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Regionale Filmquellen und ihre Nutzung

Regionale Filmquellen und ihre Nutzung1 von Hans Hauptstock

Regionale Filmquellen, unabhängig ob in Kombina- ausgestrahlt. »Hier und Heute – der Westen in Bildern, Beiträge tion Bildfi lm/Tonfi lm oder als Videoband, Videokas- Berichten und Begegnungen« war über 35 Jahre fester sette oder gar Videofi le, spielen im Produktions- und Bestandteil des ARD-Programms. Wegen Harmonisie- Sendegeschehen des WDR als Landesrundfunkan- rungsnotwendigkeiten des Programmschemas – da stalt für NRW eine zentrale Rolle. Täglich entstehen half auch die Initiative des Grimme-Instituts, die Sen- Fernsehsendungen aufs Neue, werden nach der Aus- dung unter Denkmalschutz zu stellen, nicht – wurde strahlung dokumentarisch erschlossen und archiviert »Hier und Heute« als Magazinsendung am 25.5.1993 und später wiederverwendet. Verwendung im Fern- eingestellt. Der Markenamen »Hier und Heute« lebt sehprogramm fi nden aber auch regionale Filmquellen aber noch als Namensgeber einer werktäglichen Re- aus Archiven von Institutionen und aus dem Bestand portagereihe mit einer Sendelänge montags bis frei- von Privatpersonen. Daneben besteht ein Interesse tags von 15 Minuten und an Samstagen von 30 Mi- von Privatpersonen, Institutionen und Firmen durch nuten weiter. den WDR Fernsehsendungen und Fernsehbeiträge für unterschiedliche Nutzungszwecke zur Verfügung ge- »Prisma des Westens« im Zweiten Programm stellt zu bekommen. Im Zweiten Programm der ARD wurden in den Jah- ren 1961–1963 NRW-weit das Magazin »Prisma des Genese des WDR-Archivbestandes Westens« und die Sendereihe »Expeditionen nach Die Bestände des WDR-Film- und Videoarchivs sind Nordrhein-Westfalen«2 mit Stadtporträts der wich- ein Spiegelbild der Programmvielfalt des Fernsehpro- tigsten Städte in Nordrhein-Westfalen ausgestrahlt. gramms, das der Westdeutsche Rundfunk im West- »Prisma des Westens« ist nach dem Start des ZDF deutschen Fernsehen, dem sogenannten Dritten Pro- am 1.4.1963 kurze Zeit als Fensterprogramm inner- gramm, ausstrahlt. Auch die Anteile des WDR am halb des ZDF-Programms und anschließend im ARD- 1. Programm, dem ARD-Gemeinschaftsprogramm, an Programm ausgestrahlt worden. und dem Vorgängerprogramm 1Plus, am euro- päischen Kulturprogramm sowie dem Kinderka- Westdeutsches Fernsehen nal sind mit den unterschiedlichsten Inhalten und vie- Am 17.12.1965 startete das Dritte Fernsehprogramm len Präsentationsformen archiviert. Dazu zählen nicht des Westdeutschen Rundfunks unter dem Namen nur Berichterstattungen über politische Großereignis- »Westdeutsches Fernsehen«. Regionale Informatio- se, Sportveranstaltungen, Kundgebungen in Nord- nen zu Politik, Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und rhein-Westfalen, sondern auch die Übertragung von Sport gab es täglich auf dem Sendeplatz »Hierzulan- Konzerten und Theateraufführungen von nordrhein- de – Heutzutage« mit mehreren Reihen wie »Almanach westfälischen Veranstaltungsorten und Spielstätten. der Woche«, »Handel und Wandel«, »Grüne Optik«, Der größte Anteil am regionalen Quellenmaterial mit »Uni/Audimax«, »Landesforum NRW«. Das Sendevo- NRW-Bezug stammt aus den zahlreiche Magazinrei- lumen mit regionalen Themen betrug täglich fast eine hen, die im Laufe von 50 Jahren WDR-Programmge- Stunde. Mit diesem Programmangebot wurde nicht schichte produziert und ausgestrahlt worden sind. nur über Nordrhein-Westfalen, sondern für die Men-

Regionale Sendereihen, WDR-Projekte

»Hier und Heute« im ARD-Programm Ab dem 1.12.1957 wurde die Sendereihe »Hier und Heute« im ARD-Programm auf einem Vorabendplatz

1 Schriftliche Fassung eines Powerpoint-Vortrages auf dem 60. West- fälischen Archivtag in Iserlohn am 12.3.2008. 2 Spiegelt der Titel »Expeditionen« die Abenteuerlust der Fernsehauto- ren und eine Aufbruchsstimmung in neue, unbekannte Fernsehwelten wider? Oder ist der Titel gar ein Beleg für eine köln-zentrische Sicht der in Köln arbeitenden Redakteure.

