Plenarprotokoll 12/99*)

Deutscher Bundesta g

Stenographischer Bericht

99. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Inhalt:

Zur Geschäftsordnung Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Legali- Peter Struck SPD 8223 B sierung des Schwangerschaftsabbruchs und zur Sicherung von Mindeststandards Dr. PDS/Linke Liste . . 8223 B für Frauen zum Schwangerschaftsab- bruch (Drucksache 12/898) Tagesordnungspunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von der Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Fraktion der F.D.P. eingebrachten Ent- Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz wurfs eines Gesetzes zum Schutz des des ungeborenen Lebens (Drucksache werdenden Lebens, zur Förderung einer 12/1178 [neu]) kinderfreundlicheren Gese ll schaft, für Zweite und dritte Beratung des von den Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und Abgeordneten Herbert Werner (Ulm), zur Regelung des Schwangerschaftsab- , Claus Jäger, Nor- bruchs (Schwangeren- und Familienhil- bert Geis, Hubert Hüppe und weiteren fegesetz) (Drucksache 12/551) Abgeordneten eingebrachten Entwurfs Zweite und dritte Beratung des von eines Gesetzes zum Schutz der ungebo- den Abgeordneten Christina Schenk, renen Kinder (Drucksache 12/1179) Dr. Klaus-Dieter Feige, Ingrid Köppe und Zweite und dritte Beratung des von den der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abgeordneten Inge Wettig-Danielmeier, eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Uta Würfel, Dr. Hans de With, Gerhart zur Sicherung der Entscheidungsfreiheit Rudolf Baum, Susanne Rahardt-Vahl- von Frauen beim Umgang mit ungewoll- dieck, Dr. und weite- ten Schwangerschaften (Drucksache ren Abgeordneten eingebrachten Ent- 12/696) wurfs eines Gesetzes zum Schutz des Zweite und dritte Beratung des von der vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs Förderung einer kinderfreundlicheren eines Gesetzes zum Schutz des werden- Gesellschaft, für Hilfen im Schwanger- den Lebens durch Förderung einer kin- schaftskonflikt und zur Regelung des derfreundlichen Gesellschaft, durch Schwangerschaftsabbruchs (Schwange- rechtlich gewährleistete Hilfen für Fami- ren- und Familienhilfegesetz) (Druck- lien und Schwangere sowie zur sache 12/2605 [neu]) Sexualerziehung und zur Regelung in Verbindung mit des Schwangerschaftsabbruches (Fami- lien- und Schwangerenhilfegesetz —— Zusatztagesordnungspunkt: FamSchHG) (Drucksache 12/841) Empfehlung und Bericht des Sonderaus- Zweite und dritte Beratung des von den schusses „Schutz des ungeborenen Abgeordneten Petra Bläss, , Lebens" zu den Gesetzentwürfen auf , Andrea Lederer und der Drucksachen 12/551, 12/696, 12/841,

*) Es folgt ein Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll.

II Deutscher — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

12/898, 12/1178 (neu), 12/1179, 12/2605 Ortwin Lowack fraktionslos 8287 C (neu), 12/2875 Dr. Jürgen Schmude SPD 8288 C Berichte des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Druck- Hans A. Engelhard F.D.P 8289C sachen 12/2876, 12/2877, 12/2878, Ulrike Mascher SPD 8290 B 12/2879, 12/2880, 12/2881, 12/2882) Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU 8291 B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) 8225 A Regina Schmidt-Zadel SPD 8293 A Inge Wettig-Danielmeier SPD . . 8225A, 8227 C CDU/CSU 8293 D Irmgard Karwatzki CDU/CSU ...... 8225 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8294 C Uta Würfel F.D.P. ...... 8230D Robert Antretter SPD 8295 C Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Monika Brudlewsky CDU/CSU 8296 C NEN ...... 8234B, 8299 C Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . 8236B, 8351 B (Nürnberg) SPD . . . . 8297 C Ursula Männle CDU/CSU ...... 8238 B Gabriele Wiechatzek CDU/CSU 8298 C Dr. Hans de With SPD 8240 D Dr. Cornelia von Teichman F.D.P. . . . 8300 C Dr. Bruno Menzel F.D.P. ...... 8242 B Dr. Marliese Dobberthien SPD . . . . 8301 B Dr. CDU/CSU 8244 B Maria Eichhorn CDU/CSU 8302 B Christel Hanewinckel SPD ...... 8247 A Dr. Helga Otto SPD ...... 8303 B Gerhart Rudolf Baum F D P 8248 C CDU/CSU 8304 A Konrad Weiß () BÜNDNIS 90/DIE Birgit Homburger F D P GRÜNEN 8251 A 8305 A Dr. PDS/Linke Liste . . . 8252 C Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD 8306 A Hans-Ulrich Klose SPD 8254 C Ingeborg Philipp PDS/Linke Liste . . . 8307 A Herbert Werner (Ulm) CDU/CSU . . 8255 C Ortrun Schätzle CDU/CSU 8307 D Dorle Marx SPD 8257 D Elke Ferner SPD 8308 C Hubert Hüppe CDU/CSU . . . 8259B, 8309 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . . . 8310B CDU/CSU ...... • . 8259 C CDU/CSU 8310D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8261 C Gunter Weißgerber SPD 8311D CDU/CSU 8263 B (Fürth) F.D.P. . . . . . 8312 B Waltraud Schoppe, Ministerin des Landes Niedersachsen 8265 C Karin Jeltsch CDU/CSU 8313B Dr. Mathilde Berghofer-Weichner, Staatsmi- Gudrun Weyel SPD 8314 A nisterin des Freistaates Bayern . 8267B, 8271A Claus Jäger CDU/CSU 8314 C Dr. Edith Niehuis SPD 8269 A Dr. Friedrich-Adolf Jahn (Münster) CDU/ Dr. Theodor Waigel CDU/CSU 8271 B CSU 8315A Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE SPD 8316A GRÜNEN 8272 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8273 B Dr. Klaus Röhl F.D.P 8317 B Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8275 A Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 8318A Dr. PDS/Linke Liste 8276 C Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU 8319D Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 8277 B Margot von Renesse SPD 8321 A Hanna Wolf SPD 8279 A Wolfgang Ehlers CDU/CSU 8322 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 8280B Eva-Maria Kors CDU/CSU 8322 D Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE SPD 8323 C GRÜNEN 8281 C Claus Jäger CDU/CSU 8282 D Dr. Sigrid Semper F.D.P. 8324 C Dr. Hans-Jochen Vogel SPD . . . . . 8284 B Dr. Jürgen Warnke CDU/CSU 8325 D Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) F.D.P 8285 D Rosemarie Priebus CDU/CSU 8326D Angelika Pfeiffer CDU/CSU ...... 8286 C Erika Reinhardt CDU/CSU 8327 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 III

Dr. Konrad Elmer SPD ...... 8328D über den Gesetzentwurf auf Drucksache 8369 B F.D.P...... 8329 D 12/841 — zweite Beratung — Sigrun Löwisch CDU/CSU 8330 D über den Gesetzentwurf auf Drucksache 12/1178 (neu) — zweite Beratung — . . . 8372A Jan Oostergetelo SPD 8331 C Michaela Geiger CDU/CSU 8332 D über den Gesetzentwurf auf Drucksache 12/2605 (neu) — zweite Beratung — . . . 8374D Dr. CDU/CSU ...... 8333 C Regina Kolbe SPD 8334 C über den Gesetzentwurf auf Drucksache 12/2605 (neu) — dritte Beratung — . . 8377C Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. 8335 A Roswitha Verhülsdonk CDU/CSU . . . 8336 C Nächste Sitzung 8380 D Margitta Terborg SPD 8337 C Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8338 D Berichtigung 8380 Dr. CDU/CSU ...... 8339B 8340 B Uta Titze SPD Anlage 1 Karl-Josef Laumann CDU/CSU 8341 B Jörg Ganschow F. D . P. ...... 834 2 A Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8381* A Dr. CDU/CSU . 8342 C Dr. Axel Wernitz SPD 8343 C Anlage 2 Dr. Immo Lieberoth CDU/CSU . . . . 8344 B Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- 8345 B Dr. SPD ...... stimmung über die Beschlußempfehlung des Dr. F.D.P. 8346A Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschlie- Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . 8346 D ßungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und der F.D.P. zur vereinbarten Debatte zur Men- Dr. Eckhart Pick SPD 8347 D schenrechtspolitik (Drucksache 12/2857) . 8381* A F.D.P. ...... 8348D Hans Martin Bury SPD 8349 D Anlage 3 Dr. Paul Laufs CDU/CSU ...... 8350D CDU/CSU 8351 D Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordne- SPD ...... 8352 C ten Dr. (F.D.P.) zu Tagesord- nungspunkt 7 (Abrüstungspolitische Vorla- Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . . . . . 8353 B gen und Vorlage zur Beteiligung der Bundes- Wolfgang Lüder F.D.P. 8354 B wehr an Einsätzen außerhalb des NATO- Susanne Rahardt-Vahldieck CDU/CSU . 8355 A Vertragsgebietes) ...... 8383* A Ingrid Matthäus-Maier SPD 8356 D Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 8356 D Anlage 4 (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE Verhinderung einer Verführung Minderjäh- GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) . . 8357D riger zu sozialem Fehlverhalten und sinnlo- Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste (Erklärung sem Konsum durch Versachlichung der Fern- nach § 31 GO) ...... 8380A sehwerbung Namentliche Abstimmungen MdlAnfr 11 — Drs 12/2863 — Benno Zierer CDU/CSU über den Gesetzentwurf auf Drucksache 12/696 zweite Beratung — ...... 8359 A SchrAntw PStSekr Dr. Reinhard Göhner über den Gesetzentwurf auf Drucksache BMJ ...... 8384* A 12/898 — zweite Beratung — ...... 8361 C über den Gesetzentwurf auf Drucksache 12/1179 — zweite Beratung — 8364 A Die zu Protokoll gegebenen Reden sowie die Erklä- über den Gesetzentwurf auf Drucksache rungen nach § 31 GO werden in einem Nachtrag zu 12/551 — zweite Beratung — . . . . . 8366 C diesem Plenarprotokoll abgedruckt.

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Beginn: 9.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Liebe Kolleginnen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wir kommen zur und Kollegen! Ich eröffne unsere heutige Sitzung und Abstimmung, und zwar zunächst zum Antrag auf hoffe, daß uns der Tag gelingt. Aufsetzung des Gesetzentwurfs auf die Tagesord- Ich beginne mit einem Geschäftsordnungsantrag nung. Wer stimmt dafür? — Wer stimmt dagegen? — zur Aufsetzung eines Gesetzentwurfs. Die Gruppe Enthaltungen? — Damit ist der Aufsetzungsantrag mit PDS/Linke Liste hat fristgerecht beantragt, die heu- den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, tige Tagesordnung um die Beratung des von ihr CDU/CSU und F.D.P. bei einer Enthaltung abge- eingebrachten Entwurfs eines Familien- und Schwan- lehnt. gerenhilfegesetzes auf Drucksache 12/2912 zu erwei- Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den tern und den Gesetzentwurf in die zweite und dritte Antrag zum Eintritt in die zweite Beratung ohne Beratung der übrigen Gesetzentwürfe einzubeziehen. Ausschußüberweisung. Die Aufsetzung kann mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Der Eintritt in die zweite Bera- Ich rufe nun Punkt 13 der Tagesordnung auf: tung ohne Ausschußüberweisung bedarf nach § 80 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung einer Zweidrittel- Zweite und dritte Beratung des von der mehrheit der anwesenden Mitglieder. Wird dazu das Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs Wort gewünscht? — Herr Struck. eines Gesetzes zum Schutz des werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreund- Dr. Peter Struck (SPD): Frau Präsidentin! Meine licheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwan- Damen und Herren! Ich möchte für die SPD-Bundes- gerschaftskonflikt und zur Regelung des tagsfraktion erklären, daß wir gegen diesen Antrag Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- der PDS stimmen werden. Die PDS hat versucht und Familienhilfegesetz) — absprachewidrig —, zu erreichen, daß ein Antrag Drucksache 12/551 — der SPD-Bundestagsfraktion zu dem hier interessie- (Erste Beratung 44. Sitzung) renden Thema noch auf die Tagesordnung zur Abstimmung kommt. Ich erkläre ganz offiziell für die Zweite und dritte Beratung des von den SPD-Bundestagsfraktion, daß wir unseren Antrag Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Klaus- nicht zurückziehen werden. Auch dieser Antrag steht Dieter Feige, Ing rid Köppe und der Gruppe heute abend zur Abstimmung. Ich bitte deshalb BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten darum, den Antrag der PDS abzulehnen. Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Entscheidungsfreiheit von Frauen beim (Beifall bei der SPD) Umgang mit ungewollten Schwangerschaf- ten Frau Fischer. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: — Drucksache 12/696 — (Erste Beratung 44. Sitzung) Dr. Ursula Fischer (PDS/Linke Liste): Ich bitte Sie darum, den Antrag zusätzlich auf der Tagesordnung Zweite und dritte Beratung des von der zu lassen, weil wir einfach nicht sicher sein können, Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs daß dieser Antrag sonst wirk lich zur Abstimmung eines Gesetzes zum Schutz des werdenden kommt. Lebens durch Förderung einer kinder- (Zurufe von der SPD) freundlichen Gesellschaft, durch rechtliche — Es ist einfach so. Wir werden zum entsprechenden gewährleistete Hilfen für Familien und Zeitpunkt selbstverständlich Überlegungen anstellen, Schwangere sowie zur Sexualerziehung ob wir ihn zurückziehen oder nicht. Deswegen bitte und zur Regelung des Schwangerschaftsab- ich Sie darum, daß der Antrag so auf der Tagesord- bruches (Familien- und Schwangerenhilfe- nung bleibt, damit Gelegenheit bleibt, darüber abzu- gesetz — FamSchHG) stimmen. — Drucksache 12/841 — Ich bedanke mich. (Erste Beratung 44. Sitzung) 8224 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth — Zweite und dritte Beratung des von den Bevor wir in die Beratungen eintreten, bitte ich um Abgeordneten Petra Bläss, Jutta Braband, Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Ablauf Ulla Jelpke, Andrea Lederer und der der Debatte und zum Abstimmungsverfahren. Ich Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten bitte das genau zur Kenntnis zu nehmen, damit Entwurfs eines Gesetzes zur Legalisierung nachher nicht gesagt wird, wir haben es nicht des Schwangerschaftsabbruchs und zur gesagt. Sicherung von Mindeststandards für Der Sonderausschuß hat in seiner Empfehlung vor- Frauen zum Schwangerschaftsabbruch geschlagen, der zweiten Beratung die sieben ihm — Drucksache 12/898 — überwiesenen Entwürfe zugrunde zu legen, und zwar (Erste Beratung 44. Sitzung) teilweise in der ursprünglichen Fassung, teilweise in einer vom Ausschuß geänderten Fassung. — Zweite und dritte Beratung des von der Zur Gestaltung der Debatte und zum Abstimmungs- Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent- verfahren ist folgendes vereinbart worden: In einem wurfs eines Gesetzes zum Schutz des unge- ersten, vierstündigen Abschnitt wird die Redezeit borenen Lebens nach dem Fraktionsschlüssel verteilt. Der einzelne — Drucksache 12/1178 (neu) — Redner bzw. die Rednerin sollte hierbei nicht länger (Erste Beratung 44. Sitzung) als 15 Minuten sprechen. Ein zweiter, zweistündiger Abschnitt ist für Zehn- — Zweite und dritte Beratung des von den Minuten-Beiträge vorgesehen. Abgeordneten Herbert Werner (Ulm), Mo- nika Brudlewsky, Claus Jäger, Norbert Der dritte Abschnitt der Debatte steht für Fünf- Geis, Hubert Hüppe und weiteren Abgeord- Minuten-Beiträge zur Verfügung. neten eingebrachten Entwurfs eines Geset- Voraussichtlich ab 21 Uhr folgen die namentlichen zes zum Schutz der ungeborenen Kinder Abstimmungen über die Gesetzentwürfe. Ob alle Drucksache 12/1179 eingebrachten Entwürfe zur Abstimmung gestellt (Erste Beratung 44. Sitzung) werden, wird erst im Verlaufe der Debatte klarwer- den. — Zweite und dritte Beratung des von den Für fünf der Entwürfe ist bereits diese Abstim- Abgeordneten Inge Wettig-Danielmeier, mungsreihenfolge vereinbart worden: Entwurf der Uta Würfel, Dr. Hans de With, Gerhart Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf der Rudolf Baum, Susanne Rahardt-Vahldieck, Gruppe PDS/Linke Liste, Entwurf des Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann und weiteren Abge-- Herbert Werner und anderer, Entwurf von Mitglie- ordneten eingebrachten Entwurfs eines dern der Fraktion der CDU/CSU, Entwurf der Abge- Gesetzes zum Schutz des vorgeburtlichen/ ordneten Inge Wettig-Danielmeier, Uta Würfel und werdenden Lebens, zur Förderung einer anderer, der sogenannte Gruppenantrag. kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hil- fen im Schwangerschaftskonflikt und zur Für die Abstimmung gilt: Ein Gesetzentwurf ist Regelung des Schwangerschaftsabbruchs angenommen, wenn er die Mehrheit der abgegebe- (Schwangeren- und Familienhilfegesetz) nen Stimmen enthält. Das ist der Fall, wenn mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen für ihn abgegeben — Drucksache 12/2605 (neu) — werden. Stimmenthaltungen werden hierbei nicht (Erste Beratung 93. Sitzung) mitgezählt. Ich wiederhole: Enthaltungen werden hier nicht mitgerechnet. Entscheidend ist also allein, daß Empfehlung und Bericht des Sonderausschus- die Ja-Stimmen die Nein-Stimmen überwiegen. ses „Schutz des ungeborenen Lebens" zu den Gesetzentwürfen auf Das bedeutet, sobald einer der konkurrierenden Gesetzentwürfe die Mehrheit der abgegebenen Stim- — Drucksachen 12/551, 12/696, 12/841, men erhält, ist er in zweiter Beratung angenommen. 12/898, 12/1178 (neu), 12/1179, 12/2605 (neu), Über weitere Entwürfe wäre dann nicht mehr abzu- 12/2875 — stimmen. Berichterstattung: — Abgeordnete Irmgard Karwatzki Der in zweiter Beratung angenommene Gesetzent- Inge Wettig-Danielmeier wurf ist Grundlage der dritten Beratung. Zur dritten Uta Würfel Beratung ist kein( Aussprache vorgesehen. Die Petra Bläss Schlußabstimmung soll ebenfalls namentlich erfol- Christina Schenk gen. Herbert Werner (Ulm) Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Berichte des Haushaltsausschusses (8. Aus- Geschäftsordnung sollen am Ende der dritten Bera- schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung tung abgegeben werden, aber soweit sie nicht schrift- — Drucksachen 12/2876, 12/2877, 12/2878, lich erfolgen, wird (MS Wort hierzu erst nach der 12/2879, 12/2880, 12/2881, 12/2882 — Abstimmung erteilt werden. Berichterstattung: Sind Sie mit der vereinbarten Debattenstruktur und Abgeordnete Thea Bock dem Verfahren einverstanden, auch soweit es eine Dieter Pützhofen Abweichung von der Geschäftsordnung darstellt? — Da ist noch eine Wortmeldung. Herr Ullmann! Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8225

Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- steht. Einem Wertewandel in unserer Gesellschaft in NEN): Frau Präsidentin, ich bin leider nicht einver- diesem Punkt darf kein Vorschub geleistet werden. standen. Ich muß sagen, daß der Sonderausschuß seine Aufgabe nicht erledigt hat, hier einen Entwurf (Beifall bei der CDU/CSU) vorzulegen, über den das Hohe Haus beraten und Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen und dann abstimmen kann. das Recht auf Leben gehören zu den Grundlagen Das jetzt von Ihnen vorgetragene Verfahren impli- unseres Gemeinwesens. Diese unabdingbaren ziert, daß unter Umständen der Gruppenantrag über- Grundrechte der Verfassung gelten für jeden: Alte, haupt nicht mehr zur Beratung und Abstimmung Kranke, Behinderte und auch für das ungeborene gestellt werden kann. Kind. Der Staat ist verpflichtet, sich schützend vor (Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre doch jedes Leben zu stellen. Einen absoluten Lebensschutz gut!) wird er zwar niemals gewährleisten können, er sollte Ich protestiere gegen dieses Verfahren. aber zumindest alles tun, um diesem Ziel so nahe wie möglich zu kommen.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich habe gerade die Eine zentrale politische Aufgabe liegt darin, das Frage gestellt, ob die übrigen mit dem Verfahren Bewußtsein für den Eigenwert des ungeborenen einverstanden sind. Wenn ich keinen weiteren Wider- Lebens zu wecken und zu stärken. Wert und Schutz- spruch höre, dann ist das bei Kenntnisnahme des würdigkeit des ungeborenen Lebens werden oft Protestes von Herrn Ullmann so beschlossen. genug im Sinne eines verbindenden Wertekonsenses (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Würden beschworen. Es heißt: Nicht in der Frage des Ob — für Sie bitte abstimmen lassen!) oder gegen das Leben —, sondern nur in der Frage des Wie gebe es unterschiedliche Auffassungen. Aber, — Dann lasse ich doch noch einmal abstimmen. Wer meine Damen und Herren, diese äußerliche Gemein- stimmt dem hier vorgeschlagenen Verfahren zu samkeit in der Zielsetzung darf nicht den Blick dafür Debatte und Abstimmung zu? — Wer stimmt dage- verschleiern, daß es bei der Frage Indikationsrege- gen? — Dann ist der Vorschlag mit der erforderlichen lung oder Fristenregelung sehr wohl um mehr geht. Mehrheit so beschlossen. Bevor ich die Aussprache eröffne, erteile ich Frau Inwieweit auch das Strafrecht einen Beitrag zu Wettig-Danielmeier das Wort zu einer Korrektur. einem besseren Lebensschutz leisten kann, ist nur ein Aspekt. Im Kern geht es darum, welchen Rang wir künftig den Interessen des ungeborenen Kindes und Inge Wettig-Danielmeier (SPD): Frau Präsidentin! der Frau in einem Schwangerschaftskonflikt beimes- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Versehent- sen wollen. Gäbe es den eingangs erwähnten Grund- lich fehlen im Vorblatt zu Empfehlung und Bericht des konsens, dann wäre es keine Frage, daß das Lebens- Sonderausschusses in der Drucksache 12/2875 auf recht des Kindes grundsätzlich Vorrang vor dem Seite 18 in der Auflistung der Kosten des Gesetzent- Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren hat, und wurfs der Abgeordneten Wettig-Danielmeier, Würfel nicht nur für eine bestimmte Frist. So hat es das u. a. die Kosten für Verhütungsmittel in Höhe von Bundesverfassungsgericht 1975 formuliert. 100 Millionen DM. Leider ist durch einen Übertragungsfehler auf In Wirklichkeit sind wir jedoch von dem fast gebets- Seite 20 der vorliegenden Drucksache auch der mühlenhaft beschworenen Wertekonsens schon mei- Punkt II der Beschlußempfehlung nicht abgedruckt. lenweit entfernt. Der Standpunkt von der ethischen Es muß dort heißen: Verwerflichkeit des Schwangerschaftsabbruches II. Die eingegangenen Petitionen werden für wird längst nicht mehr von allen Gruppen und Grup- pierungen geteilt. Ganz offenkundig wird dies in den erledigt erklärt. Gesetzentwürfen der Gruppen PDS/Linke Liste und In der noch zu druckenden Fassung werden die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die dem Embryo die beiden Fehler berichtigt sein. Anerkennung als selbständiges Rechtsgut verweigern Danke. und folgerichtig eine völlige Legalisierung der Abtrei- bung, bis hin zur verfassungsrechtlichen Absicherung Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Nun eröffne ich die des Rechts auf Entscheidungsfreiheit fordern. Meine Aussprache und erteile Frau Irmgard Karwatzki das Damen und Herren, wenn man diesen Entwürfen Wort. eines zugute halten kann, dann ihre schonungslose Offenheit, mit der sie sich um einen verfassungsmäßi- gen Wertekonsens erst gar nicht mehr bemühen. Irmgard Karwatzki (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen Neu ist diese Argumentation allerdings nicht. Nur und Kollegen! Wenn wir heute über die Regelung zum die Wertung hat sich verschoben. Ich bin der Ansicht, Schutz des ungeborenen Lebens entscheiden, so tun daß genau diese Verlagerung des Schwerpunkts Anlaß wird dies mit der Gewißheit, daß wir das Problem des zu echter Sorge sein muß. Während nämlich früher Schwangerschaftsabbruches damit nicht lösen. Wir selbst die Befürworter einer Fristenregelung die ethi- werden als Gesetzgeber nicht mehr erreichen können sche Verwerflichkeit des Schwangerschaftsabbruchs als eine Regelung, die ein Höchstmaß an gesellschaft- nicht in Frage stellten und die Abtreibung stets als licher Akzeptanz erwarten läßt. Aber wir dürfen auch Abwägungsproblem zwischen den widers treitenden nicht weniger erreichen als eine Regelung, die im Interessen von Frau und Kind begriffen haben, spielt Einklang mit der Werteordnung des Grundgesetzes dieser Gesichtspunkt heute — zugunsten einer stär- 8226 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Irmgard Karwatzki keren Akzentuierung des Selbstbestimmungsrechts Um es ganz deutlich auszudrücken: Bei einer Ent- der Frau —, eigentlich keine Rolle mehr. scheidung zugunsten einer Fristenregelung, wie sie Weniger die Verringerung der Abtreibungszahlen, im Gruppenantrag vorgesehen ist, würde der so oft die anscheinend als unabänderlich hingenommen zitierte Wertekonsens nachhaltig in Frage gestellt. werden, sondern vielmehr die Eigenverantwortung Eine Rechtsordnung, die jede Entscheidung für einen der Frau wird in den Mittelpunkt der Debatte gestellt. Schwangerschaftsabbruch vorbehaltlos zu akzeptie- Das eigentliche Schutzgut, das ungeborene Kind, ren bereit ist, reduziert die verfassungsrechtlich gefor- findet kaum noch Erwähnung. derte Priorität des Lebens auf eine rein gedankliche Ebene. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU) In den ursprünglichen Entwürfen von F.D.P. und insbesondere von SPD wird dies ganz deutlich In der Lebenswirklichkeit würden sich die Interes- erkennbar. Aber selbst der Antrag der Kolleginnen sen der Schwangeren stets gegenüber denen des Wettig-Danielmeier und anderer, im folgenden als Kindes durchsetzen können. Im öffentlichen Bewußt- „Gruppenantrag" bezeichnet, liegt ganz auf dieser sein verfestigte sich — allen hehren Vorsätzen zum Linie. Es sei die ausschließliche Entscheidung der Trotz — der Eindruck, jede ungewollte Schwanger- Frau, die unbesehen und vorbehaltlos als die den schaft stelle eine rechtlich beachtliche Notlage dar, Abbruch rechtfertigende Instanz hinzunehmen sei. nur weil sie unerwünscht ist. Es wäre nicht mehr Das ungeborene Kind wird damit schutzlos der Verfü- erkennbar, worin denn ein mehr als verbaler Unter- gungsgewalt eines anderen ausgeliefert. schied zu denen liegen könne, die den Schwanger- schaftsabbruch von vornherein als Ausdruck des (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei Selbstbestimmungsrechtes der Frau begreifen. Es ent- Abgeordneten der SPD) stünde der fatale Eindruck, menschliches Leben sei Einige Befürworter dieses Antrages werden nicht für eine bestimmte Frist verfügbar. Lassen Sie uns müde, zu beteuern, daß Grundlage der der Frau diesen Weg nicht gehen! überlassenen Gewissensentscheidung stets eine Not- (Beifall bei der CDU/CSU) und Konfliktlage sei. Es geht heute nicht um irgendeine Sachfrage, die Ihr Ansinnen in Ehren, meine Damen und Herren; einer zeitgemäßen pragmatischen Antwort bedarf. aber wie es darum tatsächlich bestellt ist, zeigt ein Gefragt sind vielmehr Überzeugungen, die in diesem Blick auf den geradezu verschämten Klammerzusatz menschlich und rechtlich schwierigen Bereich Orien- in § 218a Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfs. In diesem wird tierung bieten. Selbst wenn eine Mehrheit in der nur auf das Erfordernis einer dem Abbruch vorange- Bevölkerung tatsächlich ein befristetes Verfügungs- gangenen Beratung in einer Not- und Konfliktlage recht über das ungeborene Leben zu billigen bereit hingewiesen — einer Beratung, die sich völlig wert- wäre, dann zeigt das nur, daß wir als Politiker, aber neutral gegenüber dem Lebensschutz und der Eigen- auch alle anderen tragenden Kräfte der Gesellschaft verantwortung der Frau verhält. Wenn die Frau nicht versagt haben — versagt bei dem Bemühen, mehr einmal im Beratungsgespräch mit der Möglichkeit, Bewußtsein für den Stellenwert des ungeborenen anonym zu bleiben, die aus ihrer Sicht einen Abbruch Lebens zu schaffen. tragenden Gründe offenlegen, geschweige denn ihr Vorhaben begründen muß, dann wird damit über- (Beifall bei der CDU/CSU) deutlich, meine Damen und Herren, daß es letztlich Meine Damen und Herren, sicher müssen in .der um nicht mehr geht als um die bloße Hoffnung auf eine ganzen Diskussion auch verantwortungsvolle und gewissenhafte Entschei- Defizite in unserer Gesell- schaft, was die - dung der Schwangeren. Kinder und Familienfreundlichkeit angeht, benannt werden. Das muß uns neben der Ich möchte hier nicht weiter der Frage nachgehen, ethischen Dimension unseres Themas aufrütteln. ob eine solche Regelung den Anforderungen an einen Schwangere und ihre Familien sind auf die Solidarität staatlichen Lebensschutz unter Verfassungsgesichts- der Gesellschaft in hohem Maße angewiesen. Sie punkten standhält. Hierauf werden noch andere Kol- müssen auf besondere Unterstützung des Staates leginnen und Kollegen, die nach mir sprechen wer- vertrauen dürfen und ihrer sicher sein. den, eingehen. An dieser Stelle soll ein Hinweis genügen: Das verfassungsrechtliche Risiko einer wie Eine Schwangerschaft bedeutet für jede Frau einen auch immer gearteten Fristenregelung liegt stets über tiefen Einschnitt in ihre bisherige Lebensplanung. dem einer Indikationenregelung. Das haben die Noch mehr gilt dies für ungewollte Schwangerschaf- Anhörungen mit aller Deutlichkeit klargemacht, wie ten. Die Schwangere sieht sich auf einmal vielen den entsprechenden Protokollen zu entnehmen ist — seelischen und oft auch materiellen Schwierigkeiten auch wenn es dem einen oder der anderen nicht ins gegenüber. Nur wenn es uns gelingt, den Schwange- Konzept paßt. ren Möglichkeiten aufzuzeigen, wie ihnen das Leben mit dem Kind erleichtert wird, wie sie ihre Kinder nach Jeder in diesem Hause muß es mit seinem Gewissen ihren Vorstellungen fördern und erziehen können, vereinbaren, inwieweit er bereit ist, ein verfassungs- wie sie Familie und Beruf miteinander in Einklang rechtliches Wagnis in bezug auf das höchste Rechts- bringen können und wie sie Unterstützung, Beratung gut, das Leben, einzugehen. Jeder wird sich aber auch und Hilfe in Lebenssituationen erfahren, die sie aus der Folgen seiner Entscheidungen für das künftige eigener Kraft nicht bewältigen können, nur dann Verhältnis der Gesellschaft zum Leben, auch zum besteht die Aussicht, daß auch viele ungewollt ungeborenen Leben, bewußt sein müssen. schwanger gewordene Frauen ein Leben mit dem Deutscher Bundestag 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8227

