Anton Maegerle

Studienzentrum Weikersheim

Autonummern aus unterschiedlichen Bundesländern waren vom 19. bis 21. Mai 2006 in dem hohenlohischen Städtchen Weikersheim an der Romantischen Straße im lieblichen Taubertal unweit von Würzburg zu sehen. Zum Jahreskongress ins idyllisch gelegene Renaissance-Schlösschen hatte das »Studienzentrum Weikersheim« (SZW), eine Art think tank im Vorfeld der Unionsparteien, geladen. Zwecks geistig-moralischer Erneuerung erörterten die TeilnehmerInnen in der Orangerie im Schlosspark Themen, die Konservative bewegen. Angesagt war in diesem Jahr »Europa auf der Suche nach einer eigenen Identität«. Auf die Suche in der ehemaligen fürstlichen Residenz der Hohenlohe begaben sich unter anderem Matthias Rössler, CDU-MdL im Sächsischen Landtag, , Ex-CDU-MdEP sowie Peter Schallenberg von der Hochschule der Katholischen Kirche in Fulda.

Lothar Bossle

Für Wirbel sorgte im Vorfeld der Tagung die angekündigte Gedenkstunde zu Ehren von Lothar Bossle im Sitzungssaal des Rathauses der Stadt Weikersheim: denn der im Dezember 2000 verstorbene Würzburger Soziologieprofessor, den der Bossle-Gönner Franz Josef Strauß gegen breiten Widerstand im Jahre 1977 als »Traumkandidaten« und »Zierde für jede bayerische Universität« (1) auf den Lehrstuhl der Julius-Maximilians- Universität gehievt hatte, galt als der »Professor mit dem schlechten Ruf«. (2)

In einer Pressemitteilung (15. Mai 2006) erinnerte die -württembergische SPD- Landtagsfraktion daran, dass Bossle sowohl zum Unterstützerkreis und festen Referentenstamm der rechten Psychosekte »Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis« (VPM) gehörte, als auch Kontakte zur rechtsextremen deutschen

1 Folterkolonie »Colonia Dignidad« in Chile hatte und diese auch besuchte sowie an einem Kongress der Mun-Sekte in Südkorea teilgenommen hatte. Bossle, einer der Vordenker des SZW und langjähriger wissenschaftlicher Leiter bei dessen Tagungen, unterhielt ebenfalls Verbindungen zu verschiedenen Organisationen der MUN-Sekte wie zur »Professors World Peace Academy« und zur »Conference for the Unity of Science«. Zusammen mit dem Präsidenten von »Professors World Peace Academy«, Gerhard Radnitzky, gab Bossle unter dem Titel »Selbstgefährdung der offenen Gesellschaft« den Extrakt eines MUN-Kongresses als Buch heraus. Als Autor griff Bossle für die rechtsextreme »Verlagsgemeinschaft Grabert/Hohenrain« und die rechtsextreme Zeitschriftenreihe »Deutsche Geschichte« zur Feder. Dem geschichtsrevisionistischen Verein »Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt« (ZFI) unter Führung von Alfred Schickel stand er als Referent zur Verfügung. Freundschaftlich verbunden fühlte er sich dem rechtsextremen »Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen«, der seit seiner Gründung im Visier des Landesamtes für Verfassungsschutz in Schleswig- Holstein steht. Bossle gehörte dem »Ritterorden vom Heiligen Grab«, einer elitären Vereinigung strenggläubiger Katholiken, an und war seit 1984 leitender Komtur dieses Ordens. Als Präsident des Würzburger »Instituts für Demokratieforschung« erlangte Bossle in den 80er Jahren mit seiner so genannten »Doktorfabrik« bundesweit zweifelhafte Berühmtheit, weil man, so die SPD-Pressemitteilung, »mit entsprechender Brieftasche und rechter Gesinnung dort schnell zum Titel kommen konnte.« Die Dissertationen trugen Titel wie »Stiftungskindergärten im Regierungsbezirk Unterfranken«, »Die Soziologie der Möbelstühle« oder »Zersetzen, Zersetzen, Zersetzen. Zeitgenössische Deutsche Schriftsteller als Wegbereiter für Anarchismus und Gewalt«. Nachprüfungen ergaben 1989, dass bei zwei Dutzend Promotionen seit 1978 lediglich eine einzige Doktorarbeit, wie üblich, durch einen Koreferenten vom Fach begutachtet worden war. In allen anderen Fällen stammte das notwendige Zweitgutachten von fachfremden Koreferenten. Wiederholt musste sich deshalb der bayerische Landtag mit dem »Fall Bossle« beschäftigen.

2 Günter Rohrmoser

Sauer stieß der SPD-Landtagsfraktion und ihrem Extremismusexperten Stephan Braun in der Pressemitteilung auch auf, dass sich das SZW nicht von seinem Hofideologen Günter Rohrmoser trennen kann. So habe sich der Sozial- und Religionsphilosoph Rohrmoser regelmäßig in der neurechten Wochenzeitung »« zu Wort gemeldet und sich zu seinem 70. Geburtstag vom Antisemiten als Laudator ehren lassen. In seiner Laudatio führte Mahler, heute weltweit einer der übelsten Holocaustleugner, unter anderem aus: »Deutschland ist noch ein besetztes Land. Es ist das wichtigste Territorium, das Reich des Geistes, das fremder Herrschaft unterworfen ist. ... Das deutsche Volk ... wird auch noch 50 Jahre nach dem Zusammenbruch von äußeren Mächten gegen die Vernunft im Zustand des zerstörten Nationalbewußtseins festgehalten.« (3)

Gefeiert wurde Rohrmosers Geburtstag am 1. Dezember 1997 im noblen Stuttgarter »Waldhotel«, unweit des Staatsministeriums. Unter den Gästen waren auch Hans Filbinger, SZW-Gründungsinitiator und Ehrenvorsitzender des baden-württembergischen CDU-Landesverbandes, sowie Albrecht Jebens, letzter Persönlicher Referent von Filbinger und langjähriger SZW-Geschäftsführer (1982 - 1997). Rohrmosers erneuter Auftritt als Redner beim Jahreskongress 2006, der zentralen Veranstaltung des SZW, sei »eine Schande«, findet Braun. Rohrmoser wurde 1976 mit massiver Unterstützung des damaligen Ministerpräsidenten Filbinger zum Ordinarius für Sozialphilosophie an der Universität Stuttgart-Hohenheim ernannt. Eigens für ihn wurde gegen den Widerstand der SPD-Landtagsfraktion ein neuer Lehrstuhl geschaffen. Wie Bossle pflegte auch das einstige SZW-Präsidiumsmitglied Rohrmoser Kontakte zu der rechten Psychosekte »Vereinigung zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis« (VPM) und zur MUN-Sekte. Er war mehrfach Referent bei VPM-Kongressen und Gastredner beim MUN-Ableger »Confederation of the Association and Unity of Society of the Americas« (Causa). Mit Bossle teilt Rohrmoser die Sympathie für den rechtsextremen »Schulverein

3 zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen«. Beide entsandten Grußbotschaften bei dessen Jahreshauptversammlungen.

Schon kurz nach dem Regierungsantritt Helmut Kohls 1982 beklagte Rohrmoser die aus seiner Sicht ausgebliebene »geistige Wende«. Die Unionsparteien fordert er seit Jahrzehnten auf, sich von der angeblichen Umklammerung durch den Geist der Sozialdemokratie und des Liberalismus zu lösen. Rohrmosers Ansinnen gilt dem Kampf gegen die von der Studentenbewegung von 1968 ausgelöste »Kulturrevolution«. Die »Frankfurter Schule« (Habermas, Adorno, Marcuse) ist ihm ein Gräuel. Stattdessen gelte es Utopien zu bekämpfen und die nationale Identität als stabilisierende Kraft wiederzuentdecken. Rohrmoser reduziert die Idee des Sozialismus auf das gescheiterte Modell des Marxismus-Leninismus. Andere, differenziertere Sozialismusmodelle nimmt er nicht zur Kenntnis. Überall sieht Rohrmoser gesellschaftlichen Verfall, Dekadenz und Apokalypse. Dennoch spart Rohrmoser bei seiner Kritik an der Moderne die kapitalistische Ökonomie weitgehend aus. Transportiert wird Rohrmosers Gedankengut unter anderem durch die »Junge Freiheit«. Rohrmoser »sieht sich«, so die »Burschenschaftlichen Blätter«, das Sprachrohr der »Deutschen Burschenschaft« (DB), »in der Nachfolge Martin Luthers, der mit der Kraft des klaren Wortes für einen inhaltlich fundierten Freiheitsbegriff gekämpft hat und dessen reformatorische Begriffe die damalige Welt revolutionierten.« (4) 2005 stand Rohrmoser als Interviewpartner der rechtsextremen österreichischen Zeitschrift »Der Eckart« Rede und Antwort. Den LeserInnen des Blattes gab er kund, dass es das deutsche Volk »bald nicht mehr« gäbe; »es wird als Souverän ausgetauscht gegen eine inhaltlich ausgehöhlte Mehrheitsgesellschaft.« Dies, so Rohrmoser, bedeute, »daß das, was heute Mehrheit ist, morgen Minderheit sein kann. Der Verfassung werde inzwischen in völliger Verkennung ihres Sinnes und Zweckes die Wirklichkeit aufgezwungen und auf diesem Wege politisch, moralisch, kulturell, geistig und religiös abgeschafft.« (5)