Archivpfl ege in Westfalen-Lippe 69, 2008 31 Westfälischer Archivtag in Iserlohn

schen im Bundesland Nordrhein-Westfalen berichtet. Filmmaterialien So auch für die ausländischen Arbeitnehmer der ers- • 16 mm Bildfi lm ca. 85.000 ten Generation mit einer speziellen Sendereihe »Ihre • 35 mm Bildfi lm ca. 15.000 Heimat – Unsere Heimat«. • Magnetfi lm ca. 113.000

»Aktuelle Stunde« und Fenster/Lokalzeiten In der WDR-Fernsehdatenbank ARCHIMEDES Video Beiträge Stetig angewachsen, ja nahezu explodiert sind die sind ca. 760.000 Fernsehsendungen und Fernsehbei- Archivbestände mit regionalen und lokalen Bezügen träge mit Inhalten zum Land Nordrhein-Westfalen, zu seit der Umsetzung des Konzepts der Regionalisie- Städten und Gemeinden, Firmen und Institutionen so- rung des Programmangebotes und Dezentralisierung wie Personen in Nordrhein-Westfalen verzeichnet. des Westdeutschen Rundfunks in Köln. So starteten 1983 die »Aktuelle Stunde« mit landesweiten und lan- Archivarische Bestandspfl ege desbezogenen Informationen und 1984 vier regionale Bis in die der 70er Jahre gab es eine modera- Fenster, die sich »Nahweltthemen« von den Stand- te Kassation4 des Filmbestandes durch Archivare. Die orten Bielefeld, Dortmund, Münster und Düsseldorf/ wenigen systematischen Kassationen sind aber immer Köln widmeten. Es folgten 1996 drei weitere Fenster erst nach einem aufwendigen Abstimmungsverfahren an den neu eingerichteten Fernsehstandorten Aachen, in enger Zusammenarbeit mit der Programmplanung Wuppertal und Siegen. Ergänzt wurde das Fensteran- und mit der die jeweilige Sendung verantwortenden gebot 1997 um das Fensterprogramm Ruhr aus dem Redaktionen durchgeführt worden. Studio Essen. Seit dem Jahr 2007 werden zwei wei- Leitlinien für die Aussonderung von Archivmateria- tere Lokalzeiten von den Studios und lien sind die Kriterien für die Feststellung der Archiv- ausgestrahlt. würdigkeit von Fernsehsendungen.5 Diese Leitlinien sind unterteilt in einen allgemeinen Teil »Rahmenbedingungen, Voraussetzungen« und in einen speziellen Teil »Bewertungskriterien«:

Rahmenbedingungen, Voraussetzungen • Fremdbestimmte Vorgaben • Anstaltseigene Interessen • Kulturpolitische Verpfl ichtung

Bewertungskriterien • Inhaltsbezogene Kriterien − Dominanzereignisse − Indikatoren von längerfristigen Entwicklungen und Tendenzen − Alltagsrealität − Illustrierendes Bildmaterial • Gestaltungsbezogene/ästhetische Kriterien − Realisation − Interpretation Kabelpilotprojekt Dortmund, • Medienspezifi sche Kriterien Metropolenfernsehen − Programmarbeit nach Redaktionen Ein umfangreicher Programmbestand mit regionalem − Produktions- und sendetechnische Gegeben- und lokalem Bezug resultiert aus dem Kabelpilotpro- heiten und Innovationen jekt Dortmund, dessen Fernsehprogramm ab dem − Sendeformen und Gattungen 1.6.1985 und über das ursprüngliche Projektende am − Rundfunkgeschichte 31.5.1988 hinaus noch bis zum 21.12.1990 ausge- − Wirkung des Rundfunks strahlt wurde sowie aus dem Betrieb des Metropolen- fernsehens »WDRpunktDortmund« und »WDRpunkt- Köln«. Das Metropolenfernsehen, auch Stadtfernse- hen genannt, startete am 6.11.2000 und endete am 1.12.2006.3 3 Erkenntnisse aus diesem Projekt Metropolenfernsehen führten zur Er- Programmüberlieferung / Umfang gänzung des Fernsehfensterprogramms an den Standorten Bonn und Duisburg. Seit der letzten Stufe der Ausweitung am 1.2.2007 werden der Archivbestände täglich 11 Lokalzeiten ausgestrahlt: Lokalzeit aus Düsseldorf, Lokal- Der Bestand des WDR-Film- und Videoarchivs setzt zeit aus Köln, Lokalzeit aus Dortmund, Lokalzeit Münsterland, Lokal- sich zur Zeit zusammen aus: zeit OWL aktuell, Lokalzeit aus Aachen, Lokalzeit Bergisches Land, Lokalzeit Südwestfalen, Lokalzeit Ruhr, Lokalzeit aus Bonn, Lokalzeit aus Duisburg. Videomaterialien 4 Fernseharchivare benutzen anstelle von Kassation lieber das Wort • U-matic-, BETA SP-, Digital Beta-, »Bestandspfl ege«. IMX-Kassetten ca. 750.000 5 Die Kriterien sind Bestandteil des Regelwerks Mediendokumentation – Fernsehen, das verbindliche Vorgabe für die Formalerfassung und In- • 1-Zoll-Videobänder ca. 40.000 haltserschließung von Fernsehsendungen und -produktionen und die Materialinventarisierung in den Fernseharchiven der ARD ist.

