite 74), des heiligs- prämie oder Mehrwertsteuer. Im Zentrum

22 der spiegel 32/2004 der Attacken steht die Person, nicht ihre Politik. Geschlossenheit und Streit wechseln un- ter den Konservativen seit Monaten wie Ebbe und Flut. Die Union, so scheint es, fasst Parteibeschlüsse nur deshalb mit großer Einmütigkeit, um sie anschließend mit noch größerer Wucht wieder zerreden und zerreiben zu können. Das vor Millionenpublikum abgegebe- ne Versprechen, in Deutschland an Stelle des überlasteten Kassensystems eine ein- heitliche Gesundheitsprämie einzuführen, hat sein Haltbarkeitsdatum bereits wenige Monate nach Verkündung überschritten. Die so verheißungsvoll gepriesene Steuer- reform, die angeblich auf einen Bierdeckel passen sollte, ist still-verschämt zu den Ak- ten gelegt worden. In der Rentenpolitik führen die Experten des bürgerlichen La-

gers einen Stellungskrieg, bei dem der poli- HUSCH / TERZ STEFAN tische Gegner – die rot-grüne Regierung – Merkel-Gegner Koch, Schäuble: Zwischenrufer aus den Kulissen längst aus dem Blickfeld geriet. Dabei sind es nicht mächtige Parteiflü- Das liegt an ihrem Führungsstil, einem entschieden, der dabei die Vorsitzende mit gel, einflussreiche Landesverbände oder „geradezu raubtierhaften Instinkt für der Attitüde des Musterschülers um Län- die Traditionsbataillone, die da aufbegeh- Macht“, wie die Schriftstellerin Christine gen übertrifft. ren – und anders als die SPD kämpft die Eichel analysiert, und ihrer Art, mit manch- Gerade erst hatten sich CDU und CSU Union keinen Kampf gegen die Grund- mal demonstrativer Härte gegen jedweden darauf verständigt, den Kündigungsschutz überzeugungen von gestern. Abweichler vorzugehen. Der Merkel-Ver- in Betrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern aus- Verantwortlich für die immer neu auf- traute und Fraktionsgeschäftsführer Volker zusetzen, da dachte Merz laut über eine flackernden Konflikte sind die politisch an Kauder brachte das kürzlich so auf den vollständige Aufhebung nach. „Wirre De- den Rand gedrängten Mitstreiter der noch Punkt: „Die wundern sich, dass sie nicht im batte“, urteilte die „Süddeutsche Zeitung“, kurzen Merkel-Ära, die als Trommler und Führerhaus sitzen, und haben in Wahrheit „schwarz-schwarzes Chaos“, freute sich Zwischenrufer aus den Kulissen treten, um Glück, wenn sie noch den Anhänger erwi- die „taz“, und die „Welt“ erkannte gar eine oft nur für wenige Tage die Schlagzeilen zu schen.“ „Union ohne Leitbild“. bestimmen. Er habe in seiner 30-jährigen aktiven Das Verhältnis zwischen Merz und Mer- Raffiniert – und häufig genug ruppig – Laufbahn, pflichtet ihm der frühere CDU- kel ist zerrüttet, seit ihn die Vorsitzende am organisierte die CDU-Vorsitzende ihren Generalsekretär bei, „nur drei Abend der Bundestagswahl im September Aufstieg von der Generalsekretärin über Politiker erlebt, die ähnlich energiegeladen 2002 vom Stuhl des Fraktionschefs kippte den Partei-Chefsessel bis hin zur faktischen auf das Kanzleramt zusteuerten – Kohl, – ein Coup, den sie von langer Hand ge- Kanzlerkandidatin der Union. Dabei hat Schröder und Merkel“. plant hatte und bei dem sie nicht davor sie viele Parteifreunde gedemütigt. Es sind Zu ihrem 50. Geburtstag verneigte sich zurückschreckte, selbst Ministerpräsiden- Opfer, die nun zu Tätern werden, Verlierer auch Unionsfraktionsvize Michael Glos, in- ten zu Komplizen zu machen. Der damali- von gestern, die noch einmal aufbegehren, dem er der Chefin einen geschickten Um- ge thüringische Regierungschef Bernhard um dann erneut für Wochen im politischen gang mit eitlen Männern zugestand. „Sie Vogel schlug sie schließlich für die neue Abseits zu verschwinden – bis zur nächsten weiß: Auerhähne schießt man am besten Doppelfunktion vor. Eruption. beim Balzen.