Deutliche Worte sprach Rohrmoser im Sommer 1991 auf einer Veranstaltung des rechtsextremen »Stuttgarter Freundeskreises«. Anwesend waren Funktionäre diverser

4 rechtsextremer Parteien, Organisationen und Gruppierungen; darunter Rolf Schlierer (REP-Bundesvize), Lothar Basler (Ex-NPD-MdL) und Rüdiger Schrembs (Bundesvorstandsmitglied der »Vereinigten Rechten«). Rohrmosers Rede, so ein Bericht in der rechtsextremen Zeitung »Deutsche Rundschau«, »geriet zu einer Generalabrechnung mit der Union«. Rohrmoser »konstatierte, daß die Union ... einer verfaulenden Anarcho-Ideologie hinterherstolpere«. Rohrmosers Vision sei »die Gründung vieler patriotischer Gruppen von lokaler Ausstrahlung im Lande und deren Vernetzung. Aus ihnen soll ... die neue politische Kraft entstehen.« (6)

Stefan Winckler

Kritik übte die SPD-Landtagsfraktion in ihrer Pressemitteilung daran, dass im SZW- Führungsgremium der Publizist Stefan Winckler vertreten ist. Winckler ist Buchautor des ultrarechten österreichischen Leopold-Stocker-Verlages und Gelegenheitsautor der »Jungen Freiheit«. Gemeinsam mit Hans-Helmuth Knütter, Referent bei der von ehemaligen SS-Offizieren und NSDAP-Funktionären gegründeten »Gesellschaft für freie Publizistik« (GFP), der größten rechtsextremen kulturpolitischen Vereinigung in der Bundesrepublik, fungiert er als einer der Herausgeber des Sammelbandes »Der Verfassungsschutz«. Dem Verfassungsschutz unterstellt Winckler quasi, dass dieser »konservative Kritik« mit Rechtsextremismus gleichsetze. »Wenn dies (..) der Verfassungsschutz mittels der geistig-politischen Auseinandersetzung gegen ›rechts‹ suggeriert, wirkt er verhetzend auf die Öffentlichkeit und beleidigt ehrenwerte, demokratische Konservative.« (7) Zu den Autoren des Bandes zählen unter anderem Klaus Kunze, Josef Schüsslburner und Bernd Kallina. Kunze, ehemals Landtagskandidat der Republikaner, vertrat die Reps im Mai 2000 vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht gegen das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz. Schüsslburner hielt als Referent beim konspirativ organisierten Jahreskongress der GFP 1995 die »heldenhaft kämpfenden deutsche Soldaten« hoch und lamentierte über das »Befreiungsgequatsche«. Im Jahr 2001 gab die damalige Bundesregierung auf Anfrage bekannt, dass Schüsslburner

5 »seit 1993 regelmäßig Beiträge in rechtsextremistischen Publikationen« verfasst. (8) Kallina ist Alter Herr der Münchner Burschenschaft Danubia und war ehemals Pressereferent im Bundesvorstand der »Jungen Nationaldemokraten« (JN), der NPD- Jugendorganisation. 2005 veröffentlichte Winckler das Buch »Die demokratische Rechte – Entstehung, Positionen und Wandlungen einer neuen konservativen Intelligenz«. (9) Winckler regt in seinem Buch an, so eine Rezension Knütters in der »Preußischen Allgemeinen Zeitung« (zuvor: »Das Ostpreußenblatt«), dem Sprachrohr der rechtslastigen Landsmannschaft Ostpreußen, »die zahlreichen, aber nonkonformistisch zersplitterten rechten Intellektuellen zusammenzuführen. Den Linken die Wortführerschaft zu entringen ist denkbar, auch möglich«, (10) so Knütter. In einem Interview, das Kallina mit Winckler für die »Burschenschaftlichen Blätter« führte, jammerte dieser, dass die von ihm in seinem Buch beschriebene »demokratische Rechte« durch »eine Art vorbeugender Denunziation ... ausgegrenzt« und »diskreditiert« werde: »der Ungeist der 68er Bewegung hat die Selbstbehauptungsfähigkeit der Deutschen im Zeitalter der Globalisierung nicht gestärkt, sondern substantiell geschwächt.« (11)

Feindbild von Winckler ist das ARD-Politmagazin PANORAMA, das in den vergangenen Jahren mehrfach über Personen und politische Strömungen in der Grau- und Braunzone zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsextremismus berichtet hat. Zum Thema »Inquisitoren von heute. Die Wandlungen des Fernsehmagazins ›Panorama‹« referierte Winckler bei den 11. Internationalen Studientagen des SZW im Jahr 2002. Über Veranstaltungen des SZW berichtete Winckler in der »Jungen Freiheit«.

Die Fälle Bossle, Rohrmoser und Winckler, so die Pressemitteilung der baden- württembergischen SPD-Landtagsfraktion, zeigen auf, dass das SZW »weder willens noch fähig« ist, »sich klar gegen ... rechte Sektierer abzugrenzen.« Geworben wurde für den SZW-Jahreskongress 2006 über mehrere Ausgaben hinweg in der »Jungen Freiheit«.

»Geistig-moralische Erneuerung«

6 Das »Studienzentrum Weikersheim« wurde im September 1979 zur »geistig-moralischen Erneuerung« auf Initiative von Filbinger im Schloß Weikersheim als Antwort auf die sogenannte Kulturrevolution der 68er und den Einfluß der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule gegründet. Ziel des SZW, das sich bei der Gründungskonzeption an neokonservativen think tanks in den USA und neurechten Polit-Clubs in Frankreich orientierte, lag in der Durchbrechung der Ende der 70er Jahre angeblich herrschenden Tabuisierung des Konservatismus. Auf dem Stundenplan des SZW standen die Rückkehr zur geschichtlichen Kontinuität und die Rekonstruktion des Christentums. Als Ideologiezentrum am Rande der Union wollte man diese neu als »christlich-nationale- konservative« Partei profilieren. Das SZW, so Rohrmoser, wollte mit seiner Programmatik auf dem aufbauen und anschließen, »was ursprünglich die CDU als ihren Geist erfüllt« (12) hat: dazu zähl(t)en der Kampf gegen den »Ausverkauf der Deutschen Nation«, gegen Werteverfall und Wertezerstörung, gegen eine Selbstbezichtigungskultur, deren Träger die Deutschen als »verhinderte Triebtäter« ansehen, gegen Randgruppen, die sich in den Mittelpunkt drängen, gegen die Zügellosigkeit der Medien und für verlorengegangene Tugenden und Leitbilder. Kurzum: Filbinger und Rohrmoser sehnten sich nach einer geistig-moralischen Wende, die an vor dem Sturm auf die Bastille 1789 anknüpfen sollte. Eine Welt ohne Autonomie und Emanzipation des Individuums, Humanismus als Selbstzweck (ein vom Sakralen entzaubertes Dasein) und Universalität, die sich in unantastbaren Menschenrechten und mithin im Gleichheitsgebot ausdrückt.