Irmgard Karwatzki Kind als eine lebenswerte und positive Perspektive Gespräch hinaus weitere Ermittlungen anzustellen, begreifen und sie ja zum Leben sagen. wie man uns unterstellen möchte. Es wird von ihm insoweit nicht mehr als eine vertretbare ärztliche Der Gesetzentwurf der CDU/CSU setzt deshalb die Entscheidung gefordert. Schwerpunkte auf Beratung und soziale Hilfen für schwangere Frauen und ihre Familien. Kolleginnen Ich fasse zusammen. Leben ist prinzipiell nicht und Kollegen, die nach mir reden, werden dazu verfügbar. Daher darf es nicht unter den Vorbehalt differenziert Stellung nehmen. einer bestimmten Frist gestellt werden. Ethisch ver- tretbar kann ein Schwangerschaftsabbruch nur bei Hingegen können soziale Hilfen die Rolle des Vorliegen einer schweren Not- und Konfliktlage sein. Strafrechts jedoch nicht ersetzen. Strafrecht schafft Von diesem Grundgedanken ausgehend, stellt der Rechtsbewußtsein. CDU/CSU-Gesetzentwurf einen Kompromiß zwi- (Widerspruch bei der SPD) schen politischem Realismus und christlichem Men- schenbild dar, der den grundsätzlichen Wertemaßstab Mit diesem Argument, meine Damen und Herren, unberührt läßt. werden auch in anderen Bereichen Strafrechtsrefor- men gefordert. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ (Erneuter Widerspruch bei der SPD CSU sowie Beifall bei Abgeordneten der Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Sagen F.D.P.) Sie es noch einmal!) Ich verstehe jetzt die Aufregung auf der linken Seite Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht des Saales nicht. Wenn ich jetzt meinen Satz zu Ende Frau Inge Wettig-Danielmeier. führe, dann müßten Sie mir zustimmen. Mit diesem Argument werden auch in anderen Inge Wettig-Danielmeier (SPD): Frau Präsidentin! Bereichen Strafrechtsreformen gefordert — etwa die Meine Damen und Herren! Am 26. September 1991 Aufnahme der Vergewaltigung in der Ehe in das habe ich hier den Gesetzentwurf der SPD eingebracht. Strafgesetzbuch. Schafft es dort Rechtsbewußtsein Ich habe von dem damals Gesagten keine Abstriche und hier nicht? Das kann doch nicht sein. zu machen. Ich bin nach wie vor zutiefst überzeugt, (Beifall bei der CDU/CSU) daß diesem schwersten Konflikt einer Frau nur eine Regelung angemessen ist, die davon ausgeht, daß nur Im CDU/CSU-Gesetzentwurf kommt die grundsätz- sie im Schwangerschaftskonflikt allein entscheiden liche Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs kann und auch entscheiden muß. klar zum Ausdruck. Auf das Strafrecht als Mittel zur rechtlichen Bewertung menschlichen Handelns als (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Recht oder Unrecht kann nicht verzichtet werden. der F.D.P. und der PDS/Linke Liste) Wie Albin Eser, Professor für Strafrecht, in der (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) Anhörung zur Reform des § 218 gehen wir von drei Das Absehen von Strafe in gesetzlich umrissenen Aspekten aus: der „singulären Symbiose zwischen Ausnahmefällen bedeutet keine Billigung der Abtrei- Mutter und Kind, die im Falle einer unerwünschten bung. Es zeigt vielmehr, daß der Schwangerschafts- Schwangerschaft zum unausweichlichen Konflikt abbruch in bestimmten Not- und Konfliktsituationen wird"; dem „Unvermögen jedes Dritten (auch des durchaus zulässig sein kann, in denen die Entschei- Vaters), diesen zutiefst persönlichen Konflikt der dung zum Abbruch einer Schwangerschaft den Rang Schwangeren bis in seine letzten Gründe nachzuvoll- einer achtenswerten Gewissensentscheidung der ziehen und stellvertretend richtig zu entscheiden, Frau hat. sowie" der „Erwartung, die Schwangere noch am Mit der verbesserten Indikationsregelung wird die ehesten dadurch von einem übereilten Abbruch subjektive Seite des Schwangerschaftskonflikts stär- abhalten" zu können, daß wir ihr die „Respektierung ker als im geltenden Recht berücksichtigt. Im Mittel- ihrer Letztentscheidung" zusichern „und sie sich punkt steht die psychosoziale Notlagenindikation, die demgemäß auch auf eine umfassende Erörterung neben die medizinische Indikation tritt und die bishe- ihrer Konfliktlage samt etwaigen Alternativen einlas- rige kindliche und kriminologische Indikation um- sen kann, ohne im Falle eines Abbruchs vor einer faßt. nachträglichen richterlichen Überprüfung und Ver- wertung Angst haben zu müssen". Wir wissen alle um die Schwierigkeiten, Kriterien (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten für die Beschreibung von Notlagen zu finden. Wir der F.D.P. und der PDS/Linke Liste) stehen vor dem drückenden Problem, daß ein Schwangerschaftskonflikt regelmäßig primär indivi- Anders als Eser sind wir der Meinung, daß am duellen Ursprungs und von daher höchst subjektiver ehesten die ganz und gar freiwillige Beratung dem Beurteilung unterliegt. Das, was die eine Frau als Ziel der ernsthaften Abwägung, der Öffnung der Frau unzumutbare Belastung empfindet, kann bei einer und damit letztlich auch dem Schutz werdenden anderen eine völlig andere Bewertung erfahren. Lebens dient. Das belegen viele Untersuchungen. Unser Gesetzentwurf trägt dieser Problematik Rech- Ich billige anderen Auffassungen zu, daß wir letzte nung. Die persönliche Einschätzung der Frau über Sicherheit über die Richtigkeit unseres Handelns in ihre Notlage erhält besonderes Gewicht dadurch, daß dieser schwierigen Frage der Beratung nie haben der Arzt die Indikation nach Darlegung der Schwan- können. Anders als manche Experten sind wir nach geren stellt. Er ist nicht gehalten, über sein ärztliches wie vor der tiefen Überzeugung, daß Strafandrohung 8228 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode— 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Inge Wettig-Danielmeier für die Frau in einer Not- und Konfliktsituation absolut Wir resignieren nicht, weil unser Entwurf heute sinnlos ist. nicht durchsetzbar ist. Uns stellt sich vielmehr die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Frage: Was ist erreichbar? Was kann durchgesetzt der F.D.P.) werden? Wir schätzen den Wert werdenden Lebens nicht Wir haben uns als Sozialdemokratinnen und Sozial- deshalb gering, weil wir an die allererste Stelle zu demokraten nicht seit Gustav Radbruch, seit 1920, für seinem Schutz die Veränderungen dieser Gesellschaft eine die Würde der Frau wahrende Regelung dieser setzen; denn nur, wenn die Frau endlich gleich ist, schwierigen Frage eingesetzt, um uns jetzt in einen gleiche Rechte und Pflichten hat, darauf vertrauen Minderheitenbunker zurückzuziehen. kann, daß ihr Leben nicht jeden Tag durch Partner und (Beifall bei der SPD) Kinder zur Disposition steht, kann sie sich mit reiner Wir wollen endlich einen Schritt vorwärtskommen: für Freude und voller innerer Zustimmung für Kinder die Frauen und für den Schutz werdenden Lebens. entscheiden. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS/Linke Liste) Mich haben die Protokolle des Reichstags aus den 20er Jahren erschüttert: dieselben Fragen, dieselben In unserer Gesellschaft bedeuten Kinder immer Probleme — immer noch nicht gelöst: keine Kinder- noch Last, vor allem für die Frau. Keinem Mann wird gartenplätze, keine soziale Sicherheit für Alleinerzie- zugemutet, von heute auf morgen sein Leben grund-- hende, Strafandrohung, wo Hilfe vonnöten wäre. legend zu verändern und Jahre auf sein Leben zu verzichten. (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Widerspruch bei der CDU/CSU — Wolf (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Wider- gang Zöller [CDU/CSU]: Wo leben Sie spruch bei der CDU/CSU) denn?) Nur einige wenige Väter tun das inzwischen. Damals gab es 500 000 bis 800 000 Abtreibungen pro (Unruhe bei der CDU/CSU) Jahr — trotz schärfster Strafen, Gefängnis und Zucht- haus. Dennoch werden sie, wenn es gut geht, bestaunt, meistens aber leider belächelt. Das Strafrecht hat ausgedient, meine Damen und Herren! Diese grundlegenden Voraussetzungen für das Ja zum Kind sind im Ausschuß und in der Öffentlichkeit (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und allenfalls am Rande diskutiert worden. Die Köpfe und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herzen der meisten Mitstreiterinnen und Mitstreiter Wir müssen endlich die gemeinsamen Ziele unserer hat die Frage kaum erreicht. Demokratie mit menschenwürdigen Mitteln errei- Wohl ist ein erfreulicher Konsens über die Notwen- chen. digkeit sozialer Hilfen über Parteigrenzen hinweg (Beifall bei Abgeordneten der SPD) erzielt worden. Aber welch unsägliches Frauenbild und Frauenschicksal der Notwendigkeit von Unter- Wir wollen den Schutz werdenden Lebens. Deshalb ist haltsvorschußkassen zugrunde liegt, darüber wurde für uns das Recht auf Kindergartenplatz, ist der vorsichtshalber nicht diskutiert. Ausbau der Kinderbetreuung von der Krippe bis zur Ganztagsschule von elementarer Bedeutung. (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste) (Beifall bei der SPD) Wir Sozialdemokraten würden den § 218 gern end- Nur wenn die Frau weiß, sie kann, wenn auch mit Schwierigkeiten und persönlichen Einschränkungen, lich streichen und durch ein Familien - und Schwan- gerenhilferecht ersetzen, das deutlich macht, daß Beruf und Familie vereinbaren, kann sich und ihre Strafe kein Mittel sein darf, um werdendes Leben in Kinder ernähren, nehmen wir ihr oft unüberwindbare diesem Konflikt zu schützen, Konflikte. Denn jede kluge Frau weiß: Auf den Vater kann sie sich nicht verlassen, ob verheiratet oder (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der ledig. PDS/Linke Liste) (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD — sondern daß wir es mit Hilfen ernst meinen, mit einer Widerspruch bei der CDU/CSU) frauen - und kinderfreundlichen Gesellschaft. Ein Drittel bis 40 % der Ehen werden geschieden, (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten Unterhaltzahlungen von Männern ermüdend bestrit- der F.D.P.) ten und dann nicht geleistet. Das ist die Wahrheit! Unser Entwurf ist in diesem Bundestag nicht mehr- (Unruhe bei der CDU/CSU) heitsfähig. Wir wollten ihn um der klaren Alternative willen zurückziehen. Inzwischen hat die PDS ange- kündigt, sie wolle darüber im Zweifel als über einen von ihr neu eingebrachten Antrag abstimmen lassen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Wettig, viel- Ich denke, unter diesen Umständen ist es sinnvoller, leicht warten Sie einen Augenblick, bis sich die über den Ursprungsantrag in unserer Fassung abzu- provozierten Väter wieder beruhigt haben. stimmen. (Heiterkeit bei der SPD, der PDS/Linke Liste (Beifall bei der PDS/Linke Liste) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8229

Inge Wettig-Danielmeier (SPD): Wir müssen die braucht keine Almosen. Sie muß wissen, was ihr Chancen der Frauen im Beruf verbessern, ihr Rück- zusteht. ' kehrrecht ermöglichen. Wir müssen den Unterhalt Alleinerziehender so weit wie möglich unabhängig (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste von der Familie sichern. Deshalb legt der Gruppenan- sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) trag fest, daß der Rückgriff der Sozialämter auf Eltern Ich freue mich, daß sich alle Parteien einig sind, daß und gegebenenfalls ältere Kinder — — entscheidende Fortschritte, z. B. in der Kindergarten- (Anhaltende Unruhe) frage, erreicht werden müssen. Als etwas makaber empfinde ich den Streit um die Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wir sollten uns trotz Höhe der sozialen Leistungen im Mehrheitsantrag der aller Erregung bemühen zuzuhören. Der heutige Tag CDU/CSU und im Gruppenantrag. Erst gibt es eine erfordert das in besonderer Weise. Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und F.D.P. über die Höhe der möglichen Ausgaben. Dann (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste versucht uns die F.D.P. mit großer Mühe auf die in der sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Koalitionsvereinbarung getroffene Kostenbegren- F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- zung herunterzuhandeln. Danach erklärt der Finanz- NEN) minister, er habe überhaupt kein Geld. Kurz darauf legt die CDU/CSU noch einmal anständig drauf, um mögliche Abweichler von der CDU/CSU-Linie einzu- Inge Wettig-Danielmeier (SPD): Ich würde mich fangen. auch freuen, wenn ich eine bessere Lage schildern könnte. Die Statistiken beweisen leider das, was ich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sage. der F.D.P.) (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ Sie wissen doch genau, daß die meisten Kosten bei CSU) den Ländern anfallen. Aber Sie sagen kein Wort, ob Deshalb legt der Gruppenantrag fest, daß der Rück- und wie die Kosten zwischen Bund und Ländern griff der Sozialämter auf Eltern und gegebenenfalls aufgeteilt werden. Der Gruppenantrag macht deut- ältere Kinder von Hilfeempfängerinnen, die schwan- lich, daß insbesondere die zusätzlichen Kosten der ger sind oder unter sechs Jahre alte Kinder betreuen, Kinderbetreuung zwischen Gemeinden, Ländern und entfällt. Das hilft, viele Familienkonflikte gar nicht erst Bund über den Länderfinanzausgleich oder auf entstehen zu lassen. andere Weise neu aufgeteilt werden müssen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Das Spiel ist zu durchsichtig. Sie versprechen etwas, F.D.P.) von dem Sie wissen: Sie müssen es nie einlösen. Denn Sie wissen ja auch, daß die Frauen meist selber Selbstverständlich werden Sie im Bundesrat keine nicht das wollen, wozu sie sich dann durch die Mehrheit finden — wegen der Kosten und vor allem Umstände gezwungen sehen. deshalb, weil Sie eine Regelung des Schwanger- Ich will die sozialen Leistungen und Verbesserun- schaftskonflikts anbieten, die keinen Deut besser ist gen nicht im einzelnen aufführen. als der gegenwärtige § 218. (Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: Die stam- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten men ja auch von der CDU, von sonst nieman- der PDS/Linke Liste) dem!) Spätestens seit Memmingen und der Entscheidung Aber von besonderer Bedeutung — auch aus den des Bundesgerichtshofs ist aber klar, daß solche Rege- Erfahrungen anderer Länder heraus — ist für uns der lungen Ärzten, Ärztinnen und betroffenen Frauen Ausbau der Beratung, Sexualaufklärung und Verhü- eine Rechtsunsicherheit aufbürden, die den Abtrei- tung. Wir bedauern, daß wir Verhütungsmittel nur für bungstourismus verstärkt. Die Länder werden dem Frauen und Männer bis zum vollendeten 20. Lebens- nicht zustimmen können. Wenn der Bundestag mit jahr frei zur Verfügung stellen können, aus Kosten- Mehrheit dem Gesetzentwurf der CDU/CSU zu- gründen. Wir müssen das als ersten Schritt sehen und stimmte, gäbe es keine Reform; das wissen Sie so gut weiter ausbauen. Die Verhütung ist immer noch die wie wir. beste Vermeidung von Schwangerschaftskonflikten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wir haben den Gruppenantrag ausgehandelt und der F.D.P.) stimmen ihm zu, weil er mit Hilfe realisierbarer sozialer Leistungen Konflikte abbauen hilft und so Das zeigt die vergleichsweise geringe Zahl von werdendes Leben schützt Schwangerschaftsabbrüchen in Holl and trotz weitge- hender Eigenverantwortung der Frau. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Lassen Sie mich noch ein Wort zu den sozialen der F.D.P.) Leistungen für Mütter und Kinder sagen. Der Grup- und weil er, anders als der alte § 218, die Würde und penantrag stellt vorrangig auf Rechtsansprüche ab, Eigenverantwortung der Frau achtet. die klar umrissen und einplanbar sind. Die Union schlägt zu viele Kann-Leistungen vor; die Stiftung Wir wollen die Lüge aus der Entscheidung heraus- „Mutter und Kind" ist ein Beispiel. Das ist für eine bringen. Frau im Konflikt nicht handfest genug. Die Frau (Beifall bei der SPD) 8230 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Inge Wettig-Danielmeier Auch wir gehen davon aus, daß sich eine Frau nur in hinaus; aber es wird keinen Bestand haben. Die einem für sie schweren Konflikt für einen Schwanger- Verfassungsklage dagegen ist bereits angekündigt. schaftsabbruch entscheidet. Aber wir wissen, daß Selbst wenn das Gesetz an sich verfassungsrechtlich Menschen unterschiedlich belastbar sind. Eine Not- nicht zu beanstanden wäre, so wäre doch zweierlei lage kann von außen nicht objektiv beurteilt werden. Recht ohne plausiblen Grund in einem Land nicht Physische und psychische Belastbarkeit kann auch ein hinnehmbar. So kann die Lösung der ehemaligen einfühlsamer Arzt, eine erfahrene Ärztin nicht einfach DDR dauerhaft nicht verfassungskonform sein. erkennen und abschätzen. Wenn man bedenkt, daß es aus verfassungsrechtli- Nicht von ungefähr haben sich insbesondere Ärzte chen Gründen nur eine Alternative gibt, nämlich die dagegen gewehrt, die Entscheidung aufgebürdet zu alte bundesrepublikanische Regelung mit Memmin- bekommen. Die Indikation einer psychosozialen gen und all den Demütigungen für Frauen an der Notlage durch Dritte kann der Schwangeren die holländischen Grenze und anderswo, dann müßte Gewissensentscheidung nicht abnehmen. Wohl aber auch für die Abgeordneten der neuen Länder die kann die Notwendigkeit, den Arzt von der Notlage Entscheidung zugunsten des Gruppenantrags fal- zum Zwecke der Indikationsstellung überzeugen zu len. müssen, die Würde der Frau verletzen und den Weg zu (Beifall bei der SPD) einer eigenen Gewissensentscheidung verstellen. Tatsächlich stimmen wir heute im Bundestag nur Wenn Frau Merkel zur Verbesserung des Unions- über die Alternative „Gruppenantrag oder alter entwurfs immer wieder fordert, die Dokumentations- § 218" ab. Nur der Gruppenantrag bietet eine pflicht bei der Indikationsstellung zu streichen, dann Reformchance. Die Möglichkeit, sich urn des besseren bedeutet das in der Sache überhaupt nichts. Es bleibt, Gewissens willen zurückzulehnen und andere die wie sie selbst sagt, bei der standesrechtlichen Pflicht Arbeit machen zu lassen, die gibt es nicht. Wer dem der ärztlichen Dokumentation, und es bleibt bei der Gruppenantrag letztlich nicht zustimmt, stimmt für gerichtlichen Nachprüfbarkeit des Vorgangs. den alten § 218 in der ganzen Republik. (Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: Das ist bei (Beifall bei der SPD) Ihrem Antrag auch so!) Eine nordrhein-westfälische Zeitung hat gestern Der Wegfall des Beweismittels bei gleichzeitigem unsere Entscheidung von heute kommentiert: Am Zwang zur Beweisführung ist unlogisch und streut Ende bleibt doch nur die Frage „Fristen- oder Indika- Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen. tionslösung?". (Beifall bei der SPD) Ich muß dem widersprechen: Es geht in allen Gesetzentwürfen um Der Gruppenantrag Die Frau und insbesondere Arzt und Ärztin stehen Fristen. ebenso wie der Unionsantrag gehen davon aus, daß es immer mit einem Bein im Gefängnis, je nach Bundes- im unversöhnlichen Konflikt zwischen dem Persön- land, Richter, Richterin oder Plausibilität der doku- lichkeitsrecht der Frau und dem Schutz werdenden mentierten Indikationsstellung. Lebens keinen Kompromiß in der Sache, sondern nur Uns Sozialdemokratinnen macht die verpflichtende in der Zeit geben kann. Für einen begrenzten Zeit- Beratung des Gruppenantrags zu schaffen. Natürlich raum von drei Monaten kann der Konflikt zugunsten wollen wir das Recht auf Beratung und ein vernünfti- der Frau entschieden werden. Die Frage ist: Wer ges, umfassendes Beratungs angebot. Aber wir hätten entscheidet den Konflikt? uns von einer freiwilligen Beratung letztlich für den Der Gruppenantrag geht davon aus, daß Dritte raten Schutz werdenden Lebens und der Würde der Frau und helfen können, daß aber nur die Frau allein mehr versprochen. entscheiden kann und nach ihrem Gewissen entschei- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) den muß. Wir begrüßen, daß es trotz der Pflicht zur Beratung Der Unionsantrag beläßt die Entscheidung bei Drit- dennoch keine Pflicht gibt, die persönlichen Konflikte ten. Es geht nicht um Fristen und Indikationen; das im einzelnen darzustellen, wohl aber die Möglichkeit sind technische Begriffe. dazu. Damit wird, so hoffen wir, zu Ehrlichkeit, zu (Widerspruch des Abg. Dr. Wolfg ang Bötsch freier Gewissensentscheidung und zur Hilfe für die [CDU/CSU]) Frau beigetragen. Es geht um die Würde der Frau. Ich weiß, daß insbesondere viele Abgeordnete aus (Zuruf von der CDU/CSU: Um den Schutz des den neuen Ländern Fragen und Befürchtungen Lebens!) haben, daß sich nunmehr die Lage für sie verschlech- tere. Ich denke: Wenn der Gruppenantrag Gesetz Darüber entscheiden wir heute. wird, gibt es für m anche auch schwierige Änderun- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gen. Aber es bleibt die eigenverantwortliche Ent- der F.D.P. und der PDS/Linke Liste) scheidung der Frau in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft. Es würde sich das Beratungsange- bot verbessern, und es müßte in Zukunft auch die Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht Möglichkeit des ambulanten Schwangerschaftsab- Uta Würfel. bruchs zugelassen werden; Krankenhausaufenthalte könnten entfallen. Uta Würfel (F.D.P.): Frau Präsidentin! Verehrte Wenn es zu keiner gemeinsamen Regelung kommt, Kollegen und Kolleginnen! Herr Dr. Schäuble, ich gilt das alte Recht der neuen Lander zwar über 1993 möchte mit Ihnen beginnen. Vor wenigen Tagen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8231