32 Archivpfl ege in Westfalen-Lippe 69, 2008 Regionale Filmquellen und ihre Nutzung Beiträge

Recherche und Bestandsverwaltung mit der Fernsehdatenbank ARCHIVMEDES Video

Sende- und produktionstechnische chiv abgeliefert wurde, sondern für andere Aufzeich- Rahmenbedingungen nungen in den Sende- und Produktionsbereichen ge- Lücken in der Programmüberlieferung aus den Anfän- nutzt wurde. Auch komplette Sendemitschnitte einer gen des Fernsehens haben vor allem sende- und pro- Magazinsendung auf 2-Zoll-Bändern wurden nur so- duktionstechnische Ursachen. lange, wie diese für Sende- und Produktionszwecke Es gibt aus den frühen Fernsehjahren kaum ei- benötigt wurden, aufbewahrt. nen kompletten Sendemitschnitt einer Sendung, da Für den Bereich Film ist aber auch festzuhalten, Sendemitschnitte nur mittels des Filmaufzeichnungs- dass bei der Verwendung von Klammermaterial6 nicht verfahrens (FAZ) hergestellt werden konnten und die immer im Kopierwerk ein Duplikat hergestellt wurde, Fernsehschaffenden bzw. Fernsehverantwortlichen sondern »direkt« im Originalmaterial abgeklammert FAZen nur für Zwecke der Dokumentation, als Beleg- wurde, indem die benötigten Sequenzen aus dem Ur- stücke also, anfertigen ließen, aber nicht für spätere sprungsbeitrag ausgeschnitten wurden. Dieses »Di- Wiederholungen. rekte Abklammern«, also das Entfernen der benötig- Folglich sind aus den ersten Fernsehjahren nur we- ten Sequenzen aus dem Ursprungsbeitrag und das nige Magazinsendungen komplett überliefert worden. Einfügen dieses Originalfi lmmaterials in einen neu zu Komplett bedeutet, die Sendung ist zwischen Vor- erstellenden, durch die Redakteure oder Cutterinnen spann und Nachspann mit allen Einspielfi lmen, Live- aus der Originalsendung gab es seltener aufgrund von Studioauftritten und Studiointerviews und Moderatio- Disziplinlosigkeit der Akteure, sondern war oft in der nen erhalten geblieben. Eile oder der knappen Terminvorgaben der einzige Auch die Einführung der 2-Zoll-Aufzeichnungstech- Ausweg, einen Beitrag zeitgerecht bis zum Start der nik in den Rundfunkanstalten verbesserte zunächst Sendung, eigentlich zum Start des Beitrages innerhalb nicht grundsätzlich die Ablieferungsgepfl ogenheiten der Sendung, abliefern zu können. von Produktions- und Sendematerialien an das Archiv für eine Langzeitarchivierung. Denn 2-Zoll-Videobän- der waren so teuer, dass ein Videoband mit einem vor der Sendung aufgenommenen Studiointerview mit ei- 6 Klammerteil bezeichnet einen aus einer Sendung markierten Aus- schnitt, als auch das daraus entstandene, duplizierte Materialstück, nen Politiker oder Künstler aus Nordrhein-Westfalen welches komplett oder in verkürzter und/oder neugeschnittener Form nach Ausstrahlung der Sendung nicht ins Fernsehar- Eingang in eine Neuproduktion fi ndet.

