Die Republikaner im baden-württembergischen Landtag - von einer rechtsextremen zu einer rechtsradikalen, etablierten Partei?

Von der Fakultät Geschichts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Abhandlung

Vorgelegt von Bernd Neubacher aus Koblenz-Moselweiß

Hauptberichter: Prof. Dr. H. Dähn Mitberichter: Prof. Dr. O. Gabriel Tag der Zulassung: 2. Mai 2001 Tag der mündlichen Prüfung: 26. Februar 2002

Institut für Sozialwissenschaften (Politikwissenschaft)

2001 Inhaltsverzeichnis 2

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung______5

1 Einleitung ______6

1.1 Forschungsstand ______7

1.2 Erkenntnisinteresse ______10

1.3 Aufbau der Untersuchung und Methode ______11

2 Begriffliche Fragen______13

2.1 Definition von Opposition______13

2.2 Ursprünge von Opposition und ihr Verständnis in Deutschland ______15 2.2.1 Theoretische Erfassung in der politikwissenschaftlichen Literatur______15 2.2.2 Ursprünge von Opposition ______22 2.2.3 Oppositionsverständnis in Deutschland______23

2.3 Aufgaben von Opposition ______26 2.3.1 Kritik ______26 2.3.2 Kontrolle ______27 2.3.3 Präsentation von Alternativen ______30

2.4 Strategien von Opposition______33

2.5 Definition von Etablierung ______40

2.6 Definition von rechtsextremistisch______43

2.7 Definition von rechtsradikal______45

3 Das Profil der Republikaner ______47

3.1 Die Republikaner auf Bundesebene______47 3.1.1 Geschichte ______47 3.1.1.1 Gründung und Aufstieg ______47 3.1.1.2 Konsolidation und Erosion bis zur Bundestagswahl 1994 ______51 3.1.1.3 Versuch des Neuanfangs unter Rolf Schlierer ______57 3.1.2 Die Programmatik der Republikaner______64 3.1.3 Die Wählerschaft der Republikaner ______72 3.1.4 Innenansicht der Republikaner ______77 3.1.4.1 Franz Schönhuber ______81 3.1.4.2 Rolf Schlierer______84 3.1.5 Die Republikaner in den Parlamenten______89

3.2 Die Republikaner in Baden-Württemberg ______91 Inhaltsverzeichnis 3

3.2.1 Geschichte______91 3.2.1.1 Der stete Aufstieg zur größten Oppositionspartei im Lande (1984 bis 1992) ______91 3.2.1.2 Zwischen Selbstbehauptung und innerparteilicher Vorbildfunktion (1992 bis 1997)______98 3.2.2 Programmatik der Republikaner in Baden-Württemberg ______110 3.2.3 Wählerschaft der Republikaner in Baden-Württemberg ______118 3.2.4 Innenansicht ______122 3.2.4.1 Der Landesverband ______122 3.2.4.2 Die Landtagsfraktion ______127 3.2.4.2.1 Das Personal ______127 3.2.4.2.2 Die Personalprobleme______129 3.2.4.2.3 Schlierers Bemühen um Autorität in Fraktion und Partei ______130 3.2.4.2.4 Personelle Veränderungen zum Ende der 11. Legislaturperiode ______133

4 Die Untersuchung______135

4.1 Ziel der Untersuchung ______135

4.2 Hypothese______135

4.3 Konzeption der Untersuchung ______136 4.3.1 Literaturbericht ______136 4.3.1.1 Parlamentarische Oppositionen in bundesdeutschen Parlamenten ______136 4.3.1.2 Die Republikaner in Parlamenten ______140 4.3.2 Zusammenfassung und Schlußfolgerung für das Untersuchungsmodell______141 4.3.3 Datenbasis ______145 4.3.4 Vorgehensweise ______146 4.3.4.1 Qualitative Auswertung der Daten______146 4.3.4.2 Darstellung des Umfeldes und der Instrumente einer Landtagsopposition ______148 4.3.4.3 Fragestellung innerhalb des Untersuchungsdesigns ______148

5 Die Arbeit der Republikaner im Landtag - Darstellung der Ergebnisse ______150

5.1 Das Umfeld für Oppositionsparteien in Landtagen ______150

5.2 Das Instrumentarium der Republikaner-Fraktion in Baden-Württemberg ______152

5.3 Parlamentarische Initiativen ______153 5.3.1 Elfte Legislaturperiode ______154 5.3.1.1 Initiativen im Landtag 1992______154 5.3.1.2 Initiativen im Landtag 1993______158 5.3.1.3 Initiativen im Landtag 1994______163 5.3.1.4 Initiativen im Landtag 1995______167 5.3.1.5 Initiativen im Landtag 1996 bis zur Wiederwahl______173 5.3.2 Zwölfte Legislaturperiode ______174 5.3.2.1 Initiativen im Landtag 1996 nach der Wiederwahl ______174 Inhaltsverzeichnis 4

5.3.2.2 Initiativen im Landtag 1997______177

5.4 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion ______185 5.4.1 Elfte Legislaturperiode ______185 5.4.1.1 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1992______185 5.4.1.2 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1993______189 5.4.1.3 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1994______191 5.4.1.4 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1995______193 5.4.1.5 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1996 bis zur Landtagswahl ______195 5.4.2 Zwölfte Legislaturperiode ______198 5.4.2.1 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1996 nach der Landtagswahl______198 5.4.2.2 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion im Gesamtjahr 1996 ______199 5.4.2.3 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1997______199

5.5 Reden im Parlament ______205 5.5.1 Elfte Legislaturperiode ______205 5.5.2 Zwölfte Legislaturperiode ______220

5.6 Die Arbeit in den Ausschüssen ______229 5.6.1 Elfte Legislaturperiode ______229 5.6.2 Zwölfte Legislaturperiode ______240

6 Zusammenfassung der empirischen Befunde ______258 6.1 Parlamentarische Initiativen______258 6.2 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion ______267 6.3 Reden im Parlament ______271 6.4 Die Arbeit in den Ausschüssen______278 6.5 Fazit der Landtagsarbeit ______284 6.5.1 Elfte Legislaturperiode ______284 6.5.2 Exkurs: Republikaner und Grüne – Gegner im Geiste, Verwandte im Werdegang ______288 6.5.3 Zwölfte Legislaturperiode ______291 6.6 Taktik der Republikaner in der Opposition ______293

7 Resümee ______296 7.1 Die Republikaner im Stuttgarter Landtag – eine rechtsextremistische Fraktion?______296 7.2 Die Republikaner im Stuttgarter Landtag – eine etablierte Fraktion? ______301 7.3 Die Republikaner in Baden-Württemberg – eine etablierte Partei? ______308 7.4 Die Bundespartei Die Republikaner – rechtsextremistisch? ______321 7.5 Die Wirkung der Bundespartei Die Republikaner ______332 7.6 Ausblick: Baden-Württemberg – ein Sonderfall?______346

Literaturverzeichnis ______349 Lebenslauf Danksagung Zusammenfassung 5

Zusammenfassung

Die erneute Wahl der Republikaner in den baden-württembergischen Landtag 1996 ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen. Erstmals ist der Fraktion einer als rechtsextrem geltenden Partei die Wiederwahl in ein Landesparlament geglückt. Haben sich die Republikaner im baden-württembergischen Landtag damit von einer rechtsextremen zu einer etablierten, rechtsradikalen Partei entwickelt? Nachdem der Verfasser die Ursprünge, Aufgaben und Strategien von Opposition dargestellt sowie die Begriffe Opposition, rechtsextrem, rechtsradikal und Etablierung definiert hat, folgt zunächst eine Darstellung der Republikaner auf Bundes- und auf Landesebene, untergliedert nach Geschichte, Programmatik, Wählerschaft, Innenansicht sowie, im Falle der Bundespartei, der Arbeit in den Parlamenten. Die Untersuchung der Arbeit der Stuttgarter Landtagsfraktion bedient sich einer qualitativen Analyse der parlamentarischen Initiativen, der Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion, der Redebeiträge ihrer Mitglieder im Plenum sowie der Arbeit in den Ausschüssen des Parlaments zwischen 1992 und 1997, deren Inhaltsanalyse und anschließend numerischen Darstellung. Wie die Untersuchung ergibt, haben die Republikaner im Landtag von Baden- Württemberg eine weitgehend kompetitive Strategie verfolgt und sich auf diese Weise nach einer Phase der Einarbeitung vor allem in der Ausländer- und Asyl- sowie in der Innen- und Kriminalpolitik als Opposition im Parlament etabliert. Dabei profitierten sie von den jeweiligen Koalitionsfraktionen. Anstatt inhaltliche Alternativen glaubwürdig zu vertreten, übernahmen die Regierungsfraktionen oftmals Positionen der Republikaner oder versuchten entsprechenden Initiativen mit eigenen Eingaben zuvorzukommen. Die Positionen der Republikaner wurden damit zunehmend gesellschaftsfähig. Auf Bundesebene blieb der Partei unterdessen die Etablierung versagt. Nach Analyse der Arbeit im Stuttgarter Landtag bestätigt die Untersuchung den Befund des Rechtsextremismus. Auch bei den baden-württembergischen Republikanern handelt es sich nach wie vor um eine rechtsextremistische Partei, die gleichwohl vor allem während der zwölften Legislaturperiode rechtsradikale Tendenzen erkennen ließ. 1 Einleitung 6

1 Einleitung

Die Literatur zum deutschen Rechtsradikalismus und -extremismus ist umfangreich und kaum überschaubar1. Seine militanten Erscheinungsformen standen insbesondere nach der Häufung der ausländerfeindlichen Brandanschläge 1993 im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Auch die Programmatik und die Wählerschaft rechtsradikaler und -extremistischer Parteien können als hinreichend erforscht gelten. In geringerem Maße hat sich hingegen die Politikwissenschaft bislang mit dem Verhalten der Mandatsträger von Rechtsparteien in den Parlamenten beschäftigt. Die Republikaner bieten sich nicht nur deshalb als Untersuchungsgegenstand an, weil sie derzeit die schillerndste Partei der radikalen und extremen Rechten darstellen, was ihre Rezeption durch die Öffentlichkeit betrifft. Während DVU-Liste D oder NPD auf absehbare Zeit nicht gesellschaftsfähig bleiben dürften, gestaltet sich das Verhalten gegenüber den Republikanern weitaus heterogener - schon in der Frage, ob es sich um eine rechtsextremistische Partei handelt, zeigten sich die Behörden des Verfassungsschutzes lange Zeit uneins2. Nicht zuletzt aus diesem Grund besitzt die Partei auch das größte Potential im rechtsradikalen und rechtsextremen Lager. Die Republikaner in Baden-Württemberg sollen behandelt werden, weil ihnen 1996 die Wiederwahl in den Landtag glückte. Dieser Umstand garantiert nicht nur einen hinreichend langen Untersuchungszeitraum. Er führt auch zu der Frage nach den Ursachen dieses Erfolges - erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik haben die Wähler eine als extremistisch geltende Fraktion in einem Landtag bestätigt. Es handelte sich also nicht um den einmaligen Fall einer sogenannten Protestwahl, wie vorab vermutet werden darf, sondern um eine von den Wahlberechtigten sehenden Auges getroffene Entscheidung für die Mandatsträger der Partei, durch die sie ihre Interessen vielfach bereits vier Jahre zuvor am besten vertreten gesehen hatten. Um so stärker interessiert die Frage, was die Republikaner als Opposition im Landtag geleistet haben. Für die Untersuchung spricht schließlich die Quellenlage.

1 vgl. Christoph Butterwegge: Entwicklung, Stand und Perspektiven der Rechtsextremismusforschung, in Butterwegge, Birgit Griese, Coerw Krüger, Lüder Meier, Gunther Niermann: Rechtsextremisten in Parlamenten. Forschungsstand, Fallstudien, Gegenstrategien, Opladen 1997, S. 32, Wolfgang Kowalsky und Wolfgang Schröder (Hg.): Rechtsextremismus. Einführung und Forschungsbilanz, Opladen 1994, Jürgen W. Falter, Hans-Gerd Jaschke und Jürgen R. Winkler (Hg.): Rechtsextremismus. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung, Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 27/1996, S. 9 ff. 2 vgl. Hans-Gerd Jaschke: Die „Republikaner”. Profile einer Rechtsaußenpartei, Bonn 1993, S. 137 ff., sowie Horst Meier: Republikschutz auf republikanisch, in Claus Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, Berlin, 1989 und 1990, S. 170. 1 Einleitung 7

1.1 Forschungsstand

Lange Zeit ist die Beschäftigung mit dem Untersuchungsgegenstand „Die Republikaner” mit einiger Verzögerung der politischen Karriere der Partei gefolgt. Erlebten die Republikaner ein Hoch, setzte umgehend eine Vielzahl von Veröffentlichungen ein, deren Qualität gleichwohl eher zunahm, je größer der zeitliche Abstand ihrer Veröffentlichung zu den politischen Erfolgen der Partei war. In jüngster Zeit dominieren nun Arbeiten, die zunehmend ausschnittsweise das Phänomen der Republikaner behandeln. Als Publikationen, die den Gegenstand in sämtlichen Facetten behandeln, taugen zur Orientierung nach wie vor die Arbeit Hans-Gerd Jaschkes über die Partei und, zur Beschreibung des Bezugsrahmens ihrer Blütezeit, die Werke Armin Pfahl-Traughbers, Claus Leggewies sowie Thomas Assheuers und Hans Sarkowiczs3. In der Darstellung der Voraussetzungen, unter denen Die Republikaner ihren Aufstieg erlebten, erweisen sich die Veröffentlichungen von Wolfgang Benz, von Uwe Backes und Eckhard Jesse sowie von Peter Dudek und Hans-Gerd Jaschke als hilfreich. Während sich Dudek und Jaschke sowie Benz auf Voraussetzungen, Entstehung und Entwicklung des bundesdeutschen Rechtsextremismus´ konzentrieren, vertreten Backes und Jesse einen totalitarismustheoretischen Ansatz, der auch das Phänomen des Links-extremismus einschließt4. Ausschließlich zu Programmatik und Ideologie der Partei haben Helmut Kellershohn sowie Peter Wehling und Thomas Jahn Arbeiten vorgelegt5. Die Wähler der Rechtsextremen hat Jürgen Falter eingehend analysiert6; ergänzende Studien haben Lars Thomsen und Peter Loos beigesteuert7.

3 vgl. Hans-Gerd Jaschke: Die „Republikaner” - Profile einer Rechtsaußenpartei, 2. Auflage, Bonn 1993, Armin Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus. Eine kritische Bestandsaufnahme nach der Wiedervereinigung, Bonn 1993, Claus Leggewie: Die Republikaner. Phantombild der Neuen Rechten, Berlin 1989, ders.: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, Berlin 1989 und 1990, ders.: Druck von rechts. Wohin treibt die Bundesrepublik? München 1993, Thomas Assheuer/Hans Sarkowicz: Rechtsradikale in Deutschland, 2. Auflage, München 1993. 4 vgl. Uwe Backes/Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bände, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 272, Bonn 1993, Peter Dudek/Hans-Gerd Jaschke: Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, 2 Bde., Opladen 1984, Wolfgang Benz.: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen, 2. Auflage, Frankfurt 1989. 5 vgl. Helmut Kellershohn: Der völkische Nationalismus der Republikaner, Ideologie und Programmatik, 2. Auflage, Duisburg 1992, Thomas Jahn/Peter Wehling: Ökologie von rechts. Nationalismus und Umweltschutz am Beispiel der „Republikaner”, Frankfurt/New York 1991. 6 vgl. Jürgen Falter: Wer wählt rechts?, München 1994. 7 vgl. Peter Loos: Mitglieder und Sympathisanten rechtsextremer Parteien. Das Selbstverständnis von Anhängern der Partei „Die Republikaner”, Leverkusen 1996, Lars Thomsen: Das rechte Wählerpotential und die Republikaner, Marburg 1996. 1 Einleitung 8

Studien zu ausgewählten Aspekten runden das Bild ab. So haben Bernhard Schelenz sowie Sonja Bredehöft und Franz Januschek die Sprache der Republikaner eingehend untersucht8, Britta Büchner hat sich mit Republikanerinnen befaßt. Das Verhalten anderer Parteien gegenüber den Republikanern und die gängigen Erklärungsmuster ihres Erfolges hat Olaf Konstantin Krueger beleuchtet, dessen Schrift über den „abenteuerliche(n) Umgang mit den Republikanern” sich indes stark auf die Deskription beschränkt9. Dem interessierten Leser gewähren darüber hinaus die Erlebnisberichte der ehemaligen Funktionärin Alexandra Kliche und des investigativen Journalisten Michael Schomers illustrative Einblicke ins Innenleben der Partei10. Mit der langjährigen Führungsfigur Franz Schönhuber hat sich Karl Richter beschäftigt11. Weniger wissenschaftlichen als dokumentarischen Charakter hat auch die von Klaus-Henning Rosen herausgegebene Schrift „Die Republikaner - Aspekte einer rechten Partei”12. Das Bemühen, eine Broschüre zu veröffentlichen, „in der Informationen über und Argumente gegen ´Die Republikaner´ angeboten werden”13, steht erkennbar im Vordergrund. Gleichwohl haben Rosen und die Autoren eine beachtliche Fülle primärer Quellen vor allem zum Verhalten der Basis versammelt und ausgewertet. Interdisziplinär Interessierte finden wiederum in dem 1994 erschienenen Sammelband „Psychologie und multikulturelle Gesellschaft” wertvolle Denkanstöße unter anderem zu den Themen Nationalbewußtsein und neuer Nationalismus bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Nationalismus und nationale Identität, Emotionale Systembindungen bei Jugendlichen in Ost- und Westdeutschland nach der Vereinigung sowie Ursachen und Folgen von Fremdenfeindlichkeit14. Vergleichende Studien erlauben schließlich eine exaktere Einordnung der Partei in den bundesdeutschen Rechtsextremismus. So hat Eckhard Fascher die Parteigründungsprozesse von NPD und Republikanern untersucht und dabei die Frage diskutiert, ob eine

8 vgl. Bernhard Schelenz: Der politische Sprachgebrauch der Republikaner, Frankfurt 1992, Sonja Bredehöft/Franz Januschek: Doppelzüngler. Die Sprache der „Republikaner”, Duisburg 1994. 9 vgl. Britta Büchner: Republikanerinnen. Rechte Frauen, Frauenrechte und Klischees der Normalität, Pfaffenweiler 1995, Olaf Konstantin Krueger: Getrennt taktieren - gemeinsam aussitzen. Der abenteuerliche Umgang mit den Republikanern, Aachen 1994, vgl. auch ders.: Eine Republik errötet. Vom ambivalenten Verhältnis von PDS und Republikanern, Mainz 1995. 10 vgl. Alexandra Kliche: Nichts wie weg hier. Warum ich die Republikaner verlassen habe, München 1989, Michael Schomers: Deutschland ganz rechts. Sieben Monate als Republikaner in BRD und DDR, Köln 1990. 11 vgl. Karl Richter (Hg.): Franz Schönhuber. Wer ist dieser Mann? Weggefährten berichten, Landshut 1992. 12 vgl. Klaus-Henning Rosen (Hg.): Die Republikaner - Aspekte einer rechten Partei, Bonn 1991. 13 Rosen, a.a.O., S. 6. 14 Alexander Thomas (Hg.): Psychologie und multikulturelle Gesellschaft. Problemanalysen und Problemlösungen. Ergebnisse des 14. Workshop-Kongresses der Sektion Politische Psychologie im Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) in Regensburg, Göttingen 1994. 1 Einleitung 9

Modernisierung des Rechtsextremismus´ zu konstatieren ist15. Hinsichtlich ihrer Ziele, Organisationen und Wirkungsfelder sind auch NPD, DVU-Liste D und Die Republikaner bereits verglichen worden16. Benno Hafenegger hat Arbeit und Sozialstruktur der Mandatsträger von Republikanern und NPD auf kommunaler Ebene in Hessen verglichen, Norbert Lepszy und Hans-Joachim Veen haben die Arbeit von Vertretern der Republikaner und der DVU-Liste D auf kommunaler Ebene sowie in Landesparlamenten und im Europaparlament dargestellt17. Auch international angelegte Studien stehen zur Verfügung. Struktur, Entwicklung und Verhaltensimplikationen rechtsextremer Einstellungen in Europa hat Oscar W. Gabriel untersucht18. Parallelen zwischen Republikanern und der Freiheitlichen Partei Österreichs ergründete Britta Obszerninks in ihrer 1999 erschienenen Schrift „Nachbarn am rechten Rand”19. Einen Vergleich der radikalen Rechten in den USA, Frankreich und Deutschland hat Michael Minkenberg vorgelegt20. Unter den jüngeren Veröffentlichungen ist auch die Publikation Katharina Behrends hervorzuheben, da die Autorin nicht zuletzt dank eines umfangreichen Privatarchivs zahlreiche Primärquellen über die NPD und Die Republikaner erschlossen hat21. Dem Anspruch, aufgrund der Datenlage „abseits der gängigen Praxis der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Sekundärtexten...erstmals der Frage nach der Bedeutung der nationalen Rechten im politischen System der BRD... nachzugehen22”, wird sie jedoch nicht gerecht. Vielmehr liest sich die Schrift allzu oft wie eine Apologie, was die Autorin beizeiten rechtfertigt mit dem Argument, „der objektive Wahrheitsgehalt aller Veröffentlichungen” müsse mit Vorsicht betrachtet werden. Behrend begründet dies weder methodisch noch

15 Eckhard Fascher: Modernisierter Rechtsextremismus?. Ein Vergleich der Parteigründungsprozesse der NPD und der Republikaner in den sechziger und achtziger Jahren, Diss., Berlin 1994. 16 vgl. Bernd Neubacher: NPD, DVU-Liste D, Die Republikaner. Ein Vergleich ihrer Ziele, Organisationen und Wirkungsfelder, Köln 1996. 17 vgl. Benno Hafenegger: Politik der „extremen Rechten”. Eine empirische Untersuchung am Beispiel der hessischen Kommunalparlamente, Schlabach 1995, ders.: Sozialstruktur der extremen Rechten. Eine empirische Studie über die Mandatsträger der „Republikaner” und der NPD in hessischen Kommunalparlamenten, Schlabach 1997, Norbert Lepszy/Hans-Joachim Veen: „Republikaner” und DVU in kommunalen und Landesparlamenten sowie im Europaparlament, Wiesbaden 1994. 18 vgl. Oscar W. Gabriel: Rechtsextreme Einstellungen in Europa: Struktur, Entwicklung und Verhaltens- implikationen, in: Jürgen W. Falter, Hans-Gerd Jaschke und Jürgen R. Winkler: Rechtsextremismus. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung, Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 27/1996, S. 344- 360. 19 vgl. Britta Obszerninks: Nachbarn am rechten Rand. Republikaner und Freiheitliche Partei Österreichs im Vergleich, Münster 1999. 20 vgl. Michael Minkenberg: Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland, Opladen/Wiesbaden 1998. 21 vgl. Katharina Behrend: NPD - REP. Die Rolle nationalistischer Bewegungen im politischen System der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel von NPD und Republikaner im historischen Vergleich, Regensburg 1996. 22 Behrend, a.a.O., S. 9. 1 Einleitung 10 inhaltlich, sondern mit dem als Makel aufgefaßten Befund, die Autoren stünden, sofern nicht selbst Aktive oder Ehemalige, dem geistigen Gedankengut der Republikaner „negativ, kritisch bis ablehnend” gegenüber. Das gesamte Schriftwerk erscheint ihr daher „eher als tendentiell (Fehler im Original, d. A.) quantitativ aufgeblähter Protest”23.

1.2 Erkenntnisinteresse

In der Gesamtschau erweisen sich die Republikaner auf Bundesebene somit als hinreichend erforschter Untersuchungsgegenstand. Die zufriedenstellende Quellenlage ermöglicht es, die Entwicklung der Partei recht lückenlos darzustellen. Auf den baden-württembergischen Landesverband der Partei trifft dies nicht zu. Wer seine Geschichte verfolgen wollte, war bislang auf die in ihrem Blickwinkel eingeschränkten Publikationen der Behörden des Verfassungsschutzes angewiesen. Als allenfalls begrenzt erforscht erweist sich auch das Verhalten der Mandatsträger der Republikaner. Zwar haben Birgit Griese und Gunther Niermann im 1997 erschienenen, aufschlußreichen Sammelband „Rechtsextremisten in Parlamenten” die Republikaner auf kommunaler Ebene in Köln, Dortmund und Hamm unter die Lupe genommen24. Die Fraktion der Republikaner im Landtag Baden-Württembergs aber stellt, abgesehen von einem Beitrag25 Lüder Meiers und Birgit Grieses in derselben Publikation und der vergleichenden Arbeit Norbert Lepszys und Hans-Joachim Veens über die Vertreter von Republikanern und DVU-Liste D auf kommunaler Eben sowie in Landesparlamenten und im Europaparlament, weitgehend wissenschaftliches Neuland dar. Eine Analyse des Verhaltens der Republikaner im Landtag im Verlauf verschiedener Legislaturperioden fehlt bislang völlig. Die Arbeit will nicht nur diese Lücke schließen: Durch ihre neuerliche Wahl ins Parlament im März 1996 werden die Republikaner wegen der verlängerten 12. Legislaturperiode zumindest für die Dauer von neun Jahren im Landtag vertreten sein. Damit haben sie es als erste rechtsextreme Partei geschafft, sich in einem bundesdeutschen Landtag zu etablieren, lautet die These dieser Arbeit. Demnach lassen die Republikaner zwar zunehmend rechtsradikale Tendenzen erkennen, bewahren aber ihr rechtsextremistisches Profil. Unter

23 Behrend, ebenda, S. 19 f. 24 vgl. Birgit Griese/Gunther Niermann: Rechtsextremisten in nordrhein-westfälischen Kommunalparlamenten (1989-1994), in: Christoph Butterwegge, Birgit Griese, Coerw Krüger, Lüder Meier, Gunther Niermann: Rechtsextremisten in Parlamenten. Forschungsstand, Fallstudien, Gegenstrategien, Opladen 1997. 25 vgl. Lüder Meier/Birgit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg (1992-1996), in: Christoph Butterwegge, Birgit Griese, Coerw Krüger, Lüder Meier, Gunther Niermann: Rechtsextremisten in Parlamenten.: Forschungsstand, Fallstudien, Gegenstrategien, Opladen 1997, S. 209-243. 1 Einleitung 11 dieser Fragestellung ist das Erscheinungsbild als rechtsextremistisch geltender Parteien in bundesdeutschen Parlamenten bisher nicht untersucht worden.

1.3 Aufbau der Untersuchung und Methode

Im theoretischen Teil stellt die Untersuchung nach einer Analyse des Forschungsstandes zu Opposition zunächst die verschiedenen Modelle von Oppositionsarbeit vor. In der Hauptsache stehen sich dabei die kooperative Strategie, die eine Annäherung an die Regierung anstrebt, und die kompetitive Strategie, die auf Konfrontation setzt, gegenüber, die wiederum unterschiedliche Implikationen für die parlamentarische Arbeit nach sich ziehen. Unter anderem gilt es dabei im theoretischen Teil zu klären, was als etabliert zu verstehen ist. Zwar führen verschiedene Publikationen zur Parteiforschung den Begriff teilweise sogar im Titel, eine Definition sucht der Leser indes bislang vergebens. Es schließt sich eine geraffte Darstellung der Entwicklung der Bundespartei an, die eine Einordnung der baden- württembergischen Republikaner und deren Fraktion ins Umfeld der bundesweiten Organisation ermöglicht. Überdies tut eine extremismustheoretische Einordnung der Partei not, wie nicht zuletzt das lange Zeit heterogene Verhalten der Behörden für Verfassungsschutz belegt hat. Mit der Diskussion des Begriffes Extremismus26 sowie mit der Definition von Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus beschäftigt sich der Verfasser unter dem entsprechenden Gliederungspunkt. Einstweilen bezeichnet er die Republikaner als rechts, um nicht der Klärung der Frage vorzugreifen, ob es sich um eine rechtsradikale oder um eine rechtsextreme Partei handelt. Das Attribut rechts kann daher im Folgenden die Verfassungswidrigkeit beinhalten. Die parlamentarische Arbeit der Republikaner im baden-württembergischen Landtag erfaßt die Untersuchung durch eine qualitative Analyse, verbunden mit einer numerischen Darstellung. Als Primärquellen dienen dabei zunächst die Landtagsdrucksachen. Sie dokumentieren neben den Redebeiträgen der Republikaner im Landtag die parlamentarischen Initiativen der Abgeordneten, zu denen die Gesetzentwürfe, die Anträge sowie die Anfragen im Landtag zählen. Primärquellen sind ferner die Pressemitteilungen der Fraktion sowie verschiedene interne Schreiben, die Aufschluß über das Innenleben der Fraktion geben, ferner sonstige Veröffentlichungen der Fraktion. Als Sekundärquellen dienen neben entsprechender Forschungsliteratur auch Artikel aus Tages- und Wochenzeitungen sowie Agenturmeldungen.

26 vgl. hierzu Armin Pfahl-Traughber: Der Extremismusbegriff in der politikwissenschaftlichen Diskussion - Definitionen, Kritik, Alternativen, in: Uwe Backes; Eckhard Jesse (Hg.): Jahrbuch Extremismus und Demokratie, Bd. 4, Bonn 1992, S. 67 ff. 1 Einleitung 12

Die Untersuchung beschränkt sich dabei für die 12. Legislaturperiode auf die Jahre 1996 und 1997, die derzeit noch andauernde Gesetzgebungsphase erforderte eine zeitliche Beschränkung. An eine deskriptive Darstellung der Befunde schließt sich eine Bewertung an. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt der Betrachtung: 1. Wie verhalten sich die Republikaner im Stuttgarter Landtag? 2. Streben Sie eine Koalition an oder wollen sie sich in erster Linie als Oppositionspartei profilieren? 3. Wo setzen sie inhaltlich die Schwerpunkte? 4. Wie präsentieren sie sich in den Mitteilungen ihrer Fraktion, in ihren Anträgen und Anfragen, im Parlament sowie in den Ausschüssen? Sind Unterschiede festzustellen? 5. Wie begegnen die etablierten Parteien den Republikanern? 6. Haben sich die Republikaner im Stuttgarter Landtag etabliert? 7. Haben sich die Republikaner dabei von einer rechtsextremistischen zu einer rechtsradikalen Partei entwickelt?

Vor diesem Hintergrund ordnet die Arbeit schließlich die baden-württembergischen Republikaner in den landes- und bundesweiten Kontext ein und bemüht sich um eine Antwort auf die Frage, wie die übrigen Parteien den Republikanern wirksam begegnen könnten. In einer Schlußbetrachtung wird die Frage aufgeworfen, ob und gegebenenfalls inwiefern die Wähler in Baden-Württemberg eine besondere Affinität zu rechtsradikalen oder rechtsextremistischen Parteien besitzen und ob der Erfolg der Republikaner im Südwesten auch in anderen Bundesländern möglich ist. Mancherorts wird die Partei als „Republikaner” allenfalls apostrophiert, weil der Geist der Partei mit dem originären Begriff der Republik als Abgrenzung zur Monarchie nicht viel gemein habe27. Der Verfasser ist sich der Gefahr der eventuellen Begriffsumwertung bewußt, verzichtet aber dennoch auf die Apostrophierung, da gerade das Benennen des ideologischen Standorts der Republikaner zum Gegenstand dieser Arbeit zählt und deswegen nicht im vorhinein präjudiziert sein soll.

27 so verfährt Hans-Gerd Jaschke: Die „Republikaner” - Profile einer Rechtsaußen-Partei, 2. Auflage, Bonn 1993; vgl. auch Dieter Langewiesche: Republik und Republikaner. Von der historischen Entwertung eines politischen Begriffs, Essen 1993, vgl. ferner Norbert Lepszy/Hans-Joachim Veen: „Republikaner” und DVU in kommunalen und Landesparlamenten sowie im Europaparlament, Wiesbaden 1994 2 Begriffliche Fragen 13

2 Begriffliche Fragen

Die Arbeit geht der Frage nach, ob sich die Fraktion der Republikaner im Landtag Baden- Württemberg zwischen 1992 und Ende 1997 etabliert und dabei von einer rechtsextremen zu einer rechtsradikalen Partei entwickelt hat. Als nicht an der Regierungskoalition beteiligte Fraktion kam der Abgeordnetengruppe der Republikaner in beiden Legislaturperioden die Rolle einer Oppositionsfraktion zu. Um zu bestimmen, ob die Fraktion ihre Funktion als Opposition derart wahrgenommen hat, daß sie sich im Landtag etabliert hat, gilt es zunächst, Wesen und Aufgaben von Opposition zu klären. An diesem Maßstab läßt sich eine eventuelle Etablierung der Fraktion der Republikaner im Stuttgarter Landtag feststellen. In Kapitel 2 folgt deshalb auf die Definition des Oppositionsbegriffes ein kurzer Abriß der Entwicklung seiner wissenschaftlichen Erforschung. Danach geht der Verfasser auf die historischen Ursprünge von Opposition sowie deren Verständnis hierzulande ein und beleuchtet ihre Aufgaben und Strategien. Definitionen der Begriffe Etablierung, Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus schließen sich an.

2.1 Definition von Opposition

Parlamentarische Opposition wird im Folgenden verstanden als Abgeordnetengruppe oder Fraktion mit Sitz in den Gremien der Legislative, die, hierzulande auf Landes- oder Bundesebene, weder an der Regierung beteiligt ist noch sie unterstützt und auf ihre Ablösung hinarbeitet. Dabei liegen die drei möglichen Hauptfunktionen28 in der Kritik an und in der Kontrolle von der Regierung sowie in der Entwicklung und Präsentation politischer und personeller Alternativen, außerdem in der Beteiligung an der politischen Willensbildung innerhalb und außerhalb des Plenums29. Diese Definition umfaßt auch eine Opposition, die nicht selber die Macht übernehmen will, sondern nur den Sturz der momentanen Regierung anstrebt. Entgegen anderen Begriffsbestimmungen30 sind auch Abgeordnetengruppen und

28 vgl. die Einteilung nach möglichen Hauptfunktionen in Dolf Sternberger: Opposition des Parlaments und parlamentarische Opposition, in Hans-Gerd Schumann (Hg.): Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, Darmstadt 1976, S. 67. 29 vgl. Schindler, Götz: Die These von der Opposition ohne Alternative im Rahmen der politikwissenschaftlichen Oppositionsforschung, Diss., Bremen 1993, S. 4, zur Abgrenzung zu Widerstand und anderen Begriffen vgl. Bode, Ingeborg: Ursprung und Begriff der parlamentarischen Opposition, Stuttgart 1962, S. II. 30 vgl. Schindler, ebenda, der den Begriff nur für das Grundgesetz bejahende Parteien gelten lassen will. 2 Begriffliche Fragen 14

Fraktionen berücksichtigt, die die Grundsätze der Verfassung prinzipiell in Frage stellen31. Auch sie können eine, freilich extremistische, Opposition darstellen, wie die NPD in den Landtagen der sechziger Jahre gezeigt hat. Ob es sich auch bei den Republikanern im Landtag Baden-Württembergs um eine extremistische Opposition handelt, gilt es erst noch zu klären. Die Nationaldemokraten saßen in den Parlamenten als demokratisch legitimierte Vertreter einer rechtsextremen Partei und propagierten dort eine andere Politik. Zwar erwiesen sie sich in der parlamentarischen Praxis vielfach als inkompetent und forcierten Angelegenheiten, für die der Landtag nicht zuständig war32. An dem prinzipiellen Befund, daß sie eine originäre parlamentarische Opposition bildeten, ändert dies nichts. An die Definition von parlamentarischer Opposition qualitative Anforderungen zu stellen, hieße, den Terminus zu einem politischen Kampfbegriff zu entwerten. Michael Hereth hat parlamentarische Opposition definiert als Partei, vor allem als deren parlamentarische Spitze, die nicht an der Regierung beteiligt ist, sich dieser und der sie tragenden Regierungsmehrheit bewußt gegenüberstellt und die durch Kritik der Regierungspolitik und Darstellung ihrer sachlichen und personellen Alternativen danach strebt, mit Zustimmung der Wähler die Regierung auf verfassungsmäßigem Wege im Amte zu ersetzen33. Neben ihrer tautologischen Schwäche krankt diese Definition nicht nur an einer zu strengen Eingrenzung des Begriffes für oppositionelle Erscheinungsformen auf verfassungsgemäße Politik, die extremistische Abgeordnetengruppen außer acht läßt. Hereth zufolge betriebe zum Beispiel auch eine Fraktion keine Opposition, die sich aus Prinzip der Regierung widersetzt, ohne aber die Macht übernehmen zu wollen. Laut Hereth darf sie nicht einmal den Wechsel per konstruktivem Mißtrauensvotum anstreben, da die Zustimmung der Wähler erforderlich ist. Nach seiner Definition hat sich eine Parlamentsminderheit außerdem sowohl der Kritik als auch der Darstellung von Alternativen zu befleißigen, um als Opposition zu gelten. Die Funktion der Kontrolle scheint dagegen ersatzlos zu entfallen. Tatsächlich aber steht es der Opposition frei, ihre Arbeit je nach Strategie frei zu gestalten. Dahl geht in seiner Definition, die auch die außerparlamentarische Opposition umfaßt, sogar so weit, die Bestimmung allein darauf zu beschränken, daß eine Gruppe in einem politischen

31. vgl. Kimmel, Adolf: Parlamentarische Opposition und parlamentarische Kontrolle, in: Neue politische Literatur, 24/1979, Heft 3, S. 349, der sich ebenfalls gegen die Einengung des Oppositionsbegriffes wendet. 32 vgl. Wolfram Dorn: NPD - Neuer Anfang eines furchtbaren Endes?, Köln 1968, S.191 ff, Lutz Niethammer: Angepaßter Faschismus, Politische Praxis der NPD, Frankfurt/Main 1969, S. 97. 33 vgl. Michael Hereth: Parlamentarische Opposition in Deutschland am Beispiel des Verhaltens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion von 1949-1966, Diss., Nürnberg 1969, S. II. 2 Begriffliche Fragen 15

System sich in der Minderheit und dabei im Widerspruch zur Politik der Mehrheit befindet34. Aus den Hauptfunktionen ergeben sich keinerlei Handlungsdirektiven für die Opposition. Die Funktionen, die ohnehin voneinander kaum zu trennen sind, bezeichnen eher das Ergebnis der Bemühungen in der parlamentarischen Praxis, stellen aber nicht deren Voraussetzung dar. Gleichwohl benennen sie die bevorzugten Instrumente und Tätigkeitsfelder parlamentarischer Opposition und dienen der näheren Bestimmung des Begriffs. Um den vielfältigen Erscheinungsformen parlamentarischer Opposition gerecht zu werden, die Definition dabei aber möglichst eng zu fassen, empfiehlt es sich daher, Kritik, Kontrolle und das Aufzeigen von Alternativen nur als mögliche Hauptfunktionen von Opposition aufzufassen35.

2.2 Ursprünge von Opposition und ihr Verständnis in Deutschland

2.2.1 Theoretische Erfassung in der politikwissenschaftlichen Literatur

In den vergangenen Jahrzehnten erfreute sich die Opposition als Forschungsgegenstand durchaus wechselhaften Interesses. Nach einer Hochkonjunktur des Themas in den sechziger und in den siebziger Jahren haben in den achtziger und neunziger Jahren eher Arbeiten zu einzelnen Fragen denn der Entwurf allgemeiner Theorien über Opposition die wissenschaftliche Landschaft geprägt. Inzwischen präsentiert sich eine breite Palette von Veröffentlichungen36. Zunächst indes schien das Feld der Oppositionsforschung in der Bundesrepublik weitgehend unbestellt zu bleiben. So beklagte Hans-Gerd Schumann noch Mitte der sechziger Jahre das Schattendasein der Opposition als „Stiefkind der deutschen Forschung”37. Dabei waren auch zu diesem Zeitpunkt bereits aufschlußreiche Untersuchungen erschienen. Unter anderem hatte Ingeborg Bode den Ursprung und den Begriff der parlamentarischen Opposition zu klären versucht38. Schon Mitte der fünfziger Jahre hatte die Forschungsgruppe Dolf Sternbergers eine achtbändige Reihe zu Parteien, Fraktionen und Regierungen vorgelegt, die sich auch mit den

34 vgl. Dahl: Political Oppositions in Western Democracies, a.a.O., Preface, S. XVI. 35 so verfährt auch Sternberger: Parteien, Fraktionen, Regierungen (Schriftenreihe der Vereinigung für die Wissenschaft von der Politik), 8 Bde., Meisenheim am Glan 1954-1956, Band I, a.a.O., S. 134. 36 vgl. Walter Euchner (Hg.): Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, Göttingen 1993, S. 13. 37 vgl. Hans-Gerd Schumann: Die Opposition - Stiefkind der deutschen Forschung?, in: Der Staat, 5. Band, 1966, S. 81-85. 38 vgl. Ingeborg Bode: Ursprung und Begriff der parlamentarischen Opposition, Stuttgart 1962 2 Begriffliche Fragen 16

Themen Koalition und Opposition beschäftigt und dabei die wichtige Rolle der Ausschußarbeit herausgestellt hatte39. Im Vergleich zu der Konjunktur, welche die Thematik in den sechziger und siebziger Jahren erlebte, mußte dieser Forschungsaufwand indes gering wirken. Die bald einsetzende starke Beschäftigung mit Opposition wird vielfach und nicht ohne Grund auf die Impulse durch die grundlegende Untersuchung Robert A. Dahls über „Political Oppositions in Western Democracies” und auf dessen heute noch immer gültige Typologisierung oppositioneller Erscheinungsformen als kompetitiv oder kooperativ zurückgeführt40. Den „Auftakt zur modernen Oppositionsforschung”41 hatte jedoch bereits 1964 Otto Kirchheimer mit seinem Aufsatz „Wandlungen der politischen Opposition” gegeben. Wie er aufzeigte, hatten Oppositionskräfte wie die ehemals radikale Sozialdemokratie, die einen revolutionären Umbau der Gesellschaft angestrebt hatte, aufgrund ökonomischer und sozialer Wandlungen ihre Schubkraft eingebüßt42. War ein marxistisches Programm im 19. Jahrhundert noch unter anderem aufgrund der sozialen Lage der Arbeiterschaft plausibel erschienen, so hatten die großen Parteien in der Nachkriegszeit zunehmend auf Systemkritik verzichtet und beschränkten sich nurmehr auf wirtschafts- und sozialpolitische Korrekturen43. Mit dem Rückgang der sozialen Polarisierung war demnach ein Rückgang der politischen Polarisierung verbunden, wie Kirchheimer darlegte44. Hierzulande dürfte die Hinwendung zu Fragen der Opposition auch auf die Anfänge einer außerparlamentarischen Opposition zurückzuführen gewesen sein, ferner auf ein zunehmendes Unbehagen angesichts einer Großen Koalition auf Bundesebene und damit einer CDU/CSU, die nunmehr seit Gründung der Bundesrepublik in der Regierungsverantwortung stand. Dabei brach sich ein ausgemachter „Oppositionspessimismus”45 Bahn. Angesichts der damaligen bundespolitischen

39 vgl. Sternberger, Dolf: Parteien, Fraktionen, Regierungen (Schriftenreihe der Vereinigung für die Wissenschaft von der Politik), 8 Bde., Meisenheim am Glan 1954-56, Band I: Studien über Koalition und Opposition. 40 vgl. Robert A. Dahl: Political Oppositions in Western Democracies, 2. Auflage, New Haven-London 1967, vgl. auch Adolf Kimmel: Parlamentarische Opposition und parlamentarische Kontrolle, in: Neue politische Literatur, 24/1979, Heft 3, S. 345. 41 Walter Euchner (Hg.): Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, Göttingen 1993, S. 12. 42 vgl. Otto Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, in: ders.: Politik und Verfassung, Frankfurt 1964, S. 123-150. 43 vgl. Walter Euchner (Hg.): Politische Opposition, a.a.O., S. 12 f. 44 vgl. Otto Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, in: ders.: Politik und Verfassung, Frankfurt 1964, S. 142. 45 Götz Schindler: Die These von der Opposition ohne Alternative im Rahmen der politikwissenschaftlichen Oppositionsforschung, Diss., Bremen 1983, S.3. 2 Begriffliche Fragen 17

Konstellation sah mancher Beobachter schlechthin die „Erfolgschancen parlamentarischer Opposition in Frage”46 gestellt. Nun rückten zunehmend die Verfechter der These von der Opposition ohne Alternative in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die sich bereits vor Kirchheimer, und weitaus radikaler als er, zur Entwicklung von Opposition zu Wort gemeldet hatten. Anfang der sechziger Jahre hatten sie ihre These entwickelt, deren Diskussion freilich erst gegen Ende des Jahrzehnts ihren Höhepunkt erlebte. Wo sich Kirchheimer weitgehend auf die Beschreibung einer Entwicklung beschränkte, schlossen die Vertreter der These von der Opposition ohne Alternative auf die prinzipiellen Chancen von Opposition. Die Verfechter dieses Ansatzes, allen voran Manfred Friedrich47, sahen den Wechsel der Macht von der Regierung zur Opposition im Prinzip erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht, da es der parlamentarischen Opposition im Wohlfahrtsstaat immer schwerer falle, die Wählerschaft mit einer klar erkennbaren Alternative zur Regierungspolitik zu konfrontieren48. Friedrich beschrieb zunächst die Ausweitung der staatlichen Sozialgestaltung seit Beginn der fünfziger Jahre, die sich seiner Ansicht nach nicht als eine bloße Akzentverschiebung interpretieren ließ. Im Vordergrund stehe nun nicht mehr die Beschäftigungsgarantie, sondern die Garantie des Konsums, des allgemeinen Lebensstandards sowie der sozialen Besitzstände. Der Staat habe sich damit in einen riesigen Haftungsverband verwandelt, der den einzelnen Bürger gegen alle denkbare Lebensrisiken versichere49. Indem die Schichten, die noch an einer grundsätzlichen Änderung des gesellschaftlichen Systems interessiert sein könnten, zu Teilhabern des modernen sozialen Sicherheitssystems würden, solle ihre Abstinenz von allen politischen Auseinandersetzungen um Fragen erreicht werden, die sich auf den grundsätzlichen Platz der Gesellschaftsgruppen im Sozialgefüge bezögen. Das Ziel von Regierungspolitik liege nunmehr nicht nur in der wirtschaftlichen Stabilität, sondern auch in der Zementierung des politischen Status quo. Die Opposition hingegen müsse sich nun ihrerseits auf arrivierte Schichten stützen und könne daher mangels gesellschaftlicher Außenseiter nicht mehr durch ein inhaltlich anderes Programm, das diese Gruppen vertrete, mit der Regierung konkurrieren50. Friedrichs Analyse gipfelte in dem Befund: „Durch seine außerordentliche Integrationsleistung auf sozialem Gebiet hat der moderne Wohlfahrtsstaat

46 Michael Hereth: Parlamentarische Opposition in Deutschland am Beispiel des Verhaltens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion von 1949-1966, Diss., Nürnberg 1969, S. 2. 47 vgl. Manfred Friedrich: Opposition ohne Alternative? Über die Lage der parlamentarischen Opposition im Wohlfahrtsstaat, Köln 1962. 48 vgl. ebenda, S. 48. 49 vgl. ebenda, S. 13 ff. 50 vgl. ebenda, S. 48. 2 Begriffliche Fragen 18 die Demokratie als gesellschaftliches Ziel überholt”51. Friedrich knüpfte damit an eine Einschätzung von Siegfried Landshut aus dem Jahre 1955 an. Demnach geht die Erwartung, die der Wähler einer nivellierten Einheitsgesellschaft an die Regierung stellt, „fast ganz nur in eine Richtung: sie soll für eine reichlichere Ausstattung mit den gewünschten Lebensgütern Sorge tragen und das nationale Einkommen in der Weise verteilen, daß das Plus und Minus oberhalb und unterhalb einer materiellen Mittellage soweit wie möglich ausgeglichen wird”52. Noch weiter ging Ekkehart Krippendorff, dessen Analyse den Begriff des Oppositionspessimismus trefflich zu illustrieren vermag. Krippendorff zufolge nahte bereits gar das „Ende des Parteienstaats europäischer Prägung”53, da es in den vorangegangenen Jahren keiner Oppositionspartei eines parlamentarisch-demokratischen Staates gelungen sei, per Wahlsieg die Regierungsgewalt zu übernehmen. Es sei davon auszugehen, führte Krippendorff an, daß sich aufgrund der inzwischen erarbeiteten volkswirtschaftlichen Kenntnisse prinzipiell jede ernsthafte Wirtschaftskrise vermeiden lasse und darüber hinaus auch die rationale Planung ökonomischer Prozesse möglich geworden sei. Wegen der verfeinerten Methoden zur Erforschung sozialen Verhaltens seien kollektive Unzufriedenheiten überdies beizeiten zu erkennen, psychologisch zu analysieren und zu beseitigen. Die Regierungsmehrheiten verstünden es zugleich zunehmend, sich der Mittel ökonomischer und ideologischer Steuerung zu bedienen, krisenfest zu werden und somit den Oppositionsparteien systematisch die soziologisch und agitatorische Basis zu nehmen54. Auch fand sich eine Interpretation des Forschungsstandes gemäß der Lehre vom staatsmonopolistischen Kapitalismus, wonach „das auf der Verschmelzung von Monopolmacht und Staatsmacht beruhende System den relativen gesellschaftlichen Pluralismus - der in der vorausgegangenen Phase ein systemkonformes, die Kapitalherrschaft stabilisierendes Element war - nicht mehr vertragen” könne55. Während solche Thesen kaum

51 ebenda, S. 70 52 Siegfried Landshut: Formen und Funktionen der parlamentarischen Opposition, in: Wirtschaft und Kultursystem (Festschrift für Alexander Rüstow zum 70. Geburtstag), hg. v. Gottfried Eisermann, Zürich/Stuttgart 1955, S. 225, vgl. zu Landshut und Friedrich wiederum den Einwand von Raschke: „Es ist zu formal, nur von einem heute allein noch möglichen ´Mehr´ oder `Weniger´ zu sprechen, wenn in einem Staat zwar alle Parteien für Bildungspolitik sind, eine Partei aber bereit ist, alles nur mögliche für die tatsächliche Mobilisierung auch der letzten Begabung zu unternehmen. Es gibt hier einen Umschlag von der Quantität in die Qualität”, zit. nach Raschke: Die Zukunft der Opposition, in: Die Neue Gesellschaft XIV, 1967, S. 94 f. 53 Ekkehart Krippendorff: Das Ende des Parteienstaates?, in: Der Monat XIV, 1961/62, S. 69. 54 vgl. Ekkehart Krippendorff: Das Ende des Parteienstaates?, in: Der Monat XIV, 1961/62, S. 67 f. 55 nach Reinhard Opitz: Grundfragen oppositioneller Alternative und Strategie, in: ders./Hitzer, Friedrich (Hg.): Alternativen der Opposition, Köln 1969, S. 395. 2 Begriffliche Fragen 19 konsensfähig waren und der Ansatz Krippendorffs auf scharfe Kritik stieß56, entfaltete die These von der Opposition ohne Alternative breite Wirkung57. Bereits in den siebziger Jahren wurde indes offenbar, daß sowohl die Verfechter der These von der Opposition ohne Alternative als auch Krippendorff, indem sie die von Kirchheimer beobachtete Wandlung der Opposition als deren Verschwinden interpretiert hatten, voreilige und falsche Schlüsse aus der politischen und wirtschaftlichen Situation jener Jahre gezogen hatten58 - voreilig, weil die SPD bereits 1972 demonstrieren sollte, wie eine Opposition im Wohlfahrtsstaat an die Macht kommen kann, falsch unter anderem deshalb, weil die Verfechter der These von der Opposition ohne Alternative soziale und politische Integration mit gesellschaftlicher Harmonie verwechselt hatten59. So gehen in zahlreichen Fragen etwa des Staatsangehörigkeitsrechts oder der Drogenpolitik die Meinungen auch in einem Wohlfahrtsstaat auseinander. Friedrich und die Verfechter seiner These hatten zudem die Wandlungsfähigkeit der Gesellschaft unterschätzt. Im Zeitalter von Postmoderne und Individualisierung bieten sich einer Opposition auch in einem um Ausgleich bemühten Sozialstaat genügend Ansatzpunkte, sich gegenüber der Regierung zu positionieren. Darüber hinaus kann sie sich schon aufgrund kompetenteren Personals der Wählerschaft als Alternative empfehlen. Nicht zuletzt bieten die in den neunziger Jahren erodierten sozialen Sicherungssysteme erneut Ansätze zur Profilierung auch in der Frage der Verteilung von Wohlstand. Daß unter anderem auch die Methoden und das Personal über die Erfolgschancen einer Opposition entscheiden, daß sich die politischen Fragestellungen durchaus modifizieren und daß der Vorsprung der Regierungspartei schon schwinden kann, wenn die Hochkonjunktur und damit der Wohlfahrtsstaat einen Abschwung erleben - Friedrich hatte es an verschiedenen Stellen in seinem Text bereits angedeutet60. Seine Analyse traf gleichwohl insofern zu, als sich Opposition mit der Entwicklung des Sozialstaates von der System- zur Regierungsalternative gewandelt hatte. In den achtziger Jahren hat Götz Schindler die These von der Opposition ohne Alternative rückblickend anhand der Realität überprüft und

56 vgl. zu Krippendorff stellvertretend Joachim Raschke: Die Zukunft der Opposition, in: Die Neue Gesellschaft, XIV,. 1967, S. 92, Anm. 5, der unter anderem die „fast visionäre Sicht der von der Regierung zu benutzenden Sozialwissenschaften” kritisiert. 57 bezogen auf Europa diskutiert und entkräftet sie in bezug auf Dänemark, Schweden und Norwegen Nils Stjernquist, Opposition ohne Alternative? Ein Schlagwort der fünfziger und sechziger Jahre und neuere Entwicklungen in Skandinavien, in Heinrich Oberreuter (Hg.): Parlamentarische Opposition, Ein internationaler Vergleich, Hamburg 1975, S. 177-206. 58 vgl. Kimmel, a.a.O., S. 346, vgl. hierzu aus dem Jahre 1993 auch Walter Euchner;: Politische Opposition, a.a.O., S. 19. 59 vgl. Hereth: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 5. 60 vgl. Friedrich: Opposition ohne Alternative?, a.a.O., S. 55, 61 und 105. 2 Begriffliche Fragen 20 abschließend gewürdigt61. Durch das Ergebnis der Bundestagswahl am 27. September 1998 dürften sich die Verfechter dieses Ansatzes erneut von der Realität widerlegt fühlen. Seither wurde keine solch generelle These zur Entwicklung von Opposition mehr aufgestellt. Statt dessen hat sich die Wissenschaft zunehmend auf die Untersuchung einzelner Aspekte verlagert. Die Entwicklung der Forschung läßt sich in verschiedenen Sammelbänden verfolgen. Über die Situation der bundesdeutschen Oppositionsforschung bis Beginn der siebziger Jahre bietet der Sammelband Hans-Gerd Schumanns einen probaten Überblick62. Den Forschungsstand bis Mitte der siebziger Jahre im europäischen und nordamerikanischen Vergleich hat der von Heinrich Oberreuter herausgegebene Band zusammengefaßt63. Zu Beginn der neunziger Jahre schließlich hat Walter Euchner die politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich dargestellt64. Zu verschiedenen Fragen lieferte die Politische Wissenschaft gleichwohl wertvolle Erkenntnisse: Dieter Grosser hat die historischen Hypotheken für die Opposition in Deutschland beleuchtet65. Hans-Peter Schneider hat in seiner Habilitationsschrift die verfassungsrechtlichen Bedingungen der Opposition in der Bundesrepublik untersucht und nachgewiesen, daß die demokratische Ordnung des Grundgesetzes zumindest in wesentlichen Teilbereichen auf Oppositionsfreiheit hin angelegt ist. Zudem hat er das verfassungspolitische Gebot der Institutionalisierung konkreter Möglichkeiten des Machtwechsels unmittelbar auf das demokratische Prinzip des Grundgesetzes zurückgeführt66. Lage, Rolle und Chancen nicht-etablierter Parteien in der Bundesrepublik hat Manfred Rowold untersucht67. An ein breiteres Publikum wenden sich die noch immer lesenswerten68 Monographien von Hannah Vogt69 sowie von Ghita Ionescu und Isabel de Madariaga70. Während Vogt die

61 vgl. Götz Schindler: Die These von der Opposition ohne Alternative im Rahmen der politikwissenschaftlichen Oppositionsforschung, Bremen 1983. 62 vgl. Hans-Gerd Schumann (Hg.): Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, Darmstadt 1976, vgl. die kritische Würdigung in Kimmel, a.a.O., S. 345 ff. 63 vgl. Heinrich Oberreuter (Hg.): Parlamentarische Opposition, Ein internationaler Vergleich, Hamburg 1975. 64 Walter Euchner (Hg.): Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, Göttingen 1993. 65 Dieter Grosser: Die Sehnsucht nach Harmonie: Historische und verfassungsstrukturelle Vorbelastungen der Opposition in Deutschland, in: Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 206-230. 66 vgl. Hans-Peter Schneider: Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, Frankfurt/Main 1974, S. 410, vgl. auch die Kritik von Kimmel, a.a.O., S. 348 ff. 67 vgl. Manfred Rowold: Im Schatten der Macht. Zur Oppositionsrolle der nicht etablierten Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte, Band 9, Düsseldorf 1974. 68 vgl. die Besprechung Jürgen Webers: Opposition als Institution und Funktion, in: Neue politische Literatur, 19/1974, S. 8 f. 69 vgl. Hannah Vogt: Parlamentarische und außerparlamentarische Opposition, Opladen 1972 2 Begriffliche Fragen 21

Parallelität von außerparlamentarischen Aktivitäten und der Bildung eines Dualismus von Regierung und Opposition im englischen Parlament herausarbeitet, zeichnen Ionescu und de Madariaga vor allem die Institutionalisierung von Opposition nach. Wie politische Akteure die Aufgaben und die Verantwortung von Opposition sehen, läßt sich indessen in dem von Rudolf K. Fr. Schnabel erstellten Band nachlesen71. In jüngster Zeit ist die Forschung auch im großen thematischen Zusammenhang indes nicht stehen geblieben. So hat Martin Sebaldt in seiner Dissertation, die auch eine solide Bibliographie bietet, die innovative Kraft von Opposition in der Bundesrepublik dargestellt und belegt, daß ihr „Thematisierungspotential nicht mehr ernsthaft in Abrede gestellt werden kann”72. Der Opposition als Triebkraft der zweiten Republik haben Michael Buckmiller und Joachim Perels einen Band zur Bilanz und zu den Perspektiven der Bundesrepublik gewidmet73. Einen Vergleich zum Verhältnis zwischen Parlamentsmehr- und -minderheit in der Bundesrepublik, in Großbritannien und Österreich hat Ludger Helms angestellt74. Zugleich hat die verfassungsrechtliche Literatur die Konturen des Oppositionsbegriffes weiter geschärft. Dorothee Hassenpflug-Hunger hat den Aktionsradius einer parlamentarischen Opposition in einem Landtag, Klaus Stüwe das verfassungsrechtliche Verfahren als Instrument der Opposition untersucht75. Zuweilen geht die Klage um, nach der grundlegenden Untersuchung von Robert A. Dahl habe die Forschung wenig Neues hervorgebracht. Offensichtlich sei die Idee, in die Forschungstätigkeit frischen Wind zu bringen, nicht sonderlich verbreitet76. Der Umstand deutet freilich nicht nur auf eine mögliche Unbeweglichkeit der Forschung hin, sondern

70 vgl. Ionescu, Ghita/Isabel de Madariaga: Die Opposition. Ihre politische Funktion in Vergangenheit und Gegenwart, München 1971, vgl. auch die Kritik in Nuscheler, Franz: Oppositionsforschung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 3/1972, Heft 2, S. 254 ff. 71 unter anderem äußern sich Rudolf Stücklen, Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher. Rudolf K. Fr. Schnabel (Hg.): Die Opposition in der modernen Demokratie, Stuttgart 1972. 72 vgl. Martin Sebaldt: Die Thematisierungsfunktion der Opposition: die parlamentarische Minderheit des Deutschen Bundestages als innovative Kraft im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Diss., Frankfurt/Main 1992, S. 209, ferner S.322 ff. 73 vgl. Buckmiller, Michael/Joachim Perels (Hg.): Opposition als Triebkraft der Demokratie. Bilanz und Perspektiven der zweiten Republik, Hannover 1998. 74 vgl. Helms, Ludger: Wettbewerb und Kooperation. Zum Verhältnis von Regierungsmehrheit und Opposition im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Österreich, Opladen 1997. 75 vgl. Dorothee Hassenpflug-Hunger: Verfassungsrechtliche Abmessungen parlamentarischer Opposition nach dem Grundgesetz und Art. 12 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Frankfurt 1999, Klaus Stüwe: Die Opposition im und das Bundesverfassungsgericht. Das verfassungsrechtliche Verfahren als Kontrollinstrument der parlamentarischen Minderheit. Studien und Materialien zu Verfassungsgerichtsbarkeit, Baden-Baden 1997. 76 vgl. Sebaldt, a.a.O., S. 340. 2 Begriffliche Fragen 22 spricht auch für Dahls Modell. Bislang hat es die Wissenschaft nicht vermocht, tauglichere Theorien zu entwickeln.

2.2.2 Ursprünge von Opposition

Das Recht auf eine organisierte Opposition stellt neben dem Wahlrecht sowie dem Recht auf Repräsentation einen der drei Meilensteine in der Entwicklung demokratischer Institutionen dar77. Ihre Duldung, Anerkennung und parlamentarische Institutionalisierung zählt zu den „erstaunlichsten und reifsten Erzeugnissen politischer Kultur”78. Ihre Wurzeln lassen sich bis in die Römerzeit zurückverfolgen - schon die ursprünglich rechtlosen Plebejer trotzten den Patriziern ein weitgehendes Mitspracherecht ab, wenngleich die römische Republik zu keinem Zeitpunkt ihren aristokratischen Charakter vollständig verlor. Endgültig nahm sie ihre Entwicklung im England des 17. Jahrhunderts. Nachdem als Ergebnis der „Glorious Revolution” ein parlamentarische Züge tragendes politisches System entstanden war, bildete sich erstmals auch eine parlamentarische Opposition heraus79. Jedoch war deren Verständnis zunächst noch weit entfernt von dem heutigen. Ihr kam nicht die Rolle als potentielle Regierung sowie als Organ von Kritik und Kontrolle der Regierung zu80. Die Legitimität parlamentarischer Opposition begründete Lord Henry Bolingbroke in seinen „Letters on the Spirit of Patriotism” 1749. Entstanden war sie aufgrund des „public spirit”, der sich unter Lord Bolingbrokes erhoben und als Partei im Parlament formiert hatte. Da die Regierung zu Machtmißbrauch neige, argumentierte Bolingbroke, bilde die Opposition eine unverzichtbare Gegenmacht81. Daraus leitete sich das Recht der im Parlament unterlegenen Gruppe ab, von der Mehrheit zurückgewiesenen Meinungen weiterhin öffentlich Ausdruck zu geben82. Dieses moderne Verständnis von Opposition als legitimer Gegenmacht zur Regierungsmehrheit im Rahmen einer Verfassung bildete sich mit dem „Westminster- Modell” heraus, das seither als Muster und Vorbild parlamentarischer Systeme gilt83.

77 vgl. Robert A. Dahl: Political Oppositions in Western Democracies, 2. Auflage, New Haven-London 1967, Preface, S. XI. 78 Dolf Sternberger: Opposition des Parlaments und parlamentarische Opposition, in: Schumann: Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S. 66 79 vgl. dazu die Untersuchung von Ingeborg Bode: Ursprung und Begriff der parlamentarischen Opposition, Stuttgart 1962, vgl. auch die Kritik in Hans-Gerd Schumann: Die Opposition - Stiefkind der deutschen Forschung?, in: Der Staat, Zeitschrift für Staatslehre, Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte, V, 1966, S. 95 ff. 80 vgl. Jürgen Weber: Opposition als Institution und Funktion, in: Neue politische Literatur, 19/1974. 81 vgl. Bode, a.a.O., S. 125. 82 vgl. Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, a.a.O., S. 124. 83 vgl. Walter Euchner: Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, a.a.O., S. 8 f. 2 Begriffliche Fragen 23

Der Begriff der Opposition rührte im Ursprung daher, daß die nicht an der Regierung beteiligten Mitglieder im britischen Unterhaus den Vertretern der Regierungspartei gegenüber saßen, damit opposite. Erst im Laufe der Zeit hatte diese Art von Opposition dann die Bedeutung des Entgegentretens, Sich-Widersetzens erhalten84. Während der Gebrauch des Wortes im politischen Sinne manchen Quellen zufolge im 17. Jahrhundert begann85, führt ihn Walter Euchner auf Jean Bodin und auf das Jahr 1576 zurück86. Von einer Institutionalisierung der Opposition konnte 1782/83 gesprochen werden, als der Regierungswechsel in England auch zum Seitenwechsel der Commons im Parlament führte. 1830 sollte ein Oppositionsführer dann erstmals aufgrund des Wahlergebnisses und aufgrund der öffentlichen Stimmung den Auftrag zu einer selbständigen Regierungsbildung erhalten. Rechtlich institutionalisiert wurde die parlamentarische Opposition in England gleichwohl erst mit dem Crown Act im Jahre 193787. Als Einrichtung des politischen Lebens hat die parlamentarische Opposition in ihrem Ursprungsland England den Übergang vom aristokratischen Parlament des 18. Jahrhunderts zur auf Wahlrechtsbeschränkungen beruhenden konservativ-liberalen Regierung des 19. Jahrhunderts ebenso überdauert wie deren Ablösung durch das Gleichgewichtsspiel von Labour Party und Tories88. Inzwischen ist nicht nur dort Konsens, daß Demokratie vom Konkurrenzkampf rivalisierender politischer Führungsgruppen lebt89. Entstanden ist sie erst aus der Opposition gegen monarchische oder oligarchische Gewalt. Wo es hingegen keine Opposition gibt, gibt es letztlich auch keine Demokratie90.

2.2.3 Oppositionsverständnis in Deutschland

In England hatte sich damit infolge stetiger innenpolitischer Entwicklungen ein stabiles Zwei-Parteien-System herausgebildet. Auf dem europäischen Kontinent indes spielte sich das Wechselspiel zwischen parlamentarischer Regierung und Opposition nur unvollkommen ein. Auf deutschem Boden hatte das Parlament lange Zeit mit den Vertretern traditioneller

84 vgl. Carlo Schmid: Die Opposition als Staatseinrichtung, in: Der Wähler 5/1955, S. 498. 85 vgl. stellvertretend Bode, a.a.O., S. 9. 86 vgl. Walter Euchner (Hg.): Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, Göttingen 1993, S. 8. 87 vgl. Kurt Kluxen: Entwicklung und Idee der parlamentarischen Opposition, Politische Vierteljahresschrift, 6/1965, Heft 2, S. 219 ff. 88 vgl. Otto Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, in: ders.: Politik und Verfassung, Frankfurt 1964, S. 124. 89 vgl. die entsprechenden demokratietheoretischen Konzepte von Joseph A. Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 2. Auflage, München 1950, S. 427 ff., und von Anthony Downs: Ökonomische Theorie der Demokratie, Tübingen 1968. 90 vgl. Schnabel, a.a.O., S. 9 2 Begriffliche Fragen 24

Machtstellungen um die Anerkennung eines auch nur beschränkten Einflußrechts zu kämpfen. Selbst nach 1918 vereitelten zum Beispiel Vetorechte, daß dem Parlament entscheidende Machtbefugnisse zukamen91. Die Ursachen sieht Dieter Grosser in der zögernden Haltung der Parteien beim Griff nach der Regierung, in den Vorbehalten auch der SPD gegenüber einem Übergang zu einem parlamentarischen System und daraus resultierend in der „Vorstellung einer besonderen ´deutschen Form des Parlamentarismus´”, der Politiker und Publizisten aller bürgerlicher Parteien anhingen. Ihrem Verhalten lag Grosser zufolge ein doppeltes Motiv zugrunde: Zunächst wollten sie nicht das Verfassungsmodell eines Feindstaates übernehmen und zudem fürchteten sie die innenpolitischen Konsequenzen eines strikt parlamentarischen Systems angesichts einer von Klassen- und konfessionellen Gegensätzen zerrissenen deutschen Gesellschaft. Auch die Sozialdemokraten zeigten kein großes Interesse an einem solchen Regierungssystem, das die Gefahr mit sich brachte, auf Dauer in die Opposition gedrängt zu werden. Vor allem das Zentrum und Nationalliberale aber propagierten ein Modell, das die Gegensätze überbrücken sollte anstatt sie zu verschärfen92. Keiner näheren Begründung bedarf an dieser Stelle der Umstand, daß sich auch im Nationalsozialismus kein Oppositionsverständnis etablierte. Nicht zuletzt aufgrund dieser historischen Hypotheken herrschte zwischen Regierung und Opposition in der Bundesrepublik, zumal deren Verfassung samt dem daraus abgeleiteten Status der Opposition nicht vom Volk erstritten worden war, sondern die Handschrift der alliierten Siegermächte trug, von Beginn an ein schlechtes Klima. Auch die Wählerschaft hatte es nicht als Aufgabe von Opposition verinnerlicht, auf die Ablösung der Regierung hinzuarbeiten. So galt die SPD in den sechziger Jahren als potentielle Regierungspartei nicht aufgrund ihrer Leistungen in der Opposition, sondern primär wegen ihrer Anpassung an die Positionen der Regierung und ihrer Beteiligung an der Großen Koalition. Der Dissens mit der Regierung wurde währenddessen nicht in annähernd gleichem Maße als oppositionelle Leistung gewürdigt. Als wiederum die Unionsparteien in den siebziger Jahren versuchten, den Zerfall der Regierung durch ein konstruktives Mißtrauensvotum auszunutzen, faßten dies viele Wähler als Angriff gegen den mit der Regierung identifizierten Staat auf. Besonders in außenpolitischen Fragen zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation schien hierzulande die

91 vgl. Otto Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, a.a.O., S. 129 f. 92 vgl. Dieter Grosser: Die Sehnsucht nach Harmonie: Historische und verfassungsstrukturelle Vorbelastungen der Opposition in Deutschland, in: Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 214 ff. 2 Begriffliche Fragen 25

Auffassung zu dominieren, demokratischer Stil sei zunächst einmal, wenn Regierung und Opposition einer Meinung seien93. Die politischen Akteure der Regierung hatten diese Auffassung nach Kräften genährt. So bezeichnete Adenauer einen eventuellen Wahlsieg der SPD als Untergang Deutschlands94. Auf die Kritik an der Arbeitsmarktpolitik der Regierung reagierte er mit den Worten: „Ich sage Ihnen, wer derartig die Autorität der Bundesregierung untergräbt, der ist der wahre Feind der Demokratie.”95 Als ihm Ollenhauer mangelnden Willen zu Verhandlungen um das Freiwilligengesetz vorwarf, sagte er: „Ich bedauere diese außerordentliche Schärfe. Ich hatte immer gehofft, daß es möglich sein würde, die sozialdemokratische Fraktion zur Mitarbeit auf dem Boden der Demokratie zu gewinnen.”96 Zum guten Teil dürften solche Vorwürfe taktischem Kalkül geschuldet gewesen sein. Daß sich die politischen Akteure in diesem Fall von den Angriffen Vorteile versprachen, spricht gleichwohl ebenfalls nicht für das bundesdeutsche Oppositionsverständnis oder zumindest nicht für das Bild, das sich die Parlamentarier davon gemacht hatten. Ebenso läßt sich hingegen die These vertreten, daß auch sie sich schwer taten mit der Opposition und deren Funktionen. Dolf Sternberger führte dies in der Hauptsache auf das Mehrparteiensystem zurück, aufgrund dessen den Parteien in der Bundesrepublik wie auch anderswo in Europa der Gedanke an die Oppositionsrolle anders als etwa in England widerstrebe. Ist eine Regierung zu bilden, fällt laut Sternberger nur selten auf irgendeiner Seite die eindeutige Entscheidung, in die Opposition zu gehen, „bevor jene vielfältigen und langwierigen Fühlungsnahmen beginnen, die der Formierung eine Koalition voranzugehen pflegen”. Stets ließen die Gespräche enttäuschte, verbitterte oder empörte Dritte zurück, die schließlich zu Opponenten würden, schreibt er. Unter solchen Umständen könne es für eine Partei nicht das Natürlichste von der Welt sein, nachher die Oppositionsrolle zu übernehmen97. Bevor die Aufgaben von Opposition dargestellt werden, ist zum Oppositionsverständnis in Deutschland somit festzuhalten, daß einem ungetrübten Verständnis nicht nur historische

93 vgl. Hannah Vogt: Parlamentarische und außerparlamentarische Opposition, a.a.O., S. 44. Dieses Gemeinsamkeitstheorem kritisiert einleuchtend Edwin Czerwick: Oppositionstheorien und Außenpolitik, Studien zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland, , Band 27, Königstein/Taunus 1981, S. 33. 94 vgl. Dieter Grosser: Die Sehnsucht nach Harmonie, in: Oberreuter, a.a.O., S. 206 95 Hereth: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S.148, der einschlägige Belege aus den Protokollen des I. Bundestages zusammengetragen hat. 96 Hereth, ebenda, S. 151. 97 Sternberger: Parteien, Fraktionen, Regierungen, Band I, a.a.O., S. 118 f. 2 Begriffliche Fragen 26

Faktoren98, sondern auch das Mehrparteiensystem entgegenstehen. Während sich die Politische Wissenschaft spätestens seit Ende der sechziger Jahre verstärkt dem Forschungsgegenstand Opposition gewidmet hat, ist außerhalb der Wissenschaft noch heute, wie es Ralf Dahrendorf formuliert hat, eine „Sehnsucht nach Synthese”99 zu konstatieren, mit der eine Tendenz zur Verachtung demokratischen Streits100 einher geht. Im Ergebnis liest sich deutsche Oppositionsgeschichte daher überwiegend als Geschichte von Oppositionsdiffamierung101. Auf entsprechende Vorbehalte stößt demnach eine Opposition schon dann, wenn sie ihren ureigensten Aufgaben nachkommt.

2.3 Aufgaben von Opposition

Anders als hinsichtlich ihrer Bedeutung herrscht über die Aufgaben von Opposition weitgehend Einigkeit. Sie bestehen danach in den Funktionen der Kritik, der Kontrolle sowie in der Entwicklung und Präsentation von Alternativen102. Stimmen, die gleichwohl die Fähigkeit der Opposition zur Kontrolle in Frage stellen, können unter Punkt 2.3.2 widerlegt werden.

2.3.1 Kritik

Fußend auf dem Recht, von der Mehrheit zurückgewiesene Meinungen weiterhin öffentlich zu formulieren, besteht eine der Haupttätigkeiten von Opposition in der Kritik. Durch ihre Kritik versucht die Opposition, Zugeständnisse der Regierung und bestenfalls eine Änderung ihrer Politik zu erreichen103. Angesichts von Parteidisziplin und Fraktionszwang kann dies freilich meist nicht gelingen. Dennoch hat die Kritik dann ihren Zweck noch nicht verfehlt. Denn sie zielt auch darauf ab, die Parlamentsmehrheit in der Öffentlichkeit in Schwierigkeiten zu bringen104.

98 vgl. aus der Sicht früherer Jahre auch Helmuth Faust: Das nicht überwundene Vorgestern. Bemerkungen zur Opposition in der deutschen Bundesrepublik, in: Schweizerische Monatshefte XXXVIII, 1958, S. 155-165. 99 Heinrich Oberreuter: Defizite der Streitkultur in der Parteiendemokratie, in: Ulrich Sarcinelli (Hg.): Demokratische Streitkultur. Theoretische Grundpositionen und Handlungsalternativen in Politikfeldern, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 289, Bonn 1990, S. 79. 100 vgl. Claus Leggewie;: Bloß kein Streit! Über deutsche Sehnsucht nach Harmonie und die anhaltenden Schwierigkeiten demokratischer Streitkultur, in: Sarcinelli: Demokratische Streitkultur, a.a.O., S. 53. 101 vgl. Heinrich Oberreuter: Parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, in Euchner: Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, a.a.O., S. 63. 102 vgl. Sternberger: Parteien, Fraktionen, Regierungen, Band I, a.a.O., S. 134, vgl. ähnlich auch Ernst Fraenkel, Karl-Dietrich Bracher: Staat und Politik, Frankfurt 1957, S. 226 f. 103 vgl. Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, a.a.O., S. 126. 104 vgl. Schindler, a.a.O., S. 7. 2 Begriffliche Fragen 27

Die Opposition stellt nicht nur das Handeln der Regierung in Frage. Wenigstens ebenso wichtig wie Kritik an den Entscheidungen der Parlamentsmehrheit ist die Kritik vermeintlicher oder tatsächlicher Versäumnisse. Auf diese Weise versucht die Opposition, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß die Regierung wesentliche Aufgaben der Zeit nicht erkennt oder ihnen nicht nachkommt und somit den Erwartungen der Mehrheit der Wähler nicht entspricht105. Dabei muß die Opposition von ihrer Kritik nicht einmal selber überzeugt sein, sie kann auch Interessen anderer wahrnehmen: „Viele Gruppen sind überhaupt nicht oder nur schwach organisiert. Ihre Unzufriedenheit kann immer geschürt werden. Die Funktion der Opposition kann insoweit geradezu beschrieben werden als Wahrnehmung und Weckung von Unzufriedenheiten.”106 Auf lange Sicht verfolgt die Opposition mit ihrer Kritik zwei Ziele: Sie will die öffentliche Meinung immer wieder auf die Notwendigkeit einer Ablösung der Regierung hinweisen und sich zugleich als potentielle Regierung profilieren107.

2.3.2 Kontrolle

Darüber hinaus bemüht sich die Opposition darum, die Mehrheit im Parlament zu kontrollieren. Gilt auch eine Kritik, die nicht unmittelbar zu einer Änderung der Politik der Regierung führt, noch als Kritik, so impliziert der Begriff der Kontrolle weitaus umfassendere Befugnisse der Opposition als der Status des Kritisierenden. Lassen Parteidisziplin und Fraktionszwang im Falle von Kritik allenfalls die Wahrscheinlichkeit sinken, daß die Regierung ihre Politik entsprechend im Sinne der Parlamentsminderheit ändert, so sehen die Vertreter eines weitreichenden Kontrollbegriffes durch die Verfestigung der parlamentarischen Fronten die Kontrolle durch die Opposition prinzipiell verunmöglicht108. Heftig debattiert worden ist daher die Frage, ob und inwieweit im modernen Parteienstaat die parlamentarische Opposition als Minderheit unter den Abgeordneten eine Kontrolle wahrzunehmen vermag. Die Verfechter der These von der prinzipiellen Unmöglichkeit einer effektiven Kontrolle verweisen vor allem auf den Umstand, daß die Abgeordneten der Regierungsparteien selbst in Gremien wie einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß die Mehrheit stellen und das Verfahren daher verzögern und entschärfen können109. Demnach vermag die Opposition ihrer

105 vgl. Volkmar Köhler: Wie hat die Opposition zu planen? Anregungen für Parlamentarier, in: Die politische Meinung, 19/1974, Heft 157, S. 83. 106 Raschke: Die Zukunft der Opposition, a.a.O., S. 98. 107 vgl. Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, a.a.O., S.126. 108 vgl. zu diesem Themenkomplex Johannes Agnoli: Thesen zur Transformation der Demokratie und zur außerparlamentarischen Opposition, in: Neue Kritik, Nr. 47, April 1968, S. 24-33. 109 vgl. Dieter Grosser in Heinrich Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 224. 2 Begriffliche Fragen 28

Kontrollfunktion schon deshalb nicht nachkommen, weil sie in ihrer Heterogenität einer Regierung oder Regierungskoalition gegenübersteht, die sich zumindest auf gemeinsame Richtlinien geeinigt hat110. Ellwein hat die Kontrolle angesichts von Mehrheitsverhältnissen und parlamentarischen Regularien gar als „Ammenmärchen” bezeichnet111. Die Verfechter eines eingeschränkten Kontrollbegriffes argumentieren währenddessen in erster Linie systematisch. Kurt Sontheimer ist darin zu folgen, daß eine strikte Kontrolle der Regierung im Sinne einer echten Abhängigkeit der Regierung schon aus logischen Gründen nicht oder nur in engen Grenzen möglich sein kann. Denn die Opposition hat per definitionem nicht die Mehrheit hinter sich, die der Regierung eine Niederlage beibringen könnte112. Und sobald es ihr gelänge, die Regierungsmehrheit zu sprengen und so viele Stimmen auf ihre Seite zu ziehen, daß sich die Gewichte entscheidend verlagerten, würde sie selbst Regierungsmehrheit113. Es liegt sogar in der Logik eines parlamentarischen Systems mit Kanzlerhegemonie, daß tendenziell nicht das Parlament die Regierung, sondern vielmehr die Regierungsmehrheit unter eindeutiger Führung des Kanzlers und seiner Regierung das Parlament begründet114. Festzustellen bleibt, daß der Kanzler oder Ministerpräsident hierzulande aus der Mitte des Bundes- oder Landtages gewählt wird, und zwar von den Abgeordneten der Parteien, die im Parlament die stärkste Präsenz aufweisen, nachdem sie sich über gemeinsame Richtlinien geeinigt haben. Mithin liegt es in der Natur der Sache, daß sich die Opposition weitaus heterogener präsentiert. Dieser Umstand stellt keinen Mangel der parlamentarischen Demokratie dar, sondern entspricht deren Wesen, da das Parlament das politische Spektrum der Wählerschaft widerspiegelt. Auf Bundesebene vermag zudem nicht nur die Parlamentsmehrheit Verfahren zu verzögern oder zu entschärfen: durch ihre Präsenz im Bundesrat wachsen der Opposition ähnliche Möglichkeiten zu. Im parteipolitisch geprägten Parlamentarismus übernimmt die Opposition die originäre Rolle des Parlaments. Sie rückt anstelle des Parlaments in die Position des Gegenparts zur

110 vgl. Landshut: Formen und Funktionen der parlamentarischen Opposition, a.a.O., S. 220 ff. 111 Thomas Ellwein: Das Regierungssystem in der Bundesrepublik Deutschland, Köln und Opladen, 3. Auflage, 1973, S. 283. 112 vgl. Kurt Sontheimer: Grundzüge des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 5. Auflage, München 1976, S. 168. 113 vgl.. Winfried Steffani: Zur Kritik am Parteienstaat und zur Rolle der Opposition, in Schumann: Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S. 230. 114 vgl. Winfried Steffani: Parlamentarische Demokratie - Zur Problematik von Effizienz, Transparenz und Partizipation, in: ders.: Parlamentarismus ohne Transparenz, Opladen 1971, S.34. 2 Begriffliche Fragen 29

Exekutive115. Dieses Phänomen läßt keineswegs auf eine aktuelle Krise der parlamentarischen Opposition schließen. Bereits im englischen Parlament des 17. Jahrhunderts verhielt es sich kaum anders116. Gleichwohl muß der Begriff der Kontrolle der Regierung durch die Opposition entsprechend dieses Hintergrundes gefaßt werden. Als Kontrolle durch die Opposition ist somit auf kurze Sicht vielmehr zu verstehen, wenn die Opposition tatsächliche oder vermutete Fehlentwicklungen auf eine solche Weise publik macht, daß sich die Mehrheit im Parlament ihrerseits zur Kontrolle veranlaßt sieht117. Die Kontrolle der Opposition manifestiert sich damit als Folge ihrer Kritik und findet schon dann statt, wenn ein Meinungsklima entsteht, aufgrund dessen sich die Regierung zur Begründung und Verteidigung, wenn nicht Modifizierung ihrer Politik gezwungen sieht. Diese indirekte Kontrolle durch Mobilisierung der Kontrolle setzt freilich eine entsprechend kritische Öffentlichkeit voraus118. Auf lange Sicht kann sich die Kontrolle darin äußern, daß die Kritik und Skandalisierung tatsächlicher oder vermuteteter Fehlentwicklungen dazu führt, daß der Wähler die Regierung bei der kommenden Wahl nicht im Amt bestätigt. Kontrolle bedeutet somit eine kritische Beeinflussung, nicht aber eine Beherrschung der Regierung119. Sie manifestiert sich längerfristig in der Veränderung der Wählermehrheiten120. Die Opposition kann die Regierung grundsätzlich nicht daran hindern, etwas zu tun oder zu lassen. Sie kann die Regierung aber fürchten lassen, die nächsten Wahlen zu verlieren121. Partei- und Fraktionsdisziplin haben nach diesem Verständnis die Kontrollmöglichkeiten der Opposition nicht beschränkt. Bewirkt haben sie gleichwohl eine Verlagerung der Funktion des Plenums vom Arbeitsparlament hin zum Redeparlament. Demnach versteht sich das Arbeitsparlament in erster Linie als Instanz bei der Gestaltung des Gesetzgebungsprozesses,

115 vgl. Siegfried Landshut: Formen und Funktionen der parlamentarischen Opposition, in: Wirtschaft und Kultursystem (Festschrift für Alexander Rüstow zum 70. Geburtstag), hg. v. Gottfried Eisermann, Zürich/Stuttgart 1955, S. 214 ff., vgl. mit derselben Meinung Hennis, Wilhelm: Parlamentarische Opposition und Industriegesellschaft. Zur Lage des parlamentarischen Regierungssystems, in Schumann: Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S. 90. 116 vgl. Hanns Seidel: Die Funktion der Opposition im parlamentarischen System, in: Politische Studien 6 (1955), S. 24. 117 vgl. die Interpretation von Winfried Steffani in: Möglichkeiten der Opposition. In einer parlamentarischen Demokratie und anderswo, in: Die politische Meinung, 13/1968, S. 49. 118 vgl. Steffani: Parlamentarische Demokratie - Zur Problematik von Effizienz, Transparenz und Partizipation, in: ders.: Parlamentarismus ohne Transparenz, Opladen 1971, S. 36 119 vgl. Norbert Gehrig: Parlament - Regierung- Opposition. Dualismus als Voraussetzung für eine parlamentarische Kontrolle der Regierung, München 1969, S, 5. 120 vgl. Heinrich Oberreuter: Parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, in Euchner: Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, a.a.O., S. 70. 121 vgl. Werner Kaltefleiter: Oppositionsstrategie im parlamentarischen System, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bd. 31/73, 04.08. 1973, S. 3. 2 Begriffliche Fragen 30 während das Redeparlament seine Aufgabe in der an die Öffentlichkeit gerichteten Debatte im Plenum versteht122. Hennis wagt sogar die These, daß das Parlament als Institution heute nur noch zu rechtfertigen sei „aus dem, was es im Plenum tut, ohne daß diese Tätigkeit als Arbeit klassifiziert werden könnte”123. Ingeborg Bode hat nachgewiesen, daß bereits die Opposition im englischen Parlament des 18. Jahrhunderts die Beeinflussung der Wähler als taktischen Zug erkannt hatte124. Im Medienzeitalter dürften sich die Möglichkeiten der Opposition zur Kontrolle vor diesem Hintergrund erhöht haben. Denn die parlamentarische Debatte stellt den offenen Wettbewerb um die Sympathie und Zustimmung der Wählerschaft dar125. Im Plenum richtet die Opposition ihr Bemühen auf die Mehrheit im Lande, denn nur durch Einfluß auf die Wählermehrheit bietet sich eine reelle Chance, von der Minderheit zur Mehrheit zu werden126. An den Stimmenverhältnissen im Plenum ändert sie nur selten etwas, die Stimmenverhältnisse im Lande aber vermag sie in hohem Maße zu beeinflussen127. Diese Entwicklung mag durch Fraktions- und Abstimmungsdisziplin sowie durch festgefügte Fronten im Plenum nur verstärkt werden.

2.3.3 Präsentation von Alternativen

Die dritte Schlüsselfunktion der Opposition besteht in der Präsentation politischer und personeller Alternativen. Das Bemühen, andere Wege aufzuzeigen, schlägt sich nieder in den parlamentarischen Initiativen, den Anträgen, Anfragen und Gesetzesvorlagen der Opposition. Sie verfolgen weniger den Zweck, sich durchzusetzen oder den politischen Gegner von der eigenen Position zu überzeugen128. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament steht kaum zu erwarten, daß sich die Regierung die Initiativen zu eigen macht. Die Anträge,

122 vgl. Winfried Steffani: Amerikanischer Kongreß und deutscher Bundestag - Ein Vergleich, in: Kurt Kluxen (Hg.): Parlamentarismus, Köln 1967, S. 236 f. 123 Wilhelm Hennis: Zur Rechtfertigung und Kritik der Bundestagsarbeit, in: , C. Schmid, H. Scharoun (Hg.): Festschrift für Adolf Arndt, Frankfurt 1969, S. 151 ff. 124 vgl. Bode, a.a.O., S. 103. 125 vgl. Sternberger: Parteien, Fraktionen, Regierungen, a.a.O., S. 146. 126 vgl. Steffani: Zur Kritik am Parteienstaat und zur Rolle der Opposition, in Schumann: Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S. 230. 127 vgl. Dolf Sternberger: Opposition des Parlaments und parlamentarische Opposition, in Hans-Gerd Schumann: (Hg.): Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, Darmstadt 1976, S. 83. 128 so aber Theodor Eschenburg: Staat und Gesellschaft in Deutschland, München 1965, S. 540, wonach sich die Opposition bemüht, „einen Teil der Abgeordneten auf ihre Seite zu ziehen”. 2 Begriffliche Fragen 31

Anfragen und Gesetzentwürfe verfolgen aber den Zweck, Themen zu besetzen und Einfluß auf die politische Tagesordnung zu nehmen129. Die Relevanz der politischen Tagesordnung ist kaum zu überschätzen. So wird der Erfolg der CDU/CSU-Regierung bis 1966 vor allem darin gesehen, daß es ihr gelang, „ihre Themen und ihre Themenstellung: Westorientierung und freie Marktwirtschaft, der SPD aufzuzwingen, während es andererseits der SPD weder gelang, ihr eigenes Thema klar zu formulieren, noch es dem Gegner aufzuzwingen”130. In rechtem Maße und zur rechten Zeit von der Opposition eingesetzt, entwickelt sich die Präsentation von Alternativen aber mitunter zur wirksamen Waffe, mittels derer die Opposition die Gesetzgebung zwar nicht auf direktem Wege, wohl aber mittelbar beeinflußt, Schwachstellen der Regierung bloßlegt und sich überdies als Regierungsalternative ins Gespräch bringt. Indem die Opposition politische Grundüberzeugungen als Maßstab für die Regierungspolitik selektiv in politische Initiativen umsetzt, kann sie der Mehrheit am ehesten die geistige Führung in der politischen Diskussion streitig machen131. In ihrer Analyse der oppositionellen Gesetzes-initiativen im Bundestag zwischen 1961 und 1965 stellte Anne Pappenheim zum Beispiel fest, daß 22 von 33 Gesetzentwürfen der SPD, die mit entsprechenden Regierungsvorlagen zu Gesetzen führten, vor den Entwürfen der Regierung eingebracht worden waren132. Auch andere Untersuchungen belegen hinreichend die initiative Funktion der Opposition und weisen deren Auswirkungen auf die Legislatur nach133: „Eine geschickte Opposition, welche die Zeichen der Zeit erkannt hat, vermag der Regierung das Gesetzgebungsprogramm aus der Hand zu nehmen und ihr die Führungsrolle im Parlament zu entwinden, obwohl die Regierung keine einzige Abstimmung verliert.”134 Ein solches „Regieren aus der Opposition”135 heraus setzt die Fähigkeit der Parlamentsminderheit voraus, die Dynamik der künftigen politischen Entwicklung vor der Regierung zu erfassen. Die Opposition muß ihre Initiativen präsentieren, bevor sich die

129 vgl. Oberreuter: Parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, in: Euchner: Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, a.a.O., S. 71. 130 vgl. Hennis: Zur Rechtfertigung und Kritik der Bundestagsarbeit, a.a.O., S. 154. 131 vgl. Volkmar Köhler, a.a.O., S. 84 132 vgl. Anne Pappenheim: Die Gesetzesinitiativen der Opposition im Deutschen Bundestag 1961-65. Ein Beitrag zur Oppositionsfunktion im parlamentarischen Regierungssystem (unveröffentlichte Magisterarbeit), Freiburg 1971, zit. nach Martin Sebaldt: Die Thematisierungsfunktion der Opposition: die parlamentarische Minderheit des Deutschen Bundestages als innovative Kraft im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Diss., Frankfurt/Main 1992, S. 28. 133 vgl. die Beispiele bei Sebaldt, a.a.O., S. 30. 134 Karl Josef Partsch: Parlament und Regierung im modernen Staat, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer 16, 1958, zit. nach Sebaldt, a.a.O., S. 25. 135 vgl. Klaus von Dohnanyi: Regieren aus der Opposition, in: Die Neue Gesellschaft, VIII, 1961, S. 449- 454. 2 Begriffliche Fragen 32

Alternativen herauskristallisiert haben, und sie muß durch deren Formulierung der Regierung das Gesetz des Handelns aufzwingen136. Sinn der präsentierten Alternativen ist gleichwohl nicht nur, Vorstellungen der Opposition auf indirektem Wege durchsetzen zu helfen. Zunächst einmal sollen sie tatsächliche oder vermeintliche Mängel der Regierungspolitik offenlegen. Die Opposition will sich als Regierungsalternative empfehlen. Dies erfordert nicht zuletzt eine gewisse Stellung im Parteiensystem, deretwegen die Regierung die Vorstöße der Opposition nicht ignorieren kann. Waldemar Besson meint daher, daß erst die dauerhafte Potentialität der Änderung der Mehrheitsverhältnisse die Opposition effektiv macht137. Wie die Realität zeigt, verfolgt die Opposition dabei mit der Präsentation von Alternativen nicht immer das Ziel, auf parlamentarischem Wege die Gesetzgebung zu beeinflussen und sich als Regierungsalternative zu profilieren. Im Mittelpunkt des Oppositionsverständnisses kann auch die Propagierung politischer Positionen stehen, um das Parlament als Bühne der Öffentlichkeit zu nutzen - mit diesem Ziel zogen zum Beispiel die Grünen 1980 in den baden- württembergischen Landtag ein138. Durch die Präsentation von Alternativen aber will die Opposition damit zumindest die Diskussion von ihr gewählter Themen auslösen und sich in dieser Auseinandersetzung gegenüber der Regierung in der Öffentlichkeit profilieren. Im Parlament soll die politische Debatte mit Hilfe des Wortes auf eine Weise fortgesetzt werden, die die Schwäche des Gegners enthüllt, die eigene Stärke deutlich und den Konflikt dem Wähler offenbar macht. Auf seiten der Regierung stehen währenddessen meist Bemühungen im Vordergrund, Diskussionen gerade zu vermeiden und sich dem vom Gegner gestellten Thema zu entziehen139. In der Untersuchung ist somit zu klären, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Republikaner im baden-württembergischen Landtag ihre oppositionellen Aufgaben der Kritik und der Kontrolle der Regierung sowie der Präsentation von Alternativen erfüllt haben. In ihrer Arbeit variiert die Opposition die Wahrnehmung ihrer Aufgaben jeweils in der Weise, die ihrer Ansicht nach am ehesten Erfolg verspricht. Der Opposition stehen dabei verschiedene Strategien offen, an denen sie ihr Vorgehen orientieren kann.

136 vgl. Klaus von Dohnanyi: Regieren aus der Opposition, in: Die Neue Gesellschaft, VIII, 1961, S. 451. 137 vgl. Waldemar Besson: Regierung und Opposition in der deutschen Politik, in: Schumann: Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S. 195. 138 vgl. Welte, a.a.O., S. 87 f. 139 vgl. Hennis: Zur Rechtfertigung und Kritik der Bundestagsarbeit, a.a.O., S. 153 2 Begriffliche Fragen 33

2.4 Strategien von Opposition

Im Grundsatz entscheidet sich die Opposition zwischen einer kooperativen und einer kompetitiven Strategie140. Im Falle der kompetitiven Strategie legt die parlamentarische Opposition den Schwerpunkt darauf, ihre Rolle bewußt öffentlich wahrzunehmen und die Konkurrenz zur Regierung hervorzuheben. Durch politische Profilierung zielt die Opposition darauf ab, in den Parlamentswahlen genügend zusätzliche Wählerstimmen zu gewinnen, um selber Regierung zu werden oder sich an ihr zu beteiligen. Das Parlament betrachtet sie konsequent als öffentliche Tribüne, wo sie das Handeln der Regierung in Frage stellt und dessen Schwächen offenzulegen versucht. Eine kompetitiv auftretende Opposition versucht überdies, andere gesellschaftliche Organisationen und Verbände als Verbündete in der Auseinandersetzung mit dem politischem Gegner zu gewinnen. Als strukturelle Bedingungen für ein kompetitives Verhalten der Opposition gelten ein relativ symmetrisches Parteiensystem, das die Übernahme der Regierung in absehbarer Zeit realistisch erscheinen läßt, sowie auf seiten der Wählerschaft ein Verfassungsverständnis, das eine hohe Polarisierung zwischen den Parteien eher als Bereicherung denn als Belastung versteht. Die kooperative Strategie kennzeichnet dagegen das Streben nach Kompromissen mit der Regierung und der Versuch der Beeinflussung der Regierung. Im Vordergrund der Oppositionsarbeit steht dabei die Mitwirkung an der Gesetzgebung, welche von der Opposition in der Öffentlichkeit besonders hervorgehoben wird. Den Eintritt in eine Koalition hält sich eine kooperativ arbeitende Opposition möglichst offen oder arbeitet auf ihn hin. Sie kann sich indes auch dann der kooperativen Strategie bedienen, wenn sie ihre Regierungsbeteiligung für uninteressant oder unerreichbar hält, diese Strategie aber dennoch bevorzugt, weil ihr dies im Interesse der parlamentarischen Durchsetzung ihrer Präferenzen als vorteilhaft erscheint141. Je ausgebildeter indes die Abstimmungsdisziplin im Parlament, um so geringer die Chance der Opposition, die Gesetzgebung der Regierung mitzuformen142. Zu den systemstrukturellen Bedingungen eines kooperativen Oppositionsverhaltens zählen ein effektives Mehrparteiensystem, ein asymmetrisches Parteiensystem mit äußerst geringen

140 vgl. die nach wie vor gültige Unterscheidung von Robert A. Dahl: Patterns of Opposition, in: ders. (Hg.): Political Oppositions in Western Democracies, 2. Auflage, New Haven-London 1967, S. 332 ff., vgl. auch Czerwick, Edwin: Oppositionstheorien und Außenpolitik, Studien zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Band 27, Königstein/Taunus 1981, S. 20 ff., der entsprechend die Begriffe des Gemeinsamkeits- und des Konkurrenztheorems verwendet. 141 vgl. Manfred Friedrich: Parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik Deutschland: Wandel und Konstanz, in Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 232. 142 vgl. Sternberger: Parteien, Fraktionen, Regierungen, Band I, a.a.O., S. 134. 2 Begriffliche Fragen 34

Chancen der kleinen Parteien, die Regierungsmehrheit abzulösen, die Bereitschaft der Regierung zur Zusammenarbeit mit der Opposition sowie die Akzeptanz einer umfassenden Kooperation der politischen Kräfte143. Weder der kooperative noch der kompetitive Stil zeitigen per se positive Ergebnisse. So kann ein kooperativer Stil Regierung und Regierungsmehrheit stärken, weil die Wählerschaft ihnen das politische Verdienst zuschreibt144. Möglicherweise nimmt die Öffentlichkeit zudem die auf Zusammenarbeit zielende und damit nach innen gerichtete Arbeit der Opposition nicht in dem gewünschten Maße oder gar nicht wahr. Schließlich können die politischen Konturen der Kontrahenten verschwimmen. Die CDU/CSU-Opposition im Bundestag versuchte sich zum Beispiel zwischen 1969-1972 erfolglos in der Strategie der Kooperation, um sich schließlich zu befreien „vom Joch der ´konstruktiven Opposition´, unter dem die Pfunde der Opposition ihr zumeist in kleiner Münze im legislativen Alltagsbetrieb zerronnen sind”145. Andererseits können die schwindenden Konturen der politischen Parteien auch zur Schwächung der Regierungsmehrheit führen. Sie erschweren den Mitgliedern und Wählern der Regierungsparteien die Identifikation mit der Parlamentsmehrheit und leisten zugleich der Akzeptanz von Positionen der politischen Konkurrenz Vorschub. Als geglückt erwies sich die Kooperationsstrategie der Bundestagsfraktion der SPD in den sechziger Jahren. Ihr mußte es in ihrem Verhalten vor allem darum gehen, „die tief verwurzelten Vorurteile ausschlaggebender Wählerschichten gegen die SPD zu lockern”146. Die Annäherung an die Positionen der Regierung mündete schließlich in der Großen Koalition147. Zuvor, zwischen 1955 und 1959, hatte die Fraktion hingegen ohne Erfolg eine Politik betrieben, die eine modellgemäße Konfrontationsstrategie darstellte148. Eine kompetitiv ausgerichtete Strategie verprellt möglicherweise wechselwillige oder unschlüssige Wähler, die in zentralen Fragen gleichwohl mit der Politik der Regierung konform gehen, sie als leistungsfähig und glaubwürdig ansehen149 oder in bestimmten

143 vgl. Hans-Joachim Veen: Opposition im Bundestag. Ihre Funktionen, institutionellen Handlungsbedingungen und das Verhalten der CDU/CSU-Fraktion in der 6. Wahlperiode 1969-1972, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 113, Bonn 1976, S. 14 f. 144 vgl. Kaltefleiter, Werner: Oppositionsstrategie im parlamentarischen System, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bd. 31/73, 04.08. 1973, S. 6 f. 145 vgl. Hans-Joachim Veen: Die CDU/CSU-Opposition im parlamentarischen Entscheidungsprozeß, München 1973, S. 113. 146 Klaus von Dohnanyi: Regieren aus der Opposition, in: Die Neue Gesellschaft, VIII, 1961, S. 450. 147 vgl. kritisch hierzu Otto Kirchheimer: Deutschland oder der Verfall der politischen Opposition, in: ders.: Politische Herrschaft, Fünf Beiträge zur Lehre vom Staat, S. 58-86, Frankfurt 1967. 148 vgl. Czerwick, a.a.O., S. 80, vgl. auch die Einteilung der Oppositionspolitik im Bundestag zwischen 1949 und 1972 nach den Kriterien kompetitiv bzw .kooperativ bei Manfred Friedrich in Heinrich Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 260. 149 vgl. Kaltefleiter, a.a.O., S. 7. 2 Begriffliche Fragen 35

Belangen eine Lösung im Konsens favorisieren. Auch begibt sich eine strikt kompetitiv arbeitende Opposition der Chance, auf direktem Wege Einfluß auf politische Entscheidungen zu nehmen150. Zudem eröffnet sie der Regierung die Möglichkeit, der Opposition Obstruktion vorzuwerfen. Eine kompetitive Strategie bietet jedoch gegenüber einem kooperativen Vorgehen den Vorteil, daß sich die Opposition in ungleich stärkerem Maße politisch zu profilieren vermag. Zum einen braucht sie keine Rücksichten auf die Regierungsmehrheit zu nehmen, wendet sie sich an die Öffentlichkeit, um vermeintliche oder tatsächliche Fehlentwicklungen der Politik zu thematisieren. Zum anderen besteht nicht die Gefahr, daß sie sich in der Öffentlichkeit für diese Entwicklungen verantworten muß. Sie kann in ihrem Appell an die Öffentlichkeit also entschiedener auftreten, wodurch ihr dort wiederum eine höhere Aufmerksamkeit zuteil wird. Aus demokratietheoretischer Sicht ist einer strikt kooperativen Strategie mit Bedenken zu begegnen, da sie die Kritik an der Regierung auf Dauer in nichtöffentliche Zirkel verlagert und damit das Handeln der Regierung der öffentlichen Willensbildung entzieht. Wie Hans- Joachim Veen zu Recht feststellt, ist „Opposition als Institution letztlich nur dadurch zu rechtfertigen, daß sie die Regierung zwingt, ihre Politik vor den sie legitimierenden Bürgern zu erläutern und zu begründen und daß sie den Regierenden darüber hinaus durch die Öffentlichkeit ihrer Kritik Schranken setzt”151. Aus der Rechtfertigung der Opposition als Institution aber leiten sich keine Pflichten der parlamentarischen Opposition in der Praxis ab. Ihr Erfolg bemißt sich allein danach, ob ihr der Sturz der Regierung gelingt oder ob sie bei diesem Vorhaben Fortschritte erzielt. An diesem Ziel muß sie ihr Verhalten ausrichten. Dasselbe gilt für die gelegentlich geäußerte These, die Opposition habe gegenüber der Regierung der Wächter sämtlicher Interessen zu sein, die durch die Maßnahmen der Regierung nicht oder nicht genügend gewahrt werden152. Denn die Opposition kann ihr Ziel auch auf andere Weise zu erreichen versuchen. Zwar nimmt sie ein institutionalisiertes Amt wahr, direkte Konsequenzen aber sind daraus nicht abzuleiten. Die Opposition ist nicht verpflichtet, ihren Aufgaben auf eine bestimmte Weise nachzukommen. Im Grundgesetz ist denn auch „jede definitorische Fixierung der Oppositionsrolle unterblieben”153. In ihrem

150 vgl. Schindler, a.a.O., S. 10. 151 Veen: Opposition im Bundestag, a.a.O., S. 18. 152 vgl. Eschenburg, a.a.O., S. 542. 153 Heinrich Oberreuter: Institutionalisierung der Opposition? Opposition und Parlamentsreform, in Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 267. 2 Begriffliche Fragen 36

Gebaren sind der Opposition damit allein die Grenzen des Verfassungs- und Strafrechts gesetzt154. Vom politischen Umfeld und von der Lage der Opposition hängt ab, welche Vor- und Nachteile beider Strategien überwiegen, welches Verhalten eine Opposition bevorzugt. Da sich das politische Umfeld und die Lage der Opposition selten eindeutig genug darstellen und die Opposition danach strebt, sich nach Möglichkeit die Vorteile beider Strategien zunutze zu machen, herrscht meist eine Kombination beider Strategien vor, wenngleich mit dem Schwerpunkt auf dem kompetitiven oder auf dem kooperativen Stil. Elemente der jeweils anderen Strategien werden in diesen Fällen bei Bedarf eingesetzt. Dies hängt vor allem von der Art des Forums ab, das eine Opposition für sich zu nutzen gedenkt. Dabei kann es zu einer Trennung im außer- und im parlamentarischen Vorgehen kommen. Auf Parteitagen etwa, gegenüber den Mitgliedern, bieten sich eher Anteile einer kompetitiven Strategie an. In den Ausschüssen des Parlaments dagegen, mit dem politischen Gegner als Gegenüber, verspricht unterdessen ein stärker kooperatives Auftreten Erfolg, zumindest wenn es darum geht, den politischen Konkurrenten zu überzeugen. Denn obwohl etwa den Abgeordneten einer kompetitiv arbeitenden Opposition die öffentlichkeitszugewandte Debatte wichtig sein muss, dominiert in der Praxis der Stil des Arbeitsparlaments, „das in nichtöffentlicher intensiver Ausschussarbeit unterschiedliche Positionen zum Kompromiß zu bringen versucht: ein Einfallstor für oppositionelle Mitgestaltung von alternativen Positionen aus“155. Eine kompetitiv arbeitende Opposition bewegt sich somit oft zwischen den beiden Polen der öffentlichkeitswirksamen Opposition und der innerparlamentarischer Verhandlung156. So sah sich die SPD-Bundestagsfraktion der I. Legislaturperiode ihre kompetitive Strategie nicht daran gehindert, ausgiebig bei der innenpolitischen Gesetzgebung mitzuarbeiten157. Zugleich steht es etwa einer kooperativ arbeitenden Opposition offen, nach Abschluß eines Kompromisses die Regierungsmehrheit dafür zu kritisieren, daß sie den Vorstellungen der Opposition nicht in noch größerem Umfang entsprochen hat158.

154 zum juristischen Status der Opposition vgl. Hans-Peter Schneider: Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, Frankfurt/Main 1974. 155 Heinrich Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 61 156 vgl. Hereth:, Michael Parlamentarische Opposition in Deutschland am Beispiel des Verhaltens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion von 1949-1966, Diss., Nürnberg 1969, S. 79 157 vgl. Friedrich in Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 238, in der II. Legislaturperiode stellte sie dann auch ihr Verhältnis zur Außen- und Deutschlandpolitik der Bundesregierung auf eine kooperative Basis, Czerwick, a.a.O, S. 150 158 vgl. Schindler, a.a.O., S. 67. 2 Begriffliche Fragen 37

Die Bezeichnung kooperativ oder kompetitiv bezeichnet daher nur die Haupttendenz oppositionellen Verhaltens159. Neben den Begriffen der kooperativen und kompetitiven Strategie existieren eine Reihe weiterer Beschreibungen, die sich um zusätzliche Differenzierung in der Typologie oppositionellen Verhaltens bemühen. So nennt Dahl als dritte Strategie die „coalescent” Taktik160, die auf den Eintritt in die Regierung abziele. Bezeichnenderweise hat sich der Terminus nicht durchgesetzt, bezeichnet er doch nur eine extreme Form der kooperativen Strategie. Dasselbe gilt für Michael Hereths Beschreibung einer dritten Strategie, bei der die Opposition mit allen im Parlament zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, die Regierung zu behindern und die Arbeit des Plenums lahmzulegen161 - sie stellt sich als extreme Form der kompetitiven Taktik dar. Denn wer meint oder vorgibt, eine angeblich bessere Lösung entwickelt zu haben, wird einer Vorlage der Regierung nicht ohne weiteres zustimmen. Strebt die Opposition in erster Linie danach, die Arbeit des Plenums lahmzulegen, setzt sie darauf, daß die Wähler den Stillstand, wo er denn durch die Mehrheitsverhältnisse zustande kommt, der Inkompetenz der Regierung zuschreiben - sie läuft indes Gefahr, der Obstruktion bezichtigt zu werden. Wann aber die Arbeit des Plenums infolge politischer Überzeugungen und wann zum Selbstzweck lahmgelegt wird, ist hingegen wie auch der Begriff der Obstruktion durch Definitionen nicht zu klären. Dies bleibt in das Belieben des politischen Gegners gestellt. Hereths Begriff erweist sich damit als nicht hinreichend abgegrenzt gegenüber dem Terminus der kompetitiven Strategie. Festzuhalten bleibt vielmehr: Der Opposition stehen im Plenum alle parlamentarischen Mittel zur Verfügung. Otto Kirchheimer hat wiederum den Begriff der „Bereichsopposition” geprägt und meint damit Fraktionen, die nur auf einzelnen Feldern der Politik andere Vorstellungen als die Mehrheit verfolgen, ein Gesamtkonzept alternativer Programmatik aber vermissen lassen162. Dieses Phänomen ist gemäß der Typologie Dahls subsumierbar als weitgehend kooperative Taktik, die sich in einzelnen Fragen zur kompetitiven Strategie wandelt. Den Republikanern ist besonders vom politischen Gegner wiederholt eine vermeintliche Fixierung auf einen thematischen Bereich, den der Ausländerpolitik, attestiert worden163.

159 vgl. Friedrich in Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 260. 160 vgl. Dahl: Patterns of Opposition, in: ders. (Hg.): Political Oppositions in Western Democracies, 2. Auflage, New Haven-London 1967, S. 336 ff. 161 vgl. Hereth: Parlamentarische Opposition in Deutschland am Beispiel des Verhaltens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion von 1949-1966, a.a.O. ,S. 78. 162 vgl. Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, a.a.O., S. 123 ff. 163 vgl. stellvertretend den Artikel des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel: Sie kennen nur ein Thema, in: Die Zeit, 12. November 1993. 2 Begriffliche Fragen 38

Winfried Steffani hat Dahls Modell fortentwickelt und nach Systemintention, Aktionskonsistenz sowie Wirkungsebene unterschieden. Die Systemintention benennt demnach das loyale oder konträre Verhältnis der Opposition zu den Grundsätzen der Verfassung, die Aktionskonsistenz zeigt, ob eine Opposition systematisch agiert oder sich ad hoc formiert, und die Wirkungsebene bezeichnet schließlich, ob sich die Opposition in der Hauptsache innerhalb oder außerhalb des Parlaments betätigt164. Zwischen loyaler Opposition und Opposition aus Prinzip unterscheidet auch Otto Kirchheimer165. Die Begriffe der systemkonträren Opposition166 und ihrer Äquivalente erscheinen indes entbehrlich, präsentieren sie sich doch identisch mit dem bereits weitreichend eingeführten und abgegrenzten Terminus der extremistischen Eigenschaft einer Opposition. Daher bietet sich vielmehr die gängige Unterscheidung in extremistische und verfassungskonforme Verhaltensweisen an, mit der sich zumal nicht nur oppositionelle Verhaltensweisen, sondern sämtliche Phänomene des politischen Lebens erfassen lassen. Aufgrund ihres Parteistatus und ihres Einzugs in den Landtag handelt es sich bei den Republikanern in Baden-Württemberg um eine auf der Wirkungsebene Parlament systematisch agierende Opposition. Dahl unterscheidet darüber hinaus aktive und passive Opposition, die entweder zur Tat gegen die Regierung schreitet oder sie nur erduldet167. Die Republikaner sind als aktive Opposition zu werten. Wer bei Wahlen kandidiert hat, ins Parlament gelangt ist und dort die Rolle der Opposition wahrnimmt, hat sich bereits zum Handeln gegen die Regierung entschlossen. Steffani differenziert überdies nach sieben Grundfunktionen von Opposition: der Kontrolle der Regierungsaktionen, der Kritik an der Regierungspolitik, der Opposition als Mahner zur Wahrung von Recht und Ordnung, Freiheit und Minderheitenschutz, der Erarbeitung von Alternativpositionen, der Selektion qualifizierter Regierungsaspiranten, der steten Bereitschaft zur Regierungsübernahme sowie der Funktion der Opposition als eigentlichem Beweger der Politik168. Diese scheinbare Präzisierung stellt aber nur eine beliebig erweiterbare Aufzählung der Auswirkungen der Funktionstrias von Kritik, Kontrolle und Alternative dar,

164 vgl. Winfried Steffani: Möglichkeiten der Opposition. In einer parlamentarischen Demokratie und anderswo, in: Die politische Meinung, 13/1968, S. 43-54. 165 vgl. Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, a.a.O., S. 123, vgl. auch ders.: The Vani-shing Opposition, in: Dahl: Political Oppositions in Western Democracies, a.a.O., S. 237. 166 vgl. Winfried Steffani: Möglichkeiten der Opposition. In einer parlamentarischen Demokratie und anderswo, in: Die politische Meinung, 13/1968, S. 44. 167 vgl. Robert A. Dahl: Political Oppositions in Western Democracies, 2. Auflage, New Haven-London 1967, Preface, S. XVI f. 168 vgl. Steffani: Möglichkeiten der Opposition, a.a.O., S. 49, vgl. zu dem Begriff von der Opposition als dem anderen Beweger der Politik Carlo Schmid: Die Opposition als Staatseinrichtung, in: Der Wähler, 5 (1955), S. 502 ff. 2 Begriffliche Fragen 39 der sie sich problemlos zuordnen lassen. Rodney Barker wiederum zählt sechs Formen der Opposition: als totaler Widerstand gegenüber Form und Grundlagen des Staates, als Widerstand gegenüber der Macht des Staates, als Widerstand gegenüber der herrschenden Gruppe in einem Staat, dessen Legitimität geleugnet wird, als loyale Opposition gegenüber der herrschenden Gruppe auf der Basis der Anerkennung des politischen Systems, als ein System von „checks and balances” sowie als Gesamtheit der Methoden des Einflusses einzelner Bürger und Gruppen auf das Handeln der Regierung. Zugleich räumt er indes selbst ein, daß die Verhaltensmuster nicht streng voneinander zu trennen sind und einander oft überschneiden169. Ebenso als untauglich erweist sich Norbert Gehrigs Unterteilung in eine negative sowie eine positive Kontrolle, die eine Maßnahme verhindern oder gestaltend beeinflussen will170 - wo das Gestalten aufhört und das Verhindern anfängt, ist vor allem eine Frage des Parteibuches. Daß beides auch logisch kaum zu trennen ist, zeigen zudem diejenigen parlamentarischen Verfahren, in denen es zum Beispiel um den Beschluß geht, etwas zu verhindern, zu beenden oder auch unverändert zu belassen. Vornehmlich im politischen Raum kursiert schließlich der Begriff der „konstruktiven Opposition”. Entsprechende Forderungen erweisen sich bei näherer Betrachtung jedoch als Generalargument der Regierung zur Diskreditierung einer kompetitiv vorgehenden Opposition und verstellen zudem den Blick für deren freiheitssichernde Primärfunktion171. Sinn hat dagegen Sternbergers Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Opposition. Die primäre Opposition bezeichnet danach eine parlamentarische Opposition, die sich bewußt und unabhängig vom Ausgang von Koalitionsverhandlungen für die Oppositionsrolle entschieden hat. Die sekundäre Opposition hingegen befindet sich aufgrund des primären Sachverhalts ihres Ausschlusses aus der Koalition in der Minderheit im Parlament172. Einen Ertrag zöge die Differenzierung nur nach sich, würde untersucht, ob eine primäre Opposition anders agiert als eine sekundäre. Ein solcher Vergleich steht leider noch aus. Die vermeintliche Vielfalt der Definitionen entpuppt sich damit im Ergebnis weitenteils als nur scheinbare Verfeinerung der Differenzierung, welche die Beschreibung und Erfassung oppositioneller Verhaltensweisen eher erschwert denn erleichtert. Die über Dahls Modell

169 vgl. Rodney Barker (Hg.): Studies in Opposition, London 1971, S. 5, zit. nach Jürgen Weber: Opposition als Institution und Funktion, in: Neue politische Literatur, 19/1974, S. 3. 170 vgl. Norbert Gehrig.: Parlament - Regierung- Opposition. Dualismus als Voraussetzung für eine parlamentarische Kontrolle der Regierung, München 1969, S. 5 ff. 171 vgl. Veen: Opposition im Bundestag, a.a.O., S. 21, der auf S. 91 anschauliche Beispiele bereithält. 172 vgl. Sternberger: Parteien, Fraktionen, Regierungen, Band I, a.a.O., S. 119. 2 Begriffliche Fragen 40 einer kompetitiven und einer kooperativen Strategie hinausgehenden Unterscheidungen werden als abschließende Aufzählungen der Bandbreite oppositionellen Verhaltens meist nicht gerecht oder sind nicht nur gegenüber den Begriffen der kompetitiven und der kooperativen Taktik unzureichend abgegrenzt. Aufgrund dieses Ergebnisses wird die Untersuchung die Arbeit der Republikaner im baden-württembergischen Landtag anhand des Dahlschen Modells von kompetitiver und kooperativer Opposition einordnen. Zudem ist zu diskutieren, ob die Republikaner Bereichsopposition im Sinne Kirchheimers betrieben haben. Ebenso bleibt zu untersuchen, ob die Republikaner dabei extremistisch oder verfassungskonform vorgegangen sind.

2.5 Definition von Etablierung

Um zu klären, ob sich die Republikaner im Landtag Baden-Württembergs als Opposition etabliert haben, tut neben der Bestimmung des Begriffes Opposition eine Definition dessen not, was etabliert und Etablierung bedeuten. Der Begriff des Etablierten findet in der Literatur zwar allenthalben Verwendung173. Eine Definition sucht der Leser hingegen vergebens, selbst in solchen Fällen, in denen das zu bestimmende Adjektiv den Titel der Abhandlung ziert174. Eher noch wird der Versuch unternommen, den Terminus durch Verwendung von Anführungsstrichen als Zitat auszugeben und damit auf Distanz zum Autor zu halten175. Erste Orientierung leistet der Duden, demzufolge „etablieren” die Bedeutung von „festsetzen”, „begründen” besitzt und „sich etablieren” äquivalent ist mit „sich selbständig machen”, „sich niederlassen”, „einen sicheren gesellschaftlichen Platz gewinnen”. „Etabliert” ist demnach ein „Mitglied der Gesellschaft, das es zu etwas gebracht hat”176. Sich selbständig machen und sich niederlassen scheinen im Zusammenhang mit der vom Wähler beschlossenen, auf einen bestimmten Zeitraum befristeten Entsendung in ein Parlament kaum adäquat, ebenso wenig das Verb begründen. Als sinnfälliger erweisen sich indes die Begriffe

173 vgl. zum Beispiel Franz Urban Pappi: Die Republikaner im Parteiensystem der Bundesrepublik. Protesterscheinung oder politische Alternative?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/90, S. 37. 174 vgl. Klaus G . Troitzsch: Grenzen der Stabilität des etablierten Parteiensystems, in: Kaack, Heino/Reinhold Roth (Hg.): Handbuch des deutschen Parteiensystems. Struktur und Politik in der Bundesrepublik zu Beginn der achtziger Jahre, 1. Band, Opladen 1980, S. 225, vgl. auch Hans-Joachim Veen/Jürgen Hoffmann: Die Grünen zu Beginn der neunziger Jahre. Profil und Defizite einer fast etablierten Partei, Bonn 1992, vgl. ferner Hermann Schmitt/Oskar Niedermayer/Kurt Menke: Etablierte und Grüne. Zur Verankerung der ökologischen Bewegung in den Parteiorganisationen von SPD, FDP, CDU und CSU, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 12/1981, Heft 4, S. 516-540. 175 vgl. Steffani, in: Möglichkeiten der Opposition, a.a.O., S. 54. 176 Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter, Band 1. 21. Auflage, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1996. 2 Begriffliche Fragen 41 der Gewinnung eines sicheren gesellschaftlichen Platzes sowie des Festsetzens. Was bedeuten diese Erklärungen für die Definition von Etablierung im Parlament? In der politikwissenschaftlichen Literatur mangelt es zwar an einschlägigen Bestimmungen zum Begriff „etabliert”, jedoch finden sich Zuschreibungen zum Terminus „nicht-etablierte Parteien”. Manfred Rowold setzt den Begriff synonym mit kleiner Partei, Splitterpartei oder parteipolitischer Minderheit und versteht darunter Parteien, die bisher nicht oder nur vorübergehend parlamentarisch auf Bundes- oder Landesebene vertreten waren und deren gemeinsames Kriterium die Außenseiterstellung gegenüber dem konsolidierten Parteiensystem bildet177. Als Beispiel einer nicht etablierten Partei nennt Klaus Troitzsch die Grünen in ihren Anfangstagen - eine Partei, die aufgrund politischer Prinzipien eine dauerhafte Zusammenarbeit oder gar eine Koalition mit den sogenannten etablierten Parteien grundsätzlich ausschloß178. Beschäftigt sich die Forschung hingegen mit als „etabliert” geltenden Parteien, so handelt es sich in der Regel um Organisationen, die bereits seit geraumer Zeit auf der politischen Bühne agieren179. Wird dieser Befund mit der Umkehrung der Definition Rowolds von nicht etablierten Parteien kombiniert, so sind als „etablierte Parteien” Organisationen zu verstehen, welche auf parlamentarischer Landes- oder Bundesebene dauerhaft präsent sind und welche die Außenseitern zunächst entgegengebrachte Distanz überwunden haben. Troitzschs Beschreibung vermag nicht zu überzeugen, da sie den Fall ausschließt, daß eine Partei nicht etabliert ist und eine dauerhafte Zusammenarbeit mit den sogenannten etablierten Parteien anstrebt. Überdies entpuppt sie sich als tautologisch, da sie den Begriff „nicht etabliert” mit Hilfe des Begriffes „etabliert” bestimmt. Gleichwohl verdeutlicht die Tautologie das Problem der Definition. Der Status des Etabliert- oder Nicht-etabliert-Seins bemißt sich jeweils am Verhältnis zum politischen Gegenüber sowie an dessen Status. Beides hingegen ist stetigen Veränderungen unterworfen und wirkt sich wiederum auf den politischen Gegner aus; die Zuerkennung der Eigenschaft hängt damit von der jeweiligen Perspektive ab. Die Distanz kann also allenfalls als Hilfskriterium dienen, zumal die demonstrative Nähe oder Abgrenzung zu Parteien mitunter taktischen Überlegungen der politischen Konkurrenz gegenüber entspringen und nicht von Dauer sind. Daß und wie Außenseiter die Distanz überwinden können, dürften nicht zuletzt die Grünen bewiesen haben, die von einer Partei,

177 vgl. Rowold, Manfred: Im Schatten der Macht. Zur Oppositionsrolle der nicht etablierten Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte, Band 9, Düsseldorf 1974, S. 16. 178 vgl. Troitzsch in Kaack/Roth, a.a.O., S. 276. 179 vgl. Troitzsch in Kaack/Roth, ebenda, S, 225. 2 Begriffliche Fragen 42 deren Verfassungstreue noch 1992 in Zweifel gesetzt wurde180, binnen kurzem zur Regierungspartei auf Bundesebene aufgestiegen sind. Wie aber erlangt ein Außenseiter eine dauerhafte Präsenz als Opposition auf Landes- oder Bundesebene? Rowold zufolge nehmen die Erfolgschancen einer nicht-etablierten Partei zu, je weniger die übrige Opposition Proteststimmen absorbiert. Dieser Funktion kommt eine um so größere Rolle zu, je stärker die Integrationskraft der Regierung nachläßt181. Gegenüber einer konservativeren Regierung besitzt somit eine Parteibewegung von rechts einen schwereren Stand, umgekehrt besitzt eine nach gängigem Begriffspaar linke Organisation unter einer nicht als konservativ geltenden Regierung verminderte Erfolgsaussichten. Zum zweiten steigern nicht-etablierte Parteien ihre Chancen, können sie ein allgemeines Krisenbewußtsein wecken und Zweifel an der Leistungsfähigkeit der übrigen Parteien schüren. Je wirksamer sie dabei die Integrations- und Absorptionsfunktion der etablierten Parteien stören, um so stärker erhöhen sich ihre Entwicklungsmöglichkeiten. Die Aussichten einer radikalen Rechtspartei vor allem in der parlamentarischen Opposition verbessern sich abermals, gelingt es ihr, andere Parteien in Regierung oder Opposition zur Übernahme eigener Positionen zu bewegen und diese somit damit gesellschaftsfähig zu machen, während die konservativere Partei in der Regierung von ihren Positionen abrückt oder diese nicht realisieren kann182 - Ursache ist in diesen Fällen die zunehmende Diskrepanz zwischen dem Erfolg der Regierung und der an sie gerichteten Erfolgserwartungen183. Eine Partei etabliert sich somit vor allem dadurch, daß ihre Positionen im Laufe der Zeit gesellschaftsfähig werden, sie ihre Programmatik mithin etabliert. Als Opposition im Parlament etabliert ist sie währenddessen dann, wenn es ihr durch Wahrnehmung einer Störung des Absorptionsvermögens von auch von ihr erst geweckten politischen Bedürfnissen durch die übrigen Parteien sowie durch entsprechende politische Forderungen gelungen ist, eine Lücke im Parteiensystem zu besetzen, auf diese Weise eine Wählerschaft zu gewinnen und sich dauerhaft in der Legislative auf Landes- oder Bundesebene festzusetzen. Diese Definition parlamentarischer Etablierung grenzt den Begriff zu Genüge ab vom Terminus der Parlamentarisierung, der sich eher nach der Entwicklung der Partei außerhalb des Parlaments bemißt und zu dessen Bedeutungsaspekten etwa die Verselbständigung der

180 vgl. Veen/Hoffmann: Die Grünen zu Beginn der neunziger Jahre, a.a.O., S. 157. 181 zur Diskussion um die Entfernung der Parteien von ihren Wählern und zu den gelockerten Parteipräferenzen vgl. Eva Kolinsky. Forschungsthemen und Entwicklungslinien, in Oskar Niedermayer, Oskar/Richard Stöss (Hg.): Stand und Perspektiven der Parteienforschung in Deutschland, Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, Band 71, Opladen 1993, S. 40 f. 182 vgl. Sebaldt, a.a.O., S. 332 183 vgl. Rowolds Thesen in: Im Schatten der Macht, a.a.O., S. 82 f. 2 Begriffliche Fragen 43

Parlamentarier von ihrer innerparteilichen und sozialen Basis, die Zurichtung der Gesamtorganisation der Partei auf die Bedürfnisse der Parlamentspolitik und auf Stimmenzuwachs sowie das Vordringen von Kompromißpolitik zu zählen sind184. Bezeichnet der Terminus der Parlamentarisierung, wie sich die Arbeit der Fraktion auf die Partei auswirkt, meint der Begriff der Etablierung eher, wie sich die Arbeit der Fraktion auf das Parlament auswirkt.