“ Nicht wenige seien durch sie Im Präsidium konnte der geschasste Allmählich zeigt sich, dass die großen deklassiert und, so der rustikale Franke Merz, rasend vor Wut, nicht länger an sich Siege der Angela Merkel ihren Preis for- bewundernd, „bis zur hintersten Reihe“ halten: „Sie waren immer illoyal“, rief er dern. Sie bekam immer beides – den Frak- durchgeschoben worden. außer sich in den Sitzungssaal – doch die tionsvorsitz und damit den erbitterten Geg- Um sich wieder nach vorn zu kämpfen, derart attackierte Angela Merkel bereitete ner Friedrich Merz, sie stutzte den mäch- benutzen die Gedemütigten unterschied- gelassen nur die nächste Demütigung tig rivalisierenden hessischen Ministerprä- lichste Techniken. Friedrich Merz zum Bei- vor. Im vergangenen Jahr ging sie daran, sidenten Roland Koch auf Provinzformat spiel hat sich für die Rolle als Oberreformer den missliebigen Parteifreund auch als zurück und spürt ihn nun ebenso heftig Finanzexperten zu diskreditieren. im Nacken wie den CSU-Sozialexperten UMFRAGE: KÜNDIGUNGSSCHUTZ Sie beauftragte ihn zwar mit der Horst Seehofer, nachdem sie kurzerhand Ausarbeitung einer Steuerreform – die Kopfpauschale durchgepaukt hatte. Ihr „Die CDU fordert eine Lockerung dank des „lieben Friedrich“, säu- beherzter Griff nach dem Parteivorsitz selte sie auf dem Leipziger Partei- drängte den Vorgänger Wolfgang Schäub- des Kündigungsschutzes für ältere tag, werde es den Bürgern nach ei- le an die Peripherie der Union, wo er seit- Arbeitnehmer. Befürworten Sie dies?“ nem Regierungswechsel möglich her schmollt. sein, ihre Erklärung gegenüber dem Die Geschichte der Merkel-CDU ist die JA 25% Fiskus auf einen Zettel zu schreiben, Geschichte einer Organisation, die den „der nicht größer als ein Bier- Aufstieg der ostdeutschen Pfarrerstochter NEIN deckel ist“. bis heute nicht verwunden hat. Die Num- 68% Doch der forsche Jurist mer eins, obwohl von zahllosen Christde- musste schon bald erfahren, TNS Infratest für den SPIEGEL vom 27. Juli bis 29. Juli; rund 1000 mokraten verehrt, erzeugt im Innersten Befragte; an 100 fehlende Prozent: „weiß nicht“/keine Angabe dass die Chefin seinem Konzept nicht der Partei allergische Abwehrreaktionen. gerade höchste Priorität beimaß. Auf

der spiegel 32/2004 23 Deutschland einer Präsidiumssitzung von CDU miensitzungen Wortmeldungen ge- und CSU im März ließ sie zu, dass gen ihn organisiert. Selbst die Ge- die bayerische Schwesterpartei das rüchte, sein Gesundheitszustand sei Merz-Modell in zwei Phasen auf- noch immer nicht wieder hergestellt, splittete. Die Kernidee der Reform, führt er auf Einflüsterungen aus lediglich drei Steuerstufen einzu- dem Konrad-Adenauer-Haus zurück: führen, wurde auf Phase zwei ver- Überall werde über ihn gesagt, klagt tagt – und mithin auf Sankt Nim- der Politiker, der lange an einer Herz- merlein. muskelentzündung