Archivpfl ege in Westfalen-Lippe 69, 2008 33 Westfälischer Archivtag in Iserlohn

Generell kann festgehalten werden, dass bei den platz werden Dokumentarberichte mit regionalem Be- Programmverantwortlichen das Verständnis für eine zug und historischen Inhalten ausgestrahlt. spätere Verwendung kaum ausgeprägt war und die Für die Lokalzeiten sind montags bis freitags zwei Vision, Sendungen in Spartenkanälen auszustrahlen, Sendeplätze 18:05–18:10 Uhr sowie 19:30–20:00 Uhr nicht einmal in Ansätzen vorhanden war. reserviert. Die Aufgabe der Programmplaner und Verantwort- Beiträge Ältestes NRW-Archivmaterial lichen in den Redaktionen besteht nun darin, die Sen- Im Bestand des Film- und Videoarchivs des Westdeut- deplätze mit Sendungen zu bestücken und Sendun- schen Rundfunks ist der Dokumentarbericht »Der Zeit gen inhaltlich so zu füllen und auszugestalten, dass Gewinn« über die Ruhrfestspiele in Recklinghausen Programm und Sendungen vom Fernsehpublikum an- die früheste Sendung mit regionalem Bezug zu Nord- genommen werden. rhein-Westfalen. Der Bericht ist am 6. Juni 1955 im Und es gibt folglich einen permanenten Bedarf an ARD-Programm ausgestrahlt worden. Diese Sendung bewegten Bildern, mit denen die Inhalte der Fernseh- stammt also noch aus Zeiten des Nordwestdeutschen sendungen und -beiträge illustriert werden können. Rundfunks mit der Zentrale in und der De- Ein Fernsehangebot mit regionalen, lokalen The- pendance für Fernsehen und Hörfunk in Köln. Eben- men, auch in Kombination mit einem historischen Be- falls aus dem Jahr 1955 sind Reste einer Sendung zug, entspricht dem Interesse der Fernsehzuschau- über den Wildpferdefang in Dülmen im Filmbestand er. So weisen die »Aktuelle Stunde« und die Lokalzei- des Westdeutschen Rundfunks magaziniert.7 ten seit Jahren hohe Einschaltquoten aus, die belegen, dass mit Nahbereichsthemen des Regional- und Lo- Recherche, Bestandsverwaltung kalprogramms nicht einem kurzfristigen Zeittrend ent- Zentrales Arbeitsinstrument für Archivare ist die kom- sprochen wird. plexe Fernsehdatenbank ARCHIMEDES Video. In AR- Zur Realisierung einer Fernsehsendung wird nicht CHIMEDES Video werden die Formaldaten, inhalts- nur neugedrehtes Material verwendet, es wird auch und bildbeschreibende Informationen einer Fernseh- WDR-Archivmaterial eingesetzt und auf Fremdmateri- sendung sowie die Beschreibungsdaten der Film- und al aus anderen Rundfunkanstalten bzw. von Institutio- Videomaterialien, auf denen sich eine Sendung kom- nen, Firmen und Privatleuten zurückgegriffen. plett oder in Teilen befi ndet, erfasst. Auf Basis der For- Der Anteil an Archivmaterial und Fremdmaterial in malbeschreibungsdaten, der detaillierten Informatio- einer Fernsendung oder in einem Fernsehbeitrag kann nen der Inhaltswiedergabe und Bildbeschreibungen je nach Präsentationsform und vor allem Inhalt un- sowie der Materialbeschreibungsdaten können Auto- terschiedlich hoch sein. Sehr viel Archivmaterial und ren und Programmplaner, aber auch Mitarbeiter der meist auch Fremdmaterial wird bei Realisierung von Produktions- und Verwaltungsbereiche, archivierte Fernsehsendungen mit historischen Themen einge- Produktionen und Fernsehsendungen unter Einbezie- setzt. Aber selbst bei tagesaktuellen Berichterstattun- hung vielfältigster Suchkriterien recherchieren, aus- gen wird Archivmaterial verwendet. Es handelt sich wählen und die benötigten Materialien für eine aus- dabei um sogenanntes illustrierendes Bildmaterial, schnittsweise Verwendung oder für eine Wiederho- das so neutral ist, dass es dem Fernsehzuschauer im lungsausstrahlung bestellen und ausleihen.8 Normalfall nicht auffallen dürfte, wenn der Fernseh- beitrag zu Hundert Prozent aus Archivmaterial erstellt Nutzung und Einsatz regionaler Filmquellen wäre.9 im Fernsehen Sendereihen oder Beitragsreihen, die ausschließ- lich auf der Basis von WDR-Archivmaterial realisiert Sendetag und Programmschema wurden, waren neben vielen anderen: Der Programmablauf eines Sendetages besteht im • »Verdammt lang her« in der »Aktuellen Stunde«, Wesentlichen aus erstausgestrahlten Sendungen, • »Hier und Heute – Abgestaubt« in der »Aktuellen Wiederholungen sowie aus Programmverbindungen/ Stunde«, Programmhinweisen. Zur Kategorie der Erstausstrah- • »Flimmerkiste« in »Klön und Klaaf« (KuK), lungen gehören eigenproduzierte Sendungen, Ko- • »so war’s« in der »Aktuellen Stunde«. Produktionen mit anderen Partnern, Kaufproduktio- nen und sogenannte Übernahmen. Unter Übernah- men sind Fernsehsendungen zu verstehen, die eine ARD-Rundfunkanstalt von einer anderen Rundfunk- 7 Älteste überlieferte Sendung mit regionalem Bezug ist also nicht wie anstalt im Rahmen des Programmaustauschs für die vielfach kolportiert die Aufzeichnung einer Aufführung im Millowitsch- Ausstrahlung insbesondere in einem der Dritten Fern- Theater, obwohl schon am 27.10.1953 das Kölsche Mundartstück sehprogramme übernimmt. Übernahmen kann der »Der Etappenhase« aus dem Millowitsch-Theater ausgestrahlt worden ist. »Schneider Wibbel« ist im WDR-Archiv die älteste komplett über- Fernsehzuschauer meist im Abspann an der Informa- lieferte Aufzeichnung eines am 13.6.1959 ausgestrahlten Millowitsch- tion »Eine Sendung von ….« und am Copyrightver- Stückes. merk erkennen. 8 Ab Februar 2008 werden alle neu ausgestrahlten Sendungen des WDR in einem Vorschausystem für eine direkte Sichtung von Ar- Jeder Sendetag ist untergliedert nach Vorgaben chivmaterial angeboten. Der Recherchierende kann an jedem WDR- des Programmschemas in Programmsendeplätze. So Standort in NRW und unabhängig von Öffnungszeiten des Fernseh- ist zur Zeit für den Sendeplatz am Freitag 20.15–21:00 archivs Sendungen und Beiträge in einem Player in Vorschauqualität Uhr eine Dokumentation vorgesehen. Der Sendeplatz sichten, auswählen und eine Materialbestellung elektronisch initiie- ren. trägt den Titel: »Doku am Freitag« Auf diesem Sende- 9 Dies gilt u. U. auch für den Archivar, der den Fernsehbeitrag inhaltlich dokumentiert.

