Plenarprotokoll 12/164

Deutscher Bundesta g

Stenographischer Bericht

164. Sitzung

Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Inhalt:

Erweiterung der Tagesordnung 14081 A Offenlegung von Zweigniederlassun- gen, die in einem Mitgliedstaat von Nachträgliche Überweisung eines Gesetz- Gesellschaften bestimmter Rechtsfor- entwurfes an den Rechtsausschuß . . . . 14081 B men errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, und Abweichung von den Richtlinien für die zur Änderung des Handelsvertreter- Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie rechts (Drucksachen 12/3908, 12/5170) 14083 B der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab Tagesordnungspunkt 16: 21. Juni 1993 14081 B a) Beratung der Großen Anfrage der Abge- Begrüßung amerikanischer Stipendiaten 14081 D ordneten , Wilhelm Rawe, Dr. Friedrich-Adolf Jahn (Mün- Tagesordnungspunkt 7: ster), weiterer Abgeordneter und der Wahl des Bundesbeauftragten für den Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- Datenschutz 14081 C ordneten Dr. , Klaus Beckmann, Paul K. Friedhoff, wei- Tagesordnungspunkt 8: terer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Die Situation der deutschen Beratung der Beschlußempfehlung des Textilindustrie (Drucksachen 12/4252, Ausschusses nach Artikel 77 des Grund- 12/5005) gesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Aufhebung der Tarife b) Beratung des Antrags der Abgeordne- im Güterverkehr (Tarifaufhebungsge- ten Dr. Uwe Jens, Dr. Sigrid Skarpelis- setz) (Drucksachen 12/3701, 12/4231, Sperk, Wolfgang Roth, weiterer Abge- 12/4595, 12/4898, 12/5152) 14083 A ordneter und der Fraktion der SPD: Arbeitsplätze in der deutschen Textil- Zusatztagesordnungspunkt 9: und Bekleidungsindustrie sichern, ih- Beratung der Beschlußempfehlung des ren Strukturwandel aktiv begleiten und Ausschusses nach Artikel 77 des Grund- unterstützen (Drucksache 12/4919) gesetzes (Vermittlungsausschuß) zu Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister dem Elften Gesetz zur Änderung BMWi 14083 D des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 12/4616, 12/4822, 12/5068, 12/5153) . 14083B Dr. Uwe Jens SPD , ...... 14084 D Jan Oostergetelo SPD 14085 A Zusatztagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Elke Wülfing CDU/CSU 14086B Bundesregierung eingebrachten Ent- Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD 14088 C wurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Elften Richtlinie des Rates der Euro- Klaus Beckmann F.D.P. 14091 C päischen Gemeinschaften auf dem Ge- Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ biet des Gesellschaftsrechts über die Linke Liste 14092 C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Dieter Pützhofen CDU/CSU 14093 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Christian Müller (Zittau) SPD 14094 D Zweite Beratung und Schlußabstim- mung des von der Bundesregierung ein- Klaus Reichenbach CDU/CSU 14095 C gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Abkommen vom 16. De- Tagesordnungspunkt 17: zember 1991 zur Gründung einer Asso- Erste Beratung des von den Fraktionen ziation zwischen den Europäischen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Gemeinschaften sowie ihren Mitglied- Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung staaten und der Republik Ungarn des Gentechnikgesetzes (Drucksache (Drucksache 12/4274) 12/5145) Zweite Beratung und Schlußabstim- mung des von der Bundesregierung ein- Dr. Hans-Peter Voigt (Northeim) CDU/ gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu 14097 B CSU dem Europa-Abkommen vom 16. De- Wolf-Michael Catenhusen SPD 14099 C zember 1991 zur Gründung einer Asso- ziation zwischen den Europäischen Dr. PDS/Linke Liste . 14100B Gemeinschaften sowie ihren Mitglied- Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . 14101 D staaten und der Republik Polen (Druck- sachen 12/4275, 12/5155) 14123 C Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . . 14103 B 14124 C Dr. Norbert Rieder CDU/CSU 14104 C Nächste Sitzung 14105C Dr. Helga Otto SPD Anlage 1 , Bundesminister BMG . . 14107B Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14125* A Josef Vosen SPD 14108A Wolf-Michael Catenhusen SPD . . . . 14109A Anlage 2

Tagesordnungspunkt 18: Alphabetisches Namensverzeichnis der Abgeordneten, die an der Wahl des Bun- a) Beratung der Unterrichtung durch den desbeauftragten für den Datenschutz teil- Jahresbericht 1992 Wehrbeauftragten: genommen haben 14126' A (Drucksache 12/4600) b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs- Anlage 3 eines Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für besondere Verwendun- Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesord- gen im Ausland (Auslandsverwen- nungspunkt 18 (Jahresbericht 1992 des dungsgesetz) (Drucksachen 12/4749, Wehrbeauftragten und Auslandsverwen- 12/4989, 12/5142, 12/5157, 12/5158) dungsgesetz) , Wehrbeauftragter des Deut- Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ schen Bundestages 14110B NEN 14127* D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 14112D Anlage 4 Dieter Heistermann SPD 14115 C Zu Protokoll gegebene Reden zu den Claire Marienfeld CDU/CSU 14118 C Zusatztagesordnungspunkten 6 und 7 (Ver- Erwin Horn SPD 14119C trag zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und Rumänien und Europa-Abkom- 14120 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . men zur Gründung einer Assoziation zwi- Ulrich Irmer F.D.P. 14121 B schen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und den Repu- Günter Verheugen SPD 14121 D bliken Ungarn und Polen) Erika Steinbach-Hermann CDU/CSU . 14122D Dr. Hermann Schwärer CDU/CSU . . . . 14128* C Dr. Elke Leonhard-Schmid SPD 14129* C Zusatztagesordnungspunkt 6: Zweite Beratung und Schlußabstim- Klaus Beckmann F.D.P. 14130* D mung des von der Bundesregierung ein- Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14131* B gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. April 1992 zwi- Dr. Heinrich C. Kolb Parl. Staatssekretär schen der Bundesrepublik Deutschland BMWi 14132* A und Rumänien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Anlage 5 Europa (Drucksachen 12/4273, 12/5114) 14123C Amtliche Mitteilungen 14133* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14081

164. Sitzung

Bonn, den 18. Juni 1993

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine standen sind. — Das ist offensichtlich der Fall. Dann Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. darf ich dies als beschlossen feststellen. Zunächst einmal habe ich Ihnen eine amtliche Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Mitteilung zu verkünden. Interfraktionell ist verein- Tagesordnungspunkt 7 auf: bart worden, die heutige Tagesordnung zu erweitern. Wahl des Bundesbeauftragten für den Daten- Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatz schutz punktliste aufgeführt: Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 4. Juni 8. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach 1993 Herrn Dr. Joachim-Wolfgang Jacob für die Wahl Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Aufhebung der Ta rife im Güterverkehr zum Bundesbeauftragten für den Datenschutz vorge- (Tarifaufhebungsgesetz — TAufhG) — Drucksachen schlagen. 12/3701, 12/4231, 12/4595, 12/4898, 12/5152 — Für die Wahl benötigen Sie eine Stimmkarte und 9. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach einen gelben Wahlausweis. Wie ich sehe, haben viele Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu von Ihnen diese schon; aber es könnte ja sein, daß der dem Elften Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes- — Drucksachen 12/4616, 12/4822, 12/5068, 12/5153 — eine oder andere noch nicht richtig ausgerüstet ist. Deswegen teile ich Ihnen mit, daß Sie die Stimmkar- 10. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung ten im Saal erhalten. Den gelben Wahlausweis, der eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung auch erforderlich ist, müssen Sie sich aus Ihren der Elften Richtlinie des Rates der Europäischen Gemein- schaften auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts Ober die Schließfächern in der Lobby holen. Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt, d. h. unterliegen, und zur Änderung des Handelsvertreterrechts mindestens 332 Stimmen erhält. Stimmkarten, die — Drucksachen 12/3908, 12/5170 — mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze Bei Zusatzpunkt 3 soll von der Frist für den Beginn enthalten, sind ungültig. Die Wahl ist nicht geheim. der Beratung abgewichen werden. Sie können die Stimmkarten deshalb an Ihren Plätzen ankreuzen. Außerdem mache ich auf eine nachträgliche Aus- Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen schußüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste werfen, geben Sie bitte Ihren Wahlausweis dem aufmerksam: Schriftführer. Die Abgabe des Wahlausweises gilt als Der in der 152. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. April Nachweis der Teilnahme an der Wahl. 1993 überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll nachträglich auch dem Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden: Nachdem Sie das nun alles wissen und in sich aufgenommen haben, können wir mit der Wahl begin- Gesetzentwurf der Bundesregierung Zweites Gesetz zur Ände nen. Ich eröffne die Wahl. — rung des Haushaltsgrundsätzegesetzes — Drucksache 12/4636 — Darf ich die Fraktionsgeschäftsführer fragen, ob sie Überweisungsvorschlag: sich einen Überblick verschafft haben? Haben alle die Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Stimmkarten abgegeben? — Rechtsausschuß Ich darf die Wahl nunmehr endgültig schließen. Der Ausschuß für Post und Telekommunikation Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Wahlgang ist geschlossen. * ) Haushaltsausschuß Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Darüber hinaus hat der Ältestenrat vereinbart, daß Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich die hier bei am Mittwoch, dem 23. Juni, keine Befragung der uns auf der Besuchertribüne anwesenden amerikani- Bundesregierung und am Donnerstag, dem 24. Juni, schen Stipendiaten, die sich heute aus Anlaß des keine Fragestunde und keine Aktuelle Stunde statt- finden werden. Ich hoffe, daß Sie alle damit einver- *) Ergebnis Seite 14086 A 14082 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg 10. Jahrestages der Einrichtung des Parlamentari- nal Study Group on , Douglas Bereuter, und schen Patenschafts-Programms in Bonn aufhalten, des Senators Richard Lugar hat der Speaker des begrüßen. Repräsentantenhauses, Thomas Foley, eine Grußbot- (Beifall) schaft übermittelt, die ich gern hier verlesen möchte. Der Speaker schreibt: Sie werden genauso von uns und von mir hier heute begrüßt, wie der Speaker das heute im Kongreß tun Ich freue mich ganz besonders, diese Erklärung wird. aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens des Parla- mentarischen Patenschafts-Programms Deut- Meine Damen und Herren, das Parlamentarische scher Bundestag/Kongreß der Vereinigten Staa- Patenschafts-Programm, das 1983 gemeinsam vom ten abzugeben. Das Programm entstand 1983 Deutschen Bundestag und dem amerikanischen Kon- anläßlich des 300. Jahrestages der Ankunft der greß ins Leben gerufen wurde, hat sich zu einem sehr ersten deutschen Einwanderer in dem Land, aus erfolgreichen und wichtigen Eckpfeiler der deutsch- dem die Vereinigten Staaten von Amerika später amerikanischen Freundschaft und Völkerverständi- einmal werden sollten, und hat sich seither zu gung entwickelt. Ziel der Gründungsmütter und einem wichtigen Bindeglied zwischen unseren -väter war es, der jungen Generation die Bedeutung beiden Völkern entwickelt. Ich sehe darin ein freundschaftlicher Zusammenarbeit, die auf gemein- herausragendes Beispiel für die Zusammenarbeit samen politischen und kulturellen Wertvorstellungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika beruht, auf anschauliche Weise zu vermitteln. und der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Ziel ist nach wie vor aktuell. In einer Zeit, in In den vergangenen zehn Jahren konnten fast der wir uns zunehmend mit Problemen zu beschäfti- siebentausend junge Menschen aus den USA und gen haben, die weit über die Grenzen eines Landes Deutschland im Rahmen des Parlamentarischen hinausreichen, ist es wichtiger denn je, daß die junge Patenschafts-Programms ein Jahr lang aus erster Generation unserer Länder ihren Beitrag zum gegen- Hand Erfahrungen in einem anderen Land sam- seitigen Kennenlernen und Verstehen und damit zu meln. Das Programm bietet allen Teilnehmerin- der zwischen uns bestehenden Freundschaft leistet. nen und Teilnehmern eine hervorragende Gele- genheit, ihren Horizont zu erweitern und sich Viele haben sich um den Erfolg dieses Programms weiterzuentwickeln. Die positiven Wirkungen verdient gemacht. Dank gebührt vor allem den deut- des Programms gehen allerdings weit über die schen und amerikanischen Gasteltern, die sich bereit von den aktiven Teilnehmern gemachten Erfah- gefunden haben, ein Jahr lang einen zunächst einmal rungen hinaus. Die Einsichten, die sie gewinnen, fremden jungen Menschen in ihre Fami lie aufzuneh- und die Freundschaften, die sie knüpfen, leisten men. Zu erwähnen sind hier ferner die vielen ehren- - einen wichtigen Beitrag zum gegenseitigen Ver- amtlichen und hauptberuflichen Mitarbeiter der Aus- ständnis zwischen den USA und Deutschl and — tauschorganisationen auf beiden Seiten des Atlantiks, und das ist zu unserer aller Vorteil. die für eine gute Betreuung der Teilnehmer gesorgt haben. Es ist mir an dieser Stelle ein ganz besonderes Das enge Verhältnis zwischen der Bundesrepu- Bedürfnis, unserem Kollegen Börnsen und der Unter- blik Deutschland und den Vereinigten Staaten ist kommission einmal ganz herzlich für ihr Engagement einer der positivsten Faktoren im internationalen zu danken. Bereich. Mit seiner Ausrichtung auf junge Men- (Beifall) schen trägt das Parlamentarische Patenschafts Programm dazu bei, daß auch in Zukunft starke Ich möchte mich jedoch auch bei meinen Kollegin- Bande zwischen den USA und Deutschland nen und Kollegen für ihr Engagement als Paten bestehen. bedanken. Es ist gerade die Patenschaft durch Abge- ordnete, die diesem Programm seinen besonderen Seit nunmehr einem Jahrzehnt spiegelt das Par- Charakter verleiht. Ich darf an dieser Stelle aus lamentarische Patenschafts-Programm die zwi- eigener Erfahrung einfügen, daß es schon ein Gewinn schen unseren beiden Ländern bestehende ist, wenn man im Laufe eines Jahres einen solchen Freundschaft wider und stärkt sie. Es hat sich als Stipendiaten betreut. Ich weiß das auch aus eigener ein außerordentlich wertvolles Element bei den Erfahrung. Ich habe in meiner Familie zweimal einen vielfältigen Kontakten und Verbindungen zwi- Stipendiaten gehabt — nicht aus diesem Programm; schen Deutschland und den USA erwiesen. Das damit kein Mißverständnis entsteht —, und mein zehnjährige Jubiläum des Parlamentarischen jüngster Sohn ist ein Jahr in einer amerikanischen Patenschafts-Programms bietet eine willkom- Familie gewesen, und ich weiß, daß es für die beiden mene Gelegenheit, den besonderen Wert dieses Familien und für die Schüler ein ungeheurer Gewinn ausgezeichneten Programms zu würdigen. Möge gewesen ist. Wenn Sie das als eine Werbung und das Parlamentarische Patenschafts-Programm Empfehlung betrachten, dann haben Sie mich richtig noch viele Jahre fortbestehen! verstanden. Mit herzlichen Grüßen (Beifall) Ihr Thomas S. Foley. Aus Anlaß des zehnjährigen Jubiläums des Parla- (Beifall) mentarischen Patenschafts-Programmes haben den Deutschen Bundestag mehrere Grußbotschaften Meine Damen und Herren, Sie haben mit Ihrem amerikanischer Kongreßabgeordneter erreicht. Ne- Beifall Ihre Zustimmung signalisiert. Ich möchte hof- ben Grußadressen des Vorsitzenden der Congressio- fen, daß demnächst auf der größeren Bühne im neuen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14083

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Plenarsaal bei Gelegenheit recht viele Stipendiaten unterliegen, und zur Änderung des Handels- begrüßt werden können. Ich danke Ihnen. vertreterrechts (Beifall) — Drucksache 12/3908 — (Erste Beratung 131. Sitzung) Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- Zusatzpunkt 8 auf: ausschusses (6. Ausschuß) Beratung der Beschlußempfehlung des Aus- — Drucksache 12/5170 — schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes Berichterstattung: (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Abgeordnete Joachim Gres Aufhebung der Tarife im Güterverkehr Dr. Eckhart Pick (Tarifaufhebungsgesetz - TAufhG) Eine Aussprache ist hier nicht vorgesehen. Wir — Drucksachen 12/3701, 12/4231, 12/4595, kommen deshalb gleich zur Abstimmung. Ich bitte 12/4898, 12/5152 — diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschuß Berichterstattung: fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Abgeordneter Dr. Jürgen Warnke Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? —Einstimmig angenommen. Herr Abgeordneter, wird das Wort zur Berichterstat- tung gewünscht? Wir kommen zur (Dr. Jürgen Warnke [CDU/CSU]: Ich ver dritten Beratung. zichte!) Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustim- men wollen, sich zu erheben. — Damit ist der Gesetz- — Das ist nicht der Fall. entwurf einstimmig angenommen. Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Vermitt- Meine Damen und Herren, jetzt sollte ich eigentlich lungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner den neuen Bundesdatenschutzbeauftragten beglück- Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen wünschen. Aber das kann ich schlecht machen, bevor Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzu- ich das Wahlergebnis habe. stimmen ist. Wer stimmt für die Beschlußempfeh- lung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 12/5152? —Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Also rufe ich Tagesordnungspunkt 16 auf: Einstimmig angenommen. a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordne- ten Matthias Wissmann, Wilhelm Rawe, Wir kommen dann zu Zusatzpunkt 9: - Dr. Friedrich-Adolf Jahn (Münster), weiterer Beratung der Beschlußempfehlung des Aus- Abgeordneter und der Frak tion der CDU/CSU schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes sowie der Abgeordneten Dr. Otto Graf Lambs- (Vermittlungsausschuß) zu dem Elften Gesetz dorff, Klaus Beckmann, Paul K. Friedhoff, wei- zur Änderung des Bundeswahlgesetzes terer Abgeordneter und der Frak tion der F.D.P. — Drucksachen 12/4616, 12/4822, 12/5068, Die Situation der deutschen Textilindustrie 12/5153 — — Drucksachen 12/4252, 12/5005 — Berichterstattung: Abgeordneter b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Wolf- Herr Abgeordneter Marschewski, wünschen Sie das gang Roth, weiterer Abgeordneter und der Wort zur Berichterstattung? — Das ist auch nicht der Fraktion der SPD Fall . Arbeitsplätze in der deutschen Textil- und Dann kommen wir auch hier zur Abstimmung. Der Bekleidungsindustrie sichern, ihren Struktur- Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 wandel aktiv begleiten und unterstützen seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deut- — Drucksache 12/4919 — schen Bundestag über die Änderungen gemeinsam Überweisungsvorschlag: abgestimmt wird. Wer stimmt für die Beschlußemp- Ausschuß für Wirtschaft (federführend) fehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung 12/5153? — Dagegen? — Enthaltungen? — Einstim- Ausschuß für Frauen und Jugend mig angenommen. Zur Großen Anfrage liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. vor. Nun rufe ich Zusatzpunkt 10 auf: Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist eine Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Debattenzeit von einer Stunde vorgesehen. Ist das desregierung eingebrachten Entwurfs eines Haus damit einverstanden? — Auch das ist der Fa ll . Gesetzes zur Durchführung der Elften Richtli- Dann kann ich die Aussprache eröffnen und erteile nie des Rates der Europäischen Gemeinschaf- dem Bundesminister für Wirtschaft, Günter Rexrodt, ten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts das Wort. Herr Minister, Sie haben das Wort. über die Offenlegung von Zweigniederlassun- gen, die in einem Mitgliedstaat von Gesell- schaften bestimmter Rechtsformen errichtet Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: wurden, die dem Recht eines anderen Staates Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und 14084 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt Herren! Gerade heute versammeln sich hier in Bonn Umbau der Sozialsysteme und veränderte Genehmi- viele hundert, vielleicht viele tausend Menschen, um gungsverfahren bis hin zu Fragen im Zusammenhang auf die dramatische Situation in der Textil- und mit der Energie und der Bildung. Ich wi ll mich auf Bekleidungsindustrie in unserem Land aufmerksam einen Punkt konzentrieren, der aktuell von Bedeu- zu machen. In der Tat ist die Situation dramatisch. In tung ist. der Textil- und Bekleidungsindustrie sind zwischen (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Legen Sie 1970 und 1972 rund 500 000 Arbeitsplätze in den doch Ihr Konzept einmal vor!) alten Bundesländern verlorengegangen. In Ost- — Ich bin gerade dabei, Herr Kollege. — Es geht deutschland, wo wir eine zumindest nach der Beschäf- darum, daß wir gerade für die Textilindustrie die tigtenzahl sehr große Textil- und Bekleidungsindu- Maschinenlaufzeiten verändern. Die Textil- und strie vorgefunden haben, ist die Beschäftigung um Bekleidungsindustrie kann es sich nicht leisten, die rund 80 % zurückgegangen. Maschinen abzustellen, wenn in unseren europäi- Dieser Prozeß hat sich weitgehend still, weitgehend schen Nachbarländern und erst recht in Fernost rund ohne Verwerfungen, zumindest ohne öffentliche Dis- um die Uhr produziert wird. kussionen vollzogen. Nichtsdestoweniger ist er dra- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne matischer und tiefgreifender als die Anpassungspro- ten der CDU/CSU — Dr. Karl-Heinz Klej zesse in der Stahlindustrie oder im Kohlebergbau. dzinski [SPD]: Wenn das Ihr einziges Konzept Gerade jetzt stehen Textil- und Bekleidungsindustrie ist!) wieder vor einem neuen Schub, der zum einen durch Es muß möglich sein, auch an Sonn- und Feiertagen zu strukturelle Ursachen hervorgerufen worden ist und arbeiten, wenn dies zur Sicherung und Schaffung von der durch konjunkturelle Ursachen noch verschärft Arbeitsplätzen notwendig ist. Im Interesse unserer wird. Textil- und Bekleidungsindustrie werde ich mich Bevor ich darauf eingehe und einige Rezepte zur darüber hinaus mit Nachdruck dafür einsetzen, daß Hilfe, zur Abwendung und Linderung vortrage, lassen Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionen ge- Sie mich aber auch darauf hinweisen, daß es der rade in der Europäischen Gemeinschaft und darüber Textil- und Bekleidungsindustrie trotz der schwieri- hinaus weltweit abgebaut werden. gen Situation auch gelungen ist, Erfolge aufzuweisen. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Textilindustrie hat ihre Ausfuhren von 1970 bis 1992 Minister, der Abgeordnete Professor Jens möchte von 4,3 Milliarden DM auf 21 Milliarden DM steigern Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie können. Das ist eine Verfünffachung. In der Beklei- bereit, dieselbe zu beantworten? dungsindustrie hat es eine Erhöhung der Exporte von 1 Milliarde DM auf 9 Milliarden DM gegeben. Damit - Bundesminister für Wirtschaft: hat die deutsche Textilindustrie die erste Posi tion im Dr. Günter Rexrodt, Ja, gern. weltweiten Export, die Bekleidungsindustrie steht an vierter Stelle. Aber man muß da eine Menge Wasser in den Wein gießen, denn Faktum ist auch, daß sich die Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Bitte sehr, Einfuhren von Textil und Bekleidung zwischen 1970 Herr Abgeordneter. und 1992 versiebenfacht haben, von 8 Milliarden DM auf 56 Milliarden DM gestiegen sind. Für viele einfa- Dr. Uwe Jens (SPD): Herr Minister, können Sie mir che und lohnintensive Produkte auch dieser Branche irgendeinen Betrieb in der Textilindustrie nennen, in sind wir in Deutschland in der Produk tion heute zu dem die jetzt geltende und mögliche Maschinenlauf- teuer geworden. Eine Alterna tive besteht in weiten zeit von über 7 000 Stunden pro Jahr ausgeschöpft Bereichen in der Nischenproduktion. Aber so viele wird, und meinen Sie allen Ernstes, daß wir am Nischen, um diese Entwicklung in befriedigender Sonntag wieder arbeiten müssen? Weise im Griff zu behalten, gibt es nicht. Die Textil- und Bekleidungsindustrie mobilisiert Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: jetzt auch wieder alle Kräfte, um aus der Krise Ich kenne viele Betriebe — ich verweise da insbeson- herauszukommen. Meine Damen und Herren, was in dere auf Beispiele aus meiner Heimatstadt Berlin, wo diesem Industriezweig einzigartig ist, ist der beispiel- ich mit diesem Thema über Jahre konfrontiert war —, hafte enge Schulterschluß zwischen Unternehmern die dringend Maschinenlaufzeiten auch an Sonn- und und Arbeitnehmern zum Wohle der Betriebe. Nun Feiertagen brauchen, weil sie ansonsten das inve- mahnt die Branche ob ihres engen Schulterschlusses stierte Kapital nicht amortisieren können. zu Recht an, daß auch der Staat seinen Part zu spielen (Dr. Uwe Jens [SPD]: Namen dieser habe. Wenn der Staat einen Part zu spielen hat, dann Betriebe!) hat er ihn bei der Verbesserung der Standortbedin- — Herr Jens, wenn Sie gestatten, möchte ich vor dem gungen für die Textil- und Bekleidungsindustrie zu Deutschen Bundestag nun nicht Namen von Firmen spielen. Wir müssen den Standort und die Bedingun- nennen. Sie können sie jederzeit in einem bilateralen gen auch und gerade hier, wo die Probleme besonders Gespräch — Sie können sich darauf berufen, daß ich evident sind, verbessern. dies hier coram publico angekündigt habe — von mir Ich möchte nun nicht, meine Damen und Herren, a ll erfahren. die Punkte vortragen, die wir angehen müssen, um kurzfristig und mittelfristig Wirkungen zu erzielen. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Es könnte Dies reicht von der Senkung der Steuern über den auch als Werbung ausgelegt werden. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14085

Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Entfaltung des passiven Veredelungsverkehrs nicht Es geht auch nicht darum, daß wir Maßnahmen nachgeben. ergreifen, die auf den Tag ausgerichtet sind, sondern (Beifall bei der Abgeordneten der F.D.P. und es geht darum, daß wir Maßnahmen ergreifen, die es der CDU/CSU) unseren Unternehmen erlauben, so zu planen und zu investieren, daß sie die Investitionen amortisieren Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch können. Dazu gehören Maschinenlaufzeiten auch an einmal unterstreichen, daß die Uruguay-Runde die Sonn- und Feiertagen. ein Dauerthema geworden ist, für die Textil- und (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Bekleidungsindustrie von ganz besonderer Bedeu- ten der CDU/CSU) tung ist. Die Uruguay-Runde enthält in einem Ver- handlungspaket wichtige Neuerungen. Dazu gehören ein Abkommen über die Verschärfung der Subven- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Der Abge- tionsdisziplin — das ist bereits angeschnitten wor- ordnete Oostergetelo möchte auch einmal nachfra- den — und Verbesserungen zum Schutz des geistigen gen. Eigentums, d. h. ein stärkerer Schutz vor Markenpira- terie und Raubrittertum bei Modellen und Design. Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Gerade die kreativen deutschen Unternehmen wer- Anschließend möchte ich allerdings sehr gerne fort- den hier zur Zeit mit unlauteren Wettbewerbsmetho- fahren. Bitte schön, Herr Kollege. den hart angegangen. Ich sage noch einmal: Wir brauchen die Nischenproduktion und die hochwertige Produktion, um bestehen zu können. Jan Oostergetelo (SPD): Herr Minister, Sie haben Zu diesem Verhandlungspaket gehört auch ein anfänglich den Schulterschluß zwischen Arbeitneh- Abkommen zur Vereinfachung und Beschleunigung mern und Arbeitgebern gelobt. Gilt dieser auch für der Anti-Dumping-Instrumente, um rasch auf unter- Ihre Feststellung, daß die Maschinenlaufzeiten nun preisige Angebote reagieren zu können. Diese Ergeb- unbedingt auf Sonn- und Feiertage auszudehnen nisse müssen bald realisiert werden. Ich habe den sind? Teilt die Vertretung der Arbeitnehmerschaft Eindruck, daß wir eine gute Chance in der Uruguay diese Auffassung? Oder ist es nicht vielmehr so, daß Runde haben. Wir müssen uns dabei durchsetzen und wir durch Urlaub und Verschiebung von anderen sehr intensive Diskussionen auch mit unseren Part- Tagen noch riesige Möglichkeiten haben, die Laufzei- nern in der EG führen, speziell mit einem Partner, um ten wirklich auszunutzen? die Sache schnell unter Dach und Fach zu bekom- men. Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Meine Damen und Herren, ein besonderes Problem Zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen, daß auch in - ist die Textil- und Bekleidungsindustrie im Osten weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft und bei deren Deutschlands. Hier haben 1989 einmal 280 000 Men- Repräsentanten sehr viel Verständnis dafür besteht, schen gearbeitet. Wenn es viele sind — wir kennen die daß an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden kann. Zahlen nicht ganz genau —, sind es heute noch 40 000 Das heißt nicht, daß gearbeitet werden muß. Es ist eine bis 50 000. Das ist ein dramatischer Schrumpfungspro- betriebswirtschaftliche Disposition, die möglich sein zeß. Die Textil- und Bekleidungsindustrie war im muß, wenn die konjunkturelle Situation und die Osten Deutschlands so angelegt, daß überwiegend individuelle Situation des Unternehmens das erfor- Waren mittlerer Qualität in riesigen Chargen für die dert. Ich bin für Flexibilisierung der Arbeit und der Ostblockländer und für den eigenen Bedarf produziert Das — nicht eine Reglementierung, wie Arbeitszeiten. worden sind. Das sind Produktionen gewesen, die Sie sie wünschen — verbessert die Standortbedingun- nicht mehr durchgehalten werden können. Deshalb gen. gab es diesen Schrumpfungsprozeß. Wir haben uns in (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) der Treuhand bemüht, über eine Politik der sogenann- Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich jetzt ten Leuchtfeuer wichtige Bet riebe, auch regional fortfahren. bedeutsame Betriebe, zu erhalten, kleine Betriebs- Wir müssen und werden uns, um die Verhältnisse in stätten in diese Betriebe zu integrieren und eine den Griff bekommen zu können, zumindest was die moderne, rationelle, effektive Produktion aufzubauen Bedingungen für die Textil- und Bekleidungsindu- — mit viel Geld, zum Teil mit einer Förderung von strie am Standort Deutschland angeht, mit Nachdruck 400 000 DM pro Arbeitsplatz —, um die Textilindu- für den Abbau der Wettbewerbsverzerrungen in der strie und die Bekleidungsindustrie in manchen Regio- EG und weltweit einsetzen. Unsere Unternehmen nen nicht völlig verschwinden zu lassen. Das ist ein brauchen im übrigen auch ihrerseits den Zugang zu teures Unterfangen, das ist oft hinterfragt und oft den freien Märkten. Ich habe gesagt, was wir an kritisiert worden. Wir wollen das im Osten Deutsch- Exportsteigerungen zu erreichen vermocht haben. lands durchhalten. Das ist eine ganz schwere Angele- Die deutschen Unternehmen haben Instrumente ent- genheit. wickelt, um im internationalen Wettbewerb trotz der Lassen Sie mich mit Blick auf die Zeit nur noch starken Konkurrenz und der relativ schlechten Stand- darauf hinweisen, daß die Bundesregierung ein ortbedingungen mithalten zu können. Dies gilt vor Absatzförderungsprogramm für die Textil- und allem für den sogenannten passiven Veredelungsver- Bekleidungsindustrie aufgelegt hat, das gut an- kehr. Ich werde dieses Instrument nicht durch Brüssel, kommt, und daß wir die Diskussion mit Arbeitneh- wo es entsprechende Ansätze gibt, entwerten lassen. mern und Arbeitgebern über die Probleme insbeson- Wir werden in der Frage der Möglichkeiten der freien dere im Hinblick auf die Einwirkungsmöglichkeiten 14086 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt der Bundesregierung im internationalen Zusammen- geschrumpft ist, ist sicherlich nur ein Einstieg. Aber hang intensiviert haben. Wir stehen in guten Kontak- wenn ich die Präsenz hier im Hause so sehe, dann ten; wir kommen voran. Die Probleme dieser Industrie denke ich, daß sich die Partei, die sich für das Soziale kann die Bundesregierung nur erleichtern helfen, und für Arbeitsplätze besonders engagieren sollte, für indem wir die Standortbedingungen in Deutschl and die Textil- und Bekleidungsindustrie und deren insgesamt verbessern. Das ist eine Diskussion und das Arbeitsplätze ganz offensichtlich wohl nicht so inter- sind Maßnahmen, die uns in den nächsten Wochen essiert. und Monaten beschäftigen werden. (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Karl-Heinz Die Situation dort ist schwierig. Aber es ist beispiel- Klejdzinski [SPD]: Das ist doch unverschämt, haft, wie erfolgreich ihre Meisterung auch ob des was Sie sagen! Das ist Ihrer nicht würdig! — engen Zusammenschlusses und des Schulterschlusses Zuruf von der CDU/CSU: Die kennen doch zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorange- nur Kohle und Stahl!) kommen ist. Die Bundesregierung wird ihren Teil dazu tun, um die Situa tion zum Besseren zu wen- — Dann müssen Sie mit mehr Leuten hier ankom- den. men. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die jetzige Debatte ist vor allen Dingen dann ein Einstieg, wenn man bedenkt, eine wie dramatische Entwicklung der Textil- und Bekleidungsindustrie Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine sich auch in den neuen Bundesländern vollzogen hat, Damen und Herren! Bevor ich der nächsten Rednerin wo in gut eineinhalb Jahren immerhin 75 % der das Wort gebe, habe ich das Vergnügen, Ihnen das Arbeitsplätze in dieser Branche verlorengegangen Ergebnis der Wahl des Bundesbeauftragten für den sind. Datenschutz bekanntzugeben. Abgegebene Stim- Die weitgehend mittelständisch strukturierte deut- men: 482. Ungültige Stimmen: 3. Mit Ja haben 459 sche Textilindustrie mit ihren 320 000 Beschäftigten Abgeordnete gestimmt. ist schließlich immer noch ein bedeutender Wirt- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. schaftsfaktor in unserer Volkswirtschaft. Sie ist bisher sowie bei Abgeordneten der SPD) eigentlich von der politischen, vor allen Dingen von Mit Nein haben 8 Abgeordnete gestimmt. Es hat der wirtschaftspolitischen Öffentlichkeit, nicht so sehr 12 Enthaltungen gegeben.*) Damit ist Herr Dr. Jo- wahrgenommen worden. Sie hat kein Geschrei veran- achim-Wolfgang Jacob mit der erforderlichen Mehr- staltet; sie hat still vor sich hin konsolidiert. heit zum Bundesdatenschutzbeauftragten gewählt Selbst die große gesamtdeutsche Textilkonferenz worden. am 22. März hier in Bonn, an der immerhin 2 500 Da ich annehme, daß er diese Wahl annimmt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch möchte ich ihn, da er auf der Tribüne sitzt, von hier aus Arbeitgeber teilgenommen haben, war den Fernseh- sehr herzlich zu dieser Wahl beglückwünschen. und Rundfunkmedien nicht einmal eine einzige Mel- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der dung wert. Ich finde es daher sehr verständlich und F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS/ auch sehr richtig, daß sich die Branche heute hier in Linke Liste) Bonn zu einer gemeinsamen Demons tration zusam- mengefunden hat. Sie will damit darauf aufmerksam Meine Damen und Herren, ich möchte darauf auf- machen, daß es sich hier um eine Branche handelt, die merksam machen, daß dies das erste Mal ist, daß der sich von einer lohnintensiven zu einer hochmodernen Datenschutzbeauftragte vom Parlament gewählt wor- und kapitalintensiven Industrie entwickelt hat. Die den ist. Damit wird die hohe Bedeutung des Daten- Neueinrichtung eines Arbeitsplatzes in der Textilin- schutzes im demokratischen Rechtsstaat gewürdigt dustrie, z. B. in einer Spinnerei, kostet immerhin die und zugleich, Herr Dr. Jacob, die Bedeutung des horrende Summe von zwei Millionen DM. Amtes noch höher angesetzt, als das bisher der Fall war. Ich erlaube mir daher, von hier aus nicht nur Worin bestehen nun die Probleme, über die die Glückwünsche auszusprechen, sondern Ihnen vor Demonstranten natürlich auch hier diskutieren wer- allen Dingen auch viel Erfolg zu wünschen. den und auf die aufmerksam gemacht werden soll? Sie bestehen vor allen Dingen im internationalen Wett- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der bewerb, darin, daß, ganz anders als in Deutschl and, in F.D.P.) anderen Ländern, in den Wettbewerbsländern, Sub- Meine Damen und Herren, wir können mit der ventionssummen gezahlt werden, so daß es zu Über- Debatte fortfahren. Die Abgeordnete Frau Wülfing hat kapazitäten auf der ganzen Welt kommt und der nunmehr das Wort. europäische Markt und vor allen Dingen auch der deutsche Markt mit Billigimporten überschwemmt wird. Elke Wülfing (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsi- dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Es hat mit fairem internationalen Wettbewerb nichts Kolleginnen und Kollegen! Eine Stunde Debatte über zu tun, wenn Produkte hergestellt werden, die nur eine Branche wie die Textil- und Bekleidungsindu- deswegen so billig sein können, weil z. B., wie in strie, die in den letzten 20 Jahren auf ein D rittel ihres Pakistan, der Rohstoff Baumwolle an die dort produ- früheren Umfangs in den alten Bundesländern zierenden Betriebe nicht zu Weltmarktpreisen, son- dern zu Schleuderpreisen abgegeben wird. Es hat

*) Namenverzeichnis der Abgeordneten, die an der Wahl nichts mit fairem Wettbewerb zu tun, wenn Arbeit- teilgenommen haben, ist als Anlage 2 abgedruckt. nehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Ländern zu Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14087