2.6 Definition von rechtsextremistisch

Der Begriff des Extremismus hat sich auf Grund seines Gebrauchs in unterschiedlichen Sinnzusammenhängen als nicht unproblematisch erwiesen185. Vor rund fünfzig Jahren zum Beispiel bewegten sich überzeugte Wähler der NSDAP innerhalb des offiziellen Konsenses - wenige Jahre darauf bereits hätten sie sich ihm gegenüber extrem ausgenommen. Hätte Erich Honecker seine Parteitagsreden in der Bundesrepublik und die seinigen in der ehemaligen DDR gehalten - beide wären von den staatlichen Stellen jeweils stigmatisiert worden als Vertreter der Extreme. Heutzutage bezeichnen sich manche Anhänger der Rechten und Linken gegenseitig als Extremisten, um den politischen Gegner entsprechend zu diskreditieren. Wer und was extrem ist, hängt also vom Standpunkt desjenigen ab, der die Bezeichnung gebraucht. Daher lohnt eine nähere Betrachtung des Begriffes186. In ihrer ursprünglichen Bedeutung meint die Bezeichnung Extreme diejenigen Punkte, die von der Mitte einer Linie oder Ebene am weitesten entfernt liegen187. Dieses Verständnis zeigt bereits, daß die Eigenschaft des Extremen stets abhängt davon, wie die jeweilige Mitte definiert ist.

184 vgl. Bodo Zeuner: Parlamentarisierung der GRÜNEN, in: Probleme des Klassenkampfes, 15, Heft 61, S. 13 ff., zit. nach Welte, Hans-Peter: Die Parlamentarisierung der GRÜNEN im Landtag von Baden- Württemberg: Eine Bilanz nach drei Wahlperioden (1980-1992), Diss., Frankfurt/1994, S. 163, vgl. auch Wolfgang Ismayr: Die Grünen im Bundestag: Parlamentarisierung und Basisbindung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 16/1985, Heft 3, S. 299, der den Begriff gleichwohl nicht näher definiert. 185 vgl. Thomas Meyer: Fundamentalismus. Aufstand gegen die Moderne, Reinbek bei Hamburg 1989, der den Begriff Extremismus ablehnt, da er ihm als politisch belastet erscheint; vgl. hierzu auch Pfahl- Traughber: Der Extremismusbegriff in der politikwissenschaftlichen Diskussion - Definitionen, Kritik, Alternativen, in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hg.): Jahrbuch Extremismus und Demokratie, Bd. 4, Bonn 1992, S. 67-86, 84f.; vgl. zur Begriffsgeschichte Susanna Böhme-Kuby: Extremismus, Radikalismus, Terrorismus in Deutschland. Zur Geschichte der Begriffe, Köln 1991. 186 die Notwendigkeit der exakten Konturierung des Begriffs in der politikwissenschaftlichen Diskussion veranschaulicht, anhand zahlreicher Beispiele Ulrich Druwe: „Rechtsextremismus”. Methodologische Bemerkungen zu einem politikwissenschaftlichen Begriff, in: Jürgen W. Falter, Hans-Gerd Jaschke und Jürgen R. Winkler: Rechtsextremismus. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung, Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 27/1996, S. 66-80. 187 vgl. Manfred Funke: Extremismus und offene Gesellschaft, in ders. (Hg.): Extremismus im demokratischen Rechtsstaat, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 122, Bonn 1978, S. 16 f. 2 Begriffliche Fragen 44

Um den Extremismus-Begriff nicht in das Belieben konkurrierender Parteien im Meinungsstreit zu stellen und seine Inflation zu verhüten, hat die Wissenschaft den Terminus politologisch konturiert: Demnach ist Links- und Rechtsextremisten gemeinsam, daß sie ihre Grundvorstellungen verabsolutieren. Diesen kommt universelle Bedeutung zu bei der Lösung von Problemen. Mit ihrer Hilfe wird nicht nur jeder politische Sachverhalt entschieden, sondern auch das Umfeld ausnahmslos in Gut und Böse aufgeteilt188. Darüber hinaus strebt der Extremist die Abschaffung der gegebenen Verhältnisse unter prinzipieller Bejahung von Gewalt an189. Ein Extremist ist intolerant jedem Andersdenkenden gegenüber. Er trachtet nach dessen politischer Vernichtung. Der Begriff des Extremismus kann daher verstanden werden als Sammelbezeichnung antidemokratischer Gesinnungen und Bestrebungen190. Im Zentrum des Rechtsextremismus steht dabei die strikte Verneinung des Prinzips menschlicher Fundamentalgleichheit, das seinen Ausdruck in der Forderung nach gleichen Rechten findet. Das Plädoyer für eine auf prinzipieller Ungleichheit gegründete Ordnung äußert sich zumeist in einem mehr oder minder aggressiven Nationalismus, der häufig Ressentiments gegenüber ethnischen Minderheiten hegt oder in Rassismus mündet. Propagiert wird ein starker Staat, der die vorgeblich objektiven Interessen der Nation oder „Volksgemeinschaft” auch gewaltsam durchzusetzen bereit ist191. Der politikwissenschaftliche Begriff des Extremismus entspricht dem juristischen der Verfassungswidrigkeit. Gemäß Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes sind Parteien verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Die Ziele der Partei ergeben sich nicht allein aus dem Programm, sondern neben anderem auch aus den Reden ihrer Funktionäre oder ihrem Propagandamaterial192. Eine Partei ist indes nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht anerkennt, wie das Bundesverfassungsgericht eingeschränkt hat193. Vielmehr muß eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen. Aufgrund seiner klar umrissenen Konturen bedient sich die Arbeit des juristischen Verständnisses des Begriffes Extremismus. Als extremistisch werden daher politische

188 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 322. 189 vgl. Manfred Funke: Extremismus und offene Gesellschaft, in ders. (Hg.): Extremismus im demokratischen Rechtsstaat, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 122, Bonn 1978, S. 19. 190 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 322. 191 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 331. 192 vgl. das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Verbot der KPD, in: BVerfGE 5, 85 (144). 193 vgl. ebenda. 2 Begriffliche Fragen 45

Parteien bezeichnet, die aktiv auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinarbeiten, wie sie das Bundesverfassungsgericht definiert hat - als eine Ordnung, „die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt”194. Zur freiheitlich- demokratischen Grundordnung zählt das Bundesverfassungsgericht die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit und Gesetzmäßigkeit von Regierung und Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung eine Opposition195. Vom Linksextremismus unterscheidet sich der Rechtsextremismus fundamental dadurch, daß er sich auf eine vermeintliche Allgemeinverbindlichkeit vordemokratischer Ordnungsvorstellungen beruft und dabei die prinzipielle Ungleichheit der Menschen bejaht. Während der Sozialismus die Abschaffung des Kapitalismus anstrebt, zielt der Rechtsextremismus auf die Beseitigung der Demokratie196.

2.7 Definition von rechtsradikal

Anders als der Rechtsextremismus strebt der Rechtsradikalismus nicht danach, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Wie der lateinische Stamm des Wortes anzeigt, bezeichnet er eine Haltung, die eine radikale, „das heißt bis an die Wurzel einer Fragestellung gehende Zielsetzung” hat, die aber deshalb nicht schon verfassungsfeindlich ist197. Als rechtsradikal werden daher im Folgenden alle Bestrebungen und Strömungen rechts des etablierten Konservatismus198 verstanden199, die

194 vgl. BVerfGE 2, S. 12 f. 195 vgl. BVerfGE 2, S. 12 f. 196 vgl. Richard Stöss: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik. Entwicklung, Ursachen, Gegenmaßnahmen, Opladen 1989, S. 18, vgl. zum Unterschied zwischen Rechts- und Linksextremismus ferner Butterwegge in ders. u.a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 12 ff., mit einer kritischen Würdigung der in den Behörden des Verfassungsschutzes sowie der Bundeszentrale für politische Bildung dominierenden Extremismustheorie. 197 Bundesminister des Inneren (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1974, zit. nach Dudek/Jaschke 1, S. 24. 198 vgl. zum Begriff Konservatismus die interessante und sicherlich auch den Umständen jener Zeit Rechnung tragende Definition von Iring Fetscher (Hg.): Rechtsradikalismus, Frankfurt 1967, S. 13, der konservativ alle Theorien, Bewegungen und Ideologien nennt, die „auf die Aufrechterhaltung eines in der Gegenwart noch existierenden politischen und sozialen Zustandes gerichtet sind und zu diesem Zweck Parteien und Personen kritisieren, die auf eine mehr oder minder radikale Revision dieses status quo in Richtung auf weitergehende Demokratisierung von Staat und Gesellschaft hinzielen”. 2 Begriffliche Fragen 46 nicht extremistisch sind. Zwar sind sie geprägt von einer nationalistischen Grundhaltung, die eine Veränderung der Gesellschaftsordnung anstrebt. Ihre Vertreter bewegen sich dabei aber noch innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung200 und haben in einer pluralistischen Gesellschaft daher auch ihren legitimen Platz201. Rechtsradikale begründen ihre Haltung oftmals durch den Verweis auf tradierte Werte, die nicht notwendigerweise in der Verfassung gründen, und erklären sich für zuständig für deren Bewahrung oder Durchsetzung. Ihre Vorstellungen wollen sie indes ausschließlich innerhalb der Grenzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durchsetzen, deren Ordnungsprinzipien sie als Voraussetzung ihrer Politik akzeptieren. Durch den Rückgriff auf den nationalistischen Mythos zielen sie auf eine Revision der Verfassungswirklichkeit ab, ohne die demokratische Ordnung grundsätzlich in Frage zu stellen202. Gegenüber Rechtsextremen zeichnen sich Rechtsradikale damit insbesondere durch die Ablehnung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele aus. Parteien wie die Republikaner werden seit einigen Jahren zunehmend mit dem Attribut „rechtspopulistisch” versehen. Zwar wird damit zutreffend das Phänomen bezeichnet, daß sich die Republikaner, aber auch die österreichische FPÖ, die italienische Lega Nord oder der französische Front National als Anwalt der „kleinen Leute” präsentieren, als „Repräsentanten kleinbürgerlicher Erfahrungs- und Lebenswelten gegen die Verkrustungen des Systems”203. Zur Klärung der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Fragen eignet sich der Begriff dagegen nicht, charakterisiert er doch allein die Art und Weise, in der die Parteien ihre Inhalte präsentieren. Ob sie deswegen rechtsextremistisch sind oder nicht, ist daran ebenso wenig abzulesen wie eine Etablierung204.

199 vgl. Hans-Gerd Jaschke: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Begriffe, Positionen, Praxisfelder, Opladen 1994, S. 28. 200 vgl. Franziska Hundseder: Stichwort Rechtsextremismus, München 1993, S. 11, vgl. auch die Definition von rechtsradikal bei Fetscher, a.a.O., die eben nicht anhand der Verfassungstreue differenziert und Theorien, Bewegungen und Ideologien umfaßt, „die auf das Rückgängigmachen eines in dieser Gesellschaft bereits erreichten Zustands der politischen und sozialen Demokratisierung abzielen, wobei sie sich im allgemeinen auch außerlegaler Mittel zu bedienen entschlossen sind (auch wenn sie das nicht immer offen bekennen)”. 201 vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz: Aufgaben, Befugnisse, Grenzen, Bonn 1992. S. 17 f. 202 vgl. Michael Minkenberg: Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland, Opladen/Wiesbaden 1998, S. 34, nach dessen Verständnis diese Merkmale indes nur einen Teil des dem Oberbegriff Rechtsradikalismus zuzurechnenden Spektrums kennzeichnen, das daneben auch den Rechtsextremismus umfaßt. 203 Hans-Gerd Jaschke: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Begriffe, Positionen, Praxisfelder, Opladen 1994, S. 32. 204 so ist denn auch zwischen einer demokratischen und einer extremistischen Variante des Rechtspopulismus’ zu differenzieren, vgl. Armin Pfahl-Traughber: Volkes Stimme?, Bonn 1994, S. 20. 3 Das Profil der Republikaner 47

3 Das Profil der Republikaner

Bevor diskutiert wird, ob sich die Republikaner im Landtag Baden-Württembergs als Opposition etabliert haben und aus einer rechtsextremen eine rechtsradikale Fraktion geworden ist, gilt es, den Untersuchungsgegenstand näher zu beleuchten. Denn nur vor dem Hintergrund der Genese und der Karriere der Republikaner läßt sich bewerten, welche Entwicklung Partei und Fraktion genommen und welche ihrer ursprünglichen Theoreme und Positionen möglicherweise gesellschaftsfähig geworden sind. Kapitel 3 umreißt daher zunächst die Geschichte, die Programmatik, die Wählerschaft und die Innenansicht der Bundespartei Die Republikaner sowie deren Arbeit in den Parlamenten. Eine Darstellung der Landespartei nach denselben Gesichtspunkten schließt sich an. Ausgenommen ist dabei zunächst die Arbeit im Landtag, welche noch eingehender zu erörtern sein wird - die Arbeit der baden-württembergischen Republikaner in den Gremien der Kommunalpolitik berücksichtigt der Abschnitt über die Geschichte des Landesverbandes. Vor dem Hintergrund dieser Befunde wird sodann diskutiert, ob es sich bei den Republikanern um eine rechtsextremistische Partei handelt.

3.1 Die Republikaner auf Bundesebene

3.1.1 Geschichte

3.1.1.1 Gründung und Aufstieg

Die Partei „Die Republikaner” gründete sich am 26. November 1983 in der Münchner Gaststätte „Bräupfanne”205. Motiv war nicht die Hoffnung auf eine Sammlung des rechten Lagers in einer Partei, die 1964 noch die Gründungsversammlung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) geprägt hatte206. Die neu gegründete Partei verstand sich vielmehr als Abspaltung der CDU/CSU207. Die Unionsparteien sahen sich zu dieser Zeit mit Parteiaustritten und Unmut an der Basis konfrontiert. Auslöser war vor allem die Beteiligung von Franz Josef Strauß an der Gewährung des Milliardenkredits 1983 an die DDR gewesen208. Zwei Personen im dreiköpfigen Vorstand der neuen Partei, Franz Handlos und Eckhard Voigt, hatten die CDU im Bundestag vertreten und waren aus Protest

205 vgl. Rosen, a.a.O., S. 7, vgl. im folgenden auch Bernd Neubacher: NPD, DVU-Liste D, Die Republikaner. Ein Vergleich ihrer Ziele, Organisationen und Wirkungsfelder, Köln 1996, S. 46 ff. 206 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 75. 207 vgl. Haller/Deiters, in: Benz: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 250. 208 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 109. 3 Das Profil der Republikaner 48 gegen das Darlehen aus ihrer Partei ausgetreten209. Handlos und Voigt wollten eine neue „demokratisch legitimierte, authentische Rechtspartei” ins Leben rufen210. Als dritten wählten die sieben Gründungsmitglieder Franz Schönhuber in den Vorstand, einen ehemaligen Fernsehjournalisten des Bayerischen Rundfunks211. Zum offiziellen Gründungskongreß im Münchner Hotel Hilton fanden sich rund 800 Personen ein, die „einen Stallgeruch von Bayernpartei, Sudetendeutscher Landsmannschaft, NPD und Fredersdorfs Bürgerpartei” verbreiteten212. Im Februar und März 1984 konstituierten sich neben dem bayerischen Landesverband weitere Parteiorganisationen in Baden-Württemberg, Bremen und Hamburg213. Der erste Parteitag fand am 30. September 1984 in München statt und zog Vorwürfe nach sich, Schönhuber übe zunehmend eine innerparteiliche Diktatur aus214. Im April 1985 legte Franz Handlos nach internen Auseinandersetzungen sein Amt als Vorsitzender nieder und verließ die Partei; Voigt folgte ihm kurz darauf215. Entzündet hatte sich der Konflikt an der politischen Taktik Franz Schönhubers. Ihm warf Franz Handlos vor, er wolle die Partei „auf strammen Rechtskurs trimmen”, sie in eine „national-soziale Kaderpartei” verwandeln216 und dulde zudem ihre Unterwanderung durch Mitglieder der NPD217. Zwei Monate darauf wählten die Delegierten des zweiten Bundesparteitages der Republikaner in Siegburg Franz Schönhuber zum neuen Vorsitzenden. Der Wechsel an der Spitze beendete zugleich die Debatte um die Frage, ob sich die Republikaner als bundesweites Pendant der CSU etablieren oder einen populistischen Nationalismus betreiben sollten. Unter Schönhubers Ägide traten zahlreiche ehemalige Mitglieder rechtsextremer Parteien den Republikanern bei und vertraten sie zum Teil an exponierter Stelle. So gelangte auf Platz drei der Liste der Republikaner zur Europawahl 1989 das frühere NPD-Mitglied Harald Neubauer218, das aus der NPD ausgetreten war wegen einer seiner Ansicht nach „unübersehbaren Entwicklung nach links” innerhalb der Partei219.

209 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 76. 210 Haller/Deiters, in: Benz: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, S. 250. 211 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 31. 212 Rosen, a.a.O., S. 7. 213 vgl. Rosen., ebenda, S. 8. 214 vgl. Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 64. 215 im Mai 1989 kehrte er als Wahlkampfmanager zu den Republikanern zurück, vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S: 77. 216 vgl. ebenda. 217 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 34. 218 vgl. ebenda. 219 zit. nach Michael Stiller: Die Republikaner, Franz Schönhuber und seine rechtsradikale Partei, München 1989, S. 95. 3 Das Profil der Republikaner 49

Bei ihrer ersten Kandidatur, den bayerischen Kommunalwahlen am 12. Oktober 1986, erzielten die Republikaner 3,0 Prozent. Auf besonders große Zustimmung stießen sie dabei in Oberbayern, in Ost-Niederbayern und in Mittelfranken. Die Partei zog, in Oberbayern und Mittelfranken, in zwei der sieben bayerischen Bezirkstage ein und war damit erstmals in Parlamenten präsent220. Dort forderte sie vor allem einen Volksentscheid in der Frage der Errichtung der atomaren Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf sowie eine härtere Gangart gegen „Asylbetrug”221. Die Wahlkampfkosten-Rückerstattung ermöglichte der Partei nach dem ersten Achtungserfolg zwar den Ausbau ihrer Organisation222, und Schönhuber bemühte sich geschickt darum, enttäuschte „Wende”-Wähler223 auf die Seite seiner Partei zu ziehen; außerhalb der bayerischen Landesgrenzen aber blieben die Republikaner dessenungeachtet ein organisatorischer und politischer Zwerg: Auf Grund fehlender Strukturen mußte die Partei auf eine Kandidatur bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg im November 1986 sowie bei den Bundestagswahlen im Januar 1987 verzichten224. Zudem scheiterte die Kandidatur bei den rheinland-pfälzischen Landtagswahlen im März 1987, da sich Spitzenkandidat Hans Bastian unmittelbar vor der Wahl als wegen Kreditbetrugs und Urkundenfälschung vorbestraft entpuppte225. In dieser Situation mehrte sich erneut die Kritik am Parteivorsitzenden. Auf dem Bremerhavener Parteitag im Mai 1987 sah sich Franz Schönhuber mit Forderungen nach seinem Rücktritt sowie mit einer Basis konfrontiert, die zunehmend eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Volksunion favorisierte226. Von innerparteilichen Auseinandersetzungen geprägt war auch der Parteitag in Ludwigsburg am 9. und 10. Januar 1988. Politische Rivalen Schönhubers wie der baden-württembergische Landesvorsitzende Karl Mechtersheimer und der Bremer Parteifunktionär Wolfgang Klimke warfen dem Bundesvorsitzenden „Personenkult” und einen „Mangel an innerparteilicher Demokratie” vor227. Nur mit Mühe setzte Schönhuber in der Partei ein Verbot der Kooperation mit der Deutschen Volksunion durch228.

220 vgl. Leggewie: Die Republikaner, Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 66; Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 78. 221 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 78. 222 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 111. 223 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 79. 224 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 80. 225 vgl. Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 67. 226 vgl. ebenda. 227 vgl. ebenda. 228 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 80. 3 Das Profil der Republikaner 50

Nun kam es zum offenen Bruch. Verschiedene Gruppen spalteten sich von der Partei ab229. So rief der Bremer Landesverband im März 1988 eine eigene „Bremische Republikanische Partei” ins Leben. Auf Bundesebene bildete sich währenddessen eine Gruppe „unabhängiger Republikaner”230. Zugleich traten indes renommierte Personen aus Militär und Politik den Republikanern bei. Zur Partei stießen auf kommunaler Ebene neben einer Reihe von CSU-Politikern auch der ehemalige Nato-Funktionär und Konteradmiral Günter Poser sowie in ihrer Mehrheit die rund tausend Mitglieder zählende „Deutsche Union” des ehemaligen Freidemokraten Siegfried Zoglmann231. Die neuen Mitglieder verhalfen den Republikanern zu einer seriöseren Reputation. Nachdem Emil Schlee, zuvor Christdemokrat, Ministerialrat, schleswig-holsteinischer Landesbeauftragter für Vertriebene und Flüchtlinge sowie Vizepräsident des „Bundes der Mitteldeutschen”, in die Partei eingetreten war, urteilte die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Republikaner seien schwerlich als rechtsradikal zu bezeichnen232. Die Wahlergebnisse blieben nach wie vor hinter dem Ergebnis der ersten Kandidatur zu den bayerischen Kommunalwahlen im Oktober 1986 zurück. Bei den Landtagswahlen in Bremen im September 1987 erzielten die Republikaner 1,2 Prozent. Nachdem die Partei in Schleswig-Holstein zunächst nicht die für eine Kandidatur erforderlichen Unterschriften hatte beibringen können, erhielt sie bei den wiederholten Landtagswahlen 0,6 Prozent der Stimmen. 0,96 Prozent der Stimmen vereinigten die Republikaner bei den Landtagswahlen in Baden- Württemberg auf sich. Mit diesen Ergebnissen fiel die Partei in ihrer Bedeutung hinter die Deutsche Volksunion - Liste D (DVU - Liste D) sowie die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zurück233. Als dann im Januar 1989 bei den Berliner Senatswahlen überraschend 7,5 Prozent der Stimmen auf die Republikaner entfielen, konnte die Partei mangels Personal nicht einmal sämtliche Sitze im Senat besetzen. Das Ergebnis galt als politische Sensation, weil seit der Blütezeit der NPD in den späten sechziger Jahren keine Partei rechts von den Unionsparteien bei einer Landtagswahl mehr als fünf Prozent der Stimmen errungen hatte234. Bei den Wahlen zum Europa-Parlament im Juni bestätigte sich der Aufwärtstrend - die Republikaner erzielten

229. vgl. Haller/Deiters, in: Benz: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, S. 257. 230 vgl. ebenda. 231 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 80 ff. und Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 77. 232 vgl. FAZ, 9. Mai 1988. 233 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 32. 234 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 111. 3 Das Profil der Republikaner 51 ein Wahlergebnis von bundesweit 7,1 Prozent235. Die Behörden des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen und Hamburg begannen daraufhin damit, die Partei zu beobachten236. Der Erfolg und die daraus resultierende Erstattung der Wahlkampfkosten, die allein im Falle der Wahlen zum Europa-Parlament 16 Millionen Mark betrug, erlaubte der Partei eine finanzielle Konsolidation und den Aufbau von Landesverbänden in jenen Bundesländern der damaligen Republik, in denen sie bislang noch nicht präsent gewesen war. Die Zahl der Mitglieder erhöhte sich nach den Wahlerfolgen auf bundesweit 25.000 von zuvor 8.600237. Rechtsextremisten waren in der Minderheit unter den neuen Mitgliedern238. Vielmehr ermöglichte die zunehmende Zahl von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, unter ihnen insbesondere Soldaten, Grenzschützer und Polizeibeamte, den Republikanern sukzessive das Vordringen auch in Strukturen der Arbeitnehmer-Organisationen239. Gleichwohl fanden sich unter den neuen Republikanern auch zahlreiche bekannte Rechtsextremisten, die wiederum manches Mitglied zum Austritt bewegten240. Unterdessen eskalierten abermals die innerparteilichen Machtkämpfe: Erneut betrieben Landesvorstände die Abspaltung ihrer Organisation von der Partei. In Berlin und Niedersachsen wurden die Verantwortlichen indes auf Grund von Richtungskämpfen auf Bundesebene ihrer Ämter enthoben. Dessenungeachtet verbuchten die Republikaner im Oktober 1989 weitere Erfolge bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und Baden- Württemberg241.

3.1.1.2 Konsolidation und Erosion bis zur Bundestagswahl 1994

Nach dem Mauerfall versuchte die Partei, in der ehemaligen DDR funktionsfähige Strukturen aufzubauen242. Inkompetente243 Funktionäre vor Ort sowie offen neo- nationalsozialistisch auftretende Mitglieder hemmten jedoch das Vorhaben. Überdies war die Partei in Ostdeutschland von Februar bis August 1990 auf Beschluß der Volkskammer wegen

235 vgl. ebenda. 236 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S 117. 237 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, ebenda, S. 82, vgl. auch Leggewie: Die Republikaner, Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 69. 238 vgl. zahlreiche Beispiele bei Franziska Hundseder: „Bitte sprechen Sie nach der MG-Salve”, in: Die Zeit, 9. Juni 1989, Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 111. 239 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 84. 240 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 32. 241 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 125. 242 vgl. den Erlebnisbericht bei Michael Schomers: Deutschland ganz rechts. Sieben Monate als Republikaner in BRD und DDR, Köln 1990, S. 202 f. und S. 212-230. 243 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 47. 3 Das Profil der Republikaner 52

Verfassungsfeindlichkeit verboten244. Erst der Vertrag über die künftige gesamtdeutsche Wahl legalisierte die Aktivitäten der Republikaner in den östlichen Bundesländern245. Unter diesen Umständen kam die Partei dort bis 1992 über eine Mitgliederzahl von rund 3.000 nicht hinaus246. Mit Aufhebung der Teilung der beiden deutschen Staaten endete kurz darauf auch die Phase des Erfolgs für die Republikaner aufs neue. Die ersten Landtagswahlen in der wiedervereinigten Republik erbrachten Ergebnisse zwischen 1,5 und 3,3 Prozent, bei der ersten gemeinsamen Bundestagswahl in Ost- und Westdeutschland erzielte die Partei 2,1 Prozent. Dabei war die Resonanz gerade im Osten der Republik besonders gering. An der Basis entlud sich nun erneut der Unmut über Schönhubers Führungsstil. Zudem begehrte aufs neue der rechte Parteiflügel auf, der nach wie vor eine Kooperation mit NPD und DVU forderte247. Währenddessen löste sich der „Republikanische Hochschulverband”, erst ein Jahr zuvor gegründet, um die Intellektualisierung der Partei voranzutreiben, auf, weil er nach Angaben seines Vorsitzenden Alexander von Schrenck-Notzing daran gescheitert war, „in diese Partei mehr Niveau hereinzutragen”248. In dieser Situation kündigte Schönhuber eine „Säuberung” der Partei von Rechtsextremisten an – Überläufer aus Parteien wie der NPD waren inzwischen bis in den Bundesvorstand aufgestiegen249. Im Verlaufe der sich daraus entwickelnden Machtprobe zwischen dem Parteivorsitzenden und der rechten Gruppierung um den ehemaligen NPD- Funktionär Harald Neubauer wurde Schönhuber zwischenzeitlich als Sprecher und Vizepräsident der Technischen Fraktion im Europa-Parlament abgesetzt und vom bayerischen Landesschiedsgericht sogar aus der Partei ausgeschlossen. Er mußte zunächst als Parteivorsitzender zurücktreten und das Bundesschiedsgericht anrufen250, bevor er auf dem Parteitag am 7. und 8. Juli 1990 im niederbayerischen Ruhstorf von der Mehrheit der Delegierten schließlich wiedergewählt wurde251. Schönhuber gelang es danach, seine Macht in der Partei zu festigen, obwohl der politische Erfolg weiterhin ausblieb. Rivalen wie den ehemaligen Generalsekretär und bayerischen Landesvorsitzenden Harald Neubauer und die Europa-Abgeordnete Johanna Grund drängte er aus der Partei252.

244 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, ebenda. 245 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 112. 246 vgl. Der Spiegel 19/92, S. 103. 247 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 114. 248 zit. nach Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 33. 249 vgl. die zahlreichen Beispiele in Christdemokratische Union Deutschlands (Hg.): Die REP: Analyse und politische Bewertung einer rechtsradikalen Partei, Bonn 1989, S. 10 f. 250 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 90. 251 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 114. 252 vgl. Backes/Jesse, ebenda. 3 Das Profil der Republikaner 53

Der politische Erfolg stellte sich erst wieder ein mit der öffentlichen Diskussion um die Verschärfung des Asylrechts, in der sich die Partei 1992 profilierte. Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg erzielten die Republikaner 10,9 Prozent, bei den Berliner Kommunalwahlen 8,3 Prozent253. Nachdem die Unterstützung für die Republikaner seit 1989 stetig nachgelassen hatte, verbuchte die Partei nach den beiden Wahlerfolgen einen starken Zuwachs an Mitgliedern und zählte am Ende des Jahres bundesweit wieder rund 23.000 Republikaner254. Nach Verschärfung des Asylrechts im Mai 1993 jedoch schwand die Popularität ebenso schnell, wie sie sich im Zuge der Asyldebatte gebildet hatte. Die Mitgliederzahl nahm aufgrund von Parteiaustritten rapide ab. Darunter litt vor allem die Organisation in den Landesverbänden. Einige der 16 Landesverbände zeigten deutliche Auflösungserscheinungen, im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen erwies sich die Organisation als kaum funktionsfähig. In zahlreichen Landkreisen und kreisfreien Städten existierte sie überhaupt nicht mehr oder stand zumindest in ihrem Fortbestand in Frage. Der Aufbau von Verbänden in Ostdeutschland gelang nach wie vor nur mühsam255. 1993 standen neben dem Bundesparteitag in Rastatt der baden-württembergische Landesparteitag in Stuttgart sowie der Programmparteitag im Juni in Augsburg im Mittelpunkt. Zudem organisierten die Republikaner eine angesichts ihrer strukturellen Schwäche relativ große Anzahl sowohl parteiinterner als auch öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen auf Orts- und Kreisebene, die häufig Proteste begleiteten256. Vor ihrem Bundesparteitag mußte sich die Partei zudem mit der Stadt Rastatt juristisch auseinandersetzen. Vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof erwirkten sie schließlich ein Urteil, das die Kommune dazu verpflichtete, die Badner Halle für die Veranstaltung am 31. Oktober zur Verfügung zu stellen257. Im Jahr 1994 dauerte die Erfolglosigkeit an. Organisatorische Defizite und abermals die Eskalation innerparteilicher Flügelkämpfe kennzeichneten dabei die Lage der Partei258. Das Bild der Republikaner in der Öffentlichkeit prägten währenddessen die Diskussion über eine mögliche Beteiligung von Parteimitgliedern an einem ausländerfeindlichen Brandanschlag in Nordrhein-Westfalen sowie antisemitische Äußerungen des Bundesvorsitzenden Franz

253. vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 48. 254. vgl. ebenda. 255 vgl. Coerw Krüger: Der REP-Bundestagswahlkampf 1994, in: Butterwegge u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 244. 256 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1993, S. 52. 257 vgl. Heilbronner Stimme, 7. Oktober 1993. 258 vgl. Coerw Krüger: Der REP-Bundestagswahlkampf 1994, in: Butterwegge u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 244. 3 Das Profil der Republikaner 54

Schönhuber259. Nach dem Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge hatte Schönhuber den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, zur Empörung von CDU und SPD als einen „der schlimmsten Volksverhetzer Deutschlands” bezeichnet260. Bubis hatte für den Anschlag nicht nur die Täter, sondern auch „geistige Brandstifter” verantwortlich gemacht. Nach den Protesten der anderen Parteien erneuerte Schönhuber seine Aussage am 26. März auf dem bayerischen Parteitag in Erding. Ignatz Bubis sei derjenige, der in Deutschland für den Antisemitismus sorge, sagte er. Die Versammlung wählte Schönhuber zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im Oktober261. Im Bundestagswahlkampf legten die Republikaner regionale Schwerpunkte auf großstädtische Ballungsräume mit sozialen Problemlagen sowie auf die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg - Gebiete, in denen sie bislang ihre besten Wahlergebnisse erzielt hatten. Ihre Aktivitäten beschränkte die Partei dabei neben den ihr zustehenden Spots im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auf eine flächendeckende Plazierung von kleineren Plakaten, Flugblättern und Hauswurfsendungen, auf vereinzelte öffentliche Auftritte sowie auf das parteieigene Presseorgan „Der Republikaner”262. In die Kampagne zog die Partei mit Hans Hirzel, einem ehemaligen Mitglied der antinationalsozialistischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose”, das 1943 vor dem Volksgerichtshof zu vier Jahren Haft verurteilt worden war263. Trotz solcher Unterstützung erwies sich das als „Superwahljahr” apostrophierte Jahr 1994 für die Republikaner als Enttäuschung, die schließlich im Ergebnis von 1,9 Prozent (1990: 2,1 Prozent) bei der Bundestagswahl kulminieren sollte. Nachdem die Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg zunächst nur 1,13 beziehungsweise 1,27 Prozent erreicht hatte264, verfehlte sie im Juni auch den Wiedereinzug ins Europaparlament. Von der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wiederum schloß zunächst der Wahlausschuß die Republikaner wegen undemokratischer Kandidatenauswahl aus - die Parteimitglieder hatten vor den Versammlungen keine Einladungen mit der Adresse des Ortes der Wahl erhalten, sondern waren von Treffpunkten mit Bussen dorthin befördert worden. Der Landeswahlleiter erklärte den Ausschluß schließlich für rechtswidrig265. Selbst in ihrem Stammland Bayern aber, wo die Republikaner

259 vgl. Coerw Krüger: ebenda, S. 244 f. 260 vgl. taz, 29. März 1994. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin etwa sagte, Schönhuber gehöre „hinter Gitter”, zit. nach ebenda. 261 vgl. taz, 28. März 1994. 262 vgl. Coerw Krüger: Der REP-Bundestagswahlkampf 1994, in: Butterwegge u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 246 f. 263 vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Februar 1994. 264 vgl. taz, 20. September 1994, S. 5. 265 vgl. taz, 3. Juni 1994. 3 Das Profil der Republikaner 55

1,5 Millionen Mark in den Wahlkampf investiert hatten266, scheiterten sie an den Bestimmungen der Fünf-Prozent-Klausel267. Schönhuber, der sich erneut Forderungen nach seinem Rücktritt gegenübersah268, kündigte daraufhin seinen Rücktritt vom Bundesvorsitz für den Parteitag in Sindelfingen am 17. und 18. Dezember 1994 an269. Unmittelbar vor der Bundestagswahl dann präsentierten sich die Republikaner in denkbar disparater Verfassung. Abermals war es der Vorsitzende gewesen, welcher innerhalb und außerhalb der Partei für Aufsehen gesorgt hatte: Nachdem er sich am 21. August mit Gerhard Frey, dem Vorsitzenden der Deutschen Volksunion, getroffen hatte, teilten beide in einer gemeinsamen Erklärung mit, Republikaner und Deutsche Volksunion sollten „der linken Volksfront eine rechte Abwehrkraft” entgegensetzen und „bei Wahlen eine Selbstblockade verhindern”270. Der Vorschlag einer Kooperation zwischen Republikanern und der Deutschen Volksunion, die Teile der Partei bereits zuvor mehrfach gefordert hatten, verstieß gegen den Unvereinbarkeitsbeschluß des Ruhstorfer Parteitages von 1990271. Entsprechend gespalten reagierte die Partei. Einige Landesverbände begrüßten den Vorstoß, andere, unter ihnen der baden-württembergische272, distanzierten sich von Schönhuber273. Bundesinnenminister , der die Partei bisher nicht als rechtsextremistisch eingeordnet hatte274, veranlaßte erneut eine Überprüfung der Verfassungstreue der Republikaner275. Daraufhin teilten Schönhuber und der bayerische Landesvorstand mit, „auf keinen Fall” werde es eine politische Zusammenarbeit mit der Deutschen Volksunion geben276. Dennoch leiteten die Behörden in den folgenden Tagen bereits dienstrechtliche Schritte gegen Republikaner im Beamtendienst ein: In Bochum wurde zum Beispiel Oberstaatsanwalt Karl Lucks, der für seine Partei als Direktkandidat zur Bundestagswahl angetreten war, mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert277. In Bremen leitete der Polizeipräsident ein Amtsenthebungsverfahren gegen einen Mitarbeiter

266 auf dem Erdinger Parteitag im März, der Schönhuber als Bundesvorsitzenden bestätigte, hatte Schönhuber angekündigt, die Republikaner verfügten für das Wahljahr über einen Etat von rund fünf Millionen Mark, vgl. taz, 28. März 1994, S. 5. 267 das gleiche galt für die sieben weiteren Landtagswahlen 1994, vgl. taz, 20. April 1995, S. 4. 268 vgl. taz, 1. Oktober 1994, S. 4. 269 vgl. Der Spiegel, 33/94, S. 50. 270 zit. nach taz, 4. Oktober 1994. 271 vgl. taz, 20. September 1994. 272 vgl. Pressemitteilung der Fraktion Nr. 126/94 vom 22. August 1994. 273 vgl. taz, 24. August 1994. 274 vgl. General-Anzeiger, 15. April 1994. 275 vgl. General-Anzeiger, 24. August 1994. 276 vgl. taz, 26. August 1996. 277 vgl. ebenda. 3 Das Profil der Republikaner 56 ein, der als Landesvorsitzender der Bremer Republikaner amtierte278. Im nordrhein- westfälischen Kamen versetzte die Schulaufsicht den Gymnasiallehrer, Vorsitzenden des „Republikanischen Bundes der öffentlich Bediensteten” und Bundestagskandidaten Burghard Schmanck in den vorzeitigen Ruhestand - Schmanck klagte gegen den Kabinettsbeschluß der Landesregierung, wonach die Mitgliedschaft bei den Republikanern unvereinbar sei mit der besonderen Treuepflicht von Beamten gegenüber dem Staat, und erhielt wenige Monate später vor dem Verwaltungsgericht Münster recht. Eine Kandidatur allein rechtfertige keinen hinreichenden Tatverdacht auf ein schweres Dienstvergehen, legte das Urteil fest279. Am 1. Oktober 1994 schließlich, zwei Wochen vor der Bundestagswahl, setzten 25 der 37 Mitglieder des Bundesvorstandes der Partei Franz Schönhuber wegen parteischädigenden Verhaltens als Vorsitzenden ab280. Der bezeichnete seine Absetzung als „Putsch einer kleinen Clique ehrgeiziger Funktionäre”281 und legte erfolgreich Rechtsmittel gegen seine Absetzung ein. In einer Einstweiligen Verfügung entschied das Berliner Landgericht, nicht der Bundesvorstand, nur eine Mitgliederversammlung hätte Schönhuber absetzen dürfen282. Er habe sich bloß „gegen Kontaktsperren gegenüber Menschen gewandt, die rechts von uns stehen”, verteidigte sich Schönhuber nun283. Einen Tag nach seiner gerichtlichen Wiedereinsetzung als Bundesvorsitzender verfehlten die Republikaner den Einzug in den Bundestag deutlich. Am 5. Dezember 1994 enthob das bayerische Landesschiedsgericht der Partei Schönhuber abermals seines Amtes. Der aber ignorierte den Beschluß: Auf dem Bundesparteitag in Sindelfingen am 17. und 18. Dezember trat er nochmals als Vorsitzender auf - um endgültig seinen Rückzug aus der Partei bekanntzugeben. Zu seinem Nachfolger wählte der Parteitag den baden-württembergischen Landesvorsitzenden Rolf Schlierer284. Der Jurist sprach sich gegen „eine Zusammenarbeit mit Parteien wie der DVU oder NPD”285 aus. Es gehe darum, die Politik der Republikaner in „ansprechender Verpackung” zu servieren286. Als Themen der Republikaner nannte Schlierer, der im Jahr zuvor für die Entwicklung des Parteiprogramms verantwortlich gewesen war287, die Sozialpolitik und die Innere Sicherheit288.

278 vgl. taz, 9. September 1994. 279 vgl. Frankfurter Rundschau, 27. Februar 1995. 280. vgl. taz, 4. Oktober 1994. 281 zit. nach „Haie im Blutrausch”, in: Der Spiegel 41/1994. 282 vgl. General-Anzeiger, 14. Oktober 1994. 283 zit. nach „Haie im Blutrausch”, in: Der Spiegel 41/1994. 284 vgl. FAZ, 19. Dezember 1994. 285 zit. nach Frankfurter Rundschau, 19. Dezember 1994. 286 zit. nach Heilbronner Stimme, 19. Dezember 1994. 287 vgl. Lepszy/Veen, a.a.O., S. 11. 3 Das Profil der Republikaner 57

3.1.1.3 Versuch des Neuanfangs unter Rolf Schlierer

Der Nachfolger Schönhubers übernahm eine Partei in schwerer Finanzkrise: An die Bundestagsverwaltung mußten die Republikaner 2,8 Millionen Mark zurückzahlen, weil der Bundesschatzmeister vergessen hatte, beizeiten die Festsetzung der staatlichen Zuschüsse für die Partei im Jahre 1994 zu beantragen289. Wenige Tage vor ihrem Bundesparteitag waren die Republikaner vor dem Düsseldorfer Landgericht unterlegen. Die Richter hatten geurteilt, daß die Gewerkschaft der Polizei Mitglieder der Republikaner aus ihren Reihen ausschließen darf, da das Programm der Partei undemokratische Punkte enthalte290. Zwar verfügte die Partei mit ihrem neuen Vorsitzenden sowie mit dem ehemaligen CDU- Bundestagsabgeordneten Rudolf Krause noch immer über potentielle Führungskräfte291. Aufgrund der Auseinandersetzungen um den ausgeschiedenen Parteivorsitzenden Schönhuber jedoch standen sich in der Partei nunmehr die Gegner und Anhänger der langjährigen Galionsfigur292 gegenüber, deren Polarität bald die Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Befürwortern einer Zusammenarbeit mit offen auftretenden Rechtsextremisten als innerparteilichen Hauptkonflikt ablöste. Auf der einen Seite stand der Flügel um den neuen Bundesvorsitzenden Schlierer, der die Partei gegenüber dem Rechtsextremismus abgrenzen wollte. Im Vergleich zu seinem Vorgänger war Schlierer stärker darauf bedacht, dem Verfassungsschutz keine Angriffsfläche zu bieten und die Republikaner Wählern und Sympathisanten gegenüber als demokratische Partei darzustellen293. Um so schwerer wog daher, daß der Bundesverfassungsschutz in seinem Jahresbericht 1994 die Republikaner erstmals als rechtsextremistisch einstufte294 und die niedersächsische Landesregierung daraufhin prompt die Möglichkeit disziplinarischer Maßnahmen gegen Mitglieder der Republikaner unter den Landesbeamten prüfte295. Auf der anderen Seite stand der Flügel Franz Schönhubers, der das gesamte rechte Lager einen wollte296. Nach seinem gescheiterten Vorstoß in diese Richtung engagierten sich

288 vgl. Heilbronner Stimme, 19. Dezember 1994. 289 vgl. Frankfurter Rundschau, 20. Dezember 1994. 290 vgl. Heilbronner Stimme, 14. Dezember 1994. 291 vgl. ebenda. 292 vgl. Heilbronner Stimme, 19. Dezember 1994. 293 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 140. 294 vgl. Heilbronner Stimme, 20. April, 1995. 295 vgl. Heilbronner Stimme, 21. April 1995; Bayern hatte schon Wochen vorher mit der Suche nach Republikanern im Staatsdienst begonnen, vgl. Heilbronner Stimme, 5. April 1995. 296 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 146. 3 Das Profil der Republikaner 58 zahlreiche Mitglieder an sogenannten „Runden Tischen”, an denen sie zum Beispiel in Rheinland-Pfalz und in Ostdeutschland mit Neonazis beieinander saßen297. Im Ergebnis der parteiinternen Auseinandersetzungen um den richtigen Kurs paralysierte sich die Partei damit weitgehend selbst298. Mit dem Einfluß Franz Schönhubers begründete im November zum Beispiel Alexander Hausmann, einer der exponiertesten innerparteilichen Gegner des früheren Parteivorsitzenden, seinen Rücktritt als bayerischer Landesvorsitzender und Mitglied des Bundespräsidiums. Weite Teile des Vorstand befänden sich auf dem Weg in den Extremismus und Antisemitismus, begründete er seinen Entschluß299. Der thüringische Landesvorsitzende Wolfgang Kleindienst gab dagegen als Grund für den Rückzug aus seinem Amt nur neun Tage später eine Doppelmoral einer „erkrankten Parteiführung” an. Während der Dialog mit „rechten Parteien” verboten werde, bemühe sich Schlierer über Mittelsmänner um Wahlabsprachen mit der rechtsextremistischen DLVH hinsichtlich der Landtagswahl in Baden-Württemberg300. Im November 1995 schließlich verließ auch Franz Schönhuber selbst die Partei, was er mit einem „Schmusekurs” der Parteiführung gegenüber den etablierten Parteien, einer Unterwanderung der Republikaner durch den Verfassungsschutz sowie mit menschenverachtendem Verhalten innerhalb der Partei begründete301. Auch 1995 errangen die Republikaner bei Wahlen keine Mandate. Beim Urnengang zur Bremer Bürgerschaft am 14. Mai verschlechterten die Republikaner ihr Ergebnis mit 0,3 Prozent gegenüber der Landtagswahl von 1991 (1,5 Prozent) ebenso wie bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, wo 0,8 Prozent der Stimmen auf die Partei entfielen (1990: 1,8 Prozent). Auf niedrigem Niveau stabil erwiesen sich die Ergebnisse bei der Landtagswahl in Hessen mit 2,0 Prozent gegenüber 1991 mit 1,7 Prozent sowie bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus mit 2,7 Prozent gegenüber 3,1 Prozent 1990. Bei der Wahl zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen, bei denen die Partei 1992 noch 8,3 Prozent der Stimmen erzielt hatte, erhielten die Republikaner rund drei Prozent der Stimmen302. Von den neun gerichtlichen Verfahren, welche die Republikaner bis dahin gegen ihre bundesweite Beobachtung durch die Behörden des Verfassungsschutzes angestrengt hatten, hatten sich Ende 1995 bereits acht als erfolglos erwiesen303. Angesichts der internen

297 vgl. Südwest Presse, 20. November 1995. 298 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 140. 299 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 140. 300 zit. nach Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 147. 301 vgl. Heilbronner Stimme, 17. November 1995. 302 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 148 f. 303 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 149. 3 Das Profil der Republikaner 59

Querelen sowie der zurückliegenden Wahlergebnisse schien damit die Rückentwicklung zur süddeutschen Regionalpartei programmiert304. Zwar ließ die Bundesvorstandssitzung im Oktober 1995 den neu gegründeten „Republikanischen Bund der Frauen”, der sich eine intensivere Kommunikation und Zusammenarbeit der Frauen in der Partei zum Ziel gesetzt hatte, als Vereinigung auf Bundesebene zu305. Auch verbreitete nun ein parteieigenes Mailboxnetz Presseerklärungen und sonstige Äußerungen von Funktionären der Partei306. Die Mitgliederzahl war gleichwohl auch 1995 rückläufig und sank von bundesweit 20.000 im Jahr 1994 auf nurmehr 16.000. Der Aufbau der Parteijugendorganisation „Republikanische Jugend” kam nur sehr schleppend voran, die Zahl ihrer Mitglieder sank sogar auf rund 200307. Aufgrund der prekären Finanzen erschien die zuvor zwölf Seiten umfassende monatliche Parteipublikation „Der Republikaner” nur noch als vierseitige Notausgabe308. Die schlechten Wahlergebnisse schienen sich 1996 zunächst fortzusetzen. Bei der bayerischen Kommunalwahl am 10. März erhielten die Republikaner landesweit 1,8 Prozent der Stimmen nach 5,3 Prozent im Jahr 1990. In den Kreistagen reduzierte sich die Zahl der Vertreter der Partei auf nur noch 72 (1990: 254)309. Insbesondere der baden- württembergischen Landtagswahl maßen die Republikaner in dieser Situation maßgebliche Bedeutung für die Zukunft der Partei zu. Um sich vollständig auf die erfolgversprechenderen Wahlen im Südwesten zu konzentrieren, verzichteten die Republikaner eigens auf eine Teilnahme an der am selben Tag stattfindenden Landtagswahl in Schleswig-Holstein310. Als großer Erfolg für die Partei und auch als Überraschung war es daher zu werten, als die Republikaner bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg mit 9,1 (1992: 10,9) Prozent der Stimmen als Fraktion im Stuttgarter Landtag bestätigt wurden311. Damit war ihnen als erste Partei aus dem rechtsradikalen und rechtsextremen Spektrum in der Geschichte der Bundesrepublik der Wiedereinzug in ein Landesparlament gelungen. Darüber hinaus stellten sie nun die einzige Fraktion einer rechtsradikalen oder rechtsextremen Partei in einem deutschen Parlament auf Bundes- oder Landesebene312. Bei der ebenfalls am 24. März 1996

304 vgl. „Hang zur Intrige”, in: Der Spiegel 52/1994. 305 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 147. 306 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 192. 307 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 147. 308 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 140. 309 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 124. 310 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 67. 311 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 124. 312 vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Ein Lagebild, Köln 1997, S. 14. 3 Das Profil der Republikaner 60 stattfindenden Landtagswahl in Rheinland-Pfalz steigerte die Partei sogar ihr Ergebnis gegenüber 1991 auf 3,5 Prozent von 2,0 Prozent. Die Erfolge stoppten den Abwärtstrend der Partei. Bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen erhöhte sie die Zahl ihrer Mandate gegenüber 1991 auf 31 von 21313. Der Rückgang der Mitgliederzahl kam mit 15.000 Republikanern zum Jahresende, nachdem die Partei im Jahr zuvor 16.000 Mitglieder gezählt hatte, beinahe zum Stillstand. Aus der staatlichen Finanzierung der Parteien erhielten die Republikaner insgesamt 4,5 Millionen Mark, und im Zuge der finanziellen, personellen und politischen Konsolidierung klangen auch die parteiinternen Richtungskämpfe ab. Auf dem von Protesten und Demonstrationen begleiteten314 Parteitag vom 4. bis 6. Oktober 1996 in Hannover wurde der Bundesvorsitzende Rolf Schlierer mit 346 von 448 Stimmen315 im Amt bestätigt. Schlierer kündigte eine flächendeckende Reorganisation der Partei bis zum Jahresende 1997 an, um die Republikaner auf die Bundestagswahl 1998 vorzubereiten316. In der Darstellung nach außen blieb er darauf bedacht, „nicht nur keine Angriffsflächen zu bieten, sondern die REP auch gegenüber potentiellen konservativen bzw. national-liberalen Wählern und Sympathisanten als seriöse Partei und demokratische Alternative darzustellen”317. Die Partei bemühte sich weiterhin um den Aufbau ihrer Untergliederungen. Trotz der Wahlerfolge im Jahr 1996 aber verlief der Aufbau der „Republikanischen Jugend” unverändert schleppend, auch der „Republikanische Bund der Frauen” (RBF) entfaltete nur geringe Aktivitäten318. Dessenungeachtet gründete sich im August 1996 die „Republikanische Mittelstands-Vereinigung” (RMV). Nach eigenen Angaben von „selbständigen und freischaffenden” Parteimitgliedern ins Leben gerufen, wollte die Organisation eben dieser Personengruppe „beratend und unterstützend zur Seite stehen”319. Bedeutsame Aktivitäten entwickelte diese Gruppierung nicht320. In gerichtlichen Verfahren gegen die Behörden des Verfassungsschutzes unterlagen die Republikaner auch 1996. Im Juni wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wie zuvor das Verwaltungsgericht München den Antrag der Republikaner zurück, dem Freistaat Bayern per

313 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 124. 314 vgl. Heilbronner Stimme, 7. Oktober 1996. 315 vgl. Heilbronner Stimme, 5. Oktober 1996. 316 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 123. 317 Bundesamt für Verfassungsschutz: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S. 15. 318 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 123. 319 zit. nach. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 66. 320 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 66. 3 Das Profil der Republikaner 61

Einstweiliger Anordnung zu untersagen, den Landesverband als extremistisch oder verfassungsfeindlich zu bezeichnen, disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen im Öffentlichen Dienst beschäftigte Parteimitglieder zu ergreifen sowie den bayerischen Verfassungsschutzbericht 1994 zu verbreiten321. Am 30. Mai scheiterte der Bremer Landesverband mit einem ähnlichen Antrag vor dem Verwaltungsgericht, am 7. Oktober erneut der bayerische Landesverband wegen des bayerischen Verfassungsschutzberichts 1995322. 1997 setzte sich die Konsolidierung fort. Die Zahl der Mitglieder nahm erstmals seit Jahren wieder zu und stieg um 500 auf 15.500, die finanzielle Gesundung der Partei dauerte an. Erhöhten Zulaufs erfreuten sich die Republikaner auch auf ihren öffentlichen Auftritten. So fanden sich zur jährlichen Aschermittwochs-Veranstaltung am 12. Februar im bayerischen Geisenhausen 1.200 Personen ein; im Jahr zuvor waren es noch 450 gewesen. An einer Gedenkveranstaltung zum 17. Juni in Berlin nahmen rund 600 (Vorjahr: 300) Personen teil323. Um den Aufbau der Partei in den ostdeutschen Bundesländern voranzutreiben, ernannte die Parteispitze zu Jahresbeginn den ehemaligen baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Karl-August Schaal zum „Beauftragten der Bundesvorstandes für Mitteldeutschland”324. Die Wahlergebnisse blieben 1997 jedoch hinter den Erwartungen der Partei zurück. Bei den hessischen Gemeinde- und Kreiswahlen am 2. März 1997 behaupteten sich die Republikaner nur knapp. Mit durchschnittlich 2,2 Prozent bzw. 6,6 Prozent der Stimmen erhielten sie weniger Voten als 1993 mit 2,9 bzw. 8,2 Prozent. Mit einem Landesdurchschnitt von 6,6 (1993: 8,2) Prozent waren sie in den Kommunen gleichwohl viertstärkste Partei. Bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft erreichten die Republikaner hingegen nur 1,8 (1993: 4,8) Prozent der Stimmen, bei den gleichzeitig stattfindenden Wahlen zu den Bezirksversammlungen büßten sie mehr als die Hälfte ihrer Anteile an der Wählerschaft ein und waren damit in den Gremien nicht mehr präsent. Auf Landtagsebene war die Partei weiterhin nur in Baden-Württemberg vertreten325. Außerhalb des Bundeslandes im Südwesten existierten zwar Landesverbände, nur wenige aber erlangten innerparteilich eine größere Bedeutung, neue Impulse blieben meist aus. Insbesondere in den Landesverbänden in den neuen Bundesländern lag die Parteiarbeit,

321 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 124. 322 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 124. 323 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 101. 324 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 101. 325 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 102. 3 Das Profil der Republikaner 62 ungeachtet des Einsatzes des entsprechend Beauftragten Karl-August Schaal, weitgehend brach326. Zwar hatten die Republikaner, die zur Selbstdarstellung nun auch das Internet nutzten327, ihrer Organisation neben der „Republikanischen Jugend”, dem „Republikanischen Bund der Frauen”, dem mittlerweile erneut ins Leben gerufenen „Republikanischen Hochschulverband” sowie der „Republikanischen Mittelstandsvereinigung” inzwischen eine „Kommunalpolitische Vereinigung” hinzugefügt; nennenswerte Aktivitäten gingen von den Untergliederungen aber kaum aus328. Vor Gericht setzten sich die Republikaner mit ihren Begehren gegen die Bezeichnung „extremistisch” in den Publikationen der Behörden des Verfassungsschutzes sowie gegen die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln 1997 bis auf eine Ausnahme nicht durch. Drei Klagen und Beschwerden gegen frühere Urteile verliefen erfolglos. Dagegen erklärte das Verwaltungsgericht Mainz am 10. Dezember die weitere Beobachtung des rheinland- pfälzischen Landesverbandes mit nachrichtendienstlichen Mitteln für unzulässig. Das Land legte Berufung ein329 und sollte sich schließlich mit seiner Auffassung durchsetzen. Im September 1999 erklärte das Koblenzer Oberverwaltungsgericht die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln für rechtens330. Einen Erfolg vor Gericht erzielten die Republikaner im November 1997 im Verein mit der Seniorenpartei Graue Panther und dem Südschleswigschen Wählerverband. Auf deren Antrag hob das Kölner Verwaltungsgericht einen Bewilligungsbescheid der Bundestagsverwaltung auf, die der FDP 12,4 Millionen Mark aus der staatlichen Parteienfinanzierung hatte zukommen lassen, obwohl die FDP versäumt hatte, zusätzlich zu den von ihr beantragten Abschlagszahlungen auch einen gesetzlich vorgeschriebenen Antrag auf Festsetzung der Auszahlung zu stellen. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth hatte ungeachtet des Formfehlers, auf den die Partei noch beizeiten hingewiesen worden war, die Auszahlung des Geldes angeordnet331. Wegen desselben Formfehlers waren Grauen Panthern, Republikanern und PDS Zuschüsse bereits verweigert worden. Das Kölner Verwaltungsgericht legte daher fest, daß die Bundestagsverwaltung den Klägern zusätzlich Geld aus der Parteienfinanzierung für 1996 zu zahlen habe, im Falle der Republikaner waren dies 255.800 Mark332.

326 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 54 f. 327 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 56. 328 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 55. 329 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 103. 330 vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. September 1999. 331 vgl. Heilbronner Stimme, 21. November 1997. 332 vgl. Heilbronner Stimme, 20. November 1997. 3 Das Profil der Republikaner 63

Parteiintern hatten die Befürworter einer Vereinigung des gesamten rechten Lagers seit Schlierers Wahl zum Bundesvorsitzenden ihren Einfluß geltend gemacht, die Abgrenzungspolitik gegenüber rechtsextremistischen Parteien unterlaufen und entsprechende Bündnisse gefordert333. Im Oktober 1997 dann verwischte Schlierer selbst die Konturen des offiziellen Kurses der Distanzierung. Auf dem von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt verlaufenden Bundesparteitag am 18. Oktober im bayerischen Dietmannsried begrüßte der Bundesvorsitzende insbesondere einen Vertreter des französischen „Front National” und kündigte eine engere Kooperation mit der rechtsextremistischen Partei an. Eine Zusammenarbeit mit DVU-Liste D oder NPD hingegen hatte er noch wenige Tage zuvor ausgeschlossen334. Gegenüber der „Freiheitlichen Partei Österreichs” (FPÖ) und dem rechtsextremistischen belgischen „Vlaams Blok” aber gab die Partei ihre distanzierte Haltung auf335. In einem Interview mit der Zeitschrift „Nation & Europa - Deutsche Monatshefte” bekräftige der geschäftsführende stellvertretende Bundesvorsitzende Christian Käs nach dem Parteitag zwar den Abgrenzungskurs der Partei gegenüber rechtsextremistischen Organisationen, bekannte sich jedoch zum Schulterschluß mit dem „Front National” und stellte eine Zusammenarbeit mit der Partei Jean-Marie Le Pens für den Fall in Aussicht, daß die Republikaner ins Europaparlament einziehen würden. Ähnlich äußerte sich Rolf Schlierer im Parteiorgan „Der Republikaner”336. Im Ergebnis fällt indes auf, daß Rolf Schlierer eher als Franz Schönhuber nach außen um eine Abgrenzung der Republikaner von rechtsextremistischen Parteien bemüht war - davon zeugen die fortgesetzten Bemühungen, vor Gericht gegen die Deklarierung als verfassungsfeindlich durch die Behörden des Verfassungsschutzes anzugehen. Eine Annäherung schien Rolf Schlierer allenfalls gegenüber Parteien möglich, die zwar als rechtsextrem galten, zugleich aber wie die Republikaner parlamentarisch dauerhaft präsent und damit zumindest beim Wähler akzeptiert waren. In ihrer Geschichte erzielten die Republikaner stets dann besonders große Wahlerfolge, wenn ihr innerparteilicher Zustand und ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit dies nicht erwarten ließen. 1989 dominierte intern der Unmut über den Führungsstil des Bundesvorsitzenden Schönhuber, 1992 blickte die Partei auf eine seit der staatlichen Wiedervereinigung andauernde Phase der Erfolglosigkeit zurück, 1996 verzeichnete die in

333 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 101. 334 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 102, Stuttgarter Nachrichten, 17. Oktober 1997. 335 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 63. 336 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 62. 3 Das Profil der Republikaner 64

Befürworter und Gegner des offiziellen Abgrenzungskurses gespaltene Partei einen neuerlichen Tiefpunkt in politischer, finanzieller und personeller Hinsicht; zugleich erwiesen sich die Phasen des Erfolgs alsbald als recht labil. Um so interessanter erscheint die Frage, ob etwa die Programmatik als Ursache verstärkten Wählerzuspruchs ungeachtet des innerparteilichen Zustands und des Erscheinungsbilds in der Öffentlichkeit anzusehen ist.

3.1.2 Die Programmatik der Republikaner

Das erste Parteiprogramm der Republikaner, verabschiedet am 26. November 1983, einen Tag vor der offiziellen Gründung der Partei, trug erkennbar die Handschrift von Eckhard Voigt und Franz Handlos. In gemäßigtem Duktus sprach es von einer nationalen Identität, die es zu bewahren gelte. Gleichzeitig setzte es die europäische Integration gegen „nationalstaatlichen Egoismus”337. Unter anderem stritten die Republikaner für die Abschaffung der Mengenlehre und für die Einrichtung einer Umweltlotterie, ebenso plädierten sie für ein „Plakettensystem für Ausländer” auf deutschen Autobahnen sowie für „private Patenschaften für Kinder in der Dritten Welt”338. Dem folgte am 16. Juni 1985 das auf dem Bundesparteitag in Siegburg verabschiedete „Siegburger Manifest”, ein fünfseitiges Papier, welches als Grundlage eines späteren Programmes dienen sollte. Bereits in dessen Präambel hieß es: „Wir Deutschen können unser Lebensrecht nur sichern, wenn wir uns wieder auf die Grundsätze nationaler Interessenwahrung besinnen. Dazu wollen wir Republikaner als Partei demokratischer Erneuerung beitragen, getreu dem Bekenntnis: Andere Völker achten wir, unseres aber lieben wir”339. Der Text bezog sich beinahe wörtlich auf Äußerungen des „Deutschen Nationalrats”, eines Zirkels neurechter Intellektueller wie Hellmut Diwald, Bernhard Willms oder Armin Mohler, der sich im Jahr zuvor angesichts des „Ausverkaufs deutscher Interessen” für „nationale Interessenwahrung” und historischen Revisionismus ausgesprochen hatte. Mit seinem Rekurs auf den „Deutschen Nationalrat” und seinen drei zentralen Theoremen von Volk, Nation und Interessenwahrung knüpfte das „Siegburger Manifest” ideologisch an den alten Rechtsextremismus an. In dieser Tradition forderte das Traktat einen starken Staat, in Hinsicht auf die Wiedererlangung völkerrechtlicher und politischer Souveränität einerseits, in bezug auf eine entschiedene Bekämpfung der Kriminalität andererseits340.

337 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 110. 338 zit. nach Rosen, a.a.O., S. 20. 339 zit. nach Jaschke: Die Republikaner, a.a.O., S. 113. 340 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 113. 3 Das Profil der Republikaner 65

Solche Vorstellungen stießen auf die Zustimmung der Vertriebenenverbände, die sich zu Teilen nicht mehr identifizieren konnten mit der CDU und deren Reformflügel um den damaligen Generalsekretär Heiner Geißler. Der „Schlesier” etwa, das offizielle Mitteilungsblatt der Landsmannschaft Schlesien, lobte die „klar umrissenen Vorstellungen” der Republikaner, „zu deren Hauptpunkten die nationale Identität und die Souveränität des Staates zählen”341. Abseits des Programmtextes, in der Parteipresse, formulierten die Funktionäre der Republikaner ihre Ansichten ungleich drastischer: Im September rief Schönhuber zum „Widerstand gegen den Sittenverfall” auf und führte die Ausbreitung der Immunschwächekrankheit Aids auf eine „hemmungslose Liberalisierung” zurück; im November 1985 beklagte Generalsekretär Harald Neubauer die „Folgen der Umerziehung” sowie eine „kollektive Selbstverleugnung” der Deutschen342. Das Programm, das die Partei zwei Jahre darauf auf ihrem Parteitag in Bremerhaven verabschiedete, trug bereits Züge eines Nationalismus343, dem Individual- und Gruppeninteressen bedingungslos untergeordnet wurden344. Das Programm erkannte Ausländern verschiedene Rechte ab345 und nahm sich in zentralen Aussagen antirepublikanisch aus346: An erster Stelle standen dabei die Interessen der „geteilten Nation und des deutschen Volkes”347. Während sich das Grundgesetz in Artikel 1 zu den Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft bekennt, setzten sich die Republikaner als „deutsche Partei” nur für die Menschenrechte „aller Deutschen im Sinne des Grundgesetzes” ein348. Auch gebrauchte das Programm eine härtere, kompromißlosere Sprache349. In Begriffen wie „die Deutschen aller Volksschichten” und der Forderung nach „Erhaltung des Bestandes des deutschen Volkes, seiner Gesundheit und seines ökologischen Lebensraumes” manifestierten sich die antidemokratischen Tendenzen, die reaktionären

341 zit. nach Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 77. 342 vgl. Republikanischer Anzeiger 6/1985 und 8/1985, zit. nach Jaschke, ebenda, S. 114. 343 vgl. Helmut Kellershohn: Der völkische Nationalismus der Republikaner. Ideologie und Programmatik, 2. Auflage, Duisburg 1992, S. 6. 344 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 36. 345 ebenda, S. 36. 346 vgl. Forschungsinstitut der Friedrich Naumann-Stiftung (Hg.): Das antirepublikanische Programm der Republikaner. Eine vergleichende Analyse der Programmentwicklung, Königswinter 1989, S. 2. 347 vgl. Programm der Republikaner, 1987, S. 1. 348 ebenda, S. 1. 349 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., 2, S. 110. 3 Das Profil der Republikaner 66

Theoreme und NS-verwandten Sprachmuster350. Das Staatsvolk wurde zu einer harmonischen Gemeinschaft stilisiert351. Durch „eine gegenläufige Umerziehung der Deutschen in den Teilstaaten wächst die Entfremdung”, beklagte das Programm352. Dem gegenüber stellte es den Entwurf eines patriarchalischen Staates, der „in Treuepflicht gegenüber dem Grundgesetz allen loyalen Bürgern die Grundlagen für persönliche Freiheit, öffentliche Sicherheit und allgemeinen Wohlstand schafft und bewahrt”353. Diesem Verständnis nach mußten sich die Angehörigen des Staatsvolks ihre Grundrechte und die staatliche Fürsorge durch Loyalität zur Regierung erst verdienen. Der Frau in der Gesellschaft dachte das Programm die Funktion zu, „durch Wärme und Hingabe ein Klima der Geborgenheit zu schaffen, in welchem Familie und Kinder gedeihen können”354. Zugleich griffen Duktus und Topoi des Programms angestammte Themen der Unionsparteien auf: So sprach das Bremerhavener Programm von der geistig-moralischen Erneuerung, welche die Regierung nicht konsequent genug vorangetrieben habe355, und nannte, wie der CDU-Bundestagsabgeordnete , die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer „Gäste”356. Während das „Siegburger Manifest” wirtschaftspolitisch weder Kapitalismus noch Sozialismus propagiert hatte, bekannte sich das Bremerhavener Programm nun offen zur Marktwirtschaft357. Jedoch sollte diese den gewerblichen Mittelstand und die Bauern durch eine deren Interessen „berücksichtigende Kartell- und Sozialgesetzgebung” protegieren358. Das Bekenntnis zur politischen Union Europas, das noch 1983 abgelegt worden war, fehlte nunmehr. Im Jahr darauf, in ihrem Programm in der Fassung vom 24. Juni 1988, leiteten die Republikaner dann eine nationalneutralistische Wendung ein359. Entgegen ihren früheren Standpunkten sprach sich die Partei nicht mehr bedingungslos für die deutsche Westbindung durch eine Nato-Mitgliedschaft aus; nun war „die Wiedervereinigung Gesamtdeutschlands

350 vgl. Norbert Lepszy: Die Republikaner - Ideologie, Programm, Organisation, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 41-42/1989, S. 3 ff. 351 vgl. Helmut Kellershohn: Der völkische Nationalismus der Republikaner, Ideologie und Programmatik, 2. Auflage, Duisburg 1992, S. 28. 352 Programm der Republikaner, 1987, S.1. 353 ebenda. 354 Programm der Republikaner, 1987. 355 vgl. Kellershohn, ebenda, S. 6. 356 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 115. 357 Jaschke: Die „Republikaner”, ebenda, S. 116. 358 Programm der Republikaner, 1987, S. 7. 359 vgl. Backes/Jesse 2, S. 111. 3 Das Profil der Republikaner 67 vorrangig und höher zu bewerten”360. Die Republikaner plädierten für den Austritt beider deutscher Staaten aus den Bündnissystemen. Ziel war das „neutrale, aber bewaffnete Gesamtdeutschland”361. Von ihrer Position für eine europäische Integration rückte die Partei explizit am 3. Dezember 1989 auf dem Dinkelsbühler Parteitag in ihrer Erklärung zur Europawahl ab: Die Republikaner forderten ein „Europa der Vaterländer” und hielten den deutschen Nationalstaat „ebenso wenig für überholt wie alle Nationalstaaten in Europa”362. Aufgrund ihrer Erfolge im Jahr 1989 und des Zuwachses an Mitgliedern war die Partei zwischenzeitlich in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Bundesweit für Aufsehen hatte zudem ein Fernsehspot der Republikaner vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Januar 1989 gesorgt: Zur Filmmusik des Westerns „Spiel mir das Lied vom Tod” waren Bilder von Drogentoten, randalierenden Demonstranten und von türkischen Frauen mit gefüllten Einkaufstüten neben deutschen Arbeitslosen zu sehen gewesen. „Überfremdung, Wirtschaftsasylanten, Chaoten, Rauschgiftsüchtige und die unsägliche Teilung der Stadt sind Auswüchse der bisher geleisteten Politik”, hatte der Text zu den Bildern gelautet363. In den folgenden Monaten waren daraufhin verstärkt die nazistischen Tendenzen des Parteiprogramms angeprangert worden. Auf großes Interesse waren in der Öffentlichkeit auch die Berichte der aus der Partei ausgestiegenen, ehemaligen stellvertretenden Berliner Landesvorsitzenden Alexandra Kliche gestoßen. „Wir wissen, daß wir bestimmte Teile aus der Partei entfernen müssen”, hatte Schönhuber bei Präsentation des Programmentwurfes am 27. November 1989 erklärt364. In dieser Situation präsentierten die Republikaner auf ihrem Parteitag in Rosenheim im Januar 1990 ein überaus gemäßigtes Programm. Weil Schönhuber zufolge keine „verfassungsfeindlichen Kommas” übersehen werden sollten365, war das Rosenheimer Programm zuvor Verfassungsschutzbeamten zur Korrektur vorgelegt worden366. Schon in der Präambel fand sich das Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung367. Die

360 vgl. Programm der Republikaner in der Fassung vom 24. Juni 1988, S. 3. 361 zit. nach Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 111. 362 Deutsche Interessen haben Vorrang, Dinkelsbühler Erklärung der Republikaner zur Europawahl. 363 zit. nach Michael Haller/Gerhard C. Deiters: Alte Parolen, neue Parteien, Die Republikaner und die Deutsche Volksunion - Liste D, in: Wolfgang Benz (Hg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, Frankfurt/Main 1989, S. 249, vgl. auch Hajo Funke: Kein Grund zur Verharmlosung - die „Republikaner” sind eine Jungwählerpartei, in: Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte 4/1989, S. 312 ff. 364 zit. nach Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 118. 365 Leichte Übung, in: Der Spiegel 46/89, S. 104, zit. nach Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 51. 366 vgl. Johann Mühlberger, REP, Kommentar zu den Satzungen und Programmen der Partei Die Republikaner, Kirchseeon 1992. 367 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 118. 3 Das Profil der Republikaner 68 ausländerpolitischen Positionen waren moderater, die frühere Forderung nach „Erhalt des Bestandes des deutschen Volkes, seiner Gesundheit und seines ökologischen Lebensraumes” war ebenso entfallen wie der Auftrag an die Frauen, für Familie und Kinder ein Klima der Geborgenheit herzustellen. Vielmehr hieß es nun: „Frau und Mann sind gleichberechtigt, das Recht auf Selbstverwirklichung steht Mann und Frau gleichermaßen zu, das gilt insbesondere für das berufliche Leben.”368 Offenbar handelte es sich aber nur um eine oberflächliche Sprachbereinigung vor dem Hintergrund der besonderen Situation der Partei369. Weder begründete das Programm die Streichung früherer Positionen noch distanzierten sich die Republikaner von diesen. Nach wie vor propagierte die Partei dabei die „Wiederherstellung Deutschlands” in den Grenzen von 1937370 und forderte eine „Wiederbesinnung auf Normen, deren imperative Verbindlichkeit” nach 1945 nicht mehr bestehe371. In dem deutschlandpolitischen Konzept der Partei, das die Europa-Abgeordnete, Vertriebenenfunktionärin und stellvertretende Parteivorsitzende Johanna Grund für den Rosenheimer Parteitag entwickelt hatte, war überdies die Rede vom „kranken Herz” Europas, derentwegen „der gesamte Körper krank und anfällig bleiben” würde372. Das Programm, das der Bundesparteitag am 26. und 27. Juni 1993 in Augsburg verabschiedete, setzte die in Rosenheim begonnene Entwicklung fort. Erneut stellte der Text das Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung als Präambel voran, die gleichwohl bekundete: „Die geistige babylonische Gefangenschaft der Deutschen muß ein Ende haben. Das Lebensrecht des deutschen Volkes ist aus sich selbst begründet.”373 Schwerpunkte des 99seitigen, in achtzehn Kapitel unterteilten Programms waren eine Law- and-Order-Politik nach innen und eine Absage an die Europäische Gemeinschaft nach außen374. „Wir Republikaner sind die Partei für Recht und Ordnung”, stellten die Republikaner ihren Ausführungen zu Innerer Sicherheit, Rechts- und Ausländerpolitik, Asylrecht und Verfassungsreform voran. Unter anderem forderten sie eine personelle Verstärkung der Sicherheitsbehörden, bessere Beförderungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für

368 zit. nach Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 119. 369 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 51; derselben Meinung ist Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 119. 370 zit. nach Jaschke: Die „Republikaner”, ebenda, S. 119. 371 zit. nach Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 51. 372 Aufbruch, Ziel und Weg, Das deutschlandpolitische Konzept, in: Credo 1/1989, S. 8-10, zit. nach Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 121. 373 „Wir machen uns stark...für deutsche Interessen”, Parteiprogramm der Republikaner 1993, Hg.: Bundesverband der Republikaner, Bonn 1993, S. 3. 374 vgl. ebenda. 3 Das Profil der Republikaner 69 deren Mitarbeiter, lebenslängliche Strafen für „Rauschgiftgroßhändler”, den konsequenten Einsatz verdeckter Ermittler sowie den „großen Lauschangriff bei schweren Straftaten”. Zudem müsse die abschreckende Wirkung der Strafen wieder hergestellt werden375. In einem der am dichtesten besiedelten Staaten der Welt sei die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen nur möglich, wenn die Bevölkerungszunahme durch Einwanderung beendet werde. Vor diesem Hintergrund plädierten die Republikaner für eine Verstärkung der Grenzkontrollen, für die Begrenzung des Familiennachzugs gemäß dem Ausländerrecht sowie für die Ausweisung von Ausländern, die schwere oder zum wiederholten Male Straftaten begangen haben376. Ihre ausländerpolitischen Forderungen verknüpfte die Partei dabei mit ihren umweltpolitischen Vorstellungen: „Erfolgreiche Umweltpolitik ist nur mit einer einhergehenden vernünftigen Bevölkerungspolitik zu verwirklichen!”377 Die migrationspolitischen Positionen schlugen sich auch in den sozialpolitischen Vorstellungen der Partei nieder. Nach einem Bekenntnis zum Sozialversicherungssystem Bismarck´scher Prägung als Grundlage deutscher Sozialpolitik bemerkten die Republikaner: „Solidarität über alle Grenzen hinweg verliert ihren Sinngehalt und ihre Akzeptanz. Nur eine homogene Bevölkerung ist in der Lage, solidarisches Verhalten als Norm praktisch zu verwirklichen... Die Sozialpolitik darf sich nicht im Umverteilen erschöpfen, sondern muß die zunehmende Heterogenisierung unseres Volkes bekämpfen.”378 Die Situation auf dem Wohnungsmarkt führten die Republikaner auf eine verfehlte Wohnungs-, Asyl- und Ausländerpolitik in Bund und Ländern zurück379. In der Familienpolitik plädierte die Partei für eine Politik, die Ehe und Familie wieder aufwerten und die Bereitschaft, Kinder zu haben, fördern sollte: „Die Entscheidung gegen Kinder darf nicht länger staatlich belohnt werden!”380 Weiterhin propagierte das Programm die Einführung eines Staatsdienstjahres für alle Staatsbürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sowie die Einrichtung einer ausreichenden Zahl von Behindertenarbeitsplätzen381. „Unsere Wissenschaft darf nicht länger behindert und unsere Kultur nicht länger verfremdet werden!”, mahnte die Partei in den wissenschafts- und kulturpolitischen Passagen ihres Programms. Unter anderem plädierten die Republikaner für die verstärkte Förderung von Tradition, Brauchtumspflege, Dialekten und Volksliedern und wandten sich gegen „die

375 ebenda, S. 12-16. 376 vgl. ebenda, S. 22 ff. 377 vgl. ebenda, S. 35. 378 ebenda, S. 59. 379 vgl. ebenda, S. 73. 380 ebenda, S. 27. 381 vgl. ebenda, S. 27, 32. 3 Das Profil der Republikaner 70

Überfremdung der deutschen Sprache und Kultur” sowie gegen die „Vermassung unserer Universitäten”382. Weitere Forderungen zielten auf eine Verbesserung des Gegendarstellungsrechts sowie auf die Beschränkung von Entwicklungshilfe auf Staaten, „die eine wirkungsvolle Geburtenkontrolle betreiben”383. Darüber hinaus setzte sich die Partei für Volksentscheide bei Verfassungsänderungen ein, für die Ernennung der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes durch eine unabhängige Kommission und für die Aufnahme eines Staatszieles Umweltschutz in das Grundgesetz. Die Ernennung von Staatssekretären wollte die Partei aus Kostengründen verbieten384. In der Außenpolitik forderte sie, daß die Bundesrepublik in internationalen Organisationen „eine ihrer Bedeutung entsprechende Position erhalten” sollte. Die europapolitischen Passagen prägte die Ablehnung der Maastrichter Verträge. Zur deutschen Vergangenheit hieß es: „Wir Republikaner fordern eine neue deutsche Politik, die das nationale Interesse unseres Volkes über zeitgeisttypische Denkmuster stellt. Deutsche Politik darf sich nicht in der Bewältigung eines schlechten Gewissens im Blick auf die jüngste Vergangenheit erschöpfen.”385 Im politischen Alltag unterdessen relativierte die Partei die deutsche Vergangenheit und thematisierte die vermeintliche Umerziehung durch die Besatzungsmächte nach 1945. Insbesondere nachdem die Bedeutung des Themas Asyl im Jahre 1994 abgenommen hatte, häuften sich auch antisemitische Äußerungen, die sich in der Hauptsache gegen den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, richteten386. Eine agrar-, wirtschafts- und verkehrspolitische Ergänzung des Augsburger Parteiprogramms verabschiedeten die Republikaner auf dem Hannoveraner Parteitag am 6. Oktober 1996. In der Agrarpolitik forderten sie dabei eine Renationalisierung der Landwirtschaft, die sie der supranationalen Politik der EU entgegensetzten. In der Wirtschaftspolitik stand das Plädoyer für eine strikte Anwendung der Kartellgesetze, für einen wirksamen Verbraucherschutz sowie für die Herausbildung eines breiten und lebenskräftigen Mittelstandes im Vordergrund387. Ferner setzte sich die Partei für eine grundlegende Reform des Steuersystems ein. In der Verkehrspolitik wollten die Republikaner die „ökologisch unverantwortliche Subvention des Straßenverkehrs” sowie eine weitere Ausweitung des

382 ebenda, S. 70 f. 383 vgl. ebenda, S. 73, 96. 384 vgl. ebenda, S. 6. 385 zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1993, S. 50. 386 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 43. 387 vgl. „Wir machen uns stark... für deutsche Interessen”. Ergänzung des Bundesparteiprogramms mit den novellierten Kapiteln 7,8 und 14, verabschiedet auf dem Bundesparteitag am 6. Oktober 1996 in Hannover, S. 1, 8, 9. 3 Das Profil der Republikaner 71

Straßennetzes beenden. Insbesondere der öffentliche Personennahverkehr müsse verbilligt werden388. Programmatisch sah der Bundesvorsitzende Rolf Schlierer in seiner Parteitagsrede die Republikaner auf dem Weg, sich zu einer modernen Rechtspartei zu formieren. Als bestimmendes Thema in den nächsten Jahren machte er dabei „den Verlust an Sicherheit in vielen Lebensbereichen” aus. Nach wie vor wandte er sich gegen die Einführung einer europäischen Einheitswährung. Der Euro bringe eine „Währungsreform mit einem gigantischen Vermögensvernichtungsprogramm” mit sich. Aufgrund der Konvergenzkriterien verliere Deutschland seine Handlungsfähigkeit. Solange Einsparmöglichkeiten in Sachen Europa und Einwanderung nicht ausgeschöpft seien, sei eine Kürzung der Lohnfortzahlung nicht gerechtfertigt389. Für starke Auseinandersetzungen sorgte auf dem Hannoveraner Bundesparteitag ein Antrag zur Satzungsänderung der nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Uschi Winkelsett, wonach künftig im Einzelfall auch Ausländer in die Partei aufgenommen werden sollten. Um einen Eklat zu vermeiden, wurde der Antrag nach emotionsbeladener Diskussion schließlich zurückgezogen390. Vor dem Bundesparteitag am 18. Oktober 1997 nannte Rolf Schlierer Innere Sicherheit, die Debatte um den Euro und das „generelle Problem der Zuwanderung mit allen Folgeproblemen” als künftige programmatische Hauptthemen. Auf dem Parteitag verabschiedeten die Republikaner einen Leitantrag, in dem sie forderten, das bisherige Umlageverfahren in ein kapitalfundiertes Deckungsverfahren umzuwandeln und die Rentenbeiträge an die Zahl der Kinder zu koppeln391. In der Geschichte der Republikaner läßt sich beobachten, daß eine programmatische Entwicklung erfolgte vom Konservatismus über einen autoritären Nationalismus hin zu dessen gemäßigter Fassung in jüngster Zeit. Formell entwickelte sich die Programmatik dabei vom wenige Seiten umfassenden „Manifest”, wie 1987 in Siegburg verabschiedet, zum 99seitigen Parteiprogramm von Augsburg 1993, dem die Partei später noch dezidierte Novellierungen, etwa zur Verkehrs- und Rentenpolitik, folgen ließ. Die Bedeutung der jeweiligen Programme in der Praxis der Partei ist indes kaum auszumachen. Zum einen fand die weitreichendste Kursänderung der Partei offenbar nur oberflächlich und durch die besondere Situation der Partei 1990 motiviert statt. Zum anderen bleibt ein direkter

388 ebenda, S. 12, 14. 389 zit. nach Stuttgarter Nachrichten, 4. Oktober 1996. 390 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 119. 391 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 17. Oktober 1997. 3 Das Profil der Republikaner 72

Zusammenhang zwischen der programmatischen Entwicklung der Republikaner und deren politischer Konjunktur nicht erkennbar - weder 1989, noch 1992 oder 1996 gingen den Wahlerfolgen programmatische Reformen voran. Allenfalls umgekehrt ist ein Konnex konstruierbar. Auf die Blütezeit 1989 folgte im Rosenheimer Programm eine Mäßigung der Aussagen, das Augsburger Programm, verabschiedet nach dem Einzug in den baden- württembergischen Landtag, setzte diese Entwicklung fort. Zu beleuchten sind somit die Wähler, die diese Partei scheinbar ungeachtet sowohl ihres Zustandes und ihres Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit als auch ihrer Programmatik wählten.

3.1.3 Die Wählerschaft der Republikaner

Ende der achtziger Jahre, als die Republikaner erstmals durch Wahlerfolge überraschten, ließen sich die Wähler und Wählerinnen der Partei in sechs Kategorien unterteilen392, die sich zueinander durchaus heterogen verhielten und auch ehemalige Wähler der SPD umfassen konnten: erstens die angepaßten Neonazis, welche die Republikaner als akzeptablen Kompromiß zwischen den chancenlosen Naziparteien und CDU/CSU betrachteten, zweitens diejenigen, die noch immer auf die 1982 von CDU/CSU angekündigte „geistig-moralische” Wende warteten, drittens die statusbetonten Mittelständler, die ihren Besitzstand speziell gegen die EG-Landwirtschaftspolitik verteidigen wollten, viertens die entfremdeten Kleinbürger, die ihr soziales Umfeld durch den Zuzug von Fremden bedroht sahen und den etablierten Parteien keine Problemlösungskompetenz zuschrieben, fünftens die autoritären jungen Arbeiter, die einer egoistischen Lebenshaltung frönten und Fremde oder Aussiedler als Hindernis bei der Anhäufung individuellen Wohlstands betrachteten, sowie sechstens die Wähler, die sich am unteren Ende der sozialen Skala befanden und, die Theorie vom autoritären Charakter393 bestätigend, ihren Unmut auf Fremde oder andere sozial Benachteiligte projizierten, die noch schlechter gestellt waren. Unter den Berufsgruppen zeigten dabei an erster Stelle die Beschäftigten im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Affinität zu den Republikanern. Nach Schätzungen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zählten im Frühjahr 1989 über 20 Prozent der Polizeibeamten zum Sympathisantenfeld der Republikaner394.

392 Unterteilung nach Karl-Heinz Klär, Malte Ristau, Bernd Schoppe, Martin Stadelmaier (Hg.): Die Wähler der extremen Rechten, 3 Bde., Bonn 1989, Bd. 1, S. 53 f. 393 vgl. Theodor W. Adorno: Studien zum autoritären Charakter, Frankfurt 1973. 394 vgl. Haller/Deiters, in: Benz.: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 258. 3 Das Profil der Republikaner 73

Während in den sechziger Jahren die Stimmabgabe für eine rechtsradikale oder rechtsextreme Partei die Domäne ländlicher, kleingewerblich-mittelständischer und protestantischer Wählerschichten gewesen war, so hatten die Republikaner seit Mitte der achtziger Jahre zunehmend von großstädtischen Lebenszusammenhängen als Schubkräften der Wahl rechter Parteien profitiert395. Hatten die Republikaner ihren Erfolg 1986 bei den bayerischen Landtagswahlen noch vor allem der Wählerschaft in Gebieten verdankt, die entweder eine rechtsextreme Regionaltradition seit der NSDAP sowie eine zerfallende NPD oder eine CSU mit schwindendem Einfluß kennzeichneten396, sammelten sie bei der hessischen Kommunalwahl 1989, wie auch die NPD, Stimmen insbesondere in weniger gut situierten Wohnvierteln etwa Frankfurts, deren Einwohnerschaft zu weiten Teilen aus Arbeitern mit Hauptschulabschluß bestand397. Ein genereller Zusammenhang zwischen Urbanität eines Kreises und Konjunktur der Republikaner ließ sich indes nicht feststellen398. Generell war die Popularität der Partei jedoch mit Hilfe der Gegenüberstellung von Stadt und Land ebenso wenig zu erfassen wie durch die Erklärungsansätze der Arbeitslosigkeit oder Wohnungsnot. Festzustellen blieb allein im bundesweiten Maßstab ein Nord-Süd-Gefälle399. Die Republikaner waren in die breiten Wählerschichten der Volksparteien eingebrochen. Sozialdemographisch stellten sich ihre Anhänger nunmehr als auffallend durchschnittlich400 dar. Sie stammten aus sämtlichen Bildungs- und Gesellschaftsschichten, unter anderem auch aus Gewerkschaftskreisen401. So hatten zahlreiche Wähler der Republikaner früher für die SPD gestimmt. Die Tatsache, daß von diesen Wählern jeder dritte in einer Gewerkschaft organisiert war, veranlaßte Beobachter zu der Vermutung, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse hinsichtlich einer Mitgliedschaft bei den Republikanern sowie in einer Gewerkschaft seien offenbar „nicht ohne Grund in den meisten Gewerkschaften ausgeblieben”402. Die Partei stieß nun auf Zuspruch auch bei Akademikern, die im April 1989 den „Republikanischen Hochschulverband” gegründet hatten403. Gleichwohl betrug der Anteil unter den Wählern der

395 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 129. 396 Leggewie: Die Republikaner, Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 66. 397 vgl. Eike Hennig: Die Republikaner im Schatten Deutschlands, Frankfurt 1991, S. 214. 398 vgl. Berichte der Forschungsgruppe Wahlen Nr. 54 v. 22. Juni 1989, S. 30, zit. nach Falter, a.a.O., S. 45. 399 vgl. Emil-Peter Müller: Republikaner und Grüne - zwischen Ideologie und Protest. Beiträge zur Gesellschafts- und Bildungspolitik. Institut der deutschen Wirtschaft, Köln 1989, S. 12. 400 vgl. Klär u. a., a.a.O., Bd. 3, S. 28. 401 ebenda. 402 Leggewie: Die Republikaner, Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 21. 403 vgl. ebenda, S. 159. 3 Das Profil der Republikaner 74

Republikaner, die das Abitur-Zeugnis besaßen, nur acht Prozent gegenüber 20 Prozent in der gesamten Wählerschaft404. Mit der traditionellen Anhängerschaft rechtsradikaler und rechtsextremer Parteien hatten die Wähler der Republikaner dabei zwei Merkmale gemein. Zum einen prägte sie die Enttäuschung über die etablierte Politik, mit der eine „relative Deprivation”405 einherging. Diese Form schleichender sozialer Desintegration führt, anders als die absolute Deprivation, nicht zu materieller Armut. Sie manifestiert sich als wachsende Kluft zwischen dem eigenen Lebensentwurf und der Realität. Relative Deprivation muß sich nicht in rechtsradikalem oder rechtsextremem Wahlverhalten äußern: Ebenso wahrscheinlich sind der Rückzug in die privatistische Isolation, der Anschluß an gesellschaftliche Randgruppen oder eine psycho- soziale Erkrankung406. Zum anderen empfanden alte wie neue Wähler der Republikaner ein Verlangen nach politischer Klarheit und nach Überhöhung der eigenen Gruppe gegenüber fremden Gruppen anhand von Kriterien wie Nation oder Deutschtum407. Mit dieser Überhöhung der eigenen Gruppe war die Ablehnung von Ausländern verbunden. Während die Wähler der Republikaner aufgrund ihrer relativen Deprivation davon überzeugt waren, nicht das zu bekommen, was ihnen als Mitglied der von ihnen überhöhten Gruppe ihrer Meinung nach zustand, konzentrierte sich ihre Enttäuschung über die etablierte Politik vor allem auf das Feld Ausländer/Asyl. Wie 1989 eine Umfrage unter Republikaner-Wählern, die dem SPD-Milieu entstammten, ergab, wünschten sich viele der Befragten von den Republikanern in der Ausländerpolitik jene Anstoßfunktion, die den Grünen in der Umweltpolitik zugeschrieben wird408. Als die Partei am 1. April 1992 mit 10,9 Prozent in den Landtag Baden-Württembergs einzog409, hatte sich ihre Wählerschaft ein weiteres Mal pluralisiert. Ein eindeutig dominierendes Sozialprofil konnte weniger denn je festgestellt werden; geblieben waren allein die Signifikanzen der originären Wählerschichten, die sich vor allem durch Männerdominanz, einen hohen Arbeiteranteil, formal geringe Bildungsabschlüsse und relative

404 vgl. ebenda. 405 vgl. zum Begriff Detlef Baum: Relative Deprivation und politische Partizipation, Frankfurt/Bern/Las Vegas 1978. 406 vgl. Jaschke Die „Republikaner”, ebenda, S. 65 ff. 407 vgl. mit diesem Ergebnis Eike Hennig: Die Republikaner im Schatten Deutschlands, Frankfurt 1991, ebenso Karl-Heinz Klär und andere (Hg.): Die Wähler der extremen Rechten, Bonn 1989. 408 vgl. Der Spiegel 41/1989, S. 55. 409 vgl. Heide Platen: Rechtsrepublikanischer Schlingerkurs, in: taz, 11. Februar 1994, S. 11. 3 Das Profil der Republikaner 75

Kirchenferne410 auszeichneten. Nach wie vor präsentierte sich die Partei als „Sprachrohr der sozialen Unterschichten”411, nach wie vor ging die Gleichung „je mehr soziales Elend, umso mehr Rep-Sympathien” ebenso wenig auf wie „je mehr Ausländeranteil, umso mehr Rep- Erfolg”. Nun schien eher das Gegenteil zuzutreffen. Sofern überhaupt Schwerpunkte auszumachen waren, lagen sie im kleinbürgerlichen Milieu mit unterdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und sehr geringem Ausländeranteil412. Reiner Protest oder Provokation standen beim Votum für die Republikaner als Motiv somit kaum im Vordergrund: Vielmehr befand sich nahezu jeder Wähler der Republikaner zugleich politisch sehr weit rechts413. Während jeder dritte Wähler der Republikaner ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild aufwies, war dies nur bei jedem 50. Nicht-Republikaner der Fall. Wie die DVU waren die Republikaner zwischen 1989 und 1993 überdurchschnittlich bei Jungwählern erfolgreich, während ältere Wähler im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung in der Regel unterrepräsentiert waren. Jedoch gab es Ausnahmen, etwa bei der Europawahl 1989, zudem schien die Überrepräsentation junger Wähler im Laufe der Zeit zurück zu gehen. Auch in Folge ihres Gewichts in der Bevölkerung bildeten Personen über 45 Jahre bei den meisten Wahlen seit 1989 somit dennoch die Mehrheit. In den neuen Bundesländern blieben die Erfolge anders als im Westen unterdessen weitestgehend auf die jüngere Generation und dabei wiederum besonders stark auf die jüngsten Wahlberechtigten begrenzt, wie die empirischen Untersuchungen Jürgen Falters ergeben haben414. Bundesweit tendierten Befragte, denen es finanziell schlechter ging als dem Durchschnitt, die weniger gebildet waren und die sich am Fuß der Schichtungspyramide einordneten, deutlich stärker als der Durchschnitt zur Wahl rechter Parteien wie der Republikaner. Dasselbe galt für Wähler, die ihren Arbeitsplatz bedroht sahen. Wo sich Kirchen- und Gewerkschaftsbindung überlagerten, waren die Rechtspartien auch im wiedervereinigten Deutschland so gut wie chancenlos. Die Kirchenbindung schien dabei etwas stärker gegenüber den Rechtsparteien zu immunisieren. Als wichtigste Problemfelder der Politik nannten Rechtswähler häufiger als andere die Themen „Ausländer und Asyl“ und „Politik- und Parteienverdrossenheit“. Die

410 vgl. Viola Neu/Carsten Zelle: Der Protest von rechts, hg. vom Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer- Stiftung, St. Augustin 1992, S. 14 ff.; vgl. zur Kirchenferne auch Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S 20. 411 Ursula Feist: Rechtsruck in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, in: Starzacher/Schacht/Friedrich/Leif (Hg.): Protestwähler und Wahlverweigerer, Krise der Demokratie?, Köln 1992, S. 73. 412 vgl. infas, Politogramme, Bonn 1989, zit. nach Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 30. 413 vgl. Falter, a.a.O., S. 147 414 vgl. Falter, a.a.O., S. 154 3 Das Profil der Republikaner 76

Wahl von Rechtsparteien wurde damit durch Politiker- und Parteienverdrossenheit sowie durch das Gefühl, sozial benachteiligt zu sein, beeinflusst415. Die schwachen Wahlergebnisse im Jahre 1994 im Zuge der parteiinternen Auseinandersetzungen vor allem um die Äußerungen Schönhubers zu einer Kooperation mit der DVU-Liste D veränderten diese Strukturen kurzfristig stark. Die Schichten, in welche die Partei im Laufe der Jahre eingedrungen war, wandten sich von den Republikanern ab. Die Unterstützung für die Republikaner reduzierte sich zwischenzeitlich auf ihren nazistischen Kern sowie auf einzelne Hochburgen in der Mittelschicht in Bayern. Insgesamt sympathisierten zu diesem Zeitpunkt nurmehr rund zwei Prozent der Gesamtwählerschaft mit der Partei416. 1996 bei der baden-württembergischen Landtagswahl dann erzielten die Republikaner ihre Erfolge wieder in weitgehend denselben Wahlkreisen wie bereits 1992417 und stießen mit ihren Vorstellungen vor allem bei Männern und Arbeitern auf Zustimmung418. In überdurchschnittlich von Wählern mit Abitur oder Hochschulabschluß bevölkerten Wahlkreisen erhielt die Partei 7,3 Prozent der Stimmen, in Bezirken mit einem hohen Anteil von Wählern mit Hauptschulabschluß 9,3 Prozent419. Besonders gute Ergebnisse erzielten die Republikaner dabei in Gebieten mit hoher Wahlbeteiligung, in denen sie 10,2 der Stimmen auf sich vereinigten bei einem Landesdurchschnitt von 9,1 Prozent420. Zwar war die Popularität der Republikaner diesmal in Wahlkreisen mit hohem Ausländeranteil etwas höher als in Gebieten mit niedrigem Ausländeranteil. Zwar wiesen grundsätzlich eher protestantisch als katholisch geprägte Gebiete eine Affinität zu der Partei auf. Zwar war der Zuspruch in Gegenden des produzierenden Gewerbes stärker als in vom Dienstleistungsgewerbe dominierten Regionen421. Generelle Aussagen zur Wählerschaft auf Bundesebene ließen sich daraus aber nur schwerlich ableiten, und Arbeitslosigkeit oder soziale Verteilungskämpfe taugten auch in Baden-Württemberg kaum als Erklärungsmuster - erzielte die Partei ihr bestes Ergebnis auf Kreisebene doch in dem Bezirk mit den landesweit

415 vgl. Falter, a.a.O., S. 154 f. 416 vgl. Unterstützung auf den „Nazikern reduziert”, Interview mit „Forsa”-Chef Manfred Güllner zum demoskopischen Absturz der Reps, in: taz, 25. August 1994, S. 4. 417 vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Landtagswahl 1996. Daten, Analysen, Kommentare. Materialien und Berichte, Heft 19, Stuttgart 1996, S. 20. 418 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 68. 419 vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Landtagswahl 1996. Daten, Analysen, Kommentare. Materialien und Berichte, Heft 19, Stuttgart 1996, S. 11. 420 vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Landtagswahl 1996. Daten, Analysen, Kommentare. Materialien und Berichte, Heft 19, Stuttgart 1996, S. 9. 421 vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. März 1996. 3 Das Profil der Republikaner 77 niedrigsten Sozialausgaben, einer unterdurchschnittlich hohen Pro-Kopf-Verschuldung sowie einer durchschnittlich hohen Arbeitslosenquote422. In der Zusammenfassung zeigt sich, daß die Wählerschaft der Republikaner im Laufe der Parteigeschichte zwar starken Wandlungen unterworfen war. In Zeiten des Erfolgs verbreiterte sich die Wählerbasis, in Zeiten des Mißerfolgs sah die Partei ihre Anhängerschaft weitgehend auf deren nazistischen Kern reduziert. Als Konstante bleibt indes festzuhalten, daß die Partei sukzessive in die Wählerschichten der Volksparteien eindrang und damit die Basis zumindest ihrer potentiellen Wähler kontinuierlich ausbaute. Von einer Dominanz von Männern abgesehen, läßt sich die Wählerschaft der Republikaner somit kaum sozialen Kategorien nach einordnen. Wähler der Republikaner können noch immer als „Männer ohne Eigenschaften”423 bezeichnet werden, die, wenngleich sie in überdurchschnittlichem Maße eine relative soziale Deprivation und einen tendenziell geringeren Bildungsgrad aufweisen, vor allem ihre überaus rechte politische Ausrichtung gemein haben424. Einerseits ist bereits festgestellt worden, daß der Erfolg jeweils auch für die Partei selbst überraschend kam und daß sich seine Ursachen auch nicht in ihrer Programmatik finden. Andererseits erlebten die Republikaner ihr Tief im Jahre 1994 während der parteiinternen Auseinandersetzungen um eine Kooperation mit der DVU-Liste D. Somit scheinen die Verfassung und die Selbstdarstellung der Partei mit deren Erfolg nicht unbedingt zusammenzuhängen, wenngleich die Konjunktur der Republikaner auch nicht vollkommen unabhängig von deren Innenleben verlief. Um die Bedeutung des Innenlebens zu erfassen, tut zunächst dessen Darstellung not.

3.1.4 Innenansicht der Republikaner

Führungsfigur der Republikaner in den Jahren von 1985 bis 1994 war Franz Schönhuber, der die Partei autoritär und straff leitete. Nach Belieben schloß er Mitglieder im Rahmen von „Ordnungsmaßnahmen” aus und enthob sie ihrer Ämter425 oder wies ihnen Aufgaben zu426. Dieser Stil zog eine hohe Fluktuation von Mitgliedern und Funktionären nach sich. 1992, neun Jahre nach der Parteigründung, hatten bereits acht stellvertretende Vorsitzende, acht

422 vgl. Stuttgarter Zeitung, 26. März 1996. 423 Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 16. 424 vgl. die Vorstellung der Bereichsstudie Wir Deutschen und die „Fremden” von Klaus Weber, der in Gesprächen die subjektiven Konstruktionen sogenannter rechter Männer, von Mitgliedern und Aktivisten der Republikaner erforscht, in Thonas, a.a.O., S. 141-149. 425 vgl. Schomers, a.a.O., S. 115, der Schönhubers Handhabung der Querelen unter den Parteimitgliedern in Köln beschreibt. 426 vgl. ebenda, S. 153. 3 Das Profil der Republikaner 78 ehemalige Landesvorsitzende sowie zahlreiche Mandatsträger die Partei freiwillig oder gezwungenermaßen wieder verlassen427. Die Linie der Partei bestimmte allein Schönhuber. Oft handelte er ohne Absprache mit den zuständigen Gremien der Partei428 und mißachtete deren Struktur mit ihrer traditionellen Aufteilung in Präsidium, Bundesvorstand, Landes-, Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände429, die offenbar nur aus formellen Gründen existierte, in der Praxis der Partei aber unbedeutend blieb430. So verfügten die Republikaner bis 1990 allein in ihrem mitgliederstärksten Landesverband Bayern über einen effizienten Apparat431. Diese Praxis korrespondierte mit dem Verständnis Schönhubers, wonach Abgeordnete der Republikaner „den verlängerten Arm der Partei” darstellten432. Die programmatischen Impulse gab ebenfalls ausschließlich Schönhuber - eine innerparteiliche Willensbildung auf Parteitagen von unten nach oben fand nicht statt433. In ihrer Struktur entsprach die Partei eher dem Führer-Gefolgschafts-Prinzip, welches seit der bündischen Jugendbewegung in den zwanziger Jahren bei rechtsradikalen Gruppierungen zu beobachten gewesen war434. Auch auf Landesebene genügten die Parteitage nicht immer demokratischen Anforderungen. Zum nordrhein-westfälischen Landesparteitag 1990 in Hamm etwa wurden Delegierte nach Gutdünken eingeladen oder übergangen, ganze Kreisverbände wieder ausgeladen oder gar nicht erst eingeladen435. Die Vorgaben des Parteivorsitzenden prägten auch den innerparteilichen Umgang mit radikaleren Kräften. Zunächst gliederte der Vorsitzende, der anfangs beabsichtigt hatte, die Republikaner in eine „Art deutschen Front National” zu verwandeln436, Mitglieder aus NPD und DVU gezielt in die Partei ein. Ausgewiesene Rechtsextremisten stiegen bis in den Bundesvorstand auf437. Als Schönhuber dann nach den Wahlerfolgen 1989 die Partei durch einen verfassungskonformen Anstrich breiteren Wählerschichten zugänglich machen

427 vgl. die entsprechende Übersicht in Karl Richter (Hg.): Franz Schönhuber. Wer ist dieser Mann? Weggefährten berichten, Landshut 1992, S. 29. 428 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 41. 429 vgl. ebenda, S. 43. 430 vgl. aus Mitglieder-Perspektive den Bericht von Schomers, a.a.O., S. 117. 431 vgl. Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, .a.a.O., S. 157. 432 zit. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Die Rep - Gefahr von rechts, CDU-Dokumentation 37/1992, S. 12. 433 insbesondere galt dies für die Parteitage in Bremerhaven und Rosenheim, vgl. Junge Freiheit 3/1987, S. 7 und Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 186. 434 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 95. 435 vgl. Schomers, a.a.O., S. 168. 436 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 50. Zwischen 1989 und 1994 bildeten der „Front National” und die Republikaner gemeinsam mit dem belgischen „Vlaamse Blok” eine eigene Technische Fraktion im Europa-Parlament, vgl. hierzu Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 36. 437 vgl. mit diversen Beispielen CDU (Hg.): Die REP. Analyse und politische Bewertung einer rechtsradikalen Partei, Bonn 1989, S. 10 f. 3 Das Profil der Republikaner 79 wollte438, standen seine ehemaligen Günstlinge diesem Vorhaben im Wege - im Landesverband Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wiesen elf von 21 Mitgliedern eine rechtsextreme Vergangenheit auf439. Die oft auf dem Rechtsweg ausgetragenen Auseinandersetzungen um ehemalige NPD- oder DVU-Funktionäre lähmten zeitweise ganze Landeverbände440. Nicht zuletzt machten die früheren Aktivisten aus diesen Parteien Schönhuber auch die Position als Führungsfigur der Republikaner streitig. Die Machtprobe mit dem radikalen Flügel entschied Schönhuber nur mit Mühe441 für sich. Nachdem er den kompletten Bundesvorstand, mit Ausnahme seiner Person, ausgewechselt hatte442, traten offen extremistische Funktionäre aus der Partei aus oder wurden ausgeschlossen443. Das Feld war bereitet für die taktische Neuorientierung der Republikaner444. Fortan verfolgte Schönhuber eine zwiegespaltene Taktik des Legalismus: Intern bemühte er sich um die Absorption und Kanalisation rechtsextremistischer Tendenzen und duldete trotz anderslautender Parteitagsbeschlüsse auch nach der Neuorientierung noch unterhalb der Führungsebene445 militante Rechtsextremisten, die bei Bedarf unter Hinweis auf ihre Gesinnung ausgeschlossen werden konnten446. Extern bestritt er deren Existenz447, versuchte aber zugleich, die extreme Rechte durch Andeutungen, Anspielungen und entsprechende symbolische Gesten einzubinden448. Im Zuge der taktischen Neuorientierung installierte Schönhuber bei den Republikanern, die bis dahin als reine Männerpartei bezeichnet werden konnten, zunehmend Frauen auch in Führungspositionen449. Bis 1994 folgten die Republikaner in der Hauptsache den Direktiven des Parteivorsitzenden. Formal grenzte sich die Partei gegenüber NPD und DVU-Liste D ab und erließ ein Eintrittsverbot für deren Funktionäre450 - zu diesem Zeitpunkt waren allerdings bereits zahlreiche ehemalige Aktivisten von NPD und DVU-Liste D Mitglied bei den

438 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 50. 439 vgl. Rosen, a.a.O., S. 12 und S. 52 ff. 440 vgl. die anschaulichen Erzählungen bei Behrend, a.a.O., S. 146 ff. an den Beispielen Nordrhein- Westfalen und Niedersachsen. 441 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 90. 442 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 49. 443 vgl. ebenda, S. 50. 444 vgl. ebenda, S. 49. 445 vgl. Interview mit Ernst Uhrlau, Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, in Spiegel 38/1992, S. 31. 446 zuletzt geschah dies auf dem Deggendorfer Parteitag am 13. und 14. Juni 1992, vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 86. 447 vgl. ebenda, S. 85. 448 vgl. auch Bernhard Schelenz: Der politische Sprachgebrauch der Republikaner, Frankfurt 1992. 449 vgl. Haller/Deiters, in: Benz: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 258. 450 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 37. 3 Das Profil der Republikaner 80

Republikanern geworden451. Schönhuber begründete den Unvereinbarkeitsbeschluß dabei nicht inhaltlich, sondern allein taktisch452 - seine Partei wollte alles vermeiden, was ihr den Vorwurf des Nazismus hätte einbringen können453. Im sogenannten Superwahljahr, vier Jahre nach dem letzten schweren Machtkampf an der Parteispitze, sah sich der Parteivorsitzende aufgrund der vorangegangenen Wahlniederlagen und der schwindenden Unterstützung für die Partei unter den Wahlberechtigten, welche im Sommer 1994 laut Umfragen auf 1,8 Prozent gesunken war454, erneut mit erheblichen Führungsproblemen konfrontiert. Schönhuber hatte stets eine autoritäre Leitung der Organisation für sich reklamiert, war aber bereits seit längerem Erfolge schuldig geblieben. Intern hatte der Bundesvorsitzende daher einen zunehmend schwereren Stand. Zwar sprach ihm der Parteivorstand noch im Juli 1994 das Vertrauen aus455, zugleich aber wollten ihn Präsidiumsmitglieder angeblich noch vor der Bundestagswahl stürzen456. Als Schönhuber kurz darauf schriftlich seinen Rücktritt als Parteivorsitzender ankündigte, wollte er daher womöglich nur seiner Absetzung zuvorkommen457. Wenige Tage später traf er sich dann mit dem Vorsitzenden der DVU-Liste D, Gerhard Frey, und beide regten eine Zusammenarbeit an. Die Motive des Vorstoßes, der ein enttäuschendes Ergebnis bei der Bundestagswahl 1994 und schließlich die Einstufung als rechtsextrem durch den Bundesverfassungsschutz zur Folge hatte, harren nach wie vor ihrer endgültigen Klärung. Möglicherweise stellte das Treffen mit Frey für Schönhuber einen „Testballon” dar, um die Widersacher in seiner Umgebung zu ermitteln und aus der Reserve zu locken458. Vielleicht unternahm er aber auch nur einen Akt der Selbstzerstörung, weil er merkte, daß er „erledigt” war459. Weitaus banaler und auch wahrscheinlicher scheint hingegen die These, daß Schönhuber in einer Kooperation mit Frey nach den Wahlniederlagen der Republikaner eine ernsthafte Alternative sah, weil er hoffte, seine Partei könne auf diese Weise von der wirtschaftlichen Potenz Gerhard Freys profitieren, ohne ihr in weiten Kreisen verbreitetes Image als wählbare Partei zu beschädigen. Schönhuber unterschätzte demnach die interne und externe Wirkung seines Schulterschlusses mit Frey.

451 taz, 11. Februar 1994, S. 11. 452 vgl. „Unser Endziel ist der Bundestag”, Interview mit Franz Schönhuber, in: Der Spiegel 43/89. 453 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 37. 454 vgl. taz, 25. August 1994, S. 4. 455 vgl. Mit Pferd begraben, in: Der Spiegel 33/94. 456 vgl. Fraß für die Wölfe, in: Der Spiegel 24/94. 457 vgl. Mit Pferd begraben, in: Der Spiegel 33/94. 458 vgl. taz, 20. September 1994, S. 5. 459 so die Vermutung Leggewies, zit. nach Rhein-Sieg-Anzeiger, 26. August 1994. 3 Das Profil der Republikaner 81

Elf Jahre lang hatte Schönhuber die Geschicke der Republikaner bestimmt und die Partei autoritär geführt. Nun übernahm Rolf Schlierer sein Amt als Bundesvorsitzender, das aufgrund der Praxis in den Jahren unter Schönhuber mit einer beträchtlichen Machtfülle ausgestattet war. Die exponierte Stellung des Bundesvorsitzenden der Republikaner legt einen Blick in die Biographien der beiden in der Partei derart maßgebenden Personen nahe.

3.1.4.1 Franz Schönhuber

Franz Schönhuber wurde am 10. Januar 1923 als Sohn eines Metzgers geboren. Als Schüler besuchte er ein katholisches Internat und bis zum Notabitur 1942 eine Oberrealschule in Dresden, bevor er als Freiwilliger zur Luftwaffe und später als 19jähriger zur Waffen-SS ging460. Nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, arbeitete Schönhuber zunächst als Schauspieler, dann als Sportreporter bei der KPD-nahen Zeitung Deutsche Woche. Als Journalist nahm Schönhuber eine beachtliche Karriere, in deren Verlauf er zum Kolumnisten der Münchner Abendzeitung aufstieg. Dort galt Schönhuber eher als politisch linksstehend, so unterstützte er in seinen Beiträgen die SPD-Jugendorganisation der Jungsozialisten in ihrer Fehde mit dem damaligen Münchner Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel461. Nachdem er einige Zeit als Chefredakteur der Boulevardzeitung tz gearbeitet hatte, orientierte sich Schönhuber in den siebziger Jahren in Richtung CSU, womit ein steiler Aufstieg beim Bayerischen Rundfunk einher ging. 1975 rückte er zum Leiter der Hauptabteilung „Bayern-Information” und stellvertretenden Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks auf. Als Moderator der Serie „Jetzt red i” wurde er bald zu einem der populärsten Fernsehjournalisten des Landes. Nicht nur beim Publikum, auch in seiner Zunft und bei der politischen Prominenz war Schönhuber anerkannt. Seine Kollegen wählten ihn zum Vorsitzenden des bayerischen Journalistenverbandes, zeitweilig zählte er zum Bekanntenkreis des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, auch erhielt er den Verdienstorden des Landes462. Als 1981 schließlich die Berufung als Chefredakteur der Rundfunkanstalt offenbar bevorstand, begannen anonyme Briefe zu kursieren, in denen Schönhuber dessen einstige Mitgliedschaft in der Waffen-SS vorgeworfen wurde. Der Attackierte veröffentlichte daraufhin die Bekenntnisschrift „Ich war dabei”, eine apologetische Betrachtung seiner

460 vgl. Leggewie: Die Republikaner, Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S.108 f. 461 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 38. 462 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 109, Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 96. 3 Das Profil der Republikaner 82

Erlebnisse in dieser Organisation463. Das Buch sollte sich als Stolperstein für seine Karriere erweisen. Zunächst waren die Kritiken, unter anderem in der tz, der Abendzeitung sowie dem Münchener Merkur, positiv ausgefallen. Nachdem indes die National-Zeitung des DVU- Vorsitzenden Gerhard Frey „Ich war dabei” zum Buch des Jahres gekürt hatte, mehrten sich die Proteste gegen die den Nationalsozialismus verharmlosenden Tendenzen des Buches. Schönhuber wurde als Vorsitzender des bayerischen Journalistenverbandes abgewählt, und der bayerische Rundfunk kündigte ihm. Nun engagierte sich der bislang Parteilose erstmals parteipolitisch, als Gründungsmitglied der Republikaner464. Für die Position als Parteivorsitzender, die er denn auch bald übernahm, eignete sich Schönhuber schon auf Grund seiner Biographie: Als Rundfunkmoderator hatte er ein feines Gespür dafür entwickelt, welche Redensarten und welche Meinungen am ehesten opportun waren und ihm dank eines simplen „Die da oben - wir hier unten”-Schemas die größtmögliche Unterstützung sicherten465. Zugleich hatte er sich einen Namen machen können als jemand, der die Nöte der einfachen Leute kennt und komplizierte Sachverhalte wie etwa die Ursachen von Arbeitslosigkeit unterhaltsam zu diskutieren vermochte466. Dabei profilierte sich Schönhuber als ein Mann, der unerschrocken die Dinge beim Namen nennt. Gegner beschrieben ihn unterdessen als „opportunistisches Chamäleon, das sich immer gerade rechtzeitig auf die Seite der vermutlichen Gewinner schlug, angetrieben von einer übersteigerten Anerkennungs- und Geltungssucht, gleichzeitig Kumpel und Intrigant” 467. In seinem Auftreten als Politiker erwies sich Schönhuber alsbald als geübter Populist, der weniger Personen etwas einredete als vielmehr deren bereits vorhandene Ressentiments geschickt aktivierte und auf Probleme wie Wohnungsnot oder Arbeitslosigkeit projizierte. Durch Reduktion von Komplexität gelang es dem Parteivorsitzenden, die formulierten Probleme als politische Diskussion zu verkleiden und mit der Anwesenheit von Ausländern in der Bundesrepublik in Zusammenhang zu bringen. Die auf diese Weise erzeugten Stimmungen versuchte er sodann umzuwandeln in Akzeptanz und Zustimmung gegenüber seiner Politik468. Mit seiner Agitation gegen andere Politiker und Personen des öffentlichen Lebens bewegte er sich an der Grenze zur Strafbarkeit, indem er „durch Nahelegungen,

463 vgl. Hans Sarkowicz: Der Autor Schönhuber und sein Verleger, in: Kurt Hirsch/ders.: Schönhuber: Der Politiker und seine Kreise, Frankfurt a. M. 1989, S. 69 ff. 464 vgl. Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 110 f., vgl. auch Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 95 ff. 465 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 100. 466 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 41. 467 zit. nach Kurt Hirsch/Wolfgang Metz: Die Republikaner - die falschen Patrioten, hg. Vom SPD- Landesverband Bayern, München 1989, S. 14. 468 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 43. 3 Das Profil der Republikaner 83

Anspielungen und andere Formen des nichtwörtlichen Sprechens rassistische und antisemitische Botschaften an seine Anhänger und darüber hinaus an die ganze Bevölkerung” richtete, „die als Klartext entschlüsselt und als Handlungsanweisungen genau verstanden”469 wurden. Dazu zählte auch die Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen. So erklärte Schönhuber, Deutschland habe „vor der Weltgeschichte nur ein Verbrechen begangen, nämlich zwei Weltkriege zu verlieren”470. In seiner Rosenheimer Parteitagsrede verkehrte der Vorsitzende der Republikaner kurzerhand Ursache und Wirkung von Antisemitismus: „Ein Herr Galinski ist möglicherweise mitschuldig an einem erneuten Aufkommen des von uns so deutlich abgelehnten Antisemitismus”471. Derselben rhetorischen Methode bediente sich Schönhuber, als er den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, als „einen der schlimmsten Volksverhetzer Deutschlands” bezeichnete, der „in Deutschland für den Antisemitismus sorgt”472. An anderer Stelle sprach er vom Zentralrat der Juden in Deutschland als der „5. Besatzungsmacht”473, Antisemitismus schürte er auch durch Flugblätter der Partei474. In der Öffentlichkeit präsentierte sich Schönhuber währenddessen nach Möglichkeit als Verfolgter, der in der Ausübung seines Rechts auf politische Meinungsfreiheit behindert werden soll, aber dennoch unbeugsam und aufrecht etwa den endgültigen Schlußstrich unter die Bewältigung der deutschen Vergangenheit fordert. Dabei bediente er sich der Provokation, um die empörten Reaktionen als Versuch der Unterdrückung zu deuten, zum Beispiel bei seinen Attacken auf Ignatz Bubis, den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland. Den Landesregierungen Bayerns und Baden-Württembergs warf er etwa vor, sie verfolgten die Republikaner „wie einst die Nationalsozialisten ihre demokratischen

469 so der Sprachforscher Siegfried Jäger in „Volksverhetzer Schönhuber”, in: taz, 11. April 1994, S. 5; vgl. auch Adorno: Kritik, Kleine Schriften zur Gesellschaft, Frankfurt 1971, S. 109. Adorno spricht von „Krypto-Antisemitismus”: Da die offene Aggression nicht gesellschaftsfähig ist, wird sie umgewandelt in Andeutungen, Anspielungen und Gerüchte, die nicht strafbar sind, deren Botschaft gleichwohl verstanden wird. 470 zit. nach Heilbronner Stimme, 26. Februar 1994. 471 vgl. Der Republikaner 2/1990, S. 5 ff. Möglicherweise setzten die Redakteure von „Der Republikaner” das „möglicherweise” nachträglich ein, eine Tonbandabschrift von Schönhubers Parteitagsrede zumindest liest sich wie folgt: „Herr Galinski: Ich bin alles andere als ein Antisemit, aber hören Sie endlich auf, deutsche Patrioten zu verleumden. Herr Galinski, Sie sind schuld, wenn es wieder den verachtenswerten Antisemitismus in diesem Lande geben sollte”, zit. nach CDU-Bundesgeschäftsstelle: Die Rep - Gefahr von rechts..., S. 7. 472 vgl. Der geistige Brandstifter legt nach, in: taz, 28. März 1994, S. 5. 473 zit. nach Neues Deutschland, 10. April 1992. 474 vgl. Presseerklärung Schönhubers vom 4. März 1994: „Der verachtenswerte Antisemitismus in Deutschland hat einen Namen: Ignatz Bubis, auf dem linken Auge blind, auf dem rechten einen Zerrspiegel”, in: Flugblatt der Republikaner, o.O o.J. 3 Das Profil der Republikaner 84

Widersacher”475. Mit dieser Verwechslung von Ursache und Wirkung perfektionierte Schönhuber eine Methode der extremen Rechten476. Auch während seiner politischen Laufbahn noch veröffentlichte Schönhuber Bücher wie 1983 „Freunde in der Not”, 1987 „Trotz allem Deutschland” und 1989 „Die Türken”, deren Aussagen zum Teil die inneren Werte eines demokratischen Verfassungsstaates in Frage stellten477. Im politischen Tagesgeschäft kam ihm gleichwohl zugute, daß er sich mit einigen seiner provokativen Äußerungen durchaus im Fahrwasser etablierter Politiker bewegte: Um so leichter zum Beispiel fiel es ihm, seine apologetischen Erinnerungen an die Waffen-SS zu verteidigen, nachdem auch der damalige Regierungssprecher Hans Klein (CSU) gesagt hatte: „Die Waffen-SS war doch eine kämpfende Truppe, keine Verbrecher. Die glaubten, ihr Vaterland verteidigen zu müssen”478.

3.1.4.2 Rolf Schlierer

Rolf Schlierer wurde am 21. Februar 1955 in Stuttgart geboren479. In der Landeshauptstadt absolvierte der evangelisch Erzogene sein Abitur, bevor er in Gießen ein Studium der Humanmedizin anschloß. 1979 erhielt der Mediziner die Approbation als Arzt. 1980 und 1981 leistete er den Grundwehrdienst als Sanitätsoffizier. Danach nahm der Oberstabsarzt der Reserve in Tübingen das Studium der Rechtswissenschaft und Philosophie auf. 1988 absolvierte er die erste, 1991 die zweite juristische Staatsprüfung. Anschließend arbeitete er als Rechtsanwalt in Stuttgart. Zudem betätigte er sich als Journalist, der in rechtsextremen Periodika wie Criticon, Junge Freiheit, Mut und Europa veröffentlichte. Im Gegensatz zu Franz Schönhuber wurde Rolf Schlierer bereits in jungen Jahren politisch aktiv, wobei er im Laufe der Zeit die verschiedensten Organisationen kennenlernte. 1975 und 1976 saß er dem Hochschulpolitischen Ausschuß der Deutschen Burschenschaft vor. Anschließend engagierte er sich drei Jahre lang im Ring Christlich-Demokratischer Studenten, um drei Jahre später für die Zeit bis 1985 als Pressereferent zur Deutschen Burschenschaft zurückzukehren. Zeitweilig gehörte Schlierer auch dem „Nationaldemokratischen Hochschulbund” (NHB) an, der Studierendenorganisation der NPD.