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Zu den Dokumentationen im WDR-Programm, für de- strahlung und kurzfristige Wiederholung oder nur für ren Herstellung sehr viel WDR-eigenes Archivmaterial eine Verwendung in Sendungen einer Sendereihe ein- verwendet wurde und wird, zählen die Reihen »Rück- geräumt wird. blende«, »NRW-Dynastien«, »Legenden« und »Die Vertraglich fi xiert sein kann, dass vor jeder erneu- Besten im Westen«. ten Verwendung die Zustimmung des Rechteinhabers Ein Wiedersehen mit Archivschätzen aus den 60er einzuholen ist oder über eine erneute Verwendung der Beiträge Jahren stellen die von Paul Hofmann erstellten drei Rechteinhaber zu informieren und eine vertraglich ver- Collagen »Als der Ruhrpott noch schwarz-weiß war«, einbarte Wiederholungsgebühr zu zahlen ist. Oftmals »Als das Rheinland noch schwarz-weiß war« und »Als ist auch nur eine Unterrichtung über eine weitere Ver- Westfalen noch schwarz-weiß war« dar. Für die Rea- wendung vereinbart. lisierung der Collagen sind Beiträge aus Regionalsen- Die Rundfunkanstalten haben ein Interesse, den dungen, insbesondere aus »Hier und Heute«, verwen- Verwaltungsaufwand für die weitere Verwendung mög- det worden. lichst gering zu halten und bevorzugen daher den Er- werb von exklusiven Rechten auf Dauer. Verwendung von Filmmaterial externer Lieferanten Auch eine kostenlose dauerhafte Übernahme und und Anbieter Nutzung der Klammerteile, die einer Privatperson oder Wenn eine geplante Sendung zu einem bestimmten Institution gehören, durch die Rundfunkanstalt oder historischen Ereignis oder zu einem speziellen wis- den Auftragsproduzenten ist denkbar und wird auch senschaftlichen Sachverhalt allein auf der Basis von angestrebt, um die Produktionskosten einer Fernseh- neu aufgenommenem Material und WDR-eigenem Ar- sendung möglichst gering zu halten und mit dem Bud- chivmaterial nicht realisiert werden kann, dann wer- get auszukommen. So wird in einer Senderechteerklä- den in einem ersten Schritt die Fernseharchive in der rung festgehalten, dass eine Privatperson oder eine ARD und des ZDF kontaktiert und um entsprechende Institution einer Rundfunkanstalt erlaubt, die Filmaus- Klammerteile gebeten. Oft schließen sich Recherchen schnitte kostenfrei zu verwenden. in Fernseharchiven der privaten und der europäischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an. Teilweise Sendereihen, realisiert auf Basis von Fremdmaterial laufen diese Recherchen und auch die Anfragen an Ar- Zu den Beitragsreihen in der Regionalberichterstat- chive von Institutionen und Firmen parallel. Natürlich tung, die auf Basis von Originalfi lmmaterial (exklusi- werden auch Privatpersonen, die entsprechende Film- vem Material) von Privatpersonen, Institutionen und materialien besitzen, kontaktiert. Firmen komplett oder in wesentlichen Teilen produ- Ein wesentlicher Aspekt der Recherchen und An- ziert worden sind, zählen 33 Folgen »Damals im Müns- fragen sind für die Programmverantwortlichen die Ge- terland«, ausgestrahlt in den Jahren 1991 und 1992 samtkosten, die mit dem Erwerb oder Verwendung im Fenster Münster, 34 Folgen »Damals an Rhein und des Fremdmaterials verbunden sind. In der Kalkulation Wupper«, im Düsseldorfer Fenster 1993 ausgestrahlt des Programmvorhabens sind somit nicht nur die zu und 93 Folgen »Damals in OWL«, 1997 und 1998 im vereinbarende Vergütung zu berücksichtigen, sondern Studio Bielefeld realisiert. Es waren Beiträge in den für auch die Kosten für Umkopierungen und Überspielun- Magazinreihen üblichen Längen von 2 Minuten 30 Se- gen auf produktions- und sendeadäquate Formate. kunden, maximal 3 Minuten. Aus den Archiven und Beständen von Institutionen, Firmen und Privatpersonen werden meist nur Klam- merteile, in sehr seltenen Fällen auch komplette Bei- träge, übernommen.