gelitten hatte, er In Merkels Zukunftsplänen spielt sei „krank, psychisch gestört und der Sauerländer keine Rolle mehr. nicht zurechnungsfähig“. Er wisse Sollte als Supermi- jetzt, „was Mobbing bedeutet“. nister für Wirtschaft und Arbeit in Eine dritte Spielart des Angriffs aus Berlin einziehen, würden die Libe- der Defensive bevorzugt der Wies- ralen Anspruch auf die Nachfolge badener Regierungschef Roland Hans Eichels erheben. Womöglich Koch. Während Merz die Merkel- aber will der noch zögernde Bayer – schen Reformen zu übertreffen sucht wie 1971 Karl Schiller – das Wirt- und Seehofer sie verhindern will, schafts- und Finanzressort in Perso- bezieht der wendige je nach nalunion führen, was für Friedrich Lage die jeweils entgegengesetzte Merz ebenfalls keinen Platz ließe. Position. Nicht ganz zufällig wird im som- Attackierte die Vorsitzende beim merlichen Berlin daher das Gerücht Thema Subventionsabbau den Kanz- herumgereicht, der ehrgeizige Fi- ler, machte Koch mit seinem NRW- nanzexperte aus sei kampfes- Kollegen Peer Steinbrück auf Große müde und werde in Kürze die po- Koalition und verkündete treuherzig, litische Arena in Richtung Wirtschaft „gesprächsbereit“ zu sein. War Mer- verlassen. kel für eine Zusammenarbeit in der Das Augenmerk der Angela Mer- Gesundheitspolitik, hielt Koch schroff kel richtet sich derweil auf die Ge- dagegen: „Eine Opposition ist nicht sundheitspolitik – die bisherige zum Ja-Sagen angestellt.“ Domäne Horst Seehofers. Dessen Als die Parteichefin in der Schluss- Beziehungen zur CDU-Vorsitzen- woche des Parlaments eindringlich

den, mit der er immerhin sechs Jah- M. WEBER WOLFGANG Geschlossenheit anmahnte, forderte re am Kabinettstisch saß, sind be- CSU-Sozialexperte Seehofer: „Echter Sympathiekiller“ der Landesvater mehr Mut zur Kon- reits seit vorigem Jahr schwer lädiert. troverse: Richtige Lösungen ließen Bei den Gesprächen mit der rot- sich nun mal „nicht mit Befehl und grünen Bundesregierung über die Gehorsam, sondern nur mit heftiger Gesundheitsreform ließ die Opposi- Auseinandersetzung und intellektu- tionsführerin seinerzeit den Kolle- ellem Ringen erreichen“. gen von der CSU nur formal als Ver- Die pikierte Vorsitzende stufte handlungsführer auftreten, stellte ihren Kritiker im Gegenzug zum iso- ihm sicherheitshalber zwei ihrer Ver- lierten Amokläufer herunter. Die trauten als Aufpasser zur Seite – und Achse Stoiber, Merz, Koch? „Die gibt nahm ihm schließlich das Heft aus es gar nicht“, ließ sie nonchalant wis- der Hand. In einem nächtlichen Te- sen. Kochs Forderung, „mehr Härte“ lefonat vereinbarte sie mit Gerhard gegenüber Rot-Grün zu zeigen – für Schröder, dass der Zahnersatz in Merkel „eine Phantomdebatte“: Die Deutschland künftig privat versi- Leute wollten keine Opposition, die chert werden soll, und zwar zu ei- das Land vor die Wand fahre. Und nem für jeden Bürger gleich hohen der schneidige Hesse, der lange Zeit Einheitspreis. als Schattenvorsitzender und Hoff- „Das war die Vorstufe zur Kopf- nungsträger der Union galt, steht als pauschale“, hat Seehofer mittler- Hasardeur da. weile erkannt – und bekämpft nun Darüber hinaus muss Helmut diese so genannte Gesundheitsprä- Kohls Lieblings-„Enkel“ ziemlich mie mit einer beispiellosen Aggres- hilflos zusehen, wie sein Zeitfenster