Am 12. Oktober 1979 wählte eine erste SZW-Mitgliederversammlung Filbinger zum Präsidenten und Rohrmoser sowie Brigadegeneral Heinz Karst, zuvor Vorstandsvorsitzender der stramm national ausgerichteten »Deutschland-Stiftung« und vormals »Zugführer« beim deutschen Angriffskrieg gegen Polen und Kompaniechef beim Krieg gegen Rußland, zu Vizepräsidenten. Ein Jahr zuvor musste Filbinger vom Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten zurücktreten, nachdem seine Vergangenheit als NS-Marinerichter publik wurde. Sein Satz »Was damals Rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein« wurde zum »geflügelten Wort, Inbegriff eines unheilbar

7 gesunden Gewissens, das keine Schuld kennt und von Sühne nichts wissen will.« (13)

Zehn Jahre lang ließ sich das SZW in den Medien als freiheitlich-konservativ feiern, patriotisch und doch weltoffen, christlich und tolerant. Spitzenpolitiker wie der frühere Bundespräsident Carl Carstens (CDU) und der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth gaben sich und dem SZW immer wieder die Ehre, und solche Namen waren wie eine Rückversicherung für die Denkfabrik. Selbst einige Sozialdemokraten wie der ehemalige Juso-Chef Gerhard Schröder hatten keine Scheu, sich vom SZW instrumentalisieren zu lassen. Unbekannt waren in der Öffentlichkeit dagegen die Namen und Zusammenhänge von Referenten wie dem Geschichtsrevisionisten und Entlastungshistoriographen Alfred Schickel. Schickel kam in dem Aufsatz »Die umstrittenste Zahl der Zeitgeschichte. Das ungeklärte Ausmaß der jüdischen Opfer« für eine rechtsextreme Zeitschrift zum Ergebnis, dass die Zahl von sechs Millionen ermordeter Juden in der NS-Zeit »heute in der zeitgeschichtlichen Wissenschaft nicht mehr ernsthaft vertreten« wird. (14) Wegen dreister Geschichtslügen wie dieser galt der CSU-Mann Schickel in rechten Kreisen als »Legendenkiller«. Als der damalige SPD- Bundestagsabgeordnete Heinz Rapp im Mai 1985 von Schickels Referentenaktivitäten für das SZW erfuhr, sagte der Sozialdemokrat, der sonst keine Berührungsängste mit Konservativen hatte, postwendend empört seine Zusage beim SZW-Jahreskongress ab. Kritiker des SZW wurden als »linke Desinformanten« diffamiert, wenn sie auf Verbindungen des SZW zu ultrarechten Kreisen hinwiesen. Öffentlich wurden diese Verbindungen im Sommer 1989. Am 6. Juli 1989 erschien ein Artikel im Magazin STERN, in dem Rolf Schlierer, Pressesprecher des baden-württembergischen Landesverbandes der Republikaner und zuvor Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft (DB), als Funktionär des SZW geoutet wurde. Schlierer war im Juni 1987 ins Kuratorium des Studienzentrums Weikersheim berufen worden. Filbinger, der von Schlierers Sprüchen beeindruckt war, verschaffte diesem darüber hinaus noch einen Sitz im Präsidium. Daß Filbinger die rechtsextreme Gesinnung von Schlierer nicht auffiel, kennzeichnet dessen Einstellung. Zwei Wochen brauchte Filbinger, um die Affäre, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte, zu bereinigen. Noch am 19. Juli 1989 drängte der

8 ehemalige Ministerpräsident den Republikaner zum Verbleib bei den Weikersheimern. In einem Gedächtnisprotokoll schrieb Filbinger über das Vier-Augen-Gespräch: »Als eigentliches Anliegen dieser Unterredung bezeichnet Filbinger den Wunsch, Schlierer möge seine Bindung zu den Republikanern lösen und die Zusammenarbeit mit dem SZW fortsetzen. Die politischen Ziele, um die es Schlierer gehe, könne er im SZW viel besser verfolgen, das Einfluß auf die Parteien der Mitte nähme.« (15) Mit diesem Papier hatte Filbinger die Strategie des »Studienzentrums Weikersheim« offenbart: Unter dem Deckmantel der politischen Mitte sind auch Radikale willkommen. Schlierer entschied sich bei dem Vier-Augen-Gespräch für die Republikaner und wurde aus dem SZW ausgeschlossen. Fortan musste das SZW-Kuratorium, darunter die baden- württembergischen CDU-Spitzenpolitiker Innenminister Dietmar Schlee (CDU), Justiz- Staatssekretär Eugen Volz (CDU), der Biberacher Landrat sowie CDU- Landtagsabgeordnete Wilfried Steuer und Ministerpräsident Lothar Späth (CDU), ohne Schlierer tagen. Kurz nach dem Rauswurf von Schlierer erklärte Filbinger: »Nicht die CDU ... war Auslöser für die Abberufung eines unserer Kuratoriumsmitglieder, sondern der Aufsatz in einer Zeitschrift ... Wir identifizieren uns nicht mit einer Partei; das SZW ist überparteilich und unabhängig. Wir treffen auch keine Aussage darüber, ob die Republikaner als extremistisch oder verfassungsfeindlich einzustufen seien.« (16)

Im November 1991 wurde in Giengen die Jugendgruppe »Junges Weikersheim« gegründet; dahinter stand die »Erkenntnis, daß die politischen Parteien wegen ihres Ansehensschwundes in der Öffentlichkeit immer weniger in der Lage sind, die Jugend für die Pflichten und Aufgaben in Politik und Kultur zu gewinnen.« (17) Der vierköpfigen Führungsspitze der SZW-Jugendorganisation gehörte bis 1995 der Berliner Neonazi Ulli Boldt an. Während seiner Tätigkeit für das »Junge Weikersheim« war Boldt zeitweilig als Vorsitzender des »Berliner Kulturgemeinschaft Preußen«, eines – so das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz – Sammelbeckens für das gesamte rechtsextreme Spektrum Berlins, aktiv. Zuvor war Boldt Kader der 1992 bundesweit verbotenen Neonazi-Truppe »Nationalistische Front« (NF). »Oberstes Ziel politischer Arbeit«, muss, so Boldt in der holocaustleugnenden Szene-Schrift »Sleipnir«, die

9 »Destabilisierung des Systems sein. ... Wer das Ziel hat, grundlegende Veränderungen zu bewirken, der muß die Ghetto-Mauern einreißen. Das bedeutet, Aufgabe politischer Arbeit muß die Schaffung von geistigen Grauzonen, einer Atmosphäre des geistigen Austausches sein. In diesen Räumen kann das Gespräch der offenen Verfassungsgegner mit den systemkritischen Konservativen stattfinden.« (18) Als ein ideologischer Kopf der »Jungen Weikersheimer« galt Hans-Ulrich Kopp, Gründungsmitglied der REP-Studierendenorganisation »Republikanischer Hochschulverband« (RHV), Referent bei der rechtsextremen »Gesellschaft für freie Publizistik« und Alter Herr der Münchner Burschenschaft Danubia, die in der Vergangenheit die gesamte bundesrepublikanische extreme Rechte mit intellektuellem Nachwuchs versorgt hat. Bei der ersten Veranstaltung der »Jung-Weikersheimer« war als Gastreferent Wolfgang Strauss, ein vielgefragter Referent (»Gesellschaft für freie Publizistik«) und Autor (»Nation & Europa«) in rechtsextremen Zusammenhängen geladen.

Das SZW bediente sich in den Jahren nach der Schlierer-Affäre einer geschickten Kombination von demokratischen bis rechtsextremen Kräften. Wie vor 1989 traten bundesweit bekannte CDU-Politiker wie oder die baden- württembergischen Landesminister Erwin Vetter (CDU) und Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) beim SZW als Gastredner in Erscheinung. Einen Auftritt hatte auch Matthias Kleinert, Mitglied des Direktoriums von Daimler-Benz. Daneben standen dem SZW als Gastredner unter anderem Hans-Dietrich Sander, Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift »Staatsbriefe«, Karlheinz Weißmann, Chefideologe der Neuen Rechten und der Anti-Antifa-Aktivist Hans-Helmuth Knütter zur Verfügung. Auf einer SZW- Veranstaltung betonte Knütter: »Ich erwarte, dass das, was ich sage, im Kampf gegen den Antifaschismus umgesetzt wird!« (19) Gern gesehen bei SZW-Veranstaltungen war Tomislav Sunic, damals Leiter der Informationsabteilung des kroatischen Außenministeriums und Autor in rechtsextremen Zeitschriften wie »Europa Vorn« oder »The Scorpion«. »Scorpion«-Herausgeber war der Brite Michael Walker, einst Funktionär der neonationalsozialistischen »National Front«. Nach Erkenntnissen des

10 Untersuchungsausschusses Rassismus und Ausländerfeindlichkeit des Europäischen Parlaments veranstaltete »The Scorpion« mindestens zwei internationale Versammlungen pro Jahr und bemühte sich intensiv um Verbindungen zu ultra-nationalistischen und antisemitischen Gruppen in Osteuropa. (20) Der SZW-Jahreskongress, bei dem Walker als Referent zugegen war, wurde seitens des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung mit 32.700 Mark gesponsert. Gesponsert wurden Kongresse und Veranstaltungen des SZW auch mit finanziellen Mitteln der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Land Baden-Württemberg und der Industrie, unter anderem von Daimler- Benz. Allein in den Jahren von 1988 bis 1993 wurden Veranstaltungen des SZW von der Bundeszentrale für politische Bildung, dem – zwischenzeitlich aufgelösten – Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen und dem Bundespresse- und Informationsamt mit knapp 400.000 Mark bezuschusst.