Vertragsformen für den Klammerteilerwerb Zwischen den Vertragsparteien der Rundfunkanstalt oder dem Auftragsproduzenten, der für die Rund- funkanstalt eine Fernsehsendung realisiert, auf der einen Seite und auf der anderen der Rechteinhaber des Klammerteils, das in die Fernsehproduktion ein- geschnitten werden soll, wird ein Lizenzvertrag ge- schlossen, der grundsätzlich nach den Regeln der Vertragsfreiheit ausgestaltet ist. Dieser Grundsatz er- laubt ein breites Spektrum von Vertragsvarianten mit entsprechenden Vorteilen und Nachteilen für die Ver- tragspartner: Zahlung einer Vergütung durch die Rundfunkanstalt Zu erwähnen ist auch die 2002 gestartete Sende- zur Abgeltung der Urheber- und Leistungsschutzrech- reihe »Super 8 vor Mitternacht«, in der Collagen von te. Die Vergütungsgröße wird nach marktüblichen Ge- Super 8 Filmen der WDR-Zuschauer als Dokumente pfl ogenheiten berechnet und ist abhängig vom Um- der deutschen Alltagskultur der sechziger und siebzi- fang der übertragenen Rechte und von der Länge der ger Jahre ausgestrahlt werden. verwendeten Klammerteile. Im Vertrag kann z. B. festgehalten werden, dass der Rundfunkanstalt das Recht, Klammerteile in ei- ner Fernsehsendung zu verwenden nur für eine Aus-

Archivpfl ege in Westfalen-Lippe 69, 2008 35 Westfälischer Archivtag in Iserlohn Beiträge