Elke Wülfing Hungerlöhnen beschäftigt werden, so daß sie nicht Elke Wülfing (CDU/CSU): Ich habe nur noch sehr einmal in der Lage sind, die Produkte, die sie selber wenig Zeit. herstellen, zu kaufen, wodurch in dem Land, in dem sie wohnen, ein Markt geschaffen wird. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Die Zeit (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wird Ihnen nicht angerechnet; das braucht keine Es hat ferner nichts mit fairem Wettbewerb zu tun, Hürde zu sein. wenn in fast allen Wettbewerbsländern nicht annä- hernd die Umweltauflagen zu finanzieren sind wie sie Elke Wülfing (CDU/CSU): Ich würde das gerne in hier in Deutschland und auch im EG-Bereich üblich den Wirtschaftsausschuß verschieben. Vielen Dank. sind. Wenn wir nicht auf allen Seiten des Hauses endlich Hinzu kommt die Situation, daß zwar in die EG und erkennen — da dürfen Sie wieder zuhören, denn ich nach Deutschland zu vergleichsweise geringen Zöllen glaube, das ist auch für die SPD eine ganz interessante importiert werden darf, daß aber unsere Hochquali- Bemerkung —, daß die Erhaltung und die Schaffung tätsprodukte aus dem EG-Raum und aus Deutschland von Arbeitsplätzen erste Priorität vor allen anderen mit unmäßig hohen Zöllen in den Wettbewerbslän- politischen Zielen haben muß, dann können wir, dern belastet sind. Ich kann daher die Forderung der glaube ich, auf Dauer die Marke „Made in Germany" Textil- und Bekleidungsbranche nach Marktöffnung und den Standort Deutschland begraben. Leiden dieser Lieferländer tatsächlich nur unterstützen. müssen darunter vor allen Dingen Arbeitnehmerin- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nen und Arbeitnehmer. Wenn wir meinen, wir können im Bereich von Der Wirtschaftsminister hat eben schon von Mar- kenpiraterie und Musterklau gesprochen. Auch hier Steuern, im Bereich von Abgaben, im Bereich von wird es notwendig sein, ein zentrales, einfaches und Energiekosten, im Bereich von Umweltauflagen, im preiswertes Hinterlegungsverfahren zu schaffen. Bereich von langen Genehmigungsverfahren für Investitionen weiterhin auf der Welt einsame Spitze (Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Das ist es! sein, dann werden wir die Zukunft unserer Kinder Aber glauben Sie, daß das so einfach ist?) verspielen, meine Damen und Herren. — Genau, das ist nicht so einfach. Frau Skarpelis- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Sperk, Sie haben da durchaus sehr recht. Dies ist eine ordneten der F.D.P.) Sache, die nicht national zu regeln ist, sondern auf der Zur Verdeutlichung dieser Tatsache möchte ich nur EG-Ebene und vor allen Dingen in den GA TT ein Beispiel aus dem Energiebereich nennen. Da ist auch wieder die SPD angesprochen, die gerade hier in -Verhandlungen. Dazu möchte ich abschließend beto- nen — und das ist ganz wich tig —, daß wir hier keinen Nordrhein-Westfalen sehr großen Wert darauf legt, Protektionismus verlangen. Wir verlangen keine daß wir hier Kohle fördern. Abschottung des Marktes, sondern die Marktöffnung - für unsere hochwertigen Textilprodukte anderswo. (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Setzen Sie sich doch einmal mit dem Konzept des Wirt- (Zuruf von der CDU/CSU: Faire Bedingun schaftsministers auseinander!) gen!) — Vielleicht hören Sie da einmal zu, denn es geht hier Außerdem fordern wir selbstverständlich keine um Arbeitsplätze, Herr Klejdzinski, und nicht um Subventionen hier. Wir machen es nicht der Kohle Lächerlichkeiten! nach, wir machen es nicht den Werften nach, sondern (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der wir fordern den Abbau von Subventionen in anderen SPD: Wer ist denn in der Regierung? Schauen Wettbewerbsländern. Das geht natürlich nicht ganz Sie nicht zur Opposi tion! — Weitere Zurufe von selbst. Deswegen brauchen wir bei den GATT von der SPD) Streitschlichtungsverfahren vor allen-Verhandlungen Dingen für die Situation der Subventionierung unter- — Wenn Sie das Beispiel aus dem Energiebereich halb der Exportsubventionierungsschwelle. nicht hören wollen, dann gehen Sie hinaus, dann seien Sie aber wenigstens ruhig! Würden Sie einmal zuhören, Herr Minister? Viel- leicht wäre es gut, wenn Sie sich dafür noch mehr als (Beifall bei der CDU/CSU) bisher einsetzen würden. Polemik können wir in dieser Debatte hier nicht gebrauchen. Nun will ich nicht verkennen, daß nicht nur Über- kapazitäten und unfaire Wettbewerbsbedingungen in Ein Beispiel aus dem Energiebereich, das auch für anderen Ländern zu Problemen in der deutschen Sie interessant ist: Ein mittelständisches Unterneh- Textil- und Bekleidungsindustrie führen, sondern daß men aus der Textilbranche mit ca. 130 Arbeitsplätzen natürlich auch die Rahmenbedingungen auf der und jährlichen Stromkosten von 1,4 Mil lionen DM nationalen Ebene Arbeitsplätze durchaus gefährden bezahlt für die Stromrechnung in Deutschl and können. 500 000 DM — das sind eine halbe Million — mehr im Jahr als in Frankreich, in der Schweiz, in Österreich, in Italien und in den Niederlanden. Dieser Mehrkosten- betrag entspricht immerhin den Lohnkosten von Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Ab- 10 Arbeitsplätzen im Jahr. Dieses Beispiel macht geordnete, Herr Klejdzinski möchte gerne eine Zwi- deutlich, daß wir in den laufenden Energiekonsens- schenfrage stellen. Sind Sie bereit, diese zu beantwor- gesprächen in Deutschland diesen Aspekt noch mehr ten? ansprechen müssen. Da darf ich die SPD wirk lich 14088 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Elke Wülfing bitten, nicht nur in Ruhe zuzuhören, sondern uns auch verdient. Ich hoffe, daß ich in dieser Form, wie ich es zu folgen, wenn wir darüber reden, daß die Energie- nachgeholt habe, den Schaden repariert habe. kosten als solche ein Aspekt in den Energiekonsens- (Beifall im ganzen Hause) gesprächen sein müssen. Es kann hier nicht nur darum gehen, daß wir Umweltauflagen für die energieerzeu- Ich erteile nunmehr der Abgeordneten Frau genden Unternehmen erfinden. Es kann nicht nur Dr. Skarpelis-Sperk das Wort . darum gehen, daß wir langwierige Genehmigungs- verfahren für den Bau von Energieerzeugungsanla- gen haben. Es muß hier auch einmal um den Aspekt Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Herr Präsident! gehen: Energiekosten sind Kosten, die die Unterneh- Meine Damen und Herren! Die deutsche Textil- und men sehr belasten. Bekleidungsindustrie — da sind wir uns einig — (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge befindet sich in einer dramatischen Lage. Für den ordneten der F.D.P.) größten Teil dieser Industrie mit etwa 330 000 Beschäftigten steht mittlerweile die Existenzfrage an . Ich erzähle das denjenigen, die z. B. in den Ländern Auf die Arbeitsplatzverluste wurde bereits hingewie- dafür zuständig sind, was beispielsweise auch mit der sen. Die ostdeutsche Textil- und Bekleidungsindust- Kohle passiert. rie, einmal mit über 300 000 Beschäftigten ein bedeu- (Zurufe von der SPD) tender und exportstarker Faktor, ist weitgehend aus- — Wir sind jetzt in einer Textildebatte. Wenn wir hier radiert. 90 % aller Arbeitsplätze wurden in nur drei eine Kohledebatte durchführen, werden wir ebenfalls Jahren vernichtet. Nur 35 000 Arbeitsplätze von ein- wieder erscheinen. mal 300 000 sind geblieben. Fürwahr eine Horrorbi- lanz! Deswegen ist es gut, daß eine Debatte über die Lage Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine Damen und Herren! Die Zwischenrufe können das der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie und Salz in der Suppe einer Debatte sein; aber sie können die Sicherung der Arbeitsplätze in diesem Hause die Debatte auch versalzen, wenn Sie zuviel endlich stattfindet. Allzulange wurden ihre Probleme Gebrauch davon machen. Ich möchte Sie bitten, sich in der öffentlichen Diskussion übergangen, obwohl doch ein bißchen zu mäßigen. die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie mehr Menschen beschäftigt als die deutsche Stahlindu- (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Sie ist ja strie. nicht bereit, Zwischenfragen zu beantwor ten!) (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wahr!) Es spielt sicher eine Rolle, daß die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie mittelständisch strukturiert (CDU/CSU): Ich keime doch Ihre Elke Wülfing und regional nicht stark konzentriert ist, wie z. B. Zwischenfragen, Herr Klejdzinski. Ich lege keinen Kohle, Stahl und Werften. 3 600 Bet riebsstätten in großen Wert darauf. - wichtigen Regionen Nordrhein-Westfalens, Baden- Wir haben uns in diesem Lande lange Zeit auch auf Württembergs, Sachsens und Bayerns leiden und Grund der guten Konjunkturlage Steckenpferde sterben eben weniger spektakulär als große St and- geleistet, meine Damen und Herren, von denen wir orte. endlich einmal wieder heruntersteigen müssen. Die Aber vielleicht spielt im öffentlichen Bewußtsein Überlebensstrategie für den Wirtschaftsstandort auch eine Rolle, daß es überwiegend Frauenarbeits- Deutschland und auch für die Textil- und Beklei- dungsbranche kann nicht heißen: s till vor sich hinster- plätze sind, die hier auf dem Spiel stehen. 215 000 ben, sondern sie muß heißen: laut und deutlich, mutig Frauen arbeiten in der Textil- und Bekleidungsindu- und selbstbewußt die Probleme ansprechen und strie. Sie stellen 50 % der Beschäftigten in der Textil- lösen. industrie und 80 % der Beschäftigten in der Beklei- dungsindustrie. Es ist empörend und unerträglich; Unsere Aufgabe ist es — damit appelliere ich an aber der Verlust von Frauenarbeitsplätzen wird auch alle —, Wettbewerbsbedingungen für deutsche in der deutschen Öffentlichkeit weniger wich tig Arbeitsplätze zu schaffen, die auf Dauer im interna- genommen. tionalen Vergleich Bestand haben. Dieses haben wir heute hier in einem Entschließungsantrag gefordert, Frauen als industrielle Reservearmee — auch in zu dem ich um Ihre Zustimmung bitte. diesem Jahrzehnt im vereinigten Deutschland kein überzogenes Schlagwort, sondern bittere Realität. Vielen Dank. Deswegen ist es gut, wenn heute Arbeitgeber und (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Arbeitnehmer gemeinsam in Bonn demonstrieren und auf die Probleme und die Gründe für die existenziell bedrohliche Lage der Be troffenen aufmerksam ma- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine Damen und Herren! Kleine, unangenehme Pannen chen. passieren nun einmal, und soweit sie leicht zu repa- (Beifall bei der SPD) rieren sind, sind sie sicher keine Katastrophe. Ich will Ich freue mich über die heutige Debatte, die aller- eine solche hier jetzt reparieren. Es ist mir nämlich dings nur ein Anfang, wenn auch ein wichtiger, ist. Bei entgangen — ich habe es unterlassen, ich bedaure das den Ausschußberatungen im Wirtschaftsausschuß außerordentlich —, dem Vorgänger von Herrn Jacob, und in einer Anhörung im September, auf die sich die Herrn Einwag, sehr, sehr herzlich für seine Aktivitäten Fraktionen geeinigt haben, wird es hoffentlich zu zu danken. Er hat diesen D ank ganz besonders einer intensiveren Diskussion über die Probleme und Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. 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Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk über die Abhilfemaßnahmen und auch zu einer grö- Umsatzrenditen von 2 % sind derart massive Ände- ßeren Gemeinsamkeit kommen. rungen von Währungsparitäten kein zu akzeptieren- der Mechanismus auf den internationalen Güter-, Es scheint, daß wir uns in der Beurteilung des Kapital- und Geldmärkten. Ernstes der Lage in diesem Hause einig sind, aber in der Frage der Ursachen und vor allem in der Frage der (Dr. Uwe Jens [SPD]: Die Regierung macht Maßnahmen, die dringend geboten und angemessen nichts!) sind, offensichtlich weit weniger. Herr Minister, ich teile Ihre Ursachenanalyse in Herr Minister, dies ist in einer schweren Weltrezession dieser Frage nicht. eine beggar-my-neighbour-policy auch von befreun- deten EG-Regierungen, die so nicht mehr länger (Zuruf von der CDU/CSU: Das überrascht hinnehmbar ist. aber!) (Beifall bei der SPD) Wir sehen die Gründe in vier Ursachenkomplexen: erstens in den Währungsschwankungen bzw. -abwer- Was haben die Währungsrelationen gegenüber den tungen der letzten Monate gerade in der EG, aber meisten osteuropäischen Ländern und den GUS- auch in den völlig verzerrten Währungsparitäten Nachfolgestaaten noch mit Kaufkraftparitäten, Pro- gegenüber Osteuropa und den GUS-Nachfolgestaa- duktionskosten oder sonstigen denkbaren Faktoren, ten — mit denen man die Angemessenheit von Währungsre- (Beifall bei der SPD) lationen vergleicht, zu tun? Nichts, aber auch gar dazu hätte ich mir von Ihnen, Herr Minister, ein paar nichts mehr. Worte gewünscht; denn dies berührt nicht nur die deutsche Textilindustrie, sondern den größten Teil der Man muß auch darüber reden, ob man eine neue deutschen Exportindustrie generell; darüber müssen Arbeitsteilung in Europa auf diesen Phantasiepreisen wir nachdenken —, zweitens in den Wettbewerbsver- von Währungen begründen kann. Diese Relationen zerrungen auf Grund des Sozialdumpings wichtiger sind Ausdruck von Chaos und Ausbeutung, von Wäh- Konkurrenten auf den europäischen und internationa- rungsspekulation und zum Teil Korruption im Gefolge len Märkten, drittens in den Wettbewerbsverzerrun- des Zusammenbruchs des Comecon und des histo- gen auf Grund des Ökodumpings vieler Konkurrenten risch neuen, nicht dagewesenen Transformationspro- und viertens in den Wettbewerbsverzerrungen auf zesses von der Kommandowirtschaft zur Marktwirt- Grund massiver staatlicher Subventionierung von schaft. Mit marktwirtschaftlichen Verhältnissen ha- Textilexporten von immer mehr Staaten. ben diese Relationen nahezu nichts zu tun. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja etwas (Beifall bei der SPD) ganz Neues!) Auf solche wildwüchsigen, irrationalen Prozesse - — Mir müssen Sie nicht erzählen, daß das etwas ganz neue Strukturen der Arbeitsteilung zu diesen Ländern Neues ist. Reden wir einmal darüber, was man kon- gründen zu wollen ist ein wirtschaftliches Hasard- kret dagegen tun kann. spiel, das auf Kosten Hunderttausender Arbeitsplätze (Zuruf von der CDU/CSU: Wir reden dar in Deutschland geht, nicht nur in der Textil- und über! Das ist eine Anfrage der CDU/CSU- Bekleidungsindustrie. und der F.D.P.-Fraktion! — Weitere Zurufe In diesem Hause und in den zuständigen Ausschüs- von der CDU/CSU) sen steht eine fundierte Debatte darüber aus, ob wir — Wir brauchen uns doch nicht zu beschimpfen. Hier nicht besser kalkulierbare Wechselkurse brauchen, geht es darum, ob wir die Antworten, die die Bundes- und ob wir nicht in Teilbereichen dieser Welt zu regierung gegeben hat, für bef riedigend halten. Dar- Systemen fixer Wechselkurse zurückkehren sollen, über wollen wir in diesem Hause reden. dies auch im Verhältnis zu Osteuropa. Wenn wir das nicht kurzfristig ändern können, dann muß man auch (Beifall bei der SPD) über Einfuhrquoten reden. Denn die Kosten dieser Zunächst zum Thema Währungsschwankungen: Staaten in Höhe von 10 % unserer Produktionskosten Wir haben über einen langen Zeitraum eine systema- haben mit den Realitäten dieser Welt nichts tische Aufwertung der D-Mark gegenüber dem Dollar gemein. und anderen wichtigen Währungen gehabt. Das ist nichts Neues. Unsere Indust rien haben darauf mit Aber zu diesen Problemen schweigt sich die Bun- massiven Rationalisierungsmaßnahmen, mit Produkt- desregierung aus, auch in ihrer Antwort auf die Große innovationen, mit Verbesserungen in Einkauf und Anfrage, die die Kollegen gestellt haben. Statt dessen Marketing — um nur ein paar Dinge zu nennen — wird wieder einmal das Thema Maschinenlaufzeiten reagiert und haben vieles davon abgefangen und und Bürokratie angesprochen. Herrschaften, ich sogar hervorragend bewältigt. denke, Sie sind an der Regierung und können das Thema Bürokratie endlich einmal angehen und prak- Aber die Abwertungen der letzten Monate von 17 tikable Vorschläge unterbreiten. bis 30 % bei wichtigen Handelspartnern wie Großbri- tannien, Spanien und Italien haben nicht nur die (Zuruf von der CDU/CSU) deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie, sondern auch andere, wie z. B. den deutschen Maschinenbau Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wo sind denn Ihre und die Stahlindustrie, ins Mark ge troffen. Bei konkreten Vorschläge? Schaufensterreden auf die- 14090 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk sem Gebiet halten, das können wir a lle; dazu sind wir Aber was tun wir dagegen? — Beten und hoffen geübt genug. darauf, daß Manchester-Kapitalismus und Sklaverei im Verlauf der industriellen Entwicklung von selbst (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf von verschwinden, reicht doch wohl nicht aus. Es genügt der CDU/CSU: Wieso wenden Sie sich nur an auch nicht, wenn Bundesaußenminister Kinkel in Herrschaften?) Wien erklärt, man sei gegen Menschenrechtsverlet- — Ich habe gesagt: wir alle. Aber wo sind denn die zungen. Man kann auch nicht — wie es die Antwort konkreten Vorschläge? Das ist doch die Frage. der Bundesregierung tut — sagen: Wir sind für Dekla- rationen in der ILO und in der UNO. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste) Die einzige Maßnahme, die etwas Aussicht auf eine Verbesserung der Lage bringt, ist, dieses schandbare Damit wir uns nicht mißverstehen: Wir halten natür- Verhalten nicht auch noch finanziell zu belohnen. lich das Thema Produktionskosten am Standort Deutschland für zentral, nicht nur in der Textilindu- (Beifall bei der SPD) strie. Wenn beispielsweise Pakistan in neugegründeten (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Freihandelszonen für Exportfirmen die Beachtung der eigenen Arbeitsgesetzgebung für Firmen, die mehr Wir begrüßen auch, daß der Bundesforschungsmi- als 80 % exportieren, aufhebt, dann muß es im Rah- nister über die Produktion des 21. Jahrhunderts und men des GATT, im Rahmen von Einfuhrquoten und im darüber, wie die Fabriken aussehen werden, nach- Rahmen von Zöllen auch Ahndungsmöglichkeiten denken läßt. Zentrale Fragen dazu sind, wie m an das geben können. Alles andere ist ein Freibrief für umsetzt und einen Prozeß in G ang setzt. Produkt- und Kinderarbeit und Sklaverei. Prozeßinnovation in allen Br anchen, neue Modelle der Arbeitsorganisation, verbesserte Management- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten strukturen, Qualifizierung, verbesserte Mo tivation, der PDS/Linke Liste) das sind Dinge, über die wir mit Ihnen reden sollten. Lassen Sie uns auch einmal darüber reden, was m an Statt dessen sprechen Sie über Maschinenlaufzeiten. an darf nämlich Sozialdumping konkret tun kann. M Bei diesem Thema haben Sie schlicht ein glattes und übrigens auch Ökodumping nicht nur beklagen, Eigentor geschossen. sondern muß sich auch überlegen, was man dagegen tut. Einer Graphik des Industrieverbandes Gesamtme- tall habe ich entnommen, daß Deutschland mit 6 334 (Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das habe ich ja Stunden in der Tat die niedrigsten Maschinenlaufzei- auch gemacht!) ten in der EG vorzuweisen hat. Nach der Gesetzeslage — Nein, Frau Kollegin Wülfing. Ich finde, man sollte und den Tarifverträgen in diesem Bereich wäre es lieber miteinander als übereinander reden. Das ist aber möglich, 7 200 Stunden — übrigens auch am besser, als Zwischenrufe zu machen. Samstag — zu arbeiten. Im Schnitt werden von den Betrieben der gesamten Textilindustrie 866 Stunden Zum Ökodumping: Wir haben bisher das Verursa- Maschinenlaufzeiten nicht genutzt. Ich kann deswe- cherprinzip im eigenen Land noch nicht durchsetzen gen, Herr Minister, nur empfehlen, zuerst einmal die können, und das ist ein wichtiges Prinzip. In anderen Reserve von 866 denkbaren Maschinenlaufzeitstun- Ländern gilt dieses Prinzip nicht. Umweltauflagen, den praktisch zu nutzen, bevor wir in offensichtlich soweit sie existieren, werden entweder überhaupt überflüssige Revisionsdebatten einsteigen. nicht beachtet, oder die Kosten der Abwasserreini- gung oder der Luftverschmutzung werden vom Staat (Zuruf von der SPD) getragen. Dadurch entsteht natürlich ein Trend zur Das zweite: Wir sehen einen großen Handlungsbe- Auslagerung von Fabrikationsstätten in andere Län- darf auch bei Wettbewerbsverzerrungen durch Sozi- der. Aber wir sind uns wohl einig, daß es weltweit kein aldumping. Sozialdumping ist eine knappe und tech- Erfolg ist, wenn die Umwelt anderswo und nicht in nokratische Vokabel. Aber wieviel Elend, wieviel Deutschland vergiftet wird. In der Luft, im Wasser, in Hunger, wieviel unerträgliche Arbeitsbedingungen, der Nahrungskette, in unserer Kleidung kehrt das ja wieviel Sklavenarbeit und wieviel früher Tod verber- zurück. gen sich dahinter? Deshalb ist es wichtig, daß wir als Maßnahme für Die Zahl der Arbeitsplätze nimmt weltweit ab. Das einen gesundheitlichen und umweltbezogenen Ver- bei Textil und Bekleidung die Forde- einzige, was massiv zunimmt, ist Kinderarbeit, vom braucherschutz zartesten Alter an. Wer die erschütternden Bilder, die rung nach der Kennzeichnungspflicht nicht nur als müden Augen in den schmalen, erschöpften Gesicht- Belastung des Handels und der Industrie, sondern chen kleiner Kinder in Ziegeleien, in Baumwollspin- auch als eine strategische Chance gerade für die nereien, beim Teppichknüpfen und beim Umgang mit deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie sehen, als Chance für innovative deutsche Textil- und Beklei- giftigen Chemikalien, die gravierenden Menschen- dungsprodukte. Hier könnten sich nämlich auf den rechtsverletzungen in den Fabriken an Männern und Frauen gesehen hat, sieht: Das alles nimmt nicht ab, heimischen Märkten und anderswo neue Absatzfel- das nimmt weltweit zu. Wer einmal diese Bilder dieser der auftun, wenn die Konsumenten entscheiden könn- an Leib und Seele geschundenen Kinder gesehen hat, ten, ob sie mit dem Bekleidungsstück, das sie kaufen, den verfolgten sie in den Schlaf hinein. Ich bin fest ein gesundheitlich verträgliches Produkt tragen, statt überzeugt, daß das für alle Seiten in diesem Haus nicht zu wissen, was sie sich da an den Leib tun. gilt. (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14091

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Unbefriedigend sind auch die Aussagen der Bun- Klaus Beckmann (F.D.P.): Herr Präsident! Meine desregierung zu den weltweiten Wettbewerbsverzer- sehr verehrten Damen und Herren! Die Textilindu- rungen. Die ganzen Antworten sind für mich ein strie spielt in der deutschen Volkswirtschaft noch Dokument von Hilflosigkeit und Handlungsunfähig- immer eine bedeutende Rolle. Doch auch an ihr ist in keit. Sie schreiben zwar, daß Sie das alles beklagen, den vergangenen Jahrzehnten der zunehmende inter- aber was, um Gottes willen, tun Sie denn? nationale Wettbewerbsdruck nicht spurlos vorüber- Thema illegale Einfuhren: Welche Sanktionen, gegangen. Die Textilindustrie hat in den alten wie in welche Straftaten verhängt wurden, davon ist nichts den neuen Bundesländern einen Strukturwandel zu lesen. durchgemacht, der in einigen Regionen zu drasti- schen Einschnitten geführt hat. Die Nagelprobe des (Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das ist doch strukturellen Umbruchs wurde bislang aus eigener keine nationale Aufgabe! Das wissen Sie Kraft erfolgreich bestanden. Dafür gilt allen Beteilig- doch ganz genau!) ten Anerkennung. — Entschuldigen Sie, man muß sich doch als Bundes- regierung nicht jedesmal hinter der EG-Kommission Die Talsohle ist aber — das ist hier schon betont verstecken. worden — noch nicht durchschritten. Die momentane Rezession trägt dazu bei, daß die Absatzschwierigkei- (Beifall bei der SPD — Elke Wülfing [CDU/ ten der Textilindustrie zur Zeit größer sind, als sie auf CSU]: Das tun wir doch auch nicht!) Grund struktureller Probleme sein müßten. In den Wir wissen doch auch, daß bei den GATT-Verhand- alten Bundesländern hat sich der Stellenabbau lungen die EG-Kommission bei vielen Dingen sagt: beschleunigt, in den neuen Bundesländern ist der Wenn die Deutschen und Großbritannien uns da mehr Beschäftigungsstand in dieser Branche in einem Jahr unterstützen würden, könnten wir im GA TT anders auf ein Viertel zusammengeschrumpft. Die Auswir- verhandeln. Spielen wir hier denn miteinander Ver- kungen für das Land Sachsen und das Vogtland steck, statt offen miteinander zu reden? beispielsweise sind zum Teil dramatisch. Es gibt keinen vernünftigen Grund, der dafür sprä- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Ab- che, daß es in Deutschl and keine industrielle Textil- geordnete Dr. Skarpelis-Sperk, Sie reden jetzt auf produktion geben sollte. Da gilt es, die Rahmenbedin- Kosten der Redezeit Ihres Fraktionskollegen Müller. gungen zu schaffen, die die Arbeitsplätze in dieser Sie ersparen sich viel Ärger, wenn Sie jetzt langsam Branche sichern helfen und die den Produzenten zum Schluß kommen. profitables Arbeiten erlauben. Ansatzpunkte hierfür (Heiterkeit) ergeben sich in zweierlei Hinsicht: Einerseits muß die Standortqualität Deutschlands aufgewertet werden, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Selbstverständ- andererseits muß internationalen Wettbewerbsver- lich werde ich das tun, obwohl ich mir mit dem zerrungen mit Entschiedenheit entgegengewirkt wer- Kollegen Müller so einig bin, daß ich von ihm keinen den. Hierzu ist von meinen Vorrednerinnen ja schon - Ärger, sondern höchstens einen strafenden Blick einiges gesagt worden. kriege. Wenn ich von der Verbesserung der Qualität des (Heiterkeit — Manfred Richter [Bremerha Standorts Deutschland spreche, so gilt dies in beson- ven] [F.D.P.]: Dann nehmen Sie seine ganze derem Maße — aber nicht nur — für die Textilindu- Redezeit!) strie. Es geht dabei vor allen Dingen um die Beseiti- Antidumping, Beihilfendschungel, Marktzugang: gung hausgemachter Probleme, die die deutsche Zu dem, was Sie uns da aufgeschrieben haben, kann Wirtschaft insgesamt lähmen und wirtschaft liche ich nur sagen: Es ist ja schön, daß auch Sie dafür sind, Initiative und Innovation oft im Keim zu ersticken etwas zu ändern, aber wo sind die konkreten Maßnah- drohen. Die Abgabenbelastung der Unternehmen men, wo sind die Sanktionen, die verlangt worden muß zurückgefahren, bürokratische Hemmnisse müs- sind, wo sind die Beispiele dafür, was Sie in Brüssel sen abgebaut werden. Vorschriften über die Arbeits- getan haben, was haben Sie gegen den Beihilfen- zeit und die Maschinenlaufzeiten müssen bei fo rt dschungel unternommen? Ich gehöre diesem Hause -schreitender Technologie flexibler gestaltet werden. seit zwölf Jahren an, und in dieser Zeit habe ich auf — Da kann ich nur das unterstreichen, was der keinem anderen wirtschaftspolitischen Gebiet soviel Bundeswirtschaftsminister eingangs hier ausgeführt Kreativität und Phantasie erlebt wie beim Betrügen im hat. — Nur so, meine Damen und Herren, kann eine Beihilfendschungel in Europa. Deswegen müssen wir wirksame Verbesserung der Rahmenbedingungen gemeinsam überlegen, was wir tun, und nicht nur bewirkt werden. Das Beispiel der Textilindustrie sollte sagen: Auch ich bin dagegen. Herr Minister, das ist allen Verantwortlichen hierfür die Augen öffnen. schlicht und einfach zu wenig. Es ist notwendig, endlich einzusehen, daß Deutsch- (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke land es sich nicht weiterhin leisten kann, die kürzesten Liste) Maschinenlaufzeiten der Welt zu haben. (Manfred Richter [Bremerhaven] [F.D.P.]: So Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile ist es!) nunmehr dem Abgeordneten Klaus Beckmann das Es wäre auch töricht, die Krise der Textilindustrie nur Wort . als sektorales Problem oder gar nur als vorüberge- (Manfred Richter [Bremerhaven] [F.D.P.]: hende Schwäche zu sehen, der mit Subventionen Jetzt kommt der Sachverstand, Gott sei kurzfristig begegnet werden könnte. Meine Damen Dank!) und Herren, der internationale Wettbewerb wird här- 14092 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Klaus Beckmann ter, und ohne eine aktive Standortpolitik wird die schafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen Textilindustrie bald nur noch eine von vielen Bran- leichter zu finden sein. Eine Öffnung der Märkte chen sein, die um ihr Überleben kämpft. erleichtert das Eingehen von Kooperationen und das Tätigen von Investitionen in Mittel- und Osteuropa. Natürlich hat die deutsche Textilindustrie auch im besonderen Maße unter den Verzerrungen im inter- Auf der Grundlage des Entschließungsantrages der nationalen Wettbewerb zu leiden. Fehlgesteuerte Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. kann die Entwicklungen sind in dieser Hinsicht innerhalb und Bundesregierung die Initiative ergreifen, damit außerhalb der Gemeinschaft zu beobachten. So ist das Deutschland weiterhin einen Standort für eine Textil- RETEX-Programm der EG alles andere als ein glanz- industrie mit attraktiven Arbeits- und Ausbildungs- volles Beispiel für verantwortungsvolle Industriepoli- plätzen bieten kann. tik. Es beinhaltet die Vergabe von Erhaltungssubven- Vielen Dank. tionen, die allenfalls falsche Erwartungen nähren, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) nicht aber die notwendige Strukturanpassung för- dern. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile Es kann hier auch nur erneut auf die Notwendigkeit nunmehr dem Abgeordneten Dr. F ritz Schumann das einer EG-weiten Harmonisierung von Umweltaufla- Wort. - gen hingewiesen werden. Ein gemeinsamer Binnenmarkt, so wie wir ihn uns (Kroppenstedt) (PDS/Linke alle wünschen, muß faire Bedingungen auch für Dr. Fritz Schumann Liste): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wettbewerber aus Deutschland bieten. Zur Verbesse- Beschäftigungsabbau in der Textil- und Bekleidungs- rung des weltweiten Handels wäre es deshalb wün- industrie der alten Bundesländer hat sich nicht nur im schenswert, mit einem baldigen Abschluß der GA TT vergangenen Jahrzehnt, sondern vor allem im vergan- -Verhandlungen die Exportbedingungen für deutsche genen Jahr dramatisch beschleunigt. In den neuen Produkte zu verbessern. Viele Lieferländer versper- Bundesländern ist nur ein erschreckend kleiner ren heute noch den Zugang zu ihren eigenen Märk- Bruchteil von Arbeitsplätzen und Kapazität übrigge- ten, in denen deutsche Textilprodukte mit ihrem blieben. Das haben alle Vorredner hier sicher genauso qualitativen Vorsprung gute Chancen hätten. gesehen. Der Schutz geistigen Eigentums muß inte rnational Die PDS/Linke Liste begrüßt den hier von der SPD durchsetzbar und auch effektiver gestaltet werden, vorgelegten Antrag „Arbeitsplätze in der deutschen ebenso wie Dumping mit wirkungsvollen Mitteln Textil- und Bekleidungsindustrie sichern, ihren Struk- bekämpft werden muß. turwandel aktiv begleiten und unterstützen" . Wir sind Auf einem anderen Blatt, meine Damen und Herren, der Auffassung, daß ein Ausweg aus dieser Struktur- steht, daß die deutsche Textilindustrie mit ihren hohen krise nicht allein in Maßnahmen gegen andere Produ- Lohnkosten niemals mit solchen Ländern konkurrie- zentenländer gefunden werden kann. Meine volle ren kann, in denen etwa Gefangenen- und Kinderar- Unterstützung haben aber alle Formen der Bekämp- beit an der Tagesordnung ist. fung und Einschränkung von Sozial- und Ökodum- ping, wie Frau Kollegin Dr. Skarpelis-Sperk hier (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) dargelegt hat. Wir meinen aber auch, daß dem Umbau Wenn wir nun einerseits eine Liberalisierung des der Produktion im Lande eine ganz entscheidende Welthandels fordern, um deutsche Absatzchancen zu Bedeutung zukommt. verbessern, können wir andererseits nicht unsere Wenn die Situation in der Textil- und Bekleidungs- heimische Industrie mit einer verstärkten Abschot- industrie gegenwärtig auch besonders dramatisch ist, tung des eigenen Marktes schützen wollen. Natürlich so ist sie doch in anderen Branchen zumindest ähnlich. müssen Umgehungen und Verstöße gegen existie- Es fällt nur nicht so auf. rende Einfuhrquoten bekämpft und auch geahndet Nach den gesellschaftspolitischen Vorstellungen werden. Dies wird jedoch nur mit einer verbesserten unserer Gruppe darf es nicht länger Aufgabe der personellen, rechtlichen und auch finanziellen Aus- Wirtschaftspolitik sein, nur die Wettbewerbsbedin- stattung der Zollabfertigungs- und Zollfahndungsstel- gungen zu wahren, nach denen sich der Untergang len gelingen können. Mittel- und langfristig muß die von Branchen und die massenhafte Entlassung von Zielsetzung jedoch die der Anhebung oder Aufhe- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vollziehen. bung der Quoten sein. Die sozialen Mißstände, die aus dem Verlust des Wenn wir es ernst meinen mit einer Entwicklungs- Arbeitsplatzes und der Arbeitslosigkeit erwachsen, politik, die sich nicht in Lebensmittelspenden sollten nicht dem einzelnen aufgebürdet werden, und erschöpft, und wenn wir die ehemaligen Ostblock- die Kosten der Arbeitslosigkeit sollten nicht weiter staaten als gleichberechtigte Partner im Welthandel passiv den öffentlichen Haushalten und den Steuer- ansehen, müssen wir diesen Ländern auch die Chance zahlern aufgebürdet werden. geben, sich am deutschen Markt zu behaupten. Nach unserer Auffassung ist es erforderlich, der Meine Damen und Herren, bei allen Anstrengun- Arbeit einen gebührenden Platz in der Gesellschaft gen um die Verbesserung des Standorts Deutschland einzuräumen. Dazu ist eben notwendig, über den und um den Abbau internationaler Wettbewerbsver- Wert von Arbeitsplätzen für die Gesellschaft und in zerrungen ist der Strukturwandel in der deutschen den einzelnen Regionen Klarheit zu gewinnen und Textilindustrie noch nicht abgeschlossen. Ersatzar- auch deutlich zu machen, was es kostet, Arbeitslosig- beitsplätze werden aber unter verbesserten wirt- keit zu finanzieren. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14093

Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) Das Ergebnis kann nach unserer Auffassung nur Danke schön. dazu führen, die vorhandene Arbeit gerecht zu vertei- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) len und den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten zur Bewältigung der gesellschaftlichen Probleme auch wirklich einzusetzen und damit die Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- Voraussetzungen zu schaffen, daß sie ihre Existenz geordneter Hörster, es bleibt bei der vorgesehenen durch eigene Arbeit sichern können. Reihenfolge? Einen Weg zur Verringerung der Massenarbeitslo- (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Ja!) sigkeit sehen wir darin, die vorhandene Arbeit — Dann erteile ich jetzt dem Abgeordneten Pützhofen gerechter zu verteilen. Warum sollte nicht gerade in das Wort. der Textil- und Bekleidungsindustrie mit viel körper- lich schwerer Arbeit und physisch außerordentlich Dieter Pützhofen (CDU/CSU): Herr Präsident! belastenden Arbeitsplätzen ein weiterer Schritt zur Meine Damen und Herren! Über dieser Debatte, die Arbeitszeitverkürzung getan werden? Die vorhan- wir hier führen, müßte eigentlich die Überschrift dene Arbeit würde mehr Arbeitnehmerinnen und stehen: Haben wir in absehbarer Zeit in unserem Land Arbeitnehmern einen Arbeitsplatz sichern, und die überhaupt noch die Textilindustrie? Das ist hier die physische Belastung des einzelnen könnte gesenkt zentrale Frage. werden. Einige von Ihnen werden sagen, so dramatisch kann Für eine funktionierende wirtschaftliche Entwick- es ja wohl nicht sein. — Meine Damen und Herren, lung in den neuen Ländern ist ein verarbeitendes wenn Sie mit den be troffenen Firmen reden, erfahren Gewerbe unabdingbar. Darüber sind wir uns sicher Sie sehr schnell: Es ist so dramatisch. einig. Dabei ist nach unserer Auffassung ein mittel- Im Großraum Krefeld, Mönchengladbach, am lin- ständischer Kernbereich an Textil- und Bekleidungs- ken Niederrhein, hat die Textilindustrie in den letzten unternehmen unabdingbar. Ein wich tiger Faktor ist drei Jahrzehnten über 70 000 Arbeitsplätze verloren, darüber hinaus die Konzentration der bisherigen und wir haben soeben vom Minister gehört, daß es in Unternehmen auf strukturschwache Gebiete in der der Bundesrepublik zur Zeit noch genauso aussieht. Oberlausitz und im Vogtland. Wir hatten im vergangenen Jahr einen Beschäfti- Eine besondere sozialpolitische Verantwortung gungsabbau von über 10 %. Ein gigantischer gewinnt die Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Umstrukturierungsprozeß war und ist in der Textilin- Textilindustrie noch dadurch, daß weit mehr als die dustrie im Gange, bei dem aber in Deutschland noch Hälfte der Beschäftigten Frauen sind, denen in der immer Hunderttausende von Menschen in Arbeit Realität weniger Beschäftigungsmöglichkeiten zur sind, und zwar in hochqualifizierter Arbeit. Das sind Verfügung stehen als ihren männlichen Kollegen. Das hochmotivierte und kenntnisreiche Fachleute. ist sicher auch der Grund dafür, warum es so wenig Meine Damen und Herren, Verlust von 70 000 - auffällt, daß dieser Bruch vonstatten gegangen ist. Arbeitsplätzen im Großraum einer mittleren Groß- Aus diesem Grund zählen wir die Textil- und stadt. In anderen Branchen — daran möchte ich Bekleidungsindustrie in Sachsen, Brandenburg, Ber- einmal erinnern — kommen wegen erheblich gerin- lin und Thüringen zu den industriellen Kernen, die gerer Zahlen bereits Sperrungen von Rheinbrücken erneuert werden sollten. Dazu hat es ja gerade gestern zustande, kommt es zu Mahnwachen, zu permanenter hier eine breite Debatte gegeben. Berichterstattung in Rundfunk und Fernsehen, zu Sonderdebatten im Bundestag und zu Gottesdiensten Speziell zur Unterstützung der ostdeutschen Textil- in den Kirchen. Hier fährt seit Jahrzehnten ein großer und Bekleidungsindustrie halten wir folgende Maß- Wirtschaftszweig in den Beschäftigungszahlen berg- nahmen — ich darf das hier nur kurz anreißen — für ab. Und keinen bewegt das? — Doch, liebe Kollegin- besonders geeignet: konkrete Regelungen für den nen und Kollegen, vor Ort ist oft und laut genug Bezug von ostdeutschen Anbietern bei öffentlichen gemahnt worden; aber eine mittelständisch struktu- Ausschreibungen festzulegen und ihre Einhaltung zu rierte Branche leidet eben anders — offensichtlich garantieren, aber auch zu kontrollieren; ein konkretes stiller — als die Montanindustrie, als Werften, als Absatzförderprogramm für die ostdeutschen Produkte Bergbau und als die Landwirtschaft. in die Tat umzusetzen; bef ristete Arbeitsplatzzu- schüsse zu gewähren, die eine Umstrukturierung der Sie hat wohl — darin stimme ich meinen Vorrednern Produktion ermöglichen; die vorhanden Förderpro- zu — offensichtlich keine entsprechende Lobby, wie gramme sinnvoll miteinander zu koordinieren — ich sie die Großindustrie hat. Dabei ist die Textil- und denke hier insbesondere an den Einsatz von GA Bekleidungsindustrie in Deutschland mit noch Mitteln und einer Reihe anderer Mittel. Erste Ansätze 320 000 Beschäftigten und mit einem Umsatz von dazu gibt es, aber sie reichen unserer Meinung nach ungefähr 40 Milliarden DM im Jahre 1992 einer der auf keinen Fall aus, auch was die Beziehungen zu großen Wirtschaftsfaktoren. Aber sie ist bislang ohne Treuhandunternehmen anlangt —; Vorteile durch jede Subvention ausgekommen. Diese staatliche eine Zusammenarbeit mit polnischen und anderen Abstinenz hat sich übrigens in einer gewissen Hin- osteuropäischen Partnerlände rn auszuschöpfen. Zum sicht durchaus als segensreich erwiesen, wie die einen könnten die jewei ligen spezifischen Vorteile Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein genutzt werden, zum anderen hat der osteuropäische einmal bestätigt hat. Markt einen riesigen Bedarf an Textilien und Beklei- Während sich die subventionierten Bereiche dung sowie an Erneuerung und Modernisierung von — Kohle, Werften und Landwirtschaft — bis heute von Fertigungsstätten. einer Krise zur nächsten schleppen, hat die Textilin- 14094 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Dieter Pützhofen dustrie einen innovativen Schub erlebt, der sich an Amtsblatt veröffentlicht und in Deutschland prakti- an der den Umsatzzahlen der Beschäftigten und ziert werden. Qualität der Produkte bemerkbar macht, was Sie, (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: So ist verehrter Herr Präsident, unschwer an Ihrer Krawatte es!) erkennen können, die, wenn sie gut ist, aus Krefeld stammt und, wenn sie weniger gut ist, wahrscheinlich Insbesondere den Textilausrüstem wird so in Kürze aus dem Ausland importiert worden ist. der Standort Deutschl and unmöglich gemacht. Wenn die Textilausrüster fortgehen, folgt die Textilindustrie, (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) und ihr folgt der Textilmaschinenbau. Zweitens nenne ich die Wettbewerbsverzerrungen durch die Subventionspolitik der EG. — Herr Präsi- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- dent, die rote Lampe hier ist schrecklich. — geordneter Pützhofen, Sie wissen ja, daß wir große (Zuruf von der CDU/CSU: Rot sowieso!) Probleme haben, für Standorte und einzelne Betriebe In Sardinien wird mit Regionalmitteln der EG der zu werben. Für den Kauf meiner Krawatten ist Gott sei Aufbau von Baumwollspinnereien subventioniert, Dank meine Frau zuständig. obwohl in Europa und weltweit Überkapazitäten (Heiterkeit) herrschen. Ich hätte eigentlich dem Herrn Minister hier und heute morgen gerne gesagt, daß wir von ihm erwarten, daß er sich für ein Verbot eines solchen Unsinns ausspricht. Etwas anderes entspricht nicht Dieter Pützhofen (CDU/CSU): Wir werden das dem, was er uns als Antwort auf unsere Anfrage Gespräch mit Ihrer Frau führen. gegeben hat. Es ist also nicht die unzureichende Leistungsfähig- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) keit der Unternehmen, die die heutige Diskussion notwendig macht. Die Ursache liegt im wesentlichen Meine Damen und Herren, Schweden hat vor Jah- in kostentreibenden, produktionsbehindernden Auf- ren in einem Anfall von Liberalisierung ganz auf die lagen, einem wettbewerbsverzerrenden Subven tions- Textilindustrie verzichtet. Als Schweden keine heimi- mechanismus anderer Länder und — auch das muß sche Textilindustrie mehr hatte, gingen die Liefer- gesagt werden, Frau Kollegin Skarpelis-Sperk — in preise drastisch in die Höhe. Heute versucht Schwe- der Unterschreitung von sozialen Mindeststandards in den verzweifelt — und vergeblich! —, die Textilindu- bestimmten Ländern. strie wieder aufzubauen. Das wird nie mehr gelingen, wenn eine Branche einmal kaputt ist. Die deutsche Es wurde deshalb höchste Zeit für diese Anfrage, für Textilindustrie braucht deshalb jetzt dringend politi- Folgeanträge und eine intensive Hinwendung zu den schen Flankenschutz. Problemen der deutschen Textilindustrie. Es ist gut, zu Herzlichen Dank. hören, Frau Kollegin Skarpelis, daß sich die SPD darüber freut, diese Diskussion auf Grund einer (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Anfrage der Regierungskoalition führen zu können. (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Walter Franz Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- Altherr [CDU/CSU]: So ist es, jawohl!) geordneter Pützhofen, Sie sind nicht der einzige, der Die Hinwendung gilt übrigens für alle politischen mit dem roten Licht Probleme hat, und sicher auch Ebenen, vom Europäischen Parlament bis hin zu den nicht der letzte, der damit Probleme haben wird. Kommunen, die — unbedarft oder böswillig — über Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Chris tian Abwassergebühren und „sonstige Feinheiten" den rt. Müller (Zittau) das Wo Betrieben das Leben schwermachen. Die Forderun- gen der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie, an die Politik formuliert in der Textilkonferenz hier in Christian Müller (Zittau) (SPD): Herr Präsident! Bonn, sind kein utopischer Katalog, sondern eine Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Grundlage für die nackte Existenzsicherung. Debatte hat wahrhaftig einen sehr ernsten Hinter- Herr Präsident, ich möchte in meiner reichlich grund; denn die schwierige Situation in der deutschen bemessenen Redezeit auf zwei Punkte eingehen: Textil- und Bekleidungsindustrie bet rifft trotz völlig erstens auf die krassen Wettbewerbsverzerrungen in anderer Verläufe in den Schrumpfungs- und Struktur- der EG auf Grund unterschiedlicher Umweltschutzan- änderungsprozessen ost- und westdeutsche Unter- forderungen. Die Textilindustrie stört ja nicht die nehmen zumindest in der nächsten Zeit in ähnlicher gesetzliche Auflage an sich, sondern das äußerst Weise. Ich will auch annehmen, daß wir hinsichtlich unterschiedliche Tempo von der Verwirklichung von der gesamten Problemlage nicht allzuweit auseinan- Umweltschutzmaßnahmen in anderen Ländern, ins- derstehen, und gründe darauf meine Hoffnung, daß besondere der EG. Sie, meine Damen und Herren, unserem Antrag am Ende zustimmen werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die vorliegenden Antworten auf die Große Anfrage Es stört sie die Akribie, mit der bei uns die Maßnah- und der bereits vorangegangene Teil dieser Debatte men durchgesetzt werden — im Gegensatz zu dem haben jedenfalls die Situa tion deutlich umrissen. Ich Laisser-faire anderer L ander getreu dem Witz, den muß dies nicht noch einmal tun. Die Verantwortlichen man sich in der EG erzählt: Umweltschutzgesetze sind in der Textilindustrie, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Gesetze, die in Frankreich diskutiert, in Italien im richten folglich — zu Recht — mit dem Verweis auf den Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14095