Eine besonders enge Beziehung baute das SZW in der Filbinger-Ära zum VPM auf. Die rechte Psychosekte, zwischenzeitlich aufgelöst, galt als »Orden mit Absolutheits- Anspruch«. Kritik an ihren Praktiken setzten die VPM-Jünger, die eine obskure Aids- Aufklärung betrieben, mit der Diffamierung der Juden zur NS-Zeit gleich. Mit Schreiben vom 7. September 1993 wandte sich SZW-Geschäftsführer Albrecht Jebens an die Mitglieder des SZW. Er teilte mit, dass vom 24. bis 26. September der VPM in Bregenz/Vorarlberg einen Kongress durchführt. Das SZW habe am Programm dieses Kongresses mitgewirkt und sei durch mehrere seiner »prominenten Mitglieder« vertreten; darunter Bossle und Rohrmoser. Jebens abschließend: »Wir unterstützen diesen Kongreß und lassen Ihnen hiermit die Einladung zukommen. Es ist auch in unserem Sinne, wenn Sie an dieser wirklich anspruchsvollen Tagung teilnehmen, die Ihnen erhellende wegweisende Gedanken und Erkenntnisse vermitteln wird.«

Im Mai 1997 trat Filbinger vom Amt des SZW-Vorsitzenden zurück und wurde zum Ehrenpräsidenten gewählt. Politisch blieb er dennoch rührig. Er unterzeichnete eine Erklärung, in der VPM bescheinigt wurde, dass der obskure Verein »nicht das Geringste mit einer Sekte zu tun hat« und verschickte Grußbotschaften an die

11 geschichtsrevisionistische »Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt« von Alfred Schickel und den rechtsextremen »Schulverein zur Förderung der Russlanddeutschen in Ostpreußen«. Freundschaftlich verbunden fühlte sich Filbinger mit dem zwischenzeitlich verstorbenen Kurt Ziesel, dem Geschäftsführer der »Deutschland Stiftung«. In einem Gratulationsschreiben zum 90. Geburtstag Ziesels 2001 ließ Filbinger diesen hochleben: »Die ist erkannt und widerlegt worden, und Sie haben daran keinen geringen Anteil.« (21) Der Journalist Ziesel (NSDAP-Mitglied seit 1931) begann seine publizistische Laufbahn als Redakteur der nationalsozialistischen »Deutsch- Österreichischen Tageszeitung«, war dann Volontär beim »Völkischen Beobachter«, Mitarbeiter des NSDAP-Organs »Hakenkreuzbanner« und vor 1945 zuletzt bei der NSDAP-Gauzeitung »Westdeutscher Beobachter« tätig. Nach 1945 war Ziesel wie Filbinger in der politischen Mitte angekommen.

Im Mai 2004 lieferte Filbinger zuletzt bundesweite Schlagzeilen. Die CDU schickte ihn trotz öffentlichen Protestes als ältesten Wahlmann in die Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten.

Hans Filbinger Stiftung

Ideelle und finanzielle Unterstützung erfährt das SZW aus den Reihen der Hans Filbinger Stiftung. Die gemeinnützige Stiftung (Finanzamt Stuttgart, Körperschaften, St.-Nr. D 43/G 1732) zur »Förderung christlichen, vaterländischen und humanistischen Gedankengutes in Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst und Politik« wurde anlässlich des 80. Geburtstages von Filbinger im September 1993 im Stuttgarter Neuen Schloß gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählte neben altgedienten SZW-Funktionären auch ein gewisser Paul Schmidt-Carell. Der 1997 in Rottach-Egern verstorbene erfolgreiche Schriftsteller mit Millionenauflage Paul Schmidt-Carell wurde 1911 als Paul Karl Schmidt in Kelbra am Kyffhäuser geboren. Von NS-Reichsaußenminister Joachim von

12 Ribbentrop wurde SS-Obersturmbannführer Schmidt (alias Carell), NSDAP-Mitglied seit 1931 und Träger des »Winkels für alte Kämpfer«, noch vor seinem 29. Geburtstag zum Pressesprecher der Presse- und Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin ernannt. Maßgeblichen Einfluß hatte Schmidt, jüngster Ministerialdirigent im NS- Regime, auf die Auslandsillustrierte »Signal«, die 1943, auf dem Höhepunkt ihrer Verbreitung, in zwanzig Sprachen in einer Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren erschien. Journalistisch trat er als Herausgeber der Antikomitern-Pakt-Monatsschrift »Berlin – Rom – Tokio« hervor, die das Bündnis zwischen Deutschland, Italien und Japan festigen sollte. Am 27. Mai 1944 schrieb Schmidt in einer »Notiz für Herrn Staatssekretär«: »Aus einer recht guten Übersicht über die laufenden und geplanten Judenaktionen in Ungarn entnehme ich, dass im Juni eine Großaktion auf die Budapester Juden geplant ist. Die geplante Aktion wird in ihrem Ausmaß im Ausland große Beachtung finden und sicher Anlass zu einer heftigen Reaktion bilden. Die Gegner werden schreien und von Menschenjagd sprechen und unter Verwendung von Greuelberichten die eigene Stimmung und auch die Stimmung bei den Neutralen aufzuputschen versuchen. Ich möchte deshalb anregen, ... dass man äußere Anlässe und Begründungen für die Aktion schafft, z.B. Sprengstoffunde in jüdischen Vereinshäusern und Synagogen, Sabotageorganisationen, Umsturzpläne, Überfälle auf Polizisten.« (22) Unter dem Pseudonym Paul Schmidt-Carell begann der NS-Propagandist Paul Karl Schmidt ab 1950 seine Laufbahn als erfolgreichster deutscher Autor kriegsgeschichtlicher Bücher. Seine Bücher, die die deutsche Historie wieder in die rechten Bahnen lenkten, wurden in 15 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von mehr als drei Millionen Exemplaren. Paul Schmidt-Carell, Mitglied der Burschenschaft Arminia () und der Hamburger Burschenschaft Hansea, war Gründungs- und Vorstandsmitglied der »Deutschlandstiftung« sowie Förderer des extrem rechten Vereins »Die Deutschen Konservativen«. SZW-Geschäftsführer Jebens schrieb nach dem Tod des einstigen fanatischen Nationalsozialisten in der »Jungen Freiheit«: »Der außergewöhnliche Erfolg Paul Carells lag in der Mischung von klarem, scharfem Verstand und brilliantem Stil einerseits und in der menschlichen Wärme und Toleranz andererseits ... Mit Paul Schmidt-Carell ist ein

13 Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle verstorben, eine bewegende, gestaltende Persönlichkeit von seltenem Format. Seine Werke über den deutschen Soldaten bilden ein unzerstörbares Denkmal; sie sind darüber hinaus Fundamentalbausteine für eine Wiederbesinnung, für einen Wiederaufstieg des deutschen Volkes zu Würde, Selbstbewußtsein und angemessener Größe im Kranz europäischer Brudervölker. Paul Schmidt-Carell hat sich um sein Vaterland verdient gemacht. Im geistigen Erbe unseres Volkes lebt er fort.« (23)

Albrecht Jebens

Maßgeblich verantwortlich für den politischen Kurs des SZW während der Filbinger-Ära war Albrecht Jebens, der von 1982 bis 1997 als Geschäftsführer des SZW fungierte. In der »Jungen Freiheit« huldigte der »Junge Weikersheimer« Hans-Ulrich Kopp seinem Geschäftsführer: »Anders als viele Konservative, denen man ... Schüchternheit und Verzagen gegenüber einer Journaille vorwerfen muß, kämpft er mit offenem Visier«. (24) Der langjährige Vertraute von Filbinger baute Brücken zwischen extrem rechten Netzwerken und unionsnahen Einrichtungen. Jebens war es, der das SZW zu einem Treffpunkt von (rechts-)konservativen Kreisen, Neuen und Alten Rechten machte. 1985 mahnte Jebens in »Zehn Thesen zur Wiederfindung deutscher Identität« eine »Rückkehr zur Nation« an, und zwar als eine Gegenwehr gegen jene, die, seiner Meinung nach, die Deutschen demütigen: »Die Servilität und Dienstbeflissenheit gegenüber den Siegern von 1945 und ihren Verbündeten ist auf Dauer unerträglich« (These 2). Und seine 10. These lautete: »Bekennen wir uns schließlich frei und froh und ganz ungezwungen ... zu unserem Volk und seinen überkommenen Symbolen. Pflegen wir unser eigenes Liedgut ... singen wir ›das Lied der Deutschen‹ als ganze Nationalhymne mit allen drei Strophen«. (25) Als Autor griff Jebens neben der »Jungen Freiheit« auch für »Das Ostpreußenblatt« (später: »Preußische Allgemeine Zeitung«), das »Deutschland Magazin« und die »Burschenschaftlichen Blätter« zur Feder. Seit seinem Ausscheiden aus dem SZW agitiert der schmiss-bewehrte Jebens, Mitglied der waffenstudentischen Korporation »Corps