Das Internetangebot der WDR Mediathek

Nutzung von Fernsehsendungen, schauerkopien werden von den Rundfunkanstalten Fernsehbeiträgen außerhalb des Rundfunks dem Besteller unterschiedlich hohe Kosten in Rech- nung gestellt. Rechtlicher Aspekt An einer Fernsehsendung mitwirkende Personen Grundsätzlich gilt: Alle im Fernsehen ausgestrahlten oder Institutionen können ein Belegexemplar von der Fernsehbeiträge sind urheberrechtlich geschützt. Je- Redaktion erhalten. Belegexemplare sollten zeitnah de Aufnahme einer Fernsehsendung auf eine Video- zum Ausstrahlungsdatum abgefordert werden. Kassette ist eine Vervielfältigung. Das Abspielen ei- Rundfunkanstalten bieten auf ihren Internetseiten ner solchen Aufzeichnung in der Öffentlichkeit, unab- für den privaten Gebrauch auch Sendungen per Vod- hängig ob über einen Fernsehbildschirm oder andere cast (VideoPodcast) an. Die Sendungen können auf technische Einrichtungen wie PC und Beamer, ist eine den privaten PC heruntergeladen und anschließend öffentliche Wiedergabe. Sowohl für die Vervielfältigung auf tragbare Abspielgeräte kopiert werden. Podcast- als auch für die öffentliche Wiedergabe ist die Einwilli- Angebote können abonniert werden, wobei Podcat- gung der Personen oder der Unternehmen einzuholen, cher, eine spezielle Software, für eine regelmäßige denen an den ausgestrahlten Werken und Leistungen Überspielung der aktuellen Dateien auf die Festplatte Urheber- und Leistungsschutzrechte zustehen. des PC sorgt. VideoPodcast-Angebote sind mit spe- ziellen Podcast-Logos gekennzeichnet. Private Nutzung Ebenfalls für die private Nutzung bestimmt sind die Das Aufzeichnen einer Fernsehsendung oder eines umfangreichen Angebote der im Internet eingestell- Fernsehbeitrages (Videorekorder, Festplattenrekorder ten Mediatheken11 der einzelnen Rundfunkanstalten für private Zwecke (innerhalb der Familie) ist gestattet. und auf den Internetseiten der jeweiligen Fernsehsen- Die Urheber- und Leistungsschutzrechte sind durch dungen. die Geräte- und Leerkassettenabgabe abgegolten. Falls z. B. die Aufzeichnung mit dem privaten Re- korder nicht funktionierte oder der Zuschauer eine 10 Aus urheber- und leistungsschutzrechtlichen Gründen können von Fernsehsendung nicht sehen konnte, dann kann der Sportsendungen, Spielfi lmen, Fernsehspielen, Konzerten keinen Zu- Fernsehzuschauer das Angebot der Rundfunkanstal- schauerkopien angefertigt werden. ten nutzen und bei einem Mitschnittservice sogenann- 11 Der Westdeutsche Rundfunk bietet in seiner Mediathek regional be- reits kurzfristig nach der Ausstrahlung ein Bouquet von Fernsehbei- te Zuschauerkopien zum privaten Gebrauch bestel- trägen aus seinen Regionalsendungen »Aktuelle Stunde«und den elf len.10 Für die Anfertigung und den Versand von Zu- Lokalzeiten an.