Christian Müller (Zittau) uns vorliegenden Zehn-Punkte-Katalog, der auf der dieser Region auch aus diesem Grunde nur noch ein deutschen Textil- und Bekleidungskonferenz am Museumsexponat sein könnte. 22. März hier in Bonn beschlossen wurde, ihre Forde- Bedenken Sie außerdem, daß sich die Lebenshal- rungen an uns. Dies ist ein klarer Auftrag für die tungskosten von denen im Westen kaum noch unter- Regierung, sich in den internationalen Verhandlun- scheiden, so daß eigentlich ein schneller Lohnanpas- gen mit Nachdruck einzusetzen und a lles Vernünftige sungsprozeß erforderlich wäre, der aber wegen der zu unternehmen, uni möglichst viele der verbliebenen Umsatz- und Investitionslage nicht ge tragen werden Arbeitsplätze in der deutschen Textil- und Beklei- kann. dungsindustrie zu sichern, ihren Strukturwandel aktiv zu begleiten und zu unterstützen. Die Summe dieser schwerwiegenden Probleme ist jedenfalls für mich der Anlaß, an dieser Stelle die Aus regionaler Sicht gibt es allerdings noch einige Regierung aufzufordern, zusätzlich auch die Bereit- bedenkenswerte Besonderheiten. Die unmittelbare stellung zeitlich begrenzter, degressiv gestalteter Nachbarschaft von Niedriglohngebieten führt derzeit Lohnkostenzuschüsse in Erwägung zu ziehen, deren in Bayern — in Hof ebenso wie weiter südlich — zum Gewährung an die Bereitstellung von Ausbildungs- Verlust von Arbeitsplätzen durch Abwanderung. Die- plätzen gebunden sein könnte. So etwas soll es schon ser Vorgang ist für ehemalige Zonenrandgebiete gegeben haben. besonders schmerzlich. Allerdings kann dies wohl nicht verhindert, aber mit dem Ziel eines begleitenden (Beifall bei der SPD) Strukturwandels hin zu zukunftsträchtigen Arbeits- Dies könnte in dieser schwierigen Lage vielleicht eine plätzen verträglich gestaltet werden. Dies ist nach- wirkliche Hilfe für die ostdeutsche Textil- und Beklei- drücklich zu fordern. dungsindustrie sein. Noch düsterer zeigt sich bekanntlich das Bild der Vielen Dank. Textil- und Bekleidungsindustrie im Erzgebirge, im (Beifall im ganzen Hause) Vogtland, in der Lausitz, in Ostdeutschland schlecht- hin. Ich habe extra noch einmal nachgeschlagen: Es gab 1989 laut Statistischem Jahrbuch in der Tat Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- 320 000 Textil- und Bekleidungsarbeitsplätze in Ost- geordneter Reichenbach, Sie haben das Wo rt. deutschland. Ich erwähne es absichtlich: Davon waren 250 000 Frauenarbeitsplätze. Die Zahl der möglicher- weise verbleibenden Arbeitsplätze wurde hier von Klaus Reichenbach (CDU/CSU): Herr Präsident! meinen Vorrednern schon erwähnt: seien es 30 000, Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist vieles seien es 35 000 Arbeitsplätze. gesagt worden; ich möchte das nicht wiederholen. Dies ist, gemessen an den sonst üblichen Zeiträu- Deswegen komme ich ganz konkret zu den Gründen, men, in denen Strukturänderungen ablaufen, wohl warum die deutsche Textilindustrie zwar leiden muß, wirklich eine Katastrophe. Hat sie jeder wahrgenom- aber die ostdeutsche Textilindustrie aber sogar vor men? Allein in der relativ kleinen Oberlausitz kann einer Katastrophe steht und wie sie in diese Katastro- dies an der Zahl von 5 000 verbliebenen Arbeitsplät- phe geraten konnte. zen von einstmals 30 000 festgemacht werden. Zu Zur Verdeutlichung: Die ostdeutsche Textilindu- befürchten ist, daß auch dies nur eine Momentauf- strie hatte in der DDR eine Akkumulationsrate, die nur nahme ist. gestattet hat, zum Großteil alte Maschinen hoch zu Die Zukunft der noch in Treuhandbesitz befindli- bewerten und dann weiter zu betreiben. Wir hatten chen Unternehmen wird deutlich davon abhängen, ein Produktivitätsniveau, was in keiner Weise mit welchen Verlauf und Erfolg aktive Sanierungsmaß- dem westlichen Standard vergleichbar war. nahmen haben werden. Auch sanierungsfähige ost- Die Kombinatsbildung hatte für die Textilindustrie deutsche Bekleidungs- oder Textilunternehmen sind eine inflexible, unproduktive Produktionsstruktur zur industrielle Kerne und benötigen Zeit, um eine Folge, die völlig ungeeignet ist, modische Sachen zu Chance zu haben, wettbewerbsfähig zu werden. produzieren, auf Marktänderungen schnell zu reagie- ren. (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Die Preisbildung auf dem Weltmarkt wurde durch der F.D.P.) DDR-Preise, durch Umwertung in Valuta völlig ver- dorben. Wir haben dort eine D-Mark oder eine Anzumerken verbleibt, daß sich die ostdeutschen Valuta-Mark mit 4,65 DDR-Mark berechnet. Unternehmen trotz aller Ähnlichkeiten in der gesamt- deutschen Problemlage einem radikalen Preiskampf Die schlechten Rohstoffe haben uns zu einer mit den westdeutschen Unternehmen ausgesetzt schlechten Qualität unserer Produkte in der damali- sehen, der ohne zusätzliche Hilfen kaum zu verkraften gen DDR geführt. Last, not least: eine Planwirtschaft ist, und daß es trotz des an sich sehr vernünftigen nach dem Modell von Günter Mittag war nur an Absatzförderungsprogramms des Bundeswirtschafts- Mengen orientiert und hat die Qualitätsarbeit völlig ministeriums noch immer Benachteiligungen auf kaputtgemacht. Messen gibt. (Zuruf von der SPD: Gerald Götting!) Meine Damen und Herren, es gibt beispielsweise in — Nicht Götting, sondern Mittag. Mittag war für die der Oberlausitz nach jüngsten Recherchen der DDR-Wirtschaftspolitik zuständig, liebe Kollegin. Betriebsräte kaum noch einen Ausbildungsplatz. Falls Sie das nicht wissen sollten, müssen Sie es Damit besteht die Gefahr, daß die Traditionsindustrie nachlesen. 14096 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Klaus Reichenbach Ich möchte ganz deutlich sagen: Nach der Wende Die Altschulden sind als betriebsfremde Schulden war die Textilindustrie mit einem Male einer interna- vom Staat zu tragen. Reprivatisierer sind den Privati- tionalen Konkurrenz schutzlos ausgeliefert. Der sierern gleichzusetzen. Das Entschädigungsgesetz nachfolgende Zusammenbruch, der sich in der west- darf in der Textilindustrie nicht dazu führen, daß deutschen Textilindustrie von 1970 bis 1992 hinzog, Reprivatisierer mit Entschädigungsleistungen in den hat sich in den neuen Bundesländern in anderthalb bis Entschädigungsfonds zahlen müssen. zwei Jahren abgespielt. Es ist noch viel dramatischer, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) denn im Prinzip sind nur noch 10 bis 15 % dieser ehemaligen Textilindustrie übrig geblieben. Die Unternehmen müssen auch wirksame Unter- stützungen bei Bildung von Eigenkapital — das ist Ich komme aus Chemnitz und habe bis 1988 in der eine ganz dringende Aufgabe — und bei der Auf- Textilindustrie gearbeitet. Für mich ist es erschüt- nahme von Fremdkapital erhalten. Das betrifft Repri- ternd, daß die Frauen, die mit Abstand die härteste vatisierer sowie MPO-, MPI-Unternehmen und auch Arbeit leisten mußten, jetzt dafür belohnt werden, Privatisierer in den neuen Bundesländern. indem sie im Prinzip keine Arbeit mehr haben, obwohl sie gern arbeiten würden. Es darf nicht mehr sein, daß Banken bei Unterneh- men mit größerer Risikobereitschaft den bis dreifa- (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!) chen Betrag der üblichen Sicherheiten gegenüber den Aus diesem Grunde ist es dringend notwendig, daß westlichen Bundesländern verlangen. Bundesregierung, die Landesregierungen und auch (Beifall im ganzen Hause) die Tarifparteien gemeinsam überlegen, wie der Tex- Der einzubringende Eigenkapitalbetrag sollte ge- tilindustrie in Deutschland geholfen werden kann. senkt werden, und die vorhandenen Förderpro- Verschiedene Punkte sind bereits genannt worden; gramme müssen besser genutzt werden und vor allen ich möchte sie nicht wiederholen. Dingen effektiver gestaltet sein. Die Länderregierun- Die Strukturveränderung in der Textilindustrie gen müssen noch wirksamer mit Landesbürgschafts- bedeutet aber auch, daß wir bedenken sollten: Es gibt programmen dafür die Unterstützung leisten. für den Textilstandort Deutschland wahrscheinlich Für sanierungsfähige Treuhandunternehmen muß auf Dauer nur noch für hochinnovative, technologisch alles getan werden, damit ihr Überleben gesichert ausgestattete und hochproduktive — also für teure — wird. Es muß eine aktive Sanierungsbegleitung in Arbeitsplätze eine Chance. dieser Richtung geben. Lohnintensive Produktionen, gerade in der Kon- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. fektionsindustrie, werden auf Dauer ausgelagert. Die sowie bei Abgeordneten der SPD) Konkurrenz ist ganz in der Nähe: In der Tschechei Dabei ist zu gewährleisten, daß den Unternehmen wird für 1 DM pro Stunde gearbeitet, in Deutschland eine vertretbare Zeitschiene eingeräumt wird, um ihre zwischen 8 und 12 DM pro Stunde. Dieses wird zu Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Es darf nicht so Arbeitsplatzveränderungen führen, die wir in der sein, daß überlebensfähige Betriebe von Liquidatoren Textilindustrie angehen und akzeptieren müssen. beseitigt werden. Deswegen bin ich dafür, die Kooperationsleistungen lohnintensiver Betriebe nach Osteuropa zu verlegen, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. um damit gleichzeitig eine Doppelwirkung zu errei- sowie bei Abgeordneten der SPD) chen: Nämlich zum einen unsere Kostenstruktur zu Die ursprüngliche Vereinbarung von Breuel und entlasten und zum anderen in Osteuropa beizutragen, Schommer, speziell für Sachsen, muß auch auf die daß sich dort ein Markt entwickelt, mit dem wir auch anderen Ostländer übertragen werden. Die Förderin- handeln können. strumente von der Landesregierung für die Treuhand sollten schnellstens in Gang gesetzt werden. Die Wir sollten auf unseren Gebieten auch viel intensi- Vergabe öffentlicher Aufträge an die Textilindustrie ver die Möglichkeit der Forschung und der Innova tion in den neuen Bundesländern muß sich wesentlich der Textilindustrie nutzen. Ich glaube, da sind Reser- verbessern. Das möchte ich ganz deutlich betonen. ven vorhanden. Die Zusagen, die Unternehmen geleistet haben für Lassen Sie mich zum Schluß auf einen B rief vom die Listung von entsprechenden Erzeugnissen aus den 24. Mai 1993 vom Verband der Norddeutschen Tex- neuen Bundesländern müssen auch end lich wirksam tilindustrie verweisen, dessen wich tigste Forderun- eingefordert werden. gen ich hier voll unterstützen möchte: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Rahmenbedingungen müssen weiter für die neuen Bundesländer zur Industriestandortsicherung verbessert werden. Zum Ausgleich vorhandener Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- Standortnachteile müßten zusätzliche Lösungen ge- geordneter, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, funden werden. Das Modell der Wertschöpfungsprä- daß Ihre Redezeit schon deutlich überschritten ist. ferenz ist dafür im Prinzip hervorzuheben. Privatisierung und Reprivatisierung noch vorhan- dener Treuhandunternehmen sind weiter zu forcieren Klaus Reichenbach (CDU/CSU): Ich komme zum und zu unterstützen. Die Treuhandanstalt müßte Schluß. MPO- und MPI-Interessenten durch günstigere Kon- Die Landesregierung sollte sich dafür einsetzen, ditionen gewinnabhängige Kaufpreiszahlungen ge- daß die Bundesregierung für die be troffenen neuen währen. Länder — Thüringen, Brandenburg und Sachsen — Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14097

Klaus Reichenbach die Aufnahme in das Retex-Programm der EG voll- sion abgeleitet worden sind, ist ein sehr kontinuierli- zieht. cher Weg gegangen worden, der aufzeigt, wie verant- Meine Damen und Herren, ich möchte Sie daran wortlich das Parlament mit der Gentechnik und mit erinnern: Die Textilindustrie ist nicht nur Arbeitgeber, der Regelung der Anwendung umgegangen ist. die Textilindustrie ist ein deutsches Kulturgut, das sich Wir kommen heute zu einer Novellierung des Gen- jetzt in einer gefährdeten Situation befindet. Helfen technikgesetzes, das wir vor einigen Jahren verab- Sie mit, daß die deutsche Kultur auch im Textilbereich schiedet haben. Wir wissen, daß aus den be troffenen in Deutschland für unsere weiteren Generationen Häusern ein großes Engagement für eine Novellie- erhalten bleibt. rung des Gentechnikgesetzes da ist. Der Minister für Ich danke Ihnen. Forschung und Technologie, Paul Krüger, hat mir vor (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) einigen Tagen noch einmal ausdrücklich gesagt, daß er großen Wert darauf legt, daß wir im Interesse der Weiterentwicklung unserer Wissenschaft zu einer Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine Novellierung kommen. Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wort- meldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache und Wir alle wissen durch die Vorarbeiten für dieses komme zur Abstimmung über den Entschließungsan- Gesetz und durch die Erweiterung dieses Gesetzes, trag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. auf mit welchem Engagement der Minister für Gesund- Drucksache 12/5154. Wer stimmt diesem Entschlie- heit, Herr Seehofer, diese Problematik aufgegriffen ßungsantrag zu? — Wer stimmt dagegen? — Enthal- hat tungen? — Dann ist dieser Entschließungsantrag mit (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. bei Ent- haltung des restlichen Hauses angenommen. und sie im Interesse unserer Poli tik weitergeführt hat. Der Ältestenrat, meine Damen und Herren, schlägt Ihnen vor, die Überweisung des Antrags der Frak tion Es ist ein schwieriges Feld. Ich glaube, daß die der SPD auf Drucksache 12/4919 an die in der weitere Be treuung der Gentechnik im Hause von Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überwei- Herrn Seehofer richtig angesiedelt ist und mit hoher sen. Sensibilität für die unterschiedlichen Fragen behan- Sind Sie damit einverstanden, oder gibt es weitere delt wird. Herzlichen Dank, daß Sie so schnell unsere Vorschläge? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Wünsche, die wir im November vorgetragen haben, Dann ist das so beschlossen. umgesetzt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 17 der Tagesordnung auf: Es hat hier in diesem Hause immer eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung über diese Fragen Erste Beratung des von den Frak tionen der gegeben. Ich spreche da ganz bewußt auch die CDU/CSU und der F.D.P. eingebrachten Ent- Kolleginnen und Kollegen von der SPD an. Wenn wir wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gen- nicht gemeinsam alle diese Fragen aufgegriffen und technikgesetzes zu einer Lösung geführt hätten, dann wären wir heute — Drucksache 12/5145 noch nicht so weit. Das wissen wir. Die Akzeptanz in —Überweisungsvorschlag: der Bevölkerung ist eine ganz wich tige Vorausset- Ausschuß für Gesundheit (federführend) zung dafür. Wir können hier zwar Gesetze beschlie- Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft ßen, wenn diese dann aber nicht die Akzeptanz in der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bevölkerung finden, dann werden diese Gesetze auch Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenab- nicht den Erfolg haben, den wir uns davon verspre- schätzung chen. Das wiederum ist nur möglich, wenn wir auch in EG-Ausschuß den wichtigen Fragen mit der Opposition, in diesem Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattenzeit von Fall mit der SPD, zusammenarbeiten. einer Stunde vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das Ich hoffe, daß dies auch bei der Beratung dieser offensichtlich der Fall. Novellierung der Fall sein wird. Die Signale sind sehr Ich erteile zunächst dem Abgeordneten Dr. Hans- gut. Ich denke, wir werden bis Ende des Jahres zu Peter Voigt das Wort. einem sehr positiven Ergebnis kommen. Lassen Sie mich aber vorab, bevor ich auf das Dr. Hans-Peter Voigt (Northeim) (CDU/CSU): Herr Gesetz noch etwas näher eingehe, einige Bemerkun- Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! gen zu der Fundamentalopposition, die es ja auch Zu Beginn dieser Debatte über die erste Novellierung gibt, machen. des Gentechnikgesetzes lohnt es sich, auf die ver- (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ schiedenen Stufen zurückzublicken, die wir im Zuge CSU]: Leider!) eines Technikfolgenabschätzungsprozesses mit der Regierung bzw. mit dem Parlament in den letzten Sie ist trotz der intensiven Beratung, trotz der Sensi- Jahren gegangen sind. Über die Erlassung von ZKBS- bilität, die alle Politiker entwickelt haben, nach wie Richtlinien, die Einsetzung einer Enquete-Kommis- vor da und belastet uns in der öffentlichen Diskussion; sion bis hin zu der Verabschiedung der verschiedenen einfach aus folgendem Grunde, weil gerade die Gesetze, die aus dem Be richt der Enquete-Kommis- Medien diese wenigen, abnehmenden Stimmen ern- 14098 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Dr. Hans-Peter Voigt (Northeim) ster nehmen als die ernsthafte Auseinandersetzung, Die Verkürzung der Genehmigungs- und Anmel- die wir hier führen. defristen unter gleichzeitiger Beibehaltung — ich glaube, wir sollten das immer wieder erwähnen — des (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) hohen Sicherheitsstandards zum Schutz der Men- Der Philosoph und Aphoristiker Lichtenberg hat schen und der Umwelt sind aus diesem . Grunde einmal geschrieben, daß sich der Mensch dadurch dringend erforderlich. vom Tier unterscheide, daß er mit Absicht schielen könne. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der Die deutsche Wissenschaft in Industrie, Universität F.D.P.) und Großforschungseinrichtungen kann sich auf Grund einer vernünftigen Förderungspolitik der letz- Eine weitere Teilantwort auf die Frage nach dem ten Jahrzehnte im internationalen Vergleich messen Unterschied zwischen Mensch und Tier besteht da rin, lassen. Wir müssen aber dafür sorgen, daß das auch in daß sich der Mensch von allen anderen Lebewesen Zukunft so ist und daß nicht nur die Großforschungs- dadurch unterscheidet, daß er Phantasie entwickeln einrichtungen, die es natürlich wesentlich leichter kann. Es ist diese ausschweifende Phantasie, die die haben, mit der Bürokratie umzugehen, profitieren, Gentechnik mit Szenarien ausgestattet hat. Alles sondern wir müssen dafür sorgen, daß auch die Denkbare wird gedacht. kleineren Forschungseinheiten, vor allem die Univer- Das Wichtigste an dieser Feststellung ist jedoch, daß sitäten, in der Lage sind, das zu bewältigen; denn der Schritt vom Denkbaren zum Machbaren oft sehr gerade — wenn wir das noch einmal aufgreifen, was groß, manchmal unvollziehbar, häufig unsinnig und Herr Mayer vorhin gesagt hat — im Bereich der daher nicht zweckmäßig ist. Im Bereich der Gentech- medizinischen Forschung haben wir sehr viele kleine nik spielt die Phantasie eine ausgesprochen große Einheiten, die an der Universität in kleineren Grup- Rolle und führt dazu — wie ich es eingangs mit einer pen arbeiten und die wesentlich stärker gehemmt Bemerkung von Lichtenberg angedeutet habe —, daß sind, weil sie einfach nicht den großen Apparat haben, der Mensch nicht mehr geradeaus, sondern bewußt in um damit umzugehen. verschiedene Richtungen schaut, und das häufig Darüber hinaus gibt es einen anderen Punkt — ich gleichzeitig. habe auch das hier am 12. November schon gesagt, Meine sehr verehrten Damen und Herren, so viel zu und ich bleibe dabei, weil ich ihn für sehr wichtig der Opposition, die uns in den nächsten Tagen begeg- halte —, nämlich das Grundverständnis des Umgangs nen wird. Sie wird lautstark unsere Diskussionen hier mit dieser Technologie, so daß die Studenten der begleiten. Diese Opposition wird ein ganz anderes Medizin und der Naturwissenschaften schon während Gehör finden, als dies meiner Meinung nach der ihrer Ausbildung ohne bürokratische Hemmnisse mit Situation entspricht. dieser Technik konfrontiert und an ihr ausgebildet werden; denn nur so können sie die Beherrschbarkeit Der Entwurf, den wir Ihnen vorlegen, den wir jetzt in dieser Technik erfahren, mit ihr vertraut werden und den nächsten Tagen beraten wollen, basiert auf zwei sie dann auch wirklich hinterher im besten und im Grundeinstellungen. Zum einen glauben wir, daß wir positivsten Sinne nutzen. Aus diesem Kreis rekru tiert verpflichtet sind, den Bürger in seinen Angsten ernst sich hinterher unser wissenschaftlicher Nachwuchs, zu nehmen, daß wir aber zum anderen die gleiche den wir für die Zukunft für den Standort Bundesrepu- Verpflichtung gegenüber dem Wirtschafts- und Wis- blik Deutschland dringend brauchen. senschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland ha- ben. Zwischen beiden Positionen müssen wir einen Ich möchte auch erwähnen, daß mit diesem Gesetz- Ausgleich herbeiführen. entwurf natürlich nur ein Teil der Wünsche erfüllt werden konnte, die wir damals im November aufge- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — stellt haben, weil eben die EG-Richtlinien gegen eine Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ weitere Novellierung des Gentechnikgesetzes spre- CSU]: Und gegenüber den Kranken!) chen. Wir sind sehr dankbar, daß die Bundesregierung — Ja, ich nehme die Bemerkung des Kollegen Mayer bereit ist, unsere Fragen aufzugreifen und sie auf gern auf: und gegenüber den Kranken, wenn wir die EG-Ebene zu diskutieren, um da in Umsetzung — ich Anwendung der Gentechnik gerade im Bereich der interpretiere das jetzt einmal etwas großzügig — der künftigen medizinischen Versorgung sehen wollen. Maastrichter Beschlüsse zur Deregu lierung den ersten Schritt zu gehen, damit wir auch aus den Wir haben am 12. November den Beschluß einge- EG-Richtlinien heraus dann ein weiteres Signal bracht und — ich sagte es eingangs schon — sehr sehr bekommen, unsere Bedingungen in der Bundesrepu- schnell umgesetzt. Heute liegt dieser Gesetzentwurf blik Deutschland im Gentechnikgesetz weiter zu vor, der Erleichterung schaffen soll, der bürokratische lockern. Vertretbar ist es in jedem Fa ll. Die Risikobe- Hemmnisse abbauen soll, der Antragszeiten verkür- herrschung ist möglich. Von daher würde ich einer zen soll und der im Grunde genommen den Umgang weiteren Lockerung unter diesen Voraussetzungen mit dem Gentechnikgesetz für die Zukunft so gestal- zustimmen. ten soll, daß es für Unternehmen attraktiv bleibt, in der Bundesrepublik Deutschland zu investieren — oder Wir müssen anerkennen, daß wir hier bis an die wieder wird, wenn man die eine oder andere Presse- Grenzen dessen gegangen sind, was uns das EG- mitteilung aus den letzten Tagen richtig interpre- Recht vorgibt. Von daher sollten wir auch sehr dank- tiert. bar sein, daß seitens des verantwortlichen Ministeri- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14099

Dr. Hans-Peter Voigt (Northeim) ums alles ausgelotet worden ist, um das zu erreichen, Dr. Hans-Peter Voigt (Northeim) (CDU/CSU): Einen was wir jetzt hier vor uns liegen haben. fairen Umgang bei der Beratung wünsche ich mir. Ich (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) bin sicher, daß die Opposition uns das gewähren wird. Ich möchte nur einige Punkte erwähnen, die meiner Meinung nach dringend auf EG-Ebene geändert wer- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) den müssen. Das ist zum einen der Umgang mit den niedrigen Sicherheitsstufen. Bei uns ist dies die Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Fast hätte Sicherheitsstufe 1. Es ist wichtig, daß wir hier noch zu er es geschafft. einer weiteren Deregulierung kommen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das war der Apo Zum anderen ist dies der völlig unsinnige kleine thekerzuschlag! — Heiterkeit) Maßstab als Begrenzungseinheit zwischen Forschung Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Wolf und Produktion. Michael Catenhusen das Wo rt. Weiter erwähne ich die Frage der Freisetzung. Wenn ich etwas Zeit habe, komme ich gleich noch Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Herr Präsident! einmal darauf zu sprechen. Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt Ich glaube, hier gibt es Dinge, die ganz schnell grundsätzlich die Vorlage eines Entwurfs zur Novel- aufgegriffen werden sollten und die im Sinne dessen, lierung des Gentechnikgesetzes durch die Bundesre- was ich soeben formuliert habe, dann auch umgesetzt gierung; denn damit wird der Weg frei gemacht zu werden sollten. einer konkreten, an der Lösung oder Erleichterung Ich habe noch eine Bitte. Herr Präsident, ich hatte, praktischer Probleme im Vollzug orientierten Ände- glaube ich, eine Redezeit von zwölf Minuten. Sie rung des Gentechnikgesetzes. Eine solche Änderung haben mir nur zehn zugeteilt. Vielleicht geben Sie mir ist auch für uns notwendig. noch zwei Minuten. Das Gentechnikgesetz hat einen hohen Sicher- heitsstandard in Deutschland festgeschrieben. Es hat zu mehr Rechtssicherheit beigetragen; das sollten wir Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das ist ein Problem, das Sie mit Ihrer Fraktion klären müssen. Ich im Rückblick auf die 80er Jahre nicht vergessen. Wir gebe Ihnen so viele Minuten Redezeit, wie Sie haben sind aber auch mit einem Verwaltungsaufwand und wollen; es geht nur auf Kosten Ihrer Kollegen. mit Zeitabläufen bei Genehmigungsverfahren kon- frontiert worden, die nicht immer den Schutzzielen des Gesetzes angemessen gewesen sind. Bei den Dr. Hans-Peter Voigt (Northeim) (CDU/CSU): Gut, Novellierungsvorschlägen gibt es zwischen dem mein Vorsitzender hat gesagt, ich soll mich jetzt Regierungsentwurf und den Zielsetzungen meiner kurzfassen. Das mache ich dann sehr gerne. Ich mache Fraktion durchaus eine Übereinstimmung in einer nur noch eine Bemerkung. Reihe von Punkten. Ich nenne beispielsweise: - Wir sollten bei der Beratung über das Gentechnik- Wir begrüßen es, daß der Novellierungsvorschlag gesetz noch einmal einen Punkt diskutieren, weil er vom geltenden EG-Recht ausgeht. Denn wer die sich in den letzten Tagen im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Industrie Anhörungen zu Freisetzungsexperimenten im Früh- in der Gentechnik in Deutschland kurzfristig und auf jahr ergeben hat. Diesen Punkt kannten wir damals, sicherer Grundlage verbessern will, muß diesen Weg als wir im November darüber gesprochen haben, noch gehen. nicht. Wir sollten uns noch einmal darüber unterhal- Wir werden auch an einer Erleichterung mit dem ten, ob wir nicht bei der Öffentlichkeitsbeteiligung Umgang der Gentechnik vor allem bei Vorhaben der und beim Anhörungsverfahren den Erörterungster- Sicherheitsstufe 1 in Forschung und Produktion mit- min fallen lassen können, weil er eben einfach die wirken. Hier geht es natürlich auch um die Frage der Möglichkeit gibt, einen Prozeß der Entscheidung des Verkürzung der bisher im Gesetz vorgesehenen Fri- BGA, wo es ja einen Rechtsanspruch gibt, zu verzö- sten. Bei gentechnischen Arbeiten der Sicherheits- gern und das Bundesgesundheitsamt unter Umstän- stufe 2 wollen auch wir einen Verzicht auf die Ein- den sehr stark überfordert ist, wenn es alle diejenigen schaltung der zentralen Gutachterkommission in dem Anträge, die wir in Zukunft erhoffen, in der gleichen Fall, daß eine vergleichbare gentechnische Arbeit Form mit sehr komplizierten Anhörungen behandeln schon einmal bewertet worden ist. Die Schwierigkeit soll, wie das früher der Fall war. wird sein: Wer soll prüfen, was eine vergleichbare Zum Schluß: Ich glaube, daß die Wissenschaft und Arbeit ist? Muß man nicht vielleicht doch zweckmäßi- die Industrie es gelernt haben, mit dem Gentechnik- gerweise das Bundesgesundheitsamt an einer solchen gesetz umzugehen, daß sie es verantwortlich machen, Entscheidung beteiligen, um eine bundesweit ein- daß sie sich bereitwillig eingebunden haben in die heitliche Ausfüllung des Begriffs der Vergleichbarkeit Forderung der Politik, Regeln zu akzeptieren, und daß sicherzustellen? sie das auch in der Zukunft tun werden, daß sie aber Auch wir treten für Veränderungen bei den Haf- dort, wo vertretbar — — tungsregelungen ein. Auch wir meinen, daß Haf- tungsregelungen künftig an den Betrieb eines gen- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Lieber technischen Labors oder einer Produktionsanlage Herr Dr. Voigt, die Ankündigung, zum Schluß zu gebunden sein müssen. kommen, ersetzt nicht denselben. Es geht also an vielen Punkten um konkrete Novel- (Heiterkeit — Zuruf von der F.D.P.: Er macht lierungsentscheidungen von unmittelbar praktischer das aber geschickt!) Bedeutung, bei denen wir den bürokratischen Auf- 14100 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Wolf-Michael Catenhusen wand senken und zeitliche Fristen verkürzen können, internationalen Konventionen auch vom Militär finan- ohne den hohen Sicherheitsstandard im Umgang mit zierte oder in Militärlabors durchgeführte gentechni- der Gentechnik in Deutschland abzusenken. Die sche Forschung unterbleibt. Wir möchten keine gen- Novellierung des Gentechnikgesetzes soll nach unse- technische Forschung in der Grauzone militärischer rer Vorstellung aber auch etwas mehr Transparenz im Geheimhaltung. Umgang mit der Gentechnik in Deutschland schaffen (Beifall bei der SPD) und nicht zu einem breiten Abbau von Öffentlichkeits- beteiligung, vor allem nicht bei Produktionsvorhaben Es geht bei der Überarbeitung des Gentechnikge- der Sicherheitsstufe 2, führen. setzes auch um weitere, sehr praxisrelevante Fragen, Leider hat die Bundesregierung ihre ursprüngliche wie die einer eindeutigen Regelung, daß der Beauf- Absicht, unserem Wunsch zu folgen und wie in tragte für die biologische Sicherheit in einem Unter- Frankreich, Großbritannien und in den Niederlanden nehmen oder in einem Forschungslabor nicht nur den ein für jedermann zugängliches bundesweites Regi- Arbeitgeber oder die Wissenschaftler, sondern auch ster über Genehmigungen zu Vorhaben höherer die Personalvertretung in Fragen biologischer Sicher- Sicherheitsstufen und zu Freisetzungen im Rahmen heit zu beraten hat. Darauf legen verständlicherweise des Gentechnikgesetzes vorzugeben, vorerst aufge- die Gewerkschaften großen Wert. Darüber werden geben. Wir bedauern diese Entscheidung. Wir halten wir sicherlich in den Ausschußberatungen reden kön- nach wie vor die Einführung eines solchen Registers nen. für zweckmäßig. Es lassen sich Fragen des Daten- Wir wissen, daß die Novellierung des Gentechnik- schutzes und der Wahrung von Geschäftsgeheimnis- gesetzes allein nur zum Teil die aufgetretenen Pro- sen nach unserer Auffassung sehr gut mit diesem bleme im Gesetzesvollzug wird lösen können. Wir Gedanken verbinden. erwarten deshalb, daß mit etwas anderem Tempo als Wenn es richtig ist, daß wir Defizite im gesellschaft- bisher die Bundesregierung zeitgerecht zur Verab- lichen Diskurs um die Gentechnik haben, dann wäre schiedung dieses Gesetzes ausstehende Rechtsver- doch zu bedenken, ob nicht etwas mehr Transparenz ordnungen, etwa die zu Haftungsfragen, erläßt und gegenüber der Öffentlichkeit und ein Verzicht auf eine Überarbeitung vor allem der Gentechnik-Sicher- einen starken Abbau von Öffentlichkeitsbeteiligung heitsverordnung vornimmt, damit auch auf dieser durchaus einen sinnvollen Beitrag auch zur Versach- Ebene die vielen praktischen Fragen im Gesetzesvoll- lichung öffentlicher Debatten um das Für und Wider zug auf Vordermann gebracht werden können. der Gentechnik leisten kann. Seit der Aufdeckung von Vollzugsmängeln beim Gentechnikgesetz durch unsere Anhörung im letzten Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Die Kolle- Jahr im Deutschen Bundestag sind natürlich erkenn- gin Dr. Fischer möchte eine Zwischenfrage stellen. bare Verbesserungen in der Genehmigungspraxis vieler Länder erfolgt. Es werden auch weitere Verbes- Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Bitte. serungen vorbereitet. Die durchschnittliche Bearbei- tungsfrist in den Ländern ist erkennbar gesunken, Dr. Ursula Fischer (PDS/Linke Liste): Herr Kollege, ohne daß wir damit immer schon zufrieden sein ich habe nur eine ganz kurze Frage an Sie. Sind Sie können. Ich denke aber, daß nur durch eine Fortset- nicht der Meinung, daß die Federführung besser im zung praktischer Bemühungen auf Länderebene um Ausschuß für Forschung, Technologie und Technik- eine straffere, sachlich qualifizierte und schnellere folgenabschätzung aufgehoben wäre? Warum sind Genehmigungspraxis unsere gemeinsamen Bemü- Sie der Meinung, daß dieses Thema besser im hungen um die Novellierung des Gentechnikgesetzes Gesundheitsausschuß aufgehoben ist? auch die erwünschten praktischen Ergebnisse im Vollzug selbst haben werden. Ich denke, wir sind uns Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Diese Entschei- darin einig, im Appell an die Länder diesen Weg dung ist von der Bundesregierung, ich glaube 1987, weiterzugehen. getroffen worden. Von der Öffentlichkeit und von Wissenschaft und (Zuruf von der CDU/CSU: Das war eine sehr Industrie wird durch die Novellierung auch ein Zei- kluge Entscheidung!) chen für die Zukunft der Gentechnik in Deutschland Die Fraktionen bemühen sich, durch personelle Ver- erwartet. Wir brauchen eine leistungsfähige biomedi- zahnung beider Ausschüsse dieser Problematik prak- zinische Grundlagenforschung, die immer stärker auf tisch gerecht zu werden. die Methoden der modernen Biologie einschließlich der Gentechnik angewiesen ist. Wir sollten alles tun, (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der den sich anbahnenden gesellschaftlichen Konsens F.D.P.) über die Unverzichtbarkeit der Nutzung der Gentech- Wir Sozialdemokraten plädieren auch weiterhin für nik auch in der Medizin und bei der Medikamenten- die Aufnahme eines Verbots der Forschung und herstellung zu stärken. Ich bin zuversichtlich, daß die Nutzung der Gentechnik zu militärischen Zwecken. Zeit in Deutschland vorbei ist, in der die Verhinderung Chemische und biologische Waffen können sich in der Produktion von Medikamenten unter Nutzung der Zukunft vor allem als Massenvernichtungswaffen Gentechnik das Ziel von Aktionen großer Bürger- ärmerer Lander anbieten. Die Gentechnik könnte initiativen sein konnte. schon auf die Dauer dazu beitragen, die Selbstab- schreckungswirkungen der in der Natur befindlichen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) biologischen Waffen durch gentechnische Korrektu- Auch hier bleibt allerdings der Politik die Aufgabe, ren aufzuheben. Wir möchten, daß im Unterschied zu durch Rahmensetzungen den Schutz von Mensch und Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14101