Uta Würfel betonten Sie auf dem deutschen Katholikentag, daß noch nicht einmal ein Konto eröffnen konnte. Erst alle Abgeordneten vom Schutz des ungeborenen 1977 wurde durch das Eherechtsreformgesetz festge- Lebens überzeugt seien. Diese Bemerkung hat gutge- legt, daß sich Ehemann und Ehefrau im gegenseitigen tan. Einvernehmen sowohl die Berufsausübung als auch die Haushaltspflichten teilen konnten. (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe Ihnen diesen kleinen Rückblick geboten, weil ich jetzt zu einer Resolution komme, die ein Jahr Wir Mitglieder im Sonderausschuß, die wir uns nun später vom Diakonischen Werk der Evangelischen monatelang mit diesem schwierigsten aller Themen Kirche Württembergs auf den Weg gebracht wurde beschäftigt haben, haben wirklich vorurteilsfrei die und in der folgendes steht: Argumente des jeweils anders Denkenden abgewo- gen, und wir haben miteinander um den besten Weg Die Reformation hat die individuelle Gewissens- zum Schutz des ungeborenen Lebens gerungen. Zu entscheidung aufgewertet, und ihr gegenüber keinem Zeitpunkt ist es einem von uns eingefallen, bedeutet es einen ethischen Rückschritt, Frauen dem anderen verantwortungsloses oder unethisches die eigenverantwortliche Entscheidung im Handeln vorzuwerfen. Schwangerschaftskonfliktfall absprechen zu wol- len und ihnen zu mißtrauen. Natürlich ist jede Abgeordnete und jeder Abgeord- nete durch dieses Thema und durch die monatelange (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei Beschäftigung geprägt worden. Manche Begleiter- Abgeordneten der CDU/CSU, der PDS/ scheinungen, z. B. die heftigen Reaktionen auf unsere Linke Liste und des BÜNDNISSES 90/DIE Vorstellungen, aber auch die konstruktiven Stellung- GRÜNEN) nahmen — vielleicht ebenso die kränkenden —, Es heißt darin weiter, dieses Mißtrauen erkläre sich haben uns doch gezeigt, daß das Thema „ungewollte nur aus der jahrtausendealten Diffamierung der Frau Schwangerschaften, Schwangerschaftsabbruch" an als verführbar, sündig und schwach, und es sei an der die Grundfesten der menschlichen Überzeugung Zeit, daß die Kirche die Frauen nicht länger als rührt und sehr viel mit Erziehung und Lebenseinstel- sündiges Geschlecht schlechthin betrachte, dem man lung hierzu zu tun hat, und daß ein hohes Maß an mißtrauen müsse und gegen welches m an das wer- unterschiedlichen Gefühlen ausgelöst wird. dende Leben durch Bestrafung und Verurteilung Wir haben gelernt, daß man von dem Vorurteil und meine schützen zu müssen. der Vorverurteilung nur wegkommt, wenn man die (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) Zuhörerinnen und Zuhörer bei Podiumsdiskussionen dazu bringt, sich selber die Frage zu stellen: Was Dort heißt es weiter: hättest du denn getan, wenn du ungewollt gezeugt Den Frauen soll die Würde der Person dadurch hättest? Oder: Wie hättest du reagiert, wenn deine zugestanden werden, daß man ihnen im Schwan- Tochter mit 14 ungewollt schwanger geworden wäre? gerschaftskonfliktfall die eigenverantwortliche Oder: Wie hätten Sie reagiert oder wie würden Sie Gewissensentscheidung zutraut. reagieren, wenn Sie in nächster Zeit ungewollt schwanger werden würden? (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) Wir haben auch gelernt, daß es in Ostdeutschland Das ist jetzt ein Vierteljahrhundert her. Heute eine andere Sicht der Dinge gibt, daß dort dieser stehen selbstverständlich nicht nur sieben Gesetzent- gesamte Problemkreis offenbar durch die Rolle der würfe auf dem Prüfstand, sondern es geht auch um Frau in der Gesellschaft bestimmt wird, und daß es Denkmodelle, es geht — fast möchte ich sagen — um einen eklatanten Zusammenhang zwischen dem Weltanschauungen, es geht dabei auch um Geistes- Umgang mit der Sexualität und der Art und Weise haltungen. Das hat tatsächlich sehr viel mit der gibt, wie mit Frauen in der Gesellschaft, mit ihrer Auffassung über die Wertigkeit und die Würde der Wertigkeit und ihrer Würde umgegangen wird. Frau und auch mit ihren Pflichten und ihren Rechten zu tun. Wir haben gemerkt, daß die Frauen im Osten nach Man muß sich schon die Frage stellen: Warum tun 1945 eine andere Entwicklung genommen haben: Sie sind selbständiger, sie sind eigenständiger, sie han- sich heute immer noch so viele Menschen — es sind deln auch unabhängiger. Ich denke, es ist an der Zeit, nicht nur Männer, sondern es sind auch Frauen — daß wir ihnen diese Unabhängigkeit und Eigenstän- schwer, in der Frau einen ebenso verantwortlich handelnden Menschen zu sehen wie im Manne auch? digkeit bewahren. Ich denke, es kann auch nicht schaden, sich zu (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ vergegenwärtigen, daß dies eine Entwicklung war, Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die im Grunde genommen auf einer zweitausendjäh- NEN sowie bei Abgeordneten der CDU/ rigen Geschichte beruht. CSU) Erinnern wir uns doch einmal, daß 300 Jahre nach Die Ursache dafür, daß die Frauen dort eine andere Christi Geburt bei dem Konzil von Macon eine Reihe Entwicklung genommen haben, könnte sein, daß die von Bischöfen mehrere Tage darüber beriet, ob die Männer ihnen einfach mehr zutrauen. Bei uns war es Frau ein Mensch sei, und daß jahrhundertelang bei bis 1958 so, daß ein Ehemann der Ehefrau gegen ihren einer Vergewaltigung eines verlobten Mädchens Willen das Arbeitsverhältnis kündigen konnte, daß nicht etwa der Täter, sondern das Opfer gesteinigt bei Ehescheidung das von der Ehefrau in die Ehe wurde. Überlegen Sie doch bitte einmal, was heute in gebrachte Vermögen an den Ehemann fiel und daß sie manchen Gerichtssälen der Fall ist, wenn nachgefragt 8232 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Uta Würfel wird, ob sich die vergewaltigte Frau auch entspre- Diese einzigartige Symbiose zwischen Mutter und chend heftig genug gewehrt habe. Es hat alles irgend- Kind wird im Falle einer unerwünschten Schwanger- wie doch Tradition. schaft zu einem immensen Konflikt mit großer Trag- weite, dessen Ausmaß und Schwere nur die Frau (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ selbst beurteilen kann. Diese Notlage, diese Konflikt- Linke Liste sowie der Abg. Ch ristina Schenk lage, ist nur von ihr selbst voll erfaßbar und nicht von [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dritten stellvertretend abwägbar. Wenn Thomas von Aquin, der bedeutendste Kirchen- (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der theoretiker seiner Zeit, sagen konnte — und wenn PDS/Linke Liste) diese Meinung sehr lange anhielt —, daß die Frau ein unvollkommenes Lebewesen und nur zur Arterhal- Professor Eser, der Sachverständige, sagt: tung nötig sei und daß die Sexualität ausschließlich Ob die Konfliktlage, ob die Notlage einen dem Zwecke der Zeugung zu dienen habe, Abbruch rechtfertigt, kann weder hinreichend (Unruhe bei der CDU/CSU) von Dritten bestimmt noch von Dritten wahrhaft objektiv beurteilt werden. dann wundert es natürlich nicht, wenn der Naturwis- senschaftler Möbius 1901 unwidersprochen behaup- Die Freien Demokraten und ebenso die Initiatoren des ten konnte, daß die Frau auf Grund ihres geringeren Gruppenantrags schließen sich dieser Auffassung Gehirngewichts zum Schwachsinn neige, und Scho- an. penhauer zu der Auffassung kam, daß eine Frau ihre Unser Ziel ist es, Leben zu schützen. Deshalb wollen Gebärfähigkeit verliere, wenn sie sich gesellschaftlich wir versuchen, durch Respektierung der Verantwort- engagiere. lichkeit der Frau deren Entscheidungsfindung auf (Widerspruch bei der CDU/CSU) bessere Art und Weise zu unterstützen, ja, vielleicht zu aktivieren, als das durch die Angst vor Strafe, vor — Meine Herren, ich weiß, daß Ihnen das vielleicht strafgerichtlicher Überprüfung und Verfolgung bisher nicht so ganz gefällt, aber es muß sein. möglich war. (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der Abgeordneten der PDS/Linke Liste und der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der Abg. Christina Schenk [BÜNDNIS 90/DIE CDU/CSU) GRÜNEN]) Wir wollen Hilfe statt Strafe! Inzwischen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wis- sen wir es nämlich besser. Wir sind im Jahre 1992. Meine Damen und Herren, wir nehmen das unge- borene Leben als ein eigenständiges und vorrangiges (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Rechtsgut ernst. Wir wollen es schützen, zusammen Abg. Dr. Gregor Gysi [PDS/Linke Liste]) mit der Frau, nicht gegen sie. Deshalb ist der Dreh- Weder benötigt man wie Nietzsche die Peitsche, wenn und Angelpunkt des F.D.P.-Gesetzentwurfs und man zum Weibe geht, noch sind Frauen unvollkom- ebenso des Antrags der Initiatoren des Gruppenan- mene Lebewesen und nötig nur zur Arterhaltung. trags die Beratung. Unser Denkansatz ist die Bera- Frauen handeln verantwortungsbewußt. Sie sind in tung, denn wir glauben, daß ungewollt schwangere der Lage, nach einer umfassenden Beratung, nach Frauen am ehesten von einem Schwangerschaftsab- sorgfältiger Reflektierung ihrer persönlichen Lebens- bruch absehen und unter Umständen zu einer alter- situation und nach dem Einhalten einer Bedenkzeit im nativen Entscheidung kommen, wenn ihnen eine gute Schwangerschaftskonfliktfall eine eigenverantwort- Beratung gewährt wird und ihnen massive Hilfen liche Entscheidung zu treffen. angeboten werden, unter denen sie sich überhaupt ein Leben als Mutter mit einem Kind vorstellen (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei können. Abgeordneten der PDS/Linke Liste und des Wir müssen uns doch eingestehen, daß die Perspek- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) tiven für ungewollt schwangere Frauen, wenn sie in Dies wurde in vollem Umfang durch die Sachver- schwierigen Lebensverhältnissen lebten, bislang eher ständigenanhörung bestätigt. Die Beraterinnen haben bescheiden waren, daß die Verunsicherung der dort gesagt: Frauen sind nicht leichtfertig. Frauen Frauen ebenso groß war wie die der Ärzte und daß die handeln nicht leichtsinnig. Verdrängungsmechanismen funktionierten und die ungewollt schwangere Frau in schwierigen Lebens- (Dr. Gregor Gysi [PDS/Linke Liste]: Braucht verhältnissen mehr oder weniger alleine dastand. man überhaupt Sachverständige, um das zu ermitteln? Das ist nicht zu fassen!) Das Denkmodell der Initiatoren des Gruppenan- trags und auch der F.D.P.-Fraktion beruht auf dem Sie wägen im Schwangerschaftskonfliktfall sorgfältig Verständnis — ich sage es noch einmal —, daß eine ab. Ungewollt schwangere Frauen empfinden ihre erwachsene Frau nach einer umfassenden Beratung in Situation als tragisch, als ein tiefes seelisches Trauma, Kenntnis aller Hilfen verantwortungsbewußt han- als einen unausweichlichen Konflikt; denn, meine delt. Damen und Herren, sie wollen doch das in ihnen entstandene Leben schützen und achten und wissen Unser Ziel ist es, ungewollte Schwangerschaften doch sehr wohl, daß sie im Schwangerschaftskonflikt- erst gar nicht entstehen zu lassen und deswegen die fall beim Abbruch unter Umständen Täterin und Aufklärung zu verstärken und Verhütungsmaßnah- Opfer zugleich werden. men vorzusehen. Wir wollen eine andere Sexualkul- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8233

Uta Würfel tur, die durch mehr Verantwortung füreinander und Konfliktlage muß, ob sie des Deutschen mächtig geprägt ist. ist oder nicht — jede zweite Frau, die in Deutschland Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen: In Bayern einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen gab es 1990 587 Kinder nämlich bis zu 15jährige muß, Mädchen, di( schwanger wurden. Und es gab, wenn (Zurufe von der CDU/CSU: Muß?) wir die bis zu 18jährigen nehmen, also die vollendet 13jährigen, 3 419 Mädchen, die ihr Kind austrugen ist eine Ausländerin —, einen fremden Menschen und als Kinder Kinder bekamen. Ich denke, das ist davon überzeugen, wie groß nach ihrer eigenen bezeichnend, und das heißt für uns, daß wir die Vorstellung ihr Elend ist. Der Arzt muß ihr — das ist Aufklärung ganz massiv verstärken müssen. Wort für Wort in Ihrem Gesetzentwurf nachzulesen — grundsätzlich mißtrauen. Er muß nachforschen, und er (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der muß seine eigene Entscheidungsfindung gerichtsfest PDS/Linke Liste) artikulieren und zum Zwecke der Überprüfung durch Ich verstehe eigentlich nicht — aber unter Umständen deutsche Gerichte schriftlich festhalten; denn er muß läßt sich da ja ein Zusammenhang herstellen —, immer damit rechnen — wie in Memmingen gesche- warum sich im CDU/CSU-Gesetzentwurf kein Auf- hen —, daß seiner Beurteilung mißtraut wird, daß das klärungsteil befindet. Gericht zu einer anderen Einschätzung kommt und daß er verurteilt wird. Zur Rechtskonstruktion werden meine Kolleginnen und Kollegen sprechen. Ich kann Ihnen nur eines - Verzeihen Sie mir, wenn ich das in dieser Klarheit sagen: Nach der Rechtskonstruktion des Gruppenan- sage, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie Befür- trags finden Sie dort die Mißbilligung der Tötung worter des CDU/CSU-Gesetzentwurfes sind: Sie ver- ungeborenen Lebens ebenso, wie der Frau massive lagern die Verantwortung der Frau auf den Arzt. Hilfen angeboten werden und die Beratung verpflich- (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der tend ist. PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken gei- CDU/CSU) ßelt unsere Vorstellungen im Gruppenantrag als un- Sie ignorieren damit die Auffassung der Ärzte- ethisch, als unsittlich, als verantwortungslos. Sie schaft. Die Ärzte sagen: Unter den Voraussetzungen, sagen sogar, wir gäben das Leben für einen Zeitraum die Sie in Ihrem Gesetzentwurf festgehalten haben, zu Töten frei. Ich halte es nicht für sehr christlich, stehen wir mit einem Bein im Gefängnis; wir können anderen Menschen solche Auffassungen zu unterstel- unter diesen Voraussetzungen keine Eingriffe vor- len; nehmen. (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ Ihnen muß doch die Folge klar sein: Wenn sich in der Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bundesrepublik keine Ärzte mehr bereitfinden, NEN) Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, werden denn wir haben wirklich um den besten Weg gerun- die Frauen in die Illegalität zurückgetrieben. Was ist gen. Der Gruppenantrag ist das Ergebnis langer, daran ethisch? Was ist daran moralisch? langer, langer Beratungen und auch einzelner Gewis- (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ senserforschungen. Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Frau Wettig hat es bereits deutlich gemacht: Bitte NEN) geben Sie doch der Öffentlichkeit bekannt, daß auch Es gibt noch etwas — ich bitte Sie, jetzt aufmerksam der CDU/CSU - Gesetzentwurf eine Fristenregelung zuzuhören —, was ich für wirklich unethisch halte. Die enthält. Innerhalb einer Frist von zwölf Wochen darf Sachverständigen haben uns im Ausschuß gesagt — nämlich auch bei Ihnen die ungewollt schwangere das kann jeder Mensch nachvollziehen, wenn er nur Frau einen legalen Schwangerschaftsabbruch vor- nachdenkt —, daß Frauen, die die Erlaubnis zum nehmen lassen, wenn sie gewisse Voraussetzungen Schwangerschaftsabbruch durch Überzeugung errei- erfüllt. Der eigentliche Unterschied zwischen Ihrem chen müssen, die unter Umständen mehrere Ärzte und unserem Denkmodell liegt in verschiedenen aufsuchen müssen, bis sie einen überzeugt haben, der Voraussetzungen. Während wir sagen, ein erwachse- die Schwere ihres Konflikts nachvollziehen kann, ner Mensch, die Frau, kann in diesem für sie fürchter- während der Zeit des Erlangens eines Erlaubnis- lichen Konflikt, in dieser Notlage eigenverantwortlich scheins, dieser sogenannten Indikation, überhaupt handeln, sagen Sie: Das kann sie nicht. Verehrte keine alternativen Überlegungen zum Schwanger- Kolleginnen und Kollegen, wir müssen es so deutlich schaftsabbruch anstellen, bis sie diesen Zettel in der sagen: Sie sprechen der Frau in diesem Konflikt die Hand haben, auf dem der Arzt feststellt: Jetzt kann die Befähigung zum eigenverantwortlichen Handeln Schwangerschaft abgebrochen werden. Da Sie ver- ab. langen, daß der den Abbruch vornehmende Arzt (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ derselbe sein muß, der die Indikation ausstellt, über- Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-legt die schwangere Frau bis zu diesem Zeitpunkt NEN sowie bei Abgeordneten der CDU/ nicht, ob alternative Lösungen für sie besser sind, ob CSU) sie austrägt. Das ist der Punkt, der mir bei Ihrer Indikationenregelung am meisten zu denken gibt. Sie sagen: Die Frau kann ihre Notlage nicht selbst und nicht richtig beurteilen. Sie sagen: Das kann nur (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei ein Dritter, das kann nur ein Gynäkologe, und der hat Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. es auch zu sein. Sie sagen: Die Frau in ihrer tiefen Not- Dr. Ulrich Briefs [fraktionslos]) 8234 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Uta Würfel Wenn Sie heute auf die Idee kommen sollten, Ihre den Gestaltungsmöglichkeiten, die Frauen in den Dokumentationspflicht aus Ihrem Gesetzentwurf verschiedenen Bereichen der Gesellschaft haben, und durch einen Änderungsantrag herauszunehmen, eben nicht zuletzt am Recht, über Abbruch oder dann muß ich Ihnen leider auch in aller Deutlichkeit Austragung einer ungewollten Schwangerschaft sagen: Lassen Sie das Werfen dieser Nebelkerze. selbst zu entscheiden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke Solange Sie auf der Indikationsstellung beharren, Liste) solange Sie wollen, daß ein Arzt den Konflikt der Frau In all diesen Punkten, die ich genannt habe, hat das nachvollziehen kann, solange es so ist, daß Sie die westdeutsche System, das nun ein gesamtdeutsches Indikationenregelung juristisch wollen, können und geworden ist bzw. bald werden wird, nicht viel zu müssen deutsche Ge richte nachforschen und ermit- bieten. teln. Da Sie — abweichend von der Meinung des Seit ich in der BRD lebe, Bundesverfassungsgerichts 1975 — nun zwingend vorschreiben, daß es ein und dieselbe Person sein (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie leben muß, die die Erlaubnis gibt und Schwangerschaft wohl nicht gern in der „BRD "?) abbricht, müssen Sie mit viel mehr Ermittlungsverfah- habe ich sehr viel gelernt über das Frauenbild, den ren gegen Ärzte rechnen als nach der geltenden Sexismus, das Patriarchat und auch das Verhältnis Indikationenregelung. Ich wiederhole daher: Sollten zwischen Staat und Kirche in diesem Land, vor allem Sie vorhaben, Ihre Dokumentationspflicht zurückzu- in der hinter uns liegenden Debatte über die Neure- ziehen, dann wird Ihr Gesetz eine Mogelpackung. gelung des Schwangerschaftsabbruchs. Dann könnten Sie gleich dem Gruppenantrag zustim- men; denn der ist ehrlich. Ich möchte jetzt auf den Gruppenantrag der SPD und der F.D.P. sowie einiger Abgeordneter der CDU (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs ein- Abgeordneten der PDS/Linke Liste) gehen, der heute als der chancenreichste gilte und von Der Gruppenantrag ist dadurch ehrlich, daß die dem behauptet wird, er sei ein Fortschritt. Da erschei- Frau die Verantwortung zu übernehmen hat und nen mir doch einige Relativierungen und Klarstellun- übernimmt. Wir hoffen, daß sie zu einer Entscheidung gen angebracht. kommt, mit der sie ein Leben lang leben kann, die für Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Für Frauen, die in sie ein Leben lang trägt. Deshalb ist der Dreh- und einem Land gelebt haben, in dem es 20 Jahre lang ein Angelpunkt die Beratung. Wir haben uns mit diesem Recht für Frauen gegeben hat, ohne fremde Einmi- Gruppenantrag so unendlich viel Mühe gegeben, schung, ohne Strafandrohung und ohne Zwangsbera- damit er auch verfassungskonform ist. Deshalb kann tung über Fortsetzung oder Abbruch einer ungewoll- ich Sie nur noch einmal bitten, uns zu glauben: Wir ten Schwangerschaft zu entscheiden, ist der ausge- wollen das Leben schützen, wir werden das ungebo- handelte Kompromiß eine ungeheure Zumutung. rene Leben schützen. Schwangerschaft, Geburt und das Leben mit Kindern Ich bitte Sie um Ihre Stimme zum Gruppenantrag. bedeuten so gravierende Veränderungen für das (Anhaltender Beifall bei der F.D.P. und der Leben einer Frau, daß sie selbstverständlich die Ent- SPD — Beifall bei Abgeordneten der CDU/ scheidungsfreiheit darüber haben muß, ob sie eine CSU und bei Abgeordneten der PDS/Linke ungewollte Schwangerschaft abbricht oder nicht. Nur Liste sowie des Abgeordneten Dr. Ulrich wenn die Freiheit dieser Entscheidung gegeben ist Briefs [fraktionslos]) und nur wenn sowohl die eine wie die andere Ent- scheidung als gleichwertig akzeptiert wird, kann davon gesprochen werden, daß die Würde der Frau Anerkennung erfährt. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht Christina Schenk. Ich meine, der Entscheidung für den Abbruch einer Schwangerschaft steht grundsätzlich der gleiche Respekt zu wie der Entscheidung für ihre Fortsetzung. Der Zwang zur Fortsetzung einer Schwangerschaft ist (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Christina Schenk ebenso verwerflich wie der Zwang zu ihrem Abbruch. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe Es ist eine absurde Vorstellung, daß ein Schwanger- 38 Jahre in der DDR gelebt, bin jetzt also Neubundes- schaftsabbruch grundsätzlich Unrecht sei und mit bürgerin. Ich muß Ihnen sagen: Die Debatte über die staatlicher Mißbilligung bedacht werden müsse. Die- Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs, wieder ses Denkmuster zeigt, daß die Persönlichkeitsrechte in Gang gekommen durch den Anschluß der DDR an von Frauen hierzulande einen geringen Stellenwert die BRD, hat micht sehr anschaulich darüber belehrt, haben. welchen Stellenwert Frauen in dieser Gesellschaft haben. (Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke Ich meine, der Stellenwert ist an vielem zu messen, Liste) vor allem an der Möglichkeit bzw. an der Unmöglich- Mit dem vorliegenden Gruppenentwurf werden keit zu ökonomisch selbständiger Existenz mittels nunmehr auch ostdeutsche Frauen kriminalisiert; sie eigenständiger qualifizierter Berufstätigkeit, ist zu werden der Bevormundung ausgesetzt und müssen messen an der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und sich zudem noch sagen lassen, „daß die Beratung die Kinderbetreuung, am Ausmaß des Machtgefälles zwi- Schwangere in die Lage versetzen soll, eine verant- schen Männern einerseits und Frauen andererseits, an wortungsbewußte eigene Gewissensentscheidung zu Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8235