475 zit. nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. August 1994. 476 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 99. 477 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 40, Richard Stöss: Die Republikaner, Köln 1990, S. 28, Schönhuber, Franz: Freunde in der Not, München 1983, ders.: Trotz allem Deutschland, München 1987, ders.: Die Türken. Geschichte und Gegenwart, München 1989. 478 zit. nach Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 97. 479 vgl. im folgenden die Angaben von Lüder Meier/Birgit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg, in Butterwegge u.a.: Rechtsextreme in Parlamenten, a.a.O., S. 213 ff., sowie Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, 12. Wahlperiode, Darmstadt 1996, S. 70. 3 Das Profil der Republikaner 85

Von 1985 bis 1989 betätigte er sich dann im CDU-nahen Studienzentrum Weikersheim. Dabei trat er 1987 den Republikanern bei, nach einem Jahr jedoch wieder aus, da er nach eigenen Angaben in ihren Reihen Rechtsextremisten am Werk sah480. Erst nach dem überraschenden Wahlerfolg der Partei bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Januar 1989 wurde Schlierer aufs neue Mitglied der Republikaner. Dort glückte ihm nun ein rascher Aufstieg. Noch im selben Jahr zog Schlierer als Fraktionsvorsitzender in den Stuttgarter Stadtrat ein, ferner wurde er in die Programmkommission der Bundespartei berufen. Parallel übernahm er bis 1991 die Funktion als stellvertretender Landesvorsitzender der Republikaner in Baden-Württemberg, von 1990 bis 1994 amtierte er zudem als stellvertretender geschäftsführender Bundesvorsitzender der Partei. Nach der Wahl der Republikaner in den baden-württembergischen Landtag 1992 übernahm Schlierer den Fraktionsvorsitz, im Dezember 1994 wurde er zum Bundesvorsitzenden gewählt. Im Stuttgarter Landtag dachte Schlierer seiner Fraktion eigenen Angaben zufolge „eine Eisbrecherfunktion” zu, die darin bestehen sollte, „die Mauern des Schweigens und der Ausgrenzung einzureißen, die um die gesamte Partei aufgebaut wurden”481. In seinem Bestreben, eine Normalisierung des Umgangs mit der Partei zu erreichen, kam Schlierer der Status des Rechtsanwalts und sein meist bedächtiger Duktus zupaß, die Seriosität und eine gewisse fachliche Qualifikation implizierten. Die Distanz zu Parteien wie NPD oder DVU-Liste D vermochte Schlierer auch deswegen glaubwürdiger zu vertreten, da er im Gegensatz zu seinem Vorgänger schon aufgrund seines jüngeren Geburtsdatums in keiner Weise durch eine kompromittierende Vergangenheit im Nationalsozialismus vorbelastet schien. Daher war er auch darauf bedacht, seine ehemalige Mitgliedschaft in der Hochschulorganisation der NPD nicht öffentlich werden zu lassen482. Zugleich standen Schlierer der akademische Hintergrund und das um Seriosität bemühte Auftreten dabei im Wege, Mitglieder und Sympathisanten der Republikaner für sich zu begeistern: Schönhuber hatte bereits eine schillernde Vergangenheit, als er 1983 mit sechs anderen Personen die Partei ins Leben rief. Schlierer, dessen Lebenslauf überaus blaß und eher wie die typische Karriere eines Parteifunktionärs wirkte, war dagegen erst hinzu gestoßen, als sich die ersten Erfolge bereits eingestellt hatten. Darüber hinaus verfügte der Jurist nicht über das rhetorische Geschick und das populistische Gespür seines Vorgängers. In

480 vgl. Deutsche Rundschau 11/1990, S. 14, zit. nach Lüder Meier/BirgitGriese, in Butterwegge u.a., a.a.O., a.a.O., S. 214. 481 zit. nach Lüder Meier und Brigit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg, in Butterwegge u.a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 214. 482 vgl. ebenda, S. 214. 3 Das Profil der Republikaner 86 der Darstellung nach außen fiel es ihm zwar leichter als Schönhuber, die Republikaner den breiten Wählerschichten als wählbare Alternative zu präsentieren. Jedoch besaß er nicht annähernd die Autorität des 1994 ausgeschiedenen Bundesvorsitzenden, dessen Einfluß auch nach dem Parteiaustritt noch präsent war, wie die Zukunft zeigen sollte. Wie Schönhuber verfügte auch Schlierer über ein weitgehend taktisches Verhältnis zum extremistischen Lager. Auf der einen Seite war er bemüht, die Republikaner als demokratische Partei zu etablieren. Auf der anderen Seite duldete er die Kontakte mit Rechtsextremisten auf allen Ebenen der Partei483. In dieser Frage agierte Rolf Schlierer wie sein Vorgänger. Anders als für Schönhuber stand für Schlierer jedoch aufgrund taktischen Kalküls jederzeit außer Frage, daß die Republikaner ihren Kurs der offiziellen Abgrenzung gegenüber Parteien wie DVU-Liste D und NPD strikt durchhalten mußten. Formell hatte Schlierer frühestens mit seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden auf dem Parteitag im Dezember 1994, spätestens mit dem Austritt Schönhubers aus der Partei im November 1995 die Machtfrage für sich entschieden. Dennoch verlief nach wie vor mitten durch die Partei eine Frontlinie zwischen Anhängern eines radikaleren und denen eines gemäßigteren Kurses. In Gestalt seines langjährigen Weggefährten und baden- württembergischen Landesvorsitzenden Christian Käs war Schlierer zudem ein interner Konkurrent erwachsen. Käs brachte zwar bei weitem nicht die Vita und die Fähigkeiten eines Schönhuber mit, dessenungeachtet bildete er aber schon bald ein Gegengewicht zur Ausrichtung Schlierers, welche er mit seinen Äußerungen bisweilen offen konterkarierte. Somit steht zu vermuten, daß Schlierer die Treffen zwischen Republikanern und Neonazis nach seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden nicht deswegen zuließ, weil er sie explizit befürwortete - zu diametral liefen sie seinem Kurs entgegen. Der Grund dürfte nicht zuletzt darin gelegen haben, daß Schlierer Mühe hatte, die Partei zu kontrollieren. Seine zögerliche Haltung war demnach auch durch den Gedanken motiviert, die innerparteiliche Opposition nicht mehr als nach eigenem Empfingen unbedingt nötig gegen sich aufzubringen. Gerade in Zeiten des Mißerfolgs regte sich an der Basis wie schon unter Schönhuber Unmut über den Vorsitzenden, dem die Unterstützung durch die Parteimitglieder nur bedingt gewiß war. Als der damalige stellvertretende Bundesvorsitzende Ottmar Wallner auf dem Hannoveraner Parteitag gegen Schlierer antrat und für den Parteivorsitz kandidierte, erhielt er auf Anhieb 102 von 448 Stimmen484 und wurde als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt485. Wie der

483 vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Ein Lagebild, Köln 1997. 484 vgl. Heilbronner Stimme, 5. Oktober 1996. 485 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 122. 3 Das Profil der Republikaner 87 damalige stellvertretende geschäftsführende Bundesvorsitzende Rudolf Krause zählte Wallner zu den Anhängern der Idee einer vereinigten Rechten. Sie verfügten auch nach Schönhubers Austritt über beachtlichen Rückhalt in der Partei486. Zu den mehr als 80 Unterzeichnern der „Pulheimer Erklärung”, die 1996 „eine Bündelung aller seriösen Kräfte von Rechts (Fehler im Original, d. A.)” forderte, zählten auch Landesvorstandsmitglieder aus Hessen, Thüringen und dem Saarland487. Schlierer war damit wie Schönhuber auf gute Wahlergebnisse angewiesen. Solange ihm der Erfolg recht gab, trug die Partei seinen Kurs zumindest größtenteils mit. Nach der Wiederwahl in den Stuttgarter Landtag verfolgte der bayerische Landesvorsitzende Johann Gärtner vor der bayerischen Landtagswahl 1998 mit Parolen gegen die Einführung der europäischen Einheitswährung und für weniger Kriminalität ebenfalls eine gemäßigte Strategie und bemühte sich darum, Gemeinsamkeiten mit der CSU zu betonen und Kontakte zu deren rechten Flügel zu pflegen488. Die Autorität Schlierers in der Partei war indes nicht annähernd so groß wie im Falle seines Vorgängers. Der ehemalige Bundesvorsitzende hatte Mitglieder mitunter nach Belieben ihrer Ämter enthoben. Schlierer mußte dagegen zusehen, wie auch exponierte Vertreter der Republikaner den Abgrenzungsbeschlüssen zuwider arbeiteten. So kooperierten in der Initiative „Pro Deutschland” weiterhin Republikaner und Mitglieder von NPD und der „Deutschen Liga für Volk und Heimat”489. Demonstrativ kürte der sachsen-anhaltinische Landesparteitag im Januar 1997 Schönhuber, nunmehr Verfechter der Idee einer vereinigten Rechten, zum Ehrenmitglied490. Im Juni dann beklagte sogar der damalige Vorsitzende des Bundesschiedsgerichts der Republikaner, Hartmut Koch, eine „völlig verfehlte Extremismusabgrenzung”, welche die Partei weithin lähme und spalte. Das von Koch dominierte Bundesschiedsgericht hob kurzerhand mehrere Ordnungsmaßnahmen auf, die gegen Befürworter einer Zusammenarbeit mit rechtsextremistischen Parteien verhängt worden waren. Um den nach der deutlichen Niederlage bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft wieder vernehmlicher vorgetragenen Forderungen nach Bündnissen im rechtsextremen Lager entgegenzutreten, sah sich Schlierer im September 1997 schließlich genötigt, politisch wieder eindeutiger Position zu beziehen. Er forcierte eine akzentuiertere Außendarstellung der Partei vor allem in Fragen der Inneren Sicherheit und der Ausländerpolitik. Eine „irgendwie geartete

486 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 122. 487 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 123. 488 vgl. Der Spiegel 40/1997, S. 44. 489 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 102. 490 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 102. 3 Das Profil der Republikaner 88

Zusammenarbeit mit rechten Phantomparteien” schloß er nach wie vor aus491, um wenige Wochen später auf dem Bundesparteitag entgegen der Beschlußlage eine intensivere Zusammenarbeit mit dem „Front National” anzukündigen492. Damit schlug Schlierer eine Brücke zum radikaleren Flügel in der Partei. Der „Front National” fungierte in Frankreich einerseits zwar als Sammlungsbewegung für das gesamte Lager. Andererseits aber war die Partei in der Öffentlichkeit nicht annähernd in dem Maße diskreditiert wie NPD oder DVU- Liste D. Sie behauptete sich mit beachtlichen Ergebnissen in den Parlamenten und entsprach darin wiederum den Wunschvorstellungen Rolf Schlierers. Dessen Stellvertreter Christian Käs unternahm wenige Tage später denselben Vorstoß in der Publikation „Nation & Europa”. Die Zeitschrift nutzten führende Republikaner inzwischen offenbar dazu, ihre bündnispolitischen Absichten öffentlich zu machen - ungeachtet der Tatsache, daß das Blatt von Funktionären der „Deutschen Liga für Volk und Heimat” herausgegeben wurde, Gegnern des Abgrenzungskurses, zu denen die Republikaner zumindest offiziell bislang stets Distanz gehalten hatten493. In der Innenansicht präsentieren sich die Republikaner als eine von Richtungskämpfen geprägte Partei. Die Auseinandersetzungen in der Partei wurden dabei in der Regel nicht durch Debatten oder Mehrheitsbeschluß entschieden. Hatten die Republikaner Erfolg, überdeckte er die Grabenkämpfe. Blieb der Erfolg aus, entzündete sich der Richtungsstreit erneut. Franz Schönhuber glückte es aufgrund seiner Autorität nicht zuletzt als Gründungsmitglied eher als seinem Nachfolger, beide Flügel in der Partei zu befrieden, bis er nach elf Jahren schließlich scheiterte. Schönhuber agierte, Schlierer reagierte überwiegend. Schönhuber ergriff 1994 die Initiative in der Frage der Kooperation mit anderen Parteien. Als Schlierer 1997 eine engere Kooperation mit dem „Front National” ankündigte, schien er damit in erster Linie Forderungen in der Partei aufnehmen zu wollen. Die Basis erwies sich für beide Bundesvorsitzenden zuweilen zwar als schwieriger Widerpart. Andererseits aber hatten potentielle Konkurrenten aufgrund der hohen Mitgliederfluktuation und mangelnder Strukturen kaum Gelegenheit, sich dauerhaft zu profilieren. Zum einen erwies sich die Parteibasis damit als um so unberechenbarer. Zum anderen verhinderten diese Strukturen die Institutionalisierung einer innerparteilichen Opposition und erleichterten es der Parteispitze, die Republikaner ihren Vorstellungen gemäß zu dirigieren.

491 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 101. 492 vgl. Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 102. 493 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 62. 3 Das Profil der Republikaner 89

Da die Partei ein internes Parteileben mit den entsprechend geführten Debatten und schließlich demokratisch getroffenen Beschlüssen weitgehend vermissen ließ, stellt sich die Frage, wie sich ihre Vertreter als Mandatsträger auf kommunaler und auf Landtagsebene präsentierten.

3.1.5 Die Republikaner in den Parlamenten

Mit der politischen Praxis in parlamentarischen Gruppen und Fraktionen zeigten sich die Mandatsträger der Republikaner zunächst nicht vertraut. Auf kommunaler Ebene schien eine effektive Arbeit schon aufgrund interner Streitigkeiten kaum möglich494: Von den 136 Fraktionen der Partei, die 1990 in bundesdeutsche Kommunalparlamente gelangt waren, hatten sich bis 1993 bereits 63 gespalten oder aufgelöst495. In Bayern gingen allein zwischen März 1990 und November 1992 auf diese Weise rund 20 Prozent der 340 Kommunalmandate verloren. Bundesweit reduzierten sich die Mandate von 402 auf 289496. Die verbliebenen Mandatsträger waren zerstritten497. Zumindest in Hessens Kreistagen prägte auch Unvermögen das Bild der Republikaner. So blieben 1989 im Wetteraukreis zwei Sitze der Republikaner im Kreistag unbesetzt, da der Wahlvorschlag der Partei nur fünf Bewerber umfaßte, den Republikanern aber sieben Sitze zustanden. Im Rheingau-Taunus-Kreis verlor die Partei vier Jahre später auf dieselbe Weise erneut zwei Stimmen im Kreistag498. Von den rund 170 Abgeordneten der Republikaner, die im März 1993 in die hessischen Kreisparlamente eingezogen waren, hatte jeder fünfte ein gutes Jahr später sein Mandat wieder abgegeben499. Im Mittelpunkt der Arbeit stand die Asyl- und Ausländerpolitik. Fragen der Kommunalpolitik dienten dabei oft nur als Ausgangspunkt, um daran auf populistische Art allgemeine Ideologeme der Republikaner zu knüpfen. Besonders in der öffentlichen Selbstdarstellung bedienten sich die Republikaner einer polemischen und rüden Sprache.

494 vgl. Leggewie: Die Republikaner, Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 153. 495 beispielhaft für Rangeleien auf kommunaler Ebene ist die Kölner Rep-Fraktion, vgl. Meral Rüsing: „Domet uns Kölle kölsch bliev!”, in: Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 149 ff. 496 vgl. SWF-Report vom 1. März 1993, zit. nach Leggewie: Druck von rechts, a.a.O., S. 104. 497 vgl. die Umfrage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die parlamentarische Arbeit von Republikanern in den Kreistagen und Stadtparlamenten Hessens, in: FAZ, 3. April 1994. 498 vgl. Lepszy/Veen, a.a.O., S. 6. 499 vgl. taz, 10. Mai 1994, S. 4. 3 Das Profil der Republikaner 90

Im Umgang mit den jeweiligen Problemen auf lokaler Ebene zeigten sie sich dagegen wenig versiert500. Im Kreistag von Mainz-Kinzig beantragten die Republikaner beispielsweise den Erhalt von Schlachthöfen, die überhaupt nicht existierten501. Im Europäischen Parlament, wo sie eine Technische Fraktion mit dem französischen Front National und dem Vlaams Blok bildeten502, fielen die Republikaner Franz Schönhuber zufolge vor allem „durch Nichtstun” auf503. Bei den Sitzungen der Ausschüsse waren die Mandatsträger oft auch physisch abwesend504. Schönhuber selbst nahm als Mitglied des Politischen Ausschusses des Parlaments an nur 25 von 101 Sitzungen teil505. Bis zum Beginn der neunziger Jahre zeigten sich die Republikaner damit in den Parlamenten meist inkompetent hinsichtlich politischer Arbeit, Streitkultur sowie personeller Fragen, wie eine Untersuchung der hessischen Kommunalparlamente, des Stuttgarter Landtags und des Europaparlaments ergab506. 1995 zeigte eine empirische Studie anhand der hessischen Kommunalparlamente indes, daß sich die Republikaner inzwischen nicht mehr nur als „Ein-Thema-Partei” der Ausländerpolitik betätigten. Sie griffen zunehmend auch andere angstbesetzte Themen wie Kriminalität, Arbeitslosigkeit oder Wohnungsnot auf, skandalisierten sie und deuteten sie nationalistisch um: „In rechtspopulistischen Botschaften, bipolarem Denken und Umformungsprozessen” wurden „die Selbstbilder von einer homogen- fiktiven Gemeinschaft und den ´Deutschen als Opfern´ angeboten“.507 In Nordrhein-Westfalen zeigte sich währenddessen ein weitaus uneinheitlicheres Bild. Ein eindeutiger Befund republikanischer Kommunalpolitik ließ sich nicht erstellen. Im Dortmunder Stadtrat etwa war die Arbeit geprägt von internen Auseinandersetzungen, die darin gipfelten, daß ein mit Nägeln gespickter Knüppel hergestellt und ein Schlägerkommando angeheuert wurde, um mißliebige Konkurrenten aus dem Weg zu

500 vgl. Lepszy/Veen, a.a.O., S. 8 ff. 501 vgl. Freier Zerfall, in: Der Spiegel, 16. Mai 1994. 502 Lepszy/Veen, a.a.O., S. 15. 503 zit. nach FAZ, 21. Juni 1990. 504 vgl. Claudia Zimmermann: Die Tätigkeit der „Republikaner” im Europäischen Parlament 1989-1993, o. O., o. J. 505 vgl. Lepszy/ Veen, a.a.O., S. 17. 506 vgl. Lepszy/Veen, ebenda, S. 25. 507 Benno Hafenegger: Politik der „extremen Rechten”. Eine empirische Untersuchung am Beispiel der hessischen Kommunalparlamente, Schwalbach im Taunus 1995, S. 42 zit. nach Christoph Butterwegge: Entwicklung, Stand und Perspektiven der Rechtsextremismusforschung, in ders. u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 41. 3 Das Profil der Republikaner 91 räumen508. Die fünfköpfige Fraktion, die am 3. Oktober 1989 in den Düsseldorfer Stadtrat eingezogen war, zerbrach binnen Wochen509. Im Kölner Stadtrat schlossen sich die Republikaner in der Regel kurzerhand den Positionen der CDU an510. Für Aufsehen sorgten sie dort jedoch durch fragwürdige Finanzierungsmethoden. Mitarbeiter der Partei sollten ihr Gehalt über die Fraktion bei der Stadtkasse geltend machen, um es sodann dem Kreisverband zurück zu spenden511. Indem sie beliebig viele Personen als sachkundige Bürger in den Ausschüssen hinzuzog, rechnete die damals dreiköpfige Republikaner-Fraktion im Kölner Stadtrat zudem für die Zeit von Dezember 1989 bis September 1990 insgesamt 184 Sitzungen mit 806 Teilnehmern ab, was sich auf 42.718 Mark an Sitzungsgeld allein für die sachkundigen Bürger summierte, während SPD und CDU für den gleichen Zeitraum jeweils rund 10.000 Mark abrechneten512. In Hamm legten die Republikaner dagegen in jeder Hinsicht eine ungleich größere Disziplin an den Tag. Den Schwerpunkt ihrer parlamentarischen Arbeit setzten sie dabei nicht auf die Ausländer- und Asylpolitik, sondern vielmehr auf klassische Gebiete der Kommunalpolitik wie Wohnen und Verkehr513. Im Fazit zeigt sich, daß sich die Republikaner mit ihrer Arbeit in den Parlamenten außerhalb Baden-Württembergs kaum profilierten. Meist mit personellen Auseinandersetzungen beschäftigt oder in deren Folge dezimiert, traten sie allenfalls mit ausländerpolitischen Forderungen in Erscheinung, wenngleich bisweilen Ausnahmen zu beobachten waren. Dabei schienen der Partei wie die Demokratie auch die Gepflogenheiten der parlamentarischen Arbeit zunächst fremd zu bleiben.

3.2 Die Republikaner in Baden-Württemberg

3.2.1 Geschichte

3.2.1.1 Der stete Aufstieg zur größten Oppositionspartei im Lande (1984 bis 1992)

Baden-Württemberg hatte zu den ersten Bundesländern gezählt, in denen sich nach Gründung der Partei ein Landesverband konstituiert hatte. Im März 1984 war Karl

508 vgl. Birgit Griese/Gunther Niermann: Rechtsextremisten in nordrhein-westfälischen Kommunalparlamenten, in Butterwegge u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 147 f. 509 vgl. die kenntnisreiche Darstellung bei Behrend, a.a.O., S. S. 143 f. 510 vgl. Schomers, a.a.O., S. 95 und S. 205. 511 vgl. ebenda, S. 101. 512 vgl. Lepszy/Veen, a.a.O., S. 54 f. 513 vgl. Birgit Griese/Gunther Niermann: Rechtsextremisten in nordrhein-westfälischen Kommunalparlamenten, in Butterwegge u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 183 f. 3 Das Profil der Republikaner 92

Mechtersheimer, eine ehemalige Führungsfigur der Friedensbewegung, Vorsitzender der Republikaner in Baden-Württemberg514 geworden. Die ersten Erfolge der Partei erlebte Mechtersheimer aber nicht mehr als Landesvorsitzender der Partei. Im Zuge der innerparteilichen Auseinandersetzungen erklärte er 1987 seinen Austritt und wechselte zur NPD515. Zu Mechtersheimers Nachfolger wählte die Partei im Oktober auf ihrem Landesparteitag den Kriminalbeamten Peter Köhler. Auf der Veranstaltung in Bad Cannstatt bekräftigte die Partei ihren Plan, sich im kommenden Jahr an den Wahlen zum Landtag zu beteiligen516. Bei den Wahlen 1998 vereinigten die Republikaner 1,0 Prozent der Stimmen auf sich und wurden noch deutlich von der NPD überflügelt, die ein Ergebnis von 2,1 Prozent erzielte517. Es waren die Wahlen zum Berliner Senat im Januar 1989, die den Republikanern in Baden-Württemberg einen erhöhten Zulauf bescherten. Nach eigenen Angaben zählte der Landesverband rund hundert neue Mitglieder, womit sich die Mitgliederzahl auf nunmehr 1.200 erhöhte518. Im April 1989 wies die Partei bereits 1.700 Mitglieder aus und verfügte über rund hundert Ortsverbände. Der erste Erfolg bei den Wahlberechtigten in Baden-Württemberg gelang der Partei beim Urnengang zum Europa-Parlament am 18. Juni 1989. Auf die Republikaner entfielen 8,7 Prozent der Stimmen519. Als Vertreter des Landesverbandes zog dessen Vorsitzender Peter Köhler in das Europa-Parlament ein520. Infolge der Wahl erhielt die Partei abermals Auftrieb. Wenige Wochen vor den baden-württembergischen Kommunalwahlen im Oktober 1989 bezifferte Köhler die Zahl der Mitglieder im Landesverband auf 3.000. Nach Angaben des Landesvorsitzenden wollte die Partei in rund 50 der insgesamt 1.100 baden- württembergischen Gemeinden antreten. Im Wahlkampf forderte Köhler, Flüchtlinge aus der DDR und gleichfalls Aussiedler aus osteuropäischen Staaten müßten mit offenen Armen empfangen werden. Möglichen Koalitionen mit der CDU stünde die Partei offen gegenüber, betonte er. Der stellvertretende Vorsitzende der christdemokratischen Landtagsfraktion, Heinrich Haasis, lehnte eine Koalition indes kategorisch ab521.

514 vgl. Rosen., a.a.O., S. 8. 515 vgl. Rosen, a.a.O., S. 10. 516 vgl. Heilbronner Stimme, 13. Oktober 1987. 517 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 30. Oktober 1991. 518 vgl. Heilbronner Stimme, 11. Februar 1989. 519 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 30. Oktober 1991. 520 vgl. Süddeutsche Zeitung, 19. März 1992. 521 vgl. Heilbronner Stimme, 9. September 1989. 3 Das Profil der Republikaner 93

Bei den Kommunalwahlen am 22. Oktober, zu denen die Partei fast nur in den größeren Städten angetreten war522, meisterten die Republikaner dann nahezu überall auf Anhieb den Einzug in die Kreistage sowie Stadt- und Gemeinderäte523. Sie erhielten 71 Gemeinderatssitze und stellten 35 Kreisräte524. In der Landeshauptstadt Stuttgart erzielte die Partei ein Ergebnis von 9,5 Prozent und zog mit sechs Kandidaten in den Stadtrat ein525. Die Öffentlichkeit reagierte erstmals alarmiert und mit zum Teil heftigen Protesten auf den Einzug der Republikaner in die gewählten Gremien auf kommunaler Ebene. Vor dem Stuttgarter Rathaus demonstrierten am Wahlabend 100 Menschen gegen die Partei; in Heidelberg versammelten sich 150 Menschen; in Mannheim ertönten „Nazis raus”-Rufe; und in Karlsruhe stürmten Demonstranten das Rathaus, als feststand, daß die Republikaner in den Stadtrat einziehen würden526. Der württembergische evangelische Landesbischof Theo Sorg kündigte am Tag nach der Wahl an, die evangelische Kirche werde künftig von den Republikanern unter ihren Mitarbeitern eine persönliche Distanzierung vom Nationalsozialismus verlangen, da die evangelische Kirche diese bei der Partei bislang vermisse527. Innerhalb des Landesverbandes führte der Erfolg bei den Kommunalwahlen zu internen Richtungskämpfen528, die schließlich den Parteiaustritt des Landesvorsitzenden nach sich zogen. Im Januar 1990 verließ Köhler, der erst wenige Wochen zuvor auf dem Landesparteitag in Ehingen im Alb-Donau-Kreis in seinem Amt bestätigt worden war529, die Republikaner530. Er begründete seinen Entschluß mit monatelangen innerparteilichen Auseinandersetzungen und griff den Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber an, der die Republikaner „mit seinen totalitären, undemokratischen Entscheidungen ins politische Aus geführt” habe531. Seine Mandate im Europa-Parlament und im Heidenheimer Stadtrat behielt Köhler532. Die Bundestagswahlen im Dezember 1990 verliefen auch für die Republikaner in Baden-Württemberg nach ihrem Erfolg im Oktober enttäuschend. Im Südwesten erzielten sie ein Ergebnis von 3,2 Prozent533, das gleichwohl über dem Bundesdurchschnitt von 2,1

522 vgl. Heilbronner Stimme, 23. Oktober 1989. 523 vgl. Süddeutsche Zeitung, 24. Oktober 1989. 524 vgl. Heilbronner Stimme, 4. Januar 1990. 525 vgl. Heilbronner Stimme, 26. Oktober 1989. 526 vgl. Heilbronner Stimme, 23. Oktober 1989. 527 vgl. Heilbronner Stimme, 24. Oktober 1989. 528 vgl. Süddeutsche Zeitung, 19. März 1992. 529 vgl. Heilbronner Stimme, 19. Dezember 1989. 530 vgl. Heilbronner Stimme, 4. Februar 1990. 531 zit. nach Süddeutsche Zeitung, 19. März 1992. 532 vgl. Heilbronner Stimme, 4. Februar 1990. 533 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 30. Oktober 1991. 3 Das Profil der Republikaner 94

Prozent lag. Infolge des Wahlergebnisses nahm die Zahl der Mitglieder wieder kontinuierlich ab und sank bis Herbst 1991 auf 2.000534. Im Vergleich zur Kommunalwahl 1989 zeigte die Partei zur Landtagswahl im April 1992 eine ungleich stärkere Präsenz. Bereits fünf Monate vor der Wahl hatten die Republikaner nach eigenen Angaben bis auf zwei Ausnahmen sämtliche 70 Wahlkreise im Land mit Kandidaten besetzt. Wie Landespressesprecher Horst Trageisen ankündigte, strebte die Partei ein Wahlergebnis zwischen 7 und 8 Prozent an535. Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach bezifferte das rechtsradikale Wählerpotential bis kurz vor der Wahl auf acht Prozent, den Stimmenanteil der Republikaner auf 4,5 bis 5,0 Prozent536. Zwei Monate vor der Wahl kündigte Christian Käs, der inzwischen das Amt des Landesvorsitzenden übernommen hatte, an, die Partei werde eine Million Mark in den Landtagswahlkampf investieren. Als Themen nannte er eine konsequente Sparpolitik sowie die Abschaffung des Asylrechts. Die Zahl der Mitglieder gab er mit 2.300 an537. Mit der Asylpolitik hatten die Republikaner für ihren Wahlkampf ein Thema gewählt, das auch die Kampagnen der anderen Parteien beherrschte. Mit ihrer Forderung nach Abschaffung des Asylrechts gingen die Republikaner dabei am weitesten. Für eine Änderung von Artikel 16 des Grundgesetzes setzte sich die CDU ein538, die entsprechende Anzeigen in Zeitungen schaltete539. Währenddessen wollte die SPD grundsätzlich an den Bestimmungen von Artikel 16 festhalten. Auf Veranstaltungen vor der Wahl machten Landtagsabgeordnete der CDU die SPD und die FDP für die damalige Fassung des Asylrechts verantwortlich: Gerd Zimmermann kritisierte eine „unverantwortliche Blockadehaltung”540. Sein Fraktionskollege Hermann Mühlbeyer sagte: „SPD und FDP nehmen die Bürger beim Thema Asyl nicht ernst. Dafür müssen sie am 5. April die Quittung bekommen.” Beide Parteien hätten die Geduld der Bürger „überstrapaziert” und trügen daher die Verantwortung für ein Erstarken rechtsradikaler Parteien541. Den öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen der Republikaner wurde reges Interesse entgegengebracht. Zum einen lag dies an der Unterstützung durch den Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber. So besuchten im März in Heilbronn 400 Menschen eine Veranstaltung mit

534 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 28. November 1991. 535 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 28. November 1991. 536 vgl. Stuttgarter Zeitung, 10. März 1992. 537 vgl. Heilbronner Stimme, 27. Februar 1992. 538 vgl. Stuttgarter Zeitung, 26. Februar 1992. 539 vgl. Süddeutsche Zeitung, 19. März 1992. 540 zit. nach Heilbronner Stimme, 13. März 1992. 541 zit. nach Heilbronner Stimme, 14. März 1992. 3 Das Profil der Republikaner 95

Schönhuber542. Den SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Ulrich Klose, der am selben Abend in der Stadt gastierte, wollten dagegen nur hundert543 Menschen sehen. Anders als bei der Kommunalwahl 1989 kam es zur Landtagswahl 1992 bereits im Wahlkampf zu Protesten gegen die Partei, die zudem für Aufsehen sorgten. So versuchten 25 Vermummte im Oktober 1991, eine Wahlveranstaltung der Republikaner in Gammertingen/Kettenacker zu stören544. Anstoß erregten überdies manche Äußerungen der Partei im Wahlkampf. Auf einer Wahlveranstaltung zum Beispiel applaudierten die Republikaner einem Gastredner, der zum Thema „Ethnische Minderheiten” gemeint hatte: „Solange man darauf schießen darf, habe ich nichts dagegen.” Daß sich der Landesvorsitzende Christian Käs von der Äußerung nicht distanzierte, tat ein übriges545. Ein Flugblatt des Landesverbandes wiederum unterteilte Ausländer in die „italienische Mafia, polnische Autodiebe, jugoslawische Zuhälter, türkische Drogenhändler und Jugendbanden, arabische Terrorkommandos usw. usw.”546. Bei der Wahl am 5. April 1992 erzielten die Republikaner dann 10,9 Prozent der Stimmen und zogen mit 15 Vertretern in den Landtag von Baden-Württemberg ein. Die CDU, welche von 49 auf 39,6 Prozent abgerutscht war, hatte damit nach 20 Jahren ihre Alleinherrschaft verloren547, hohe Verluste hatte auch die SPD verzeichnet. Das Ergebnis, das selbst die Republikaner überraschte548, war der größte Erfolg einer rechtsradikalen oder rechtsextremistischen Partei, seit die 1952 verbotene „Sozialistische Reichspartei” bei der niedersächsischen Landtagswahl 1951 elf Prozent auf sich hatte vereinigen können549. Noch am Wahlabend formierte sich vor dem Landtagsgebäude eine Demonstration von Gegnern der Republikanern550. Der politische Gegner der Republikaner reagierte auf den Erfolg der Partei mit Schuldzuweisungen und Ratlosigkeit. Während Bundespolitiker von CDU und SPD die Vertreter der jeweils anderen Partei für das Erstarken der Rechten verantwortlich machten551, herrschte unter den Stuttgarter Parteipolitikern Zerknirschung. Ministerpräsident Erwin Teufel

542 auf der Veranstaltung mit Schönhuber mußten viele Interessierte sogar nach Hause geschickt werden, weil der Saal wegen Überfüllung geschlossen wurde, vgl. Heilbronner Stimme, 16. März 1992. 543 diese Zahl könnte zu hoch gegriffen sein. Die Stuttgarter Nachrichten beziffern die Zahl der Zuhörer Kloses auf 36, die Besucher der Veranstaltung mit Schönhuber indes auf mehr als 300, zit. nach Stuttgarter Nachrichten, 16. März 1992. 544 vgl. Heilbronner Stimme, 28. Oktober 1991. 545 zit. nach Die Zeit, 3. April 1992. 546 zit. nach CDU-Bundesgeschäftsstelle: Die Rep - Gefahr von rechts..., S. 4. 547 vgl. Heilbronner Stimme, 6. April 1992. 548 vgl. Heilbronner Stimme, 6. April 1992. 549 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 6. April 1992. 550 vgl. Heilbronner Stimme, 6. April 1992. 551 vgl. Heilbronner Stimme, 6. April 1992. 3 Das Profil der Republikaner 96

(CDU) nannte das Ergebnis eine „schwere Niederlage für die CDU”. Von einer „völlig unbefriedigenden Zahl” und von einer „ernsten Krise des demokratischen Parteiensystems in Baden-Württemberg” sprach der sozialdemokratische Spitzenkandidat Dieter Spöri552. Da alle Parteien eine Zusammenarbeit mit den Republikanern ablehnten553, bildete sich eine Große Koalition. Gleichwohl stieß es in Teilen der CDU-Basis auf Unmut, daß Ministerpräsident Erwin Teufel zwar Sondierungsgespräche mit den Grünen, nicht aber mit den Republikanern geführt hatte554. Bereits wenige Tage nach Einzug der Republikaner in den Stuttgarter Landtag teilte der stellvertretende Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Helmut Rannacher, mit, sein Amt habe Anlaß, die Republikaner zu beobachten. Bei der Partei sei eine Nähe zu rechtsextremen Positionen unverkennbar555. Im Dezember ordnete Innenminister Frieder Birzele schließlich die Beobachtung der Republikaner durch den Verfassungsschutz an, nachdem die Innenminister und die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern erklärt hatten, sie verfügten über Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen der Republikaner. Die Partei strengte ein Verfahren gegen die Entscheidung an, in dem sie im August 1993 vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart unterlag, dessen Urteil der baden- württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim im März 1994 bestätigte. Die Beobachtung der Partei durch das Landesamt für Verfassungsschutz war damit Rechtens556. Die Stuttgarter Richter waren in allen Punkten der Argumentation des Landesamtes für Verfassungsschutz gefolgt, das die Beobachtung vor allem begründet hatte mit mangelnder Distanz der Partei zur Herrschaft des Nationalsozialismus, der Negierung von im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie dem Gleichheitsgrundsatz, mit dem Propagieren von Rassismus, Sozialdarwinismus und einer nationalistischen Ideologie sowie mit Bestrebungen gegen den demokratischen Rechtsstaat und dessen Institutionen557. Demnach bestanden tatsächlich Anhaltspunkte, daß die Republikaner in aktiv-kämpferischer, aggressiver Weise die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen versuchten558. Birzele wies seine Mitarbeiter daraufhin auf die Treuepflicht von Beamten hin und veranlaßte Gespräche mit fünf Mitarbeitern, die nicht nur Mitglied der Republikaner waren, sondern nach

552 vgl. Heilbronner Stimme, 6. April 1992. 553 vgl. Heilbronner Stimme, 6. April 1992. 554 vgl. Heilbronner Stimme, 6. Mai 1992. 555 vgl. Heilbronner Stimme, 15. April 1992. 556 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 46. 557 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 29 f. 558 vgl. Heilbronner Stimme, 2. September 1993. 3 Das Profil der Republikaner 97

Auffassung des Ministeriums darüber hinaus aktiv für verfassungsfeindliche Ziele eintraten559. Dessenungeachtet bescherte der Einzug in den Landtag den Republikanern in Baden- Württemberg eine Blütezeit, die auch jenseits der Parteigrenzen für Aufmerksamkeit sorgte. So vermeldete das Fernsehmagazin „Politik Südwest” im Juni regen Zulauf für die Republikaner aus dem rechten Flügel der CDU. Zudem bestätigte der Vorsitzende der Landtagsfraktion, Rolf Schlierer, Berichte, wonach sich zwei hochrangige Ministerialbeamte bei den Republikanern als parlamentarische Berater beworben hätten560. Erfolge erzielten die Republikaner 1992 auch vor Gericht. Wie das Stuttgarter Landgericht im Juli feststellte, war die Mitgliedschaft bei den Republikanern sowie in der Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier nicht unbedingt unvereinbar. Den Ausschluß eines Parteimitglieds aus der Organisation hoben die Richter mit der Begründung auf, die als Grund des Ausschlusses angeführte „Verfolgung faschistischer Ziele” sei nicht einschlägig; weder seien die Republikaner eine verfassungswidrige Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz, noch fänden sie Erwähnung im Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministers561. Wie indes dasselbe Gericht im Dezember auch entschied, durfte der damalige Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser behaupten, die Republikaner seien „faktische Sympathisanten” ausländerfeindlicher Gewalttaten. Die Aussage, die Republikaner hätten zu den Morden an drei türkischen Frauen in Mölln geschwiegen und seien „vielleicht auch Helfershelfer bei den Verbrechen der vergangenen Monate gewesen”, wurde Weiser hingegen untersagt562. Anfang Oktober lehnte das Landgericht Konstanz zudem den Erlaß einer Einstweiligen Verfügung gegen die Ausrichtung des Landesparteitages der Republikaner am 11. Oktober 1992 ab563. Auf Betreiben der Stadtverwaltung hin hatte der Pächter des Konstanzer Konzilgebäudes zunächst angekündigt, er werde den Mietvertrag mit den Republikanern kündigen, wenn die Partei im Gebäude ihren Landesparteitag veranstalten wollte. Die Stadt befürchtete Ausschreitungen und Beschädigungen am historischen Gebäude. Später räumte die Kommune ein, sie sehe keine Möglichkeit, den Landesparteitag zu verhindern. Der Gastronom hatte inzwischen erklärt, er wolle sich von der Stadt nicht in einen Prozeß treiben

559 vgl. Heilbronner Stimme, 22. November 1993. 560 vgl. Heilbronner Stimme, 12. Juni 1992. 561 zit. nach Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 24. Juli 1992. 562 vgl. Heilbronner Stimme, 23. Dezember 1992. 563 vgl. Heilbronner Stimme, 5. Oktober 1992. 3 Das Profil der Republikaner 98 lassen, den er nicht gewinnen könne, weil die Republikaner eine zugelassene Partei seien564. Zum Landesparteitag gelangten die 250 Delegierten schließlich per Boot, weil rund 3.500 Demonstranten den Landweg blockierten. Bundesvorsitzender Franz Schönhuber griff in seiner Rede die Bundesregierung sowie die Verträge von Maastricht an565. Die Zahl ihrer Mitglieder bezifferte die Landespartei zu diesem Zeitpunkt auf 2.500566. In unterschiedlicher Verfassung präsentierten sich die Mandatsträger der Landespartei 1992 währenddessen in den Gremien der Kommunalpolitik. Im Stadtrat in ihrer Hochburg Pforzheim verloren die Republikaner durch drei aufeinanderfolgende Austritte von Fraktionsmitgliedern den Fraktionsstatus, zugleich halbierte sich die Anzahl ihrer Vertreter auf drei. Sie mußten das Büro im Rathaus räumen und erhielten fortan weder Fraktionsgelder noch Aufwandsentschädigungen567. Die verbliebenen Abgeordneten beschränkten ihre Aktivitäten auf das Thema Asyl. Sie forderten zum Beispiel, die Stadt solle vom Land acht Millionen Mark zurückfordern, die sie für die Unterbringung von Asylbewerbern ausgegeben hatte, und begehrten ferner eine Klage der Stadt gegen die weitere Zuweisung von Asylbewerbern568. Im Stuttgarter Stadtrat waren die politischen Schwerpunkte ähnlich gelagert. Der Landesvorsitzende Christian Käs brachte etwa den Antrag ein, 16 Millionen Mark für die Errichtung von Asylbehelfsbauten einzusparen und die Flüchtlinge statt dessen in Stuttgarts Luftschutzräumen unterzubringen. In Bad Cannstatt, erklärte die Fraktion, sollten zunächst „insbesondere Bürger der Stadt Stuttgart” anstelle von Asylbewerbern Unterkünfte erhalten. Einen beachtlichen parlamentarischen Erfolg erzielte die Stadtratsfraktion dagegen im November 1992, als die SPD bei der Wahl des Ersten Bürgermeisters mit Hilfe der Stimmen der Republikaner ihren Kandidaten Gerhard Lang gegen den christdemokratischen Favoriten durchsetzte569.

3.2.1.2 Zwischen Selbstbehauptung und innerparteilicher Vorbildfunktion (1992-1997)

Der Aufwärtstrend der Landespartei dauerte ungeachtet der Beobachtung durch den Verfassungsschutz 1993 an. In diesem Jahr verzeichnete der Landesverband nach Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz bei einer hohen Fluktuation einen Anstieg der

564 vgl. Heilbronner Stimme, 22. September 1992. 565 vgl. Heilbronner Stimme, 12. Oktober 1992. 566 vgl. Süddeutsche Zeitung, 9. Oktober 1992. 567 vgl. Heilbronner Stimme, 14. November 1992. 568 vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. März 1993. 569 vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. März 1993. 3 Das Profil der Republikaner 99

Mitgliederzahl auf 2.500 von zuvor rund 2.000570 - Landesvorsitzender Käs bezifferte die Zahl zeitweise auf knapp 3.000571. Die Strukturen der Partei hielten jedenfalls Schritt mit der wachsenden Mitgliederzahl. In Baden-Württemberg existierten inzwischen in sämtlichen Landkreisen unterschiedlich aktive Kreisverbände. Während auf Bundesebene das Parteiorgan „Der Republikaner” erstellt wurde, gab der Landesverband für seine Mitglieder die unregelmäßige erscheinende Schrift „Reportage” hinaus572. Der Aufwärtsbewegung schien keinen Abbruch zu tun, daß die Landtagsfraktion im März 1993 ihren Mitarbeiter und Vorsitzenden der Jungen Republikaner in Baden-Württemberg, Sascha Senst, der erst im November 1992 an die Spitze des neu gegründeten „Arbeitskreis Republikanische Jugend, Landesverband Baden-Württemberg” gewählt worden war573, fristlos entlassen mußte, nachdem der 22jährige wegen Beteiligung an einem Anschlag auf ein Pforzheimer Jugendhaus zu einer Geldstrafe von 2500 Mark verurteilt worden war574. Auf dem Landesparteitag im April 1993 in Bad Cannstatt, zu dem nur 201 von 280 Delegierten erschienen waren, wurde der stellvertretende Bundesvorsitzende Christian Käs mit 95 Prozent der Stimmen als Landesvorsitzender in seinem Amt bestätigt575. Rolf Schlierer, Bundesvorsitzender sowie Vorsitzender der Fraktion im Landtag, räumte auf der Veranstaltung Defizite der Parlamentarier etwa in der Bildungspolitik ein. Die meisten der bisher eingereichten Initiativen hätten sich mit Fragen der Inneren Sicherheit beschäftigt, erklärte er576. Mit der Aufwärtsbewegung der Partei im Jahr 1993 setzten sich auch die Proteste gegen die Republikaner fort, die nun zuweilen militante Formen annahmen. Gegen den Landesparteitag im April demonstrierten rund hundert Menschen577. Im Mai warfen rund 30 Personen an einem Informationsstand der Republikaner in Konstanz Farbbeutel, Eier und Feuerwerkskörper auf Mitglieder der Partei578. Im Juni schließlich verübte eine „Antifaschistische Wagensportliga Süddeutschland” einen Anschlag auf drei Autos des Landtagsabgeordneten Karl-August Schaal und verursachte einen Sachschaden von

570 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1993, S. 43 ff. 571 vgl. Heilbronner Stimme, 19. April 1993. 572 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1993, S. 50 f. 573 vgl. Stuttgarter Zeitung, 16. November 1992. 574 vgl. Heilbronner Stimme, 4. März 1993. 575 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1993, S. 51, vgl. Heilbronner Stimme, 19. April 1993. 576 vgl. Heilbronner Stimme, 19. April 1993. 577 vgl. Heilbronner Stimme, 19. April 1993. 578 vgl. Heilbronner Stimme, 24. Mai 1993. 3 Das Profil der Republikaner 100 schätzungsweise 50.000 Mark579. In ihren Reaktionen unterstellten die Republikaner der Landesregierung und den Sicherheitsbehörden zumindest eine fahrlässige Duldung von Angriffen gegen Mitglieder der Partei. Rolf Schlierer erklärte, offensichtlich müsse es erst Tote bei den Republikanern geben, bevor die Verantwortlichen den Schutz von Abgeordneten und Angehörigen einer demokratisch legitimierten Partei sicherstellten. Wie das Verwaltungsgericht Stuttgart feststellte, erhob der Bundesvorsitzende damit den Vorwurf eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die der Polizei obliegenden Ermittlungs- und Schutzpflichten580. Bei Präsentation des baden-württembergischen Verfassungsschutzberichts erklärte Innenminister Frieder Birzele, es sei „unverkennbar, daß diese Partei mit zu den geistigen Brandstiftern gehört, die eine erhebliche Mitschuld an der schrecklichen Eskalation der Gewalt gegen Fremde in unserem Lande tragen”.581 Das Jahr 1994 war für die baden-württembergischen Republikaner weitgehend geprägt vom Geschehen auf Bundesebene, das seine Schatten auf den Landesverband warf, sowie von der erstmaligen Einstufung als rechtsextrem im Verfassungsschutzbericht des Landes. Die Zahl der Mitglieder im Südwesten sank in diesem Jahr auf 2.100 von 2.500 im Jahr zuvor582. Bei den baden-württembergischen Kommunalwahlen erzielten die Republikaner unterschiedliche Ergebnisse. So entfielen bei der Wahlen zur Regionalversammlung des Verbands Region Stuttgart auf die Partei 7,3 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei den Kreistagswahlen erreichten die Republikaner zwar nur 1,7 Prozent, steigerten aber die Zahl ihrer Mandate gegenüber 1989 um sechs auf 41. Bei den Gemeinderatswahlen ergab sich währenddessen ein Rückgang der Mandate auf 49 von 71. Zudem verlor die Partei auf kommunaler Ebene drei weitere Mandate aufgrund von Parteiaustritten583. Zulauf vermeldete gleichwohl der Jugendverband der Partei „Republikanische Jugend”, dessen Mitgliederzahl im Südwesten bis September nach Angaben ihres Vorsitzenden Frédéric Heinemann auf 110 Mitglieder angewachsen war584. Den Wahlkampf zur Bundestagswahl am 16. Oktober 1994 läuteten die Republikaner im Südwesten auf ihrem Landesparteitag im Februar in Ulm ein. Spitzenkandidat wurde Christian Käs. Die als programmatisch angekündigten Reden beschäftigten sich in erster Linie mit Landesinnenminister Frieder Birzele als Herausgeber des baden-württembergischen

579 vgl. Stuttgarter Zeitung, 27. Juli 1993. 580 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1993, S. 48. 581 zit. nach Stuttgarter Zeitung, 24. Juli 1993. 582 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 41. 583 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 51. 584 vgl. Stuttgarter Zeitung, 2. September 1994. 3 Das Profil der Republikaner 101

Verfassungsschutzberichtes und Dienstherr der entsprechenden Behörde585. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl präsentierten Käs und der stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion Ulrich Deuschle zudem verschiedene Vorstöße zur Reform der Verfassung des Landes Baden-Württemberg, mit denen die Partei „ihre politischen Grundüberzeugungen zum Ausdruck” bringen wollte586. Demnach sollten in der Verfassung unter anderem ein Recht des Bürgers auf Heimat, auf Innere Sicherheit sowie ein individuell einklagbares Recht auf Schutz vor „Überfremdung” verankert werden587. Als Publikation des Landesverbandes der Partei erschien 1994 außerdem einmalig eine Broschüre mit dem Namen „STIMME des Volkes”588. Unterdessen wirkten sich die Konflikte auf Bundesebene auf den Landesverband aus. So verließ im Oktober der Landtagsabgeordnete, Landesschriftführer und stellvertretende Bundesschriftführer Bernhard Amann zunächst die Fraktion und erklärte kurz darauf öffentlich seinen Austritt auch aus der Partei, um gegen die Amtsenthebung des Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber zu protestieren589. Auch die Rückzahlung von Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung nach einem Fristversäumnis des Bundesschatzmeisters der Republikaner traf den Landesverband, der 400.000 Mark zurückgeben mußte590. Die Frage der Nachfolge der langjährigen Führungsfigur Franz Schönhuber lag weitgehend in der Hand des baden-württembergischen Landesverbandes. Bereits vor dem Bundesparteitag am 17. und 18. Dezember 1994 in Sindelfingen einigte sich Rolf Schlierer mit den anderen beiden stellvertretenden Bundesvorsitzenden Alexander Hausmann und Christian Käs darauf, daß er Franz Schönhuber als Bundesvorsitzenden ablösen solle591 und wurde auf der Veranstaltung auch als Nachfolger gewählt. Im Amt bestätigt wurde Christian Käs als stellvertretender Bundesvorsitzender592. Wie vor ihrem Bundesparteitag in Rastatt im Jahr zuvor mußte auch vor der Veranstaltung in Sindelfingen ein Gericht, in diesem Fall das Stuttgarter Landgericht, den Republikanern das Recht zusprechen, auch gegen den Willen des Halleneigners den Tagungsort nutzen zu dürfen593. Vor der Veranstaltung, zu der rund 10.000 Gegendemonstranten erwartet wurden, traf die Polizei umfangreiche

585 vgl. Heilbronner Stimme, 21. Februar 1994. 586 zit. nach Heilbronner Stimme, 30. September 1994. 587 vgl. Heilbronner Stimme, 30. September 1994. 588 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 49. 589 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 50. 590 vgl. Heilbronner Stimme, 20. Dezember 1994. 591 vgl. Heilbronner Stimme, 14. Dezember 1994. 592 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 49. 593 vgl. Heilbronner Stimme, 14. Dezember 1994. 3 Das Profil der Republikaner 102

Sicherheitsvorkehrungen. Die Ausfahrt Sindelfingen-Ost der Autobahn A 81 wurde für die Dauer des gesamten Wochenendes gesperrt, die Messehalle in einem Umkreis von 300 Metern abgeriegelt594. Auch auf den übrigen Veranstaltungen der Partei sorgten eher die Gegner der Republikaner denn der Landesverband selbst für Schlagzeilen595. So protestierten rund 3.000 Demonstranten im Februar 1994 gegen den Landesparteitag in der Ulmer Donauhalle; als mehrere hundert Menschen versuchten, die Absperrungen der Polizei zu überwinden, wurden zwölf Beamte verletzt, einer davon schwer. Einen Monat später kam es zu 80 Festnahmen teilweise militanter Demonstranten, die in Stuttgart gegen eine Veranstaltung der Republikaner protestierten596. Wahlveranstaltungen der Partei am 30. April und 1. Mai bei Karlsruhe und in Nürnberg mußte die Polizei mit mehreren Hundertschaften schützen. Die befürchteten Ausschreitungen blieben aus. Eine Veranstaltung in Stutensee bei Karlsruhe mußten die Republikaner wiederum vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim durchsetzen, nachdem die Gemeinde die Vermietung der Halle wieder rückgängig gemacht hatte597. Nicht nur die Proteste rückten den Landesverband in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Im Juni wurde zudem bekannt, daß die Partei im Verfassungsschutzbericht des Landes 1993 erstmals als eindeutig rechtsextremistisch eingestuft wurden. Innenminister Birzele begründete die Einschätzung mit Kontakten von Parteimitgliedern zu maßgeblichen Personen rechtsextremistischer Organisationen nicht nur von seiten einfacher Parteimitglieder, sondern auch von Funktionsträgern der Partei. So habe ein führendes Mitglied der Landtagsfraktion zu Jahresbeginn an einer Versammlung teilgenommen, an der auf ausdrückliche Einladung eines Ortsverbandes der Republikaner auch Mitglieder anderer rechtsextremistischer Organisationen teilgenommen hätten598. Aktuelle Indizien fügte Birzele bei Präsentation des Berichts am 21. Juli 1994 hinzu. So habe die Partei bei den Göppinger Kreistagswahlen am 12. Juni einen führenden Funktionär des rechtsextremen Freundeskreises „Ein Herz für Deutschland” als Kandidaten aufgestellt, der überdies Mitglied der ebenfalls rechtsextremen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige” sei599.

594 vgl. Heilbronner Stimme, 16. Dezember 1994. 595 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 50. 596 vgl. Heilbronner Stimme, 21. März 1994. 597 vgl. Heilbronner Stimme, 2. Mai 1994. 598 vgl. Heilbronner Stimme, 7. Juni 1994. 599 vgl. Heilbronner Stimme, 22. Juli 1994. 3 Das Profil der Republikaner 103

Im Jahr 1995 setzte sich der Rückgang der Mitgliederzahl, wenn auch abgeschwächt, fort. Die Zahl der Republikaner im Südwesten nahm auf 2.000 von 2.100 ab600. Nun hatte auch die Landespartei mit internen Auseinandersetzungen zu kämpfen, in deren Verlauf zum Beispiel im Mai fast alle Funktionäre im Kreisverband Konstanz die Partei verließen. Zuvor hatte bereits der ehemalige Vorsitzende des Heidelberger Kreisverbandes, Werner Beck, seine Ämter niedergelegt und der Parteispitze Bereicherung an Parteigeldern vorgeworfen601. Dessenungeachtet bestätigten auf dem Mannheimer Landesparteitag im Mai 151 von 167 Delegierten den Landesvorsitzenden Christian Käs, der ohne Gegenkandidat angetreten war, für weitere zwei Jahre in seinem Amt602. Wie im Jahr zuvor auf dem Landesparteitag in Ulm griffen die Funktionäre der Partei auf der Veranstaltung Innenminister Birzele wegen des Vorgehens der Behörden für Verfassungsschutz an. „Nicht wir sind die Verfassungsfeinde, sondern Herr Birzele tut alles, um die Verfassung hinter dem Rücken der Republikaner zu demontieren. Herr Birzele ist der Verfassungsfeind”, erklärte Käs603. Zugleich kündigte Rolf Schlierer vor den Delegierten an, er wolle die Partei von einer „Protestpartei zu einer Programmpartei umformen”604. Mit ihm werde es weder eine Annäherung an „rechtsaußen” noch einen „Schwenk zur Mitte” geben605. Auch die Stadt Mannheim war vor dem Landesparteitag in mehreren Instanzen vor Gericht mit dem Versuch gescheitert, den Republikanern die Nutzung der Halle zu verweigern. Ein großes Polizeiaufgebot schirmte die Delegierten schließlich vor rund 150 Demonstranten weiträumig ab606. Im Spätsommer 1995 häuften sich die programmatischen Aussagen zur im März 1996 anstehenden Landtagswahl. Käs nannte als Wahlkampfthemen der Republikaner zwar auch Wirtschaftspolitik und Standortsicherung. In der Hauptsache indes versprach er sich Wählerzuspruch durch die „klassischen Themen wie Ausländer und Kriminalität”607. Seine Partei sehe in der CDU einen „natürlichen Bündnispartner”, sie strebe eine „rechts- konservative” Koalition an608. Auf ihrer nichtöffentlichen, „Traditionellen Veranstaltung zum 3. Oktober” in Bad Cannstatt billigten die Republikaner den Entwurf des neuen Landeswahlprogramms, der auf einem Parteitag im Februar in Heidenheim weiterentwickelt

600 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1995, S. 47. 601 vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Die Beteiligung rechtsextremistischer Parteien und Einzelbewerber an der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg vom 24. März 1996, Stuttgart 1996, S. 6. 602 vgl. Heilbronner Stimme, 15. Mai 1995. 603 zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1995, S. 53. 604 zit. nach Heilbronner Stimme, 15. Mai 1995. 605 zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1995, S. 49. 606 vgl. Heilbronner Stimme, 15. Mai 1995. 607 zit. nach Stuttgarter Nachrichten, 2. September 1995. 608 zit. nach Heilbronner Stimme, 22. September 1995. 3 Das Profil der Republikaner 104 und endgültig verabschiedet werden sollte. Schlierer und Käs riefen die 250 Delegierten dazu auf, eine „neue rechte Elite” zu bilden.609. Im Land arbeitete die Partei unterdessen nach Erkenntnissen des Landesverfassungsschutzes mit Rechtsextremisten bis hinein ins Neonazi- Lager zusammen. Die Behörde bezog sich in ihrer Einschätzung auf ein Rundschreiben, mit dem Käs zu einem vom Vorsitzenden der Republikaner-Jugend610 organisierten und vorrangig von Neonazis und Skinheads besuchten Grillfest in Karlsruhe eingeladen hatte611. Nach wie vor stufte das baden-württembergische Amt für Verfassungsschutz die Landespartei als rechtsextrem ein612. Ungeachtet einer sinkenden Zahl von Demonstranten am Rande der Parteitage kam es auch 1995 zu Angriffen auf Repräsentanten der Partei. Im Mai wurde der Landtagsabgeordnete Horst Trageiser mit Verdacht auf Nasenbeinbruch ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem Jugendliche ihn an einem Informationsstand seiner Partei in Stuttgart angegriffen hatten613. Vor der Landtagswahl im März 1996 befand sich die Partei im Südwesten aufgrund der von Finanznot bestimmten Situation auf Bundesebene und der Einstufung als rechtsextrem nunmehr auch im Bundesverfassungsschutzbericht in einer prekären Lage. Der Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit habe „gerade Beamte” verunsichert, hatte Schlierer bereits im Mai 1995 beklagt und die Landtagswahl als „Nagelprobe” bezeichnet614. Anfang Februar 1996, wenige Wochen vor der Wahl, verkündete der Landesvorsitzende Christian Käs dann eine „unmißverständliche Kurskorrektur”. Die Partei wolle koalitionsfähig werden und konstruktiv mitarbeiten. Im Mai des Jahres zuvor hatte er dagegen noch erklärt, mit den etablierten Parteien werde es „aus Gründen der Selbstachtung” keine Zusammenarbeit geben615. Zugleich nährte seine Partei den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit. So warb Landtagskandidat Karl-August Schaal auf einer von Rechtsextremisten geleiteten Vortragsveranstaltung in Kusterdingen um Unterstützung im Wahlkampf616. Ungeachtet der angekündigten Kurskorrektur mußten sich einige Mitglieder der Partei zudem vor Gericht verantworten. Der Landtagskandidat des Wahlkreises Mannheim II und Vorsitzende des dortigen Kreisverbandes etwa wurde wegen Verstoßes gegen das Landesdatenschutzgesetz in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 4.000 Mark verurteilt. Ein gegen den stellvertretenden

609 vgl. Heilbronner Stimme, 4. Oktober 1995, vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1995, S. 56 f. 610 vgl. Südwest-Presse, 28. November 1995. 611 vgl. Heilbronner Stimme, 23. und 29. November 1995. 612 vgl. Südwest-Presse, 28. November 1995. 613 vgl. Heilbronner Stimme, 6. Mai 1995. 614 zit. nach Stuttgarter Nachrichten, 12. Mai 1995. 615 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 2. Februar 1996. 616 vgl. Bundesminister des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 123. 3 Das Profil der Republikaner 105

Vorsitzenden des Kreisverbandes Böblingen anhängiges Verfahren wegen Volksverhetzung stellte das Amtsgericht erst gegen Zahlung einer Geldbuße von 5.000 Mark ein617. Als Wahlziel gab Käs bei Präsentation des Landeswahlprogramms die Verhinderung einer rot-grünen Koalition an. Die Republikaner setzten dabei vor allem auf Nichtwähler, Unentschiedene und Politikerverdrossene618. Zu Forderungen des Landesverbandes zählte Käs die Ablehnung einer europäischen Einheitswährung619, eine bessere Ausstattung der Polizei, eine schärfere Kontrolle der Grenzen und eine beschleunigte Rückführung der Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien620. In der Tat bestritt der Landesverband die Kampagne in der Hauptsache mit den Themen doppelte Staatsbürgerschaft, „Abschaffung der DM”, Ausländerpolitik und Innere Sicherheit621. Die Kosten des Wahlkampfes gab Käs mit rund einer Million Mark an. Seinen Angaben nach bot der Landesverband dabei wie bereits 1992 in sämtlichen 70 Wahlkreisen Kandidaten auf622. Am 24. Februar 1996, vier Wochen vor der Landtagswahl, verabschiedeten die Republikaner auf ihrem Landesparteitag in Heidenheim einstimmig das, bereits zuvor von Käs vorgestellte, Wahlprogramm, das unter anderem Forderungen nach Förderung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg und nach Aufnahme eines Anspruchs auf Schutz vor Kriminalität in die Verfassung enthielt. Der CDU bot Käs auf der Veranstaltung die Duldung einer Minderheitsregierung für den Fall an, daß zuvor die Beobachtung der Republikaner durch den Verfassungsschutz eingestellt werde. Bei der Wahl rechnete er eigenen Angaben zufolge mit einem Ergebnis von sieben Prozent für die Republikaner623. Im Wahlkampf konzentrierten sich die führenden Funktionäre indes nicht auf die programmatischen Forderungen der Landespartei, sondern auf Attacken gegen Landesinnenminister Birzele und auf bundespolitische Themen624. Durch den steten Hinweis auf die Unfähigkeit der etablierten Parteien definierten vor allem Schlierer und Käs ihre Politik ex negativo - einerseits in Abgrenzung zu Personen, andererseits in Abgrenzung zu deren Politik. Emotional aufgeladene bundespolitische Themen eigneten sich dazu am

617 vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Die Beteiligung rechtsextremistischer Parteien und Einzelbewerber an der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg vom 24. März 1996, Stuttgart 1996, S. 6. 618 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 2. Februar 1996. 619 vgl. Heilbronner Stimme, 10. Februar 1996. 620 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 2. Februar 1996. 621 vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Die Beteiligung rechtsextremistischer Parteien und Einzelbewerber an der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg vom 24. März 1996, Stuttgart 1996, S. 17 ff. 622 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 2. Februar 1996. 623 vgl. Heilbronner Stimme, 26. Februar 1996. 624 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 1. März 1996. 3 Das Profil der Republikaner 106 besten625. So äußerte sich Schlierer vor allem zu Fragen der Arbeitslosigkeit, der Renten, des Sozialen, der wirtschaftlichen Entwicklung sowie der inneren Sicherheit626, wobei er als Ursache von Problemen häufig die Migration nannte. So propagierte er „die Begrenzung der Zuwanderung” als Weg, um der Arbeitslosigkeit zu begegnen627. Dabei appellierte er an Angstgefühle, die sich wie ein Leitmotiv durch seine Reden zogen. Zum Beispiel wies er darauf hin, daß man sich nicht einmal mehr am hellichten Tag in Stuttgart in die Fußgängerzone trauen könne628. Euro und Islam hießen weitere Themen Schlierers629, an deren Erörterung er in der Regel die Forderung anschloß, die nationalen Interessen sollten wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt werden630. Es müsse endlich wieder eine Partei geben, die dafür sorge, „daß man in Deutschland sein Wort als Deutscher noch sagen darf”631. Die Öffentlichkeit reagierte auf die Wahlkampfaktivitäten weitgehend distanziert, Desinteresse überwog. Auch an Protestaktionen gegen die Partei zeigten inzwischen zunehmend weniger Menschen Interesse. Gegen den Landesparteitag 1996 in Heidenheim demonstrierte entgegen früheren Veranstaltungen nur eine kleine Gruppe632. Bei der Landtagswahl am 24. März 1996 erhielten die Republikaner in Baden- Württemberg 9,1 Prozent der Stimmen und zogen erneut in den Stuttgarter Landtag ein633. Dem Landesverband, der im Wahlkampf rund eine Million Mark ausgegeben hatte, standen damit fortan aus der Landeskasse Zuschüsse von jährlich 430.000 Mark zu634. Rolf Schlierer sah sich aufgrund des Wahlergebnisses am Ziel und erklärte, die Republikaner seien nun keine Protestpartei mehr635. Zwei Tage darauf kündigte der Bundesvorsitzende, der den Ausgang der Wahl als „nicht erwarteten Erfolg” bezeichnete, die Einleitung von mehreren Parteiausschlußverfahren an. Die betroffenen Mitglieder hätten sich an Runden Tischen getroffen, hinter denen „im wesentlichen die Deutsche Liga, einige Leute aus der NPD und Schönhuber” stünden, begründete er seinen Vorstoß. Mit Einleitung der

625 vgl. Stuttgarter Zeitung, 9. März 1996. 626 vgl. Stuttgarter Zeitung, 9. März 1996. 627 vgl. Heilbronner Stimme, 8. März 1996. 628 vgl. Heilbronner Stimme, 8. März 1996. 629 vgl. Heilbronner Stimme, 8. März 1996. 630 vgl. Stuttgarter Zeitung, 9. März 1996. 631 zit. nach Südwest-Presse, 12. März 1996. 632 vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Die Beteiligung rechtsextremistischer Parteien und Einzelbewerber an der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg vom 24. März 1996, Stuttgart 1996, S. 22. 633 vgl. Heilbronner Stimme, 27. März 1996. 634 vgl. Heilbronner Stimme, 3. April 1996. 635 vgl. Heilbronner Stimme, 26. März 1996. 3 Das Profil der Republikaner 107

Verfahren werde die „klare Abgrenzung” der Republikaner gegenüber Rechtsextremisten bestätigt636. Zwar wurden schließlich gegen baden-württembergische Landtagskandidaten der Republikaner, die sich offen für eine Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten ausgesprochen hatten, Parteiordnungsmaßnahmen eingeleitet; in anderen Fällen blieben entsprechende Konsequenzen indes aus637. Weitaus geringeren Zuspruch als bei der Landtagswahl verzeichnete die Partei 1996 bei der Wahl zum Stuttgarter Oberbürgermeister. Der Kandidat der Republikaner, der Stuttgarter Gemeinderat Dieter Lieberwirth, erhielt, wohl auch aufgrund nur eines zu vergebenden Mandates, 3,1 Prozent638. Der sogenannte „Republikanertag” am 3. Oktober, der 1996 in Rottweil stattfand, blieb in der Öffentlichkeit ohne größere Resonanz639. Der Wahlerfolg im März stellte damit den einzigen Höhepunkt in der Entwicklung der Landespartei 1996 dar. Trotz des erneuten Einzugs in den Stuttgarter Landtag setzte sich bei den Mitgliederzahlen die rückläufige Tendenz fort. 1996 wies der Landesverband Baden-Württemberg 1.900 Mitglieder aus, nachdem es im Jahr zuvor 2.000 gewesen waren640. Hatten die Republikaner in Baden-Württemberg schon zuvor in Person des in Baden- Württemberg aktiven Bundesvorsitzenden Schlierer und dessen Stellvertreter Käs das Geschehen in der Bundespartei dominiert, so genossen sie spätestens seit der Landtagswahl 1996 eine Vormachtstellung641. Diese führende Stellung innerhalb der Partei behauptete der baden-württembergische Landesverband auch 1997. Außerhalb des Südwestens zeigten die Republikaner kaum Initiative. In Baden-Württemberg standen der Landesparteitag am 19. Juli in Wehr sowie der „Republikanertag” im Mittelpunkt der Aktivitäten. Auf dem Landesparteitag bestätigten die Delegierten den seit nunmehr sechs Jahren amtierenden Landesvorsitzenden Christian Käs sowie die Mehrzahl der Funktionäre des Landesvorstandes in ihren Ämtern642. Auf der Veranstaltung dominierte die Kritik am politischen Gegner. Rolf Schlierer wandte sich zudem aufs neue gegen die europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Christian Käs sprach zugleich von einem „liberalen Totalitarismus” im Lande. Zudem kündigte er an, die Zügel in der Partei künftig fester in die Hand zu nehmen643. Diese Bemerkung galt offenbar den „Franz-Schönhuber-

636 zit. nach Heilbronner Stimme, 27. März 1996. 637 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 72. 638 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 70. 639 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 66. 640 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 64 f. 641 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1997, S. 55. 642 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1997, S. 63. 643 vgl. Heilbronner Stimme, 21. Juli 1997. 3 Das Profil der Republikaner 108

Freundeskreisen”, die Parteifunktionäre etwa in Pforzheim und Villingen-Schwenningen inzwischen gegründet hatten und an denen sich unter anderem Mitglieder der „Deutschen Volksunion” und der „Deutschen Liga für Volk und Heimat” beteiligten. Abseits der Parteilinie setzten sich diese Zirkel für eine Zusammenarbeit des gesamten „rechten” Lagers ein644. Auch den Mannheimer Landesparteitag begleiteten Proteste. Erneut hatten die Republikaner die Tagung vor Gericht durchsetzen müssen, diesmal ging es bis vor den baden- württembergischen Verwaltungsgerichtshof645. Daneben konzentrierten sich die regional begrenzten Aktivitäten des Landesverbandes 1997 auf den südlichen Landesteil Baden- Württembergs. Dabei thematisierten die Republikaner in einer „Anti-Euro-Kampagne” vor allem die geplante europäische Währungsunion646. Personell indes schien der Landesverband weder vom Wahlerfolg 1996 noch von der baden-württembergischen Vormachtstellung zu profitieren. Während die Zahl der Mitglieder der Bundespartei 1997 um 500 auf 15.500 zunahm, verharrte sie im Landesverband bei 1.900. Gegen Ende des Jahres verzeichnete der Landesverband dabei wieder wachsenden Zulauf bei der Zahl der Mitglieder und der Besucher von Parteiveranstaltungen647. Währenddessen waren Landtagsabgeordnete der Republikaner bemüht, sich auch in der Kommunalpolitik zu profilieren. So unternahm Alfred Dagenbach, Mitglied der Landtagsfraktion sowie des Heilbronner Gemeinderats, Vorstöße zur Stadtentwicklung648 und prangerte angebliche Wahlfälschung, Veruntreuung und Bereicherung in den Reihen der Heilbronner Stadtwerke an649. Eine Untersuchung der Stadt förderte in der Tat, wenngleich geringfügige, Unregelmäßigkeiten zutage650. In seiner Rede zum kommunalen Haushaltsetat kritisierte Dagenbach vor allem die mit Flüchtlingen verbundenen Aufwendungen: „Die Versorgung von Bürgerkriegsflüchtlingen kostet die Bürger 16.881.164 Mark”651 Während der Etatberatungen präsentierte Dagenbachs Fraktion im Heilbronner Stadtrat eine Sparliste, die fast ausschließlich aus Mitteln für Flüchtlinge bestand und mit deren Hilfe die Fraktion

644 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1997, S. 64. 645 vgl. Heilbronner Stimme, 16. Juli 1997. 646 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1997, S. 63. 647 vgl. Heilbronner Stimme, 14. November 1997. 648 vgl. Heilbronner Stimme, 25. August 1997, vgl. auch Heilbronner Stimme, 3. November 1997, ferner Heilbronner Stimme, 17. November 1997. 649 vgl. Heilbronner Stimme, 3. September 1997, vgl. auch Heilbronner Stimme, 18. November 1997. 650 so hatten Mitarbeiter ihre privaten Pkw im Betrieb warten lassen, vgl. Heilbronner Stimme, 11. September 1997. 651 vgl. Heilbronner Stimme, 5. November 1997, vgl. auch Heilbronner Stimme, 11. November 1997. 3 Das Profil der Republikaner 109 die angeblich vermeidbaren Ausgaben auf rund 17 Millionen Mark hochrechnete652. Nach dem Willen von Fraktionssprecher Dagenbach sollte das Geld lieber in die Überdachung Heilbronner Einkaufsstraßen, in die Einrichtung eines Hauses der Heimat- und Brauchtumspflege sowie in ein Denkmal für Trümmerfrauen und den Ehrendienst fließen653. Im Gemeinderat lehnten CDU, FWV und FWI den entsprechenden, gesetzeswidrigen Antrag der Republikaner ab; SPD und Grüne hatten vor der Abstimmung aus Protest den Saal verlassen654. Im Heilbronner Kreistag machte Dagenbachs Kollege in der Landtagsfraktion, Michael Herbricht, unterdessen Globalisierung und die Zuwanderung von Ausländern für die Finanzkrise auf Kreis- und Gemeindeebene sowie für den Mangel an Arbeitsplätzen verantwortlich. Die Verweigerung des Anspruchs auf Sozialhilfe für Einwanderer bezeichnete er als überlegenswerten Weg zur Senkung der Kosten an. Die Diskussion um die PCB- Belastung an Sonderschulen wertete er als ein „Zeichen wehleidiger Dekadenz”. Anträge zum Kreisetat 1997 stellten die Republikaner in dem Gremium nicht655. Zusammenfassend läßt sich aus der Geschichte des Landesverbandes kein zwingender Grund für den außerordentlichen Erfolg des baden-württembergischen Landesverbandes ableiten. Dessen Entwicklung verlief nicht zuletzt aufgrund der parlamentarischen Präsenz seit 1992 gleichwohl weitaus einheitlicher als in der Bundespartei. Möglicherweise führte die hohe Popularität der Republikaner im Südwesten dazu, daß innerparteiliche Auseinandersetzungen anders als auf Bundesebene weitgehend ausblieben. Opponenten traten eher aus der Landespartei aus, anstatt auf die Ablösung des Vorsitzenden hinzuarbeiten. Augenscheinlich sahen sie ihr Vorhaben aufgrund des außergewöhnlichen Erfolgs der Republikaner im Südwesten zum Scheitern verurteilt. Spätestens mit der Wahl des Landtagsfraktionsvorsitzenden Schlierer zum Bundesvorsitzenden schien die Stellung der baden-württembergischen Exponenten der Partei innerhalb des Landesverbandes ohnehin kaum angreifbar. Erst 1997 war der Landesverband infolge des Parteiaustritts des langjährigen Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber mit den „Franz-Schönhuber- Freundeskreisen” konfrontiert, die gleichwohl ein bundesweites Phänomen darstellten656. Trotz der Erfolge des Landesverbandes erwies sich dessen Potential bei den Mitgliederzahlen als begrenzt, wie die Entwicklung nach der Landtagswahl 1996 zeigte. Daß

652 vgl. Heilbronner Stimme, 5. November 1997. 653 vgl. Heilbronner Stimme, 10. November 1997. 654 vgl. Heilbronner Stimme, 9. Dezember 1997. 655 zit. nach Heilbronner Stimme, 22. Dezember 1997. 656 vgl. Bundesminister des Innern: Verfassungsschutzbericht 1997, S. 103. 3 Das Profil der Republikaner 110

1997 im Gegensatz zum Land die Zahl der Mitglieder der Bundespartei stieg, deutet wiederum darauf hin, daß beide in der öffentlichen Wahrnehmung kaum getrennt wurden und sich damit in ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflußten oder gleichermaßen von parteiexternen Faktoren abhängig waren. Parallelen waren zudem in der wiederholten Ankündigung einer politischen Kurskorrektur und damit einher gehend von Parteiausschlüssen zu einem für die Partei oder deren Vorsitzenden taktisch günstigen Zeitpunkt zu erkennen. Anders als auf Bundesebene aber hatte sich die Partei im Land offenbar durchgesetzt. Da sich aus der Geschichte der Partei keine Hinweise auf die Ursache ergeben, soll der folgende Abschnitt untersuchen, ob die Republikaner im Südwesten sich programmatisch signifikant von der Bundespartei unterschieden.

3.2.2 Programmatik der Republikaner in Baden-Württemberg

Bereits vor ihrem Einzug in den Stuttgarter Landtag bekannten sich die baden- württembergischen Republikaner zum Grundgesetz. So stellten sie sich im Programm zur Landtagswahl 1992 gar als „Grundgesetzpartei” vor657 und erklärten: „Wir Republikaner bekennen uns zu den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Grundrechten.” Gleich neben dem Inhaltsverzeichnis hatte die Partei ein Schema der im Grundgesetz verankerten Grundrechte plaziert, das indes nicht fehlerfrei war - als Artikel 18 zum Beispiel führten die Republikaner die „Verwirklichung der Grundrechte” anstelle der „Verwirkung der Grundrechte” an. Laut Landtagswahlprogramm verstand sich die Partei zugleich als „Gemeinschaft deutscher Patrioten” sowie als freiheitliche und nationale Partei mit hoher sozialer und ökologischer Verpflichtung658. Republikanisch definierte der Landesverband dabei in der Präambel als eine Haltung, „die sich im Bewußtsein um die Notwendigkeit nationaler Identität in Respekt und Achtung vor anderen primär für die Wohlfahrt des eigenen Volkes und Vaterlandes einsetzt”. Damit sah sich die Partei im Widerspruch zur damaligen Ausländer- und Asylpolitik, in der „Teile der verantwortlichen Politiker ihren Amtseid” nach Auffassung der Republikaner „mit Füßen” traten659. Konkret befaßten sich die Republikaner in ihrem 34seitigen Programm mit 16 Feldern der Politik, und zwar in der Reihenfolge Inneres und Recht, Ausländerpolitik, Asylrecht, Aussiedler, Wirtschaft und Finanzen, Soziales und Wohnungsbau, Deutschland-, Europa- und

657 Landtagswahlprogramm der Republikaner Baden-Württemberg, Hg.: Landesverband der Republikaner, Stuttgart 1992, S. 34. 658 ebenda, Umschlaginnenseite. 659 ebenda, Umschlaginnenseite. 3 Das Profil der Republikaner 111

Außenpolitik, Umwelt und Energie, Landwirtschaft, Erziehung und Bildung, Medienpolitik, Verkehrspolitik, Gesundheitspolitik, Kirche, Schutz des Lebens ungeborener Kinder sowie Tierschutz660. Während dabei die Themen Ausländer und Asyl mehr als zehn Seiten Raum einnahmen, beschränkten sich die programmatischen Aussagen etwa zu Wirtschaft und Finanzen auf rund zwei Seiten. Im Inneren plädierte das Landtagswahlprogramm für einen starken Staat. Zugleich diagnostizierten die Republikaner „auf Grund gravierender innenpolitischer Fehlentwicklungen” einen gesellschaftlichen, moralischen und ethischen Werteverlust661. Solange in oberen und obersten Etagen von Politik und Wirtschaft des Landes mit Affären, Skandalen, Korruption Bestechung und anderen Formen der Kriminalität bedenkenlos umgegangen werde, bemängelte der Landesverband in fett hervorgehobener Schrift, könne vom einfachen Gesetzesbrecher kaum ein Schuldbewußtsein erwartet werden. Zu den Forderungen der Partei zählten in erster Linie eine erhebliche personelle Aufstockung der Polizei sowie die Abschaffung der mittleren Dienstlaufbahn bei den Sicherheitsbehörden und ihre Überführung in den gehobenen und höheren Dienst. Verdeckte Ermittler sollten überdies an milieubedingten Straftaten teilnehmen dürfen. Ferner wandten sich die Republikaner gegen die Anstrengungen um Resozialisierung von Straffälligen. Schwerkriminelle sollten keinen Hafturlaub erhalten. Im allgemeinen müsse im Strafrecht vielmehr wieder die Generalprävention durch Betonung des Sühne- und Strafgedankens gestärkt werden662. In ihrer Ausländerpolitik begrüßten die Republikaner zunächst die ethnische und kulturelle Vielfalt, um vor diesem Hintergrund eine Abschottung der Bundesrepublik zu propagieren: Jeder politisch oder kulturell motivierte Versuch, „diese gegenwärtig bestehende Vielfalt durch Leugnung natürlicher und kultureller Barrieren zu bedrohen”, zerstöre „die gewachsene Struktur der Volker und Nationen in Europa und der Welt.”663 Die multikulturelle Gesellschaft sei kein Mittel gegen den Rassismus, sondern eine seiner Ursachen. Sie führe „unweigerlich in eine multikriminelle Gesellschaft”. Die Partei forderte eine Volksabstimmung in dieser „vitale(n) Grundfrage unseres Volkes”664. Darüber hinaus forderten die Republikaner in ihrem Programm die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl sowie ein Verbot des politischen Engagements von Ausländern in der Bundesrepublik665. Nachdem sie den Mangel an Wohnraum, eine fehlende Unterstützung bedürftiger deutscher

660 vgl. ebenda, S. 5, Zeile 19. 661 ebenda, S. 3. 662 vgl. ebenda, S. 3f. 663 ebenda, S. 4. 664 ebenda, S. 8. 665 vgl. ebenda, S. 6 f. 3 Das Profil der Republikaner 112

Familien und die Kriminalität beklagt hatten, erklärten sie: „Die Politik der multikulturellen Gesellschaft ist die eigentliche Ursache unserer Hauptprobleme.”666 In der Asylpolitik beklagte die Partei eine „Ausplünderung der öffentlichen Kassen” durch Asylbewerber, welche jährlich Kosten von „insgesamt deutlich über 10 Milliarden Mark” verursachen dürften. Schuld an dieser Entwicklung hätten dabei nicht die Flüchtlinge, sondern die „Politiker des Altparteienkartells”667. Die Republikaner plädierten für eine Schließung und Überwachung der Grenzen, die konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber, die umgehende Ausweisung straffällig gewordener Asylbewerber sowie deren Unterbringung in Sammelunterkünften außerhalb von Wohngebieten668. Die Forderung, die Politik nach den Notwendigkeiten des Arbeits- und Wohnungsmarktes sowie der Sozialkassen auszurichten, galt auch Spätaussiedlern. Prinzipiell seien sie willkommen. Einen „Massenauswanderungsdruck” aber gelte es zu verhindern. Daher sei es ein Gebot der Stunde, „die deutschstämmigen Aussiedler in ihren Wohnsitzgebieten realistisch zu informieren, was sie hier erwartet und was von ihnen erwartet wird”669. In der Wirtschaftspolitik verlangte die Partei einen Kurs der Reduktion von Staatsausgaben und Steuerlast. Eine Europäische Einheitswährung lehnte sie ab670. Als sozialpolitisch wichtigste Aufgabe betrachteten die Republikaner die Bekämpfung der Wohnungsnot, welcher sie in erster Linie durch einen Stopp der Zuwanderung beikommen wollten671. Außenpolitisch vertrat die Landespartei die Ansicht, „daß sich die europäischen Nationen der islamischen Herausforderung (Hervorhebung im Original, d.A.) stellen müssen”672. Ferner erhob sie die Forderung nach einer ideologiefreien Entwicklungspolitik. Vorrang müsse grundsätzlich die Beseitigung von Not und sozialem Elend in Deutschland besitzen673. Oberstes Ziel der Agrarpolitik müsse wiederum der Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft sein. Den Einrichtungen der Erziehung und Bildung kam nach Auffassung der Partei währenddessen die Aufgabe zu, eine bejahende Einstellung zu Staat und Nation, Heimat und Vaterland, zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur Würde des Menschen zu

666 ebenda, S. 6. 667 Landtagswahlprogramm der Republikaner 1992, S. 10. 668 vgl. ebenda, S. 13. 669 ebenda, S. 14. 670 vgl. ebenda, S. 15 f. 671 vgl. ebenda, S. 17 f. 672 ebenda, S. 19. 673 vgl. ebenda, S. 18 f. 3 Das Profil der Republikaner 113 bewirken674. Mehr Meinungsvielfalt und eine Aufwertung des Rechts der Gegendarstellung waren schließlich Schwerpunkte der programmatischen Vorstellungen zur Medienpolitik675. Zur Europawahl 1994 verabschiedete der Landesverband kein eigenes Wahlprogramm. Die Republikaner verteilten indes Flugblätter, die sich einer drastischeren Sprache als das Programm bedienten. So erklärte der Landesverband in einer der Flugschriften, die Bundesrepublik dürfe „nicht weiterhin das Sozialamt der ganzen Welt” sein676. In einem weiteren Flugblatt hieß es: „Maastricht ist für Deutschland wie Versailles ohne Krieg.”677 Es dauerte bis zum Landesparteitag in Mannheim im Mai 1995, bis die Partei den nächsten programmatischen Vorstoß nach ihrem Wahlprogramm 1992 unternahm. Die Delegierten verabschiedeten ein Grundsatzpapier, in dem sie die Einführung von Islam-Unterricht an Schulen mit dem Hinweis auf den Einfluß fundamentalistischer Strömungen ablehnten678. Damit schien sich eine programmatische Verlagerung der Republikaner anzudeuten. So erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Republikaner im Stuttgarter Landtag und Mitglied im Vorstand des Landesverbandes, Ulrich Deuschle, zur Frage der Themen im bevorstehenden Wahlkampf zur baden-württembergischen Landtagswahl 1996: „Das Asylthema, Zuwanderungsthema wird nicht mehr allein ziehen, das Islamthema zieht noch nicht alleine, das kann in zwei, drei Jahren anders sein, da wir ja Tendenzen haben, die uns beunruhigen.”679 Auf ihrem Landesparteitag im Februar 1996 verabschiedeten die Republikaner dann das Heidenheimer Programm, dessen Grundzüge die Delegierten bereits im Oktober 1995 auf einer Tagung in Bad Cannstatt beschlossen hatten. Gemäß Präambel wollte die Partei „eingedenk der republikanischen Traditionen des vorigen Jahrhunderts an den weltweit guten Klang” republikanischen Gedankenguts anknüpfen, als dessen Grundüberzeugungen sie eine freiheitliche, soziale und demokratische Staatsauffassung nannte sowie wie schon 1992 eine patriotische Grundhaltung, „die sich im Bewußtsein der Notwendigkeit nationaler Identität, in Respekt und Achtung vor anderen, primär für die Wohlfahrt des eigenen Volkes und Vaterlandes einsetzt”. Nunmehr sah sich die Partei indes zudem als „die höchst aktuelle Avantgarde einer Geisteshaltung, die sich von angemaßter linker intellektueller Bevormundung befreit und mit unbefangener Natürlichkeit dringend benötigte Politik nach

674 vgl. ebenda, S. 24 f. 675 vgl. ebenda, S. 26. 676 zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 42. 677 zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 42. 678 vgl. Heilbronner Stimme, 15. Mai 1995. 679 Lüder Meier und Brigit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg, in Butterwegge u.a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 236. 3 Das Profil der Republikaner 114 republikanischen Grundsätzen betreibt”680. Wie 1992 warf sie „weiten Teilen der verantwortlichen Politiker” eine „sträfliche Vernachlässigung des Amtseides” in der Ausländer- und Asyl- sowie in der Agrar- und Wohnungsbaupolitik vor. In Abgrenzung dazu zeigten sich die Republikaner bestrebt, „den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden”, und bezeichneten sich „auch in diesem Punkt” erneut als Grundgesetzpartei681. Dem von den etablierten Parteien erklärten und verfolgten Ziel der multikulturellen Gesellschaft setzte die Partei die Idee der Nation entgegen682. Eingeteilt war das Programm in die 18 Abschnitte Staat und Gesellschaft, Innere Sicherheit, Ausländer und Zuwanderungspolitik, Arbeitsplatzsicherung und Wirtschaftspolitik, öffentliche Finanzen und Steuern, Soziales, Landesplanung, Städtebau und Wohnungswesen, Familie und Frauen, Jugend, Umwelt und Energie, Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei, Erziehung, Bildung und Kultur, Medienpolitik, Verkehrspolitik, Kirche, Islam und Tierschutz. „Nur ein starker Staat beugt einer möglicherweise drohenden Einschränkung der Freiheit vor”, lautete die Grundvorstellung der Republikaner zu Staat und Gesellschaft. Die Forderung nach einer multikulturellen Gesellschaft fuße auf der Lehre eines humanitären Universalismus, der den Geist der Verfassung in unzulässiger und zerstörender Weise unterlaufe. Der Sozialstaatsgedanke, wie er sich in der Bundesrepublik über Jahrzehnte bewährt habe, habe auf dem klaren Willen beruht, zwischen dem Eigenen und dem Fremden zu unterscheiden. Ferner bedürfe es eines Mindestmaßes an geistig-sittlicher Selbstdarstellung des Staates. Nur so sei dessen Anspruch auf Gehorsam zu garantieren. Außerdem verlangten die Republikaner die Aufnahme folgender Ziele in die Landesverfassung: des Anspruchs eines jeden Staatsbürgers auf den Schutz des Staates vor Kriminalität, des Bekenntnisses des Volkes von Baden-Württemberg zur Familie als Keimzelle der Gesellschaft sowie der vorrangigen Förderung der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg durch den Staat683. In Fragen der Inneren Sicherheit sah das Programm eine großzügigere Ausstattung der Sicherheitsbehörden vor, was das Personal und die Sachmittel, aber auch die Rechtsnormen betraf684. Zudem setzte sich die Partei für die Verwendung von Erkenntnissen aus Telefonüberwachungen auch zu Zwecken der präventiven Verbrechensbekämpfung ein. Im

680 Heidenheimer Programm. Landesparteiprogramm in der vom Landesparteitag am 24. 2. 1996 verabschiedeten Fassung, S. 3. 681 vgl. Heidenheimer Programm. Landesparteiprogramm in der vom Landesparteitag am 24. 2. 1996 verabschiedeten Fassung, S. 2. 682 vgl. ebenda, S. 2. 683 vgl. ebenda, S. 6-8. 684 vgl. ebenda, S. 11. 3 Das Profil der Republikaner 115

Strafrecht plädierte sie für eine „Neuorientierung des Strafvollzuges mit Ausrichtung auf eine tat-opferbezogene Sühne- und Abschreckungstherapie”685. Die Einführung der „Kleinen Kronzeugenregelung” analog zum Betäubungsmittelgesetz und die „temporäre Befreiung verdeckter Ermittler vom Strafverfolgungszwang bei Vornahme notwendiger milieubedingter Straftaten” waren weitere Forderungen686. Darüber hinaus regte das Heidenheimer Programm die erneute Einführung der „bis Ende der sechziger Jahres praktizierte(n) Untergliederung in Gefängnis und Zuchthaus” an687. In der Ausländerpolitik begehrte die Partei ein „Zuwanderungs-Begrenzungs-Gesetz” sowie die „Überprüfung und ggf. Kündigung aller völkervertragsrechtlichen Bestimmungen, welche die Grundlage für die anhaltende Zuwanderung sind”688. Weniger pointiert nahmen sich die programmatischen Aussagen zu Arbeitsplatzsicherheit und Wirtschaftspolitik aus, in denen die Partei etwa verkündete: „Wir Republikaner befürworten grundsätzlich Deregulierungsmaßnahmen, wenn sie bessere wirtschaftliche Ergebnisse zeitigen und nicht zu besonderen Härten gegenüber den Betroffenen führen.”689 Im Gegensatz zum Augsburger Programm der Bundespartei enthielt das Heidenheimer Programm auch eine Passage zur Technologiepolitik. Die Denunziation der Technik als im Grunde menschenfeindlich gefährde nach wie vor ein angemessenes qualitatives Wirtschaftswachstum und die Sicherheit von echten, produktiven und nachfragerelevanten Arbeitsplätzen. Die pauschale Verteufelung der Gentechnologie, der Kommunikations- und Datenverarbeitungstechniken sowie der Verkehrs- und Energiesysteme habe im Exportbereich bereits einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet690. Im übrigen verwandten sich die Republikaner dafür, die Zahl der Ministerien auf Landesebene gesetzlich auf maximal zehn zu begrenzen691. Über das Bundesprogramm hinaus ging auch der sozialpolitische Ansatz, in der Rentenversicherung das Umlageverfahren schrittweise durch ein Kapitaldeckungsverfahren zu ersetzen692. In offenem Widerspruch zum Augsburger Programm standen indes die in Heidenheim verabschiedeten Positionen der Landespartei in der Gesundheits- und Verkehrspolitik Während das Bundesprogramm forderte, den Leistungsumfang der

685 ebenda, S. 13. 686 Heidenheimer Programm. Landesparteiprogramm in der vom Landesparteitag am 24. 2. 1996 verabschiedeten Fassung, S. 14 687 ebenda, S. 16. 688 ebenda, S. 19. 689 ebenda, S. 26. 690 ebenda, S. 33. 691 vgl. ebenda, S. 37. 692 vgl. ebenda, S. 48. 3 Das Profil der Republikaner 116 gesetzlichen Krankenversicherung auf das nach medizinischem Standard notwendige, ausreichende und wirtschaftlich erforderliche Maß zu beschränken693, propagierte das Heidenheimer Programm die „wirtschaftliche Sicherung der Kurorte im Land, die einen nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor für den ländlichen Raum darstellen”694. Forderte das Bundesprogramm das Ende der Ausweitung des Straßennetzes695, plädierte die Landespartei für „ein Sonderprogramm für den Straßenbau bis zur Jahrtausendwende, um die schlimmsten Engpässe im Verkehr beseitigen zu können”696. In ihrer Wahlkampfzeitung zur Landtagswahl 1996 forderten die Republikaner zudem den Abbau der angeblich verfassungswidrigen Machtausübung durch die Bundestagsparteien, sie suggerierten eine staatliche Diffamierung der demokratischen Opposition und schürten die Angst vor Kriminalität697. Wie bereits vor der Europawahl 1994 wählte die Landespartei dabei weitaus schärfere Worte als in ihrem Programm. So warf sie Asylbewerbern und Aussiedlern vor, den öffentlichen Haushalt zu ruinieren und sich kriminell zu bereichern. „Die bedrückende Wahrheit: Plünderung der Sozialkassen durch Asylbewerber und Scheinasylanten”, hieß es in einer Flugschrift. Insgesamt indes nahm sich der Wahlkampf der Republikaner zur Landtagswahl 1996 nach Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz eher unspektakulär aus698. Als Fazit ist festzuhalten, daß sich die Republikaner in Baden-Württemberg hinsichtlich ihrer programmatischen Ausrichtung nicht signifikant von der Bundespartei abhoben. So ähnelten sich weitgehend die innen- und ausländerpolitischen Positionen von Bundes- und Landespartei. Gemeinsamkeiten zwischen dem Heidenheimer und dem Augsburger Parteiprogramm dürften zum Beispiel auch deshalb zustande gekommen sein, da der Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag, Rolf Schlierer, auch Mitglied der Programmkommission der Bundespartei war. Das im Programm zur Landtagswahl 1992 abgelegte Bekenntnis zum Grundgesetz war offenbar wiederum auf den Kurswechsel auf dem Rosenheimer Bundesparteitag 1990 zurückzuführen.

693 vgl. „Wir machen uns stark... für deutsche Interessen”, a.a.O., S. 86. 694 Heidenheimer Programm. Landesparteiprogramm in der vom Landesparteitag am 24. 2. 1996 verabschiedeten Fassung, S. 53. 695 vgl. „Wir machen uns stark... für deutsche Interessen”, Ergänzung des Parteiprogramms 1996, a.a.O., S. 15. 696 Heidenheimer Programm. Landesparteiprogramm in der vom Landesparteitag am 24. 2. 1996 verabschiedeten Fassung, S. 94. 697 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 68 f. mit mehreren Beispielen. 698 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 68 f. 3 Das Profil der Republikaner 117

Wie schon in Rosenheim waren indes auch im Falle des Programmes zur Landtagswahl Zweifel der Aussagekraft solcher Bekenntnisse angebracht. Zwar bezeichneten sich die Republikaner als Grundgesetzpartei. Bereits in der Präambel aber wurde der republikanische Begriff nationalchauvinistisch umgedeutet und dem im Grundgesetz verankerten Postulat der Unteilbarkeit der Menschenrechte entgegengestellt. Da paßte es ins Bild, daß das Landtagswahlprogramm 1992 nicht einmal fehlerfrei den Grundrechtskatalog aus der Verfassung zitierte. Daß sich die Republikaner zugleich gegen die „Leugnung natürlicher und kultureller Barrieren” zwischen Völkern wandten, ließ zudem darauf schließen, daß nach Meinung des Landesverbandes zwischen ethnischen Gruppen nicht nur kulturelle, sondern auch „natürliche” Barrieren bestanden, ohne daß die Partei sie näher definierte. Die wesentlich radikalere Sprache in den Flugschriften war demnach nicht nur mit den Formalia eines Flugblattes zu erklären, dem generell eine plakativere Ausdrucksweise zu eigen ist, sondern auch mit der Diskrepanz zwischen dem Schein, den die Programme zu erwecken versuchten, und dem Sein des alltäglichen Gebarens. Die programmatischen Vorstellungen zur Inneren Sicherheit, zur Ausländer- und Asylpolitik sowie zu zahlreichen anderen Politikfeldern glichen sowohl 1992 als auch 1996 vielfach den im Programm der Bundespartei vertretenen Positionen. In mancher Hinsicht allerdings ging die Landespartei über die Forderungen der Bundespartei hinaus. So dokumentierte schon der Aufbau ihrer Programme eine andere Gewichtung der Prioritäten. In den Veröffentlichungen der Landespartei folgten 1992 und 1996 auf den Bereich „Inneres und Recht” beziehungsweise „Staat und Gesellschaft” und „Innere Sicherheit” die Vorstellungen in der Ausländer- und Asylpolitik, noch vor den Aussagen zu Wirtschaft und Finanzen, Sozialem und Europapolitik. Dagegen ließ das Augsburger Bundesprogramm das Kapitel Innere Sicherheit, Rechts- und Ausländerpolitik, Asylrecht und Verfassungsreform erst dem Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung, der Deutschland-, Außen- und Sicherheitspolitik sowie den Ausführungen zur Europapolitik folgen. Auch inhaltlich ergaben sich zum Teil bemerkenswerte Differenzen. So ging der Landesverband mit der Forderung nach Überprüfung und eventuell Kündigung sämtlicher völkerrechtlicher Regelungen im Zusammenhang mit Zuwanderung im Heidenheimer Programm weiter als die Bundespartei und forderte nichts weniger, als daß die Bundesrepublik einen im Rahmen der Vereinten Nationen erreichten international gültigen Wertekonsens aufkündigt. Andere Abweichungen waren wiederum mit Spezifika Baden-Württembergs zu erklären und deuteten darauf hin, daß die Republikaner nicht nur überaus bewußt ihre programmatischen Aussagen trafen, sondern sich auch auf deren Adressaten einzustellen 3 Das Profil der Republikaner 118 wußten und deren Meinungen zu bedienen versuchten. So dürfte der Exkurs zur Technologiepolitik im Heidenheimer Programm vor allem der Wirtschaftsstruktur im Südwesten geschuldet gewesen sein. Auch in der Verkehrs- und Gesundheitspolitik emanzipierte sich der Landesverband, wenngleich nicht personell, so doch programmatisch zusehends von der Bundespartei. Die Entwicklung in der Landespartei schienen die Programme dabei nur bedingt widerzuspiegeln. So war nicht zu erkennen, daß sich die Anfang Februar 1996 vor der Landtagswahl vom Landesvorsitzenden Christian Käs angekündigte unmißverständliche Kurskorrektur der Partei in Richtung Koalitionsfähigkeit im wenige Wochen darauf verabschiedeten Heidenheimer Programm niedergeschlagen und etwa zu einer Mäßigung der Positionen oder zumindest zu einer entsprechenden Debatte in der Partei geführt hatte. Allenfalls war stellenweise entgegen dem Programm von 1992 eine gewähltere Ausdrucksweise festzustellen, durch welche die inhaltlichen Aussagen indes nicht relativiert wurden, etwa in der Präambel.

3.2.3 Wählerschaft der Republikaner in Baden-Württemberg

Wie der Bundespartei gelang es auch den Republikanern im Südwesten, Ende der achtziger Jahre in die breiten Wählerschichten von SPD, CDU und FDP einzubrechen. Dabei zog die Partei gerade als Mitglieder jüngere Personen an. So hatten 70 Prozent der Parteimitglieder ihr 35. Lebensjahr noch nicht vollendet, als die Republikaner nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Januar 1989 ihr erstes Hoch erlebten699. Dieser Befund korrelierte mit der demographischen Struktur der Wähler, wie die Analyse der Europawahl vom 18. Juni 1989 des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg bestätigte. Demnach hatten 11 Prozent der Wahlberechtigten unter 25 Jahren die Republikaner gewählt, die in der Gesamtwählerschaft ein Ergebnis von nur 8,7 Prozent erzielt hatten700. Bei der Landtagswahl 1992 dann erreichten die Republikaner gemeinsam mit NPD und Deutscher Liga unter den bis zu 25jährigen sogar über 20 Prozent der Wahlberechtigten701. Noch jüngere Wähler als die Republikaner hatten laut der repräsentativen Wahlstatistik für alle 163 Wahlbezirke des Statistischen Landesamtes allein Bündnis 90/Die Grünen angesprochen: Die Wähler der Republikaner waren demnach je zur Hälfte über und unter 45 Jahre alt. CDU-Wähler waren hingegen zu zwei Drittel älter als 45 Jahre, diejenigen der SPD

699 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 15. April 1989. 700 vgl. Heilbronner Stimme, 28. Juli 1989. 701 vgl. Analyse des Instituts für angewandte Sozialwissenschaften (infas), dokumentiert in: Heilbronner Stimme, 7. April 1992. 3 Das Profil der Republikaner 119 zu mehr als 50 Prozent; zwischen den Werten der beiden großen Parteien lag das Durchschnittsalter der Wähler der FDP702. Ungeachtet des außerordentlich großen Erfolges besonders bei überdurchschnittlich jungen und überdurchschnittlich alten Wählern hatte sich die Anhängerschaft der Republikaner gegenüber vorangegangenen Wahlen pluralisiert. Zwar bestätigten sich bisherige Befunde hinsichtlich der Männerdominanz, eines hohen Arbeiteranteils, insgesamt geringerer formaler Bildungsabschlüsse und relativer Kirchenferne, doch hatte der Einzugsbereich an Kontur verloren. Die Partei profitierte von enttäuschten Wählern der CDU und der SPD. Großer Popularität erfreuten sich die Republikaner auch unter großstädtischen Wählern in sozial schwachem Milieu einerseits und unter kleinstädtischen und kleinbürgerlichen Wählern andererseits – ein eindeutig dominierendes Sozialprofil aber war kaum mehr auszumachen703. Auch regional war eine Verbreiterung des Wählerpotentials im gesamten Land zu beobachten – in nur einem einzigen Wahlkreis war der Stimmenanteil der Partei unter fünf Prozent geblieben704. Gleichwohl existierten Schwerpunkte. Zu den Gebieten, in denen die Partei großen Erfolg hatte, zählte zum Beispiel die Region Heilbronn. In den Kommunen des Unterlandes erzielte die Partei vielfach über 15 Prozent, stellenweise bis zu 25 Prozent. Dort hatte 1968 bereits die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) überdurchschnittliche Ergebnisse verzeichnet. Die Republikaner vereinigten nun auch in Ortsteilen viele Stimmen auf sich, in denen vormals die Sozialdemokraten dominiert hatten705. Mit Durchschnittswerten zwischen 13 und 14 Prozent gehörten Stadt- und Landkreis Heilbronn nicht einmal zu den Hochburgen der Republikanern. Sie befanden sich in Pforzheim und im Enzkreis sowie in Backnang, Schorndorf und Kirchheim/Teck, wo die Partei im Durchschnitt über 15 Prozent erzielte. In der Stadt Pforzheim erhielten die Republikaner 18,5 Prozent der Stimmen und erzielten damit ihr landesweit bestes Ergebnis in einem Stadtkreis706. Ergebnisse zwischen 13 und 15 Prozent ergaben sich für die Partei ferner in Heidenheim, Geislingen, Göppingen, Hechingen-Münslingen, Reutlingen, Esslingen, Waiblingen, Calw, Bruchsal, Bretten, Eppingen, Neckarsulm sowie im Hohenlohe-Kreis. Zwischen 11 und 12 Prozent der Wähler vereinigten die Republikaner auf sich in Wangen, Biberach, Schwäbisch-Gmünd, Main-Tauber, Tübingen, Böblingen, Leonberg, Stuttgart,

702 vgl. Eildienst Nr. 136/92 vom 1. Juli 1992, Hg.: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, S. 6. 703 vgl. Analyse des Instituts für angewandte Sozialwissenschaften (infas), dokumentiert in: Heilbronner Stimme, 7. April 1992. 704 vgl. Jürgen R. Winkler: Die Wählerschaft der rechtsextremen Parteien in der Bundesrepublik 1945-1989, in: Wolfgang Kowalsky/Wolfgang Schroeder (Hg.): Rechtsextremismus. Einführung und Forschungsbilanz, Opladen 1994, S. 81. 705 vgl. Heilbronner Stimme, 7. April 1992. 706 vgl. Heilbronner Stimme, 11. Mai 1992. 3 Das Profil der Republikaner 120

Vaihingen, Ludwigsburg, Rastatt, Schwetzingen und in Mannheim. Die Partei konnte eher auf die Wähler in der Region Stuttgart rechnen. Im Südwesten des südwestlichen Bundeslandes, zwischen Bodensee und Baden-Baden, zwischen Lörrach und Freudenstadt, blieben die Republikaner dagegen deutlich unterrepräsentiert707. Vier Jahre darauf, bei der Landtagswahl 1996, feierte die Partei in weitgehend denselben Wahlkreisen Erfolge, die bereits 1992 zu den Hochburgen gezählt hatten708. Wenn auch die Partei ihre besten Ergebnisse erneut unter Männern und Arbeitern erzielte, so erwies sich die soziologische Zusammensetzung ihrer Wählerschaft aufs neue als überaus heterogen709. Die Motive für die Wahl der Republikaner waren dabei „weitgehend irrational” und etwa bestimmt durch die Angst vor Fremden oder die Furcht, den Arbeitsplatz zu verlieren710. Diese Furcht mußte nicht der realen Gefährdung von Arbeitsplätzen entsprechen, mit den gängigen Kategorien wie Arbeitslosigkeit oder sozialen Verteilungskämpfen ließ sich die Popularität der Partei nicht hinreichend erklären. Zwar verzeichneten die Republikaner mit durchschnittlich 10,1 Prozent der Stimmen mehr Erfolg in Wahlkreisen mit hohem Ausländeranteil als in Gebieten mit niedrigem Ausländeranteil, in denen sie 7,9 Prozent erreichten. Zwar war ihre Popularität mit 10,7 Prozent mehr Stimmen etwas höher in Gegenden, welche vom produzierenden Gewerbe geprägt waren, als in Regionen, in denen das Dienstleistungsgewerbe dominierte und die Partei nur 7,8 Prozent erhielt711. Ihr bestes Ergebnis auf Kreisebene jedoch verbuchte die Partei im Enzkreis, wo sie 15,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte. Dieser Bezirk wies jedoch die niedrigsten Sozialausgaben in Baden-Württemberg auf, die Pro-Kopf-Verschuldung lag landesweit im unteren Tabellenzehntel, und auch die Arbeitslosigkeit war nicht überdurchschnittlich ausgeprägt712. Hinsichtlich der Bildung der Wahlberechtigten war der Befund nur bedingt signifikant. In Wahlkreisen mit einem hohen Anteil von Personen mit Hauptschulabschluß erzielte die Partei 9,3 Prozent, in Wahlkreisen mit einem niedrigen Anteil von Personen mit Hauptschulabschluß waren es 9,0 Prozent. Ein deutlicher Unterschied zeigte sich indes zwischen Wahlkreisen mit einem hohen Anteil von Personen mit Hochschul- oder Fachhochschulreife, in denen 7,3 Prozent der Wahlberechtigten für die Republikaner stimmten, und Wahlkreisen mit einem niedrigen Anteil von Hochschul- oder

707 vgl. Heilbronner Stimme, 7. April 1992. 708 vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Landtagswahl 1996. Daten, Analysen, Kommentare. Materialien und Berichte, Heft 19, Stuttgart 1996, S. 20. 709 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 68. 710 „Der Rechtsextremismus hat ein stabiles Fundament”, Interview mit Jürgen Falter, in: Stuttgarter Nachrichten, 29. März 1996. 711 vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. März 1996. 712 vgl. Stuttgarter Zeitung, 26. März 1996. 3 Das Profil der Republikaner 121

Fachhochschulabsolventen, in denen 9,3 Prozent die Republikaner wählten713. In Gebieten, in denen überdurchschnittlich viele Protestanten wohnten, schnitten die Republikaner zudem besser ab als in Gegenden, in denen die katholische Bevölkerung überwog. Regional ergaben sich dagegen eindeutige Schwerpunkte. Erneut war die Zustimmung zu den Republikanern in Württemberg grundsätzlich größer als in Baden714. Schlecht schnitten die Republikaner vor allem am Oberrhein ab, am Hochrhein sowie im südlichen Schwarzwald. Den höchsten Stimmenanteil erzielten die Republikaner in Dobel im Kreis Calw, im Heimatort des Landtagsabgeordneten Lothar König erreichten sie 24,8 Prozent. Hohe Stimmenanteile für die Partei ergaben sich auch in den übrigen Wahlkreisen der Region Nordschwarzwald, in Teilen der Region Franken sowie im Rems-Murr-Kreis. Überdurchschnittliche Ergebnisse erreichten die Republikaner ferner in den Wahlkreisen Neckarsulm, Heilbronn, Eppingen, Backnang und Schorndorf715. Im Bezirk Karlsruhe feierten die Republikaner dabei Erfolge in Regionen, die einst zu den Hochburgen der NPD gezählt hatten716. Insgesamt erhöhte die Partei in zehn von 70 Wahlkreisen ihren Stimmenanteil gegenüber 1992. Den höchsten Zuwachs verbuchte sie dabei mit plus 2,4 Prozentpunkten im Wahlkreis Schwäbisch Hall. Der stärkste Rückgang ergab sich mit minus 5,0 Prozentpunkten im Wahlkreis Pforzheim. Auch in den Bezirken am mittleren Oberrhein, am Hochrhein und im südlichen Schwarzwald verbuchte die Partei einen Rückgang der Wählergunst717. Dabei steht zu vermuten, daß die Zahl der Sympathisanten der Partei unter den Nichtwählern leicht über dem Durchschnitt lag. Während etwa die CDU in Gebieten mit hoher Wahlbeteiligung unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielte, waren die kleinen Parteien FDP, Grüne und sowie Die Republikaner in diesen Wahlkreisen überdurchschnittlich erfolgreich. So vereinigten die Republikaner in Gebieten mit hoher Wahlbeteiligung 10,2 (Landesdurchschnitt: 9,1) Prozent der Stimmen auf sich718.

713 vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Landtagswahl 1996. Daten, Analysen, Kommentare. Materialien und Berichte, Heft 19, Stuttgart 1996, S. 11. 714 vgl. Stuttgarter Zeitung, 26. März 1996. 715 vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Landtagswahl 1996. Daten, Analysen, Kommentare. Materialien und Berichte, Heft 19, Stuttgart 1996, S. 20. 716 vgl. Stuttgarter Zeitung, 26. März 1996. 717 vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Landtagswahl 1996. Daten, Analysen, Kommentare. Materialien und Berichte, Heft 19, Stuttgart 1996, S. 20. 718 vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Landtagswahl 1996. Daten, Analysen, Kommentare. Materialien und Berichte, Heft 19, Stuttgart 1996, S. 9. 3 Das Profil der Republikaner 122

Nach der Wiederwahl in den Stuttgarter Landtag verfügten die Republikaner nunmehr über „ein nicht unerhebliches Stammwählerpotential”719, wie eine Studie des Landesamtes für Verfassungsschutz über die Beteiligung rechtsextremer Parteien an der Landtagswahl 1996 ergab. Neben dem Unbehagen vieler Bürger angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung, einem subjektiven Gefühl der Bedrohung durch Kriminalität, Politikverdrossenheit sowie dem Gefühl einer vermeintlichen sozialen Benachteiligung machten die Verfassungsschutzbehörden bei der Landtagswahl 1996 zudem die gewalttätigen Demonstrationen von Anhängern der „Arbeiterpartei Kurdistans” (PKK) wenige Tage vor der Wahl sowie die sich erneut verschärfende Debatte über die Migrationspolitik als Faktoren aus, von denen die Republikaner profitierten720. Die Wählerschaft der Republikaner in Baden-Württemberg entsprach damit in ihrer Zusammensetzung und Entwicklung weitgehend den Wählern der Partei anderswo. Beachtlich in Baden-Württemberg war indes das regionale Gefälle in der Popularität der Partei mit Hochburgen in Württemberg und unterdurchschnittlicher Resonanz in Baden. Außerordentlich hohe Verluste wie etwa im Wahlkreis Pforzheim, wo die Partei auf kommunaler Ebene präsent war, ließen zudem darauf schließen, daß auch das Auftreten der Partei in der Lokalpolitik die Entscheidung der Wähler bei der Landtagswahl beeinflußte. Nachdem sich beim Vergleich der Geschichte und der Wählerschaft von Bundes- und Landespartei kaum und im Vergleich der Programmatik zumindest nicht fundamentale Unterschiede ergeben haben, beschäftigt sich das folgende Kapitel mit dem internen Gefüge der Landespartei sowie ihrer Fraktion im Stuttgarter Landtag, um die Republikaner in Baden- Württemberg in diesem Punkt auf eventuelle Spezifika zu untersuchen.

3.2.4 Innenansicht

3.2.4.1 Der Landesverband

Intern war der baden-württembergische Landesverband der Republikaner dominiert vom Bemühen um ein einheitliches Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit. Während es damit auf den offiziellen Veranstaltungen des Landesverbandes kaum zu inhaltlichen Kontroversen kam, offenbarten das Fehlverhalten von Parteimitgliedern, der Richtungskampf in der Führungsspitze sowie die Auswirkungen der Entwicklung auf Bundesebene jedoch unübersehbare Risse im vermeintlich geschlossen agierenden Landesverband.

719 zit. nach Heilbronner Stimme, 6. April 1996. 720 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 68. 3 Das Profil der Republikaner 123

Zu Beginn der parlamentarischen Karriere der Landespartei, im Wahlkampf zur Landtagswahl 1992, sorgte schon die Zusammensetzung der Bewerber um ein Landtagskandidat für ein überaus heterogenes Erscheinungsbild der Republikaner. Während die Mehrzahl verbal aggressiv Ausländer und Asylbewerber attackierte, fanden sich auch Kandidaten, die vor allem Ideen des Umweltschutzes oder den europäischen Gedanken verfochten. Im Wahlkreis Neckarsulm war zum Beispiel Holger Gerhardt aufgestellt worden, der sich etwa über Sammelunterkünfte für Asylbewerber mit den Worten äußerte: „Man kann die Leute nicht einfach aufeinanderpferchen. Es ist doch klar, daß sich da Aggressionen stauen. Das ist kein Zustand für die Leute.” Der Kraftfahrer setzte sich vor allem für den Umweltschutz ein. Der Öffentliche Nahverkehr müsse mit massiver Unterstützung des Staates gerade in ländlichen Gegenden attraktiver gemacht werden721. Auch Bernhard Burmeister, der für die Partei im Wahlkreis Hohenlohe antrat, lehnte die Parole „Ausländer raus” eigenen Angaben zufolge ab und hegte auch keinerlei Aversionen gegen Ausländer, die seit Jahren in der Bundesrepublik lebten. Er fühle sich als Europäer und wende sich allein „gegen den Asylmißbrauch”722. Solche Kandidaten befanden sich gleichwohl in der Minderheit. Die Landesparteitage, auf denen inhaltliche Differenzen hätten thematisiert werden können, gerieten dessenungeachtet zu Demonstrationen der Einmütigkeit. Ovationen der Basis prägten den Konstanzer Landesparteitag im Oktober 1992. Die 250 Delegierten zeigten sich einig in der Ablehnung der Verträge von Maastricht. Inhaltliche Debatten, gar zu Fragen der Landespolitik, fanden nicht statt723. Ein ähnliches Bild vermittelten die Republikaner auf ihrem Landesparteitag im April 1993 in Bad Cannstatt: Der Bundesvorsitzende Franz Schönhuber griff Baden-Württembergs Innenminister Frieder Birzele an, weil der die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz des Landes veranlaßt hatte724, und attackierte „Geistesgestörte, die im Medienbereich herumlaufen”725. Landespolitik spielte erneut kaum eine Rolle - was offenbar in der Absicht der Parteiführung lag. Sie setzte den Bericht Rolf Schlierers aus der Arbeit der Fraktion erst nach Protesten nachträglich auf die Tagesordnung der Veranstaltung726. Auch auf dem Landesparteitag im Februar 1994 in Ulm wurden politische Inhalte nicht thematisiert727.

721 zit. nach Heilbronner Stimme, 6. März 1992. 722 zit. nach Hohenloher Zeitung, 25. März 1992. 723 vgl. Stuttgarter Zeitung, 12. Oktober 1992, vgl. auch Heilbronner Stimme, 12. Oktober 1992. 724 vgl. Stuttgarter Zeitung, 19. April 1993. 725 zit. nach Heilbronner Stimme, 19. April 1993. 726 vgl. Heilbronner Stimme, 19. April 1993. 727 vgl. Stuttgarter Zeitung, 21. Februar 1994. 3 Das Profil der Republikaner 124

Auf den öffentlichen Veranstaltungen der Republikaner war ein innerparteilicher Pluralismus nicht nur nicht zu beobachten, sondern anscheinend auch nicht gewünscht. So behielt es sich der Landesvorstand vor, sich Flugblätter der Kreisverbände zur Genehmigung vorlegen zu lassen728. Die offiziell geringe politische Bandbreite der Republikaner im Südwesten schlug sich derweil auch nieder im Selbstverständnis des Jugendverbandes „Republikanische Jugend”, der nach Worten seines Landesvorsitzenden Frédéric Heinemann keine Partei-Jugendorganisation im landläufigen Sinne sein wollte: „Wir mischen uns nicht aktiv in die Politik ein”, erklärte Heinemann. Das Verhältnis zur Landtagsfraktion sei problemlos: „Dort ist der Kopf, wir sind die Glieder.”729 Auch auf dem Landesparteitag im Mai 1995 in Mannheim trat deutlich zutage, daß die programmatischen Impulse für den Landesverband nicht von dessen Parteitagen ausgingen. So wurden die Leitanträge in Mannheim erst am Tag der Debatte vorgelegt. Ob es dann um den Islam oder um Wirtschaftspolitik ging - zu einer Diskussion kam es nicht. Einen Delegierten, der den Vorstand kritisierte, wies die Parteiführung vielmehr umgehend zurecht730. Motiviert war dieses Verhalten zum einen durch die mit dem Einzug in den Landtag 1992 erreichte und mit Schlierers Wahl zum Bundesvorsitzenden ausgebaute Vormachtstellung des Landesverbandes im bundesweiten Gefüge, mit der dem baden-württembergischen Landesverband eine Signal- und Vorbildfunktion für die Bundespartei zukam. Erleichtert wurde die Disziplinierung der Basis dabei durch die herausgehobene Stellung Rolf Schlierers, der neben dem Vorsitz in der Bundespartei auch den Vorsitz der Stuttgarter Landtagsfraktion innehatte. Über die Landesgrenzen hinaus war indes auch Christian Käs als wichtiger Führungsfunktionär der Partei anzusehen731. Wie zum anderen das Verhalten einzelner Parteimitglieder zeigte, war der Landesvorstand nicht ohne Grund auf die Kontrolle der Akteure an der Basis bedacht, um Imageschäden vorzubeugen. So gab der Mannheimer Stadtrat und Kreisvorsitzende der Partei, Winfried Korth, als Polizeibeamter wiederholt polizei-interne Informationen an Parteifreunde weiter, um sie über eventuelle Vorstrafen von Parteibewerbern und -mitgliedern zu informieren, und wurde deswegen vom Mannheimer Amtsgericht wegen Verstoßes gegen den Datenschutz zu einer Geldstrafe von 4.000 Mark verurteilt732. Zugleich belegte der Vorfall, daß innerhalb des

728 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1993, S. 48. 729 vgl. Stuttgarter Zeitung, 2. September 1994. 730 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 15. Mai 1995. 731 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1995, S. 47 f. 732 vgl. Stuttgarter Zeitung, 8. Dezember 1995. 3 Das Profil der Republikaner 125

Landesverbandes entgegen der Selbstdarstellung Auseinandersetzungen stattfanden, die gleichwohl nicht auf den Landesparteitagen ausgetragen wurden und daher vom Vorstand nicht vollständig zu unterbinden waren. Öffentlich geworden war der Fall Korth, da wegen dessen Wahl zum Kreisvorsitzenden zahlreiche Republikaner im Streit den Kreisverband verlassen hatten. Angesichts der nahenden Landtagswahl verfolgte die Führung des Landesverbandes in solchen Fällen wie auch bei den wiederholt dokumentierten Verbindungen von Parteimitgliedern zu Rechtsextremisten die Strategie, durch Stillschweigen nicht noch zusätzlich negative Schlagzeilen zu fördern. Sofern eine Stellungnahme unausweichlich war, wies die Partei die Vorwürfe als unhaltbar zurück733. Gerade vor der Landtagswahl 1996 schienen sich die divergierenden Kräfte in der Partei in zunehmendem Maße zu profilieren. Der offizielle Abgrenzungsbeschluß gegenüber Extremisten wurde an der Parteibasis nach wie vor unterlaufen. Für Unmut sorgten überdies die desolaten Finanzen, angesichts derer ein Teil der Mitglieder im Wahlkampf vorzeitig resignierte. Da die Kreisverbände bis Anfang 1996 auf die Wahlkampfzuschüsse aus der Landeszentrale warteten, begründeten manche Republikaner ihre Passivität mit dem fehlenden Geld. Zusätzlich demotivierend wirkten sich die Vorwürfe gegenüber einzelnen Parteifunktionären auf Landesebene aus, sie würden sich an Parteigeldern bereichern, sowie die Äußerungen von Kritikern, welche die Parteiführung als „Selbstbedienungsladen” bezeichneten. Erst mit den Zahlungen aus der staatlichen Parteienfinanzierung trat Anfang 1996 eine deutliche Entspannung ein734. Dank der relativ guten Struktur im Südwesten schaffte es der Landesverband zwar, in sämtlichen 70 Wahlkreisen Baden-Württembergs Erst- und Zweitkandidaten aufzubieten. Da sich aber offenbar nicht genügend geeignetes Personal gefunden hatte, kandidierten einige Funktionäre wie der Landesvorsitzende Käs in mehreren Wahlkreisen gleichzeitig. Insgesamt lag die Quote der Mehrfachkandidaturen in den Wahlkreisen bei über 13 Prozent. Darüber hinaus wurden Mitglieder der Partei in Wahlkreisen nominiert, in denen sie nicht ansässig waren735. Dafür präsentierten sich die Republikaner ausnahmslos mit Kandidaten, die, anders als noch bei den Kommunalwahlen zwei Jahre zuvor, vor ihrem Engagement in der Partei

733 vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Die Beteiligung rechtsextremistischer Parteien und Einzelbewerber an der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg vom 24. März 1996, Stuttgart 1996, S. 8. 734 vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Die Beteiligung rechtsextremistischer Parteien und Einzelbewerber an der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg vom 24. März 1996, Stuttgart 1996, S. 8 ff. 735 vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Die Beteiligung rechtsextremistischer Parteien und Einzelbewerber an der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg vom 24. März 1996, Stuttgart 1996, S. 12 ff. 3 Das Profil der Republikaner 126 keine Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen Organisationen und Personen unterhalten hatten - ausgenommen diejenigen, die erst während ihrer Mitgliedschaft bei den Republikanern entsprechende Kontakte gesucht hatten736. Die Parteiführung hatte sehr früh die Bedeutung dieser Wahl erkannt und engagierte sich daher außerordentlich stark. Um die Einsatzbereitschaft der Mitglieder zu fördern, wurden seit Anfang September 1995 wöchentlich „Wahlkampfbriefe an die Landtagskandidaten, Kreis- und Bezirksvorsitzenden sowie die örtlichen Wahlkampfleiter geschickt. Daran schlossen sich jeweils Schreiben des Landesgeschäftsführers Alfred Dagenbach an737. Die erneute Wahl in den Landtag stärkte dann Rolf Schlierer und dessen Strategie, sich gegenüber Rechtsextremisten offiziell abzugrenzen und die Duldung einer CDU-Regierung anzustreben. Der Wahlerfolg bot ihm die Gelegenheit, „die gesamte Partei auf seinen Kurs zwingen”738. Abseits des Parteikurses indessen hielten Mitglieder der Republikaner auch weiterhin Kontakt zur rechtsextremen Szene und auch zu neonazistischen Gruppen. Ermöglicht wurde dies nicht zuletzt durch einen Richtungsstreit in der Parteiführung sowohl im Landesverband als auch in der Bundespartei. Der Bundesvorsitzende und Landtagsfraktionsvorsitzende Rolf Schlierer wollte die Partei für Wähler aus dem Lager von CDU und SPD attraktiv machen. Sein Stellvertreter und Vorsitzender des Landesverbandes, Christian Käs, bediente hingegen eindeutig rechtsextreme Meinungen und beeinträchtigte damit die Bemühungen um Reputation. Schlierer mochte sich mit der Landtagswahl 1996 vorerst durchgesetzt haben - der Streit um Tonart, Inhalte und um die Kontakte zur extremen Rechten aber barg Zündstoff für die Zukunft739. Wie die Bundespartei, zeigt sich damit auch der Landesverband als eine autoritär geführte Organisation, in der die Zentrifugalkräfte zunahmen, sobald der politische Erfolg ausblieb oder in Frage stand. Auch in der Landespartei standen sich Rolf Schlierer und Christian Käs als Kontrahenten und Vertreter zweier divergierender Parteiflügel gegenüber. In Baden- Württemberg gelang es der Parteiführung jedoch dank ihrer exponierten Stellung auf Bundesebene sowie ihrer Vorbildfunktion als parlamentarisch vertretener Landesverband eher als auf Bundesebene, die Partei trotz der verschiedenen Strömungen zu leiten. Während die Struktur der Landtagskandidaten 1992 darauf hindeutete, daß mangels Personals in der ersten Blütezeit des Landeverbandes auch Mandatsbewerber aufgestellt wurden, deren politische

736 vgl. ebenda, S. 12 ff. 737 vgl. ebenda, S. 18. 738 ebenda. 739 vgl. ebenda, S. 16 ff. 3 Das Profil der Republikaner 127

Ansichten nur zum Teil der Parteilinie entsprachen, ließ der Verlauf der Kandidatenauswahl vor der Landtagswahl 1996 vor allem darauf schließen, daß die Führung zum einen darauf bedacht war, in der Öffentlichkeit keine Angriffsflächen zu bieten, zum anderen aber davor zurückscheute, eine innerparteiliche Machtprobe heraufzubeschwören. Zwar verfügte der Landesverband im Südwesten über eine relativ gefestigte Struktur, mit dem Unterbau konkurrierender Parteien indes war auch die Organisation der baden-württembergischen Republikaner nicht vergleichbar.

3.2.4.2 Die Landtagsfraktion

3.2.4.2.1 Das Personal

Die fünfzehn Abgeordneten, die 1992 für die Republikaner in den Stuttgarter Landtag einzogen, hatten sich, von Rolf Schlierer abgesehen, zuvor nicht in rechtsextremistischen Organisation engagiert. Zum großen Teil verfügten sie aber wie auch Schlierer bereits über Erfahrung als politische Mandatsträger auf kommunaler Ebene740. Der promovierte Physiker Richard Eckert hatte drei Jahre lang als stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der Republikaner im Stuttgarter Gemeinderat fungiert, bevor er das Landtagsmandat übernahm741. Lothar König blickte 1992 bereits auf 21 Jahre Tätigkeit im Gemeinderat in Dobel zurück. Seit 1974 amtierte König, der 1989 Vorsitzender des Kreisverbandes der Republikaner in Calw und 1990 Mitglied des Landesvorstandes der Partei geworden war, zudem als erster Stellvertreter des Bürgermeisters seiner Heimatgemeinde742. Ebenfalls seit 1971 in der Lokalpolitik aktiv war Karl-August Schaal, der zunächst die Freien Wähler im Ortschaftsrat Tübingen-Pfrondorf vertreten hatte und Delegierter für den Verwaltungs- und Verkehrsausschuß in Tübingen gewesen war, bevor er 1987 den Republikanern beigetreten war. Schaal wurde Schatzmeister der Landtagsfraktion743. Zu den Gründungsmitgliedern der Partei zählte währenddessen Wolfram Krisch. Der Geschäftsführer eines Unternehmens für den Vertrieb von Maschinen und Anlagen der Umformtechnik hatte sich vor Gründung der Partei sechs Jahre lang in der SPD betätigt und hatte zwischen 1989 und 1992 die Republikaner im Ludwigsburger Stadtrat vertreten744. Aus der Fraktion im Stuttgarter

740 vgl. Lepszy/Veen, a.a.O., S. 11. 741 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 11, 1992/96, Rheinbreitbach 1995, S. 40. 742 vgl. ebenda, S. 50. 743 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 11, 1992/96, Rheinbreitbach 1995, S. 64. 744 vgl. ebenda, S. 50. 3 Das Profil der Republikaner 128

Stadtrat war wiederum deren Geschäftsführer Horst Trageiser in den Landtag vorgerückt, der 1990 und 1991 bereits als Generalsekretär der Republikaner in Bonn gearbeitet hatte745. Aus der Stuttgarter Ratsfraktion kam auch der Polizeihauptmeister Rolf Wilhelm, der zudem Mitglied im Verwaltungsausschuß der Kommune gewesen war und sich als Kreisvorsitzender der Partei in Stuttgart und als stellvertretender Landesvorsitzender betätigt hatte. Drei Jahre lang hatte der ehemalige Polizeibeamte Heinz Troll für die Republikaner Mandate im Philippsburger Stadtrat und im Kreistag Karlsruhe wahrgenommen, bevor er in den Landtag einzog746. Als Bezirksvorsitzender der Partei in Nordwürttemberg und Kreisrat der Partei im Kreis Esslingen zog außerdem der Diplom-Volkswirt Ulrich Deuschle in den Stuttgarter Landtag ein, zuvor Fachreferent für Nutzfahrzeuge der Mercedes-Benz AG747. Industriemeister Willi Auer hatte die Partei seit 1989 im Gemeinderat von Pforzheim vertreten, seit 1991 als deren Vorsitzender748. Michael Herbricht schließlich hatte als Vorsitzender der Fraktion der Republikaner im Kreistag des Landkreises Heilbronn amtiert. Neben der Ausländerpolitik wollte sich der Betriebswirt vor allem der Bildungspolitik widmen. Vor allem bestehe Bedarf an „gut ausgebildete(n) Facharbeiter(n)”749. Vier der insgesamt fünfzehn Mandatsträger brachten keinerlei Erfahrung mit der Arbeit kommunalpolitischer Gremien mit, hatten indes bereits, wenngleich zum Teil nur für kurze Zeit, andere Funktionen für die Partei erfüllt. Der gelernte Offsetdrucker Klaus Rapp, 1989 in die Partei eingetreten, saß etwa erst seit Oktober 1991 dem Kreisverband Pforzheim und Enzkreis vor, wurde jedoch zum stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion im Landtag gewählt750. Ohne vorherige Erfahrung in den Gremien der Lokalpolitik trat auch die einzige Frau in der Fraktion, Liane Offermanns, in den Landtag ein, die bislang für die Fraktion der Republikaner im Freiburger Gemeinderat als Büroangestellte gearbeitet hatte751. Als Parteivorsitzender im Kreis Göppingen und Mitglied des Landesvorstandes stieß der Rentner und gelernte Schneider für Damen- und Herrenoberbekleidung Max Reimann zur Fraktion752. Seit 1987 hatte sich der Waiblinger Elektromeister Rudolf Bühler in der Partei engagiert. 1991 zum stellvertretenden Vorsitzenden im Rems-Murr-Kreis gewählt, ließ er sich nach

745 vgl. ebenda, S. 75. 746 vgl. ebenda, S. 75. 747 vgl. ebenda, S. 38. 748 vgl. ebenda, S. 33. 749 zit. nach Heilbronner Stimme, 28. Februar 1992. 750 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 11, 1992/96, Rheinbreitbach 1995, S. 59. 751 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 11, 1992/96, Rheinbreitbach 1995, S. 57. 752 vgl. ebenda, S. 61. 3 Das Profil der Republikaner 129 seiner Wahl in den Landtag von seiner Tätigkeit bei den Stadtwerken Waiblingen freistellen753. Sechs Mitglieder der Landtagsfraktion hatten dabei ihren Wohnsitz nicht in ihrem Wahlkreis, und zwar die Parlamentarier Offermanns, Eckert, Schlierer, Wilhelm, Rapp und Bühler754. Zum Vorsitzenden der Fraktion wählten die neuen Landtagsabgeordneten Rolf Schlierer755.