Wolf-Michael Catenhusen Umwelt da, wo dies erforderlich ist, sicherzustellen. Ein Grundkonsens, der bei der Atomkraft undenkbar Ich vergesse allerdings bei dieser Standortdiskussion schien, zeichnet sich ab: „Gentechnik ist nicht immer nicht, daß die deutsche chemische und pharmazeuti- gefährlich und nicht immer unnütz. " Das Ja oder Nein sche Industrie ihre s trategischen Entscheidungen, zur Gentechnik könnte also überwunden werden. Es verstärkt in den USA Forschung, Entwicklung und gibt auch bei uns Bereiche, in denen sich Akzeptanz Produktion zu be treiben, bereits in den 80er Jahren verbreitet. getroffen hat. Offenkundig stehen dahinter global Meine Damen und Herren, wir wollen also mit der orientierte Unternehmensstrategien und bis heute Novellierung des Gentechnikgesetzes praktische anhaltende Abhängigkeiten vom Know-how in den Erleichterungen voranbringen. Ein Startsignal zu USA, das sich dort in nahezu 1 000 Gentechnikfirmen einem weltweiten Deregulierungswettlauf auf Kosten ballt. Von 1982 bis 1991 kam es allein zu 45 Biotech- der Sicherheit würde aber in Deutschland leicht nologieallianzen zwischen deutschen Unternehmen wieder zu neuen Grabenkämpfen und Glaubenskrie- und amerikanischen Partnern. „Access to technolo- gen führen. Die Schutzziele des Gentechnikgesetzes gies", der Erwerb von Technologie, ist nach wie vor sollten auch weiter unser politisches Handeln leiten. das treibende Moment auf deutscher Seite. Wir sehen Ich habe die bisherigen Aussagen von Herrn Minister das gerade wieder bei den Allianzen, die deutsche Seehofer und auch den Beitrag des Kollegen Voigt pharmazeutische Unternehmen mit amerikanischen durchaus in dieser Richtung verstanden. Wir wollen Gentechnikfirmen bei der Entwicklung der somati- realisierbare schnelle Veränderungen bei Wahrung schen Gentherapie schließen. unserer Sicherheitsstandards. Meine Damen und Herren, das hat nichts mit Wir Sozialdemokraten wollen dies aber mit mehr Technikfeindlichkeit in Deutschland zu tun, sondern Transparenz für die Öffentlichkeit verbinden und das hat etwas damit zu tun, daß diese wissenschaftli- halten nach wie vor Elemente der Bürgerbeteiligung che Entwicklung in Amerika weiter ist. Das hat auch für einen notwendigen Bestandteil einer Regulierung nichts damit zu tun, daß es bisher Genehmigungs- des Umgangs mit der Gentechnik in Deutschl and. schwierigkeiten für eine somatische Gentherapie in Wir werden in den Ausschüssen unsere konkreten Deutschland gegeben hat. Also wir sollten immer dort Novellierungsvorschläge in die Beratung einbringen. über Gesetze reden, wo sie auch wirklich Ursache Wir alle in diesem Haus sind gut beraten, dafür zu sind. sorgen, daß wir durch die Gesetzesberatung nicht Ich denke, meine Damen und Herren, wir müssen einen Rückfall in alte Glaubenskriege um die Gen- rechtliche Rahmenbedingungen überprüfen. Es geht technik bekommen, sondern daß pragmatisches Vor- aber auch um eine perspektivische Innovationsstrate- gehen auch gegenüber der Öffentlichkeit deutlich gie für die Entwicklung und Nutzung der Gentechnik macht, daß der Vorrang der Sicherheit auch nach der in Deutschland. Da ist zu fragen, ob Herr Professor Novellierung des Gentechnikgesetzes unser Handeln Gassen, einer der führenden Molekularbiologen in leitet. Deutschland, vielleicht doch etwas recht hatte, als er Schönen Dank. kurz und bündig feststellte: „In der chemisch-pharma- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der zeutischen Industrie wurden 1983 bis 1990 entschei- F.D.P.) dende Fehler im Management gemacht: zu chemisch, zu kurzfristig, zu provinziell! " — Ist da nicht doch etwas dran? Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Professor Dr. Christoph Und warum hat der Aufwuchs gentechnischer For- Schnittler das Wort. schung in Deutschland so wenig zum Prozeß der Kommerzialisierung der Gentechnik bei deutschen Unternehmen beigetragen? Wie sehen wir eigentlich Dr. Christoph Schnittler (F.D.P.): Herr Präsident! die Situation, daß allein von 1992 bis 1993 die For- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gen- schungsausgaben des Bundes für Bio- und Gentech- technikgesetz vom Juni 1990 hat sich in § 1 neben nik in den Haushaltsentwürfen um insgesamt 2 % seiner Schutzfunktion ganz ausdrücklich die Aufgabe gesenkt worden sind und daß allein zwischen dem gestellt, einen rechtlichen Rahmen auch für die För- letzten und diesem Jahr die Projektförderung in der derung der wissenschaftlichen, technischen und Gentechnik in Deutschland um über 8 % zurückge- — das wird in Zukunft dort auch expressis verbis fahren wurde? Ist das eigentlich vereinbar mit den stehen — wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gen- vollmundigen Bekenntnissen von drei Forschungsmi- technik zu schaffen. nistern hintereinander in diesem Jahr, wie wichtig die Dieses Ziel hat es leider verfehlt, und es ist heute Gentechnik für die Sicherung des Zukunftsstandortes müßig zu fragen, ob man das nicht schon damals sehen Deutschland sei? konnte. Ich bin eher geneigt, die Frage mit Ja zu (Beifall bei der SPD) beantworten. Aber das liegt vielleicht einfach daran, daß ich damals noch nicht Mitglied dieses Parlaments Ich finde, da ist eine gewisse Diskrepanz zwischen war. vollmundiger Rhetorik und praktischem Handeln. Wichtig ist vielmehr, daß auf Beschluß des Deut- Ich plädiere dafür, daß wir die Novellierung des schen Bundestages vom November 1992 gemeinsam Gentechnikgesetzes zur Stärkung des Standortes und intensiv an einer Novellierung gearbeitet wurde und nicht zum Rückfall in einen Glaubenskrieg durchfüh- daß heute nach dem Referentenentwurf ein bera- ren. Wir sind doch dabei, diesen Glaubenskrieg ein- tungsfähiger Entwurf der Koalitionsfraktionen vor- zustellen. „Capital" brachte es jüngst auf den Punkt: liegt, und zwar noch vor der Sommerpause. Ich werte 14102 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Dr. Christoph Schnittler das als ein ganz posi tives Zeichen dafür, daß Politiker Das erinnert uns daran, daß wir auch für die auch in der Lage sind, sich zu korrigieren und Pro- Anwendung der Gentechnik am Menschen natürlich bleme zu lösen, und das in einer vernünftigen Zeit. in Zukunft gesetzliche Regelungen brauchen werden, Das sollte Schule machen. meine Damen und Herren. Wir sollten uns aber dabei nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Ich glaube, wei- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne tere wissenschaftliche Erfahrungen und auch der ten der CDU/CSU und der SPD) weitere gesellschaftliche Kurs in diesem sensitiven Die Novelle enthält eine ganze Reihe von Verein- Bereich müssen einfach abgewartet werden. fachungen und Erleichterungen, die der Forschung Ganz wichtig ist für uns die vernünftige Einschrän- und der Anwendung der Gentechnik durchaus kung des Begriffs „In-Verkehr-Bringen", insbeson- beträchtlich weiterhelfen, die aber — und das ist für dere natürlich für den Probenaustausch zwischen uns besonders wich tig — die Sicherheit für Mensch Forschungseinrichtungen, wie er in der „scientific und Umwelt keineswegs beeinträchtigen und in community" notwendig und üblich ist. denen wir uns im übrigen auch mit unseren Kollegen von der SPD einig waren und einig sind, glaube Andere für dieses Feld wichtige Begriffe, wie z. B. ich. „vergleichbare gentechnische Arbeiten" oder der Begriff des „Unfalls" in Zusammenhang mit der Ich betone das sehr gerne, und es wäre eigentlich Gentechnik, sind noch nicht ausreichend definiert. schön für unser Land, wenn das auf Hauptschauplät- Hier muß noch gearbeitet werden. zen der Politik ganz ähnlich aussehen würde. Insgesamt ist diese Novelle ein Fortschritt, dem wir (Dr. Hans-Peter Voigt [Northeim] [CDU/ als Fraktion gerne zustimmen. Ich vermerke auch CSU]: Die Gentechnik ist ein Hauptschau gern an dieser Stelle, daß aus den Kreisen von platz oder wird es werden!) Forschung und Industrie Zustimmung signalisiert — Danke, ich möchte dem sehr gerne zustimmen, worden ist. Meine Damen und Herren, wir haben uns Kollege Voigt. vorhin im Zusammenhang mit der deutschen Textilin- dustrie über den Wirtschaftsstandort Deutschl and (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Nicht unterhalten. Diese Frage ist ganz wich tig für den gleich übertreiben!) Wirtschaftsstando rt Deutschland. Wir müssen in der Zeit einer Rezession positive Signale geben, und diese tigsten Neuerungen sind für meine Frak- Die wich Novelle ist ein solches posi tives Signal. tion die folgenden: Gentechnische Arbeiten der Sicherheitsstufe 1, auch zu gewerblichen Zwecken, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) bedürfen in Zukunft keiner Genehmigung mehr; sie Freilich, es bleiben zwei nicht unerhebliche Kritik- bedürfen nur noch einer Anmeldung. An dieser Stelle punkte oder — so sollte ich wohl besser sagen — hätte natürlich auch eine Anzeige vollauf genügt, aber Kritikfelder. Eine Reihe von naheliegenden Erleichte- das lassen derzeit die EG-Richtlinien nicht zu. Wir - rungen wird heute durch die EG-Richtlinien verhin- müssen also jetzt aufpassen, daß diese Anmeldung dert. Die am meisten nachteilige und wohl auch am nicht etwa zu einem komplizierten Genehmigungs- wenigsten durchdachte ist das Volumen als Abgren- verfahren wird. Das ist ja nicht nötig; denn ein Risiko zungskriterium für die Bereiche Forschung und Pro- liegt hier per definitionem nicht vor. duktion, dieser berühmte 10-Liter-Maßstab. Wir Weiter: Ein Anhörungsverfahren fällt bei Arbeiten möchten an dieser Stelle der Bundesregierung noch- der Sicherheitsstufe 1 ganz weg. Für Arbeiten der mals auftragen, diese EG-Richtlinien gemeinsam mit Sicherheitsstufe 2 wird es auf solche Fälle beschränkt, unseren Partnern in der EG durchzukämmen und zu wo bei gewerblichen Zwecken ein Genehmigungs- Erleichterungen zu kommen. verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (Beifall bei der F.D.P.) ohnehin vorgeschrieben ist. Wir begrüßen es deshalb ganz besonders, daß ein Wenn ich das betone, so will ich damit nicht etwa 17-Punkte-Katalog für die Änderung dieser Richtli- sagen, daß die F.D.P. gegen Öffentlichkeit ist, durch- nien schon vorliegt, der, soviel ich weiß, auch schon im aus nicht. Aber man muß das richtig machen, und für Kabinett beraten worden ist. Die Überarbeitung auch ein Anhörungsverfahren sollte es hinreichende dieser EG-Richtlinien ist für uns sehr wich tig; denn es Gründe geben. Ob das in der jetzt durchgeführten ist ja ein erklärtes Ziel der Europäischen Union, Form dann wirklich noch zur Klärung der Fragen Europa gegenüber dem nordamerikanischen und beiträgt, ist ohnehin ein weites Feld. dem ostasiatischen Wirtschaftsraum konkurrenzfähig Und schließlich: Für Anmeldung und Genehmi- zu erhalten. Das Ergebnis einer solchen hoffentlich gungsverfahren wird es Fristverkürzungen in den möglichen Änderung der EG-Richtlinien muß natür- Sicherheitsstufen 1 und 2 geben. Für den, der das lich auch in die nationale Gesetzgebung einfließen. ungeheure Tempo wissenschaftlich-technischer Ent- Insofern kann der jetzige Entwurf noch nicht das letzte wicklungen heutzutage registriert, ist das ein ganz Wort sein. entscheidender Punkt. Schließlich erwarten wir umgehend auch eine Schließlich enthält der neue Gesetzentwurf eine gründliche Durchforstung der ganzen Verordnungen ganze Reihe von Klarstellungen. Als erste ist zu zum Gentechnikgesetz. Das Bundesministerium für nennen, daß das Gesetz nicht für den Bereich der Gesundheit sollte nicht zögern mitzuteilen, wann und Humanmedizin gilt. Er gilt also nicht für Lebendimpf- mit welcher Intention diese Verordnungen überarbei- stoffe und für eine somatische Gentherapie. tet werden. Wir verstehen natürlich, daß eine Ände- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14103

Dr. Christoph Schnittler rung der EG-Richlinien schon einige Zeit bean- sche Anlagen der Sicherheitsstufe 2, der ein geringes sprucht; aber an sich hätten wir vom Bundesgesund- Risiko zugeordnet wird. heitsministerium inzwischen sichtbare Ansätze er- wartet, auch in dieser Frage tätig zu werden. Drittens natürlich auch um eine weitere Vereinfa- chung gentechnischer Arbeiten der Sicherheitsstu- (Zurufe von der CDU/CSU: Na, na! — So fen 2 bis 4 sowie um besondere Regelungen für die schnell geht es doch nicht!) Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen. Wir sind bisher in erfreulichem Tempo vorangeschrit- Meine Damen und Herren, ich kann mich nur auf ten, einige Argumente an dieser Stelle beziehen, die diese (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Novellierung scheinbar unumgänglich machen. und ich will mich da auch durchaus den positiven Argument 1: Bürokratismusvorwurf. Dieser Vor- Worten des Kollegen Voigt anschließen. Lassen Sie wurf macht sich immer gut. Aber so berechtigt eine mich aber sagen, daß wir da jetzt auch nachholen Kritik bürokratischer Erscheinungen im allgemeinen müssen; denn hier entsteht ja gerade der bürokrati- und im besonderen Fall auch ist, hier wird bewußt sche Aufwand. vernachlässigt, daß das Gentechnikgesetz erst 2 1 /2 Meine Damen und Herren, neue technische Ent- Jahre in Kraft ist. Die für den Vollzug zuständigen wicklungen erzeugen offensichtlich nicht nur Neugier Behörden wurden gerade erst aufgebaut. Eine und Freude, sie erzeugen auch immer Angst, um so gewisse Routine in der Bearbeitung der Anträge stellt mehr, je undurchsichtiger sie sind. Ich habe mich an sich bekanntlich erst allmählich ein. Nicht zu verges- dieser Stelle schon dazu bekannt: Wir müssen diese sen sind die Schwierigkeiten des Umgangs mit dieser Ängste ernst nehmen. Aber wir sollten in Deutschland Problematik in den neuen Bundesländern. Trotzdem auch wieder zu einer rationalen Diskussion gerade auf wurden auch hier seit 1990 79 gentechnische Anlagen diesem Gebiet der Gentechnik zurückkehren. Ich genehmigt. hoffe sehr — Herr Catenhusen, ich schließe mich Argument 2: Vergleich zwischen den „strengen" Ihnen da an —, daß wir die Kraft dazu haben; denn viel Vorschriften in der EG und den „liberalen" Regeln in ist schon versäumt worden. den USA. Komischerweise, meine Damen und Herren, Ich hoffe, daß wir aus diesen Erfahrungen mit dem wurden dabei die umfassenden Vorschriften für Gentechnikgesetz auch für die Zukunft gelernt Akteneinsichtsrecht, Einspruchsmöglichkeiten und haben. die Öffentlichkeit von Entscheidungsprozessen in den Ich danke Ihnen sehr. USA nicht für einen umfassenden Vergleich herange- zogen. Das ist kein Zufall. Geltende EG-Richtlinien (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) haben zwar verhindert, daß in den beiden ersten Sicherheitsstufen auf Anmeldungs- und Genehmi- gungsverfahren völlig verzichtet werden konnte; aber Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile eine Änderung dieser Regelungen durchzusetzen ist nunmehr der Abgeordneten Frau Dr. Ursula Fischer das erklärte Ziel des Gesundheitsministers und dieses das Wort. Hauses. Argument 3: Wirtschaftlichkeit und arbeitsplatzsi- chernde Wirkung der Gentechnologie. Kolleginnen Dr. Ursula Fischer (PDS/Linke Liste): Herr Präsi- dent! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die von der und Kollegen, mit Blick auf die USA kann vor über- Chemie finanzierte Initiative „Pro Gentechnik" hat triebenen Erwartungen selbst in diesem Bereich nur sich gelohnt. Das Ökoinstitut in Freiburg sprach gewarnt werden. Das Beschäftigungspotential dieser unmißverständlich von einem „Kniefall vor der Indu- sogenannten Schlüsseltechnologie hat sich doch trotz strielobby". der großen Zahl neu gegründeter Bio- und Genunter- nehmen als gering erwiesen. Selbst bei Medikamen- (Zuruf von der CDU/CSU) ten handelte es sich oft nur um Rationalisierungser- — Ich habe Ihnen auch in Ruhe zugehört. zeugnisse ohne zusätzlichen Gebrauchswert. Aller- dings liegt die Attraktivität für Unternehmen auf der Dabei kam dieser Lobby nicht nur eine Beschluß- Hand; denn mit dem Einsatz der neuen Methoden sind empfehlung des Ausschusses für Forschung, Techno- letztendlich Einsparungen von Kosten und Personal logie und Technikfolgenabschätzung und das Mehr- eng verbunden. Zur Verdeutlichung: Für die L heitsvotum der zentralen Kommission für biologische and- wirtschaft und den Bereich der Lebensmittelverarbei- Sicherheit zugute, sondern ihre Forderungen wurden tung gibt es Berechnungen, die von einer Vernichtung von der Politik fast vollständig systematisch erfüllt; von ungefähr 25 % der Arbeitsplätze infolge des siehe den Forderungskatalog der Max-Planck-Gesell- schaft. Einsatzes der Gentechnologie in diesen Tätigkeitsfel- dern ausgehen. Das ist rea listisch. Worum geht es nun bei der Novellierung, meine Damen und Herren? Argument 4: Die Freisetzung gentechnisch verän- derter Organismen ist unbedenklich. Hier wird sugge- Erstens um die Abschaffung der Anmeldeverfahren riert, daß eine klare Einteilung in pathogene und für gentechnische Anlagen/Arbeiten in der sogenann- apathogene Mikroorganismen in Analogie zur Che- ten Sicherheitsstufe 1, die 80 % aller gentechnischen mie in giftige und ungiftige Stoffe existiert. Die Projekte betrifft. Einschätzung des Verlaufs von Freisetzungsexperi- Zweitens um eine Vereinfachung des Genehmi- menten hat derzeit noch nicht die Treffsicherheit eines gungs- und Anmeldeverfahrens auch für gentechni- Wetterbe richts erreicht. Der löbliche Versuch, die 14104 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Dr. Ursula Fischer Kalkulierbarkeit des Geschehens an geschlossene Dr. Norbert Rieder (CDU/CSU): Herr Präsident! Systeme zu koppeln, mutet naiv an, wenn man sich Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, ich bin froh anschaut, was darunter verstanden wird. Auf die und dankbar dafür, daß die meisten meiner Vorredner Problematik der „nackten" DNA und des horizontalen das gesagt haben, was auch ich sagen werde: daß wir Gentransfers wird wohl auch die anstehende Anhö- unser Gentechnikgesetz ändern und Erleichterungen rung am 30. Juni keine befriedigenden Antworten schaffen müssen. Ich bin allerdings über zwei Dinge geben können. ein bißchen verwundert, einmal darüber, daß meine Herr Minister Seehofer, mir ist schon sehr klar, daß Vorrednerin von soeben offensichtlich irgendwo Sie ständig von den Chancen in der Medizin durch die einen ewig-gestrigen Standpunkt vertreten und nicht Gentechnik schwärmen, ist es doch der medizinische gemerkt hat, wohin die Sache geht. Bereich, der in der Öffentlichkeit die eigentliche (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Positivwirkung erzeugt. Para llel dazu wird eine groß Zuruf von der CDU/CSU: Uns wundert das angelegte Offensive für die Gentherapie gestartet und gar nicht mehr!) der Eindruck erweckt, auch sie würde durch das Ich bin über eine weitere Tatsache verwundert: daß geltende Gentechnikgesetz verhindert oder zumin- das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von denen ich dest sehr erschwert. eigentlich immer höre, daß sie gegen dieses Gentech- Die Realität sieht anders aus. Dr. Mertelsmann, der nikgesetz sind, die Chance, präsent zu sein und ihre in Freiburg eine somatische Gentherapie vorbereitet, Argumente einzubringen, überhaupt nicht wahrneh- benötigt für seine Versuche weder eine Genehmigung men. noch muß er diese Versuche nach Gentechnikgesetz (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der anmelden. Wo, bitte, ist hier die Behinderung im SPD) Bereich der Medizin? Nein, meine Damen und Her- ren, die Gefahren dieser Technologie werden syste- Ob es daran liegt, daß ihnen die Argumente ausge- matisch verharmlost. Wenn das Wo rt „Schlüsseltech- gangen sind, oder daran, daß sie kein Interesse haben, nologie" ständig im Munde geführt wird, sage ich: möchte ich hier nicht entscheiden. Diese Technologie ist der Schlüssel für riesige (Dr. Hans-Peter Voigt [Northeim] [CDU/ Gewinne der Industrie und der Schlüssel für Entwick- CSU]: Die sind schon im Wochenende!) lungen, die heute schier unabsehbar sind. — Auch das ist natürlich möglich. (Zuruf von der CDU/CSU: Sozialistisches Nun, meine Damen und Herren, wir brauchen eine Gequassel ist das!) Änderung, eine Erleichterung des Gentechnikgeset- — Sie werden sich noch wundern. 50 000 Unterschrif- zes, um einerseits die Forschung und andererseits die ten haben in kurzer Zeit gerade die Christen gesam- Produktion gentechnisch erzeugter Produkte in melt. Deutschland zu erleichtern; denn die Erfahrung — das Das einzige Ziel eines Gentechnikgesetzes muß der wissen wir alle — hat gezeigt, daß ausländische Schutz von Mensch und Natur sein, d. h. das Ziel einer Wettbewerber von der derzeitigen Konkurrenzsitua-- Förderung der Gentechnik muß aus diesem Gesetz tion hervorragend profitieren, da dort weniger s trenge gestrichen werden. Fördern sollte der Gesetzgeber Regelungen gelten. Dennoch — auch das muß man in dagegen Einrichtungen, die von biotechnischen Ver- aller Deutlichkeit sagen — sind in diesem Ländern wertungsinteressen unabhängig sind und die Risiken bisher keine Gefährdungen durch die Gentechnik erforschen. Außerdem vermisse ich in diesem Gesetz bekannt geworden. ein ausdrückliches Verbot militärischer Gentechno- Wenn wir diese Erleichterung nicht vollziehen logieforschung. — auch das muß ich in aller Deutlichkeit sagen —, werden wir in absehbarer Zeit hier in Deutschl and Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau keine nennenswerte Pharmaindustrie, auch keine Dr. Fischer, Sie achten auf das Zeichen, daß die Saatzucht mehr haben, und unsere Landwirtschaft Redezeit zu Ende geht? — das ist ebenfalls erwähnenswert — wird in eine sehr ungünstige Konkurrenzsituation gelangen. Dr. Ursula Fischer (PDS/Linke Liste): Meine Damen (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Wir wol- und Herren, ich komme zum Schluß. Ich habe keiner- len doch nicht gleich so übertreiben!) lei Illusionen. Diese Novellierung wird im Bundestag — Ich glaube, das ist nicht übertrieben. Wenn Sie sich durchgebracht. Alle Messen sind mehr oder weniger einmal anschauen, wer derzeit gentechnisch erzeugte gesungen. Ich kann Sie an dieser Stelle nur auffor- Produkte im Pharmabereich anmeldet, wenn Sie sich dern, sich intensivst zu informieren. Die Brisanz dieser weiter die Wachstumsraten bei gentechnisch erzeug- Problematik wird sich sehr bald zeigen. ten Pharmaka ansehen, dann werden Sie feststellen, Ich bitte Sie, die Federführung des Ausschusses zu wie wir Deutsche inzwischen, die wir einst die Apo- ändern und den Forschungsausschuß für zuständig zu theke dieser Welt waren, speziell in diesem Bereich erklären, außerdem den Landwirtschaftsausschuß in ins Hintertreffen geraten sind. Dann werden Sie mir die Beratungen einzubeziehen. sehr schnell zustimmen, daß wir dies nur wenige Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Jahrzehnte waren. (Beifall bei der PDS/Linke Liste) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Dennoch sind Gefährdungen, Gefahren durch die Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort Gentechnik nicht auszuschließen; das wissen wir alle. hat nunmehr der Professor Dr. Norbert Rieder. Deswegen haben wir dieses Gentechnikgesetz Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14105

Dr. Norbert Rieder gemacht. Ich glaube aber, daß wir die Vorteile mit den Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile Nachteilen verrechnen müssen. nunmehr der Abgeordneten Frau Helga Otto das Wort. Ich möchte auf einige Beispiele im Umweltbereich kommen. Wir als Umweltpolitiker haben begründete Hoffnungen, daß wir durch die Gentechnik z. B. Dr. Helga Otto (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verbesserte Methoden der Entgiftung durch Mikro- verehrten Damen und Herren! Die ganze belebte organismen im Boden- und Wasserbereich, daß wir Natur auf unserem Planeten ist das Ergebnis der bessere Produktionsmöglichkeiten für nachwach- natürlichen Evolution, von Mutationen, Fehlerkorrek- sende Rohstoffe bekommen. turen, Auslese und Zufällen, die sich unter natürlichen Bedingungen, unter welchen Einflüssen auch immer, (Dr. Hans-Peter Voigt [Northeim] [CDU/ ereignen. CSU]: Jawohl!) Die Wissenschaft und Forschung auf hohem Niveau Wir alle wissen, daß wir erst durch gentechnische hat es möglich gemacht, daß wir diesen Dingen und Methoden bei den nachwachsenden Rohstoffen den uns selbst auf die Spur gekommen sind. Je komplizier- echten Durchbruch, auf den wir alle hoffen, erzielen ter sich diese Mikrowelt darstellt, um so weniger wird können. Nur dadurch werden wir eine bessere Nut- sie trotz guter Schulbildung von einfachen Menschen zung unserer Erde bekommen, werden eine bessere verstanden. So kommt es, daß die schier unbegrenzten Chance haben, die nach wie vor wachsende Erdbe- Möglichkeiten, die für Medizin und Technik damit völkerung angemessen, bei besserer Schonung unse- verbunden sind, Angst auslösen. rer natürlichen Ressourcen, zu ernähren. Ich glaube, Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, im Gespräch allein das ist den Versuch, ist das Risiko wert. mit den Laien und interessierten Menschen die Ch an (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) -cen und auch die Risiken dieser Hochtechnologie zu erläutern. Demgegenüber sind nach meinem Dafürhalten die Restgefahren vernachlässigbar, zumal die Erleichte- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) rungen, die wir durch dieses Gesetz vorsehen, im Die Ursachen der so geringen Akzeptanz der Gen- wesentlichen nur bei den Sicherheitsstufen 1 und 2 technik in Deutschland müssen wir wohl in unserer zutreffen, die hochgefährlichen Dinge also, die wir Gesellschaft selbst suchen, in der die Wissenschaftler alle kennen, überhaupt nicht berühren. und Forscher ziemlich weit vom Volke entfernt sind, Ich persönlich sehe übrigens die Probleme der aber auch in unseren gemeinsamen Erfahrungen mit Gentechnik in einem ganz anderen Bereich, der der Tatsache, daß in Peenemünde Forscher eine häufig gar nicht diskutiert worden ist, nämlich in den wissenschaftliche Erkenntnis zum Schaden der sozioökonomischen Veränderungen: von der mit Menschheit verwendet haben. Sicherheit zu erwartenden Verbesserung unserer Gemeinsam müssen wir die großen Ziele und die Gesundheit bis zur deutlichen Verlängerung unserer Grenzen abstecken. Ich denke, do rt , wo wir uns dem mittleren Lebenserwartung. Wir müssen uns sicher- Zauberlehrling gleich benehmen, riskieren wir, die lich in 10, 20 Jahren in eine Rentendebatte ganz Existenz der Menschheit und der belebten Natur auf besonderer Art hineinbegeben, weil die mittlere das Spiel zu setzen. Der Politik fällt die Aufgabe zu, Lebenserwartung durch die Gentechnik ganz gewal- die Rahmenbedingungen abzustecken, innerhalb tig steigen wird. Darüber müssen wir uns klar wer- derer sich die Akteure auf sicherem Parkett bewegen den. können. Wir müssen uns aber auch klar werden, daß wir uns Auf einer Veranstaltung in Chemnitz sagte neulich aus dieser Entwicklung nicht ausklinken dürfen. Wir ein amerikanischer Teilnehmer, daß Perfektion auch dürfen nämlich nicht die Entwicklung verhindern, Erstarrung bedeuten kann. Ich kann dem nur zustim- sondern das Auswandern der Entwicklung in andere men. Länder und den dann erfolgenden Import der Pro- Die Anhörung zu Fragen der Gentechnologie im dukte in unser Land. Frühjahr 1992 zeigte dies überdeutlich: Forschung, Lehre und auch Industrie sind durch übereifrige Wir müssen das Know-how, das nötig ist, bei uns in ein Korsett gezwängt worden zusammen mit den anderen Ländern entwickeln, um Verbürokratisierung mit der Folge, daß sich die Spitzenforschung, die auf diese Weise im eigenen Land zu lernen, die akademische Lehre, aber auch die Industrie in Probleme zu bewältigen. Wir müssen das machen, Deutschland nicht mehr wohlfühlen, um es vorsichtig was wir auch in anderen Bereichen tun: Learning by auszudrücken. doing. Das heißt, daß wir in dem Maß, wie wir mit der Technik arbeiten, lernen müssen, sie mit all ihren (Zuruf von der SPD: So ist es!) Konsequenzen zu bewältigen. Wer aus dieser Technik Es war der erklärte gemeinsame Wille, eine Novel- aussteigt, nimmt sich auch die Chance, parallel dazu lierung des Gentechnikgesetzes in die Wege zu leiten, die Bewältigung der Probleme zu lernen. um den Standort Deutschland für Forschung, Lehre Wenn wir dies wollen, dann dürfen wir das Gen- und Industrie zu retten. Denn eines ist klar: Gentech- technikgesetz nicht ändern. Ich aber bin der Ansicht: nik ist eine entscheidende Schlüsseltechnologie schon Wir müssen es ändern, weil wir lernen müssen, diese jetzt und in der Zukunft. Probleme zu bewältigen. Der Aufgabe dieser Novellierung des Gentechnik- gesetzes wollen wir uns heute stellen. Ich erinnere an Vielen Dank. unsere Diskussion im November: Die Anträge der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Koalitionsfraktionen und der Opposition in der Ple- 14106 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Dr. Helga Otto nardebatte am 12. November 1992 zum gleichen Produktion auswirken, was wir in Deutschland schon Thema lagen sehr eng beieinander. Kleine Differen- zu spüren bekommen haben. Auf der immer dichter zen bezogen sich noch auf die Wartefristen bei For- besiedelten Erde haben wir Umweltprobleme, Ernäh- schungsanlagen und Forschungsarbeiten der Sicher- rungsprobleme und Gesundheitsprobleme. heitsstufe 1. Da es sich bei dieser Stufe per definitio- nem um Arbeiten handelt, bei denen nach dem Stand Ich als Ärztin setze große Erwartungen in die der Wissenschaft nicht von einem Risiko für die Gentherapie und die Impfstoffentwicklung auf dieser menschliche Gesundheit und die Umwelt auszugehen Basis. ist, und es sich de facto um Arbeiten wie in jedem (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der biotechnologischen Labor handelt, erlaube ich mir zu F.D.P.) hinterfragen, ob wir im gewerblichen Bereich auf Dauer eine Anlagengenehmigung brauchen, nur um Wir kennen bereits über 4 000 gene tisch verursachte dem Gesetz einen Gefallen zu tun und um die Leute zu Krankheiten. Ich hoffe, daß wir wenigstens einige beschäftigen. davon in den nächsten Jahren heilen oder zumindest (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) günstig beeinflussen können. Auch in der Sicherheitsstufe 2 kann ich mir eine Das Gentechnikgesetz wird, wenn es gut ist, die Erleichterung der Anforderungen für die Anmeldung Basis für die Folgegesetze wie das Genomanalysege- bzw. Genehmigung bei den gentechnischen Vorha- setz und das Gentherapiegesetz sein. Deshalb muß es ben zu Forschungszwecken, insbesondere zur Verein- verläßliche Rahmenbedingungen schaffen, sein fachung des Formularwesens, der Aufzeichnungs- Schutzziel erfüllen und gleichzeitig Raum für fo rt pflicht und der Verkürzung der Aufbewahrungsfri- -schrittliche Gedanken lassen. sten, sowie der Verfahrensvereinfachungen auch bei Neben der Frage der Entbürokratisierung wollen Verfahren zu gewerblichen Genehmigungen vorstel- wir in den kommenden Verhandlungen versuchen, len. die ZKBS von nicht notwendigen Begutachtungen zu Grundlage soll für meine Frak tion zunächst unser entlasten. Damit würden erhebliche Kapazitäten für Änderungsantrag vom 11. November 1992 sein, den die Begutachtung von nicht vergleichbaren Arbeiten Sie, meine Damen und Herren von der Koa lition, der Sicherheitsstufe 2 und a ller weiterer Arbeiten zunächst abgelehnt haben. Wir meinen, daß das frei. vorliegende Dokument der Regierungskoalition eine geeignete Beratungsgrundlage ist. Ich denke, daß wir bei der Aufrechterhaltung der Sicherheitsphilosophie auch über Erleichterungen in (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) der Produktion und der Freisetzung reden müssen. Die Präsidenten der fünf Wissenschaftsorganisatio- Das massenhafte Wegbrechen der Arbeitsplätze der nen, Wissenschaftsrat, Deutsche Forschungsgemein- vorletzten und letzten Generation auf dem Gebiete schaft, Hochschulrektorenkonferenz, Max-Planck- der ehemaligen DDR führt uns deutlich vor Augen, Gesellschaft und Arbeitsgemeinschaft der Großfor- daß wir nicht umhinkommen, die Arbeitsplätze der schungseinrichtungen, erwarten von der Novelle des Zukunft in Deutschland zu sichern. Gentechnikgesetzes einen Nachweis für einen for- schungsfreundlichen, zukunftsorientierten, politi- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der schen Gestaltungswillen der verantwortlichen Politi- F.D.P.) ker. Sie haben ihre Vorschläge gemeinsam mit ande- Umwelttechnologie sowie neue Produkte im Pflan- ren Gesellschaften und Organisa tionen in einem zenschutz, im Lebensmittelbereich und in der Phar- Memorandum niedergeschrieben. Wir Poli tiker soll- maindustrie werden uns in der Welt wettbewerbsfähig ten uns davor hüten, ihre warnenden Stimmen zum machen. Standort Deutschland zu ignorieren oder ihnen leicht- sinnigen Umgang mit dem Schutzziel des Gesetzes, Ich selbst bin Ornithologin und Pflanzenkartiererin das im § 1 niedergeschrieben ist, de facto zu unterstel- und werde mich überall dafür einsetzen, daß in der len. freien Natur nur die Pflanzen und Tiere sein werden, die die Natur selbst kreiert hat. Auf unseren Feldern (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der und in unseren Gärten kann es aber in Zukunft auch F.D.P.) von uns geschaffene belebte Natur geben. Zukunftstechnologien wollen und müssen wir alle gemeinsam nutzen. Ihre Basis liegt in einer im Rah- Unserer Intelligenz ist es überlassen, ob wir die men unseres Grundgesetzes garantierten Freiheit der Geister, die wir riefen, wieder loswerden. Die Erfah- Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre, die von rungen in der ganzen Welt und in Deutschland lassen der Treue zur Verfassung nicht entbunden ist. uns aber glauben, daß die neue Technik beherrschbar ist und Risiken von uns gemeistert werden können. Bei der Forschung kommt es aber häufig gerade auf die Zeit an. Vergeudete Zeit, unsinnig lange Fristen Wir Sozialdemokraten haben auch eine Verantwor- und Bürokratismus können einen greifbar nahen tung für die Genera tionen der Zukunft, sowohl, was Erfolg zunichte machen. die Sicherheit, als auch, was die Arbeitsplätze und damit den Generationenvertrag betrifft. Nicht nur die (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der soziale Sicherheit, sondern auch die Bildung auf F.D.P.) höchstem Niveau muß in Deutschland möglich sein. Ungleiche Chancen in einzelnen Ländern und Staaten Ich will nicht, daß deutsche Studenten nach Amerika können sich sehr zum Nachteil der Forschung oder der oder nach Japan auswandern müssen, um das Hand- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14107