Christina Schenk treffen". Das ist an Infamie nicht mehr zu überbieten. ohne den Versuch der Einflußnahme zu akzeptieren? Damit wird unterstellt, Frauen in der DDR hätten, da Die Praxis wird es zeigen. es eine Zwangsberatung dort nicht gab, verantwor- Eine weitere Verschlechterung gegenüber der jet- tungslos gehandelt. zigen Rechtslage in Westdeutschland ist, daß in Für die Ost-Frauen bedeutet der vorliegende Grup- Zukunft nur noch speziell zugelassene Berater bzw. penentwurf also eine gravierende Verschlechterung. Beraterinnen die Beratung vornehmen dürfen und Wer ihn als Fortschritt bezeichnet, ingnoriert, daß es in nicht mehr — wie zur Zeit noch — der Hausarzt oder der DDR in dieser Frage bereits längst eine viel die Ärztin des Vertrauens. Der Deal liegt eindeutig auf bessere Regelung gegeben hat und daß der Gruppen- der Hand: Der Preis für den Wegfall der Indikation ist entwurf ein weiterer Punkt in der langen Reihe die Verschärfung der Zwangsberatung. derjenigen ist, die die ostdeutschen Frauen klar und unbestreitbar zu Verliererinnen der Deutschen Ein- Ich nehme durchaus zur Kenntnis, daß die Zwangs- heit machen. beratung unter den gegebenen politischen Verhält- nissen nicht zu vermeiden war. Die Ausgestaltung (Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke derselben im Kompromißentwurf, im Gruppenent- Liste) wurf geht jedoch entschieden zu weit. Ich meine, hier Auch für die westdeutschen Frauen gibt es keinen hat sich die SPD kräftig über den Tisch ziehen Grund zur Euphorie. Es ist unglaublich und wohl auch lassen. als ein Maß für Demokratiedefizit grundsätzlicher Art Meine Damen und Herren, ich stelle ausdrücklich anzusehen, wenn nach 20 Jahren Kampf gegen die noch einmal fest: Eine Zwangsberatung ist keine Indikationsregelung, gegen den Rechtfertigungs- Bagatelle. Vielerorts gehört ein ganzes Stück Reife, zwang und gegen die Pflicht, sich beraten zu lassen, persönliche Stärke und Lebenserfahrung dazu, um sie den westdeutschen Frauen zwar endlich eine Fristen- schadlos zu überstehen. regelung angeboten wird, d. h. der Begründungs- zwang entfällt und die Frau hat das Recht, innerhalb Ich meine, daß es gerade unter den Bedingungen, einer festgelegten Frist selber zu entscheiden inso- die sich einstellen würden, wenn der Gruppenentwurf fern ist das ein Fortschritt, besonders für die Frauen in Gesetz würde, von besonderer Bedeutung sein wird, den südlichen Landesteilen , gleichzeitig aber die daß es ein plurales Beratungsangebot gibt. Auch in Beratung gegenüber der jetzt in Westdeutschland dieser Hinsicht enttäuscht der Gesetzentwurf. Es sind geltenden Rechtslage verschärft wird. keine zwingenden Vorkehrungen dafür getroffen Es bleibt bei der Zwangsberatung — ein Wider- worden, daß ein plurales Beratungsangebot wirklich spruch in sich, wie auch die Anhörungen ergeben entsteht. Die Angelegenheit bleibt ausschließlich in haben —,— die Frauen in Westdeutschland heute schon Länderkompetenz. So wird es also auch bei dem über sich ergehen lassen müssen, egal, ob frau dies unhaltbaren Zustand bleiben, daß in einigen Ländern will oder nicht, ob sie ein Problem mit der Abtreibung die Zulassung von Beratungsstellen mißliebiger Welt- hat oder nicht, unabhängig davon, ob sie die bera- anschauung unterbunden wird und Beratungsstellen tende Person als solche akzeptiert, und ungeachtet anderer Auffassung, gemessen am Bedarf, überpro- dessen, daß sie ihre Entscheidung in 90 % aller Fälle portional gefördert werden. längst vor der Beratung endgültig getroffen hat. In der Begründung zu § 219 des Gruppenentwurfs, Überdies muß die Beratung nach der neuen Formulie- der die Frage der Beratung regelt, gibt es noch eine rung im Unterschied zur jetzt in Westdeutschland weitere dubiose Passage. Es heißt dort: Die Beratung geltenden Rechtslage dem Lebensschutz dienen. trägt zur Vermeidung künftiger ungewollter Schwan- Bisher durfte sie laut Bundesgesetz neutral sein. Die gerschaften bei. Ich kann nur hoffen, daß sich keine Schwangere mußte nach § 218b Abs. 1 lediglich über Frau darauf verläßt. die Hilfen informiert werden, die die Fortsetzung der (Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke Schwangerschaft erleichtern. Liste) Daß in der Beratung vermeintlich wertfrei aus- Offenbar gibt es immer noch Menschen, die noch schließlich über die physischen und psychischen Risi- nicht zur Kenntnis genommen haben, daß Sexualität ken einer Abtreibung informiert werden soll, nicht grundsätzlich nicht gänzlich rational kontrollierbar aber über die physischen und psychischen Risiken ist, daß also die Vorstellung, ungewollte Schwanger- einer Geburt bzw. der Austragung einer ungewollten schaften könnten dereinst gänzlich vermieden wer- Schwangerschaft, macht deutlich, daß die Verfasser den, realitätsfern und auch absurd ist. und Verfasserinnen des Gruppenentwurfes einer wirklich ausgewogenen Information keinen Raum Abgesehen davon stellt sich an dieser Stelle natür- geben. Das wird zur Folge haben, daß die in einigen lich auch die Frage, wieso nur die Frau und nicht der Landesteilen bereits übliche Indoktrination von Verursacher einer ungewollten Schwangerschaft zur Frauen in Zukunft auch noch per Gesetz sanktioniert Zwangsberatung zitiert wird. Ich denke, ich gehe wird. nicht fehl, wenn ich meine, daß das auch wieder mit Die Beratung dient dem Lebensschutz; so steht es im dem Frauenbild einerseits und dem Männerbild ande- Entwurf. Ich meine, hier entsteht wiederum Rechtsun- rerseits in dieser Gesellschaft zu tun hat. sicherheit. Die Frage ist: Was muß eine Beraterin, ein Noch ein Wort zum Verfassungsgerichtsurteil von Berater tun, um mit der Beratung dem Lebensschutz 1975. Der Logik dieses Urteils zufolge hätten die zu dienen? Hat er bzw. sie überhaupt die Möglichkeit, sozialen Leistungen für Schwangere, die es im Osten den erklärten Willen einer ungewollt schwangeren gab, nicht nur erhalten, sondern auf den Westen Frau, die zur Beratung kommt und den Abbruch will, übertragen werden müssen. Mit dem systematischen 8236 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Christina Schenk Abbau dieser Leistungen bei gleichzeitiger Einfüh- Frauen vor allem durch rechtlich gesicherte Ansprü- rung der §§ 218 und 219 wird genau das Gegenteil von che für Frauen, insbesondere auf Beratung und soziale dem praktiziert, was Regierung und Parteien immer Hilfen, besser gewährleistet, als dies in beiden Teilen tun zu wollen vorgeben. Es wird nicht nach dem Deutschlands" — sprich: Sommer 1990 — „derzeit der Prinzip Hilfe statt Strafe, sondern umgekehrt nach Fall ist" . dem Prinzip Strafe statt Hilfe verfahren. Die unterzeichnenden Seiten des Einigungsvertra- Ich werde dem Gruppenentwurf ebenso wie dem ges gingen also davon aus, daß sich beide bisher Entwurf der CDU/CSU und dem Werner-Entwurf geltenden Regelungen, der § 218 mit seiner Indika- nicht zustimmen, weil das Frauenbild, welches dem tionsregelung und die Fristenregelung der DDR, für Gesetzentwurf zugrunde liegt, zutiefst patriarchalisch das Erreichen dieser Zielsetzung als nicht geeignet ist. Es ist eine Frist vorgesehen, die nicht notwendig erwiesen haben. Soweit es den § 218 anbelangt, ist. Jede Frau hat von sich aus ein elementares stimme ich den Herren Unterzeichnern auch zu. Die Interesse daran, eine ungewollte Schwangerschaft geltende Indikationsregelung hat sich nicht bewährt, zum frühestmöglichen Zeitpunkt abbrechen zu las- hat keinen Schwangerschaftsabbruch verhindert, sen. Es wird eine Zwangsberatung vorgeschrieben, sondern Frauen entwürdigt und kriminalisiert und und diese unterstellt, daß Frauen per se unmündig bietet durch seine von Bundesland zu Bundesland und unwissend seien und, quasi außerhalb der Kultur schwankende Auslegungspraxis keine Rechtssicher- stehend, zu verantwortungsvollem Handeln nicht in heit. der Lage seien. Ich werde nicht zustimmen, weil der (Uta Würfel [F.D.P.]: Leider wahr!) Gruppenentwurf eine drastische Verschlechterung der Situation der ostdeutschen Frauen vorsieht. Die Protokollerklärung zur Unterzeichnung des Einigungsvertrages besagt weitergehend, daß sich Es wird immer wieder argumentiert, die Freigabe beide Vertragsparteien darüber einig waren, daß eine der Abtreibung sei grundgesetzwidrig. Ich meine, das gesetzliche Neuregelung insbesondere folgende Be- Menschenrecht jeder Frau, darüber zu entscheiden, standteile enthalten soll: „einen Rechtsanspruch für ob sie ein Kind will oder nicht, ist im Grundgesetz schwangere Frauen auf Beratung und finanzielle und dreifach verankert, und zwar in Art. 1— Unantastbar- soziale Hilfen, wirksame Rechte und Unterstützung keit der Würde des Menschen —, in Art. 2 — freie für Mütter über die bestehenden sozialen Leistungen Entfaltung der Persönlichkeit — und in Art. 3 hinaus, bei Schwangerschaftskonflikten Wegfall der — Gleichheit vor dem Gesetz —. Strafandrohung bei Schwangerschaftsabbrüchen in Die angebliche Verfassungswidrigkeit der Freigabe den ersten drei Monaten". der Abtreibung beruht auf einem definitorischen Kunstgriff, der die Leibesfrucht der Frau, die unzwei- Diesen Auftrag ernst zu nehmen heißt zwangsläu- felhaft Teil des Körpers der Frau ist, zu einem eigen- fig, sich nicht ausschließlich an der derzeit in den alten ständigen Menschen umdefiniert. Bundesländern geltenden Regelung und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1975 zu (Widerspruch bei der CDU/CSU) orientieren, sondern mindestens ebenfalls, die sozia- Auf der Grundlage dieser Fiktion wird der Fötus zum len Regelungen beider vertragschließender Seiten zu Rechtsgut, der staatlichen Schutz beanspruchen kann. prüfen und für ein einheitliches neues Gesetz bessere Man kann dies so sehen, d. h. diese Auffassung als zur Zeit geltende zu finden. verdient durchaus Respekt wie andere Auffassungen auch. Aber diese Auffassung nun mit dem Etikett der In diesem Parlament scheinen allerdings einige universellen Geltung zu versehen ist totalitär und Politiker zu hoffen, daß zwei Jahre nach dem Anschluß wohl nur vor dem Hintergrund des noch immer großen eh kein Ossi mehr weiß, welche sozialpolitischen Einflusses der christlichen Religion zu verstehen. Regelungen es in der DDR gab, die Frauen eine selbständige ökonomische Existenz auch mit Kindern Ich sehe mich leider am Ende meiner Redezeit sicherten. Sicher ist hier nicht die Zeit, auf alle diese angekommen. Vielleicht ein Satz zum Schluß: Egal, Regelungen einzugehen. Deshalb möchte ich an die- welche Entscheidung der Bundestag heute treffen ser Stelle besonders auf einige besonders drastischen wird, die Frauenbewegung — die in Ost und die in Fehlleistungen — immer in bezug zum Einigungsver- West — wird das nicht hinnehmen. Der § 218 gehört trag — in den heute vorliegenden Entwürfen aufmerk- auf den Müllhaufen der Geschichte, und da wird er sam machen. auch landen. Das ist absolut sicher. (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Den geforderten Rechtsanspruch auf Beratung sowie finanzielle und soziale Hilfen beispielsweise halte ich für dringend erforderlich. Nur hat sich im Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht Falle der Beratung aus dem vorgesehenen Anspruch die Abgeordnete Petra Bläss. eine Pflicht entwickelt. Der als dritter Punkt des Protokolls geforderte Wegfall der Strafandrohung ist in den vorliegenden Gesetzentwürfen genau an diese (PDS/Linke Liste): Frau Präsidentin! Petra Bläss Pflichtberatung gekoppelt. Das scheint mir im strikten Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte findet Widerspruch nicht nur zum Wortlaut, sondern auch zu statt, weil wir als gesamtdeutscher Gesetzgeber einen den Intentionen des Einigungsvertrages zu stehen. konkreten Auftrag durch Art. 31 des Einigungsvertra- ges übertragen bekommen haben. Dieser schreibt uns Nun zu den finanziellen Hilfen. Ich beginne mit vor, „eine Regelung zu treffen, die den Schutz vorge- solchen für Verhütungsmittel. Schließlich wurde und burtlichen Lebens und die verfassungskonforme wird auch in diesem Hause von allen Seiten immer Bewältigung von Konfliktsituationen schwangerer wieder betont, daß die Verhütung die beste Methode Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8237

Petra Bläss sei, Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Die besonderen Kündigungsschutz zu gewähren bzw. hier von verschiedenen Einbringern vorgesehenen Eltern zur Pflege erkrankter Kinder bei Lohnfortzah- Hilfen muten wie ein böser Scherz an, etwa wenn sie lung freizustellen. Statt dessen müssen Mütter beim nur für Frauen und nur bis zum vollendeten 20. Le- Arbeitsamt nach wie vor die gesicherte Be treuung bensjahr gelten. Ich finde es peinlich, daß es sich die ihrer Kinder nachweisen, um als arbeitssuchend zu arme, mißbewirtschaftete DDR leisten konnte, allen gelten und Leistungen beziehen zu können. Umschu- Frauen Verhütungsmittel gratis zur Verfügung zu lungsmaßnahmen durch Unterhaltsgeld und höhere stellen, während die reiche Bundesrepublik nicht Kinderbetreuungssätze zu erleichtern, ist beileibe einmal das schafft, ganz zu schweigen von der verta- kein ausreichendes Konzept. nen Chance, mit einem neuen Gesetz auch für Männer Und was bieten die Gesetzesvorschläge als Ersatz solche Verhütungsmittel kostenlos bereitzustellen. für den weggefallenen DDR-Haushaltstag an? Ein (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Haushaltstag für Frau und Mann wäre eine wirkliche Verbesserung gewesen. Aber davon habe ich nichts Die Möglichkeit, hier zumindest einen ersten Schritt gelesen. nach vorn zu machen, hätten wir übrigens gehabt: mit (Beifall bei der PDS/Linke Liste) der Annahme des bereits im Mai vergangenen Jahres von der PDS/Linke Liste eingebrachten Antrags zur Zurück zur Protokollerklärung zum Einigungsver- kostenlosen Bereitstellung von Schwangerschaftsver- trag: Die Unterzeichnenden fordern bei einer gesetz- hütungsmitteln. lichen Neuregelung des Abtreibungsrechts den Weg- fall der Strafandrohung bei Schwangerschaftsabbrü- Wie sieht es mit den sozialen Hilfen für Frauen mit chen in den ersten drei Monaten. Hier findet sich im Kindern aus? Da wäre zuerst die mit so großer Medi- übrigen die Meinung einer klaren Bevölkerungs- enwirksamkeit angekündigte Festschreibung eines mehrheit in Ost und West wieder. Ich bin der Ansicht, Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz für daß der Gesetzentwurf der PDS/Linke Liste zur Lega- jedes Kind. Nur hat Finanzminister Waigel schon lisierung des Schwangerschaftsabbruchs und zur erklärt, daß er frühestens ab 1998 bereit ist, diesen Sicherung von Mindeststandards für Frauen zum auch zu finanzieren. Es sei nur kurz daran erinnert, Schwangerschaftsabbruch — auch und gerade weil er daß in der DDR nicht nur für jedes Kind ein Rechtsan- noch darüber hinausgeht — dieser Forderung voll und spruch auf einen Kinderkrippen-, Kindergarten- und ganz gerecht wird. Hortplatz bestand, sondern daß es diese Plätze auch tatsächlich gab. Daran muß sich eine Neuregelung Wir fordern durch die ersatzlose Streichung der schon messen lassen. §§ 218, 219 des Strafgesetzbuches und durch die Erweiterung des Art. 2 des Grundgesetzes, in dem die (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Entscheidungsfreiheit von Frauen über Austragen Halbtagsplätze für Kinder ab drei Jahren, wie im oder Abbruch einer Schwangerschaft verfassungs- Westen üblich, fallen bei dieser Meßlatte glatt durch. rechtlich geschützt werden soll, eine grundsätzliche Denn Alleinerziehende z. B. können sich unter diesen Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Bedingungen eine Vollzeitbeschäftigung abschmin- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) ken. Als flankierende Maßnahme schlagen wir ein Seit zwei Jahren werden immer mehr Kinderein- Gesetz vor, das einen Rechtsanspruch für Frauen auf richtungen in den neuen Bundesländern geschlossen. Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft bein- Doch statt diesen Trend zu stoppen und das Netz der haltet und Mindeststandards für Frauen sichert, so daß noch vorhandenen Einrichtungen wieder zu erwei- sie überall in der gesamten BRD die bestmögliche tern, wird in Kauf genommen, daß der Versorgungs- medizinische Versorgung bei Schwangerschaftsab- grad im Osten allmählich den miserablen Stand des brüchen erhalten. Westens erreicht, bis endlich der Rechtsanspruch auch wirklich gelten soll. Ausdrücklich betonen möchte ich, daß wir einen gesetzlich verankerten Ausschluß der Beratungs- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie haben pflicht fordern. Wir sind der Ansicht, daß sich Fremd- wohl große Sehnsucht zurück?) bestimmung vor allem durch eine verpflichtende Beratung — noch dazu mit Beratungsziel — vollzieht, Es bleibt für mich ein absoluter Widersinn, die ein entscheidendes Instrument, Frauen den Abbruch Strafandrohung für die betroffenen Frauen sofort so schwer wie möglich zu machen. nach der Verabschiedung des Gesetzes in Kraft treten zu lassen, die vom Bundesverfassungsgericht und im Zudem sind wir der Auffassung, daß Sexual- und Einigungsvertrag als Voraussetzungen für ein verfas- Verhütungsmittelberatung ebenso wie sämtliche so- sungskonformes Verhalten geforderten sozialen Rah- zial flankierende Maßnahmen für ein Leben mit menbedingungen aber erst Jahre später zu verwirkli- Kindern eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe chen. darstellen und deshalb derartige Regelungen nicht (Beifall bei der PDS/Linke Liste) unmittelbar mit dem Problembereich des Schwanger- schaftsabbruchs zu verknüpfen sind. Wie sieht es nun mit den arbeitsrechtlichen Begleit- maßnahmen aus, die Frauen eine eigenständige Exi- Dies entbindet den Gesetzgeber selbstverständlich stenz auch mit Kindern ermöglichen sollen? Das nicht, gleichzeitig mit einer Neuregelung des vorgeschlagene Hilfsangebot besteht nicht etwa Schwangerschaftsabbruchs für eine ausreichende darin, für Mütter besondere Beschäftigungspro- gesetzliche Absicherung im Sinne einer wahrhaft gramme aufzulegen oder Alleinerziehenden einen kinder- und elternfreundlichen Gesellschaft Verant- 8238 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Petra Bläss wortung zu tragen. Und daran hapert es ja wohl liegt wie kein anderes im Schnittpunkt dieser Fragen. angesichts der heute auf dem Tisch liegenden halb- Einfache Antworten versagen hier. herzigen und zum Teil unverbindlichen Vorschläge allemal. Auch wenn alte Reizwörter von einigen extre- men Beispielen einmal abgesehen — die öffentliche Meine Damen und Herren, angesichts der Tatsache, Debatte nicht mehr so wie 1974 beherrschen, so sind daß seit Monaten nur noch von der Alternative Indi- leider doch irreführende problemkürzende Aktionen kationsregelung oder Fristenregelung mit Beratungs- wie die der SPD zu registrieren. Die SPD-Bundestags- zwang die Rede ist, möchte ich noch einmal darauf fraktion wirbt: „218 ist zuviel, Selbstbestimmung heißt hinweisen, daß wir Abgeordneten innerhalb des heu- das Ziel". Darin zeigt sich, daß es nicht nur — wie tigen Abstimmungsmarathons auch darüber zu ent- immer behauptet wird — um den angemessenen und scheiden haben, ob der frauenfeindliche § 218 ersatz- erfolgversprechenden Weg effektiven Lebensschut- los gestrichen wird oder nicht. Denn natürlich lautet zes geht. Es geht um grundsätzlich andere Bewertun- heute abend die Gretchenfrage: Kann eine Frau gen. endlich über ihren Körper und ihr eigenes Leben selbst bestimmen oder wird sie weiterhin kriminali- Frau Wettig-Danielmeier, gerade in Ihrer Rede ist siert oder bevormundet? Bei dieser Entscheidung dies mit Ihrem Schlußsatz deutlich geworden. Mir hat sollten wir uns durchaus auch einmal vor Augen in Ihrem Schlußsatz das Kind gefehlt. führen, welch unsägliche Tragödie die 121jährige Geschichte des Abtreibungsverbots in Deutschland (Zustimmung bei der CDU/CSU) darstellt. Sie haben von der Würde der Frau gesprochen. Die Lassen Sie mich deshalb mit einem Zitat des Mem- Würde der Frau, ja, aber das Recht des ungeborenen minger Arztes Horst Theissen schließen: Kindes: Wo ist das Kind in Ihrem Schlußsatz geblie- Wenn wir die Geschichte dieses Paragraphen ben? realistisch, d. h. aufrichtig und nüchtern analysie- (Beifall bei der CDU/CSU) ren und resümieren, ergibt sich eine gespensti- sche Chronik von erschütterndem Elend, chroni- Glaubwürdigkeit ist zu Recht Beurteilungsmaßstab schen Unterleibserkrankungen, psychischen und Prüfstein für die politisch Handelnden. Politische Traumata und Todesfällen. Dies alles sind ursäch- Glaubwürdigkeit heißt Übereinstimmung von Wort liche Konsequenzen der Kriminalisierung und und Tat, aber auch Übereinstimmung von Worten und Strafverfolgung der Abtreibung, nicht Folgen der Taten mit den Verfassungsprinzipien, mit dem Verfas- Abtreibung selbst. Überdies ist der Paragraph, sungsauftrag. Unser Grundgesetz enthält nicht nur besonders in der neueren Zeit, zu einem Synonym Individualrechte. Es statuiert auch klare, individuelle geworden für Illegalität und Heimlichtuerei, für und vor allem staatliche Pflichten, insbesondere eine Unmündigkeit, Fremdbestimmung und Bevor- Verpflichtung zur Sicherung der Grundrechte aller — mundung, für Diskriminierung, Willkür und zum Schutz der Schwächeren gegen die Stärkeren. Bestrafung. Der Abtreibungsparagraph ist für Es geht in der heutigen Debatte nicht, wie von unsere Gesellschaft ein Armutszeugnis, ein einigen oberflächlich betrachtet, um das Prinzip: „Je- Beweis der Ohnmacht, mit dem Problem der der lebe nach seiner Fasson". Die Legitimität unter- unerwünschten Schwangerschaft anders als mit schiedlicher Lebensstile ist unumstritten. Es geht dem Instrumentarium der Strafjustiz fertig zu heute um den Grundwert Leben. Es geht nicht nur um werden, ist damit auch ein Zeichen unserer die Frage, wie der einzelne leben kann und will, demokratischen Unmündigkeit. sondern ob jemand leben darf. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie der Abtreibung ist Tötung von Leben. Der Staat ist Abg. Inge Wettig-Danielmeier [SPD] und der verpflichtet, Leben zu schützen. Dazu sagt das Bun- Abg. Christina Schenk [BÜNDNIS 90/DIE desverfassungsgericht: GRÜNEN]) Der Staat darf sich seiner Verantwortung nicht durch Anerkennung eines rechtsfreien Raumes Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht entziehen, indem er sich der Wertung enthält und Ursula Männle. diese der eigenverantwortlichen Entscheidung des einzelnen überläßt. Ursula Männle (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Fristenregelungen umgehen, unabhängig von ihrer Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere jeweiligen Modifikation, die schwierige Rechtsgüter- Verfassung bietet einen weiten Gestaltungsrahmen abwägung zwischen Selbstbestimmungsrecht der für den offenen Streit um die besseren politischen Frau und Lebensrecht des Ungeborenen. Das Selbst- Konzepte. Offenheit bedeutet nicht totale Beliebig- bestimmungsrecht wird zum „Bestimmungsrecht" keit; weltanschaulicher Pluralismus bedeutet nicht über andere, zur Verfügungsgewalt über andere. Das Wertneutralität. Lebensrecht des Kindes steht damit zur Disposition. Treffend formulierte Konrad Hesse: „Die Verf as- Das ungeborene Kind ist rechtlich schutzlos. sung läßt nicht nur offen, sondern sie legt auch verbindlich fest, was nicht offenbleiben soll" . Dies Meine sehr geehrten Damen und Herren, ob sich führt zur schwierigen Frage nach dem Verhältnis von eine Frau für ein Kind entscheidet, dies hängt vor Freiheit und Bindung, von Freiheit und Verantwor- allem davon ab, wie sie in unserer Gesellschaft mit tung. Das Problem des Schwangerschaftsabbruches einem Kind leben kann. Die Entscheidung der Frau ist Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8239