3.2.4.2.2 Die Personalprobleme

Noch bevor die Arbeit der Fraktion begonnen hatte, hatten die Republikaner bereits den ersten Austritt aus der Abgeordnetengruppe verzeichnet. Zwei Tage nach der Landtagswahl hatte Arthur Dreischer, Kandidat im Wahlkreis Reutlingen, erklärt, er wolle sein Mandat nicht antreten, da sich die Abgeordnetentätigkeit nicht mit seiner Arbeit als Arzt vereinbaren lasse. Er habe nur kandidiert, weil er nicht mit seiner Wahl gerechnet habe. Da auch der Ersatzbewerber das Mandat nicht hatte übernehmen wollen756, war schließlich Rolf Wilhelm nachgerückt. Auch danach, in den kommenden beiden Jahren, kämpfte die Fraktion mit Austritten und anderen internen Problemen. So leitete die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wenige Wochen nach der Wahl, im Juli 1992, gegen Rolf Schlierer Ermittlungen wegen des Verdachts der Fahrerflucht ein. Eigenen Angaben zufolge war Schlierer gegen ein Uhr nachts am Stuttgarter Killesberg mit seinem Personenwagen in ein parkendes Kraftfahrzeug gefahren, was er auf ein „Ausweichmanöver” zurückführte. Daraufhin hatte er den Unfallort verlassen und den Vorfall am folgenden Morgen gemeldet757. Neun Monate später bat die Staatsanwaltschaft schließlich den Landtagspräsidenten um die Genehmigung zur Strafverfolgung Schlierers wegen Unfallflucht758. Der Ständige Ausschuß des Landtages hob daraufhin Schlierers Immunität als Abgeordneter auf759. Im September 1993 dann wechselte die Fraktion Willi Auer, der nach einem Diebstahl in einer Parfümerie gleichfalls einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entgegensah, gegen den Kriminalhauptmeister Bernhard Amann aus, der die Partei seit 1989 im Gemeinderat Stutensee vertrat760. Offiziell begründete

753 vgl. ebenda, S. 37. 754 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 28. 755 vgl. Heilbronner Stimme, 13. April 1992. 756 vgl. Heilbronner Stimme, 8. April 1992. 757 vgl. Heilbronner Stimme, 22. Juli 1992. 758 vgl. Heilbronner Stimme, 10. März 1993. 759 vgl. Heilbronner Stimme, 2. April 1993, der Ausgang des Verfahrens ist inzwischen nicht mehr in Erfahrung zu bringen, da die entsprechenden Akten gemäß den Bestimmungen der Aktenordnung vernichtet worden sind, vgl. das im Anhang dokumentierte Schreiben der Staatsanwaltschaft Stuttgart an den Verfasser vom 23. August 1999. 760 vgl. Stuttgarter Zeitung, 26. März 1996. 3 Das Profil der Republikaner 130 sie Auers Ausscheiden mit gesundheitlichen Gründen. Ein Jahr später erklärte auch Amann seinen Austritt aus der Fraktion, um sich auf diese Weise von der seiner Ansicht nach ungerechtfertigten Absetzung Schönhubers als Bundesvorsitzendem zu distanzieren761. Im Gegensatz zu Auer aber nahm Amann, der wenige Tage darauf auch die Partei verließ762, um einem Ausschlußverfahren zuvorzukommen763, sein Mandat weiterhin als fraktionsloser Abgeordneter wahr. Die Stärke der Fraktion der Republikaner hatte damit auf 14 von 15 Personen abgenommen. Intern war das Geschehen zugleich geprägt von einem zunehmend distanzierteren Verhältnis zwischen dem Vorsitzenden Rolf Schlierer und dessen Stellvertreter Horst Trageiser, denen aufgrund ihrer Funktionen eine besondere Stellung in der Fraktion zukam. Nach Ansicht Trageisers verfolgte Schlierer einen zu moderaten Kurs764. Diese Meinung teilte er mit der Mehrheit der Fraktion, in der Schlierer gemeinhin als zu lasch galt765. Der Fraktionsvorsitzende unternahm somit eine Gratwanderung. Zum einen wollte er der Fraktion und damit seiner Partei zu Seriosität verhelfen, die CDU zumindest partiell aufweichen und womöglich als Bündnispartner gewinnen, zum anderen gefährdete er durch diese Orientierung seine Stellung in der Fraktion766.

3.2.4.2.3 Schlierers Bemühen um Autorität in Fraktion und Partei

Gegenüber der Landespartei und deren Vorsitzendem Christian Käs hatte Schlierer von Beginn an Autoritätsprobleme. So sah sich der Fraktionsvorsitzende wenige Wochen nach Einzug der Republikaner in einem Schreiben an die Parteimitglieder im nachhinein veranlaßt, einen ohne seine Kenntnis am 14. April 1992 versandten Rundbrief Käs´ richtigzustellen, in dem sich der Landesvorsitzende abwertend über den Stuttgarter Politikwissenschaftler Günter Rohrmoser geäußert hatte: „Ergänzend zu dem Rundbrief unseres Landesvorsitzenden C. Käs, den ich leider erst heute zur Kenntnis erhielt, darf ich Sie als stellvertretender Bundesvorsitzender auf folgende Gedanken aufmerksam machen”, leitete Schlierer ein und führte unter 3. unter anderem aus: „Man sollte die Exponenten des konservativen Spektrum nicht ohne Kenntnis derer Vorstellungen be- bzw. verurteilen. Die in dem o.g. Rundbrief vorgenommene Beurteilung von Prof. Dr. Rohrmoser, dessen Veröffentlichungen und Vorlesungen ich bereits seit vielen Jahren in Stuttgart aufmerksam verfolgt habe, ist falsch.

761 vgl. Heilbronner Stimme, 5. Oktober 1994. 762 vgl. Heilbronner Stimme, 18. Oktober 1994. 763 vgl. Heilbronner Stimme, 6. Oktober 1994. 764 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 18. Dezember 1992. 765 zit. nach tageszeitung, 11. Februar 1994. 766 vgl. tageszeitung,, 11. Februar 1994. 3 Das Profil der Republikaner 131

Eine Gefahr des ´personellen Aufsaugens´ besteht ebenso wenig wie die Notwendigkeit, von einer angeblichen ´schwarzen Pest´ zu reden. Wir werden eine ´fundamentalkonservative Programmatik´ nur entwickeln können, wenn wir uns mit konservativen Köpfen wie Rohrmoser auseinandersetzen.”767 Schlierers Bemühen um Seriosität hemmten dabei Ereignisse, welche von der Fraktion nicht zu beeinflussen waren. So griff im August 1994 der zum Jahreswechsel entlassene ehemalige Pressesprecher der Fraktion, Helmut Simon, die Abgeordnetengruppe an. Schlierer regiere die Fraktion „mit harter Hand bis hin zu terroristischen Methoden”, erklärte Simon768, der überdies das Bild einer unfähigen Landtagsfraktion zeichnete, deren Parlamentsarbeit als „Klippschule des Versagens” und die Anträge der Fraktion zum großen Teil als „Windeier” bezeichnete769. Wenige Monate darauf machte der soeben abgesetzte Bundesvorsitzende Franz Schönhuber öffentlich, in welchem Maße sich die Republikaner im Südwesten die Annehmlichkeiten des Politikertums sicherten. Demnach waren allein 1993 insgesamt rund 580.000 Mark aus der Parteikasse an Funktionäre in Baden-Württemberg geflossen. Neben ihrer Grunddiät von monatlich knapp 7.000 Mark hatten die Landtagsabgeordneten von der Partei für die Arbeit in ihren Wahlkreisen demzufolge eine Aufwandsentschädigung von 3.500 Mark erhalten. Als Vorsitzender des Landesverbandes habe Christian Käs zusätzlich 9.500 Mark im Monat kassiert, sein Stellvertretender Rolf Wilhelm 3.000 Mark. Dieselbe Summe sei Horst Trageiser im ersten Halbjahr 1993 ausgezahlt worden. Die Landesvorstandsbeisitzer Heinz Troll und Lothar König hatten laut Schönhuber jeweils 2.250 Mark eingestrichen, zudem hatte Landesgeschäftsführer Alfred Dagenbach sein Gehalt Ende 1993 auf 9.000 von 8.000 Mark anheben lassen770. Da Schlierers natürliche Autorität intern in Zweifel stand, versuchte der Fraktionsvorsitzende, kraft Autorität seiner Ämter seinen Kurs durchzusetzen, und baute seine Befugnisse in der Fraktion entsprechend aus. So übernahm er, nachdem Pressesprecher Helmut Simon die Fraktion verlassen hatte, zusätzlich zum Fraktionsvorsitz auch die Redaktion der Pressemitteilungen. Wie fraktionsinterne Vermerke belegten, nahm Schlierer dabei Einfluß auf Inhalt und Form der Fraktionserklärungen und bestand darauf, daß die Mitteilungen vor Veröffentlichung ihm oder einem seiner Stellvertreter vorgelegt wurden. Am 10. Februar 1994 wies Schlierer die Pressestelle der Fraktion an, „mir ab sofort bis zur Bestellung eines Pressesprechers jede Pressemitteilung der Landtagsfraktion vor der

767 vgl. Rundschreiben Schlierers vom 8. Mai 1992. 768 zit. nach Heilbronner Stimme, 13. August 1994. 769 zit. nach Heilbronner Stimme, 13. August 1994. 770 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 18. November 1994. 3 Das Profil der Republikaner 132

Herausgabe bzw. Versendung zur Kenntnis zu geben” (Hervorhebung im Original, d. A.). Ohne Gegenzeichnung durch mich oder einen meiner Stellvertreter (Herr Deuschle, Herr König) werden keine Pressemitteilungen der Landtagsfraktion herausgegeben.”771 - seinen Stellvertreter als Vorsitzenden und fraktionsinternen Rivalen Horst Trageiser nannte Schlierer nicht. Die Abgeordneten folgten der Anweisung offenbar nicht zur Zufriedenheit des Fraktionsvorsitzenden: Am 31. Mai richtete Schlierer abermals ein internes Schreiben an die Mitglieder und Mitarbeiter der Landtagsfraktion: „Aus aktuellem Anlaß erlaube ich mir, nochmals ausdrücklich auf folgende Regelung hinzuweisen, die bis zur Bestellung eines neuen Pressesprechers für alle gilt: 1. Pressemitteilungen sind dem Fraktionsvorsitzenden in jedem Falle vor der Herausgabe vorzulegen. 2. Sollte der Fraktionsvorsitzende nicht erreichbar sein, tritt an seine Stelle der geschäftsf. stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Bei dessen Nichterreichbarkeit entscheidet einer der weiteren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden (Hervorhebung und Abkürzung im Original, d. A.).”772 Auch 1995 wandte sich der Fraktionsvorsitzende Rolf Schlierer mit schriftlicher Order hinsichtlich der Pressearbeit an die Mitglieder der Fraktion: „Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ab sofort keine Pressemitteilungen der Landtagsfraktion zu den Themenbereichen Stuttgart 21, Messe Stuttgart, Musical Hall Stuttgart mehr herausgegeben werden dürfen, die nicht mit mir vorher abgestimmt sind.”773 Daß der Fraktionsvorsitzende dabei Inhalt und Form auch von Pressemitteilungen seiner Stellvertreter veränderte, zeigte der unveröffentlichte Entwurf der Pressemitteilung 17/94. Demnach hatte Ulrich Deuschle die geplante Wanderausstellung „Biedermänner und Brandstifter” des Landesinnenministeriums, die auch die Republikaner behandelte, unter anderem mit den Worten kritisiert: „Es grenzt an Stasimethoden, wenn IM Birzele gewählte Abgeordnete mit Gewalttätern in Verbindung bringen will. Die engen Verbindungen zwischen SPD und SED/Stasi in den 70er Jahren und 80er Jahren haben offensichtlich ihre Spuren bei IM Birzele hinterlassen. IM Birzele verharmlost gewalttätige Demonstrationen von linksextremistischen Organisationen und extremistischen Ausländerorganisationen wie der PKK-Demonstration in Stuttgart, vielleicht weil Funktionäre von SPD und Grünen dort regelmäßig mitmischen?”774 Schlierer strich den Absatz ersatzlos - sei es, weil er allzu offene Verleumdungen wie die unterstellte Verbindung des Landesinnenministers zur

771 Schreiben Schlierers an die Pressestelle der Fraktion, 10. Februar 1994. 772 Schreiben vom 31. Mai 1994. 773 Schreiben vom 1. Juni 1995. 774 Entwurf Pressemitteilung 17/94, 27. Januar 1994, unveröffentlicht. 3 Das Profil der Republikaner 133

Staatssicherheit beziehungsweise von Grünen und SPD zu Linksextremisten und militanten Ausländern vermeiden wollte, sei es, daß ihm die Assoziation zu weit hergeholt schien, um Wirkung zu zeigen. Zur Einstufung der Parteizeitung „Der Republikaner” als rechtsextrem hatte Deuschle ursprünglich erklären wollen: „Dies erinnert mich in fataler Weise an die Praktiken in sozialistischen Diktaturen, wo auch von sozialistischen Ministern oppositionelle Zeitungen verteufelt wurden.”775 In der von Schlierer genehmigten Fassung hieß es statt dessen: „Dies erinnert mich in fataler Weise an die Praktiken in sozialistischen Diktaturen, wo von der Regierung oppositionelle Zeitungen verteufelt wurden.”776 Möglicherweise änderte Schlierer den Text nur deswegen, um juristische Folgen zu vermeiden - durch das Wort „auch” nämlich war eine durchaus justitiable Tatsachenbehauptung aufgestellt worden. Gezeichnet waren die Mitteilungen seit Ausscheiden Helmut Simons einheitlich mit „Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg”.

3.2.4.2.4 Personelle Veränderungen zum Ende der elften Legislaturperiode

Mit Ende der elften Legislaturperiode verließen neben den bereits zuvor ausgeschiedenen Willi Auer und Bernhard Amann die Abgeordneten Rudolf Bühler, Richard Eckert, Horst Trageiser, Liane Offermanns und Karl-August Schaal die Fraktion. Mit Beginn der zwölften Legislaturperiode zogen für die Republikaner Alfred Dagenbach, Eduard Hauser, Egon Eigenthaler, Josef Huchler, der Landesvorsitzende Christian Käs sowie Alexander Schonath in den Landtag ein. Die neuen Abgeordneten hatten ausnahmslos bereits Erfahrung in Gremien der Kommunalpolitik, auch als Vertreter der FDP und der Freien Wähler. Zwei unangenehme Erlebnisse mit der Stadtverwaltung hatten zum Beispiel den Heilbronner Gärtnermeister Alfred Dagenbach dazu bewogen, sich zunächst bei den Freien Wählern und der Heilbronner Bürgervereinigung zu engagieren, bevor er zu den Republikanern wechselte, um dort für eine „ehrlichere Politik” einzutreten777. Bereits im Wahlkampf 1992 hatte sich Dagenbach, der seit 1989 der Fraktion der Republikaner im Gemeinderat der Stadt Heilbronn vorsaß, vor allem „gegen den immer mehr ins Uferlose treibenden Asylmißbrauch” eingesetzt. Als Vertreter seines Wahlkreises im Landtag werde er sich dafür einsetzen, die Kosten infolge von Mißbrauch des Asylrechts einzusetzen unter anderem für die Behebung des Pflegenotstandes, für ein neues Krankenhaus in Heilbronn, zur gerechteren Bezahlung der Polizei sowie zur Entschärfung der Wohnungsnot778. Ebenfalls im Heilbronner Gemeinderat

775 Entwurf Pressemitteilung 17/94, 27. Januar 1994, unveröffentlicht. 776 Pressemitteilung 17/94. 777 Heilbronner Stimme, 21. Februar 1992. 778 vgl. Heilbronner Stimme, 20 Juli 1991. 3 Das Profil der Republikaner 134 engagierte sich Alexander Schonath. Der Geschäftsführer einer Marketingfirma gehörte dort seit 1994 der Fraktion der Republikaner an. Der gelernte Großhandelskaufmann und Schauwerbegestalter Egon Eigenthaler fungierte seit 1989 als Fraktionsvorsitzender der Republikaner im Kreistag von Esslingen779. Als Alterspräsident in das Parlament zog der 67jährige Eduard Hauser ein. Seit über 35 Jahren war der Geschäftsführer einer Uhrenfabrik bereits im Gemeinderat und im Ortschaftsrat in Weigheim aktiv gewesen, zunächst für die FDP, seit 1987 für die Republikaner780. Seit 1972 war der selbständige Bauunternehmer Josef Huchler für die Freien Wähler in Warthausen aktiv gewesen, bevor er 1994 den Republikanern beitrat und für die Partei in den Kreistag gewählt wurde781. Rechtsanwalt Christian Käs hatte seit 1992 als Vorsitzender der Fraktion der Republikaner im Stuttgarter Gemeinderat amtiert. Gegenüber den Abgeordneten der elften Legislaturperiode waren deren Nachfolger damit besser bewandert in der Arbeit demokratisch gewählter Gremien. Nach Berufsgruppen betrachtet, schwächte sich der Anteil der Polizeibeamten in der Fraktion zugunsten selbständiger Unternehmer ab. Wie in Bundespartei und Landesverband behielt damit auch in der Fraktion Rolf Schlierer spätestens mit dem erneuten Wahlerfolg letztlich die Oberhand gegenüber dem radikaleren Flügel der Fraktion. Weil seine Art der Selbstdarstellung am ehesten den Gepflogenheiten im Parlament entsprach, kam ihm die Aufgabe zu, die Fraktion als Vorsitzender zu leiten und nach außen zu repräsentieren. Schlierer nutzte diese Kompetenzen, um Einfluß auf die offiziellen Erklärungen der Fraktion zu nehmen. Dabei war er offenbar um Mäßigung in Aussage und Wortwahl bemüht. Dies entsprach seinem Kurs und schien bisweilen schon aus juristischen Gründen ratsam für eine Partei, die in ihren Programmen für sich als Grundgesetzpartei warb. Intern aber verfügte Schlierer nicht über den Rückhalt aller Fraktionsmitglieder. Zuweilen hatte er erkennbar Mühe, seine Direktiven intern durchzusetzen. Das Problem der verschiedenen Strömungen in der Fraktion bestand auch nach den personellen Veränderungen zum Ende der elften Legislaturperiode. Zwar hatte Schlierers größter Kontrahent, Horst Trageiser, die Fraktion verlassen. In Käs sah sich der Fraktionsvorsitzende indes seinem Rivalen aus dem Landesverband und dem Bundesverband gegenüber, der einen ähnlichen Kurs wie Trageiser propagierte.

779 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 12, 1996/2001, Rheinbreitbach 1996, S. 40. 780 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 12, 1996/2001, Rheinbreitbach 1996, S. 45. 781 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 12, 1996/2001, Rheinbreitbach 1996, S. 48. 4 Die Untersuchung 135

4 Die Untersuchung

4.1 Ziel der Untersuchung

Durch ihren erneuten Einzug in den Landtag schienen die Republikaner im Südwesten im landespolitischen Geschehen nunmehr verankert. Daher ist die Frage zu diskutieren: Haben sich die Republikaner durch ihre Arbeit im Landtag von einer als rechtsextrem geltenden zu einer rechtsradikalen Partei entwickelt und sich letztlich als Opposition in Baden- Württemberg etabliert?

4.2 Hypothese

Haben sich die Republikaner durch ihre Arbeit im Landtag von einer als rechtsextrem geltenden zu einer rechtsradikalen Partei entwickelt und sich letztlich als Opposition in Baden-Württemberg etabliert? Ja, lautet die Hypothese dieser Arbeit. Die Entwicklung der, gleichwohl nach wie vor rechtsextremistischen, Partei hin zum Rechtsradikalismus äußerte sich demnach in einer Abschwächung der extremistischen Anteile im parlamentarischen Betrieb und in der Verstärkung moderaterer Positionen des Rechtsradikalismus’ entsprechend der eingangs vorangestellten Definition. Die Etablierung der Partei als Opposition in Baden- Württemberg ging gemäß der Hypothese über diese Entwicklung hinaus. Die Republikaner etablierten sich somit außerhalb des Parlaments vor allem dadurch, daß ihre Positionen gesellschaftsfähig wurden. Als Opposition im Parlament etablierten sie sich, indem sie eine Störung des Absorptionsvermögens von, auch von ihr erst geweckten, politischen Bedürfnissen durch die übrigen Parteien bemerkten, durch entsprechende politische Forderungen eine Lücke im Parteiensystem besetzten, auf diese Weise eine Wählerschaft gewannen und sich schließlich dauerhaft im Landtag festsetzten. Der Hypothese dieser Arbeit zufolge ging die Etablierung der Republikaner im Landtag Baden-Württembergs darüber hinaus mit einer Auffächerung der Palette der von den Republikanern aufgegriffenen Themen einher. Dies geschah bei einer gleichzeitigen Kontinuität in der Behandlung der Fragen, welche die Republikaner erst zu Themen gemacht hatten und die somit zunehmend mit ihnen assoziiert wurden. Formell trat die Etablierung demzufolge in der Übung in und in der Anpassung an die parlamentarischen Gepflogenheiten zutage. Dazu gehörten bestimmte Umgangsformen im Parlament und in den Ausschüssen sowie eine Aufteilung der Zuständigkeiten innerhalb der 4 Die Untersuchung 136

Fraktion. Wie bereits dargelegt782, kann eine Etablierung als Opposition hingegen nicht an dem Verhalten der Parlamentsmehrheit gegenüber der Opposition oder an ihrem Urteil über die Leistung der Opposition gemessen werden. Ebenso wenig als Maßstab für die Beurteilung der Arbeit einer Opposition und damit als Maßstab für deren Etablierung taugt zudem die Einschätzung, inwieweit die Opposition vermeintlich konstruktiv gewirkt habe oder in einer vermeintlichen destruktiven Rolle verharrt sei.

4.3 Konzeption der Untersuchung

Wie läßt sich die Hypothese überprüfen? Wie läßt sich die Arbeit von Opposition erfassen? Vor der Konzeption der Untersuchung lohnt ein Blick auf politikwissenschaftliche Arbeiten, die sich ebenfalls die Darstellung der Arbeit parlamentarischer Opposition in bundesdeutschen Parlamenten, auch von Abgeordneten der Republikaner, zur Aufgabe gemacht hatten. Aus deren Beschreibung und der Diskussion ihrer Vorzüge und Nachteile läßt sich dann ein geeignetes Modell zur Erfassung der Arbeit der Fraktion der Republikaner im Landtag Baden-Württembergs ableiten.

4.3.1 Literaturbericht

4.3.1.1 Parlamentarische Oppositionen in bundesdeutschen Parlamenten

An Untersuchungen des Verhaltens von parlamentarischen Oppositionen in bundesdeutschen Parlamenten scheint kein Mangel zu herrschen. In ihrer Mehrheit offenbaren die Arbeiten bei näherer Betrachtung, auch aufgrund einer anderen Zielsetzung, methodische Einheiten, die ihre Adaption für den Zweck dieser Untersuchung nicht ratsam erscheinen lassen. Eine der ersten Untersuchungen legten 1963 Wolfgang Kralewski und Karlheinz Neunreither vor. Sie hatten sich dem oppositionellen Verhalten im Bundestag von 1949 bis 1953 gewidmet783 - vor 1963 waren, abgesehen von der Arbeit Peter Molts784, allein Einzelstudien erschienen, zum Beispiel über das Verhalten der Opposition im Verfahren zum

782 vgl. die Ausführungen unter Gliederungspunkt 2.2. 783 vgl. Wolfgang Kralewski, Karlheinz Neunreither: Oppositionelles Verhalten im 1. Deutschen Bundestag 1949-53, Köln und Opladen 1963. 784 Peter Molt: Die neutralistische Opposition. Bedingungen und Voraussetzungen der neutralisitischen Opposition in der Bundesrepublik, vor allem der Gesamtdeutschen Volkspartei 1949-1954, Diss., Heidelberg 1956. 4 Die Untersuchung 137

Freiwilligengesetz im II. Deutschen Bundestag785. Kralewski und Neunreither untergliederten ihre Untersuchung in drei Teile: Der erste sollte eine statistische Übersicht der Bundestagsperiode leisten, der zweite den Werdegang einzelner Gesetzesvorhaben beschreiben, der dritte schließlich anhand von Beispielen den Einfluß der Opposition beschreiben. Beachtlich war, daß Kralewski und Neunreither die Arbeit im Parlament in quantitativer und in qualitativer Hinsicht analysierten. Ihr Befund blieb jedoch beschränkt. Mochte der Verzicht auf die außerparlamentarischen Aktivitäten der Opposition durch den Titel der Arbeit „Oppositionelles Verhalten im 1. Deutschen Bundestag“ gerechtfertigt sein - er führte dazu, daß ein wichtiger Bereich gerade von kompetitiver Oppositionsarbeit ausgeblendet wurde. Die Autoren hatten ihr Blickfeld zusätzlich dadurch beschnitten, daß ihre Analyse einzelner Gesetzesvorhaben nur drei Beispiele umfaßte. Zwar räumten sie ein, daß es ideal gewesen wäre, „man hätte eine Art Totalübersicht gewinnen können“, indem man die offiziellen Anträge und Abstimmungen ebenso erfaßt hätte wie den Erfolg von Arbeitsbesprechungen in den Ausschüssen oder von Begegnungen außerhalb des organisatorischen Rahmens des Bundestags, kamen aber zu dem Schluß, daß eine solche Übersicht „leider nicht aufzustellen ist“786. Als methodischer Konstruktionsfehler erwies sich außerdem, daß Kralewski und Neunreither ihrer Arbeit wie selbstverständlich das Verständnis von Opposition als konstruktiv arbeitender Parlamentsminderheit zugrunde legten. Nicht überzeugend fiel die Begründung aus, die im „schlichten Bekenntnis des Verfassers“787 Wolfgang Kralewski bestand, daß der Kompromiß ein wesentlicher Bestandteil der modernen demokratischen Verfassung darstelle. Währenddessen deuteten die Autoren die Tätigkeit einer Opposition, die allein Kritik betreibt, ohne die vorzeitige Ablösung der Regierung anzustreben, als eine Störung des Verfassungsgefüges: Da sich solche Fraktionen der Möglichkeit beraubten, ihre Mitglieder in der Ausschußarbeit zu trainieren und die Ausschüsse das wichtigste Instrument der Kontrolle darstellten, gäbe eine solche Fraktion ihre Kontrollfunktion auf, wodurch die Macht der Exekutive zunähme788. Nach diesem Verständnis verminderte nicht die stark kooperative, sondern die extrem kompetitive Strategie die Möglichkeit der Kontrolle. Daß

785 vgl. Jürgen Otto Domes: Das Freiwilligengesetz im Zweiten Deutschen Bundestag. Eine Studie zum Oppositionsverhalten im Landtag (Diss.), Heidelberg 1960. 786 Wolfgang Kralewski, Karlheinz Neunreither: Oppositionelles Verhalten im 1. Deutschen Bundestag 1949-53, S. 31. 787 zit. nach Kralewski/Neunreither, .a.a.O., S. 217. 788 vgl. Kralewski/Neunreither, a.a.O., S. 219. 4 Die Untersuchung 138 etwa die KPD „auch nicht den geringsten Erfolg einer Zusammenarbeit“ verbucht789 hatte, konnten die Autoren vor diesem Hintergrund nur negativ bewerten. Ihre Fixierung auf eine vermeintlich konstruktive Rolle der Opposition kam auch in ihrem offenbar als Rüge verstandenen Urteil zum Ausdruck, die Partei habe von der Regierung Maßnahmen gefordert, „die einfach nicht im Bereich des politisch Möglichen lagen“; die KPD habe den Bundestag bewußt als Plattform zum Entwurf fiktiver Gegenpositionen benutzt, anstatt reale Alternativen zur Regierungspolitik aufzuzeigen790. Zu beachten ist, daß Kralewski und Neunreither zu Beginn der sechziger Jahre noch nicht das methodische Arsenal zur Verfügung stand, das vor allem Dahl der Oppositionsforschung an die Hand gegeben hat. Auch aus diesem Grund taugt ihre Untersuchung nur begrenzt als Vorbild. Spätere, nach Dahls Veröffentlichungen erschienene Untersuchungen sind indes vielfach ebenfalls nicht frei von methodischen Schwächen. Wie die Untersuchung von Kralewski und Neunreither legte auch die 1971 veröffentlichte Arbeit von Kurt Thomas Schmitz791 über die Landtagsarbeit der rheinland-pfälzischen SPD zwischen 1951 und 1963 ein fragwürdiges Verständnis von Opposition zugrunde. So habe die SPD neben der Kritik ihre Aufgabe darin gesehen, „den Wählerwillen dadurch wahrzunehmen, daß sie den Versuch machte, die Politik der Regierung mitzutragen“792. Überdies krankte die Untersuchung an einer Fixierung auf den Schriftverkehr zwischen Fraktion und Landtagsverwaltung. Im Gegensatz zu Kralewski und Neunreither bezog Schmitz zwar auch Ausschußprotokolle in seine Analyse ein. Doch berücksichtigte er weder die Debatten im Plenarsaal noch die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion noch die außerparlamentarischen Aktivitäten der Landespartei. Auch die Presseorgane im Land blieben weitgehend unberücksichtigt, da sich die Landtagsarbeit dort laut Schmitz nur in „erstaunlich gering(em)“ Ausmaß niederschlug793. Thematisch wandte er sich allein der Kulturpolitik, der Selbstverwaltung und dem Landeshaushalt zu. Ein noch engeres Blickfeld wählte Hans-Joachim Veen für seine 1973 veröffentlichte Untersuchung der CDU/CSU-Opposition im 6. Deutschen Bundestag. Die Basis seiner

789 Wolfgang Kralewski, Karlheinz Neunreither: Oppositionelles Verhalten im 1. Deutschen Bundestag 1949-53, Köln und Opladen 1963, S. 71. 790 Kralewski/Neunreither, a.a.O., S. 72. 791 vgl. Schmitz, Kurt Thomas: Opposition im Landtag, Merkmale oppositionellen Verhaltens in Länderparlamenten am Beispiel der SPD in Rheinland-Pfalz 1951-1963 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung), Bd. 82, Hannover 1971, vgl. die ablehnende Kritik Franz Nuschelers in: Oppositionsforschung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 3/1972, Heft 2, S. 255. 792 Schmitz, a.a.O., S. 148. 793 Schmitz, a.a.O., S. 17. 4 Die Untersuchung 139

Analyse ging über die von der CDU/CSU eingereichten Gesetzentwürfe nicht hinaus794 - unbeleuchtet mußten somit sämtliche Versuche der Opposition bleiben, etwa auf außerparlamentarischem Wege oder allein per Öffentlichkeitsarbeit die Wählerschaft zu beeinflussen. Michael Hereth schließlich versäumte es in seiner 1969 erschienenen Analyse der Arbeit der SPD-Bundestagsopposition bis 1960795, Belege für seine These zu präsentieren, wonach die Praxis der parlamentarischen Arbeit des Bundestages nicht vom Umstand einer Parteiregierung ausgehe und damit die Wirkungsmöglichkeiten der Opposition erschwere, die sich diesem Usus anpasse796. Aufschlußreiche und methodisch überzeugende Arbeiten haben dagegen Edwin Czerwick mit seiner Untersuchung der sozialdemokratischen Deutschlandpolitik 1955 bis 1966797, Fabian Peterson mit seiner Schrift über die Oppositionsstrategie der SPD-Führung im deutschen Einigungsprozeß 1989/90798 sowie Hans-Peter Welte mit seiner Arbeit über die Parlamentarisierung der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg beigesteuert. Welte bediente sich unter anderem einer Erhebung unter den Abgeordneten, um die „relativ rasche parlamentarische Integration“799 der Grünen im baden-württembergischen Landtag zu erfassen, und stellte zudem die Wirkungsmöglichkeiten von Oppositionen im Landtag in seine Arbeit ein. Die selbständige Analyse der Arbeit der Fraktion im Landtag blieb indes auf ausgewählte Beispiele begrenzt, weshalb sich die Entwicklung und eventuelle Veränderungen der Oppositionsarbeit im Laufe der Zeit nur bedingt erschließen. In jüngster Zeit haben überdies Dieter Düding und Ludger Gruber die sozialdemokratische Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen zwischen 1966 und 1990 sowie die nordrhein-westfälische CDU-

794 vgl. Veen, Hans-Joachim: Die CDU/CSU-Opposition im parlamentarischen Entscheidungsprozeß. Zur Strategie und zum Einfluß der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der Gesetzgebungsarbeit des 6. Deutschen Bundestages (1969-1972), München 1973, vgl. mit demselben Mangel ders.: Opposition im Bundestag. Ihre Funktionen, institutionellen Handlungsbedingungen und das Verhalten der CDU/CSU- Fraktion in der 6. Wahlperiode 1969-1972, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 113, Bonn 1976, wo Veen seine Untersuchung nochmals darlegt, S. 13, vgl. hierzu die Kritik bei Kimmel, a.a.O., S. 350. 795 vgl. Hereth, Michael: Die parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, München/Wien 1969, vgl. auch die überaus kritische Würdigung Franz Nuschelers in Oppositionsforschung, a.a.O., S. 255. 796 vgl. die Kritik der oben genannten Arbeiten in Schindler, a.a.O., S. 56 ff, und S. 153 f. 797 vgl. Edwin Czerwick: Oppositionstheorien und Außenpolitik, Studien zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Band 27, Königstein/Taunus 1981. 798 vgl. Fabian Peterson: Oppositionsstrategie der SPD-Führung im deutschen Einigungsprozeß 1989/1990. Strategische Ohnmacht durch Selbstblockade?, Hamburg, 1998. 799 Welte, Hans-Peter: Die Parlamentarisierung der GRÜNEN im Landtag von Baden-Württemberg: Eine Bilanz nach drei Wahlperioden (1980-1992), Diss., Frankfurt/1994, S. 163. 4 Die Untersuchung 140

Landtagsfraktion zwischen 1946 und 1980 untersucht800. Da es sich jedoch um geschichtswissenschaftliche Studien handelt, liefern die Arbeiten in ihrer Methodik keine Hinweise darauf, wie die Oppositionsarbeit der Republikaner in Baden-Württemberg unter der Fragestellung dieser politikwissenschaftlichen Studie zu erfassen ist.

4.3.1.2 Die Republikaner in Parlamenten

Der Arbeit der Republikaner in bundesdeutschen Parlamenten haben sich bislang vier Untersuchungen gewidmet, von denen sich drei auch mit den Republikanern im baden- württembergischen Landtag beschäftigt haben. So haben Norbert Lepszy und Hans-Joachim Veen in einer 1994 vorgelegten Studie für die Konrad-Adenauer-Stiftung den Versuch unternommen, das Verhalten der Republikaner auf lokaler und Landesebene sowie im Europaparlament vergleichend unter die Lupe zu nehmen und in bezug zur Arbeit der DVU- Liste D zu setzen801. Aufgrund der unterschiedlichen Methodik der Ebenen der Untersuchung lassen sich kaum valide, vergleichende Aussagen treffen: So fand auf europäischer Ebene eine Aufteilung von Redebeiträgen nach deren Thematik sowie eine Auswertung der Ausschußprotokolle nach Anwesenheit statt. Auf Landesebene dann stellten die Autoren wiederum mehr auf spektakuläre Zwischenfälle ab als auf eine systematische Auswertung der Oppositionsaktivitäten. Ihr Urteil über die Arbeit der Republikaner im Landtag bleibt somit nicht generalisierbar. Schwächen zeigt ebenso das, wenngleich weitaus exaktere, Verfahren von Lüder Meier und Birgit Griese. Sie werteten in ihrer Analyse zwar die Anträge und Anfragen der Fraktion ebenso aus wie Pressemitteilungen und Redebeiträge im Landtag, darüber hinaus analysierten sie die übrigen Aktivitäten von Fraktion und Landesverband802. Auch führten sie Interviews mit Vertretern der jeweiligen Landtagsfraktionen und gewannen auf diese Weise Einblicke. Ihre Darstellung der Anträge und Anfragen der Republikaner beschränkten sie jedoch, sofern sie sich nicht auf Sekundärquellen stützen, auf nur zehn Initiativen aus vier Jahren Oppositionsarbeit. In der Einschätzung dieser Arbeit stützten sich die Autoren zudem unter anderem auf das Urteil von Landtagsabgeordneten der Grünen und der SPD803. Gerade die

800 vgl. Dieter Düding: Volkspartei im Landtag - Die sozialdemokratische Landtagsfraktion in Nordrhein- Westfalen als Regierungsfraktion 1966-1990, Bonn 1998, Ludger Gruber: Die CDU-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen 1946-1980 - eine parlamentshistorische Untersuchung, Düsseldorf 1998. 801 vgl. Lepszy, Norbert/Veen, Hans-Joachim: „Republikaner“ und DVU in kommunalen und Landesparlamenten sowie im Europaparlament, Wiesbaden 1994. 802 vgl. Lüder Meier, Birgit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg 1992-1996, in: Butterwegge u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, S. 209-243. 803 vgl. Lüder Meier, Birgit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg 1992-1996, in: Butterwegge u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, S. 211, S. 234. 4 Die Untersuchung 141 politische Konkurrenz erscheint vor dem Hintergrund des bereits skizzierten Konkurrenzverhältnisses zwischen Regierungs- und mitunter auch den Oppositionsfraktionen untereinander denkbar ungeeignet, die politische Arbeit einer Oppositionspartei zu beurteilen. Somit erfüllt die Analyse von Meier und Griese den Zweck, als Beitrag des 1997 veröffentlichten Sammelbandes zu Rechtsextremisten in Parlamenten die parlamentarische Arbeit der Fraktion im Stuttgarter Landtag in Kürze darzustellen. Eine taugliche Methode zur Analyse bietet sie jedoch nicht. In demselben Sammelband stellen Brigit Griese und Gunther Niermann die Arbeit von Rechtsextremisten in nordrhein-westfälischen Kommunalparlamenten zwischen 1989 und 1994 dar und beschäftigen sich dabei auch mit den Ratsfraktionen der Republikaner in Köln, Dortmund und Hamm804. Auch diese Untersuchung ist aufschlußreich, da sie neben den jeweiligen Initiativen im Rat auch das Kommunalwahlprogramm sowie außerparlamentarische Aktivitäten, etwa im Wahlkampf, berücksichtigt. Zur Übertragung auf den Gegenstand dieser Studie bietet sie sich schon deswegen nicht an, da Griese und Niermann ihre Methodik nicht darlegen. Die von der SPD-Fraktion im Stuttgarter Landtag 1994 vorgelegte Schrift schließlich besitzt eher dokumentarischen als wissenschaftlichen Charakter805. Beispielhaft ist sie indes in ihrer Breite der Darstellung. Berücksichtigt wurden sämtliche bis zum 18. Januar 1994 eingeleiteten parlamentarischen Initiativen der Landtagsfraktion, ferner Gesetzentwürfe, Pressemitteilungen und Redebeiträge im Plenum.

4.3.2 Zusammenfassung und Schlußfolgerung für das Untersuchungsmodell

Den bislang erschienen Arbeiten mangelte es somit vor allem in der Breite des Ausgangsmaterials. Da sich eine der Hauptaufgaben von Opposition, die Kritik, wie bereits dargestellt, weniger an den politischen Gegner als an den Souverän, die Wahlberechtigten, richtet, darf sich eine Analyse der Opposition im Landtag nicht auf das Parlament beschränken. Eine solche Eingrenzung wäre ohnehin nicht möglich, da die parlamentarische Opposition durch die Parteiorganisation und die Medien ebenso außerparlamentarisch wirkt806 - um so mehr, wenn sie eine kompetitive Oppositionsstrategie verfolgt oder sich Mitteln der außerparlamentarischen Opposition bedient807. Verengt sich die

804 Birgit Griese/Gunther Niermann: Rechtsextremisten in nordrhein-westfälischen Kommunalparlamenten, in: Butterwegge u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, S. 147-209. 805 SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hrsg.): Rechtsextremisten im Parlament. Eine Dokumentation über die REPs, Stuttgart 1994. 806 vgl. Kimmel, a.a.O., S. 347. 807 vgl. Veen: Opposition im Bundestag, a.a.O., S. 17, Fußnote 11: „Gerade eine kompetitive Oppositionsstrategie...muß...die Parteiorganisation im ganzen Land in ihre Strategie einbeziehen und auch 4 Die Untersuchung 142

Oppositionsforschung auf das Parlament und klammert die Oppositionspartei sowie deren soziale Basis aus, läßt sie die Möglichkeiten kompetitiver Strategien außer Acht und verkürzt die Frage nach der Mehrheitschance der parlamentarischen Opposition auf ein Problem politischer Institutionen808. Als bequem, aber nicht einleuchtend mutet daher der Standpunkt Hereths an. Da die Opposition ihren Widerspruch direkt in Antwort und im Angriff auf die physisch präsente Regierung vortrage, rechtfertige sich methodisch die Beschränkung der Untersuchung oppositionellen Verhaltens auf die Argumentation im Parlament. Dabei hat er selbst bereits erkannt: „Adressat der oppositionellen Argumentation ist der Wähler der nächsten Parlamentswahl, denn nur er kann durch sein Wahlverhalten der Opposition zu einer Mehrheit im Parlament verhelfen.“809 Aufgrund der eingangs gewonnenen Erkenntnisse über das Wesen von Opposition reicht es deshalb nicht aus, sich etwa auf die Gesetzentwürfe einer Fraktion zu beschränken. Da je nach taktischer Ausrichtung den Aktivitäten außerhalb des Parlaments oder der Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion eine größere Bedeutung zukommen kann als den Vorstößen im Plenum, sind neben den Anträgen, Anfragen und Gesetzentwürfen der Fraktion idealerweise auch die direkt an die Öffentlichkeit gerichteten Veröffentlichungen der Fraktion einzubeziehen. Um die Arbeit der Fraktion in Beziehung zu setzen zu deren ideologischem Ursprung sowie zu der Landespartei, ist zuvor eine Darstellung der Programmatik der Partei erforderlich. Eine vorherige Beschreibung der außerparlamentarischen Aktivitäten tut not, schon allein um nach Darstellung der Arbeit im Parlament die Frage zu beantworten, ob es sich um eine kompetitive oder kooperative Opposition handelt. Um die Motivation der Abgeordneten zu erforschen, bietet sich zudem eine Befragung von parlamentarischen Akteuren an. Die außerparlamentarischen Aktivitäten der Landespartei sowie deren Programmatik sind bereits beschrieben worden. Auf welche Weise aber muß die Auswertung der parlamentarischen und außerparlamentarischen Aktivitäten der Fraktion stattfinden, die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen? Empirisch arbeitende Politikwissenschaftler praktizieren im Bereich in der Parteien- und Parlamentarismusforschung seit jeher eine qualitative Methodologie. Meist fehlt die Einbettung solcher Feldforschung in die Arbeitsweisen der quantitativ forschenden Politikwissenschaftler. Ein Konsens über Aufgabe und Methoden der Politikwissenschaft

von dort aus versuchen, ihre Themen und Begriffe in die öffentliche Diskussion zu tragen, um auch dort der Regierung zu begegnen.“ 808 vgl. Schindler, a.a.O., S. 18. 809 Michael Hereth: Parlamentarische Opposition in Deutschland am Beispiel des Verhaltens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion von 1949-1966, Diss., Nürnberg 1969, S. III-V. 4 Die Untersuchung 143 fehlt810, da weder die Kenntnis der inzwischen ausgearbeiteten qualitativen Methodenlehre noch die Vorstellung, qualitative und quantitative Forschung seien methodisch differenzierte Konkretisierungen derselben forschungslogischen Grundgedanken, in den Politikwissenschaften bislang sonderlich verbreitet sind811. Da die Politikwissenschaft als philosophische Reflexion zumal normativer Fragen politischer Gestaltung entstanden war, griff die Vorstellung, sie sei überhaupt eine empirisch arbeitende Disziplin, nur langsam Raum. Später gesellte sich ihr eine Ausformung der Politikwissenschaft als normativ-rechtswissenschaftliche Staatslehre hinzu. In beiden Fällen war empirische Politikforschung wenig relevant, und die Frage, ob sie eher qualitativ oder quantitativ zu betreiben sei, erübrigte sich812. Empirische Ansätze, etwa die kameralistische Universitätsstatistik als Lehre von Staatsmerkwürdigkeiten oder die Politische Arithmetik, mündeten in wirtschaftswissenschaftliche Disziplinen und in die empirische Sozialforschung. Was eigenständig politikbezogen blieb, war wie die Staatsphilosophie und die Allgemeine Staatslehre nicht in der Lage, empirische Politikforschung zu betreiben, und wies den Gegenstandsbereich der Politikwissenschaft methodisch der geistes- und rechtswissenschaftlichen Hermeneutik zu. Unterdessen befaßte sich vor allem die Geschichtswissenschaft empirisch mit Politik und mit politikwissenschaftlichen Fragen. Auf eine überwiegend philosophisch-normativ, rechtswissenschaftlich oder historisch orientierte Politikwissenschaft mit geisteswissenschaftlichem Empiriebezug traf in den USA etwa um 1950, in der Bundesrepublik etwa Mitte der sechziger Jahre, eine wissenschaftstheoretische und methodologische Innovation. Sie war am logischen Empirismus geschult, glaubte an eine einheitliche Forschungslogik aller Wissenschaften, faßte Politikwissenschaften ausdrücklich als empirische Disziplin auf und betonte die Komplementarität von Theoriebildung und Datenerhebung. Vor allem legte sie Wert auf Quantifizierung und statistische Analyse, legte einen Schwerpunkt auf die Umfrageforschung und benutzte interdisziplinär integrierende Konzepte. Der traditionell philosophisch, rechtswissenschaftlich oder historisch orientierten Politikwissenschaft schienen dabei „Szientismus“ und Positivismus am Werk, gegen deren „Methodenfetischismus“ und „Quantifizierungsobsession“ es klassische Verfahrensweisen und Einsichten zu behaupten galt. Eine weitere Frontstellung zwischen quantitativer Forschung und ihrer qualitativen Gegenposition war errichtet: Quantitativ sei die neuartige, in der Politikwissenschaft sich

810 vgl. Ulrich von Alemann: Methodik der Politikwissenschaft, Stuttgart 1985. 811 vgl. Werner Patzelt: Sozialwissenschaftliche Forschungslogik, München, 1986. 812 vgl. Werner Patzelt: Politikwissenschaft, in Uwe Flick (Hg.): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte und Anwendungen, München 1991. 4 Die Untersuchung 144 methodisch ausbreitende empirische Sozialforschung mit ihren Umfragen sowie quantitativen Inhalts- und Aggregatdatenanalysen, qualitativ sei hingegen die bewährte hermeneutisch- geisteswissenschaftliche Forschung, die schriftliche Primär- und Sekundärquellen aller Art anhand von persönlichem Hintergrundwissen auswertet. Der Positivismusvorwurf wurzelte in einem prinzipiellen wissenschafts-, weil erkenntnistheoretischen Disput, der sich zwangsläufig auf methodische Fragen auswirken mußte. Ende der sechziger Jahre wurde die Politikwissenschaft überdies stark von neomarxistischen Positionen beeinflußt, welche die bis dahin erreichte empirische Orientierung des Faches als affirmativ, ideologisch voreingenommen und der emanzipatorisch-kritischen Aufgabe der Disziplin abträglich denunzierte813. Die Unterscheidung in die eine oder andere Schule hatte zur Folge, daß die Politikwissenschaft laut Alemann einstweilen weder über klare Vorstellungen von qualitativem oder quantitativem Forschungsstil noch über einen einvernehmlichen Methodenbegriff verfügt, geschweige denn über einen Konsens über Einteilung oder Weiterentwicklung ihrer Forschungsmethoden verfügte814. Da sowohl die qualitative als auch die quantitative Analyse mit methodisch bedingten Begrenzungen konfrontiert ist, die im Falle der qualitativen Analyse schon im Fehlen einer einheitlichen Methodik liegen, hat sich indes inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, daß beide Vorgehensweisen nicht nur zuzulassen sind, sondern auch im Rahmen ein- und derselben Untersuchung ihre Berechtigung haben. Aus der Kritik an den quantitativen Ansätzen, denen vorgeworfen worden war, sie würden sich zu stark am Objektivitätsideal der Naturwissenschaften orientieren und relevante gesellschaftliche Zusammenhänge ausblenden, sind zugleich die qualitativen Verfahren der Inhaltsanalyse entstanden. Es wäre vor diesem Hintergrund jedoch falsch, die qualitative Politikforschung erneut als Gegenpol zu den quantitativen Ansätzen entwickeln zu wollen815. In dieser Untersuchung wird sie daher als komplementär-integrativer Bestandteil empirischer Politikforschung verstanden, als die Chance, durch qualitative Datenerhebung und -analyse Einsicht in Gebiete der Politik- und vor allem Parteienforschung zu erlangen, die aufgrund der Datenlage keine alternative Analyse erlauben: Die Praxis politischer Akteure, in diesem Fall die Arbeit der Fraktion der Republikaner im baden-württembergischen Landtag, läßt sich ebensowenig wie das „Wie“ ihrer lebensweltlichen Erfahrung und kontinuierlichen

813 vgl. Werner Patzelt: Politikwissenschaft, in Uwe Flick (Hg.): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte und Anwendungen, München 1991, S. 54 f. 814 vgl. Ulrich von Alemann: Methodik der Politikwissenschaft, Stuttgart 1985. 815 vgl. Werner Patzelt: Sozialwissenschaftliche Forschungslogik, München 1986. 4 Die Untersuchung 145

Rekonstruktion im täglichen Handeln makroanalytisch oder anhand quantitativer Methoden erfassen. Die qualitative Analyse der Daten, die Inhaltsanalyse und anschließend die numerische Darstellung bietet im Fall der Republikaner im baden-württembergischen Landtag währenddessen einen methodisch kontrollierten Zugang zu einem bislang unzugänglich erforschten Ausschnitt der politischen Wirklichkeit. Während die quantitative Analyse von Inhalten der Erhebung von Daten dient, deren Auswertung statistischen Verfahren vorbehalten ist, orientiert sich die qualitative Inhaltsanalyse am interpretativen Paradigma: Orientierte man sich am Verlauf eines konkreten qualitativen Forschungsvorhabens, müßte nach Festlegung des Untersuchungsdesigns und der Erhebung des Materials deren Auswertung folgen. Diese Position nimmt die Inhaltsanalyse bei einem qualitativen Vorgehen ein. Sie dient damit im qualitativen Paradigma der Auswertung bereits erhobenen Material und damit der „Interpretation symbolisch-kommunikativ vermittelter Interaktion in einem wissenschaftlichen Diskurs.“816

4.3.3 Datenbasis

Die Datenlage ist günstig. Die Dokumentationsstelle im Landtag Baden-Württemberg hat sämtliche Redebeiträge von Abgeordneten im Plenum thematisch erfaßt, die Plenarprotokolle sind der Öffentlichkeit zugänglich. Ferner sind in der Dokumentationsstelle die eingereichten Anträge, Anfragen und Gesetzentwürfe der Abgeordneten und derer Fraktionen katalogisiert und archiviert. Ein umfangreiches Register erlaubt dabei eine rasche Orientierung und Bestimmung des einschlägigen Materials. Allein die Protokolle der Sitzungen der Ausschüsse sind auch für Forschungszwecke nicht einsehbar. Zugang ist jedoch möglich zu den Berichten, in denen die Ausschüsse gegenüber dem Plenum den Verlauf ihrer Beratungen schildern und ihre Empfehlung in den an sie verwiesenen Angelegenheiten darlegen. Gleichwohl sind die Unterlagen in begrenztem Maße anonymisiert; die mit ihren Äußerungen in den Beratungen zitierten Ausschußmitglieder werden zwar mit Parteizugehörigkeit, aber nicht mit Namen genannt. Die Pressemitteilungen der Republikaner im Stuttgarter Landtag sowie sonstige Veröffentlichungen der Fraktion sind wiederum in der Fraktionsgeschäftsstelle einzusehen. Laut Hypothese gilt es zu erkunden, in welchem Maße sich die extremistischen Anteile der Republikaner im parlamentarischen Betrieb abschwächten zugunsten moderaterer Positionen des Rechtsradikalismus’, während die Fraktion eine Störung des Absorptionsvermögens von

816 Siegfried Lamnek: Qualitative Sozialforschung, 2 Bde., München und Weinheim 1989, Band 2, S. 168. 4 Die Untersuchung 146 auch von ihr erst geweckten politischen Bedürfnissen durch die übrigen Parteien wahrnahm sowie durch entsprechende kontinuierliche politische Forderungen eine Lücke im Parteiensystem besetzte, zugleich die Palette der von ihr aufgegriffenen Themen erweiterte und sich an die parlamentarischen Gepflogenheiten anpaßte. Angesichts der Datenbasis wurde folgendes Vorgehen gewählt.

4.3.4 Vorgehensweise

4.3.4.1 Qualitative Auswertung der Daten

Die Arbeit bedient sich qualitativer Mittel. Zunächst wurde der Umfang der parlamentarischen Initiativen sowie der Pressemitteilungen der Republikaner und seine Entwicklung im Laufe der Jahre untersucht. Qualitativ wurden die Primärquellen, orientiert an gängigen Ressorts der Landespolitik, aufgeteilt, zugeordnet und numerisch dargestellt, nach den Gebieten:

• Agrarpolitik • Finanzpolitik • Arbeitsmarkt • In eigener Sache/Personalien/Initiativen • Asyl/Ausländer/Flüchtlinge • Innen-/ Kriminalpolitik • Bildung • Kulturpolitik • Bundes-/Internationale Politik • Sozialpolitik • CDU, SPD, FDP, Bündnisgrüne im • Umweltpolitik Landtag, Minister • Drogen-/ Gesundheitspolitik • Verkehrspolitik • EG/ EU • Wirtschaftspolitik • Energiepolitik • Sonstigem817

Diese Kategorisierung bleibt letztlich subjektiv und angreifbar. Der Versuch einer vermeintlich objektiven Aufteilung brächte indes erhebliche methodische Probleme mit sich: Eine Aufteilung gemäß der bundespolitischen Ressorts etwa ließe die Besonderheiten der Landespolitik außer Acht. Eine Aufteilung nach den Gebieten der Landesministerien ignorierte die unterschiedliche Relevanz von Ressorts wie Inneres und Ländlicher Raum, so daß es bei einer scheinbaren Objektivität bleiben müßte818. Da in diesem Fall eine Aufteilung gemäß den Punkten „In eigener Sache“ und „Sonstiges“ unterbliebe, würde zudem ein womöglich beträchtlicher Teil der Arbeit der Republikaner ausgeblendet.

817 vgl. die ähnliche Aufteilung bei Lepszy/Veen, a.a.O., S. 18. 818 vgl. wiederum Lepszy/Veen, a.a.O., S. 18, die bei der Analyse der Redebeiträge der Republikaner im Europaparlament eine Aufteilung „nach klassischen Politikfeldern“ vornehmen wollen, dann aber zwischen Innenpolitik, Sicherheit und Justiz unterscheiden. 4 Die Untersuchung 147

Erforderlich wäre der Versuch einer objektiven Einteilung auch nur, würden die Ergebnisse aus der Untersuchung der Republikaner etwa mit denen anderer Parteien verglichen. Dies wiederum verdiente eine eigene Untersuchung und kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Ihren Zweck, Veränderungen und Entwicklungen der parlamentarischen Arbeit anhand des Sachgebietes sichtbar zu machen, ohne die Initiativen voreilig in bedeutsame und unwichtige zu unterteilen819, erfüllt die Kategorisierung indes vollauf. Um dennoch ein Mindestmaß an Objektivität zu gewährleisten, fand parallel eine zweite Auswertung der parlamentarischen Initiativen durch eine unabhängige Co-Raterin820 statt. Ausgewertet wurden ferner die Plenarprotokolle sowie die Berichte aus den Ausschüssen. Aufgrund der Fülle des Materials angesichts von sechs Jahren Plenarprotokollen und Berichten aus den Ausschüssen war jedoch eine Selektion vonnöten. Während die Plenarprotokolle ausgezählt wurden, war im Falle der Ausschußberichte nur eine qualitative Auswertung anhand ausgewählter Stichproben möglich. Als Orientierung bei der Auswahl dienten das entsprechende Verzeichnis des Landtages über Redebeiträge und parlamentarische Initiativen von Abgeordneten und Fraktionen sowie als Sekundärquelle die baden-württembergischen Tageszeitungen, außerdem das Material des Landesdienstes Südwest (lsw) und der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Eine Totalanalyse ermöglichte die Quellenlage wiederum im Falle der parlamentarischen Initiativen sowie der Pressemitteilungen der Republikaner. Die Auswertung der parlamentarischen Initiativen, welche die Abgeordneten einmal als einzelne Mitglieder des Landtags, einmal als Fraktion einreichten, unterschied dabei nicht nach Personen, sondern ordnete auch die von einzelnen Fraktionsmitgliedern gezeichneten Initiativen der gesamten Abgeordnetengruppe zu. Im Falle der Redebeiträge im Parlament fand unterdessen eine an Personen orientierte Erfassung statt. Ihre Darstellung unterteilte sich wie im Falle der Ausschußunterlagen nach der jeweiligen Legislaturperiode, während die parlamentarischen Initiativen und die Pressemitteilungen der Fraktion dem Jahr ihrer Veröffentlichung zugeordnet wurden. Da die Beschreibung der Arbeit in den Ausschüssen um eine Darstellung der dort behandelten Initiativen nicht umhin kam, sind einzelne Vorstöße der Fraktion sowohl unter dem die parlamentarischen Initiativen behandelnden Abschnitt als auch dem der Ausschußarbeit geltenden Kapitel thematisiert worden. Als parlamentarische Initiativen wurden im folgenden Große, Kleine und Mündliche

819 vgl. Veen: Opposition im Bundestag, a.a.O., S. 65, der etwa „rechtstechnische Korrekturen und ähnliche Vorlagen ohne politische Relevanz“ sowie „wichtige, aber sachlich notwendige Fristenverlängerungen“ unterscheidet. 820 für die freundliche Unterstützung von Dr. Panagiota Stavrianidou bedanke ich mich. 4 Die Untersuchung 148

Anfragen, Anträge und Haushaltsänderungsanträge sowie Gesetzentwürfe verstanden. Anträge auf Aktuelle Debatten wurden thematisch ebenfalls als parlamentarische Initiative ausgewertet, wenngleich sie im technischen Sinne Redebeiträge darstellten, da ihnen keine schriftlichen Eingaben der Fraktion vorausgingen.

4.3.4.2 Darstellung des Umfeldes und der Instrumente einer Landtagsopposition

Um die Arbeit einer oppositionellen Fraktion in einem Landtag angemessen zu beurteilen, ist schließlich zunächst ein kurzer Überblick darüber zu erstellen, von welchen Faktoren die Arbeit einer solchen Fraktion geprägt und welche Instrumente ihr in ihrer Arbeit zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt aus diesem Überblick ergibt sich der Rahmen, in dem die Arbeit der Republikaner als Oppositionsfraktion im Landtag stattgefunden hat und zu bewerten ist. Wenn sich der politische Hintergrund ihrer Arbeit aus den Ausführungen zu Bundes- und Landespartei ergibt und der theoretische Hintergrund aus den Ausführungen zu Wesen und Funktion von Opposition hervorgeht, so stellt der Überblick über das Umfeld und die Instrumente einer Landtagsopposition den institutionellen Hintergrund dar.

4.3.4.3 Fragestellung innerhalb des Untersuchungsdesigns

Daß die Republikaner eine Wählerschaft gewonnen und eine dauerhafte Präsenz im Landtag entwickelt haben, ist durch ihre erneute Wahl in den Landtag bereits offenkundig geworden. Diese Entwicklung ist bereits dargestellt worden. Die übrigen Kriterien für eine Etablierung und Entwicklung hin zum Rechtsradikalismus sind angesichts der eingangs getroffenen Definitionen, aufgrund der Hypothese und der Vorgehensweise dieser Arbeit zu überprüfen. Die Analyse der parlamentarischen Initiativen, aber auch der Presseerklärungen, der Reden im Plenum und der Arbeit in den Ausschüssen gibt Aufschluß darüber, ob und inwieweit eine Entwicklung in Richtung Rechtsradikalismus stattgefunden hat. Ein Anhaltspunkt ist die Frage, ob die Republikaner in der Radikalität ihrer Vorstöße und in deren Duktus zum Beispiel in aggressiver Weise die Menschenwürde von Ausländern angreifen und mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbare Bestrebungen erkennen lassen, oder ob eine Abschwächung der extremistischen Anteile im parlamentarischen Betrieb und eine Verstärkung moderaterer Positionen des Rechtsradikalismus’ entsprechend der eingangs vorangestellten Definition festzustellen ist. Ein Anhaltspunkt ist ferner, ob sich die Vorstöße in der Regel Themengebieten zuordnen lassen, die zum angestammten Terrain rechtsextremistischer Parteien zählen, oder ob eine Auffächerung der Themenpalette zu 4 Die Untersuchung 149 konstatieren ist. Ob die Fraktion gemäß Definition von Etablierung eine Störung des Absorptionsvermögens der übrigen Parteien wahrnimmt, zeigen die durch qualitative Analyse ermittelten thematischen Schwerpunkte in der Arbeit der Fraktion sowie der zeitliche Zusammenhang entsprechender Initiativen mit den Vorstößen anderer Fraktionen. Nehmen die übrigen Parteien eine Initiative der Republikaner auf, so ist nicht nur davon auszugehen, daß die Republikaner eine Lücke im politischen Angebot der übrigen Parteien besetzt haben, sondern auch, daß sie ihre Position in dieser Frage etabliert haben, daß ihre Position gesellschaftsfähig geworden ist. Der Auswertung vor allem der Plenarprotokolle und der Ausschußberichte bleibt wiederum die Klärung der Frage vorbehalten, ob die Hypothese insoweit zutrifft, daß sich die Republikaner zunehmend in den parlamentarischen Gepflogenheiten üben und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Zudem ist zu klären, in welchem Maße die Republikaner das parlamentarische Instrumentarium nutzen. Bestehen innerhalb der Fraktion klare Zuständigkeiten, innerhalb derer die Republikaner die Interessen ihrer Wähler auf sämtlichen Feldern der Landespolitik wahrnehmen wollen, oder handelt es sich um eine Fraktion, in der eine solche Arbeitsteilung nicht erkennbar ist? Ist festzustellen, daß sich das von der Fraktion genutzte Instrumentarium im Laufe der Zeit vergrößert oder verfeinert? Entwickelt die Fraktion einen gleichbleibend hohen Ausstoß an Initiativen, Redebeiträgen und öffentlichen Äußerungen oder stellt sich im Laufe der Zeit eine Veränderung ein? Unabhängig von der Frage der Etablierung und der Entwicklung in Richtung Rechtsradikalismus ist darüber hinaus die Frage zu beantworten, ob die Republikaner im Stuttgarter Landtag eine kompetitive oder eine kooperative Opposition betreiben. Verlegen sie ihre Aktivitäten eher außerhalb des Parlaments und wenden sich direkt an die Wählerschaft, während sie das Plenum und ihre Vorstöße vor allem dazu nutzen, sich programmatisch zu präsentieren? Oder konzentrieren sie ihre Arbeit auf den parlamentarischen Betrieb und bemühen sich nach Möglichkeit um Teilnahme am Gesetzgebungsprozeß? 5 Darstellung der Ergebnisse 150

5 Die Arbeit der Republikaner im Landtag - Darstellung der Ergebnisse

5.1 Das Umfeld für Oppositionsparteien in Landtagen

Bereits seit längerem sehen sich die Landesparlamente in den Bundesländern einer „bedingten Entmachtung“821 gegenüber. Da der Bund seine Kompetenzen im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung auf Landesebene zunehmend ausgedehnt hat, ist seit den sechziger Jahren eine Reduktion der legislativen Befugnisse der Landesparlamente zu beobachten822. Ausschließlich zuständig sind die Landtage nurmehr für Kultur, Kommunalrecht, Polizei- und Ordnungsrecht. Dennoch übertrieben ist die Einschätzung, der faktische Charakter der Länder als autonome Verwaltungsprovinzen lasse für Programme im klassischen Sinne keinen Raum, da es etwa keinen christdemokratischen Straßenbau und keine sozialdemokratische Wasserwirtschaft gebe823. Denn schon in der Ansicht zu der Frage, inwieweit Straßenbau überhaupt notwendig ist, schlagen sich unterschiedliche verkehrspolitische Positionen der Parteien auch auf Landesebene nieder. Gleichwohl setzt die Verminderung der Legislativbefugnis der Opposition in den Landtagen stärker zu als der Regierungsmehrheit. Im Zuge der Verringerung der Kompetenzen der Landtage hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern intensiviert824. Deren Regierungen wirken über den Bundesrat wiederum aktiv an der Bundesgesetzgebung mit. Die Oppositionsparteien in den Landtagen befinden sich dagegen in einer doppelt ungünstigen Position. Das Landesparlament, in dem sie arbeiten, ist in seinen Kompetenzen eingeschränkt, und anders als die Regierungsfraktionen vermögen sie mit parlamentarischen Mitteln keinen direkten Einfluß auf den Bundesrat auszuüben825. In der Öffentlichkeit verschaffen „der für die Länder typische Vorrang der Verwaltungsaufgaben wie die Landesaufsicht über die Gemeinden“ sowie das Privileg des Sitzes im Bundesrat der

821 Welte, a.a.O., S. 80. 822 vgl. ebenda. 823 so argumentiert Wilhelm Hennis: Parlamentarische Opposition und Industriegesellschaft, in Schumann: Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S. 105, vgl. ebenfalls sehr kritisch zu den Einflußmöglichkeiten der Landtagsopposition Manfred Friedrich: Parlamentarische Opposition in den deutschen Bundesländer, in Euchner: Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, a.a.O., S. 77-83. 824 vgl. Klaus von Beyme: Das politische System der Bundesrepublik nach der Vereinigung, 6. Auflage, München 1991, S. 335 ff. 825 vgl. Manfred Friedrich: Parlamentarische Opposition in den deutschen Bundesländern, in Euchner: Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, S. 77. 5 Darstellung der Ergebnisse 151

Landesregierung somit einen Prestigevorsprung, den die oft als farblos empfundene Opposition nur schwer aufzuholen vermag826. Als Oppositionsfraktion im Landtag sahen sich die Republikaner überdies mit dem Phänomen der Präponderanz der Verwaltung gegenüber Kabinett und Parlament konfrontiert, das die Ministerialbürokratie zuweilen wie eine Regierung fungieren läßt827. Von ihr und nicht von Kabinett oder Parlament geht etwa die Initiative zu den Haushaltsplänen aus, sie veranlaßt gemeinsam mit der Regierung die meisten Gesetze und nutzt die Gesetzgebung auch als Mittel, sich zusätzliche Ermächtigungen zu schaffen. So wurden bisweilen bereits Überlegungen angestellt, ob nicht weniger von einer Kontrolle der Bürokratie als vielmehr von einer Kontrolle durch die Bürokratie gesprochen werden müsse828. Dies gilt um so mehr für Landtagsabgeordnete, die ihr Mandat anders als Bundestagsabgeordnete zumindest offiziell ehrenamtlich und gegen Zahlung von Sitzungsgeld und Aufwandsentschädigungen wahrnehmen. Während zudem die Republikaner als parlamentarische Debutanten über keinerlei Kontakt zur Ministerialbürokratie verfügten, hatte hingegen vor allem die CDU- Fraktion im Stuttgarter Landtag als langjährige Regierungspartei über einen beträchtlichen Zeitraum bereits über die Besetzung politischer Positionen gewacht und war entsprechend geübt im Umgang mit den Ministerialbeamten. Den Angehörigen der Regierungsparteien steht bei der Arbeit der gesamte Ministerialapparat zur Verfügung. Für eine soeben in den Landtag eingezogene Opposition kann sich indes schon die Formulierung von Änderungsanträgen als schwierig erweisen, wenn sachkundige juristische Beratung fehlt829. Vor diesem Hintergrund kann die Arbeit der Republikaner im Stuttgarter Landtag als zusätzlich erschwert gelten.

826 vgl. Manfred Friedrich: Parlamentarische Opposition in den deutschen Bundesländern, in Euchner: Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, a.a.O., S. 80. 827 vgl. ausführlich Thomas Ellwein (Hg.): Politik - Regierung - Verwaltung, Stuttgart 1966 ff., Band III/1 (Regierung und Verwaltung). 828 vgl. Thomas Ellwein: Kontrolle der Bürokratie oder Kontrolle durch die Bürokratie?, in: Probleme der Demokratie heute, Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 2/1970, S. 170-179. 829 vgl. Kralewski/Neunreither, a.a.O., S. 215. 5 Darstellung der Ergebnisse 152

5.2 Das Instrumentarium der Republikaner-Fraktion in Baden- Württemberg

Gleichwohl räumte die Landesverfassung und die Geschäftsordnung des Landtags den Republikanern vielfältige Möglichkeiten ein, Opposition zu betreiben830: Als Fraktion besaßen die Republikaner das Vorschlags- oder Besetzungsrecht in zahlreichen Personalfragen, etwa bei Besetzung der Landtagsausschüsse, deren Vorsitz sowie des Parlamentspräsidiums. Daneben hatten sie Rederecht im Plenum, was vor allem die Gelegenheit zur Erzeugung kritischer Publizität bot. Die Republikaner konnten außerdem die Infrastruktur des Parlaments für ihre Öffentlichkeitsarbeit nutzen und dank ihrer relativen personellen Stärke gemäß Geschäftsordnung Gesetzentwürfe aus der Mitte des Landtages einbringen. Auch durften sie Große Anfragen an die Landesregierung stellen und Aktuelle Debatten beantragen. Besonders die Instrumente der Großen Anfrage samt deren Besprechung im Plenum, bei der laut Geschäftsordnung „einem der Unterzeichner der Großen Anfrage das Schlußwort zu(steht)“831, sowie der Aktuellen Debatte, von denen die Republikaner je Sitzungswoche eine beantragen konnten832, ermöglichten die Selbstdarstellung und die öffentliche Kritik an der Regierung. Ferner konnte sich die Fraktion des gleichermaßen publikumswirksamen wie überraschungsträchtigen Dringlichkeitsantrags bedienen, den das Landtagspräsidium laut Geschäftsordnung auf die Tagesordnung bereits der nächsten Sitzung zu setzen hatte833. Den einzelnen Fraktionsmitgliedern stand es zudem frei, sich per Mündlicher Anfrage in der zumindest einmal im Monat stattfindenden Fragestunde des Parlaments oder per Kleiner Anfrage an die Landesregierung zu wenden. Darüber hinaus waren die Republikaner in den Ausschüssen des Parlaments vertreten, wenngleich sie wie alle kleinen Parteien unter dem Nachteil litten, mangels Personal die Themengebiete nicht annähernd stark auffächern zu können wie die großen Fraktionen. Theoretisch eröffnete die Geschäftsordnung des Landtages den Republikanern im Verein mit Abgeordneten anderer Fraktionen darüber hinaus die Möglichkeit des konstruktiven Mißtrauensvotums, das Recht, die Anwesenheit eines jeden Regierungsmitglieds im

830 vgl. im folgenden Art 58 ff. der Landesverfassung Baden-Württembergs sowie § 17-19 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg, in Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 11, 1992/96, Rheinbreitbach 1995. 831 Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg in der Fassung vom 1. Juni 1989, geändert durch Beschluß vom 9. Dezember 1992, in: Landtag von Baden-Württemberg, Volkshandbuch, Wahlperiode 12, a.a.O., S. 154. 832 vgl. ebenda, S. 152. 833 vgl. Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg in der Fassung vom 1. Juni 1989, geändert durch Beschluß vom 9. Dezember 1992, in Landtag von Baden-Württemberg, Volkshandbuch, Wahlperiode 12, a.a.O., S. 150. 5 Darstellung der Ergebnisse 153

Parlament oder im Ausschuß zu verlangen, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einzusetzen sowie öffentliche Anhörungen von Sachverständigen und Interessenvertretern in den Fachausschüssen zu veranlassen834.

5.3 Parlamentarische Initiativen

Tabelle 5.3 Darstellung der parlamentarischen Initiativen 1992-1997835

Parlamentarische Initiativen Gebiet Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr 1992 1993 1994 1995 1996 1997 % % % % % % Agrarpolitik 3,7 4,2 4,3 3,2 11,2 5,2 Arbeitsmarkt 2,5 1,8 1,3 1,3 1,6 1,4 Asyl/Ausländer/Flüchtlinge 28,4 18,2 10,0 10,2 13,4 15,0 Bildung 3,7 3,6 3,0 3,2 3,3 5,2 Bundes/Internationale Politik 3,7 4,8 2,2 1,9 3,3 2,3 CDU,SPD,FDP,Bündnis 90/Die 4,9 4,8 4,3 7,1 2,2 3,8 Grünen im Landtag/Minister Drogen-/Gesundheitspolitik 6,2 4,8 4,3 5,1 3,9 2,6 EG/EU 1,3 1,2 4,3 2,3 3,9 2,3 Energiepolitik 0 0 2,1 1,9 2,8 0,5 Finanzpolitik 4,9 1,8 3,0 5,5 10,1 6,6 In eigener Sache 1,3 1,2 0,8 1,6 0 1,1 Innen- und Kriminalpolitik 16,0 19,8 26,9 15,2 19,0 28,1 Kulturpolitik 3,7 4,2 3,0 2,3 2,7 4,9 Sozialpolitik 12,3 10,9 9,1 6,3 3,3 7,8 Umweltpolitik 1,3 6,1 8,6 10,2 5,6 2,6 Verkehrspolitik 4,9 7,2 6,5 7,1 6,1 5,5 Wirtschaftspolitik 0 5,4 5,7 6,3 7,3 4,3 Sonstiges 1,3 0,6 0 0 0 0,2 Gesamt (absolut) 81 165 230 253 179 345

834 vgl. Welte, a.a.O., S. 81 ff. 835 die in Kapitel 5 folgenden Angaben entsprechen der Auswertung des Verfassers anhand der Auskunft der Dokumentationsstelle des Landtags vom 3. März 1998 über die Initiativen der Landtagsfraktion. Die Zahl der Initiativen kann im folgenden von der von der Dokumentationsstelle im Landtag archivierten differieren, da die Datenverarbeitung der Dokumentationsstelle mehrseitige Eingaben der Fraktionen zuweilen als verschiedene Initiativen erfaßt, zit. nach Auskunft von Dokumentarin Ingeborg Holzner vom 30. August 1999. 5 Darstellung der Ergebnisse 154

5.3.1 Elfte Legislaturperiode

5.3.1.1 Initiativen im Landtag 1992

Zwischen dem 10. Juni und dem 10. Dezember 1992 unternahmen die Republikaner 81 parlamentarische Initiativen. Sie reichten 59 Anträge und Anfragen, 21 Haushaltsänderungsanträge sowie einen Gesetzentwurf ein. Landesvorsitzender Christian Käs hatte im November 1991 die „Lösung des Problems multikulturelle Gesellschaft“ durch Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, die Innere Sicherheit und die neue soziale Frage als Schwerpunkte einer eventuellen Arbeit im Landtag bezeichnet836. Währenddessen skizzierte Rolf Schlierer nach seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden die künftigen Schwerpunkte der Arbeit seiner Fraktion mit Innerer Sicherheit, der zweigeteilten Laufbahn für die Polizei und der Ausländerpolitik. Wie die Auswertung ergibt, war die Arbeit der Fraktion im ersten Jahr im Parlament eindeutig bestimmt von der Ausländerpolitik. 23 Initiativen galten diesem Gebiet. 13 Initiativen beschäftigten sich mit der Innen- und Kriminalpolitik, zehn mit Belangen der Sozialpolitik. Zahlreiche Vorstöße verknüpften Fragen der Sozialpolitik mit denen der Ausländerpolitik. So beantragten die Republikaner im Juni, „Wohnungssuchende bevorzugt zu berücksichtigen, die Deutsche im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes sind oder als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaften unter das Aufenthaltsgesetz/EWG fallen.“837 Bei der Beratung im Parlament Mitte November löste die Initiative eine scharfe Kontroverse aus. Die übrigen Parteien nannten den Vorstoß ausländerfeindlich und lehnten dessen Überweisung in den Wirtschaftsausschuß ab838. Per Dringlichkeitsantrag begehrte die Fraktion die Abschiebung krimineller Asylbewerber839. Darüber hinaus ersuchte sie die Landesregierung im August um eine Aufstellung der halbjährlichen Kosten seit 1990 für Sozialhilfe, Wohngeld und der Schäden durch Straftaten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Asylbewerbern in Baden- Württemberg840. Wenige Tage später erkundigte sich Rolf Schlierer per Kleiner Anfrage nach den je nach Halbjahren aufgeschlüsselten Zahlen der Flüchtlinge, die seit 1987 in Baden-

836 zit. nach Stuttgarter Nachrichten, 28. November 1991. 837 Landtagsdrucksache 11/62. 838 vgl. Heilbronner Stimme, 13. November 1992. 839 vgl. Drs. 11/431. 840 vgl. Drs. 11/348. 5 Darstellung der Ergebnisse 155

Württemberg eingereist seien841. Initiativen startete die Fraktion außerdem zur Unterbindung des Mehrfachbezugs von Sozialhilfe durch Flüchtlinge842 sowie zur Aufhebung eines Duldungserlasses des Innenministers vom 12. August 1991 und zur Ausweisung der in Genuß dieses Erlasses gekommenen Asylbewerber843. Eine aktuelle Debatte im Landtag veranlaßten die Republikaner zur Frage des vermeintlichen Unterbringungsnotstands in Städten und Gemeinden des Landes infolge der Zuweisung von Asylbewerbern844. Im September 1992, zwei Tage, nachdem die Regierungskoalition eine Bundesratsinitiative zur Asylpolitik beschlossen hatte, präsentierten die Republikaner einen eigenen Vorstoß, der die ersatzlose Streichung des Grundrechts auf Asyl im Grundgesetz vorsah. Die Fraktion plädierte dafür, das Grundrecht durch ein einfaches Gesetz zu ersetzen sowie ein „Zuwanderungs-Begrenzungs-Gesetz“ zu erlassen, „mit dem jede weitere Einwanderung von Ausländern in die Bundesrepublik untersagt wird, solange deutschstämmige Aussiedler die Aufnahme in die Bundesrepublik begehren“. Darüber hinaus solle ein „Grenzsicherungs-Gesetz“ ergehen, welches Bundeswehr und Bundesgrenzschutz damit beauftrage, „die Schlepperkriminalität ohne Bau von Mauern oder Stacheldraht wirksam zu bekämpfen“845. Bereits zuvor hatte sich Fraktionsmitglied Ulrich Deuschle per Anfrage nach den Bemühungen um eine Änderung des Grundgesetzes erkundigt846. Asylbewerber und deren Unterkünfte gaben Anlaß zu Vorstößen in den verschiedensten Variationen. So kündigte Rolf Schlierer im Oktober an, im Landtag „den Zusammenhang zwischen der Zersiedlung und der Massenzuwanderung“847 beleuchten zu wollen, ohne indes eine entsprechende parlamentarische Initiative folgen zu lassen. Der Abgeordnete Willi Auer begehrte Auskunft über die Gewalt in Sozial- und Ausländerämtern durch Asylbewerber848 sowie über die Namen der Fluggesellschaften, welche Personen ohne gültige Grenzübertrittspapiere transportiert hatten849. Zudem erkundigte er sich in einer Kleinen Anfrage nach der drohenden Gefahr der „illegalen Einschleusung von rund 180.000 Menschen durch eine Asyl- und Schwarzarbeitermafia in der Türkei“ und nach dem Umfang

841 vgl. Drs. 11/392. 842 vgl. Drs. 11/948. 843 vgl. Drs. 11/359. 844 vgl. PlPr. 11/9, S. 518. 845 zit. nach Stuttgarter Nachrichten, 18. September 1992. 846 vgl. Drs. 11/48. 847 zit. nach Heilbronner Stimme, 12. Oktober 1992. 848 vgl. Drs. 11/943. 849 vgl. Drs. 11/501. 5 Darstellung der Ergebnisse 156 des volkswirtschaftlichen Schadens850. Ulrich Deuschle fragte die Landesregierung unter anderem, ob ausländische Geheimdienste versuchten, Asylbewerber in Baden-Württemberg als Mitarbeiter zu rekrutieren851. Sein Fraktionskollege Michael Herbricht warf die Frage einer eventuellen Gesundheitsgefährdung durch tuberkulosekranke Asylbewerber auf852, und der Abgeordnete Rolf Wilhelm wollte nach dem ausländerfeindlichen Pogrom in Rostock- Lichtenhagen wissen, ob sich Nachbarn der Asylbewerber-Unterkunft über die Zustände in und um das Gebäude beschwert hätten und welche Maßnahmen nach Ansicht der Landesregierung präventiv zu ergreifen seien853. Max Reimann begehrte wiederum zu wissen: „Was unternimmt die Landeregierung, um die Kommunen dazu zu veranlassen, das Müllaufkommen in Asylbewerber-Sammelunterkünften zu verringern?“ Außerdem: „In wieviel Fällen kam es durch unsachgemäße Ablagerung von Müll in den Sammelunterkünften des Landes zu Krankheitsfällen, etwa durch auftretendes Ungeziefer?“854 Während die Fraktion auf der einen Seite eine Verringerung der Zahl der Asylbewerber anstrebte und die durch Flüchtlinge verursachten Kosten mindern wollte, setzte sie sich auf der einen Seite für die Belange von Aussiedlern ein und plädierte dafür, die Mittel zur Eingliederung junger Aussiedler aufzustocken855. Einen zweiten, wenngleich geringer ausgeprägten Schwerpunkt der parlamentarischen Initiativen der Fraktion 1992 bildete das Gebiet der Innen- und Kriminalpolitik. Wie im Falle der Sozialpolitik fand auch in diesen Fragen oftmals eine Verbindung mit den Themen Ausländer und Asyl statt. So begehrte Liane Offermanns in einer Kleinen Anfrage zur Bandenkriminalität an Schulen jeweils Auskunft über die Zahl der beteiligten nicht-deutschen Tatverdächtigen sowie deren Differenzierung nach ihrem aufenthaltsrechtlichen Status856. Nach einer Beteiligung nicht-deutscher Tatverdächtiger erkundigte sich die Abgeordnete auch in ihrer Kleinen Anfrage zum Drogenhandel an Schulen857. Das Bundesland Baden- Württemberg sahen die Republikaner in besonderem Maße durch ausländische Straftäter bedroht. Baden-Württemberg scheine der Karpfenteich geworden zu sein, in dem sich mafiose Hechte nach Belieben tummeln könnten858.

850 vgl. Drs. 11/500. 851 vgl. Drs. 11/339. 852 vgl. Drs. 11/381. 853 vgl. Drs. 11/412. 854 vgl. Drs. 11/368. 855 vgl. Drs. 11/1209-35. 856 vgl. Drs. 11/287, vgl. auch Offermanns Vorstoß zur Gewalt an Schulen, Drs. 11/987. 857 vgl. Drs. 11/288. 858 vgl. Heilbronner Stimme, 27. August 1992. 5 Darstellung der Ergebnisse 157

Wie Rolf Schlierer nach seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden angekündigt hatte, setzten sich die Republikaner darüber hinaus für die Einführung einer zweigeteilten Polizeilaufbahn ein. Auch diese Frage wurde mitunter parallel zum Thema Ausländer beziehungsweise Ausländerkriminalität aufgeworfen. So erkundigte sich die Fraktion bei der Landesregierung in einer Großen Anfrage nach den Gründen für die Verweigerung einer zweigeteilten polizeilichen Laufbahn sowie zugleich nach der Entwicklung des Anteils von nicht deutschen Tatverdächtigen in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik859. Auch abseits der Ausländerpolitik aber versuchte die Fraktion in mehreren Initiativen, die Interessen der Polizei zu wahren. Der ehemalige Polizeibeamte Heinz Troll frug zum Beispiel in einer Kleinen Anfrage, ob sich Ausnahmen im Qualifizierungsprogramm für den gehobenen Polizeidienst ermöglichen ließen, um auch Beamten in einem Alter von über 55 Jahren die Teilnahme zu ermöglichen860. Polizeihauptmeister Rolf Wilhelm erkundigte sich währenddessen nach den derzeit geplanten Bauvorhaben für die Polizei861. Initiativen, die sich mit dem Thema Ausländer oder Kriminalität in Verbindung bringen ließen, bildeten 1992 knapp die Hälfte der Eingaben. Mit Kleinen Anfragen zu den Ursachen des Rückgangs der Bauernhöfe im Land862 und zu der Reise einer Landtags-Delegation zu den Olympischen Spielen nach Barcelona863 versuchte die Fraktion auch auf anderem Gebiet, vermeintliche politische Mißstände aufzudecken und anzuprangern. In den Beratungen zum zweifachen Haushaltsplan der Landesregierung für die Jahre 1993 und 1994 im Dezember legten die Republikaner 21 Änderungsanträge vor. Unter anderem forderten sie darin eine Reduktion der Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung, eine Verstärkung der Anstrengungen zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung sowie die Bereitstellung von Geld für die Werbung von Pflegekräften. Nach dem Willen der Republikaner sollte der Anteil der Schwerbehinderten unter den Beschäftigten erhöht und die Mittel für Behindertenarbeit aufgestockt werden. In die Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres sollte ebenso mehr Geld fließen wie in die Integration junger Aussiedler. Sinken sollten dagegen die Aufwendungen für Expertisen von Gutachtern und Sachverständigen sowie für den Straßenbau864.

859 vgl. Drs. 11/266. 860 vgl. Drs. 11/416. 861 vgl. Drs. 11/413. 862 vgl. Drs. 11/314. 863 vgl. Drs. 11/122. 864 vgl. Drs. 11/1202-1213. 5 Darstellung der Ergebnisse 158

Ihren ersten Gesetzentwurf brachten die Republikaner im Dezember 1992 ein. Darin beanspruchten sie mehr Einfluß auf die Berichterstattung des Süddeutschen Rundfunks. Nach dem Willen der Fraktion sollte der Rundfunkrat um 22 direkt gewählte Vertreter erweitert werden, den Intendanten der Anstalt sollte das Gremium zu Richtigstellungen und zur „Rehabilitation“ verpflichten können, wenn „verfälscht“ oder „grob entstellt“ berichtet worden sei865. Der Antrag wurde abgelehnt. Zuweilen reichten die Republikaner binnen kurzem mehrere Initiativen zum selben Thema oder auch zur selben Frage ein. So verlangte Rolf Schlierer am 10. September 1992 Auskunft über die Zahl und die Nationalitäten der nach illegaler Einreise am Flughafen Stuttgart ermittelten Personen866. Tags darauf reichte er dieselbe Anfrage nochmals ein, diesmal die Landesgrenzen betreffend867. Wenige Tage zuvor hatte sich Michael Herbricht per Kleiner Anfrage nach der Zahl der in Baden-Württemberg lebenden Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien erkundigt868. Wenige Wochen später stellte Richard Eckert dieselbe Frage aufs neue869. Im ersten Jahr ihrer Zugehörigkeit zum Landtag fehlte der Fraktion der Republikaner somit noch die nötige interne Abstimmung, um überzeugend auftreten zu können.

5.3.1.2 Initiativen im Landtag 1993

1993 entwickelte die Fraktion 165 parlamentarische Initiativen, und zwar 153 Anfragen und Anträge, neun Haushaltsänderungsanträge sowie drei Gesetzentwürfe. Im zweiten Jahr ihrer Zugehörigkeit zum Landtag legten die Republikaner den Schwerpunkt bei ihren parlamentarischen Initiativen neben dem Themenkomplex Asyl/Ausländer/Flüchtlinge vor allem auf die Innen- und Kriminalpolitik. Zu diesem Gebiet unternahmen sie 31 Vorstöße, einen mehr als in der Ausländerpolitik. In der Innen- und Kriminalpolitik kümmerten sich die Republikaner zum einen um die Belange der Sicherheitsbehörden im Land. Sie stellten eine Kleine Anfrage zum Modellversuch der Einführung einer fünften Dienstgruppe in der baden-württembergischen Polizei870, forderten „leistungsbezogene Beförderungsperspektiven im mittleren Polizeivollzugsdienst“871, begehrten Auskunft über die Nachwuchslage und über die

865 zit. nach. Heilbronner Stimme, 8. Dezember 1992. 866 vgl. Drs. 11/432. 867 vgl. Drs. 11/448. 868 vgl. Drs. 11/380. 869 vgl. Drs. 11/788. 870 vgl. Drs. 11/1019. 871 Drs. 11/1338. 5 Darstellung der Ergebnisse 159 personelle Situation im Justizvollzugsdienst872 und setzten sich für eine Bestandssicherung der Jugenddezernate der Polizei ein873. Zum anderen brachten sie Initiativen zur Bekämpfung von Kriminalität ein. Meist setzten die Vorstöße Kriminalität erneut in Bezug zu Ausländern, womit sich das quantitative Übergewicht kriminalpolitischer Vorstöße gegenüber ausländerpolitischen Initiativen relativiert. So begehrte die Fraktion Informationen über die Kriminalitätslage in und um Asylbewerbersammellager874 im allgemeinen und über die Kriminalität von Ausländern und Asylbewerbern im Kreis Heilbronn im besonderen875, ferner Auskunft über Gewalttaten von Kurden876 und über die Zahl untergetauchter Asylbewerber877. Zudem frug die Fraktion nach „gewalttätigen Übergriffen von Ausländern auf die deutsche Bevölkerung“878, und der Abgeordnete Klaus Rapp erkundigte sich nach der Zahl der „vorgetäuschten fremdenfeindlichen Straftaten“879. Den Übergriffen auf Asylbewerber wollte die Fraktion währenddessen durch eine Verpflichtung der Träger der Unterkünfte zu regelmäßigen Brandschauen beikommen880. Die Behauptung eines Rechtsanwalts, in schwäbischen Weinstuben würden bei Razzien dieselben Mengen Rauschgift gefunden wie in afrikanischen Restaurants, veranlaßte wiederum Horst Trageiser zu einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung881. Zu den Vorstößen, die nicht mit dem Thema Ausländer in Verbindung standen, zählte eine Initiative zur Erhöhung der Sicherheit von Zugbegleitern882. Zuweilen legten die Republikaner dabei zur Innen- und Kriminalpolitik Initiativen in Fragen vor, zu denen zuvor bereits die CDU Vorstöße unternommen hatte, so im Falle ihres Antrags zur grenzüberschreitenden Kriminalität seit Wegfall der Grenzkontrollen zwischen Deutschland, der Schweiz und Frankreich883 sowie im Falle des Antrags auf Ergänzung des Strafgesetzbuches um den Tatbestand der Organisierten Kriminalität884.

872 vgl. Drs. 11/2615. 873 vgl. Drs. 11/2943. 874 vgl. Drs. 11/2235. 875 vgl. Drs. 11/2011. 876 vgl. Drs. 11/2167. 877 vgl. Drs. 11/2406. 878 Drs. 11/2067. 879 Drs. 11/2541. 880 vgl. Drs. 11/2569. 881 vgl. Drs. 11/1467. 882 vgl. Drs. 11/2312. 883 vgl. Drs. 11/2416, vgl. den Antrag des Christdemokraten Helmut Rau vom 29. März 1993, Drs. 11/1648. 884 vgl. Drs. 11/3008. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger hatte denselben Antrag bereits zwei Monate zuvor eingebracht, vgl. Drs. 11/ 2576. 5 Darstellung der Ergebnisse 160

Darüber hinaus beschäftigte sich die Fraktion mit der Bekämpfung des politischen Extremismus und dem Verhalten von Landesregierung sowie von Sicherheits- und Verfassungsschutzbehörden. Nach dem Anschlag auf das Tübinger Fraktionsmitglied Karl- August Schaal beantragte die Fraktion eine Aktuelle Debatte über die Gefährdungslage von Landtagsabgeordneten885, eine Aufstockung der Planstellen der Polizei im Raum Tübingen886 sowie die Zurückbeorderung der von dort abgezogenen verdeckten Ermittler in linksradikalen Kreisen887. Zuvor hatte sie bereits einen Antrag zu Hintergründen und Verantwortlichen linksextremer Gewalttaten in Baden-Württemberg seit Bildung der Landesregierung eingebracht und dabei nach einem Zusammenhang mit Äußerungen von Innenminister Frieder Birzele gefragt888. Nach Erscheinen einer Broschüre der Landesregierung über Skinheads sorgte sich die Fraktion wiederum um eine Gefährdung „von anfälligen Personen, insbesondere jugendlicher Nachahmer“, durch die in dem Heft dargestellten extremistischen Inhalte889. Nachdem der Innenminister im Juli 1993 die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz hatte fortsetzen lassen, wollte die Fraktion von der Behörde außerdem per Anfrage wissen, welche Kontakte sie zu rechtsextremistischen Parteien im Lande unterhalte beziehungsweise über welche Kontakte die Landesregierung informiert sei890. In der Ausländer- und Asylpolitik propagierte die Fraktion neben anderem die Aufhebung der Verpflichtung von Kommunen zur Aufnahme von Asylbewerbern891, die Umrüstung von Asylunterkünften892, die Absenkung der Zuweisungsquote von Asylbewerbern893 sowie deren Verlegung894 und Unterbringung895 in staatlichen Sammelunterkünften. Die Fraktion beantragte ferner, die Anerkennung von Asylbewerbern aus Eritrea und Äthiopien zu widerrufen896 und die Flüchtlinge zum Verlassen der Bundesrepublik aufzufordern897. Nach den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat zur Änderung des Grundrechts auf Asyl im

885 vgl. Drs. 11/2434. 886 vgl. Drs. 11/2509. 887 vgl. Drs. 11/2510. 888 vgl. Drs. 11/2292. 889 Drs. 11/3188. 890 vgl. Drs. 11/1839, vgl. auch Heilbronner Stimme, 19. Juli 1993. 891 vgl. Drs. 11/2286. 892 vgl. Drs. 11/2294. 893 vgl. Drs. 11/3028. 894 vgl. Drs. 11/3093. 895 vgl. Drs. 11/3094. 896 vgl. Drs. 11/2213. 897 vgl. Drs. 11/2010. 5 Darstellung der Ergebnisse 161

Grundgesetz erkundigte sich die Fraktion, ob eine Zunahme der Einreisen auf dem Luftweg festzustellen sei898. Außerdem beantragte sie, alle öffentlich unterstützten moslemischen Organisationen im Land aufzurufen, sich öffentlich von dem Mordaufruf an Salman Rushdie zu distanzieren899. Auch um die Bedrohung der heimischen Flora und Fauna durch „außereuropäische Wildpflanzen“ sorgte sich die Fraktion, die aus diesem Grunde Maßnahmen gegen die „Verdrängung der heimischen Flora durch importierte Wildpflanzen“900 beantragte und in einer separaten Initiative ein entsprechendes Pflanzverbot anregte901. Begleitet wurden diese Vorstöße von einer Pressemitteilung, in der der Abgeordnete Rudolf Bühler von einem „Verdrängungsprozeß ungeahnten Ausmaßes“ in der heimischen Pflanzenwelt sprach, der sich „von der Öffentlichkeit so gut wie unbemerkt“ vollziehe: „Schuld daran sind außereuropäische Wildpflanzen, die vor Jahren eingeführt und ausgewildert einen scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug angetreten haben.“ Vor allem in der kanadischen Goldrute, dem Springkraut, dem japanischen Knöterich sowie dem sibirischen Riesenbärenklau sah Bühler eine „Gefahr“902. Gemäß den Initiativen der Republikaner stellte die Anwesenheit der Asylbewerber in Baden-Württemberg auch finanziell ein Problem dar. In einer Großen Anfrage zur Entwicklung der Pflegekosten stellte die Fraktion das Finanzvolumen der Pflegeversicherung in Relation zu den Ausgaben für Asylbewerber903. Weitere Initiativen galten unter anderem der vermeintlichen Gefährdung der gemeindlichen Selbstverwaltung infolge der Kosten sogenannter Asyl-Altfälle904, deren Finanzierung905 und einer Hebung des Anrechnungssatzes für staatliche Sammelunterkünfte auf 70 Prozent906. Schließlich erkundigten sich die Republikaner nach der Zahl deutscher Kinder, die in Kindergärten abgewiesen werden, sowie nach der Zahl der „von Flüchtlingskindern belegten Plätze“907. Neben den dominierenden Themen Ausländer und Kriminalität waren die übrigen Gebiete der Politik in den parlamentarischen Initiativen der Fraktion von eher untergeordneter Bedeutung. In der Europapolitik beschäftigte sich die Fraktion mit den Auswirkungen der

898 vgl. Drs. 11/2254. 899 vgl. Drs. 11/1551 sowie 11/2775. 900 Drs. 11/2831. 901 vgl. Drs. 11/2832. 902 vgl. Pressemitteilung der Fraktion 160/93 vom 3. November 1993. 903 vgl. Drs. 11/2348. 904 vgl. Drs. 11/2481. 905 vgl. Drs. 11/2361. 906 vgl. Drs. 11/1311. 907 Drs. 11/2838. 5 Darstellung der Ergebnisse 162

Einführung einer Einheitswährung auf Handel und Handwerk908. In der Bildungspolitik galt eine Große Anfrage dem Bedarf an Studienplätzen und Akademikerinnen909, in der Arbeitspolitik setzte sich Landtagsabgeordneter Ulrich Deuschle außerdem für ein Verbot von Werkvertragsarbeitsverhältnissen ein910, und in der Drogenpolitik erkundigte er sich in einer Kleinen Anfrage danach, wie Auftritte einer zu Drogenkonsum und Aggression animierenden Rockgruppe in öffentlich geförderten Jugendhäusern zu verhindern seien911. Gleichwohl mehrten sich im Vergleich zum Vorjahr die Initiativen in der Drogen- und Gesundheits- sowie der Sozial- und Umweltpolitik. Breiter als 1992 zeigte sich 1993 auch die Bandbreite der Themen, welche die Fraktion in ihren sechs Anträgen auf Aktuelle Debatten aufgriff. Sie reichte von der Sondermüllentsorgung im Osten Baden-Württembergs912 über die negativen Folgen der GATT-Verhandlungen für die heimische Landwirtschaft913 bis zu „Polittourismus als Teilursache der Politikverdrossenheit“914. Die Gesetzesentwürfe der Republikaner zielten in erster Linie darauf ab, Elemente direkter Demokratie zu etablieren. Sie beantragten die Herabsetzung der Quoren für Bürgerversammlungen, Bürgeranträge und Bürgerentscheide915. Zudem brachten sie einen Gesetzentwurf ein, der die direkte Wahl von Landräten vorsah916. Die Initiativen fanden ebenso wenig eine Mehrheit wie der Antrag auf Änderung des Gesetzes über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen917. Die Änderungsanträge der Fraktion zum Doppelhaushalt für die Jahre 1993 und 1994 galten vor allem der Familienpolitik. Mehr Geld als ursprünglich vorgesehen sollten nach den Vorstellungen der Republikaner das Müttergenesungswerk und die Stiftung „Familie in Not“ erhalten918. Die Zuschüsse für Familienerholung919, Frauenförderung920 und der Förderung

908 vgl. Drs. 11/3168. 909 vgl. Drs. 11/2313. 910 vgl. Drs. 11/2016. 911 vgl. Drs. 11/2846. 912 vgl. PlPr. 11/20, S. 1454. 913 vgl. PlPr. 11/32, S. 2532. 914 vgl. PlPr. 11/28, S. 2224. 915 vgl. Drs. 11/2858. 916 vgl. Drs. 11/2867. 917 vgl. Drs. 11/1534. 918 vgl. Drs. 11/1216-14-16. 919 vgl. Drs. 11/1389-4. 920 vgl. Drs. 11/1216-17 und 11/1389-6. 5 Darstellung der Ergebnisse 163 von Laienkunst und Heimatpflege921 wollten die Republikaner erhöhen. Entfallen sollten dagegen die Etatposten für Frauenforschung922. 1993 hielt die Fraktion im Januar in Reutlingen und im September in Neuenbürg zudem interne Klausurtagungen ab. Während in Reutlingen nach Angaben der Republikaner die Bereiche Arbeit und Soziales, Familienpolitik und Umwelt im Mittelpunkt standen, beschäftigte sich in Neuenbürg die Fraktion vor allem mit der Renten- und der Pflegeversicherung923.

5.3.1.3 Initiativen im Landtag 1994

Im Jahre 1994 unternahm die Fraktion insgesamt 230 parlamentarische Initiativen: 170 Anträge und Anfragen, elf Gesetzentwürfe, acht Änderungsanträge und 41 Haushaltsanträge. 1994 steigerte die Fraktion ihre Produktivität. Hatte sie 1992 und 1993 insgesamt 81 bzw. 165 Initiativen eingereicht, so waren es nun insgesamt 230. Einem sowie drei Gesetzentwürfen in den beiden vorangegangenen Jahren standen 1994 elf Gesetzesvorlagen gegenüber, von denen die Republikaner zehn am 25. Oktober einreichten. Demnach wollte die Fraktion als Staatsziel in der Verfassung unter anderem den Natur- und Umweltschutz verankern924, die Bewahrung der geistig-kulturellen Tradition des Abendlandes und der natürlichen Lebensgrundlagen sowie das Bekenntnis zu einem Recht auf Heimat925, ferner die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg926, den Schutz und die Förderung der Familie927 sowie den Schutz des einzelnen vor Kriminalität928. Per Verfassungsnorm wollte die Fraktion außerdem die würdige Begehung des Tages der deutschen Einheit sicherstellen929, zudem die „Verwirklichung der in Art. 12 I benannten Erziehungsziele“ in der Schule930, die regelmäßige Anpassung der Wahlkreise931, die Unvereinbarkeit einer Mitgliedschaft im Landtag mit einem Regierungsamt932 sowie ein Recht der Gemeinden auf

921 vgl. Drs. 11/1216-36. 922 vgl. Drs. 11/1216-18, 11/2628-71 und 11/1389-7. 923 vgl. Pressemitteilungen 4/1993 und 118/93. 924 vgl. Drs. 11/4829. 925 vgl. Drs. 11/4828. 926 vgl. Drs. 11/4830. 927 vgl. Drs. 11/4831. 928 vgl. Drs. 11/4832. 929 vgl. Drs. 11/4833. 930 vgl. Drs. 11/4834. 931 vgl. Drs. 11/4835. 932 vgl. Drs. 11/4836. 5 Darstellung der Ergebnisse 164

Änderung ihres Gemeindegebiets933. Sämtliche Initiativen scheiterten ebenso wie Anfang Dezember 1994 der legislative Vorstoß zur Auflösung der staatlichen Schulämter934. In ihren ausländerpolitischen Vorstößen behielt die Fraktion ihre Linie bei. Sie wandte sich gegen den Modellversuch der Beschäftigung von Ausländern in der Polizei935, gegen Kirchenasyl für abgelehnte Asylbewerber936 und begehrte wiederholt Auskunft über die Kosten der Unterbringung von Asylbewerbern in gemieteten Wohnungen937, ferner über die Kosten der Schulbildung für Kinder von Asylbewerbern938. Die Fraktion erkundigte sich nach einer angeblichen „Formierung ausländischer Jugendlicher im Raum Ludwigsburg gegen fremdenfeindliche Übergriffe“939, nach dem Bestand sowie der Planung von Moscheen in Baden-Württemberg940 und thematisierte mehrfach die Gefahr gewalttätiger Krawalle von Angehörigen und Sympathisanten der kurdischen Arbeiterpartei PKK941. Die Fraktion beantragte überdies die Einführung eines zentralen Registers für Verstöße gegen das Asylverfahrens- und das Ausländergesetz942 und forderte abermals die Unterbringung von Asylbewerbern in Sammelunterkünften943. Insgesamt ging die Zahl der Vorstöße zur Ausländer- und Asylpolitik gegenüber 1993 jedoch auf 23 von 30 beinahe auf das Niveau der Initiativen zur Sozialpolitik zurück, deren Anzahl zugleich auf 21 von 18 zunahm. Der Schwerpunkt lag 1994 eindeutig auf dem Gebiet der Innen- und Kriminalpolitik. 62 Eingaben waren in diesem Feld der Politik zu verzeichnen, wenngleich die Republikaner ihre Vorstöße mitunter abermals mit ausländerpolitischen Fragen vermischten. So begehrten sie per Antrag und Anfrage mehrfach Auskunft über die Entwicklung der Grenzkriminalität, speziell des Rauschgiftschmuggels nach Baden-Württemberg, nach Wegfall der Grenzkontrollen944 sowie nach dem Rauschgifthandel in Justizvollzugsanstalten, wobei sie eine nach der Staatsangehörigkeit der ermittelten Täter differenzierte Antwort forderten945.

933 vgl. Drs. 11/4837. 934 vgl. Drs. 11/5086. 935 vgl. Drs. 11/4267. 936 vgl. Drs. 11/4580. 937 vgl. Drs. 11/5098 und 11/5099. 938 vgl. Drs. 11/3673. 939 vgl. Drs. 11/5150. 940 vgl. Drs. 11/5084. 941 vgl. Drs. 11/4023 und 11/4478. 942 vgl. Drs. 11/3957. 943 vgl. Drs. 11/4855. Damit wiederholte die Fraktion ihre Vorstöße vom 9. Dezember 1993, vgl. Drs. 11/3093 und 11/3094. 944 vgl. Drs. 11/5110, vgl. ferner Drs. 11/4446. 945 vgl. Drs. 11/3779. 5 Darstellung der Ergebnisse 165

Weiterhin setzte sich die Fraktion für die Interessen von Polizeibeamten ein. Sie frug nach der Zahl der ausgewiesenen und der besetzten Planstellen in den Polizeibehörden946, nach der Novelle des Polizeigesetzes947 sowie nach den Regelungen der materiellen Versorgung im Falle „gestrandeter und suspendierter“ Beamter948. In bezug auf im Dienst verletzte und getötete Polizeibeamte erkundigten sich die Republikaner nach der Angemessenheit der Versorgung und verwies als Beispiel auf eine fünf Jahre zurückliegende Gewalttat eines Asylbewerbers949. In einem Antrag hinsichtlich der Verletzung von Polizeibeamten „durch anpolitisierte Straftäter“950 stellte die Fraktion unter anderem die Frage der Relation von Besoldung und Dienstunfallrisiko951. Der Einsatz für die Belange der Polizei reichte bis zu einem von der Fraktion getragenen Antrag, der die räumliche und sanitäre Ausstattung eines Nebenbauprojektes für das Polizeipräsidium Karlsruhe behandelte sowie die Auswirkungen der Lärm- und Schadstoffemissionen einer mit Waschbahn ausgestatteten Großtankstelle im unmittelbar angrenzenden Bereich thematisierte952. Großen Raum nahm in den Initiativen der Republikaner auch der politische Gegner ein. Mehrfach setzte sich die Fraktion in ihren Anträgen mit der Landesregierung wegen deren Einschätzung der Partei als verfassungsfeindlich auseinander. Dabei stellten sie die parteipolitische Neutralität der Behörden des Verfassungsschutzes sowie die Verfassungstreue von Innenminister Frieder Birzele in Frage953. Zudem verlangte sie die Entlassung der sozialdemokratischen Familienministerin Brigitte Unger-Soyka wegen ihrer Mitgliedschaft in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN/BdA)954. Ferner kritisierte die Fraktion in Anträgen zu Kosten, Kostenträger und Zweck des Festes der Landesvertretung in Bonn die Repräsentation Baden-Württembergs und dessen Regierung als übertrieben955. Von allen Abgeordneten forderte die Fraktion außerdem einen Verzicht auf Auslandsreisen mit Ausschüssen956.

946 vgl. Drs. 11/4348. 947 vgl. Drs. 11/4327. 948 zit. nach. Drs. 11/4445. 949 vgl. Drs. 11/4525. 950 Drs. 11/4549. 951 vgl. Drs. 11/4550. 952 vgl. Drs. 11/5129. 953 vgl. Drs. 11/4414, vgl. Drs. 11/4426, vgl. Drs. 11/4174. 954 vgl. Heilbronner Stimme, 4. Mai 1994. 955 vgl. Drs. 11/4404. 956 vgl. Drs. 11/5201-1. 5 Darstellung der Ergebnisse 166

Zu den Beratungen zum Doppelhaushalt 1995 und 1996 legte die Fraktion im November und Dezember 41 Änderungsanträge vor. Darin behandelte sie die ihr mittlerweile angestammten Gebiete der Politik, erweiterte indes gleichzeitig gegenüber den Jahren 1992 und 1933 ihre haushaltspolitische Bandbreite. Auf der einen Seite wollten die Republikaner das Geld für die Beschäftigung von Zivildienstleistenden zur Betreuung von Flüchtlingen kürzen957, ebenso die Zuschüsse für ein japanisches Gymnasium958, für Entwicklungshilfe959, für Frauenforschung960 sowie für das Landesamt für Verfassungsschutz961. Zu streichen waren nach Ansicht der Fraktion die Mittel für Aids-Informationskampagnen962. Erhöhen wollte sie unter anderem die Etats für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber963 und für die Förderung von Familienheimstätten964. Zugleich brachten die Republikaner zahlreiche Haushaltsänderungsanträge zur Sozial-, Umwelt-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik ein. Sie plädierten für mehr Wohngeld965 und für verstärkte Maßnahmen der Altenhilfe966, für die Förderung der Errichtung von Güterumschlaganlagen967 sowie für erhöhte Planungszuschüsse für den Neubau der Bahnstrecke Wendlingen-Ulm968 und thematisierten auch die Beteiligung Privater an der Finanzierung des Flughafenausbaus969. In der Jugendpolitik forderten die Republikaner die Reduktion der Förderung modellhafter Maßnahmen der Jugendarbeit970 und eine Aufstockung der Mittel für den Jugendschutz971. In der Kulturpolitik präsentierte die Fraktion ausschließlich Kürzungsvorschläge, die dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie 972

957 vgl. Drs. 11/5203-7. 958 vgl. Drs. 11/5207-3. 959 vgl. Drs. 11/5208, 1-7. 960 vgl. Drs. 11/5216-10. 961 vgl. Drs. 11/5203-5. 962 vgl. Drs. 11/5209-20. 963 vgl. Drs. 11/5203-21. 964 vgl. Drs. 11/5216-5. 965 vgl. Drs. 11/5207, 4-5. 966 vgl. Drs. 11/5209-15. 967 vgl. Drs. 11/5213, 6-7. 968 vgl. Drs. 11/5213-8. 969 vgl. Drs. 11/5213, 4-5. 970 vgl. Drs. 11/5209-11. 971 vgl. Drs. 11/5209-10. 972 vgl. Drs. 11/5216-11. 5 Darstellung der Ergebnisse 167 ebenso galten wie den Zuschüssen an Kulturinitiativen, sozio-kulturellen Zentren und der Förderung zeitgenössischer Künste973. Die fünf Anträge der Republikaner auf Aktuelle Debatten 1994 zeugten ebenfalls von einem vergrößerten Themenspektrum. Auf Initiative der Fraktion diskutierte der Landtag über akademische Titel als Handelsware974, über die Annäherung der SPD an die PDS975, über die Gefahren durch synthetische Drogen976, über die aktuelle Gefährdungslage von Obdachlosen und die Situation in Obdachlosenheimen977 sowie über die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst978. Nach einer mehrtägigen Klausurtagung in Flein bei Heilbronn hatte die Fraktion im Januar 1994 ferner eine „Fleiner Erklärung“ veröffentlicht, um Anstöße zur Überwindung der Politikverdrossenheit zu geben. Darin forderten die Republikaner die Einführung der Volkswahl des Bundespräsidenten, die Wahl und Ernennung von Bundesrichtern durch eine unabhängige und vom Bundespräsidenten eingesetzte Kommission, die Trennung von Bundes- oder Landtagsmandaten von Ämtern in Aufsichtsräten oder sonstwie besoldeten Funktionen, die Direktwahl des Landrates, eine drastische Senkung der Quoren für Volksinitiativen und Volksentscheide, die Verkleinerung der Landesbürokratie um vier Ministerien sowie die Abschaffung der Staatssekretäre. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit regten die Parlamentarier eine Rückführung des Staatskonsums an, die Einführung einer Verbrauchersteuer, eine Flexibilisierung von Löhnen und einen Stopp von Einwanderung979.

5.3.1.4 Initiativen im Landtag 1995

Im Jahre 1995 brachten die Republikaner im Landtag insgesamt 253 Initiativen ein: 220 Anträge und Anfragen, 14 Änderungsanträge, 11 Hanushaltsanträge und acht Gesetzwentwürfe. Im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren zeigte sich der Schwerpunkt der Innen- und Kriminalpolitik 1995 noch ausgeprägter. Auch die Zahl der Initiativen nahm gegenüber den vorangegangenen Jahren nochmals zu. Neben dem Schwerpunkt der Innen- und Kriminalpolitik hatten sich indes weitere Gebiete herausgebildet, in denen die Republikaner eine ähnlich hohe Aktivität entwickelten wie etwa in der Asyl-, Ausländer- und

973 vgl. Drs. 11/5216, 14-15. 974 vgl. PlPr. 11/38, S. 3056. 975 vgl. PlPr. 11/51, S. 4065. 976 vgl. PlPr. 11/53, S. 4292. 977 vgl. PlPr 11/41, S. 3251. 978 vgl. PlPr 11/43, S. 3506. 979 vgl. Heilbronner Stimme, 14. Januar 1994. 5 Darstellung der Ergebnisse 168

Flüchtlinge-Thematik, etwa die Umweltpolitik, zu der die Fraktion wie in ausländerpolitischen Fragen 26 Initiativen unternahm. Der Sozialpolitik galten 16 und der Verkehrspolitik 18 Vorstöße. Auch den Randgebieten ihrer bisherigen Aktivitäten wie der Kultur-, der Finanz-, Agrar- oder Arbeitspolitik widmeten sich die Republikaner nun verstärkt. Anders als die Umwelt-, die Sozial- oder die Verkehrspolitik war es gleichwohl nach wie vor die Ausländerpolitik, welche zahlreiche Vorstöße der Fraktion, insbesondere zur Kriminalpolitik, überlagerte. So beschäftigten sich die Eingaben der Republikaner mit dem Forschungsprojekt „Asylbewerberkriminalität“ an der Fachhochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen980 oder mit dem Zigarettenschmuggel im allgemeinen und der Beteiligung von Ausländern im besonderen981. Zudem begehrte die Fraktion unter anderem eine detaillierte Auflistung der von Asylbewerbern in staatlichen Unterkünften begangenen Tötungen und anderen Delikten982. Ferner erkundigte sie sich nach der Entwicklung der Fälschungskriminalität bei Identitäts- und Nachweisdokumenten sowie nach der Zahl der Ermittlungen gegen in- und ausländische Täter983 und thematisierte das „Feststellungsinteresse bei gefälschten Fahrerlaubnissen“ und das Ergebnis der Überprüfung von ausländischen Fahrerlaubnissen984. Darüber hinaus stellte sie den Antrag an die Landesregierung, Anzahl und Umfang „der insbesondere durch Rumänen verübten Straftaten“ darzulegen, nach denen der „Wald als Rückzugsraum“ genutzt werde985. Die kriminalpolitischen Initiativen, die nicht in Zusammenhang mit der Ausländerpolitik standen, zielten unter anderem auf Bemühungen zur kommunalen Kriminalprävention986 und auf die präventive Kriminalitätsbekämpfung in der Landeshauptstadt Stuttgart ab987. Initiativen galten zudem erneut der Gewalt im Schulalltag988 sowie den Opfern und Tätern der Straftaten im öffentlichen Nahverkehr989. Um den Schutz der Fahrgäste zu erhöhen, regten die Republikaner die Einrichtung von Seniorenabteilen an990. Anträge stellte die Fraktion auch zum Einsatz von Hubschraubern gegen Einbrüche und zu angeblich

980 vgl. Drs. 11/6028. 981 vgl. Drs. 11/6364. 982 vgl. Drs. 11/6426. 983 vgl. Drs. 11/5575. 984 vgl. Drs. 11/6027. 985 Drs. 11/6719. 986 vgl. Drs. 11/6417. 987 vgl. Drs. 11/5545. 988 vgl. Drs. 11/6453. 989 vgl. Drs. 11/5260. 990 vgl. Drs. 11/5261. 5 Darstellung der Ergebnisse 169 straftäterbegünstigenden Datenschutzbestimmungen der Telekom991. Eine Kleine Anfrage reichten sie zu Straftaten mittels K.O.-Tropfen ein992. Nicht nur zur Sicherheit der Bürger, auch zur Situation der Angehörigen des Polizeidienstes brachte die Fraktion auch 1995 zahlreiche Initiativen ein. Leistungseinschränkungen der Freien Heilfürsorge für Polizisten993 versuchte sie dabei ebenso entgegenzuwirken wie Kritik der Menschenrechtsorganisation „amnesty international“ am Verhalten deutscher Polizisten994. Zudem trat sie dem Vorwurf der Rechtswidrigkeit eines polizeilichen Platzverweises gegen Angehörige der Drogenszene995 entgegen, erkundigte sich nach den Auswirkungen eines Urteils gegen zwei Polizeibeamte wegen deren Vorgehens gegen Ausländer996 und forderte Konsequenzen wegen der Gleichsetzung von Polizisten mit Nationalsozialisten nach einer Demonstration von Sinti und Roma in Freiburg997. Die Republikaner regten Gutachten998 zur und Reformen999 der Polizeiorganisation an, thematisierten die Nachwuchslage im Polizeidienst1000, dessen Funktionsfähigkeit angesichts gewerblicher Radarkontrollwarnungen1001, die Versorgung der Polizeibeamten mit Schutzwesten1002 sowie die Einführung der zweigeteilten Laufbahn1003. Überdies beschäftigten sich die Republikaner wiederholt mit dem Einsatz verdeckter Ermittler in der „rechten Szene“1004. Während die Initiativen zur Innen- und Kriminalpolitik oftmals mit dem Thema Ausländer und Asyl in Verbindung standen, so überlagerten kriminalpolitische Aspekte zahlreiche ausländerpolitische Vorstöße. So beschäftigten sich die Republikaner mit der Frage der Schutzgeld-erpressung durch Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Pforzheim1005 sowie mit Berichten über vertrauliche Informationen der Innenminister-Konferenz in den

991 vgl. Drs. 11/6773. 992 vgl. Drs. 11/6767. 993 vgl. Drs. 11/5191. 994 vgl. Drs. 11/5990. 995 vgl Drs. 11/6892. 996 vgl. Drs. 11/6363. 997 vgl. Drs. 11/5612. 998 vgl. Drs. 11/5614. 999 vgl. Drs. 11/6470. 1000 vgl. Drs. 11/6410. 1001 vgl. Drs. 11/6405. 1002 vgl. Drs. 11/6393. 1003 vgl. Drs. 11/6464. 1004 Drs. 11/6936, vgl. Drs. 11/6936, 11/6937, 11/6964 und 11/6965. 1005 vgl. Drs. 11/6479. 5 Darstellung der Ergebnisse 170

Händen der Organisation1006 und thematisierten damit die Gefahr durch Aktivitäten der kurdischen Arbeiterpartei in der Bundesrepublik. Des weiteren erkundigten sich die Abgeordneten nach Erpressungen bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge durch Landsleute1007. Daneben stellte die Fraktion wiederholt die Frage nach dem Kostenaufwand für Asylbewerber1008. Außerdem begehrte sie Auskunft über Einrichtungen, die Kirchenasyl gewährten1009. Initiativen galten außerdem der Finanzierung des Rechtsschutzes für ausreisepflichtige Türken1010 und der Abschiebung von Albanern aus dem Kosovo1011. Im Mai 1995 hatte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Deuschle als Themen des bevorstehenden Wahlkampfes neben Asyl und Zuwanderung „das Islamthema“1012 genannt. Tatsächlich brachte die Fraktion im Laufe des Jahres 1995, nachdem sie in den drei Jahren zuvor erst zwei entsprechende Vorstöße unternommen hatte, vier einschlägige Initiativen ein: Eine Kleine Anfrage galt den Aktivitäten der algerischen Heilsfront (FIS) in Baden-Württemberg1013. Wie bereits 1994 erkundigten sich die Republikaner zudem nach Bestand und Planung von Moscheen im Land1014 sowie nach der Überlassung der Asylbewerber-Unterkunft Gaggenau - Bad Rotenfels als Gebetsstätte1015. Darüber hinaus veranlaßte sie eine Aktuelle Debatte zum Thema „Der wachsende Einfluß des Islam auf kultureller, gesellschaftlicher und politischer Ebene“1016. Verstärkte Aufmerksamkeit widmete die Fraktion 1995 zudem europapolitischen Themen, zu denen sie sechs Vorstöße einbrachte. Die Eingaben behandelten unter anderem die Zusammenhänge von Ausländern und Beamtenrecht in den einzelnen EU-Staaten1017 sowie die Haushaltsbelastung in Baden-Württemberg durch den Mißbrauch von Geld der Europäischen Union1018. Zudem erkundigte sich der Abgeordnete Wolfram Krisch anläßlich

1006 vgl. Drs. 11/6892. 1007 vgl. Drs. 11/6855. 1008 vgl. Drs. 11/6494, Drs. 11/6061, Drs. 11/6416 und Drs. 11/5429. 1009 vgl. Drs. 11/5263. 1010 vgl. Drs. 11/6401. 1011 vgl. Drs. 11/6738. 1012 zit. nach Meier, Lüder/Birgit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg, in: Christoph Butterwegge, Birgit Griese, Coerw Krüger, Lüder Meier, Gunther Niermann: Rechtsextremisten in Parlamenten. Forschungsstand, Fallstudien, Gegenstrategien, Opladen 1997, S. 236. 1013 vgl. Drs. 11/5287. 1014 vgl. Drs. 11/5406. 1015 Drs. 11/6423. 1016 zit. nach PlPr 11/62, S. 5031. 1017 vgl. Drs. 11/6720. 1018 vgl. Drs. 11/6768. 5 Darstellung der Ergebnisse 171 des Streiks französischer Fernfahrer nach dem Standpunkt der Landesregierung hinsichtlich der geplanten Währungsunion1019. In den Themen ihrer Initiativen zeigten die Republikaner eine Bandbreite, die sich gegenüber 1994 nochmals vergrößert hatte. Das Spektrum der Anfragen und Anträge reichte von den Auswirkungen von Altkleidertransporten nach Afrika1020 bis zum Helikopter- Landeplatz Kleinhohenheim1021 oder dem Vielstoff-Wankelmotor der Firma EGU in Waiblingen1022. In der Drogenpolitik beteiligte sich die Fraktion mehrfach an der Diskussion um eine staatliche Abgabe von Heroin und um die Vergabe des Substituts Methadon an Schwerabhängige1023, in der Umweltpolitik setzten sich die Republikaner für eine Initiative Baden-Württembergs im Bundesrat ein mit dem Ziel der Ausrüstung von Motorrädern ab 125 Kubik-Zentimetern mit geregelten Katalysatoren1024. Erstmals behandelte die Fraktion 1995 zudem Fragen von Arm und Reich. In einer Großen Anfrage erkundigte sie sich nach der Vermögens- und Einkommensverteilung in Baden-Württemberg sowie nach „Steuerungsmöglichkeiten für und gegen weitere Konzentrationen“1025. Große Anfragen galten außerdem lohnpolitischen Konzeptionen und Vermögensbildungsstrategien1026 und den Leitbildern einer konsumorientierten Neuordnung des Steuersystems1027. Nachdem die breit angelegte Initiative zur Reform der Landesverfassung im Herbst 1994 ohne zählbaren Erfolg geblieben war, beschränkten sich die Republikaner 1995 auf Vorlagen für Änderungen einfacher Gesetze. Sie unternahmen Vorstöße zur Wiedereinführung des Pfingstmontags1028 sowie des Buß- und Bettages1029 als gesetzliche Feiertage, zur Verbesserung des öffentlichen Personen-Nahverkehrs in Baden-Württemberg1030, zur Erarbeitung einer Geschäftsordnung der Landesregierung1031, zur Kriminalprävention im

1019 vgl. Drs. 11/6892. 1020 vgl. Drs. 11/5407. 1021 vgl. Drs. 11/5558. 1022 vgl. Drs. 11/5683. 1023 vgl. Drs. 11/5527, 11/6457 und 11/6772. 1024 vgl. Drs. 11/5717. 1025 Drs. 11/5281. 1026 vgl. Drs. 11/5282. 1027 vgl. Drs. 11/6419. 1028 vgl. Drs. 11/5283. 1029 vgl. Drs. 11/5789. 1030 vgl. Drs. 11/5412. 1031 die Landesregierung arbeitete in der Tat ohne Geschäftsordnung, vgl. Drs. 11/5821, vgl. auch die entsprechende Plenardebatte unter PlPr 11/5936. 5 Darstellung der Ergebnisse 172

Schulalltag1032, zur Änderung des Landtagswahlgesetzes1033 sowie zur Steigerung der Effizienz im Verkehr1034. Die Initiative für ein gesetzliches Verbot der Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Vereinigungen für Mitglieder der Landesregierung ging auf einen Antrag der Fraktion im vorangegangenen Jahr zurück, mit dem die Fraktion die Entlassung der sozialdemokratischen Familienministerin Brigitte Unger-Soyka wegen ihrer Mitgliedschaft in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) gefordert hatte1035. Aktuelle Debatten beantragten die Republikaner über die Aussprache zum Einfluß des Islam hinaus zu den „Auswirkungen der geplanten Schließung von Bundeswehr-Standorten“1036, zu „Anspruch und Wirklichkeit der Landesregierung“1037, der „Gefährdung von Arbeitsplätzen durch Fahrverbote“1038, der „Feuerbrand-Epidemie und ihre Konsequenzen in Baden-Württemberg“1039, der „Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland am Beispiel der DASA“1040 sowie über „Hemmnisse für einen stabilen Wirtschaftsaufschwung“1041. In ihren Änderungsanträgen zum Doppelhaushalt 1995/96 setzte die Fraktion ähnliche Schwerpunkte wie im Jahr zuvor. Sie forderte eine Erhöhung der Etats für das Landeserziehungsgeld1042 und für Familienferienstätten1043. Kürzungen verlangte sie in den Haushaltsposten für Frauenförderung1044 sowie für soziokulturelle Zentren und zeitgenössische Künstler1045. Für die Errichtung von Güterumschlagsanlagen1046 sollte mehr Geld bereitgestellt werden, die Mittel für den Ausbau des Regionalflughafens Söllingen wollten die Republikaner streichen1047. Parteistiftungen1048 sowie die Landeszentrale für politische Bildung1049 sollten weniger, Trachtenvereine und die Organisatoren von Heimattagen1050 indes mehr Geld erhalten.