Dr. Helga Otto werkszeug für ihre zukünftigen Arbeitsplätze zu erler- sagen, nicht weil wir gekauft sind, sondern weil es den nen. Menschen dient. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der F.D.P.) SPD) So denke ich, daß wir gemeinsam auf einer guten Sie wissen, daß das Gentechnikgesetz auf zwei Basis in die kommenden Verhandlungen zur Novel- Säulen ruht: einmal auf dem Schutz von Mensch und lierung des Gentechnikgesetzes gehen werden. Umwelt und auf der anderen Seite auf der Förderung Am 30. Juni wird hier in Bonn eine zweite Anhörung dieser Schlüsseltechnologie. zur Novellierung des Gentechnikgesetzes stattfinden. Man kann nicht oft genug feststellen: Den Schutz- Hier werden wir die Grenzen noch einmal abstecken, zweck hat dieses drei Jahre alte Gesetz uneinge- um dann die in der letzten Anhörung bereits einver- schränkt erfüllt. Es ist nicht ein einziger Schadensfall nehmlich sich als notwendig erwiesenen Erleichte- bekanntgeworden, den man auf gentechnische Arbei- rungen im Umgang mit dem Gentechnikgesetz auf ten oder auf die Freisetzung gentechnisch veränderter den Weg zu bringen. Organismen in die Umwelt zurückführen könnte. Ich bin davon überzeugt, daß es auch innerhalb Deshalb liegt mir sehr daran, auch gegenüber der meiner Fraktion abweichende Meinungen zu den Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, daß dieser be- Novellierungsvorschlägen gibt. Wir werden die Diffe- währte Schutzzweck des Gesetzes auch mit der renzen gemeinsam zum Schutz der Menschen und der geplanten Änderung uneingeschränkt aufrechterhal- Umwelt, aber auch für den Fortschritt auf wissen- ten wird. schaftlichem und technischem Gebiet beheben. Dazu (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wünsche ich uns gutes Gelingen. Wir wollen keine Nachteile für den Schutz von (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Mensch und Umwelt. F.D.P.) Auf der anderen Seite steht der Förderzweck. Da wird das ursprüngliche Gesetz den heutigen Anforde- rungen nicht mehr gerecht, so sehr das Gesetz damals Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun hat den damaligen Erkenntnissen entsprach. Viele Rege- der Bundesminister für Gesundheit um das Wort lungen entsprechen heute nicht mehr dem Wissens- gebeten. Das will ich ihm dann auch geben, bitte stand. schön. Das Wissen über genetische und ökologische Zusammenhänge ist gewachsen. Wichtig ist auch: In den zuständigen Behörden der Länder und auch des Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: Bundes ist zwischenzeitlich ein kompetenter Vollzug Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und aufgebaut worden. Deshalb wissen wir heute, daß es Herren! In der letzten Woche war die Bundesrepublik überzogene bürokratische Hemmnisse gibt. Diese Deutschland Gastgeber des Welt-Aidskongresses. Da Hemmnisse bauen wir ab. habe ich sehr viele infizierte und am Vollbild Aids erkrankte Menschen erlebt, mit ihrer Verzweifelung, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) mit ihrer Hoffnung, daß in absehbarer Zeit Medika- Das ist nicht nur möglich, das ist auch unbedingt mente und Impfstoffe gegen diese schreckliche nötig. Krankheit gefunden werden. Wir können es uns im wahrsten Sinne des Wortes Auf der anderen Seite wenden die führenden Wis- nicht leisten, bei der Gentechnik in dieselbe mißliche senschaftler der ganzen Welt, die in Berlin anwesend Lagé zu geraten wie einst bei der Mikroelektronik waren, praktisch alle bei ihren Versuchen gentechni- oder bei der Kommunikationstechnik. Ich habe in den sche Methoden an. 70er Jahren viele Vorträge zu dem Thema gehalten: Wenn ich mir dieses Bild noch einmal vor Augen Vernichtet Mikroelektronik Arbeitsplätze? Heute führe — die Verzweifelung der Kranken, die Hoffnung könnte man sich nicht mehr vorstellen, daß ein Kon- gegenüber der Wissenschaft und der Medizin, in zern, daß ein Betrieb ohne Mikroelektronik wettbe- absehbarer Zeit einen Impfstoff, ein Medikament zu werbsfähig ist. finden, das die Krankheit lindert oder gar heilt —, Meine Damen und Herren, es darf uns nicht passie- dann denke ich: Aus diesem Erlebnis heraus haben ren, daß wir bei der Schlüsseltechnologie der Zukunft, wir Politiker die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, der Gentechnik, so wie bei der Mikroelek tronik und alles zu tun, damit die Schlüsseltechnologie Gentech- bei der Kommunikationstechnik in der Bundesrepu- nik in der Bundesrepublik Deutschland eine Zukunft blik Deutschland jahrelang diskutieren und abwägen, hat. während andere forschen und produzieren, und wir (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der dann das importieren, was andere während unserer SPD) Diskussionen erforscht und erarbeitet haben. Frau Fischer, ich sage das nicht nur im Hinblick auf (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) bürokratische Hemmnisse. Mit die größte Wirkung dieser Novellierung soll sein, daß wir auch einen psychologischen Effekt aussenden, daß wir gegen- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Bun- über der Wirtschaft und auch gegenüber der For- desminister, der Abgeordnete Vosen aus Düren schung ein klares Ja zu dieser Schlüsseltechnologie möchte gerne eine Zwischenfrage stellen. 14108 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: sind auch Fehler im Management der deutschen Mit besonderem Genuß, Herr Präsident. Wirtschaft. (Josef Vosen [SPD]: So ist es!) Josef Vosen (SPD): Herr Minister, sie hatten im Zusammenhang mit dieser neuen Technologie von Ich nehme es nicht länger hin, daß für alles, was dort der Mikroelektronik gesprochen. nicht oder unzureichend erfolgt, allein die Politik (Zuruf von der CDU/CSU: Frage!) verantwortlich gemacht wird. — Ich frage: Wen halten Sie denn für verantwortlich, (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der daß wir in der Mikroelektronik nicht mehr die Num- SPD) mer 1 in der Welt sind oder zu den ersten gehören? Das gipfelte in der letzten Woche in der Meinung Liegt das vielleicht an der Politik, oder liegt es nicht des Herstellers eines Medikaments, daß ein Zulas- eventuell auch an der Wirtschaft und an der anwen- sungsantrag für ein Medikament nur dann gestellt denden Industrie, daß wir heute nicht mehr die werde, wenn eine moralische Instanz nämlich der Summen aufbringen können, die dafür erforderlich Gesundheitsminister — diese Firma auffordere. waren und sind? Meine Damen und Herren, würden wir so weiterma- chen, wäre das eine Flucht aus der Verantwortung. Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: Die Wirtschaft muß ihre Verantwortung selbst wieder Herr Kollege Vosen, diese Zwischenfrage hatte ich stärker wahrnehmen. erst auf meiner übernächsten Seite erwartet. Ich komme noch auf die Verantwortung der Wirtschaft (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der zurück. Das möchte ich aber im Zusammenhang SPD) darlegen. Sie müssen allerdings nicht so l ange stehen Was die Bürokratie betrifft: Die Beamten waren bleiben. Ich sage es, wenn ich darauf zurück- etwas zurückhaltender; aber ich sage mal zu, daß wir komme. die Verordnungen, die hier angemahnt worden sind, Meine Damen und Herren, die Erfahrungen aus der im Jahr 1993 zustande bringen. Mikroelektronik und aus der Kommunikationstechnik sollten uns eine Lehre bei der Anwendung der Gen- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das ist ja schon etwas!) technologie sein. Wir dürfen hier den Anschluß nicht verpassen. — Die bringen wir hin, wenn wir es ankündigen, Ich verweise allerdings auch darauf, daß wir in der Kollege Catenhusen. Bundesrepublik Deutschland durchaus gute For- Ich weiß auch, daß mit diesem Gesetz nicht alle schungsergebnisse zu verzeichnen haben. Sie müssen Wünsche erfüllt sind. Das liegt aber nicht an der bei uns aber auch umgesetzt werden. So waren z. B. Regierung, deutsche Forscher maßgeblich an gentechnisch her- gestellten Medikamenten beteiligt. Ich denke z. B. an (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Nie!) EPO, ein Medikament, durch das vielen chronisch das liegt an den Richtlinien; denn wir können ja nicht nierenkranken Patienten langwierige und risikorei- einen Gesetzentwurf vorlegen, der nicht EG-konform che Bluttransfusionen erspart geblieben sind. Oder ist. Das wäre ein Gesetzesverstoß. Wenn Herr Profes- ich denke an das Medikament TPA, einen gentech- sor Schnittler die Regierung aufgefordert hat, mit der nisch hergestellten Stoff, der bei der Therapie des EG Kontakt aufzunehmen, so bin ich dankbar für die akuten Herzinfarkts zur Auflösung der Gefäßverstop- Aufforderung, aber ich darf Sie darauf hinweisen: Die lung verwendet wird. Dieser Stoff hat bereits viele Kontaktaufnahme hat bereits stattgefunden. Am Herzinfarktpatienten in Deutschland vor schweren 3. Juni habe ich mit dem EG-Kommissar Paliokrassas Komplikationen oder gar vor dem Tod bewahrt. gesprochen. Es wird nicht leicht, das möchte ich nicht Aber nun das Entscheidende: Obwohl an der Erfor- verhehlen. Jedenfalls wird es nicht sehr schnell schung viele Wissenschaftler auch in der Bundesrepu- gehen. Anfang Juli werde ich mit dem ebenso bedeut- blik Deutschland beteiligt waren, sind beide Produkte samen EG-Kommissar aus der Bundesrepublik zunächst nicht in Deutschland hergestellt und ver- Deutschland, Herrn Bangemann, sprechen. Es wäre marktet worden. Das ist aber für den wirtschaftlichen gut, wenn Sie die Türen bis dahin so weit öffnen, daß Erfolg von entscheidender Bedeutung. Das zeigt: unser gemeinsames Ziel in der Koalition, die Richtli- Forschungserfolge müssen weiter ausgebaut werden nien entsprechend zu verändern, erreicht wird. Es und möglichst rasch auch in Deutschland in Produkte muß erreicht werden. umgesetzt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es darf nicht dazu kommen, daß wir in der Gentechnik Denn, Herr Kollege Catenhusen und Herr Kollege ins Hintertreffen geraten, daß wir beispielsweise nur Vosen, weil Sie ja immer gewisse Bedenken haben: forschen und andere den wirtschaftlichen Nutzen Warum soll es nicht möglich sein, in der Sicherheits- ernten. stufe 1, die ja per gesetzliche Definition ohne Gefahr für Menschen und Umwelt ist, die EG-Richtlinie so zu Nun, Herr Vosen, wird ja in der Wirtschaft gern ändern, daß die flächendeckende präventive Kon- gesagt — das war Ihre Frage, und auch wir Politiker trolle durch das Anmeldeverfahren, das derzeit noch erwecken gerne diesen Eindruck —, es seien nur die notwendig ist, vermieden wird? Rahmenbedingungen, nur die bürokratischen Hemm- nisse. Deshalb sage ich: Es sind überzogene bürokra- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- tische Hemmnisse, die mitverantwortlich sind. Aber es ordneten der F.D.P.) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14109

Bundesminister Horst Seehofer 80 % der gentechnischen Versuche und der Produk- Kranken, MS-Kranken oder Krebskranken zu sagen: tionen finden in dieser Sicherheitsstufe statt. Ich stelle Wir wollen nicht, daß weiter geforscht wird. mir vor, daß hier eine Anzeige, eine Registrierung (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. genügen würde und daß eine stichprobenartige Kon- sowie bei Abgeordneten der SPD) trolle erfolgt, ob man sich richtig in die Sicherheits- stufe 1 eingeordnet hat. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Er muß ebenso den Mut haben, Blutern zu sagen, daß wenn Sie Ihre Position noch einmal überdenken es für sie künftig das gentechnisch hergestellte Präpa- würden. rat Faktor VIII nicht mehr geben soll, durch das die Gefahr einer Übertragung von HIV-Viren bei Blut- transfusionen ausgeschlossen wird. Dieser Mut gehört Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Bun- dann auch dazu. desminister, bevor ich Herrn Abgeordneten Catenhu- Deshalb stelle ich abschließend die Frage: Können sen auffordere, seine Frage zu stellen, möchte ich mir wir es überhaupt ethisch verantworten, die Gentech- erlauben, darauf aufmerksam zu machen, daß mir der nologie nicht zu nutzen? Ich sage für die Koalition Art. 43 Abs. 2, nach dem Sie jederzeit und so lange — ich denke, auch für die SPD —: Wir können das reden können, wie Sie wollen, ebenso bekannt ist wie nicht verantworten. Deshalb müssen wir sehr rasch Ihnen. Ich kann auch nicht mehr verrechnen; Sie sind und zügig die bürokratischen Hemmnisse aus dem der letzte Redner. Ich wäre Ihnen daher dankbar, Gentechnikgesetz wegnehmen und in der Öffentlich- wenn Sie die Zeit etwas berücksichtigen würden. keit ein deutliches Signal setzen, daß wir bei dieser Herr Abgeordneter Catenhusen, bitte. Schlüsseltechnologie anders als bei der Mikroelektro- nik und bei der Kommunikationstechnik verfahren wollen. Wir wollen den Wirtschaftsstandort Deutsch- Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Herr Minister land durch die offensive Nutzung der Gentechnologie Seehofer, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß in der Bundesrepublik Deutschl and sichern. wir in den Fragen, wie wir künftig in Deutschland mit (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Forschungsarbeiten im großen Maßstab und mit der sowie bei Abgeordneten der SPD) Sicherheitsstufe 1 umgehen, auch der Meinung sind, über Änderungen des EG-Rechts müsse geredet wer- den? Wollen Sie bitte genauso zur Kenntnis nehmen, daß wir Bestrebungen, die teilweise auf einen Ver- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine zicht auf die präventive Konstruktion des EG-Rechts Damen und Herren, ich möchte Sie jetzt auf die abzielen, und eine solche Deregulierung nicht für Geschäftslage aufmerksam machen. Der Ältestenrat vernünftig halten? schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 12/5145 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Das sind der Ausschuß Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: für Gesundheit — federführend —, der Rechtsaus- - Man kann natürlich über die Grenzen diskutieren, schuß, der Ausschuß für Wirtschaft, der Ausschuß für darüber, wo wir andern wollen oder nicht. Aber es Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, der Aus- wäre ja schon gut, wenn wir die grundsätzliche schuß für Forschung, Technologie und Technikfol- Bereitschaft hätten, sinnvolle Änderungen der Richt- genabschätzung und der EG-Ausschuß. linien gegenüber der EG gemeinsam zu betreiben. Frau Dr. Fischer hat für die Gruppe PDS/Linke Liste (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge die Federführung beim Ausschuß für Forschung, ordneten der F.D.P.) Technologie und Technikfolgenabschätzung sowie die zusätzliche Mitberatung durch den Ausschuß für Zu einer solchen sinnvollen Posi tion gehört auch, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantragt. daß ich es einfach ablehne, in einem Gesetz durch die Definition eines kleinen Maßstabes festzulegen, bis (Zuruf von der CDU/CSU: Den Ausschuß für wohin Forschung geht und wann Produktion beginnt. Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kön Das sollten wir uns als Gesetzgeber nicht zumuten. nen wir dazunehmen!) Meine Damen und Herren, weil ich gemahnt wor- — Frau Fischer, Sie bleiben trotzdem bei Ihrem den bin, fasse ich mich kurz. Dieser Gesetzentwurf ist Änderungsantrag? Okay. eine Hilfe für Forschung und Industrie im Wettbewerb Zusätzlich zu den in der Tagesordnung aufgeführ- mit den Konkurrenten in Europa, in den USA und in ten Ausschüssen schlägt nun die Koalition vor, den Japan. Er verbessert die Entwicklungschancen der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Gentechnik in Deutschland. Er bewahrt und verbes- hinzuzunehmen. Diesen so ergänzten Vorschlag des sert den Schutz von Mensch und Umwelt vor mögli- Ältestenrates stelle ich zunächst zur Abstimmung. chen Risiken im Umgang mit der Gentechnik. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bin sehr froh, daß, im Gegensatz zur ersten Damit ist Ihr Änderungsantrag aber hinfällig, Frau Beratung des Entschließungsantrags der Koali tion, Fischer, weil die Mehrheit und sogar Sie selbst zuge- diese Diskussion heute sehr sachlich verläuft. Die stimmt haben. Diskussion über dieses schwierige Thema hat sich (Dr. Ursula Fischer [PDS/Linke Listel: Die auch in der Öffentlichkeit sehr versachlicht. Ich Federführung!) möchte allen denjenigen, die auch heute noch bei ihrer Ablehnung der Gentechnologie ideologische — In der Erkenntnis, daß die Mehrheit anders war, Gründe anführen, sagen: Wer zur Gentechnik katego- Frau Dr. Fischer, war das ein kluger Beschluß. risch nein sagt, muß auch den Mut aufbringen, Aids- Damit ist die Überweisung beschlossen. 14110 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf: nach der sich ein Soldat weigert, in Somalia eingesetzt a) Beratung durch den Wehrbeauftragten zu werden. Allerdings kam dieser Soldat für einen solchen Einsatz von vornherein nicht in Betracht. Dies Jahresbericht 1992 zur Klarstellung, weil ich immer wieder gefragt — Drucksache 12/4600 — werde: Wie viele Verweigerungsanträge liegen denn Überweisungsvorschlag: vor? Verteidigungsausschuß Die öffentliche und parlamentarische Auseinander- b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines setzung über die Rechtmäßigkeit auch dieses Einsat- Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für zes kam nicht unerwartet. Das a lles erfüllt allerdings besondere Verwendungen im Ausland (Aus- die Soldaten mit Sorge und Verunsicherung. Sie landsverwendungsgesetz — AuslVG) erwarten Entscheidungen, die sichtbar machen, daß — Drucksachen 12/4749, 12/4989 — Politik und Öffentlichkeit mit größtmöglichem Kon- (Erste Beratung 153. und 161. Sitzung) sens hinter ihnen stehen; in welcher Form diese Entscheidung auch ausfallen mag. aa) Beschlußempfehlung und Be richt des In nenausschusses (4. Ausschuß) Eine zentrale und nach wie vor brandaktuelle Forderung in meinem Jahresbericht lautete daher: — Drucksache 12/5142 — Der Primat der Politik beinhaltet nicht nur das Berichterstattung: Recht des Parlamentes, richtungweisende Ent- Abgeordnete E rika Steinbach-Hermann scheidungen zu treffen. Politik muß sich vielmehr Fritz Rudolf Körper auch darüber im klaren sein, daß in schwierigen Dr. Zeiten Handeln zwingend ist und not tut. bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Ich meine, das duldet wirklich keinen Aufschub schuß) gemäß § 96 der Geschäftsord- mehr. nung In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrück- — Drucksachen 12/5157, 12/5158 — lich, daß am heutigen Tage noch der Entwurf eines seit Berichterstattung: langem notwendigen Auslandsverwendungsgesetzes Abgeordnete abschließend beraten wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Rudolf Purps sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Stunde Debat- tenzeit vor. Sind Sie damit einverstanden? — Das ist Es soll den Soldaten und deren Angehörigen eine offensichtlich der Fall. Dann ist es beschlossen. verbesserte finanzielle Entschädigung bei Unfällen, die Versorgung der Familien sowie eine Zahlung von Ich erteile zunächst dem Wehrbeauftragten, unse- den Gefahren angepaßten Auslandszuschlägen ge-- rem alten Kollegen Alfred Biehle, das Wo rt . währen. Ich halte es für erfreulich und daher für besonders Alfred Biehle, Wehrbeauftragter des Deutschen erwähnenswert, daß, unabhängig von den verfas- Bundestages: Herr Präsident! Meine sehr verehrten sungspolitisch diskutierten Fragen eines Einsatzes Damen und Herren! Ich danke zunächst einmal für die deutscher Soldaten, die Frak tionen der CDU/CSU, der Gelegenheit, anläßlich der ersten Lesung des Jahres- SPD und der F.D.P. gemeinsam den Gesetzentwurf berichtes 1992 hier noch einiges vortragen zu können, vom 20. April 1993 eingebracht haben. Ich meine, das weil das die Möglichkeit gibt, wich tige Punkte aufzu- sollte für die Zukunft im Sinne einer konsensfähigen greifen und möglicherweise auch zu verdeutlichen. Lösung Schule machen. Mit dem Rückgang an Soldaten geht auch eine Die Umsetzung der zur Umstrukturierung der S treit- Reduzierung der Zahl der Eingaben einher; wenn sich kräfte beschlossenen Maßnahmen gestaltete sich im auch der Tageseingang in den letzten Wochen ange- Berichtsjahr zwangsläufig schwierig. Ein noch am. sichts der Tatsache, daß das Entlassungsgeld der 15. Dezember 1992 dem Parlament vorgelegtes Sta- Soldaten reduziert wird, verdreifacht hat. Ich werde tionierungskonzept II erwies sich bereits zu Jahres- dazu noch ein paar Sätze sagen. beginn 1993 wegen einschneidender Einsparungs- Breiten Raum habe ich den Fragen im Zusammen- zwänge im Verteidigungshaushalt als korrekturbe- hang mit Auslandseinsätzen deutscher Soldaten dürftig. Inzwischen zeichnet sich 1993 eine Entspan- gewidmet. Die hierbei aufgetretenen Probleme haben nung ab, wenn es auch noch Lücken gibt, die im an Aktualität bis zum heutigen Tag nichts verloren. Interesse der Soldaten rasch geschlossen werden Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen derzeit die müssen. Soldaten, ihre Angehörigen und die Öffentlichkeit die Der Dienstbetrieb wurde 1992 in vielen Verbänden Ereignisse in Somalia und die erneute verfassungspo- dadurch erschwert, daß eine einsatzorientierte litische Debatte anläßlich der Entsendung deutscher Dienstgestaltung wegen der Umstellungen nur in Soldaten dorthin. Niemals zuvor war bei den zuletzt eingeschränktem Umfang möglich war. Unbeeinflußt zahlreichen erfolgreichen Hilfseinsätzen der Bundes- hiervon blieben in erster Linie solche Truppenteile, wehr im Ausland die Gefahr, möglicherweise Waffen die mit Auslandseinsätzen beauftragt oder von zur eigenen Verteidigung einsetzen zu müssen, so Umgliederungs- und Auflösungsmaßnahmen nicht gegenwärtig wie derzeit in Somalia. Im übrigen habe betroffen waren. Zu einer planvollen Dienstgestal- ich bis heute lediglich eine einzige Eingabe erhalten, tung fehlte es in den neuen Bundesländern häufig Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14111

Wehrbeauftragter Alfred Biehle noch an den materiellen, aber auch an den personel- gestern bei meinem Truppenbesuch in Shilo in len Voraussetzungen. Kanada wieder ausdrücklich bestätigt bekommen. Hinzu kam erschwerend, daß die finanziellen Ein- Mit Bundesminister Rühe bin ich jedoch völlig einig, sparungen den Bewegungsspielraum der Verbände daß Wiedervereinigung, jüngste deutsche Ge- bei der Ausbildung zusätzlich einengten — ein Thema schichte, Truppen- und Garnisonsreduzierungen, zum Stichwort Ausbildung, mit dem sich die Armee Abrüstung und Umstrukturierung natürlich Faktoren künftig noch sehr stark beschäftigen muß. sind, die zeitweilig die Einsatzbereitschaft beeinträch- Nichts anderes gilt für die schlechte Beförderungs- tigen. Es gilt, wie ich meine, rasch die Konsequenzen situation bei einigen Dienstgradgruppen. So können zu ziehen. Ich füge hinzu, was auch die Soldaten selbst die Leistungsträger der Unteroffiziere innerhalb sagen: Gewisse Schallgrenzen sind einfach erreicht. einer vierjährigen Verpflichtungszeit nicht alle zum Die Bundeswehr darf nicht weiter Selbstbedienungs- Stabsunteroffizier befördert werden. Auch 1 000 neue laden für finanzielle Wünsche sein, es sei denn, man Planstellen für 1993 lösen beispielsweise das Beförde- ändert bzw. reduziert den Auftrag. Anders wird es rungsproblem der Feldwebel nicht, von denen im wohl nicht mehr gehen, wenn man dieser Bundeswehr Heer allein 10 000 die Voraussetzung zum nächsthö- nicht schweren Schaden zufügen will. Ich bin da ein heren Dienstgrad erfüllen, aber nicht befördert wer- bißchen in Sorge für die nächsten Monate. den können. Das hebt natürlich nicht die Mo tiva- Ich bitte um Verständnis, daß ich auf Grund der tion. Kürze der Zeit nur einige Aspekte meines Jahresbe- Die Integration ehemaliger NVA-Soldaten in die richtes unter aktuellem Bezug angesprochen habe. Bundeswehr ist beispielhaft gelungen, so meine ich. ( [SPD]: Und das sehr gut!) Viele andere könnten sich daran ein Beispiel neh- men. Die Soldaten geben immer wieder ihre Bereitschaft zu erkennen, trotz aller Schwierigkeiten ihre Aufträge (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der — auch bei seitherigen humanitären Auslandseinsät- SPD) zen — pflichtgemäß und engagiert zu erfüllen. Man Dagegen — so muß ich feststellen — geht die Integra- kann nur ein aufrichtiges Dankeschön für dieses tion der Bundeswehr allgemein in die ostdeutsche Engagement für unser Land sagen. Bevölkerung und Gesellschaft hinein oft nur zögernd vor sich und stagniert. Die Seßhaftmachung der über (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der 3 000 westdeutschen Soldaten, die in den neuen SPD) Bundesländern Dienst leisten, wäre dazu dringend Es bedarf jedoch klarer politischer Vorgaben und geboten. Nur bei knapp 200 ist dies bisher gelungen: langfristig verbindlicher Perspektiven für den einzel- Wohnungsnot, kein Arbeitsplatz; a ll die Probleme, die nen und damit auch für die Familien der Soldaten, die bekannt sind. natürlich genauso betroffen sind. Die in meinem Jahresbericht dargelegten Beispiele Von der Lösung all dieser Probleme hängt es, so haben mich auch zu der Feststellung veranlaßt, daß meine ich, entscheidend mit ab, ob sich auch zukünf- die Einsatzbereitschaft der Truppe Einbußen erlitten tig solche Soldaten für den Dienst in der Bundeswehr hätte oder gar pauschal vorübergehend in Frage steht. verpflichten, die wir uns alle als Vorgesetzte und Das kann in einer Übergangsphase letztlich gar nicht beispielgebende Staatsbürger in Uniform wünschen, anders sein. Es gab sicherlich Mißverständnisse; aber um dann auch Vorbild für unsere Wehrpflichtigen zu nicht zu Unrecht wird in einer Lagebeurteilung des sein. Heeresamtes, die seinerzeit auch von der Presse aufgegriffen worden war, für 1992 festgestellt: In den letzten Tagen sind weit mehr als 100 Einga- ben — in einem Fall mit 133 beigefügten Unterschrif- In der Truppenausbildung fand die Diskrepanz ten — bei mir eingegangen, in denen die Anfang Juni zwischen Auftrag und Mitteln ihren deutlichsten 1993 in der Truppe bekanntgewordene Kürzung des Niederschlag. Sie führte zu unzureichender Entlassungs- und Verpflegungsgeldes für Grund- Erziehung und Ausbildung mit der Folge, daß wehrdienstleistende kritisiert wird. Hingewiesen wird Verbände und Einheiten in der Regel einen den hierin nicht nur auf eine zukünftige Disposi tion über Bedingungen eines Einsatzes genügenden Aus- dieses Geld, sondern auch auf bereits eingegangene bildungsstand nicht erreichen konnten. Verpflichtungen wie Kredite und ähnliches. Ich höre, Ich füge hinzu: Vollen Konsens gibt es natürlich daß es Bemühungen geben soll, wenigstens noch zum auch von mir zu der Feststellung des Bundesministers 30. Juni 1993 die volle Auszahlung zu ermöglichen. der Verteidigung vom 8. Juni 1993, der zu meinem Ich meine, die Wehrpflichtigen hätten das verdient. Jahresbericht Stellung nimmt. Es heißt do rt : (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der Zug um Zug werden die umstrukturierten Trup- SPD) penteile wieder einsatzbereit. Aus der Palette vieler Probleme und Sorgen darf ich Der Generalinspekteur sagte gerade zu diesem einige in Erinnerung rufen und für die Soldaten um Thema bei der Vorstellung der neuen ZDv 10/1 über Beachtung bzw. Lösung auch in diesem Parlament „Innere Führung" kürzlich in Koblenz u. a.: Einsatz- bitten. Ich nenne ohne Wertung in der Priorität die bereit sein heißt auch funktionstüchtig ausgebildet Wohnungsnot in Ost- und Westdeutschland, denn sein. Ich fühle mich hier weitestgehend bestätigt. Daß wenn Soldaten versetzt werden und am neuen St and- es da in der Tat noch Mängel gibt, habe ich erst ort keine Wohnung haben, gibt es Pendlerehen, gibt 14112 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Wehrbeauftragter Al fred Biehle es Wochenendehen, und das kann nicht im Sinne der Ich komme zum Schluß. Lassen Sie mich drei Familienpolitik dieses Landes sein. Feststellungen treffen, die die innere Lage der Bun- deswehr knapp kennzeichnen. (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD) Erstens. Die Bundeswehr erwartet von der Politik dringend klare und zukunftsweisende verfassungs- Ich denke an den Beförderungsstau, die Verbesserung politische Entscheidungen für den erweiterten Auf- der Infrastrukturen besonders in den neuen Bundes- trag möglichst auf der Basis eines weitestgehenden ländern, die durch weitere Kürzungen natürlich wei- Konsenses. ter verzögert und in Frage gestellt würden, obwohl es Zweitens. Zur Einsatzfähigkeit der Bundeswehr in der Zwischenzeit fast in jeder Garnison eine Bau- gehört auch der Verteidigungswille der Bevölke- stelle gibt. Ich denke an die sozialverträglichen Die Bundeswehr kann mit Recht erwarten, daß Lösungen für Versetzungen beim Stationierungskon- rung. sich die Politik und die Gesellschaft auch öffentlich zept. Da gibt es immer noch welche, die nicht wissen, hinter sie stellt. Nur so kann sie motiviert werden. wo sie in Zukunft hingehören. Auch das muß schnell- stens geregelt werden. Ich denke an die Überarbei- (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der tung der Dienstzeitregelung. Der Dienstzeiterlaß muß SPD) ganz dringend überholt werden, denn hier gibt es Drittens. Insgesamt für die Bundeswehr gilt den viele Irritationen. Soldaten Dank und Anerkennung für ihren engagier- Ich nenne zumindest mittelfristige Planungssicher- ten Dienst innerhalb und außerhalb unseres Vaterlan- heit für die Soldaten, Dienstgerechtigkeit im Rahmen des. In diesen Dank beziehe ich die Familien der der Wehrgerechtigkeit. Angesichts der zunehmenden Soldaten ein; sie wurden 1992 mit 300 Eingaben beim Zahl der Wehrdienstverweigerer scheint mir das hohe Wehrbeauftragten vorstellig. Dank möchte ich — ob- Priorität zu genießen. wohl nicht zuständig — auch den Zivilbediensteten der Bundeswehr sagen, die bei diesen Debatten Meine ganz besondere Bitte an dieses Parlament: meistens nicht so zum Zug kommen, wie sie es Wenden Sie bitte weitere finanzielle Kürzungen bei eigentlich verdient haben. Wehrdienstleistenden und bei der gesamten Bundes- wehr ab, denn dies würde schweren Schaden hinter- (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und SPD) lassen. Abschließend gilt mein Dank natürlich den langjäh- Ich denke auch mit dem Blick auf die rechtsradika- rigen Kollegen und dem gesamten Verteidigungsaus- len Vorkommnisse, die es bei der Bundeswehr gibt, an schuß unter dem Vorsitz von F ritz Wittmann und dem die Verstärkung des politischen Unterrichts in der Parlament für die gewohnt gute Zusammenarbeit und Bundeswehr, nachdem es viele Lücken auch von den Unterstützung bei der Durchführung meines Auftrags. Schulen her gibt. Auch der Bundesminister der Verteidigung und seine (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der Mitarbeiter verdienen D ank und Anerkennung dafür,- SPD) daß sie in bewährter Form die Arbeit des Wehrbeauf- tragten unterstützt und ihn mit den benötigten Infor- Ich denke auch an die Anhebung des Stellenwertes mationen versorgt haben. der Vertrauenspersonen in der Truppe; denn hier stellt man immer wieder fest, daß sie sehr häufig Ihnen, die Sie mir zugehört haben, herzlichen Stiefkinder in der Truppe sind. Da kann man nur Dank. darum bitten, daß die Vertrauenspersonen die Unter- (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der lagen nicht nur im nachhinein zur Kenntnis bekom- SPD) men, sondern daß sie tatsächlich mitwirken

(Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Die Abge- und von den Truppenführern eingewiesen werden ordnete Frau Vera Wollenberger hat mich gebeten, sowie die notwendigen Unterlagen bekommen und Sie zu bitten, zuzustimmen, daß sie ihre Rede zu sich diese nicht erst auf schwierigen Umwegen Protokoll geben kann *), weil sie sonst ihren letztmög- beschaffen müssen. lichen Flieger nicht mehr erreichen wird. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden. — Dann darf ich Ich denke auch an die dringende Verabschiedung das als so beschlossen feststellen. des neuen Reservistenkonzepts. Ich halte es für ganz wichtig, daß der Stellenwert der Rese rvisten wieder- Ich eröffne die Aussprache und darf Ihnen, Herr hergestellt wird Minister, das Wort erteilen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Wir brau Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: chen aber erst einmal ein Bundeswehrge Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Jah- samtkonzept!) resbericht des Wehrbeauftragten ist eine gründliche und auch sachkundige Arbeit. Ich denke, er ist eine und das Konzept, das schon vorliegt, verabschiedet wertvolle Hilfe für die Bemühungen der Bundesregie- wird. rung, die Lage der Streitkräfte weiter zu verbessern. Diese Liste ließe sich natürlich fortsetzen. Ich Dafür danke ich dem Kollegen Biehle und seinen glaube, es ist nicht angebracht, dies bei Vorlage des Mitarbeitern. Mein Dank gilt ausdrücklich auch für Berichts nun so umfassend darzustellen. Ich wollte nur ein paar Punkte herausgreifen. *) Anlage 3 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14113

Bundesminister Volker Rühe die ausgezeichnete Zusammenarbeit im Berichts- zeigen die Soldaten beim Aufbau der Bundeswehr im jahr. Osten und beim Umbau der Streitkräfte in ganz Deutschland hervorragende organisatorische und vor (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) allem auch menschliche Leistungen. Dies gilt bis hin zu dem gemeinsamen Besuch in (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Kambodscha wenige Tage, nachdem die Soldaten Lieber Kollege Biehle, in einem Punkt möchte ich dort angekommen waren. Er hat eben nicht abgewar- Ihnen ganz spontan widersprechen. Ich bin in den tet, bis die Beschwerden kommen, sondern ist gleich letzten Wochen ein- bis zweimal in der Woche auch im mit hingegangen, um zu verhindern, daß Beschwer- Osten gewesen und habe viele Gelöbnisse durchge- desituationen überhaupt eintreten. Ich glaube, das ist führt. Ich habe den Eindruck, daß an manchen Orten, ein modernes Verständnis vom Amt des Wehrbeauf- wenn ich an Gera denke, das Verhältnis zwischen der tragten. Bevölkerung und der Bundeswehr herzlicher ist als in (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) manchen Orten im Westen. Für viele dieser Orte ist die Bundeswehr ein ganz großer Hoffnungsträger. Die Ich begrüße außerordentlich die Sachlichkeit, die Menschen erleben dort, wie sich die Soldaten als Differenziertheit, das Einfühlungsvermögen und En- Bürger in Uniform in der Kommunalpolitik engagie- gagement, mit denen der Wehrbeauftragte die ren — das habe ich in Gera erlebt —, wie sie über die Belange der Soldaten und die der Bundeswehr insge- Arbeit in der Kaserne hinaus einfach beim Aufbau samt vertritt. Der Wehrbeauftragte spricht auch Gutes Deutschlands helfen. Damit hat sich dort ein Verhält- und Erfreuliches klar an, wirbt für Verständnis und nis entwickelt, das vorbildlich ist und emotional stär- breite politische und gesellschaftliche Unterstützung ker ist als bei manchen Gemeinden in Westdeutsch- für die Soldaten. Gerade deshalb habe ich auch vor land, die ihre Liebe zur Bundeswehr erst in dem seinen kritischen Äußerungen Respekt. Moment entdeckt haben, als es ihnen an den Geld- Die Anregungen und Vorschläge nehme ich sehr beutel gegangen ist. ernst. Der Be richt wird — es ist teilweise schon (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) erfolgt — mit aller Gründlichkeit ausgewertet und, wo Ich habe ein öffentliches Gelöbnis in Halle durch- immer möglich, rasch in praktische Maßnahmen geführt. Da gab es natürlich Störer, aber die ganz umgesetzt. große Mehrheit der Bürger, die dort hingekommen Die Darstellungen und Bewertungen des Wehrbe- sind, haben ihre Verbundenheit mit der Bundeswehr auftragten orientieren sich zu Recht an den Feldern, deutlich gemacht. Ich frage mich, ob es sehr viele die die Bundeswehr im Berichtszeitraum besonders in vergleichbare Großstädte in Westdeutschland gibt, in Anspruch genommen haben. Das sind die Umfangs- denen man in dieser Weise ein solches öffentliches reduzierung und Umgliederung unter den Bedingun- Gelöbnis hätte durchführen können. gen eines immer enger werdenden Finanzrahmens. Ich glaube also, daß wir auf einem guten Weg sind Ich bin, lieber Kollege Biehle, für ihre aktuellen und es enorme Fortschritte in der Annahme der Bemerkungen besonders dankbar. Die Gestaltung des Bundeswehr in Ostdeutschland gibt. Ich wollte an nächsten Haushalts ist eine Frage schon der nächsten dieser Stelle auch einmal gewürdigt haben, was hier Tage und Wochen. Sie haben zu Recht die kompli- in den letzten zwei, drei Jahren erreicht worden ist. zierte Lage beschrieben. Ich freue mich über Unter- Bei ihren humanitären Einsätzen in Bosnien-Herze- stützung bei diesen schwierigen Verhandlungen, die gowina, über Ostbosnien, in Kambodscha und jetzt in uns hier bevorstehen. Somalia stellen die Soldaten der Bundeswehr tagtäg- Weitere Schwerpunkte sind der Aufbau der Bun- lich unter Beweis, daß sie motiviert und professionell deswehr in den neuen Ländern und das Hineinwach- ausgebildet sind. Sie brauchen keinen Vergleich mit sen in ein verändertes Aufgabenspektrum. Der Wehr- anderen Armeen zu scheuen. beauftragte hat die Größe und Einmaligkeit dieser Ich bin dem Wehrbeauftragten dankbar für die Herausforderungen zutreffend gewürdigt. Niemand deutlichen Worte, mit denen er klare politische konnte erwarten, daß die unvergleichlich schwieri- Grundlagen für die neuen Aufgaben der Bundeswehr gen, vielfältigen und vor allem zeitgleichen Heraus- anmahnt. Die Bundesregierung hat das in ihrer Macht forderungen ohne Schwierigkeiten und ohne persön- Stehende getan, diese Klarheit herbeizuführen und liche Härten zu bewältigen gewesen wären. Schließ- den gebotenen politischen und gesellschaftlichen lich haben wir es mit einer Umbruchsituation ohne Konsens zu gewinnen. Beispiel zu tun. Erst gestern haben wir eine schwierige Debatte in Durch die Berichterstattung in den Medien ist diesem Hohen Haus erlebt. Obwohl es in meinem Text allerdings der falsche Eindruck entstanden, als wäre steht, will ich mich jetzt der Opposition nicht wieder die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr generell zuwenden. gefährdet. Das muß ich zurückweisen. Natürlich sind (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Schade!) Truppenteile, die umstrukturiert werden, den Stand- ort wechseln oder vor der Auflösung stehen, nicht oder Die Deutlichkeit von gestern ist nicht zu überbie- nur eingeschränkt einsatzbereit. Das ist doch selbst- ten. verständlich. Viele Soldaten und ihre Familien erle- (Zuruf von der SPD: Wir brauchen aber ben tiefe Einschnitte in ihre Lebensplanung, die sie Zuwendung! — Dieter Heistermann [SPD]: hart treffen, Unruhe erzeugen und sie beeinträchti- Keine Streicheleinheiten heute? — Günther gen. Dennoch verbieten sich Pauschalurteile, denn sie Friedrich Nolting [F.D.P.]: Ich mache das werden den Soldaten nicht gerecht. Tag für Tag gleich noch!) 14114 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Bundesminister Volker Rühe Ich meine wirklich, wir müssen uns bei dem, was wir ders, weil die im Dezember 1992 ge troffenen Struktur- tun, immer vor Augen halten, was das für die einzel- und Stationierungsentscheidungen wenige Wochen nen Soldaten bedeutet. Ich glaube, es ist ganz groß- später wegen der erneuten finanziellen Einschnitte artig, wenn Sie sehen, in welcher Weise sich die nochmals angepaßt werden mußten. deutschen Soldaten in Somalia mit ihrer Aufgabe identifiziert haben. Das ist nicht selbstverständlich, Zur Konsolidierung der Finanzen und zum Aufbau und deswegen sollten wir a lles tun, um ihnen deutlich der neuen Bundesländer waren und sind bittere zu machen, Einschnitte in die Besitzstände aller Ressorts unver- meidlich. Mit Blick auf die soziale Lage der Soldaten, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) der zivilen Mitarbeiter und ihrer Familien haben wir deshalb Entscheidungen zu Struktur und Stationie- daß wir in diesem schwierigen Einsatz hinter ihnen rung der Bundeswehr so früh wie möglich ge troffen. stehen. Aber ich räume ein, daß angesichts der Besonderheit (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) der Umstände, der stark verkürzten Zeitabläufe und der gespannten Erwartungen das für viele noch zu Ich begrüße, daß der Wehrbeauftragte dem Aufbau spät kam. der Bundeswehr in den fünf neuen Ländern so viel Es kommt jetzt darauf an, Ruhe in die Truppe zu kritische Aufmerksamkeit und Sympathie gewidmet bekommen, die durch die Umstrukturierung stark hat. Die Verwirklichung der inneren Einheit auch in belastet ist. Mit der Herausgabe der Verteidigungs- den Streitkräften hat für die Bundeswehr nach wie vor politischen Richtlinien im November letzten Jahres oberste Priorität. Es ist vielleicht auch der für mich liegt der Auftrag der Bundeswehr fest. Es bleibt auch persönlich befriedigendste Teil meiner Tätigkeit, bei den neuen S trukturen der Streitkräfte und dem mich dem zuzuwenden und hier Vorbildliches zu planerischen Schwerpunkt bei den Krisenreaktions- leisten; denn wenn ich sehe, welche Schulen und kräften. Damit haben wir die Basis geschaffen, auf der Einrichtungen wir in den Osten verlagern, dann ist die sich die Bundeswehr schrittweise fortentwickeln Bundeswehr hier weit vor allem, was große Versiche- kann. Die Bundeswehr muß sich jetzt vor allem rungen, große Banken und große Unternehmen anderen erst einmal in ihren neuen Aufgaben entfal- machen. Darauf sollten wir auch alle miteinander stolz sein. ten. Der von mir im Dezember 1992 vorgestellte konzeptionelle Grundkurs für die Bundeswehrpla- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nung bleibt gültig. Vor allem das große persönliche Engagement der Die vom Wehrbeauftragten angeführten Beispiele Soldaten aus Ost und West vor Ort trägt zur Überwin- falscher Menschenführung und entwürdigender Be- dung noch bestehender Übergangsschwierigkeiten handlung sind bedrückend; sie sind jedoch Einzelfälle bei. Man stößt immer wieder auf sehr beeindruckende und kein Symptom für einen grundsätzlichen Trend in Beispiele, wenn man sich selbst einmal fragt, ob m an der Menschenführung. bereit wäre, mit seiner Familie, mit Kindern auch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) kurzfristig hinüberzugehen, und dann sieht, wie sich Soldaten in vorbildlicher Weise hier bei dem Werk, Dies gilt besonders auch für Einzelfälle rechtsradi- eine Armee der deutschen Einheit zu schaffen, enga- kaler Betätigung. Stets haben die zuständigen Diszi- giert haben. Aber natürlich schließt das die vom plinarvorgesetzten rasch, konsequent und angemes- Wehrbeauftragten beobachteten Probleme in Einzel- sen reagiert. Auch fristlose Entlassungen wurden fällen nicht aus. Angesichts der Größe der Aufgaben verfügt, und der Wehrbeauftragte hat dies ausdrück- stimmen Anspruch und Wirklichkeit in einigen Berei- lich gewürdigt. chen trotz erheblicher Anstrengungen nicht überein, aber wie könnte es in so kurzer Zeit auch anders Insgesamt sehe ich die Bundeswehr auf einem sein? guten Weg bei der Bewältigung ihrer Aufgaben, die in ihrer Dimension denen der Aufstellung der S treit- Meine Aufgabe ist es, diese Kluft so schnell wie kräfte in den 50er und 60er Jahren nicht nachste- möglich vollständig zu schließen. Wir müssen aller- hen. dings angesichts der finanziellen Situation schritt- weise vorgehen. Das erfordert auch weiterhin große Ich stimme mit dem Wehrbeauftragten vollkommen Einschränkungen und Opfer in den alten Bundeslän- darin überein, daß gerade in solchen Zeiten des dern zugunsten des Aufbaus im Osten. Umbruchs geistige Orientierung und besonderes Augenmerk für die soziale Lage des einzelnen Solda- Die größten Fortschritte sind im menschlichen Mit- ten und seiner Familie vordringlich sind. Wir brau- einander gemacht worden. Soldaten und zivile Mitar- chen einen neuen Grundkonsens in Politik und beiter der Bundeswehr machen täglich ernst damit, Öffentlichkeit über Sinn und Funktion unserer Streit- die Teilung durch Teilen zu überwinden. Für sie ist die kräfte. Dieser Herausforderung müssen wir uns alle Armee der Einheit kein leeres Wort. stellen. Wenn wir nicht bereit sind, Mitverantwortung für den Schutz der Freiheit, gegen Völkermord, gegen Die grundlegende Umstrukturierung der Bundes- die Mißachtung der Menschenrechte zu übernehmen, wehr hat für viele Soldaten und zivile Mitarbeiter die dann isolieren wir uns in der Völkergemeinschaft und bisher vielfach gewohnte Planungssicherheit in beruf- werden unfähig zur politischen Mitgestaltung Euro- licher und familiärer Hinsicht stark beeinträchtigt. Ich pas in einer veränderten Welt. weiß, daß damit auch Glaubwürdigkeit verlorenge- gangen ist. Sie gilt es zurückzugewinnen, dies beson- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode - 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14115