sivität. Obwohl ein milliardenschwe- sich schließt. Sein bundespolitischer rer Sozialausgleich vorgesehen ist, Anspruch wird von den ehedem be- der sich auch aus Steuern von Beam- eindruckten Parteifreunden kaum ten, Unternehmern und privat Ver- mehr akzeptiert. Er solle gefälligst sicherten speist, lehnt er das Modell den eigenen Haushalt in Ordnung der Vorsitzenden ab. Es sei unsozial, bringen, bevor er Tipps auf Bundes- ein echter „Sympathiekiller“. ebene gebe, rüffelte ihn selbst Ed- Im Übrigen glaubt er feste Indizi- mund Stoiber, ein vormaliger Ver- en dafür zu haben, dass die ihrer- bündeter. seits unversöhnliche Merkel vor Gre- Der letztlich vielleicht unbequems-

DAGMAR MEYER / ACTION PRESS MEYER / ACTION DAGMAR te Gegner der Angela Merkel sitzt * Mit Ehefrau Charlotte beim CHIO in Aachen. CDU-Finanzexperte Merz*: Attitüde des Musterschülers derzeit noch im Halbdunkeln: Wolf-

24 der spiegel 32/2004 gang Schäuble. Nach wie vor gilt der sie abgehängt hatte. schon jetzt erkennbar dem Ansehen der einstige Parteichef als ein Mann von be- etwa wurde Verteidigungsminister, die Partei. trächtlicher Autorität – und kaum einem langjährige Rivalin Heidemarie Wieczorek- Denn die derzeit in den Meinungsum- Redner hört das Gros der Fraktion mit Zeul als Entwicklungshilfeministerin durch fragen zum Ausdruck kommende Domi- größerem Respekt zu als ihm. die Kabinettsdisziplin gezügelt. nanz der Christparteien scheint lediglich Der Badener war im Januar 2000 das Kohl dagegen pflegte – zumindest in der geliehen. „Wenn sich die wirtschaftliche erste Opfer von Angela Merkel. Ohne sein zweiten Hälfte seiner 16-jährigen Amts- Lage bessert“, prophezeit etwa Altstratege Wissen forderte die damalige CDU-Gene- zeit – einen anderen Umgang mit seinen Geißler, „wird sich herausstellen, dass der ralsekretärin auf dem Höhepunkt der Par- Gegnern. Er beherzigte zunehmend die momentane Höhenflug der Union nur ein teispendenaffäre die Ablösung vom Eh- Lehre des italienischen Renaissance-Phi- Echo auf die SPD-Schwäche ist und keine renvorsitzenden – eine offen- losophen Nicolò Machiavelli, der die eigene Stärke.“ bar überfällige Aktion, in deren Gefolge Streitfrage, ob es als Herrscher besser sei, Schon beginnt das Hoch in den Umfra- auch Schäuble stolperte. geliebt als gefürchtet zu werden, klar be- gen zu bröckeln. Bei allen Meinungsfor- Die Erfahrung des langjährigen Kanz- antwortet hatte: „Da es aber schwer ist, schungsinstituten ist die Union in den letz- leramtsministers – der später, seinen Le- beides zu vereinigen, ist es viel sicherer, ten Wochen in der Gunst der Wähler ge- benstraum begrabend, Horst Köhler als gefürchtet als geliebt zu sein“, dozierte fallen. Bei Infratest dimap sank sie seit Mai Bundespräsident den Vortritt lassen musste der weltweit berühmteste aller Macht- von 47 auf 44 Prozent, bei Forsa im selben – nutzt Merkel kaum noch. Bei ihren Rei- theoretiker. Zeitraum von 47 auf 43 Prozent. sen ins Ausland verlässt sie sich lieber auf Der gewaltig ausladende Pfälzer, bei Merkel selbst bucht ihre Unnachgiebig- seinen Konkurrenten Friedbert Pflüger, dem Merkel ihre politische Lehrzeit absol- keit als persönliche Stärke. „Ich denke vom den außenpolitischen Sprecher der Fraktion. Merkel will den Trennungsstrich zu einer Generation, die sich in unzählige, kaum