1032 vgl. Drs. 11/6454. 1033 vgl. Drs. 11/6524. 1034 vgl. Drs. 11/6854. 1035 vgl. Drs. 11/6424. 1036 vgl. PlPr 11/64, S. 5264. 1037 vgl. PlPr 11/67, S. 5464. 1038 vgl. PlPr 11/69, S. 5737. 1039 vgl. PlPr 11/72, S. 5941. 1040 vgl. PlPr 11/74, S. 6211. 1041 vgl. PlPr 11/77, S. 6405. 1042 vgl. Drs. 11/5348-5. 1043 vgl. Drs. 11/5348-6. 1044 vgl. Drs. 11/5348-7. 1045 vgl. Drs. 1175348, 8-10. 1046 vgl. Drs. 11/5352-5. 1047 vgl. Drs. 11/5352, 4-5. 1048 vgl. Drs. 11/5202-11. 5 Darstellung der Ergebnisse 173

5.3.1.5 Initiativen im Landtag 1996 bis zur Wiederwahl

Im Jahre 1996 reichten die Republikaner vor Ende der elften Legislaturperiode acht Anträge und Anfragen ein. Die Anfragen galten Anschlägen und Gewalt durch türkische Linksextremisten1051, der Sicherung von Arbeitsplätzen in Neckarsulm bei dem Unternehmen Audi1052, Zwangsvollstreckungen im Kreis Esslingen1053, der Unterstützung von Maßnahmen der Landschaftspflege durch Privatleute1054 sowie den Gründen und Folgen der Streichung des Logopädie-Unterrichts an Sonder- und Förderschulen1055. Änderungsanträge formulierte die Fraktion zum Gesetz zur Änderung des Landesjugendhilfegesetzes und des Jugendbildungsgesetzes1056, zum Tierseuchengesetz1057 sowie zum Gesetz zur Änderung des Abfallgesetzes1058. Insgesamt ist damit festzuhalten, daß die Fraktion ihre Initiativen während der elften Legislaturperiode quantitativ kontinuierlich steigerte. Gemessen an den Eingaben pro Kopf blieb die Fraktion mit ihren Anträgen, Anfragen und Gesetzentwürfen in der elften Legislaturperiode gleichwohl hinter der Arbeit von Fraktionen in vergleichbarer Größe zurück. So reichte die 14köpfige Fraktion der Republikaner 725 parlamentarische Initiativen ein. Die 13köpfige Fraktion der Grünen entwickelte währenddessen 1.089 Vorlagen und die acht Abgeordneten der FDP/DVP im Stuttgarter Landtag 977 parlamentarische Initiativen. Die 46köpfige Abgeordnetengruppe der SPD formulierte 1.549 Vorstöße, und die 64köpfige Fraktion der Christdemokraten legte 1345 Initiativen vor1059. Qualitativ fand eine Ausweitung der Bandbreite der Themen statt. Zunächst dominierte die Ausländer- und Asylpolitik die Arbeit im Landtag, während die Fraktion etwa im ersten Jahr ihrer Zugehörigkeit zum Parlament keine einzige Initiative in den Bereichen Energie- und Wirtschaftspolitik einreichte und auch in den Sektoren EG, Arbeitsmarkt, Bildung, Agrar und

1049 vgl. Drs. 11/5202-13. 1050 vgl. Drs. 11/5450. 1051 vgl. Drs. 11/7001. 1052 vgl. Drs. 11/7193. 1053 vgl. Drs. 11/7058. 1054 vgl. .Drs. 11/7197. 1055 vgl. Drs. 11/7088. 1056 vgl. Drs 11/7111-1. 1057 vgl. Drs. 11/7109-1-2. 1058 vgl. Drs. 11/7113-5-7. 1059 vgl. schriftliche Auskunft der Dokumentationsstelle des Landtags von Baden-Württemberg an den Verfasser vom 16. Februar 1998. Wie unter den Anmerkungen zu Gliederungspunkt 5.3 bereits dargelegt, können die von der Dokumentationsstelle im Landtag erhobenen Zahlen von den durch den Verfasser erhobenen und in den Tabellen ausgewiesenen Zahlen differieren, da die Datenverarbeitung der Dokumentationsstelle mehrseitige Eingaben der Fraktionen zuweilen als verschiedene Initiativen erfaßt. 5 Darstellung der Ergebnisse 174

Kultur kaum Vorstöße unternahm. Im Verlauf der Sitzungsperiode löste dann die Innen- und Kriminalpolitik die Ausländer- und Asylpolitik als meist frequentiertes Ressort ab, wenngleich ausländer- und asylpolitische Fragen zahlreiche Initiativen in der Innen- und Kriminalpolitik überlagerten. Zugleich wandte sich die Fraktion stärker den Feldern der Politik zu, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Ausländer- und Asylpolitik standen, etwa der Verkehrs-, der Sozial- und der Umweltpolitik. Schwach repräsentiert in den Aktivitäten der Fraktion blieben Fragen der EU-, der Kultur-, der Finanz-, der Agrarpolitik sowie der Bildungspolitik.

5.3.2 Zwölfte Legislaturperiode

5.3.2.1 Initiativen im Landtag 1996 nach der Wiederwahl

Der ausländerpolitische Kurs der Republikaner blieb nach der Wiederwahl in den Landtag unverändert. Nach Beginn der zwölften Legislaturperiode beschäftigte sich die Fraktion vor allem mit Bürgerkriegsflüchtlingen aus Bosnien, wobei sie sich für die Aufhebung des Bleiberechts einsetzte1060 und generell eine Absenkung der Zuweisungsquote von Asylbewerbern forderte1061. Anträge ergingen unter anderem zur „Erschleichung von Sozialhilfe durch angebliche Bosnien-Flüchtlinge“1062, zu den Kosten durch ehemalige Asylbewerber1063, ferner auf Kürzung der Leistungen für Asylbewerber1064, auf Kürzung der Erstattung der Unterbringungskosten für Bürgerkriegsflüchtlinge an die Stadt- und Landkreise1065, zu Haftungsübernahmeerklärungen für Flüchtlinge1066, zur Rückführung bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge1067 und zu den Auswirkungen eines Urteils des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen auf die Finanzierung der Kosten für Bosnien- Flüchtlinge1068. Initiativen unternahm die Fraktion außerdem hinsichtlich der automatischen Erfassung des Fingerabdrucks von Asylbewerbern1069 sowie der Änderung des Asylverfahrensgesetzes mit dem Ziel der obligatorischen erkennungsdienstlichen Erfassung

1060 vgl. Drs. 12/36. 1061 vgl. Drs. 12/41. 1062 vgl. Drs. 12/324. 1063 vgl. Drs. 12/447. 1064 vgl. Drs. 12/498-15. 1065 vgl. Drs. 12/498-16. 1066 vgl. Drs. 12/581. 1067 vgl. Drs.12/583. 1068 vgl. Drs. 12/835. 1069 vgl. Drs. 12/630. 5 Darstellung der Ergebnisse 175 von Asylbewerbern bei der Erstaufnahme in den Zentralen Aufnahmestellen1070, ferner erneut zu den öffentlichen Aufwendungen für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlingen1071. Anfragen stellten die Republikaner überdies zur Einrichtung und Finanzierung einer Informationsstelle für rückkehrwillige Bosnien-Flüchtlinge1072, zur Zahl der zurückgekehrten Bosnien-Flüchtlinge1073, zur Einrichtung einer Stellenbörse für Bosnien-Flüchtlinge für Arbeit in der Heimat1074 sowie zur Zahl der im November 1996 freiwillig zurückgekehrten und der abgeschobenen Bosnien-Flüchtlinge1075. Die übrigen ausländerpolitischen Vorstöße der Fraktion waren verschiedenster Natur. Christian Käs brachte eine Kleine Anfrage in bezug auf einen Überfall auf einen Geldboten auf dem Gelände einer Asylbewerber-Unterkunft ein1076. Mit der doppelten Staatsbürgerschaft, ihren Auswirkungen und mit der Entwicklung der entsprechenden Zahlen beschäftigte sich eine Kleine Anfrage Michael Herbrichts1077. Das „herausragende öffentliche Interesse“ bei der Einbürgerung des südafrikanischen Fußballspielers Sean Dundee nahm wiederum Christian Käs zum Anlaß, nach einer Bilanz der Einbürgerungen seit 1990 zu fragen und die Frage einer restriktiven Handhabung aufzuwerfen1078. Hatten die Republikaner zuvor ihre Initiativen zur Kriminalpolitik häufig im Zusammenhang mit Ausländern formuliert, so sahen sie nun auch in der Wirtschaftspolitik Mißstände aufgrund auswärtiger Faktoren. So legte die Fraktion einen Antrag zur vermeintlichen Förderung der ausländischen Konkurrenz durch Bundes- und EU-Mittel im allgemeinen und zur Situation der Schmuck- und Uhrenindustrie in Baden-Württemberg im besonderen vor1079. Angesichts von öffentlichen Aufträgen an ausländische Firmen wandte sich die Abgeordnetengruppe zudem gegen eine Wettbewerbsverzerrung infolge unterschiedlicher Lohnnebenkosten1080.

1070 vgl. Drs. 12/857. 1071 vgl. Drs. 12/749. 1072 vgl. Drs. 12777. 1073 vgl. Drs. 12/593. 1074 vgl. Drs. 12/654. 1075 vgl. Drs. 12/758. 1076 vgl. Drs. 12/191. 1077 vgl. Drs. 12/414. 1078 vgl. Drs. 12/667. 1079 vgl. Drs. 12/757. 1080 vgl. Drs. 12/247. 5 Darstellung der Ergebnisse 176

In der Kriminalpolitik plädierten die Republikaner für eine Erhöhung der Entschädigung für Opfer von Gewalttaten1081, beschäftigten sich mit dem Zigarettenschmuggel in Baden- Württemberg1082, erkundigten sich nach Maßnahmen für eine ausreichende Straßenbeleuchtung in Kommunen zum Schutz vor Kriminalität1083, versuchten einen Ermittlungsdienst gegen Sozialhilfemißbrauch durchzusetzen1084 und frugen nach Straftaten gegen deutsche Staatsangehörige aus politischen oder rassistischen Motiven1085. Wie bereits in der elften Legislaturperiode thematisierten die Republikaner die Situation im Polizeidienst. Angesichts der Anzahl der Abschiebungen in Baden-Württemberg erkundigte sich zum Beispiel Heinz Troll nach der entsprechenden Belastung im Polizeivollzugsdienst1086. Zudem thematisierte die Fraktion die Versetzungspraxis von Absolventen der Fachhochschule für Polizei von Bruchsal nach Böblingen1087. Hatten die Republikaner zu Beginn der Legislaturperiode kaum Initiativen zur Agrarpolitik eingebracht, so avancierte dieses Feld 1996 zur am drittstärksten frequentierten Thematik hinter der Innen- Kriminal- sowie der Ausländer- und Asylpolitik. Auf null sank wiederum die Zahl der Vorstöße, welche die Fraktion in eigener Sache einbrachten. Zugleich erhöhten die Abgeordneten drei Jahre vor Einführung des Euro ihre Aktivitäten zur geplanten Währungsunion, nachdem zuvor nur Wolfram Krisch im Dezember 1995 im Zusammenhang mit einer Anfrage zu den Auswirkungen des Streiks in Frankreich auf Baden-Württemberg die europäische Währungsunion thematisiert hatte. Sie brachten einen Antrag zur Sicherung der Haushaltsdisziplin in den Staaten der Europäischen Währungsunion ein1088, beantragten deren Verschiebung, bis die Konvergenzkriterien erfüllt seien1089, und forderten eine erweiterte Beteiligung der nationalen Zentralbanken an der Geldpolitik im Euroraum1090. Weitere Vorstöße galten den öffentlichen Kosten einer Werbekampagne für die Einführung des Euro1091 sowie einer damit verbundenen Kostensteigerung im Handel1092.

1081 vgl. Drs. 12/498-19. 1082 vgl. Drs. 12/245. 1083 vgl. Drs. 12/776. 1084 vgl. Drs. 12/852. 1085 vgl. Drs.12/821. 1086 vgl. Drs. 12/697. 1087 vgl. Drs. 12/73. 1088 vgl. Drs. 12/17. 1089 vgl. Drs. 12/19. 1090 vgl. Drs. 12/20. 1091 vgl. Drs. 12/12/611. 1092 vgl. Drs. 12/688. 5 Darstellung der Ergebnisse 177

In Initiativen abseits ihrer angestammten Gebiete behandelten die Republikaner des weiteren den möglichen Zusammenschluß zu einem einheitlichen Landessportbund Baden- Württemberg1093, die Auswirkungen der Stationierung einer deutsch-französischen Brigade1094 auf den Wohnungsmarkt in Donaueschingen und Immendingen sowie die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen1095. Aktuelle Debatten setzten die Republikaner 1996 zum Bedeutungsverlust der Landespolitik im Zeichen von Maastricht und Globalisierung1096 sowie zu Begabtenförderung und Eliteschulen auf die Tagesordnung des Landtages1097. Ferner brachten die Republikaner einen Gesetzentwurf ein, welcher der Polizei verdachts- und ereignisunabhängige Kontrollen ermöglichen sollte1098. Ein zweiter Gesetzentwurf betraf die Reduzierung des Sockelbetrags beim Ruhegehalt von Ministern nach fünfjähriger Amtszeit1099. Beide Entwürfe lehnte der Landtag ab. In ihren Anträgen zum Nachtragshaushalt 1996 legte die Fraktion Schwerpunkte auf die Ausländerpolitik, die Kriminal- und die Drogenpolitik. Sie forderte eine Reduzierung der Erstattung der Sozialhilfe1100 sowie der Unterbringungskosten1101, welche Kommunen an Asylbewerber leisten, eine Erhöhung der Entschädigung für Opfer von Gewalttaten1102 sowie eine Kürzung der Zuschüsse an Einrichtungen der Suchtkranken1103- und Jugendhilfe1104. Im Jahr 1996 brachte die Fraktion der Republikaner insgesamt 179 Initiativen ein.

5.3.2.2 Initiativen im Landtag 1997

1997 brachte die Fraktion der Republikaner 345 parlamentarische Initiativen ein - 268 Anträge und Anfragen, zehn Änderungsanträge, 66 Haushaltsänderungsanträge sowie einen Gesetzentwurf. Die Zahl von 345 parlamentarischen Initiativen stellte für die Fraktion einen Rekord während ihrer bisherigen Mitgliedschaft im Landtag dar, was die Quantität der Initiativen betraf. Wie bereits 1994 und 1995 war die Zahl der innen- und kriminalpolitischen

1093 vgl. Drs. 12/27. 1094 vgl. Drs. 12/338. 1095 vgl. Drs. 12/768. 1096 vgl. Drs. 12/10, S. 387-396. 1097 vgl. PlPr 12/12, S. 622-629. 1098 vgl. Drs. 12/32. 1099 vgl. Drs. 12/1965. 1100 vgl. Drs. 12/498-15, S. 65, Drs. 12/524-12, S. 14. 1101 vgl. Drs. 12/498-16, S. 66, Drs. 12/524-11, S. 13. 1102 vgl. Drs. 12/498-19, S. 69, Drs. 12/524-12, S. 14. 1103 vgl. Drs. 12/498-20, S. 70, Drs, 12/498-23, S. 73. 1104 vgl. Drs. 12/498-21, S. 71. 5 Darstellung der Ergebnisse 178

Vorstöße rund doppelt so hoch wie die der ausländer- und asylpolitischen Vorstöße. Sieben der 52 Initiativen zur Ausländer-, Asyl- und Flüchtlingspolitik wiesen einen Bezug zum Islam auf. So erkundigten sich die Republikaner nach der Kompensation der Unterrichtsstunden, welche islamische Schüler auf Grund ihrer Befreiung vom Religionsunterricht versäumten1105, und begehrten eine Beurteilung christlich-islamischen Gemeinschaftsunterrichtes durch die Landesregierung nach einer entsprechenden Initiative zweier Mannheimer Schulen1106. An die Landesregierung wandte sich die Fraktion ferner mit der Frage nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes über islamische Extremisten in Parteien1107, nach Ermittlungen gegen islamische Extremisten1108, nach der Finanzierung islamischer Moscheen in Baden-Württemberg1109 sowie nach der Verfassungstreue des Koordinationsrates der türkischen Vereine in Nordrhein-Westfalen1110. Per Antrag thematisierten die Republikaner überdies die Beschneidung muslimischer Kinder in Baden- Württemberg und erkundigten sich nach der Zahl der seit 1990 bekanntgewordenen Fälle solcher Beschneidungen1111. In der Ausländerpolitik bemühten sich die Abgeordneten unter anderem um eine möglichst restriktive Handhabung von Einbürgerungen. In einem Antrag wandte sich die Fraktion gegen die Einbürgerung ausländischer Straftäter1112, zudem reichte sie eine Anfrage zur Entwicklung von Einbürgerungen und doppelten Staatsbürgerschaften1113 ein, der sie im April einen Vorstoß zur Überprüfung und Rücknahme „mißbräuchlicher Einbürgerungen“ folgen ließ1114. Des weiteren galten ihre Anträge möglichen Einsparungen bei den Kosten für Dolmetscher in staatlichen und kommunalen Behörden1115, dem Ersatz ausländischer Saisonarbeiter in der Landwirtschaft durch Arbeitslose1116 sowie der Initiierung regelmäßiger Großrazzien der Polizei in den Städten des Landes mit dem Ziel der zügigeren Abschiebung von Ausländern1117.

1105 vgl. Drs. 12/1077. 1106 vgl. Drs. 12/1079. 1107 vgl. Drs. 12/1082. 1108 vgl. Drs. 1271268. 1109 vgl. Drs. 12/2122. 1110 vgl. Drs. 12/2127. 1111 vgl. Drs. 12/1814. 1112 vgl. Drs. 12/1025. 1113 vgl. Drs. 12/1031. 1114 vgl. Drs. 12/1311. 1115 vgl. Drs. 12/1085. 1116 vgl. Drs. 12/1684. 1117 vgl. Drs. 12/1941. 5 Darstellung der Ergebnisse 179

Den verschiedensten Aspekten der Ausländerpolitik widmeten sich die Republikaner in ihren Kleinen Anfragen: sie erkundigten sich unter anderem nach dem Umfang des öffentlichen Geldes, welches für die Fernmeldeanschlüsse von Flüchtlingen ausgegeben wurde1118, nach einem Vergleich der Liegezeiten von bestatteten Muslimen mit den hierzulande üblichen1119, nach einem Vergleich der Delikte deutscher und polnischer Straftäter1120, nach einem „Import von Schwerstkranken auf Kosten der Versicherten durch ausländische Arbeitgeber“1121 sowie nach dem Immobilienerwerb durch Ausländer in Baden- Württemberg1122. In der Asylpolitik begehrte der Abgeordnete Lothar König von Januar bis September allmonatlich Auskunft über die Zahl der im Vormonat freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrten sowie der dorthin abgeschobenen Bosnien-Flüchtlinge1123. Weitere Anfragen betrafen die Einreise von Asylbewerbern über den Stuttgarter Flughafen1124, der als gering bezeichneten Rückkehrbereitschaft bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge1125 sowie der Höhe und der Möglichkeit des Ersatzes der Kosten, die Kommunen und Landkreisen durch die Sozialhilfe für und die Gesundheitsversorgung von abgelehnten, indes gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention geduldeten Asylbewerbern entstanden waren1126. Außerdem veranlaßte die Fraktion einen detaillierten Bericht der Landesregierung über deren Erfahrungen mit ausländischen Saisonarbeitern sowie über die Erfahrungen der Arbeitsämter mit dem Einsatz von Arbeitslosen in der Landwirtschaft1127. In der Innen- und Kriminalpolitik regten die Republikaner vor allem hinsichtlich der Organisierten Kriminalität in Europa den Aufbau einer europäischen Polizeibehörde an1128. Außerdem starteten sie einen Vorstoß für eine Initiative im Bundesrat, das Strafgesetzbuch um den Tatbestand der Schmähung der deutschen Nation zu ergänzen1129. Darüber hinaus beschäftigten sich die Republikaner in ihren Anträgen und Anfragen mit zahlreichen einzelnen Delikten und deren jeweiliger Entwicklung. So galten ihre Vorstöße der

1118 vgl. Drs. 12/1917. 1119 vgl. Drs. 12/1910. 1120 vgl. Drs. 12/2094. 1121 Drs. 12/2101. 1122 vgl. Drs. 12/2113. 1123 vgl. Drs. 12/871, 12/987, 12/1109, 12/1271, 12/1431, 12/1561, 12/1711, 12/1860, 12/1925. 1124 vgl. Drs. 12/1248. 1125 vgl. Drs. 12/2194. 1126 vgl. Drs. 12/1276. 1127 vgl. Heilbronner Stimme, 4. Juli 1997. 1128 vgl. Drs. 12/1212. 1129 vgl. Drs. 12/2341. 5 Darstellung der Ergebnisse 180

Bekämpfung der Korruption1130, der Falschgeld-Kriminalität1131, der Gewalt gegen Sachen und Personen durch Jugendliche1132, dem Kriminalitätslagebild Rocker-Banden1133, dem Ausmaß von Straftaten mit gefälschten Telefonkarten1134, den Übergriffen auf Beamte in Sozialämtern1135, dem illegalen Erwerb internationaler Führerscheine1136, dem Diebstahl öffentlichen Eigentums in Einrichtungen des Bundes, des Landes und der Kommunen1137, der Kriminalität in den Großstädten1138 sowie den Fällen von Kindesmißbrauch seit 19921139. Die Eingaben behandelten ferner den Menschenhandel1140, die Erschleichung von Leistungen an Automaten1141, die Entwicklung der Wohnungseinbrüche im Land1142, die Kriminalität im Zusammenhang mit Prostitution1143, die Sicherheit auf Bahnhöfen1144 und den Mißbrauch von Haftvollzugslockerungen im Land1145 sowie von Krankenversicherungsakten1146. Elf Initiativen behandelten Polizeifragen. Unter anderem erkundigten sich die Republikaner nach dem Einsatz der Polizei beim Castor-Transport1147, nach einer Kostenerstattung im Falle selbstbeschaffter Dienstjacken von Polizisten1148 und nach den Überstunden der Beamten1149. Außerdem forderten sie, auf Streichungen beim Kleidergeld für Kriminalbeamte1150 sowie bei der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage1151 zu verzichten.

1130 vgl. Drs. 12/1049. 1131 vgl. Drs. 12/1083. 1132 vgl. Drs. 12/1086. 1133 vgl. Drs. 12/1087. 1134 vgl. Drs. 12/1180. 1135 vgl. Drs. 12/1412. 1136 vgl. Drs. 12/1419. 1137 vgl. Drs. 12/1539. 1138 vgl. Drs. 12/1559. 1139 vgl. Drs. 12/1790. 1140 vgl. Drs. 12/2038. 1141 vgl. Drs. 12/2097. 1142 vgl. Drs. 12/2192. 1143 vgl. Drs. 12/2198. 1144 vgl. Drs. 12/2197. 1145 vgl. Heilbronner Stimme, 25. November 1997. 1146 vgl. Drs. 12/1903. 1147 vgl. Drs. 12/1172. 1148 vgl. Drs. 12/1425. 1149 vgl. Drs. 12/1585. 1150 vgl. Drs. 12/2075. 1151 vgl. Drs. 12/2076. 5 Darstellung der Ergebnisse 181

Innenpolitisch thematisierten die Republikaner im Parlament außerdem die Affäre um den Ministerialbeamten Rudi Märkle, der in den Verdacht geraten war, am Stammtisch vertrauliche Erkenntnisse der Finanzbehörden in einer Steuerstrafsache weiter gegeben zu haben. Die Republikaner fragten, warum Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder den Behörden die Genehmigung zur Strafverfolgung verweigert hatte1152, auch erkundigten sie sich nach Konsequenzen der Behandlung dieser Steuersache im Finanzministerium1153. Andere Initiativen betrafen die Sportpolitik und den Zusammenschluß zu einem einheitlichen Landessportbund Baden-Württemberg1154 sowie die Situation der Schmuck- und Uhrenhersteller in Baden-Württemberg1155. Per Gesetz wollten die Republikaner die Versorgung aus dem Amt scheidender Landesminister kürzen. Ende Oktober 1997 legte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Deuschle einen Gesetzentwurf für eine Novelle des Ministergesetzes vor, der eine erhebliche Einschränkung solcher Leistungen vorsah. Ferner forderte Deuschle für alle Parteien im Landtag gleich lange Redezeiten. Der Gesetzentwurf1156 scheiterte. Ihre europapolitischen Bemühungen verstärkte die Fraktion 1997. Sie kümmerte sich um die Kostensteigerung im Handel1157 sowie von Urlaubsreisen1158 durch die geplante Einführung der Einheitswährung, um die jährlichen Mehrkosten des Landes durch die Umsetzung von Richtlinien der EU1159 und um den Stand der Vorbereitungen des Finanzministers auf die Währungsunion1160. Die Republikaner beantragten ferner die Einführung eines Gütesiegels „Heimische Produktion“1161 und thematisierten die Kosten einer Werbekampagne mit Multiplikatoren und Aussagen für die Einführung des Euro1162 sowie die Ablehnung der Konvention zur Einrichtung einer europäischen Polizeibehörde Europol1163. Vereinzelt ergingen auch in Fragen der EU sehr detaillierte Initiativen. So setzte sich Alexander Schonath für eine Einstellung der EU-Subventionen für die Züchtung von

1152 vgl. Drs. 12/1837. 1153 vgl. Drs. 12/1836. 1154 vgl. Drs. 12/27. 1155 vgl. Drs. 12/757. 1156 vgl. Drs. 12/1965, vgl. ferner Deutsche Presse-Agentur / Landesdienst Südwest: REP: Ministerversorgung einschränken, BW29044, 29. Oktober 1997. 1157 vgl. Drs. 12/688. 1158 vgl. Drs. 12/1894. 1159 vgl. Drs. 12/1259. 1160 vgl. Drs. 12/1322. 1161 vgl. Drs. 12/2045. 1162 vgl. Drs. 12/1441. 1163 vgl. Drs. 12/2199. 5 Darstellung der Ergebnisse 182

„Kampfstieren“ ein1164. Die Agrarpolitik, 1996 zum Thema Nummer drei avanciert, nahm 1997 in ihrer Bedeutung wieder ab, da die Fraktion nun ähnlich viele Initiativen etwa zur Sozial-, zur Verkehrs- oder zur Bildungspolitik einbrachten. Reger als je zuvor machten die Republikaner 1997 vom parlamentarischen Instrument der Aktuellen Debatte Gebrauch. Dabei wählten sie recht generelle Themen, anhand derer sich die Grundzüge ihrer Politik darstellen ließen. Die Anträge auf Aktuelle Debatten bezogen sich auf die „Herausforderung für die Landespolitik auf Grund der Rekordarbeitslosigkeit“1165, die „Gefahr der Erosion des verfassungsmäßigen Erziehungsauftrags im Zeichen aktueller multikultureller Entwicklungen“1166, Lebensgestaltung, Ethik und Religionskunde anstatt konfessionellen Religionsunterrichts1167, Privatisierungen als „Ausweg aus der Finanzmisere“1168, die Positionen Baden-Württembergs in der bundesweiten Debatte um die Einhaltung der Euro-Stabilitätskriterien1169, die Verpflichtung von Sozialhilfe-Empfängern zu gemeinnützigen Arbeiten1170 sowie die Frage „Schuluniform contra Kopftuch“1171. An den Beratungen zum Haushalt 1997 sowie zu den beiden Nachtragshaushalten beteiligte sich die Fraktion 1997 mit 66 Haushaltsanträgen. Dabei setzten sich die Republikaner unverändert ein für eine Kürzung des Etats des Landesamtes für Verfassungsschutz1172, zudem für eine Streichung der Zuschüsse für Kulturinitiativen und sozio-kulturelle Zentren1173 sowie für eine Auflösung der Landeszentrale für politische Bildung1174. Mehr Geld sollte nach dem Willen der Republikaner bereitstehen für die Vertriebenenarbeit1175, den Jugendschutz1176, das Landeserziehungsgeld1177, für Mutter- Kind-Programme1178, den Altlastenfonds1179, Betriebskindergärten1180, die Instandhaltung

1164 Drs. 12/2325. 1165 PlPr 12/21, S. 1391-1409. 1166 PlPr 12/23, S. 1629-1643. 1167 vgl. PlPr 12/26, S. 1837-1851. 1168 PlPr 12/28, S. 2064-2079. 1169 vgl. PlPr 12/31, S. 2261-2274. 1170 vgl. PlPr 12/33, S. 2481-2492. 1171 PlPr 12/36, S. 2704-2715. 1172 vgl. Drs. 12/903-14, S. 97 und 12/903-15, S. 98. 1173 vgl. Drs. 12/965-15, S. 16. 1174 vgl. Drs. 12/902-27, S. 38, ferner Drs. 12/958-3, S. 3. 1175 vgl. Drs. 12/903-16, S. 50. 1176 vgl. Drs. 12/909-31, S. 72. 1177 vgl. Drs. 12/909-34, S. 75. 1178 vgl. Drs. 12/909-37, S. 80. 1179 vgl. Drs. 12/910-18, S. 52. 1180 vgl. Drs. 12/909-41, S. 8586. 5 Darstellung der Ergebnisse 183 von Landstraßen1181, die Konservierung von Archiv- und Bibliotheksgut1182, für den öffentlichen Personennahverkehr1183 sowie für die Behindertenförderung1184. Weniger Geld fließen sollte für die Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen1185, für die Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg1186, für Entwicklungshilfe1187, für die Geschäftsstelle und das Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma1188, für Betreuungsvereine1189 und Jugendhilfemaßnahmen1190, für Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen1191, für Fachkräfte in Kindergärten1192, für die Suchtkranken-1193 und Aidshilfe1194 sowie für Staatstheater und Landesbühnen1195. Kürzungen abwenden wollte die Fraktion im Falle der Zuschüsse für Übungsleiter der Aus- und Fortbildung1196, für Musikschulen1197, für Verbraucheraufklärung1198 und für die Flughafen Stuttgart GmbH1199. Erhalten wollten die Republikaner zudem die Zuschüsse für die Schülerbeförderung1200 sowie für die Graduiertenförderung1201. In der Zusammenfassung läßt sich konstatieren, daß sich die in der elften Legislaturperiode beobachtete Entwicklung in den ersten beiden Jahren der zwölften Legislaturperiode fortsetzte: Quantitativ erhöhte die Fraktion ihre Aktivitäten, das Jahr 1997 mit insgesamt 345 Initiativen markierte in dieser Hinsicht einen vorläufigen Höhepunkt. Waren die Republikaner in der elften Legislaturperiode gemessen an den Eingaben pro Kopf noch mit ihren Anträgen, Anfragen und Gesetzentwürfen hinter der Arbeit von

1181 vgl. Drs. 12/910-17, S. 51 und 12/962-16, S. 20. 1182 vgl. Drs. 12/914-6, S. 118 und 12/965-14, S. 15. 1183 vgl. Drs. 12/959-9, S. 10. 1184 vgl. Drs. 12/1959-N18, S. 64. 1185 vgl. Drs. 12/903-24, S. 54. 1186 vgl. Drs. 12/905-8, S. 26 und 12/905-15, S. 33. 1187 vgl. Drs. 12/907-9, S. 4445. 1188 vgl. Drs. 12/909-25, S. 66. 1189 vgl. Drs. 12/909-27, S. 68. 1190 vgl. Drs. 12/909-29, S. 70 und 12/909-32, S. 73. 1191 vgl. Drs. 12/909-36, S. 7879. 1192 vgl. Drs. 12/909-38, 39, S. 81-83. 1193 vgl. Drs. 12/909-48, 49, S. 94-97. 1194 vgl. Drs. 12/909-52, S. 100. 1195 vgl. Drs. 12/914-8,9, S. 121 und 12/914-11, S. 124. 1196 vgl. Drs. 12/904-35, S. 9394. 1197 vgl. Drs. 12/904-40, S. 99 und 12/957-14, S. 19. 1198 vgl. Drs. 12/907-3, S. 38. 1199 vgl. Drs. 12/910-14, S. 48 und 12/962-15, S. 19. 1200 vgl. Drs. 12/912-20, S. 54. 1201 vgl. Drs. 12/914-5, S. 119 und 12/965-13, S. 14. 5 Darstellung der Ergebnisse 184

Fraktionen in vergleichbarer Größe zurück geblieben, so legte die Fraktion in den ersten beiden Jahren der 12. Legislaturperiode eine überdurchschnittliche Aktivität an den Tag. Während etwa die 19köpfige Fraktion der Grünen 398 Vorlagen entwickelte und die 14 Abgeordneten der FDP/DVP im Stuttgarter Landtag nur 153 parlamentarische Initiativen vorlegten, reichte die 14köpfige Abgeordnetengruppe der Republikaner 486 parlamentarische Initiativen ein. Die 39köpfige Abgeordnetengruppe der SPD formulierte derweil 633 Vorstöße, und die 69köpfige Fraktion der Christdemokraten entwickelte 281 Initiativen1202. Dabei hatten die Republikaner nicht nur ihre Aktivitäten erhöht, sondern auch ihre Mittel geändert. So setzten sie in zunehmendem Maße das Instrument des Änderungsantrages zum Haushaltsplan ein, um die Etatgestaltung zu beeinflussen. Nachdem die Fraktion mit ihren zahlreichen Initiativen zur Änderung der Landesverfassung 1994 gescheitert war, nutzte sie nunmehr verstärkt die Möglichkeit des Antrags auf eine Aktuelle Debatte. Thematisch dauerte die Ausweitung der Bandbreite an. Fragen der Finanz-, der Agrarpolitik sowie der Bildungspolitik wurden nun verstärkt aufgegriffen, wenngleich sie im Vergleich zu den beiden unverändert vorrangigen Themenkomplexen der Innen- und Kriminal- sowie der Ausländer- und Asylpolitik unterrepräsentiert blieben. Im Verhältnis der beiden vorrangigen Themenkomplexe hatte sich der Schwerpunkt weiterhin von der Ausländer- und Asylpolitik auf Fragen der Innen- und Kriminalpolitik verlagert, welche gleichwohl oftmals einen Bezug zur Ausländer- und Asylpolitik aufwiesen. Eine spürbare Konjunktur erlebten in der Arbeit der Republikaner zudem Initiativen zum Thema Islam und zur EG-Politik. Auch in der Kulturpolitik entwickelten die Republikaner zumindest 1997 vermehrt Vorstöße, wobei es sich indes in ihrer Mehrheit um Haushaltsanträge mit dem Ziel von Kürzungen der Ausgaben für Kultur handelte.

1202 schriftliche Auskunft der Dokumentationsstelle des Landtags von Baden-Württemberg an den Verfasser vom 16. Februar 1998. Wie unter den Anmerkungen zu Gliederungspunkt 6.4.1.1 bereits dargelegt, können die von der Dokumentationsstelle im Landtag erhobenen Zahlen von den durch den Verfasser erhobenen und in den Tabellen ausgewiesenen Zahlen differieren, da die Datenverarbeitung der Dokumentationsstelle mehrseitige Eingaben der Fraktionen zuweilen als verschiedene Initiativen erfaßt. 5 Darstellung der Ergebnisse 185

5.4 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion

Tabelle 5.4.1 Darstellung Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1992-1997

Pressemitteilungen Gebiet Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr 1992 1993 1994 1995 1996 1997 % % % % % % Agrarpolitik 0 0 1,6 0 1,4 3,5 Arbeitsmarkt 0 1,1 0,5 0,4 4,3 1,3 Asyl/Ausländer/Flüchtlinge 17,3 14,2 7,4 7,3 11,8 11,4 Bildung 2,7 7,9 6,8 4,0 9,0 8,8 Bundes/Internationale Politik 9,1 6,8 11,6 7,8 6,2 6,1 CDU,SPD,FDP,Bündnis 90/Die 18,1 25,8 25,8 19,8 13,3 9,7 Grünen im Landtag/ Minister Drogen-/Gesundheitspolitik 3,6 0,5 3,7 5,7 4,2 4,4 EG/EU 9,1 2,6 1,1 2,5 5,6 4,8 Energiepolitik 0 0 5,3 0,4 0,9 1,3 Finanzpolitik 3,6 5,3 2,6 2,4 10,4 13,2 In eigener Sache 16,4 18,4 9,5 4,0 9,0 4,8 Innen- und Kriminalpolitik 10,9 4,7 13,7 0,4 11,8 16,3 Kulturpolitik 0 2,1 1,1 1,2 1,9 4,0 Sozialpolitik 1,8 0 1,1 6,6 3,3 0,9 Umweltpolitik 0,9 2,6 4,2 7,8 0,9 0,4 Verkehrspolitik 1,8 0,5 1,1 4,0 1,4 2,6 Wirtschaftspolitik 0 3,1 3,1 5,3 4,3 6,2 Sonstiges 4,5 4,2 0 0 0 0 Gesamt (absolut) 110 190 190 244 211 227

5.4.1 Elfte Legislaturperiode

5.4.1.1 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1992

Im ersten Jahr ihrer Tätigkeit im Landtag veröffentlichte die Fraktion der Republikaner 110 Pressemitteilungen. Von ausländer- und asylpolitischen Erklärungen abgesehen wandte sich die Fraktion 1992 am häufigsten in eigener Sache oder mit Äußerungen über den politischen Gegner per Pressemitteilung an die Öffentlichkeit. Unter den ersten zehn veröffentlichten Schreiben fand sich nur eine Erklärung zu einem originär landespolitischen Thema. Zwei Mitteilungen beschäftigten sich mit CDU und SPD, wobei die Republikaner sich als Koalitionspartner der CDU anboten. Die übrigen Erklärungen kommentierten bundespolitische Fragen oder beklagten die vermeintlich mangelnde Ausstattung der Fraktion.

1203 vgl. Aufzeichnungen des Verfassers vom 5. März 1998. 5 Darstellung der Ergebnisse 186

Im einzelnen wurde mitgeteilt, daß die Fraktion Rolf Schlierer zum Vorsitzenden gewählt hatte1204, wie die Fraktion das Wahlergebnis1205 kommentierte, daß Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) in den Koalitionsverhandlungen eine „historische Chance für Mitte-Rechts- Mehrheit“ versäume1206, daß die Fraktion ihre Arbeitsbedingungen im Landtag beklagte1207, mehr parlamentarische Berater für Nicht-Regierungsfraktionen forderte1208, Maßnahmen gegen Organisierte Kriminalität verlangte1209, einen dritten Landtagspräsidenten, den die Opposition aufstellt, einforderte1210 und wie sich die Republikaner zu einem EU-Referendum in Dänemark äußerten1211. Insgesamt beschäftigte sich 1992 fast jede fünfte Mitteilung der Fraktion mit der politischen Konkurrenz im Landtag. Von den achtzehn Schreiben, welche die Republikaner in eigener Sache versandten, beklagten neun die Situation der Fraktion im Landtag, verteidigten die Arbeit der Republikaner gegen Angriffe von außen oder verkündeten Personalien. Entsprechend gering war die Zahl der Pressemitteilungen, welche den Zweck verfolgten, die Arbeit der Fraktion in der Öffentlichkeit darzustellen. Immerhin ein Fünftel der 110 Mitteilungen hatte die Ausländer- und Asylpolitik zum Gegenstand, zwölf weitere Schreiben galten der Innen- und Kriminalpolitik. Thematische Schwerpunkte waren darüber hinaus, vor allem in den klassischen Feldern der Landespolitik, indes schwer auszumachen: Zur Agrar-, Bildungs-, Energie- und Finanzpolitik äußerten sich die Republikaner ebenso selten wie zur Kultur-, Sozial-, Umwelt- oder Verkehrspolitik. Nur einmal bezog die Fraktion per Pressemitteilung Stellung zur Aussiedlerpolitik1212. Bei allem Bedauern um die vermeintlich historische Chance für eine „Mitte-Rechts- Mehrheit“, die Ministerpräsident Erwin Teufel durch Bildung einer Großen Koalition versäume, versuchten sich die Republikaner von den großen Parteien im Landtag abzugrenzen. In der zweiten Mitteilung der Fraktion vom 28. April 1992 bezeichnete der Fraktionsvorsitzende Rolf Schlierer CDU und SPD als „Große Koalition der Verlierer“ und

1204 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 11. April 1992. 1205 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 14. April 1992. 1206 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 28. April 1992, vgl. auch Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 11. Mai 1992. 1207 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 8. Mai 1992, vgl. auch Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 26. Mai 1992. 1208 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 29. Mai 1992. 1209 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 1. Juni 1992. 1210 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 2. Juni 1992. 1211 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 2. Juni 1992. 1212 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 11. August. Die Fraktion sprach sich darin gegen eine Begrenzung des Zuzugs von deutschstämmigen Aussiedlern aus. 5 Darstellung der Ergebnisse 187 versprach: „Die Republikaner werden als stärkste Oppositionskraft ihre Führungsrolle in der Opposition dazu nützen, der rot-schwarzen Einheitspolitik das Kontrastprogramm einer konservativen Alternative entgegenzusetzen.“1213 Die Erklärungen zur Asyl- und Ausländerpolitik, auf die die Republikaner zunächst wie bei ihren Anträgen und Anfragen mehr Aktivität verwandten als auf Fragen der Innen- und Kriminalpolitik, waren gemäß dem Programm der Partei und den Initiativen im Landtag darauf ausgerichtet, Einwanderung nach Möglichkeit zu stoppen. Dabei zeigten die Republikaner auch Verständnis für ausländerfeindliche Übergriffe. So erklärte Rolf Schlierer nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen im Namen seiner Fraktion, Ausländerfeindlichkeit sei ausschließlich „das Ergebnis der ungebremsten Einwanderungspolitik, die die Grundlagen unseres Staates und Volkes zerstören wird“. Leidtragende dieser Politik seien die Bürger, „die sich einer wahren Asylspringflut gegenüber sehen und in ihrer Wehrlosigkeit mit einer ebenso gefährlichen wie erklärbaren Antipathie gegen Immigranten und Ausländer reagieren“1214. Gräberschändungen indes verurteilte die Fraktion. Wer noch die Toten mit Haß verfolge, habe sich außerhalb menschlicher Zivilisation gestellt, teilte sie nach der Schändung jüdischer Grabmale in Bad Cannstatt mit1215. Zugleich machte die Fraktion nach einem Brandanschlag auf ein Schützenhaus nahe Tübingen, in dem zwei Wochen zuvor Karl-August Schaal zu einer Informationsveranstaltung geladen hatte, die „anderem im Parlament vertretenen Parteien für die Pogromstimmung gegen die Republikaner verantwortlich“. In ihrer Rhetorik würde zwischen gewaltbereiten Gruppen und den Republikanern nicht mehr unterschieden1216. Im Juli 1992 appellierte die Fraktion an die Bürgermeister der Kommunen, sich einer weiteren Zuweisung von Asylbewerbern zu widersetzen, etwa durch „die demonstrative Verweigerung der Aufnahme zugewiesener Asylbewerber unter Berufung auf einen übergesetzlichen Notstand“1217. Die Krisenkonferenz des UN-Flüchtlingshilfswerks zur Lage der Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien kommentierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Horst Trageiser zwei Wochen später mit den Worten, mit ihrer Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien machten sich „die Verantwortlichen in Bund und Ländern zu billigen Handlangern serbischer

1213 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 28. April 1992. 1214 Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 25. August 1992. 1215 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 6. Oktober 1992. 1216 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 30. November 1992. 1217 Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 14. Juli 1992. 5 Darstellung der Ergebnisse 188

Vertreibungspolitiker“1218. Nach der Eröffnung der ersten Moschee in Baden-Württemberg äußerten sich die Republikaner über Muslime: „Und weit haben sie es auf europäischem Boden gebracht: Landnahme ohne Schwertstreich und Gegenwehr einer geistig am Boden liegenden christlichen Kultur.“1219 Wie im Falle der parlamentarischen Initiativen überlagerten ausländer- und asylpolitische Positionen der Republikaner zahlreiche Stellungnahmen zu anderen Feldern der Politik. Mitteilungen zur Wirtschafts- und zur Beschäftigungspolitik zum Beispiel, in deren Vordergrund nicht ausländerpolitische Forderungen standen, gaben die Republikaner im ersten Jahr ihrer Zugehörigkeit zum Landtag nicht heraus. So machte die Fraktion die Immigration ausländischer Arbeitskräfte nicht nur für die Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik, sondern auch für die erste Wirtschaftskrise der sechziger Jahre verantwortlich1220. Politiker, welche die angebliche Notwendigkeit einer ethnischen Homogenität in Frage stellten, griffen die Republikaner in drastischem Vokabular an, allen voran Landesinnenminister Frieder Birzele. Nachdem sich der Sozialdemokrat für doppelte Staatsbürgerschaften ausgesprochen hatte, warf ihm die Fraktion der Republikaner „Deutschenhaß“ vor und erklärte, Birzele würde „alle Rassen und Völker am liebsten einzeln an der Grenze zu ihrem Übertritt beglückwünschen, nur eine Sorte mag er nicht - die Deutschen“1221. Mit zehn von insgesamt 110 Mitteilungen 1992 räumten die Republikaner der Europapolitik überproportional viel Raum in der Öffentlichkeitsarbeit ein, da dieses Feld der Politik in den Anträgen und Anfragen der Fraktion zu dieser Zeit noch keine Rolle spielte. In ihren Äußerungen zu den Themen Abtreibungen sowie Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe vertraten die Republikaner Positionen rechts von der CDU. Die Fraktion sprach sich strikt gegen die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für „Abtreibungseinrichtungen“ aus1222 und erklärten zur Forderung nach steuerlicher und sozialer Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften: „Es ist Ausdruck einer zutiefst dekadenten Geisteshaltung, wenn die Schutzfunktion des Staates nun ausgerechnet von denjenigen Personen eingeklagt wird, die sich sonst kaum eine Gelegenheit entgehen lassen, die Autorität des Staates anzuzweifeln“.1223

1218 Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 31. Juli 1992. 1219 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 26. September 1992. 1220 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 11. November 1992. 1221 Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 1. Oktober 1992. 1222 Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 5. August 1992. 1223 Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 19. August 1992. 5 Darstellung der Ergebnisse 189

Darüber hinaus wandten sich die Republikaner gegen die Regelungen des Länderfinanzausgleichs. Unter dem Motto „Keinen Pfennig für das Saarland“ forderte die Fraktion die Landesregierung auf, sich gegen entsprechende Zahlungen an das Saarland zu wehren1224, ohne daß eine parlamentarische Initiative folgte. Einen Skandal löste im September die Veröffentlichung der Nr. 2 des „B.W.-Report“ der Landtagsfraktion aus. Darin war der Fraktionsvorsitzende Rolf Schlierer mit der Behauptung zitiert worden, die „Bonner Altparteien“ versuchten alles, um die Republikaner mit „unlauteren Mitteln zu vernichten“. Gewaltaktionen gegen Ausländer würden „gezielt begangen, um sie dann den Republikanern in die Schuhe zu schieben“. Auf die Empörung der anderen im Landtag vertretenen Parteien reagierte Rolf Schlierer, indem er von einem „redaktionellen Mißverständnis“1225 sprach. In einem Gespräch mit dem Landtagspräsidenten lehnte er es jedoch ab, sich von dem Text insgesamt zu distanzieren. Der SPD- Fraktionsvorsitzende Ulrich Maurer erstattete daraufhin Strafanzeige gegen Schlierer wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Verfassungsorgane1226. In einer Sondersitzung forderte das Landtagspräsidium Schlierer zudem vergeblich auf, von seinem Amt als stellvertretender Vorsitzender des Ständigen Ausschusses des Landtags zurückzutreten1227. Der „B.W.-Report“ wurde nach dem Vorfall eingestellt1228.

5.4.1.2 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1993

1993 entwickelte die Fraktion eine ungleich regere Presse- und Öffentlichkeitsarbeit als 1992 und veröffentlichte 190 Mitteilungen. Stärker noch als bereits im Jahre 1992 stand 1993 der politische Gegner sowie Mitteilungen in eigener Sache im Mittelpunkt der Öffentlichkeitsarbeit der Republikaner. 49 von 190 Schreiben beschäftigten sich mit der CDU, SPD, FDP, den Bündnisgrünen im Landtag oder Ministern der Landesregierung. Keine Stellung bezog die Fraktion währenddessen zur Sozial-, zur Energie- und zur Aussiedlerpolitik. Einmal nur äußerten sie sich zur Verkehrs- und Gesundheitspolitik, eine untergeordnete Rolle spielten außerdem die Felder Agrar, EG, Kultur, Umwelt und Wirtschaft. Währenddessen hatte die Zahl der Erklärungen zur Bildungs- und Finanzpolitik gegenüber dem Vorjahr auf 15 von 3 und auf 10 von 4 zugenommen.

1224 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 27. August 1992. 1225 zit. nach Heilbronner Stimme, 12. Dezember 1992. 1226 vgl. Heilbronner Stimme, 16. Dezember 1992. 1227 vgl. Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 17. Dezember 1992, vgl. auch Heilbronner Stimme, 18. Dezember 1992. 1228 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994., S. 33. 5 Darstellung der Ergebnisse 190

Neben den Erklärungen über den politischen Gegner und Mitteilungen in eigener Sache lag der Schwerpunkt nach wie vor auf der Ausländer- und Asylpolitik. Zwar widersprachen die Republikaner der Einschätzung, sie seien eine Ein-Punkt-Partei. Indirekt aber bestätigten sie selbst dieses Urteil, als sie in einer Pressemitteilung am 1. April 1993 erklärten: „Dem Vorwurf, die Reps seien eine Ein-Punkt-Partei, ist mit dem Argument zu begegnen: Die unkontrollierte Masseneinwanderung ist im politischen Problemkatalog nicht alles, aber ohne deren Lösung ist alles andere nichts.“1229 Daher nahmen die Abgeordneten der Fraktion auch lokale Ereignisse zum Anlaß weitreichender Forderungen. So verlangte Wolf Krisch eine „sozialverträgliche(n) Rückführung von Nicht-EG-Ausländern in ihre Heimatländer“1230, nachdem ein 15jähriger Jugendlicher in Markgröningen einen Griechen niedergestochen hatte, der den Jugendlichen laut Krisch gemeinsam mit zwei Türken verfolgt hatte. Die Situation in den Haftanstalten des Landes diente Rolf Schlierer als Gelegenheit, die Unterbringung der ausländischen Häftlinge in „Straf- und Arbeitslagern“ anzuregen, deren Bewachung und Organisation „durch freiwerdende Berufssoldaten geleistet werden könne“. Schlierer: „Schlaraffia ist vorbei, wir haben Babylon erreicht. Sprach- und Denkverwirrung haben einen Grad erreicht, deren Folgen nicht mehr finanzierbar sind.“1231 Der politische Gegner war derweil Gegenstand scharfer Attacken. Nachdem sich die grüne Landtagsabgeordnete Monika Schnaitmann im „Schwäbischen Tagblatt“ kritisch über die Fraktion geäußert hatte, bezeichnete die Fraktion sie als „furchtbare“ Theologin: „Pastorin, die sie ist, scheinen ihr die apokalyptischen Reiter durchs Theologenhirn zu galoppieren.“1232 In den Mittelpunkt der Angriffe rückte jedoch zunehmend Innenminister Frieder Birzele, zu dessen Überlegung, Ausländer zu Polizisten ausbilden zu lassen, die Fraktion mitteilte: „Würde Innenminister Birzele Nichtdeutsche als Polizisten gegen Deutsche einsetzen, so würde er die Axt an die Grundlagen des Staatswesens legen. Und genau das will Birzele auch.“1233 An anderer Stelle verglichen die Republikaner Birzele mit dem DDR- Propagandisten Karl-Eduard von Schnitzler1234. In beiden Fällen solle der politische Gegner durch Diffamierungen und Verleumdungen in der Öffentlichkeit stigmatisiert werden. Anstelle der Republikaner solle der Innenminister die „linksextremistische Gewaltszene“ durch den Verfassungsschutz beobachten lassen, forderte die Fraktion zudem und machte in

1229 Pressemitteilung der Republikaner im Landtag vom 1. April 1993, zit. nach SPD (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 3. 1230 Pressemitteilung 72/93. 1231 „Die Kassen sind alle und die Knäste sind voll“, Pressemitteilung der Republikaner, 27. Mai 1993. 1232 Pressemitteilung 3/93. 1233 Pressemitteilung 16/93. 1234 Pressemitteilung 159/93. 5 Darstellung der Ergebnisse 191 einem Offenen Brief Birzele für eventuelle Übergriffe auf Parteimitglieder im vorhinein verantwortlich: „Wir können nicht umhin, Sie darauf hinzuweisen, daß Ihr unverständlicher Entschluß, die Partei der Republikaner beobachten zu lassen, der Gewalt gegen Parteimitglieder Vorschub leistet. Stigmatisiert, sehen gewaltbereite Kreise sich berechtigt, gegen das ‘neue politische Unheil’ vorzugehen. Wir möchten Sie darauf hinweisen, daß Sie in einem solchen Falle, den wir freilich nicht beschwören wollen, die volle politische Verantwortung zu tragen haben.“1235 Nach dem Anschlag auf den Landtagsabgeordneten Karl-August Schaal im Monat darauf hielten die Republikaner Birzele vor, entgegen entsprechender Indizien „keine Maßnahmen gegen die linke Gewaltszene in Tübingen und zum Schutz des Abgeordneten Schaal“ ergriffen zu haben1236. Wiederholt zog die Fraktion dabei Parallelen zwischen ihren Gegnern und den Nationalsozialisten. So erklärten die Republikaner zu Äußerungen von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm nach dem ausländerfeindlichen Brandanschlag in Solingen: „Herr Blüm bedient sich mit seinem Kampfaufruf gegen die Republikaner des Mittels und genau derselben Sprache, mit denen nach 1933 schon einmal in Deutschland zum Boykott gegen eine Bevölkerungsgruppe geblasen wurde.“1237

5.4.1.3 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1994

1994 zeigte die Fraktion mit der Veröffentlichung von 190 Schreiben eine ebenso rege Aktivität wie im Vorjahr. Wie in den beiden Jahren zuvor definierte sich die Fraktion vorrangig über ihr Verhältnis zu den übrigen im Landtag vertretenen Parteien. Darüber hinaus war zu beobachten, daß die Erklärungen zur Ausländer- und Asylpolitik gegenüber 1993 deutlich abgenommen hatten, in noch stärkerem Maße als im Falle der parlamentarischen Initiativen, während sich die Zahl der Schreiben zu Fragen der Innen- und Kriminalpolitik nahezu verdreifacht hatte. Insgesamt hatte sich die Bandbreite der Themen, entsprechend der parlamentarischen Initiativen, auf die sich die Erklärungen nicht selten bezogen, weiter diversifiziert. Vermehrt wurden die Republikaner somit etwa in der Bildungspolitik aktiv. Die Zahl der Veröffentlichungen zur Drogen- und Gesundheitspolitik war auf nunmehr sieben von einer im Vorjahr gestiegen, zur Energiepolitik auf zehn von null. In der Arbeitsmarktpolitik wandte sich die Abgeordnete Liane Offermanns gegen Frauenförderpläne1238, und Lothar König forderte eine steuerliche Entlastung der Privathaushalte, um die Konjunktur zu stärken

1235 Offener Brief, 12. Mai 1993. 1236 Pressemitteilung 85/93. 1237 Pressemitteilung 66/93. 1238 vgl. Pressemitteilung 159/94. 5 Darstellung der Ergebnisse 192 und damit der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken1239. In der Agrarpolitik setzte sich Michael Herbricht zudem für eine Renationalisierung der Landwirtschaft ein1240. Abseits ihrer angestammten Ressorts verfuhren die Republikaner dabei nicht immer stringent. So schloß sich die Fraktion im Februar zunächst der Forderung der Grünen nach Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zu etwaigen Sicherheitsmängeln im Atomreaktor Obrigheim an1241, um die Anlage im November wiederum als „eine der sichersten und technisch hochwertigsten“ zu verteidigen1242. Die Äußerungen zur Ausländerpolitik hatten sich in ihrer Quantität, nicht aber in ihrem Inhalt verändert. So befürchtete Lothar König „langfristig den völligen Zerfall unseres Gesellschaftssystems“, nachdem ein türkisches Mädchen aus religiösen Gründen von der Teilnahme am Sportunterricht freigestellt worden war1243. Die Attacken auf Innenminister Frieder Birzele, dessen Verfassungsschutzbehörde im Juni die Republikaner in ihrem Bericht für das Jahr 1993 erstmals als rechtsextrem eingestuft hatte, nahmen währenddessen an Schärfe noch zu: „Für die Republikaner wird die Verfassung von der Volksfront in Sachsen- Anhalt und den Volksfrontmethoden des Herrn Birzele in Baden-Württemberg bedroht“1244, erklärte die Fraktion nach der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes. Im September dann behauptete die Fraktion, Angehörige des Verfassungsschutzes hätten „eindeutig“ versucht, Fraktionsmitarbeiter zu falschen Aussagen über Interna der Fraktion zu bewegen - gab entgegen ihrer Ankündigung aber keinerlei Details bekannt1245. Andere Parteien oder parteinahe Stiftungen, die sich in Veröffentlichungen mit der Arbeit der Fraktion auseinandersetzten, griffen die Republikaner an. Eine von der Konrad-Adenauer- Stiftung herausgegebene Studie1246 taten sie als „pseudowissenschaftliches Machwerk“ ab, ohne ihre Behauptung zu belegen, die Schrift enthalte Unwahrheiten und Falschbehauptungen1247. Die SPD-Fraktion, die einen quantitativen Vergleich zwischen der Arbeit der Republikaner und anderen Fraktionen seit Beginn der elften Legislaturperiode bis

1239 vgl. Pressemitteilung 190/94. 1240 vgl. Pressemitteilung 42/94. 1241 vgl. Pressemitteilung 21/94. 1242 Pressemitteilung 165/94. 1243 Pressemitteilung 9/94. 1244 Pressemitteilung 106/94. 1245 vgl. Pressemitteilung 135/94. 1246 vgl. Lepszy, Norbert/Veen, Hans-Joachim: „Republikaner“ und DVU in kommunalen und Landesparlamenten sowie im Europaparlament, Wiesbaden 1994. 1247 Pressemitteilung 37/1994. 5 Darstellung der Ergebnisse 193

Februar 1994 angestellt hatte1248, bezeichneten die Republikaner als „Erbsenzählerpartei“1249. Nicht nur mit Hilfe von Mitteilungen zu ihrer oder zu der Arbeit anderer Akteure im Landtag versuchte die Fraktion 1994, verstärkt Eingang in die Berichterstattung der baden- württembergischen Presse zu finden. Auch auf direktem Wege wandte sie sich etwa an den Landesdienst Südwest der Deutschen Presse-Agentur (dpa-lsw), um Einfluß darauf zu nehmen, welchen Raum das Unternehmen der Arbeit der Fraktion einräumte. Am 11. August 1994 beschwerten sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Deuschle und der parlamentarische Geschäftsführer Lothar König zum Beispiel darüber, daß dpa-lsw nicht über die Pressemitteilung 118/94 der Republikaner zum Thema Pflegekompromiß berichtet hatte. „Gerade weil die Fraktion Die Republikaner die redaktionelle Unabhängigkeit für sehr wichtig hält, sollte, trotz parteipolitischer Präferenzen einzelner Mitarbeiter, ein Mindestmaß an journalistischer Fairness (Fehler im Original, d. A.) und Ausgewogenheit gewahrt werden“, schrieben die Politiker in dem nicht veröffentlichten Schreiben1250.

5.4.1.4 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1995

Im Jahre 1995 steigerte die Fraktion ihre Aktivitäten in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie veröffentlichte 244 Erklärungen, über ein Viertel mehr als im Jahr zuvor. Die höhere Zahl der Mitteilungen führte zu einer Verbreiterung des Themenspektrums. So hatten sich zum Beispiel nach Jahren der Vernachlässigung Bildungs- und Umweltpolitik mittlerweile zu Feldern entwickelt, zu denen sich die Fraktion regelmäßig äußerte, ebenso die Wirtschafts-, die Verkehrs- und die Sozialpolitik, in der die Themenpalette von der Familie über Alte bis hin zu Behinderten reichte1251. Aus der Energiepolitik hatten sich die Republikaner nur scheinbar zurückgezogen - sie veröffentlichten 1995 zwar keine einschlägige Erklärung, brachten zugleich aber mehrere parlamentarische Initiativen ein. Das selbe galt für Fragen des Arbeitsmarktpolitik. Vor diesem Hintergrund war um so augenscheinlicher, daß sich die Partei, die sich so vehement gegen jegliche Multikultur wandte, äußerst schwer tat, ging es um die Gestaltung

1248 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament. Eine Dokumentation über die REPs, Stuttgart 1994. 1249 Pressemitteilung 36/1994. 1250 Schreiben vom 11. August 1994. 1251 vgl. zum Beispiel Pressemitteilung 7/95, in der sich Liane Offermanns für eine Erhöhung des Kindergeldes stark machte, vgl. auch Pressemitteilung 42/95, in der Ulrich Deuschle die Antwort der Landesregierung auf einen Antrag der Fraktion zum Finanzierungskonzept der Pflegeversicherung kommentiert, vgl. ferner Pressemitteilung 22/95, in der Max Reimanns anläßlich des Tages der Behinderten einen dauerhaften Dialog zwischen Behinderten und Politikern fordert. 5 Darstellung der Ergebnisse 194 der Kultur in Baden-Württemberg. Dreimal meldete sich die Fraktion zur Kulturpolitik zu Wort. Die Erklärungen zeugten jedoch von wenig Eigeninitiative, wenn die Fraktion zum Beispiel mitteilte: „Die Republikaner im Landtag begrüßen grundsätzlich die Entscheidung der Landesregierung, in Baden-Baden ab 1998 die Pfingstfestspiele durchzuführen.“1252 Die meisten Schreiben veröffentlichten die Republikaner erstmals nicht mehr in eigener Sache oder über den politischen Gegner, sondern zur Innen- und Kriminalpolitik. Die Zahl der Mitteilungen in diesem Bereich hatte sich gegenüber dem Vorjahr auf 50 von 26 nahezu verdoppelt, während die Zahl der Schreiben zur Ausländerpolitik von 14 auf 18 gestiegen war. In diesem Ressort manifestierte sich wiederum eine thematische Verlagerung: vier der 18 Erklärungen galten dem Phänomen des islamischen Fundamentalismus1253. Die Ausländer- und Asylpolitik prägte indes nach wie vor die Stellungnahmen zu anderen Bereichen der Politik, etwa zur Bildungspolitik. So wertete Lothar König die Ankündigung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Ulrich Maurer, im Falle eines Wahlsieges 8.000 zusätzliche Stellen für Lehrer einzurichten, als „Eingeständnis weiterer Zuwanderung“1254. Als die bündnisgrüne Fraktion im Schulgesetz den Gottesbegriff sowie das Lernziel „Liebe zu Volk und Heimat“ streichen wollten, sah die Fraktion die „Fundamente der christlich- abendländischen Kultur“ in Gefahr und erklärte, die Bündnisgrünen bereiteten die „multikulturelle Gesellschaft jetzt auch auf dem Schulsektor vor“.1255 Insgesamt verknüpften vier der zehn bildungspolitischen Erklärungen schulpolitische Fragen mit dem Thema Zuwanderung1256. In der Sozialpolitik machte die Fraktion außerdem die Zahl der Flüchtlinge für die Steigerung der Ausgaben für Sozialhilfe verantwortlich1257. Europapolitisch nahm die Fraktion die Diskussion um den Erreger von BSE und um eine Aufhebung des Importstopps für britisches Rindfleisch zum Anlaß, die europäische Integration insgesamt in Frage zu stellen: „Hier wird wieder einmal deutlich“, teilte Michael Herbricht im Namen der Fraktion mit, „welche ‘Wahnsinnsverträge’ in Brüssel von Bundestag und Bundesrat abgesegnet wurden“.1258

1252 Pressemitteilung 69/95. 1253 vgl. etwa Pressemitteilung 11/95, in der sich die Fraktion gegen die Forderung :nach Einführung eines islamischen Religionsunterrichts wendet, vgl. auch Pressemitteilung 30/95, in der die Fraktion aus Anlaß einer entsprechenden Anfrage im Landtag vor islamischem Fundamentalismus warnen. 1254 Pressemitteilung 20/95. 1255 Pressemitteilung 46/95. 1256 vgl. Pressemitteilungen 123 und 221/95. 1257 vgl. Pressemitteilung 177/95. 1258 zit. nach Pressemitteilung 40/95. 5 Darstellung der Ergebnisse 195

Mittlerweile versandte die Fraktion nicht mehr nur Pressemitteilungen mit den Stellungnahmen einzelner Abgeordneter, sondern auch längere Positionspapiere. So verschickten die Republikaner im November eine vierseitige Erklärung zur Rentenpolitik, in der sich die Fraktion für ein Kapitaldeckungs- anstelle eines Umlageverfahrens zur Finanzierung der Rentenansprüche einsetzte1259. Zudem veröffentlichte die Fraktion unter anderem den Text einer Rede, die der Unternehmensberater Hans Hausberger auf Einladung der Republikaner am 9. Juni im Plenarsaal des Landtags über „Die Folgen der europäischen Währungsunion“ gehalten hatte1260. Anders als 1994, als sich die Fraktion direkt an die Deutsche Presse-Agentur (dpa) gewandt hatte, um sich dort über die Berichterstattung zu beklagen, traten die Republikaner 1995 mit ihrer Beschwerde über die Agentur an die von dpa belieferten Presseorgane heran. Als unseriös bezeichnete Ulrich Deuschle im Juli einen dpa-Bericht über wiederholte Attacken der Partei auf Ausländer in parlamentarischen Redebeiträgen1261. Zwei Monate später galt seine Kritik einem dpa-Korrespondentenbericht über die Arbeit der Fraktion im Landtag1262.

5.4.1.5 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1996 bis zur Landtagswahl

Bis Ende der elften Legislaturperiode setzten sich die Republikaner vor allem mit Landesinnenminister Frieder Birzele auseinander. Ihm warf die Fraktion die Verbreitung falscher Zahlen über das Ausmaß der Einwanderung sowie den Mißbrauch der Behörden des Verfassungsschutzes vor. Die Angaben über die Zahl der Flüchtlinge, die 1995 nach Baden- Württemberg gekommen waren, seien „nachweislich falsch“. Auf Anfrage der Fraktion im Bundesinnenministerium habe „sich das zuständige Referat äußerst befremdet über die von SPD-Innenminister Birzele in Baden-Württemberg veröffentlichten Zahlen“ gezeigt1263. Die Zahl der 1995 nach Baden-Württemberg eingereisten Nichtdeutschen belaufe sich auf 14.682 anstatt, wie Birzele erklärt habe, auf 12.927. Birzeles Behörde hatte die Angaben der Zentralen Aufnahmestelle in Baden-Württemberg zugrunde gelegt. Die Einrichtung erfaßte diejenigen Asylbewerber, die sich dort melden. Da sich infolge § 14 Abs. 2 des

1259 vgl. Pressemitteilung vom 3. November 1995. 1260 vgl. Hans Hausberger: Die Folgen der europäischen Währungsunion. Vortrag im Plenarsaal des Landtags von Baden-Württemberg, hg. v. der Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden- Württemberg, 3. Auflage, Dezember 1996. 1261 vgl. Pressemitteilung 132/95. 1262 vgl. Pressemitteilung 184/95. 1263 Pressemitteilung 5/96. 5 Darstellung der Ergebnisse 196

Asylverfahrensgesetzes nicht alle Asylbewerber bei einer Aufnahmeeinrichtung melden mußten, unterschieden sich die Angaben des Landesinnenministeriums von denen des Bundesinnenministeriums, welches sich auf die Geschäftsstatistik des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge stützte. In dem persönlichen Schreiben, mit dem ein Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums auf die telefonische Anfrage eines parlamentarischen Mitarbeiters der Fraktion der Republikaner antwortete, zeigte sich die Behörde nicht „äußerst befremdet“ über Birzeles Zahlen, sondern klärte die Fraktion vielmehr ausdrücklich über die unterschiedliche Art der Erhebung auf und wies zudem darauf hin, „daß die Gefahr besteht, daß es wegen der dargestellten unterschiedlichen Zählung zu unterschiedlichen Angaben von Bund und Ländern kommt, und dies bei Außenstehenden zu Irritationen führen kann“1264. Dessenungeachtet erklärte die Fraktion in einem noch am selben Tage versandten Schreiben erneut: „Republikaner bleiben dabei: Asylzugangszahlen werden vom Innenministerium manipuliert.“1265 Birzele sei bereits im Sommer 1995 auf die bedingte Aussagekraft seiner Zahlen hingewiesen worden1266. Den Vorwurf der Manipulation weiteten die Republikaner schließlich auf die Zahlen ausländischer Straftaten aus, die ebenfalls „nachweislich geschönt“ seien1267. Fortan diente der Vorwurf allgemein dazu, um die Bewertung der Kriminalitätsstatistik durch den Innenminister in Frage zu stellen1268. Schlicht in Abrede stellte die Fraktion Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz über die Zusammenarbeit zwischen dem Abgeordneten Karl-August Schaal und dem Neonazi Alois Hogh im Wahlkampf: „Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz hat die Öffentlichkeit belogen, indem er die unwahre Behauptung aufgestellt hat, Herr Schaal hätte (Fehler im Original, d. A.) an einer Veranstaltung in der Absicht teilgenommen, in Neonazi- Kreisen um Wahlkampfunterstützung zu werben. Es bleibt dabei: Die Abgrenzungsbeschlüsse der Republikaner wurden entgegen den Lügen des Innenministeriums eingehalten.“ Dabei führte die Fraktion die Kooperation zwischen Hogh und Schaal auf eine Inszenierung des Verfassungsschutzes zurück und behauptete: „Nach Auswertung der vom Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg aufgestellten Behauptungen steht nunmehr fest: Der Verfassungsschutz stellte dem Tübinger Abgeordneten der Republikaner

1264 Schreiben Dr. Streits, Bundesinnenministerium, an Dr. Hartmut Järicke, parlamentarischer Mitarbeiter der Fraktion der Republikaner, 12. Januar 1996. 1265 Pressemitteilung 6/96. 1266 vgl. Pressemitteilung 14/96. 1267 vgl. Pressemitteilung 16/96. 1268 vgl. Pressemitteilung 30/96. 5 Darstellung der Ergebnisse 197

Karl-August Schaal eine Falle, um die Republikaner wahlkampfgerecht diffamieren zu können.“ 1269 Wenige Tage zuvor hatte die Fraktion aus der Vermutung, daß Hogh „bereits seit längerem“ unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand, die Frage abgeleitet, „wieso der Verfassungsschutz bzw. das Innenministerium nicht den Abgeordneten Schaal gewarnt hat“1270. Die ausländerpolitischen Mitteilungen, welche die Republikaner vor der Landtagswahl verschickten, enthielten nichts Neues. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit forderte Rolf Schlierer „erneut ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz zur Entlastung des Arbeitsmarktes“1271. Auf Einwanderung und Flüchtlinge führte Rolf Wilhelm, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, die Überlastung der kommunalen Sozialhilfekassen zurück1272. Entgegengesetzte Positionen vertraten die Republikaner in der Aussiedlerpolitik, nachdem der SPD-Spitzenkandidat Dieter Spöri wenige Wochen vor der Landtagswahl den Stopp des Zuzugs von Rußlanddeutschen gefordert hatte. „Der angebliche Humanismus der Sozialisten erweist sich wieder einmal als menschenfeindliche Gesinnung“, teilte Rolf Schlierer zu den „aussiedlerfeindlichen Äußerungen“ mit1273. EU-politisch wandten sich die Republikaner weiterhin gegen die Umsetzung der Bestimmungen der Verträge von Maastricht: „Das Maastricht-Europa wird zur wirtschaftlichen Katastrophe.“1274 In der Zusammenfassung der elften Legislaturperiode ist damit festzuhalten, daß die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Republikaner thematisch weitgehend ihren parlamentarischen Initiativen entsprach. Zunächst lag der Schwerpunkt auf der Ausländer- und Asylpolitik, im Laufe der Zeit verlagerte er sich auf die Innen- und Kriminalpolitik, und die Fraktion eignete sich zunehmend weitere Themen an. Darüber hinaus benutzte die Fraktion ihre Öffentlichkeitsarbeit zur Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Ihm galten in den Jahren 1992, 1993 und 1994 die meisten Erklärungen. Dabei gebrauchten die Republikaner, vor allem gegen Ende der Legislaturperiode, weitaus schärfere Worte als in ihren parlamentarischen Initiativen.

1269 Pressemitteilung 51/96. 1270 Pressemitteilung 49/96. 1271 Pressemitteilung 18/96. 1272 vgl. Pressemitteilung 23/96, nach der Wiederwahl vertrat Rapp dieselbe Ansicht, vgl. Pressemitteilung 119/96 vom 9. August 1996. 1273 Pressemitteilung 35/96. 1274 Pressemitteilung 8/96. 5 Darstellung der Ergebnisse 198

5.4.2 Zwölfte Legislaturperiode

5.4.2.1 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1996 nach der Landtagswahl

Nach der erneuten Wahl in den Landtag gewannen die Erklärungen zur Einführung einer europäischen Einheitswährung an Bedeutung1275. Die Fraktion beließ es nicht mehr dabei, Meinungsäußerungen zu verbreiten, sondern präsentierte zum Beispiel im Dezember ein sieben Seiten umfassendes Papier, in dem sie die geplante Einheitswährung ausführlich kritisierte und etwa ein „Verbot von Beistandshilfen für einen EU-Mitgliedsstaat mit chronischen und übermächtigen Defiziten“ forderte1276. Zudem betätigten sich die Republikaner verstärkt als Fürsprecher der Kommunen in Finanzfragen und forderten unter anderem eine Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern1277. Dabei stellten sie angesichts von Arbeitslosigkeit und Finanznot in den Kommunen nach wie vor einen Zusammenhang zur Einwanderung her1278. Bildungspolitisch setzte sich die Fraktion für ein „achtjähriges Elitegymnasium“ ein1279. Mit der Berichterstattung in den Medien waren die Republikaner nach wie vor nicht zufrieden. Die Parlamentsarbeit der Republikaner werde „systematisch totgeschwiegen“, bemängelte die Fraktion1280, die eine „Medienblockade“ beklagte1281. Zugleich verstärkte sie nach der erneuten Wahl in den Landtag ihre Bemühungen um öffentliche Selbstdarstellung abseits der Pressearbeit. Ab Juli erschien in loser Folge ein „Brief aus dem Landtag“, in dem die Fraktion über sich und ihre Arbeit sowie über die anderen Parteien im Landtag schrieb. Bis Jahresende waren vier Ausgaben erschienen1282. Vor dem Jahreswechsel zeigten sich die Republikaner „mit dem im Jahr 1996 Erreichten rundum zufrieden“. Als Hauptaufgabe der Fraktion 1997 sah Fraktionsvorsitzender Schlierer demnach die Arbeitsmarktpolitik1283.

1275 vgl. stellvertretend die Pressemitteilungen 68/96 und 86/96. 1276 Pressemitteilung 198/96. 1277 vgl. stellvertretend die Pressemitteilungen 119 und 122/96. 1278 vgl. stellvertretend die Pressemitteilungen 119 und 174/96. 1279 Pressemitteilung 181/96. 1280 Pressemitteilung 92/96. 1281 Pressemitteilung 211/96. 1282 vgl. Brief aus dem Landtag 1/1996 vom 3. Juli 1996, Nr. 2/1996 vom 20. August 1996, Nr. 3/1996 vom 15. November 1996, Nr. 4/1996 vom 23. Dezember 1996. 1283 vgl. Pressemitteilung 211/96. 5 Darstellung der Ergebnisse 199

5.4.2.2 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion im Gesamtjahr 1996

1996 veröffentlichte die Fraktion insgesamt 211 Erklärungen. Bedingt durch die Beratungen des Haushalts für das Jahr 1997 nahmen die Mitteilungen zur Finanzpolitik gegenüber dem Vorjahr stark zu. Die Zahl der Schreiben zu diesem Gebiet wuchs im Vergleich zum Vorjahr auf 22 von 6. Nur über die anderen Parteien im Landtag, zur Ausländer- und Asylpolitik und zur Innen- und Kriminalpolitik äußerten sich die Republikaner häufiger. In erster Linie gab die Fraktion Erklärungen über die Landesregierung, deren Mitglieder sowie die übrigen Parteien im Landtag heraus. Die Zahl der Mitteilungen zur Innen- und Kriminalpolitik hatte sich währenddessen halbiert, leicht zugenommen hatte die Zahl der Schreiben zur Ausländerpolitik. Ein Nischendasein führte in der Öffentlichkeitsarbeit der Republikaner nach wie vor die Kultur. Auch die Agrarpolitik schien von allenfalls untergeordnetem Wert. 1996 veröffentlichte die Fraktion unter dem Titel „Ignoranz, Arroganz und Menschenverachtung“ außerdem eine Broschüre über den Umgang mit ihnen im Landtag1284. Eine zweite Schrift diente dem Zweck, die Themen und Initiativen der Fraktion in der elften Legislaturperiode darzustellen1285.

5.4.2.3 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion 1997

Im Jahre 1997 verschickte die Fraktion 227 Pressemitteilungen. Auch in jenem Jahr äußerte sich die Fraktion am häufigsten zur Innen- und Kriminalpolitik. Zugleich nahm erstmals die Finanzpolitik, in deren Mittelpunkt die Beratungen zum Haushaltsetat 1997 bzw. dessen Nachtragsetats im Zeichen leerer Kassen stand, in der Öffentlichkeitsarbeit breiteren Raum ein als die Ausländer- und Asylpolitik. Der politische Gegner dagegen, auf dem in den Jahren zuvor oftmals das Hauptaugenmerk gelegen hatte, zählte nicht einmal zu den drei meistfrequentierten Themen. Merklich erhöht hatte sich im Vergleich zum Vorjahr auch die Zahl der Schreiben in bezug auf Fragen der Kultur. Großer Aufmerksamkeit erfreuten sich auch Themen der Bildung, womit sich, neben Polizei- und Innenpolitik, ein weiteres originäres Thema der Landespolitik in der Pressearbeit etabliert zu haben schien, welches 1997 eine ähnliche Konjunktur erlebte wie das Thema „politischer Gegner“. Weniger häufig,

1284 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg (Hg.): Ignoranz, Arroganz und Menschenverachtung. Dokumentation und Analyse des parlamentarischen Umgangs mit der Partei Die Republikaner in der 11. Wahlperiode (1992-1996) des Landtags von Baden-Württemberg, Stuttgart 1996. 1285 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg (Hg.): Querschnitt. Themen und Initiativen, Pforzheim 1996 5 Darstellung der Ergebnisse 200 wenngleich regelmäßig, verfaßte die Fraktion Mitteilungen zur Agrarpolitik, zur Wirtschaftspolitik sowie zu Fragen der Europäischen Union. Ins Abseits geraten waren 1997 Sozial-, Umwelt- sowie die Energiepolitik. Dasselbe galt, entgegen der Ankündigung des Fraktionsvorsitzenden Rolf Schlierer, auch für das Thema Arbeitsmarkt. Dabei hatte Wolf Krisch noch am 9. Januar verbreitet, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit habe für die Fraktion „absoluten Vorrang“. Als Ursachen der Beschäftigungssituation nannte Krisch die Bemühungen um eine europäische Integration sowie die Zahl der Ausländer in Baden-Württemberg. „Für Maastricht“ nehme die Landesregierung „Hunderttausende Arbeitslose“ in Kauf. Solange indes „Millionen Deutsche“ arbeitslos seien, dürfe es keine Arbeitserlaubnisse für Ausländer geben1286. Ulrich Deuschle äußerte sich später ähnlich: „Wenn man davon ausgeht, daß derzeit in Deutschland allein über 300.000 Arbeitserlaubnisse jährlich für Nicht-EU- Ausländer erteilt werden, braucht man sich über hohe Arbeitslosenzahlen nicht zu wundern.“1287 Als wissenschaftspolitischer Sprecher der Fraktion setzte sich Deuschle gleichwohl für „die Errichtung einer privaten Eliteuniversität“ ein, an der auch Ausländer studieren können sollten1288. Das Phänomen der Zuwanderung und die Anwesenheit abgelehnter, nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention geduldeter Asylbewerber machten die Republikaner auch verantwortlich für die finanzielle Situation in den Landkreisen1289. Im Haushalt des Landes verursachten Asylbewerber und deren Unterbringung nach Ansicht der Fraktion ohnehin unnötige Kosten1290. Die Kriminalität im Lande war nach Aussage Rolf Schlierers zu einem guten Teil ebenfalls auf Ausländer zurückzuführen: „Wer die Kriminalität in unserem Lande bekämpfen will, darf vor dem Ausländerproblem nicht die Augen verschließen.“1291 In der Verkehrspolitik sprach sich die Fraktion für eine Autobahnvignette anstelle einer Mineralölsteuer-Erhöhung aus1292. In der Auseinandersetzung um die an die FDP gewährte Zahlung von 12,4 Millionen Mark aus der staatlichen Parteienfinanzierung, zu der sich die Abgeordnetengruppe mehrfach äußerte1293, verlangten die Republikaner von den

1286 Pressemitteilung 4/97. 1287 Pressemitteilung 64/97. 1288 Pressemitteilung Nr. 203/97. 1289 vgl. Pressemitteilung 23/97. 1290 vgl. Pressemitteilung 157/97. 1291 Pressemitteilung 177/97. 1292 vgl. Pressemitteilung Nr. 204/97. 1293 vgl. Pressemitteilungen Nr. 206/97, 207/97, 221/97, 222/97 und 223/97. 5 Darstellung der Ergebnisse 201

Freidemokraten die Rückzahlung des Betrages1294. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth forderten sie in diesem Zusammenhang zum Rücktritt auf, da sie sich bei Gewährung der Zuschüsse an die FDP „bewußt über rechtliche Bedenken der Bundestagsverwaltung hinweggesetzt“ habe. Unerträglich werde es, wenn Frau Süssmuth ihr hohes Amt für die Interessen des „Bonner Machtkartells“ ausnutze und gegen geltendes Recht einseitig eine Partei bevorzuge1295, teilte die Fraktion mit, deren Vorsitzender mit der Partei Die Grauen sowie dem Südschleswigschem Wählerverband gegen die Zahlung des Betrages gerichtlich geklagt hatte. Zugleich nutzten die Republikaner ihre Öffentlichkeitsarbeit in zunehmendem Maße dazu, ausführliche Positionspapiere zu verbreiten. Nachdem sie in den Jahren zuvor Konzepte zur Rentenpolitik und zur Einführung einer europäischen Einheitswährung präsentiert hatten, legten sie 1997 eine achtseitige Mitteilung vor, in der sie ihre haushaltspolitischen Vorstellungen darlegten1296 sowie ein fünfseitiges Papier zum verstärkten Schutz von Verbrechensopfern gemäß Opferentschädigungsgesetz1297. Ausführlich begründeten die Republikaner ferner ihr Sondervotum in der Enquête-Kommission des Landtags zur Neuordnung des Rundfunks in Baden-Württemberg; im wesentlichen kritisierten sie, daß angesichts der zu erwartenden Kosten des künftigen Südwestrundfunks, entgegen der Intention der Neuordnung, mit nennenswerten Einsparungen nicht zu rechnen sei1298. Im September, während der Beratungen zum zweiten Nachtragshaushalt für 1997, veröffentlichte die Fraktion, die schon zuvor die Reduzierung der Neuverschuldung verlangt hatten1299, abermals ein neunseitiges Konzeptpapier zu den Etatberatungen1300, in dem die Fraktion unter anderem eine Überprüfung sämtlicher Subventionen und eine Änderung des Länderfinanzausgleichs forderte. Gleichzeitig erschien als Ergebnis einer Klausurtagung ein Konzept zum Thema Ämterschließung1301. Bereits im Januar hatten sich die Republikaner auf einer solchen Tagung eigenen Angaben zufolge mit den Themen Haushalt, Energiewirtschaftsgesetz und mit dem Schutz von Kriminalitätsopfern befaßt1302.

1294 vgl. Pressemitteilung Nr. 206/97. 1295 Pressemitteilung 207/97. 1296 vgl. Pressemitteilung 11/97. 1297 vgl. Pressemitteilung 37/97. 1298 vgl. Pressemitteilung 99/97. 1299 vgl. Pressemitteilungen 157 und 173/97. 1300 vgl. Pressemitteilung 175/97. 1301 vgl. Pressemitteilung 176/97. 1302 vgl. Pressemitteilung 8/97. 5 Darstellung der Ergebnisse 202

Darüber hinaus verstärkte die Fraktion ihre Bemühungen um eine öffentliche Selbstdarstellung abseits der Pressearbeit. So veröffentlichten die Republikaner mittlerweile in loser Folge Informationsblätter zum Beispiel zu den Themen Arbeitslosigkeit1303, Globalisierung1304, Patriotismus1305, Islam1306, Zuwanderung1307, Renten1308 und Euro1309. In unregelmäßigen Abständen gab die Fraktion überdies Broschüren heraus. Die Schriften dokumentierten die Reden von Abgeordneten der Fraktion1310 sowie Vorträge von Gästen1311 oder parlamentarischen Beratern1312, welche die Republikaner eingeladen hatten, im Plenarsaal des Landtages zu sprechen. Weitere Veröffentlichungen stellten die Thesen der Fraktion zur Rolle von Landes- und Regionalparlamenten in der Europäischen Union1313 vor oder auf rund hundert Seiten die Ansätze der Republikaner zur Rentenreform1314. Die Mitteilungen der Landtagsfraktion firmierten nun unter „Aus unserer Sicht“ und unterschieden sich von dem „Brief aus dem Landtag“ vor allem durch ihr Layout1315. Zusammenfassend läßt sich somit sagen, daß die Angriffe auf den politischen Gegner in der Öffentlichkeitsarbeit der Republikaner nach Ende der elften Legislaturperiode nachließen. Statt dessen verwandte die Fraktion ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verstärkt darauf,

1303 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: Arbeitslos: Die Altparteien ohne Antwort, o.O., o.J. 1304 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: Globalisierung oder soziale Volkswirtschaft?, o.O., o.J. 1305 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: „All I need is America“... und wer braucht Deutschland?, o.O., o.J. 1306 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: Islam. Kirchenglocken oder Ruf des Muezzin?, o.O., o.J. 1307 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: Arbeit für Deutsche. Schluß mit der Zuwanderung, o.O., o.J. 1308 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: Renten: Das mißbrauchte System, o.O., o.J. 1309 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: Euro: Leiden für Maastricht, o.O., o.J. 1310 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: Debatten im Landtag: Einhaltung der EU-Stabilitätskriterien. Das Durcheinander in der Politik der Landesregierung, Redebeitrag des Abgeordneten Wolf Krisch, Republikaner, 31. Sitzung des 12. Landtags, o.O., o.J. 1311 vgl. Alfred Mechtersheimer: Multiethnische Entwicklung und Demokratieangebot, Vortrag im Plenarsaal des Landtags von Baden-Württemberg, hg. v. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg, o.O., o.J. 1312 vgl. Peter Linder: Die Europäische Währungsunion, Vortrag im Plenarsaal des Landtags von Baden- Württemberg, hg. v. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg, o.O., o.J. 1313 vgl. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: Stuttgarter Thesen zur europapolitischen Rolle der Landes- und Regionalparlamente in der europäischen Union. Vorschlag der Republikaner, o.O., o.J. 1314 vgl. Peter Linder: Rente 2000 und danach... Alternative Ansätze zur Rentenreform, hg. v. Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg, o.O., o.J. 1315 vgl. etwa Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg: „Aus unserer Sicht“ Nr. 5 und 6, o.O, o.J. 5 Darstellung der Ergebnisse 203 längere Positionspapiere nicht nur unter den Presseorganen, sondern auch in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Diese weniger spektakuläre Öffentlichkeitsarbeit trat dabei nicht an die Stelle der zuge- oder überspitzten Erklärungen früherer Tage, sondern sollte sie offenbar ergänzen. Die Mitteilungen der Fraktion standen dabei in der Regel nicht in zeitlichem Zusammenhang mit entsprechenden Initiativen im Parlament. Gegenüber den Initiativen der Fraktion weisen deren Pressemitteilungen sowie deren Öffentlichkeitsarbeit kaum Korrelationen aus, wie aus den Tabellen 5.4.1.2 und 5.4.1.3 hervor geht. Allein für das Jahr 1995 ergibt sich eine hohe Signifikanz. Zurückzuführen ist diese vor allem auf parallele Vorstöße in den Gebieten der Sozial-, der Umwelt-, der Verkehrs- und der Wirtschaftspolitik – Bereiche, die sich 1995 neben der Ausländerpolitik als weitere Schwerpunkte der parlamentarischen Arbeit heraus gebildet hatten. Angesichts der nahenden Landtagswahl im März 1996 war die Fraktion offenbar bestrebt, in ihrer Öffentlichkeitsarbeit verstärkt ihre Arbeit im Parlament darzustellen. Für diese These spricht auch, daß die Fraktion in jenem Jahr die größten Aktivitäten in ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit entwickelte. Nach der Wiederwahl dann verflüchtigte sich dieses Phänomen und damit die Korrelationen. Im gesamten Betrachtungszeitraum zeigt sich eine hohe Signifikanz allein auf dem den Republikanern angestammten Gebiet der Asyl-, Ausländer- und Flüchtlingspolitik, auf dem die Fraktion regelmäßig Initiativen vorlegte und Mitteilungen publizierte.

Tabelle 5.4.1.2 Korrelationen* zwischen parlamentarischen Initiativen und Pressemitteilungen sowie Öffentlichkeitsarbeit in den Jahren 1992-1997

Jahr: Spearman Signifikanz 1992 .437 .007 ns 1993 .046 .856 ns 1994 .122 .629 ns 1995 .719 .001 1996 .039 .882 ns 1997 .437 .079 ns

5 Darstellung der Ergebnisse 204

Tabelle 5.4.1.3 Korrelationen* in zwischen parlamentarischen Initiativen und Pressemitteilungen sowie Öffentlichkeitsarbeit in einzelnen Gebieten 1992-1997

Gebiet: Spearman Signifikanz Agrarpolitik .721 .106 ns Arbeitsmarkt - .456 .363 ns Asyl/Ausländer/Flüchtlinge .985 .000 Bildung .188 .722 ns Bundes-/Internationale Politik - .092 .862 ns CDU,SPD,FDP,Bündnis 90/Die Grünen im .418 .410 ns Landtag/Minister Drogen-/Gesundheitspolitik - .250 .636 ns EG/EU - .303 .559 ns Energiepolitik .572 .235 ns Finanzpolitik .493 .321 ns In eigener Sache - .492 .396 ns Innen- und Kriminalpolitik .725 .103 ns Kulturpolitik .439 .383 ns Sozialpolitik - .580 .228 ns Umweltpolitik .868 .025 Verkehrspolitik - .300 .563 ns Wirtschaftspolitik .279 .593 ns Sonstige .707 .116 ns *Spearmansche Rangkorrelationen

5 Darstellung der Ergebnisse 205

5.5 Reden im Parlament

5.5.1 Elfte Legislaturperiode

Die Arbeit im Landtag versprach einen Prestigegewinn für die Republikaner: Als Vorsitzendem der stärksten Oppositionspartei im Stuttgarter Landtag kam Rolf Schlierer künftig die Aufgabe zu, als erster Redner der Nicht-Regierungs-Parteien auf den von einer Großen Koalition aus SPD und CDU getragenen Ministerpräsidenten Erwin Teufel zu antworten1316. Schlierer nutzte gleich seine erste Rede im Landtag dazu, die Ausländerpolitik seiner Fraktion in drastischen Worten zu beschreiben. Dabei bemühte er ein Bild aus der Physik: „Wenn dagegen viele Kulturen in einem Raum zusammengemixt werden, so ergibt das entweder ein Neben- oder ein Gegeneinander oder, wie in der physikalischen Wärmelehre, Entropie, also ein Gemisch, dessen Wert mit zunehmender Durchmischung sinkt, bis es letzten Endes keinen Wert mehr hat“1317. Zu einem Eklat im Parlament kam es wenige Wochen später. Nachdem das Kabinett die Anhebung der Zuweisungsquote für Asylbewerber bekanntgegeben hatte, appellierte Schlierer an die Bürgermeister der Städte im Land, die Aufnahme der Flüchtlinge mit Hinweis auf einen gesetzlichen Notstand zu verweigern und gegen die Zuweisungen gerichtlich vorzugehen. Innenminister Frieder Birzele erklärte daraufhin, die Republikaner riefen zum offenen Rechtsbruch auf1318. Weitaus sachlicher äußerte sich Schlierer währenddessen in europapolitischen Debatten. Er referierte juristische Details und versuchte, daraus die Ablehnung der europäischen Integration herzuleiten. Artikel 24 Abs. 1 des Grundgesetzes regele die Übertragung von Hoheitsrechten nur auf zwischenstaatliche Organisationen, weshalb er der Bundesrepublik nicht die Handhabe biete, einem europäischen Bundesstaat beizutreten. Politisch machte Schlierer geltend, die Europäische Union werde selbst bei Beseitigung ihrer Demokratiedefizite die Teilhabemöglichkeiten und Parteinahme der Bürger erheblich verringern1319. Die asylrechtlichen Initiativen der Regierungskoalition stellten die Republikaner in ihren Redebeiträgen als grundsätzlich notwendig, indes nicht weitreichend genug dar. In der

1316 vgl. Heilbronner Stimme, 6. Mai 1992. 1317 zit. nach Lepszy/Veen..., S. 13. 1318 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 16. Juli 1992, vgl. auch Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 14. Juli 1992. 1319 vgl. PlPr 11/147. 5 Darstellung der Ergebnisse 206

Debatte vom 10. Dezember 1992 etwa kritisierte Karl-August Schaal den von CDU und SPD vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Asylbewerber-Unterbringungsgesetzes1320, da er vorsah, anerkannte, geduldete oder abgelehnte Asylbewerber zu 70 Prozent statt bisher zu 30 Prozent auf die Aufnahmequote der Gemeinden anzurechnen anstatt, wie von den Republikanern gefordert, zu hundert Prozent: „Sie kündigen weitere Änderungsvorhaben an“, sagte Schaal, „im Hinblick auf die große Not der Städte und Gemeinden stimmen wir diesem Stückwerk zunächst zu“.1321 Daß sich die Gesetzesvorlage als Stückwerk herausstellen könnte, räumte der SPD-Abgeordnete Walter Heiler ein. Die Erfahrung müsse zeigen, ob diese 70 Prozent den gewünschten Erfolg brächten. Andernfalls „müssen wir uns in einiger Zeit darüber unterhalten, ob diese 70 Prozent nicht doch noch erhöht werden müssen.“1322 Auch die Initiative der baden-württembergischen Landesregierung im Bundesrat zur Änderung des Asylrechts bezeichnete Lothar König als „winzigen Schritt in die richtige Richtung“, der gleichwohl nicht ausreiche. Er forderte einen effizienteren Einsatz der Entwicklungshilfe sowie Kürzungen in der Versorgung der Flüchtlinge: „Zum anderen muß dieser Milch- und Honigfluß eingedämmt werden. (Beifall bei den Republikanern - Zuruf von der SPD: Was? - Abg. Schlauch GRÜNE: Statt dessen Wasser und Brot, oder was?) Das heißt, die Sozial- und Geldleistungen müssen so deutlich beschnitten werden, daß selbst im sprichwörtlich letzten Kuhnest der Welt die Erkenntnis reift, daß es sich nicht mehr lohnt, nach Deutschland auszuwandern.“1323 In der Aussprache zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Republikaner zum Thema Ausländerkriminalität stellte Heinz Troll die These auf, „daß an den unleugbaren Fallzahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik aus ideologischen Absichten heraus herumgemäkelt und -gedeutelt wird.“ Er distanzierte sich als Republikaner von den übrigen Parteien im Landtag, denen er in der Bekämpfung der Kriminalität Versagen vorwarf, und stellte seine Fraktion als Anwalt der Wähler dar: „Daß das Thema Ausländerkriminalität seit vielen Jahren verdrängt, ja tabuisiert wurde, haben nicht wir Republikaner zu vertreten. In diesem Parlament sitzen Abgeordnete, die sich, wie erst jüngst geschehen, auf ihre bald 20jährige Anwesenheit in diesem Haus berufen. Eine aus unserer Sicht wahrlich lange Zeit! Nur – das stellten unsere Bürger und Polizeibeamten zunehmend fest –, geschehen ist in diesem Zeitraum in diesem Bereich der inneren Sicherheit nichts.“1324

1320 vgl. Drs. 11/1040. 1321 PlPr 11/933. 1322 PlPr 11/934. 1323 PlPr 11/487. 1324 PlPr 11/584 f. 5 Darstellung der Ergebnisse 207

Nicht in allen Themen zeigten sich die Republikaner derart kämpferisch wie in der Ausländer- und Asyl- oder Innen- und Kriminalpolitik. Nicht jeder der 14 Abgeordneten trat so redegewandt auf wie der Fraktionsvorsitzende Rolf Schlierer. So räumte Richard Eckert in einer energiepolitischen Debatte nach einem Plädoyer für Atomenergie auf Nachfrage des grünen Abgeordneten Walter, wie er sich erkläre, daß Hamburg mit dem höchsten Atomstromanteil auch die höchsten Strompreise aufweise, wenn der Atomstrom so billig sei, wie Eckert es soeben dargestellt habe, offen ein: „Pech für mich und Glück für Sie. Ich kann diese Frage nicht beantworten.“1325 Willi Auer wiederum verband seine Ablehnung von Müllexporten mit scharfen, gleichwohl pauschalen Angriffen auf Umweltminister Harald Schäfer: „Sie, Herr Minister Schäfer, scheinen in dieser neuen Übergangsperiode von CDU und SPD das Recht für sich in Anspruch zu nehmen, einen politischen Tiefschlaf zu halten, der das ganze Kabinett - den Finanzminister einmal ausgenommen - mittlerweile angesteckt hat. (Beifall bei den Republikanern, Lachen bei der SPD) Jedenfalls sind Sie als Übergangsminister Ihrer Aufgabe im Moment in keiner Weise gewachsen. Gerade das Müllproblem, eines der drängendsten Probleme im Land, zeigt, daß Sie in Ihrem Schmusekurs, der zudem noch mit politischem Masochismus gepaart ist, die in der Abfallwirtschaft mittlerweile anstehenden Probleme nicht lösen können.“1326 Nach dem Urteil der veröffentlichten Meinung, welche die ersten Redebeiträge mit Spannung erwartet hatte, boten die Republikaner denn auch argumentativ und rhetorisch weniger als Mittelmaß1327. Auch 1993 präsentierten die Republikaner im Stuttgarter Landtag ein uneinheitliches Bild. Auf der einen Seite war etwa Ulrich Deuschle darum bemüht, sich in gemäßigtem Ton und ohne Schelte des politischen Gegners zu äußern. In seinem Beitrag zu der von den Grünen beantragten Debatte zum Thema „Zeit und Zeitnot“ sprach er den Initiatoren zunächst sein „Kompliment für ein interessantes Debattenthema aus“1328, um Begriffe wie „zweite industrielle Revolution“, „Dominanz des Ökonomischen gegenüber dem Politischen“, „neuer Modernitätsschub“ sowie „Europa der Regionen“ in die Debatte einzuführen. Deuschle schloß die rhetorische Frage an, ob etwa ein Widerspruch „zwischen dem Menschen, den unsere Leistungsgesellschaft am liebsten hat, und dem Zoon politicon, dem politischen Menschen“,

1325 PlPr 11/298. 1326 PlPr 11/319. 1327 vgl. Stuttgarter Zeitung, 12. Juli 1992. 1328 PlPr 11/1713. 5 Darstellung der Ergebnisse 208 bestehe1329. Die beruflichen Belastungen in hochtechnologischen Gesellschaften mit hoher Produktivität führten vielfach zu typischem Konsumverhalten; zu wenig Regeneration habe wiederum auch eine Zunahme psychosomatischer Erkrankungen sowie Alkohol- und Rauschgiftprobleme zur Folge. „Wir müssen auch einen neuen Gesellschaftsvertrag, einen neuen ´contrat social´, schließen“, forderte Deuschle, der zu einem geistigen Wettbewerb zur Klärung der Frage aufrief, wie Deutschland und Europa in 20 oder 30 Jahren aussehen sollten. Er glaube, daß in jedem Falle neue Formen der Bürgerbeteiligung in Form von Volksentscheiden und Volksabstimmungen vonnöten seien.1330 Andererseits verhielt sich Deuschle in ausländerpolitischen Debatten um so aggressiver. Aus einem Antrag der CDU auf konsequenten Einsatz staatlicher Mittel gegen fremdenfeindliche Gewalttaten schloß er, daß die Christdemokraten „Konsequenz nur bei der Verfolgung fremdenfeindlicher Gewalttaten verlangen“, und frug, ob es weniger angezeigt sei, „konsequent bei den gegen deutsche Bürger gerichteten deutschenfeindlichen Rache- und Vergeltungsakte, die von Ausländern begangen werden, einzuschreiten“1331. Michael Herbricht bezeichnete Europäer als integrationswillig und Menschen anderer Herkunft als unfähig oder unwillig zur Integration, um seine ablehnende Haltung gegenüber der Einrichtung der Stelle eines Ausländerbeauftragten zu begründen: „Ein Ausländerbeauftragter ist für leicht integrierbare, aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis kommende Zuwanderer nicht vonnöten. Allerdings bräuchten wir einen Beauftragten, der für integrationsunfähige oder integrationsunwillige Zuwanderer humane Rückführungsprojekte konzipierte, die dann auch politisch umgesetzt werden müßten“1332. Sein Fraktionskollege Horst Trageiser schließlich nannte ausländerfeindliche Gewalttaten das „Produkt einer Entwicklung von 45 Jahren Bundesrepublik“1333, weshalb CDU/CSU, SPD und FDP die politische Verantwortung für die Situation trügen. Auch im Parlament stellten die Abgeordneten vielfach einen Zusammenhang her zwischen dem Thema der jeweiligen Debatte und der Ausländer- und Asylpolitik1334. So nahm Horst Trageiser entsprechend dem Thema der Aussprache zunächst zum mittelfristigen Finanzplan

1329 PlPr 11/1714. 1330 vgl. PlPr 11/1714. 1331 PlPr 11/2111. 1332 PlPr 11/3952. 1333 PlPr 11/2111. 1334 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 26. 5 Darstellung der Ergebnisse 209

Stellung, um dann jedoch über den „Überlebenskampf“ zwischen den Völkern infolge ökologischer Probleme zu sprechen1335. Krasse Worte wählte auch Rolf Wilhelm, als er Rundfunkanstalten und liberale Tendenzen für die Kriminalität verantwortlich machte. Dabei waren kulturpessimistische Töne nicht zu überhören : „Eine gehörige Portion Schuld ist aber auch den Medien anzulasten, insbesondere den elektronischen. Tag für Tag ist der Fernsehkonsument widerwärtigen Gewaltszenen in sogenannten Kriminalfällen ausgesetzt, in denen dann auch noch eine Schmuddeltype von Kommissar Verbrechen verharmlost und Sympathien für Verbrecher aufbringt. (Abg. Schlauch Grüne: Wollen Sie Kommissar im Fernsehen werden?) Mindestens genauso gefährlich aber sind all die liberalistischen Schwaller, die dafür verantwortlich sind, daß das Rechtsbewußtsein in unserem Land ständig abnimmt, die Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um zu verhindern, daß ein Mafiaboß auch nur im geringsten in seinen Grundrechten beschränkt wird, aber keine Sekunde zögern, solche Beschränkungen bei ihrem politischem Gegner anzuwenden.“1336 Während dabei etwa Rolf Wilhelm mit der Bezeichnung „liberalistische Schwaller“ indirekt den politischen Gegner im Landtag angriff, gingen von der Mehrheit im Parlament auch direkte und persönliche Invektiven aus. So rief der Sozialdemokrat Schrempp in Wilhelms Rede hinein: „Wenn ich Sie sehe, wird mir schlecht!“1337 Die von den Republikanern nach dem Anschlag auf das Haus von Karl-August Schaal beantragten Aktuellen Debatte über die Beeinträchtigung von Landtagsabgeordneten bei verfassungsmäßig garantierter Mandatsausübung nahm Schaal zum Anlaß, der Landesregierung Verharmlosung und Untätigkeit in Fragen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorzuwerfen: „Manches darf man um der Ordnung willen eben nicht dulden: Drogen in Jugendhäusern, nicht zugelassene Demonstrationen usw. Seit 1992 kündigt die RAF eine Veränderung ihrer Strategie an. Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart, Tübingen und Reutlingen zeichnen sich als Schwerpunkte der Aktivitäten von Unterstützergruppen heraus. Das steht im Polizeibericht des Regierungsbezirks Tübingen, Seite 18. (Abg. Schrempp SPD: So ein Blödsinn!) Der sogenannte ‘antifaschistische Kampf’ ist Hauptaktionsfeld dieses Personenkreises. Was tun die Verantwortlichen?“. Weiter: „Wir Patrioten (Abg. Drexler SPD: Wer ist denn Patriot?) werden als Nazischweine beschimpft.“ Die vermeintliche Untätigkeit der Landesregierung hatte nach Schaals Worten den Anschlag erst möglich gemacht: „Wir

1335 PlPr.19/11. 1336 PlPr 11/2559. 1337 PlPr 11/2558. 5 Darstellung der Ergebnisse 210 erleben ferner, daß eine Vielzahl von Gewalttaten linksextremistischer Organisationen und Gruppen gegen unsere Mitglieder und Mandatsträger gerichtet sind. Wir gehen davon aus, daß dies auch der Landesregierung bereits vor dem Tübinger Anschlag bekannt war. Wir sehen darin den landesweiten Auftakt mit für das Wahljahr 1994 gedachter Signalwirkung zu einem gegen Abgeordnete und Mitglieder der Partei Die Republikaner gerichteten menschenverachtenden Vorgehen.“1338 Nicht in allen Aktuellen Debatten setzten sich die Republikaner derart wirkungsvoll in Szene. Uneins zeigten sich die 15 Abgeordneten zum Beispiel in der von ihnen selbst initiierten Aussprache über „Polittourismus als Teilursache der Politikverdrossenheit“. Dreizehn Parlamentarier der Partei forderten einen Verzicht auf sämtliche Reisen von Abgeordneten für die Dauer von einem Jahr. Derweil kündigten die restlichen beiden ihre Teilnahme an bevorstehenden Ausschußreisen an1339. 1994 herrschte weiterhin ein ambivalentes Bild. Dabei bemühte sich insbesondere Ulrich Deuschle um eine seriöse Erscheinung im Landtag. So initiierten die Republikaner auf der einen Seite eine Aktuelle Debatte über Arbeitszeit im öffentlichen Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Wünschen und finanzpolitischen Möglichkeiten, um nach Deuschles Worten „einige Denkanstöße zur Weiterentwicklung von Arbeitszeiten allgemein und speziell im öffentlichen Dienst zu geben“1340. Zum Beispiel regte Deuschle an, Lehrkräfte, für die bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit eine Vollbeschäftigung nicht in Frage kommt, nicht in das Beamtenverhältnis, sondern nur in ein Angestelltenverhältnis zu übernehmen, um nicht zuletzt die Pensions- und Beihilfeansprüche einzugrenzen. Am selben Tag erkundigte sich auf der anderen Seite Max Reimann unter Verweis auf einen Pressebericht in einer Mündlichen Anfrage nach vermeintlichen Raubüberfällen von „speziell türkischen Schülern oder Jugendgruppen“1341 auf deutsche Schülerinnen und Schüler in Göppingen. Der Politische Staatssekretär im Ministerium für Kultus und Sport, Rudolf Köberle, teilte ihm daraufhin mit, daß eine Schulklasse im Landkreis Göppingen, deren Klassenlehrer sowie die Arbeitsgemeinschaft der Personalräte der drei dortigen Berufsschulen bereits unabhängig voneinander die Autorin des Textes und die Chefredakteurin der Zeitung zu Gesprächen eingeladen hätten, da sie den Bericht als verzerrend und überzogen empfänden1342.

1338 PlPr 11/2434 f. 1339 vgl. Heilbronner Stimme, 9. Juni 1993. 1340 PlPr 11/3507. 1341 PlPr 11/3460. 1342 vgl. PlPr 11/3461. 5 Darstellung der Ergebnisse 211

Auch 1994 lieferten sich die Parlamentarier der Republikaner mit den Vertretern anderer Fraktionen harte Auseinandersetzungen. Einen Eklat im Landtag löste Wolfram Krisch aus, nachdem das Verhalten des Bundesvorsitzenden der Republikaner, Franz Schönhuber, gegenüber dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte. Krisch bezichtigte die Ministerin für Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst, Brigitte Unger-Soyka (SPD), der Lüge, nachdem sie die Behauptung hatte richtig stellen wollen, Bubis habe den Republikanern die aktive Beteiligung an Brandanschlägen vorgeworfen1343. Nachdem die Ministerin sich beim Landtagspräsidenten beschwert hatte, entschuldigte sich Krisch, betonte aber, zu den „sachlichen Aussagen“ in der Diskussion stehe er weiterhin1344. Die persönlichen Angriffe auf den politischen Gegner kamen auch 1994 nicht von den Republikanern, sondern von den übrigen Parteien. „Schande über den Namen Max Reimann“, rief der grüne Abgeordnete Bütikofer, als Reimann seine Mündliche Anfrage wegen der vermeintlichen Raubüberfälle im Landkreis Göppingen an die Landesregierung richtete1345. Bis Anfang 1994 bildeten die Redebeiträge im Parlament einen Schwerpunkt der parlamentarischen Arbeit der Republikaner - verglichen mit den schriftlichen Initiativen hielt keine Fraktion im Landtag öfter Redebeiträge. Am häufigsten meldeten sich dabei gemäß der Hierarchie in der Fraktion der Vorsitzende Rolf Schlierer und seine Stellvertreter Ulrich Deuschle, Horst Trageiser und Klaus Rapp zu Wort. Die Abgeordneten Max Reimann sowie bis zu seinem Ausscheiden Willi Auer traten dagegen kaum hinter das Rednerpult1346. 1995 erfuhren die Republikaner im Parlament eine beachtliche Aufwertung, als ihre Stimmen im Juli einem Änderungsantrag der SPD zum Gesetzentwurf der Koalition zur Umsetzung der Pflegeversicherung in Baden-Württemberg zur Mehrheit verhalfen. Nachdem der Gesetzentwurf von CDU und SPD den Sozialausschuß passiert hatte, brachten die Sozialdemokraten vor der Abstimmung im Parlament einen Änderungsantrag ein, der entgegen der Vorlage eine öffentliche Förderung der Investitionen ambulanter Dienste vorsah. „Die SPD-Fraktion ist nicht bereit, sich in einer Zukunftsfrage von so hoher Bedeutung nur tages- und machtpolitisch motivierten Zwängen unterzuordnen“, begründete der Sozialdemokrat Rolf Seltenreich den Vorstoß seiner Fraktion, „deshalb haben wir als SPD- Fraktion einen Änderungsantrag zu diesem Bereich eingebracht. Im Interesse der

1343 vgl. Heilbronner Stimme, 15. April 1994. 1344 vgl. Heilbronner Stimme, 16. April 1994. 1345 PlPr 11/3460. 1346 dies ging aus einer Dokumentation der SPD-Landtagsfraktion hervor, vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 5, S. 39. 5 Darstellung der Ergebnisse 212 pflegebedürftigen, alten und behinderten Menschen und ihrer Angehörigen setzen wir uns über die Bedenken unseres Koalitionspartners hinweg.“1347 Nachdem die Grünen ihre Unterstützung des SPD-Änderungsantrages 11/6237-9 angekündigt hatten, erklärte Rolf Schlierer für die Republikaner: „Wir sehen in diesem Antrag der SPD-Fraktion die richtige Tendenz. Wir haben zwar auch Bedenken wegen der vorgeschlagenen Finanzierungslösung. Wir werden aber trotzdem diesem Änderungsantrag zustimmen. Ich hoffe, daß Herr Maurer1348 heute nacht gut schlafen kann.“1349 Die Änderungsanträge der Republikaner zum Gesetzentwurf wurden jeweils mit großer Mehrheit abgelehnt1350. In von der CDU-Fraktion beantragter namentlicher Abstimmung votierten schließlich 61 Abgeordnete für und 57 Parlamentarier gegen den Änderungsantrag der SPD, drei Abgeordnete enthielten sich. Von den Republikanern hatten die Abgeordneten Bühler, Deuschle, Eckert, Herbricht, Krisch, Rapp, Schaal, Schlierer, Trageiser und Troll für den Antrag gestimmt, gemeinsam mit Grünen, Sozialdemokraten und einigen Freidemokraten. Bernhard Amann hatte sich der Stimme enthalten, gegen den Antrag hatten Max Reimann sowie Rolf Wilhelm votiert1351. Damit hatten die Republikaner der SPD und ihrer Vorlage zur Mehrheit verholfen. Entsprechend empört zeigten sich die Christdemokraten: „Die Tatsache, daß die Kollegen der Republikaner nach mehr als drei Jahren parlamentarischer Arbeit in diesem Hause erstmals in eine sachentscheidende Position kamen, die die Frau Sozialministerin bei der Veränderung 30 Millionen DM kostet, (Abg. Dr. Repnik CDU: Die hat sie doch gar nicht! - Abg. Wieser CDU: Auf fremde Rechnung!) die mit den Kommunen nicht abgestimmt ist, ist Ihre Verantwortung“, warf Fraktionsvorsitzender Günther Oettinger der SPD vor, „Sie haben durch Ihr unangemessenes Verhalten am heutigen Nachmittag eine unnötige Aufwertung der Fraktion Die Republikaner erreicht. Das muß Sie nachdenklich stimmen“1352. Rolf Schlierer sagte währenddessen: „Wenn die Frage des Mitstimmens meiner Fraktion zum Gegenstand von Erörterungen gemacht wird, ob man sich hier korrekt oder unkorrekt verhalten haben sollte, dann ist das ein Mangel an parlamentarischer Kultur bei jenen, die so etwas machen.“1353

1347 PlPr 11/6012. 1348 der Vorsitzende der SPD-Fraktion. 1349 PlPr 11/6018. 1350 vgl. PlPr 11/6019-27. 1351 vgl. PlPr 11/6020. 1352 PlPr 11/6021. 1353 PlPr 11/6023. 5 Darstellung der Ergebnisse 213

Dank eines Streits in der Großen Koalition war die Fraktion bereits wenige Stunden zuvor zur Mehrheitsbeschafferin für die CDU avanciert. Mit Hilfe der Stimmen der Republikaner hatten die Christdemokraten in der zweiten Beratung des von CDU, SPD, Grünen und FDP/DVP vorgelegten Gesetzentwurfs zur Änderung des Abgeordnetengesetzes einen Änderungsantrag der Grünen scheitern lassen, wonach Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte künftig keine Landtagsmandate mehr annehmen durften1354. Nicht nur am 20. Juli 1995 gelang es der Fraktion, sich im Parlament in Szene zu setzen. In der Diskussion zur Finanzierung der Pflegeversicherung hatte Ulrich Deuschle darauf hinweisen können, daß die Republikaner bereits vor der CDU einen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung des Pfingstmontags als gesetzlichen Feiertag eingebracht hatten1355. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger hatte schließlich eingeräumt, daß seine Fraktion die öffentliche Stimmung falsch eingeschätzt hatte, als sie wenige Monate zuvor den Feiertag Pfingstmontag abgeschafft hatte, um die Pflegeversicherung zu finanzieren: „Das einzige, was sich geändert hat, ist, daß wir seit Dezember letzten Jahres bis heute mit unseren Begründungen in der Bevölkerung einen breiten Widerstand bekommen haben (Abg. Dr. Caroli SPD: Aha!) und daß das Gesetz, welches wir mehrheitsfähig gemacht haben, nicht akzeptiert wird.“1356 Auch von den ihnen gemäß Landesverfassung zustehenden Rechten machten die Republikaner nun selbstbewußter Gebrauch. In der Beratung ihres Gesetzentwurfs1357 über die Verabschiedung einer Geschäftsordnung der Landesregierung stellte Lothar König angesichts der Tatsache, daß die Landesregierung nach wie vor ohne Geschäftsordnung arbeitete, die Republikaner als Wächter der Interessen der Wähler dar: „Die Bürger haben ein Recht darauf, zu wissen, nach welchen Regularien die Landesregierung tätig wird, wenn überhaupt.“1358 Nach § 38 der Geschäftsordnung des Landtages stellte König daraufhin den Antrag, Ministerpräsident Teufel zu dem Tagesordnungspunkt herbeizurufen. Nachdem der Vorstoß mehrheitlich abgelehnt worden war, beantragte er namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf mit der Begründung, da über eine Verfassungsnorm abgestimmt werde, wolle seine Fraktion festgehalten wissen, wer die Landesverfassung für so wichtig halte, daß sie eingehalten werden müsse, und wer nicht1359. Von hundert anwesenden Parlamentariern

1354 vgl. PlPr 11/72, S. 5988-6003, vgl. auch Stuttgarter Nachrichten, 28. November 1995. 1355 PlPr 11/5128, vgl. Drs. 11/5283. 1356 PlPr 11/5130. 1357 vgl. Drs. 11/5821. 1358 PlPr 11/5936. 1359 vgl. PlPr 11/5937. 5 Darstellung der Ergebnisse 214 stimmten schließlich die zwölf anwesenden Fraktionsmitglieder der Republikaner für den Gesetzentwurf, die Vertreter der übrigen Parteien stimmten dagegen, abgesehen vom sich enthaltenden FDP/DVP-Vertreter Bernhard Scharf1360. Mitunter griffen die Abgeordneten inzwischen Themen auf, die auch die Vertreter anderer Fraktionen als dringlich ansahen. Mit der Feuerbrandepidemie und deren Konsequenzen etwa hatten die Republikaner die Aktuelle Debatte eines Problems auf die Tagesordnung gesetzt, dessen Relevanz die Abgeordneten Hans Heinz (CDU) und Walter Caroli (SPD) ausdrücklich einräumten1361. In der Debatte warf Rudolf Bühler der Landesregierung Untätigkeit vor und bezeichnete die übrigen Fraktionen im Landtag als Altparteien. Während er sich seit über zwei Jahren intensiv mit der Feuerbrandkrankheit beschäftige, hätten die verantwortlichen Politiker durch Wegsehen, Aussitzen und Verweigerung der Natur im Lande schwer geschadet1362. Zugleich versuchten die Republikaner verstärkt, Sachverstand zu demonstrieren. Für den 12. Oktober 1995 zum Beispiel hatten sie eine Aktuelle Debatte zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland am Beispiel des Unternehmens DASA initiiert. Ulrich Deuschle, vor Übernahme seines Mandats Fachreferent für Nutzfahrzeuge bei der Mercedes-Benz AG, stellte im Namen der Fraktion die strukturellen Probleme der deutschen Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie dar, erörterte die mögliche Gefährdung von Arbeitsplätzen etwa im Landkreis Esslingen und forderte die soziale Verantwortung des Staates gegenüber den Beschäftigten in der Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie ein, wozu seiner Ansicht nach auch ein „deutliches Bekenntnis“ der Politik zum Eurofighter 2000 gehörte. Im Parlament folgte eine ausführliche Debatte1363. Initiativen der anderen Fraktionen dienten den Republikanern zur Rechtfertigung von Vorstößen, die sie zuvor in ähnlicher Richtung unternommen hatten. So wies Klaus Rapp in der von der SPD beantragten Debatte über die Gefährdung der baden-württembergischen Bauwirtschaft und über Arbeitsplatzvernichtung durch Lohndumping darauf hin, daß seine Fraktion bereits 1993 eine Debatte zu diesem Thema veranlaßt hatte1364 und sie sich damals habe vorwerfen lassen müssen, ihr gehe es nicht um die Sache, sondern nur um die Ausländer. Die Republikaner wollten, daß Menschen, die in Deutschland arbeiteten, zu den gleichen Bedingungen arbeiteten, egal, woher sie stammten und welche Hautfarbe sie hätten. Für

1360 vgl. PlPr 11/5938. 1361 vgl. PlPr 11/5943 f. 1362 vgl. PlPr 11/5942. 1363 PlPr 11/6211 ff. 1364 am 12. Mai 1993 hatten die Republikaner eine Aktuelle Debatte über Kurzarbeit und Arbeitsplatzabbau in der Kfz- und Zulieferindustrie Baden-Württembergs beantragt, vgl. PlPr 11/25, S. 1887. 5 Darstellung der Ergebnisse 215 gleiche Arbeit müsse es das gleiche Geld geben. Seine Fraktion wolle, daß nicht in anderen Ländern Arbeitskräfte geworben würden, solange Menschen in Deutschland arbeitslos seien1365. Am 9. November bemerkte Rolf Schlierer nach Äußerungen Gerhard Schröders zur geplanten europäischen Einheitswährung, die Republikaner hätten bereits zuvor die gleichen Ansichten vorgetragen und seien dafür beschimpft worden. Daraufhin trug Schlierer erneut die ökonomischen Argumente seiner Fraktion gegen die Einführung des Euro vor1366. Währenddessen war vor allem Ulrich Deuschle darum bemüht, Themen abzudecken, die nicht zu den angestammten Gebieten der Republikaner zählten. So setzte er sich für die Berücksichtigung der Belange Behinderter bei der Planung und Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur ein1367 und plädierte in der Diskussion um Fahrverbote aufgrund von Umweltbelastungen gegen eine Verpflichtung zur Nachrüstung von Pkw mit geregelten Katalysatoren: „Wir wollen, daß in Zukunft auch der kleine Mann noch zu akzeptablen Kosten Auto fahren kann.“1368 Über Ausländer und Deutschland äußerten sich die Abgeordneten dagegen gewohnt provokativ: Wolfram Krisch etwa mutmaßte, der Modellversuch Ausländer bei der Polizei diene „in Wahrheit ganz anderen Zielen und Absichten, etwa dem sachfremden politischen Bedürfnis von Herrn Birzele zur Ausländerintegration“1369. In ungewöhnlichen Worten wandte sich am 19. Juli Michael Herbricht gegen die Regelungen des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes. Sie seien „nicht nur bar jeden Realitätssinnes; sie zeugen auch von einem zutiefst herzlosen Verhalten sowie einer nationalen Verluderung, wie sie in der deutschen Geschichte beispiellos ist. (Beifall bei den Republikanern) Letztlich sind sie natürlich auch ein Resultat Ihrer Ideologie der Gleichheit. Wenn alle Menschen gleich und damit beliebig austauschbar sind, steht einem ein Deutsch sprechender Türke natürlich näher als ein Russisch sprechender Deutscher. Da wir Republikaner noch ein Gespür dafür haben, wer unser Nächster ist, muß für uns das Tor zur Einreise von Menschen deutscher Volkszugehörigkeit aus den Ländern Ost- und Südeuropas weiterhin offenbleiben.“ Integration heiße „einleben in unsere Gesellschaft, heißt, als Teil des Volksganzen angenommen zu werden.“1370

1365 vgl. PlPr 11/5657 ff. 1366 vgl. PlPr 11/6317, vgl. auch 11/6331-35. 1367 vgl. PlPr 11/5246. 1368 PlPr 11/5738. 1369 PlPr 11/5441. 1370 PlPr 11/5873. 5 Darstellung der Ergebnisse 216

Zugleich gaben sich die Abgeordneten mitunter kollegial und bereit zum Kompromiß in technischen Fragen. So teilte Lothar König am 9. November 1995 vor der allgemeinen Aussprache über den Gesetzentwurf der Republikaner zur Änderung des Schulgesetzes bezogen auf den CDU-Abgeordneten Franz Wieser mit: „Herr Präsident, gutes Zureden des Kollegen Wieser veranlaßt mich, meine Rede zu Protokoll zu geben.“1371 Ulrich Deuschle lud bei der Beratung des Gesetzentwurfs seiner Fraktion zur Effizienzsteigerung im Verkehr die anderen Fraktionen und das Verkehrsministerium zu eigenen und kreativen Beiträge ein und wies in dieser Sache auf die Offenheit der Fraktion hin1372. Die übrigen Fraktionen verweigerten dem Entwurf hingegen die Überweisung in den Verkehrsausschuß mit der Begründung, er sei aus einem an die Landtagsfraktionen gesandten Entwurf des Bremer Instituts für Informatik und Verkehr abgeschrieben. „Ich hoffe auf eine gewisse Fahrreduzierung im Land Baden-Württemberg dadurch, daß wir zumindest die Fahrleistung der Republikaner zum Landtag nach Stuttgart nicht mehr haben“, sagte der SPD-Abgeordnete Eberhard Lorenz1373. Nach wie vor ließen sich die Abgeordneten der Republikaner durch Zwischenrufe verunsichern und in Diskussionen verwickeln, denen sie nicht standhielten und in denen sie sich manche Blöße gaben. In der Debatte aus Anlaß der Versteigerung der Kunstschätze Max von Badens beklagte Richard Eckert den Verkauf deutscher Kulturgüter ins Ausland und forderte die konsequente Anwendung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturguts1374, als der Abgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne) rief: „Wie ist das eigentlich mit den italienischen Kunstwerken vom Markgrafen? Dürfen die raus oder nicht?“ Eckert antwortete: „Also ich würde sagen: Schöne Kunstgegenstände sind ein Reichtum für sich, den wir bei uns lassen sollten. (Abg Bütikofer Grüne: Das sind doch aber italienische Kunstwerke! Aus Italien mal eingewandert!) Ist aus Italien eingewandert und wurde ehrlich erworben. Wir sollten sie auch bei uns halten. (Heiterkeit - Abg Jacobi Grüne: So ist es mit vielen Ausländern jetzt auch!)“1375

1371 PlPr 11/6403. 1372 vgl. PlPr 11/6588. 1373 PlPr 11/6590. 1374 vgl. PlPr 11/6119. 1375 PlPr 11/6119 f. 5 Darstellung der Ergebnisse 217

In der Debatte um den Bericht des Untersuchungsausschusses zum Verhalten der Finanzbehörden in der Steuersache Peter Graf gelang es den Republikanern, im Parlament eine Debatte über ihre vermeintliche Zusammenarbeit mit anderen Landtagsfraktionen auszulösen, nachdem sich SPD, FDP und Grüne im Untersuchungsausschuß bei der Abstimmung über den Bericht mit Hilfe der Stimmen der Republikaner gegen die Voten der CDU-Vertreter durchgesetzt hatten1376. Dabei verwahrte sich Rolf Schlierer gegen die Behauptung von Ministerpräsident Erwin Teufel, es habe zwischen SPD, FDP/DVP, Grünen und Republikanern Absprachen und ein „klammheimliches Zusammenspiel“1377 gegeben. Er erinnerte den Ministerpräsidenten an den 20. Juli 1995. Teufel habe sich gefreut „wie ein Schneekönig, daß Sie unsere Stimmen bekamen, als es um die Frage der Landräte ging“. Darüber hinaus warf Schlierer Teufel eine Diskreditierung des Parlaments vor1378. Die Vertreter anderer Parteien reagierten unterschiedlich auf den geänderten politischen Frontverlauf im Untersuchungsausschuß. Der grüne Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn genoß es nach eigenen Worten, daß auch die Christdemokraten „einmal den Zustand der Minderheit haben kennenlernen dürfen“1379. Der christdemokratische Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder sprach dagegen von einem Präzedenzfall und sagte: „Das Entscheidende ist doch nicht, ob Herr Schlierer so herum oder so herum abgestimmt hat, sondern das Entscheidende ist, daß Sie Herrn Schlierer endlich das gegeben haben, was er seit vier Jahren gesucht hat, nämlich die Nestwärme. Die haben Sie ihm im Untersuchungsausschuß gegeben.“1380 Insgesamt meldeten sich die Republikaner in der elften Legislaturperiode 811 Mal zu Wort1381. Auf die Abgeordneten verteilten sich die Beiträge wie folgt:

1376 vgl. Drs. 11/7100, S. 16, vgl. auch Stuttgarter Zeitung, 7. Februar 1996. 1377 PlPr 11/6713, Absprachen und Besprechungen wirft auch Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder den übrigen Parteien vor, vgl. PlPr 11/6718. 1378 PlPr 11/6716. 1379 PlPr 11/6715. 1380 PlPr 11/6718. 1381 Auswertung des Verfassers anhand der Unterlagen der Dokumentationsstelle des Landtages. 5 Darstellung der Ergebnisse 218

Tabelle 5.5.1 Redebeiträge in der elften Legislaturperiode

Redebeiträge 11. Periode Name Angaben in Prozent Amann 1,6 Auer 0,1 Bühler 4,3 Deutschle 15,4 Eckert 4,8 Herbricht 5,6 König 9,9 Krisch 5,4 Offermanns 3,2 Rapp 8,1 Reimann 2,3 Schaal 3,6 Schlierer 18,2 Trageiser 11,6 Toll 2,3 Wilhelm 3,3 Summe (absolut) 811

Rolf Schlierer als Fraktionsvorsitzender, die stellvertretenden Vorsitzenden Ulrich Deuschle und Horst Trageiser sowie Fraktionssprecher Lothar König meldeten sich am häufigsten zu Wort. Die übrigen Abgeordneten zeigten sich unterschiedlich aktiv. Während sich Klaus Rapp 66 Mal im Parlament äußerte, formulierten Max Reimann und Heinz Troll jeweils 19 Beiträge. Der vorzeitig ausgeschiedene Willi Auer war nur einmal im Landtag zu vernehmen, als er zum Müllnotstand in Baden-Württemberg sprach. Bei den übrigen Landtagsabgeordneten der Republikaner war durchaus eine thematische Aufteilung erkennbar. Dabei legte jeder Abgeordnete Schwerpunkte, die in erster Linie von seiner Mitgliedschaft in den Ausschüssen des Parlaments herrührten. Die Ausländer- und Asylpolitik stellte währenddessen eine Art Generalthema dar, zu dem sich beinahe jeder Parlamentarier der Republikaner im Laufe der Legislaturperiode äußerte. So redete Ulrich Deuschle bevorzugt zu den Themen Arbeitsmarkt, Haushalts-/Finanzpolitik, Landesverfassung, Pflegeversicherung und Verkehr, er kommentierte aber auch die Ausländer- und Asylpolitik sowie die ausländerfeindlichen Brandanschläge. Michael Herbricht engagierte sich insbesondere in Fragen von Garten und Forst, des Naturschutzes und der Abfall- und Energiepolitik, er redete indes auch zur Aussiedler- und Ausländerpolitik. Abgesehen von ausländerpolitischen Themen widmete sich Fraktionssprecher Lothar König vor allem dem Gebiet der Verwaltungsreform sowie der Bildungspolitik. Klaus Rapp 5 Darstellung der Ergebnisse 219 beschäftigte sich außer mit Asylpolitik mit Themen wie dem kommunalen Finanzausgleich, dem Atomkraftwerk Obrigheim, den Spielbanken in Baden-Württemberg sowie mit der Gefährdung der Bauwirtschaft durch Lohndumping. Karl-August Schaal erstreckte seine Aktivitäten, neben der Asylpolitik, auf Spätaussiedler, auf die Privatisierung von Landesbeteiligungen sowie auf Armut und Soziales. Asyl- und Ausländerpolitik sowie Kriminalität und Innere Sicherheit lauteten die Themen, zu denen sich Rolf Schlierer bevorzugt äußerte. Horst Trageiser wiederum legte den Schwerpunkt neben der Ausländer- und Asylpolitik auf Fragen des Haushalts und der Rechnungsprüfung. Justiz, Polizei, Innere Sicherheit und öffentliche Ordnung, Ausländer und Asyl waren die bevorzugten Themen von Heinz Troll. Ähnlichen Gebieten galten die Beiträge Rolf Wilhelms, der sich vor allem um Ausländer, um Polizei und um Kriminalitätsbekämpfung kümmerte. Währenddessen beschäftigte sich Max Reimann mit wechselnden Fragen etwa des Tierschutzes, der Rettungsdienste, der Postleitzahlen und der Hundesteuer. Zudem thematisierte er nach einem vermeintlichen Vorfall in seinem Wahlkreis Göppingen die Gewalt an Schulen. Familie, Kinder, Frauen und Jugendhilfe lauteten wiederum die Gebiete, denen sich Liane Offermanns widmete. Wolfram Krisch äußerte sich vor allem zu Problemen des Verbraucherschutzes, der Landwirtschaft, des Verkehrs im allgemeinen und des öffentlichen Personennahverkehrs im besonderen. Außerdem sprach er unter anderem zur Frage gleicher Wettbewerbschancen für deutsche Fuhrunternehmer im EU-Binnenmarkt, über Altkleidertransporte nach Afrika sowie über die Konsequenzen aus der neuen Einfuhrverordnung des Bundesgesundheitsministeriums für britisches Rindfleisch. Richard Eckert engagierte sich besonders bei Themen der Atomenergie, der Forschung und Bildung und des Sozialen. Rudolf Bühler äußerte sich indes vor allem zu Umweltthemen. Seine Beiträge betrafen etwa die Abfallwirtschaft, das Ozonloch, den Naturschutz oder die Energiewirtschaft. Bernhard Amann schließlich kommentierte in seiner Zeit als Abgeordneter der Republikaner vor allem Fragen der Polizei sowie der Besoldung von Beamten und Richtern1382. Zusammenfassend läßt sich damit feststellen, daß die Republikaner in ihren Redebeiträgen, während sie in ihren parlamentarischen Initiativen in erster Linie die thematische Bandbreite vergrößerten, vor allem die Art ihres Auftretens zunehmend variierten. Hatte anfangs eine aggressiv-kämpferische und auch polemische Art des Auftretens im Parlament dominiert, so präsentierten sich die Republikaner im Landtag im Laufe der Zeit auch moderat und kollegial. Der unversöhnliche Ton war damit nicht verschwunden. Beide Formen der Selbstdarstellung waren fortan anzutreffen. Mit dem gelegentlichen Gebrauch eines moderateren und

1382 Auswertung des Verfassers anhand der Unterlagen der Dokumentationsstelle des Landtages. 5 Darstellung der Ergebnisse 220 kollegialeren Tons ging das Bemühen der Republikaner einher, Sachkenntnis zu demonstrieren und sich einer nüchternen Argumentation zu bedienen. Auch machten die Republikaner von den ihnen gemäß Landesverfassung zustehenden Rechten im Parlament zunehmend selbstbewußter Gebrauch. Die Häufigkeit und Thematik der Beiträge der einzelnen Abgeordneten ließ zum einen auf eine fraktionsinterne Hierarchie mit dem Vorsitzenden und dessen Stellvertretern an der Spitze schließen, zum zweiten auf eine Aufteilung der Themengebiete innerhalb der Fraktion.