Ursula Männle immer auch eine Entscheidung ihres sozialen Umfel- Gesetzentwurf auch die Fortsetzung der bereits 1982 des, begonnenen Politik zum Ziel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, der F.D.P.) Politik allein kann dies alles nicht leisten. Auch wir als Einzelne, alle Menschen draußen im Lande, müssen ihres Partners, ihrer Eltern, ihres Arbeitgebers. Und etwas tun, viele Frauen machen die Erfahrung, daß der Begriff „Kind" nur negativ ausgelegt wird: keine angemes- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge sene Wohnung, kein zukunftsträchtiger Job, kein ordneten der F.D.P.) beruflicher Aufstieg, keine ausreichende ideelle und materielle Anerkennung durch die Gesellschaft. um unsere Gesellschaft zu verändern. Fragen wir uns doch wirklich einmal kritisch: Wie reagieren wir auf Die Schriftstellerin Christa Peikert-Flaspöhler eine große Familie, die in unserer Nähe wohnt, mit schreibt in einem Gedicht: mehreren Kindern, die sich selbstverständlich entfal- Die junge Frau hat nicht abgetrieben. Sie schützte ten müssen? Wie reagieren wir darauf? das Kind und schenkte ihm das Leben. Ihr selber (Zuruf von der F.D.P.) will niemand etwas zum Leben schenken. Wie reagieren wir darauf, wenn eine ledige Frau ein Vor allem Frauen in den neuen Bundesländern, die Kind bekommt? Es ist leider Gottes immer noch so, daß ja die Hauptlast der gesellschaftlichen Veränderun- hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird. gen tragen, fragen zu Recht: Was bedeuten Grund- werte im Alltag? Verpflichten sie nur die Frauen oder (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge z. B. auch die Arbeitgeber? Wie familienverträglich ist ordneten der F.D.P. und der SPD — Dr. Wolf- die freiheitliche Wirtschaftsordnung? — Nicht selten gang Bötsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!) wird von Frauen eine totale Unterordnung ihrer Fami- Und- wenn dies nicht geändert wird, wenn wir diesbe- lienplanung unter die Gebote der Betriebsplanung züglich keine wirkliche Bewußtseinsänderung in gefordert. unserer Gesellschaft erreichen, dann erreichen wir Sicherlich wäre jetzt eine generelle Schelte der auch mit wie auch immer gearteten Gesetzen Arbeitgeber unangemessen. Zahlreiche Beispiele aus nichts. völlig anderen Bereichen ließen sich hier anführen. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!) All dies verletzt grundlegende Verfassungsnormen. Auch wir als politisch Handelnde dürfen uns hier nicht Meine Damen und Herren, viele — auch Kollegen ausschließen. hier im Hause — erliegen der Versuchung, Abtrei- bung zur alleinigen Angelegenheit von Frauen zu Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, erklären. Sie unterbreiten sogar den Vorschlag, dar- fragen wir uns doch auch, was wir in den letzten über dürften nur Frauen diskutieren und abstim- Jahren getan haben, um zu einem Ja zum Kind men. beizutragen. Was haben wir seit 1982 in der Politik (Zuruf der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) alles geleistet? Zynisch möchte ich dazu anmerken: Im Parlament (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) würde eigentlich nur Männeralltag demonstriert. Ein Wir haben — und ich betone: wir — die Anrechnung männerloses Parlament heute wäre Spiegelbild einer von Kindererziehungszeiten in der Rentenversiche- vaterlosen Familie, wie wir sie leider immer wieder rung eingeführt — vorfinden. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord neten der F.D.P.) derzeit drei Jahre pro Kind. Wir haben Erziehungs- geld und Erziehungsurlaub eingeführt und werden Abtreibung ist kein Frauenrecht, keine reine Frau- letzteren jetzt verlängern. enfrage. Betroffen sind Frauen, Männer und vor allem Kinder. Verantwortlich sind Frauen und Männer. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Warum sollen sich diejenigen, die maßgeblich am ordneten der F.D.P.) Entstehen von Leben beteiligt sind, der Verantwor- Wir haben die Dauer der Freistellung vom Arbeits- tung für das entstandene Leben entziehen dürfen? platz bei Krankheit des Kindes verlängert. Wir haben Meine sehr geehrten Damen und Herren, Vater- zahlreiche andere Gesetze, die beispielsweise den schaft verpflichtet. Wir müssen endlich von der Vor- Kündigungsschutz und Unterhaltsvorschuß betreffen, stellung Abschied nehmen, daß M anner mit der verbessert, um zu einem Ja zum Kind beizutragen. Wir Schwangerschaft nichts zu tun hätten und diese nur haben auch für die neuen Bundesländer — wir wer- Frauen etwas anginge. Sofern sich hier kein grundle- den dies morgen endgültig im Rahmen der Verab- gender Wandlungsprozeß einstellt, zahlen Frauen schiedung des Nachtragshaushaltes tun — die Mittel immer die Zeche — für den Hilfsfonds für Mutter und Kind um 100 % erhöht. (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord (Beifall bei der CDU/CSU) neten der F.D.P.) All dieses sind Leistungen, die wir in diesem Zusam-wenn sie sich für und wenn sie sich gegen das Kind menhang erwähnen müssen. Aber natürlich müssen entscheiden. Frauen werden häufig allein gelassen. wir unsere Bemühungen fortsetzen. So hat unser Auch die, die abgetrieben haben, tragen oft lebens- 8240 Deutscher Bundestag —— 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Ursula Männle lang an den Folgen. Auch sie brauchen unser Ver- sieren leider auch eine schwindende Wertschätzung ständnis. des Lebensrechts des Ungeborenen. Die Behauptung, die Fristenregelung sei frauen- Heißt dies, daß Politiker und Politikerinnen Grund- freundlich, ist falsch. Fristenregelungen sind immer werte der Verfassung aufgeben dürfen? —Müssen wir männerfreundlich. also resignieren oder gar kapitulieren? — Ganz im Gegenteil: Wir müssen all unsere Kräfte für den Erhalt (Beifall bei der CDU/CSU) der Grundwerte mobiliseren. Erinnern wir uns eines Die Frau Kollegin Würfel unterstellt uns ein Frau- Satzes von Montesquieu: Etwas ist nicht Recht, weil es enbild, das in unserer Fraktion nicht herrscht. Sie Gesetz ist, sondern es muß Gesetz sein, weil es Recht unterstellt uns, wir würden Frauen entmündigen. Wer ist. denn anders als die Frau soll die Entscheidung für oder (Beifall bei der CDU/CSU) gegen das Kind treffen? Natürlich ist es die Frau, die Der Mehrheitsentwurf der CDU/CSU versucht, diese Entscheidung trifft, die zum Arzt geht, die sich eine Antwort auf eine schwierige Konfliktsituation zu beraten läßt und, wie ich denke, auf verantwortungs- finden. Wir votieren nicht für ein Entweder-Oder, bewußte Beraterinnen und Berater trifft. Wer denn sondern für ein Sowohl-als-auch, und zwar für den anders als die Frau soll diese Entscheidung treffen? helfenden Sozialstaat und den normierenden Rechts- (Zuruf von der SPD: Jetzt kommt das staat. Wir bekennen uns zur notwendigen Einheit von Aber!) sozialen Maßnahmen, Beratung zum Leben und straf- rechtlichen Regelungen. Die heutige Entscheidung Sie haben ganz recht, jetzt kommt das Aber: Aber beendet eine lange parlamentarische Diskussion. Sie natürlich muß auch der Arzt für sich entscheiden, ob er beendet aber nicht unsere Verpflichtung zum Lebens- diesen Eingriff vornimmt, ob er tatsächlich abtreibt. schutz. (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei Ich greife nochmals das Gedicht von Frau Peikert- der SPD) Flaspöhler auf: Kein Arzt kann gezwungen werden, eine Abtreibung Die junge Frau hat nicht abgetrieben, die Sorge vorzunehmen. Er muß auch für sich rechtfertigen, ob treibt sie von einer verschlossenen Hand zur er diese Abtreibung vornimmt oder nicht, ob diese anderen. Konfliktlage vorliegt oder nicht. Er muß für sich seine Wir sehen, die eigentliche Arbeit beginnt erst. Wir ärztliche Erkenntnis festhalten. müssen für das Leben werben, bewußtseinsbildend (Zuruf der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) wirken, und zwar durch Glaubwürdigkeit im Han- deln. Es gibt keine ominöse Dokumentationspflicht. Dies (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU, Bei wird hier in der Diskussion immer fälschlich behaup- fall bei Abgeordneten der F.D.P.) tet. Es geht darum, daß die ärztliche Erkenntnis fest- gehalten wird. Als nächster spricht (Beifall bei der CDU/CSU) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: der Abgeordnete Hans de With. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den vergangenen Jahren ist oft die Frage gestellt worden: Dürfen wir alles, was wir können? Ist das Machbare Dr. Hans de With (SPD): Frau Präsidentin! Meine auch ethisch vertretbar? In der Umweltpolitik — dies sehr verehrten Damen und Herren! Solange unser nur als Beispiel — plädieren wir für mehr gesetzliche Strafgesetzbuch existiert, ist der § 218 umstritten. Maßnahmen. Wir vertrauen auf die edukative Wir- Damit leben wir seit 121 Jahren. Bis 1974 war nach kung, auf die bewußtseinsbildende Kraft des dem Wortlaut des Strafgesetzbuches der alten Bun- Rechts. desrepublik jeder Abbruch strafbar, gab es damit die äußerste Form der Mißbilligung eines Schwanger- Muß nicht aber, was für den Schutz der natürlichen schaftsabbruchs. Dennoch gab es auch jedes Jahr bis Lebensgrundlagen gilt, auch für das Lebensrecht des dahin, sehr vorsichtig geschätzt, mehr als 100 000 Ungeborenen gelten? illegale Abbrüche, gab es ungezählte tote Frauen (Beifall bei der CDU/CSU) infolge eines verbotenen Eingriffs, in den letzten Jahren bis 1974 etwa 100 jährlich. Messen wir hier nicht mit zweierlei Maß? Ich frage Sie Seit 1976 gilt in den alten Bundesländern, wie wir dies wirklich ernsthaft. wissen, das sogenannte Vier - Indikationen - Modell. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die heu- Es konnte bis heute nicht befriedigen. Der unselige tige Debatte ist für mich eine Grundsatzdebatte, in der Prozeß von Memmingen und die immer noch zu hohe nicht nur die einzelnen Abgeordneten ihre Voten Abbruchrate belegen das schlaglichtartig. begründen, sondern in der wir uns fragen müssen, wie In der DDR war übrigens seit 1972 der Weg der hoch wir die Bindungs - und Verpflichtungskraft unse- Fristenregelung ohne Beratungspflicht eingeschlagen rer gemeinsamen Normen einschätzen. Viele verwei- worden, erklärtermaßen auch, um der Familienpla- sen auf die schwindende Akzeptanz des Rechts, auf nung zu dienen. Diese Regelung gilt bis heute fort. Sie Werteverschiebungen und auf das Auseinanderklaf-- wird verfassungsrechtlich ab 1. Januar 1993 nicht fen von Theorie und Praxis. länger zu halten sein. Sicher trifft es zu, daß Recht vom Rechtsbewußtsein Der Einigungsvertrag verpflichtet uns deshalb der Bürger getragen werden muß. Umfragen signali- — ich wiederhole das noch einmal verkürzt zitiert —, Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8241

Dr. Hans de With „spätestens bis 31. Dezember 1992 eine Regelung zu Schutz auf keine andere Weise erreicht werden treffen, die den Schutz vorgeburtlichen Lebens . . . kann". besser gewährleistet, als dies in beiden Teilen Deutschlands derzeit der Fall ist." Damit aber ist eine Fristenregelung grundsätzlich möglich. Sie ist in dieser Situation möglich, da Hinzu kommt, daß wir durch das Bundesverfas- 121 Jahre gezeigt haben, daß weder mit durchgängi- sungsgericht wissen, welche Voraussetzungen die gen Strafdrohungen noch mit einer sehr liberalen Richter vor beinahe 20 Jahren nach der Verfassung Indikationenregelung der erwähnte, von der Verfas- für notwendig hielten. sung gebotene Schutz erreicht werden konnte. Der Deutsche Bundestag hat heute die Möglichkeit, in freier Abstimmung mit Hilfe des Gruppenantrags (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der diesen Auftrag zu erfüllen, nämlich die Strafnormen F.D.P.) für den Schwangerschaftsabbruch wirklich zu refor- mieren, und zwar in Form einer verfassungsfesten Der Gruppenantrag bringt auch die vom Bundes- Fristenregelung. Auch sie wird keineswegs alle Pro- verfassungsgericht verlangte Mißbilligung des bleme lösen können; kein Gesetz würde das leisten Schwangerschaftsabbruchs hinreichend deutlich zum können. Ungelöstes, Bedrückendes und Leid werden Ausdruck. § 218 bedroht den Schwangerschaftsab- immer zurückbleiben. Aber diese Reform hilft dem bruch schlechthin mit Strafe. Die Straflosigkeit im werdenden Leben, hilft der Frau und ist geeignet, Rahmen der 12-Wochen-Frist beseitigt also nicht durch praktisch alle Gesellschaftsschichten hindurch mehr, wie es die Fristenregelung noch im Jahre 1974 — ich sage, alle — breite Zustimmung in der Bevölke- vorsah, den Straftatbestand als solchen, sondern nur rung zu finden. die Rechtswidrigkeit des Handelns. (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Außerdem ist die Straflosigkeit an die vorangegan- Denn sie bringt mehr Hilfe als Strafe, und vor allem gene Beratung durch den Arzt gebunden und daran, vertraut sie der Frau, mißtraut ihr nicht. daß der Eingriff von einem Arzt vorgenommen wird. (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Jedes Indikationenmodell, aber auch jedes, leidet Die Beratung hat in dem vorgesehenen § 219 des an zwei unübersehbaren Mängeln. Es unterliegt Gruppenentwurfs eine unübersehbare Hinwendung immer der strafrechtlichen Nachprüfung, auch wenn, zur Erhaltung des werdenden Lebens gefunden. um es noch einmal zu wiederholen, die Dokumenta- tionspflicht durch den die Indikation feststellenden (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Arzt gestrichen würde. Ein Prozeß von Memmingen ist F.D.P.) so niemals ausgeschlossen. Der hohe Stellenwert der Beratung kommt außerdem Jede Indikationsregelung unterwirft die Frau dadurch zum Ausdruck, daß die Überschrift des § 219 zusätzlich der Ungewißheit der Entscheidung eines „Beratung der Schwangeren in einer Not- und Kon- Dritten und damit der Unwägbarkeit ihrer eigenen fliktlage" zukünftig in der eigentlichen Fristenrege- Entscheidung. Wer die Überprüfbarkeit der Stellung lung des § 218a ausdrücklich erwähnt wird. der Indikation durch den Richter beseitigen und damit die Wiederholung von Memmingen verhindern will, Die neue Beratungsregelung — das Bundesverfas- kommt zu einem Modell — ob er will oder nicht und sungsgericht hatte 1974 die damalige Beratungs- wie immer er es nennen mag —, das herkömmlicher- pflicht für nicht hinreichend angesehen — spricht in weise als Fristenregelung bezeichnet werden wird. ihrem Wortlaut für sich selbst. Lesen Sie sie bitte Die Fristenregelung des Gruppenantrages ist nicht einmal sorgfältig nach! identisch mit dem Fristenmodell des Jahres 1974. Sie Das Verfassungsgericht hat außerdem verlangt, es ist ausgerichtet an den vom Bundesverfassungsge- sei „Aufgabe des Staates, in erster Linie sozial- und richt vorgegebenen Grundsätzen. Die mehr als fürsorgerische Mittel zur Sicherung des werdenden 30 Stunden intensiven Verhandlungen zwischen Kol- einzusetzen". Daß der Gruppenantrag dem leginnen und Kollegen der F.D.P. und uns und — das Lebens entspricht, wird auch für den eiligen Leser, meine ich, kommt hinzu — die rund 20 Stunden Sitzungen mit auf Anhieb deutlich. Es kann deshalb mit gutem Kolleginnen und Kollegen aus der CDU und den Grund gesagt werden, daß im Gegensatz zu damals Gruppen haben den SPD-Antrag, für viele von uns jetzt die Parameter umgekehrt werden: An erster sehr schmerzlich, nicht unerheblich verändert. Sie Stelle stehen Hilfsmaßnahmen, erst an zweiter Stelle haben aber auch, so meine ich wenigstens, die Rege- steht die strafrechtliche Absicherung. lung lesbarer und für einen größeren Teil der Abge- ordneten akzeptabel gemacht und dennoch der Frau Wir wissen von den Finanzministern und Senatoren, die Möglichkeit belassen, in den ersten zwölf Wochen daß wir damit an die äußerste Leistungsfähigkeit von eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Bund, Ländern und Gemeinden gegangen sind. Das Diese Regelung hält auch den von den Bundesver- schließt keineswegs aus — das betone ich hier —, daß fassungsrichtern gesetzten Anforderungen stand. Das in Zukunft nicht noch weiter nachgebessert werden Bundesverfassungsgericht hatte eingeräumt, daß kann. eine durchgängige Strafdrohung nicht erforderlich ist, sie vielmehr nur im äußersten Fall geboten sei — ich (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der zitiere —, „wenn der von der Verfassung gebotene F.D.P.) 8242 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Hans de With Alle Erfahrung hat gezeigt, daß bloße Strafdrohun- der Indikationslösung und in den neuen Bundeslän- gen nicht helfen. Ohne die Frau geht es nicht, gegen dern mit der Fristenlösung der Fall ist. sie überhaupt nicht. Dieser Zwang zum Handeln gibt die Chance, eine (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Neuregelung zu treffen, die den Schutz des ungebo- F.D.P.) renen Lebens bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Mit ihr dürfen und müssen wir es wagen; denn die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen in unse- letzte Verantwortung trägt allein sie. Ich füge hinzu: rem Land besser als bisher gewährleistet. Ohne sie ist zumindest in den ersten drei Monaten und (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) wohl noch etwas danach das Leben in ihr nicht lebensfähig. Die uns bekannten Zahlen von Schwangerschafts- Das bei den vorliegenden sieben Anträgen jede unterbrechungen legen dafür ein eindeutiges Zeug- Gruppierung versucht, ihrer Meinung zur Mehrheit zu nis ab. Sie zeigen, daß weder Strafandrohung noch verhelfen, ist legal und legitim. Daß außerhalb des völlige Freigabe der Interruptiones einen ausreichen- Parlaments versucht wird, auf die Abgeordneten ein- den Schutz werdenden Lebens gewährleisten kön- zuwirken, ist normal. Das ist normal auch bei einer nen. Die Indikationslösung mit entsprechender Straf- Gewissensfrage wie dieser. Nur: Wir haben peinliche androhung treibt die Frauen in die Illegalität. Das böse Überziehungen erlebt. Wort vom Abtreibungstourismus macht dies sehr deutlich. Die ausschließliche Fristenlösung ohne ent- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sprechende begleitende Maßnahmen kann auch nicht der F.D.P.) die angestrebte Lösung sein. Ich sage aber auch selbstkritisch zu uns: Jeder sollte dazu beitragen, daß Andersdenkende ohne Schwie- Gefordert ist vielmehr eine Regelung, die sowohl rigkeiten auch Andersabstimmende sein können. der staatlichen Aufgabe des Lebensschutzes als auch den schwierigen Belangen der Frau gerecht wird, die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sich in einer schwierigen Konfliktlage befindet. Eine der F.D.P.) Neuregelung muß daher einen besseren Lebens- Wir sollten ein Zweites bedenken: Erhält kein schutz als die bisherige Indikationslösung beinhalten. Entwurf eine Mehrheit, ist nicht nur der Auftrag aus Sie muß eine andere und bessere Fristenlösung als dem Einigungsvertrag gescheitert, sondern auch das diejenige der ehemaligen DDR oder die von 1974 in Parlament an sich selbst. der Bundesrepublik Deutschland beinhalten. Sie muß (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE verfassungskonform sein. Sie darf vor allem nicht das GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Strafrecht in den Vordergrund stellen, sondern sie F.D.P.) muß in einem Gesamtkonzept von Beratung und Hilfe das ungeborene Leben besser schützen. Besonders in unserer Zeit eine verheerende Folge. Scheitert die Fristenregelung, hat das Parlament (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) eine große Chance vertan, wird den Menschen in den Dies heißt aber und ganz besonders, dafür Sorge zu neuen Ländern zu den vielen Enttäuschungen ein tragen, daß solche optimalen Rahmenbedingungen weiterer Schlag versetzt, wird die Rate der Schwan- sowohl für Mutter und Kind als auch für die Familie gerschaftsabbrüche nicht kleiner, werden Hilfe und geschaffen werden, daß das Ja zum Kind erleichtert Ermunterung für die Schwangere nicht größer. Eine wird. Stimme kann entscheiden, ob alles beim alten bleibt (Beifall bei der F.D.P.) und ob sich die neuen Länder wieder einmal den alten fügen müssen oder ob wir einen Schritt auf dem Letztendlich brauchen wir eine kinderfreundliche bisherigen Weg vorankommen, der dem werdenden Gesellschaft. Leben nur ungenügend geholfen hat und der für (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem unendlich viele Frauen — und nur für Frauen — ein BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge Leidensweg war. ordneten der CDU/CSU) Vielen Dank. Von diesen Überlegungen geht der gemeinsame (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Gruppenantrag aus, der von Abgeordneten aller Frak- GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der tionen dieses Hauses getragen wird. Frei von Koali- F.D.P.) tionsabsprachen und Fraktionsdisziplin, nur seinem Gewissen folgend, muß jeder Abgeordnete heute hier Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster erhält seine Entscheidung treffen. Herr Bruno Menzel das Wort. Meine Damen und Herren, wir Liberalen sind zutiefst davon überzeugt, daß die dem Gruppenantrag Dr. Bruno Menzel (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine zugrunde liegende modifizierte Fristenlösung mit sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Wieder- obligatorischer Beratung die beste Gewähr für den vereinigung unseres Landes wurde entsprechend Schutz des ungeborenen Lebens bietet. diesem Parlament die Aufgabe dem Einigungsvertrag (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) zuteil, bis zum 31. Dezember 1992 eine Regelung zu - treffen, die den Schutz des vorgeburtlichen Lebens Sie beinhaltet sowohl die strafrechtliche Relevanz und die verfassungskonforme Bewältigung von Kon- und Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs; sie fliktsituationen schwangerer Frauen besser gewähr- akzeptiert aber auch die letztendlich eigenverant- leistet, als dies derzeit in den alten Bundesländern mit wortliche Entscheidung der Frau nach vorausgegan- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8243

