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Auf den Spuren der Glasindustrie in Boffzen 2008/2009 entstand das Werk II von Noelle + von Campe Foto: Hartmut Günther

Seit über 150 Jahren prägt die Glasin- dustrie Boffzen: 1866 gründeten hier lokale Unternehmer die erste Glashüt- te. In den 1870er Jahren übernahmen August von Campe und die Lüden- scheider Brüder Heinrich und August Noelle das Werk, nun Noelle & von Campe Glashütte.

Die Tradition der Glashütten in den Wäldern des Sollings endete, mit der Industrialisierung wurden größere Standorte an Bahnlinien interessanter: 1864 entstand die Linie Kreien- sen-Höxter, 1876 folgte -Scherfede mit Halt in Boffzen. Kohle für die Glasöfen wurde angeliefert, fertige Waren rasch versandt.

Diese Vorteile sah auch der Glashüttenbesitzer Wilhelm Becker, der seine Standorte in Neu- haus (1850) und Rottmünde (1856) 1872 um die Georgshütte in Boffzen ergänzte. Sie produ- zierte, wie auch Noelle & von Campe, zunächst für nationale, dann auch für internationale Märkte. Ab Mitte der 1930er Jahre ersetzten Maschinen langsam die ehedem handwerk- liche Produktion. Beide Glashütten hatten eine breite Produktpalette, stellten Ge- brauchshohlglas und Konservengläser her, zudem Trinkgläser, Lampen- oder Medizinglas.

Beschäftigte und Eigentümer der Glashütten passten sich immer wieder an politische und wirtschaftliche Veränderungen an: Sie erfreu- ten sich am langen Aufschwung im Kaiser- reich, litten an Produktionslenkung und fehlenden Rohstoffen im Ersten Weltkrieg und wegbrechenden Aufträgen während der Weimarer Republik. Die Weltwirtschaftskrise war für Noelle & von Campe existenzbedro- hend, der Betrieb konnte nur dank regionaler Investoren fortgesetzt werden. Das NS-Regi- Außenansicht der ehemaligen Georgshütte der Familie Becker Foto: Stefanie Waske me schottete die Glashütten international ab und band sie in die Aufrüstung ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der internationale Wettbewerb rasch. Noelle & von Campe konzentrierte sich zunehmend auf Verpackungsglas. Die Georgshütte setzte auf dekorative Haushaltsgläser, konnte sich schließlich nicht gegen internationale Konkurrenz behaupten und schloss 1989. Noelle & von Campe war erfolg- reich, konnte 2009 im Ort ein zweites Werk eröffnen und will weiter expandieren.

Boffzen besitzt ein selten breites Spektrum der Glasindustrie: Neben modernen Produktions- stätten finden sich frühere Betriebsstätten, Fabrikantenvillen und betriebliche Arbeiter- häuser, zudem Zeugnisse vergangener handwerklicher Glasmacherkunst. Sie dokumentieren die Blütezeit der Glashütten, die wiederholten Krisen und das nicht immer konfliktfreie Verhältnis von Arbeit und Kapital. Wir laden Sie herzlich ein, diese zu entdecken – zu Fuß, per Rad oder im Internet (www.glas-in-boffzen.com).

www.glas-in-bo zen.com

Verpackungsgläser entstehen heute bei Noelle + von Campe vollautomatisch an sogenannten IS-Maschinen Foto: Stefanie Waske

Konzept und Text: PD Dr. Uwe Spiekermann, Dr. Stefanie Waske Glasstelen Standorte in der -Vogler-Hils-Region: Boffzen, Grünenplan, Hellental, , Schoborn und Silberborn

intern. Glasmacherzeichen

Arbeitsgemeinschaft Glaslandschaft Solling - Vogler - Hils im Weserbergland

Weitere Informationen finden Sie unter www.solling-vogler-region.de