Bundesminister Volker Rahe Von den Soldaten der Bundeswehr verlangen wir, Dieter Heistermann (SPD): Herr Präsident! Meine für diese Ziele einzustehen, notfalls mit ihrem Leben. lieben Kolleginnen und Kollegen! Das „Haus Bundes- Hier liegt eine wichtige Aufgabe für die Führung, wehr" bedarf dringend der Renovierung. Die Pro- Ausbildung und Erziehung in den Streitkräften. Das bleme der Bundeswehr liegen nicht im Fassadenbe- ist aber auch eine Aufgabe, die wir unseren Soldaten reich, sondern im Inneren. Zu Recht erwarten die nur übertragen können, wenn sie sich auf eine breite Soldaten bei der Umstrukturierung der Bundeswehr, Unterstützung verlassen können. Bevölkerung und daß ihre persönlichen Belange und die Belange ihrer Parteien müssen hinter der Bundeswehr stehen. Familien sach- und zeitgerecht berücksichtigt wer- Was unsere Soldaten jetzt mehr denn je brauchen, den. Da ist in erster Linie der Hausherr, der Bundes- ist Vertrauen — Vertrauen in die Legitimität des minister der Verteidigung, gefragt. Er trägt die politi- Auftrags, Vertrauen in ihre Ausbildung, mit der sie sche Verantwortung. jede Situation bewältigen können, Vertrauen in ihre Noch immer herrscht große Unsicherheit darüber, in Ausrüstung, die allen Bedingungen gerecht wird, welchen Standorten die Soldaten letztendlich Dienst Vertrauen in das Vorbild ihrer Führer, aber eben auch zu leisten haben werden und wo ihre Familien ver- Vertrauen in die breite Unterstützung durch das bleiben. Lösen Sie, Herr Minister, erst einmal die Parlament und das deutsche Volk. Ich denke, vor Probleme im Inneren, bevor Sie über weitere Einsatz- allem darauf hat die Bundeswehr ein Anrecht. möglichkeiten der Bundeswehr im Äußeren nachden- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ken! Schaffen Sie klare Rechtsverhältnisse für unsere Soldaten, denn die müssen den Kopf hinhalten! Das zeigt sich aber auch besonders darin, wie wir uns urn die Menschen in den Streitkräften konkret Es ist doch nicht mehr zu übersehen, welche Insta- bemühen. Ich freue mich daher, an dieser Stelle den bilitäten sich innerhalb der Bundeswehr ergeben. Entwurf des Auslandsverwendungsgesetzes zur Ab- Noch immer fehlt eine klare Planung der Personal- stimmung stellen zu können. Das Gesetz ist eine struktur von 370 000. Immer offenbarer werden die notwendige dienst- und versorgungsrechtliche Vor- Zielkonflikte bei der weiteren Entwicklung der Bun- aussetzung zur Wahrnehmung unserer internationa- deswehr. Die Einflußgrößen — Auftrag der S treit- len Verantwortung. Es regelt die Ansprüche, die kräfte, Umfang und Struktur, Ausrüstung und Haus- Bundesbeamte, Soldaten sowie Angehorige der Bun- haltsmittel — sind doch ein magisches Viereck, da desanstalt Technisches Hilfswerk bei Teilnahme an jede Veränderung einer dieser Größen die Anpassung einer besonderen Verwendung im internationalen von wenigstens einer der anderen unausweichlich Rahmen nach dem Bundesbesoldungsgesetz, dem macht. Beamten- und dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Schon heute fragen die Soldaten in der Bundes- Wehrsoldgesetz und dem THW-Helferrechtsgesetz wehr, aber nicht nur die, wer eigentlich für die haben. Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der Bundesre- Die Regelungen des Auslandsverwendungsgeset- publik Deutschland verantwortlich ist. Ist es der Bun- zes sind auch als Teil der Anstrengungen und Bemü- deskanzler, ist es der Finanzminister oder noch der hungen zu sehen, die zur Verwirklichung der huma- Verteidigungsminister? nitären und unterstützenden Maßnahmen im interna- (Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: tionalen Rahmen unternommen werden. Sie schaffen Sicherlich nicht die SPD!) versorgungsrechtliche Klarheit für Soldaten, Bundes- beamte und Angehörige des THW in ihrer besonderen Warum kommt es zu dieser Fragestellung? Daß Verwendung im internationalen Rahmen. darüber diskutiert wird, hat seine Ursache sicherlich darin, daß der Bundeskanzler selber die Frage aufge- Das Gesetz sieht Regelungen vor, die ich jetzt aus worfen hat, wieviel Soldaten die Bundeswehr künftig Zeitgründen nicht mehr anspreche; ich denke, sie haben soll. Der Finanzminister steht auch nicht zurück werden später in der Debatte noch von weiteren und kündigt nicht nur tiefe Einschnitte im Bundes- Rednern angesprochen werden. Es soll rückwirkend haushalt 1994 an, sondern kürzt den Verteidigungs- zum 1. Juli 1992 in Kraft treten. Die dienstrechtlichen haushalt beträchtlich. Auf uns hat der Bundesminister Regelungen für besondere Verwendungen im Aus- der Verteidigung nicht gehört, als wir ihn auf diese land sind dringlich und ein Gebot der Fürsorge für die Entwicklung hinwiesen. Herr Waigel läßt es ihn nun im Einsatz stehenden Beamten, Soldaten und Ange- fühlen. hörigen des THW. Ich bitte Sie — damit möchte ich schließen —, dem Wird dies nicht unweigerlich dazu führen, daß der Auslandsverwendungsgesetz mit den vom Innenaus- Umfang der Streitkräfte, ihre Struktur und die Ausrü- schuß vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzun- stungsgegenstände entscheidend beeinflußt wer- gen zuzustimmen. Sie bringen damit zum Ausdruck, den? daß auch der Deutsche Bundestag den Mut, das Die Soldaten in der Bundeswehr merken natürlich, persönliche Engagement und die Einsatzfreude, die daß bei dieser Bundesregierung von einem in sich für besondere Verwendungen im Ausland unabding- geschlossenen Konzept für die Gestaltung der Bun- bar sind, anerkennt und würdigt. deswehr nicht mehr viel vorhanden ist. Klare Ent- Vielen Dank. scheidungen fehlen. Das trägt wesentlich zur Demoti- vierung der Soldaten bei. Es führt zudem dazu, daß (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) sich schon jetzt hochqualifiziertes Personal andere berufliche Tätigkeiten sucht. Vizepräsident Helmuth Becker: Ich erteile nunmehr Schon die in diesem Jahr verfügten globalen Min- unserem Kollegen Dieter Heistermann das Wort. derausgaben führen zu teilweise be trächtlichen Ein- 14116 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Dieter Heistermann schnitten. Der Bundeswehrplan 1994, auf den nun Änderung des Grundgesetzes würde zudem das viele schon warten, wird die Wahrheit und Klarheit abdecken, was durch eine Mehrheit der Bevölkerung der bisherigen Planungen an den Tag bringen. Wir mitgetragen wird. Kampfeinsätze sind dies bisher werden sehen, zu welchen Fehlplanungen es bisher nicht. Daß sich das Spektrum der Blauhelmmissionen gekommen ist, wieviel Geld nutzlos ausgegeben erweitert hat, hat die SPD berücksichtigt. Die Absi- wurde, wie wenig Mittel für den Umbau der Bundes- cherung humanitärer Aktionen zum Schutz der Zivil- wehr zur Verfügung stehen. bevölkerung, von Hilfslieferungen und Waffenstill- Wir sind gespannt darauf, von Ihnen zu erfahren, ständen, von UNO-Schutzzonen und UNO-Mandats- Herr Minister, welche Planungssicherheit Ihren Über- gebieten wurden einbezogen. legungen zugrunde liegt. Wer sich die hohe Bin- (Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Auch dungswirkung der Verpflichtungsermächtigungen im Somalia?) mittelfristigen Finanzplan anschaut, der erkennt schnell, daß hier nicht nur mit heißer Nadel, sondern Als flankierende Maßnahme gehört allerdings ein ebenso hart auf Rand genäht wurde. Verbot des Rüstungsexports in Staaten außerhalb der NATO dazu, denn es darf nicht sein, daß unsere Es bleibt Ihnen wenig politischer und finanzieller Soldaten im UNO-Einsatz deutschen Waffen gegen- Spielraum. Auch dafür trägt die Koalition und dafür überstehen. Daß wir bei den Waffenexporten inzwi- trägt auch diese Bundesregierung die politische Ver- schen wieder die dritte Stelle einnehmen, bedrückt antwortung. uns in diesem Zusammenhang ganz besonders. (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Die allei (Zuruf von der F.D.P.) nige Verantwortung!) — Sie sollten die Zeitungsartikel und den Bericht von Als Abgeordneter kann ich die Lagebeurteilung der SIPRI zur Kenntnis nehmen. Bundeswehr durch den Herrn Wehrbeauftragten nur bestätigen. Die Soldaten sind verunsichert über das, Sobald, wann auch immer, mit einer Grundgesetz- was auf sie zukommt, und zugleich sauer auf die änderung ein neuer Rahmen für Einsätze der Bundes- Politik, die offenbar nicht in der Lage ist, zu einer wehr beschlossen ist, muß als nächster Schritt ein einvernehmlichen Lösung über den zukünftigen Auf- Bundeswehraufgabengesetz diesen Rahmen ausfül- trag der Bundeswehr zu kommen. len. Diese Forderung hat die SPD zuerst im Zusam- menhang mit dem Bericht der Jacobsen-Kommission Um es gleich zu sagen: Die Streitkräfte haben einen über die künftigen Aufgaben der Bundeswehr erho- Anspruch auf Rechtssicherheit und brauchen Pla- ben, und wir bleiben dabei. In einer Demokratie muß nungssicherheit. Es obliegt dem zuständigen Vertei- der Einsatz der Streitkräfte zweifelsfrei geregelt sein. digungsminister, dafür die Voraussetzungen zu schaf- Wir fordern die anderen Frak tionen des Hauses auf, fen. an einem solchen Bundeswehraufgabengesetz mitzu- (Dr. Whiter Franz Altherr [CDU/CSU]: Dann arbeiten. - tragen Sie dazu bei!) Als wahre Fundgrube erweist sich der Jahresbericht Ich wiederhole an dieser Stelle, was wir schon bei des Wehrbeauftragten auch für Beispiele, wie m an es vielen Debatten deutlich gemacht haben: Es ist nicht machen sollte. Mangels klarer politischer Vor- gerade auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidi- gaben ordnet auch das BMVg Maßnahmen an, deren gungspolitik sowie beim Einsatz der Streitkräfte ein Sinnhaftigkeit nicht immer nachvollziehbar ist. So gibt breiter Konsens der Poli tik erforderlich. es einerseits Fehlinvestitionen in der Infrastruktur, andererseits fehlen nach wie vor geeignete Wohnun- (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Sehr rich gen für die Familien der Soldaten. Da werden Verset- tig! — Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: zungen verfügt, die, nachdem sie ausgesprochen Kommen Sie dem auch nach!) wurden, schon wieder obsolet sind. Es ist aber nicht die SPD, die sich von dem zuvor Daß bei einem solchen Vorgehen die Stimmung in bestehenden parteiübergreifenden Konsens entfernt der Truppe schlecht ist, wen wundert das. Wir unter- hat. streichen deshalb die Kritik des Wehrbeauftragten am (Beifall bei der SPD) unglaublichen Durcheinander der Bundeswehrpla- Keine Frage ist, daß die neue Sicherheitslage in nung und der Bundeswehrführung. Die wechselnden Deutschland, in Europa, ja, weltweit eine politische Entscheidungen zur künftigen Struktur und über die Bestandsaufnahme erfordert. Wir stehen am Beginne Beibehaltung oder Schließung von Standorten haben eines neuen Abschnittes unserer bisherigen Sicher- in der Tat zu starker Verunsicherung und zu Unzufrie- heitspolitik. Verfassungsgrauzonen müssen deshalb denheit in der Truppe geführt. Deshalb ist die Forde- vermieden und ausgeschlossen werden. rung der Soldaten, endlich klare Entscheidungen zu treffen, die über den Tag hinaus gelten, nicht nur (Zuruf von der CDU/CSU: Die SPD steht da richtig, sondern unabdingbar. mit ihrer Meinung allein!) Im Berichtsjahr waren wieder schwerwiegende Ent- Gerade dies liegt im Interesse der Bundeswehr. gleisungen von Vorgesetzten gegenüber Untergebe- Die von der SPD vorgeschlagene Grundgesetzän- nen zu beklagen. Die charakterlichen Schwächen derung wäre zunächst völlig ausreichend, um die dieser Vorgesetzen müßten eigentlich viel früher internationale Handlungsfähigkeit der Bundesregie- auffallen. Die Anforderungen an die herausragenden rung sicherzustellen. Rund 95 % der Anforderungen charakterlichen Merkmale in Führungsverwendung wären damit zu erfüllen. Die von uns vorgeschlagene und Führungsnachwuchs müssen so hoch angesetzt Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14117

Dieter Heistermann werden, daß die Fehlerquoten weiter verringert wer- Soldaten. Besonders delikat ist deshalb der Hinweis den können. Dafür müssen die beurteilenden Vorge- des Wehrbeauftragten, daß sich die Grundwehr setzten in der Truppe und auf Lehrgängen Sorge dienstleistenden wegen der hohen Mietbelastungen tragen. während ihrer Grundwehrdienstzeit teilweise bis zu Seit geraumer Zeit brütet das BMVg auch über eine 5 000 DM verschulden. Wenn man die in diesem Jahr zeitgerechte Dienstausgleichsregelung. eingetretene Kürzung des Entlassungsgelds mitbe- trachtet, kann man ermessen, welche Stimmung bei (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Brütet es den Grundwehrdienstleistenden vorherrscht. Ich erin- denn wirklich?) nere hier an den Hinweis des Wehrbeauftragten von Aber zu Potte kommt es nicht. Wir mahnen von dieser vorhin, wie hoch die Zahl der bei ihm eingegangenen Stelle aus auch den angekündigten Bericht an, der Eingaben inzwischen ist. dem Verteidigungsausschuß schon längst zugesagt Besonders aufmerksam machen möchte ich auf die war. Das Hinauszögern von Entscheidungen ist auch versorgungsrechtliche Benachteiligung von ehemali- hier typisch. Wir werden unseren Antrag nach einer gen NVA-Angehörigen, die als Berufssoldaten in die gesetzlichen Dienstzeitregelung im • Verteidigungs- Bundeswehr übernommen wurden. Diese Soldaten, ausschuß und im Parlament zur Abstimmung bringen. die erst mit höherem Lebensalter in die Bundeswehr Wir sind es ebenso wie die Soldaten leid, immer übernommen wurden, erreichen regelmäßig nur ein wieder vertröstet zu werden. Mindestruhegehalt von 35 %. Das liegt zum einen Die drastische Reduzierung des Friedensumfangs daran, daß sie auf Grund der besonderen Altersgrenze auf 370 000 Soldaten bis Ende 1994 und die damit relativ früh in den Ruhestand versetzt werden, und verbundene weitreichende Neuorganisation der zum anderen daran, daß ihre Dienstzeit in der NVA Streitkräfte führen zu erheblichen Auswirkungen auf nicht für das Ruhegehalt, sondern nur in bezug auf das Soldaten und zivile Mitarbeiter. Die Bewährungs- Rentenrecht berücksichtigt wird. Nach der derzeiti- probe hierfür muß noch bestanden werden. Die Stim- gen Regelung besteht deshalb für die Mindestversor- mung bei den zivilen Mitarbeitern ist nicht besser als gungsempfänger die Versorgungslücke vom 53. bis bei den Soldaten. Besonders wegen der gravierenden zum 65. Lebensjahr. Für alle anderen besteht eine sozialen Folgen der zu erwartenden hohen Anzahl von Versorgungslücke vom 53. bis zum 60. Lebensjahr. Versetzungen sind flankierende Maßnahmen bei der Zur Beseitigung dieser Versorgungslücke muß aus Wohnungsfürsorge notwendig. unserer Sicht § 26 a des Soldatenversorgungsgesetzes Wegen des erheblichen Wohnungsbedarfs der Bun- umgehend so geändert werden, daß die vorüberge- deswehr von ca. 1 800 Wohnungen in den alten hende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bereits ab Bundesländern und ca. 9 300 Wohnungen in den dem Erreichen der besonderen Altersgrenze unter neuen Bundesländern wurden 1993 erstmals Mittel Einschluß der Mindestversorgungsempfänger ge- für die Wohnungsfürsorge der Bundeswehr in den währt wird. Es ist nicht einzusehen, daß die Mindest- neuen Bundesländern vorgesehen. Diese Maßnah- versorgungsempfänger, bei denen die Versorgungs- - men wurden durch die haushaltswirtschaftlichen lücke am gravierendsten ist, von der Regelung gänz- Sperren und globalen Minderausgaben praktisch ent- lich ausgeschlossen werden. wertet. Diese Ungerechtigkeit werden wir nicht hinneh- Der ursprünglich angestrebte Entlastungseffekt im men. Wir wollen uns um eine interfraktionelle parla- Wohnungsbau für Angehörige der Bundeswehr und mentarische Initiative mit dem Ziel bemühen, diese beim Bau von Bundesdarlehenswohnungen ist damit Versorgungslücke letztlich zu schließen. wieder in Frage gestellt. Die oben genannten Mittel Zum Schluß meiner Ausführungen einige wenige müßten unangetastet bleiben, zumal da auch im Anmerkungen zum Auslandsverwendungsgesetz. Einzelplan 25 des Bundesministers für Raumordnung, Trotz wiederholter nachdrücklicher Forderungen aus Bauwesen und Städtebau die Haushaltsansätze für allen Fraktionen des Deutschen Bundestages war die den Wohnungsbau gekürzt wurden. Bundesregierung erst Anfang April in der Lage, einen Auf Grund dieser Sachlage kann von einer Fürsorge ressortabgestimmten Gesetzentwurf dem Bundesrat des Bundes gegenüber seinen Soldaten und zivilen zur Stellungnahme zuzuleiten. Deshalb beraten wir Mitarbeitern nicht mehr gesprochen werden. Er- heute über den von den Bundestagsfraktionen bereits schwerend kommt hinzu, daß das Bundesministerium Anfang März gemeinsam auf den Weg gebrachten für Finanzen an seiner starren Haltung festhält und Gesetzentwurf für ein Auslandsverwendungsgesetz. freiwerdende Wohnungen der Gaststreitkräfte gar Diese gemeinsame Parlamentsinitiative entsprang nicht oder nur in sehr geringer Zahl der Bundeswehr dem gemeinsamen Willen, ungeachtet der großen überlassen will. Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der verfas- (Jürgen Augustinowitz [CDU/CSU]: Das ist sungsrechtlichen Zulässigkeit eines Streitkräfteein- aber sehr unterschiedlich!) satzes außerhalb der Landes- und Bündnisverteidi- gung zumindest im versorgungsrechtlichen Bereich Diese unbegreifliche Haltung des Bundesministers ganz schnell für Rechtssicherheit zu sorgen. der Finanzen muß zu Recht gerügt werden. Die Folge der Feststellungen des Wehrbeauftrag- Dies ist — das können wir hier wohl gemeinsam ten, daß selbst die durch die letzte Novelle des festhalten — mit dem gemeinsam vorgelegten Gesetz- Unterhaltssicherungsgesetzes verbesserte Mietbei- entwurf gelungen. tragsregelung nicht ausreicht, die hohen Mietkosten Mein Kollege Steiner hat bereits bei der ersten zu decken, trifft vor allem die grundwehrpflichtigen Lesung darauf hingewiesen, daß es ein in der parla- 14118 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Dieter Heistermann mentarischen Geschichte wohl einmaliger Vorgang Hauses, die hier hervorragend mitgearbeitet ha- ist, daß wir die versorgungsrechtlichen Folgen von ben. Einsätzen regeln, ehe wir uns über deren rechtliche Den Bundesminister der Verteidigung bitten wir, Zulässigkeit verständigt haben. Die politisch offenen allen Soldaten und zivilen Mitarbeitern unseren Dank Fragen dürfen aber nicht — das ist unsere feste dafür zu übermitteln, daß sie auch unter erschwerten politische Überzeugung — auf dem Rücken von Sol- Bedingungen ihren Dienst zum Wohle unseres Landes daten ausgetragen werden. Deshalb hat sich die geleistet haben. SPD-Bundestagsfraktion gerade in diesen Fragen sehr engagiert. Dies sind wir den Soldaten und ihren Ich danke für die Aufmerksamkeit. Familien schuldig. (Beifall bei der SPD — Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Lauter Dankesworte! — (Zuruf von der F.D.P.: Und den Soldatin Gegenruf des Abg. Dr. Karl-Heinz Klejd nen!) zinski [SPD]: Auf Grund des Beifalls haben Die hohen Kosten des Wiederaufbaus in den neuen wir Ihre Bemerkung gar nicht gehört!) Bundesländern, die Schwäche der Konjunktur und die sozialen Folgen von Arbeitslosigkeit werden tiefe Vizepräsident Helmuth Becker: Die nächste Redne- Einschnitte im Bundeshaushalt nach sich ziehen. rin ist unsere Frau Kollegin Claire Marienfeld. Auch der Verteidigungshaushalt wird nicht verschont werden können. Claire Marienfeld (CDU/CSU): Herr Präsident! Gerade die Neuorientierung des Auftrags der Bun- deswehr erfordert jetzt zwingend politisches Handeln. Meine Damen und Herren! Der Jahresbericht 1992 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ist Jetzt gilt es eine sicherheitspolitisch tragfähige und Ausdruck des schwierigen Prozesses, in dem sich die sozialverträgliche Anpassung der Höhe des Verteidi- Bundeswehr befindet. Der Aufbau der Bundeswehr in gungshaushalts vor dem Hintergrund der sich den neuen Bundesländern ist noch nicht abgeschlos- abzeichnenden allgemeinen wirtschaftlichen Ent- sen, die Umstrukturierung der Streitkräfte ist noch in wicklung selber vorzunehmen. vollem Gang, und die sicherheitspolitische Lage mit Es ist allemal besser, dies selber zu tun, als durch den Konfliktfeldern in Europa und außerhalb Europas globale Maßnahmen dazu gezwungen zu werden. Die stellen die Bundeswehr vor neue Herausforderungen. kommenden Wochen werden zeigen, ob der Verteidi- Die Soldaten und ihre Familien, aber auch alle Bürger gungsminister hierzu den Mut aufbringt. Hoffentlich unseres Landes müssen sich darauf einstellen. kann er uns darlegen, auf welcher soliden Finanz- Ein ambivalentes Denken und Fühlen in bezug auf grundlage er die mittelfristige Planungssicherheit die Sicherheitslage der Bundesrepublik Deutschl and erreichen will. macht sich breit. Die Bürger und unsere Soldaten wissen, wie sehr die Entwicklung der Demokratien in Dieses Parlament und die Soldaten der Bundeswehr - erwarten von Ihnen, Herr Minister, aber auch eine den osteuropäischen Ländern vor allem unsere Antwort darauf, wie die Sicherheitsarchitektur in Sicherheit beeinflußt. Sicherheit und die damit ver- Europa aussehen und wie die Aufgaben, Funktionen, bundene Freiheit haben für die Bürger unseres L an Umfänge und Strukturen künftiger Streitkräfte ausge- -des einen sehr hohen Stellenwert. legt werden sollen. Ebenso wird eine Antwort auf die Der Wehrbeauftragte sprach zu Recht davon, daß Frage erwartet, wie eine Verbesserung der Koopera- die Einsatzfähigkeit vor allem von der Verteidigungs- tion im Bündnis und in Europa erreicht werden bereitschaft der Gesellschaft abhängig ist. Ich denke kann. allerdings, daß die Voraussetzung dafür vor allem das geschlossene Handeln aller im Bundestag vertretenen Herr Minister, der Umbau des Hauses „Bundes- Fraktionen und auch aller Parteien ist. wehr" bedarf der straffen Führung, der klaren Ent- scheidung, damit die eingeleitete Renovierung zu (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) einem guten Ergebnis führt. Werden Sie dieser Auf- Die gestrige Debatte zeigte dort deutliche Differen- gabe gerecht! zen. Wir tragen Verantwortung gegenüber der UNO, Lassen Sie mich aus Anlaß der Beratung des Wehr- der NATO und der Völkergemeinschaft. Diskussionen beauftragtenberichts heute an jenen Mann erinnern, über den Auftrag und die Verpflichtung im Rahmen der erst vor wenigen Tagen verstorben ist, nämlich an des Bündnisses tragen deshalb erheblich zur Verunsi- Graf Baudissin. Er war der Vater des Prinzips der cherung unserer Soldaten und ihrer Familien bei. Inneren Führung, um die die Bundeswehr weltweit (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Das haben beneidet wird. Es war mit sein Werk, Bundeswehr und Sie verschuldet!) Gesellschaft zu versöhnen. Gegen starke Widerstände — Ich komme gleich auf die Schuldigen. Ich werde setzte er das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform Ihnen das gleich vortragen. durch. Die innere Verfassung der Bundeswehr und Der Bericht des Wehrbeauftragten unterscheidet ihre Stellung in Staat und Gesellschaft sind ohne das sich sehr deutlich von den vorangegangenen Berich- herausragende Wirken dieses Mannes nicht vorstell- ten: Während es in den vorangegangenen Berichten bar. Die Soldaten der Bundeswehr und dieses Parla- überwiegend Mängel und Defizite waren, die als ments schulden diesem Mann Dank und Anerken- Beschwerden beim Wehrbeauftragten einkamen, nung. stellt der Wehrbeauftragte in diesem Be richt ein Wir danken dem Wehrbeauftragten für seinen Defizit der Politik fest. Er hebt he rvor, daß nicht Bericht und danken ebenso den Mitarbeitern seines erwartet werden könne, daß die Bundeswehr Einsatz- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitz mg. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14119

Claire Marienfeld willen und Motivation zeige, solange in Bonn über die Die völlige Zerstrittenheit der SPD zeigte sich auch Verfassungsmäßigkeit von Einsätzen und über künf- in den Reaktionen auf die von der Bundesregierung tige Aufgaben debattiert werde. eingebrachten Vorschläge zur Verfassungsände- Die Verweigerungshaltung und das Verwirrspiel rung. der SPD haben uns in diese Situa tion gebracht. (Jürgen Augustinowitz [CDU/CSU]: Sehr richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Fragen Sie doch den Vize kanzler, was er in Karlsruhe gemacht hat!) Vizepräsident Helmuth Becker: Frau Kollegin, bevor Sie darauf eingehen: Gestatten Sie eine Zwi- Die Zerstrittenheit der SPD in der Frage des künftigen schenfrage des Kollegen Horn? Einsatzes der Bundeswehr wird in den Beschlüssen und Aussagen der letzten Monate deutlich. Nur eine ganz kleine Vorstellung: Auf dem Sonderparteitag der Claire Marienfeld (CDU/CSU): Bitte, Herr Horn. SPD im November 1992 — Herr Verheugen hört schon ganz aufmerksam zu; ich zitiere sogleich auch Erwin Horn (SPD): Frau Kollegin Marienfeld, ich bin ihn — beinahe beleidigt, daß Sie jetzt nahezu alle Sozialde- (Günter Verheugen [SPD]: Weil Sie von mokraten zitiert haben, nur Beschlüssen gesprochen haben!) (Claire Marienfeld [CDU/CSU]: Ohne Sie zu hatte die SPD friedensschaffende Blauhelmeinsätze zitieren!) der Bundeswehr abgelehnt. nur nicht mich. — Ja, genau. (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD] und Gün (Claire Marienfeld [CDU/CSU]: Ich be- ter Verheugen [SPD]: Richtig!) zeichne Sie ja auch als Exoten innerhalb Ihrer Fraktion! — Heiterkeit und Beifall bei Bereits am 13. Dezember, drei Wochen später, erklärte der CDU/CSU) der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestags- fraktion, Norbert Gansel: — Meinen Sie: Maître de plaisir? Aber sagen Sie einmal: Wenn Sie hier auf die (Günter Verheugen [SPD]: Ist er das? — Widersprüche innerhalb der sozialdemokratischen Jürgen Augustinowitz [CDU/CSU]: Auf dem Fraktion aufmerksam machen, wäre dann nicht die Parteitag!) einmalige Situa tion erklärungsbedürftig, daß der Ich bin für eine klare Revision der Position meiner Vizekanzler den Bundeskanzler beim Bundesverfas- Partei, aber davon muß die SPD überzeugt sein. sungsgericht verklagte, eine Situa tion, die der ehema- (Günter Verheugen [SPD]: Ist es so?) lige Bundeskanzler als „Affenthea- ter" bezeichnet hat? Während des Bonn-Besuches des UNO-Generalse- - kretärs Boutros-Ghali erklärte Herr Verheugen, der (Jürgen Augustinowitz [CDU/CSU]: Nach- außenpolitische Sprecher: Die SPD muß ihre Posi tion dem er nicht mehr im Amt ist!) überdenken, (CDU/CSU): Ich teile die Meinung (Jürgen Augustinowitz [CDU/CSU]: Hört! Claire Marienfeld des ehemaligen Bundeskanzlers nicht. Hört!) (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.] [zur SPD falls sich herausstellen sollte, daß die UNO etwas gewandt]: Lenkt nicht von euren Problemen anderes erwartet, als wir bisher angenommen ab!) haben. (Günter Verheugen [SPD]: Ja!) — So ist es. Ihre Stimme, die Stimme Ihrer Frak tion wird hier gefordert. Um nichts anderes geht es. Die Herr Verheugen und meine Damen und Herren von Bereitschaft der F.D.P. ist vorhanden. der SPD: Die UNO hat klar definiert, was sie von uns erwartet, und ihre Erwartungen vorgetragen. Sie Es ist keine Lösung, das Bundesverfassungsgericht brauchen nur zu handeln. Sie hätten dies gestern tun anzurufen, um sich zur Verantwortung gegenüber der können. Völkergemeinschaft zu bekennen. (Günter Verheugen [SPD]: Was hat das (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) eigentlich mit dem Thema zu tun?) Auch der sicherheitspolitische Sprecher der SPD- Die Umstrukturierung der Bundeswehr hat zu Bundestagsfraktion, Walter Kolbow, forderte am einem Personalabbau von 30 000 Soldaten im 13. Januar 1993, man sollte in der SPD dazu kommen, Berichtszeitraum geführt, mit allen Problemen, die für die in der UNO-Charta vorgesehenen Pflichten damit verbunden sind. Ich leugne nicht, daß es da friedensschaffenden Maßnahmen zur Verfügung zu Probleme gab und gibt. Abbau und Umbau erfordern stehen. von den betroffenen Soldaten und ihren Familien viel (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Richtig! Verständnis und bedeuten für nicht wenige große Dazu stehen wir!) Härten. Gerade bei den Unteroffizieren, deren Frauen nicht selten berufstätig sind, treffen Versetzungen tief. Er ist heute leider nicht da. Fehlender Wohnraum und mangelnde Arbeitsplätze Das sind die Forderungen. Was sollen Bürger, was begünstigen nicht gerade eine Entscheidung für einen sollen Soldaten und was sollen vor allem die Familien Umzug in den neuen Einsatzort des Soldaten. Wir der Soldaten von dieser Haltung denken? können dies dem Be troffenen nicht ersparen, aber wir 14120 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Claire Marienfeld müssen natürlich dafür Sorge tragen, daß das erträg- Der aufmerksame Leser des Berichts muß allerdings lich wird. — aus meiner Sicht zumindest — sehr nachdenklich Ich denke, die in den Haushalt eingestellten Finanz- werden; denn der Verbindungsstrang, der Kommuni- mittel, die gerade dem Wohnungsbau in den neuen kationsstrang zwischen Politik und Bundeswehr Bundesländern zugute kommen, sind eine Erleichte- scheint sehr dünn geworden zu sein. Viele Soldaten rung. Wir müssen aber auch — und das möchte ich von können nicht mehr verstehen, was hier in Bonn dieser Stelle aus tun; ich habe das schon im Ausschuß geschieht. Viele Soldaten verstehen die Diskussion mit Nachdruck vertreten — den Finanzminister auf- und die Entscheidungen, die wir hier im Parlament fordern, bei der Vergabe des freiwerdenden Wohn- treffen, nicht mehr. Vieles ist nicht mehr nachvollzieh- raums der Alliierten ganz besonders an die Belange bar. der Soldaten zu denken. Die früheren Jahresberichte, die der Wehrbeauf- (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Nicht nur tragte vorgelegt hat, waren zum überwiegenden Teil bei den Wohnungen der Alliierten! Das trifft Mängelberichte. Der jetzige Be richt aber schildert für alle neuen Bundesländer zu!) verstärkt Probleme und Anliegen, die direkte Reaktio- — Nicht nur da. Aber da gibt es ja wahrscheinlich nen auf Entscheidungen der Politik sind. Spielräume, vor allem in den Ballungsgebieten. Ich Der Wehrbeauftragte hat hier über den Primat der denke, hier muß man den Verpflichtungen, die die Politik und davon gesprochen, daß hier gehandelt Soldaten haben und die häufige Umzüge mit sich werden muß, daß Handeln zwingend ist und not tut. bringen, Rechnung tragen. Herr Wehrbeauftragter, ich sage aus der Sicht der F.D.P.-Fraktion dazu: Sie haben recht. Lassen Sie uns, Vizepräsident Helmuth Becker: Frau Kollegin liebe Kollegen auch von der Opposi tion, aufhören, zu Marienfeld, Sie haben Ihre Redezeit längst weit über- reden! Handeln wir endlich! schritten. Die Zeit für die Zwischenfrage haben wir natürlich nicht gerechnet. Ich bitte, zum Schluß zu (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU kommen. — Dieter Heistermann [SPD]: Wer hindert Sie?)