36 Archivpfl ege in Westfalen-Lippe 69, 2008 Filmische Quellen – haltbar für die Ewigkeit?

Verwendung von Fernsehsendungen durch Konservatorischer Aspekt / Produzenten, Firmen, Institute Zustand der Überspielvorlage Wenn ein Unternehmen, ein Produzent Ausschnitte Die Zurverfügungstellung und damit auch Nutzung aus einer Fernsehsendung z. B. aus dem WDR-Pro- von Fernsehbeiträgen und Ausschnitten ist nicht nur gramm für die Erstellung eines Filmes wünscht, dann von Urheber- und Leistungschutzrechten abhängig, ist eine Anfrage mit Angabe zum Verwendungszweck sondern auch der physische Zustand der Kopiervor- Beiträge an die Abteilung »Zentrale Aufgaben Fernsehen« zu lage kann eine Verwendung erschweren oder gar ver- stellen. Die Abteilung »Zentrale Aufgaben Fernsehen« hindern. So sind, wenn z. B. der gewünschte Fernseh- führt die Vertragsverhandlungen, holt das redaktionel- beitrag auf Film vorliegt und der Film problematische le Einverständnis ein und sorgt für eine Rechteklärung Klebstellen aufweist oder aufgrund des Essigsäure- bzw. für eine Rechteauskunft über Lizenzgeber durch Syndroms geschrumpft ist, vor der Anfertigung einer die Abteilung »Honorare und Lizenzen«. Der Anfragen- DVD für Nutzer außerhalb der Rundfunkanstalt die de hat gegebenenfalls bei den Lizenzgebern die Rech- Bild- und Tonträgermaterialien zu sanieren. Technisch te nachzuerwerben. Für die Einräumung des Rechts aufwendig und damit mit hohen Kosten verbunden ist zur Verwendung der Ausschnitte wird bei Vertragsab- die Nutzung von Ausschnitten aus Fernsehsendungen, schluss die Zahlung einer Vergütung vereinbart. die auf 1-Zoll-Videoband archiviert sind. Benötigen Firmen, Institute Fernsehmaterialien für Unter Beachtung der Urheber- und Leistungs- eine öffentliche Vorführung für Mitarbeiterschulungen schutzrechte sowie technischer Rahmenbedingun- oder als Begleitmaterial zu Ausstellungen, dann ist ei- gen können und werden Aufnahmen von Fernseh- ne vorherige Genehmigung der Rundfunkanstalt, die sendungen von den Rundfunkanstalten zum gewerb- eigene und abgeleitete Rechte innehat, und der urhe- lichen, nicht kommerziellen und privaten Gebrauch berrechtlichen Verwertungsgesellschaften (z. B. GEMA, bereit gestellt. VFF, VG Wort) einzuholen. Dies gilt auch für Doktoran- den, Diplomanden sowie sonstige wissenschaftliche Arbeiten. Ansprechpartner für nichtkommerzielle au- ßerrundfunkmäßige Nutzung durch Firmen, Institute ist in diesen Fällen im WDR ebenfalls die Abteilung 12 »Zentrale Aufgaben Fernsehen«. 12 Dazu ein Fallbeispiel: Das Archiv der Stadt X besitzt einen selbstan- gefertigten, selbstaufgezeichneten Mitschnitt einer Fernsehsendung Sonderregelung Schulfernsehen über die Einweihung einer neuen Ortsumgehung aus dem Jahr 2004. Ein Mitglied des Stadtrats oder der Bürgermeister möchte diesen Mitschnitte von Schulfernsehsendungen können Mitschnitt in einer Ratssitzung den Mitgliedern des Stadtrates vorfüh- Schulen, Einrichtungen der Lehrerbildung, Heime der ren. Ist eine Vorführung des Mitschnitts möglich bzw. was ist zu tun? Jugendhilfe sowie staatliche Landesbildungsstellen Laut Urhebergesetz dürfen selbstmitgeschnittene Beiträge lediglich anfertigen und für den Unterricht verwenden. Die Mit- für den privaten Bereich, das bedeutet in den eigenen vier Wänden oder im Kreis der Familie genutzt werden. Das Archiv einer Stadt gilt schnitte sind spätestens am Ende des darauffolgen- da schon als nicht kommerzielle Verwertung. Vor der Nutzung muss den Schuljahres zu löschen. folglich eine Lizenzierung durch die Rundfunkanstalt stattfi nden.

Filmische Quellen – haltbar für die Ewigkeit? von Volker Jakob und Ralf Springer

Die schlechte Nachricht vorab: Nein, fi lmische Quel- geschmolzen, denn das Ausgangsmaterial Zelluloid len sind wie alles Physische leider nicht ewig haltbar! stellte ebenso wie das Bromsilber aus der Filmemul- Jedoch kann diese Archivalienart durchaus eine lan- sion einen wertvollen Rohstoff dar. ge Zeit überdauern, sofern ein sachgerechter Umgang Der Informationswert auf dem Träger konnte offen- und gegebenenfalls weitere technische Eingriffe erfol- sichtlich nicht mit dem reinen Materialwert konkurrie- gen. Immerhin existieren noch heute Aufnahmen aus ren. Das ist auf eine Vielzahl von Gründen zurückzu- den Anfängen der Filmerei, die nun schon über 110 führen: Die Kinderstube absolvierte der Film auf Jahr- Jahre zurückliegt. Relativ betrachtet zur schriftlichen märkten und in Varietés, wo Filme mit fi ktionalem Quelle nähert man sich damit der Ewigkeit also durch- Gehalt dem sensationsheischenden Publikum ebenso aus an. vorgeführt wurden wie Werke mit dokumentarischen Als die Bilder das Laufen lernten, dachte niemand Inhalt.2 Nach einigen Vorführungen wurden die Filme an das Archivieren dieses neuen Informationsträgers, dann weiterverliehen oder verkauft und schließlich ver- obgleich doch die Archivwissenschaft zu diesem Zeit- nichtet. Dem Film als öffentliches Wirtschaftsgut stand punkt bereits sehr ausgeprägt war. Aber der Film galt lange Zeit nicht als Archivgut, sondern als ein Ver- 1 Karl Griep, Filmarchivierung – Aspekte einer Facette archivischer Ar- brauchsmedium.1 Der Verbrauchsbegriff war dabei beit, in: Archivpfl ege in Westfalen und Lippe, 47 (1998), S. 12–18, wörtlich zu nehmen: Der anfangs aus Nitratzellulose S. 12. 2 Zur frühen Filmgeschichte insbesondere Uli Jung/Martin Loiperdin- hergestellte Originalfi lm wurde zusammen mit seinen ger (Hrsg.), Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Kopien nach einer gewissen Zeit oftmals wieder ein- Bd. 1: Kaiserreich (1895–1918), Ditzingen 2005.

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