Dr. Bruno Menzel gener sachgerechter Beratung in qualifizierten, plura- Die Entscheidung kann und soll nur bei der Frau listischen und sachorientierten Beratungsstellen, die liegen. unter der Zielsetzung erfolgt, der im Konflikt befind- (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ lichen Frau alle notwendigen Informationen zu ver- Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ mitteln, die ihr eine verantwortungsvolle Entschei- NEN) dung ermöglichen. Wir, der Gesetzgeber, haben alles zu tun, um die (Beifall bei der F.D.P.) gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, (V o r s i t z: Vizepräsident Hans Klein) um immer mehr Frauen das Ja zum Kind zu ermögli- Sie garantiert, daß alle möglichen sozialpolitischen chen. und fürsorgerischen Mittel zum Schutze des Lebens Daß wir mit dem heute und hier zur Debatte eingesetzt werden. Sie verdeutlicht aber auch, so stehenden Gruppenantrag auf breite Zustimmung in denke ich, daß durch die gesetzliche Regelung sicher- unserer Bevölkerung stoßen, daß Millionen von gestellt ist, daß die selbstverantwortete Entscheidung Frauen voller Hoffnung und Erwartung unsere heu- der Frau nicht allein auf einem Selbstbestimmungs- tige Beratung begleiten, das haben die zahlreichen recht und losgelöst vom Schutz des werdenden Reaktionen der vergangenen Woche gezeigt. Lebens erfolgen kann. Mit besonderer Erwartung — wen wird das verwun- Für die vertrauensvolle Basis der Beratung ist dabei dern? — werden wir zweifellos von den Bürgerinnen die Tatsache ganz entscheidend, daß kein Rechtferti- in den neuen Bundesländern begleitet; denn für sie gungs - und Dokumentationszwang entsteht und daß stellt sich jede andere Lösung als die Fristenlösung mit die letztendliche Entscheidung nicht auf einen Dritten obligatorischer Beratung als eine eindeutige Ver- übertragen wird, sondern bei der Frau verbleibt. schlechterung ihrer heutigen Situation dar. Nur unter diesen Voraussetzungen kann überhaupt Sie haben auch allen Grund, denke ich, mit Erwar- erwartet werden, daß die zur Beratung kommende tung und Hoffnung die heutige Beratung zu begleiten. Frau offen für die Ratschläge und die Hilfe ist und Soweit ich mich erinnern kann, haben die Vertreter damit auch offen für die Annahme derselben. aller Parteien im Wahlkampf ihren Wählerinnen die Ich denke, es ist sicher auch einzusehen, daß, wie im Zusage gegeben, sich in diesem Parlament dafür Indikationsmodell vorgesehen, ein Arzt die endgül- einzusetzen, daß sich die Situation der Frauen betref- tige Entscheidung über eine psychosoziale Notlage fend die Regelung beim Schwangerschaftsabbruch nicht treffen kann und dies auch nicht akzeptabel sein nicht verschlechtert, sondern verbessert. könnte. Selbst ein gut ausgebildeter Psychologe hätte (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem kaum eine Chance, sich in einem einzigen Gespräch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ein objektives Bild von dem tatsächlichen Ausmaß des Konfliktpotentials zu verschaffen, geschweige denn Diese Zusage kann jetzt mit der Zustimmung zum ein Gynäkologe, der damit völlig überfordert wäre. gemeinsamen Gruppenantrag eingelöst werden. (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) NEN) Meine Damen und Herren, wir sind mit der heutigen Meine Damen und Herren, ob die Dokumentations- Debatte, so hoffe ich jedenfalls, am Ende eines langen pflicht dann im Gesetz verankert wäre oder nicht, ist, Weges angekommen— eines Weges, der zwar oftmals wenn der Arzt letztendlich die Entscheidung trifft, von sehr emotional geprägten Auseinandersetzungen völlig unerheblich; gekennzeichnet war, der aber auch deutlich gezeigt hat, daß der Schutz des ungeborenen Lebens eine der (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne gesellschaftlich verantwortungsvollsten Aufgaben ist, ten der SPD) mit denen sich Volksvertreter überhaupt befassen denn er ist in jedem Falle verpflichtet, seine Ergeb- können. Die Schärfen innerhalb der Diskussion haben nisse schriftlich niederzulegen. Gerade dies, so denke aber trotzdem nicht die große Sachlichkeit und Ener- ich, wollen wir nicht. Außerdem würde der Helfende gie verdecken können, mit der von allen Beteiligten in und der Heilende hier zum Urteilenden. Dies kann tage- und nächtelangen Sitzungen an dieser Proble- und soll nicht die Aufgabe des Arztes sein. matik gearbeitet wurde. (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der Ich möchte an dieser Stelle über die Parteigrenzen PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der hinweg allen, die sich dieser Aufgabe gestellt haben, CDU/CSU) meinen Respekt und meine Hochachtung ausdrük- ken, Wie schwer es ist, in der täglichen Praxis psychische von somatischen Beschwerden scharf zu trennen, (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der kann ich Ihnen aus jahrelanger Praxis nur nachhaltig SPD) bestätigen. Deshalb ist das aus meiner Erfahrung ganz gleich, in welcher Richtung sie sich entschei- heraus überhaupt kein gangbarer Weg. den. Nein, meine Damen und Herren, die Lösung liegt - Allein die Anzahl der Anträge, die heute hier zur weder in der Strafandrohung noch in der Entschei- Abstimmung stehen, zeigt die Wichtigkeit einer dungsfindung durch Dritte. gesamtdeutschen Regelung zum Schutze des werden- (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) den Lebens. Sie zeigt aber auch und verdeutlicht, daß 8244 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Bruno Menzel es sich niemand leichtgemacht hat und alle redlich Schutz ungeborenen Lebens ebenso gerecht wird wie bemüht waren, nach bestem Wissen und Gewissen zu den vielfach vorhandenen und sehr unterschiedlichen einer Entscheidungsfindung zu kommen. Konfliktlagen von Frauen. Daß es diese Konfliktlagen (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- gibt, daß sie nicht etwa nur ein Hirngespinst oder eine ten der SPD) Ausrede Betroffener sind, weiß ich aus vielen Gesprä- chen mit Frauen, mit Beraterinnen und mit Ärzten. Vor diesem Hintergrund, also Hilfe statt Strafe bei gleichzeitiger Verpflichtung zum Schutze des Lebens, (Beifall des Abg. Dr. Brunno Menzel [F.D.P.] ist der Gruppenantrag zu betrachten, für den ich heute und der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) abend stimmen werde. Er berücksichtigt mit seinen sozial flankierenden Maßnahmen die Aufgabe des Das sind Konflikte, vor denen wir nur allzuoft gern die Staates zur Sicherung des werdenden Lebens. Mit Augen verschließen: sexueller Mißbrauch von Kin- dem Instrument der obligatorischen Beratung wird dern, Frauen in Frauenhäusern, Partnerschaftskon- sichergestellt, daß die schwangere Frau ihre Entschei- flikte und vieles andere mehr. dung in vollem Bewußtsein der durch die Verfassung Nicht zuletzt deshalb haben wir in der Debatte auch vorgegebenen Grundentscheidung für den Schutz des immer wieder betont, daß es uns in erster Linie um ungeborenen Lebens treffen wird. Hilfe und nicht um Strafe geht. Dies haben wir aus der Dies bedeutet nicht — ich möchte dies ganz beson- Erkenntnis heraus getan, daß Strafrecht — in welcher ders betonen — ein Recht auf Abtreibung, sondern die Ausformung auch immer — noch zu keiner Zeit die im Gruppenantrag vorgesehene Fassung des § 218 Abtreibung ungewollter Schwangerschaften verhin- betont nach wie vor — wie bereits hier ausgeführt — dern konnte. eine strafrechtliche Relevanz und eine Mißbilligung (Beifall des Abg. Dr. Friedbert Pflüger [CDU/ der Schwangerschaftsunterbrechung. CSU]) Ich stimme für diesen Antrag vor allem auch als Abgeordnete aus den neuen Bundesländern. In dieser Als neue Bundesbürgerin möchte ich heute sagen, Eigenschaft sehe ich eine ganz besondere Verpflich- daß die Diskussion über § 218 für mich zu Beginn tung, heute zu einem Ergebnis zu kommen, das für die ungewohnt war, daß ich viel über unsere grundge- Menschen zwischen Ostsee und Erzgebirge, aber setzliche Ordnung gelernt habe, daß sie mich über auch für diejenigen zwischen Nordsee und Alpen weite Strecken aber auch beschwert hat. Sie hat mich akzeptabel ist. Ich sehe es auch als meine Aufgabe an, deshalb beschwert, weil wir oft über den strafrechtli- zu einer rechtlichen Regelung beizutragen, die im chen Schutz des ungeborenen Lebens gesprochen Interesse der breiten Mehrheit der Bevölkerung ist. haben, zugleich aber weniger darüber, daß dieses Danke sehr. Leben nur mit der Frau und nicht gegen sie zu schützen ist. (Beifall bei der F.D.P., der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat die Abge- ordnete Dr. Angela Merkel. Die Frau kam in der Argumentation streckenweise überhaupt nicht mehr vor. Ich habe den Zusammen- hang damit vermißt, daß unabhängig von einer unbe- Dr. Angela Merkel (CDU/CSU): Herr Präsident! friedigenden gesetzlichen Regelung in der ehemali- Meine Damen und Herren! Über ein Jahr haben wir im gen DDR auch dort Frauen und Ärzte individuell Bundestag und in Arbeitsgruppen über eine Neufas- verantwortliche Entscheidungen getroffen haben. sung des § 218 diskutiert. Wir haben das in großem Ernst getan, wir haben kontrovers diskutiert, und wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der werden heute abstimmen. F.D.P. und der SPD) Der Anlaß dafür war, daß nach der Vereinigung der Ich habe andererseits oft den Eindruck gewonnen, beiden Teile Deutschlands unterschiedliches Recht in daß die Diskussion über den § 218 auch eine Stellver- bezug auf den Schwangerschaftsabbruch gilt. Der treterfunktion hat, daß diese Diskussion durch erheb- Einigungsvertrag hat uns aufgetragen, in ganz liche Defizite bei der gleichberechtigten Teilhabe der Deutschland ein einheitliches, aber auch besseres Frau in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Recht zu schaffen, als wir es bisher haben. Diesen Lebens belastet ist. Rechte und Pflichten sind zwi- Auftrag müssen wir ernst nehmen, und wir haben ihn schen Männern und Frauen heute noch nicht gleich ernst genommen, und zwar vor allem vor dem Hinter- verteilt. Hier muß noch vieles in unserer Gesellschaft grund, daß trotz völlig unterschiedlichen Rechts in der verändert werden, und ich glaube, wir haben da auch ehemaligen DDR und in der alten Bundesrepublik die Fortschritte gemacht. Aber ich denke, der § 218 ist Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im Verhältnis zu nicht geeignet, stellvertretend für andere Probleme der Zahl der Geburten etwa gleich hoch war. dem Selbstbestimmungsrecht der Frau unbegrenzten Ich glaube, wir alle sind uns in dem einen Ziel einig, Raum einzuräumen. daß wir die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche verringern wollen. Doch wie kann uns dies gelingen? (Beifall bei der CDU/CSU) Heute schauen Millionen von Bürgern — vor allem Es geht hier nämlich nicht allein um die Frau, sondern Frauen — auf uns, die Abgeordneten des Deutschen auch um das ungeborene Kind. Bundestages, und erwarten, daß wir ein Gesetz ver- abschieden; das heißt für mich: ein Gesetz, das dem (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99 Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8245

Dr. Angela Merkel Deshalb kann für mich — ich habe das immer Dr. Angela Merkel (CDU/CSU): Eigentlich würde wieder gesagt — nur eine Abwägung zwischen der ich gerne durchgehend sprechen. Notlage der Frau und dem schätzenswerten ungebo- (Dr. Ursula Fischer [PDS/Linke Liste]: „Ei renen Leben einen Schwangerschaftsabbruch recht- fertigen. Deshalb halte ich auch eine Verkürzung der gentlich"?) Diskussion auf die Worte „Fristen- und Indikationslö- — Ja, ich möchte durchgehend sprechen. sung" — das sind zwei Begriffe, zwischen denen unüberwindliche Hürden zu liegen scheinen — für Der Gesetzgeber hat den grundgesetzlichen Auf- unzulässig. trag, jede Form von Leben zu schützen. Meine Damen und Herren, ich habe mir sagen lassen, daß Sie in der (Beifall des Abg. Dr. Friedbert Pflüger [CDU/ vergangenen Legislaturperiode in diesem Hause eine CSU]) Debatte über ein Embryonenschutzgesetz geführt Wir sprechen immer und einheitlich über eine Frist haben, in dem es sehr strenge Regelungen über den von zwölf Wochen. Aber die Frage, die ich mir gestellt Schutz von Leben gibt. habe und die sich andere immer wieder gestellt (Beifall bei der CDU/CSU) haben, ist: Wer soll in einer Konfliktsituation die Abwägung zwischen dem Leben der Frau und dem Ich denke, daß es wichtig ist und daß es die Verpflich- des ungeborenen Kindes treffen? Die Frau allein, die tung für uns als Gesetzgeber ist, daß wir in unseren Frau zusammen mit dem Arzt oder der Arzt allein? Gesetzen erkennbar machen, daß diese Abwägung zwischen der Konfliktlage der Frau und dem ungebo- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Oder der renen Kind nicht nur gewollt ist, sondern daß sie auch Richter!) tatsächlich stattfindet. Wir wissen, die Konfliktlage der Frau sieht in jedem Für mich wie für viele andere ist die Beratung der Einzelfall anders aus, und sie ist abhängig von ihren eigentliche und letzte Punkt, wo m an der Frau helfen subjektiven Empfindungen. Konfliktlagen von Frauen kann. sind nicht objektivierbar. Das bedeutet, daß selbst ein umfassendes Hilfsangebot nicht jede Konfliktsituation (Beifall der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU] auflösen kann. und der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Deshalb stehe ich auch zu einer solchen verpflichten- der F.D.P.) den Beratung. Aber es reicht mir eben gerade deshalb Schwierige Partnerschaftskonflikte können immer auch nicht aus, wenn in dem Gruppenantrag steht Anlaß für unlösbare Notlagen der Frau sein. Es gibt — ich zitiere —: viele andere Notlagen, und natürlich ist es so, daß die Die Beratung soll dazu beitragen, die im Zusam- Entscheidung darüber, ob sich eine Frau in einer menhang mit der Schwangerschaft bestehende Notlage befindet oder nicht, auch von der Frau getrof- Not- und Konfliktlage zu bewältigen. Sie soll die fen wird. Daß aber auch der Arzt eine Entscheidung Schwangere in die Lage versetzen, eine verant- fällt, halte ich für zumutbar und auch für selbstver- wortungsbewußte eigene Gewissensentschei- ständlich. Ärzte fällen immer eine Entscheidung. Sie dung zu treffen. haben unter einer völlig anderen strafrechtlichen Grundlage auch in der ehemaligen DDR Entscheidun- — dies teile ich —, aber auf der anderen Seite der gen gefällt. Auch dort gab es Ärzte, die gesagt haben, Inhalt der Beratung auf die Information und Darle- sie machen keine Schwangerschaftsabbrüche. Jeder gung von Rechtsansprüchen beschränkt ist und die verantwortlich handelnde Arzt wird deshalb aus mei- Konfliktlage, wenn die Frau dies nicht wünscht, gar ner Sicht mit einer Frau auch über ihre Konfliktsitua- nicht erst zur Sprache kommen muß. tion sprechen. Er wird einen Schwangerschaftsab- Ich habe andererseits auch kein Verständnis für bruch nur dann vornehmen, wenn er die Notlage Positionen, die besagen, daß es gar keine Konfliktla- nachvollziehen kann. gen geben kann, die einen Schwangerschaftsabbruch (Zuruf von der SPD: Aber die subjektive!) rechtfertigen können, mit Ausnahme der medizini- schen Indikation. Es wird dann oft als ein Ausweg Aber es ist natürlich auch unstrittig, daß eine Frau in genannt, die Frau könne notfalls ihr Kind zur Adop- der Lage ist und dies auch oft tut — ich habe es bereits tion freigeben. Eine Adoption kann ein Ausweg sein. gesagt —, selbst eine Entscheidung nach einer sol- Aber eine Frau ausschließlich auf einen solchen chen Abwägung zu treffen. Ausweg zu verweisen, verletzt die Würde vieler Aber, meine Damen und Herren, es geht hier nicht Frauen. nur um die Frage individueller Entscheidungen, son- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ dern es geht um die Frage, wie wir als Gesetzgeber CSU und der F.D.P.) dem grundgesetzlichen Auftrag, jede Form von Leben, auch ungeborenes, zu schützen, gerecht wer- Ich habe in meiner Fraktion am Mehrheitsentwurf den. mitgearbeitet, und ich stehe dazu. Dieser Entwurf stellt für mich eine deutliche Verbesserung gegen- über der geltenden Rechtslage dar. Das geltende Recht- geht von objektiv nachprüfbaren Voraussetzun- Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Merkel, gen für eine Indikation aus. Der jetzt vorliegende gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mehrheitsentwurf der CDU/CSU-Fraktion stellt dage- Gysi? gen prinzipiell klar, daß für die Beurteilung einer 8246 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Angela Merkel psychosozialen Notlage vorrangig subjektive Ge- Investitionssumme von 20 Milliarden DM, auch wenn sichtspunkte von Bedeutung sind. sie sich auf mehrere Jahre verteilt, ist nicht unerheb- lich. Aber mir fallen auf Anhieb auch eine ganze Reihe (Zuruf von der SPD: Die aber objektiv über- von Investitionen und Maßnahmen ein, die auch viele prüfbar sein müssen!) Milliarden Mark kosten und trotzdem nicht in Frage Ich glaube, dies ist die eigentlich entscheidende gestellt werden. Frage. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Seit dem Prozeß in Memmingen und der Rechtspre- bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der chung hierzu ist uns allen deutlich vor Augen geführt SPD) worden, in welche Lage Ärzte und betroffene Frauen geraten, wenn Gerichte versuchen, subjektive Notla- Mir ist klar, daß die Zuwächse unseres Wohlstands gen objektiv nachzuprüfen. nicht größer werden und daß es in vielen Bereichen ohne Umverteilung nicht geht. Aber ich möchte für (Zuruf von der SPD: Ziehen Sie die Konse- diese Umverteilung werben, nicht nur mit Blick auf quenz daraus!) den Schutz des ungeborenen Lebens, sondern auch Nach unserem Gesetzentwurf kann ein Gericht nur mit Blick auf die Kinder, die geboren wurden, gleich- überprüfen, ob der Arzt subjektiv von einer maßgeb- gültig, ob gewollt oder ungewollt. lichen Konfliktsituation ausgegangen ist. Ich halte das (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. für richtig. Es kann nicht richtig sein, daß der Gesetz- sowie bei Abgeordneten der SPD) geber einer Berufsgruppe, deren Berufsethos der Erhaltung von Leben dient, die gesamte strafrechtli- Der Kindergarten ist eine sinnvolle, die familiäre che Verantwortung für etwas aufbürdet, was gericht- Erziehung ergänzende pädagogische Maßnahme. Er lich eigentlich und im nachhinein schon gar nicht hat weniger etwas mit dem Hang von Frauen zur überprüfbar ist. Selbstverwirklichung zu tun. (Zurufe von der SPD) (Uta Würfel [F.D.P.]: Richtig!) Deshalb bitte ich Sie, daß Sie dies so zur Kenntnis Nicht nur die Eltern sollten den Wunsch haben, für nehmen, wie es ist. ihre Kinder das Beste zu erreichen; für ebenso wichtig Ich spreche mich deshalb auch noch einmal gegen wie Kindergartenplätze halte ich aber auch den Aus- die im Gesetzentwurf vorgesehene Dokumentations- bau verschiedener Betreuungsmöglichkeiten für Kin- pflicht aus. Sie birgt die Gefahr, das Vertrauensver- der unter drei Jahren wie auch für Kinder im Grund- hältnis zwischen Frau und Arzt nachhaltig zu stören. schulalter. Hier hat der Gruppenantrag leider sehr Sie ist für mich auch ein Zeichen des Mißtrauens wenig zu bieten. gegenüber einem Berufsstand, der dieses Mißtrauen Der CDU/CSU-Mehrheitsentwurf sieht bei den aus meiner Sicht nicht verdient. Das Engagement sozialen Hilfen u. a. die Zahlung eines Familiengeldes vieler Ärzte und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in von 1 000 DM vor. Dieses Familiengeld ist oft als den Beratungsstellen der alten Bundesländer hat Geburtenprämie diffamiert worden. Tatsächlich ist wahrscheinlich mehr ungeborenes Leben geschützt, das Familiengeld für viele junge Familien eine erheb- als es das Strafrecht je vermag. liche Hilfe, die nicht unerheblichen Kosten für eine Leider hat das Strafrecht die Diskussion aus meiner Baby-Erstausstattung zu bezahlen. Sicht viel zu lange beherrscht. Die sozialen Hilfen, (Beifall bei der CDU/CSU) über die wir heute auch entscheiden, sind neben der Beratung die wesentliche Voraussetzung für einen Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Vor allen wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens. Dingen in den neuen Bundesländern wird dieses Angebot alles andere als belächelt. Sie können sich Die Regierungskoalition hat seit 1982 viele Maß- dort gern mit Frauen unterhalten. nahmen auf den Weg gebracht, die Fortschritte für die Erziehung von Kindern und die Anerkennung der (Beifall bei der CDU/CSU) Familienarbeit bedeuten. Ich habe mich seit dem Die vorliegenden Vorschläge für soziale Hilfe brin- vergangenen Jahr zusammen mit vielen anderen auch gen uns wieder einen Schritt weiter voran. Wir dürfen immer wieder für die Schaffung eines Rechtsan- darüber aber nicht vergessen, daß noch viele Pro- spruchs auf einen Kindergartenplatz ausgesprochen. bleme offenbleiben. Ich denke da z. B. an die Studen- Ich hoffe, daß dieser Rechtsanspruch nun in absehba- tin, die ungewollt schwanger wird und nur dann rer Zeit Wirklichkeit wird. Diese Frage ist für mich aus Sozialhilfe und Wohngeld erhält, wenn sie das Stu- der Sicht der neuen Bundesländer von ganz besonde- dium aufgibt. Wieviel anders sieht da doch die Situa- rer Bedeutung; denn nur dann, wenn es uns gelingt, tion des studierenden Vaters aus. Er kann problemlos auch in den alten Bundesländern ausreichend viele sein Studium beenden. Da er außer BAföG und Kindergartenplätze zu schaffen, werden wir die Kin- Zuwendungen von den Eltern im Zweifel kein Ein- dergartenplätze in den neuen Bundesländern erhal- kommen bezieht, hat er auch keinerlei Unterhaltsver- ten können. pflichtungen. (Zustimmung bei der CDU/CSU und der Gerade dieses Beispiel führt uns noch einmal ein- F.D.P.) dringlich vor Augen, welche Dimension die Notlage Natürlich bedeutet die Schaffung von 600 000 Kin- junger Frauen annehmen kann. Ich wünsche mir dergartenplätzen in den alten Bundesländern für deshalb, daß der Deutsche Bundestag heute ein Länder und Kommunen eine große Anstrengung. Die Gesetz beschließt, das diesen Notlagen ebenso Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8247

Dr. Angela Merkel gerecht wird wie dem Schutz des ungeborenen auch die Regelung eine formal-mechanische. Bera- Lebens. tungsangebote für die Konfliktlage gab es — außer (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- einem medizinisch-ärztlichen Beratungsangebot — ordneten der F.D.P. und der Abg. Christel kaum, es sei denn, im konfessionellen, also im kirch- Hanewinckel [SPD]) lichen Bereich. Im Gruppenantrag ist die Beratung ein zentraler Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wort der Punkt. Beratung in einer Konfliktsituation, während Abgeordneten Christel HanewinckeL einer Schwangerschaft wird für die Frauen in den neuen Bundesländern etwas Neues sein. Aus Sorge, die Frauen könnten unseren ethischen Ansprüchen (SPD): Herr Präsident! Liebe Christel Hanewinckel nicht genügen, und aus Sorge, wir, die Parlamentarie- Kolleginnen! Liebe Kollegen! Stellvertretend für viele rinnen und Parlamentarier, könnten den Verfassungs- Menschen — Frauen, Männer, Kinder, Ausländerin- richtern nicht genügen, haben wir die Beratung für die nen und Ausländer — im vereinten Deutschland sind betroffenen Frauen zur Pflicht gemacht. wir beauftragt, eine Neuregelung für den Schwanger- schaftsabbruch zu finden. Wir müssen das in der uns Meine Sorge ist eine andere: Die verantwortungs- vom Einigungsvertrag vorgegebenen Frist tun. Denn volle, notwendige und schwierige Arbeit der Beratung auf Dauer ist es kein Zustand, zwei Regelungen, zwei baut auf Vertrauen und auf Offenheit auf. Das heißt: Gesetze — eines in Ost und eines in West — zu haben. Beraterinnen und Ratsuchende gehen eine Bera- Wir müssen eine Regelung finden, der die Mehrheit tungsvereinbarung aus freien Stücken — freiwillig, dieses Hauses mit gutem Gewissen — oder besser: aus eigener Einsicht — und in der Hoffnung ein, daß verantwortlich — zustimmen kann. die betroffene Frau dann, wenn sie den Konflikt in der Wir haben hart gearbeitet. Sechs Entwürfe lagen im nötigen Art und Weise von allen Seiten betrachtet und September 1991 vor. Seitdem haben wir gekämpft, gewertet hat, eine Entscheidung fällen kann. gestritten, beraten, uns in Anhörungen beraten las- sen, uns in Gesprächen und Diskussionen mit Frauen, Sie erinnern sich: Wir haben im Laufe des Gesetz- Männern und Betroffenen zusammen- und auseinan- gebungsverfahrens selbst genau diese Bedingungen dergesetzt, und wir haben neu formuliert. für uns in Anspruch genommen, vor allen Dingen in Anhörungen, in Gesprächen mit Verbänden, in Bei all dem ist deutlich geworden, daß die Gesetz- Gesprächen mit Betroffenen und in Gesprächen gebung für diesen Konflikt nicht Moral und Ethik untereinander. Niemand von uns wäre bereit gewe- schaffen kann. Aber sie kann eines tun: Sie kann sen, sich einer parlamentarischen Zwangsberatung zu Rahmenbedingungen schaffen, durch die Menschen unterziehen. in die Lage versetzt werden, verantwortliche und ethisch verantwortbare Entscheidungen zu treffen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb ist meine Sorge, daß der hohe Wert der Das Ergebnis der Beratungen ist ein Gruppenan- Beratung durch die Pflichtauflage gemindert wird und trag, ein siebter Entwurf, der „Entwurf eines Gesetzes Ratsuchen und damit Beratung als etwas Defizitäres zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, erlebt und verstanden werden statt als etwas, was zum zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesell- Menschsein und zur Beziehungsfähigkeit dazu schaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und gehört, ebenso wie Konflikte zum menschlichen zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs". Die- Leben gehören. Beratung setzt Partner, Menschen ser Entwurf ist ein Kompromiß, kein fauler, sondern voraus, die einander vertrauen und sich aufeinander ein fleißiger, der auf die Achtung des Lebens, und einlassen. Das gilt besonders für Menschen, die in zwar des wachsenden und des erwachsenen Lebens, einem Konflikt sind. und auf die individuelle und gesellschaftliche Verant- wortung setzt. Der Schwangerschaftskonflikt muß auch im Zusam- (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei menhang mit sozialen und gesellschaftlichen Bedin- Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE gungen verstanden werden. Beratung bei Schwan- GRÜNEN) gerschaften in Konfliktsituationen hat demzufolge nicht nur mit der betroffenen Frau selber, sondern Entstehung und Beratung des Gruppenantrags in auch immer mit einem komplexen Beziehungsfeld zu der Verhandlungsgruppe haben gezeigt, daß es nötig tun. Jede Schwangerschaft verändert das Leben der und möglich ist, daß verschiedene Lager, verschie- Frau und ihres Partners von Grund auf. Nicht jede dene Seiten und verschiedene Parteien Schritte auf- Frau und nicht jedes Paar werden mit einer solchen einander zu tun, um gesetzliche Rahmenbedingungen Veränderung fertig. Die einen können sich der neuen zu schaffen. Daß das schwierig war, ist spürbar und und oft schwierigen Lage mit einem neuen Lebens- deutlich gewesen. Dieser schwerwiegende Konflikt entwurf anpassen. Die anderen bewältigen diese Lage machte ein zähes Ringen notwendig. nicht oder nicht ohne weiteres. 1972 ist der Schwangerschaftsabbruch in der DDR durch eine Fristenregelung mit flankierenden sozia- Angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktlage vor len Maßnahmen neu geregelt worden. Die Entschei- allem in den östlichen Ländern bei über 62 % arbeits- dung über den Abbruch lag einzig und allein bei der losen Frauen befürchten schwangere Frauen weitrei- betroffenen Frau. Als Konflikt wurde die Situation der chende berufliche Nachteile oder die totale Ausgren- betroffenen Frau nicht angesehen. Demzufolge war zung. 8248 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Christel Hanewinckel Zwanzig Jahre haben Frauen in der DDR eigenver- Christel Hanewinckel (SPD): Deshalb gehe ich antwortlich, unterstützt von sozialpolitischen Maß- davon aus, daß die Frau in der Lage ist, mit Gewissen nahmen, allein gelassen im ethisch-moralischen und und verantwortlich zu entscheiden. persönlichen Bereich Entscheidungen getroffen. In Vielen Dank. Ost und West warten die Frauen und auch die Männer darauf, daß wir, das Parlament, Rahmenbedingungen (Anhaltender Beifall bei der SPD und der schaffen, die verantwortliche Entscheidungen ermög- F.D.P. — Beifall bei Abgeordneten der PDS/ lichen. Linke Liste und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das muß heute entschieden werden, denn auch wir sind an eine Frist gebunden. Wir können es nicht auf Das Wort hat der Abge- die lange Bank schieben. Außerdem kann das Ver- Vizepräsident Hans Klein: ordnete . trauen nicht länger strapaziert werden, das Sie, Frau Merkel, für mich und für die Frauen der neuen Bundesländer durch Ihre Haltung enttäuscht haben. Gerhart Rudolf Baum (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einheit Deutschlands (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten hat es möglich gemacht, daß wir über dieses Thema der PDS/Linke Liste und des BÜNDNISSES diskutieren. Wir hätten eigentlich schon in der alten 90/DIE GRÜNEN) Bundesrepublik lange Anlaß gehabt, zu diskutieren - Deshalb sind alle Verfahrens-, Geschäftsordnungs und eine Änderung herbeizuführen. Das ist nicht und anderen Tricks dem Hohen Haus und vor allem möglich gewesen. Wir sollten jetzt die Chance nutzen, der Sache, nämlich dem Menschen, vor allem den die der Einigungsvertrag uns bietet. Der Einigungs- Frauen in den neuen Ländern gegenüber, nicht ange- vertrag setzt Akzente. Er setzt auf Beratung. Er setzt messen. auf Hilfen. Und er will eine neue, eine dritte Lösung. Er will nicht, so interpretiere ich ihn, unwirksame (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Lösungen, die zum Lebensschutz nicht beigetragen Liste) haben, verlängern. Die Lösung, die es in der alten Als eine Abgeordnete aus den neuen Ländern, die DDR gegeben hat, war zum Lebensschutz nicht wirk- den Gruppenantrag mit erarbeitet hat, muß ich sagen, sam. Meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ daß das, was ich bei der Erarbeitung des Antrags CSU, die Lösung, die heute noch gilt, die gesetzliche erlebt habe, belegt, daß der Konflikt, in dem sich Regelung, die Indikationsregelung — will man über- Frauen befinden, die ungewollt schwanger geworden haupt auf das Strafrecht setzen —, ist nicht erfolg- sind, sich in unserer Situation und Arbeit hier im reich. Sie trägt zum Lebensschutz, zur Reduzierung Parlament widerspiegelt. von Schwangerschaftsabbrüchen eben nicht erfolg- Wir nehmen für uns in Anspruch, daß wir heute eine reich bei; sonst wären ja alle Ihre berechtigten Klagen Gewissensentscheidung treffen. Deshalb kann es gar über die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche völlig nicht anders sein, als daß die Entscheidung bei einer ungerechtfertigt. ungewollten Schwangerschaft nur bei der Frau liegen Wir reden jetzt über einen Weg, mit dem wir kann und daß wir ihr zugestehen, daß sie ein Gewis- besseren, effektiveren Lebensschutz verwirklichen sen hat, das wir nicht erst prägen müssen, und daß sie wollen. Das ist das Thema. Wir streiten uns über mit diesem Gewissen in der Lage ist, sich eigenverant- diesen Weg. Wir sind der Meinung, daß wir mit wortlich für das Leben zu entscheiden. unserem Entwurf, mit dem Gruppenantrag der Vor- gabe des Einigungsvertrages gerecht werden. Von (Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke anderen Vorschlägen unterscheidet sich der Grup- Liste) penantrag nicht dadurch, daß er Fristen setzt. Fristen Wir entscheiden heute. Wir wollen so entscheiden, setzen alle Entwürfe. Von allen anderen Entwürfen daß wir dem Leben Rechnung tragen. Ich fordere uns unterscheidet sich der Gruppenantrag dadurch, deshalb auf und wünsche, daß wir dies in aller meine Damen und Herren, daß er eine Beratungsre- Bewußtheit tun und nicht mit unterschiedlichen Maß- gelung ist. stäben messen und daß wir die Würde der Frau Die obligatorische Beratung der Frau ist im straf- (Dr. Rudolf Karl Krause [Bonese] [CDU/ rechtlichen Bereich das Kernelement des Gruppenan- CSU]: Und des Kindes!) trags. Der Gesetzentwurf basiert auf vier Elementen: der Sexualberatung und Aufklärung, den sozialpoliti- nicht nur auf dem Papier stehen haben, sondern uns schen Maßnahmen, der Neuregelung der Strafbestim- vielleicht auch daran erinnern, daß Frau und Mann mung und eben der Beratung im Schwangerschafts- (Dr. Rudolf Karl Krause [Bonese] [CDU/ konflikt. CSU]: Und das Kind!) Es geht also nicht um Fristen, es geht um Beratung. — hier wird viel von Christlichkeit gesprochen — ein Es geht um Beratung und Hilfe für die Frau, die nicht Ebenbild Gottes sind. allein gelassen werden soll mit dem möglichen Druck des ehelichen oder nichtehelichen Vaters oder ande- (Dr. Rudolf Karl Krause [Bonese] [CDU/ rer. Wir müssen sie in ihrer Not und Konfliktsituation CSU]: Auch das Kind!) sehen. Dies bringt der Gesetzentwurf an mehreren Stellen deutlich zum Ausdruck. Dies haben wir nach unseren Gesprächen mit den Kolleginnen und Kolle- Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin, Ihre Rede- gen aus der CDU-Fraktion noch verdeutlicht. zeit ist abgelaufen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8249