14 Franconia Tübingen 1970«, ungeniert in rechtsextremen Kreisen, die vom Verfassungsschutz intensiv beobachtet werden; so publiziert er unter anderem in den Vierteljahresheften »Deutschland in Geschichte und Gegenwart«, die ihren Stammplatz in den Jahresberichten des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz haben. In den rechtsextremen »Staatsbriefen« ergriff Jebens Partei für den NPD-Barden , vormals Mitglied der zwischenzeitlich verbotenen »Wiking-Jugend«, einer Imitation der Hitler-Jugend: »Ein nachdenklicher junger Liederschöpfer wird von medialen und politischen Tugendwächtern« verfolgt. (26) Rennicke vertritt in seinen Liedern offen fremdenfeindliche und rassistische Ansichten. Zeitweilig war Jebens Vorstandsmitglied der rechtsextremen »Gesellschaft für freie Publizistik«. Im Sommer 2000 zählte Jebens zu den maßgeblichen Initiatoren bei der Gründung der »Deutschen Studiengemeinschaft« (DSG). In Texten der DSG, so der Verfassungsschutz, werden »typisch rechtsextremistische (zum Beispiel gebietsrevisionistische) Positionen vertreten.« (27) Sein CDU-Parteibuch hat Jebens zwischenzeitlich abgegeben. Vorstandsvorsitzender der Hans Filbinger Stiftung ist er weiterhin.

Wolfgang Freiherr von Stetten

Mit hohen Vorschusslorbeeren wurde das langjährige SZW-Kuratoriumsmitglied Wolfgang von Stetten, damals Bundestagsabgeordneter der CDU, am 23. Mai 1997 zum Nachfolger von Filbinger im Amt des SZW-Präsidenten gewählt. Die Führungscrew verstärkten unter anderem Otto Esser, Ehrenpräsident der »Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände« (BDA), Sozialminister Erwin Vetter (CDU), Manfred Rommel (CDU), ehemaliger Stuttgarter Oberbürgermeister, und der Privatbankier (Bankhaus Delbrück & Co., Köln) Peter von der Heydt. Prominente Redner auf dem Jahreskongress waren (CDU), Ministerpräsident des Landes Baden- Württemberg und die Kultusministerin Annette Schavan (CDU). Stetten war bei den »Weikersheimern« wohlgelitten. Er galt als strammer Konservativer und Rechtsaußen.

15 Als Jugendrichter hatte Stetten jugendliche Ladendiebe zu Freiheitsstrafen verurteilt. 1993 hielt er die Laudatio bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde für den Schwäbisch Haller CDU-Altstadtrat Wilhelm Pfeifer. Pfeifer, der selbst in der eigenen Partei als »Betonkopf« verschrien war, gehörte einst zum Mitarbeiterstab des NS-Reichsprotektors von Böhmen und Mähren, Karl Frank, und war Träger des »Winkels der Alten Kämpfer«. Kurz vor seiner Wahl als SZW-Präsident warnte Stetten in einem Rundschreiben an seine Bundestagsfraktion davor, Vergewaltigungen in der Ehe zu bestrafen. Nach der Wahl diffamierte der SZW-Präsident in einem Zeitungsinterview Bürgerproteste gegen das SZW: »Ich halte die Antifaschisten für eine moralisierende, selbsternannte Gruppe, die nichts als das Unrecht der DDR verteidigt und sich des griffigen Namens Antifa bedient, indem sie Leute madig macht, die die Grausamkeiten der DDR und des Nationalsozialismus kritisieren.« (28) Trotz dieser markigen Sprüche hatte Stetten sich vorgenommen, das SZW aus dem »rechten Sumpf« in ein ruhigeres Fahrwasser zu ziehen. Sein selbsterklärtes Ziel hieß »Raus aus den Schlagzeilen«. Mit dem Personalaustausch sollte in Zukunft ein neuer Geist durch das Schloss ziehen. Doch daraus wurde vorerst nichts. Noch im Jahr seiner Amtsübernahme traten bei der »Weikersheimer Hochschulwoche« einschlägige Referenten auf; darunter Hans-Helmuth Knütter und Heinz Magenheimer. Magenheimer, Autor der rechtsextremen Reihe »Deutsche Geschichte«, galt als vehementer Verfechter der revisionistischen Präventivschlagthese, wonach Hitler mit dem Überfall auf die Sowjetunion einem drohenden Angriff Stalins nur zuvorgekommen sei. Knütter war bereits als Anti-Antifa- Agitator bundesweit in Erscheinung getreten. 1999 sorgte das SZW wieder für bundesweite Schlagzeilen. Der Anlass: auf der Homepage des SZW fanden sich Links zu verfassungsfeindlichen Periodika wie »Nation & Europa« und »Staatsbriefe« sowie zur Gruppierung »Für unser Land« um den fanatischen Antisemiten Horst Mahler. Abrufbar war ein Artikel der NS-apologetischen »Unabhängigen Nachrichten«. Verantwortlich für die Links war SZW-»Netzmeister« Wolfgang Hanagarth, zugleich Kuratoriumsmitglied. Stetten ließ nach den Presseveröffentlichungen sofort allzu offensichtliche Links kappen. Redner aus dem offen rechtsextrem agierenden Spektrum hatten beim SZW unter Stetten keine Chance mehr. Als Folge wurde über Veranstaltungen des SZW in Periodika wie

16 »Nation & Europa« nicht mehr berichtet. Stetten spielt beim SZW seit seinem Abgang 2001 keine führende Rolle mehr. Sein politischer Kurs war vielen »Weikersheimern« zu lasch. Einige Mitglieder gingen bereits nach seinem Amtsantritt. Auch der langjährige SZW-Geschäftsführer Jebens verließ das SZW. Stetten wird heute lediglich zugute gehalten, dass er im April 1999 dem SZW im »Liebermann-Bau« am Pariser Platz in Berlin, einen Steinwurf vom Brandenburger Tor und vom Reichstag entfernt, eine Unterkunft verschafft hat. 50 geladene Gäste, darunter Ex-Verteidigungsminister (CDU) und der Berliner CDU-Rechtsaußen Heinrich Lummer, waren dabei, als das Berliner Büro eröffnet wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte das SZW 634 Mitglieder.

Auf sich aufmerksam machte Stetten zuletzt mit einem Auftritt auf griechischem Territorium. Am 20. Mai 2001 überbrachte Stetten »die Grüße der Mitglieder des Deutschen Bundestages und ihres Präsidenten Thierse« bei einem Veteranentreffen von 600 ehemaligen Fallschirmspringern und Gebirgsjägern auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Maleme auf Kreta. Doch weder der Deutsche noch waren über Stettens Auftritt informiert. Thierse tobte und erklärte, dass dies ohne seine Zustimmung oder Genehmigung geschehen sei.