mehr entwirrba- re Affären verheddert hat. Der Mann im Rollstuhl gilt ihr als Relikt einer vergangenen Epoche. Von allen ihren Opfern gelingt es Schäuble bisher aber am besten, seinen Groll zu zügeln. In der Öffentlichkeit beschränkt er sich auf Widerspruch in der Sache – den er dafür allerdings umso schroffer formuliert. Nicht nur auf dem Höhepunkt der Irak-Krise, als die Vorsitzende ziemlich verbiestert der Washing- toner Bush-Administration den Rücken zu stärken versuchte, setz- te sich ihr Vorgänger vernehmbar von ihr ab. Zuletzt empfand er es gar als außenpolitische Unbedarft- heit, dass die CDU-Chefin des Kanzlers Bemühungen um einen

deutschen Sitz im Uno-Sicher- DARCHINGER MARC heitsrat begrüßte. Eine solche For- Parteichefin Merkel, Ex-Parteichef Kohl: „Es ist viel sicherer, gefürchtet als geliebt zu sein“ derung sei „rückwärts gewandt“, so Schäuble: „Ich halte das für einen Aus- viert hat, entwickelte ein komplexes Ein- Ende her“, pflegt die gelernte Naturwis- druck alten Denkens.“ flusssystem, in dem die Partei durch Lohn senschaftlerin zu sagen – was heißen soll, Ein Ende des munteren Treibens ist der- und Strafe, eine Mischung aus Kuhhandel, dass ihr das Ziel wichtiger ist als der Weg zeit nicht absehbar. Auf die Union trifft zu, subtiler Seelenwäsche und brutalem Mob- dorthin. was die SPD-Präsidentschaftskandidatin bing zusammengehalten wurde. Wer am Was andere zuweilen als rohe Machtpo- Gesine Schwan als Grundmuster zahlloser Hofe des Patriarchen einmal in Ungnade litik werten – zuletzt ihr erfolgreiches Tak- Fehden ausgemacht hat: „80 Prozent aller gefallen war, wurde bis ans Ende seiner tieren in der Präsidentenfrage –, empfindet politischen Auseinandersetzungen“, sagt Tage verfolgt – wie zum Beispiel sein Angela Merkel als unvermeidlich. Sie wis- die Politologin, „sind Anerkennungskon- langjähriger Adlatus Heiner Geißler. se schon, sagt sie dann leichthin, das habe flikte.“ „Heiner, einer von uns bleibt auf der nicht elegant ausgesehen, und zuckt Merkels Führungsstil ist riskant; er öffnet Strecke“, prophezeite Kohl im August 1989 mädchenhaft die Achseln. politische Freiräume, die sich aber häufig dem CDU-Generalssekretär, als der es ge- Einen gewissen Spaß an dieser Art gleich wieder schließen. Auffällig unter- wagt hatte, gegen ihn zu opponieren. Kurz Menschenpoker will sie nicht verleugnen, scheidet sich ihr kalt kalkulierter Führungs- darauf war Geißler sein Amt los – und ähn- zumindest dann nicht, wenn sie sich stil von dem des amtierenden Kanzlers – lich erging es zwei weiteren Frondeuren, unbeobachtet wähnt. In kleiner Runde und ähnelt dabei umso mehr der Art seines Lothar Späth und . freute sich die Vorsitzende über ihr Bru- Vorgängers Helmut Kohl. Ob Merkel, die in einem frühen Stadium talo-Image: „Jeder fragt sich jetzt, ob er Schröder, dessen Gerissenheit und auf noch weitgehend ungesichertem Grund der Nächste ist, den die kalte Hunde- Machthunger Merkel Respekt abnötigt, durch eine ähnliche Härte auffällt, ihren schnauze Merkel absägt.“ zeigte sich bei seinem Aufstieg bemüht, Kurs durchhalten kann, ist fraglich. Die Konstantin von Hammerstein, Gegenspieler einzubinden – nachdem er von ihr geschürten Konflikte schaden Tina Hildebrandt, Christoph Schult

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