Gerhart Rudolf Baum Im Widerstreit miteinander stehen das nach Art. 2 Um noch etwas aus der Debatte der letzten Wochen des Grundgesetzes geschützte werdende Leben und klarzustellen: Es ist Aufgabe des Gesetzgebers und das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Damit kein nicht der Kirchen, darüber zu entscheiden, wie der Zweifel besteht: nach unserer Verfassung geht Lebensschutz am besten erreicht wird. eindeutig dem Freiheitsschutz vor. Lebensschutz (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Strafrechtsnormen dürfen nichts Unsittliches gebie- — Insofern folgen wir Ihnen. An der grundsätzlichen ten. Sie sind aber selbständig auf ihre Effektivität im strafrechtlichen Mißbilligung des Schwangerschafts- Rechtsgüterschutz hin anzulegen. Die Kirchen kön- abbruchs ist nicht zu zweifeln. Darum gibt es ja nach nen und müssen ihr Votum zu den religiösen und wie vor einen § 218 im Strafgesetzbuch und nicht sittlichen Normen abgeben. Aber wie das Ziel des außerhalb. Wir haben auf Wunsch unserer Kollegin- Lebensschutzes in einer strafrechtlichen Konstruktion nen und Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion den erreicht wird, ist nicht ihre Sache. Das ist Sache des § 218 so geändert, daß er nicht mehr einen Tatbe- Parlaments. standsausschluß vorsieht, sondern einen Rechtferti- (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) gungsgrund — wie bei den anderen Abbrüchen, die das Gesetz erlaubt. Wir mischen uns auch nicht in Angelegenheiten des kirchlichen Lehramts ein. Es geht jetzt also darum, meine Damen und Herren, Eine der wichtigsten Vorschriften unseres Gesetz- sich jetzt zu fragen, wie wir diesen Konflikt auflösen. entwurfs ist der § 219 des Strafgesetzbuchs. Um die- Auch wenn das Selbstbestimmungsrecht der Frau sen haben wir am längsten diskutiert. Er ist in einigen hinter den Lebensschutz zurücktritt — und das ist der Punkten verändert und ergänzt worden. Er beginnt entscheidende Grundgedanke unseres Entwurfes —, mit der wichtigen Feststellung: (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Die Beratung dient dem Lebensschutz durch Rat so ist Lebensschutz eben nur mit der Frau zu errei- und Hilfe für die Schwangere unter Anerkennung chen. Das ungeborene Leben kann nicht gegen den des hohen Wertes des vorgeburtlichen Lebens Willen der Frau geschützt werden. Eine Frau kann und der Eigenverantwortung der Frau. durch den Staat nicht zur Fortsetzung der Schwanger- Mit der Beratungspflicht wird verfassungsrechtlichen schaft gezwungen werden. Vorgaben Rechnung getragen, wonach durch gesetz- Wir wollen also den Lebensschutz auf die einzig liche Regelungen sichergestellt werden muß, daß die mögliche Weise erreichen, nämlich mit der Frau und selbstverantwortliche Entscheidung der Frau nicht nicht gegen sie. losgelöst vom Schutz des werdenden Lebens erfolgen kann. Die Beratung gewährleistet, daß dem Recht des (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der werdenden Lebens in dem Entscheidungsprozeß der SPD) Frau nachhaltig Geltung verschafft wird. Die Bereitschaft der Frau zum Austragen der Lei- (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) besfrucht soll durch Maßnahmen verschiedenster Art Es stimmt nicht, was Sie, Frau Karwatzki, heute früh bestärkt werden. Wir wollen nicht die Abtreibung, gesagt haben: Die Beratung, die wir im § 219 des sondern die Entscheidung für das Kind erleichtern, Gruppenantrags vorsehen, ist nicht neutral. Sie dient und wir sind der Meinung, daß die Frau dieser dem Lebensschutz. Verantwortung gerecht werden kann. Wir trauen der Frau diese Verantwortung zu. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Einer unserer Sachverständigen —— Professor Bau- Die Verbesserung der Beratung ist ein zentrales mann hat in der Anhörung so argumentiert: Es wäre Element des Gruppenentwurfs. Die Beratung soll für pharisäerhaft, sich mit der Schaffung einer möglichst die Frau eine Hilfestellung sein. Sie darf sie nicht einer umfassenden und harten Strafvorschrift zu begnügen Gewissensprüfung unterziehen. Es darf keinen Recht- und dann zur Seite zu sehen und den Armen schuldig fertigungsdruck und keinen Darlegungszwang ge- werden zu lassen. Freilich, so sagt er, wäre das die ben. Die Schwangere braucht niemanden zu überzeu- billigste Methode, sie koste nur das Papier, auf dem gen. Auch wenn die Frau ihre persönlichen Lebens- die Norm steht, und sei freilich nicht einmal dieses umstände nicht offenlegen will — das wird in den wert. seltensten Fällen vorkommen —, ist die Beratung mehr als bloße medizinische, soziale und juristische Unser Gesetzentwurf ist von der Einsicht geleitet, Information der Schwangeren. Sie bietet Rat. Sie daß die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch bietet der Schwangeren Abwägungs- und Entschei- in Tiefen der Persönlichkeit getroffen wird, in die der dungsgrundlagen für die geforderte verantwortungs- Appell des Strafrechts nicht eindringt, bewußte eigene Gewissensentscheidung. Umfang und Qualität der Beratung werden durch den Gesetz- (Beifall bei der F.D.P. und bei Abgeordneten entwurf entscheidend verbessert. Eine Protokollie- der SPD) rung von Gang und Inhalt der Beratung findet nicht wie das in den Minderheitsvoten der Richter von statt. Der Frau wird lediglich bescheinigt, daß sie eine Brünneck und Simon damals gesagt worden ist. Auch Beratung wahrgenommen hat. Es darf auch kein die Mehrheitsmeinung des Bundesverfassungsge- Zweifel darüber entstehen, daß das Entscheidende die richts geht davon aus, daß das Strafrecht nur das letzte Beratung ist und nicht die Bescheinigung. Die Bera- Mittel, die ultima ratio, sein darf. tung kann auch anonym erfolgen. Wir wollen es der 8250 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Gerhart Rudolf Raum Frau möglichst leicht machen, das Angebot der Bera- hat er ausgeführt, „stellt sich dann einfach die Frage, tung anzunehmen. wo die ehrlichere Lösung ist". (Zuruf von der F.D.P.: Sie kann doch lügen Meine Damen und Herren, in Abgrenzung zum wie gedruckt, sie muß dann nur überzeu Mehrheitsentwurf der CDU/CSU möchte ich sagen, gen!) daß wir eben davon ausgehen, daß Lebensschutz nur mit der Frau zu erreichen ist. Sie halten im Grunde an Dies, meine Damen und Herren, ist die Situation, in der Indikationenregelung fest. Sie haben sie abge- der sich Arzt und Schwangere bei Ihrem Entwurf wandelt, aber Sie halten daran fest, daß ein Dritter befinden. entscheidet. Das ist der maßgebende Unterschied. Bei Im übrigen ist es interessant, festzustellen, daß bei allen Indikationsmodellen entscheidet der Dritte, hier Versagung einer Indikation in unserem Staat, der der abbrechende Arzt. Der heute bestehende Recht- sonst gegen alles ein Rechtsmittel bereit hat, über- fertigungszwang bleibt bestehen. Er wird lediglich haupt kein Rechtsmittel möglich ist. Diese Entschei- zum Arzt hin verlagert. Dieser soll eine psychosoziale dung ist unanfechtbar. Notlage feststellen und seine ärztliche Beurteilung abgeben. Ich möchte auch noch einmal von mir aus darauf hinweisen: Sie selbst setzen bei Ihrem Entwurf nicht Frau Merkel, als Sie redeten, habe ich mir Ihren auf absoluten Lebensschutz. Schon der heute gel- Gesetzentwurf noch einmal angesehen. Es ist keines- tende Indikationsentwurf setzt nicht auf absoluten wegs so, daß Sie nur auf die subjektive Überzeugung Lebensschutz. Sie machen ja wichtige, entscheidende des Arztes abstellen. Sie sagen in § 218a Abs. 2, Ausnahmen, die den hohen moralischen Anspruch 1. Satz zwingend: Die Schwangere muß dem Arzt eine eines absoluten Lebensschutzes in Frage stellen. Notlage darlegen, „die für sie eine so schwerwie- Gehen wir doch ehrlich miteinander um bei den gende Konfliktsituation darstellt, daß von ihr die Ausnahmen, die von allen hier anerkannt werden! Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt wer- (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) den kann und die nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann" . Das Unser Gruppenantrag, meine Damen und Herren, sind objektive Kriterien. Erst dann sagen Sie, daß „der entspricht einem Grundkonsens in unserer Gesell- Arzt nach der Darlegung der Schwangeren zu der schaft. Ich möchte bei dieser Entscheidung nicht auf Erkenntnis gelangt, ... ". Das heißt, Sie versuchen eine einfache demoskopische Umfrage abstellen, aber etwas zu objektivieren. der Hinweis sei doch immerhin erlaubt: Wenn EMNID feststellt, daß 67 % Ihrer Anhänger unserem Antrag (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) folgen, dann werden das doch keine verantwortungs- losen, an Wertorientierungen nicht gebundene Bürger Und selbst wenn Sie keine Pflicht zum Protokoll, zur sein, die sich so entscheiden. Es muß doch nachdenk- Aufzeichnung festlegen — ich möchte den Arzt sehen, lich machen, der sich in die Situation bringt, ohne eine Aufzeich-- (Beifall bei der F.D.P. und der SPD — Zuruf nung einen Abbruch vorzunehmen; von der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- daß sich der Grundkonsens in unserer Gesellschaft ten der SPD) geändert hat. Und Sie stehen mit Ihrem Antrag isoliert in der europäischen Rechtsordnung. denn er muß damit rechnen, daß seine Entscheidung (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) überprüft wird. Das ist der entscheidende Mangel Ihres Gesetzentwurfs. Sie trauen der Frau die Ent- Auch die südeuropäischen, katholisch beeinflußten scheidung nicht zu. Sie setzen auf eine Objektivie- Länder haben liberale Regelungen, die unserem rung, die im Grunde ja nur ganz schwierig herstellbar Gruppenantrag entsprechen. ist. Wir sind heute als Gesetzgeber gefordert, meine Damen und Herren. Das Bundesverfassungsgericht Wo liegt denn die Zumutbarkeit? Sie kann ja in den ist nicht der Gesetzgeber. Es kann lediglich den einzelnen Fällen ganz unterschiedlich sein. Wie kann Rahmen abstecken, den der Gesetzgeber zu beachten ein Gynäkologe, ein abbrechender Arzt die Zumut- hat. Und die Entscheidung des Jahres 1975 erging zu barkeit, also all diese Kriterien, beurteilen? Und wie einem Gesetzentwurf, der heute nicht mehr vorliegt. steht er hinterher vor Dritten, also vor dem Staatsan- Wir haben einen wesentlich veränderten Gesetzent- walt und den Gerichten, zu dieser Entscheidung? Das wurf vorgelegt. Entscheidungen des Bundesverfas- ist einfach nicht praktikabel. Sie lassen Arzt und sungsgerichts betreffen immer nur den Gesetzent- Schwangere mit unsicheren Rechtsbegriffen allein wurf, der zu der entsprechenden Zeit unter den und bürden ihnen die ganze Unsicherheit der Situa- entsprechenden Umständen vorgelegen hat. Wir tion auf. haben eine wesentliche Veränderung in unserem Lande: Wir haben die Einheit Deutschlands, wir (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) haben einen Bewußtseinswandel, und dem, da bin ich sicher, wird das Verfassungsgericht Rechnung tra- Im übrigen hat Professor Lenckner in der Anhörung gen. darauf hingewiesen, daß dann, wenn es auf den Vortrag der Frau so stark ankommt, sehr leicht die Es ist ein schlüssiges Gesamtkonzept, das wir vor- Folge sein kann, daß Sie bei Ihrem Modell zu einer legen, das einen besseren Schutz des ungeborenen verkappten Fristenlösung kommen. „Für mich", so Lebens gewährleistet als die bisherigen Regelungen. Deutscher Bundestag — 12. 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Gerhart Rudolf Baum Für den einzelnen geht es um die Moralität und die Strafandrohung geschützt werden; Liebe läßt sich Sittlichkeit seiner Entscheidungen. Sie soll und darf nicht mit Polizeimaßnahmen erzwingen. ihm nicht genommen werden. Für den Gesetzgeber Ich bin zutiefst überzeugt, daß Frauen die eigentli- geht es um die Effektivität des Lebensschutzes mit chen Schützerinnen des Lebens sind Hilfe der Frau. Wenn Sie einen effektiven Lebens- schutz wollen, dann können Sie nur unserem Antrag (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen. und der SPD sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) F.D.P. und der PDS/Linke Liste) und daß kaum eine Frau leichtfertig abtreibt. Letztlich hat die Frau die Last der Entscheidung für oder gegen Herr Abgeordneter Kon- Vizepräsident Hans Klein: das Kind allein zu tragen— ganz allein. Das Gewissen rad Weiß, Sie haben das Wort. der Frau ist in diesem Konflikt die letzte Instanz. Dazu gehört, daß junge Menschen es lernen, ver- Konrad Weiß (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): antwortungsvoll mit Sexualität umzugehen. Das Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- bedeutet nicht nur Aufklärung im üblichen Sinne, gen! Der Schutz des geborenen wie des ungeborenen sondern verlangt eine weitreichende und frühzeitige Lebens ist ein Menschenrecht. Es sollte unverletzlich sexualethische Erziehung. Jungen und Mädchen, sein und wird doch täglich gebrochen. Durch unser junge Frauen und junge Männer — und nicht nur sie, Leben zerstören wir anderes Leben. Menschen ver- sondern auch die älteren — sollen Freude an ihrem hungern, werden erschlagen, werden von Bomben Körper haben, an der erwachenden und an der zerfetzt, sterben an Krankheit und Einsamkeit. 50 000 erwachten Sexualität. Sie sollen wissend und bewußt ungeborene Kinder werden weltweit tagtäglich illegal sexuell reifen. Sie sollen sich, wenn sie es denn wollen, abgetrieben. Woche für Woche sterben 250 000 gebo- für ein Kind entscheiden. rene Kinder. Ich kann nicht umhin, in diesem Zusammenhang Der Schutz des ungeborenen wie des geborenen die Haltung meiner Kirche, der katholischen Kirche, Lebens ist ein Menschenrecht. Aber wir sind nicht zu tadeln. Sie verurteilt den Gebrauch von Verhü- fähig, Konflikte ausschließlich gewaltfrei zu lösen und tungsmitteln und macht daraus eine Glaubensfrage. werden es wohl auch nie sein. Solange wir hinneh- men, daß unser Land Milliarden und die Menschheit (Herbert Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Das ist Billionen für das Töten geborenen Lebens ausgibt, falsch!) werden wir auch die Ungeborenen nicht wirklich Sie bringt Menschen mit ihren Vorschriften für das wirksam schützen können. Intimste in Gewissensnot und macht sie mit ihren (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES Entscheidungen unfrei. Dabei hat die Benutzung von 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Verhütungsmitteln ebensowenig mit dem Christen- Ich hielte es für heuchlerisch, würde ich in dieser tum zu tun wie der Gebrauch von Messer und Gabel Debatte um den Schutz der Ungeborenen und ihrer beim Essen. Mütter nicht auch die Situation der geborenen Kinder (Zustimmung bei der CDU/CSU) im Blick haben, in der Welt und in Deutschland. Wir alle müssen bereit sein, Kinder wirklich anzunehmen Gott allein weiß, wie viele ungeborene Kinder und sie vom ersten Augenblick ihres Seins an als getötet wurden, weil eine verquere Moral sie zu Menschen mit einer unverletzbaren Menschenwürde „Schandkindern" gestempelt hat, weil ihre Mutter anzusehen. oder ihr Vater nicht aufgeklärt waren oder es als Sünde ansahen, sich durch die Pille oder durch Das erfordert solche sozialen Bedingungen, daß alle Kondome zu schützen. Keuschheit ist zweifellos auch Kinder, die geboren werden, in Geborgenheit und heute noch eine Tugend, aber nur wenn sie freiwillig unter dem Schutz der ganzen Gesellschaft aufwach- sen können. Eltern dürfen nicht benachteiligt sein, geübt wird. Erzwungene Enthaltsamkeit taugt eben- sowenig zur Geburtenregelung wie die Abtreibung. wenn sie Kinder haben. Alle Maßnahmen, die davon Abhilfe schaffen wollen, sind nachdrücklich zu begrü- Zu den Rahmenbedingungen, die wir schaffen müs- ßen: der Anspruch auf einen Kindergartenplatz, die sen, meine Damen und Herren, gehört eine fachge- Förderung der Betreuung für Kinder unter drei Jahren rechte und verantwortliche Beratung — eine Bera- — alles, was Müttern die Berufstätigkeit oder die tung, die der Frau die Entscheidung für das Kind Rückkehr in den Beruf erleichtert. erleichtert und ihr hilft, alle Aspekte dieser Entschei- Aber es muß auch klar sein, daß mit diesem Gesetz dung zu betrachten, die aber auch die Entscheidung nur ein Anfang gemacht werden kann, daß wir alle gegen das Kind respektiert. Keine Frau darf mißachtet gefordert sind, die soziale Gleichstellung von Frauen oder ausgestoßen werden, weil sie abgetrieben hat. und die Förderung von Familien auszubauen. Ich Ebenso darf kein Arzt und darf keine Schwester wünsche mir insbesondere auch eine stärkere Würdi- gezwungen werden, bei einer Abtreibung mitzuwir- gung der Erziehungszeiten im Rentenrecht. ken. In jedem Fall müssen die Be troffenen die Mög- lichkeit haben, ihrem Gewissen zu folgen. Dieses Ich weiß aber auch, meine Kolleginnen und Kolle- auszubilden und zu sensibilisieren, das ist die eigent- gen, daß man keine Frau, keine Familie zwingen liche Aufgabe. kann, ein Kind zu haben. Weder Prämien noch Strafen haben in der Vergangenheit Frauen, die in menschli- Ich weiß, daß viele Frauen die im Gesetz vorgese- cher oder sozialer Not waren, von einer Abtreibung hene Beratung ablehnen, weil sie den Gang zur abgehalten. Ungeborene Kinder können nicht durch Beratungsstelle als demütigend empfinden. Die Bera- 8252 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Konrad Weiß (Berlin) tung wird als Machtinstrument des Staates angesehen schützt, zugleich aber Müttern und Vätern eine und wurde sicherlich nicht selten auch so erlebt. Ich Gewissensentscheidung in Freiheit und Würde denke aber, daß die Beratungspflicht ins Gesetz ermöglicht und die dazu beiträgt, unsere Gesellschaft aufgenommen werden sollte und daß dies keinen kinder- und elternfreundlich zu gestalten. Die besten faulen Kompromiß darstellt. Denn ein Schwanger- Ansätze hierfür sehe ich im Gruppenantrag, dem ich schaftsabbruch ist immer ein Akt der Destruktivität. deshalb meine Zustimmung geben werde, ebenso wie Destruktivität gehört zum Wesen des Menschen. Wird die meisten Mitglieder der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE sie in den geschützten Raum einer Schwangerschafts- GRÜNEN. konfliktberatung aufgenommen, kann es gelingen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frauen auch die unbewußten Konflikte bewußt wer- sowie bei Abgeordneten der SPD und der den zu lassen, die sie zum Abbruch treiben. F.D.P. — Zuruf von der CDU/CSU: Eine Im übrigen muß die Beratung auch Vätern offenste- seltsame Logik!) hen. Ich kann es nicht akzeptieren, wenn eine Schwangerschaft und die Entscheidung über deren Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Abge- Fortsetzung die alleinige Angelegenheit der Frau sein ordnete Dr. Gregor Gysi. soll. Es ist richtig, daß Frauen die Hauptlast eines Ja zum Kind zu tragen haben und dabei allzuoft von den Männern, von den Vätern, allein gelassen werden. Dr. Gregor Gysi (PDS/Linke Liste): Daß ich Anhän- Doch an der Entscheidung über einen Schwanger- ger einer ersatzlosen Streichung des § 218 des Straf- schaftsabbruch muß der Vater beteiligt sein — mit gesetzbuches bin, ist bekannt. Gerade deshalb allen denkbaren Konsequenzen für sich selbst und möchte ich zunächst ausdrücklich betonen, daß ich seine Lebensgestaltung. Respekt auch jenen zolle, die aus wirklichen Gewis- sensgründen, also auf Grund wirklicher religiöser (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auffassungen z. B., zu anderen Anschauungen und Eine wirkliche Schwangerschaftskonfliktberatung Entscheidungen kommen. Aber ich erwarte von die- nimmt die schwere Entscheidung der Frau und des sen, daß sie diesen Respekt auch den Gegnerinnen Mannes in eine zwischenmenschliche Beziehung hin- und Gegnern des § 218 entgegenbringen. Diesen ein. Aber nicht der Staat, der Berater, trägt die letzte vermisse ich häufig. Verantwortung; sie wird der Frau zurückgegeben — Ich finde, daß in den letzten Wochen ein geradezu und dem Mann. Schon deshalb ist der Begriff unzulässiger und das Grundgesetz verletzender