Klaus Hornung

Mit der Wahl des bisherigen SZW-Präsidiumsmitgliedes Klaus Hornung (»Für Böswillige bin ich rechtsextrem«) (29) zum Präsidenten des »Studienzentrums Weikersheim« im Jahr 2001 sei die »kämpferische Alternative« gewählt worden, »das Wiederaufgreifen der Wurzeln, die seinerzeit den Ruf des Zentrums als der führenden konservativen Ideenfabrik in Deutschland begründet haben«, jubilierte die rechtskonservative Wochenzeitung »Das Ostpreußenblatt«. Nun vollziehe sich eine »bemerkenswerte Schwenkung zurück ins konservative und national-freiheitliche Lager.« (30) Als ein Ziel seiner Arbeit kündigte Hornung nach der Wahl an, die freiheitlich- demokratische Grundordnung vor den Attacken »antifaschistisch durchtränkter Political

17 Correctness (zu) schützen«. (31) Hornung, emeritierter Ordinarius für Politikwissenschaften der Universitäten Freiburg und Hohenheim, ist seit Jahren ständiger Mitarbeiter der »Jungen Freiheit«. 1987 publizierte er bei der rechtsextremen Verlagsgemeinschaft Grabert/Hohenrain. Mehrfach wurden Bücher dieser Verlagsgemeinschaft beschlagnahmt, gerichtlich eingezogen bzw. von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert. Ebenfalls 1987 referierte Hornung beim »Forum für geistige Führung«, einer Initiative des MUN-Ablegers CAUSA. 1990 verfasste Hornung einen 4-seitigen Artikel namens »Sturm auf Europa – die Zeitbombe tickt«, der vom rechtsextremen »Schutzbund für das deutsche Volk« (SDV) als Flugblatt verbreitet wurde. Für den »tabu- und ideologiefreien Beobachter« werde »inzwischen immer deutlicher«, so Hornung in dem Text, »daß wir es in der Asylbewegung mit der Spitze eines Eisberges zu tun haben, mit der Vorhut einer möglicherweise gigantischen globalen Völkerwanderung«. Beim SDV handelt es sich um einen rassistisch und fremdenfeindlich agitierenden Verein. 1991 gratulierte Hornung der »Jungen Freiheit« anlässlich deren 5-jährigen Bestehens: »Sie bestreiten, glaube ich, die richtigen Wege, um an der Überwindung jener geistig-politischen Stickluft mitzuwirken, die heute in Deutschland weit verbreitet ist mit ihren Elementen des Schuldtraumas, der reeducation, des nationalen Selbsthasses.« (32) Im Juli 1993 referierte Hornung bei der rechten Psycho-Sekte VPM zum Thema »Offensive und Verschleierung: Faschismus- Doktrin und antifaschistische Strategie«. 1995 erklärte Hornung in der »Jungen Freiheit«: »Die ständige Beschwörung ... einer ›extremistischen und neonazistischen‹ Gefahr in Deutschland ist gewiss eine Erfindung linker Publizisten.« (33) 1998 steuerte Hornung dem Buch des Rechtsextremisten Claus Nordbruch »Sind Gedanken noch frei? Zensur in Deutschland« ein Nachwort bei: »Es ist ebenso unfasslich wie niederschmetternd: In Deutschland gibt es heute wieder Gesinnungsdruck und Gesinnungskonformismus, eine Bedrohung der politischen Meinungs- und Denkfreiheit ... Die Zeit zwischen 1930 und 1933 läßt grüßen«, so Hornung. (34) Das Bundesamt für Verfassungsschutz wies in seinem Jahresbericht 1998 darauf hin, dass Klagen über den angeblichen Verlust der Meinungsfreiheit ein wichtiges Thema rechtsextremer Veröffentlichungen darstellen. »Dies zielt ab auf staatliche Beschlagnahmen und Indizierungen von volksverhetzender

18 oder den Holocaust leugnender Literatur, aber auch auf Verbote von neonazistischen Aufmärschen und Veranstaltungen.« Rechtsextremisten setzen so den demokratischen Rechtsstaat mit diktatorischen Systemen gleich. »In dieselbe Literaturkategorie« gehört dem Verfassungsschutz nach die Schrift von Nordbruch mit dem Nachwort des SZW- Präsidenten. (35) 1999 trat Hornung als Referent beim rechtsextremen »Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen« in Erscheinung. Im November 2001 berichtete das NPD-Organ »Deutsche Stimme« über die »Internationale Hochschulwoche« des SZW, die im September 2001 stattfand. Bei diesen »Hochschulwochen« wird der Akademikernachwuchs auf Kurs gebracht. Gelobt wurde von der NPD, dass ein ganzer Tag der »Hochschulwoche« unter dem Motto »Gegen den Bann der Political Correctness« stand, der vorwiegend von Günter Zehm bestritten wurde. Zehm ist auch an anderer Stelle engagiert. So kritisierte er 1996 in der »Jungen Freiheit« die strafrechtliche Verfolgung der Holocaustleugnung und -Verharmlosung. Der Tenor dieser Ausführungen, so das Landesamt für Verfassungsschutz Niedersachsen, »entspricht weitgehend rechtsextremistischen Denkmustern.« (36) Neben Zehm waren bei der Hochschulwoche weitere Referenten und Themen »für nationaldenkende Menschen durchaus interessant.« So nahm Hornung, schrieb die »Deutsche Stimme«, »die Antifa- Linke in seinem Vortrag ›Antifaschismus – Die Geschichte eines politischen Kampfbegriffs‹ aufs Korn und legte den Ursprung dieser alten kommunistischen Machtergreifungsstrategie dar.« (37) Unter der Führung von Hornung radikalisierte sich der politische Kurs des SZW wieder. Gastredner waren u.a. Wjatscheslaw Daschitschew, Referent bei der rechtsextremen »Gesellschaft für freie Publizistik« und Autor der rechtsextremen »National-Zeitung«, Anton Rauscher, Referent beim rechtsklerikalen »Initiativkreis katholischer Laien und Priester«, Tadeusz Guz, Referent bei VPM, Uwe Greve, Buchautor des rechtsextremen »Arndt-Verlages« und der »Junge Freiheit«-Autor Fritz Schenk, Initiator der späteren »Appells ›Kritische Solidarität mit ‹«. Von der heutigen Führungsspitze der CDU unter ist das CDU-Mitglied Hornung schwer enttäuscht. In der »Preußischen Allgemeinen Zeitung« schrieb er 2006: »Wie ihr Lehrmeister Kohl opferte sie (Merkel; Anm.: A.M.) ... deutsche Interessen in

19 vorauseilender Euphorie auf dem Altar Europa«. Weiter beklagte Hornung in dem Artikel »die Preisgabe von Grundpositionen der Union etwa beim sogenannten ›Antidiskriminierungsgesetz‹, das die Unionsunterhändler wie die rheinische Frohnatur weitgehend schluckten«. (38) Der renommierte Berliner Rechtsextremismusexperte Hajo Funke konstatierte 2002, dass Hornung »seit zwanzig Jahren eine zentrale Mittlerrolle zu den extremen Rechten« einnimmt. Der Politikwissenschaftler kam zu dem Ergebnis, dass es »kaum eine rechtsextreme Kulturvereinigung in Deutschland« gibt, »mit der Klaus Hornung nicht kooperiert hätte«. (39) Zur Seite standen Hornung während seiner Amtszeit, die bis 2003 dauerte, unter anderem die Vizepräsidenten Jörg Schönbohm (CDU), Innenminister des Landes Brandenburg, Norbert Nothhelfer (CDU), früherer Regierungspräsident in Freiburg und (CDU), vormals Bundestagspräsident. Hornung gehört im Jahr 2006 dem SZW weiterhin als Beisitzer an.

Das SZW unter der Führung von

Haupttagungsort des SZW ist auch im Jahr 2006 Weikersheim. Mit seinen Tagungen wendet sich das SZW an Multiplikatoren der öffentlichen Meinung und Entscheidungsträger, aber auch an Jugendliche. Durchgeführt werden Jahreskongresse, die stets von Gottesdiensten begleitet werden, Fachtagungen, Gemeinschaftsveranstaltungen mit der Landesvertretung Baden-Württemberg in deren Niederlassung in Berlin, Abendveranstaltungen in Berlin (Kamingespräche), Internationale Hochschulwochen, Wirtschaftsgespräche und Wehr- bzw. Sicherheitspolitische Tagungen, bei denen man zu Gast beim Wachbataillon der Bundeswehr in Siegburg bei Bonn oder der Rommel-Kaserne in Dornstadt bei Ulm ist. Vorrangiges politisches Ziel des SZW ist, eine EU-Mitgliedschaft der Türkei zu verhindern. Dazu verabschiedete das SZW im Juni 2005 eigens ein »Europa-Manifest«.