5.5.2 Zwölfte Legislaturperiode

Nach der Landtagswahl 1996 stellten die Republikaner im zwölften Landtag Baden- Württembergs im damals 67jährigen Eduard Hauser den Alterspräsidenten des Parlaments. Hauser nahm die Gelegenheit wahr, die Parlamentarier in seiner Eröffnungsrede zur Toleranz zu ermahnen: „Nicht nur die Protokolle, sondern auch der Eindruck, den manche Plenarsitzungen in den vergangenen Jahren bei den Gästen - zu denen ich bisweilen auch gehörte - hinterlassen haben, sollten uns Anlaß geben, über den Umgangston im Parlament nachzudenken. Pluralismus muß und wird es in einer Demokratie stets geben. Ausgrenzungen haben darin keinen Platz.“1383 Anders als frühere Einlassungen von Abgeordneten der Republikaner stieß die Eröffnungsrede des Alterspräsidenten mit Ausnahme der Grünen auf den Beifall sämtlicher Fraktionen1384. In ihrem Bestreben, die Distanz der anderen Parteien ihnen gegenüber zu überwinden, verbuchten die Republikaner zu Beginn der Legislaturperiode einen weiteren kleinen Erfolg. Als der von Rolf Schlierer vorgeschlagene Lothar König gegen den ehemaligen Innenminister Birzele (SPD) für das Amt des Ersten stellvertretenden Landtagspräsidenten kandidierte, erhielt er neben den Stimmen seiner Fraktionskollegen die Unterstützung fünf weiterer Parlamentarier1385. Der Umgang im Parlament mochte moderater geworden sein, die Republikaner mochten vermehrt Akzeptanz spüren - in der Sache vertraten die Abgeordneten um Rolf Schlierer auch 1997 die bekannten Standpunkte. Soziale Probleme führten sie in erster Linie auf die Anwesenheit und Immigration von Ausländern zurück. So machte Wolfram Krisch in erster Linie die seiner Ansicht nach exzessive Zuwanderung für Armut in Baden-Württemberg verantwortlich, als zweites nannte er Schule und Erziehung - eine große Zahl von Bürgern

1383 PlPr 12/2. 1384 vgl. PlPr 12/3. 1385 vgl. PlPr 12/6. 5 Darstellung der Ergebnisse 221 betrachte den Staat nur noch als Versorgungssystem1386. Als Beispiel führte er einen libyschen Asylbewerber in Villingen-Schwenningen an, der „Asyl mißbraucht und der monatlich für 30.000 DM Medikamente braucht“1387. Mitunter entwarfen die Republikaner apokalyptische Szenarien. So gab Christian Käs in der Debatte vor der Einrichtung der Enquête-Kommission „Jugend - Arbeit - Zukunft“ zu bedenken: „Denken Sie an Begriffe wie Heimat und Identität. Das, was wir heute an Homogenität in der Gesellschaft zerstören, wird sich bitter rächen. Masseneinwanderung, Arbeitslosigkeit, und der absehbare Zusammenbruch unseres Sicherungssystems - alles von den schon heute regierenden Parteien in den Ländern zu verantwortende Entwicklungen - entziehen höchstwahrscheinlich schon der nächsten Erwachsenengeneration jede Basis für eine gedeihliche Weiterentwicklung.“1388 Klaus Rapp sagte in der ersten Debatte zum Zweiten Nachtragshaushalt: „Wir haben doch große Haushaltsposten, die völlig überflüssig sind. Scheinasyl kostet uns täglich Millionenbeträge - täglich!“1389 Zur Durchsetzung deutscher Interessen forderte Wolfram Krisch daher die Wiedereinführung der Lohnsummensteuer nur für Nicht-EU-Ausländer1390. Nicht immer argumentierten die Republikaner derart direkt. Dann wurde etwa nicht bemängelt, daß sich zu viele Ausländer in Deutschland aufhielten, sondern daß zu wenig Deutsche einen Arbeitsplatz besäßen: „Wir können uns Subventionen für sterbende Industrien nicht mehr leisten“, sagte zum Beispiel Ulrich Deuschle in einer von der FDP/DVP anberaumten Aussprache zu den Auswirkungen der 32-Stunden-Woche. „Wir können uns auch das nicht mehr leisten, was in Berlin beim Bau des Reichstagsgebäudes geschah: daß trotz einer Arbeitslosigkeit im Großraum Berlin von 50.000 Bauarbeitern dort nur jeder zehnte Bauarbeiter ein Deutscher war. Das geht doch nicht.“1391 In der von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Debatte zur Rekordarbeitslosigkeit plädierte Deuschle zunächst für eine Umschichtung der Mittel für Arbeitslosen-Beratungsgruppen zugunsten von Investitionen „in die Zukunft, zum Beispiel in den Landesstraßenbau“1392, um hinzuzufügen, das Parlament müsse sich jedoch fragen, für wen es Arbeit schaffen wolle, und es müsse zur Kenntnis nehmen, daß die Ausländerarbeitslosigkeit doppelt so hoch sei wie die

1386 vgl. PlPr 12/1754. 1387 PlPr 12/1762. 1388 PlPr 12/2146. 1389 PlPr 12/2318. 1390 vgl. PlPr 12/2489. 1391 PlPr 12/1831. 1392 PlPr 12/1392. 5 Darstellung der Ergebnisse 222

Erwerbslosigkeit unter Deutschen. Daran seien nicht die Ausländer schuld, sondern die Politiker im Landtag, weil sie die Probleme jahrelang nicht gelöst hätten1393. Zugleich versuchten die Republikaner, sich als Hüter der Verfassung zu profilieren, als zum Beispiel Wolfram Krisch für den Fall einer europäischen Währungsunion voraussagte, daß verstärkt Kapital aus Deutschland abfließen und sich die Einwanderung Arbeitssuchender erhöhen werde: „Bei Ratifizierung des Vertrages von Maastricht haben die Ratifizierer damals gegen rechtskräftige Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen, sich also verfassungswidrig verhalten. Die Feinde unserer Verfassung sitzen nicht auf der rechten Seite. Dort sitzen die Beschützer und die Wahrer unserer Verfassung.“1394 Nur im Eifer des rhetorischen Gefechtes offenbarten sie eine Distanz zu den Institutionen des Rechtsstaates. So hielt Rolf Wilhelm dem SPD-Abgeordneten Walter Heiler vor: „Wenn Sie deutsche Spätaussiedler in einen Topf mit Asylbewerbern werfen, dann ist dies eine ungeheure und verfassungsfeindliche Diskriminierung von Deutschen. (Beifall bei den Republikanern) Herr Heiler, das will ich Ihnen hier an dieser Stelle ganz deutlich sagen. (Abg. Heiler SPD: Den Unsinn, den Sie da erzählen, glauben Sie doch selber nicht. So dumm können Sie doch gar nicht sein! - Abg. Roland Schmid CDU: Das kommt jetzt im Verfassungsschutzbericht!) - Herr Schmid, im Verfassungsschutzbericht kommen noch ganz andere Dümmlichkeiten vor. (Abg. Roland Schmid CDU: Da kommen Sie drin vor!) - Ja, selbstverständlich, Herr Schmid. Wenn ich nicht drin vorkommen würde, hätte ich höchstwahrscheinlich etwas falsch gemacht.“1395 Moderater gaben sich die Abgeordneten in anderen politischen Fragen, wobei sie sich insbesondere für die Interessen von Beamten, des Kurwesens und der Landwirte einsetzten. In der Diskussion um eine Rentenreform machte sich Lothar König für die Entlastung der Rentenkassen von versicherungsfremden Leistungen stark und sprach sich für ein Kapitaldeckungsverfahren aus, wandte sich zugleich aber gegen Kürzungen der Pensionen von Beamten1396. Bei anderer Gelegenheit verteidigte Josef Huchler die Staatsdiener vor drohenden Kürzungen bei der Erstattung von Dienstreisekosten1397. Als einzige Fraktion stimmten die Republikaner geschlossen gegen das Gesetz zur entsprechenden Änderung des Landesreisekostengesetzes1398. „Ich will an dieser Stelle ausdrücklich betonen“, erklärte

1393 vgl. PlPr 12/1398. 1394 PlPr 12/1447. 1395 PlPr 12/2471. 1396 vgl. PlPr 12/2047. 1397 vgl. PlPr 12/2053. 1398 vgl. PlPr 12/2341. 5 Darstellung der Ergebnisse 223

Josef Huchler laut seiner zu Protokoll gegebenen Erklärung das Votum, „daß sich meine Fraktion grundsätzlich für eine sparsame Haushaltsführung einsetzt, aber nicht nur zu Lasten der Bürger, Kommunen, oder - wie jetzt - der Landesbediensteten.“1399 In einer Debatte um Gesundheitspolitik wandte sich Michael Herbricht dagegen, „daß wir unsere Industrie schutzlos einem globalen Markt aussetzen“. Zu schützen waren seiner Ansicht nach vor allem das baden-württembergische Kurwesen sowie die heimische Landwirtschaft1400. Rolf Schlierer begründete diese Haltung im späteren Verlauf der Sitzung volkswirtschaftlich. Eine Rehabilitationsmaßnahme schlage mit 10.000 Mark zu Buche, während eine unterlassene Maßnahme die Gesamtwirtschaft 25.000 Mark koste, sagte er1401. Auch in der Kriminalpolitik zeigte sich die Fraktion gemäßigter. In der Debatte um die von den Republikanern eingereichte Große Anfrage zur Opferentschädigung erklärte Christian Käs: „Wir Republikaner reden nicht Forderungen das Wort, nun völlig auf eine Resozialisierung der Täter zu verzichten und wieder einen reinen Verschlußvollzug einzuführen. Wir wollen statt dessen eine Umkehr im staatlichen Verhalten gegenüber dem Schicksal der Opfer. Maß der Strafe darf nicht allein die Resozialisierbarkeit des Täters sein.“1402 Maß und Art der Strafe müßten künftig vor allem am Schicksal des Opfers und an dessen Interesse am Ausgleich des zugefügten Leides ausgerichtet werden. Käs regte zudem die Einrichtung einer Stiftung Opferhilfe an. Unverändert strebte die Fraktion danach, sich als kompetent zu präsentieren. So ließ Rolf Schlierer in der von der FDP/DVP beantragten Aktuellen Debatte um ein Transplantationsgesetz ohne jeglichen Bezug auf das politische Gegenüber seinen Sachverstand als Jurist und Arzt einfließen, um schließlich für eine erweiterte Zustimmungslösung zu plädieren1403. Wolfram Krisch wiederum zitierte die „International Herald Tribune“, wenn er gegen die Einführung des Euro argumentierte1404. Nationalistische Standpunkte rechtfertigten die Abgeordneten unter anderem mit dem Verweis auf Tony Blair, der den Typus eines patriotischen Sozialdemokraten darstelle, sowie auf Lionel Jospin, der gute französische Tradition zeige: „Frankreich und französische Interessen zuerst.“1405 Anders als noch in der elften Legislaturperiode führten die Republikaner ihre Beiträge

1399 PlPr 12/2344. 1400 vgl. PlPr 12/1426 f. 1401 vgl. PlPr 12/1465. 1402 PlPr 12/2038. 1403 vgl. PlPr 12/2014-2018. 1404 vgl. PlPr 12/2267. 1405 so Wolfram Krisch in PlPr 12/2104. 5 Darstellung der Ergebnisse 224 vielfach ohne Zwischenrufe von Abgeordneten anderer Fraktionen zu Ende. Michael Herbricht erhielt für seine umfassende Begründung, warum seine Fraktion den Gesetzentwurf der SPD über die Weiterbildung in Gesundheits- und Pflegeberufen unterstütze, sogar lobende Zwischenrufe aus der CDU wie „er spricht nicht schlecht“ und „sehr gut“, wenn er auch kurz darauf von einer „drohenden Entartung“ des Staates sprach1406. Zuweilen glückte es den Republikanern mit ihren Vorstößen, das Interesse der anderen Fraktionen für ein Thema zu wecken. So nutzten Vertreter von Grünen, SPD und FDP/DVP in der Fragestunde am 20. Februar 1997 die Mündliche Anfrage Ulrich Deuschles zu den Dienstfahrzeugen von Landräten zu verschiedenen Zusatzfragen an die Landesregierung1407. Bei anderen Gelegenheiten zeigten die Republikaner dagegen noch immer Defizite in der politischen Arbeit. Weil die Fraktion im Gegensatz zur vorangegangenen Legislaturperiode keine einzige Frau in ihren Reihen aufwies, schickte sie zum Beispiel als einzige Fraktion im Landtag einen Mann zum Rednerpult in der von den Grünen beantragten Debatte zum Muttertag. Während die Rednerinnen der anderen Fraktionen die Gleichberechtigung von Frauen einforderten, führte Michael Herbricht die weitgehende Aufgabentrennung der Geschlechter in Haushalt und Beruf auf „angeborene Begabungsunterschiede“ zurück1408. Alexander Schonath wiederum schalt in der Debatte um die geplante Schließung des Alcatel- Werkes in Mannheim die Landesregierung; bei der Subventionierung des französischen Unternehmens habe sie sich „durch Dilettantismus von einem multinationalen Konzern über den Tisch ziehen lassen“, obwohl eine kritische Analyse schon drei Jahre zuvor eine andere Entscheidung nach sich gezogen hätte - vom CDU-Abgeordneten Fleischer mußte er sich daraufhin vorhalten lassen, daß der Vertreter der Republikaner im Wirtschaftsausschuß den Subventionen damals zugestimmt hatte1409. Wolfram Krisch zeigte sich währenddessen schlecht über die Rechtslage auf EU-Ebene und über die unionsweite Niederlassungsfreiheit für EU-Ausländer informiert, als er „Arbeitsplätze zunächst für unsere Landsleute“ durchzusetzen begehrte1410. In einigen Fällen warben die Republikaner unter den anderen Fraktionen offen für eine Zusammenarbeit. So meinte Christian Käs hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse im Plenum, nachdem er der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Unterstützung ihres Gesetzentwurfes

1406 PlPr 12/2062 f., vgl. auch seine gemäßigten Äußerungen zum Thema in PlPr 12/1790, vgl. auch die Begründung der Unterstützng des SPD-Gesetzentwurfes zur Änderung des Landesrichtergesetzes, PlPr 12/2473. 1407 vgl. PlPr 12/1430 ff. 1408 vgl. Heilbronner Stimme, 17. Mai 1997. 1409 vgl. PlPr 12/2288. 1410 PlPr 12/2482. 5 Darstellung der Ergebnisse 225

über eine Direktwahl der Landräte zugesichert hatte: „Es geht hier um die Nagelprobe der kleinen Regierungsfraktion im Verhältnis zur großen Regierungsfraktion, und es geht um die Frage, ob einige Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion, die sich im Vorfeld für die Direktwahl ausgesprochen haben, wie der Kollege Herrmann oder der Kollege Behringer, auch innerfraktionell die notwendige Standfestigkeit haben, ihre Position durchzusetzen. Dann wäre es möglich, in diesem Landtag die Direktwahl der Landräte durchzusetzen. Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf das Verhalten der FDP/DVP bei der weiteren Diskussion im Ausschuß und würde mich freuen, wenn sich die tatsächlich hier vorhandene Mehrheit dann auch im Abstimmungsverhalten niederschlagen würde.“1411 Ulrich Deuschle wiederum empfahl der CDU, bevor er die Zustimmung der Republikaner zum Landeshochschulgebührengesetz bekanntgab, sich bei „kreativen Entscheidungen von Ihrem liberalen Koalitionspartner auch nicht zu sehr behindern zu lassen“. Die Unterstützung begründete er mit den Worten: „Wir Republikaner sind der Meinung, daß auch die Opposition für den Staat Verantwortung trägt und sie deshalb eine Initiative nicht nur deshalb ablehnen darf, weil sie von der Regierung kommt.“1412 Zugleich drohten die Republikaner den anderen Parteien mit ihrer Funktion der Sammlung der Unzufriedenen. So zitierte Deuschle eine Umfrage, wonach die bundesweite Zustimmung zu seiner Partei zwischen zehn und zwölf Prozent lag, und er fügte hinzu: „Das wird immer mehr zunehmen, meine Damen und Herren, wenn Sie hier keine vernünftige Politik machen und nicht auch an die Strukturen herangehen.“1413 Ungeachtet solcher Entwicklungen waren die Republikaner im Plenum nach wie vor Schmährufen ausgesetzt. So reagierte der SPD-Abgeordnete Karl-Peter Wettstein mit dem Ausruf „Faschisten“ auf die Aussage Wolfram Krischs, der Euro gefährde den Frieden1414. Die Beleidigungen gingen dabei insbesondere von Abgeordneten der SPD aus, während die Abgeordneten der Republikaner, anders als etwa in ihren Pressemitteilungen, zwar provozierten, nicht aber den politischen Gegner persönlich herabsetzten. Um so mehr mußte erstaunen, daß sich zumindest der stellvertretende Landtagspräsident Gerhard Weiser (CDU) dennoch klar auf die Seite der SPD-Abgeordneten schlug, wie der Beitrag Rolf Wilhelms in

1411 PlPr 12/1781. 1412 PlPr 12/1800. 1413 PlPr 12/1398. 1414 PlPr 12/2105, vgl. auch die Reaktion auf die Äußerung Alfred Dagenbachs, der den Erlaß von Naturschutzbestimmungen zu Lasten der Länder als „Einführung des längst überwunden geglaubten Sozialismus pur über die Hintertür durch unqualifizierte Blümchengucker und Käferbeinchenzähler“ bezeichnet hat; „(Beifall bei den Republikanern - Abg. Weimer : Du bist ein Dummschwätzer! Du bist ein hochgradiger Dummschwätzer! Abg. Nils Schmid SPD: Aber eine rote Krawatte tragen! Sofort die rote Krawatte weg! Sozialist! - Weitere Zurufe). 5 Darstellung der Ergebnisse 226 der Debatte über das befristete Bleiberecht für bosnische Auszubildende zeigte: „Nehmen Sie zur Kenntnis“, sagte Wilhelm an die Adresse des Plenums, „daß Deutschland an den ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien nicht beteiligt war. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß Deutschland mehr sogenannte Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen hat (Abg. Weimer SPD: Was heißt ‘sogenannte’?) als jedes andere europäische Land. (Abg. Heiler SPD: Aber nicht pro Kopf) Machen Sie meinetwegen in Ihrem Betroffenheitsritual eine Ein- Mann-Lichterkette, aber verschonen Sie uns mit diesen - (Abg. Weimer SPD: Sie sind doch ein dummes Arschloch! - Abg. Rapp REP: Herr Präsident! - Glocke des Präsidenten) - Herr Weimer, so deutlich wollten wir eigentlich nicht wissen, aus welchem Haus Sie kommen. Meine Damen und Herren, ich glaube, an dieser Stelle... – Stellv. Präsident Weiser: Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, Ihre Rede sachlich weiterzuführen. Ich will auf eine Rüge gegenüber dem Abg. Weimer verzichten, weil Sie zu stark provoziert haben. (Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!) Abg. Wilhelm REP: Herr Präsident, ich bin einigermaßen überrascht. Aber wenn Ausdrücke wie „Arschloch“ hier zur Gepflogenheit gehören, dann nehme ich das gern zur Kenntnis. Ich übrigen kann mich ein Genosse Weimer nicht beleidigen. Stellv. Präsident Weiser: Moment! Ich habe von ,Gepflogenheiten’ überhaupt nicht gesprochen. Solche Reden, wie Sie sie halten, werden hier in diesem Haus Gott sei Dank auch nicht zur Gewohnheit. (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU)“1415 In der zwölften Legislaturperiode meldeten sich die Republikaner in den Jahren 1996 und 1997 insgesamt 325 Mal zu Wort. Auf die Abgeordneten verteilten sich die Beiträge wie folgt:

1415 PlPr 12/2348. 5 Darstellung der Ergebnisse 227

Tabelle 5.5.2 Redebeiträge in der zwölften Legislaturperiode

Redebeiträge 12. Periode Name Angaben in Prozent Dagenbach 3,4 Deutschle 16,3 Eigenthaler 2,8 Hauser 0,3 Herbricht 3,6 Huchler 2,5 Käs 9,8 König 10,2 Krisch 9,8 Rapp 13,2 Schlierer 18,8 Schonath 2,5 Toll 2,8 Wilhelm 4 Summe (absolut) 325

Wie bereits in der elften Legislaturperiode traten der Fraktionsvorsitzende Rolf Schlierer sowie seine Stellvertreter, inzwischen Ulrich Deuschle, Klaus Rapp und Christian Käs, besonders häufig hinter das Rednerpult, zudem der Parlamentarische Geschäftsführer Lothar König. Auch Wolfram Krisch formulierte zahlreiche Beiträge. Rolf Wilhelm, Heinz Troll sowie die mit der Landtagswahl neu ins Parlament gelangten Alexander Schonath, Josef Huchler und Egon Eigenthaler äußerten sich dagegen weitaus seltener. Nur einmal, zu Beginn der Legislaturperiode, hatte sich der ebenfalls neu in den Landtag gewählte Alterspräsident Eduard Hauser vernehmen lassen1416. Erneut war eine Aufteilung der Themen festzustellen, die weitgehend der Mitgliedschaft der Republikaner in den jeweiligen Parlamentsausschüssen entsprach. Anders als in der Legislaturperiode zuvor stellte die Ausländer- und Asylpolitik kein Generalthema dar, zu dem sich beinahe jeder Republikaner äußerte. So redeten vor allem Wolfram Krisch, Ulrich Deuschle, Rolf Wilhelm, Rolf Schlierer und Christian Käs zur Ausländer- und Asylpolitik. Darüber hinaus redete Ulrich Deuschle wie bereits in der elften Legislaturperiode bevorzugt zu den Themen Arbeitsmarkt, Haushalts-/Finanzpolitik, Landesverfassung, Pflegeversicherung und Verkehr, daneben zur Energie- und Europapolitik. Michael Herbricht kümmerte sich nunmehr insbesondere um Fragen des Sozialen, der Gesundheits- und der Innenpolitik. Den Bereich Garten-, Forst- und Agrarwirtschaft, den Herbricht zuvor bearbeitet hatte, behandelte nun der neu in den Landtag gelangte Alfred Dagenbach, der sich zudem

1416 vgl. PlPr 12/1. 5 Darstellung der Ergebnisse 228 unter anderem zur EU- und zur Finanzpolitik äußerte. Lothar König widmete sich nach wie vor besonders der Bildungspolitik, zudem der Kulturpolitik. Klaus Rapp beschäftigte sich unverändert in der Hauptsache mit Finanzpolitik, auch äußerte er sich zu Fragen der Bildung, des Inneren und der Wirtschaft. Inneres, Wirtschaft, Europa und Finanzen lauteten die Schwerpunkte Rolf Schlierers, der sich als Vorsitzender der Fraktion indes auch zu zahlreichen anderen Gebieten äußerte. Das Gebiet der Asyl- und Ausländerpolitik hatte Schlierer offenbar Christian Käs überlassen, der den größten Teil seiner Redebeiträge zu diesem Bereich sowie zur Innen- und Kriminalpolitik verfaßte. Ausländer und Inneres hießen auch die bevorzugten Themen Rolf Wilhelms. Nahezu ausschließlich auf Fragen der Polizei und der Kriminalitätsbekämpfung konzentrierte währenddessen Heinz Troll seine Äußerungen. Wolfram Krisch legte den Schwerpunkt derweil, neben ausländerpolitischen Fragen, auf soziale, europa- und gesundheitspolitische Themen. Auf die Umweltpolitik verwandte nach Rudolf Bühler vor allem Egon Eigenthaler die meisten seiner Aktivitäten im Plenum, zudem behandelte er die Verkehrspolitik. Währenddessen kommentierte Josef Huchler in der Hauptsache die Finanzpolitik. Alexander Schonath wiederum äußerte sich zu Wirtschaft, Arbeit, Energie sowie zur Innenpolitik, ohne daß ein Schwerpunkt zu erkennen gewesen wäre1417. Gegenüber der elften Legislaturperiode machte sich das Ausscheiden Liane Offermanns dahingehend bemerkbar, daß kaum noch Beiträge zu den Themengebieten Familie, Kinder, Frauen und Jugend zu verzeichnen waren. Schwach repräsentiert in den Redebeiträgen der Republikaner waren außerdem nach wie vor Fragen des Sports und der Kultur. Im Ergebnis bestätigten die Jahre 1996 und 1997 der zwölften Legislaturperiode indes insgesamt den Befund gegen Ende des elften Landtags. Eine moderate Art des Auftretens wechselte sich inzwischen je nach Thematik mit aggressiven Äußerungen ab. Inhaltlich war die Fraktion dabei von ihren Standpunkten nicht abgewichen. Dennoch hatte die Akzeptanz im Plenum zugenommen und reichte mitunter dazu aus, daß die Republikaner im Parlament eine Initiativfunktion übernehmen und Anstöße geben konnten. Grundsätzlich verharrten die Fraktionen sowie das Landtagspräsidium indes nach wie vor in einer Frontstellung den Republikanern gegenüber. Dies äußerte sich etwa darin, daß Abgeordnete der Republikaner eher als die Vertreter anderer Fraktionen zur Ordnung gerufen wurden.

1417 Auswertung des Verfassers anhand der Unterlagen der Dokumentationsstelle des Landtages. 5 Darstellung der Ergebnisse 229

5.6 Die Arbeit in den Ausschüssen

5.6.1 Elfte Legislaturperiode

In der elften Legislaturperiode waren sämtliche Abgeordneten der Republikaner bis auf Willi Auer, Bernhard Amann und Max Reimann Mitglied in einem oder mehreren Ausschüssen des Landtags. In Tabellenform stellte sich die Präsenz der Republikaner in den Ausschüssen wie folgt dar:

Tabelle 5.6.1 Verteilung der Republikaner auf die Ausschüsse in der elften Legislaturperiode Ausschuß Vertreter der Republikaner

Ausschuß für Familie, Frauen, Liane Offermanns (Stellvertreter: Richard Weiterbildung und Kunst Eckert, Michael Herbricht, Klaus Rapp) Finanzausschuß Horst Trageiser (Stellvertreter: Ulrich Deuschle, Lothar König, Klaus Rapp) Innenausschuß Rudolf Bühler, Rolf Wilhelm (Stellvertreter: Ulrich Deuschle, Lothar König, Heinz Troll) Ausschuß für Ländlichen Raum und Michael Herbricht (Stellvertreter: Lothar Landwirtschaft König, Max Reimann, Rolf Wilhelm) Petitionsausschuß Richard Eckert, Heinz Troll (Stellvertreter: Lothar König, Liane Offermanns, Max Reimann, Karl-August Schaal, Rolf Wilhelm) Ausschuß für Schule, Jugend und Lothar König (Stellvertreter: Richard Eckert, Sport Liane Offermanns, Karl-August Schaal) Sozialausschuß Karl-August Schaal (Stellvertreter: Michael Herbricht, Liane Offermanns, Max Reimann) Ständiger Ausschuß Rolf Schlierer (Stellvertreter: Ulrich Deuschle, Klaus Rapp und Horst Trageiser) Umweltausschuß Rudolf Bühler (Stellvertreter: Michael Herbricht, Wolfram Krisch, Heinz Troll) Fortsetzung ... 5 Darstellung der Ergebnisse 230

Tabelle 5.6.1 (Forts.) Verteilung der Republikaner auf die Ausschüsse in der elften Legislaturperiode

Ausschuß Vertreter der Republikaner Verkehrsausschuß Ulrich Deuschle (Stellvertreter: Rudolf Bühler, Wolfram Krisch, Rolf Wilhelm) Wahlprüfungsausschuß Rolf Schlierer (Stellvertreter: Klaus Rapp, beratend) Wirtschaftsausschuß Klaus Rapp (Stellvertreter: Wolfram Krisch, Karl-August Schaal, Horst Trageiser) Ausschuß für Wissenschaft und Richard Eckert (Stellvertreter: Lothar König, Forschung Rolf Schlierer, Horst Trageiser) Notparlament Rolf Schlierer (Stellvertreter: Horst Trageiser) sonstige Gremien Vertreter der Republikaner Enquête-Kommission Richard Eckert (Stellvertreter: Rolf Wilhelm) „Entwicklung, Chancen und Auswirkungen neuer Informations- und Kommunikationstechnologie in Baden-Württemberg Untersuchungsausschuß Wolfram Krisch (Stellvertreter: Richard „Genehmigungsverfahren, Eckert) sicherheitstechnische Auslegung, Aufsicht und Begutachtung im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Obrigheim (KWO)

Darüber hinaus saß Rolf Schlierer im Landtagspräsidium, sein Stellvertreter war Ulrich Deuschle, und Wolfram Krisch fungierte als Schriftführer im Landtagspräsidium. Damit waren die Republikaner in sämtlichen Ausschüssen und Gremien des Landtags mit Ausnahme des Gremiums nach Artikel 10 Grundgesetz vertreten1418. Ungeachtet der Personen, welche die Fraktion in dem jeweiligen Ausschuß vertraten, reichten die Republikaner ihre Anträge in der Regel als Fraktion ein. Bis Januar 1994 etwa hatten die Republikaner insgesamt 114 Anträge eingebracht, von denen nur 18 im Namen einzelner Abgeordneter eingereicht worden waren1419. 1992 stand der Haushaltsetat 1993/94 im Mittelpunkt der Ausschußarbeit. Dabei legten die Abgeordneten der Republikaner vor allem Kürzungsvorschläge vor. Moderat nahm sich dabei noch der Vorstoß aus, den Posten für die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung mit Hinweis auf die angespannte Haushaltslage für 1993 um 140.000 Mark und für 1994 um

1418 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 11, 1992/96, Rheinbreitbach 1995. 1419 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 27 f. 5 Darstellung der Ergebnisse 231

240.000 Mark auf jeweils 1,1 Million Mark zu reduzieren1420. Kräftigere Einsparungen im Haushalt des Staatsministeriums forderte die Fraktion bei den Mitteln für die Ausstattung von Dienstzimmern, die 1993 um 220.000 Mark auf 156.000 Mark sowie 1994 um 100.00 Mark auf 15.000 zurückgeführt werden sollten1421. Auch im Etat des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung wollte die Fraktion sparen. Für die Beschaffung von Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenständen sollten 1993 nur noch 200.000 Mark anstatt 227.000 bereitstehen1422, der Ansatz für Dienstreisen sollte für die kommenden beiden Jahre um jeweils 50.000 Mark auf 239.000 Mark zurückgenommen werden1423. In den Gesundheitsämtern sollten die Ausgaben für Ausstattungs- und Ausrüstungshilfe 1993 und 1994 jeweils um 100.000 Mark auf 480.000 Mark und 490.000 Mark sinken1424, die Arbeitsgerichtsbarkeit sollte mit um jeweils 50.000 Mark auf 60.000 Mark gekürzten Haushaltsposten für Dienstreisen auskommen1425. Sofern die Republikaner ihre Anträge begründeten, verwiesen sie auf eine Erstattung der Kosten durch den Bund oder teilten mit, „bei einem erkennbaren Sparwillen des Ministeriums“ könne die jeweilige Haushaltsstelle bedenkenlos bzw. ohne Störung des Betriebsablaufes1426 unter dem Ansatz des Vorjahres ausgewiesen werden1427. Rigoroser noch ging die Fraktion beim Etat des Ministeriums für Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst vor. Der jeweils rund elf Millionen Mark umfassende Haushaltsposten des Zentralfonds für die Anschaffung von Spitzenwerken für die staatlichen Kunstsammlungen sollte zum Beispiel komplett entfallen1428, auch der Haushaltsposten von jeweils rund 1,2 Millionen Mark für den Erwerb von Kunstgegenständen sollte gestrichen werden1429. Aufgrund der schwierigen Haushaltssituation seien die Mittel für die nächsten zwei Jahre auszusetzen. Aufstocken um 500.000 Mark wollte die Fraktion dagegen die Mittel des Arbeits-, Gesundheits- und Sozialministeriums für die Jugendhilfe, um die Eingliederung junger

1420 vgl. Drs. 11/1202-17. 1421 vgl. Drs. 11/1202-18. 1422 vgl. Drs. 11/1209-11. 1423 vgl. Drs. 11/1209-12. 1424 vgl. Drs. 11/1209-41. 1425 vgl. Drs. 11/1209-28. 1426 vgl. Drs. 11/1209-41. 1427 Drs.11/1209-28. 1428 vgl. Drs. 11/1389-8. 1429 vgl. Drs. 11/1389-9. 5 Darstellung der Ergebnisse 232

Aussiedler zu erleichtern1430. Um jeweils 1,1 Millionen Mark auf 3,2 Millionen Mark sollten die Ansätze für Arbeitsförderung und Berufsbildung steigen, „da diese Mittel an Gemeinden und Gemeindeverbände gehen, (Fehler im Original, d.A.) und demnach gezielt zur Eingliederung von Arbeitslosen bzw. Langzeitarbeitslosen eingesetzt werden“1431, wie es hieß. Die Fraktion begehrte überdies, den Ansatz für die Ausgleichsabgabe gemäß dem Schwerbehindertengesetz auf 10,5 Millionen Mark zurückzunehmen, damit „mehr Behinderte nach dem Behindertengesetz in den Arbeitsprozeß verstärkt mit eingebunden werden müssen“1432. Mehr Geld wollten die Republikaner auch dem Innenministerium für den mittleren Polizeivollzugsdienst bei Schutz- und Kriminalpolizei bereitstellen. Ohne Angabe von Kosten beantragte die Fraktion, 1993 und 1994 jeweils 600 Stellen für Polizeihauptmeister sowie 250 Stellen für Polizeiobermeister einzurichten: „Aufgrund der bisher beim Umsetzen des Besoldungsstrukturprogramms für die Polizei vom 21.Oktober 1992 gewonnenen ersten Erfahrungen ergibt sich zwingend neuer Handlungsbedarf.“1433 Hatten die Abgeordneten 1992 in den Ausschußsitzungen noch meist auf die schriftliche Begründung verwiesen, wenn sie ihre Eingaben erläutern sollten, so bemühten sie sich 1993 auch darum, die Vertreter der anderen Fraktionen von ihrem Standpunkt zu überzeugen, zum Beispiel bei der Beratung ihres Gesetzentwurfs zur Änderung der Satzung des Süddeutschen Rundfunks, mit dem sich die Republikaner im Ständigen Ausschuß gleichwohl nicht durchsetzten. In dem Gremium führte der Vertreter der Republikaner an, er könne die bei der Ersten Beratung des Gesetzentwurfes vorgetragene Kritik, etwa das Argument der Staatsferne, auch nach eingehender Prüfung nicht teilen. Vielmehr hätten Medienpolitiker von CDU und SPD bereits ebenfalls dieselbe Forderung der Zuwahl von Rundfunkratsmitgliedern erhoben. Die Kritik entspringe somit mehr taktischen als sachbezogenen Überlegungen. Nachdem die Vertreter der übrigen Parteien bekräftigt hatten, daß ihre Fraktionen den Gesetzentwurf, der eine Erweiterung des Rundfunkrates um direkt zu wählende Personen vorsah, nach wie vor ablehnten, empfahl der Ständige Ausschuß dem Landtag schließlich bei einer Gegenstimme, den Gesetzentwurf abzulehnen1434. Zuweilen verzichteten die Republikaner auch vorzeitig auf eine Abstimmung über ihre Initiative wie im Falle ihres Antrags, die islamischen Organisationen des Landes aufzurufen,

1430 vgl. Drs. 11/1209-35. 1431 Drs. 11/1209-20. 1432 Drs. 11/1209-24. 1433 Drs. 11/1357-2. 1434 vgl. Drs 11/1697, S. 1 f. 5 Darstellung der Ergebnisse 233 sich von Mordaufrufen islamischer Geistlicher zu distanzieren. Im Ausschuß für Schule, Jugend und Sport erklärte der Vertreter der Republikaner, nachdem er den Vorstoß nochmals erläutert hatte, aus der Formulierung des Ministeriums für Kultus und Sport, die Landesregierung verfüge über keine amtlichen Erkenntnisse zu einem Mordaufruf, ziehe er den Schluß, daß hingegen nicht-amtliche Erkenntnisse vorlägen. Da er indes die Schwierigkeiten der Landesregierung anerkenne, gegen den Mordaufruf tätig zu werden, erkläre er sich aber mit einer Erledigterklärung des Antrages einverstanden1435. Wo sich ihre Anträge mit den Vorstellungen anderer Fraktionen deckten, erhielten die Republikaner 1994 in den Ausschüssen Anerkennung, Vorstöße, welche von der Politik des politischen Gegners abwichen oder ohne nähere Begründung vorlegten, wurden in der Regel auch ohne Diskussion abgelehnt. Im Innenausschuß begründete der Vertreter der Republikaner die Gesetzentwürfe zur Änderung der Gemeinde- und der Landkreisordnung vor allem mit dem Ziel erweiterter Bürgerrechte, mit denen allein der seit Jahren diskutierten Politikverdrossenheit beizukommen wäre. Die Entwürfe sähen daher eine Direktwahl der Landräte und eine Senkung der Quoren bei Bürgerversammlung, Bürgerantrag und Bürgerentscheid vor. Eine Senkung der Quoren für Bürgerantrag und Bürgerversammlung gemäß den Vorstellungen der Republikaner befürwortete auch der Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen. Sie ließe auf eine Belebung der kommunalpolitischen Diskussion hoffen. Die Forderung nach Senkung der Quoren für Bürgerentscheide lehne seine Fraktion indes ab, weil die umfangreiche Prozedur eines Bürgerentscheids nicht von einer zu kleinen Minderheit ausgelöst werden dürfe. Ein SPD-Abgeordneter merkte zu den beiden mit einem Entwurf der FDP zur Änderung der Gemeinde- sowie der Landkreisordnung diskutierten Anträgen an, allen drei Gesetzentwürfen sei das Ziel einer erweiterten und erleichterten Bürgerbeteiligung, einer Stärkung der Rechte der Gemeinderäte und einer größeren Einflußnahme der Ortsbevölkerung gemeinsam. Diese Ziele deckten sich mehr oder weniger vollständig mit den Forderungen der SPD-Fraktion. Angesichts des Ausschlusses eines gegensätzlichen Abstimmungsverhaltens der Koalitionsfraktionen im Parlament und in den Ausschüssen durch die Koalitionsvereinbarung werde sich die SPD-Fraktion somit bei der Abstimmung über die Gesetzentwürfe der Stimme enthalten1436. In die Beratungen des Staatshaushaltsplans hatten die Republikaner erneut zahlreiche Änderungsanträge eingebracht. So forderten sie im Etat des Landtages eine Rückführung des Postens für Leistungen an Abgeordnete, ausgeschiedene Abgeordnete und Hinterbliebene

1435 vgl. Drs. 11/2775, S. 7. 1436 vgl. Drs. 11/3487, S. 3-8. 5 Darstellung der Ergebnisse 234 nach dem Entschädigungsgesetz sowie dem Abgeordnetengesetz um 260.000 Mark auf 30,238 Millionen Mark sowie der Mittel für Ausschußreisen um ebenfalls 260.000 Mark auf 100.000 Mark. In einer Zeit, in der Politiker täglich von Bürgern Entbehrungen verlangten, sollten Politiker selbst auf Privilegien verzichten, begründete die Fraktion den Vorstoß. Auf Ausschußreisen ins Ausland sollte im Jahre 1995 generell verzichtet werden1437. In der Beratung des Finanzausschusses verwies der Abgeordnete der Republikaner auf die schriftliche Begründung des Antrags, worauf das Gremium das Begehren bei einer Gegenstimme ohne Enthaltungen ablehnte1438. Im Haushaltsplan des Staatsministeriums setzte sich die Fraktion zudem unter anderem für eine Reduzierung der sonstigen Beschäftigungsentgelte sowie der Zuschüsse zur institutionellen Förderung von Einrichtungen für politische Bildung1439 ein. In der historischen Entwicklung der Parteienfinanzierung habe die Zuwendung staatlicher Mittel an parteinahe Stiftungen immer ein großes Problem dargestellt, sagte der Vertreter der Republikaner zum Antrag auf Kürzung der Zuschüsse zur institutionellen Förderung von Einrichtungen der politischen Bildung. Die Kritik der bisherigen Praxis auf Bundes- und Länderebene sei aus guten Gründen nicht verstummt. Auch das Problem der Parteiferne von Stiftungen sei nicht gelöst. Nach Ansicht der Republikaner sollten daher - dem Votum mehrerer Staatsrechtler folgend - die Ansätze der entsprechenden Zuschüsse gekürzt werden. Auch diese Änderungsanträge wurden jeweils bei einer Gegenstimme ohne Enthaltung abgelehnt1440. Im Etat des Innenministeriums wollten die Republikaner die Ansätze für Vermischte Verwaltungsaufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutzes von 65.000 Mark auf knapp 9.000 Mark kürzen. Stark sinken sollten auch die Mittel für die Aufnahme und Verwaltung von Flüchtlingen. Nicht weniger als 17 Anträge brachten die Republikaner allein zu diesem Thema ein, angefangen bei den Mitteln für die Erstattung von Sozialhilfe für Flüchtlinge bis hin zu den Bezügen der mit der Aufnahme und Verwaltung der Flüchtlinge befaßten Beamten1441. Während die Forderungen mit der Änderung des Asylrechts und der damit verbundenen gesunkenen Zahl der Flüchtlinge begründet wurden1442, führten die Republikaner zugunsten ihres Antrags zum Etat des Landesamtes für Verfassungsschutz an,

1437 vgl. Drs. 11/5201-1. 1438 vgl. Drs. 11/5201, S. 5. 1439 vgl. Drs. 11/5202-8-12. 1440 vgl. Drs. 11/5202, S. 14-17. 1441 vgl. Drs. 11/5203-6-22. 1442 vgl. Drs. 11/5203-6. 5 Darstellung der Ergebnisse 235 der Ausgabenanstieg des betreffenden Postens resultiere „nicht aus seriöser Aufklärungsarbeit für die Bevölkerung, sondern“ diene „in erster Linie der Diffamierung der politischen Opposition mittels obskurer Ausstellungen u. ä. sowie unzulässiger Beeinflussung des Wahlverhaltens“1443. Die Anträge wurden en bloc gegen eine Stimme mit allen übrigen Stimmen abgelehnt1444. Mit der allgemeinen Notwendigkeit zu sparen begründeten die Republikaner ihr Begehren nach Kürzungen der Ausgaben „Veröffentlichung und Dokumentation“ im Wirtschaftsministerium. Zurückgehen sollten auch die Etatansätze für Zuschüsse im Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen. Die Fraktion bemängelte „Sickerverluste“ und forderte eine Umschichtung der Mittel auf eine direkte Subventionierung einkommensschwacher Mieter1445. Identisch lautete die Begründung der drei Anträge, im Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Allgemeinen Bewilligungen für den „Erwerb von Maschinen und dergleichen“, für „Sachaufwand“ sowie für „Haushaltstechnische Verrechnungen“ in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zurückzuschrauben: „Maßnahmen für Entwicklungshilfe sollten in die alleinige Kompetenz des Bundes fallen; Kürzungen der Aufwendungen sind geboten.“1446 Im Etat des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung begehrte die Fraktion Kürzungen der Beiträge und Zuschüsse an Vereinigungen der Wohlfahrtspflege. Sparen wollten die Republikaner ferner bei der Sozialhilfe für Bewohner von Übergangsheimen. Komplett entfallen sollten die Mittel für die Arbeitsförderung und Berufsbildung ausländischer Arbeitnehmer. Kürzungen plante die Fraktion ferner bei den Posten für soziale Maßnahmen für ausländische Arbeitnehmer und den Zuschüssen an soziale und ähnliche Einrichtungen. Gekürzt werden sollten ferner die Ansätze für Suchtbekämpfung und entsprechende Veröffentlichungen. Entfallen sollte die Finanzierung der Dienstleistungen Dritter im Haushaltstitel Aids. Auf 2,84 Millionen Mark verdoppeln wollten die Republikaner dagegen die Mittel für den Jugendschutz; um zehn Prozent zunehmen sollte die Förderung von kommunalen Altenhilfeeinrichtungen1447. Über die schriftlichen Begründungen hinausgehende Erläuterungen brachte der Vertreter der Republikaner im Ausschuß in der Regel nicht vor. In den Sitzungen verwies er abermals auf einen zu erwartenden Rückgang der Zahl der Flüchtlinge nach Änderung des Asylrechts und auf die schriftlichen

1443 vgl. Drs. 11/5203-5. 1444 vgl. Drs. 11/5203, S. 34. 1445 vgl. Drs. 11/5207-1, -5 und -6. 1446 Drs. 11/5208-1, 115208-6 und 11/5208-8. 1447 vgl. Drs. 11/5209-1-20. 5 Darstellung der Ergebnisse 236

Ausführungen, oder er führte an, wer es mit dem Sparen ernst meine, dürfe keinen Haushaltstitel ausnehmen; in finanziell schwierigen Zeiten gelte es, sich auch bei sinnvollen Dingen auf das unumgänglich Notwendige zu beschränken. Der Antrag spreche für sich selbst, hieß es bei anderer Gelegenheit1448. Sämtliche Begehren wurden bei einer Gegenstimme mit allen übrigen Stimmen abgelehnt1449. Mit ihrem Antrag, die für 1995 und 1996 auf 17,043 bzw. 18,212 Milliarden Mark veranschlagten Einnahmen aus der Lohnsteuer auf 16,0 und auf 16,320 Milliarden Mark zu reduzieren, da es angesichts von Entlassungen in Unternehmen wie SEL, Zeiss oder Mercedes-Benz unrealistisch sei, Zuwächse bei der Lohnsteuer einzuplanen1450, lösten die Republikaner im Finanzausschuß dagegen eine längere Diskussion über die zu erwartenden Einkünfte des Landes aus. Erst nachdem der Finanzminister auf Nachfragen von Abgeordneten von CDU und Bündnis 90/Die Grünen die Ansätze nochmals ausführlich gerechtfertigt hatte, lehnte der Ausschuß den Antrag bei einer Gegenstimme ab1451. Nicht immer präsentierten sich die Republikaner im Ausschuß ausreichend vorbereitet. Mal mußte sie ein Kollege der CDU darauf aufmerksam machen, daß die Anträge die ursprünglich vorgesehenen Beträge und geforderten Kürzungen um den Faktor 1.000 zu hoch angaben1452, ein anderes Mal baten die Republikaner die Ausschußmitglieder während der Sitzung, Verbesserungen in den ihnen vorliegenden Anträgen einzutragen1453. Dann wiederum informierte der Vertreter der Republikaner die Ausschußmitglieder während der Sitzung darüber, in Antrag 11/5210-8 sollten die Ansätze für die Klimaschutz- und Energieagentur in den Jahren 1995 und 1996 nicht auf null, sondern um jeweils 400.000 Mark auf eine Million Mark sinken - auch dieser Antrag wurde abgelehnt1454. Zuweilen nahm der Ausschuß tatsächliche oder vermeintliche Defizite der Vorlagen zum Anlaß, sie ohne jede Erörterung abzulehnen. So lehnte der Finanzausschuß die Anträge zur Auflösung der Staatlichen Schulämter1455 en bloc ab, nachdem der SPD-Vertreter bekundet hatte, eine Debatte sei Zeitverschwendung, da zum Beispiel jeglicher Hinweis fehle, was mit den Stellen der Staatlichen Schulämter geschehen solle1456. Nach Präsentation des Antrages

1448 vgl. Drs. 11/5209, S. 12-20. 1449 vgl. Drs. 11/5209, S. 16-20. 1450 vgl. Drs. 11/5212-1, vgl. auch Drs. 11/5212-2 und -3. 1451 vgl. Drs. 11/5212, S. 17-19. 1452 vgl. Drs. 11/5202, S. 14. 1453 vgl. Drs. 11/5202, S. 16. 1454 vgl. Drs 11/5210, S. 12. 1455 vgl. Drs. 11/5204-1-4. 1456 vgl. Drs. 11/5204, S. 16. 5 Darstellung der Ergebnisse 237 auf Verdopplung der Mittel für den Jugendschutz bescheinigte selbst die Ministerin für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung, Helga Solinger (SPD), dem Vertreter der Republikaner, nach Ansicht ihres Hauses reichten die momentanen Mittel aus, und es gebe zahlreiche Bereiche, in denen eine Erhöhung der Mittel notwendiger wäre. Der Abgeordnete zog den Antrag daraufhin zurück1457. Wenige Minuten darauf plädierte der Republikaner für den Antrag auf Halbierung der Mittel für Suchtbekämpfung und für entsprechende Veröffentlichungen mit dem Argument, mit der Verteilung von Hochglanzbroschüren werde kein Beitrag zur Suchtbekämpfung geleistet, worauf ihm die Ministerin entgegnet, im Rahmen der seit zwei Jahren laufenden Suchtbekämpfungskampagne seien keinerlei Broschüren verteilt worden1458. Auch 1995 unterbreiteten die Republikaner in ihren Haushaltsanträgen mehrheitlich Kürzungsvorschläge. Dabei gaben sie sich oft als energische Vertreter ihrer Sache, die auf eine rasche Umsetzung ihrer Vorstöße drangen. Im Mittelpunkt der im Ausschuß eingeforderten Verkehrspolitik standen dabei Bemühungen um Privatisierungen, um eine Reduzierung öffentlicher Zuschüsse sowie um eine Forcierung des Schienen- und Straßenbaus. So beantragten die Republikaner im Etat des Verkehrsministeriums eine Senkung der Schuldendiensthilfe für den Flughafen Stuttgart um 20 Millionen Mark auf 79 Millionen Mark. Das Land solle eine Teilprivatisierung der Gesellschaft prüfen und die daraus gewonnen Mittel in den Bau von Ortsumgehungen und in den Ausbau von Landesstraßen investieren, hieß es in einem Antrag der Fraktion1459. Die Mittel für Verkehrsuntersuchungen und -planungen wollten die Republikaner um die Hälfte auf 500.000 Mark senken1460. Stark sinken sollten zudem die Ansätze für den Zuschuß an den Flughafen Friedrichshafen sowie für den Regionalflughafen Söllingen1461. Mehr Geld wollten die Republikaner dagegen für die Förderung von Güterumschlags- und Logistikanlagen bereitstellen. Der Etatansatz für die Planung der Neubaustrecke der Deutschen Bahn AG zwischen Wendlingen und Ulm sollte auf zwei Millionen Mark verdoppelt werden. Der Beschluß der Landesregierung zum Bau der entsprechenden Schnellbahntrasse sei in der vorliegenden Form gegen die Bevölkerung nicht durchsetzbar, schrieben die Republikaner in der Begründung ihres Antrags. Um eine allgemein verträgliche

1457 vgl. Drs. 11/5209, S. 17. 1458 vgl. Drs. 11/5209, S. 20. 1459 vgl. Drs. 11/5352-1. 1460 vgl. Drs. 11/5352-2. 1461 vgl. Drs. 11/5352-3, -4. 5 Darstellung der Ergebnisse 238

Lösung bewirken zu können, müsse das Land eine Änderung der Planungen der Deutschen Bahn durchsetzen1462. Für die Senkung der Mittel für Verkehrsuntersuchungen und -planungen argumentierte der Vertreter der Republikaner im Finanzausschuß, gerade bei der ebenfalls von der Fraktion geforderten Errichtung von Güterverkehrszentren komme es nicht auf umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen, sondern im wesentlichen auf die politische Umsetzung an. Das Gremium lehnte den Antrag bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung ab1463. Zum Antrag auf Senkung des Landeszuschusses zur Finanzierung des Flughafens Söllingen verwies der Republikaner auf die schriftliche Begründung, plädierte darüber hinaus aber dafür, nicht ständig Untersuchungen, Planungen, Diskussionen und Symposien zum selben Thema durchzuführen, sondern statt dessen der Umsetzung des Generalverkehrsplanes Priorität einzuräumen. Das Begehren scheiterte bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung1464, den Antrag auf Erhöhung der Mittel für Güterumschlagsanlagen lehnte der Ausschuß bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung ab1465. Ohne Enthaltung abschlägig beschieden wurde der Vorstoß für eine Aufstockung der Mittel für die Planung der Bahnstrecke Wendlingen-Ulm, die der Republikaner im Ausschuß nochmals mit Bürgerprotesten gegen die derzeit geplante Trassenführung begründet hatte1466. Im Staatshaushalt des Ministeriums für Familie, Frauen, Weiterbildung wollten die Republikaner Umschichtungen zu Lasten der Zuschüsse für kulturelle Zwecke und zugunsten der Familienförderung durchsetzen. Unter Hinweis auf die Notwendigkeit des Sparens forderten sie die vollständige Streichung der Förderung von Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren von jeweils 3,278 Millionen Mark sowie der Förderung zeitgenössischer Künstler1467. Sinken sollte auch die Förderung von Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen, unter anderem da „eine Erfolgskontrolle der Mittel angesichts der hohen Scheidungszahlen eher negativ“ ausfalle. Erhöhen wollte die Fraktion das Landeserziehungsgeld, dessen Deckung durch „entsprechende Einsparungen im Einzelplan 3, Kapitel 0331 - Flüchtlingsaufnahme, erbracht“ werden sollte1468.

1462 vgl. Drs. 11/5352-5, -6. 1463 vgl. Drs. 11/5213, S. 6. 1464 vgl. Drs. 11/5213, S. 7. 1465 vgl. Drs. 11/5213, S: 9. 1466 vgl. Drs. 11/5213. S. 10. 1467 vgl. Drs. 11/5216-14, -16. 1468 Drs. 11/5216-3, -2. 5 Darstellung der Ergebnisse 239

Für ihren Vorstoß, die Zuschüsse für Familienferienstätten zu erhöhen1469, um vor allem ärmeren Bevölkerungsgruppen Urlaub zu ermöglichen, sprach der politische Gegner den Republikanern im Ausschuß ausdrücklich seine Anerkennung aus. Der Abgeordnete der Grünen meinte, die Republikaner hätten ein Problem richtig erkannt. Auch der Abgeordnete der CDU erachtete den Standpunkt der Republikaner nicht als falsch. Nach dem Hinweis, daß die Zuschüsse für Familienferienstätten bereits im Haushalt zuvor erhöht worden seien, lehnte der Ausschuß den Antrag jedoch bei einer Gegenstimme ab1470. Am 29. Juni 1994 und am 7. Februar 1995 beriet der Ständige Ausschuß die zehn Gesetzentwürfe der Republikaner zur Änderung der Verfassung des Landes Baden- Württemberg. Zum Gesetzentwurf hinsichtlich der Bewahrung der geistig-kulturellen Tradition des Abendlandes und der natürlichen Lebensgrundlagen sowie des Bekenntnisses zum Recht auf Heimat bemerkte der Vertreter der Republikaner im Ausschuß, seine Fraktion wolle mit dem Vorstoß „zunächst die geistig-kulturelle Tradition des Abendlandes als Grundlage der Verfassung besonders betonen“. Ein Abgeordneter der SPD kritisierte darauf hin, der Antrag wolle die Verantwortung vor der geistig-kulturellen Tradition des Abendlandes einführen und verkenne, daß das Abendland aus dem Zusammenfließen verschiedenster religiöser und kultureller Elemente hervorgegangen sei und insoweit gar keinen Gegensatz zu der von den Republikanern abgelehnten multikulturellen Gesellschaft darstelle1471. Ohne nähere Debatte beschloß der Ausschuß bei jeweils einer Gegenstimme und ohne Enthaltungen, dem Plenum zu empfehlen, den Antrag abzulehnen. Dasselbe geschah auf die gleiche Weise mit den übrigen Vorstößen zur Änderung der Verfassung1472. Bei zwei Gegenstimmen scheiterte der Gesetzentwurf, der Opposition ein Vorschlagsrecht für die Wahl des Landtagspräsidenten oder eines Stellvertreters einzuräumen. Zuvor hatte die FDP einen ähnlichen Antrag eingebracht. Der Vorstoß, die Rücknahme einzelner Regelungen der Gemeindereform bei Zwei-Drittel-Mehrheit der Wahlberechtigten zu ermöglichen, verfiel ohne Debatte bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen der Ablehnung1473. Den Gesetzantrag zur Änderung des Schulgesetzes und zur Änderung des Landespersonalgesetzes lehnte der Ausschuß für Schule, Jugend und Sport gegen das Votum des Vertreters der Republikaner ab, nachdem die Kultusministerin angeregt hatte, zunächst das Gutachten des Unternehmens Kienbaum zur Optimierung der Schulverwaltung abzuwarten, bevor

1469 vgl. Drs. 11/5216, S. 22. 1470 vgl. Drs. 11/5216, S. 22. 1471 Drs. 11/5402. S. 7. 1472 vgl. Drs. 11/5402, 9-22. 1473 vgl. Drs. 11/5402, S. 14, S. 22. 5 Darstellung der Ergebnisse 240

Entscheidungen getroffen würden. Der Vertreter der Republikaner hatte zuvor beklagt, die Landtagsfraktionen, die mit Ausnahme der CDU die Auffassung teilten, daß eine Reform der Schulverwaltung erforderlich sei, hätten sich „wohl deshalb gegen den Gesetzentwurf Drucksache 11/5086 ausgesprochen, weil er von den Republikanern stamme“1474. Bei der Beratung des bereits modifizierten Gesetzentwurfes zur Änderung des Landtagswahlgesetzes bescheinigte der Vertreter der FDP den Republikanern, sie hätten das Problem, daß das d´Hondtsche System Verzerrungen mit sich bringe, zwar richtig erkannt. Die vorgeschlagene Lösung nach dem Grundsatz, daß innerhalb der Regierungsbezirke bei der Zuordnung des letzten Sitzes bei gleicher Höchstzahl der Stimmen nicht automatisch dieser Sitz der Fraktion zufalle, die die meisten Sitze innerhalb des Regierungsbezirkes errungen habe, sondern das Los entscheiden solle, überzeuge allerdings nicht1475. Bei zwei Enthaltungen lehnte das Gremium den Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrages Nr. 2 schließlich mit elf zu einer Stimme ab1476. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Republikaner während der elften Legislaturperiode keinen ihrer Anträge in den Ausschüssen durchsetzten. Indes war im Laufe der Zeit zu beobachten, daß die Vertreter der Fraktion, die in den Gremien zunächst meist nur auf die schriftliche Begründung verwiesen hatten, anstatt die Anträge mündlich zu untermauern, zunehmend selbstbewußter auftraten und argumentierten. Wurden die Vorstöße der Fraktion zu Beginn in der Regel ohne ausführliche Debatte abgelehnt, so gingen die Vertreter der anderen Fraktionen in den Ausschüssen zunehmend auf die Vorlagen der Republikaner ein. Mitunter äußerten sie sich auch anerkennend über deren Inhalt.

5.6.2 Zwölfte Legislaturperiode

Nachdem die Abgeordneten Bernhard Amann, Willi Auer, Rudolf Bühler, Richard Eckert, Liane Offermanns, Max Reimann, Karl-August Schaal sowie Horst Trageiser aus dem Landtag ausgeschieden waren, während Alfred Dagenbach, Egon Eigenthaler, Eduard Hauser, Josef Huchler, Christian Käs und Alexander Schonath zur Fraktion gestoßen waren, verteilten sich die Abgeordneten der Republikaner auf die Ausschüsse wie folgt:

1474 vgl .Drs. 11/5645, S. 2. 1475 vgl. Drs. 11/6835, S. 2. 1476 vgl. Drs. 11/6835. S. 4. 5 Darstellung der Ergebnisse 241

Tabelle 5.6.2 Verteilung der Republikaner auf die Ausschüsse in der zwölften Legislaturperiode1477

Ausschuß Vertreter der Republikaner Finanzausschuß Josef Huchler, Klaus Rapp (Stellvertreter: Ulrich Deuschle, Eduard Hauser, Michael Herbricht, Lothar König, Rolf Schlierer) Innenausschuß Christian Käs, Rolf Wilhelm (Stellvertreter: Alfred Dagenbach, Josef Huchler, Lothar König, Wolfram Krisch, Rolf Schlierer, Heinz Troll) Ausschuß für Ländlichen Raum und Alfred Dagenbach, Egon Eigenthaler Landwirtschaft (Stellvertreter: Eduard Hauser, Michael Herbricht, Josef Huchler, Lothar König, Rolf Schlierer, Alexander Schonath) Petitionsausschuß Heinz Troll, Rolf Wilhelm (Stellvertreter: Egon Eigenthaler, Josef Huchler, Christian Käs, Lothar König, Alexander Schonath) Ausschuß für Schule, Jugend und Alfred Dagenbach, Lothar König (Stellvertreter: Sport Ulrich Deuschle, Egon Eigenthaler, Rolf Schlierer, Alexander Schonath, Heinz Troll, Rolf Wilhelm) Sozialausschuß Michael Herbricht, Wolfram Krisch (Stellvertreter: Egon Eigenthaler, Christian Käs, Rolf Schlierer, Alexander Schonath, Heinz Troll, Rolf Wilhelm) Ständiger Ausschuß Christian Käs, Rolf Schlierer (Stellvertreter: Alfred Dagenbach, Lothar König, Wolfram Krisch, Klaus Rapp, Heinz Troll, Rolf Wilhelm) Ausschuß für Umwelt und Verkehr Egon Eigenthaler, Wolfram Krisch (Stellvertreter: Alfred Dagenbach, Ulrich Deuschle, Eduard Hauser, Josef Huchler, Rolf Schlierer, Alexander Schonath) Wahlprüfungsausschuß Lothar König (beratend) Wirtschaftsausschuß Ulrich Deuschle, Alexander Schonath (Stellvertreter: Alfred Dagenbach, Egon Eigenthaler, Eduard Hauser, Michael Herbricht, Klaus Rapp, Rolf Schlierer) Ausschuß für Wissenschaft, Ulrich Deuschle, Lothar König (Stellvertreter: Forschung und Kunst Michael Herbricht, Christian Käs, Wolfram Krisch, Klaus Rapp, Rolf Schlierer, Alexander Schonath) Notparlament Christian Käs, Rolf Schlierer (Stellvertreter: Ulrich Deuschle, Klaus Rapp) Fortsetzung ...

1477 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 12, 1996/2001, Rheinbreitbach 1996, S. 89-103. 5 Darstellung der Ergebnisse 242

Tabelle 5.6.2 Verteilung der Republikaner auf die Ausschüsse in der zwölften Legislaturperiode1478 sonstige Gremien Vertreter der Republikaner Enquête-Kommission „Rundfunk- Rolf Schlierer (Stellvertreter: Ulrich Deuschle) Neuordnung“ Landesausschuß für Information Wolfram Krisch (beratend) Gemeinsame Arbeitsgruppe Eduard Hauser (Stellvertreter: Klaus Rapp) Regionalrat Elsaß und Landtag von Baden-Württemberg

Im Präsidium des Landtags vertraten die Republikaner Ulrich Deuschle und Rolf Schlierer sowie als deren Stellvertreter Christian Käs und Klaus Rapp. Auch in der zwölften Legislaturperiode setzten die Republikaner in den Ausschüssen keinen ihrer Anträge durch. So beschloß der Innenausschuß im Juli 1996 nach ausführlicher Debatte einstimmig bei zwei Gegenstimmen, dem Landtag zu empfehlen, dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Polizeigesetzes und der Einführung sogenannter verdachts- und ereignisunabhängiger Personenkontrollen zuzustimmen; ein entsprechender Vorstoß der Republikaner verfiel dagegen bei ebenfalls zwei Gegenstimmen der Ablehnung1479. Für den Gesetzentwurf der Republikaner hatte einer ihrer beiden Vertreter im Innenausschuß unter anderem mit dem Argument geworben, seiner Fraktion gehe es, im Gegensatz zu dem von der Landesregierung vorgelegten Entwurf, der auf die organisierte Kriminalität ziele, im wesentlichen um die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Die Änderungsanträge der Fraktion zum Staatshaushaltsplan für das Jahr 1997 sowie die Beratungen zum Zweiten Nachtragshaushalt 1996 waren wiederum von Kürzungsvorschlägen geprägt. In den Beratungen zum Haushaltsetat des Ministeriums für Umwelt und Verkehr 1997 forderten die Republikaner zum Beispiel eine Rücknahme der vorgesehenen Zuschüsse an öffentliche Unternehmen auf 850 von 947 Millionen Mark und damit eine entsprechende Reduktion der geplanten Erhöhung um rund 150 Millionen Mark. Der öffentliche Personennahverkehr habe mittlerweile sowohl technisch als auch in anderer Hinsicht einen Standard erreicht, der eine Förderung des Landes in der vorgesehenen Höhe nicht rechtfertige, begründete die Fraktion ihren Antrag. Außerdem sollten sich die öffentlichen Unternehmen in ihren Bemühungen um eine kostendeckende Abwicklung bemühen1480. Im Finanzausschuß

1478 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 12, 1996/2001, Rheinbreitbach 1996, S. 89-103. 1479 vgl. Drs. 12/117, S. 2-8. 1480 vgl. Drs. 12/910-16. 5 Darstellung der Ergebnisse 243 führte einer der beiden Vertreter der Republikaner aus, seine Fraktion sei der Auffassung, daß sowohl bei der Planung als auch bei der Vergabe von Maßnahmen zur Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs durch Ausnutzung des Wettbewerbs Einsparungen erzielbar sein müßten. Zudem sei es wichtiger, den gegenwärtigen Standard zu erhalten, als neue Investitionen in Angriff zu nehmen. Die Erhaltung des Standards sei aber durch die Kürzung der Zuschüsse des Landes für die Kostenerstattung bei der Schülerbeförderung um 100 Millionen Mark gefährdet. Der Antrag sehe deshalb Einsparungen vor, mit denen es ermöglicht werde, die Kürzung der Zuschüsse für die Schülerbeförderung rückgängig zu machen. Daraufhin entgegnete ein CDU-Abgeordneter, die Erhöhung des Haushaltsansatzes erfolge aus Regionalisierungsmitteln des Bundes, auf die das Land verzichten müßte, würde der Ansatz gekürzt. Der Antrag der Republikaner wurde gegen zwei Stimmen mit allen übrigen Stimmen abgelehnt1481. Ohne Diskussion scheiterte die von den Republikanern begehrte Aufstockung des Haushaltsansatzes für Baumaßnahmen an Landesstraßen auf 140 von 127 Millionen Mark1482. Abschlägig beschieden wurde ebenso die Initiative, die Zuweisungen an Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreise zur Sanierung von Altablagerungen zu erhöhen. Häufig unterblieben notwendige Sanierungen, da der kommunale Eigenanteil an der Finanzierung nicht aufgebracht werden könne, hatte ein Vertreter der Republikaner im Ausschuß zu bedenken gegeben. Der Minister für Verkehr und Umwelt hatte erklärt, gegenwärtig bestehe über den bereits veranschlagten Haushaltsansatz hinaus kein Bedarf an Mitteln. Auf Nachfrage des Abgeordneten der Republikaner fügte er indes hinzu, die Altlasten in Baden-Württemberg würden noch erhoben. Inzwischen seien sie zu rund 70 Prozent erfaßt1483. Bei den Beratungen des Zweiten Nachtrags zum Staatshaushaltsplan 1996 brachten die Republikaner in neun Initiativen per Saldo Vorschläge für Kürzungen von rund 80 Millionen Mark ein1484. Die Erstattung von Sozialhilfe und Leistungen an Asylbewerber sollte demnach um 55 auf 230 Millionen Mark sinken, die Erstattung von Unterbringungskosten für Bürgerkriegsflüchtlinge an Stadt- und Landkreise um 15 auf 65 Millionen Mark. Insgesamt rund zwei Millionen Mark weniger wollten die Republikaner für Zuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände für die Arbeitsförderung und Berufsbildung ausländischer Arbeitnehmer veranschlagen. Um 900.000 Mark steigen sollte dagegen die Erstattung von

1481 vgl. Drs. 12/910, S. 11. 1482 vgl. Drs. 12/910, S. 14, vgl. auch Drs. 12/910-17. 1483 vgl. Drs. 12/910, S. 17. 1484 vgl. den Bericht des Finanzministers in Drs. 12/498, S. 8. 5 Darstellung der Ergebnisse 244

Aufwendungen für die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten durch den Bund. Opferschutz sei Aufgabe des Staates. Steigende Kriminalität erfordere mehr Hilfe durch den Staat. Aufgrund mangelhaften Erfolgsnachweises abnehmen sollten dagegen die Ansätze für Zuschüsse an Vereinigungen, die auf dem Gebiet der Gefährdetenhilfe tätig waren, für die Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen auf dem Gebiet der Jugendhilfe sowie für Zuschüsse an Vereinigungen für Suchtkrankenhilfe1485. Es gebe keine Beweise, daß die Arbeit der geförderten Organisationen zu einer Reduzierung des Drogenmißbrauchs führe1486: „Von fehlender erfolgsorientierter (Reduzierung der Suchtabhängigen) Arbeit ist auszugehen.“1487 Zudem begehrte die Fraktion eine Senkung der Förderung von Informations-, Anlauf- und Vermittlungsstellen sowie von Verbandskoordinatoren in der Altenhilfe wegen eines fehlenden Kostenbewußtseins aufgrund übertriebener und zu teurer Öffentlichkeitsarbeit1488. Anstelle einer Erläuterung der Anträge auf Kürzung der für Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge und ausländische Arbeitnehmer vorgesehenen Mittel verwies einer der beiden Vertreter der Republikaner im Finanzausschuß auf die schriftliche Begründung der Vorlagen, in der die Fraktion mit der rückläufigen Zahl der Asylbewerber, mit der anhaltenden freiwilligen Rückkehr von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Bosnien sowie mit der Gleichstellung ausländischer und inländischer Arbeitnehmer argumentierte. Zur Erstattung von Sozialhilfe und Leistungen an Asylbewerber führte ein Ministerialdirektor aus dem Innenministerium im Finanzausschuß aus, der Ansatz des entsprechenden Titels sei bereits von 1995 auf 1996 um 100 Millionen Mark reduziert und damit der zurückgehenden Zahl von Asylbewerbern angepaßt worden. Das Innenministerium befürchte, daß der für 1996 veranschlagte Betrag nicht ganz ausreiche, so daß es gegen Ende des Jahres die überplanmäßige Bewilligung von Mitteln beantragen müsse, da sich der Rückgang der Zahl der nach Baden-Württemberg kommenden Asylbewerber nicht sofort auf die Zahl der im Land lebenden Asylbewerber auswirke. Die Anträge auf Kürzung der für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge vorgesehenen Mittel wurden mit 18 zu zwei Stimmen abgelehnt, ebenso der Vorstoß zur Kürzung der Arbeitsförderung und Berufsbildung ausländischer Arbeitnehmer sowie der Antrag auf Aufstockung der Mittel für den Opferschutz, die im Ausschuß ohne Diskussion scheiterten1489. Ohne Diskussion und auch ohne Erläuterung der

1485 vgl. Drs. 12/498-N 15-23. 1486 vgl. Drs. 12/498-N 23. 1487 Drs. 12/498-N 20. 1488 vgl. Drs. 12/498-N-22. 1489 vgl. Drs. 12/498, S. 15, 34 ff. 5 Darstellung der Ergebnisse 245

Republikaner abgelehnt wurden ebenfalls die Anträge auf Senkung der Ansätze für Vereinigungen der Suchtkrankenhilfe, der Gefährdetenhilfe, der Jugendhilfe sowie der Förderung von Anlauf- und Vermittlungsstellen der Altenhilfe1490. Zur schriftlichen Begründung des Antrags, wonach keine Beweise existierten, daß die Arbeit der geförderten Organisationen der Suchtkrankenhilfe zu einer Reduzierung des Drogenmißbrauchs führe, merkte indes ein Abgeordneter der Grünen an, die Formulierung stelle eine „schlichte Unverschämtheit“ gegenüber der schwierigen Arbeit derer dar, die in solchen Einrichtungen arbeiteten1491. Während vor allem in den Haushaltsänderungsanträgen zum Etat des Sozialministeriums Kürzungsvorschläge überwogen, wehrte sich die Fraktion gegen eine Reduktion der für die baden-württembergische Agrarwirtschaft beantragten Mittel. So erklärte ein Vertreter der Republikaner zu einer von der SPD beantragten Kürzung der Zuschüsse an die Landwirtschaft, seiner Meinung nach sei ein großer Teil der Anträge zum Etat des Ministeriums Ländlicher Raum mehr ideologisch geprägt als an einer sachlichen Politik orientiert und solle der reinen Gewinnung von Haushaltsmitteln dienen1492. In den Beratungen zum Staatshaushaltsplan 1997 galt das Augenmerk der Fraktion vor allem der Ausstattung des Staatsministeriums: Von den insgesamt 28 Etatvorstößen, die der Finanzausschuß zur Beratung des Etats des Staatsministeriums erhielt, stammten 25 von den Republikanern, und sämtliche Vorstöße sahen Ausgabenkürzungen vor. Moderate Rücknahmen forderte die Fraktion bei den Ansätzen für die Vergütungen von Angestellten im Staatsministerium, bei den Posten für Geschäftsbedarf, für Dienst- und Schutzkleidung der im Staatsministerium Bediensteten und für Dienstreisen, bei dem Posten zur Verfügung des Ministerpräsidenten für Aufwand aus dienstlicher Veranlassung in besonderen Fällen und bei den Etatansätzen für den Erwerb von Maschinen, Geräten, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenständen sowie für Maschinen- und Gerätemieten1493. Komplett streichen wollte die Fraktion die Mittel für sonstige Beschäftigungsentgelte. Im Staatsministerium, in den übrigen Ministerien sowie in der nachgeordneten Landesverwaltung stehe genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung, lautete die Begründung1494. Kürzungen forderten die Republikaner überdies in der Aus- und Fortbildung, bei den Dienstleistungen Dritter, dem sonstigen Sachaufwand, den Allgemeinen Bewilligungen zur Erfüllung von

1490 vgl. Drs. 12/498, S. 34 f. 1491 Drs. 12/498, S. 35. 1492 vgl. Drs. 12/498, S. 21. 1493 vgl. Drs. 12/902-3-9. 1494 vgl. Drs. 12/902-10. 5 Darstellung der Ergebnisse 246

Repräsentationspflichten der Landesregierung sowie bei den Zuschüssen zur institutionellen Förderung von Einrichtungen für politische Bildung sowie der Theodor-Heuss-Stiftung zur Förderung der politischen Bildung und Kultur. Zehn weitere Kürzungsbegehren galten den Haushaltstiteln der Vertretung des Landes beim Bund, des Informationsbüros Baden- Württemberg sowie der Beobachter der Länder bei der Europäischen Union. Vollständig entfallen sollte wiederum der für die Landeszentrale für politische Bildung vorgesehene Betrag von rund neun Millionen Mark1495. Begründet wurden die Anträge zum einen mit allgemeinem Sparzwang zum Ausgleich von Steuermindereinnahmen. Zum anderen sollten eingesparte Beträge in den Polizeietat des Innenministeriums zur Verbrechensbekämpfung umgeschichtet werden1496. Über die schriftlichen Begründungen hinausgehende Erläuterungen der Anträge gaben die Republikaner im Finanzausschuß nicht. Die Initiativen wurden ohne Diskussion, zum Teil en bloc, mit jeweils 19 Stimmen gegen die Voten der beiden Republikaner im Gremium abgelehnt1497. Bei den Beratungen zum Etat des Innenministeriums 1997 gingen 18 von 37 Initiativen auf die Republikaner zurück. In ihrer Mehrheit sahen auch sie Mittelreduzierungen vor. Kürzungen in der Flüchtlingsaufnahme begehrten die Republikaner bei den Etatposten für Maschinen und Geräte, für Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenstände, für Mieten und Pachten von Grundstücken, Gebäuden und Räumen, im Verpflegungswesen, bei der Erstattung von Unterbringungskosten für Bürgerkriegsflüchtlinge an Stadt- und Landkreise sowie für Leistungen während des Aufenthalts. Vollständig entfallen sollten die Etatansätze für den Sold und sonstige Aufwendungen für in der Flüchtlingsaufnahme beschäftigte Zivildienstleistende, für die Erstattung von Kosten der sozialen Beratung und Betreuung bei staatlicher Unterbringung sowie für Kosten von Veröffentlichungen und der Dokumentation im Zusammenhang mit der Flüchtlingsaufnahme1498. Zugleich wandten sich die Republikaner gegen eine Kürzung der Zuweisungen für Feuer- und Katastrophenschutz an die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie des Zuschusses für die Vertriebenenarbeit des Hauses der Heimat. Steigen sollte währenddessen der Ansatz für die Beschaffung von Dienstfahrzeugen der Landespolizei. Von 1,6 auf 1,4 Millionen Mark sinken sollte wiederum der Betrag für Zwecke des Verfassungsschutzes. Den Etat des Landesamtes für Verfassungsschutz wollte die Fraktion auf eine von 29 Millionen Mark herabsetzen. Zugleich sollten die vermischten

1495 vgl. Drs. 12/902-11-27. 1496 vgl. Drs. 12/902-3-27. 1497 vgl. Drs. 12/902, S. 9 f. 1498 vgl. Drs. 12/903-11-27. 5 Darstellung der Ergebnisse 247

Einnahmen des Landesamtes durch Erhebung einer Gebühr von fünf Mark pro Verfassungsschutzbericht auf 60.000 von 10.000 Mark steigen1499. „Die Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz sollen zukünftig zentral vom Bundesamt für Verfassungsschutz übernommen werden“, hieß es in der schriftlichen Begründung, „der verbleibende Restetat dient zur Abwicklung bis zur Auflösung“1500. Die Änderungsanträge zu den für die Flüchtlingsaufnahme reservierten Haushaltstiteln begründete die Fraktion unterdessen mit der abnehmenden Zuwanderung und der rückläufigen Anzahl der Asylbewerber. Für die Erhöhung der Mittel für Polizeifahrzeuge führten die Republikaner zudem die Überalterung der damals genutzten Fahrzeuge ins Feld. Die Anträge zum Landesamt für Verfassungsschutz wurden schließlich mit dem Ende der Konfrontation der Blöcke in Ost und West begründet, das die Bedrohung der Freiheit habe sinken lassen1501. Im Finanzausschuß scheiterten sämtliche Initiativen der Republikaner, meist gegen sämtliche Voten der anderen Fraktionen1502. Diskussionen gingen diesen Beschlüssen nicht voraus. Eine Ausnahme bildete der Antrag auf Erhöhung der Mittel für Polizeifahrzeuge, zu dem Innenminister Thomas Schäuble mitteilte, nach Ermittlungen des Innenministeriums müßten „an sich 1.300 Fahrzeuge ausgemustert werden“1503, und zu dem sich auch die Vertreter anderer Parteien äußerten. In der Regel führten die Republikaner die Anträge nicht näher aus, auch beteiligten sie sich nicht an Diskussionen, die sich an Initiativen von Parlamentariern anderer Parteien entzündeten1504. In den Beratungen des Etats des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport begehrte die Fraktion eine Erhöhung der Mittel der Oberschulämter für besondere Zwecke aus anderen Kapiteln des Staatshaushaltsplanes auf 76,2 von 63,2 Millionen Mark sowie eine Aufstockung der Etats für Sportförderung sowie für die Förderung der Musikschulen. Sinken sollten die Posten für Informationstechnik in den Staatlichen Schulämtern, zur Pflege der internationalen Kulturbeziehungen und für das Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Stuttgart, ferner die Zuschüsse zur Förderung von Jugenderholungsmaßnahmen, die Zuschüsse an Jugendverbände wegen der Kosten von Bildungsreferenten sowie die Förderung von Jugendbildungsmaßnahmen. Komplett streichen wollten die Republikaner die schulische Förderung der Kinder ausländischer Arbeitnehmer und die Zuschüsse an den „Ring

1499 vgl. Drs. 12/903-13-15. 1500 Drs. 12/903-15. 1501 vgl. Drs. 12/903-12, 13-15, 18-27. 1502 vgl. Drs. 12/903, S. 13, 21, 25, 26, 28, 29. 1503 Drs. 12/903, S. 21. 1504 vgl. stellvertretend Drs. 12/903, S. 16 f. 5 Darstellung der Ergebnisse 248

Politischer Jugend“1505. Die Kürzungsanträge in der Jugendhilfe begründete die Fraktion mit zu hohen Personalkosten der Betreuer1506, aber auch mit der nicht näher begründeten Aussage, eine Kürzung der Zuschüsse um rund zehn Prozent führe im Vergleich zu anderen Bereichen zu keiner Verschlechterung gegenüber 19961507. Zum „Ring Politischer Jugend“ hieß es wiederum, die Bezuschussung bedeute eine indirekte Parteienfinanzierung durch das Land, da in der Organisation ausschließlich Jugendorganisationen politischer Parteien vertreten seien1508. Im Finanzausschuß nutzte einer der beiden Vertreter der Republikaner die Begründung eines Vorstoßes der Fraktion Die Grünen zur Neustrukturierung der Schulverwaltung für den Hinweis, zwei Anträge seiner Fraktion zielten auf denselben Zweck ab. Auch die Republikaner hielten eine Umwandlung der dreigliedrigen Schulverwaltung in eine zweigliedrige Verwaltung für erforderlich, allerdings auf eine andere Weise, und zwar durch Abschaffung der Staatlichen Schulämter. Die Republikaner rechneten mit Einsparungen von rund 3,5 Millionen Mark, die als Deckung für Erhöhungsanträge an anderen Stellen des Einzelplans 04 dienen sollten. Auf die Frage des Ausschußvorsitzenden bestätigte er, daß er die Begründung der Anträge 04/40 und 04/31 mit diesen Ausführungen bereits vorweggenommen habe. An der sich anschließenden regen Diskussion über die Schulverwaltung beteiligte er sich nicht1509. In ihren übrigen Redebeiträgen im Ausschuß setzten sich die Republikaner indes für eine frühzeitige Steuerung der Zahl der künftigen Lehrer ein und wandten sich gegen die Kürzung der Zuschüsse für Unterkunft und Verpflegung von Berufsschülern beim Besuch von Landes, Landesbezirks- und Bezirksfachklassen1510. Ihren Antrag auf Kürzung der Förderung des muttersprachlichen Unterrichts begründeten die Republikaner mit dem Argument, es handele sich um eine der freiwilligen Leistungen des Landes, bei denen in Zeiten, in denen gespart werden müsse, zuerst anzusetzen sei. Nachdem Bildungsministerin Annette Schavan im Ausschuß darauf hingewiesen hatte, gemäß einer EU-Richtlinie handele es sich um eine Pflichtaufgabe des Landes, lehnte das Gremium den Antrag gegen die beiden Stimmen der Vertreter der Republikaner ab1511. Zu dem Antrag auf

1505 vgl. Drs. 12/904-30-40. 1506 vgl. Drs. 12/904-36-37. 1507 vgl. Drs. 12/904-39. 1508 vgl. Drs. 12/904-38. 1509 vgl. Drs. 12/904, S. 13-17. 1510 vgl. Drs. 12/904, S. 23, 25. 1511 vgl. Drs. 12/904, S. 28. 5 Darstellung der Ergebnisse 249 eine Erhöhung der Mittel für Musikschulen erklärte einer der Vertreter der Republikaner, ihm sei unverständlich, daß die Mittel für Jugendfreizeitmaßnahmen aufgestockt und gleichzeitig die Mittel für Jugendmusikschulen gekürzt werden sollten. Das Erlernen eines Musikinstrumentes bringe Kindern langfristig mehr als eine einmalige Freizeitmaßnahme. Jugendarbeit müsse vorrangig mit einer langfristigen Perspektive betrieben werden. Der Antrag verfiel wie die übrigen der Fraktion, auf deren Begründung nicht ausführlich eingegangen wurde, bei den zwei Ja-Stimmen der Republikaner der Ablehnung1512. Bei Beratung des Etats des Justizministeriums gingen neun von insgesamt 18 Anträgen auf die Republikaner zurück. Die Einrichtung neuer Haushaltsposten forderten die Republikaner dabei für die Beweis- und Dokumentationsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter zur Erfassung der Menschenrechtsverletzungen an der innerdeutschen Grenze und für eine zu errichtende Stiftung für Opferschutz, die vor allem mittellosen Opfern bei der Verfolgung ihrer Ansprüche als Nebenkläger helfen sollte. Weniger Geld wollten die Republikaner dagegen für Zuweisungen des Landes an die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen sowie für die Vergütung der dort Angestellten bereitstellen, für Dienstleistungen Dritter für den Justizapparat, für die Erstattung von Kosten für die Unterbringung von Gefangenen in Justizvollzugsanstalten anderer Länder, für Taschengelder von Gefangenen, für die ärztliche Behandlung und Unterbringung von Häftlingen in Krankenanstalten sowie für den Förderverein Strafvollzugsmuseum Ludwigsburg. Vollständig entfallen sollten die Posten für die Erstattung von in Justizvollzugsanstalten anfallenden Personalkosten der Kirchenverwaltung. Als Grund gaben die Republikaner in ihrer schriftlichen Erläuterung meist die Haushaltssituation der vergangen Jahre an1513. In ihrer Mehrheit wurden die Begehren im Ausschuß ohne nähere Diskussion abgelehnt1514. Zum Antrag auf Einrichtung einer Stiftung für Opferschutz erklärte ein Vertreter der Republikaner im Finanzausschuß, die momentanen Regelungen im Opferentschädigungsgesetz reichten in der Praxis nicht aus. Zudem verwies er auf einen Gesetzentwurf ähnlichen Inhalts, den Bayern im Bundesrat eingebracht habe. Ein CDU- Abgeordneter entgegnete daraufhin, solange der im Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf nicht beschlossen sei, sei der Antrag der Republikaner nicht haushaltsreif und daher abzulehnen, worauf der Vorstoß gegen zwei Stimmen bei zwei Enthaltungen verfiel1515.

1512 vgl. Drs. 12/904, S. 26-34. 1513 vgl. Drs. 12/905-6-15. 1514 vgl. Drs. 12/905, S. 4-14. 1515 vgl. Drs. 12/905, S. 4 f. 5 Darstellung der Ergebnisse 250

Zum Etat des Wirtschaftsministeriums verfaßten die Republikaner neun von insgesamt 52 Änderungsanträgen. Darin forderten sie eine Kürzung der vorgesehenen Ausgaben für Postgebühren im Ministerium auf 140.000 von 180.000 Mark. Aufheben wollte die Fraktion die Kürzung des Postens für Zuschüsse für Zwecke der Verbraucheraufklärung, der nach wie vor 4,1 Millionen und nicht drei Millionen Mark betragen sollte. Die Zuschüsse im Rahmen europäischer Aktivitäten sollten um rund die Hälfte auf 110 Millionen Mark sinken, gleichfalls um rund 50 Prozent zurückgehen sollten die Mittel für die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Um 200 Prozent auf sechs Millionen Mark zunehmen sollte dagegen der Haushaltstitel für Zuschüsse an gewerbliche Unternehmen. Indirekte Förderungsmaßnahmen hätten besondere positive Auswirkungen auf künftige Produktion und auch auf den Arbeitsmarkt. Entfallen sollten die Zinszuschüsse für Maßnahmen zur rationellen Energieverwendung und zur Nutzung erneuerbarer Energien ebenso wie die Finanzierung von Dienstreisen in Entwicklungsländer und der entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit1516. Aus der Entwicklungshilfe sei mittelfristig ein Ausstieg anzustreben, da es sich um eine originäre Bundesaufgabe handele. Ihren Vorstoß zur Senkung der Postgebühren im Wirtschaftsministerium zogen die Republikaner im Finanzausschuß zurück, nachdem Wirtschaftsminister Walter Döring auf das Ist-Ergebnis von 175.000 Mark im Jahr 1995 verwiesen und festgestellt hatte, daß vom Ansatz für 1997 noch die globale Minderausgabe abgehe, so daß danach nur noch 144.000 Mark zur Verfügung stünden und eine weitere Kürzung daher nicht möglich sei1517. In der Erläuterung der übrigen Anträge variierten die Republikaner im Ausschuß die schriftliche Begründung der Vorlagen oder verwiesen entsprechend. An Diskussionen beteiligten sie sich nicht, selbst wenn sie Vorstöße der Fraktion betrafen, die zusammen mit ähnlichen Initiativen aus anderen Fraktion beraten wurden1518. Inhaltliche Einlassungen zu Vorstößen anderer Fraktionen waren ebenfalls selten. Sofern sich die beiden Vertreter der Republikaner äußerten, sprachen sie sich gegen Werbe- und Aufklärungskampagnen des Landes für die Einführung einer europäischen Einheitswährung, gegen Existenzgründungsprogramme nur für Frauen und für eine Beschränkung des Landesgewerbeamtes auf dessen originäre Aufgaben aus1519. Sämtliche Anträge der Republikaner zum Etat des Wirtschaftsministeriums wurden abgelehnt1520.

1516 vgl. Drs. 12/907-2-10. 1517 vgl. Drs. 12/907, S. 6. 1518 vgl. Drs. 12/907, S. 15-18. 1519 vgl. Drs. 12/907, S. 8, 13, 23. 1520 vgl. Drs. 12/907, S. 10-27. 5 Darstellung der Ergebnisse 251

Sieben von insgesamt 30 Anträgen brachten die Republikaner zum Etat des Ministeriums Ländlicher Raum ein. Die Anträge sahen eine Erhöhung der Ausgaben für soziale Maßnahmen auf dem Lande sowie für die Dorfhelferinnenschule Sölden vor, zudem eine Heraufsetzung der Zuschüsse zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse, an landwirtschaftliche Unternehmer in Berggebieten und bestimmten anderen benachteiligten Gebieten sowie eine Erhöhung der Einnahmen aus der Verwertung von Holz. Abwenden wollte die Fraktion die Kürzung der Zuschüsse für laufende Zwecke an private Unternehmen. Zurückgehen sollten dagegen die Etatposten für Dienstleistungen Dritter bei der Flurneuordnung und Landesentwicklung1521. Bei Begründung der Anträge im Finanzausschuß argumentierten die Republikaner engagierter als im Falle der Eingaben für den Etat des Wirtschaftsministeriums. Zugunsten ihrer Anträge führten sie im Gremium ins Feld, in der derzeitigen Situation der Landwirtschaft dürfe ausgerechnet im sozialen Bereich nicht gespart werden1522. Die Rinderseuche BSE bringe die Landwirtschaft in enorme Schwierigkeiten1523. Es sei nicht richtig, ausgerechnet in dieser Situation die Mittel zu streichen. Es dürfe nicht sein, daß Landwirte, wenn sie durch Umweltkatastrophen oder ähnliches geschädigt würden, im Stich gelassen würden, begründeten sie im Ausschuß ihren Antrag, die geplanten Kürzungen der Zuschüsse für laufende Zwecke an private Unternehmen weitenteils zurückzunehmen. Daher sollten die entsprechenden Ansätze nicht gestrichen, sondern erhöht werden1524. Über alle Einzelpläne zusammengerechnet hätten die Republikaner mit ihren Anträgen „eine Überdeckung ihrer ausgabewirksamen Anträge“ vorgelegt, verteidigten die Vertreter der Republikaner im Ausschuß ihren Antrag auf Erhöhung der Zuschüsse für soziale Maßnahmen auf dem Lande sowie an die Dorfhelferinnenschule Sölden1525. Angenommen wurde keine der Eingaben1526. Mehrheitlich Kürzungen sahen die Eingaben der Republikaner zum Etat des Sozialministeriums 1997 vor. Abnehmen sollten demnach die Ausgaben für überregionale Zusammenarbeit, für Dienstleistungen Dritter, die Zuschüsse an soziale und ähnliche Einrichtungen für Arbeitsförderung und Berufsbildung, die Zuschüsse an die Landesgeschäftsstelle und an das Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma, die Förderung der

1521 vgl. Drs. 12/908-11-17. 1522 vgl. Drs. 12/908, S. 12. 1523 vgl. Drs. 12/908, S. 13. 1524 vgl. Drs. 12/908, S. 13. 1525 Drs. 12/908, S. 13. 1526 vgl. Drs. 12/908, S. 12-24. 5 Darstellung der Ergebnisse 252

Freien Wohlfahrtspflege, die Zuschüsse zu den Personal- und Sachkosten der anerkannten Betreuungsvereine sowie der Sachaufwand für Maßnahmen der Geschäftsstelle Bürgerschaftliches Engagement/Seniorengemeinschaften1527. Sinken sollte zudem die Förderung von Einrichtungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe, da deren Modelle einer „positiven Erfolgskontrolle“ nicht standhalten könnten, wie es in der Begründung hieß1528. Ferner sahen die Republikaner sinkende Haushaltsposten für die Zuschüsse an die Schulen zur Ausbildung für Sozialberufe und für die Förderung der Suchthilfe und Prävention vor. Entfallen sollten die Mittel für soziale Maßnahmen für ausländische Arbeitnehmer und deren Familien, die Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen der Jugendhilfe sowie für Dienstleistungen Dritter und für Maßnahmen der Bekämpfung von Aids. Zunehmen sollten dagegen die Zuschüsse an Gemeinden und Gemeindeverbände für Arbeitsförderung und Berufsbildung sowie die Förderung des Jugendschutzes. Entfallen lassen wollten die Republikaner währenddessen den Posten für den Sachaufwand der Frauenförderung einschließlich der entsprechenden Zuschüsse sowie die Mittel für Frauenforschung. Die Zuschüsse an Vereinigungen der Frauenförderung wollten die Republikaner senken. Steigen sollte wiederum der Ansatz für Zuschüsse zur Förderung von Einrichtungen der Frauenhilfe. Es handele sich um konkrete und gesellschaftspolitisch wichtige Maßnahmen, die bedrängten Frauen direkt und unmittelbar zugute kämen. In der Familienhilfe begehrte die Fraktion eine Absenkung der Posten der Unterhaltsvorschüsse und -Ausfalleistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz, der Zuschüsse an Vereinigungen der Familienpflege, der Förderung von Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen sowie der Zuschüsse zu Personalkosten der Fachkräfte im Sozialwesen. Steigen sollten die Mittel für das Landeserziehungsgeld, die Zuschüsse zur Förderung des Programms „Mutter und Kind“ und die Zuschüsse für betriebliche und betriebsnahe Einrichtungen der Familienhilfe1529. Im Ausschuß wurden sämtliche Anträge abgelehnt1530. In einer der wenigen ausführlichen Begründungen teilte einer der beiden Vertreter der Republikaner mit, bei der Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen auf dem Gebiet der Jugendhilfe handele es sich um Zuschüsse zur Entwicklung und Erprobung neuer Formen in der Jugendhilfe sowie zur Förderung von Modellen und modellhaften Maßnahmen der Jugendhilfe. Die Republikaner wollten die Zuschüsse für diese „Spielereien“ auf Null reduzieren. Wesentlich wichtiger sei der Ausbau operationaler Hilfen, die den gefährdeten Jugendlichen zugute kämen. In der Abwägung der

1527 vgl. Drs. 12/909-20-30. 1528 Drs. 12/909-29. 1529 vgl. Drs. 12/909-30-52. 1530 vgl. Drs. 12/909, S. 2-29. 5 Darstellung der Ergebnisse 253

Bedeutung der Maßnahmen würden die Republikaner die direkte Förderung des Jugendschutzes als wesentlich wichtiger erachten1531. Darüber hinaus erläuterten die Vertreter der Republikaner ihre Anträge im Finanzausschuß nur kurz und meist nur, wenn Vertreter anderer Fraktionen sie auf die Initiativen ansprachen. So erkundigte sich ein Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, wieso sich nach Auffassung der Republikaner soziale Maßnahmen für ausländische Arbeitnehmer und deren Familien auf deutsche Arbeitslose nachteilig auswirken sollten, wie in der schriftlichen Begründung des Antrags auf Streichung entsprechender Mittel dargestellt. Der Vertreter der Republikaner antwortete, wenn ausländischen Arbeitnehmern und Arbeitslosen eine Förderung zuteil werde, die deutschen Arbeitnehmern und Arbeitslosen nicht gewährt werde, würden dadurch die deutschen Arbeitnehmer und Arbeitslosen benachteiligt. Den Republikanern gehe es um eine faire Sozialpolitik, nicht um Philanthropie, fügte er auf eine Erwiderung des grünen Abgeordneten hinzu1532. Den Antrag auf Kürzung der Zuschüsse zu den Personalkosten der anerkannten Betreuungsvereine der Freien Wohlfahrtspflege nahm eine bündnisgrüne Abgeordnete zum Anlaß zur Frage, wie sich nach den Vorstellungen der Republikaner Menschen, die einer Betreuung bedürften, diese in Zukunft erfahren sollten, wenn für die angesprochene Aufgabe mangels Mitteln nicht mehr genügend Personal gewonnen und qualifiziert werden könne. Ein Abgeordneter der Republikaner erwiderte daraufhin, im Haushalt müßten Kürzungen vorgenommen werden. Es nutze nichts, auf einzelne Gruppen hinzuweisen, wenn andere Personenkreise Opfer zu erbringen hätten1533. Grundsätzlich setzten sich die Republikaner in den Beratungen dafür ein, daß das Land in die Förderung des Mittelstandes investiert anstatt in die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit1534. Solange die mittelständische Wirtschaft in ihren Rahmenbedingungen gegenüber ausländischen Firmen benachteiligt sei, könne eine Besserung auf dem Arbeitsmarkt nicht erwartet werden, äußerte an anderer Stelle ein Vertreter der Fraktion zu dem Begehren der bündnisgrünen Fraktion, einen Fonds zur Gründung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsagenturen einzurichten1535. In den Beratungen des Einzelplanes der Allgemeinen Finanzverwaltung im Staatshaushaltsplan 1997 versuchte die Fraktion, eine Rücknahme der Kürzung der Kostenerstattung der Schülerbeförderung an Stadt- und Landkreise durchzusetzen sowie die

1531 vgl. Drs. 12/909, S. 20. 1532 vgl. Drs. 12/909, S. 16. 1533 vgl. Drs. 12/909, S. 18. 1534 vgl. Drs. 12/909, S. 13. 1535 vgl. Drs. 12/909, S. 15. 5 Darstellung der Ergebnisse 254 veranschlagten Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung und Nutzung landeseigener Grundstücke heraufzusetzen1536. Die beiden Anträge der Republikaner lehnte das Gremium ebenso ab wie einen gleichlautenden Vorstoß von Bündnis 90/Die Grünen zur Schülerbeförderung1537. Sechs von insgesamt 69 Änderungsanträgen hatte die Fraktion zum Etat des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst eingereicht. Darin forderten die Republikaner mehr Geld für die Konservierung und Restaurierung von Archiv- und Bibliotheksgut, um auf diese Weise dem drohenden Verlust von wertvollem Kulturgut entgegenzuwirken. Steigen sollten auch die Haushaltstitel zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses. Entfallen sollten dagegen die Mittel zur Förderung von Kulturinitiativen und von soziokulturellen Zentren sowie der Zuschuß für die Rossini-Festspiele Wildbad. Sinken sollten die Posten für das Badische Staatstheater Karlsruhe, der Zuschuß an das Württembergische Staatstheater Stuttgart, zudem die Zuschüsse für die Landesbühnen in Bruchsal, Esslingen und Tübingen1538. Im Finanzausschuß begründeten die Republikaner die Mehrzahl dieser Initiativen mit dem jeweiligen Hinweis auf die schriftliche Begründung der Anträge. Für ihren Antrag auf Erhöhung der Mittel für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses führten die Republikaner darüber hinaus ins Feld, ein Antrag der Regierungskoalition verfolge denselben Zweck. Gerade in der gegenwärtigen Wirtschaftslage komme der Graduiertenförderung besondere Bedeutung zu1539. Zuweilen stießen die Republikaner mit ihren Äußerungen auf die Zustimmung des während der Ausschußberatungen anwesenden Ministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Klaus von Trotha. Als einer der beiden Vertreter der Fraktion den Vorstoß zur Erhöhung der Mittel zur Konservierung von Archiv- und Bibliotheksbeständen mit der Warnung begründete, es sei erforderlich, kurzfristig zu reagieren, denn in wenigen Jahren sei das Kulturgut, das restauriert und konserviert werden müsse, unwiederbringlich verloren, erklärte der Minister, das zu restaurierende und zu konservierende Kulturgut sei in der Tat unersetzbar1540. Als sich während der Beratung eines Antrags der Bündnisgrünen einer der beiden Vertreter der Republikaner im Ausschuß nach seiner Initiative erkundigte, die Bibliotheksgebühren heraufzusetzen, um die Einnahmen der Universitätsbibliotheken zu erhöhen und zu deren Modernisierung zu verwenden, sagte ihm

1536 vgl. Drs. 12/912-20-21. 1537 vgl. Drs. 12/912, S. 13, 19. 1538 vgl. Drs. 12/914-6-11. 1539 vgl. Drs. 12/914, S. 44 f. 1540 vgl. Drs. 12/914, S. 55. 5 Darstellung der Ergebnisse 255 von Trotha zu, die von dem Republikaner angesprochenen Maßnahmen würden vom Ministerium in einer Verordnung umgesetzt1541. In anderen Fragen des Etats des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst pflichteten die Republikaner wiederum den Vertretern anderer Fraktionen zu. So unterstützten sie den Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen, an den Fachhochschulen und Universitäten des Landes per Modellversuch vereinzelt Globalhaushalte einzuführen1542. Auch begrüßten sie die von der Landesregierung geplante Einführung von Studiengebühren1543. Dessenungeachtet wurden sämtliche Anträge der Republikaner im Ausschuß abgelehnt, abgesehen von denen, die Klaus Rapp in seiner Eigenschaft als Berichterstatter des Ausschusses für die Landesregierung eingebracht hatte1544. Bei den Beratungen zum Zweiten Nachtragshaushalt 1997 forderte die Fraktion Einsparungen bei den Personalausgaben im Staatsministerium, bei den Zuschüssen zur institutionellen Förderung von Einrichtungen für politische Bildung, zur institutionellen Förderung des Bildungswerks für Kommunalpolitik, bei der Landeszentrale für politische Bildung, beim Landesamt für Verfassungsschutz, bei der Flüchtlingsaufnahme, den Zuschüssen im Rahmen europäischer Aktivitäten, bei der Entwicklungszusammenarbeit, bei der Finanzierung des Landesgewerbeamtes und bei den sozialen Maßnahmen für ausländische Arbeitnehmer und deren Familien. Abnehmen sollten außerdem die Förderung der freien Wohlfahrtspflege, von Einrichtungen und Maßnahmen der Jugendhilfe sowie von Ehe-, Familien, und Lebensberatungsstellen. Sinken sollten auch die Personalausgaben im Umwelt- und Verkehrsministerium, die Schuldendiensthilfe an die Flughafen Stuttgart GmbH und die Personalausgaben der Allgemeinen Finanzverwaltung. Zurückgenommen werden sollte die Kürzung des Postens für den Erwerb von Waffen und waffentechnischen Geräten der Landespolizei. Die Innere Sicherheit dürfe nicht darunter leiden, daß eine waffentechnische Ausrüstung veraltet sei. Revidieren wollten die Republikaner auch die Kürzung der Titel für den Erwerb von Maschinen, Geräten und dergleichen für die Bereitschaftspolizei, für Dienst-, Sonder- und Schutzkleidung der Landespolizei und für betriebliche und betriebsnahe Einrichtungen der Familienhilfe. Kürzungen abwenden wollte die Fraktion ferner bei den Zuschüssen zur Alterssicherung qualifizierter Tagesmütter, bei den Zuschüssen für Investitionen der Gesundheitspflege in den Kommunen, bei der Förderung der Zentren für Psychiatrie und Rheuma Baden-Baden sowie

1541 vgl. Drs. 12/914, S. 51, vgl. zum Fortgang der Angelegenheit auch Drs. 12/1410, S. 54. 1542 vgl. Drs. 12/914, S. 33, S. 36. 1543 vgl. Drs. 12/914, S. 39. 1544 vgl. Drs. 12/914, S. 42-63, Drs. 12/914-2-5. 5 Darstellung der Ergebnisse 256 bei den Mitteln für den Aus- und Neubau von Ortsumgehungen. Steigen sollten wiederum der Posten des Wirtschaftsministeriums für wirtschaftsnahe Forschung und technische Entwicklung, die Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz sowie die Zuschüsse zur Förderung von Einrichtungen für die Rehabilitation Behinderter. Die mündlichen Begründungen der einzelnen Anträge durch die Vertreter der Republikaner im Finanzausschuß gingen über die schriftliche Erläuterung der Änderungsanträge nicht hinaus. An der Debatte über die Anträge anderer Fraktionen beteiligten sie sich nicht. Vielmehr teilte ein Vertreter der Fraktion mit, die Republikaner brächten eine Reihe von Anträgen ein, die sie zum Teil pauschal zu begründen beabsichtigten, die sie aber nicht pauschal abzulehnen bäten. Die mittelfristige Finanzplanung müsse an die veränderte Einnahmesituation angepaßt werden. Selbst wenn sich durch den Konjunkturaufschwung auch bei den Steuereinnahmen ein Aufschwung ergeben sollte, werde sich dieser frühestens in ein bis zwei Jahren einstellen. Da die Entwicklung der Globalisierung der Wirtschaft nicht zurückgedreht werden könne, gehe es nun darum, sich an die veränderte Einnahmesituation anzupassen und dem Zweiten Nachtragshaushalt sowie künftigen Haushaltsplanentwürfen realistischere Zahlen zugrunde zu legen. Man könne nur hoffen, daß die eine Milliarde Mark, um welche die Nettoneuverschuldung nach dem Willen der Landesregierung erhöht werden solle, ausreiche, um 1997 einen negativen Rechnungsabschluß zu verhindern. Bei einem Wirtschaftswachstum von rund 2,5 Prozent und der zunehmenden Tendenz in Unternehmen, Gewinne in Ländern mit niedrigen Steuersätzen zu versteuern, sei es aber völlig unrealistisch, für die nächsten Jahre Wachstumsraten der Steuereinnahmen von mehr als vier Prozent zu unterstellen. Die Republikaner seien der Auffassung, daß dem Personalabbau bei den Etatberatungen 1998/99 verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse. Wo es möglich sei, dürften frei werdende Stellen nicht mehr besetzt werden, sondern müßten die Aufgaben mit den vorhandenen Personalressourcen bewältigt werden1545. Sämtliche Änderungsanträge der Fraktion zum Zweiten Nachtragshaushalt 1997 verfielen der Ablehnung1546. In der Zusammenfassung der Ausschußarbeit in der elften und zwölften Legislaturperiode ist zunächst eine zunehmend regere Beteiligung der Republikaner an den Sitzungen festzustellen, die mit ausführlicheren Begründungen von Anträgen der Fraktion einher ging. Im Verlauf der zwölften Legislaturperiode wiederum nahm nurmehr die Anzahl der Anträge weiterhin zu, während das Engagement der Republikaner in den Beratungen gesunken zu sein

1545 vgl. Drs. 12/1959, S. 15. 1546 vgl. Drs. 12/1959, S. 22-39. 5 Darstellung der Ergebnisse 257 schien. Der Umgangston zwischen Republikanern und den Vertretern anderer Fraktionen, der von Beginn an nicht die Aggressivität der Parlamentsreden und öffentlichen Erklärungen aufgewiesen hatte, war zusehends kollegial geworden. Während aber die Republikaner gegen Ende der elften Legislaturperiode für ihre Anträge zuweilen noch die Anerkennung von Abgeordneten anderer Fraktionen erhalten hatten, so blieben ihre Vorstöße in der zwölften Legislaturperiode, ungeachtet des moderaten Tons, in der Regel ohne Wirkung auf die Mitglieder des Ausschusses, eine Ausnahme bildete die Beratung des Haushaltsplans 1997 des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst im Finanzausschuß. Der Fraktion gelang es nicht, einen ihrer Anträge durchzusetzen. Allenfalls kam es zu vereinzelten Enthaltungen aus den Reihen anderer Fraktionen, wenn ein Antrag der Republikaner abgelehnt wurde. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 258

6 Zusammenfassung der empirischen Befunde

An die deskriptive Darstellung der Ergebnisse in Kapitel 5 schließt sich in Kapitel 6.1 die Analyse und Diskussion der Arbeit der Landtagsfraktion an. Wie in Kapitel 5 findet eine Unterteilung statt in parlamentarische Initiativen, Pressemitteilungen, Redebeiträge sowie die Arbeit in den Ausschüssen. Dabei sind zuweilen Rückgriffe auf Kapitel 5 erforderlich in Fällen solcher Belege, die sowohl für die Deskription der Landtagsarbeit als auch für deren Analyse unverzichtbar sind. Die in Kapitel 5 zusammengetragenen und in Kapitel 6.1.1 bis 6.1.5 diskutierten Ergebnisse führen zur Antwort auf die Fragen nach der oppositionellen Taktik, nach Etablierung und nach Entwicklung der Fraktion in Richtung Rechtsradikalismus. Kapitel 6.2 erörtert daher, ob es sich bei den Republikanern in Baden-Württemberg um eine etablierte Partei handelt, bevor die Wirkung der Partei auch auf Bundesebene analysiert und diskutiert wird, ob es sich bei den Republikanern um eine rechtsextreme Partei handelt. Ein Ausblick schließt die Erörterung ab.

6.1 Parlamentarische Initiativen

In den ersten beiden Jahren prägten Ineffizienz und Kuriosa die Parlamentsarbeit der Fraktion. So reichten die Republikaner anfangs wiederholt und binnen kurzem mehrere Initiativen zum selben Thema oder auch zur selben Frage ein. Rolf Schlierer verlangte zum Beispiel am 10. September 1992 Auskunft über die Zahl und die Nationalitäten der nach illegaler Einreise am Flughafen Stuttgart ermittelten Personen1547, um tags darauf dieselbe Anfrage hinsichtlich der Landesgrenzen nochmals einzureichen1548. Innerhalb weniger Wochen erkundigten sich Michael Herbricht und Richard Eckert per Kleiner Anfrage nach der Zahl der in Baden-Württemberg lebenden Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien1549. Zuweilen trugen die Bemühungen der Republikaner kuriose Züge, vor allem in der Ausländer- und Innenpolitik, wenn die Fraktion etwa Maßnahmen gegen die „Verdrängung der heimischen Flora durch importierte Wildpflanzen“1550 sowie ein entsprechendes Pflanzverbot forderte1551 oder vom Landesinnenminister per Anfrage Auskunft darüber

1547 vgl. Drs. 11/432. 1548 vgl. Drs. 11/448. 1549 vgl. Drs. 11/380, vgl. auch Drs. 11/788. 1550 Drs. 11/2831. 1551 vgl. Drs. 11/2832. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 259 begehrte, welche Kontakte die Republikaner zu rechtsextremistischen Parteien im Land unterhielten beziehungsweise über welche Kontakte die Landesregierung informiert sei1552. Zwar waren die Republikaner mit der Ankündigung in den Landtagswahlkampf gezogen, den Erscheinungen gegen die Selbstbedienungsmentalität der Parteien vorzugehen; nach ihrem Einzug ins Parlament aber bezogen sie dies offenbar nicht mehr auf sich. Mit ihren Forderungen nach einem dritten Landtagspräsidenten sowie nach zusätzlichen parlamentarischen Beratern für nicht an der Regierung beteiligte Fraktionen versuchten sie 1992 gleich mehrfach, ihre Pfründe zu mehren. Im zweiten Jahr ihrer Zugehörigkeit im Landtag brachte die Fraktion zwar auch Initiativen ein, die Fragen der klassischen Ressorts der Landespolitik betrafen. Dominant indes waren populistisch präsentierte Vorstöße zu emotional aufgeladenen Sachkomplexen, in erster Linie zur Kriminal- sowie zur Asyl- und Ausländerpolitik, welche die Fraktion in allen Aspekten behandelte. Anfragen zur Belegung von Kindergartenplätzen mit Flüchtlingskindern zeugten dabei von der Ausländerfeindlichkeit der Republikaner. Darüber hinaus legten die Republikaner Initiativen zu Themen vor, zu denen zuvor bereits die CDU Vorstöße unternommen hatte, so 1993 mit dem Antrag zur grenzüberschreitenden Kriminalität seit Wegfall der Grenzkontrollen zwischen Deutschland, der Schweiz und Frankreich1553 sowie mit dem Antrag auf Ergänzung des Strafgesetzbuches um den Tatbestand der Organisierten Kriminalität1554. Die kriminalpolitischen Vorstöße der Fraktion brachten in der Regel, sofern sie nicht Lobbyarbeit für die Polizeibeamten und Justizbediensteten des Landes darstellten, Ausländer mit Kriminalität in Verbindung. Dabei startete die Fraktion Initiativen, welche ihr zunächst große Aufmerksamkeit sicherten, um letztlich im Sande zu verlaufen. So mußte sich der Abgeordnete Wolfram Krisch nach dem Antrag der Fraktion, alle öffentlich unterstützten moslemischen Organisationen im Land aufzurufen, sich von dem Mordaufruf an Salman Rushdie zu distanzieren1555, im Ausschuß darüber belehren lassen, daß das Land überhaupt keine moslemischen Organisationen unterstützte. Gleichwohl brachte er im Jahr darauf dieselbe Initiative erneut ein, verbunden mit der Frage nach neuen Erkenntnissen1556. Der Fraktion schien der öffentliche Auftritt eher zu liegen als der Gang durch die

1552 vgl. Drs. 11/1839, vgl. auch Heilbronner Stimme, 19. Juli 1993. 1553 vgl. Drs. 11/2416, vgl. den Antrag des Christdemokraten Helmut Rau vom 29. März 1993, Drs. 11/1648. 1554 vgl. Drs. 11/3008. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger hatte denselben Antrag bereits zwei Monate zuvor eingebracht, vgl. Drs. 11/ 2576. 1555 vgl. Drs. 11/1551 sowie 11/2775. 1556 vgl. Drs. 11/3536. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 260 parlamentarischen Institutionen. Während sich die Republikaner zum Beispiel 1993 fünfmal öffentlich zur europäischen Einigung und zur Einführung einer Einheitswährung äußerten, ergriffen sie nur einmal parlamentarisch entsprechend die Initiative1557. Anträge, die einen Bezug zum jeweiligen Wahlkreis der Parlamentarier aufwiesen, waren derweil die Ausnahme. Mit diesem Umstand korrespondierte die Tatsache, daß sechs der insgesamt 15 Landtagsabgeordneten, und zwar die Parlamentarier Offermanns, Eckert, Schlierer, Wilhelm, Rapp und Bühler, nicht einmal über einen Wohnsitz in ihrem Wahlkreis verfügten1558. Im allgemeinen waren die Republikaner weiterhin bestrebt, durch ihre Vorstöße im Landtag ihre Position zu verbessern. Der Antrag auf Änderung des Gesetzes über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen sollte das Gewicht der Fraktion bei künftigen Entscheidungen über die Einrichtung solcher Gremien entscheidend vergrößern1559. Mit ihrem Vorstoß zu einer stärkeren Kontrolle des Süddeutschen Rundfunks wollten die Republikaner nicht nur einen Punkt ihres Landtagswahlprogramms umsetzen - sie strebten auf dem Wege einer schärferen Überwachung des Senders auch eine verminderte Kontrolle ihrer Arbeit durch den Rundfunk an. Das Feld des Extremismus nutzten die Republikaner vor allem, um die Landesregierung und speziell Innenminister Frieder Birzele zu diskreditieren. Auf diese Weise wollte die Fraktion selbst den Ruch der Verfassungsfeindlichkeit durch die Selbststilisierung als Opfer ablegen. In den Änderungsanträgen zum Haushaltsplan schlug sich zwar eine moderatere Handschrift als in den übrigen Initiativen nieder. Dennoch vermittelten die Initiativen der Republikaner in den ersten beiden Jahren im Stuttgarter Landtag das Bild einer Fraktion, der die parlamentarische Arbeit im Grunde fremd war. In der Öffentlichkeit machte die Abgeordnetengruppe zwar mit ihren Initiativen zur Ausländerpolitik von sich reden. Bei näherer Betrachtung indes stellte sich heraus, daß die spektakulären Eingaben vor allem von der handwerklich dürftigen und thematisch beachtlich eindimensionalen Arbeit der Republikaner im Landtag ablenkten. Trotz ihrer ausgiebigen Beschäftigung mit der Ausländer- und Asylpolitik hatten die Republikaner noch im Januar 1994 im Vergleich zu anderen Parteien somit relativ wenig Initiativen vorzuweisen1560. Der Fraktion war jedoch eine Frist der Eingewöhnung zuzugestehen. Die beiden 1993 veranstalteten Klausurtagungen

1557 vgl. Drs. 11/3168, welche die Auswirkungen der Einführung einer europäischen Einheitswährung auf Handel und Handwerk behandelte. 1558 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 28. 1559 vgl. Drs. 11/1534. 1560 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 39. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 261 deuteten darauf hin, daß auch die Fraktion sowohl die Quantität als auch die Qualität ihrer Arbeit als steigerungsfähig betrachtete, und ließen auf den Versuch schließen, sich zu professionalisieren und thematische Defizite aufzuholen. Tatsächlich sollten die Republikaner fortan vermehrt Initiativen zu den auf den Klausurtagungen debattierten Fragen vor allem der Sozial- und der Gesundheitspolitik formulieren. Ende 1994 war die Phase der Eingewöhnung abgeschlossen. Zu den Haushaltsberatungen präsentierte die Fraktion nunmehr ein geschlossenes Konzept, die legislativen Initiativen setzten auch verfassungspolitische Akzente. In ihrer Mehrheit formulierten die Gesetzentwürfe Staatsziele mit programmatischem Charakter, welche die Landesverfassung in Richtung eines autoritären Nationalstaates verändern sollten. Die Bandbreite ihrer Arbeit im Landtag hatten die Republikaner unterdessen diversifiziert. War noch 1993 etwa zur Energiepolitik kein einziger Vorstoß der Republikaner zu verzeichnen gewesen, so zeigten sich die Initiativen 1994 in ihrer Verteilung weitaus ausgewogener. Programmatische Anträge gingen einher mit konkreten Initiativen, nicht nur auf den Gebieten, mit denen sich die Abgeordneten auf den Klausurtagungen im Jahr zuvor beschäftigt hatten. Dabei nahm das Gewicht der Innen- und Kriminalpolitik gegenüber der Ausländer- und Asylpolitik weiterhin zu, auch weil inzwischen das Grundgesetz und das Asylrecht geändert worden waren. Zunehmend nutzten die Republikaner auch die Vorzüge des Instruments der Aktuellen Debatte, um sich als Abgeordnetengruppe darzustellen, die aktuelle Entwicklungen wahrnimmt und geeignet reagiert. In solcherlei Hinsicht hatten sich die Republikaner den anderen Fraktionen im Landtag angepaßt. Ihren politischen Standpunkt hatten sie nicht geändert. Nach wie vor schrieb die Fraktion Gewalt grundsätzlich eher Ausländern als Ausländerfeinden zu, wenn sie sich zum Beispiel nach einer angeblichen „Formierung ausländischer Jugendlicher im Raum Ludwigsburg gegen fremdenfeindliche Übergriffe“1561 erkundigte. Dabei fungierte die Fraktion vielfach erneut nicht als Urheber, sondern als Plagiator ausländerpolitischer Initiativen. Mit ihrem Antrag in bezug auf Einführung eines zentralen Registers für Verstöße gegen das Asylverfahrens- und das Ausländergesetz1562 erkundigten sich die Republikaner im Mai 1994 bloß nach dem Stand eines Verfahrens, welches der christdemokratische Landtagsabgeordnete bereits im November 1992 als Bestandteil des angestrebten Asylbewerber-Datenverbunds angeregt hatte1563. Mit der Forderung nach

1561 vgl. Drs. 11/5150. 1562 vgl. Drs. 11/3957. 1563 vgl. Drs. 11/824. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 262

Unterbringung von Asylbewerbern in Sammelunterkünften1564 wiederholten sie im Oktober ihren Vorstoß vom 9. Dezember 19931565; die Einrichtung von Sammelunterkünften für Asylbewerber und die entsprechende Entwicklung der Ausgaben des Landes aber hatten die Christdemokraten bereits im August 1992 auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt1566. Mit ihren Anträgen hinsichtlich ihrer Einstufung als verfassungsfeindlich1567 sowie des Einsatzes des Verfassungsschutzes unter parteipolitischen Gesichtspunkten1568 betrieben die Republikaner unverändert Politik in eigener Sache1569. Im Jahr zuvor hatten sich die beiden Klausurtagungen der Fraktion unmittelbar auf die Arbeit im Landtag ausgewirkt; 1994 war indes nicht festzustellen, daß die Fraktion ihre im Januar in der „Fleiner Erklärung“ veröffentlichten Anregungen gegen die Politikverdrossenheit im Parlament umsetzte. Ungeachtet der thematischen Diversifikation, der verfassungspolitischen Akzente und des geschlossenen Haushaltskonzepts - noch immer präsentierte sich die Fraktion in ihrer Arbeit mangelhaft koordiniert. Davon zeugten die neun gleichlautenden Anfragen zu Polizeidichte und Kriminalität, mit denen sich die Abgeordneten Reimann, König, Rapp, Bühler, Herbricht und Deuschle zwischen dem 18. Februar und dem 13. April 1994 nach der Situation im Landkreis Göppingen1570, im Landkreis Calw1571, im Ortenaukreis1572, in Pforzheim und im Enzkreis1573, Mannheim1574, im Rems-Murr-Kreis1575, in Heilbronn1576 sowie im Landkreis Esslingen1577 erkundigten. Wie die Eingaben zeigten, reagierte die Fraktion auch in der Kriminalpolitik auf Vorstöße des politischen Gegners. Bereits am 8. und 14. Februar hatten Vertreter von CDU und SPD dieselbe Initiative hinsichtlich ihrer Wahlkreise eingereicht, und sie waren nur dem Freidemokraten Walter Döring und dessen Anfrage vom 7. Februar

1564 vgl. Drs. 11/4855. 1565 vgl. Drs. 11/3093 und 11/3094. 1566 vgl. Drs. 11/284. 1567 vgl. Drs. 11/4414. 1568 vgl. Drs. 11/4426. 1569 vgl. Drs. 11/4174. 1570 vgl. Drs. 11/3450. 1571 vgl. Drs. 11/3451. 1572 vgl. Drs. 11/3618. 1573 vgl. Drs. 11/3619. 1574 vgl. Drs. 11/3620. 1575 vgl. Drs. 11/3640. 1576 vgl. Drs. 11/3733. 1577 vgl. Drs. 11/3749. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 263 gefolgt1578. Auch 1994 griffen die etablierten Parteien also den Republikanern in Gebieten der Politik vor, welche die Abgeordneten um Rolf Schlierer als ihre Domäne betrachteten. Zumindest mittelbar aber erfüllten die Republikaner damit ihre Initiativfunktion als Opposition. Bis Ende der elften Legislaturperiode setzte sich die Entwicklung des Vorjahres fort. Vermehrt wandte sich die Fraktion nun auch Gebieten wie der Umwelt-, der Sozial-, der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik zu. Zur Umweltpolitik zum Beispiel lagen nun ähnlich viele Initiativen vor wie zur Ausländerpolitik, dem originären Thema der Fraktion. In Anfragen zu den Gründen und Folgen der Streichung des Logopädie-Unterrichts an Sonder- und Förderschulen zum Beispiel zeigten die Republikaner konkretes soziales Engagement1579. Zwar dominierte nach wie vor die Innen- und Kriminalpolitik die politische Arbeit. Andere Politikfelder gerieten deshalb indes nicht völlig ins Abseits. Mit ihren Anfragen und Anträgen deckte die Fraktion nunmehr sämtliche gängigen Ressorts der Politik ab. Mit den vier Vorstößen zum Einsatz verdeckter Ermittler in der „rechten Szene“1580, welche die Republikaner am 15. und am 22. Dezember einbrachten1581, dürfte die Fraktion währenddessen wiederum vor allem ihr eigenes Interesse verfolgt haben, sich den Behörden des Verfassungsschutzes zu entziehen. In der Ausländer- und Kriminalpolitik war die politische Konkurrenz auch 1995 beachtlich. Anders als früher gelang es den Republikanern jedoch, den Initiativen anderer Parteien zuvorzukommen. So reichte die Fraktion ihren Antrag zu den „insbesondere durch Rumänen verübten Straftaten“, bei denen der „Wald als Rückzugsraum“ genutzt werde1582, am 14. November unmittelbar vor den Freidemokraten ein. Noch am selben Tag erkundigte sich auch der FDP-Parlamentarier Walter Döring nach „Wald-Banden“, „vor allem aus Rumänien“, und deren Überfälle auf Tankstellen und Banken1583. Die ausländerpolitischen Vorstöße, welche die Kriminalpolitik tangierten, und die kriminalpolitischen Initiativen, welche die Ausländerpolitik berührten, waren dabei 1995 schwerer denn je voneinander zu trennen. Einen Erfolg verbuchten die Republikaner außerdem mit ihrer legislativen Initiative zur Wiedereinführung des Pfingstmontags als gesetzlichem Feiertag. Zwar wurde ihr

1578 vgl. Drs. 11/3398. 1579 vgl. Drs. 11/7088. 1580 Drs. 11/6936. 1581 vgl. Drs. 11/6936, 11/6937, 11/6964 und 11/6965. 1582 Drs. 11/6719. 1583 Drs. 11/6724. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 264

Gesetzentwurf abgelehnt1584. Die Republikaner hatten jedoch ein Thema vor den Regierungsfraktionen aufgegriffen1585, die kurz darauf einen Entwurf ähnlichen Inhalts einreichten1586. Damit hatten die Republikaner erstmals offenkundig ein Defizit der regierenden Parlamentsmehrheit erkannt und dazu genutzt, ihre Initiativfunktion wahrzunehmen. In ihren Großen Anfragen zur Vermögens- und Einkommensverteilung in Baden- Württemberg und „Steuerungsmöglichkeiten für und gegen weitere Konzentrationen“1587 sowie zu lohnpolitischen Konzeptionen und Vermögensbildungsstrategien1588 griff die Fraktion zugleich aktuelle Fragen zu den Themen Globalisierung und Neoliberalismus auf. Die Diskussion um eine Steuerreform thematisierte sie in ihrer Großen Anfrage zu Leitbildern einer konsumorientierten Neuordnung des Steuersystems1589. Für Aktuelle Debatten wählten die Republikaner unterdessen erneut vor allem Themen aus, bei denen sich öffentlichkeitswirksam der eigene Standpunkt vertreten ließ. Aussprachen über den „wachsenden Einfluß des Islam“1590, über die „Auswirkungen der geplanten Schließung von Bundeswehr-Standorten“1591, „Anspruch und Wirklichkeit der Landesregierung“1592, über die „Gefährdung von Arbeitsplätzen durch Fahrverbote“1593, die „Feuerbrand-Epidemie und ihre Konsequenzen in Baden-Württemberg“1594, die „Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland am Beispiel der DASA“1595 sowie über „Hemmnisse für einen stabilen Wirtschaftsaufschwung“1596 boten allesamt Gelegenheit zur Profilierung. In der zwölften Legislaturperiode verstärkten die Republikaner zunächst weiterhin ihre Bemühungen in den anfangs vernachlässigten Bereichen der Politik. Ungewöhnlich breiten Raum nahmen Initiativen zur Gesundheits- und Drogenpolitik ein, vor allem zur Frage der staatlichen Abgabe von Heroin an Süchtige, sowie zu diversen Fragen des Umwelt- und Naturschutzes. Die Eingaben sollten dabei helfen, die Republikaner als Partei zu präsentieren,

1584 vgl. PlPr 11/5260. 1585 vgl. Drs. 11/5283. 1586 vgl. Drs. 11/5633. 1587 Drs. 11/5281. 1588 vgl. Drs. 11/5282. 1589 vgl. Drs. 11/6419. 1590 vgl. PlPr 11/62, S. 5031. 1591 vgl. PlPr 11/64, S. 5264. 1592 vgl. PlPr 11/67, S. 5464. 1593 vgl. PlPr 11/69, S. 5737. 1594 vgl. PlPr 11/72, S. 5941. 1595 vgl. PlPr 11/74, S. 6211. 1596 vgl. PlPr 11/77, S. 6405. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 265 die nicht nur in den ihr angestammten Gebieten der Politik kompetent ist. Mit ihren EU- politischen Vorstößen versuchten die Republikaner unterdessen in erster Linie, die in Umfragen ermittelten Vorbehalte gegenüber der Einführung einer europäischen Einheitswährung zu kanalisieren. Die Gesetzesvorstöße zur Änderung des Polizeigesetzes mit dem Ziel der Erweiterung der polizeilichen Befugnisse zu verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen sowie zur Reduzierung des Ministerruhegehalts stießen bei den übrigen Parteien zwar zunächst auf Ablehnung. Eine Woche darauf legte die Landesregierung jedoch einen Gesetzentwurf vor, der ebenfalls die Erweiterung dieser Befugnisse vorsah1597. Die Vorstellungen der Republikaner zur öffentlichen Sicherheit sollten überdies in weiten Teilen zwei Jahre darauf auf Bundesebene durchgesetzt werden, als den Bundesrat eine vom Bundestag beschlossene Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes passierte, wonach BGS-Beamte fortan ohne konkreten Verdacht Personen auf Bahnhöfen, in Zügen, und auf Flughäfen kontrollieren durften1598 - erneut kam den Republikanern in der Gesetzgebung die Rolle des Vorreiters zu. Unterdessen war beim Fraktionsältesten Eduard Hauser eine Vermischung von Interessen zu beobachten, gegen welche die Republikaner in anderen Fällen stets wortreich zu Felde zogen. So wandte sich Hauser per Antrag gegen eine vermeintliche Förderung der ausländischen Konkurrenz in der Schmuck- und Uhrenindustrie durch Bundes- und EU-Mittel1599 und fungierte zugleich in Baden-Württemberg seit Jahren als persönlich haftender Gesellschafter einer Uhrenfabrik1600. Nicht nur politisch zeigte sich die Fraktion inzwischen gut situiert. 1997 deuteten sieben der 52 Initiativen zur Ausländer-, Asyl- und Flüchtlingspolitik aufgrund ihres Bezugs zum Islam darauf hin, daß sich die Republikaner nach der Verschärfung des Asylrechts ein neues Themenfeld erschlossen hatten. Mit ihren innenpolitischen Initiativen betrieben die Republikaner währenddessen unverändert Klientelpolitik für die Polizeibeamten im Land. Im allgemeinen forderte die Fraktion die Streichung berufsspezifischer Privilegien, im Falle der Polizeibeamten sträubte sie sich gegen jeglichen Verzicht auf Vergünstigungen. Die Fürsorge der Fraktion ging so weit, daß Lothar König gar die Verpflichtung von Bediensteten in Landesbehörden zur Kostenerstattung von Strom und Wasser für Rundfunkgeräte und Aquarien in einer Anfrage thematisierte1601.