Claire Marienfeld (CDU/CSU): Darf ich noch einen Hierzu spreche ich speziell die Opposition an: Sie Satz sagen, der mir sehr am Herzen liegt. tragen hier in diesem Parlament mit uns gemeinsam Bei der Motivation der Wehrpflichtigen spielt vor Verantwortung. Wie ich es bereits bei der Debatte des Jahresberichtes 1991 zum Thema allem die Gleichwertigkeit der Dienste eine Rolle. Ich Grundgesetzände- bin sehr betrübt darüber, daß in weiten Teilen der rung behandelt habe, spreche ich Sie auch heute Bevölkerung der Zivildienst größere Anerkennung direkt an: Besinnen Sie sich endlich auf eine realisti- findet als der Wehrdienst, und das, obwohl — das muß sche Sicht der Dinge! Stimmen Sie einer umfassenden man sagen, ohne hier zwei Gruppen gegeneinander klaren gesetzlichen Grundgesetzregelung zu! ausspielen zu wollen — wirklich nur 2 % der jungen (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Aha: Männer, die Zivildienst leisten, in den sogenannten Umfassend!) Vorzeigebereichen sind, also schwere Dienste zu leisten haben, etwa in Krankenhäusern und Altenhei- Schaffen Sie mit uns eindeutige Rechtssicherheit für men. Ich denke, es ist ein gemeinsames Anliegen, dies weitergehende UNO-M andate! verbessern zu helfen. (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Aber was (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ist umfassend?) Herr Wehrbeauftragter, ich danke Ihnen im Namen Sichern Sie dem Parlament auf der anderen Seite auch der CDU/CSU-Frak tion herzlich für Ihren Bericht. Ich ein gesetzlich fixiertes Mitspracherecht zu. bitte Sie, das auch an Ihre Mitarbeiter weiterzugeben, über die hinaus, die hier anwesend sind. (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Sprechen Herzlichen Dank. Sie von Vizekanzler?) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Auch das sind unsere Vorstellungen dazu. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vizepräsident Helmuth Becker: Ich erteile unserem Kollegen Günther Nolting das Wort. Die Vorschläge der F.D.P. und der CDU/CSU liegen (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Er wird seit mehreren Monaten auf dem Tisch. Meine Damen jetzt zum Vizekanzler Stellung nehmen!) und Herren von der Opposi tion, Sie dürfen sich hier nicht länger verweigern. In diesem Punkt dürfen parteitaktische Überlegungen keine Rolle spielen, Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehr als 8 000 Eingaben (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Wir wol- im Jahr 1992 beim Wehrbeauftragten machen, glaube len der F.D.P. da nicht nacheifern!) ich, sehr deutlich, wie wich tig die Institution des Wehrbeauftragten gerade in Umbruchzeiten für die sondern ich sage es noch einmal: Es geht hier neben Angehörigen der Bundeswehr und ihre Familien ist. der Rechtssicherheit für unsere Soldaten um das Dies gilt für Soldaten und Soldatinnen wie für zivile Ansehen unseres Landes als eines souveränen Mit- Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. gliedes der Völkergemeinschaft. (Beifall bei der F.D.P.) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14121

Günther Friedrich Nolting Der ständige Gang nach Karlsruhe, den Sie auch jetzt Frage hat sich gezeigt, daß die SPD einen Gang wieder wählen, kann und darf nicht politisches Han- beschritten hat, den man hätte vermeiden können, deln ersetzen. wenn wir eine Grundgesetzänderung schon längst (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Aber Sie durchgeführt hätten. haben uns zumindest einmal intensiv dabei (Günter Verheugen [SPD]: Wir haben sie begleitet, Herr Kollege!) aber nicht!) Auch Sie in der Opposi tion, Herr Kollege, sind An dieser Stelle, Herr Kollege Verheugen, bitte ich gewählt worden, um politische Entscheidungen zu Sie wirklich noch einmal, bei allem Trennenden zu treffen. Ich sage gleichzeitig: Sie dürfen Ihre Ausein- überlegen, ob es nicht an der Zeit ist, eine Grundge- andersetzungen, die Sie innerhalb Ihrer Partei zur Zeit setzänderung herbeizuführen, um Rechtssicherheit zu austragen, nicht auf dem Rücken der Soldaten austra- schaffen, um erweiterte UNO-Mandate wahrnehmen gen. zu können, wie sie an uns herangetragen werden und (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) auch in Zukunft noch herangetragen werden. Ich möchte dabei auch sagen, Herr Kollege Irmer, daß wir Unsere Soldaten brauchen den Rückhalt des gesam- damit ja verhindern wollen, daß es zu Grauzonen ten Parlaments. kommt, die immer wieder auftreten. Wir wollen ja (Dieter Heistermann [SPD]: Ich sage nur: erreichen, daß wir den verstärkten Aufgaben, die an AWACS!) uns herangetragen werden, nachkommen können. Sie wissen ganz genau: Ihr Antrag reicht nicht aus. Wir (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Vielen Dank! Jetzt wollen und dürfen keine Grauzonen schaffen. Und Sie weiß ich darüber Bescheid!) wissen ganz genau, daß die UN-Charta eine Tren- nung, wie Sie die wollen, überhaupt nicht vorsieht. Vizepräsident Helmuth Becker: Herr Kollege Nol- (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Warum ting, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen haben Sie das nicht begriffen, als es um Verheugen? AWACS ging?) Einen breiten Raum im Be richt nehmen die Pro- Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Für den Kollegen bleme ein, die sich für viele Bundeswehrangehörige Verheugen selbstverständlich, obwohl ich, Herr Prä- aus der Verkleinerung und Umstrukturierung der sident, dazu sagen muß, daß die SPD gestern nicht Bundeswehr ergeben. Jedem von uns war am Beginn bereit und offensichtlich nicht in der Lage war, eine des Prozesses der Zusammenführung beider deut- Zwischenfrage von mir zuzulassen. Aber so sind wir schen Armeen und der Neustrukturierung der eben. gesamtdeutschen Bundeswehr klar, daß auch bei aller politischen Begleitung und sozialen Abfederung die- Günter Verheugen (SPD): Ich bedanke mich, Herr ser gigantische Prozeß nicht ohne Verwerfungen und Kollege. Ich konnte gestern nicht dabei sein. persönliche Härten würde abgehen können. Das Ich möchte Sie fragen, ob Sie bestätigen können, sehen auch unsere Soldaten so, und sie haben zu daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion einem Großteil Verständnis dafür. Ich würde mir dies bereits vor mehr als einem Jahr dem Deutschen auch für andere Berufszweige wünschen. Bundestag einen Vorschlag zur Anderung des Grundgesetzes vorgelegt hat, mit dem die von Ihnen Vizepräsident Helmuth Becker: Gestatten Sie eine eben eingeforderte Rechtsklarheit herbeigeführt Zwischenfrage des Kollegen Irmer? würde. (Ina Albowitz [F.D.P.]: Ihr wollt nur ein biß- Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Für den Kollegen chen schwanger sein!) Irmer immer; unter der Voraussetzung, daß das nicht auf meine Redezeit angerechnet wird. Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Herr Kollege Verheugen, ich kann dies bestätigen. Sie haben einen Vizepräsident Helmuth Becker: Bitte, Herr Kollege Antrag eingereicht. Aber ich sage noch einmal — ich Irmer. glaube, ich habe vorhin schon darauf hingewiesen —: Dieser Antrag kann nicht ausreichen, weil Sie mit Ulrich Irmer (F.D.P.): Herr Kollege, wie finden Sie es diesem Antrag wieder Grauzonen schaffen und weil eigentlich, daß aus der Opposi tion jetzt gerufen wird wir z. B. in Ihrem Antrag sehen, daß Sie zwischen „AWACS", offensichtlich als eine Anspielung darauf, friedenserhaltenden und friedensschaffenden Maß- daß die F.D.P. in der Sache AWACS genötigt war, zum nahmen unterscheiden. Bundesverfassungsgericht zu gehen, daß dies aber Sie wissen ganz genau, daß es bei Einsätzen im ganz offenkundig doch nur deshalb notwendig wurde, Rahmen der UNO hier sehr schnell zu Verwischungen weil sich die Opposition eben der Grundgesetzände- kommen kann. Ich möchte nicht, daß wir Soldaten im rung verweigert hat? Einsatz unter UNO-Mandat haben und es plötzlich (Lachen bei der SPD — Günter Verheugen heißt, der eigentliche Auftrag und die eigentliche [SPD]: Das ist aber lustig! Na, aber hören Sie Beschlußlage, wie sie im Deutschen Bundestag im mal! — Dieter Heistermann [SPD]: Aber Sinne einer Grundgesetzänderung vorgenommen Irmer!) wurde, reicht nicht aus. Wir müßten dann plötzlich unsere Soldaten aus einem Auftrag zurückziehen. Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Ich kann dies, Das kann auch nicht in Ihrem Interesse liegen. Das Herr Kollege Irmer, nur bestätigen. Auch in dieser kann auch nicht im Interesse Deutschlands innerhalb 14122 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Günther Friedrich Nolting dieser Völkergemeinschaft liegen. Ich denke, auch Ich bin froh, daß wir dieses Gesetz hier heute verab- Sie müssen ein Interesse haben, daß wir nicht in eine schieden können. Ich bitte um eine breite Unterstüt- außenpolitische Isolation geraten können, deren Ein- zung. treten ich für den Fall befürchte, daß wir Ihren Antrag Ich will mich zum Abschluß beim Herrn Wehrbeauf- annehmen. tragten und seinen Mitarbeitern für die Unterstützung (Beifall bei der F.D.P.) im vergangenen Jahr bedanken. Ich will mich aber auch bei unseren Soldaten bedanken, unabhängig Und wenn Sie nicht in der Lage sind — lassen Sie mich davon, ob sie im Inland ihren Aufgaben nachkommen das zu Ende führen, Herr Kollege Verheugen —, hier oder aber ob sie als Botschafter in Uniform im Ausland mit uns gemeinsam zu einem Kompromiß zu kom- ihren Dienst tun. men, (Beifall bei der F.D.P.) (Dieter Heistermann [SPD]: Sie sind doch Ich hoffe, daß ich bei den nächsten Beratungen die nicht in der Lage dazu!) Opposition in meinen Dank mit einbeziehen kann. dann bitte ich Sie, zuzustimmen, daß wir hier im (Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Es reicht, Deutschen Bundestag eine offene Diskussion wie zu wenn Sie sie in Ihr Nachtgebet einschlie- dem § 218 oder zur Frage „Bonn oder Berlin?" führen ßen!) und zu einer offenen Abstimmung kommen, damit Herr Kollege Heistermann, Sie haben hier die auch jene Kollegen aus Ihrer Fraktion, die heute schon finanzielle Enge des Verteidigungshaushaltes be- dem Antrag der CDU/CSU und der F.D.P. zustimmen klagt. Nur, wenn ich daran erinnere, welche Anträge könnten, hier frei entscheiden können. Das ist meine Sie in den zurückliegenden Wochen und Monaten herzliche Bitte heute an diesem Tag. gerade zum Verteidigungshaushalt gestellt haben, dann kann ich mich nur fragen: Wie wollen Sie diesen (Beifall bei der F.D.P.) Spagat der geneigten Öffentlichkeit und den Zuhö- Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch rern eigentlich erklären? eines sagen, und zwar sehr kritisch: Wir müssen Zur Verunsicherung will ich Ihnen zum Abschluß aufpassen, daß wir politisch nicht unglaubwürdig noch eines sagen: Wenn neben den Kürzungen, die werden, was den gesamten Bereich Verteidigungspo- Sie gerade im Bereich des Verteidigungshaushalts litik anbelangt. Herr Minister, wir brauchen dringend immer wieder fordern, außerdem noch Forderungen Rahmenrichtlinien für die weitere Zukunft der Bun- kommen, die Bundeswehr weiter drastisch auf deswehr und klare Entscheidungen, wie die S treit- 200 000 Mann zu verkleinern, wie jetzt gerade wieder kräfte in nächster und mittelfristiger Zukunft ausse- der Kollege Opel gefordert hat, dann sind gerade Sie hen sollen. Ich mahne an dieser Stelle noch einmal den es von der Opposition, die immer wieder Verunsiche- überfälligen Bundeswehrplan an. Dazu gehört auch rung in die Bundeswehr hineintragen. Darüber bitte eine vernünftige und solide Finanzausstattung. Wir ich Sie in Zukunft wirklich einmal nachzudenken, brauchen auch hier berechenbare Größen, die für bevor Sie hier solche Vorwürfe gegen die Regierung lange Zeiträume gelten. Dies sind wir unseren Solda- und gegen die Koalition erheben. ten, aber auch unseren Bürgern schuldig. Vielen Dank. Lassen Sie mich zum Abschluß das Auslandsver- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) wendungsgesetz ansprechen. Wir haben hier Rechts- sicherheit im sozialen Bereich geschaffen. Die Absicht unserer Politik, deutsche Soldaten an internationalen Vizepräsident Helmuth Becker: Meine sehr verehr- Aufgaben teilhaben zu lassen, erfordert seit langem ten Damen und Herren, letzte Rednerin in dieser eine unmißverständliche Klarheit über soziale Absi- Debatte ist unsere Kollegin Frau Erika Steinbach- cherung. An die Stelle der bisherigen administrativen Hermann. Regelungen treten jetzt endlich klare gesetzliche und damit einklagbare Ansprüche. Als F.D.P. haben wir dies immer wieder gefordert. Für uns war es nicht Erika Steinbach-Hermann (CDU/CSU): Herr Präsi- akzeptabel, daß eventuelle Entschädigungsleistun- dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! gen nach einem Kann-Prinzip zu zahlen seien. Die Deutschland muß seiner neuen Rolle in einer verän- Absicht, Details über mögliche Ansprüche in Verwal- derten Weltordnung gerecht werden und mehr inter- tungsverordnungen festzuschreiben, war uns nicht nationale Verantwortung übernehmen. Ein Anfang, genug. ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist getan: Deutsche Soldaten, Beamte und auch Mitarbeiter des Die Soldaten, die bei internationalen Missionen Technischen Hilfswerks beteiligen sich bereits seit möglicherweise Gesundheit und Leben riskieren, einiger Zeit an humanitären Einsätzen im Ausland. aber auch ihre Angehörigen haben einen Anspruch Den Männern und Frauen in diesen Einsätzen auf genau festgelegte gesetzliche Regelungen. Dabei gebührt unser ganz ausdrücklicher Dank und unsere muß die Beweislast beim Dienstherrn und nicht beim Anerkennung. eingesetzten Soldaten und seinen Angehörigen lie- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gen. Wir haben dies umgesetzt. Dies werte ich als Erfolg, als Erfolg für uns, aber vor allen Dingen auch Doch mit Dankesworten allein ist es nicht get an; denn als Erfolg für unsere Soldaten. wir wissen, daß diese Einsätze nicht immer frei von Risiken sind und daß Gefahren drohen. Der Überfall (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) auf die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks in Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14123

Erika Steinbach-Hermann Somalia vor einigen Wochen hat dies noch einmal Wir kommen zur ganz deutlich aufgezeigt. dritten Beratung Das mindeste also, was wir für diese Männer und und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Frauen tun können, die im Dienste Deutschlands bei Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Hilfseinsätzen im Ausland für uns und andere tätig Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Bei sind, ist, sicherzustellen, daß hierfür ein angemesse- einer Stimmenthaltung ist der Gesetzentwurf in dritter ner finanzieller Ausgleich geleistet wird, wenn Beratung angenommen. Gefahren drohen. Außerdem müssen sie ausreichend abgesichert sein. Sie müssen also im Falle von Schä- Ich möchte am Schluß dieser Debatte und dieses digungen an Leib oder Leben einen Rechtsanspruch Tagesordnungspunktes sagen: Herr Wehrbeauftrag- auf eine angemessene Entschädigung für sich oder ter, von allen Fraktionen dieses Hauses ist Ihnen und ihre Familie haben können. Ihren Mitarbeitern für die Arbeit, die Sie geleistet Bis heute ist das leider nicht der Fall — ein für die im haben, gedankt worden. Ich glaube, wir können als Ausland schon jetzt tätigen Soldaten, Beamten und Präsidium feststellen: Der D ank des ganzen Hauses auch Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks unhalt- gebührt Ihnen für Ihre schwierige Tätigkeit, die Sie barer Zustand, der schleunigst auch rückwirkend wahrzunehmen haben. geändert werden muß. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr die Deshalb liegt jetzt das Gesetz über dienstrechtliche Zusatzpunkte 6 und 7 unserer Tagesordnung auf: Regelungen für besondere Verwendungen im Aus- land zur Beschlußfassung vor. Damit sollen im Bun- Zweite Beratung und Schlußabstimmung des desbesoldungsgesetz, im Wehrsoldgesetz, im Beam- von der Bundesregierung eingebrachten Ent- tenversorgungsgesetz, im Soldatenversorgungsge- wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom setz und im THW-Helferrechtsgesetz die Vorausset- 21. April 1992 zwischen der Bundesrepublik zungen dafür geschaffen werden, daß ein zusätzlicher Deutschland und Rumänien über freundschaft- Auslandsverwendungszuschlag gezahlt werden kann liche Zusammenarbeit und Partnerschaft in und daß im Falle eines Unfalles oder einer Erkrankung Europa eine angemessene Entschädigung ausgezahlt wird. — Drucksache 12/4273 — Meine Damen und Herren, wir wissen, daß wir den (Erste Beratung 143. Sitzung) Menschen, die mit Auslandseinsätzen betraut sind, Beschlußempfehlung und Bericht des Auswär- viel zumuten. Doch diese Einsätze sind notwendig, tigen Ausschusses (3. Ausschuß) und es ist ebenso notwendig, daß sich die Bundesre- publik Deutschland daran beteiligt. Wir haben nun die — Drucksache 12/5114 — Pflicht gegenüber diesen Bürgern unseres Landes, die Berichterstattung: daran jetzt beteiligt sind oder später zu ähnlichen Abgeordnete (Hamburg) Einsätzen herangezogen werden, so schnell wie mög- Dr. lich für ihre Absicherung zu sorgen. Ulrich Irmer Das vorliegende Gesetz ist überfällig, und deshalb Zweite Beratung und Schlußabstimmung des soll es rückwirkend ab 1. Juli 1992 Gültigkeit haben. von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Die Kürze meiner Redezeit läßt es nicht zu, daß ich wurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Abkom- mich mit den Detailregelungen dieser gesetzlichen men vom 16. Dezember 1991 zur Gründung Versorgung beschäftige; aber im Grundsatz habe ich einer Assoziation zwischen den Europäischen alles dargelegt. Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Ungarn (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) — Drucksache 12/4274 — (Erste Beratung 143. Sitzung) Vizepräsident Helmuth Becker Meine Damen und Zweite Beratung und Schlußabstimmung des Herren, wir sind damit am Ende der Debatte. Der von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Jahresbericht 1992 des Wehrbeauftragten auf Druck- wurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Abkom- sache 12/4600 soll an den Verteidigungsausschuß men vom 16. Dezember 1991 zur Gründung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? — einer Assoziation zwischen den Europäischen Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überwei- Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten sung so beschlossen. und der Republik Polen Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstim- -- Drucksache 12/4275 — mung über das Auslandsverwendungsgesetz. Auf den (Erste Beratung 143. Sitzung) drei Drucksachen 12/4749, 12/4989 und 12/5142 sind Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- die Bestimmungen niedergelegt. Ich bitte diejenigen, schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegen- — Drucksache 12/5155 — probe! — Stimmenthaltungen? — Dann ist der Gesetz- Berichterstattung: entwurf in zweiter Beratung einstimmig so beschlos- Abgeordnete Dr. sen. Dr. Uwe Jens 14124 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Vizepräsident Helmuth Becker Nun haben alle vorgesehenen Redner angekündigt, wurf zur Gründung einer Assoziation zwischen den daß sie ihre Reden zu Protokoll geben wollen.*) Ich Europäischen Gemeinschaften und der Republik brauche dazu aber das Einverständnis des Hauses. Ungarn. Ich rufe den Gesetzentwurf in der Ausschuß Das möchte ich gerne herstellen. — Ich stelle fest, fassung auf. Ich bitte diejenigen, die ihm zustimmen dieses Einverständnis ist gegeben. wollen, sich zu erheben. — Auch dieser Gesetzent- wurf ist einstimmig angenommen. Dann kommen wir zur Abstimmung: Einzelbera- tung und Schlußabstimmung über den von der Bun- Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum Ver- von der Bundesregierung eingebrachten Vertragsge- trag mit Rumänien über freundschaftliche Zusam- setzentwurf zur Gründung einer Assoziation zwischen menarbeit und Partnerschaft in Europa auf Drucksa- den Europäischen Gemeinschaften und der Republik che 12/4273. Polen auf den Drucksachen 12/4275 und 12/5155. Ich rufe den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung auf. Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt auf Drucksa- Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu che 12/5114, den Gesetzentwurf unverändert anzu- erheben. — Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf angenommen. zustimmen wollen, sich zu erheben. — Wir können es von hier übersehen: Es ist einstimmig so beschlos- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind sen. damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Wir kommen zur Abstimmung über den von der Mittwoch, 23. Juni 1993, 9 Uhr ein. Bundesregierung eingebrachten Vertragsgesetzent- Die Sitzung ist geschlossen.

*) Anlage 4 (Schluß der Sitzung: 13.12 Uhr)

- Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14125*

Anlagen zum Stenographischen Bericht (C) Anlage 1 Abgeordnete(r) entschuldigt bis Liste der entschuldigten Abgeordneten einschließlich Neumann (Bramsche), SPD 18. 6. 93 entschuldigt bis Abgeordnete(r) Volker einschließlich Odendahl, Doris SPD 18. 6. 93 Antretter, Robert SPD 18. 6. 93* Oesinghaus, Günther SPD 18. 6. 93 Baum, Gerhart Rudolf F.D.P. 18. 6. 93 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 18. 6. 93 Berger, Hans SPD 18. 6. 93 Pfuhl, Albert SPD 18. 6. 93 Blunck (Uetersen), SPD 18. 6. 93 Lieselott Dr. Probst, Albert CDU/CSU 18. 6. 93* Dr. Blunk (Lübeck), F.D.P. 18. 6. 93 Rappe (Hildesheim), SPD 18. 6. 93 Michaela Hermann Büchler (Hof), Hans SPD 18. 6. 93* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 18. 6. 93* Clemens, Joachim CDU/CSU 18. 6. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 18. 6. 93 Eichhorn, Maria CDU/CSU 18. 6. 93 Rixe, Günther SPD 18. 6. 93 Dr. Enkelmann, Dagmar PDS/Linke 18. 6. 93 Rode (Wietzen), Helmut CDU/CSU 18. 6. 93 Liste Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 18. 6. 93 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 18. 6. 93 Schaich-Walch, Gudrun SPD Francke (Hamburg), CDU/CSU 18. 6. 93 18. 6. 93 Klaus Schmalz, Ulrich CDU/CSU 18. 6. 93 Fuchs (Verl), Katrin SPD 18. 6. 93 Schmidbauer (Nürnberg), SPD 18. 6. 93 Ganschow, Jörg F.D.P. 18. 6. 93 Horst Gansel, Norbert SPD 18. 6. 93 Schmidt (Salzgitter), SPD 18. 6. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 18. 6. 93 Wilhelm Dr. Gautier, Fritz SPD 18. 6. 93 Schmidt-Zadel, Regina SPD 18. 6. 93 Dr. von Geldern, CDU/CSU 18. 6. 93 Dr. Schmieder, Jürgen F.D.P. 18. 6. 93 Wolfgang von Schmude, Michael CDU/CSU 18. 6. 93 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 18. 6. 93 Frhr. von Schorlemer, CDU/CSU 18. 6. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 18. 6. 93 Reinhard Johannes Schröter, Karl-Heinz SPD Großmann, Achim SPD 18. 6. 93 18. 6. 93 Frhr. von Hammerstein, CDU/CSU 18. 6. 93 Schütz, Dietmar SPD 18. 6. 93 Carl-Detlev Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 18. 6. 93 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 18. 6. 93 Schwanitz, Rolf SPD 18. 6. 93 Hauser (Esslingen), Otto CDU/CSU 18. 6. 93 Sehn, Marita F.D.P. 18. 6. 93 Heyenn, Günther SPD 18. 6. 93 Steiner, Heinz-Alfred SPD 18. 6. 93* Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 18. 6. 93 Terborg, Margitta SPD 18. 6. 93 Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 18. 6. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 18. 6. 93 Jeltsch, Karin CDU/CSU 18. 6. 93 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 18. 6. 93 Tietjen, Günther SPD 18. 6. 93 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 18. 6. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 18. 6. 93 Kittelmann, Peter CDU/CSU 18. 6. 93* Karsten D. Klein (München), Hans CDU/CSU 18. 6. 93 Walter (Cochem), Ralf SPD 18. 6. 93 Koschnick, Hans SPD 18. 6. 93 Weis (Stendal), Reinhard SPD 18. 6. 93 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 18. 6. 93 Weiß (Berlin), Konrad BÜNDNIS 18. 6. 93 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 18. 6. 93 90/DIE Karl-Hans GRÜNEN Lenzer, Christian CDU/CSU 18. 6. 93* Welt, Jochen SPD 18. 6. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 18. 6. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 18. 6. 93** Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 18. 6. 93 Erich Wieczorek (Duisburg), SPD 18. 6. 93 Helmut Marten, Günter CDU/CSU 18. 6. 93* Wieczorek-Zeul, Matschie, Christoph SPD 18. 6. 93 SPD 18.6.93 Heidemarie Dr. Matterne, Dietmar SPD 18. 6. 93 Meckel, Markus SPD 18. 6. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 18. 6. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 18. 6. 93 Zeitlmann, Wolfgang CDU/CSU 18. 6. 93 Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 18. 6. 93 Zierer, Benno CDU/CSU 18. 6. 93 ' Gerhard Möllemann, Jürgen W. F.D.P. *für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union 18. 6. 93 **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versamm- Dr. Müller, Günther CDU/CSU 18. 6. 93* lung 14126* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Anlage 2 Dr. Meyer zu Bentrup, Sothmann, Bärbel Reinhard Spilker, Karl-Heinz Michalk, Maria Spranger, Carl-Dieter Michels, Meinolf Dr. Sprung, Rudolf Alphabetisches Namensverzeichnis Dr. Möller, Franz Steinbach-Hermann, Erika der Abgeordneten, die an der Wahl Müller (Kirchheim), Elmar Dr. Stercken, Hans des Bundesbeauftragten für den Datenschutz Müller (Wadern), Dr. Frhr. von Stetten, teilgenommen haben Hans-Werner Wolfgang Müller (Wesseling), Alfons Strube, Hans-Gerd Nelle, Engelbert Stübgen, Michael CDU/CSU Hedrich, Klaus-Jürgen Neumann (Bremen), Bernd Dr. Süssmuth, Rita Heise, Manfred Niedenthal, Erhard Susset, Egon Dr. Ackermann, Else Dr. Hellwig, Renate Nitsch, Johannes Tillmann, Ferdinand Adam, Ulrich Hinsken, Ernst Nolte, Claudia Dr. Töpfer, Klaus Augustin, Anneliese Hintze, Peter Dr. Olderog, Rolf Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Augustinowitz, Jürgen Hörsken, Heinz-Adolf Ost, Friedhelm Uldall, Gunnar Austermann, Dietrich Hörster, Joachim Oswald, Eduard Verhülsdonk, Roswitha Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Hoffacker, Paul Otto (), Norbert Vogel (Ennepetal), Friedrich Dr. Bauer, Wolf Hornung, Siegfried Dr. Päselt, Gerhard Vogt (Duren), Wolfgang Baumeister, Brigitte Hüppe, Hubert Dr. Paziorek, Peter Paul Dr. Voigt (Northeim), Bayha, Richard Jaffke, Susanne Petzold, Ulrich Hans-Peter Belle, Meinrad Dr. Jahn (Münster), Pfeffermann, Gerhard O. Dr. Vondran, Ruprecht Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Friedrich-Adolf Pfeifer, Anton Dr. Waffenschmidt, Horst Bierling, Hans-Dirk Dr. Jobst, Dionys Pfeiffer, Angelika Dr. Waigel, Theodor Dr. Blank, Joseph-Theodor Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Pinger, Winfried Graf von Waldburg-Zeil, Alois Blank, Renate Jung (Limburg), Michael Dr. Pohler, Hermann Dr. Warnke, Jürgen Dr. Blens, Heribert Dr. Kahl, Harald Priebus, Rosemarie Dr. Warrikoff, Alexander Bleser, Peter Kalb, Bartholomäus Dr. Probst, Albert Werner (Ulm), Herbe rt Dr. Blüm, Norbert Kampeter, Steffen Dr. Protzner, Bernd Wetzel, Kersten Böhm (Melsungen), Wilfried Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Pützhofen, Dieter Wiechatzek, Gabriele Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Karwatzki, Irmgard Rahardt-Vahldieck, Susanne Dr. Wieczorek (Auerbach), Dr. Bötsch, Wolfgang Kauder, Volker Raidel, Hans Bertram Bohl, Friedrich Keller, Peter Dr. Ramsauer, Peter Dr. Wilms, Dorothee Bohlsen, Wilfried Kiechle, Ignaz Rau, Rolf Wilz, Bernd Borchert, Jochen Kittelmann, Peter Rauen, Peter Harald Wimmer (Neuss), Willy Brudlewsky, Monika Klein (Bremen), Günter Rawe, Wilhelm Dr. Wisniewski, Roswitha Brunnhuber, Georg Klinkert, Ulrich Regenspurger, Otto Wissmann, Matthias Bühler (Bruchsal), Klaus Köhler (Hainspitz), Reichenbach, Klaus Dr. Wittmann, Fritz Buwitt, Dankward Hans-Ulrich Dr. Reinartz, Bertold Wittmann (Tännesberg), Carstens (Emstek), Manfred Dr. Köhler (Wolfsburg), Reinhardt, Erika Simon Carstensen (Nordstrand), Volkmar Repnik, Hans-Peter Wonneberger, Michael Peter Harry Dr. Kohl, Helmut Dr. Rieder, Norbert Wülfing, Elke Dehnel, Wolfgang Kolbe, Manfred Dr. Riedl (München), Erich Yzer, Cornelia Dempwolf, Gertrud Kors, Eva-Maria Riegert, Klaus Zöller, Wolfgang Deres, Karl Koschyk, Hartmut Ringkamp, Werner Deß, Albert Kossendey, Thomas Rönsch (Wiesbaden), Diemers, Renate Kraus, Rudolf Hannelore SPD Dörflinger, Werner Dr. Krause (Börgerende), Romer, Franz Doss, Hansjürgen Günther Rossmanith, Kurt J. Adler, Brigitte Dr. Dregger, Alfred Krause (Dessau), Wolfgang Roth (Gießen), Adolf Andres, Gerd Echternach, Jürgen Krey, Franz Heinrich Rother, Heinz Bachmaier, Hermann Ehlers, Wolfgang Krziskewitz, Reiner Dr. Ruck, Christian Bartsch, Holger Engelmann, Wolfgang Lamers, Karl Rühe, Volker Becker (Nienberge), Helmuth Eppelmann, Rainer Dr. Lammert, Norbert Dr. Rüttgers, Jürgen Becker-Inglau, Ingrid Falk, Ilse Lamp, Helmut Schätzle, Ortrun Bernrath, Hans Gottfried Dr. Faltlhauser, Kurt Lattmann, Herbert Dr. Schäuble, Wolfgang Beucher, Friedhelm Julius Feilcke, Jochen Dr. Laufs, Paul Schemken, Heinz Bindig, Rudolf Dr. Fell, Karl Laumann, Karl-Josef Scheu, Gerhard Bock, Thea Fockenberg, Winfried Lehne, Klaus-Heiner Schmidbauer, Bernd Dr. Böhme (Unna), Ulrich Frankenhauser, Herbert Limbach, Editha Dr. Schmidt (Halsbrücke), Börnsen (Ritterhude), Arne Dr. Friedrich, Gerhard Link (Diepholz), Walter Joachim Brandt-Elsweier, Anni Fritz, Erich G. Lintner, Eduard Schmidt (Spiesen), Trudi Dr. Brecht, Eberhard Fuchtel, Hans-Joachim Dr. Lippold (Offenbach), Schmitz (Baesweiler), Büchler (Hof), Hans Ganz (St. Wendel), Johannes Klaus W. Hans Peter Büchner (Speyer), Peter Geiger, Michaela Dr. Lischewski, Manfred Dr. Schockenhoff, Andreas Dr. von Bülow, Andreas Dr. Geiger (Darmstadt), Sissy Löwisch, Sigrun Graf von Schönburg - Büttner (Ingolstadt), Hans Geis, Norbert Lohmann (Lüdenscheid), Glauchau, Joachim Bulmahn, Edelgard Dr. Geißler, Heiner Wolfgang Dr. Scholz, Rupert Burchardt, Ursula Dr. Göhner, Reinhard Louven, Julius Dr. Schreiber, Harald Bury, Hans Martin Göttsching, Ma rtin Lummer, Heinrich Schulhoff, Wolfgang Caspers-Merk, Marion Götz, Peter Dr. Luther, Michael Dr. Schulte (Schwäbisch Conradi, Peter Gres, Joachim Männle, Ursula Gmünd), Dieter Daubertshäuser, Klaus Grotz, Claus-Peter Magin, Theo Schulz (), Gerhard Dr. Diederich (Berlin), Nils Dr. Grünewald, Joachim Dr. Mahlo, Dietrich Schwalbe, Clemens Diller, Karl Harries, Klaus Marienfeld, Claire Schwarz, Stefan Dr. Dobberthien, Marliese Haschke (Großhennersdorf), Marschewski, Erwin Dr. Schwörer, Hermann Dreßler, Rudolf Gottfried Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Seehofer, Horst Duve, Freimut' Haschke (Jena-Ost), Udo Martin Seesing, Heinrich Ebert, Eike Hasselfeldt, Gerda Meckelburg, Wolfgang Seibel, Wilfried Dr. Eckardt, Peter Haungs, Rainer Meinl, , Rudolf Dr. Ehmke (Bonn), Horst Hauser (Rednitzhembach), Dr. Merkel, Angela Sikora, Jürgen Eich, Ludwig Hansgeorg Dr. Meseke, Hedda Skowron, Werner H. Esters, Helmut Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14127