20 Seit September 2003 steht der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete (1976-1990) und spätere Präsident des Europäischen Rechnungshofs (1996-1999), der Diplomvolkswirt Bernhard Friedmann, dem SZW als Präsident vor. Friedmann hatte auf Bitten von Filbinger und Hornung das Amt angetreten. Beim Antritt des Amtes kündigte Friedmann an, das SZW zu »öffnen«, wieder enger an die Unionsparteien heranzuführen und sich stärker um wirtschaftliche Themen zu kümmern. In Sachen Wirtschaftspolitik finden nun in unregelmäßigen Abständen die »Weikersheimer Wirtschaftsgespräche« statt, bei denen sich Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik austauschen. Als Kooperationspartner tragen diese Wirtschaftsgespräche mit: Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer (ASU), Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Unternehmer (AEU), Bund der Selbständigen Baden-Württemberg (BDS), Bund Katholischer Unternehmer Diözese Rottenburg- Stuttgart (BKU) und der Wirtschaftsrat der CDU Baden-Württemberg. Getagt wird u.a. im »Haus der Wirtschaft« in Stuttgart, bei der Deutschen Bank in Freiburg oder der Hauptverwaltung der Allianz in Stuttgart. Die Botschaft der wirtschaftspolitischen Überlegungen des SZW lautet: »Zu sozial ist unsozial!« (40)

Neu gegründet als Unterorganisation des SZW wurde am 9. Mai 2004 »Jung- Weikersheim«. Die Aktivitäten der vorherigen SZW-Jugendorganisation »Junges Weikersheim« waren während der Amtszeit Stettens zum Erliegen gekommen. Zum Vorsitzenden des sechsköpfigen Vorstandes wurde Steffen Bilger, Bezirksvorsitzender Nordwürttemberg der Jungen Union (JU), gewählt. Seit Juli 2005 hat Bilger auch das Amt des CDU-Pressesprechers Nordwürttemberg inne.

Dem SZW-Präsidium gehören neben Friedmann an: Hans Filbinger (Freiburg, Ehrenpräsident, CDU), Jörg Schönbohm (Potsdam, Innenminister von Brandenburg, Vizepräsident, CDU), Norbert Nothhelfer (Freiburg, ehemaliger Regierungspräsident, Vizepräsident, CDU), Philipp Jenninger (ehemaliger Bundestagspräsident und Botschafter, CDU), Manfred Rommel (Stuttgart, ehemaliger Oberbürgermeister, CDU), Klaus Hornung (Reutlingen, CDU), Renate Heinisch (Boxberg, ehemals CDU-MdEP), Ulrich Kolberg (Augsburg, Dipl. Ing.), (Dresden, CDU-MdB), Andreas

21 Graudin (wissenschaftlicher Assistent, SZW-Ansprechpartner in Berlin, CDU), Stefan Winckler (Schöllkrippen, Publizist) und Lienhard Schmidt (Hamburg, CDU).

Die Mitgliedschaft der Rechtsaußen Hornung und Winckler im SZW-Präsidium legt offen, dass der ewiggestrige Geruch der »Weikersheimer« auch weiterhin durch die Schloßräume der hohenlohischen Stadt ziehen kann. So veranstaltete das SZW im November 2004 zum zweiten Mal mit dem »Bund Junges Ostpreußen« (BJO) und der im Visier des Verfassungsschutzes stehenden »Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft« (SWG) in Bad Pyrmont ein gemeinsames Seminar. Die SWG ist »ein wichtiges Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus«, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Gessenharter von der Bundeswehr-Universität in Hamburg. (41) Gründungsmitglied der SWG war Hugo Wellems, einst Referent in Goebbels’ Reichsministerium für »Volksaufklärung und Propaganda«, später Chefredakteur der Wochenzeitung »Das Ostpreußenblatt«. Geleitet wurde die Tagung – wie im Jahr zuvor – vom Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler. SWG- Vorsitzender Uhle-Wettler ist Herausgeber einer im rechtsextremen Arndt-Verlag erschienenen »Festschrift« für den Holocaustleugner und Publizisten David Irving namens »Wagnis Wahrheit. Historiker in Handschellen?«. »Die Deutschen«, so Uhle- Wettler, seien Irving zu »Dank verpflichtet, weil er das primitive und einseitige Bild der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges von den Ereignissen und Gestalten des Dritten Reiches durch seine Bücher in für sie vorteilhafter Weise differenziert und zurechtgerückt hat.« (42) Die Royal Courts of Justice (Königliche Gerichtshöfe) in London kamen in einem Urteil im Jahr 2000 zu der Auffassung, Irving sei ein Rassist, Antisemit, Holocaustleugner und Fälscher historischer Tatsachen. Gegen Irving, der in Österreich eine Haftstrafe wegen »nationalsozialistischer Wiederbetätigung« verbüßt, besteht in der Bundesrepublik Einreiseverbot.

Wie bei den Amtsvorgängern von Friedmann beehren auch trotz dieser immer noch vorhandenen Kontakte des SZW ins extrem rechte Spektrum weiterhin CDU-Bundes- und Landespolitiker sowie gesellschaftliche Größen das SZW als Referenten; darunter:

22 Christoph Palmer (CDU), – zwischenzeitlich zurückgetretener – Minister des Staatsministeriums des Landes Baden-Württemberg, Friedbert Pflüger, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedhelm Ost (CDU), ehemaliger Sprecher der Regierung , Hans Tietmeyer (CDU), ehemals Bundesbankpräsident und Heinz-Klaus Mertes (CSU), Ex-TV-Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks.

Im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Hornung scheut Friedmann, Nebenerwerbslandwirt und Schnapsbrenner aus dem badischen Ottersweier, persönlich allzu offene Kontakte ins rechte Lager außerhalb der Unionsparteien. Dennoch lässt er gelegentlich die nötige Distanz zu diesen Kreisen vermissen. So war Friedmann mehrfach Interviewpartner der »Jungen Freiheit«. Darüber hinaus wünschte er dem Blatt »alles Gute« und zeigte sich erfreut darüber, dass es »auch in der jungen Generation Menschen gibt, die nicht stromlinienförmig alles mitmachen«. Friedmann weiter: »Es beeindruckt mich immer wieder, mit welcher Festigkeit die Junge Freiheit brisante politische Themen angeht. Dabei scheut sie sich nicht, des öfteren geradezu ›gegen den Strom zu schwimmen‹.« (43) Gratulanten der »Jungen Freiheit« waren neben Friedmann und Hornung auch verfassungsschutzbekannte Rechtsextremisten wie der Tübinger Verleger Wigbert Grabert und der Pariser Neuheide Alain de Benoist.

Im April 2003 stand Friedmann auf der Rednerliste bei einem Symposium der extrem rechten Vereinigung »Stimme der Mehrheit« in Fulda. Zu den Gründungsmitgliedern von »Stimme der Mehrheit« zählen SZW-Referenten wie Martin Hohmann, Hans-Helmuth Knütter und Karlheinz Weißmann. Erklärtes Ziel der Vereinigung »Stimme der Mehrheit« ist, dem »Linkskartell innerhalb großen Teilen der ›schreibenden Zunft‹ eine schlagkräftige Alternative entgegenzusetzen«. (44) Kooperationspartner von »Stimme der Mehrheit« ist unter anderem die »Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e.V.« (SWG).

Auf einer Sitzung des Kuratoriums der »Bundesvereinigung mittelständischer

23 Unternehmer« (BVMU), einer Tochterorganisation des Bundes der Selbständigen Nordrhein-Westfalen, unter dessen organisatorischem Dach »Stimme der Mehrheit« 1996 gegründet wurde, appellierte Kuratoriumsmitglied Friedmann 2004 an seinen Kuratoriumskollegen Martin Hohmann, »umgehend einen Antrag auf Wiederaufnahme in die CDU-Fraktion zu stellen«. (45) Hohmann war zuvor wegen einer als antisemitisch eingestuften Rede aus der CDU-Bundestagsfraktion und später aus der CDU ausgeschlossen worden. Einer Selbstdarstellung zufolge hat sich die BVMU »zum Ziel gesetzt, die Tagespolitik von Regierung und Opposition kritisch und konstruktiv zu begleiten sowie mit eigenen Vorschlägen und Initiativen die zum Teil festgefahrenen und ideologisch geprägten Diskussionen zu beleben.« In den Vordergrund der Arbeit sollen »›Tabuthemen‹« gerückt werden, »die vielfach in der öffentlichen Auseinandersetzung der politischen Korrektheit (und damit Denkverboten) zum Opfer fallen«. (46)

Geschäftsführer des SZW ist der Betriebswirt und Philosoph Ronald Schrumpf (Leinfelden-Echterdingen). Am 15. August 2005 um 11:33 Uhr hinterließ Schrumpf im Gästebuch der Homepage von Martin Hohmann folgende Mitteilung: »Lieber Herr Hohmann, ich fühle mich Ihnen nicht nur von meinen politischen Ansichten her, sondern ganz besonders aus meinem katholischen Glauben heraus auf das engste verbunden. Sie vertreten authentische christliche Positionen. Deshalb wünsche ich Ihnen Gottes Segen und Erfolg bei Ihrer Direktkandidatur.« Hohmann verpasste jedoch entgegen dem frommen Wunsch des SZW-Geschäftsführers den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag. (47)

Der aus der CDU ausgestoßene Hohmann wird auch in Vorstandskreisen der SZW- Nachwuchsorganisation hoch geschätzt. So bekundeten die Vorstandsmitglieder von »Jung Weikersheim«, Axel Rasch (CDU) und Christoph Schuckle (CDU), in einem Unterschriftenappell an Angela Merkel ihre »Kritische Solidarität mit Martin Hohmann«.