1597 vgl. Drs. 12/52. 1598 vgl. Heilbronner Stimme, 11. Juli 1998. 1599 vgl. Drs. 12/757. 1600 vgl. Handbuch Landtag von Baden-Württemberg, 12. Wahlperiode, Darmstadt 1996, S. 45. 1601 vgl. Drs. 12/1320. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 266

Angesichts sozialer Probleme setzten die Republikaner weniger auf präventive Arbeit denn vor allem auf Repression, wie aus den zahlreichen Haushaltsänderungsanträgen hervorging. Zwar entsprach manche Eingabe im Wortlaut Initiativen, mit denen die Republikaner sich bereits in der Vergangenheit nicht hatten durchsetzen können. Die verstärkte Nutzung des Mittels des Änderungsantrages zum Haushaltsplan ließ sich jedoch nicht nur auf die Intensität der Beratungen zurückzuführen, sondern auch auf den Umstand, daß die Fraktion die Relevanz dieses Instruments nun höher veranschlagte als in den Jahren zuvor. Entgegen früheren Jahren verwandte die Fraktion währenddessen kaum mehr Bemühungen auf legislative Initiativen, nahm dabei aber mitunter dennoch eine Vorreiterrolle ein. So folgte sie zwar mit ihrem Antrag zum Aufbau einer europäischen Polizeibehörde1602 der CDU, die zwei Monate zuvor einen ähnlichen Vorstoß gestartet hatte1603. Ihren Gesetzentwurf für eine Novelle des Ministergesetzes, der eine erhebliche Einschränkung der Versorgungsleistungen für aus dem Amt scheidende Landesminister vorsah1604, präsentierten die Republikaner im September 1997 hingegen rund fünf Wochen vor einer ähnlichen Initiative von CDU und FDP, welche schließlich am 15. Dezember Gesetz wurde1605. Mit der Verlegung ihrer Aktivitäten auf Aktuelle Debatten, in denen sie die Öffentlichkeit eher erreichte als mit einstweilen zum Scheitern verurteilten Gesetzesvorlagen, hatte sich die Fraktion im Landtag entsprechend ihrer Möglichkeiten eingerichtet. Sechs Jahre nach Einzug in den Landtag hatten die Republikaner damit zum einen sowohl programmatisch als auch in ihrer Landtagsarbeit eine beachtliche Entwicklung genommen. Die Agrarpolitik, die Bildungspolitik, die Gesundheits-, Umwelt- und Verkehrspolitik hatten sich mittlerweile längst zu angestammten Ressorts der Abgeordnetengruppe um Rolf Schlierer entwickelt; von einer Fraktion, die nur die Themen Ausländer oder Kriminalität kannte, konnte weniger denn je die Rede sein. Seit Jahren nunmehr beschäftigte sich die Fraktion nun ebenso mit anderen Feldern der Politik zwar nicht bevorzugt, sie deckte diese Sektoren, denen auch in anderen Parteien nicht immer die höchste Priorität zukam, indes in steter Regelmäßigkeit ab. In ihrer Landtagsarbeit waren die Republikaner währenddessen dazu übergegangen, die Instrumente des Parlamentariers gezielter einzusetzen. Zum anderen hielten die Republikaner an ihrer politischen Grundausrichtung nach wie vor fest. Von dem radikalen Potential der Fraktion zeugte noch zwei Tage vor Weihnachten der Vorstoß zu einer Initiative im Bundesrat, im Strafgesetzbuch den Tatbestand der Schmähung

1602 vgl. Drs. 12/1212. 1603 vgl. Drs. 12/923. 1604 vgl. Drs. 12/1128. 1605 vgl. Drs. 12/2126, GBl 1997, Nr. 23, S. 533-535. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 267 der deutschen Nation einzuführen1606 - ein Delikt, dessen Einführung das Rechtssystem, wonach nur natürliche Personen mit ihren Grundrechten eine Schmähung erleiden und der Freiheit der Meinungsäußerung entgegenstehen können, nicht aber ein Konstrukt wie die Nation, auf den Kopf stellte.

6.2 Pressemitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion

Im ersten Jahr ihrer Zugehörigkeit zum Landtag äußerten sich die Republikaner vor allem zum bundespolitischen Geschehen. Offenbar verstanden die Mitglieder der Fraktion die Pressemitteilung in erster Linie als Mittel, unabhängig von der eigenen Arbeit die allgemeinpolitischen Forderungen ihrer Partei kundzutun, etwa nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Abtreibungsrecht. Jeweils zehn Mitteilungen beschäftigten sich mit Bundes- und Europapolitik - Bereichen, die außerhalb der Zuständigkeit der Landtagsabgeordneten lagen. Gerade in den bundespolitischen Kommentaren aber fanden die Fraktionsmitglieder Gelegenheit, die Programmatik ihrer Partei prononciert darzustellen, wenn sie in ihren Äußerungen etwa zur Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe die Gleichbehandlung von Staatsbürgern von deren Loyalität zur Obrigkeit abhängig machten. Indem sie zum Beispiel den ausländerfeindlichen Pogrom in Rostock wiederholt1607 als verständliche Reaktion auf eine falsche Politik entschuldigten, folgten die Republikaner ihrem programmatischen Ideologem von der Notwendigkeit einer ethnischen Homogenität. Angesichts des Schweigens der Fraktion zu jeglichen Fragen der Kultur mutete es freilich kurios an, daß die Republikaner nach Eröffnung der ersten Moschee in Baden-Württemberg vor der „Zerstörung abendländischer kultureller Identität“ warnten1608 und bald darauf sogar die „Ideologie der multikulturellen Gesellschaft“ als „erzreaktionäres Kulturzerstörungs- programm der multinationalen Konzerne“ brandmarkten1609. Die über die Ausländer- und Asylpolitik hinausgehenden Erklärungen der Fraktion in landespolitischen Angelegenheiten griffen oftmals wiederum bundespolitische Phänomene populistisch auf und bezogen sie auf Baden-Württemberg. 1993 verlagerten die Republikaner in ihren Erklärungen den Schwerpunkt von der Bundespolitik auf den politischen Gegner im Landtag. Der Umstand, daß sich die

1606 vgl. Drs. 12/2341. 1607 vgl. Pressemitteilungen der Landtagsfraktion vom 25. August, vom 14. und 25. September 1992. 1608 Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 26. September 1992. 1609 Pressemitteilung der Landtagsfraktion vom 11. November 1992. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 268

Republikaner zu den übrigen Parteien und Personen sogar öfter äußerten als zu eigenen Initiativen und Belangen, hatte zwei Ursachen: Die Fraktion im Landtag hatte sich mit eigenen Initiativen noch nicht genügend profiliert, und es entsprach ihrem Selbstverständnis, als noch relativ junge Opposition in erster Linie die regierenden Parteien zu kritisieren und erst in zweiter Linie Alternativen zu entwickeln. Auch die drastische Wortwahl der Abgeordnetengruppe, die sich im ersten Jahr ihres Bestehens vor allem auf die politischen Inhalte bezogen hatte, richtete sich nun gegen den politischen Gegner. Dabei war die Vehemenz der Angriffe selbst unter dem Gesichtspunkt, daß Pressemitteilungen oftmals ein zuspitzendes Element eignet, nicht alltäglich und überschritt zuweilen die Grenze zur Beleidigung. Im Jahr darauf ergab sich erneut ein anderes Bild. Die Erklärungen zur Ausländer- und Asylpolitik und die entsprechenden Initiativen nahmen stark ab, wenngleich Ausländerpolitik von nun an häufig mit innen- und kriminalpolitischen Aspekten kombiniert wurde. Der Grund war vor allem darin zu sehen, daß sich die Republikaner im allgemeinen darum bemühten, die Bandbreite der von ihnen behandelten Themen auszubauen. Mit Michael Herbrichts Forderung nach Renationalisierung der Agrarwirtschaft zum Beispiel waren zudem erste Ansätze zu erkennen, programmatische Forderungen der Partei abseits der Ausländerpolitik auf Landesebene zu forcieren1610. Spätestens gegen Ende der elften Legislaturperiode hielt der Befund, die Partei trete lediglich mit Erklärungen zu Fragen der Ausländerpolitik an die Öffentlichkeit, der Realität nicht mehr stand. Die meisten Schreiben veröffentlichte die Fraktion zum Beispiel 1995 nicht zur Ausländerpolitik, in eigener Sache oder über den politischen Gegner, sondern zur Innen- und Kriminalpolitik, einem originären Feld auch der Landespolitik. Dies ließ darauf schließen, daß die Fraktion zunehmend aufhörte, sich in erster Linie in Abgrenzung zum politischen Gegner zu definieren, und in der Landtagsarbeit eigene Ansätze entwickeln wollte. Von der neuen Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit zeugte ebenfalls, daß die Fraktion nunmehr auch längere Positionspapiere etwa zur Rentenpolitik formulierte und veröffentlichte. Massiv blieben gleichwohl die Attacken auf den politischen Gegner. Die Nachricht vom Juni 1994, daß die baden-württembergischen Republikaner im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1993 erstmals als rechtsextremistisch eingestuft wurden, hatte keineswegs eine Mäßigung der Angriffe nach sich gezogen. Wie 1996 die Angriffe auf Innenminister Birzele zeigten, war die Fraktion nun erst recht bestrebt, die Landesregierung zu diskreditieren und

1610 vgl. Pressemitteilung 42/94. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 269 deren Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Das Beharren wider besseres Wissen auf dem Vorwurf, Innenminister Birzele veröffentliche Zahlen über Flüchtlinge, die nachweislich falsch seien, belegte, daß die Republikaner dabei vor voreiligen Verdächtigungen und bewußten Verleumdungen nicht zurückscheuten. Offensichtlich wollten die Republikaner auf diese Weise zugleich die Angaben des Verfassungsschutzes über die personellen Berührungspunkte der Partei zum Rechtsextremismus entkräften. Die Versuche gipfelten in der Unterstellung, der Verfassungsschutz habe dem Abgeordneten Karl-August Schaal bewußt eine Falle gestellt, um ihm Kontakte zu Rechtsextremisten nachweisen zu können. Aufgrund des gleichzeitig vorgebrachten Vorwurfs, die Arbeit der Fraktion werde in den Medien systematisch totgeschwiegen, entstand somit eine Selbstdarstellung, die Elemente einer Konspirationstheorie aufwies: Die Behörden fälschten demnach amtliche Statistiken und lockten die Republikaner in Hinterhalte, um ihnen zu schaden, und die Medien schwiegen zu solchem Unrecht. Vor der Landtagswahl dürfte die nicht unbegründete Furcht, der erneute Einzug in den Landtag könne an den Bestimmungen der Fünf-Prozent-Klausel scheitern, in der Auseinandersetzung zusätzlich für Schärfe gesorgt haben. Darauf deuteten die nach der Wiederwahl in den Landtag veröffentlichten Schreiben hin. Nun versandte die Fraktion wieder vermehrt Schreiben, die sich weniger mit den Personen in den anderen Parteien, sondern mit deren Inhalten befaßten. Die Tatsache, daß dem politischen Gegner seit Beginn der zwölften Legislaturperiode in der Öffentlichkeitsarbeit der Republikaner nicht mehr eine derart exponierte Rolle zukam, dürfte auch darauf zurückzuführen sein, daß die stärkste Reizfigur für die Fraktion, Innenminister Frieder Birzele, in der neuen Landesregierung nicht mehr amtierte. Ohnehin hatte die Fraktion feststellen müssen, daß sie mit ihrem aggressivem Habitus im Landtag wenig erreicht hatte. Da die Republikaner mit der Berichterstattung der Nachrichtenagentur dpa ohnehin haderte, war es daher konsequent, ab Juli 1996 erneut ein eigenes Mitteilungsblatt herauszugeben, zumal der „B.W.-Report“ bereits 1992 eingestellt worden war. Was die Themen anlangte, schien sich die Pressearbeit nach fünfjähriger Zugehörigkeit zum Landtag 1996 insgesamt auf dem Niveau von 1995 verfestigt zu haben: Nach anfänglicher Fixierung auf das Thema Ausländer hatte sich die Fraktion zunehmend andere Themen zu eigen gemacht. Gleichwohl gab es nach wie vor Politikfelder, in denen die Fraktion kein Profil zu entwickeln vermochte. Gleichfalls bestand unverändert die Neigung, Ausländer als Ursache verschiedener Mißstände speziell in den Feldern Finanzen, Soziales und Arbeitsmarkt heranzuziehen. Auch wenn die Vehemenz der Attacken nach der 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 270

Landtagswahl nachgelassen hatte: große Energie verwandten die Republikaner noch immer darauf, den politischen Gegner zum Thema zu machen. Erweitert hatte die Fraktion währenddessen den Stil ihrer Schreiben. Dominierten anfangs Erklärungen, in denen Polemik, persönliche Angriffe und auch Diffamierungen überwogen, so setzten die Republikaner später auch auf eher nüchterne Mitteilungen. Großenteils verantwortlich dafür war auch die erweiterte Bandbreite der Themen, die nicht immer Polemik und persönliche Angriffe zuließen. Gleich zu Beginn des Jahres 1997 schien Wolfram Krisch die von Rolf Schlierer zum Jahreswechsel formulierten Vorgaben umsetzen zu wollen. Die angekündigte Offensive in Sachen Arbeitsmarkt entpuppte sich alsbald als weitere Kampagne gegen die europäische Integration sowie gegen Ausländer und Flüchtlinge. Die europäische Einigung und speziell die europäische Einheitswährung entwickelte sich dabei wie zuvor die Ausländerpolitik zu einem Themenkomplex, auf den die Fraktion stets aufs neue als Problem hinwies. Denn wie die Mitteilungen des Jahres 1997 belegten, führten die Republikaner ungeachtet eines insgesamt gemäßigteren Duktus´ und einer abnehmenden Zahl der Erklärungen, die sich direkt auf die Ausländer- und Asylpolitik bezogen, allerlei Mißstände unverändert vor allem auf die Ausländer und Flüchtlinge, neuerdings verstärkt auch auf islamische Umtriebe, im Land zurück. Zugleich bot vor allem die Auseinandersetzung um die umstrittene Zahlung der Wahlkampfkostenerstattung an die FDP die Gelegenheit, die Partei als oppositionelle Wahrer der Wählerinteressen gegenüber den Parteien und als Verfassungspatrioten darzustellen. Zogen die Klausurtagungen zum Haushaltsetat, zur Kriminalität und zur Ämterschließung entsprechende Erklärungen und auch parlamentarische Initiativen nach sich, so setzte die Fraktion nach ihren Beratungen zum Energiewirtschaftsgesetz keine entsprechenden Akzente in ihrer Arbeit. Insgesamt hatten die Republikaner damit bis 1995 ihre thematische Bandbreite vergrößert. 1996 und 1997 erweiterten sie in erster Linie die Formen, in denen sie ihre Positionen darstellten. Ob kommunale Finanzkrise, Arbeitslosigkeit oder Kriminalität - je nach Bedarf gaben die Abgeordneten nun kurze Polemiken oder ganze Konzepte an die Medien. Die einen sorgten kurzfristig für Aufmerksamkeit. Die anderen dienten der Selbstdarstellung als kompetente Akteure auf dem landespolitischen Parkett; zu Beginn der elften Legislaturperiode, so steht zu vermuten, hätte die Fraktion derart nüchtern und ausführlich nicht Stellung beziehen können, selbst wenn sie gewollt hätte. Das erweiterte Aktionsparameter bot der Fraktion die Möglichkeit, durch ein seriöseres Bild in der 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 271

Öffentlichkeit das Spektrum der Wählerschaft der Republikaner weiterhin zu verbreitern. Die polemischen Ausfälle hatten dadurch nichts von ihrer Schärfe verloren. Der thematische Bezug zu den parlamentarischen Initiativen blieb dabei marginal. Inhaltlich korrelierte die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion, mit Ausnahme der dauerpräsenten Asyl-, Ausländer- und Flüchtlingspolitik, allein 1995 während des Landtagswahlkampfes mit den Initiativen im Parlament. Daß einige Bereiche in der Öffentlichkeitsarbeit nach wie vor ein Nischendasein führten, mag nicht nur auf mangelndes Interesse oder fehlende Kompetenz der Republikaner, sondern auch darauf zurückzuführen sein, daß die Fraktion den Schwerpunkt auf Themen legte, die ein Höchstmaß an öffentlichem Interesse versprachen.

6.3 Reden im Parlament

Im ersten Jahr ihrer Zugehörigkeit zum Landtag ergaben die Redebeiträge der Republikaner im Parlament kein einheitliches Bild. Während Polemik die Mehrzahl der Erklärungen prägte, gaben sich die Abgeordneten zuweilen auch unerwartet konziliant. Drastisch äußerte sich die Fraktion insbesondere zu Fragen der Ausländer- und Asylpolitik. Die Rede Lothar Königs vom „letzten Kuhdorf“, in die die Kunde vom geänderten Asylrecht dringen sollte, deutete darauf hin, daß die Äußerung des Landesvorsitzenden Käs, die Nachricht von der Änderung des Asylrechts solle „bis ins letzte Negerdorf“ vordringen, keine einmalige Abqualifizierung Fremder war, sondern eine den Republikanern gängige Sprache. Dazu paßte, daß König in seinem Beitrag nicht von den sogenannten Altfällen des Asylrechts, sondern von „Altlastensanierung“ sprach1611. Sein Beitrag zur Initiative der Landesregierung im Bundesrat zur Änderung des Asylrechts belegte zugleich, daß die Republikaner mit Hilfe der materiellen Versorgung Druck auf Flüchtlinge ausüben wollten, Deutschland erst gar nicht zu betreten. Zugleich sorgte die Fraktion für eine starke Verschärfung des Umgangstons gegenüber Andersdenkenden im Plenum, wenn es etwa hieß, Innenminister Frieder Birzele wolle „alle Rassen und Völker am liebsten einzeln an der Grenze zu ihrem Übertritt beglückwünschen“1612. Zugleich wirkten die Abgeordneten nicht selten ungeübt im rhetorischen Gefecht. Wenn etwa Richard Eckert im Parlament seine Unwissenheit einräumte, so äußerte sich die fehlende Erfahrung der Republikaner weniger in dem Umstand, daß Eckert die Frage eines Abgeordneten der Grünen zur Energiepolitik nicht beantworten konnte, sondern eher darin, daß er dies derart offen zugab.

1611 PlPr 11/487. 1612 zit. nach Süddeutsche Zeitung, 9. Oktober 1992. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 272

Anders als die vielen Landtagsdebutanten der Republikaner, deren polternde Äußerungen womöglich Unsicherheit kaschieren sollten, präsentierte sich der Fraktionsvorsitzende Rolf Schlierer. Auch er provozierte, wie mit seiner Erklärung zur vermeintlichen „Entropie“ beim „Zusammenmixen von Kulturen“. Zugleich bemühte sich der Jurist jedoch von Anfang an darum, Sachverstand zu demonstrieren. Dabei kam ihm zugute, daß er sprachlich wesentlich gewandter auftrat als seine Fraktionskollegen. Ungeachtet deren Unerfahrenheit im parlamentarischen Umgang gelang es den Republikanern, sich in der Asylpolitik im Landtag zu profilieren. Da zwischen Koalition und Republikanern im Grundsatz Einigkeit herrschte in der Frage der Anrechnung anerkannter, geduldeter oder abgelehnter Asylbewerber bei der Zuweisung von Flüchtlingen in Kommunen und Differenzen allein in der Frage der Höhe der Anrechnungsquote bestanden, konnten die Republikaner aufgrund deren weitreichenderen Forderungen die Vorlagen der Regierungsfraktionen als „Stückwerk“ kritisieren und die Koalition weiter vor sich her treiben, ohne ihre Position überzeugend begründen zu müssen. Dies fiel ihnen um so leichter, da auch SPD-Abgeordnete Nachbesserungen der Regelung bereits vor deren Verabschiedung vorsorglich nicht ausschließen wollten. Ab 1993 gewann das Bild, das die Republikaner im Landtag boten, deutlichere Konturen. Polemisch und provokativ zeigte sich die Fraktion demnach in den Debatten über Ausländer- und Asyl- sowie Innen- und Kriminalpolitik, gemäßigter äußerten sich vor allem Rolf Schlierer und Ulrich Deuschle, teilweise inkompetent präsentierte sich die Fraktion indes in Redebeiträgen und Voten abseits der Ausländer- und Asylpolitik. So war das uneinheitliche Abstimmungsverhalten der Fraktion in der Frage der von ihr erst thematisierten Abgeordnetenreisen nicht geeignet, Kompetenz in der Sache oder im parlamentarischen Umgang zu demonstrieren. Dessenungeachtet traten die Abgeordneten der Republikaner, gemessen an der Zahl ihrer parlamentarischen Initiativen, relativ häufig hinter das Rednerpult, einerseits, weil die Rede im Parlament eine größere öffentliche Wirkung versprach, als ein Antrag, der an die Ausschüsse verwiesen würde, andererseits, weil die Republikaner zumindest anfangs mit den Erfordernissen parlamentarischer Initiativen noch weniger vertraut schienen als mit denen von Redebeiträgen im Landtag. Die Häufigkeit der Äußerungen war dabei innerhalb der Fraktion entsprechend der internen Hierarchie verteilt. Auf die Fraktionsspitze um Rolf Schlierer und Ulrich Deuschle entfielen die meisten Wortbeiträge. Wie im Falle ihrer parlamentarischen Initiativen und ihrer Öffentlichkeitsarbeit nutzten die Republikaner dabei ihre Redebeiträge dazu, von der Debatte abzuschweifen und die Asyl- sowie Ausländerpolitik zu thematisieren. Der Grund ist zum einen in der fehlenden Sachkenntnis zu sehen, welche die Abgeordneten dazu verleitete, sich thematisch auf ein nach 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 273 ihrem Empfinden sicheres Terrain zurückzuziehen. Zum anderen waren die Verknüpfungen diverser Themen mit der Ausländerpolitik nicht nur Folge mangelnder Sachkenntnis und Rhetorik oder das Ergebnis taktischen Kalküls, sondern entsprangen zu einem Gutteil dem Weltbild mancher Abgeordneten. Wie die Äußerungen Karl-August Schaals in der Aktuellen Debatte nach dem Anschlag auf sein Haus belegten, sahen die Republikaner linksextremistische Bestrebungen in einer Reihe mit Drogen in Jugendhäusern - als von der Landesregierung zu verantwortende Phänomene gesellschaftlicher Desorganisation mithin, denen mit den Mitteln des Strafrechts zu Leibe zu rücken sei. In diesem Verständnis, das Schaal durch die Verwendung des Wortes „Wir“ noch verfestigte, erschienen die Republikaner, gemeinsam mit der Polizei, als Hüter von Recht und Ordnung, während sich eine zumindest fahrlässige und ignorante Landesregierung gegenüber der linksextremen Szene, in der Drogen- sowie in der Ausländerpolitik als gleichermaßen machtlos erwies. Dabei stand dem selbstgesteckten Anspruch als Anwalt der Interessen der schweigenden Mehrheit zugleich zunehmend das Bemühen um innerparlamentarische Anerkennung gegenüber. Nachdem die Republikaner aber zunächst selbst für eine Verschärfung des Umgangstons im Parlament gesorgt hatten, so waren nunmehr sie verstärkt Ziel von Beleidigungen und persönlichen Attacken. Das Phänomen, politische Fragen aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang zu lösen und in einen asyl-, ausländer- oder europapolitischen Kontext zu stellen, dauerte bis Ende der elften Legislaturperiode an. In ihrer Rhetorik zeigten sich die Abgeordneten nach wie vor unterschiedlich begabt. Während sich etwa Ulrich Deuschle gleichberechtigt an der Debatte auch schwieriger Fragen beteiligte, blieben viele seiner Fraktionskollegen den Vertretern anderer Parteien unterlegen. In der ausländerpolitischen Argumentation der Republikaner war währenddessen eine stärkere Variation der Argumente unverkennbar, wenn sich die Abgeordneten etwa die Gleichberechtigung der Arbeiter aller Nationen auf die Fahnen schrieben, bevor sie daran die Forderung einer Diskriminierung zwischen deutschen und ausländischen Arbeitern knüpften. Die Äußerungen Michael Herbrichts trugen dagegen offen extremistische Züge und zeugten von einer Überhöhung der Homogenität eines fiktiven Volksganzen. Offenbar waren die Unterschiede sowohl in der Rhetorik als auch in den Aussagen weniger auf eine Taktik der Fraktion, sondern eher auf das Wesen und die Fähigkeiten der einzelnen Abgeordneten zurückzuführen. Bemühungen um Akzeptanz und auch Angebote einer Kooperation, welche gleichwohl ausgeschlagen wurden, kontrastierten mit persönlichen Attacken auf das politische Gegenüber. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 274

Mit den Gepflogenheiten und technischen Prozessen im Parlament zeigten sich die Republikaner unterdessen zunehmend vertraut. In der Debatte über die Notwendigkeit einer Geschäftsordnung der Landesregierung zum Beispiel bediente sich die Fraktion sämtlicher Mittel wie dem Antrag auf Bestellung von Ministerpräsident Teufel in den Landtag sowie dem Antrag auf namentliche Abstimmung, um die Vertreter der übrigen Parteien in Verlegenheit zu bringen. Da die anderen Parteien eine Initiative der Republikaner aus Gründen der Fraktionsdisziplin nicht unterstützen wollten, votierten sie gegen den Gesetzentwurf der Republikaner. Deren Fraktion vermochte sich damit als Hüter der Verfassung zu profilieren, während die übrigen Parteien als einheitliche Front derer dastanden, die es mit der Transparenz nicht allzu genau nahmen. Hätte sich nicht nur der FDP-Abgeordnete Scharf der Stimme enthalten oder hätte gar für die Vorlage der Republikaner gestimmt, hätte in dieser Frage gar eine Spaltung der übrigen Parteien, wenn nicht der Koalition glücken können. Diese Spaltung der Koalition gelang der Fraktion dann in den Abstimmungen über die Vereinbarkeit von Amt und Mandat von Bürgermeistern und Landräten und über den Gesetzentwurf zum Pflegeversicherungsgesetz. Dies bedeutete eine enorme Aufwertung und den bislang konkretesten parlamentarischen Erfolg für die Republikaner. Ihre Fraktion hatte erstmals die Gesetzgebung bestimmt, künftig konnten sie CDU und SPD als Druckmittel gegenüber dem Koalitionspartner dienen sowie als Instrument, mit dem sich der anderen Partei in der Koalition notfalls eine Niederlage beibringen ließ, um einzelne Anträge durchzusetzen. Die Debatte im Parlament über den vorangegangenen Abstimmungstriumph der Republikaner im Untersuchungsausschuß zum Verhalten der Behörden in der Steuersache Peter Graf verstärkte das Bild, daß die Republikaner künftig als Zünglein an der Waage fungieren und sich den Koalitionsparteien als Mehrheitsbeschaffer anbieten konnten. Damit waren sie prinzipiell als Partner im Parlament akzeptiert. Zudem trug das Bemühen der Republikaner, verstärkt Sachverstand einzubringen und möglichst konkrete Beispiele als Anlaß für Aktuelle Debatten zu nehmen, etwa die Arbeitsplatzgefährdung bei der DASA oder die Feuerbrandepidemie, zu einer Normalisierung im Umgang mit den Republikanern bei, die nun eher als Parlamentskollegen denn als Störenfriede auftraten. Nur in dieser Funktion schließlich konnte es ihnen gelingen, sich in der Debatte um die DASA als Lobbyisten der Beschäftigten der Luft- und Raumfahrt zu profilieren1613.

1613 vgl. PlPr 11/6211-26. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 275

Die mitunter kollegialere Umgangsweise mit dem politischen Gegner, die verstärkte Nutzung der parlamentarischen Möglichkeiten und das größere Bemühen um Sachkenntnis deuteten darauf hin, daß die Republikaner im Begriff waren, eine Fraktion wie jede andere zu werden. Auch wenn die übrigen Fraktionen nach wie vor Distanz hielten, bemühten sich die Republikaner erkennbar darum, dazu zu gehören. Von ihren ausländerpolitischen Positionen waren die Republikaner dabei nicht abgerückt, wie ihre Debattenbeiträge zeigten. Die Redebeiträge belegten zudem, daß die Fraktion ihrer Ankündigung, den Wahlkampf vor der Landtagswahl unter anderem mit dem Thema Islam zu bestreiten, im Parlament kaum Taten hatte folgen lassen. In ihrer Häufigkeit und Thematik ließen die Redebeiträge der einzelnen Abgeordneten der Republikaner in der elften Legislaturperiode nicht nur eine Aufteilung nach der Position in der internen Hierarchie, sondern auch eine Aufteilung nach Ressorts erkennen, die der klassischen Rollenverteilung entsprach: Die einzige Frau in der Fraktion widmete sich den sozialen Themen, während die innen- und finanzpolitischen Fragen eine Domäne der Männer blieb. In der zwölften Legislaturperiode setzte sich die Normalisierung des Verhaltens und des Umgangs mit der Fraktion fort. Zu einem guten Teil war dies darauf zurückzuführen, daß die Republikaner in ihren Beiträgen zunehmend die angemessenen Worte fanden und somit geschickter in Szene setzten. Mit seinen Mahnungen zu Toleranz und Fairness im parlamentarischen Umgang zum Beispiel hielt Alterspräsident Eduard Hauser zur Eröffnung des zwölften Landtags eine Rede, die grundsätzlich auch von einem Vertreter einer jeden anderen Fraktion im Landtag hätte stammen können. Bezogen auf den baden- württembergischen Landtag indes schien der Adressat klar - vor allem CDU, SPD, FDP/DVP und Grüne sollten ihr Auftreten gegenüber den Republikanern überdenken. Allem voran in Fragen der Innen- und Ausländerpolitik nahm zugleich die Übereinstimmung zwischen Republikanern und den übrigen Fraktionen im Landtag zu. Dabei näherten sich CDU, FDP und SPD den Positionen der Republikaner an. Deren Abgeordnete konnten es sich daher etwa in der Debatte des SPD-Antrags zur Korruptionsbekämpfung leisten, die Forderungen der SPD als teilweise überzogen abzulehnen. Seine Fraktion, erläuterte Heinz Troll, halte die in dem Antrag erhobenen Forderungen weitgehend für sinnvoll und notwendig und bis auf eine Ausnahme auch für zustimmenswert. Der Forderung nach Beschlagnahme und Einziehung kriminellen Vermögens bei voller Beweislastumkehr für den Vermögensinhaber werde die Fraktion aber aus rechtsstaatlichen Gründen nicht 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 276 zustimmen1614. Bei allen inhaltlichen Übereinstimmungen und auch anerkennenden Worten kam es im Plenum gleichwohl nach wie vor gegenüber den Republikanern mitunter zu groben Beleidigungen wie etwa „Sie dummes Arschloch“, die das Landtagspräsidium nicht ahndete. In der Affäre um den Steuerbeamten Rudi Märkle verbuchte die Fraktion im Sommer 1997 einen beachtlichen Erfolg, aus dem zwar kein Abstimmungsmehrheit, jedoch abermals eine Aufwertung ihrer Position als Opposition resultierte. Als die Mannheimer Staatsanwaltschaft das Büro und das Privathaus des Immobilienmaklers und Konzertveranstalters Matthias Hoffmann auf Grund des Verdachts der Steuerhinterziehung untersucht hatte, war offenbar geworden, daß der Verdächtige rechtzeitig einen Hinweis erhalten hatte. Bei einer Zeugenvernehmung hatte sich herausgestellt, daß der oberste Steuerbeamte des Landes, Ministerialdirigent Rudi Märkle, am Stammtisch gegenüber einem Bekannten Hoffmanns entsprechende Informationen weitergegeben hatte1615. Finanzminister Gerhard Mayer- Vorfelder hatte es jedoch abgelehnt1616, disziplinarrechtliche Schritte gegen seinen ehemaligen Studienkollegen und engen Freund1617 einzuleiten, und als oberster Dienstherr der Finanzbehörden die gemäß Strafprozessordnung nötige Zustimmung zur Zeugenvernehmung versagt1618. Die Strafverfolger konnten somit ihre Ermittlungen wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen nicht fortsetzen und stellten das Verfahren zunächst ein1619. Erst auf Betreiben von Ministerpräsident Erwin Teufel1620 ermöglichte der Minister doch noch Ermittlungen. Hatte das Finanzministerium ursprünglich erklärt, eine Prüfung durch die Rechtsabteilung habe zweifelsfrei ergeben, daß Märkle das Dienstgeheimnis nicht verletzt habe1621, so stellte es ganze vier Tage darauf nun seinerseits Strafantrag wegen Verletzung des Steuergeheimnisses1622. Zur Begründung führte Mayer-Vorfelder an, die Ermächtigung sei erteilt worden, weil eine Verurteilung nicht zu erwarten sei. Die setze beim Verrat von Dienstgeheimnissen den Vorsatz voraus, fahrlässiger Geheimnisverrat sei dagegen nicht strafbar1623. Tatsächlich bestimmt jedoch § 353 des Strafgesetzbuches, daß auch jemand, der durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, mit einer

1614 vgl. PlPr 12/2117. 1615 vgl. Süddeutsche Zeitung, 15. Juli 1997. 1616 vgl. Heilbronner Stimme, 11. Juli 1997. 1617 vgl. Stuttgarter Zeitung, 16. Juli 1997. 1618 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 12. Juli 1997. 1619 vgl. Heilbronner Stimme, 12. Juli 1997. 1620 vgl. Heilbronner Stimme, 16. Juli 1997. 1621 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 12. Juli 1997. 1622 vgl. Heilbronner Stimme, 16. Juli 1997. 1623 vgl. Heilbronner Stimme, 18. Juli 1997. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 277

Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe belegt wird. Wie sich im Parlament herausstellte, war Rolf Schlierer der einzige Abgeordnete gewesen, der die Behauptung Mayer-Vorfelders überprüft hatte und dessen Angaben im Plenum widerlegen konnte. Die Landespartei von Bündnis 90/Die Grünen forderte daraufhin erfolglos den Rücktritt des Ministers1624. Im November dann stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Märkle wegen geringer Schuld gegen eine Geldstrafe von 1.300 Mark ein, eine von den Grünen beantragte Mißbilligung des Ministers lehnte der Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP ab1625. Während Schlierer schon aufgrund seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender besonders häufig hinter das Rednerpult trat, hatten die Republikaner auch in der zwölften Legislaturperiode Abgeordnete in ihren Reihen, die kaum Beiträge entwickelten. So hatte sich Eduard Hauser bis Dezember 1997, abgesehen von der Eröffnungsrede als Alterspräsident, in der gesamten Legislaturperiode noch kein einziges Mal zu Wort gemeldet1626. Insgesamt ist festzustellen, daß sich das Verhalten der Fraktion in den sieben Jahren ihrer Mitgliedschaft im Parlament grundlegend veränderte. Anfangs besaß die Abgeordnetengruppe im Plenum den Status des Paria, der sich durch fehlende Sachkenntnis, handwerkliche Fehler im parlamentarischen Alltag und durch ungeschickte Auftritte im Parlament selbst disqualifizierte. Hatten dabei anfangs die Republikaner für eine spürbare Verschärfung des Umgangstons im Parlament gesorgt, so kamen in späteren Jahren Beleidigungen und persönliche Attacken vor allem aus den Reihen des politischen Gegners der Fraktion um Rolf Schlierer. Im Laufe der Jahre fand dann sukzessive eine Annäherung zwischen Republikanern und den übrigen Fraktionen statt. Paßten sich die Republikaner in erster Linie formal, etwa in Fragen des Umgangs und der Art der Arbeit im Parlament den übrigen Parteien an, so näherte sich vor allem die Regierungskoalition der Oppositionspartei inhaltlich. Aufgrund dieser Entwicklungen gelang es den Republikanern schließlich, bei Uneinigkeit der Regierungsfraktionen selbst Abstimmungen über Gesetze zu entscheiden.

1624 vgl. Heilbronner Stimme, 22. Juli 1997. 1625 vgl. Heilbronner Stimme, 13. November 1997. 1626 vgl. Heilbronner Stimme, 6. Dezember 1997. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 278

6.4 Die Arbeit in den Ausschüssen

Bei der Benennung der Mitglieder in den Ausschüssen und deren Stellvertreter waren in erster Linie diejenigen Republikaner in wichtige und auch in mehrere Funktionen gelangt, die bereits in der Fraktion mit herausragenden Positionen betraut worden waren, wie etwa der Fraktionsvorsitzende Rolf Schlierer und dessen Stellvertreter Ulrich Deuschle. Unterrepräsentiert in den Gremien war dagegen Max Reimann, überhaupt nicht vertreten waren Willi Auer sowie später Bernhard Amann - Parlamentarier, die sich auch im Plenum nicht als die Eifrigsten und rhetorisch Beschlagensten erweisen sollten. In den ersten Jahren fiel es den Abgeordneten leicht, umfangreiche Kürzungsvorschläge einzubringen. Als Neulinge mußten sie sich keiner Lobbygruppe verpflichtet fühlen und keinerlei Rücksichten nehmen, etwa mit ihrer Forderung, komplette Etatposten zu streichen, selbst wenn sie dabei ihrem Anspruch als Wächter deutscher Kultur nicht gerecht wurden wie mit ihrem Vorstoß, den Zentralfonds für die Anschaffung von Spitzenwerken für die staatlichen Kunstsammlungen von rund elf Millionen Mark sowie die Mittel für den Erwerb von Kunstgegenständen ersatzlos entfallen zu lassen. Anders verfuhren die Abgeordneten mit den Polizisten des mittleren Dienstes, denen sie beruflich drastisch verbesserte Aufstiegschancen verschaffen wollten. Die Ordnungshüter stellten schon programmatisch für die Republikaner eine Hauptzielgruppe dar, weshalb die Fraktion aus freien Stücken als Lobby für diese Wähler auftrat. Die in Teilen schlechte Vorbereitung der Initiativen im Parlament schlug sich auch in den Ausschüssen nieder, wie die Behandlung des Antrags zu den islamischen Verbänden im Land zeigte. Darüber hinaus zeigten sich die Vertreter der Republikaner in den Ausschüssen taktisch wenig versiert, wenn sie ihre Anträge vereinzelt kämpferisch begründeten und mit Angriffen auf den politischen Gegner verbanden wie im Falle ihres Vorstoßes zur Kürzung der Mittel für das Landesamt für Verfassungsschutz. Schließlich richteten sich die Äußerungen an die Parlamentarier nicht an die Öffentlichkeit. In den nicht öffentlichen Sitzungen der Gremien wurde den Republikanern denn auch erstmals Anerkennung zuteil. Als vernünftig bezeichnete Innenminister Frieder Birzele zum Beispiel den Vorschlag der Republikaner, den dienst- und arbeitsrechtlichen Schutz für Gemeinderäte auf Gemeinderatskandidaten auszudehnen1627. Aus den Äußerungen des SPD- Vertreters im Ausschuß war zu schließen, daß der Vorstoß der Republikaner in erster Linie an der Fraktionsdisziplin von CDU und SPD scheiterte. Mit ihren Vorstößen zur Senkung der

1627 vgl. Drs. 11/3487, S. 9. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 279

Quoren für Bürgerantrag, Bürgerversammlung und Bürgerentscheid gingen die Republikaner in ihrem Bestreben nach mehr direkter Demokratie wiederum selbst den Grünen zu weit. Insgesamt indes wies die Ausschußarbeit der Republikaner nach drei Jahren Mitgliedschaft im Landtag noch zahlreiche Defizite auf. Meist offenbarten die Abgeordneten in den mündlichen Begründungen der Anträge eine eklatante Armut an Argumenten und beschränkten sich darauf, auf die schriftliche Begründung zu verweisen. Wiederholt zeigten sie sich auch nicht mit den formalen Erfordernissen der Arbeit im Ausschuß vertraut. Dabei war gleichwohl zu erkennen, daß die Abgeordneten im Laufe der Zeit zunehmend freier und ausgiebiger redeten. Zugute war ihnen überdies zu halten, daß sie aufgrund ihrer geringen Fraktionsstärke pro Kopf mehr Arbeit aufwenden mußten, wollten sie ähnlich produktiv und effizient arbeiten wie etwa SPD oder CDU. Durchsetzen konnten sie sich mit ihren Eingaben im Ausschuß in keinem Fall, was angesichts des politischen Frontverlaufes nicht verwunderte. Schließlich versuchten die Vertreter der Fraktion, die Politik der Partei zwar in moderaterem Ton als im Plenum, in der Sache indes ohne Kompromisse umzusetzen, wie die zahlreichen Haushaltsänderungsanträge zu den Etats für die Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen zeigten. Daß die Republikaner sich zuweilen als nicht ausreichend vorbereitet erwiesen, dürfte bei der Durchsetzung politischer Forderungen indes kaum geholfen haben. Die identisch lautende schriftliche Begründung verschiedener Anträge erweckte nicht den Anschein, als hätte die Fraktion jeden ihrer Vorstöße eigens durchdacht - zumal die Republikaner im Ausschuß die Begründung zuweilen nur wiederholten1628. Im Vergleich zum Auftreten der Fraktionen im Parlament fiel gleichwohl der kollegialere Umgang der Abgeordneten untereinander auf, wie auch 1995 die Beratung der Änderungsanträge zum Etat des Verkehrsministeriums zeigte. Anträge der Republikaner wurden zwar nicht nur aus inhaltlichen Gründen, sondern mitunter auch aus Prinzip abgelehnt. In solchen Fällen hingegen stellte der politische Gegner, wie die Diskussion um die Änderung der Gemeinde- und Landkreisordnung zeigte, zuweilen klar, daß seine Fraktion den Vorstoß allein aus Gründen der Fraktionsdisziplin nicht unterstützen werde. Zurückzuführen war dies auch auf die in der Regel moderatere Wortwahl der Republikaner und auf den Umstand, daß sie in den Ausschüssen bereits früh um die Unterstützung der anderen Fraktionen buhlten. Dabei gelang es den Vertretern der Republikaner mitunter, Stimmen von Abgeordneten anderer Parteien zu gewinnen - zumal sie etwa mit der Forderung nach Rückführung des Schuldendienstes an die Flughafen Stuttgart GmbH Positionen vertraten, die auch die Grünen

1628 vgl. Drs. 11/5208, S. 12. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 280 in ihren Anträgen vortrugen1629. Zugleich belegte die Diskussion des Antrages zur Aufstockung der Zuschüsse an Familienferienstätten, daß die übrigen Parteien den Anträgen der Republikaner ihre Stimme zuweilen auch dann nicht gaben, wenn sie die Initiativen inhaltlich begrüßten. Im Ausschuß schien somit ein undogmatischerer Umgang mit den Vorstößen der Republikaner vorzuherrschen als im Plenum. Die Klage der Republikaner nach Ablehnung des Gesetzantrages zur Änderung des Schulgesetzes und zur Änderung des Landespersonalgesetzes, die übrigen Parteien sprächen sich „wohl deshalb gegen den Gesetzentwurf aus, weil er von den Republikanern“ stamme1630, war daher weniger denn je verallgemeinerbar. Festzustellen blieb wohl, daß die Vertreter der Republikaner im allgemeinen kaum Anstrengungen unternahmen, durch zusätzliche Argumente während der Sitzungen die Mitglieder des Gremiums auf ihre Seite zu ziehen oder ihnen auch nur eine Debatte aufzuzwingen. Somit wurden im Ständigen Ausschuß denn auch die Anträge der Fraktion zur Änderung der Verfassung in beachtlicher Geschwindigkeit abgehandelt und abgelehnt. Inhaltlich blieben die Republikaner in den Ausschüssen ihrer Programmatik bis Ende der elften Legislaturperiode treu. So beriefen sie sich zwar, wie auch im Plenum, allzeit auf die deutsche Kultur, erklärten indes nicht, was ihrer Ansicht nach darunter zu verstehen sei. Entsprechende Aktivitäten in Parlament und Plenum blieben aus, und auch in den Ausschüssen war ein besonderes Engagement in der Kulturpolitik nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Angesichts der Haushaltsanträge zum Doppelhaushalt 1995/96 dürften sich Baden- Württembergs Kulturschaffende von den Republikanern kaum vertreten gefühlt haben. Auch in der zwölften Legislaturperiode ließen sich die Vertreter der Republikaner im Finanzausschuß zu Fragen der Kultur in der Regel nicht vernehmen, wie die Beratungen des Zweiten Nachtragshaushaltes 1996 zeigten1631. Um so eifriger wollten sie in den Anträgen zum Etat des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum ihre Programmatik hinsichtlich Polizei und Agrarwirtschaft durchsetzen. In Fragen der Umwelt- und der Verkehrspolitik vermochten es die Republikaner nicht, eine eigene Handschrift zu entwickeln. Sie formulierten Anträge, die ebenso von den übrigen Parteien hätten stammen können. So brachten Republikaner und Grüne zum Staatshaushaltsplan 1997 identische Vorlagen zur Erhöhung der Zuweisungen an Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreise zur

1629 vgl. Drs. 11/5352-7. 1630 vgl .Drs. 11/5645, S. 2. 1631 vgl. Drs. 12/499, S. 40. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 281

Sanierung von Altablagerungen ein1632. Die Abstimmungsergebnisse im Finanzausschuß, wo die Anträge der Republikaner jeweils einstimmig bei zwei Gegenstimmen abgelehnt wurden, deuteten indes darauf hin, daß es den nunmehr zwei Vertretern der Fraktion in den Ausschüssen auch 1996 grundsätzlich nicht gelang, Mitglieder anderer Fraktionen auf ihre Seite zu ziehen. Auch mit ihrer Initiative zur Änderung des Polizeigesetzes drangen die Republikaner nicht durch. Ein Erfolg ihrer Arbeit kann gleichwohl darin gesehen werden, daß die Landesregierung unmittelbar nach den Republikanern ebenfalls einen Vorstoß zur Änderung des Polizeigesetzes präsentierte, dem auch die Republikaner zustimmen konnten unter der Voraussetzung, daß die Bestimmungen des Gesetzentwurfes der Republikaner zum Datenschutz in den Entwurf der Landesregierung übernommen würden1633. Schließlich wollte die Landesregierung laut ihrem Entwurf bereits sogenannte verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglichen1634, welche ursprünglich auf Forderungen der Republikaner zurückgingen. Dem Entwurf der Landesregierung zufolge durfte die baden-württembergische Polizei künftig jedermann im Rahmen der präventiven Verbrechensbekämpfung ohne Voraussetzung kontrollieren, den sie in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs oder auf Durchgangsstraßen antraf1635. 1997 fiel in erster Linie auf, daß die Quantität der Anträge in den Ausschüssen zu-, die Freude an deren Begründung indes abnahm. Darüber hinaus zeigte sich die Fraktion auch fünf Jahre nach ihrem Einzug ins Parlament den Erfordernissen der täglichen Ausschußarbeit nur bedingt gewachsen. Zwar brachten die Republikaner etwa bei den Beratungen zum Etat des Staatsministeriums im Staatshaushalt zahlreiche Änderungsanträge ein. Im Finanzausschuß aber versäumten es die beiden Vertreter der Fraktion, deren Interessen vor der Abstimmung zu vertreten. Bei den Beratungen zum Haushaltsetat 1997 mußten die Republikaner zudem noch immer Anträge zurückziehen, weil sie sich ungenügend informiert hatten, bevor sie die Eingaben eingereicht hatten. Überdies zeugten die verschiedenen Anträge zum Etat des Landesamtes für Verfassungsschutz, die einerseits eine Abwicklung des Amtes, andererseits eine Erhöhung der Einnahmen der Behörde vorsahen, nicht von ausgeprägter Koordination innerhalb der Fraktion.

1632 vgl. Drs. 12/910-10, -18. 1633 vgl. die Anträge Drs. 12/32 und 12/52, vgl. die Ausschußdebatte Drs. 12/117, S. 2. 1634 vgl. die Debatte im Ausschuß in Drs. 12/117, S. 6 f. 1635 vgl. Drs. 12/52, vgl. dazu auch die kritische Stellungnahme des Landesbeauftragten für den Datenschutz, in: Drs. 12/117, S. 9. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 282

Nicht nur deswegen jedoch verzeichneten die Republikaner keine Abstimmungserfolge. Die Fraktionsdisziplin der übrigen Parteien ging offenbar so weit, daß selbst Anträge der Republikaner abgelehnt wurden, die auch die übrigen Mitglieder im Gremium für sinnvoll hielten, wie die Diskussion um die Erhöhung der Ansätze zur Konservierung von Archiv- und Bibliotheksgut nahelegte. Als es um eine bessere Ausstattung der Verbraucheraufklärung ging, entschied sich die Ausschußmehrheit für die von CDU/FDP und Grünen in gleichlautenden Anträgen begehrte Aufstockung von drei auf 3,8 Millionen Mark, während die von den Republikanern geforderte Erhöhung auf 4,1 Millionen Mark gegen zwei Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt wurde1636. Eine Ausnahme in diesem Zusammenhang bildete die Anregung zur Änderung der Bibliotheksgebühren, welche die Landesregierung aufnahm, obwohl sie von den Republikanern stammte. Bei allen Abstimmungsniederlagen im Ausschuß kam den Republikanern, nach der Änderung des Polizeigesetzes 1996, durch ihren Vorstoß zur Aufhebung der Kürzung der Graduiertenförderung auch 1997 eine Initiativfunktion zu: Zwar wurde ihr Begehren, die Mittel von sechs Millionen auf das Vorjahresniveau von acht Millionen Mark anzuheben, abgelehnt und statt dessen der Koalitionsvorstoß einer Anhebung auf sieben Millionen angenommen. Der Antrag der Landesregierung wurde aber erst eingebracht, als der Vorstoß der oppositionellen Republikaner bereits vorlag1637. Auch was die Kürzungen der Mittel für die Flüchtlingsaufnahme betraf, durften die Republikaner für sich in Anspruch nehmen, mit ihren Initiativen Vorreiter der Entwicklung gewesen zu sein1638. Inhaltlich setzte die Fraktion in ihren seltenen kulturpolitischen Initiativen den Kurs der vorangegangenen Jahre fort: Die Mittel für etablierte Kultur sollten nach Möglichkeit gekürzt, die Förderung nicht etablierter Kultur abgeschafft werden; der Antrag auf Erhöhung der Mittel für Jugendmusikschulen war einer der wenigen Vorstöße der Fraktion, die, wenn auch entfernt, mit Kulturpolitik in Verbindung zu bringen waren und keine Streichung vorsahen. Ein eigenes Profil als Förderer der Kultur gewannen die Republikaner damit nicht - ihr Antrag deckte sich mit entsprechenden Vorstößen von SPD und CDU, von denen wiederum augenscheinlich aus Gründen der Fraktionsdisziplin nur der Antrag der Christdemokraten durchdrang1639. Mit ihren innenpolitischen Vorstößen folgte die Fraktion der Law-and-Order- Programmatik der Landespartei. Im Justizwesen begehrte sie einen harten Kurs gegenüber

1636 vgl. Drs. 12/907, S. 10. 1637 vgl. Drs. 12/914, S. 44 f, vgl. auch Drs. 12/914-5, -62. 1638 Drs. 12/903, S. 9 f. 1639 vgl. Drs. 12/904-29, -42, vgl. die Ausschußberatung in Drs. 12/904, S. 30. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 283

Straftätern zum Beispiel durch Einsparungen bei der Versorgung von Häftlingen, zugleich plädierte sie für eine Aufrüstung des Polizeiapparats. In der Sozialpolitik planten die Republikaner währenddessen die Beendigung sämtlicher Maßnahmen der sogenannten akzeptierenden sowie der betreuungsintensiven Jugendarbeit. Wie in der Ausländer- und Asylpolitik behielt die Fraktion auch in der Agrarpolitik ihre Linie bei. Allerorten forderte sie Kürzungen - das Ministerium Ländlicher Raum war derweil, neben den Dienststellen der Sicherheitskräfte, die einzige Behörde, der die Fraktion mehr Mittel einräumen wollte. Bei den Beratungen zum zweiten Nachtragshaushalt 1997 präsentierten die Republikaner dabei vielfach Initiativen, mit denen sie bereits gescheitert waren, etwa zu den sozialen Maßnahmen für ausländische Arbeitnehmer und deren Familien, zur Förderung der freien Wohlfahrtspflege, von Einrichtungen und Maßnahmen der Jugendhilfe, zur Förderung von Ehe-, Familien, und Lebensberatungsstellen sowie zur Kürzung der Finanzierung von Maßnahmen gegen Aids. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Republikaner der Ausschußarbeit offenbar wenig Bedeutung zumaßen. Zwar stellten sich in den Landtagsgremien eher als im Plenum ein kollegialerer Ton des Umgangs sowie auch Anerkennung gegenüber der Arbeit der Fraktion ein. Die Republikaner wußten dies aber nicht zu nutzen und nahmen nur gelegentlich ihre Initiativfunktion wahr. Während sich die Vertreter anderer Parteien an spontan entstandenen Diskussionen zum Teil rege beteiligten, beschränkten sich die Republikaner in der Regel darauf, auf die schriftliche Begründung ihrer Anträge zu verweisen oder sich ohne nähere Begründung dem Votum anderer Parteien anzuschließen. Daß die Republikaner dabei in der zwölften Legislaturperiode in ihren Anstrengungen eher nachließen, lag auch am Personal der Fraktion. In der Person Josef Huchlers vertrat nun zum Beispiel ein Parlamentsneuling die Republikaner im Finanzausschuß, der auch im Plenum nur unterdurchschnittliche Aktivitäten entwickelte. Zum einen dürfte das Verhalten der Republikaner in den Ausschüssen daher auf Unsicherheit und auf die begründete Furcht vor Blamagen zurückzuführen sein. Zum anderen deutete die untergeordnete Bedeutung der Arbeit in den Gremien, in denen den Republikanern offensichtlich die Öffentlichkeit als Adressat fehlte, darauf hin, daß die Fraktion als Opposition eine eher kompetitiv ausgerichtete Strategie verfolgten1640.

1640 die Frage der oppositionellen Strategie der Fraktion der Republikaner wird unter Gliederungspunkt 7.1.7 näher behandelt. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 284

6.5 Fazit der Landtagsarbeit

6.5.1 Elfte Legislaturperiode

Zumindest in den ersten anderthalb Jahren ihrer Anwesenheit im Landtag nahmen die Republikaner ihre oppositionellen Aufgaben der Kontrolle, der Kritik und der Entwicklung von Alternativen kaum wahr. Mit ihren Initiativen im Parlament entwickelten sie keinerlei Profil außer dem einer auf Ausländerpolitik fixierten Ein-Punkte-Partei. Gelegentliche Vorstöße auf anderen Gebieten liefen regelmäßig ins Leere und schadeten eher der Fraktion. Dies war der Fall, wenn etwa der später ausgeschiedene Abgeordnete Willi Auer in einer Kleinen Anfrage einen „permanenten Verstoß der Luftverkehrsgesellschaften gegen § 18 Abs. 5 Ausländergesetz“ bei der Beförderung von Ausländern ohne erforderliche Grenzübertrittspapiere beklagte1641, obwohl die betreffende Bestimmung zu diesem Zeitpunkt bereits außer Kraft getreten war1642, wenn die Fraktion bei der Landesregierung Informationen anforderte zu einem vermeintlichen Müllproblem in Asylbewerber- Sammelunterkünften, obwohl für die Beseitigung des Abfalls die Landkreise verantwortlich zeichneten oder wenn sie sich nach bestrahlten Import-Lebensmitteln erkundigte und sich von der Landesregierung darüber belehren lassen mußte, daß der Import solcher Waren verboten war1643. Ungleich zahlreicher und auch schärfer formuliert als die parlamentarischen Initiativen waren währenddessen die Pressemitteilungen der Fraktion. In diesen Veröffentlichungen gingen die Republikaner zuweilen weit über das hinaus, was die übrigen Parteien als Grenze des korrekten Umgangs miteinander empfanden. In den Redebeiträgen im Parlament schlug sich dagegen die thematische Eindimensionalität der Republikaner nieder. Meist begannen die Abgeordneten ihre Ausführungen mit Äußerungen zu dem auf der Tagesordnung ausgewiesenen Thema, um dann bald auf die Ausländer- und Asylpolitik umzuschwenken. Während sie in ihren Pressemitteilungen den politischen Gegner persönlich attackierten, versuchten sie dabei im Parlament zur Sache zu argumentieren, selbst wenn sie diese mit der Ausländerpolitik verknüpften.

1641 Drs. 11/501. 1642 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten in Parlamenten, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 8. 1643 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 15. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 285

Mit diesem Befund korrespondiert die Bilanz der Fraktion in den nicht öffentlich agierenden Ausschüssen. Die Abgeordneten der Republikaner waren in den Gremien zwar in der Regel anwesend. Sie meldeten sich indes weitaus seltener zu Wort als in den Plenardebatten, was als stilles Staunen oder schweigende Zustimmung gewertet werden mag. Wenn sie im Ausschuß redeten, äußerten sie sich zudem zurückhaltender als im Parlament und vor allem in ihren Pressemitteilungen1644. Plakativ gefaßt: Je größer die örtliche Entfernung zum politischen Gegenüber, um so radikaler gebärdeten sich die Republikaner, je geringer die Distanz, um so gemäßigter erschienen sie. Zwei Ursachen sind dafür zu nennen: Zum einen liegt der Schluß nahe, daß es den Republikanern stärker auf ihre außerparlamentarische Wirkung ankam als auf einen auf die anderen im Parlament vertretenen Parteien gerichteten Effekt. Demnach war das Verhalten der Abgeordneten taktisch motiviert. In der Öffentlichkeit wollten sie sich mit starken Worten als Menschen der Tat profilieren. Vor allem die Arbeit in den Ausschüssen dagegen verrichteten die Republikaner ohne dieses Motiv. Soweit ein Beweggrund erkennbar war, stand das Werben um die Unterstützung der anderen Fraktionen für die eigenen Anträge sowie das Bemühen um Akzeptanz im Vordergrund. Im Plenum ergab sich entsprechend eine Mischung beider Verhaltensweisen, während vor allem die Sozialdemokraten gerade dort ihrer Wut über die per Pressemitteilung verbreiteten Provokationen der Republikaner freien Lauf ließen und die Abgeordneten um Rolf Schlierer zuweilen persönlich attackierten. Zum anderen waren die Republikaner dem politischen Gegner rhetorisch sowie hinsichtlich der Erfordernisse der täglichen Parlamentsarbeit vielfach nicht gewachsen. Zum taktisch motivierten Verhalten kam somit Unsicherheit. Je direkter die Konfrontation, um so versöhnlicher die Formulierungen im Umgang, um so geringer daher auch die Gefahr einer Auseinandersetzung, aus der die Vertreter der Republikaner als Verlierer hätten hervorgehen können. In ruhiger Vorbereitung und aus der Deckung der eigenen Fraktionsräume heraus, in denen Pressemitteilung und Redebeiträge formuliert wurden, ließ es sich hingegen leichter in die Offensive gehen. In Frage steht ferner, inwieweit die thematische Fixierung der zunächst 15 und nach dem Austritt Bernhard Amanns 14 Abgeordneten auf Ausländer- und Asylpolitik auf einen Entschluß des einzelnen Parlamentariers oder auf das Bestreben der Fraktionsführung zurückgeht. Die vor allem zu Beginn der Legislaturperiode festzustellenden Mängel in der Koordination der Fraktion lassen vermuten, daß weniger Taktik der Republikaner die Ursache

1644 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 28. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 286 war, sondern vielmehr, ungeachtet der kommunalpolitischen Erfahrung vieler Republikaner, auch das Unvermögen, im Landtag zu tagesaktuellen Fragen abseits der Ausländer- und Asylpolitik überhaupt eine Meinung zu entwickeln, darzulegen und zu begründen. Schließlich schienen die Republikaner im Landtag zumindest anfangs allen Ernstes selber zu glauben, Ausländer seien die Ursache und die Abschottung der Grenzen die Lösung aller Probleme Baden-Württembergs. Auch die magere Bilanz der Arbeit in den Ausschüssen fußte demnach weniger in dem Kalkül, wonach sich in den nicht-öffentlichen Sitzungen ohnehin keine Gelegenheit zu öffentlichkeitswirksamen Aufritten bot - als Neulinge auch in den Gremien hätten die Republikaner selbst dann keine wesentlich größere Wirkung entfalten können, wenn sie sich stärker darum bemüht hätten. Dies belegen Anfragen der Fraktion an die Landesregierung, in deren Antwort sie sich ein ums andere Mal etwa über den föderativen Aufbau dieser Republik und andere Selbstverständlichkeiten belehren lassen mußte. Aus den ersten Jahren der Mitgliedschaft der Republikaner im Landtag ließ sich noch ein dritter Schluß ziehen. Da die Republikaner aufgrund ihres extremistischen Potentials demokratiefeindlich eingestellt waren, schien es nur konsequent, wenn die Bilanz ihrer Tätigkeit in den demokratischen Gremien negativ ausfiel1645. Im weiteren Verlauf der elften Legislaturperiode wurde dieser Befund hingegen zusehends erschüttert. Gleichwohl dauerte es bis Januar 1994, bis die Fraktion nach zwei Klausurtagungen mit der „Fleiner Erklärung“ erstmals öffentlich ein konkretes Profil jenseits der Ausländer- und Asylpolitik zu entwickeln versuchte. Zwar lag ein Gutteil der Forderungen in der Zuständigkeit des Bundes und ging an den Kompetenzen des Landes vorbei. Trotzdem fungierte die „Fleiner Erklärung“ als eine Art Wendepunkt, von dem an die Fraktion sich in Eigenarbeit den Fragen der Landespolitik zunehmend annahm und entsprechende Initiativen entwickelte. Die Abgeordneten um Rolf Schlierer taten sich damit schwerer als die Vertreter anderer Fraktionen, da von den Landesparteitagen der Republikaner im Gegensatz zu anderen Parteien keine landespolitischen Impulse ausgegangen waren und auch Programmdiskussionen nicht stattgefunden hatten. Vermehrt reichten die Republikaner im parlamentarischen Betrieb nun Anträge ein, die auf das Landesparteiprogramm zurück gingen. Ein Beispiel waren die Initiativen zu den Zielen, deren Aufnahme in die Landesverfassung sie im Heidenheimer Programm gefordert hatten: der Anspruch eines jeden Staatsbürgers auf den Schutz des Staates vor Kriminalität, das Bekenntnis des Volkes von Baden-Württemberg zur Familie als Keimzelle der Gesellschaft

1645 vgl. Neubacher, Bernd: NPD, DVU-Liste D, Die Republikaner. Ein Vergleich ihrer Ziele, Organisationen und Wirkungsfelder, Köln 1996, S. 96. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 287 sowie die vorrangige Förderung der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg durch den Staat1646. Ein weiteres Beispiel war der Versuch, die im Programm niedergelegten Forderungen nach einem besonderen Ehrenschutz für Polizeibeamte und Soldaten sowie die Einführung einer in gehobene und höhere zweigeteilte Laufbahn der Polizei umzusetzen1647. Inzwischen gelang es der Fraktion im Einzelfall sogar, wie mit ihrem Gesetzentwurf zur Wiedereinführung des Pfingstmontags, ihrer Initiativfunktion gerecht zu werden und Forderungen zu formulieren, die der politische Gegner bald übernahm. Hatten die übrigen Fraktionen anfangs ein Thema, zu dem die Republikaner eine Initiative entwickelt hatten, vielfach bereits mit ihren Vorstößen abgedeckt, so waren es nun mitunter die Republikaner, die ein Thema besetzten. In der Frage der Finanzierung der Pflegeversicherung und der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat von Bürgermeistern wußte die Fraktion zudem die Uneinigkeit der Koalition zu nutzen. Ihre Stimmen erhielten letztlich entscheidende Bedeutung, wofür sich die Regierungsfraktionen gegenseitig die Verantwortung zuschrieben. In den Ausschüssen bemühten sich die Abgeordneten zudem stärker darum, für ihre Anträge zu werben, mit denen sie sich bisweilen die Anerkennung der übrigen Abgeordneten im Gremium erwarben. Zwischen dem öffentlich formulierten Anspruch und der Realität im Landtag ergaben sich dennoch weiterhin beachtliche Diskrepanzen. So waren die Republikaner im Landtagswahlkampf gegen die Selbstbedienung der Parteien zu Felde gezogen und hatten angeprangert, daß viele Politiker ihr Eigenwohl vor dem Gemeinwohl verfolgten. Wie Ende 1994 jedoch aus den Enthüllungen des abgesetzten Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber hervorging, wußten auch die Abgeordneten der Republikaner von der öffentlichen Alimentierung der Parteien gut zu leben. Die Darlegungen Schönhubers, der mit seinen Behauptungen rechtzeitig zum innerparteilichen Streit um seine Person seinen größten Widersacher in der Auseinandersetzung um den Bundesparteivorsitz, Rolf Schlierer, in Bedrängnis brachte, ließen die Fraktion und etwa deren Forderung nach einem Verzicht aller Abgeordneten auf Ausschußreisen unglaubwürdig erscheinen. Auch andere Vorstöße der Fraktion waren nach wie vor in erster Linie dem Bedürfnis nach Populismus geschuldet. Ein Zusammenhang zwischen der Arbeit der Fraktion in der elften Legislaturperiode und der Tatsache, daß die Wähler Baden-Württembergs die Republikaner im März 1996 erneut in den Landtag wählten, ist vor diesem Hintergrund insgesamt kaum erkennbar. Diesen Befund

1646 vgl. Heidenheimer Programm. Landesparteiprogramm in der vom Landesparteitag am 24. 2. 1996 verabschiedeten Fassung, S. 6-8. 1647 vgl. Heidenheimer Programm. Landesparteiprogramm in der vom Landesparteitag am 24. 2. 1996 verabschiedeten Fassung, S. 15. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 288 unterstützt das Beispiel Pforzheim. Dort hatten die Republikaner bei den Landtagswahlen abermals ein überdurchschnittliches Ergebnis von diesmal 13,1 Prozent erzielt, obwohl der für den Wahlkreis zuständige Landtagsabgeordnete Willi Auer die Fraktion hatte verlassen müssen. Im Pforzheimer Stadtrat hatten die Republikaner überdies infolge interner Auseinandersetzungen binnen zweier Jahre drei von sechs Sitzen verloren1648. Die Wiederwahl der Republikaner in den Landtag dürfte eher noch auf den Umstand zurückzuführen gewesen sein, daß kleine Parteien generell von Großen Koalitionen profitieren1649. Vor der baden-württembergischen Landtagswahl 1996 hatte zudem der Wahlkampf der SPD mit dem Thema Aussiedlerdeutsche die Diskussion um Zuwanderung und Migration zusätzlich angeheizt - das einzige Feld der Landespolitik, in dem die Republikaner überhaupt in der Öffentlichkeit bereits ein klares Profil gewonnen hatten. Nicht zuletzt deutet der Wahlerfolg der Fraktion darauf hin, daß die Republikaner im Südwesten inzwischen über eine nicht unerhebliche Stammwählerschaft verfügten, die die Partei auch dann wählten, wenn sie sich von ihr ursprünglich mehr versprochen haben sollten1650.

6.5.2 Exkurs: Republikaner und Grüne – Gegner im Geiste, Verwandte im Werdegang

In den Landtag eingezogen waren die Republikaner mit dem Anspruch, als Korrektiv der ihrer Ansicht nach falschen Politik der Landesregierung zu fungieren und die politischen Ziele der Partei im Parlament durchzusetzen. Bald stellten sie fest, daß der schiere Wille nicht genügte, um erfolgreich im Landtag zu arbeiten. Sie mußten zum Beispiel erkennen, daß vielfach in den Ausschüssen die Entscheidungen fielen, daß nicht wenige ihrer Vorstellungen nicht nur aus politischen, sondern auch aus juristischen oder anderen Gründen nicht realisierbar waren und vor allem, daß keine Mehrheiten gewinnen kann, wer nicht das Handwerk der parlamentarischen Arbeit beherrscht. Erst im Landtag lernten die Republikaner zudem das Gefühl kennen, daß nunmehr auch sie mit ihrer Arbeit im Parlament landesweit in den Blickpunkt gerückt und entsprechend zum Gegenstand von Kritik geworden waren.

In jeder Hinsicht hatte die Fraktion anfangs erheblichen Lernbedarf. Zurückzuführen war dies weniger auf die Republikaner, sondern vielmehr auf ihren Status als Debutanten im

1648 vgl. Stuttgarter Zeitung, 26. März 1996. 1649 vgl. „Der Rechtsextremismus hat ein stabiles Fundament“, Interview mit Jürgen Falter, in: Stuttgarter Nachrichten, 29. März 1996. 1650 vgl. Lüder Meier/Birgit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg, in: Butterwegge, Christoph, Birgit Griese, Coerw Krüger, Lüder Meier, Gunther Niermann: Rechtsextremisten in Parlamenten. Forschungsstand, Fallstudien, Gegenstrategien, Opladen 1997, S. 237 f. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 289

Landtag. In ihren Defiziten hinsichtlich der Formalia der parlamentarischen Arbeit erging es ihnen nicht anders als den ersten Mitgliedern der grünen Landtagsfraktion, die 1980 in den Stuttgarter Landtag eingezogen waren. Sie mußten sich eigener Aussage nach im Laufe der Zeit die Regularien der täglichen Arbeiten erst erarbeiten1651 - anders als die Republikaner indes konnten die Grünen dabei auf die Erfahrungen von Parteifreunden in anderen Landtagen zurückgreifen. Der Abgeordnetengruppe um Rolf Schlierer kam innerparteilich dagegen die Rolle des Vorreiters zu. Vergleichbar war auch die Distanz, mit denen die übrigen Parteien den jeweiligen Neulingen im Parlament zunächst begegneten. Im Falle der grünen Bundestagsfraktion ging die Reaktion der etablierten Fraktionen sogar so weit, daß sie sich sowohl zu Beginn der Wahlperiode 1982 als auch vor der Wahl Philipp Jenningers zum Bundestagspräsidenten weigerten, den Grünen die Position eines Vizepräsidenten zuzugestehen. Die Grünen waren damit unter anderem von der Prüfung vergüteter Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten ausgeschlossen. Zur Organklage beim Bundesverfassungsgericht kam es gar aufgrund der Art, in der die Regierungsfraktionen die Grünen aus den Gremien zur Kontrolle der Nachrichtendienste fernhielten1652. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den Fraktionen beider Parteien zeigte sich in der zunächst zu beobachtenden Fixierung auf ein Themengebiet. Die Initiativen der Republikaner konzentrierten sich anfangs vor allem auf die Ausländer- und Asylpolitik, später in erster Linie auf innen- und kriminalpolitische Fragen, die oft mit ausländer- und asylpolitischen Themen verknüpft wurden. Auch die grüne Fraktion im Stuttgarter Landtag richtete ihre Aktivitäten zunächst auf einen thematischen Schwerpunkt aus, der auf Jahre hinaus die Arbeit der Fraktion prägen sollte. Jeder dritte Gesetzentwurf, den die grüne Fraktion zwischen 1980 und 1992 im baden-württembergischen Landtag einbrachte, galt der Umweltpolitik1653; ein ähnlicher Schwerpunkt ergab sich bei der Analyse der Arbeit der grünen Bundestagsfraktion bis Ende 19841654. Das Ergebnis, daß sich die Republikaner in den ersten Jahren ihrer Mitgliedschaft im Parlament großenteils auf ein Themengebiet beschränkten, sich im Handwerk der parlamentarischen Arbeit zunächst nur leidlich versiert zeigten und dabei auf die Distanz der etablierten Parteien trafen, ist damit nicht ausschließlich auf die Fraktion um Rolf Schlierer zurückzuführen, sondern in erster Linie auf die Situation als Debutanten im Landtag.

1651 vgl. Welte, a.a.O., S. 88. 1652 vgl. Ismayr, .a.a.O., S. 314. 1653 vgl. Welte, a.a.O., S. 107. 1654 vgl. Ismayr, a.a.O., S. 316. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 290

Offensichtlich tendieren Parlamentsneulinge dazu, sich zu Beginn ihrer Tätigkeit auf die politischen Gebiete zu beschränken, in denen sie sich als besonders kompetent betrachten und die politisch den höchsten Ertrag versprechen. Die Grünen konnten sich gemäß eingangs formulierter Definition etablieren, weil sie als Opposition eine Störung des Absorptionsvermögens von politischen Bedürfnissen der Umweltpolitik als erste erkannt hatten und es ihnen gelungen war, mit Hilfe einer entsprechenden Programmatik eine Lücke im Parteiensystem zu besetzen, auf diese Weise eine Wählerschaft zu gewinnen und sich dauerhaft in der Legislative festzusetzen. Der Schluß liegt nahe, daß diese Lücke im Falle der Republikaner am ehesten in der Ausländer- und Asylpolitik zu sehen war1655. Die Fraktion griff demnach auf die Themen zurück, die ihnen zum Einzug in den Landtag verholfen hatten. So augenfällig die Parallelen, die sich im Werdegang der Fraktionen ergeben, so verschieden bleiben die Fraktionen freilich in ihrer Politik. Zählten etwa Demokratie, Menschenrechte und Gewaltfreiheit von Beginn an zu den Grundwerten der Grünen, so erkannten die Republikaner Nicht-Deutschen schon in ihrem Programm verschiedene Rechte ab. Im Vergleich beider Parteien treten jedoch bestimmte Charakteristika zutage, die weniger auf Eigenschaften von Grünen und Republikanern, sondern vielmehr auf deren Status als Neulinge im Parlament zurückzuführen sind. Die Fraktionen beider Parteien mußten sich die Regularien der parlamentarischen Arbeit in der Praxis erst sukzessive aneignen. In ihrer Arbeit konzentrierten sie sich anfangs weitestgehend auf den Politikbereich, in dem sie sich bereits vor ihrer Wahl ins Parlament am stärksten profiliert hatten, erst im Laufe der Zeit erschlossen sie sich vermehrt auch andere Themenfelder. Bei den etablierten Parteien stießen die Fraktionen zunächst gleichermaßen auf Ablehnung. Diese Phänomene taugen somit weder als Argumente, die sich gegen die Republikaner als Fraktion wenden lassen1656, noch als Anhaltspunkte, anhand derer sich endgültige Schlüsse über ihre Arbeit als Opposition ziehen lassen.

1655 die Frage, ob sich damit auch die Republikaner im baden-württembergischen Landtag etablierten, wird unter dem Gliederungspunkt 7.1.9 gesondert erörtert. 1656 vgl. stellvertretend Erwin Teufel: Sie kennen nur ein Thema, in: Die Zeit, 12. November 1993. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 291

6.5.3 Zwölfte Legislaturperiode

Zu Beginn der zwölften Legislaturperiode präsentierten sich die Republikaner mit einigen personellen Veränderungen. Die Fraktion hatte sich von weniger aktiven oder politisch unliebsamen Mitgliedern getrennt. In Liane Offermanns und Max Reimann hatten die Republikaner nach Ende der elften Legislaturperiode zwei Abgeordnete ausgetauscht, die wie die vorzeitig ausgeschiedenen Willi Auer und Bernhard Amann besonders selten im Landtag geredet hatten und auch in den Ausschüssen nur unterdurchschnittlich vertreten gewesen waren. In Horst Trageiser war ein Widersacher des Fraktionsvorsitzenden Rolf Schlierer ausgeschieden. In Richard Eckert hatte ein weiterer Hardliner1657 die Abgeordnetengruppe verlassen. Nicht mehr im Landtag vertreten war ferner Karl-August Schaal, dem die Behörden des Verfassungsschutzes die Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten nachgewiesen hatten. Durch das Ausscheiden von Horst Trageiser hatte Rolf Schlierer, nachdem er bereits den Bundesvorsitz der Partei übernommen hatte, seine Dominanz in der Fraktion ausgebaut, auch wenn er sich in Christian Käs alsbald erneut einem Konkurrenten gegenüber sehen sollte. Der Widerstand gegen das Bestreben des Fraktionsvorsitzenden, die Republikaner zu einer „Grundgesetzpartei“ umzuwandeln, war auf Grund der personellen Veränderungen in der Fraktion geschwächt. Zwar ließen in der zwölften Legislaturperiode die Anstrengungen in den Ausschüssen wieder nach. In ihren Initiativen aber verstärkten die Republikaner ihre Bemühungen, die Forderungen der Partei auf möglichst allen Gebieten der Politik durchzusetzen und darüber hinaus eigene Akzente zu setzen. Abseits der Innen- und Kriminal- sowie der Ausländer- und Asylpolitik, die nach wie vor im Mittelpunkt der Aktivitäten standen, bewegten sich die Republikaner dabei vielfach in den Spuren der etablierten Parteien. Die Vorlagen zur Errichtung einer privaten Eliteuniversität etwa hätten ebenso von der CDU oder der FDP stammen können. Auch Ereignisse in einzelnen Wahlkreisen thematisierten die Abgeordneten nun zunehmend, vorwiegend in Zusammenhang mit der Ausländer- und Asylpolitik. Kritisierten sie dann in Etatreden die Kosten der Versorgung von Flüchtlingen als zu hoch, so wirkte dies um so glaubhafter. Durch das Ausscheiden von Liane Offermanns reduzierten sich gleichwohl die ohnehin seltenen Vorstöße der Fraktion zu den Themengebieten Familie, Kinder, Frauen und Jugend. Ungeachtet der stärkeren Orientierung an Inhalten in der politischen Arbeit prägte unverändert Populismus das Auftreten der Abgeordneten, wenn Ulrich Deuschle zum Beispiel

1657 vgl. Lüder Meier und Brigit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg, in Butterwegge u.a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 238. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 292 die Versorgung der Landesminister anprangerte, die erst unmittelbar zuvor eingeschränkt worden war. Der Populismus der Republikaner fiel wie die Äußerungen über Ausländer nicht mehr so scharf aus wie in der elften Legislaturperiode, so daß die Unterschiede zwischen den Republikanern und den Vertretern anderer Parteien zunehmend verschwammen. In der Ausländer- und Asylpolitik zeigten sich die Initiativen der Republikaner inzwischen zwar kundiger eingeleitet, die Wortwahl in den Redebeiträgen und Pressemitteilungen der Republikaner fiel zwar moderater aus - in der Sache zielten die Vorstöße ebenso rigoros wie ehedem auf eine Politik der Abschottung, nur wurden sie nicht mehr in annähernd dem Maße skandalisiert wie noch wenige Jahre zuvor. Dies ist zum einen auf die Entwicklung der politischen Arbeit der Fraktion, zum anderen auf die Änderungen in der Ausländer- und Asylpolitik der Landesregierung zurückzuführen. Die Annahme, wonach sich die Republikaner gar nicht erst im Parlament etablieren konnten oder wollten, kann vor diesem Hintergrund nicht aufrecht gehalten werden. Denn je vertrauter sich die Abgeordneten mit den Prozessen im Landtag vertraut gemacht hatten, um so stärker waren Versuche erkennbar, sich diesen Abläufen anzupassen und sie sich zunutze zu machen. Gleichfalls widerlegt ist die These der Ein-Punkt-Partei1658, die zu Beginn der parlamentarischen Arbeit der Republikaner noch zugetroffen hatte. Im Laufe der Zeit aber hatten sich die Republikaner zu einer Fraktion mit einem breiten Themenspektrum entwickelt, welches längst auch originäre Themen der Landespolitik wie Straßenbau oder die neue Messe auf den Fildern umfaßte. Unverändert schwer taten sich die Republikaner mit der Kulturpolitik. 1997 brachte die Fraktion zwar 17 parlamentarische Initiativen zur Kulturpolitik ein, sie begehrte dabei aber in der Regel allein Kürzungen entsprechender Haushaltstitel. Erweitert und den übrigen Parteien angenähert hatte sich währenddessen das Aktionsparameter der Republikaner, die gleichwohl vor allem in der Ausländer- und Asylpolitik einen Dissens zur Politik der Landesregierung formulierten. Dies geschah in der zwölften Legislaturperiode weniger spektakulär als zu Beginn der elften Legislaturperiode, aber unverändert prononciert. Die Fraktion hatte dazu gelernt; Vorstöße wie 1993 zu der Frage, was die Landesregierung gegen außereuropäische Wildpflanzen zu tun gedenke, waren inzwischen die Ausnahme. Nach einer längeren Phase der Gewöhnung an die Gepflogenheiten im Parlament übernahmen sie nunmehr sogar klassische Kontrollaufgaben einer Opposition, wie der Verlauf der Affäre um den obersten Steuerbeamten des Landes, Rudi Märkle, belegte. Zwar setzten die Republikaner in Parlament und Ausschüssen als Fraktion keinen einzigen ihrer Vorstöße

1658 vgl. Erwin Teufel: Sie kennen nur ein Thema, in: Die Zeit, 12. November 1993. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 293 durch. Allein durch ihre Anwesenheit im Parlament indes entfalteten sie politische Wirkung. Im Verlauf der asylpolitischen Debatten war ein Wetteifern der Parteien in der Frage zu beobachten, wer in der Ausländerpolitik am ehesten Lösungskompetenz zu demonstrieren vermochte. Die Konjunktur des Themas war maßgeblich auf die Abgeordnetengruppe um Rolf Schlierer zurückzuführen. Dabei versuchte vor allem die CDU, einzelne Themen der Republikaner vorzeitig zu besetzen und Forderungen dieser Partei gleichsam vorwegzunehmen. Zugleich fanden Elemente von Initiativen der Republikaner, die zunächst abgelehnt worden waren, mit zum Teil jahrelanger Verzögerung Eingang in die Vorlagen der Landesregierung.

6.6 Taktik der Republikaner in der Opposition

Mit der selbst als Aufgabe gestellten Initiativfunktion im Landtag einher ging ein Selbstentwurf als strikt kompetitiv auftretende Opposition. Dies kam in einer Äußerung Horst Trageisers im Plenum zum Ausdruck: „Unsere Aufgabe in diesem Haus als Opposition ist es nicht, diese Probleme zu lösen. Unsere Aufgabe ist es, diese Regierung anzuschubsen. Dafür haben uns die Wähler hierher geschickt1659.“ Demnach hatte die Wahl der Republikaner allem voran eine Ventilfunktion gehabt: In ihr artikulierte sich der Unmut der Wähler, den die Republikaner in Anfragen vor allem zum Thema Asyl- und Ausländerpolitik kanalisierten. Aus diesem Verständnis konnte kaum etwas anderes als der Entschluß für eine kompetitive Oppositionsstrategie resultieren. Dabei hatten die Republikaner bei Einzug in den Landtag keine relative Symmetrie des Parteiensystems angetroffen, welche als systemstrukturelle Bedingung eines kompetitiven Vorgehens gilt1660. Aufgrund ihres Anspruchs aber und auch wegen ihres Stigmas als Rechtsaußen-Partei hätte eine kooperativ ausgerichtete Strategie zunächst kaum Erfolge versprochen. In der parlamentarischen Praxis der Republikaner war jedoch eine Modifikation dieser Strategie zu beobachten: Die Fraktion zeigte zunehmend auch kooperative Ansätze. Anfangs bildeten Angebote einer Zusammenarbeit, wie etwa das indirekte Koalitionsangebot Rolf Schlierers gegenüber den Christdemokraten vor Beginn der elften Legislaturperiode, die Ausnahme, welche die Regel bestätigte. Im Laufe der Jahre indes nahmen die Bemühungen um eine gelegentliche Kooperation zu - insbesondere 1997 warben die Republikaner im Plenum wiederholt für eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien. Damit war die Fraktion

1659 zit. nach Die Zeit, 12. November 1993. 1660 vgl. Manfred Friedrich: Parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik Deutschland: Wandel und Konstanz, in Oberreuter: Parlamentarische Opposition, a.a.O., S. 232. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 294 spätestens im sechsten Jahr ihrer Parlamentszugehörigkeit auf eine grundsätzlich kompetitive Taktik mit kooperativen Anteilen eingeschwenkt. Für diese Einschätzung spricht die Äußerung Ulrich Deuschles: „Wir Republikaner sind der Meinung, daß auch die Opposition für den Staat Verantwortung trägt und sie deshalb eine Initiative nicht nur deshalb ablehnen darf, weil sie von der Regierung kommt.“1661 Eine kooperativ arbeitende Opposition vermag Initiativen eher durchzusetzen als eine kompetitiv auftretende Opposition - allerdings erkauft sie sich das Mehr an Einfluß durch den Verlust an kritischer Öffentlichkeit1662. Eine kompetitiv arbeitende Opposition währenddessen kann eher als eine kooperativ vorgehende Opposition die Parlamentsmehrheit attackieren, besitzt aber geringe Aussichten, ihre Initiativen im Plenum und in den Ausschüssen durchzusetzen. Nicht zuletzt auf die vorwiegend kompetitiv ausgerichtete Oppositionsstrategie ist damit das meist begrenzte Engagement der Republikaner in den Ausschüssen zurückzuführen. Da die arbeitsparlamentarische Komponente die Signifikanz der Alternativen schwächt, haben zum Beispiel auch die Grünen im Bundestag, solange sie in der Opposition eine kompetitive Taktik verfolgten, weder in ähnlicher Weise wie die anderen Fraktionen interne Arbeitsstrukturen herausgebildet noch vergleichbare Aktivitäten in den Ausschüssen entwickelt1663. Vor dem Hintergrund der grundsätzlich kompetitiv ausgerichteten Oppositionsstrategie der Republikaner taugt zudem der Umstand, daß die Fraktion keinen eigene Initiative im Parlament oder in den Ausschüssen durchsetzen konnte, kaum als Gradmesser für den Erfolg der Oppositionsarbeit der Republikaner - schließlich liegt der Sinn der kompetitiven Strategie von Opposition in erster Linie darin, Themen zu besetzen, die Öffentlichkeit entsprechend zu mobilisieren und auf diesem Wege Einfluß auf die Politik der Parlamentsmehrheit zu nehmen. Somit waren die von den Republikanern eingereichten Gesetzentwürfe nicht schon deshalb erfolglos, weil sie, wie etwa anfangs auch die Gesetzesvorlagen der grünen Bundestagsfraktion1664, samt und sonders abgelehnt wurden. Denn sie dienten vor allem dem Zweck, realisierbare Vorschläge oder alternative Politikentwürfe öffentlich zur Diskussion zu

1661 PlPr 12/1800. 1662 vgl. Veen: Opposition im Bundestag, a.a.O., S. 18. 1663 vgl. Heinrich Oberreuter: Parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, in Euchner: Politische Opposition in Deutschland und im internationalen Vergleich, a.a.O., S. 61 f. 1664 vgl. Ismayr, a.a.O., S 319. 6 Zusammenfassung der empirischen Befunde 295 stellen1665. Wie zuvor den Grünen im Stuttgarter Landtag kam der Fraktion der Republikaner allem voran eine Thematisierungsfunktion zu1666. Die Initiativen der Republikanern zu einem zunehmend breiteren Themenspektrum zeigten dabei, daß die Fraktion sich nicht damit begnügte, Bereichsopposition im von Otto Kirchheimer definierten Sinne1667 zu betreiben. Ihre Oppositionsarbeit war nicht subsumierbar als weitgehend kooperative Taktik, die sich in einzelnen Fragen zur kompetitiven Strategie wandelt. Vielmehr handelte es sich um eine Fraktion, die sich mit einer grundsätzlich kompetitiven Strategie für eine prinzipiell andere Politik einsetzte. In dieser Konstellation äußerten sich Erfolge der Oppositionsarbeit nicht darin, daß die parlamentarische Mehrheit Anträge der Opposition annahm oder verabschiedete, sie äußerten sich in anderer Form. So legte die Fraktion denn auch Wert auf die Feststellung, daß der Vorstoß für die Einführung sogenannter verdachts- und ereignisunabhängiger Polizeikontrollen per Gesetz zunächst von den Republikanern und erst danach von der CDU/FDP-Koalition ausgegangen war1668, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß der schließlich von der Koalition verabschiedete Entwurf etwa in Fragen des Datenschutzes den Republikanern zu weit gehe1669. In solchen Fällen gelang den Republikanern mit ihrer Oppositionsstrategie somit das, was Klaus von Dohnanyi als „Regieren aus der Opposition“ bezeichnet hat1670.

1665 vgl. ebenda, S. 318. 1666 vgl. Welte, a.a.O., S. 158. 1667 vgl. Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, a.a.O., S. 123 ff. 1668 vgl. Drs. 12/32, Drs. 12/52. 1669 vgl. Brief aus dem Landtag Nr. 2/1996, 20 August 1996. 1670 vgl. Klaus von Dohnanyi: Regieren aus der Opposition, in: Die Neue Gesellschaft, VIII, 1961, S. 449- 454. 7 Resümee 296

7 Resümee

7.1 Die Republikaner im Stuttgarter Landtag – eine rechts- extremistische Fraktion?

Wie unter Gliederungspunkt 2.6 bereits dargelegt, sind gemäß Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes Parteien verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Die Ziele der Partei ergeben sich nicht allein aus dem Programm, sondern neben anderem auch aus den Reden ihrer Funktionäre oder ihrem Propagandamaterial1671. Das Verhalten der Anhänger umfaßt dabei neben dem der Mitglieder auch das Verhalten aller, die sich offen zu der Partei bekennen. Ihre politische Praxis läßt Schlüsse zu auf die Zielsetzung der Partei; beides bedingt sich und kann verfassungswidrig sein auch bloß als Summe „feindseliger Einzelakte, von denen jeder für sich betrachtet verhältnismäßig unbedeutend und nicht notwendig verfassungswidrig erscheint”1672. Die Klassifizierung der Republikaner als extremistisch oder nicht-extremistisch wird erschwert auf Grund der strikt legalistischen Taktik der Partei. Einerseits erließ die Partei zahlreiche Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber rechtsextremistischen Gruppierungen. Auch agierten die Vertreter der Partei ungleich moderater als etwa NPD und DVU. In der Praxis indes unterhielten zahlreiche Mitglieder der Republikaner Kontakte ins rechtsextremistische Lager oder waren einst selbst dort aktiv gewesen1673. Entsprechend lange dauerte es, bis die Behörden des Verfassungsschutzes zu einem einheitlichen Urteil gelangten1674. Ende April 1995 bezeichnete das Bundesamt für Verfassungsschutz in dem Entwurf seines Jahresberichtes 1994 die Republikaner erstmals als rechtsextremistisch1675, 1997 lagen nach Einschätzung der Behörde weiterhin Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vor1676. Die Republikaner im Stuttgarter Landtag bestätigten ungeachtet der Erfolge und der strategischen Entwicklung als parlamentarische Opposition sowie des Selbstverständnisses als

1671 vgl. das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Verbot der KPD, in: BVerfGE 5, 85 (144). 1672 vgl. das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Verbot der SRP, in: BVerfGE 2, 1 (22). 1673 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 112; vgl. auch Backes: Extremismus und Populismus von rechts. Ein Vergleich auf europäischer Ebene, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 46-47/90, S. 3-14, der darauf hinweist, daß die Republikaner zugleich „viele programmatische Forderungen” transportierten, die „sich in abgewandelter Form auch in politischen Konzepten der CDU und CSU finden”. 1674 vgl. Bernd Neubacher, a.a.O., S. 70 f. 1675 vgl. Süddeutsche Zeitung, 20. April 1995. 1676 vgl. Bundesminister des Innern (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1997, Bonn 1998, S. 97. 7 Resümee 297 demokratische Fraktion den Befund des Rechtsextremismus sowohl durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch durch das Landesamt für Verfassungsschutz Baden- Württemberg1677. In der elften Legislaturperiode fanden sich Belege für diese These vor allem in den Redebeiträgen der Abgeordneten im Plenum, die ausländerfeindliche1678 Gewalttaten verharmlosten, Ausländer in ihrer Würde angriffen, rechtsstaatliche Institutionen diffamierten und ein von Rassismus geprägtes Weltbild vertraten. So kommentierte Horst Trageiser die Welle ausländerfeindlicher Brandanschläge im September 1992 mit den Worten: „Es wird doch völlig überbewertet, wenn ein paar harmlose Jugendliche Steine und Brandsätze werfen. In der Regel passiert ja auch nichts.“1679 Bei anderer Gelegenheit rechnete Trageiser die durch die Brandanschläge getöteten Ausländer gegen die Körperverletzungen und den Sachschaden während gewalttätiger Demonstrationen zum 1. Mai in Berlin auf: Dort würden mehr Polizisten verletzt, Läden geplündert und Autos verbrannt „als bei allen bisherigen Gewaltnächten von Rostock, Greifswald und Wismar zusammen“1680. Zu den ökologischen Problemen des 21. Jahrhunderts entwarf der stellvertretende Fraktionsvorsitzende eine darwinistisch geprägte Perspektive: „Im daraus resultierenden Überlebenskampf werden nur diejenigen Völker, die einen gesunden Selbsterhaltungstrieb bewahrt haben, sich behaupten können.“ Trageiser prophezeite, „daß wir in 50 Jahren ein europäisches Haus haben, in dem es Wohnungen für alle überlebensstarken Völker gibt und in dessen Mitte es einen Hausflur gibt, der als Durchgangsstation für alle anderen dient und der Deutschland heißt oder der mal Deutschland hieß.“1681 In dieser Äußerung kamen sowohl ein übersteigerter Nationalismus als auch eine Ideologie der Ungleichheit zum Ausdruck, die als Merkmale von Rechtsextremismus gelten1682. Die Intoleranz dem politischen Gegner gegenüber und das Trachten nach dessen Vernichtung1683 äußerte sich im Falle der Republikaner im Propagieren von Konspirationstheorien. Die Fraktion verstieg sich zu dem Vorwurf an die etablierten Parteien,

1677 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1996, Stuttgart 1997, S. 64 ff. 1678 zur Abgrenzung des Begriffes der Ausländerfeindlichkeit vom Terminus des Rassismus vgl. Frank Neubacher: Fremdenfeindliche Brandanschläge. Eine kriminologisch-empirische Untersuchung von Tätern, Tathintergründen und gerichtlicher Verarbeitung in Jugendstrafverfahren, Mönchengladbach 1998, S. 55-59. 1679 zit. nach Heilbronner Stimme, 26. Februar 1994. 1680 zit. nach Süddeutsche Zeitung, 9. Oktober 1992. 1681 PlPr 19/11, S. 1368. 1682 vgl. Backes/Jesse, Band 2, S. 331. 1683 vgl. Backes/Jesse, Band 2, S. 322. 7 Resümee 298 sie seien der Urheber ausländerfeindlicher Anschläge. In der Publikation „B-W-REPort“ hieß es 1992 in einem von Rolf Schlierer verantworteten Artikel, die „Bonner Altparteien“ wollten die Republikaner vernichten, indem „Gewaltaktionen gegen Ausländer, Asylbewerber und jüdische Einrichtungen gezielt begangen werden, um sie dann fälschlicherweise den Republikanern in die Schuhe zu schieben.“1684 Nach öffentlichen Protesten zogen die Republikaner die Veröffentlichung zurück. An anderer Stelle in der Publikation wählte der ansonsten meist gemäßigt auftretende Fraktionsvorsitzende Worte, die nicht nur auf ein ausgeprägtes Sendungsbewußtsein, sondern auch auf eine beachtliche Demokratieferne schließen ließen: „Das anständige Deutschland steht auf unserer Seite“, formulierte er, „das Jahrhundert der Lüge geht zu Ende (Kommafehler im Original, d.A.) und der Stern der Republikaner geht auf“1685. Was auch immer Schlierer mit der implizit insinuierten Wahrheit vor dem vermeintlichen Jahrhundert der Lüge meinte: demokratische Wurzeln hatte sie nicht. Bereits unmittelbar nach dem Einzug der Republikaner in den baden-württembergischen Landtag hatte er indirekt zu verstehen gegeben, daß sich seine Partei an militante Ausländerfeinde wandte: Seine Nachbarn am Stuttgarter Killesberg, hatte er erklärt, seien mittlerweile „viel radikaler“ als er: „Die würden sich am liebsten eine Schrotflinte kaufen und damit auf die Asylanten losgehen. Dann sag’ ich denen: Ihr müßt uns wählen, damit ihr politisch vertreten werdet.“1686 Der Abgeordnete Richard Eckert räumte im Dezember 1993 im Landtag offen ein, auf die Frage einer Schülergruppe „Was tun Sie denn, wenn Ihnen ein Ausländer auf der Straße begegnet?“ geantwortet zu haben: „Was soll ich schon tun, ganz alleine?“ Ebenso bestätigte er, die Ziele seiner Partei mit den Worten „Die Ziele der Republikaner sind, ethnisch reine Gebiete zu schaffen“ umschrieben zu haben. Auch dementierte er nicht, gegenüber der Schülergruppe die Brandsätze auf Flüchtlingswohnheime wie folgt kommentiert zu haben: „Das könnte man als Selbsthilfe des Bürgers bezeichnen“1687. In einer Pressemitteilung der Fraktion erklärte Eckert daraufhin, weder habe er Brandanschläge auf Ausländer als Selbsthilfe des Bürgers bezeichnet noch habe er jemals Behauptungen dieses Inhalts aufgestellt. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Rostock habe er lediglich darauf

1684 B-W-REPort, Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg, 1992, zit. nach: Lüder Meier und Brigit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg, in Butterwegge u. a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 233. 1685 zit. nach SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 35. 1686 zit. nach tageszeitung, 8. April 1992. 1687 Landtagsprotokoll, 11. Wahlperiode, S. 2925 ff. 7 Resümee 299 hingewiesen, daß die „schlimmen Ausschreitungen gegen Asylantenunterkünfte aufgrund des offensichtlichen Versagens der örtlichen Verwaltung bei der Unterbringung der Asylbewerber von Bürgern in Rostock als ´Selbsthilfe´ apostrophiert wurden“1688. Fünf Wochen nach dem Vorfall im Parlament veröffentlichten die Republikaner zudem eine „Stellungnahme zu der Verleumdungskampagne gegen die Fraktion nach dem 16. 12. 1993“, derzufolge die Republikaner „derzeit“ keine Notwendigkeit sahen, sich von dem Abgeordneten Eckert zu trennen1689. Eine Distanzierung der Fraktion im Landtag blieb ebenfalls aus, nachdem die Republikaner im Freiburger Gemeinderat in ihrer Zeitung Steckbriefe politischer Gegner abgedruckt hatten1690. Während die Äußerungen im Stuttgarter Landtag oder gegenüber Schülergruppen zum guten Teil spontan erfolgt sein mochten, ging den schriftlichen Pressemitteilungen der Fraktion, so ist zu vermuten, eine ausgiebigere Vorbereitung voraus, weshalb die Schreiben eher Zeugnis darüber ablegten, womit sich die Republikaner selber identifiziert sehen wollten. In ihren Pressemitteilungen zeigten sich die Abgeordneten indes nicht moderater als in ihren mündlichen Beiträgen. Im Gegenteil: Offenbar mäßigten sich die Republikaner im Plenum, um möglichen Konsequenzen des Landtagspräsidiums vorzubeugen, während sie sich in den Pressemitteilungen um so deutlicher äußerten. Landesinnenminister Frieder Birzele zum Beispiel verglich die Fraktion unter anderem mit dem DDR-Propagandisten Karl-Eduard von Schnitzler1691; ein Jahr später dann, als Birzele im Landtag eine Ausstellung eröffnete, die sich mit den Republikanern beschäftigte, gar mit dem Präsidenten des nationalsozialistischen Volksgerichtshofes, Roland Freisler. Auf Transparenten stellten die Republikaner zudem eine Analogie her zwischen den Begriffen Real-Sozialist und National-Sozialist1692. In der zwölften Legislaturperiode präsentierten sich die Republikaner in ihren Redebeiträgen und in ihrer Öffentlichkeitsarbeit zwar gemäßigter. Einzelne parlamentarische Initiativen aber nährten nach wie vor Zweifel am Verhältnis der Fraktion zur freiheitlich- demokratischen Grundordnung und zur im Grundgesetz verankerten Universalität der Menschenrechte. So regte Michael Herbricht noch 1997 per Kleiner Anfrage eine Bundesratsinitiative der Landesregierung zur Einführung eines „Straftatbestands der

1688 Pressemitteilung Nr. 188/93 von 16. Dezember 1993. 1689 Pressemitteilung Nr. 14/94 vom 25. Januar 1994. 1690 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 25. 1691 vgl. Pressemitteilung 159/93. 1692 vgl. Heilbronner Stimme, 8. Februar 1994. 7 Resümee 300

Schmähung der deutschen Nation“ an1693. Lothar König begehrte einen Vergleich der „Liegezeiten“ von in islamischen Gemeinden bestatteten Muslimen „mit den hier üblichen“1694, und Wolfram erkundigte sich nach dem „Import“ von Schwerstkranken auf Kosten der Versichertengemeinschaft durch ausländische Arbeitgeber1695. Zwar nahmen die Hinweise auf extremistische Bestrebungen der Fraktion in der zwölften Legislaturperiode kontinuierlich ab. Der Rückgang fiel indes nicht derart weitreichend aus, daß der Befund des Rechtsextremismus der Fraktion zu revidieren oder zu relativieren wäre. Ohnehin handelte es sich wie im Falle der Programmatik der Bundespartei um eine ausschließlich taktisch motivierte Entwicklung gemäß der legalistischen Strategie der Parteispitze. Auch ändert sich nichts an der Einstufung der baden-württembergischen Republikaner, welche neben dem parlamentarischen Gebaren auch die außerparlamentarischen Aktivitäten, die Programmatik sowie das Verhalten der Parteibasis berücksichtigt. Gemäß der unter Gliederungspunkt 4.2 formulierten Hypothese war damit in der Tat im parlamentarischen Betrieb eine Abschwächung der extremistischen Anteile sowie eine Verstärkung moderaterer Positionen, mithin eine Entwicklung in Richtung Rechtsradikalismus zu konstatieren, ohne daß die generelle Einstufung der Partei als rechtsextremistisch hinfällig wurde.

1693 Drs. 12/2341. 1694 Drs. 12/1910. 1695 Drs. 12/2101. 7 Resümee 301

7.2 Die Republikaner im Stuttgarter Landtag – eine etablierte Fraktion?

Laut der dieser Untersuchung vorangestellten Definition etabliert sich eine Partei als Opposition vor allem dadurch, daß ihre Positionen gesellschaftsfähig werden. Im Parlament etabliert sie sich, wenn es ihr durch Wahrnehmung einer Störung des Absorptionsvermögens von auch von ihr erst geweckten politischen Bedürfnissen durch die übrigen Parteien sowie durch entsprechende politische Forderungen gelungen ist, eine Lücke im Parteiensystem zu besetzen, auf diese Weise eine Wählerschaft zu gewinnen und sich dauerhaft in der Legislative auf Landes- oder Bundesebene festzusetzen. Dabei umfaßt die Etablierung als Fraktion einerseits eine Auffächerung der aufgegriffenen Themen, andererseits eine Kontinuität in der Behandlung bestimmter Gebiete, welche somit zunehmend mit der Fraktion assoziiert werden; formell tritt die Etablierung überdies in der Übung in und in der Anpassung an die parlamentarischen Gepflogenheiten zutage, zu denen bestimmte Umgangsformen im Parlament und in den Ausschüssen sowie eine Aufteilung der Zuständigkeiten innerhalb der Fraktion zählen1696. Eine Betrachtung der Arbeit der Republikaner im Landtag belegt ferner, daß es der Fraktion vor allem mit ihren ausländer- und asylpolitischen sowie mit ihren innen- und kriminalpolitischen Forderungen gelang, eine Lücke im Parteiensystem zu besetzen, um sich dauerhaft in der Legislative des Landes Baden-Württemberg festzusetzen. Die Republikaner hatten zunächst mit der Asylpolitik ein Thema entdeckt und auch nach Kräften forciert, dessen Tragweite sich die übrigen Parteien zuvor nicht bewußt gewesen waren, wie deren Initiativen in Reaktion auf die Arbeit der Republikaner alsbald zeigten. Die Republikaner profitierten dabei um so stärker von ihrer Wahrnehmung der Störung des Absorptionsvermögens der politischen Konkurrenz, da die übrigen Parteien, anstatt inhaltliche Alternativen glaubwürdig zu vertreten, oftmals nur Positionen der Fraktion um Rolf Schlierer in meist abgeschwächter Form übernahmen und auch deswegen nicht annähernd so entschlossen wirkten wie die Republikaner, die damit die anderen Fraktionen vor sich her trieben. Auf diese Weise wurden die Positionen der Republikaner zunehmend gesellschaftsfähig, obwohl die entsprechenden Initiativen der Fraktion regelmäßig scheiterten. Die radikaleren Vorstöße in der Ausländerpolitik hatten dabei zwar zur Folge, daß sich die Partei in den

1696 die Auffächerung der aufgegriffenen Themen und die Herausbildung einer Kontinuität in der Behandlung bestimmter Gebiete sind ebenso wie die formellen Phänomene der Etablierung bereits unter den Gliederungspunkten 6.4 bis 6.7 dargestellt worden. 7 Resümee 302

Augen zahlreicher Wähler als ernsthafte Alternative diskreditierte; sie sorgten aber auch dafür, daß dieses Feld der Politik vor allem mit den Republikanern assoziiert wurde. Somit blieb nicht nur weitgehend unbeachtet, daß die Republikaner in vielen Fragen der Ausländer- und Innenpolitik etwa von der CDU nicht allzu weit entfernt waren. Ausgeblendet in der öffentlichen Wahrnehmung wurde auch, daß die übrigen Parteien nicht nur Vorstöße der Republikaner übernahmen, sondern vielfach auch versuchten, deren Forderungen zuvorzukommen. Der Vorstoß zur Aufnahme eines Straftatbestandes der Organisierten Kriminalität ins Strafgesetzbuch und die Anfrage zur grenzüberschreitenden Kriminalität seit Wegfall der Grenzkontrollen waren nicht die einzigen Belege für diese These: Erst hatte sich der CDU- Abgeordnete Dieter Remppel im Oktober 1992 nach der Entwicklung der Zahl der abgeschobenen Asylbewerber und dem Anteil von Sinti und Roma an dieser Zahl erkundigt1697. Dann begehrten die Republikaner die Ausweisung auch der im DGB-Heim untergekommenen, als Asylbewerber abgelehnten Roma1698. Erst begehrte Christdemokrat Arnold Tölg Auskunft über die Kosten der Abschiebung von Asylbewerbern, über deren Zusammensetzung sowie über die Höhe der Eigenbeteiligung der Betroffenen1699. Dann beantragten die Republikaner im Jahr darauf, Flüchtlinge generell an den Kosten ihrer Abschiebung zu beteiligen1700. Erst hatten sich Vertreter von CDU, SPD und FDP nach der Polizeidichte und Kriminalität in ihren Wahlkreisen erkundigt1701. Dann reichten die Republikaner acht gleichlautende Anträge ein1702. Die CDU-Fraktion in Baden-Württemberg war seit Einzug der Republikaner in den Landtag bestrebt, in ihrem ausländerpolitischen Eifer bundesweit die Rolle des Vorreiters zu spielen: „Das Maßnahmenbündel des Landes mit Gesetzänderungen, Maßnahmen der Verwaltungsorganisation, der Schaffung zusätzlicher Richter und Verwaltungsstellen sowie der Bereitstellung von Sammelunterkünften und der Einrichtung zentraler Abschiebestellen wurde schneller geschnürt als in jedem anderen Bundesland“, hielt der CDU-Parlamentarier Heinrich Haasis sich und seiner Fraktion bereits im Juli 1992 zugute, als er sich bei der Landesregierung hinsichtlich der „Beschleunigung der Asylverfahren“ erkundigte: „Es gilt, diese Spitzenposition des Landes Baden-Württemberg bei der Bekämpfung des Mißbrauchs

1697 vgl. Drs. 11/662. 1698 vgl. Drs. 11/2546 und 11/3577. 1699 vgl. Drs. 11/ 1537. 1700 vgl. Drs. 11/5037. 1701 vgl. Drs. 11/3398. 1702 vgl. Drs. 11/3450, 11/3451, 11/3618, 11/3619, 11/3620, 11/3640, 11/3733, 11/3749. 7 Resümee 303 des Grundrechts auf Asyl auch zukünftig zu bewahren.“1703 Schon 1992 hatten sich die Christdemokraten um eine etwaige „erhebliche personelle Mehrbelastung“ von Ausländerbehörden gekümmert, in deren Einzugsbereich Justizvollzugsanstalten mit überdurchschnittlich vielen ausländischen Straftätern und Abschiebehäftlingen lagen, sowie um die „zusätzlichen Personal- und Sachkosten“1704. Der politische Gegner versuchte somit, im vorhinein originäre Felder der Republikaner zu besetzen. Zugleich legte der politische Gegner wiederholt Initiativen vor, welche zunächst die Republikaner eingebracht hatten. Erst stellte der Republikaner Michael Herbricht eine Kleine Anfrage zur Anzahl tuberkulosekranker Asylbewerber1705. Dann erkundigte sich der Freidemokrat Ernst Pfister nach der Verbreitung von Hepatitis, Aids, Tuberkulose und Syphilis unter den Asylbewerbern in Baden-Württemberg sowie nach dem entsprechenden Schutz des in den Unterkünften angestellten Personals1706. Erst hatten die Republikaner die Ausgabe von Sachleistungen und die Auszahlung nur geringer Barmittel an Flüchtlinge, eine allgemeine Arbeitsverpflichtung sowie die umgehende Ausweisung straffällig gewordener Flüchtlinge verlangt. Dann übernahm 1993 der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Walter Döring, diese Forderung1707. Erst erkundigten sich die Republikaner bei der Landesregierung über Anzahl und Umfang „der insbesondere durch Rumänen verübten Straftaten“, bei denen der „Wald als Rückzugsraum“ genutzt wurde1708. Dann begehrte auch der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Walter Döring, Auskunft über „vor allem aus Rumänien“ stammende „Wald- Banden“ und deren Überfälle auf Tankstellen und Banken1709. Erst wollten die Republikaner im Juni 1996 per Gesetz die polizeilichen Befugnisse zur Anordnung von „anlaß- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen“ auf „bestimmte(n) geographische(n) Räume(n) der Grenzregionen“ sowie „abgegrenzte(n) Orts-, Objekt- und Brennpunktbereiche“ erweitern1710. Eine Woche darauf brachte die Landesregierung einen Antrag ein, wonach diese Befugnisse „auf öffentliche Einrichtungen des internationalen Verkehrs sowie auf Durchgangsstraßen ausgedehnt“ wurden1711. Ferner ging die CDU-Fraktion im Verlauf der elften Legislaturperiode dazu über, wie die Republikaner verstärkt die Kosten, mit denen

1703 vgl. Drs. 11/122. 1704 Drs. 11/143. 1705 vgl. Drs. 11/381. 1706 vgl. Drs. 11/1275. 1707 vgl. Pressemitteilung der Republikaner vom 12. März 1993. 1708 Drs. 11/6719. 1709 Drs. 11/6724. 1710 Drs. 12/32. 1711 Drs. 12/52. 7 Resümee 304

Asylbewerber zu Buche schlugen, zu thematisieren1712. In der zwölften Legislaturperiode dann hatte sie von den Republikanern auch den Usus übernommen, bei Anfragen zum Thema Kriminalität eine Differenzierung der Täterstruktur nach Nationalität zu begehren1713. Diese Entwicklungen legen den Schluß nahe, daß beide Seiten, die Republikaner und die etablierten Parteien, sich durch ihre Vorstöße gegenseitig animierten und auch zu übertreffen versuchten. Im Ergebnis wurden damit zahlreiche originäre Forderungen der Republikaner umgesetzt. Auch bundespolitisch durften sich die baden-württembergischen Republikaner als Initiatoren gesetzlicher Veränderungen fühlen. Zwei Jahre nach ihrem Gesetzentwuf zur Änderung des baden-württembergischen Polizeigesetzes mit dem Ziel der Erweiterung der Befugnisse um verdachts- und ereignisunabhängige Kontrollen setzte die Bundesregierung eine Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes durch, wonach BGS-Beamte ohne konkreten Verdacht Personen auf Bahnhöfen, in Zügen, und auf Flughäfen kontrollieren dürfen1714. Ihre Forderung, durch eine Reduzierung der Erstattung an Kommunen auf Umwegen die Leistungen an Asylbewerber zu reduzieren, übertrafen Bundestag und Bundesrat noch, als sie zugleich massive Kürzungen der Leistungen für solche Asylbewerber beschlossen, welche nach Eindruck der Behörden nur deswegen eingereist sind, um sich Leistungen zu erschleichen1715. Der Versuch, die Republikaner durch eine Annäherung an deren Positionen zu schwächen, erreichte eher das Gegenteil. Das Ergebnis der Landtagswahl 1996 signalisierte, daß der Wähler registriert hatte, daß die etablierten Parteien sich originären Inhalten einer Partei genähert hatten, die sie zugleich als verfassungsfeindlich bekämpften. Da die etablierten Parteien eine Zusammenarbeit mit den Republikanern ablehnten, deren Inhalte aber zum Teil längst übernommen hatten, avancierte die Fraktion um Rolf Schlierer in den Landesregierungen nicht nur in ausländer- und asylpolitischen Fragen zur Drohkulisse für den jeweiligen Bündnispartner, um einzelne Forderungen gegebenenfalls abseits der Koalitionsdisziplin durchzusetzen, kettete die Regierungsparteien zugleich aber, solange sie ihren Konsens nicht verletzen wollten, um so enger aneinander. Wie die Abstimmung über das Pflegeversicherungsgesetz zeigte, als den Republikanern dank der SPD die konkrete Funktion der Legislative zukam, existierte diese Drohkulisse nicht nur in der Theorie. Somit gelang den Republikanern die Etablierung im Landtag auch aufgrund des Verhaltens von

1712 vgl. Drs. 11/2318. 1713 vgl. Drs. 12/12. 1714 vgl. Heilbronner Stimme, 11. Juli 1998. 1715 vgl. Heilbronner Stimme, 11. Juli 1998. 7 Resümee 305

CDU, SPD und FDP. Christ- und Freidemokraten leisteten ihr in erster Linie Vorschub durch inhaltliche Annäherung, die SPD vor allem durch ihr Verhalten in Abstimmungen. Selbst im Kabinett waren die Republikaner somit auch in Abwesenheit präsent und beeinflußten mittelbar die Politik der Landesregierung, wie 1997 in der Auseinandersetzung um die Abschiebung von Fena Özmen deutlich wurde. Nach Abschiebung der 16jährigen Kurdin hatte sich neben Menschenrechtsgruppen zunächst die FDP für eine erneute Einreise des Mädchens eingesetzt. Landesinnenminister Thomas Schäuble bestand dagegen auf der, nach dem Ausländergesetz legalen, Ausweisung Özmens1716. Um eine Spaltung der Koalition im vorhinein zu verhindern, schwenkte die FDP im Kabinett auf die Auffassung der CDU ein - im Falle einer Abstimmung im Landtag nämlich hätte sich die CDU mit Hilfe der Stimmen der Republikaner durchsetzen können, und eine Spaltung der Koalition hätte gedroht. In dieser Konstellation fiel es den Republikanern um so leichter, sich in der Öffentlichkeit als effiziente Opposition zu profilieren. Die Dramaturgie der Affäre um Rudi Märkle war wie allein zu diesem Zweck geschaffen. In der öffentlichen Wahrnehmung stand auf der einen Seite Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder, der aufgrund persönlicher Interessen offenbar einen Rechtsverstoß vertuschen wollte, sich überdies zum Richter in gleichsam eigener Sache aufspielte und entsprechende Ermittlungen behinderte, sowie eine fahrlässige Opposition aus Grünen und SPD, welche die Rechtfertigungen Mayer-Vorfelders für dessen Verhalten nicht einmal durch einen Blick in die Strafprozessordnung überprüfte, auf der anderen Seite die Republikaner, die den Minister als einzige Fraktion im Landtag zu widerlegen vermochten. In der öffentlichen Wahrnehmung waren nur die Republikaner imstande, in dieser Situation eine wirksame Kontrolle der Regierung zu leisten. Gemessen am öffentlichen Interesse, welches die Märkle-Affäre ausgelöst hatte, war der Effekt dieses Eindrucks nicht hoch genug zu veranschlagen. Nicht nur die Aktivitäten der Abgeordnetengruppe um Rolf Schlierer sowie der übrigen Parteien im Landtag führten jedoch zur Etablierung der Republikaner als Fraktion - zugleich wirkten sich auch jene positiven Momente der parlamentarischen Fremdstrukturierung aus, die Joachim Raschke bereits am Beispiel der Grünen als allgemeingültig für alle Debutanten in Parlamenten ausgemacht hat und deren Notwendigkeit „nur bei Strafe des Mißerfolgs von Neuankömmlingen mißachtet werden“ kann1717. Demnach sorgt allein der Druck zur Professionalisierung dafür, daß die Abgeordneten die Fachkenntnisse von Bürokraten mit den Einflußmitteln von Politikern verbinden müssen, ohne sich auf eine der beiden Rollen zu

1716 vgl. Heilbronner Stimme, 18. Oktober 1997. 1717 Joachim Raschke: Die Grünen. Wie sie wurden, was sie sind, Köln 1993, S. 630. 7 Resümee 306 reduzieren. Währenddessen bewirkt der Komplexitätsdruck, daß die Parlamentarier als innerparteiliche Repräsentanten stetig Erfahrungen in verschiedenen Handlungsfeldern sammeln. Wahl und Parlament führen derweil zu einem Konkretisierungsdruck, der die Fraktion zwingt, sich in allen wesentlichen Politikbereichen zu artikulieren und ihre Ziele bis hin zu Gesetzentwürfen und Finanzierungsvorschlägen zu konkretisieren. Da parlamentarische Aktivitäten im verbreiterten politischen Raum stattfinden, in dem Regierung, Verwaltung und Verbänden, anderen Parteien, Medien sowie der Wählerschaft eine erhöhte Bedeutung zukommen, entsteht darüber hinaus ein Öffnungsdruck, der wesentlich zu einer Außenorientierung der Parlamentarier beiträgt. Die Arbeit unter Zeitdruck sowie interner und externer Konkurrenz erzeugt zugleich einen Effizienzdruck. Die parlamentarischen Mechanismen wiederum ziehen einen Einigungsdruck auf die Fraktion nach sich. Die Gepflogenheiten parlamentarischer Kommunikation und Verhandlung resultieren schließlich in einem Druck zur Elitenbildung. Sämtliche Erfordernisse erscheinen parlamentarischen Debutanten zwar zunächst als Hemmnis, auf Dauer aber erleichterten sie der Fraktion die Etablierung1718. Im Falle der Republikaner schufen diese Kräfte ein Umfeld, das den Abgeordneten die Etablierung als Fraktion erleichterte. Im Ergebnis waren zum einen eine Verbreiterung der Aktionsformen und eine Reduktion der Auffälligkeiten um die Fraktion festzustellen, zum anderen eine Normalisierung im Umgang auch der übrigen Parteien im Landtag den Republikanern gegenüber. Inhaltlich ging damit ein Prozeß der Zähmung einher, der bereits bei den kommunistischen Parteien in den westlichen Demokratien zu beobachten gewesen ist. Aus weitgehend taktischen Gründen legen sie zunächst eine Loyalität gegenüber dem System an den Tag, auf dessen Vernichtung sie eingeschworen sind. In der parlamentarischen Praxis jedoch geraten sie damit stets aufs neue in ideologische Widersprüche, welche die Partei schließlich von der System- zur Regierungsopposition werden lassen. Denn unter parlamentarischen Bedingungen läuft jede Opposition Gefahr, früher oder später verantwortlich zu werden. Sie muß damit eine Reihe von Regularien akzeptieren und befolgen, will sie nicht in der politischen Bedeutungslosigkeit enden1719. Auf diese Weise indes wird sie selbst Teil des Systems, das zu bekämpfen sie angetreten war, was den unveränderten Befund des Extremismus jedoch nicht ausschließen muß, wie das Beispiel der Republikaner im Stuttgarter Landtag zeigt. Somit haben nicht nur die Republikaner die

1718 vgl. Hubert Kleinert: Aufstieg und Fall der Grünen. Analyse einer alternativen Partei, Bonn 1992, S. 323 ff., nach dessen Ansicht vor allem an diesem Effizienzdruck das grüne Prinzip der antihierarchischen Egalität scheiterte. 1719 vgl. Ghita Ionescu/Isabel de Madariaga: Die Opposition. Ihre politische Funktion in Vergangenheit und Gegenwart, München 1971, S. 90 f. 7 Resümee 307 politische Landschaft im Landtag verändert. Die Jahre im Landtag haben auch die Republikaner verändert. Nach fünfjähriger Arbeit im Stuttgarter Parlament hatte die Fraktion der Republikaner ihre Positionen darüber hinaus nicht nur im, sondern auch außerhalb des Landtags etabliert, wenn sich etwa Michael Schonath und der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang von Stetten in Schreiben an die Hohenloher Landräte gegen den Vorschlag des SPD- Bundestagsabgeordneten Hermann Bachmeier wandten, die umstrittene Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht in Hohenlohe zu zeigen. Ihre Argumentation war dabei dieselbe: Die Ausstellung beruhe auf Geschichtsfälschung, erklärte Schonath; die Ausstellung diene nur dem Versuch, die „gesamte Deutsche Wehrmacht als Verbrecherorganisation hinzustellen“, sagte von Stetten1720. Institutionell zeigten sie sich ebenfalls zunehmend verankert. So war Lothar König, bereits seit 1974 erster Stellvertreter des Bürgermeisters in seiner Heimatgemeinde Calw, inzwischen in das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung aufgerückt1721.