Ewen, Carl Schily, Otto Dr. Hitschler, Walter Dr. Weng (Gerlingen), Ferner, Elke Schloten, Dieter Homburger, Birgit Wolfgang Fischer (Gräfenhainichen), Schluckebier, Günter Dr. Hoth, Sigrid Zywietz, Werner Evelin Schmidt (Aachen), Ursula Irmer, Ulrich Fischer (Homburg), Lothar Dr. Schmude, Jürgen Kohn, Roland PDS/Linke Liste Formanski, Norbe rt Schöler, Walter Dr. Kolb, Heinrich L. Fuhrmann, Arne Schreiner, Ottmar Dr. Graf Lambsdorff, Otto Dr. Fischer, Ursula Ganseforth, Monika Schröter, Gisela Leutheusser-Schnarrenberger, Jelpke, Ulla rigitte Sabine Gilges, Konrad Schulte (Hameln), B Dietmar Lüder, Wolfgang Dr. Keller, Graf, Günter Dr. Schuster, R. Werner Lederer, Andrea Haack (Extertal), Schwanhold, Ernst Lühr, Uwe Otto (Frankfurt), Dr. Modrow, Hans Karl-Hermann Seidenthal, Bodo Ingeborg Hans-Joachim Philipp, Habermann, Frank-Michael Seuster, Lisa Dr. Schumann (Kroppenstedt), Hacker, Hans-Joachim Sielaff, Horst Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Fritz Hämmerle, Gerlinde Simm, Erika Dr. Seifert, Ilja Eugen Richter (Bremerhaven), Hampel, Manfred Singer, Johannes Stachowa, Angela Hanewinckel, Christel Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Manfred Hasenfratz, Klaus Dr. Soell, Hartmut Rind, Hermann Heistermann, Dieter Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Dr. Röhl, Klaus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Heyenn, Günther Sorge, Wieland Schäfer (Mainz), Helmut Hilsberg, Stephan Dr. Sperling, Dietrich Schmalz-Jacobsen, Cornelia Dr. Feige, Klaus-Dieter Dr. Holtz, Uwe Steen, Antje-Marie Schmidt (Dresden), Arno Poppe, Gerd Horn, Erwin Dr. Struck, Peter Dr. Schnittler, Christoph Schenk, Christina Ibrügger, Lothar Tappe, Joachim Schüßler, Gerhard Schulz (Berlin), Werner Iwersen, Gabriele Dr. Thalheim, Gerald Sehn, Manila Dr. Ullmann, Wolfgang Jäger, Renate Titze-Stecher, Uta Seiler-Albring, Ursula Wollenberger, Vera Dr. Janzen, Ulrich Toetemeyer, Hans-Günther Dr. Semper, Sigrid Jaunich, Horst Urbaniak, Hans-Eberhard Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Jens, Uwe Vergin, Siegfried Dr. Thomae, Dieter Fraktionslos Kastner, Susanne Verheugen, Günter Timm, Jürgen Kastning, Ernst Dr. Vogel, Hans-Jochen Türk, Jürgen Lowack, Ortwin Kemper, Hans-Peter Voigt (Frankfurt), Karsten D. Kirschner, Klaus Wagner, Hans Georg Klemmer, Siegrun Wallow, Hans Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Waltemathe, Ernst Körper, Fritz Rudolf Walther (Zierenberg), Rudi Kolbow, Walter Dr. Wegner, Konstanze Kretkowski, Volkmar Weiermann, Wolfgang Anlage 3 Kubatschka, Horst Weiler, Barbara Dr. Küster, Uwe Weisheit, Matthias Zu Protokoll gegebene Rede Kuhlwein, Eckart Weißgerber, Gunter Lambinus, Uwe Weisskirchen (Wiesloch), Gert zu Tagesordnungspunkt 18 Lange, Brigitte Dr. Wernitz, Axel (Jahresbericht 1992 des Wehrbeauftragten von Larcher, Detlev Wester, Hildegard und Auslandsverwendungsgesetz) Leidinger, Robert Westrich, Lydia Lennartz, Klaus Wettig-Danielmeier, Inge Dr. Leonhard-Schmid, Elke Dr. Wetzel, Margrit Vera Wollenberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lohmann (Witten), Klaus Wiefelspütz, Dieter Bei der Lektüre des Berichts der Wehrbeauftragten Dr. Lucyga, Christine Wimmer (Neuötting), Maaß (Herne), Dieter Hermann drängt sich als erstes die Frage auf, woher der Wehr- Marx, Dorle Dr. de With, Hans beauftragte das Mandat nimmt, sich zum „erweiterten Mascher, Ulrike Wittich, Berthold Auftrag " der Bundeswehr und zu deren „Aufgaben Matthäus-Maier, Ingrid Wohlleben, Verena außerhalb der eigenen Staatsgrenzen" zu äußern? Er Mattischeck, Heide Wolf, Hanna Meißner, Herbert Zapf, Uta ist laut Artikel 45 b GG „Hilfsorgan des Bundestages Dr. Mertens (Bottrop), bei der parlamentarischen Kontrolle" — das sollte er Franz-Josef auch bleiben und nicht eine eigenmächtige Erweite- Dr. Meyer (Ulm), Jürgen rung des Auftrages versuchen. In Anbetracht der Mosdorf, Siegmar F.D.P. Müller (Düsseldorf), Michael besorgniserregenden Rechtsentwicklung in unserer Müller (Pleisweiler), Albrecht Albowitz, Ina Gesellschaft sind mir die Aussagen des Wehrbeauf- Müller (Völklingen), Jutta Dr. Babel, Gisela tragten über den Rechtsextremismus zu dünn. Er sagt: Müller (Zittau), Christian Beckmann, Klaus „Mir fehlt die Möglichkeit, hierzu im einzelnen durch Dr. Niehuis, Edith Bredehorn, Günther Dr. Niese, Rolf Cronenberg (Arnsberg), empirische Aussagen abgesicherte Aussagen machen Niggemeier, Horst Dieter-Julius zu können" , stellt aber fest, daß es einen Rechtsruck in Oostergetelo, Jan Eimer (Fürth), Norbert der Bundeswehr nicht gibt. Woraus speist sich diese Ostertag, Adolf Engelhard, Hans A. Gewißheit? Wäre es nicht besser, das Sozialwissen- Dr. Otto, Helga van Essen, Jörg Paterna, Peter Dr. Feldmann, Olaf schaftliche Institut zu beauftragen, rechtsradikale Dr. Penner, Willfried Friedhoff, Paul K. Neigungen bei den Streitkräften zu untersuchen? Es Peter (Kassel), , Horst stünde dem Wehrbeauftragten gut an, eine solche Dr. Pfaff, Martin Funke, Rainer Untersuchung in Auftrag zu geben. — In dieser Dr. Pick, Eckhart Dr. Funke-Schmitt-Rink, Poß, Joachim Margret Hinsicht ist bedenklich, daß der staatsbürgerliche Purps, Rudolf Gallus, Georg Unterricht, wie der Wehrbeauftragte feststellt, „in den von Renesse, Margot Grüner, Martin Streitkräften oftmals in jüngerer Zeit stark vernachläs- Rennebach, Renate Dr. Guttmacher, Karlheinz sigt worden ist" (S. 9). Dies ist ein unverzeihliches Reuter, Bernd Hansen, Dirk Schanz, Dieter Dr. Haussmann, Helmut Versäumnis, und die Bundesregierung ist aufgefor- Dr. Scheer, Hermann Heinrich, Ulrich dert, die politische Bildung und Unterrichtung der Scheffler, Siegfried Dr. Hirsch, Burkhard Soldaten nicht nur auf das Sollmaß zu führen, sondern 14128* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 zu verstärken. Insbesondere sind Unterrichtseinhei- ten und Bundesbeamte, die im Ausland Dienst tun und ten zum Thema ausländische Mitbürger, Zusammen- für die die Leistungen sein sollen, denn eigentlich leben und Toleranz gegenüber andersartigen Formen täten, humanitäre oder unterstützende Dinge, oder der Lebensgestaltung vorzusehen. Angesichts des gebe es etwa unterstützende Leistungen, die nicht Neonazismus ist es ebenso notwendig, die Unterrich- humanitär seien? Denn solange das Grundgesetz tung über das verbrecherische Vernichtungssystem nicht geändert ist, gibt es keinen Grund, über das des Nationalsozialismus zu verstärken, inklusive hinaus, was für Soldaten bei der NATO vorgesehen Besuche von KZ-Gedenkstätten u. ä. ist, Leistungen vorzusehen. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil rechtsradikaler Auch der Bundesrat bemängelte die gleichzeitige Gesinnung und Andenken an faschistische Leitfigu- Gewährung eines Auslandsverwendungszuschlags ren der Wehrmacht findet sich in der Traditionspflege von DM 4 500,— monatlich und von Tagegeldern der der Bundeswehr. Diese leistet damit dem Rechtsradi- UNO in Höhe von rund DM 7 600,—. Zwar sagte die kalismus aktiv Vorschub. — Ein Beispiel ist die Benen- Regierung, das werde irgendwie unter bestimmten nung einer Kaserne in Füssen nach dem General- Umständen verrechnet, ohne das zu erläutern, aber oberst Dietl. Der Führungsstab des Heeres sieht kei- der Vorwurf von Ullmann, die Söldnermentalität nen Anlaß, die Kaserne umzubenennen, die Entschei- werde gefördert, hat doch einiges für sich. dung liegt nunmehr bei Verteidigungsminister Rühe. Zur Erläuterung sei gesagt, der spätere Generaloberst Dietl war derjenige Militär, der es im Juni 1919 Adolf Hitler erstmals ermöglichte, vor Soldaten der Wehr- macht zu reden. Hitler bei der Beisetzung Dietls im Anlage 4 Juli 1944: „Als ich zum ersten Mal diesem Mann gegenüberstand, da ermöglichte er mir mit seiner Zu Protokoll gegebene Reden Kompanie die erste Einflußnahme auf ein deutsches zu den Zusatztagesordnungspunkten 6 und 7 Regiment. Als erster Offizier der deutschen Wehr- (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland macht hat er mir seinen Verband zur Verfügung und Rumänien und Europa-Abkommen zur Grün gestellt, um politisch auf ihn einzuwirken. Eine dung einer Assoziation zwischen den Europäischen Stunde nachdem ich damals zur dritten Kompanie Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und seines Regiments gesprochen hatte, gab mir dieser den Republiken Ungarn und Polen) Mann seine Hand und erklärte, er würde von jetzt an mein Gefolgsmann und Anhänger sein. (...) Er ist für Dr. Hermann Schwörer (CDU/CSU): Die CDU/CSU mich der erste Offizier der deutschen Wehrmacht, der begrüßt die vorliegenden Europaabkommen mit in meine Gedankenwelt eingedrungen war und sich Polen, Ungarn und Rumänien. Mit ihnen soll die blind und ohne Kompromisse zu ihr bekannte (...) wirtschaftliche, politische und handelspolitische Zu- Diet! hat eigentlich den Typ des nationalsozialisti- sammenarbeit mit den drei osteuropäischen Ländern - schen Offiziers geschaffen, eines Offiziers, der nicht fortentwickelt werden. Wir begrüßen, daß damit die- weichlich ist, sondern der genau weiß, daß für diesen sen Staaten die Chance gegeben wird, ihre Volkswirt- Kampf kein Opfer zu groß oder zu teuer ist ... " schaft im marktwirtschaftlichen Sinne zu erneuern Das sind also die Vorbilder der deutschen Soldaten und den Menschen die Hoffnung auf eine lebenswerte der Gegenwart. Da wundert man sich nicht, wenn der Zukunft im eigenen Land zu vermitteln. Damit soll eine oder andere diesem Vorbild auch außerhalb der auch dem Einwanderungsdruck in die EG und beson- Dienstzeit nachstrebt und Nazimethoden anwendet, ders nach Deutschland entgegengewirkt werden. etwa gegenüber ausländischen Mitbürgern. Herr Erstens. Zum politischen Inhalt: Wir begrüßen, daß Minister Rühe, ich bitte Sie eindringlich, finden Sie der politische Dialog institutionalisiert wird und daß einen würdigeren Namenspatron für diese Kaserne! ein Junktim hergestellt wird zwischen der vollen Weiterhin ist sehr bedenklich, wenn der Wehrbe- Assoziierung und der Vollendung politischer und auftragte berichten muß, es gebe die Meinung, die wirtschaftlicher Reformen. Ein Verstoß gegen deren Innere Führung der Bundeswehr sei einem starken Weiterführung müßte zu einer Ablehnung der vollen Prozeß der Aushöhlung ausgesetzt, sie sei gar in Assoziation führen. Dies soll den demokratischen und weiten Bereichen der Streitkräfte lediglich eine Wort- marktwirtschaftlichen Kräften Auftrieb geben. hülse. Dieser Zustand wird durch die geschilderten Zweitens. Zum Handelsbereich ist anzumerken: Die Fälle von Führungsfehlverhalten, entwürdigender Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen bei Behandlung und Drohungen gegenüber Untergebe- gewerblichen Erzeugnissen sollen bis 1998 beseitigt nen, die ihr Petitionsrecht ausüben wollen, illustriert. werden. Dies gilt auch für Stahl und Textil, wo es Es reicht nicht, Herr Minister, eine neue Dienstvor- angesichts großer Probleme Bedenken gegen diese schrift zur Inneren Führung zu erlassen oder sich mit Regelung gibt. Wir hoffen aber, daß die Bundesregie- dem Export von deren Prinzipien zu brüsten, die rung die Schutzklausel des Art. 4 anwenden wird, Innere Führung muß zuallererst in der Truppe ange- wenn es sich herausstellt, daß Waren zu Dumpingprei- wandt werden, damit nicht im Todesjahr ihres Erfin- sen angeboten werden. Damit sollen für die Oststaa- ders Graf Baudissin auch die besseren Seiten der ten nicht die Absatzmöglichkeiten über Gebühr ein- Bundeswehr verloren gehen. geschränkt werden. Auslandsverwendungsgesetz: Dr. Ullmann hat am In kritischen Situationen müssen aber Niedrigst- 23. April ganz richtig nach der Rechtsgrundlage für preise abgewehrt werden können, die auch gesunden die Auslandseinsätze gefragt; dann weiter, was Solda- und modernen Betrieben in der Bundesrepublik Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14129* gefährlich werden. Dies gilt besonders für die Betriebe enthaltenen Forderungen scheinen mir berechtigt, der neuen Bundesländer. Es ist nicht zu verkennen, wir unterstützen sie. daß es wegen der niedrigen Lohnkosten eine starke Fünftens. Eine wichtige Frage hat die Ratifizierung Tendenz der Verlagerung von lohnintensiven Pro- lange verzögert: die Auswirkung der Verträge auf die duktionen in die osteuropäischen L ander gibt. Berufszulassung bundesrechtlich geregelter Heilbe- Eine gewisse Arbeitsteilung ist vernünftig. Es wäre rufe. aber verhängnisvoll, wenn ganze Industriebereiche auswandern würden. Der Grundsatz müßte sein: Nach langen Verhandlungen wurde eine Lösung Soviel Verlagerung in Billiglohnländer wie unbedingt gefunden, die vorsieht, daß ein neuer Absatz 2a im nötig, um den Großteil der eigenen Arbeitsplätze zu § 95 des V. Buches des Sozialgesetzbuches eingefügt erhalten und soviel eigene Produk tion wie irgend wird. Der Text steht im Bericht. Er hat den Sinn, und wir hoffen, daß mit dieser Regelung vermieden wird, möglich, um deutsche Arbeitnehmer zu beschäftigen. daß deutsche Medizinstudenten, die bis jetzt mit einer Jedes EG-Land muß heute an die eigenen Arbeits- plätze denken. Erhaltung von Arbeitsplätzen hat Zulassung rechnen können, diese Möglichkeit verlie- ren, weil in der Zwischenzeit Ärzte aus Polen und höchste Priorität. Ungarn ihre Plätze besetzt haben. Das darf nicht Drittens. Hier ist ein Wort zu sagen zu den Werk- passieren. Das muß den Vertragsstaaten klargemacht verträgen mit osteuropäischen Arbeitnehmern, die werden, damit sich nicht falsche Hoffnungen auftun, auch in den Verträgen angesprochen werden. Es die zu Zuwanderungen führen könnten. besteht die akute Gefahr, daß Hunderttausende von Arbeitsplätzen in mittelständischen Baubetrieben Wir erwarten die Regelung der noch offenen Fra- notleidend werden. Der Grund sind Dumpingpreise gen, besonders der Werkvertragsarbeitnehmer, und durch schlechtbezahlte Arbeiter aus osteuropäischen stimmen den Verträgen zu in der Hoffnung, daß sich Staaten. Deshalb hat der Bundesrat die Bundesregie- diese segensreich für alle Vertragspartner auswirken rung aufgefordert, hier nach dem Rechten zu sehen. mögen, besonders auch für die Integra tion und die Die Entschließung des Bundesrates ist in der Druck- wirtschaftliche Erholung ganz Europas. sache enthalten. Es heißt dort: Es ist sicherzustellen, daß Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Dr. Elke Leonhard-Schmid (SPD): Der Zusammen- Unternehmen vermieden werden. Die Kammern des bruch der kommunistischen Diktaturen in Ost-, Mit- Handwerks haben sich seit Monaten an uns Abgeord- tel- und Südosteuropa hat alle Demokraten mit Hoff- nete gewandt, mit der Bitte, dem Unwesen der Preis- nung und Zuversicht erfüllt. Es entstanden völlig neue unterbietungen mit Hilfe von „Ost-Subs" ein Ende zu Dimensionen und Perspektiven für die Weltpolitik. bereiten. Erinnern wir uns: Die mittel- und osteuropäischen Die CDU/CSU-Fraktion hat einstimmig den Vor- Länder gehörten von 1945 bis 1989 dem Ostblock an , schlag der Arbeitsgruppe Arbeit und Sozialordnung damals Staaten des Warschauer Vertrages oder „So- akzeptiert, u. a. ein Quotensystem einzuführen. Jede zialistische Staatengemeinschaft" genannt. Durch ein Firma soll höchstens 20 % der eigenen Belegschaft Netz von Verträgen sollten sie sowohl untereinander Ostarbeiter haben dürfen. Damit soll der mittelständi- als auch an die sowjetische Führungsmacht gekoppelt schen Bauwirtschat ein Anteil an den Werkvertragsar- werden. Diese Verträge waren künstlich, kalt, starr beitnehmern gesichert werden. Damit sollen Lücken und nicht von der Bevölkerung dieser L ander getra- ausgefüllt und nicht Dumpingpreise ermöglicht wer- gen. Freie parlamentarische Erörterungen gab es den. Es soll damit das unmögliche Verhalten gewisser damals genauso wenig wie ungehinderte Ausspra- Baufirmen gestoppt werden, eigene Arbeiter in chen in den Medien. Alles war von oben bestimmt. Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit zu schicken und mit billigen „Ost-Subs" den anderen Firmen eine Dum- Mit dem Zusammenbruch der diktatorischen pingkonkurrenz zu machen. Das führt zu weiterer Systeme verschwanden jene Vertragsbeziehungen Arbeitslosigkeit. über Nacht. Nun erst, nach der freien Willensbildung der Bevölkerung, können neue, echte, den Wünschen Das Arbeitsministerium hat ein Papier vorgelegt, in und Bestrebungen der Bevölkerung dieser Länder dem die Quoten konkretisiert wurden. Diesem Vor- entsprechende Vertragsbeziehungen entstehen. schlag hat am 12. Mai der Wirtschaftsausschuß mit Mehrheit zugestimmt. Wir fordern die Bundesregie- Die heute zur Schlußabstimmung eingebrachten rung auf, durch entsprechende Erlasse an die Bundes- Gesetzentwürfe — das Assoziations-Abkommen zwi- anstalt in Nürnberg das Quotensystem zu verwirkli- schen der EG sowie ihren Mitgliedstaaten und der chen. Ohne die Quotierung werden die gleichen Republik Polen und Ungarn sowie der Freundschafts- üblen Erscheinungen wieder auftreten, daß gewisse vertrag zwischen Deutschl and und Rumänien — sind Firmen mit guten Kontakten zum Osten sich der, auch ein wichtiger Schritt, den Reform- und Demokratisie- nach der Neuregelung immer noch billigeren, Ostar- rungsprozeß in Osteuropa voranzutreiben. Den Bür- beiter bedienen und weiteres Preisdumping betrei- gern dieser jungen Demokratien sagen wir: Wir ste- ben. Ich wiederhole: Die Quotierung ist unerläßlich, hen an ihrer Seite! Wir wünschen, daß dieser Prozeß um den kleinen und mittleren Baufirmen einen fairen der Umgestaltung für die Menschen nicht schmerzhaft Wettbewerb zu sichern. Dies gilt auch, wenn die werden möge. „Ost-Subs" künstlich verteuert werden. Um was geht es? Es geht um den Aufbau demokra- Viertens. Darüber hinaus gibt es Forderungen des tischer, rechtsstaatlicher und marktwirtschaftlicher Ernährungsausschusses zum Import von Ernährungs- Strukturen. Das vorliegende Vertragswerk eröffnet produkten aus den Vertragsstaaten. Diese im Be richt den Staaten die Perspektive, nach einer stufenweisen 14130* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993

Übergangszeit am europäischen Integrationsprozeß Deutschen und Ausländern beobachtet, muß davor teilzunehmen. warnen, Passagen des Vertragstextes zu belassen, die Gehen wir davon aus, daß die EG-Mitgliedschaft von „Aufstockung" reden. Sprache ist Bewußtsein! das uneingeschränkte Ziel Ungarns und Polens ist, so Politische Sprache muß nicht nur klar und korrekt kommt den heute zur Schlußabstimmung vorliegen- sein, sondern sich auch der Verantwortung entstehen- den Abkommen politische Signalwirkung zu: Regel- der Konsequenzen aus vertraglichen Texten bewußt mäßige politische Konsultationen, die angestrebte sein. Schaffung von Freihandelszonen und eine breit anvi- Nachdenklich und besorgt macht mich ferner die sierte Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, zunehmende handelspolitische Abschottungspolitik Finanzen und Kultur werden den Integrationsprozeß der EG. Es ist blanker Hohn, auf der einen Seite die intensivieren und die Beziehungen der Staaten unter- politische Integration zu beschwören und auf der einander vertiefen. anderen Seite eine neue handelspolitische Mauer Der Freundschaftsvertrag mit Rumänien kommt aufzubauen. Die zunehmende Regionalisierung der dem ureigenen Wunsch Rumäniens nach westeuro- Weltwirtschaft (NAFTA, ASEAN, APEC und CAIRNS) päischer Anbindung entgegen. Jeder Schritt, der die wird nicht verhindert werden können. Im Gegenteil: Länder Mittel- und Südosteuropas politisch stärker an Sie wird durch die Festung EG zementiert. Westeuropa anbindet, gibt jenen Ländern nicht nur Lassen Sie mich deshalb ganz deutlich sagen: Am Orientierungshilfe, sondern leistet gleichzeitig auch allerwenigsten hat die EG, die bislang stürmisch auf einen wichtigen sicherheitspolitischen Beitrag. Ob eine Öffnung der Ostmärkte gedrängt und von dieser West-, Mittel- oder Südosteuropa, wir sind alle Euro- Öffnung letztendlich auch profitiert hat, das Recht, päer. Klassen darf es nicht geben! sich lästiger, da billiger osteuropäischer Konkurrenz Realität ist aber auch: Jeder falsche Schritt im durch erhöhte Zölle und Einfuhrkontingente zu entle- sensiblen Integrationsprozeß ist ein Rückschritt und digen. Hier gilt es energisch entgegenzusteuern, kann die Vision der umfassenden europäischen Union wenn die heutigen Verträge ökonomische Relevanz erneut in weite Ferne rücken. haben sollen. Nachdenklich und besorgt machen mich die Konse- Trotz Schutzinteressen der westeuropäischen und der sensiblen ostdeutschen Wirtschaft muß die EG quenzen aus einigen Vertragspunkten. Ich will nicht sagen, die Bundesregierung habe nicht gründlich konsequent das übergeordnete Ziel im Auge behal- genug verhandelt. Nein, das nicht. Aber es wäre ten: Wirtschaftlicher Aufbau und Prosperität schaffen politische Stabilität. Nur so können Fluchtursachen unverantwortlich zu verschweigen, daß ganze Pro- blembereiche ausgeblendet wurden. Lassen Sie mich vor Ort bekämpft und die ansteigende Wanderungs- bewegung gestoppt werden. der Kürze der Zeit wegen drei Problemkreise nennen, die in absehbarer Zeit zu bilateralen Konflikten und Als letzten Punkt möchte ich die Regelung der innenpolitischem Sprengstoff führen könnten. Minderheitenfrage des deutsch-rumänischen Freund- schaftsvertrages ansprechen. Fragt m An erster Stelle ist das wirtschafts- und sozialpoliti- an nach dem Schutz der deutschen Minderheiten in Rumänien, so sche gravierende Problem der Werkvertragsarbeit- gibt es wenig Grund zur Klage: Für die Angehörigen nehmer zu nennen. Wir bestreiten nicht: Die Werkver- der deutschen Volksgruppe enthält der Freund- tragsarbeitnehmer leisten einen Beitrag zur Unter- schaftsvertrag verbindliche Regelungen. stützung der marktwirtschaftlichen Reformen ihrer Heimatländer. Durch die Einbindung in westeuropäi- Zu fragen bleibt: Wie sieht die Rechtslage anderer sche Arbeitsstandards und den Kow-how-Transfer Volksgruppen aus? Erwähnt seien 1. die Ungarn und sind sie wichtige Multiplikatoren für den Wirtschafts-, 2. Sinti und Roma. Bleiben Letztgenannte eine R and- und Gesellschaftsaufbau des eigenen Landes. gruppe ohne Perspektive, so werden sie mit absoluter Sicherheit weiter in steigenden Zahlen vor unseren Ebenso klar muß aber auch gesagt werden: Die in Toren stehen. § 41 ff. der Ratifizierungsabkommen formulierten Zielsetzungen, die bestehenden Erleichterungen für Die Problematisierung dieser Fragen wäre mit den Zugang zur Beschäftigung für polnische/ungari- Sicherheit mehr als die qualitative Verbesserung der sche Arbeitnehmer beizubehalten und „nach Mög- Verträge gewesen. Klare und unverblümte Worte sind lichkeit" zu verbessern, wurden von der Bundesregie- stets Garant für gute Beziehungen. Aussprechen, was rung schon zu Zeiten der Vertragsaushandlung als wirklich ist, was stört und einer Regelung bedarf, war nicht realisierbar eingeschätzt. Ich frage Sie deshalb: und ist die beste Grundlage für wahre Freund- Warum haben Sie es versäumt, vertraglich nachzu- schaft. bessern? Die SPD-Fraktion stimmt den vorliegenden Verträ- Die offiziellen Kontingente für Polen und Ungarn gen zu. Wir werden konstruktiv an der Ausfüllung der belaufen sich auf ca. 100 000 Arbeitnehmer. De facto formulierten Vertragspunkte mitarbeiten. sind die Zahlen jedoch, wie wir alle wissen, durch groben Mißbrauch wesentlich höher: 650 000 Arbeit- nehmer führen zu unerträglichen Spannungen und Klaus Beckmann (F.D.P.): Die Europa-Abkommen blankem Konkurrenzkampf mit deutschen Arbeitneh- der EG und ihrer Mitgliedstaaten mit Polen und mern. Ungarn sind ein bedeutender Schritt auf dem Wege der Vollendung der europäischen Integration. Die Wer die gefährlich zunehmende flächenbrandähn- politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen der liche Ausweitung der Konfliktpotentiale zwischen Abkommen dürfen nicht unterschätzt werden. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14131*

Insbesondere wird der marktwirtschaftliche Prozeß wir die Gesetze zu den Assoziationsabkommen mit der jungen Demokratien im Osten gefördert und Polen, Ungarn und zum Nachbarschaftsvertrag mit gefestigt. Die EG erfüllt mit diesem Abkommen Ver- Rumänien jetzt endlich verabschieden. Diese Tatsa- sprechungen, die während der Umbruchzeit in Polen che ist wichtiger als die Debatte selbst. Trotzdem und Ungarn gemacht wurden. Es ist davon auszuge- möchte ich dazu wenigstens einige fragmentarische hen, daß die dort geweckten Erwartungen nunmehr Überlegungen anstellen. zu einem großen Teil erfüllt werden können. Der Vertrag mit Rumänien ist vor einem Jahr Am Ende des jetzt eingeleiteten Prozesses steht die unterzeichnet worden. Es wäre angebracht, eine erste Erweiterung der EG. Bis zu einem Beitritt Polens und Bilanz der Entwicklung in den deutsch-rumänischen Ungarns ist es aber noch ein langer, hoffentlich nicht Beziehungen zu versuchen. Dazu ist jetzt keine Zeit. allzu steiniger Weg. Die notwendige Integration Ich will aber zumindest auf einen Punkt hinweisen, Polens und Ungarns in die Weltwirtschaft wird durch der im letzten Jahr in der Öffentlichkeit als einziger die Institutionalisierung eines Dialoges auf politischer oder zumindest wesentlicher mit dem Verhältnis zwi- Ebene begleitet. schen Rumänien und der Bundesrepublik assoziiert Damit ist ein ständiger Abstimmungsprozeß auch in wurde. gesellschaftspolitischen Fragen gewährleistet, der die Nach der Unterzeichnung des Nachbarschaftsver- politischen und wirtschaftlichen Reformen begleitet, trags wurde das sogenannte „Rückführungsabkom- die für eine Integration Polens und Ungarns in die EG men" mit Rumänien geschlossen. Auf dessen Grund- notwendig sind. lage wurden mittlerweile Tausende — vor allem Sinti In spätestens sechs Jahren muß die EG mengenmä- und Roma, die hier ein besseres, verfolgungsfreies ßige Einfuhrbeschränkungen und Zölle für gewerbli- Leben suchten — zurückgeschickt. Die Bundesregie- che Erzeugnisse beseitigt haben. Damit haben Polen rung bezahlt dafür, daß für diese Abgeschobenen in und Ungarn erstmals eine verläßliche Perspektive in Rumänien Qualifizierungsprojekte durchgeführt wer- ihrer Suche nach Absatzmärkten im Welthandel den. Unseren Informationen zufolge sind diese Pro- bekommen. Ich bin davon überzeugt, daß sich ihre jekte aber eher eine Art allgemeiner Entwicklungs- Produkte vor allem wegen der niedrigen Produktions- hilfe und weniger eine spezifische Hilfe für die in kosten in westeuropäischen Märkten dauerhaft wer- Rumänien wahrhaftig nicht gerade privilegierten Sinti den etablieren können. und Roma. Ich möchte die Bundesregierung daher Die Umsetzung marktwirtschaftlicher Reformen, zu heute auffordern, schnellstmöglich einen Be richt über deren Durchsetzung Polen und Ungarn sich in den die Situation der aus der Bundesrepublik Abgescho- Abkommen verpflichtet haben, werden das Ihrige benen in Rumänien und zu den Ergebnissen der von dazu beitragen, daß unsere östlichen Nachbarn in hier aus finanzierten Projekte vorzulegen. absehbarer Zeit ernstzunehmende und gleichberech- Nun zu den Assoziationsverträgen zwischen der EG tigte Konkurrenten im Welthandel sein werden. und Polen bzw. Ungarn: Wir wissen alle, daß die Bei allen Chancen, die sich für Polen und Ungarn Ratifizierung dieser Verträge längst überfällig ist. bieten, kann nicht genügend betont werden, daß Selbstverständlich stimmen wir ihnen zu. Zu bedau- in den Abkommen angelegte Verpflichtung der EG ern ist aber, daß sie keine klare Zusage für die zur Öffnung ihres Marktes einen höchst heilsamen Aufnahme Polens und Ungarns in die EG, geschweige Einfluß auf die Handelspolitik der EG insgesamt denn einen präzisen Zeitplan dafür enthalten. Daran haben wird. hat sich auch mit dem EG-Gipfel in Edinburgh, von dem sich die beitrittswilligen Staaten des früheren Die europäischen Mitgliedstaaten müssen sich dar- Ostblocks Entsprechendes erwartet hatten, nichts auf einstellen, daß eine Politik der Abschottung der geändert. Schlimmer noch ist der kurzsichtige Egois- Märkte in Europa keine Zukunft hat. In sechs Jahren mus in den Anhängen zu den Assoziationsabkommen. werden Polen und Ungarn unbegrenzt und zollfrei Statt Öffnung der EG-Märkte für die Ergebnisse erster Stahl, Kohle und Textilien exportieren können. Darauf Reformerfolge werden sie durch kleinlichen Protek- muß sich die EG einrichten. Standortpflege ist kein tionismus weitgehend versperrt. Die Ernüchterung rein deutsches Thema. unserer polnischen und ungarischen Partner ange- Angesichts der zunehmenden Konkurrenz aus dem sichts dieser Gleichgültigkeit ihren Reformen gegen- Osten, die wir wollen, werden Lohnvorteile, die zur über ist nur zu verständlich. Der soziale Preis für die Zeit innerhalb der EG beispielsweise noch in Portugal notwendige Wirtschaftsreform ist außerordentlich oder Griechenland existieren, mittelfristig relativiert hoch. Es wird zu schweren Krisen kommen, wenn die werden. Die EG muß sich dem Wettbewerb stellen Menschen die Erfolge dieser Reformen nicht umset- und innovative Kräfte fördern. zen können. Dazu brauchen sie auch unsere Strukturanpassung in krisengeschüttelten Bran- Märkte. chen dürfen nicht durch Erhaltungssubventionen ver- Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, die langsamt oder verhindert werden. Die Herausforde- Tagung des Europarates Ende Juni in Kopenhagen rung, der sich die Mitgliedstaaten der EG durch die dafür zu nutzen, für die Verabschiedung eines präzi- Europa-Abkommen damit stellen, ist anzunehmen sen Zeitplans für die Aufnahme Polens und Ungarns in und muß bewältigt werden — zum Vorteil Europas die EG und für die stärkere Öffnung der EG-Märkte und damit zum Vorteil Deutschlands. für polnische und ungarische Produkte einzutreten. Von einer mangelnden Öffnung der EG nach Mittel- Gerd Poppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Trotz und Osteuropa werden dort die Nationalisten und enormer Verspätung ist es immerhin erfreulich, daß Ex-Kommunisten profitieren. Und wir alle wissen, daß 14132* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 dies dann nicht nur das Problem jener Staaten sein begrenzte Zugeständnisse einräumen. Die Zuge-. wird. ständnisse Polens und Ungarns setzen nach dem Prinzip der Asymmetrie der gegenseitigen Verpflich- Dr. Heinrich L Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- tungen zeitlich später ein als die der EG. desminister für Wirtschaft: Die weltpolitischen Verän- Die Zugeständnisse im Bereich der Freizügigkeit derungen, insbesondere der Zusammenbruch des der Arbeitnehmer sind begrenzt. EG-Mitgliedstaaten, Ostblocks als politische und wirtschaftliche Einheit, die polnische und ungarische Arbeitnehmer im Rah- haben dazu geführt, daß die mittel- und osteuropäi- men von Werkvertragsarbeitnehmer- und Gastarbeit- schen Länder eine stärkere Annäherung an die Euro- nehmerverträgen zulassen, wie z. B. die Bundesrepu- päische Gemeinschaft suchten. blik Deutschland, werden aufgefordert, die Quote Die Europäische Gemeinschaft hat für diese Annä- nach Möglichkeit aufzustocken. Eine Verpflichtung herung zwei Modelle entwickelt. hierzu besteht jedoch nicht. Mit den baltischen Staaten wurden klassische Han- Der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaub- dels- und Kooperationsabkommen abgeschlossen, in nis nach dem jeweiligen Recht der EG-Mitgliedstaa- denen diesen Ländern die gleiche zollmäßige ten bedarf es weiterhin. Die Europa-Abkommen Behandlung und der gleiche Liberalisierungsstand, gehen davon aus, daß die Zuwanderung von Arbeit- wie er gegenüber den Mitgliedsländern des GATT nehmern in der Kompetenz der einzelnen Mitglied- besteht, eingeräumt wurden. Diese Abkommen ent- staaten verbleibt. halten eine Klausel, wonach sie als Vorstufe zu einem Um Unternehmen aus EG-Mitgliedstaaten und späteren Assoziationsabkommen zu betrachten sind. Selbständigen Investitionen in diesen Ländern zu Mit den GUS-Ländern sollen Partnerschafts- und erleichtern, haben Ungarn und Polen mit Inkrafttreten Kooperationsabkommen abgeschlossen werden, de- des Abkommens für bereits bestehende Niederlas- ren Handelsteil ebenfalls die Handelsregelung, wie sungen und Selbständige aus der EG eine sofortige sie gegenüber den GATT-Ländern besteht, vertrag- Niederlassungsfreiheit eingeräumt. lich festschreiben soll. Für Niederlassungen, die nach Inkrafttreten des Mit Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien wur- Abkommens errichtet werden, wird die Inländerbe- den Assoziierungsabkommen — auch Europa- handlung innerhalb bestimmter Fristen verwirklicht. Abkommen genannt — ausgehandelt, die eine weit- Auf seiten der EG wird polnischen und ungarischen gehende Marktöffnung, eine industrielle Koopera- Unternehmen und polnischen Selbständigen eine tion, Regelungen über die Niederlassungsfreiheit von sofortige Freizügigkeit eingeräumt. (Die sachlichen Unternehmen und Selbständigen und die W anderung Regelungen gegenüber diesen Ländern verbleiben von Arbeitnehmern sowie Verpflichtungen über die weiterhin in der Zuständigkeit der EG-Mitgliedstaa- Rechtsangleichung und die politische, wirtschaftliche- ten). und finanzielle Zusammenarbeit enthalten. Den Befürchtungen, daß durch die Freizügigkeit für Die Europa-Abkommen der EG mit Polen und Selbständige den Zielsetzungen des Gesundheits Ungarn liegen jetzt dem Bundestag zur Ratifizierung Strukturgesetzes entgegengewirkt wird, wird da- vor. Die handelsrelevanten Teile sind durch Inte rims- durch Rechnung getragen, daß jetzt durch eine Ergän- abkommen mit Wirkung vom 1. März 1992 in Kraft zung des Gesundheits-Strukturgesetzes für Gebiete, gesetzt worden. die zwischen Über- und Unterversorgung liegen, aus Die Abkommen sollen Polen und Ungarn an die EG Gründen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes heranführen und ihren späteren Beitritt zur EG bis zum 31. Dezember 1998 nur diejenigen Bewerber erleichtern. Diese Zielsetzung wurde durch eine in eine Zulassung als Vertragsarzt erhalten, die bis zum dem Abkommen enthaltene Beitrittsperspektive deut- 17. Juni 1993 darauf vertrauen konnten. Dies sind lich gemacht. Staatsangehörige aus Deutschland und anderen EG- Mitgliedstaaten, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits Die EG und ihre Mitgliedsländer haben ein starkes im klinischen Teil des Medizinstudiums befanden. Interesse an einer Weiterführung und einem Erfolg der politischen und wirtschaftlichen Reformen in die- In Gebieten, für die der Landesausschuß der Ärzte sen Ländern. Die Durchführung der Verpflichtungen und Krankenkassen eine Unterversorgung festgestellt des Europa-Abkommens auf seiten der EG und die hat, ist dagegen auch für Ärzte aus Drittländern, mit Weiterführung der politischen und wirtschaftlichen denen in Assoziierungsabkommen eine Niederlas- Reformen, insbesondere auch die Beachtung der sungsfreiheit vereinbart wurde, eine Zulassung als Menschenrechte, auf seiten Polens und Ungarns wur- Vertragsarzt möglich. den deshalb verknüpft. Bei einem Verstoß gegen Diese Regelung ist mit den Europa-Abkommen diese Verpflichtungen kann das Abkommen mit sofor- vereinbar. tiger Wirkung gekündigt werden. Der dem Bundestag ebenfalls zur Ratifizierung Für den Handelsteil war der Gesichtspunkt der vorliegende „Vertrag zwischen der Bundesrepublik weitgehenden Marktöffnung für Produkte aus diesen Deutschland und Rumänien über freundschaftliche Ländern die entscheidende Richtschnur, die im Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa" zielt gewerblichen Bereich spätestens nach sechs Jahren auf eine Vertiefung der partnerschaftlichen Zusam- nach Inkrafttreten des Interimsabkommens erreicht menarbeit in allen wesentlichen Bereichen. Der Ver- werden soll. trag verknüpft die bilateralen Beziehungen mit der Im Agrarbereich konnte die EG im Hinblick auf die Perspektive einer Heranführung Rumäniens an die Überproduktion bei allen wich tigen Erzeugnissen nur europäischen Strukturen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14133*

Anlage 5 finanzierungsgesetz den alten Ländern zustehenden Anteile ungeschmälert zur Verfügung gestellt werden. Eine Umschich- Amtliche Mitteilungen tung von GVFG-Mitteln in die neuen Länder ist nicht veranlaßt, nachdem sich die alten Länder bereit erklärt haben, sich im Jahr Der Bundesrat hat in seiner 657. Sitzung am 28. Mai 1993 beschlos- 1993 mit rd. 2,1 Milliarden DM und im Jahr 1994 mit rd. sen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag 5,3 Milliarden DM an der Aufstockung des Fonds „Deutsche gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Einheit" zu beteiligen. Mit der Aufstockung des Fonds -Deut- sche Einheit" von zusammen 14,4 Milliarden DM in den Jahren Gesetz zu dem Abkommen vom 31. März 1992 zur Erhaltung der 1993 und 1994 ist eine angemessene Finanzausstattung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee neuen Länder sichergestellt. Gesetz zu dem Abkommen vom 4. Dezember 1991 zur Erhal- tung der Fledermäuse in Europa Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schrei- Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 16 und 18) ben vom 27. Mai 1993 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom Gesetz zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber 13. Dezember 1951 den Gesetz über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäfts- Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit jahr 1991 Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanz- mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. ausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Ge- setz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms — FKPG) Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schrei- Gesetz zur Ä nderung asylverfahren-, ausländer- und staatsan- ben vom 7. Juni 1993 in sinngemäßer Anwendung des § 30 Abs. 4 des gehörigkeitsrechtlicher Vorschriften Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaus- Nachtrag zum Wirtschaftsplan der Deutschen Reichsbahn für haltsplan für das Haushaltsjahr 1993 (Nachtragshaushaltsgesetz das Geschäftsjahr 1992 1993) mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme 1. Zum Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und aus. staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften: Der Bundesrat anerkennt die Anstrengungen des Bundes, der Die Gruppe der PDS/Linke Liste hat mit Schreiben vom 9. Juni 1993 Länder und Kommunen sowie der Kirchen und freien Wohl- mitgeteilt, daß sie ihren Antrag Aufschub der Zustimmung der fahrtsorganisationen bei der Hille für die notleidenden Men- Bundesregierung zur Fusion der Kali und Salz AG (K+S) und der schen insbesondere in Bosnien-Herzegowina, aber auch bei der Mitteldeutschen Kali AG (MdK) — Drucksache 12/4268 — zurück- Aufnahme sowie Unterbringung von Flüchtlingen aus den zieht. Krisengebieten, und dankt der Bevölkerung in der Bundesrepu- blik Deutschland für die hierbei bewiesene Hilfsbereitschaft. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß Der Bundesrat stellt mit Sorge fest, daß weiterhin mit steigender der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von Tendenz Flüchtlinge aus den Krisengebieten in großer Zahl einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: außerhalb von Kontingenten oder unter Umgehung von Visabe- Auswärtiger Ausschuß stimmungen ins Bundesgebiet einreisen, mit Rücksicht auf die Bürgerkriegssituation bzw. auf Grund bestehender Abschiebe- Drucksache 12/3854 stopps nicht wieder abgeschoben werden können und in großer Drucksache 12/4042 Zahl vor allem die Sozialhilfeträger und Gemeinden belasten. Innenausschuß Die Kommunen finanzieren derzeit fast allein die Flüchtlinge, Drucksache 12/4057 denen ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht eingeräumt wird. Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Der Bundesrat hält deshalb folgende Maßnahmen für erforder- Drucksache 12/2787 lich: Drucksache 12/3133 — Für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemali- Drucksache 12/3380 gen Jugoslawien, die sich bereits in der Bundesrepublik Drucksache 12/3846 Deutschland aufhalten und die künftig hierherkommen, muß ein einheitlicher Status mit einem auf die Situation der Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Bürgerkriegsflüchtlinge spezifisch abgestimmten Lei- Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen stungsrecht geschaffen werden, und zwar unabhängig bzw. von einer Beratung abgesehen hat: davon, ob die Einreise im Rahmen oder außerhalb eines Kontingents erfolgt bzw. erfolgt ist. Innenausschuß — Der Bundesrat erwartet insbesondere nach wie vor eine Drucksache 12/2144 Nr. 2.2 gesetzliche Regelung über eine 50 %ige Beteiligung des Drucksache 12/4131 Nr. 3.1 Bundes an allen Kosten, die den Ländern und den Kommu- Finanzausschuß nen durch die Aufnahme von Kriegs- und Bürgerkriegs- flüchtlingen entstehen. Drucksache 12/4491 Nrn. 2.1, 2.2 Angesichts der aktuellen und durch den weiteren Zustrom von Drucksache 12/4555 Nr. 2.5 Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien Ausschuß für Wirtschaft noch steigenden Aufgaben- und Ausgabendimension müssen Drucksache 12/1914 Nr. 7 diese Fragen sofort und umfassend im Vorgriff auf eine entspre- Drucksache 12/4191 Nrn. 2.1-2.4, 2.7 chende gesetzliche Regelung gelöst werden. Der Bund wird aufgefordert, hierfür unverzüglich die Initiative zu ergreifen und Drucksache 12/4298 Nrn. 3.5-3.8 dabei auch einen Vorschlag für ein Rückführungsprogramm zu Drucksache 12/4360 Nrn. 2.3, 2.4, 2.6 unterbreiten. Drucksache 12/4491 Nrn. 2.3, 2.4, 2.6, 2.8 2. Zum Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Drucksache 12/4555 Nr. 2.9 Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1993 (Nachtrags- Drucksache 12/4651 Nr. 2.1 haushaltsgesetz 1993) Drucksache 12/4797 Nrn. 3.8-3.11 Der Bundesrat erinnert an seinen Beschluß vom 26. März 1993 Drucksache 12/4833 Nr. 2.6 (Drucksache 120/93 — Beschluß —) be treffend die im Bundes- haushaltsplan 1993 ausgebrachten Haushaltssperren für einen Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Teil der Bundesmittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzie- Drucksache 12/3182 Nr. 65 rungsgesetz. Er erwartet, daß die nach dem Gemeindeverkehrs- Drucksache 12/4491 Nr. 2.31