Ausblick

24 Die Filbinger-Tagungsstätte hat sich seit dem Amtsantritt von Bernhard Friedmann weitgehend bemüht, ihren Ruf als extrem rechte Denkfabrik loszuwerden. Ob dahinter redliches Tun oder die Angst vor Negativ-Schlagzeilen steckt, sei dahingestellt. Das SZW setzt weiterhin auf den rechten Rand der Unionsparteien, dem ein Großteil seiner Mitglieder selbst angehört. Die »Weikersheimer« sind Fleisch vom Fleische der Union. Fakt ist jedoch, dass viele SZW-Mitglieder nur deshalb (noch) in der Union organisiert sind, um nicht der parteipolitischen Heimatlosigkeit zu verfallen. Diesen »Weikersheimern« ist bewusst, dass ihr gesellschaftspolitischer Einfluss bei einem Eintritt in eine Partei rechts außerhalb von CDU/CSU gegen Null tendieren und sie der politischen Stigmatisierung unterliegen würden. Die Zugehörigkeit zur Union hindert diese SZW-Mitglieder deshalb nicht daran, gegen die angeblich sozialdemokratisierte Politik ihrer Partei öffentlichkeitswirksam zu agitieren. Als Sprachrohr dieser hetzerischen Kritik dienen Publikationen der Neuen Rechten wie die »Junge Freiheit« und die »Preußische Allgemeine Zeitung«. Für beide Wochenzeitungen greifen SZW- Mitglieder – wie der vormalige Präsident Klaus Hornung – selbst kontinuierlich zur Feder. Der Rolle des SZW als »institutionellem Scharnier zwischen demokratisch- konservativen Eliten und Netzwerken der extremen Rechten« (Stephan Braun) gilt es auch künftig die notwendige Beobachtung zu schenken. Die Tatsache, dass ein Drittel der ca. 400 Mitglieder des »Studienzentrums Weikersheim« jünger als 35 Jahre ist, zeigt, dass die Filbinger-Ära in der Union weit über das biologische Ende ihres Gründungsvaters hinausgehen wird.

1. Nachruf auf Lothar Bossle, in: , 1/2001, S. 166. 2. Köhler, Otto: Der Professor mit dem schlechten Ruf, in: Die Zeit, 41/1991, S. 69.

25 3. http://www.deutsches-kolleg.org/hm/forum/rede3.html. 4. Burschenschaftliche Blätter, 4/1997, S. 217. 5. Interview mit Günter Rohrmoser, in: Der Eckart, Juni 2005, S. 9. 6. Aus Fehlern lernen. Rohrmoser sprach beim »Stuttgarter Freundeskreis«, in: Deutsche Rundschau, September 1991, S. 5. 7. Zit. n.: http://www.jf-archiv.de/archiv00/380yy47.htm. 8. Bundestags-Drucksache 14/7051 v. 22.10.2001. 9. Winckler, Stefan: Die demokratische Rechte – Entstehung, Positionen und Wandlungen einer neuen konservativen Intelligenz, Frankfurt 2005. 10. Knütter, Hans-Helmuth: Gegen die geistige Ödnis, in: Preußische Allgemeine Zeitung, 37/2005, S. 22. 11. Bernd Kallina im Gespräch mit Stefan Winckler, in: Burschenschaftliche Blätter, 4/2005, S.164-S.166, hier: S.164 f. 12. Rohrmoser, Günter: Warum Weikersheim?, in: Sepaitner, Fred Ludwig: Hans Filbinger. Aus neun Jahrzehnten, Leinfelden-Echterdingen 2003, S. 153-160, hier: S. 159. 13. Broder, Henryk: »Knechte des Gesetzes«. Wie der Rechtsstaat seine Richter fand, in: Der Spiegel, 20/1999, S. 120. 14. Schickel, Alfred: Die umstrittenste Zahl der Zeitgeschichte. Das ungeklärte Ausmaß der jüdischen Opfer, in: Deutschland in Geschichte und Gegenwart, 1/1980, S. 9-11, hier: S. 10. 15. Schreiben von Hans Filbinger an die Mitglieder des SZW v. 26.07.1989. 16. Leserbrief von Hans Filbinger, in: »Criticon«, Nr.117, S. 34. 17. Jebens, Albrecht: Tätigkeitsbericht über das 2. Halbjahr 1991, in: »Weikersheimer Blätter«, 8/1992, S. 14. 18. Boldt, Ulli: Der Weg aus dem Ghetto, in: Sleipnir, 4/1995, S. 44-45, hier: S. 44. 19. Zit. n. Schröm, Oliver: Kaderschmiede Weikersheim. Der rechte Weg, in: Stern 45/1994, S. 36-46, hier: S. 40. 20. Sitzungsdokumente des Europäischen Parlaments v. 23. Juli 1990. 21. Deutschland-Magazin, 4/2001, S. 4. 22. Original im Staatsarchiv Nürnberg, NG 2424.

26 23. Jebens, Albrecht: Er schrieb Geschichte. Nachruf: Der Journalist und Bestsellerautor Paul Schmidt-Carell, in: Junge Freiheit 27/1997, S. 4. Zur Vita von Carell siehe auch die Monographie von Wigbert Benz: Paul Carell. Ribbentrops Pressechef Paul Schmidt Carell vor uns nach 1945, Berlin 2005. 24. Kopp, Hans-Ulrich: Vornehmer Preuße, in: Junge Freiheit v. 11.11.1994, S. 3. 25. Zit. n. Gessenharter, Wolfgang: Konservatismus und Rechtsextremismus. Nähe und Distanz, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 9/1989, S. 561-570; hier: S. 569. 26. Jebens, Albrecht: Rennickes Vertriebenen-Lieder, in: Staatsbriefe, 4/2000, S. 22 f. 27. Innenministerium des Landes Baden-Württemberg (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004, S. 161. 28. Interview mit Wolfgang von Stetten, in: Sonntag Aktuell, 21/1997, S. 7. 29. Zit. n. Der Spiegel, 22/2001, S. 20. 30. Studienzentrum Weikersheim: Endlich Führungswechsel, in: Das Ostpreußenblatt 22/2001, S. 2. 31. Zit. n. Frank, Hans Georg: Endlich raus aus den Schlagzeilen, Südwest Presse v. 23. Mai 2001. 32. Gratulation von Klaus Hornung, in: Junge Freiheit v. Juni 1991. 33. Hornung, Klaus: Tabuzüchtung und Machtanspruch, in: Junge Freiheit, 4/1995, S. 13. 34. Nachwort von Klaus Hornung, in: Nordbruch, Claus: Sind Gedanken noch frei? Zensur in Deutschland, München 1998, S. 254-267, hier: S. 254. 35. Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht des Bundes 1998, S. 74. 36. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht des Landes Niedersachsen 2005, S. 21. 37. Grewe, Dietmar: Studienzentrum Weikersheim: Politische Inkompetenz. Schmiede konservativer Illusionen, in: »Deutsche Stimme«, November 2001, S. 12. 38. Hornung, Klaus: Koalition der Beliebigkeiten. Merkel, Müntefering & Co. machen Politik ohne Überzeugungen, in: Preußische Allgemeine Zeitung, 20/2006, S. 1 f. 39. Funke, Hajo: Paranoia und Politik. Rechtsextremismus in der Berliner Republik, Berlin 2002, S. 235.

27 40. Pressemitteilung des SZW zu den »Internationalen Studientagen« vom 24. bis 26. September 2004 im Schloß Weikersheim. 41. Zit. n. TAZ v. 23. Mai 2006, S. 22. 42. Uhle-Wettler, Reinhard: Wagnis Wahrheit. Historiker in Handschellen? Festschrift für David Irving, Kiel 1998, S. 9 f. 43. Leserbrief von Bernhard Friedmann, in: »Junge Freiheit«, 6/1991. 44. www.stimmedermehrheit.de1html. 45. »Der Selbständige«, 4/2004, S. 8. 46. »Der Selbständige«, 5-6/2002, S. 8. 47. Die Internetseite www.martinhohmann.de wird nicht mehr betrieben.

Vorstehender Text stammt aus: Anton Maegerle, Studienzentrum Weikersheim, in dem Buch von (Hg.), Filbinger – eine deutsche Karriere, zu Klampen Verlag, Springe 2006, S. 123 ff. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages dokumentieren wir diesen Text.

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