1720 zit. nach Hohenloher Zeitung, 27. Mai 1997. 1721 vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Volkshandbuch, Wahlperiode 11, 1992/96, Rheinbreitbach 1995, S. 50. 7 Resümee 308

7.3 Die Republikaner in Baden-Württemberg – eine etablierte Partei?

Nach der Landtagswahl 1996 erklärte der neue und alte Fraktionsvorsitzende Rolf Schlierer, die Republikaner seien „eine feste Größe im Land“1722 geworden. Haben sich die Republikaner tatsächlich nicht nur als Fraktion im Landtag, sondern auch als Partei in Baden- Württemberg etabliert? Gemäß der eingangs entwickelten Definition etabliert sich eine Partei als Opposition in erster Linie durch den Umstand, daß ihre Positionen gesellschaftsfähig werden. Im Falle der Republikaner fand die Etablierung derart statt, daß der Partei aufgrund ihres radikalen Habitus´ und vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit in der öffentlichen Debatte zunächst breiter Raum zukam, Präsenz und Positionen der Republikaner wurden indes im Laufe der Zeit zunehmend weniger skandalisiert und skandalisierbar - die Partei stand zwar in der Diskussion, die politische Auseinandersetzung mit ihr aber blieb weitgehend aus. Schon geraume Zeit vor ihrem Einzug in das Stuttgarter Plenum waren die Republikaner im Parlament präsent. Nach dem überraschenden Erfolg der Republikaner bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus befaßte sich der Stuttgarter Landtag im April 1989 in einer von der FDP beantragten Aktuellen Debatte mit der Frage des geeigneten Umgangs mit den Republikanern. Einigkeit unter allen Fraktionen konnte dabei darin erzielt werden, daß eine Zusammenarbeit von etablierten Parteien mit den Republikanern auszuschließen sei. Hinsichtlich der Ursachen ihres Erfolgs und der geeigneten Gegenstrategien gingen die Ansichten auseinander. Die etablierten Parteien hätten offensichtlich eine „bestimmte Empfindlichkeit“ der Bevölkerung nicht ausreichend berücksichtigt, sagte der damalige christdemokratische Ministerpräsident Lothar Späth, für den kommunales Ausländerwahlrecht oder die Arbeitserlaubnis für Asylbewerber deshalb abzulehnen waren. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Dieter Spöri, führte die Konjunktur der Partei vor allem auf soziale Spannungen zurück und bezeichnete die Wähler der Republikaner als die „frustrierten Zuschauer des bundesdeutschen Wachstumsfestes“. Mit einer „monatelangen Beschwörung einer Katastrophe im Asylbereich“ habe die Landesregierung die Themen der Rechtsextremisten erst „hochgezogen“. Der Grünen-Abgeordnete Reinhard Bütikofer vertrat

1722. zit. nach Süddeutsche Zeitung, 27. März 1996. 7 Resümee 309 die Ansicht, eine offene Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus könne nur gelingen, „wenn wir zugeben, daß es in unserer Gesellschaft genug Grund gibt zum Aufbegehren“1723. So hatten die etablierten Parteien bereits frühzeitig verdeutlicht, wie sie sich den Erfolg der Republikaner erklärten. Ministerpräsident Späth hielt ihn für eine bestimmte Empfindlichkeit und nahm an, Ausländerfeindlichkeit ließe sich bekämpfen, indem Ausländern Rechte deutscher Staatsangehöriger vorenthalten werden. Sozialdemokrat Dieter Spöri vertrat die Heitmeyersche Modernisierungsopfer-These1724, die der Wählerschaft der Partei schon damals nicht gerecht wurde1725. Und der Grüne Reinhard Bütikofer verstand rechtsextreme Strömungen als eine Art neue soziale Bewegung, welche den Republikanern in die Parlamente verhelfen werde, solange sich genug Grund zum Aufbegehren finde1726. Die Republikaner wiederum hatten gezeigt, daß sie die tagespolitische Agenda im Parlament beeinflussen konnten, obwohl sie dort noch nicht vertreten waren1727. Keine drei Monate später stand auch der Konsens in Frage, wonach keine der etablierten Parteien mit den Republikanern zusammenarbeitet. Zwar galt nach wie vor das Bekenntnis von Ministerpräsident Späth: „Wer in der CDU Baden-Württemberg mit Republikanern zusammenarbeitet, muß damit rechnen, daß der Vorsitzende die notwendigen Schritte gegen ihn einleitet“1728. Zugleich stellte sich aber heraus, daß Späths Amtsvorgänger, der Ehrenvorsitzende der Christdemokraten in Baden-Württemberg, Hans Filbinger, im Kuratorium des Studienzentrums Weikersheim, dem er vorsaß, gemeinsam mit Rolf Schlierer wirkte; außerhalb der Parlamente gab es somit bereits seit Jahren eine Zusammenarbeit zwischen Christdemokraten und Republikanern. Späth geriet damit in die schwierige Lage, erklären zu müssen, warum ein Gemeinderat im Land nicht mit den Vertretern einer Partei zusammenarbeiten sollte, mit denen der Ehrenvorsitzende sehr wohl kooperierte. Entsprechend uneinheitlich reagierten die lokalen Vertreter der etablierten Parteien, als die Republikaner nach den baden-württembergischen Kommunalwahlen in zahlreiche Kreistage, Gemeinderäte und Stadträte einzogen. In Ulm empfing die Republikaner bei Konstituierung

1723. sämtlich zit. nach Heilbronner Stimme, 27. April 1989. 1724 vgl. Wilhelm Heitmeyer: Gesellschaftliche Desintegrationsprozesse als Ursachen von fremdenfeindlicher Gewalt und politischer Paralysierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Band 2- 3/1993, S. 3-13, vgl. auch ders.: Rechtsextremistische Orientierungen bei Jugendlichen. Empirische Ergebnisse und Erklärungsmuster einer Untersuchung zur politischen Sozialisation, 4. Auflage, Weinheim und München 1992. 1725 vgl. Bernd Neubacher: NPD, DVU-Liste D, Die Republikaner. Ein Vergleich ihrer Ziele, Organisationen und Wirkungsfelder, Köln 1996, S. 111 f. 1726 zur Debatte vgl. Heilbronner Stimme, 27. April 1989. 1727 vgl. Süddeutsche Zeitung, 19. März 1992. 1728 zit. nach Die Welt, 13. Juli, 1989. 7 Resümee 310 des Gemeinderats der freundliche Beifall der anderen Mitglieder im Gremium. In Karlsruhe versuchten derweil CDU, SPD, FDP, Grüne und Karlsruher Liste gemeinsam zu verhindern, daß die Vertreter der Partei Sitz und Stimme in den Ausschüssen erhielten. In Freiburg wollten die Grünen währenddessen durch jeweils gegenläufiges Abstimmungsverhalten die drei Republikaner im Stadtrat neutralisieren - Proteste von Parteimitgliedern zogen schließlich den Austritt des grünen Fraktionsvorsitzenden nach sich. In Heidenheim wiederum setzten die Grünen mit Hilfe der Stimmen der Republikaner einen Antrag auf das Verbot von Streusalz im Winter durch. In den weitaus meisten Städten und Gemeinden verständigten sich die Parteien gleichwohl darauf, nicht mit Republikanern zusammenzuarbeiten1729. Uneins waren sich wiederum die Landtagsparteien in der Frage, wie den Republikanern im bevorstehenden Wahlkampf zur Landtagswahl 1992 zu begegnen sei. Im September 1991 hatte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Dieter Spöri, eine Absprache zwischen den Parteien vorgeschlagen: CDU, SPD, FDP und Grüne sollten sich darauf verständigen, alle Aktionen und Erklärungen zu unterlassen, die „rechtsradikalen Strömungen und Gruppierungen im Lande Auftrieb geben könnten“1730. Nachdem die Absprache nicht zustande gekommen war, startete die sozialdemokratische Landespartei eine Flugblatt- und Anzeigenkampagne, in der sie der CDU eine „Asyllüge“, ein „Täuschungsmanöver“ sowie „Wählerbetrug“ vorwarf1731. Bald darauf veröffentlichte auch die CDU Zeitungsanzeigen, in denen sie eine Änderung des Asylrechts verlangte und forderte, SPD und FDP, die immer mehr Asylbewerber ins Land ließen, müßten am Wahltag „die Quittung bekommen“1732. Somit avancierte das Thema Nummer eins der Republikaner zum dominierenden Thema des Landtagswahlkampfes, während bereits vor der Wahl die zunächst einhellige Ablehnung einer Zusammenarbeit mit den Republikanern geschwunden war. Problematisch war dabei weniger, daß sich die etablierten Parteien uneins darin waren, wie den Republikanern zu begegnen sei – Dissens ist das Wesen der Demokratie. Problematisch war auch nicht, daß politische Beschlüsse auf lokaler Ebene mit den Stimmen der Republikaner zustande kamen – das Freiburger Beispiel zeigte, wohin das Bemühen um ein partout gegenläufiges Abstimmungsverhalten führen konnte, und gerade das Heidenheimer Streusalzverbot verdeutlichte, daß in der Kommunalpolitik Debatten und Fragen weitaus praktischerer Natur zu erörtern waren als in der Landes- oder Bundespolitik. Problematisch war aber der Eindruck, den die etablierten Parteien vermittelten: daß sie die Republikaner zunächst als Bedrohung der Demokratie

1729 vgl. Heilbronner Stimme, 4. Januar 1990. 1730 zit. nach Stuttgarter Zeitung, 26. September 1991. 1731 zit. nach Stuttgarter Zeitung,, 25. Oktober 1991. 1732 zit. nach Süddeutsche Zeitung, 19. März 1992. 7 Resümee 311 aufgebaut und sich gegenseitig ihrer Distanzierung versichert hatten, um schließlich aus allein taktischen Gründen und ohne weitere Debatte deren Themen oder Argumentationsmuster zu übernehmen. Anhaltspunkte, an die sich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Republikanern hätte knüpfen lassen, fanden sich dabei schon im Landtagswahlprogramm zu Genüge. Zum einen propagierte die Partei etwa mit der Forderung nach einer nationalen Identität neurechte Ideologeme, die sie offenbar selbst nicht näher zu substantiieren vermochten. Ihre These, Ursache von Ausländerfeindlichkeit sei eine multikulturelle Gesellschaft, stellte die Realität auf den Kopf – so standen in der ehemaligen DDR nach dem Fall der Mauer Türken auf einer Skala der Antipathie an der Spitze, obwohl es in der DDR praktisch keine Türken gab, und im wiedervereinigten Deutschland ereigneten sich die meisten Anschläge auf Ausländer gerade dort, wo die wenigsten Ausländer und Flüchtlinge lebten, in Ostdeutschland und in der westdeutschen Provinz1733. Die Republikaner bezeichneten in ihrem Landtagswahlprogramm hingegen Ausländerpolitik als „vitale(n) Grundfrage unseres Volkes“1734 und insinuierten damit einen Kampf auf Leben und Tod, hinter dem Verfassungsgrundsätze freilich zurückstehen müßten. Inkonsistent präsentierte sich die Partei auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik: die Ausgaben des Staates sollten gesenkt, die Belastung von Bürgern und Unternehmen verringert werden, zugleich aber diverse staatliche Förderprogramme unter anderem für den sozialen Wohnungsbau und zur Bildung von privatem Wohnungseigentum eingerichtet werden. Den Republikanern schwebte Wirtschaftsliberalismus und Staatsinterventionismus gleichermaßen vor. Ihr reaktionäres Weltbild jenseits der Bekenntnisse zum Grundgesetz faßten die Republikaner in ihren Ausführungen zum Programmpunkt Kirche in drei Sätzen zusammen: „Die Auflösung der ethischen Grundlagen unseres Volkes zeigt sich im naiven Materialismus (Hervorhebungen im Original, d. A.), in der würdelosen Haltung nationaler Selbstvergessenheit, in der Zerrüttung der Familie, am Beispiel zunehmender Kinderfeindlichkeit, an der mangelnden Ehrfurcht vor dem ungeborenen Leben, in der unzureichenden Vor- und Fürsorge für die werdende Mutter, in der Diffamierung der Frau in ihrer Rolle als mütterlicher Mittelpunkt der intakten Familie, in der Bedrohung der sonntäglichen Arbeitsruhe, in maßlosem Konsumverhalten, (Kommafehler im Original, d. A.) sowie in der anonymen Haltung der Gesellschaft gegenüber Alten, Leistungsschwachen und Kranken. Steigender Rauschgiftkonsum, Selbstmordstatistik und Kriminalitätsrate sprechen

1733 vgl. Frank Neubacher: Jugend und Rechtsextremismus in Ostdeutschland vor und nach der Wende, Bonn 1994, S. 90 ff. 1734 Landtagswahlprogramm der Republikaner 1992, S. 8. 7 Resümee 312 eine deutliche Sprache. Die Kluft zwischen materiellem Reichtum und seelischer Not ist ohne geschichtliches Beispiel.“1735 „Deutsch fühlen statt können“, ließ sich frei nach Karl Kraus das Programm charakterisieren, mit dem die Republikaner den etablierten Parteien in Baden- Württemberg das Fürchten lehren sollten. Zwar wandten sich die Republikaner darin allerorten wider jegliche Formen sogenannter Multikultur. Was indes deutsche Kultur auszeichnete und was darunter zu verstehen war, vermochte die Landespartei selbst nicht zu definieren - ein Phänomen, das die Republikaner mit vielen ihrer Wähler gemein hatten1736. Vielmehr fungierte der Begriff der Kultur, wie später auch die Arbeit der Fraktion belegte, nur als unverfänglicheres Synonym für das, was den Republikanern als Deutschtum und dessen Implikationen vorschwebten. Im Landtagswahlkampf, in den die Republikaner mit diesem Programm zogen, kamen der Partei Faktoren der Landes- und der Bundespolitik zugute. Der Wahlkampf in Baden- Württemberg fiel in eine Zeit, in der sämtliche im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der Grünen auf eine Beschleunigung von Asylverfahren drangen, sich indes trotz gemeinsamer Initiativen nicht auf eine Lösung einigen konnten1737. Wie auch das Ergebnis der gleichzeitig stattfindenden Wahl zum Kieler Landtag zeigte, arbeiteten somit bundespolitische Faktoren der Landespartei zu. Die Republikaner profitierten außerdem vom Verhalten des SPD-Spitzenkandidaten Dieter Spöri, der gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden die Haltung gegenüber Aussiedlern zum Wahlkampfthema erkoren hatte1738. Ob der Erfolg der Republikaner bei den Landtagswahlen 1992 auch mit der Verfassung und dem Verhalten ihrer politischen Akteure zu begründen war, steht dahin - aus der Geschichte der Landespartei zumindest lassen sich, abgesehen von der Unterstützung durch den Bundesvorsitzenden Schönhuber im Wahlkampf sowie der flächendeckenden Präsenz der eigenen Kandidaten in den 70 Wahlkreisen im Land, keine einschlägigen Schlüsse ziehen. Um so größer war die allgemeine Aufmerksamkeit, als die Republikaner dann in den Stuttgarter Landtag einzogen: „Ein Staat, der jahrzehntelang eine der stabilsten Demokratien der Welt war, lernt die Instabilität durch die Radikalen kennen“, lautete vielerorts der Tenor1739 in der Diskussion über die Partei.

1735 Landtagswahlprogramm der Republikaner 1992, S. 29. 1736 vgl. mit anschaulichem Beispiel Klaus Weber in Thomas..., S. 146. 1737 vgl. Heilbronner Stimme, 21. Februar 1992. 1738 vgl. Lüder Meier und Brigit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg, in Butterwegge u.a: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 238. 1739 Stuttgarter Zeitung, 6. April 1992. 7 Resümee 313

Der Einzug der Republikaner in den Landtag Baden-Württembergs war somit weniger auf das Verhalten der Republikaner als vielmehr auf das der großen Parteien zurückzuführen. Nachdem der Versuch der SPD gescheitert war, das Thema Asyl in der öffentlichen Diskussion während des Wahlkampfes zu tabuisieren, setzten sowohl Sozial- als auch Christdemokraten in ihren Kampagnen auf Gefühle anstatt auf Argumente. Vor allem die CDU emotionalisierte das Asylthema und die Forderung nach einer anderen Flüchtlingsgesetzgebung , ohne jedoch praktikable Lösungen anzubieten1740. Der Versuch der Tabuisierung mußte auf Grund der Bedeutung der längst entbrannten Asyldebatte scheitern; die fehlende Auseinandersetzung mit den Positionen der Republikaner im Wahlkampf und die Emotionalität der Kampagnen arbeiteten dem Populismus der Landespartei um den Vorsitzenden Christian Käs zu. Nach der Wahl machten sich die etablierten Parteien gegenseitig dafür verantwortlich, daß die Republikaner mit 15 Vertretern in den Landtag eingezogen waren. Einigkeit, zumindest in den Landesvorständen und Fraktionsspitzen, bestand wiederum allein in der Frage, eine Zusammenarbeit mit den Neulingen im Parlament abzulehnen1741. So lehnte Ministerpräsident Erwin Teufel Sondierungsgespräche hinsichtlich einer Koalition mit den Republikanern entgegen dem Willen von Teilen der Parteibasis ab1742. Zugleich verteidigte er den Wahlkampf seiner Partei. Der Vorwurf, die CDU habe Schuld am Einzug der Republikaner in den Landtag, sei „nicht nur falsch, sondern absurd“. Die politischen Parteien müßten auch bei dem Hauptthema Asyl Antworten geben1743. Ob die Republikaner ihr Quartier im Landtag für längere Zeit aufgeschlagen hätten, meinte sein Parteifreund und Landtagsabgeordneter Friedhelm Repnik, hänge von der Zahl der Asylbewerber ab. Müßten die Gemeinden noch mehr Flüchtlinge aufnehmen, sei „die Kacke am Dampfen“1744. Die Christdemokraten glaubten, daß allein die Asylpolitik den Republikanern ins Parlament verholfen hatte und ihnen zu begegnen war, indem die etablierten Parteien auf ihre Forderungen eingingen. Rund vier Wochen nach der Landtagswahl hatte der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Günther Oettinger, erklärt, die CDU wolle den Wähler in den kommenden vier Jahren über die wahren Absichten der Republikaner aufklären1745. Diesem Anspruch wurden die

1740 vgl. Südwest Presse, 6. April 1992. 1741 vgl. Heilbronner Stimme, 6. April 1992. 1742 vgl. Heilbronner Stimme, 6. Mai 1992. 1743 zit. nach Heilbronner Stimme, 6. April 1992. 1744 zit. nach Süddeutsche Zeitung, 9. Oktober 1992. 1745 vgl. Heilbronner Stimme, 12. Mai 1992. 7 Resümee 314

Christdemokraten jedoch nicht gerecht. Im Gegenteil: In der öffentlichen Wahrnehmung profitierten vielmehr die baden-württembergischen Republikaner in der elften Legislaturperiode wie in den sechziger Jahren bundesweit die NPD von den politisch unscharfen Konturen einer Großen Koalition, welche die Christdemokraten im Südwesten eigens mit den Sozialdemokraten gebildet hatten, um eine Regierungsbeteiligung der Republikaner zu verhindern - im Ergebnis hatte die Partei damit mit über die Bildung der Landesregierung entschieden, obwohl sie nur 10,9 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Das für die Entwicklung der Republikaner günstige Umfeld drängte den Umstand in den Hintergrund, daß von der Landespartei auch nach dem Einzug in den Landtag kaum Bestrebungen ausgingen, die Stellung der Republikaner in der baden-württembergischen Öffentlichkeit zu stärken. Programmatische Impulse, auch für die Fraktion im Landtag, fanden nicht statt, öffentliche Veranstaltungen blieben Mangelware, von sich reden machten die Republikaner allenfalls durch kriminelle oder extremistische Aktivitäten - offenbar hatte sich die Partei damit verausgabt, ihre erfahrensten Vertreter in den Landtag zu entsenden. Da paßte ins Bild, daß der Vorstoß, im kommenden Wahlkampf das Thema Islam zu besetzen, von der Fraktion ausging und nicht von der für programmatische Fragen zuständigen Partei, der in der Theorie gerade im Falle kompetitiv arbeitender Oppositionen eine hohe Bedeutung zukommt, die im Falle der Republikaner aber nur als Akklamationsorgan für Parteitage fungierte. In der baden-württembergischen Lokalpolitik fiel die Bilanz kaum anders aus. In den Gemeinde- und Stadträten sowie Kreistagen setzten sich die Republikaner in der Regel eher mit ihresgleichen als mit dem politischen Gegner auseinander, lösten sich, wie in ihrer Hochburg Pforzheim, vorzeitig auf oder machten sich, wie in Freiburg, die Vorlagen der Stadtverwaltung meist widerspruchslos zu eigen1746. Vereinzelt bemühten sich die etablierten Parteien zwar auch um eine Auseinandersetzung mit den Republikanern und deren Positionen. Schon vier Wochen nach der Landtagswahl stellte der Fraktionsvorsitzender der CDU, Günther Oettinger, eine elfseitige Analyse der Republikaner vor, welche die Partei als antidemokratisch, ausländer- und fremdenfeindlich sowie antisemitisch charakterisierte1747. Im Februar 1994 veröffentlichte die Landtagsfraktion der SPD eine 38seitige Broschüre über die Arbeit der Landtagsabgeordneten, um zu belegen, „daß die Republikaner keine zum demokratischen Spektrum gehörende Partei ist, sondern eine rechtsextremistische und antidemokratische

1746 vgl. Südwest-Presse, 3. Dezember 1992. 1747 vgl. Heilbronner Stimme, 12. Mai 1992. 7 Resümee 315

Organisation“1748. Jedoch waren diese Anstrengungen vor allem durch den Versuch motiviert, einen demokratisch legitimierten Gegner durch das Verdikt der Demokratiefeindlichkeit oder des Rechtsextremismus öffentlich zu diskreditieren. Im politischen Alltag blieb die argumentative Auseinandersetzung mit den Republikanern in der Regel aus, wie im Falle der SPD die zahlreichen Beleidigungen und Schmährufe im Landtag gegenüber den Abgeordneten der Partei zeigten. Eine Ausnahme bildete Landesinnenminister Frieder Birzele, der die Republikaner widerlegte, indem er deren Anfragen ernst nahm. Als sich die Abgeordneten um Rolf Schlierer etwa nach Übergriffen von Ausländern auf Deutsche erkundigten und als Anlaß ihrer Anfrage vage Beispiele aufführten, bat der Minister um deren Präzisierung - die Republikaner vermochten sie nicht nachzureichen1749. Als die Fraktion Auskunft begehrte über die Anzahl vorgetäuschter fremdenfeindlicher Straftaten, antwortete der Innenminister: „Nach polizeilichen Ermittlungen haben nichtdeutsche Tatverdächtige 1992 sieben und 1993 (Stand: 6. Oktober 1993) 12 fremdenfeindliche Straftaten vorgetäuscht. Demgegenüber wurden 1992 781 und 1993 630 fremdenfeindliche Straftaten tatsächlich begangen. Das Verhältnis der von Nichtdeutschen vorgetäuschten zu tatsächlich begangenen Straftaten beträgt somit 1:109 bzw. 1:52. Es wurden keine Personen verletzt oder getötet. Der Sachschaden betrug im Jahr 1992 2100 DM, 1993 900 DM.“1750 Und als die Fraktion nach bestrahlten Lebensmitteln aus dem Ausland frug, teilte der Minister mit, in Baden- Württemberg überwache die Chemische Landesuntersuchungsanstalt Karlsruhe das entsprechende Verbot. Dabei sei 1992 von 446 untersuchten Proben keine einzige strahlenbehandelt gewesen, 1993 von 203 Proben eine1751. Ungleich spektakulärer als solche Formen der Auseinandersetzungen geriet indes Birzeles Vorhaben, im Foyer des Landtags eine Wanderausstellung zum Rechtsextremismus mit dem Namen „Biedermänner und Brandstifter“ zu zeigen, welche sich auch mit den Republikanern beschäftigte. In der um die geplanten Exponate entstandenen Auseinandersetzung präsentierten sich die etablierten Parteien wiederum uneins in der Frage, wie weit die Auseinandersetzung mit den Republikanern gehen durfte. Dabei vermittelten sie erneut den

1748 SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 1. 1749 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 12. 1750 zit. nach SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 14. 1751 vgl. SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg (Hg.): Rechtsextremisten im Parlament, Eine Dokumentation über die Reps, Stuttgart 1994, S. 15. 7 Resümee 316

Eindruck, die Frage des Umgangs mit den Vertretern dieser Partei in erster Linie unter taktischen Aspekten zu betrachten. Während SPD und Grüne für die Ausstellung plädierten, sprach der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Walter Döring, von einer „bewußten Provokation“1752 durch das Innenministerium. Landtagspräsident Fritz Hopmeier sah daraufhin „den Hausfrieden gefährdet“, die Atmosphäre sei ohnehin schlecht genug. Gleichwohl genehmigte tags darauf das Landtagspräsidium die Ausstellung mit der Begründung, der Innenminister müsse entscheiden, was rechtmäßig und politisch sinnvoll sei1753. Je länger indes die Veranstaltung dauerte, desto stärker entzweiten sich die etablierten Parteien in der Frage ihrer Zweckmäßigkeit. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion forderte schließlich, die Veranstaltung müsse Teil einer Auseinandersetzung aller demokratischen Parteien mit dem Rechtsextremismus sein. Und an die Adresse des Koalitionspartners fügte er hinzu: „Persönliche Profilierungsversuche wie Schienbeintritte gegen den politischen Konkurrenten sollten unterbleiben.“1754 Der Eindruck, die etablierten Parteien verfolgten auch in der Frage der Auseinandersetzung mit den Republikanern zuerst ihre eigenen Interessen, wurde verstärkt durch den Umstand, daß weder CDU noch SPD im Landtag die Distanz zum politischen Gegner strikt wahrten, so daß die vielgeschmähten Republikaner mehrfach auf Grund von Streit in der Großen Koalition unversehens zum Zünglein an der Waage im Parlament und zu willkommenen Mehrheitsbeschaffern avancierten. Bei der Wahl profitierten die Republikaner dann von dem Umstand, daß Große Koalitionen den Trend zur Wahl kleinerer Parteien begünstigen1755, zudem kam ihnen die Schwäche der etablierten Parteien zugute, die sich gegenseitig beschuldigten, durch ihr teilweise konträres Abstimmungsverhalten im Landtag die Republikaner erst hoffähig gemacht zu haben. Mit der Wiederwahl gelang der Abgeordnetengruppe um Rolf Schlierer eine große Überraschung, zumal keine veröffentlichte Umfrage eine Rückkehr der Republikaner ins Parlament vorhergesagt hatte1756. Wenige Tage darauf stellte sich gleichwohl heraus, daß das Meinungsforschungsinstitut Allensbach ein Ergebnis von 4,5 Prozent „mit Bewegung nach oben“1757 ermittelt hatte, diesen ergänzenden Kommentar indes bewußt unterlassen hatte, um die Republikaner nicht in den Mittelpunkt zu rücken1758. Die Unterstützung für die

1752 zit. nach Heilbronner Stimme, 2. Februar 1994. 1753 vgl. Heilbronner Stimme, 3. Februar 1994. 1754 vgl. Heilbronner Stimme, 17. Februar 1994. 1755 vgl. Lüder Meier und Brigit Griese: Die REPublikaner im Landtag von Baden-Württemberg, in Butterwegge u.a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, a.a.O., S. 237. 1756 vgl. Heilbronner Stimme, 26. März 1996. 1757 Stuttgarter Zeitung, 28. März 1996. 1758 vgl. Heilbronner Stimme, 30. März 1996. 7 Resümee 317

Republikaner war wissentlich zu niedrig angegeben worden1759. Der Landesparteivorsitzende Christian Käs, der vor der Wahl über die niedrigen Umfrageergebnisse gespottet hatte1760, durfte sich bestätigt sehen, ebenso der Fraktionsvorsitzende Rolf Schlierer, der noch Anfang März gesagt hatte: „Vor Wahlen werden Demoskopen zu Demagogen.“1761 Damit erhielt eine Legende Nahrung, um deren Verbreitung sich die Republikaner bereits seit Jahren bemüht hatten: die Legende von den aufrechten Patrioten, die ein Machtkartell etablierter, allgemein linksorientierter Parteien und eine von diesen beherrschte Öffentlichkeit mit unlauteren Mittel zu stoppen versucht. Bis 1997 war die Geschichte der Republikaner in Baden-Württemberg eine einzige Abfolge von Versuchen, dem politischen Gegner Machtmißbrauch und Manipulation zu unterstellen und ihn der Lüge zu bezichtigen. Damit einher ging in der Regel die Androhung entsprechender Verleumdungs- oder Unterlassungsklagen, der indes in den seltensten Fällen Taten folgten. Schon im Sommer 1989, als Rolf Schlierer wegen antisemitischer Äußerungen gegenüber der Illustrierten „Stern“ in die Kritik geriet, stellte er seine Behauptungen in Abrede und kündigte an, gerichtlich gegen das Blatt vorgehen zu wollen1762. Nach dem Einzug der Partei in den baden-württembergischen Landtag verwandte der Fraktionsvorsitzende dann große Anstrengungen darauf, den Eindruck zu vermitteln, die Republikaner seien „keine reine Asylpartei“1763; Schlierer zufolge handelte es sich vielmehr um eine „sinnvolle Antithese“ zu den etablierten Parteien1764 und einem „notwendigen Korrektiv zur CDU“1765. Vehement wehrte sich die Partei daher, wurden Zweifel an der Verfassungstreue der Republikaner laut. Dabei reagierten die Republikaner auf Meinungsäußerungen mit Strafanzeigen, Tatsachen wurden währenddessen schlicht geleugnet, relativiert oder umgedeutet. So strengte Landesgeschäftsführer Alfred Dagenbach im Frühjahr 1992 Gegendarstellungsverfahren wegen Meldungen an, wonach die Partei künftig vom Landesverfassungsschutz beobachtet werden sollte. Die in der Presse zitierten Äußerungen des stellvertretenden Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz bestritt Dagenbach kurzerhand1766. Nachdem bekanntgeworden war, daß die Republikaner im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingeordnet werden würden,

1759 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 27. März 1996. 1760 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 2. September 1995. 1761 zit. nach Heilbronner Stimme, 8. März 1996. 1762 vgl. Stuttgarter Zeitung, 13. Juli 1989. 1763 zit. nach tageszeitung, 8. April 1992. 1764 zit. nach tageszeitung, 8. April 1992. 1765 zit. nach Heilbronner Stimme, 6. Mai 1992. 1766 vgl. Heilbronner Stimme, 28. April 1992. 7 Resümee 318 sprach wiederum Schlierer von „vollkommen haltlosen“ Anschuldigungen, die seine Partei gerichtlich überprüfen lassen werde1767. Als der baden-württembergische Landesverfassungsschutz Repräsentanten der Partei die Teilnahme an einer gemeinsamen Grillfeier mit Neonazis nachwies, hieß es entgegen den Erkenntnissen der Behörde, die militanten Rechtsextremisten seien erst weit nach Mitternacht auf der Feier erschienen1768. Als der Landesverfassungsschutz ermittelt hatte, daß der Landtagsabgeordnete Karl-August Schaal Wahlkampfhilfe von einem der führenden Neonazis im Land erhalten hatte, behaupteten die Republikaner, als änderte dies irgendetwas an Schaals Verhalten, die Behörden hätten dem ahnungslosen Parlamentarier „eine Falle gestellt“1769. Sofern es sich ins eigene Weltbild einfügte, schienen die Republikaner vor Lügen nicht zurückzuschrecken. Im Mai 1995 erklärte zum Beispiel Rolf Schlierer, der Landtagsabgeordnete Horst Trageiser sei an einem Informationsstand von Ausländern überfallen und verletzt worden; die Polizei sah sich daraufhin veranlaßt klarzustellen, daß es sich um deutsche Staatsangehörige gehandelt hatte, die Trageiser angegriffen hatten1770. Vorwiegend mit juristischen Mitteln gingen die Republikaner währenddessen gegen die Meinungsäußerungen von Vertretern der anderen Landtagsparteien vor. So erstattete die Partei Strafanzeige gegen den Vorsitzenden der CDU-Fraktion, der die Republikaner während eines politischen Frühschoppens als menschenfeindlich bezeichnet hatte1771. Kurz darauf verklagte die Partei den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Gerd Weimer, wegen dessen Äußerung, die Republikaner hätten sich im Landtag als „eine rechtsradikale bis faschistoide Ein-Punkte-Partei“ entlarvt, „direkt in der Tradition der Nazis“1772. Auch Innenminister Frieder Birzele wurde angezeigt wegen Volksverhetzung, übler Nachrede, Verleumdung und Beleidigung auf Grund dessen Äußerung, die Republikaner seien „geistige Brandstifter“1773. „Das Maß der Beleidigungen und Unterstellungen dieses Herrn Ministers ist voll“, erklärte Schlierer bereits im Juli 19931774. Nachdem Unbekannte in Tübingen Fahrzeuge des Landtagsabgeordneten Karl-August Schaal beschädigt hatten, meinte er, Birzele habe, indem er die Partei vom Verfassungsschutz beobachten lasse, „praktisch für vogelfrei erklärt“ und damit den „Startschuß“ zu Gewaltanschlägen wie in Tübingen gegeben.

1767 zit. nach Stuttgarter Nachrichten, 12. Mai 1995. 1768 vgl. Heilbronner Stimme, 29. November 1995. 1769 zit. nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. April 1996. 1770 vgl. Heilbronner Stimme, 6. Mai 1995. 1771 vgl. Heilbronner Stimme, 1. August 1992. 1772 zit. nach Süddeutsche Zeitung, 9. Oktober 1992. 1773 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 28. Juli 1993. 1774 zit. nach Stuttgarter Zeitung, 24. Juli 1993. 7 Resümee 319

„Die Saat des Innenministers Birzele geht auf“, teilten die Republikaner mit1775. Per Antrag frug die Fraktion schließlich die Landesregierung, „ob sie sich der Auffassung großer Teile der Bevölkerung anschließen kann, daß insbesondere die von linken und linksradikalen Parteien und Personen massiv in die Medien getragene plakativ-reißerische Unrechtzuschreibung und Kriminalisierung politisch Andersdenkender von linken Gewalttätern als Anschubmotivation und Rechtfertigung für die Begehung der oben angeführten Straftaten mißbraucht wird“ und „wie sie verhindern will, daß politisch dem linken Spektrum angehörende Amtsträger, einschließlich des für die Innere Sicherheit im Lande zuständigen Regierungsmitglieds, dem hierbei zu beachtenden Mäßigungsgebots zuwiderhandeln.“1776 Das Verhalten der Landespartei entsprach der Vorgabe des Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber, der bereits auf dem Landesparteitag in Konstanz im vorhinein all denen juristische Klagen angedroht hatte, welche die Partei mit Rechtsextremisten in Verbindung brächten1777. Gemäß der Selbststilisierung als Opfer sprach Schönhuber in Konstanz zugleich von einer „Verleumdungsstrategie“ gegen die Republikaner, Rolf Schlierer von einem „mentalen Bürgerkrieg“, der eine „Pogromstimmung“ erzeugen solle1778. Diese Taktik ermöglichte es Schlierer sogar, den politischen Gegner noch im Oktober 1992 für die seiner Meinung nach ungenügende Arbeit der Landtagsabgeordneten der Republikaner verantwortlich zu machen: „Inhaltliche Arbeit war bisher nicht möglich, weil uns die anderen Parteien beim organisatorischen Aufbau behinderten1779.“ Ihren Höhepunkt erlebte die Selbststilisierung als Opfer wenige Monate darauf mit Schlierers Behauptung, Gewaltaktionen gegen Ausländer würden gezielt begangen, um sie dann den Republikanern anzulasten. Die Republikaner verteidigten sich, indem sie angriffen. Mitunter trugen die Bemühungen komische Züge: So verstieg sich der stellvertretende Landesvorsitzende Alfred Dagenbach zu der Behauptung, die Äußerungen des christdemokratischen Bundespolitikers Norbert Blüm über die Partei seien „mit der Christenverfolgung in Rom durch den Psychopathen Nero“ zu vergleichen1780. Gegenüber den Republikanern hatten die großen Parteien in der Hauptsache die Strategie verfolgt, sich von der Partei allzeit zu distanzieren und sich deren Positionen zugleich anzunähern. Sie schlug fehl: Bei der Landtagswahl 1996 zogen die Republikaner erneut in

1775 zit. nach Stuttgarter Zeitung, 27. Juli 1993. 1776 Drs. 11/2292. 1777 vgl. Heilbronner Stimme, 12. Oktober 1992. 1778 vgl. Heilbronner Stimme, 12. Oktober 1992. 1779 zit. nach Heilbronner Stimme, 12. Oktober 1992. 1780 zit. nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Februar 1994. 7 Resümee 320 den Landtag ein; und wie eine Umfrage im Auftrag der baden-württembergischen CDU im Sommer 1999 ergeben sollte, würde die Partei mit rund acht Prozent auch ein drittes Mal in den Landtag gewählt1781. Zurückzuführen war dies auf drei Gründe. Erstens führte die Ausgrenzung durch die großen Parteien auf seiten des Wählers offenbar zu einem „Mitleidseffekt“1782, der ungeachtet der Arbeit der Republikaner eine Solidarisierung mit der Partei bewirkte; die Republikaner nährten diesen Eindruck nach Kräften, wie dargelegt worden ist. Zum zweiten wurde die Distanzierung der großen Parteien gegenüber den Republikanern zunehmend unglaubwürdig, je stärker sie sich deren Positionen näherten. Im Ergebnis wurden Forderungen und Programmatik der Republikaner somit in immer geringerem Maße skandalisiert oder konsequent in Frage gestellt. Sie wurden daher zunehmend weniger skandalisierbar und fanden schließlich Eingang in den politischen Kanon, ohne daß eine offensive Auseinandersetzung stattgefunden hatte, in deren Verlauf die etablierten Parteien Alternativen aufzeigten und diese auch konsequent vertraten. Die Republikaner machten sich diese Diskrepanz, die sich nicht nur in Baden-Württemberg ergeben hatte, zu Nutze. Als Landesinnenminister Frieder Birzele die umstrittene Ausstellung zum Thema Rechtsextremismus eröffnete, präsentierten die protestierenden Republikaner auf Schildern einschlägige Äußerungen von Politikern der Koalitionsparteien in anderen Bundesländern - das Diktum Edmund Stoibers von der „Durchmischung und Durchrassung des deutschen Volkes“ war darauf zu lesen sowie die Forderung „Kurzen Prozeß - an Kopf und Kragen packen und raus damit“ des nordrhein-westfälischen Fraktionsvorsitzenden der SPD, Friedhelm Farthmann, in bezug auf Asylbewerber1783. Im Ergebnis sind die Republikaner somit auch als Partei in Baden-Württemberg als etabliert anzusehen. Gemäß Otto Kirchheimer1784 läßt sich darin der Beleg für ein funktionierendes demokratisches politisches System sehen, da auch eine gegen die Verfassung gerichtete Opposition letztendlich doch in die politische Ordnung eingegliedert worden ist, ohne die Opposition aufzulösen und die durch sie vertretenen Interessen zu liquidieren. Zugleich ist zu konstatieren, daß die übrigen Parteien die Etablierung einer rechtsextremistischen Partei nicht zu verhindern vermochten, was angesichts der Verfassung der Republikaner erneut weniger über die Rechtsextremisten als vielmehr über ihre politischen Gegner aussagte.

1781 vgl. Stuttgarter Zeitung, 28. August 1999. 1782 zit. nach „Der Rechtsextremismus hat ein stabiles Fundament“, Interview mit Jürgen Falter, in: Stuttgarter Nachrichten, 29. März 1996. 1783 vgl. Südwest Presse, 8. Februar 1994. 1784 vgl. Kirchheimer: Wandlungen der politischen Opposition, a.a.O., S. 132. 7 Resümee 321

7.4 Die Bundespartei Die Republikaner - rechtsextremistisch?

Wie die Landespartei bestätigte auch die Bundespartei Die Republikaner den vom Bundesamt für Verfassungsschutz ermittelten Befund des Rechtsextremismus. Zu belegen ist dies weniger an Hand der Programmatik der Partei als vielmehr an Hand der Kriterien innerparteiliche Demokratie sowie politische Praxis der Parteibasis, die ebenso wie das Programm Schlüsse auf die Ziele einer Partei zuläßt1785. Die Betrachtung der Programmatik der Republikaner besitzt nur begrenzte Aussagekraft bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Partei. So fand die programmatische Neuorientierung 1989 aus rein taktischen Motiven gegenüber dem Verfassungsschutz statt1786. Den Modifikationen ging eine innerparteiliche Willensbildung nicht voraus. Diesen Schluß stützt der Umstand, daß auch das Rosenheimer Programm fragwürdige Passagen enthält, etwa wenn die Rede ist von einer „Wiederbesinnung auf Normen, deren imperative Verbindlichkeit” nach 1945 nicht mehr bestehe1787. Das deutschlandpolitische Konzept, das die Europaabgeordnete und stellvertretende Parteivorsitzende Johanna Grund für den Rosenheimer Parteitag erarbeitet hatte, bezeichnete die Bundesrepublik als „krankes Herz Europas”, durch das „der gesamte Körper krank und anfällig bleiben” würde1788. Ohne deutsche Einheit, lautete die Botschaft, gebe es keine Zukunft für die Deutschen - und, so läßt sich ergänzen, desto größer das Staatsgebiet, desto gesünder der „Volkskörper”. Diese Positionen sind, auch wegen ihres Krank-gesund-Paradigmas, weniger der konservativen als der rechtsextremen Ideengeschichte verbunden, von denen sie sich allenfalls graduell, nicht prinzipiell unterscheiden1789. Wenn auch verbal entschärft, so finden sich im Parteiprogramm der Republikaner sämtliche Topoi wieder, die gemeinhin zu den angestammten Bereichen von Rechtsextremisten zählen: Höchstes Gut ist die Nation, deren Interessen sich Individuen unterzuordnen haben. Die Staatsvorstellung zielt ab auf einen autoritären Ordnungsstaat, die ausländerpolitischen Äußerungen des Parteiprogramms auch von 1990 lassen auf eine Ideologie der Ungleichheit schließen1790.

1785 vgl. das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Verbot der SRP, in: BVerfGE 2, 1 (22) 1786 vgl. Leichte Übung, in: Der Spiegel 46/89, S. 104; vgl. auch Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 51. 1787 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 51. 1788 Aufbruch, Ziel und Weg. Das deutschlandpolitische Konzept, in: Credo 1/1989, S. 8-10, zit. nach Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 121. 1789 vgl. Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 121. 1790 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 54. 7 Resümee 322

Auch das Augsburger Programm von 1993 stellte zwar das Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung als Präambel voran, sprach aber zugleich von der „geistige(n) babylonische(n) Gefangenschaft der Deutschen”, die ein Ende haben müsse, sowie von einem „Lebensrecht des deutschen Volkes”, das aus sich selbst begründet sei1791. Darüber hinaus konstruierten die Republikaner eigene Rechte des deutschen Staatsvolkes. Besitzt nach dem Grundgesetz jede Person innerhalb der Staatsgrenzen schon aufgrund seiner unveräußerlichen Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Absatz 3 das Recht auf das Lebensnotwendige, wollten die Republikaner soziale Leistungen von der Abstammung der Person abhängig machen: „Solidarität über alle Grenzen hinweg verliert ihren Sinngehalt und ihre Akzeptanz. Nur eine homogene Bevölkerung ist in der Lage, solidarisches Verhalten als Norm praktisch zu verwirklichen. Die Sozialpolitik darf sich nicht im Umverteilen erschöpfen, sondern muß die zunehmende Heterogenisierung unseres Volkes bekämpfen”1792. In ihren Publikationen griff die Partei, nachdem das Thema Asyl in der öffentlichen Debatte an Bedeutung verloren hatte, 1994 zunehmend die vermeintliche Umerziehung der Deutschen nach Kriegsende 1945 durch die alliierten Besatzungsmächte auf und relativierte die deutsche Vergangenheit. „Junge Menschen geben sich auch nicht mehr mit einem von den Stiefeln der Sieger festgetretenen Geschichtsbild zufrieden”, stand in „Der Republikaner”. „Schluß damit! Nicht mehr büßen und zahlen für HITLER”, forderte ein Flugblatt aus Bayern. Und das Parteiorgan „Der Republikaner” behauptete an anderer Stelle: „Die neuere Geschichtsforschung hat natürlich längst festgestellt, daß die UdSSR maßgeblich an dem Verlauf und der Eskalation des Zweiten Weltkriegs schuldig war”1793. Außerdem häuften sich die antisemitischen Attacken auf den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis1794. Trotz einer erkennbaren Mäßigung der Aussagen seit Verabschiedung des Siegburger Programms 1987 enthielten die Programme der Partei noch immer im Kern demokratiefeindliche Aussagen1795, und auch die Äußerungen von Parteifunktionären ließen auf verfassungsfeindliche Ziele schließen.

1791 vgl. „Wir machen uns stark...für deutsche Interessen”, Parteiprogramm der Republikaner 1993, Hg.: Bundesverband der Republikaner, Bonn 1993, S. 3. 1792 „Wir machen uns stark...für deutsche Interessen”, Parteiprogramm der Republikaner, Bonn 1993, S. 59. 1793 zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 43. 1794 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 43. 1795 vgl. hierzu die Analysen von Klaus-Henning Rosen (Hg.): Aspekte einer rechten Partei. Daten, Fakten, Hintergründe, Bonn 1991; Eike Hennig: Die Republikaner im Schatten Deutschlands, Frankfurt 1991. 7 Resümee 323

Auch den vom baden-württembergischen Landesverband propagierten Vorstellungen war eine bemerkenswerte Ferne zum Grundgesetz eigen. Die Bezeichnung des in Artikel 18 Grundgesetz geregelten Verfahrens der Verwirkung der Grundrechte als „Verwirklichung der Grundrechte” im Landtagswahlprogramm 1992 war da nur ein besonders illustrativer Beleg. Mit der Forderung nach Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und dessen Ersatz durch eine einfach-gesetzliche Regelung sowie nach Verbot des politischen Engagements von Ausländern enthielt das Programm Positionen, die dem Geist der Verfassung explizit entgegenliefen1796. Im Heidenheimer Programm von 1996 verwandelte sich wiederum das Sozialstaatspostulat des Grundgesetzes in den ehernen Auftrag, zwischen vermeintlich Eigenem und Fremdem zu unterschieden. Die Idee universeller Menschenrechte schließlich mutierte nach Lesart der Republikaner zu einer Bedrohung, die den Geist der Verfassung angeblich in unzulässiger und zerstörender Weise unterlief. Im Landesverband entpuppte sich das programmatische Bekenntnis zum Grundgesetz bei näherer Betrachtung damit als vordergründig. Zwar bediente sich die Partei bestimmter Begriffe, sie formte sie jedoch um zu einem Gesellschaftsentwurf, der die vermeintliche Homogenität des Volkes über die Individualrechte stellte. In den Flugschriften zur Europawahl 1994 wurde die Partei währenddessen deutlich und stellte klar, in welchem Maße sie die europäische Integration und die damit einhergehende Verringerung staatlicher Souveränität als Affront betrachtete: „Maastricht ist für Deutschland wie Versailles ohne Krieg.”1797 Schon aus der Programmatik der Partei ergeben sich somit Anhaltspunkte, die an der Verfassungstreue der Republikaner zweifeln lassen. Deutlicher noch treten diese Zweifel zu Tage bei einer Betrachtung der inneren Ordnung und der politischen Praxis der Parteibasis. Nach Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes muß die innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen. Seit Bestehen der Republikaner jedoch ist die Art der innerparteilichen Auseinandersetzung geprägt durch „Ausschlußverfahren, Beleidigungen, Beschimpfungen, Intrigen, Rechts- und Satzungsstreitigkeiten”1798. Bis 1991 hatten bereits neun Abspaltungen von der Partei stattgefunden1799. Parteimitglieder in der Führungsspitze schlossen sich gegenseitig, oft aus persönlichen Gründen, aus der Partei aus, ohne formale

1796 vgl. Landtagswahlprogramm der Republikaner 1992, S. 6. 1797 zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 42. 1798 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 44. 1799 vgl. Deiters..., S. 108. Eine kleine Chronologie der Austritte und Abspaltungen speziell auf Ebene der Landesverbände findet sich bei Jaschke: Die „Republikaner”, a.a.O., S. 89 f. 7 Resümee 324

Regeln einzuhalten1800. Dies widersprach demokratischen Grundsätzen ebenso wie die gängige Praxis des langjährigen Parteivorsitzenden Franz Schönhuber, ohne Absprache mit den zuständigen Gremien der Partei zu handeln und damit deren Aufteilung in Präsidium, Bundesvorstand, Landes-, Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände zu ignorieren. Die organisatorische Basis der Partei blieb damit in der Praxis unbedeutend. Auch programmatisch sorgte ausschließlich Schönhuber für Impulse und nicht die Delegierten der Parteitage - eine innerparteiliche Willensbildung fand auf den Veranstaltungen nicht statt. Immer wieder berichteten Republikaner nach Verlassen der Partei vom autoritären Führungsstil1801 Schönhubers und von undemokratischen Strukturen, unter ihnen der ehemalige Vorsitzende des Bundesschiedsgerichtes der Republikaner1802. Gerd Ernst, der erste Bürgermeister der Partei, verließ die Republikaner ebenfalls mit der Begründung, „wirkliche Demokratie” finde dort nicht statt1803. Ihre Schilderungen decken sich mit denen der ehemaligen Bundesgeschäftsführerin Centa Hirsch, der ehemaligen Bundesschriftführerin Martina Rosenberger und anderen ausgetretenen Parteimitgliedern1804. Dasselbe autoritäre Verständnis, das die Republikaner vom Staat als Ordnungsgefüge propagierten, legten sie somit auch ihrer Organisation zugrunde - die Spitze gab die Orientierung vor, und die Basis hatte Gefolgschaft zu leisten. Nur mit einem solchen Selbstverständnis war es etwa möglich, daß die Partei zum nordrhein-westfälischen Landesparteitag 1990 Delegierte nach Gutdünken überging, Kreisverbände ein- und wieder aus oder gar nicht erst einlud. Die Strukturen änderten sich auch unter dem Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer nicht. Vielmehr machte sich der Nachfolger Schönhubers seine Macht zunutze, um sich gegenüber parteiinternen Konkurrenten zu behaupten und seine politischen Vorstellungen gegen Widerstände in der Partei durchzusetzen - oder auf diese einzugehen, wenn er etwa auf dem Bundesparteitag 1997, entgegen der Beschlußlage, überraschend eine Hinwendung zum „Front National” anzukündigen. Ein Jahr zuvor, nach der Landtagswahl 1996, hatte er das gute Ergebnis des Landesverbandes hingegen noch dazu genutzt, verschiedene Parteiausschlußverfahren einzuleiten, um angeblich die Abgrenzung gegenüber Rechtsextremisten zu bestätigen.

1800 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 44 f. 1801 so der ehemalige stellvertretende Vorsitzende Dieter Berger in „Republikaner ohne Schönhuber”, Interview, in: Nation Europa 38 (1988), H. 2., S. 58. 1802 vgl. Frankfurter Rundschau, 10. Februar 1990. 1803 zit. nach Süddeutsche Zeitung, 20. März 1990. 1804 vgl. Alexandra Kliche: Nichts wie weg. Warum ich die Republikaner verlassen habe, München 1989; vgl. auch das Interview mit Hirsch, in: taz, 14. Oktober 1992. Rosenberger sieht Rechtsextremisten mittlerweile in mehreren Landesvorständen am Werk, vgl. Interview, in: taz, 24. Mai 1994, S. 4. 7 Resümee 325

Der Mangel an institutionalisierten Mechanismen zur innerparteilichen Konfliktregelung trat auf den Landesparteitagen besonders deutlich zutage. Wo sich die Delegierten, wie etwa der Jugendverband der Partei, nicht entmachten ließen und freiwillig auf landespolitische Vorstöße verzichteten, wurden sie von der Parteitagsführung entsprechend gemaßregelt. Nicht einmal ganze Kreisverbände durften sich eine eigene Meinung bilden und diese auch vertreten, ohne etwa Flugblätter vor Veröffentlichung dem Landesvorstand zur Zensur vorzulegen. Der Vorfall auf dem Mannheimer Landesparteitag, auf dem die Leitanträge erst am Tag der Debatte vorgelegt wurden, war damit symptomatisch für die innere Verfassung sowohl der Landes- als auch der Bundespartei. Innerparteiliche Debatten gingen in der gut 14jährigen Geschichte der Republikaner keiner wichtigen Entscheidung voraus. Formal verfügte die Partei über eine demokratische Struktur, tatsächlich aber dienten die Parteitage nur der dirigistischen Spitze zur Akklamation präjudizierter Beschlüsse1805. Währenddessen zeichnete sich die Partei in der politischen Praxis vor allem durch rhetorische und tätliche Angriffe auf Andersdenkende und Minderheiten aus. Auch andere von Parteimitgliedern zu verantwortende Straftaten schürten Zweifel am Verhältnis der Republikaner zum Rechtsstaat. Schon 1987 hielt es die Parteispitze für nötig, künftig von sämtlichen Kandidaten und Funktionären ein polizeiliches Führungszeugnis zu verlangen, nachdem sich Hans Bastian, Spitzenkandidat der Republikaner für die rheinland-pfälzischen Landtagswahlen, als vorbestraft unter anderem wegen Urkundenfälschung und Kreditbetrugs entpuppt hatte1806. Der Beschluß der Parteiführung verhinderte nicht, daß Republikaner mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, auch auf Funktionärsebene. So wurde 1989 wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Nötigung gegen den Vorsitzenden des Berliner Landesverbandes, Bernhard Andres, ermittelt1807. Sechs seiner Parteifreunde in der Berliner Landesorganisation sahen sich früher oder später ebenfalls mit Strafverfahren konfrontiert, angefangen von Andres´ Stellvertreter Christoph Weidlich, der wegen Betruges und Steuerstraftaten verurteilt wurde1808, bis hin zu Dieter Mason, dessen 80 Personen zählende Ordnertruppe auf Versammlungen der Republikaner für Sicherheit sorgen sollte und der wegen Körperverletzung, Betruges, Bedrohung und wegen unerlaubten

1805 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus..., S. 45. 1806 vgl. CDU-Bundesgeschäftsstelle: Die Rep. Analyse und politische Bewertung einer rechtsradikalen Partei, Bonn 1989, S. 44. 1807 vgl. ebenda, S. 47. 1808 vgl. Der Spiegel, 18. September 1989. 7 Resümee 326

Waffenbesitzes verurteilt war1809. Der Kreisvorsitzende in Ludwigshafen mußte sich 1991 vor Gericht verantworten, nachdem er einen Jugendlichen mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen hatte1810. Wegen unerlaubten Waffenbesitzes ermittelten die Behörden laut einem Dossier des nordrhein-westfälischen Innenministeriums zum Beispiel im Juni 1994 gegen Mitglieder der Kreisvorstände Wuppertal, Recklinghausen und Herford1811. Eine eindeutig kriminelle Vergangenheit wiesen zahlreiche Republikaner auf1812. Allein im Juni 1993 wurden Parteimitglieder mit vierzehn Straftaten seit dem 15. Dezember 1992 in Verbindung gebracht1813. Auch durch fremdenfeindliche Gewalttaten wurden Republikaner straffällig. Im November 1992 etwa brachten zwei Dortmunder Parteimitglieder einem Passanten, der einen Ausländer vor ihren Übergriffen schützen wollte, mit Messerstichen lebensgefährliche Verletzungen bei. Wenige Monate darauf verprügelten zwei Parteimitglieder einen 56jährigen Türken; nach einer Scheinhinrichtung starb der Mann1814. An der Parteibasis stießen die Gewalttaten zum Teil auf offene Zustimmung1815. Das oft taktische Verhältnis zum Rechtsstaat schlug sich zugleich im politischen Engagement von Mitgliedern der Partei nieder. Die Folge waren vielfach Ermittlungen und Verurteilungen wegen der Fälschung von Unterschriften auf Wahllisten oder wegen falscher Angaben vor lokalpolitischen Kandidaturen, etwa über den Wohnort1816. Auch die Äußerungen sowohl von einfachen Parteimitgliedern als auch von führenden Funktionären1817 der Republikaner ließen Ausländerhaß, übersteigerten Nationalismus, Antisemitismus, Diffamierungen des Rechtsstaates und seiner Repräsentanten sowie ein

1809 vgl. Rosen, a.a.O., S. 77. 1810 vgl. Nie wieder Selbstmord, in: Der Spiegel, 2. Mai 1994. 1811 vgl. taz, 8. April 1994, S. 1. 1812 vgl. die seitenlange Aufzählung bei Rosen, a.a.O., S. 75 ff. Dickes Bündel, in: Der Spiegel, 3. August 1993, S. 43. 1813 vgl. taz, 9. Juni 1994, S. 2. 1814 vgl. Bernd Siegler: Große Koalition gegen Schönhubers rechte Hetze, in: taz, 27. April 1994, S. 3. 1815 vgl. Schomers, a.a.O., S. 159. 1816 vgl. die Aufzählung bei Rosen, S. 84 f. 1817 die „Republikanische Jugend” Nordrhein-Westfalens behauptete in ihrer Zeitung, daß „Millionen von Asiaten und Farbigen unser Land überschwemmen”. Die Berliner Parteijugend unterzeichnete ihre Flugblätter mit der Parole „Von der Maas bis an die Memel”, der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Uwe Goller warnte vor einer „Umvolkung” der Deutschen und hatte im August 1993 die Bildung einer Organisation etwa hundert „mutiger und anständiger Kerls” angeregt, die im Wahlkampf gegenüber Gegendemonstranten „eine Auseinandersetzung nicht scheuen” würden, alle zit. nach Bernd Siegler: Große Koalition gegen Schönhubers rechte Hetze, in: taz, 27. April 1994, S. 3. 7 Resümee 327 fragwürdiges Verhältnis zur Gewalt in der politischen Auseinandersetzung erkennen1818. So erklärte der Vorsitzende des sächsischen Landesverbandes: „Die Zigeuner zum Beispiel, die vom Betteln leben und nicht arbeiten gehen, passen nicht zum deutschen Wesen”1819. Parteimitglieder in exponierter Position kooperierten darüber hinaus mit Neonationalsozialisten1820. DVU-Liste D sowie die neonationalsozialistische Nationale Liste (NL) riefen im Frühjahr 1994 zur aktiven Unterstützung der Republikaner bei Wahlen auf1821. Trotz Unvereinbarkeitsbeschluß der Republikaner gegenüber NPD und DVU-Liste D wechselten zahlreiche Mitglieder der beiden Parteien auch in höhere Positionen bei den Republikanern1822. In vielen Orts- und Kreisverbänden dominierten sogar Mitglieder eindeutig rechtsextremer Organisationen1823. Der Parteispitze waren die extremistischen Kräfte innerhalb der Republikaner bekannt, ohne daß diese unterbunden wurden. Offenbar deckte Franz Schönhuber sogar Straftaten von Republikanern wie im April 1991 den Brandanschlag auf ein Asylbewerber-Wohnheim im rheinischen Bergheim-Zieverich1824. Sein Nachfolger achtete zwar strikter als sein Vorgänger auf die offizielle Abgrenzung der Republikaner von Parteien wie NPD oder DVU, zögerte jedoch, Mitglieder, die entgegen den Beschlüssen handelten, entsprechend zu sanktionieren. Schlierer selbst agitierte im Parteiorgan „Der Republikaner” gegen die umstrittene Wanderausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht. Widerstand gegen die Ausstellung bedeute Widerstand gegen die Zerstörung der Nation, erklärte er1825. Auch unter seiner Ägide ließen sich auf sämtlichen Ebenen der Bundespartei Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen nachweisen. Noch Ende 1995 nahm ein Präsidiumsmitglied des thüringischen Landesverbandes der Republikaner am Bamberger

1818 so vertrieb der bayerische Landesvorsitzende Otmar Wallner Kassetten antisemitischen Inhalts und sächsische Republikaner verteilten Aufkleber mit der Parole „Israel - nein Danke!”, vgl. Fraß für die Wölfe, in: Der Spiegel, 20. Juni 1994. 1819 zit. nach Leipziger Volkszeitung, 11. April 1992. 1820 so die Erkenntnisse in Sachsen-Anhalt, vgl. taz, 15. April 1994, S. 4. 1821 vgl. taz, 15. April 1994, S. 4. 1822 vgl. CDU-Bundesgeschäftsstelle: Die Rep. Analyse und politische Bewertung einer rechtsradikalen Partei, S. 10 f. Jüngste Beispiele sind aufgeführt in Freier Zerfall, in: Der Spiegel, 16. Mai 1995. 1823 vgl. Roland Kirbach: Hetze hinter den Kulissen, in: Die Zeit, 15. Januar 1993, S. 13. 1824 dies ergab eine polizeiliche Durchsuchung der Münchner Parteizentrale und des Bezirksbüros Mittelrhein, vgl. taz, 23. April 1994, S. 2. Der ehemalige Parteisekretär Mittelrhein, Dieter Amrein, unterrichtete Schönhuber nach eigenen Angaben schon am 5. Dezember 1993 über den Vorfall, vgl. taz, 27. April 1994, S. 3. Nach Angaben des Ex-Republikaners Udo Bösch verschwieg Schönhuber aber der Justiz seine Kenntnisse, vgl. General-Anzeiger, 2. Juni 1994, S. 1. 1825 vgl. „Der Republikaner” 5/1997, S. 1. 7 Resümee 328

Bundesparteitag der NPD-nahen „Deutschen Liga für Volk und Heimat” teil1826. 1996 gaben zudem Mitglieder der Republikaner, der „Deutschen Liga für Volk und Heimat” sowie der NPD unter dem Namen „Pro Deutschland” ein gemeinsames Flugblatt heraus, wonach die drei Organisationen ihre politische Arbeit koordinierten1827. Die Kontakte waren nicht nur praktischer, sondern auch theoretischer Natur. Schließlich hatten beide Seiten verschiedene Ideologeme gemeinsam, wie verschiedene Äußerungen von Parteimitgliedern belegten. In einem Aufruf zu den bayerischen Kommunalwahlen agitierte etwa der damalige stellvertretende Bundesvorsitzende Otmar Wallner gegen die „Endlösung des deutschen Volkes” und forderte ein „homogenes Volk”. Der Landesverband Thüringen sprach in einem Flugblatt von „jüdischer Indoktrination” und bezeichnete CDU, SPD, FDP und PDS als „Umerzogene der Alliierten” 1828. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zeigt die Verwendung des Begriffes Umerziehung für die Wiederbegründung der deutschen Demokratie unter dem Einfluß der westalliierten Besatzungsmächte, daß der Verwender nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbarende Ziele verfolgt1829. Auch die baden-württembergischen Republikaner diffamierten Ausländer und den politischen Gegner, propagierten einen aggressiven Nationalismus und offenbarten ein gespaltenes Verhältnis zum Rechtsstaat bundesdeutscher Prägung. Belege für diese These lieferten die Republikaner im Südwesten schon unter ihrem Gründungsvorsitzenden Karl Mechtersheimer. So schrieb 1986 der Böblinger Kreisvorsitzende Frank Keinath als Autor für den „Deutschen Freibund” über eine von ihm diagnostizierte „Völkervermanschung”1830. Ausländer wurden in ihrer Menschenwürde herabgesetzt. Das „Infotelefon Mannheim” der Partei erklärte im Oktober 1996: „...denn das einzigste (Fehler im Original, d. A.), was die Mehrheit der Deutschen nicht mehr ertragen und tolerieren will, ist ausländisches Gesindel, das unter dem Deckmantel politischer Verfolgung und Inanspruchnahme von Menschenrechten die Gastfreundschaft in Deutschland mißbraucht. Fremde Drogenhändler, Einbrecher, Bandenmitglieder, Autoschieber sind Ausbeuter des generösen deutschen Sozialsystems.”1831 Diffamierend über Ausländer äußerte sich auch der Vorsitzende des

1826 vgl. Stuttgarter Nachrichten, 28. November 1995. 1827 vgl. Bundesminister des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 122 ff. 1828 zit. nach Bundesminister des Innern: Verfassungsschutzbericht 1996, S. 118 ff. 1829 BVerwGE 61, 194, 198, zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1994, S. 43. 1830 zit. nach Stuttgarter Nachrichten, 15. April 1989. 1831 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1996, S. 70 f. 7 Resümee 329

Landesverbandes. Christian Käs forderte, die ersatzlose Streichung des Grundrechts auf Asyl solle ein Signal sein, „das man bis ins letzte Negerdorf in Afrika hört”1832. Die vermeintliche Notwendigkeit einer ethnischen Homogenität stilisierten die Republikaner zu einer Frage des Überlebens. So erklärte der damalige Eppinger Landtagskandidat und spätere -abgeordnete Michael Herbricht wenige Wochen vor der Landtagswahl 1992 zum Thema Asyl: „Wenn das deutsche Volk weiterpennt, ist es verloren.” Der Heilbronner Kreisvorsitzende, Mitglied des 16köpfigen Landesvorstandes1833, betrachtete „das Ausländerthema” als eine „Frage auf Leben und Tod” für das „sterbende deutsche Volk”1834. Seine Äußerungen entsprachen dem Kurs des Vorsitzenden des Landesverbandes. Auf dem Landesparteitag im Mai 1993 sagte Christian Käs über Migration in die Bundesrepublik: „Ich spreche dies ganz offen an, wenn ich sage, hier wird der Genozid am deutschen Volk vorbereitet.”1835 Einher gingen solche Behauptungen nicht selten mit dem Entwurf konspirativer Theorien, der Beleidigung des politischen Gegners, antisemitischen Äußerungen sowie der Relativierung des nationalsozialistischen Terrors. So hieß es in einer 1993 in Mannheim verteilten Flugschrift: „Linke Verbrecherbanden und vermummte Chaoten schaffen in unserem Land bürgerkriegs-ähnliche Zustände. Bei fast allen Versammlungen der Republikaner tauchen diese auf. Gesteuert von Gewerkschaften, den Kirchen und den Altparteien”1836. Im Parteiorgan „Der Republikaner” schrieb Rolf Schlierer 1993 über den damaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten Dieter Spöri (SPD): „Es sind immer die gleichen Typen, die den politischen Gegner erst mit Worten und dann mit Gewalt als Ungeziefer bekämpfen. Ob in Bautzen oder in Buchenwald, der menschenvernichtende Terror des Sozialismus kündigt sich stets verbal an. Dieter Spöri hat sich in diese unheilvolle Tradition nahtlos eingereiht.”1837 Bereits im Juli 1989 hatte der spätere Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag mit der von der Illustrierten „Stern” zitierten Äußerung für Aufsehen gesorgt, das jüdische Establishment an der Ostküste der USA sei antideutsch eingestellt, das seien Kräfte emigrierter Juden, die vermutlich aus später Rache alles daransetzten, das deutsche Volk zu vernichten1838.

1832 zit. nach Süddeutscher Zeitung, 19. März 1992. 1833 vgl. Heilbronner Stimme, 19. Dezember 1989. 1834 zit. nach Heilbronner Stimme, 28. Februar 1992. 1835 zit nach Bundesminister des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 139 ff. 1836 zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1993, S. 46. 1837 zit. nach Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1993, S. 48. 1838 vgl. Stuttgarter Zeitung, 13. Juli 1989. 7 Resümee 330

Mit Mitteln unterhalb der Ebene des Propagandadeliktes strebte der Landesverband nach einer Revision dessen, was er als Umerziehung ausgemacht hatte, tatsächlich den Aufbau eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens nach 1945 darstellte. In einem Rundbrief erklärte Christian Käs im April 1995 denn auch: „Bei einer rechten Partei kommt in Deutschland auch immer noch die Aufgabe der Überwindung der Nachkriegsumerziehung dazu.”1839 Politische Gegner und Andersdenkende betrachteten die Republikaner als Feinde. Auf dem Mitgliederparteitag am 3. Oktober 1995 sagte Käs: „Ich kann dieses Wort von der Liberalität nicht mehr hören. Es widert mich an. Sie, diese Liberalität, ist in unserem Lande zu einem weichen Totalitarismus pervertiert, einem Totalitarismus ohne Konzentrationslager, einem Totalitarismus ohne Erschießungen und ohne Deportationen. Aber sonst finden Sie alles.” Den baden-württembergischen Innenminister Frieder Birzele nannte er einen „eiskalten Schreibtischtäter, der diesem Land und seinen Menschen mehr Schaden zugefügt hat, als es Jahre alliierten Bombenterrors je vermocht hätten”1840. Der stellvertretende Bundesvorsitzende sprach zugleich vom „Gift des Liberalismus”1841. Nachweislich hielt Käs Kontakt zu militanten Rechtsextremisten. Auf einem Grillfest, zu dem er eingeladen hatte und das der Vorsitzende der „Republikanischen Jugend” des Kreisverbandes Karlsruhe, Markus Burghard, organisiert hatte, erschienen zahlreiche Mitglieder der neonationalsozialistischen „Kameradschaft Karlsruhe” sowie andere Rechtsextremisten1842. Burghard war nicht nur Mitglied in der Parteijugend, sondern unter anderem auch bei den „Nationalen Kameraden”, einem losen Zusammenschluß der Karlsruher Neonazi- und Skinhead-Szene. Präsent gewesen war der Jung-Funktionär zudem auf einer Grillfeier der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, auf einem Konzert einschlägiger Skinhead- Bands sowie auf einem Kameradschaftsabend zu Ehren von Rudolf Hess, wo ihn die Polizei in Vorbeugegewahrsam genommen hatte1843. Auch Mitglieder der Landtagsfraktion knüpften die Kontakte ins extreme Lager bewußt. Der Abgeordnete Karl-August Schaal bat im Februar 1996 die Besucher eines Vortrags des Rechtsextremisten Hans-Heinrich Ebner ausdrücklich darum, ihn im Wahlkampf aktiv zu

1839 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1995, S. 54. 1840 zit. nach Bundesminister des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 145 f. 1841 zit nach Bundesminister des Innern: Verfassungsschutzbericht 1995, S. 139 ff. 1842 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1995, S. 55, vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Die Beteiligung rechtsextremistischer Parteien und Einzelbewerber an der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg vom 24. März 1996, Stuttgart 1996, S. 7. 1843 vgl. Südwest-Presse, 28. November 1995. 7 Resümee 331 unterstützen, etwa durch das Verteilen von Flugblättern und durch das Kleben von Plakaten. Unter den Anwesenden war neben mehreren Neonazis und anderen Rechtsextremisten der ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende der später verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei” (FAP). Einen Monat darauf war er in Schaals Fahrzeug unterwegs, um mit dem stellvertretenden Tübinger Kreisvorsitzenden der Republikaner Wahlplakate zu kleben1844. In der Landespartei gelangten selbst Gewalttäter in verantwortliche Funktionen. So wurde der Mitarbeiter der Stuttgarter Landtagsfraktion, Sascha Senst, wenige Monate nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der baden-württembergischen Republikanischen Jugend wegen Beteiligung an einem Brandanschlag auf ein Jugendhaus verurteilt. Bereits vor dem Anschlag hatte ihn ein Gericht der Sachbeschädigung für schuldig befunden1845. Bei Betrachtung der fehlenden innerparteilichen Demokratie und der demonstrierten Gesinnung führender Republikaner abseits des Parteiprogramms sind die Republikaner als rechtsextrem einzustufen. Die Partei agitierte gegen das Prinzip menschlicher Fundamentalgleichheit und gleicher Rechte. Sie propagierte einen aggressiven Nationalismus, der mit Ressentiments gegenüber ethnischen Minderheiten verbunden war. In ihren Programmen forderten die Republikaner eine starke Nation, deren vermeintlich objektive Interessen sie über die Rechte des Individuums stellten. Die innere Ordnung der Partei widersprach demokratischen Grundsätzen, dem politischen Gegner und Andersdenkenden gegenüber begegnete sie intolerant. In ihrer politischen Praxis schürte die Parteibasis ausländerfeindliche Stimmungen. Sie setzte dieses Denken um in Straftaten, die sich gegen die Menschenrechte von Minderheiten richteten. Trotz aller verbalen Distanzierung von Gewalttaten förderte die Parteispitze diese, indem sie nationalchauvinistische, antisemitische und rassistische Ressentiments gezielt aktivierte, den Nationalsozialismus verharmloste, die Ideologie einer Volksgemeinschaft propagierte und Repräsentanten demokratischer Parteien diffamierte. Öffentliche Erklärungen der Distanzierung von Gewalttaten sowie gemäßigte Formulierungen in den Parteiprogrammen sind vor diesem Hintergrund als rein taktisch motiviert zu werten.

1844 vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Verfassungsschutzbericht 1995, S. 55 f. 1845 vgl. Heilbronner Stimme, 4. März 1993. 7 Resümee 332

7.5 Die Wirkung der Bundespartei Die Republikaner

Anders als in Baden-Württemberg blieb auf Bundesebene die Etablierung der Republikaner aus. Gleichwohl setzten sich zahlreiche Positionen der Partei auch in der Bundespolitik durch. Begünstigt wurde diese Entwicklung unter anderem durch die Genese der Partei, welche im Gegensatz zu der von Parteien wie etwa NPD und DVU-Liste D nicht im eindeutig rechtsextremistischen Lager anzusiedeln gewesen war1846. Nach ihrem Selbstentwurf stellten die Republikaner ursprünglich nicht eine rechtsextreme, sondern die Abspaltung einer demokratischen Partei dar, die sich „rechts von der Mitte“ ansiedeln wollte. Erst nachdem Schönhuber den Machtkampf gegen Franz Handlos für sich entschieden hatte, entwickelten sich die Republikaner nach seinem Willen zu einer rechtsradikalen, populistischen1847 und schließlich zu einer rechtsextremen Partei. Die von CDU und CSU geforderte „geistig-moralische Wende“ konnten sie fortan als Splitterpartei glaubhafter vertreten und vehementer einfordern als deren Initiatoren, die nunmehr in der Regierungsverantwortung und der Koalition mit den Freidemokraten standen1848. Da den Republikanern auf Grund ihrer ideologischen Bandbreite bis in den rechten Konservatismus hinein nicht das Image einer eindeutig rechtsextremistischen Partei anhaftete, konnten sie weitaus stärkere Aufmerksamkeit in den Medien und eine höhere Akzeptanz beim Wähler erzielen als zuvor NPD oder DVU1849. Unterstützung erfuhr die Partei dabei auch durch Christdemokraten und Christsoziale in Bayern, Berlin, Hamburg sowie Bremen1850. Einen guten Teil ihres Erfolges verdankte die Partei dem geschickten Auftreten1851 Franz Schönhubers. Zunächst war der ehemalige Journalist in seiner Medienerfahrung lange unterschätzt, um schließlich effektvoll als nahezu omnipotenter Rattenfänger dämonisiert zu werden1852. So kam es, daß Schönhubers Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung Ende 1989 rund 90 Prozent betrug1853 und jeder achte Bundesbürger die Republikaner für kompetent

1846 vgl. zu den folgenden Ausführungen Bernd Neubacher: NPD, DVU-Liste D, Die Republikaner, a.a.O., S. 61 ff. 1847 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 33. 1848 vgl. Jaschke: Die „Republikaner“, a.a.O., S. 151. 1849 vgl. Richard Stöss: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 257. 1850 vgl. ebenda, S. 193. 1851 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 38. 1852 den Medien gelang es kaum, die Widersprüche der Argumente Schönhubers und den desolaten Zustand seiner Partei angemessen zu würdigen, vgl. Leggewie: Druck von rechts, S. 151. Den Umgang der Medien mit Schönhuber und ihr Selbstverständnis beschreibt Bernd Gäbler: Die Reps und die Medien, in: Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, S. 140-149. 1853 vgl. Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 8. 7 Resümee 333 hielt, „das Ausländerproblem vernünftig zu regeln“1854. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Partei bereits Themen wie Wohnungsnot und Einwanderung thematisiert, in denen sich keine rasche Lösung abzeichnete und mit denen sich die Politik daher auseinanderzusetzen hatte1855. Währenddessen erwies sich der Aufstieg der Partei seit 1989 auch als Belastung, da mangels Kandidaten viele Mandate mit politisch unerfahrenen und ungeeigneten Personen besetzt wurden. Zum einen profitierte die Partei von ihren Wahlerfolgen, gleichzeitig litt sie intern unter ihnen1856. In der Außenwirkung ging von den Republikanern auf die rechte und rechtsextreme Wählerschaft gleichwohl mehr Anziehungskraft aus als von den Konkurrenten NPD und DVU. Die Republikaner waren auf seiten der Rechten die Kraft mit den größten Chancen auf Etablierung1857, weil sie, wie die Wähleranalysen belegten, einerseits das Wählerpotential der DVU an sich binden und andererseits eindringen konnten in die lange Zeit als politische Mitte eingeschätzten Gesellschaftsschichten. Diese doppelte Wirkung auf das Wahlvolk half den Republikanern das Stigma des Rechtsextremismus zu umgehen und die Grenzen zum Konservatismus zu verwischen. Aufgrund dieser Konstellation gelang es der Partei, gelegentlich Etappenerfolge im Streben nach Etablierung zu verzeichnen. So hatte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner (CDU) den Republikanern bereits im März 1989 ein Koalitionsangebot unterbreitet1858. 1994 traf sich der bayerische Ministerpräsident Max Streibl mit dem Parteivorsitzenden Franz Schönhuber zum politischen Gedankenaustausch1859 - NPD und DVU waren solche Aufmerksamkeiten stets versagt geblieben. Zugleich gingen einzelne Forderungen der Bundespartei in den politischen Kanon etablierter Parteien ein. Die baden- württembergische Landtagsfraktion strich dabei in einer Mitteilung unter der Überschrift „Union schreibt bei Republikanern ab“ gebührend heraus, daß neben der Schönhuber-Partei nun auch die CSU die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und dessen Ersatz durch eine nur institutionelle Garantie verlangte1860. In dieser Scharnierfunktion lag das Kapital der Republikaner, mit einer offen rechtsradikalen oder gar rechtsextremistischen Agitation hätte die Partei ein lebenswichtiges

1854 vgl. ebenda, S. 29. 1855 vgl. Franz Urban Pappi: Die Republikaner im Parteiensystem der Bundesrepublik. Protesterscheinung oder politische Alternative?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/90, S. 37. 1856 Jaschke: Die „Republikaner“, a.a.O., S. 90. 1857 vgl. Backes/Jesse, a.a.O., Band 2, S. 123. 1858 vgl. Rosen, a.a.O., S. 80, der weitere Beispiele anführt. 1859 vgl. tageszeitung, 24. August 1994, S. 1. 1860 vgl. Pressemitteilung der Republikaner vom 14. September 1992. 7 Resümee 334

Tabu gebrochen. Entsprechend bedacht war sie auf ihren Status. Noch im Sommer 1995, bevor Bundesinnenminister Manfred Kanther sie bei Vorstellung des Berichtes des Bundesverfassungsschutzes erstmals als rechtsextrem einordnete, strengten die Republikaner vor dem Kölner Verwaltungsgericht gegen den Bundesinnenminister einen Eilentscheid an, wonach Kanther eine angeblich antisemitische Äußerung eines hohen Parteifunktionärs aus dem Werk wieder streichen mußte1861. Den Bemühungen um Etablierung als rechtes Sammelbecken standen indes interne und externe Faktoren entgegen. Im Inneren mißlang zunächst die angekündigte Intellektualisierung der Partei1862 ebenso wie deren Aufbau im Osten der Republik1863. Allzu offensichtliche personelle Überschneidungen der Partei mit dem offenen Rechtsextremismus1864 verhinderten darüber hinaus1865, daß den Republikanern auf Dauer der Brückenschlag ins konservative Lager glückte. Nach außen sah sich die Partei binnen kurzem zweier ihrer originären Agitationspunkte beraubt: Den Prozeß der deutschen Wiedervereinigung, welche die Republikaner immer gefordert hatten, vermochte die Partei nicht für ihre Zwecke zu nutzen. Die etablierten Parteien hingegen, vor allem die CDU, hatten statt dessen beizeiten das Thema besetzt und gestalteten zügig die Realisierung der deutschen Einheit1866. Im Mai 1993 dann wurde auch die Asylfrage „gelöst“; zumindest verschwand die Ausländer- und Asylpolitik nach der Änderung des Grundgesetzes umgehend von der politischen Tagesordnung. Diese Faktoren zeichneten aber nur den Hintergrund, vor dem die Bemühungen der Bundespartei um Etablierung scheiterten. Entscheidend dafür war Schönhubers Ankündigung einer Kooperation mit der DVU-Liste D, welche er stets abgelehnt hatte1867. Dieser Vorstoß besiegelte im August 1994 nicht nur das Ende Schönhubers als Parteivorsitzender, sondern auch das Ende der Ambitionen der Partei als rechtes Sammelbecken. Denn der

1861 vgl. Heilbronner Stimme, 7. Juli 1995. 1862 vgl. Fraß für die Wölfe, in: Der Spiegel, 20. Juni 1994. Yvan Blot, Vertreter der „Nouvelle Droite“ und Europa-Abgeordneter des „Front National“, ist nahezu der einzige Intellektuelle, den die Partei als Berater gewinnen konnte, vgl. Jaschke: Die „Republikaner“, a.a.O., S. 42. 1863. vgl. Freier Zerfall, in: Der Spiegel, 16. Mai 1994, vgl. auch Fraß für die Wölfe, in: Der Spiegel, 20. Juni 1994. 1864 vgl. Freier Zerfall, in: Der Spiegel, 16. Mai 1994. 1865 vgl. Claus Leggewie: Druck von rechts, a.a.O., S. 103 ff. Nach seiner zwischenzeitlichen Absetzung als Parteichef sechs Tage vor der Bundestagswahl meinte Franz Schönhuber: „Die gemeinsame Plattform der Republikaner war nicht stark genug, den sich anbahnenden Niederlagen standzuhalten...Die Herren Professoren der neuen Rechten haben sich fast alle als politische Blindgänger erwiesen“, Interview mit Schönhuber „Haie im Blutrausch“, in: Der Spiegel 41/1994, S. 25. 1866 vgl. Uwe Backes: Extremismus und Populismus von rechts, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 46- 47/90, S. 11. 1867 vgl. Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 123. 7 Resümee 335

Bundesvorsitzende hatte ein lebenswichtiges Tabu der Republikaner gebrochen: In den Augen der für die Partei so wichtigen Wechselwähler waren die Republikaner nun ihres demokratischen Mantels weitgehend entledigt, der Rückhalt in der Wählerschaft reduzierte sich auf seinen nazistischen Kern1868. Die in der Partei zahlreich vertretenen Beamten gerieten in Aufruhr; sie sahen schon den Weg in den Rechtsextremismus, in die Verfassungsschutzberichte sowie in disziplinarrechtliche Verfahren vorgezeichnet1869 und durften sich schon bald bestätigt fühlen1870. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl 1994 hatte Schönhubers Vorstoß und die darauf einsetzenden innerparteilichen Auseinandersetzungen die Partei um jede Chance auf einen Einzug in den Bundestag gebracht; eine Etablierung auf Bundesebene war in weite Ferne gerückt. Nach der Absetzung Schönhubers als Bundesvorsitzender verfügte die Partei in dem Nachfolger Rolf Schlierer und dem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Rudolf Krause zwar noch immer über potentielle Führungspersönlichkeiten1871. Angesichts schwacher Strukturen aber und in angespannter Finanzsituation, auf Grund derer die Schließung der Bundesgeschäftsstelle in Bonn sowie mehrerer Landesgeschäftsstellen zu erwarten war, schien die Zukunft als süddeutsche Regionalpartei programmiert1872. Tatsächlich konsolidierte sich die Partei in den folgenden Jahren. Während die Etablierung bundesweit zunächst gescheitert war, setzte sich die Partei in Baden-Württemberg, wo Rolf Schlierer der Landtagsfraktion vorsaß, parlamentarisch fest. Dieser Erfolg stärkte den Bundesvorsitzenden in seiner Position. Schlierer konnte die Partei nun bis auf weiteres auf seinen Kurs zwingen1873, die Republikaner zumindest offiziell nach rechtsaußen abzugrenzen. Dabei gelang es ihm, negative Schlagzeilen über die Partei zu verhindern. Seine Wiederwahl als Bundesvorsitzender indes dürfte er 1996 auch dem Umstand verdankt haben, daß parteiintern zwar eine beachtliche Opposition existierte, sich dort aber kaum personelle Alternativen boten. Schlierers Kontrahent aus Thüringen, Ottmar Wallner, erhielt bei seiner

1868 vgl. Unterstützung auf den „Nazi-Kern reduziert“, Interview mit „Forsa“-Chef Manfred Güllner über den demoskopischen Absturz der Reps, in: tageszeitung, 25. August 1994, S. 4. 1869 vgl. Süddeutsche Zeitung, 17. Dezember 1994. 1870 Wegen Schönhubers Gespräch mit Gerhard Frey wies Bundesinnenminister Manfred Kanther das Bundesamt für Verfassungsschutz erneut an, die Verfassungsmäßigkeit der Republikaner zu überprüfen, vgl. tageszeitung, 20. April 1995, S. 4. Bereits einen Tag, nachdem bekanntgeworden war, daß die Republikaner auf Grund dieser Prüfung im Jahresbericht 1994 des Bundesverfassungsschutzes erstmals als extremistisch eingestuft würden, erwog die niedersächsische Landesregierung disziplinarische Maßnahmen gegen Republikaner unter ihren Bediensteten, vgl. FAZ, 21. April 1995. 1871 vgl. Frankfurter Rundschau, 19. Dezember 1994. 1872 vgl. Hang zur Intrige, in: Der Spiegel 52/1994, S. 35. 1873 vgl. die Einschätzung der Landesbehörde des Verfassungsschutzes, zit. in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. April 1996. 7 Resümee 336

Kandidatur gegen Schlierer zwar 102 von 448 Stimmen. Mit diesem Votum aber dürften die Delegierten in erster Linie ihren Unmut über Schlierers Strategie artikuliert haben – als Funktionär aus Ostdeutschland, wo die Republikaner kaum vertreten waren, war Wallner in einer traditionell süddeutsch geprägten Partei nicht durchzusetzen. Gleichwohl blieb Schlierer zum Erfolg verdammt. Blieb er aus, war es allein eine Frage der Zeit, wann der nach wie vor schwelende Richtungsstreit erneut ausbrechen würde. Nachdem das Asylrecht stark eingeschränkt worden war, weitete Schlierer die Agitation der Partei, von dem nach wie virulenten Thema der Einwanderung abgesehen, auf zwei weitere Politikfelder aus: den Euro und die Kriminalität. Beide Themenkomplexe waren wie Migrationsfragen emotional stark besetzt, der Affinität zum Rechtsextremismus jedoch nicht annähernd so verdächtig wie die Asyl- und Ausländerpolitik. Dabei stießen die Republikaner zumindest in der Innen- und Ausländerpolitik auf ein Klima, das sich gegenüber der Zeit ihrer Gründung und ihres Aufstiegs beträchtlich verändert hatte. Denn der Bundespartei war zwar die Etablierung mißlungen; im Zuge ihrer Anstrengungen aber hatte sich die öffentliche Akzeptanz politischer Standpunkte gewandelt. Diese Veränderung äußerte sich in den unterschiedlichsten Symptomen: Hatte Bundestagspräsident 1988 nach seiner Rede zum Gedenken an die Reichspogromnacht noch umgehend zurücktreten müssen1874, zeugten die divergierenden Reaktionen auf die Äußerungen von Steffen Heitmann, Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, 1993 bereits von einer Auflösung des entsprechenden Konsenses1875. In den kommenden Jahren dann konnte der Münchner CSU-Vorsitzende Peter Gauweiler ungeniert gegen die Ausstellung „Vernichtungskrieg“ polemisieren, ohne daß sich die CSU- Spitze dazu äußern wollte1876. Zuvor hatte ein Parteifreund Gauweilers bereits gefordert, München-Süd zur „asylantenfreie Zone“ zu erklären1877, und in rechtsradikalen Publikationen wurde für ein Buch über den „Völkermord an den Deutschen“ geworben, zu dessen Autoren neben Franz Schönhuber und dem DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey auch der Ehrenvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alfred Dregger, zählte1878. Die institutionelle Etablierung durch Wahlerfolge war der Partei versagt geblieben; einzelne Programmpunkte hatten sich jedoch durchgesetzt. So sahen die Republikaner ihre im

1874 vgl. Süddeutsche Zeitung, 25. Februar 1997. 1875 vgl. Wolfgang Gessenharter: Kippt die Republik? Die Neue Rechte und ihre Unterstützung durch Politik und Medien, München 1994, S. 9-13. 1876 vgl. Süddeutsche Zeitung, 25. Februar 1997. 1877 vgl. Süddeutsche Zeitung, 20. April 1995. 1878 vgl. Süddeutsche Zeitung, 20. April 1995. 7 Resümee 337

Augsburger Programm von 1993 erhobene Forderung nach dem großen Lauschangriff bei schweren Straftaten inzwischen durch die CDU/FDP-Koalition realisiert1879, auch die Verpflichtung von Sozialhilfeempfängern zu gemeinnützigen Arbeiten war eingeführt worden1880. Um im Wahlkampf zur Bundestagswahl 1998 im rechten Lager Stimmen für die SPD zu gewinnen, propagierte im Sommer 1997 schließlich auch der designierte SPD- Kanzlerkandidat Gerhard Schröder die unverzügliche Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber. Im Jahr der Wahl sollte sich diese Entwicklung fortsetzen. So präsentierte die CSU auf ihrem Kleinen Parteitag 1998 in Ingolstadt ausländerpolitische Forderungen, die ihr zwar vom Koalitionspartner FDP den Vorwurf einbrachten, mit ausländerfeindlichen Parolen in den Wahlkampf zu ziehen1881, von denen der Vorsitzende indes zu Recht behaupten durfte, sie nähmen diffuse Ängste in der Bevölkerung ernst1882. Damit hatte der damalige Bundesfinanzminister eine Argumentation übernommen, die in ähnlicher Weise auch die Republikaner und deren Anhänger regelmäßig vortrugen: „Wir können nicht die ganze Welt aufnehmen, wenn man die Steigerung anschaut von Jahr zu Jahr, wir marschieren jetzt weit über die 200.000 Asylbewerber, und wenn das so weitergeht, man muß auch einfach daran denken, daß man durch solche Positionen, wenn man jetzt hier die Zügel schleifen läßt, den Ausländerhaß ja schürt“1883. Zugleich empfahl eine Studie des Bundesinnenministeriums die Einführung einer sogenannten „Asylcard“, auf der neben Adresse und Gesundheitsdaten des jeweiligen Asylbewerbers obligatorisch auch dessen Fingerabdrücke gespeichert werden sollten - dies hatten sich bislang selbst die Republikaner nicht zugetraut vorzuschlagen1884. Zwar erhielten die Republikaner somit zunehmend politische Konkurrenz. Gleichzeitig erfuhren sie aber auch eine Aufwertung sowie eine Bestätigung ihrer Positionen. Sukzessive löste sich damit auch auf Bundesebene die Angriffsfläche auf, welche die Republikaner lange Jahre geboten hatten: Hatten sie sich stets mit dem Argument konfrontiert gesehen, sie hätten zu Sachfragen nichts beizutragen und betrieben pure Stimmungsmache, so setzten nunmehr auch die etablierten Parteien zumindest in der Asyl- und Ausländerthematik zunehmend auf eine an Emotionen orientierte Politik und schwenkten zusehends auf den Kurs der

1879 vgl. „Wir machen uns stark...für deutsche Interessen“, Parteiprogramm der Republikaner 1993, Hg.: Bundesverband der Republikaner, Bonn 1993, S. 19, 64. 1880 diese Forderung findet sich ursprünglich im Rosenheimer Programm, vgl. Programm der Republikaner 1990, S. 52 ff. 1881 vgl. Heilbronner Stimme, 20. Juli 1998. 1882 vgl. Süddeutsche Zeitung, 23./24. Mai 1998. 1883 zit. nach Klaus Weber: Der Fremde ist schlimmer als der Feind - Gespräche mit „Rassisten“, in Thomas, a.a.O., S. 145. 1884 vgl. Heilbronner Stimme, 20. Juli 1998. 7 Resümee 338

Republikaner ein. Zugleich gelang es der Partei um den Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer, klassische Kontrollaufgaben der Opposition zu erfüllen und sich als Anwalt der Wähler im Parteienstaat zu profilieren, wie 1997 das auf das Betreiben von Republikanern, Grauen und Die Panther zurückgehende Urteil zur Wahlkampfkostenerstattung für die FDP zeigte. Im Ergebnis haben sich die etablierten Parteien und die Republikaner in ihren Positionen und ihrem Verhalten somit angenähert. Sollte diese Entwicklung künftig unvermindert anhalten, so wird zunehmend zu diskutieren sein, ob es sich bei den Republikanern überhaupt noch um eine rechtsextremistische Partei handelt. Während der Karriere der Bundespartei haben sich die Maßstäbe dessen verschoben, was als Skandal und was als politisch opportun gilt. Ein zwingender Zusammenhang zwischen dem Wirken der Republikaner und dieser Entwicklung läßt sich freilich kaum konstruieren, selbst wenn die Änderung von Artikel 16 Grundgesetz mancherorts als direkte Folge des Erfolgs der Republikaner bei den baden-württembergischen Landtagswahlen 1992 angesehen wird1885. Ebenso wäre der Versuch müßig zu erklären, wie sich die Realität ohne Existenz der Republikaner gestaltet hätte. Gleichwohl liegt der Schluß nahe, daß die Republikaner schon allein durch ihre bloße Präsenz die politische Tagesordnung und die Politik der etablierten Parteien beeinflußten; somit kam den Republikanern auch auf Bundesebene eine Initiativfunktion zu. Dabei mußten die Republikaner nicht erst in die Regierung gelangen, um ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen - das besorgten die etablierten Parteien zum Teil selbst. Als etwa die baden-württembergischen Republikaner im September 1992 ihre Vorstellungen zum Asylrecht vorlegten, kommentierte die Presse, die Partei zeige „damit ihr wahres Gesicht“1886. Zwar zeugte die damalige Forderung der Partei, jedwede Einwanderung von Ausländern zu untersagen, solange Aussiedler die Aufnahme in der Bundesrepublik begehrten, von einem unverhohlen völkischen „Deutsche zuerst“-Dogma, das auch in absehbarer Zeit hierzulande nicht konsensfähig sein wird. Die 1993 beschlossene Verschärfung des Asylrechts1887 aber könnte in ihrer Formulierung durchaus dem Rosenheimer Parteiprogramm der Republikaner von 1990 entstammen1888. Der Gedanke der

1885 vgl. Behrend, a.a.O., S. 177. 1886 Stuttgarter Nachrichten, 18. September 1992. 1887 vgl. ebenda, S. 93. Zupaß kam ihnen dabei, daß SPD und CDU darauf reagierten mit der Angleichung ihrer Politik an die Forderungen der Republikaner, anstatt mit Argumenten ihre Politik zu vertreten. So wies der damalige CDU-Generalsekretär Volker Rühe die Orts- und Kreisverbände der CDU an, das „Asylproblem auf allen Ebenen auf die Tagesordnung zu setzen“, zit. nach Leggewie: Druck von rechts, a.a.O., S. 81. 1888 Leggewie: Druck von rechts, a.a.O., S. 105. Schönhuber verbucht das neue Asylrecht auch entsprechend als Erfolg seiner Politik, vgl. Schönhuber-Interview „Haie im Blutrausch“, in: Der Spiegel 41/1994, S. 25. 7 Resümee 339

Abschottung gegenüber Flüchtlingen um fast jeden Preis ist zum integralen Bestandteil der Politik der etablierten Parteien geworden. Zwar besteht noch immer ein Grundrecht auf Asyl. Die Ausnahme von der Gewährung des Grundrechts ist jedoch infolge Drittstaaten-Regelung und zahlreicher anderer Beschränkungen zur Regel geworden. Die Sicherheitsbehörden verwenden zunehmend ihre Energien darauf, Einwanderern habhaft zu werden, die ohne die erforderlichen Papiere deutsches Staatsgebiet betreten. Die Politik hat keine Mauern gegenüber diesen Flüchtlingen errichtet, sie läßt sie vom Bundesgrenzschutz mit Nachtsichtgeräten, Spürhunden und Infrarotstrahlern verfolgen. Die Auseinandersetzung mit den Republikanern war bislang vor allem geprägt von Versuchen der Verharmlosung. Bereits nach dem schlechten Abschneiden der Rechtsextremen bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen hatten die Kommentatoren in den Medien triumphiert, „die 'Eintagsfliege' und 'Protestpartei' sei von der Bildfläche verschwunden“1889. Ihre Annahme ging fehl, zum einen, weil die Republikaner eben keine reine Protestpartei sind, zum anderen, weil sie die Dauerhaftigkeit der Krisenphänomene unterschätzten, die die extreme Rechte selbst ohne eigenes politisches Angebot attraktiv erscheinen lassen1890. Sei das Problem der Asylpolitik erst gelöst, meinte Baden- Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel dann am Wahlabend des 5. April 1992, sei auch der Sumpf ausgetrocknet, der den Republikanern in den Landtag verholfen habe. Teufel irrte, da die Motive, Die Republikaner zu wählen, mit einer Beschneidung des Grundrechts auf Asyl keineswegs verschwinden. Zuletzt sah die veröffentlichte Meinung die Partei nach Einschränkung des Asylrechts und der Annäherung Schönhubers an den DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey am Boden. Die Republikaner müßten nun „ihre letzten Hoffnungen auf Bonn begraben“, hieß es in der Presse1891, die schon ihren „Nachruf“ auf die Partei geschrieben hatte1892. Im März des darauffolgenden Jahres gelang den Republikanern als erste rechtsextreme Partei in der Geschichte der Bundesrepublik der erneute Einzug in ein Landtagsparlament. Jenseits von Asylpolitik und Protestwahl lassen sich die Ursachen der Konjunktur von Rechtsparteien wie den Republikanern in fünf Ebenen unterteilen. Zum ersten sind strukturelle Gründe zu nennen. Sie bestehen zu einem wesentlichen Teil unabhängig von den Parteien. An oberster Stelle steht hier die gesellschaftliche

1889 Leggewie: Druck von rechts, a.a.O., S. 95. 1890 Ebenda. 1891 vgl. Robert Leicht: Kaum Blüten, viele Wurzeln, in: Die Zeit, 30. September 1994, S. 1. 1892 vgl. Süddeutsche Zeitung, 20 April 1995. 7 Resümee 340

Modernisierung1893. Sie führte nicht nur zu allgemeiner Prosperität, sondern brachte auch Auflösungsprozesse mit sich, die sich ihrerseits drei verschiedenen Ebenen zuordnen lassen: Auflösungsprozesse von Beziehungen zu anderen Personen oder von Lebenszusammenhängen, Auflösungsprozesse der faktischen Teilnahme an gesellschaftlichen Institutionen sowie Auflösungsprozesse der Verständigung über gemeinsame Wert- und Normvorstellungen1894. Das Individuum sieht sich heute zudem konfrontiert mit schwer berechenbaren Entwicklungen und Verunsicherungen, die ebenfalls sein Vertrauen in die etablierten Parteien schwächen. Im Zeitalter von AIDS, des Ozonlochs und der Furcht vor technischen Katastrophen sieht sich der einzelne auch auf politischer Ebene immer unheimlicheren Gefahren ausgesetzt, etwa der von technisch perfektioniertem Terrorismus. In dieser Unübersichtlichkeit taugen einfache Lösungen weniger denn je. Die Bewältigung von Problemen ist also für die politischen Repräsentanten komplexer geworden. Und aufgrund der wachsenden europäischen Integration scheint auch die Durchsetzung von Lösungen im nationalen Rahmen zusehends komplizierter. Die Konjunktur rechtsradikaler und rechtsextremer Parteien hängt zum zweiten ab von der aktuellen Konstitution der etablierten Parteien. Der NPD gelang der Aufstieg, als die parlamentarische Konservative eingebunden war in eine Große Koalition und als in Zeiten der Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit offensichtlich Bedarf bestand nach einem politischen Gegengewicht zur Außerparlamentarischen Opposition. Parteien wie DVU und Republikaner nutzen dagegen die Glaubwürdigkeitskrise, in welcher sich die etablierte Politik, nicht zuletzt im Zuge von Affären und Skandale zahlreicher ihrer Repräsentanten, seit Mitte der achtziger Jahre hinsichtlich ihrer Problemlösungskompetenz befindet. Stimmen für die extreme Rechte, die infolge der gesellschaftlichen Modernisierung von der deutlichen Schwächung des traditionell gewerkschaftlichen Arbeitermilieus und der schwindenden Bindung der Konfessionen zur Kirche1895 profitieren, scheinen demnach Stimmen gegen die etablierten Parteien zu sein: „Man wählt nicht die Reps in die Parlamente, sondern die Etablierten heraus.“1896 Den Aufstieg der Republikaner ermöglichten nicht eine Wirtschaftskrise oder eine dem Zeitgeist geschuldete Stimmung, sondern ein jahrelang

1893 vgl. Ulrich Beck: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main 1986, der die soziologische Theorie von der Modernisierung entwickelt. 1894 Einteilung nach Wilhelm Heitmeyer: Gesellschaftliche Desintegrationsprozesse als Ursachen von fremdenfeindlicher Gewalt und politischer Paralysierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 2-3/1993, S. 4. 1895 vgl. Fascher, a.a.O., S. 256. 1896 Leggewie: Druck von rechts, a.a.O., S. 106. 7 Resümee 341 verfestigtes Syndrom der „schleichenden politischen Krise“1897 einer Gesellschaft, deren Repräsentanten immer weniger den Eindruck vermittelten, die Ursachen solcher Befindlichkeiten erkennen zu wollen, geschweige denn beseitigen zu können. Darüber hinaus verdanken sie auf einer dritten Ebene ihre Erfolge jeweils einem aktuellen Anlaß, der ihnen Konjunktur verschafft. Das erwies sich zu Beginn der neunziger Jahre, als die Republikaner eine beachtliche Aufwertung durch die Diskussion um das Asylrecht erfuhren. Die Tendenz unter den Wahlberechtigten zum Votum für die Republikaner folgte dabei von Monat zu Monat „in geradezu verblüffender Gleichförmigkeit“ der Konjunkturkurve, die das nicht immer sachlich und inhaltlich diskutierte Thema „Ausländer/Asylmißbrauch“ in der Öffentlichkeit einnahm, um anschließend wieder zu verebben1898. Rechtsextreme Parteien erhalten zum dritten also Vorschub durch ein geeignetes Agitationsthema, das die öffentliche Diskussion beherrscht und zu einfachen Antworten verlockt, während die etablierten Parteien gleichzeitig unfähig sind, differenzierte Sichtweisen überzeugend zu vertreten. Sie können somit in dem Maße erfolgreich sein, wie der politische Gegner dies zuläßt. Von den etablierten Parteien hängt es in erster Linie ab, in welchem Maße es den Parteien am rechten Rand gelingt, das beachtliche rechtsextreme, aber auch antisemitische1899 Einstellungspotential, das weitaus größer ist als das rechtsextreme Wählerpotential1900 und das gewöhnlicherweise CDU oder SPD wählt1901, für ihre Zwecke zu aktivieren. Auf einer vierten Ebene bildet dieses rechtsextreme Einstellungspotential in der Bundesrepublik eine Ursache für die Erfolge rechtsextremer Parteien. Bestärkt wird dieses Potential durch das politisch-psychologische Phänomen des „Wohlstandschauvinismus“. Denn wie die Wahlergebnisse zeigen, sind es nicht nur die „Opfer“ der Modernisierung, die rechtsextrem wählen. Vielmehr vertreten von Modernisierungsschüben vergleichsweise stärker betroffene Menschen, etwa Arbeitslose oder Frauen, nachweisbar seltener rechtsextremistische Überzeugungen1902. Rechtsextrem orientiert sind hingegen

1897 vgl. ebenda, S. 94. 1898 vgl. Jürgen Falter: Wer wählt rechts?, a.a.O., S. 160. 1899 Werner Bergmann/Rainer Erb: Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse der empirischen Forschung von 1946-1989, Opladen 1991. 1900 vgl. Sinus-Institut München (Hg.): Fünf Millionen Deutsche: „Wir sollten wieder einen Führer haben“, Reinbek bei Hamburg 1981; vgl. ferner Konrad Schacht: Der Rechtsextremismus hat eine Zukunft, in: Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte 2/1991; vgl. auch Richard Stöss: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 39-51. 1901 vgl. Leggewie: Druck von rechts, a.a.O., S. 96; vgl. ferner Eike Hennig: Die Republikaner im Schatten Deutschlands, Frankfurt 1991, S. 219. 1902 vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, a.a.O., S. 196. 7 Resümee 342 vergleichsweise häufiger die „Gewinner“ der Modernisierung1903. Die fremdenfeindliche und rechtsextreme Orientierung von Personen, die weder in ihrem sozialen Status bedroht sind noch einen geringen Grad an formaler Bildung besitzen, kann als Wohlstandschauvinismus bezeichnet werden. Dieser ist geprägt durch Abwehrmechanismen von Menschen, die die Kontrolle über ihre Lebensbedingungen bedroht sehen. „Rechtsextremismus als Verteidigung von Privilegien“ stellt somit ein Verhalten dar, das in Konfliktsituationen „Dominanz qua Hierarchisierung“ mittels ausgrenzender Ideologeme zu erreichen sucht. Da es nicht in erster Linie reale Probleme im Sinne von Verarmung oder sozialer Verelendung sind, die rechtsextreme Orientierungsmuster aktivieren, muß es sich um subjektiv wahrgenommene Probleme handeln: „Diese bemessen sich aber nicht nur daran, was einem objektiv zum Leben mangelt, sondern auch daran, was man im Vergleich zu anderen nicht hat. Orientierungsgröße wird das subjektive Empfinden von dem, was einem 'zusteht'. Dieser Wert ist nach oben unendlich verschiebbar.“1904 Dieser Art der Verteidigung von Privilegien kommen nationalistische Denkmuster weit entgegen, zählen Ausgrenzung beziehungsweise Integration doch zu den notwendigen Begriffen, geht es um die Konstituierung von Nationen1905. Schließlich impliziert die Entwicklung eines Nationalbewußtseins durch Aufwertung der eigenen eine Abwertung anderer Nationen und stellt zugleich einen Ausgangspunkt für Aggressionen und Konflikte dar1906. Zupaß kommt rechtsextremen Parteien dabei zum fünften das Phänomen der Ethnisierung des Sozialen. Der Mauerfall 1989 war das Signal zur Beendigung des Kalten Krieges. Das Ende der Blöcke markierte jedoch das Gegenteil des Beginns einer konfliktfreien Zeitrechnung. Seit Wegfall der ideologischen Klammer entbrennen überall in der Welt regionale Konflikte, die in Anzahl und Intensität überraschen müssen. In und zwischen den Nachfolgestaaten der UdSSR, im ehemaligen Jugoslawien, in Somalia, Afghanistan und Ruanda wurden Kriege entfesselt, die sich in ihrer Eigendynamik nicht mehr in alte

1903 vgl. Held, Josef/Horn, Hans/Leiprecht, Rudolf/Marvakis, Athanasios: „Du mußt so handeln, daß Du Gewinn machst...“. Empirische Untersuchungen und theoretische Überlegungen zu politisch rechten Orientierungen jugendlicher Arbeitnehmer, DISS-Texte Nr. 18, 2. Auflage, Duisburg 1992. 1904 Birgit Rommelspacher: Rechtsextreme als Opfer der Risikogesellschaft. Zur Täterentlastung in den Sozialwissenschaften, in: 1999, Heft 2/1991, S. 85 f., vgl. auch Klaus Weber: „Der Fremde ist schlimmer als der Feind - Gespräche mit Rassisten“, in Thomas, a.a.O., S. 141, der gegen Rommelspacher einwendet, die als natürlich ausgegebene Prämisse einer binären Struktur Fremde/Deutsche sei ideologisch. 1905 Detlef Bald: Deutscher Nationalismus - eine historische Erblast?, in Thomas, a.a.O., S. 60. 1906 vgl. Jutta Gallenmüller,/Roland Wakenhut: Theorie und Operationalisierung von Bewußtsein nationaler Zugehörigkeit, in Thomas..., S. 67, zum Mechanismus sozialer Vergleichsprozesse vgl. Hans Nicklas: Die Nation im Kopf. Zur Sozialpsychologie der Nationaliät, in Thomas, a.a.O., S. 80 ff. 7 Resümee 343

Schablonen einfügen lassen. Auch die Krisenherde des Kalten Krieges, bislang bestimmt von ideologischen Antagonismen, zeigen nun ein neues Gesicht. Der Konfliktstoff in den Bürgerkriegen ist bestimmt von den Interessen einzelner Bevölkerungsgruppen. Auslöser ist jeweils die Ethnizität1907 - ob in der Türkei, wo Kurden für einen eigenen Staat kämpfen, in der mexikanischen Provinz Chiapas, wo Indianer Autonomieregelungen fordern, im Kongo, wo Tutsi und Hutu um die Zentralgewalt ringen oder im Kosovo, wo die Auseinandersetzung zwischen Serben und Albanern blutig eskaliert ist1908. Ethnizität bildet nicht nur die Grundlage für die Entstehung von Nationalstaaten, Nationalismus schafft auch nationale Minderheiten, die die Konstituierung einer Ethnie anstreben oder für diese Ethnie bestimmte Ressourcen oder Rechte einklagen1909. Ethnizität und Nationalismus haben Kapitalismus und Kommunismus offenbar als kollektive Bezugsrahmen abgelöst. Hand in Hand geht damit eine Transformation sozialer Konflikte in ethnische Auseinandersetzungen1910. Diese Entwicklung scheint auch in der Bundesrepublik um sich zu greifen und sich in Wohlstandschauvinismus zu manifestieren, der im kleinen die Ethnisierung des Sozialen vollzieht, wenn in sozialen Verteilungskämpfen propagiert wird, das Kriterium der Bedürftigkeit dem der deutschen Staatsangehörigkeit unterzuordnen. Auch in der Bundesrepublik hat sich nach dem Fall der Mauer nicht der Glaube an die moderne und offene Zivilgesellschaft, sondern der Glaube an den Nationalstaat etabliert1911. Diejenigen erlebten eine Konjunktur, welche das Gedeihen der Nation1912 propagieren und der sozialen Ungleichheit die ethnische entgegenstellen. Es scheint, als habe nach dem Ende

1907 zur Abgrenzung des Begriffes der Ethnizität zu Kulturzentrismus und Nativismus vgl. Friedrich Heckmann: Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie inter-ethnischer Beziehungen, Stuttgart 1992, S. 30 ff. und S. 151 ff. 1908 von den 18 Kriegen, deren Beginn zwischen 1990 und 1992 liegt, besaßen mindestens zehn einen ethno-zentralen Hintergrund, vgl. Tobias Debiel: Kriegerische Konflikte, friedliche Streitbeilegung und die Vereinten Nationen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 2/1994, S. 15. 1909 vgl. Georg Elwert: Ethnizität und Nationalismus: Über die Bildung von Wir-Gruppen, Berlin 1989, S. 26 f. 1910 vgl. Hans-Gerd Jaschke: Die Ethnisierung sozialer Konflikte und die Formation einer neuen sozialen Protestbewegung von rechts, in: Mitteilungen 2/1993, hg. vom Institut für Sozialforschung Frankfurt; vgl. auch Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 30. 1911 vgl. Leggewie: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an, a.a.O., S. 216. 1912 zum Nationalismus als kulturelles Produkt in staatlichem Interesse, zu seinem Zusammenhang mit Patriotismus und Rassismus vgl. Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreiches Konzepts, 2. Auflage, Frankfurt/Main 1993, S. 142-162. 7 Resümee 344 des „linken Totalitarismus“ offensichtlich der rechte seine Gefährlichkeit für viele verloren1913. Die Wähler der Republikaner sind als rationale Protestwähler einzustufen1914: Sie verfügen über das Motiv des Protestes, weisen zugleich aber rechtsextreme Ideologeme auf. Durch ihr Votum für eine Partei wie die Republikaner wollen die ehemaligen Wähler von CDU, SPD oder FDP die Politik der etablierten Parteien in ihrem Sinne beeinflussen; als extreme Wählergruppe geht es ihnen dabei darum, die Bewegung ihrer Partei hin zur Mitte des ideologischen Spektrums zu verhindern1915. In diesem Sinne fungieren die Republikaner auch als Erpressungs- oder Einflußpartei1916. Ihre Karriere zeigt jedoch, daß Wähler den Republikanern nicht abspenstig zu machen sind, wenn die etablierten Parteien deren Positionen übernehmen. Im Gegenteil: Der Wähler vermag zu unterscheiden zwischen der Kopie und dem Original. „Forderungen nach einem konsequenteren Vorgehen gegen ausländische Mehrfachstkriminelle (Fehler im Original, d. A.) und mehrfach straffällig gewordene Asylbewerber“, lauteten denn auch im Juli 1997 die Reaktionen von Wählern nach den entsprechenden Forderungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder, „erhebt regelmäßig und mit Nachdruck die Partei der Republikaner. Mit dem Unterschied, daß diese Partei dafür zu Unrecht im Verfassungsschutzbericht steht“1917 oder „zur Erinnerung sei gesagt, daß einige Programminhalte der Republikaner, wie zum Beispiel das neue Asylgesetz (das Beste, was diese Regierung in den letzten 15 Jahren zustande brachte), von der CDU umgesetzt wurden“1918. Mit weltanschaulicher Umarmung allein verwischen die etablierten Parteien die Grenzen zwischen Extremismus und Konservatismus; ihre Wähler gewinnen sie damit nicht zurück. Dieses Vorhaben muß beginnen bei den Ursachen des Votums für eine Rechtsaußenpartei und zwar vor allem bei dem mangelnden Nachweis politischer Handlungsfähigkeit. Die etablierten Parteien müssen Alternativen zu den Forderungen etwa der Republikaner aufzeigen und ihren Ansatz offensiv vertreten. Eine rationale Protestwahl

1913 vgl. Jürgen Link: Schönhuber in der Nationalelf: Halbrechts, rechtsaußen oder im Abseits? Die politische Kollektivsymbolik der Bundesrepublik und der Durchbruch der neorassistischen Schönhuber- Partei, DISS-Texte Nr. 10, Duisburg 1990, S. 26, FN 15. 1914 vgl. zu diesem Begriff Franz Urban Pappi: Die Republikaner im Parteiensystem der Bundesrepublik. Protesterscheinung oder politische Alternative?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/90, S. 37. 1915 vgl. Franz Urban Pappi: Die Republikaner im Parteiensystem der Bundesrepublik. Protesterscheinung oder politische Alternative?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/90, S. 38. 1916 vgl. Anthony Downs: Ökonomische Theorie der Demokratie, Tübingen 1968, S. 124, zit. nach Pappi, a.a.O., S. 38. 1917 vgl. Leserbrief in der Heilbronner Stimme, 29. Juli 1997. 1918 vgl. Leserbrief in der Heilbronner Stimme, 12. August 1997. 7 Resümee 345 kann nur verhindern, wer Lösungskompetenz vermittelt und auch unter Beweis stellt. In dem von Globalisierung und supranationalen Gremien geprägten Szenario heutiger Politik mag dies den Akteuren in Bund und Land schwerer denn je fallen. Um die demokratische Auseinandersetzung mit dem politischen Gegenüber aber kommen sie nicht umhin. Vorerst ist die Etablierung der Republikaner auf Bundesebene gescheitert. Wie indes die Einschränkung des Asylrechts im Mai 1993 gezeigt hat, bedarf es nur eines geeigneten Agitationspunktes, um der Partei wieder zu einer Konjunktur zu verhelfen. Im Zuge einer solchen politischen oder ökonomischen Krisensituation könnten die Republikaner „auf einen Schlag“ wieder Wahlerfolge erzielen1919. Nach wie vor schafft es die Partei, das extreme Lager einzubinden, und die Politik des Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer läßt darauf schließen, daß die Republikaner inzwischen, anders als in den letzten Tagen unter Franz Schönhuber, wieder zunehmend imstande sind, den Ausgrenzungsmechanismen der demokratischen Kultur zu entgehen. Das Wählerpotential besteht nach wie vor. Die Parolen der Partei fallen nach dem Ende der Konfrontation der Blöcke auf fruchtbareren Boden als noch in den siebziger oder achtziger Jahren; Zulauf erhält die äußerste Rechte in den vergangenen Jahren gerade von jungen Menschen1920. Waren rechtsradikale und rechtsextreme Parteien nach der Blütezeit der NPD bis Ende der achtziger Jahre eine Randerscheinung gewesen, so haben die Republikaner das Geschehen am rechten Rand wieder dauerhaft ins Bewußtsein gerückt.

1919 Jürgen Falter: Wer wählt rechts?, a.a.O., S. 163; vgl. auch Heckmann, S. 160: „Zur Mobilisierung ethnischen Vorurteilspotentials kommt es regelmäßig in ökonomischen oder politischen Krisensituationen... Die Verbesserung einer Arbeitsmarktsituation etwa ist nicht nur ein Beitrag zur Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit, sondern auch des Zurückdrängens von Vorurteilsideologien.“ 1920 vgl. Der Spiegel, 40/1997, S. 42. 7 Resümee 346

7.6 Ausblick: Baden-Württemberg – ein Sonderfall?

Während sich die Republikaner in Baden-Württemberg etablieren konnten, ist dieser Versuch auf Bundesebene bislang fehlgeschlagen. Warum meisterte die Fraktion gerade in Baden-Württemberg den erneuten Einzug in den Landtag? Ist der Südwesten in seiner Affinität zu rechtsextremen Politikangeboten ein Sonderfall? Manche Ansätze, den Erfolg der Partei speziell im Südwesten zu erklären, zeugen allenfalls von Hilf- oder Bedenkenlosigkeit. So ist der erneute Einzug der Republikaner in den Landtag 1996 je nach politischem Standpunkt entweder auf die „bedenkenlos angeheizte“1921 Aussiedler- und Euro-Kampagne von SPD-Spitzenkandidat Dieter Spöri oder kurzerhand auf „die Realität, ebenso wie Kurden-Demonstrationen und Ausländer-Kriminalität“1922 zurückgeführt worden. 1992 hatte noch die Zahl der Asylbewerber im Land als Erklärung für den Einzug der Republikaner in den Stuttgarter Landtag herhalten müssen. Dabei hatten seinerzeit Flüchtlinge nicht nur im Südwesten um Asyl nachgesucht. 1996 wiederum waren auch außerhalb Baden-Württembergs demonstrierende Kurden zu beobachten, und die Aussiedler-Kampagne Dieter Spöris deckte sich durchaus mit entsprechenden Äußerungen von Bundespolitikern der SPD. Andere Ansätze, wonach die Ursachen des Phänomens grundsätzlicherer Natur sind, erscheinen weitaus plausibler. Nicht zuletzt verfügt die Partei in Baden-Württemberg inzwischen über ein recht stabiles Fundament1923. Das Scheitern der Partei bei ihrem Versuch, bei der Landtagswahl 2001 ein drittes Mal in Folge in den Stuttgarter Landtag einzuziehen, ändert an diesem Befund nichts. Zum einen hat die Arbeit gezeigt, daß die Republikaner neben einer Affinität der Wähler ein aktuelles Agitationsthema benötigt, um ihr Wähler-Reservoir auszuschöpfen. Zum anderen erschwerten und vereitelten letztendlich von den Republikanern nicht beeinflussbare Umstände ihren Vorhaben, erneut in den Landtag einzuziehen. So mobilisierte die Polarisierung zwischen Ministerpräsident Erwin Teufel und seiner sozialdemokratischen zahlreiche Stammwähler von CDU und SPD, die zuvor die Republikaner gewählt hatten und sich nun aufgerufen sahen, für CDU oder SPD Partei zu ergreifen. Darüber hinaus schreckten die sich zu dieser Zeit wieder häufenden ausländerfeindlichen Krawalle potentielle Wähler ab. Nicht zuletzt fehlte den Republikanern

1921 Süddeutsche Zeitung, 27. März 1996, derselben Meinung Stuttgarter Zeitung, 25. März 1996. 1922 Stuttgarter Nachrichten, 25. März 1996. 1923 vgl. Interview mit Jürgen Falter, in: Stuttgarter Nachrichten, 29. März 1996. 7 Resümee 347 ein Ansatz zur Mobilisierung, da die von ihnen bevorzugten Politikfelder wie Ausländer-, Asyl- und Kriminalitätspolitik Anfang 2001 keine Konjunktur hatten1924. Uwe Kitzinger hat die Erfolge der Republikaner im Süden der Republik als aktualisierte Tradition der Wahl unorthodoxer Parteien gedeutet. Eine solche Tradition habe sich noch zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland in der regionalen Ausprägung einer Vielzahl von Splittergruppen im süddeutschen Raum niedergeschlagen1925. Die Affinität unorthodoxen Parteien gegenüber mag ein Faktor unter mehreren sein, befriedigend jedoch erklärt sie den Erfolg der Republikaner nicht. Unberücksichtigt bleibt etwa die relativ hohe Popularität, derer sich speziell rechtsextreme Parteien bereits vor Entstehung der Republikaner erfreuten. So hatte in Baden-Württemberg bereits die NPD bei den Landtagswahlen 1968 beachtliche 9,8 Prozent der Stimmen erhalten, das beste Ergebnis der Partei sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. Wie die konstanten Erfolge der NPD während der achtziger Jahre in den Kommunalparlamenten zeigten, hat die Konjunktur von Rechtsparteien in Baden- Württemberg fortgedauert1926. Einen weiteren Ansatz liefert Katharina Behrend. Sie hält die Deutung Franz Schönhubers für plausibel, die regionale Heterogenität hänge mit dem unterschiedlichen Organisationsgrad der noch jungen Partei zusammen. Behrend verweist auf die Kommunalwahlen in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland 1989, zu denen in weiten Landesteilen keine Kandidaten angetreten waren. Das integrative Vermögen von CDU und SPD trage ein übriges zu der regionalen Heterogenität bei1927. Diese Erklärung wiederum mutet tautologisch an. Schließlich dürfte eine rechtsextreme Partei eben dort einen hohen Organisationsgrad aufweisen, wo eine allgemeine Affinität zu solchen Politikangeboten gegenüber herrscht. Tatsächlich handelt es sich bei der Frage um ein Forschungsdesiderat, dessen Erschließung eigene Untersuchungen verdiente. Zu erörtern wäre etwa die Frage, ob der Mißerfolg der Bundespartei bei der Bundestagswahl 1994 primär auf Schönhubers Annäherung an die DVU zurückzuführen war; falls ja, handelte es sich bloß um eine glückliche Fügung für die Landespartei im Südwesten, daß ihr noch eineinhalb Jahre Zeit bis zum nächsten Wahlkampf blieben. Zu klären wäre zudem, ob sich dabei der Umstand, daß die Bundesspitze der Partei in ihrer Mehrheit aus dem Südwesten stammt, als Bonus für die Landesebene ausgewirkt hat. Das Verhalten der Vertreter der Republikaner in den Kommunen, das in dieser Untersuchung

1924 vgl. die Äußerungen Hans-Georg Wehlings, Stuttgarter Zeitung, 27. März 2001 1925 Wahlsendung des ZDF am 18. Juni 1989, zit. nach Emil-Peter Müller, a.a.O., S. 14. 1926 vgl. Peter Wagner: Die NPD in der Kommunalpolitik. Ursachen der Erfolge einer rechtsextremistischen Partei in Villingen-Schwenningen, Freiburg 1992. 1927 vgl. Behrend, a.a.O., S. 136. 7 Resümee 348 nur in Ansätzen erwähnt werden konnte, lohnte eingehendere Erörterung. Und zu diskutieren wäre schließlich der Anteil, den die Arbeit der Republikaner im Stuttgarter Landtag am beachtlichen Erfolg der Partei in Baden-Württemberg hat. Eine Darstellung und Analyse der Arbeit der Fraktion in den Jahren von 1992 bis 1997 liegt nun vor.

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III. Periodika

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2. Zeitungen: die tageszeitung, Jahrgänge 1992 bis 1997 Die Welt, Jahrgang 1989 Die Zeit, Jahrgänge 1989 und 1993 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1992 bis 1998 Frankfurter Rundschau, 1993 bis 1995 General-Anzeiger, Jahrgang 1994 Heilbronner Stimme, 1985 bis 1998 Leipziger Volkszeitung, Jahrgang 1992 Neues Deutschland, Jahrgang 1992 Rhein-Sieg-Anzeiger, Jahrgang 1994 Stuttgarter Nachrichten, Jahrgang 1992 bis 1997 Stuttgarter Zeitung, Jahrgang 1992 bis 1997 Süddeutsche Zeitung, Jahrgang 1989, 1990, 1992 und 1995 Südwest-Presse, Jahrgang 1992, 1995 und 1996

Lebenslauf 376

Lebenslauf

Zur Person Name Bernd Neubacher geboren am 26. Februar 1969 in Koblenz-Moselweiß Familienstand ledig Konfession römisch-katholisch

Schulausbildung Grundschule 1975 bis 1979 Gymnasium 1979 bis 1988 (Abitur)

Zivildienst November 1988 bis Juni 1990 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinischen Landesklinik Bonn

Hochschulausbildung Rheinische Friedrich- 1990 bis 1995: Magisterstudium der Politischen Wissenschaften, Wilhelms-Universität der Neueren Geschichte und des Öffentlichen Rechts Bonn Herbst 1995: Examen

Herbst 1996 Buchveröffentlichung im Kölner Papyrossa-Verlages über „NPD, DVU-Liste D, Die Republikaner. Ein Vergleich ihrer Ziele, Organisationen und Wirkungsfelder“

Beruflicher Werdegang Januar 1997 bis Juli 1998 Volontariat bei der Tageszeitung Heilbronner Stimme August 1998 bis Juni 2000 Redakteur bei der Nachrichtenagentur vwd - Vereinigte Wirtschaftsdienste seit Juli 2000 Redakteur der Börsen-Zeitung

Eschborn, Februar 2001 5 Darstellung der Ergebnisse 377

Danksagung

An dieser Stelle bedanke ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Horst Dähn für die wertvollen Anregungen, die hilfreiche Kritik und für die persönliche Unterstützung. Mein Dank gilt ferner Prof. Dr. Oscar W. Gabriel für die Erstellung des Zweitgutachtens.

Irmgard Holzner in der Dokumentationsstelle des Landtages danke ich für die weit über das gewöhnliche Maß hinausgehende Unterstützung bei der Beschaffung und Bereitstellung der Daten und Unterlagen. Bei Herrn Motzke in der Stuttgarter Fraktionsgeschäftsstelle habe ich mich für die Einsicht in die Pressearbeit der Republikaner zu bedanken.

Ich danke meinem Bruder Frank, der die Arbeit von Beginn bis Ende begleitet hat und immer Rat wußte, wenn es darauf ankam. Jotta danke ich für ihre Geduld in den vergangenen drei Jahren und für ihre Arbeit als Co-Raterin. Mein Dank gilt ferner Dr. Immo Dehnert und Conrad Schetter für ihre liebevollen Korrekturen. Und ich danke meinen Eltern, die es mir ermöglicht haben, diese Arbeit zu schreiben.