„Zwangsberatung" in sich ein Widerspruch und sogar Druck auf einige CDU - Abgeordnete ausgeübt wurde, irreführend. Ich betrachte das Angebot einer Beratung die sich entschlossen haben, nicht den Anträgen der als wirkliche Chance. Die Erfahrung zeigt, daß eine eigenen Fraktion zu folgen. Schwangerschaftskonfliktberatung, die auch nach (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Wider einem Abbruch andauern kann, durchaus noch prä- - spruch bei der CDU/CSU — Zurufe von der ventiv wirken kann — dann nämlich, wenn es gelingt, CDU/CSU: Woher wissen Sie das?) Konflikte bewußt zu machen und den Abbruch aus der Anonymität in eine menschliche Beziehung hineinzu- Ich möchte deshalb denen, die dabei bleiben, meinen nehmen. Der Anspruch ist hoch. Auch hier müssen wir vollen Respekt zum Ausdruck bringen. als Gesetzgeber weiterhin sensibel und aktiv sein, um (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Da Beratung im wirklichen Sinne überall möglich zu haben sie viel von!) machen. Ich will hinzufügen, daß ich mich über manchen Eine Abtreibung, meine Kolleginnen und Kollegen, Wandel auch wundere. Ich weiß ja, wie Frau Berg- darf keine Belanglosigkeit und kein Normalfall sein. mann-Pohl und Frau Bundesministerin Merkel früher Auch als Mann weiß ich mich in der Verantwortung über die Fristenregelung gedacht haben und was sie für das entstehende Leben. Ich habe versucht, diese heute dazu sagen. Irgendwie müssen diese Wandlun- Verantwortung zu leben. Aber ich weiß auch um die gen ja zustande gekommen sein. Erwachsene Frauen Not, die Frauen dazu bringt, sich gegen das Leben waren sie auch schon damals. Es kann nicht mit ihres Kindes zu entscheiden. jugendlicher Unreife begründet werden, daß sie damals die Fristenregelung bejaht haben. Ich weiß, daß jeder und jedem Konflikte unlösbar ( [SPD]: Wandlung durch erscheinen können und daß Konflikte dies oftmals Annäherung!) auch sind. Der Staat, die Gesellschaft, die Kirche, wir alle müssen den Menschen in seiner Fähigkeit zu Ich muß hinzufügen, daß mein Respekt vor den lieben und zu hassen ernst nehmen und dürfen nichts sogenannten Lebensschützern dann verlorengeht, Unmögliches von ihm verlangen. Den Menschen auch wenn ich Heuchelei oder eine Geringschätzung von in seiner Schwäche, in seinen dunklen Seiten, in Frauen feststellen muß. Es ist nicht selten, daß die seinem Unbewußten ernst zu nehmen, das ist der aktivsten sogenannten Lebensschützer ihre Stimme Maßstab für unsere Humanität. nicht oder viel weniger gegen die nach wie vor übliche Gewalt gegen Kinder in Familien erheben. Viele von Ich habe gegenüber den Frauen und Männern, die ihnen zeigen nicht einmal Mitleid mit Kindern, die als mich gewählt haben, nie ein Hehl aus meinem per- Flüchtlinge zu uns kommen, sondern heizen diesbe- sönlichen Nein zur Abtreibung gemacht. Doch habe züglich eine gnadenlose Asyldebatte an. Viele von ich auch gesagt, daß ich für die Gesetzeslösung ihnen beharren häufig auf einer Weltwirtschaftsord- stimmen werde, die das ungeborene Kind bestmöglich nung, durch die laut UNICEF jährlich fünf Millionen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8253

Dr. Gregor Gysi Kinder verhungern. Während der zwölfstündigen — Nein. Ich habe allen Männern dieses Hauses Debatte von heute sterben in dieser Welt etwa 7 000 angeboten, daß wir uns der Stimme enthalten und die Kinder an Hunger. Ich glaube, da muß sich etwas Frauen entscheiden lassen. verändern. Das sind die eigentlichen Skandale in bezug auf Kinder in dieser Welt und nicht die Frage (Widerspruch bei der CDU/CSU) des Schwangerschaftsabbruchs. — Wissen Sie, das brauchen Sie mir nicht vorzuhal- (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie des ten. Abg. Freimut Duve [SPD]) Ich füge noch etwas hinzu. Ich habe einen unge- Nicht selten sind es auch jene, die ansonsten durch wöhnlichen Geschäftsordnungsantrag oder eine Bitte: die Welt reisen und gegen Überbevölkerung — natür- Vielleicht sollten wir später bei den Abstimmungser- lich bei anderen Völkern und auf anderen Kon tinen- gebnissen immer gleich gesondert bekanntgeben, ten — wettern und dort weise Ratschläge geben, wie wie sich die Frauen in diesem Haus entschieden man Bevölkerung zu reduzieren hat, damit globale haben und wie sich die Männer in diesem Haus Probleme gelöst werden können und es uns hier entschieden haben. Ich nehme an, da kommen inter- besser geht. Das ist für mich eine Doppelmoral, die ich essante Proportionen heraus. nicht akzeptieren kann. (Beifall bei der PDS/Linke Liste) (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Ich füge hinzu, daß auch ich Kritik an der katholi- Abgeordneten der SPD) schen Kirche üben will; nicht an den Gläubigen, Wenn aktiver Lebensschützer — dann bitte in jedem (Zuruf von der CDU/CSU: Früher habt ihr sie Bereich. Dann muß man auch gegen Golfkriege und verfolgt!) andere Kriege entschieden auftreten. sondern an den Bischöfen, die sich jetzt entsprechend Ich wundere mich in diesem Zusammenhang auch äußern. sehr, daß immer dann, wenn es um soziale Maßnah- men geht, das Geld fehlt und vom Bundesminister der Wissen Sie, eigentlich haben die meinen Respekt. Finanzen betont wird, wie knapp die finanziellen Aber mir fehlt z. B. der Aufschrei der katholischen Mittel sind. Wenn aber ein Golfkrieg stattfindet, kann Kirche gegen die menschenunwürdige Asyldebatte. innerhalb einer Woche scheinbar aus dem Nichts ein Betrag von 18 Milliarden DM — für mich immer noch (Zurufe von der CDU/CSU: Was? — Das ist unerklärlich gefunden werden. einfach nicht wahr!) (Zuruf von der CDU/CSU: Da spricht der Ich frage mich: Wie ist eigentlich die Stellung zur Bock, der sich zum Gärtner gemacht hat!) Frau? Wie viele Jahrhunderte werden wir noch brau- chen, bis der Gedanke an eine Päpstin einmal zulässig Ich komme zu einer anderen Frage. Vier Entwürfe, wird? die hier vorliegen, stellen hinsichtlich des Selbstbe- stimmungsrechts der Frauen und in sozialen Fragen (Irmgard Karwatzki [CDU/CSU]: Das wird eine Verschlechterung der Lage der Frauen in den nie kommen!) neuen Bundesländern dar. Ich finde, daß es dann wohl Ich füge hinzu: Wer das Zölibat pflegt, sagt ja wohl am nicht wundernimmt, wenn es dort immer mehr Men- konsequentesten nein zu neuem und werdendem schen gibt, die die Idee verfolgen, eine spezifisch Leben und sollte sich in diesen Fragen etwas zurück- ostdeutsche Interessenvertretung zu garantieren, da halten. sie nicht in der Lage sind, über diesen Deutschen Bundestag ihre Interessen wirksam durchzusetzen. Ich will noch auf einen rechtlichen Aspekt einge- hen. Seit dem vorigen Jahrhundert gibt es ein Bürger- Ich will noch auf etwas anderes hinweisen. Es ist liches Gesetzbuch. In § 1 steht: Die Rechtsfähigkeit heute oft über den Schutz des werdenden Lebens des Menschen beginnt mit der Vollendung seiner gesprochen worden. Es ist auch über das Selbstbe- Geburt. Noch nie ist dieser Paragraph für grundge- stimmungsrecht der Frauen gesprochen worden. Aber setzwidrig erklärt worden. Damit sind alle Argumente das können wir ja nun alle drehen und wenden, wie über zwei verschiedene Rechtssubjekte schon von wir wollen: Wir Männer können in eine solche Situa- den Gesetzgebern des BGB im vorigen Jahrhundert tion nicht kommen. Ich finde, da ist von diesem ad absurdum geführt. Geschlecht ausnahmsweise mal ein bißchen Zurück- haltung zu verlangen, wenn den Frauen etwas aufge- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) zwungen werden soll. Sie können diese rechtliche Konstruktion mit zwei (Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke Rechtssubjekten auch gar nicht aufrechterhalten; ich Liste, der SPD und der F.D.P.) habe schon einmal darauf hingewiesen. Dann führen Es sagt doch alles über diese Gesellschaft, daß heute Sie als erstes eine Haftentschädigung für jene Kinder ein, die während der Schwangerschaft ihrer späteren hier im Deutschen Bundestag 527 Männer darüber Mutter mit im Gefängnis saßen; denn die haben entscheiden wollen, wie sich die Frauen diesbezüg- lich zukünftig zu verhalten haben. Das ist die eigent- eindeutig unschuldig gesessen. Noch nie ist jemand liche Anmaßung und Unverschämtheit. auf die Idee gekommen, die Rechtsfähigkeit des Embryos für diese Zeit voll anzuerkennen. Sie müssen (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Treten so viele rechtliche Änderungen vornehmen, wenn Sie Sie doch ab!) diese Konstruktion auch nur einigermaßen durchhal- 8254 Deutscher Bundestag —— 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Gregor Gysi ten wollen, daß Sie sich selber unglaubwürdig Mir müssen Sie — das will ich Ihnen auf Ihre machen. Zwischenrufe, die ich zum Teil ungeheuerlich finde, (Unruhe bei der CDU/CSU Zuruf von der sagen — nichts über die Liebe zu Kindern sagen. Ich CDU/CSU: Daß Sie sich nicht schämen!) bin einer der wenigen Väter, der bei voller Berufstä- tigkeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres sein Aber ich möchte noch auf etwas anderes hinweisen. Kind allein aufgezogen hat. Ich weiß, was das bedeu- Es geht ja tatsächlich um schwerwiegende Konflikte, tet. Ich weiß auch, wie schön und wie reizvoll das ist, um Konflikte, die seit Jahrhunderten andauern und aber auch, wieviele Probleme und Schwierigkeiten es immer unterschiedliche Bewertung gefunden haben. bereitet, wenn es nicht flankierende Unterstützungs- Goethe hat seinen „Faust" 1830 vollendet. In diesem maßnahmen gibt. „Faust" gibt es ja den berühmten Konflikt von Gret- Eines sage ich Ihnen aber auch: Trotz dieser Tatsa- chen nach einer Beziehung mit Faust. Gretchen war che hätte ich niemals das Recht, einer Frau vorzu- 14 Jahre alt und wußte, daß sie durch ein uneheliches schreiben, gegen ihren Willen ein Kind zu bekommen, Kind moralisch auf ewig verdammt ist. Sie hat sich zur und ich finde, — — Kindestötung entschlossen, weil es einen legalen Schwangerschaftsabbruch nicht gab. Goethe hat also Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Gysi, Ihre schon in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Redezeit ist um. uns alle durch Literatur aufgefordert, eine Lösung dieses Konflikts zu ermöglichen, und wir sind im Dr. Gregor Gysi (PDS/Linke Liste): Ich finde, man Prinzip bis heute nicht weitergekommen und haben kann es auch Kindern nicht zumuten, ungewollt auf ihn nicht verstanden. die Welt zu kommen. Das ist nämlich eine wirkliche (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Katastrophe. Das ist eine Tatsache. (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNIS- Und vergessen Sie nicht, wie viele Mädchen schon SES 90/DIE GRÜNEN) wegen einer ungewollten Schwangerschaft und weil sie keine Möglichkeit gesehen haben, eine Lösung Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Hans-Ulrich dieses Konflikts herbeizuführen, Selbstmord began- Klose, Sie haben das Wort. gen haben. Darüber können Sie ja lachen, aber für diese Mädchen und Frauen war das ein sehr ernstes Hans-Ulrich Klose (SPD): Herr Präsident! Meine Problem. Zählen Sie nur einmal die Dienstmädchen, sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann heute die sich in den 20er Jahren ins Wasser gestürzt haben, nicht für meine Fraktion sprechen. Die sozialdemo- weil sie von ihren werten Dienstherren geschwängert kratische Fraktion hat zwar mehrfach über die Proble- wurden und diesen Konflikt eben nicht lösen konnten! matik des Schwangerschaftsabbruchs diskutiert, aber Tun wir doch nicht so, als ob heute etwa in Bayern auf sie hat zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel daran dem Lande die Geburt eines unehelichen Kindes kein gelassen, daß es sich bei dieser Problematik und den Problem für die betreffende Frau wäre, als ob wir hier dazu zu treffenden Entscheidungen um Gewissens- tatsächlich bereits in jeder Hinsicht eine neue Moral fragen handelt, bei denen es verbindliche Mehrheits- durchgesetzt hätten! Das ist einfach nicht wahr. entscheidungen nicht geben kann. Die SPD-Fraktion (Beifall bei der PDS/Linke Liste) hat deshalb nach Einbringung ihres eigenen Geset- zesantrages keine Abstimmung über die anderen Das wissen Sie alle sehr genau. Anträge durchgeführt, auch nicht über den Gruppen- Und ich mache — es tut mir leid — hier noch eine antrag. Bemerkung zu den Männern, weil oft gerade diejeni- Bei den Beratungen in der Fraktion — durchweg gen Männer ein besonders moralisches Verhalten von sehr engagierte Debatten — hat es, wie nicht anders Frauen verlangen, die nicht einmal ähnliche Maß- zu erwarten, sehr unterschiedliche Meinungen gege- stäbe je an sich anlegen würden. ben, für und gegen die Fristenregelung, für und gegen (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Inge den Gruppenantrag. In der Fraktion sind diese ver- Wettig-Danielmeier [SPD]: Das ist wohl schiedenen Meinungsäußerungen mit dem nötigen wahr!) Respekt für die Meinung der jeweils andersdenken- den Kolleginnen und Kollegen aufgenommen wor- Ich behaupte, daß gerade in den sozial höherstehen- den. Irgendwelche Versuche, auf Mitglieder der Frak- den Schichten — und das sind in erster Linie die tion auf andere als argumentative Weise Einfluß zu Männer, die sich für den § 218 aussprechen — die nehmen, hat es nicht gegeben. Ich lege besonderen Männer für ihre Frauen und vor allem für ihre Freun- Wert auf diese Feststellung. dinnen, die sie nebenbei hielten, immer noch Lösun- gen mit und ohne § 218 gefunden haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Ich füge persönlich hinzu: Ich unterstelle zunächst Damit wird das ganze nämlich auch zu einer sozialen einmal allen Kolleginnen und Kollegen, die sich an Frage, weil sich dieser § 218 in erster Linie gegen die der Debatte beteiligt haben und heute beteiligen, daß Frauen unterer sozialer Schichten wendet, die natür- sie einig sind in dem Ziel, ungeborenes Leben zu lich schwer mit einer Zwangsberatung und schon gar schützen. Nicht bei der Zielbestimmung beginnen die nicht mit einem § 218 umgehen können und die dafür Meinungsverschiedenheiten, sondern in der Regel bei keine Lösung finden. Hier gibt es sehr wohl auch der Frage, mit welchen Mitteln dieses Ziel am besten einen Unterschied zwischen arm und reich. erreicht werden kann. Über diese Frage kann und Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8255

Hans-Ulrich Klose muß gestritten werden, denn niemand kann für sich in Herbert Werner (Ulm) (CDU/CSU): Herr Präsident! Anspruch nehmen, dabei im Besitz der absoluten Meine Damen und Herren! Nur ein Vorwort an Ihre Wahrheit zu sein, niemand, sei er nun Jurist oder Arzt Adresse, Herr Gysi. Selten, glaube ich, ja überhaupt oder Kirchenmann. noch nicht hat dieses Haus erlebt, wie sich ein (Beifall bei Abgeordneten der SPD) neokommunistischer Ideologe zu einem so ernsten Thema in so schändlicher Weise geäußert hat. Sie wissen vielleicht, meine Damen und Herren, daß ich gelernter Staatsanwalt bin, Jugendstaatsanwalt, (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jugendschutzsachen eingeschlossen. Ich habe diesen Dr. Bruno Menzel [F.D.P.]) Beruf einige Jahre mit großer innerer Zustimmung In unserem Staat des Rechts, der auf der Werteord- ausgeübt und weiß, daß ein Gemeinwesen den nung des Grundgesetzes, des Menschenrechts und Rechtsfrieden ohne strafrechtlichen Schutz nicht des Naturrechts basiert, ist der grundlegende Orien- gewährleisten kann. Ich habe aber auch erfahren, daß tierungsmaßstab das Recht auf Leben, das Recht auf das Strafrecht nur e i n Mittel des Rechtsgüterschutzes Menschenwürde. Für den Christen ist der Mensch ist und in vielen Fällen nicht das beste, so auch im Ebenbild Gottes und darf auch von daher in seiner Falle des Schwangerschaftsabbruchs. naturrechtlich verankerten Existenz nicht angegriffen Lebenswirklichkeit und erfahrene Strafrechtspraxis werden. Der Staat hat die Funktion, den fundamenta- zeigen, daß der Schutz des ungeborenen Lebens mit len Schutz auszuüben. dem Mittel des Strafrechts nicht oder nur sehr unvoll- Kann es, so frage ich, überhaupt derart tragische kommen, dagegen sehr wohl besser durch Beratung Situationen geben, die es unter Umständen auch und Hilfe erreicht werden kann, objektiv zumutbar erscheinen lassen mögen, die (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Durchsetzung des Lebensrechts und die Wahrung der durch eine Beratung, die die Not- und Konfliktlage, in Menschlichkeit zuungunsten des ungeborenen Kin- der sich die Schwangere sieht, berücksichtigt, und des zurückzunehmen; in Anbetracht der schwierigen durch ein Angebot von Hilfe, das der Schwangeren Lebenssituation, in der sich die Mutter befindet? — Ich die sie belastenden Zukunftssorgen nimmt und sie in meine, dies kann in wenigen Konfliktfällen, in Grenz- die Lage versetzt, eine verantwortliche Entscheidung fällen so sein. Aber gerade weil dieser Schwanger- selbst zu treffen. schaftsabbruch in jedem Fall eine Tötung darstellt, ist es absolut notwendig, daß in jedem dieser Grenz- und Beides, meine Damen und Herren, ist durch den Konfliktfälle sowohl eine gründliche Überprüfung Gruppenantrag gewährleistet, nicht in optimaler, aber seitens des Arztes als auch, wenn erforderlich, nach- doch in richtiger Weise — richtig, weil die Hilfsmaß- träglich durch ein Gericht möglich und durchführbar nahmen an erster Stelle stehen und erst an zweiter sein muß. Stelle strafrechtliche Absicherungen Platz greifen. Mein Kollege Hans de With hat darauf hingewiesen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — daß dieses Verständnis von der richtigen Reihenfolge Zuruf von der SPD: Aber auch der Män- auch der Verfassungsgerichtsentscheidung aus dem ner!) Jahre 1975 zugrunde liegt. Es sei — so das Bundes- Vor diesem Hintergrund gelangen wir, die Unter- verfassungsgericht — „Aufgabe des Staates, in erster zeichner des Minderheitsentwurfs aus den Reihen der Linie sozialpolitische und fürsorgerische Mittel zur CDU/CSU, zu der Auffassung, daß der Mehrheitsent- Sicherung des werdenden Lebens einzusetzen" . In erster Linie, meine Damen und Herren! Die Strafan- wurf der Union verbesserungsbedürftig ist, drohung folgt zu Recht erst an zweiter Stelle. Sie ist (Freimut Duve [SPD]: Wie kann ein so selbst- zum Schutz des ungeborenen Lebens erst an dieser gerechter Mann zu einem solchen Thema so zweiten Stelle und nicht durchgängig geboten. sprechen?) Zusammenfassend: Die vorgeschlagene Regelung daß allerdings die anderen vorliegenden Entwürfe ist verfassungsrechtlich in Ordnung, weil sie dem eindeutig verfassungswidrig sind. Schutz des ungeborenen Lebens dient. Sie verbessert die Lebenswirklichkeit für die schwangere Frau, um (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ihr die Zukunftssorgen zu nehmen. Sie will und Absoluter Lebensschutz — dies räume ich ein — ist respektiert das verantwortungsbewußte Selbstent- nicht möglich. Wir streiten hier darüber, wo und in scheidungsrecht der Frauen. welcher Weise die Grenzlinie zwischen dem, was Wir Männer müssen heute über die vorliegenden rechtlich hingenommen werden kann, und dem, was Anträge mitentscheiden, und ich will dies auch. Bei rechtlich nicht hingenommen werden kann, verläuft. der Entscheidung über den Schwangerschaftsab- Es ist eine Tatsache, daß in einem Staat wie der doch bruch sollten wir aber den Frauen den Vortritt lassen. insgesamt reichen Bundesrepublik Deutschl and Jahr Ich sehe keinen Grund, warum der Gesetzgeber den für Jahr 300 000 ungeborene Kinder getötet wer- Frauen bei dieser Entscheidung mißtrauen sollte. Ich den. werde deshalb für den Gruppenantrag stimmen. Deswegen ist es absolut notwendig — nicht nur vor (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dem Hintergrund des Einigungsvertrages —, daß wir der CDU/CSU und der F.D.P.) jetzt auch und gerade vor dem Hintergrund unter- schiedlicher Erfahrungen und Rechtsvorstellungen in unserem neuen deutschen Staat dazu die Diskussion Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wort dem führen, in welcher Form wir die beste, die effektivste Abgeordneten Herbert Werner. Lösung zur Herbeiführung eines effektiveren Schut- 8256 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Herbert Werner (Ulm) zes des Lebensrechts des Ungeborenen durchführen gegen eine außerhäusliche Arbeit entscheiden kön- können. nen. Wir sind der Auffassung, daß das Schlagwort „Hilfe Wir waren im Sonderausschuß doch alle miteinan- statt S trafe" in unzulässiger Weise verkürzt. Der Staat der der Meinung, daß darüber hinaus die Unterstüt- hat umfassenden Schutz und Hilfe zu gewähren. zungen für Familien und Frauen verbessert werden müssen. So waren wir doch alle der Meinung, daß die (Freimut Duve [SPD]: Wenn Sie doch etwas bevorzugte Vergabe bei öffentlich gefördertem weniger selbstgerecht sprächen!) Wohnraum auch für Schwangere möglich werden Wir sind der Auffassung, daß sich die große Mehr- muß. Wir sind weiterhin der Auffassung, daß auch in zahl der schwangeren Frauen, die sich mit dem Zukunft Kindergeld und Kinderfreibeträge im Rah- Gedanken einer Abtreibung trägt, in auswegloser men des finanziell Möglichen weiter erhöht werden Situation fühlt. Aber ich füge gleichzeitig an: Objektiv müssen. betrachtet, gibt es in fast jedem Fall einen Ausweg, der im Rahmen der Rechtsordnung zumutbar ist. Meine Damen und Herren, für meine Freunde und mich aus der CDU/CSU sage ich ausdrücklich: Wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sind weiterhin der Überzeugung, daß die Bundesstif- Ob er jeweils auch im Rahmen des menschlich Erträg- tung „Mutter und Kind" eine unverzichtbare Angele- lichen vertretbar ist, dies ist eine Frage, die wiederum genheit ist und eine Aufgabe auch im Gesamtnetz der Arzt gemeinsam mit der Schwangeren nach vor- dieser sozialen Hilfen hat, weil sie in besonderer heriger gründlicher Diskussion in der Beratungsstelle Weise zielgerichtet dort, wo keine unmittelbare zu entscheiden hat. Abhilfe möglich erscheint, Abhilfe bringen kann. Aus diesen Gründen — aus den Gründen, daß es (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der Auswege und Hilfen genug gibt — möchte ich darauf SPD: Almosen!) hinweisen, daß wir bereits in den vergangenen Jahren Wir haben aus unserer Minderheitsgruppe heraus ein umfangreiches Paket an Hilfen geschaffen haben. während der Ausschußberatung die sogenannte Wir haben das Erziehungsgeld. Wir haben den Erzie- Obhutspflege in unseren Gesetzentwurf eingeführt. hungsurlaub verlängert. Wir haben die Hilfen für Wir meinen, daß wir damit der Schwangeren ein Frauen, die ihnen die Rückkehr in den Beruf nach zusätzliches Angebot machen können, noch einmal zu einer gewissen Kindererziehungszeit ermöglicht. Wir überlegen, ob sie denn nicht das Kind annehmen haben das Kindergeld und die Kinderfreibeträge möchte und kann, wenn sie sich dessen gewiß sein verbessert und erhöht. Wir, die Koalition, haben die darf, daß während des ersten Lebensjahres dieses Anrechnung von Erziehungszeiten im Rentenrecht Kindes das Kind in die Obhut genommen wird und sie geschaffen. Wir wollen jetzt gemeinsam das Familien- sich erst danach entscheiden muß, ob sie das Kind in geld schaffen. Alle in diesem Hause stimmen darin eine Adoption weitergibt oder zu sich nimmt. überein, daß ab 1999 ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz existieren soll, (Zuruf von der SPD: Unglaublich!) (Regina Schmidt-Zadel [SPD]: 1999?) Wer hier sagt, dies sei ein Zwang, gegen die Mütter gerichtet, dem stelle ich einfach die Frage: Ist es nicht wobei ich anfüge, daß ich persönlich sehr wohl sehe, besser, zusätzliche Angebote zu vermitteln, damit daß wir im Hinblick auf die Gemeinden und die Kinder ausgetragen werden, als diese zusätzlichen Länder wahrscheinlich nicht um ein Sonderprogramm Angebote von vornherein abzulehnen und in Kauf zu herumkommen können, um die notwendigen Investi- nehmen, daß in dem einen oder anderen Fall dann tionsmaßnahmen durchzuführen. eben doch ein Kind — Gott sei es geklagt — abgetrie- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ben wird? Wir haben, meine Damen und Herren, in unseren (Beifall bei der CDU/CSU) Vorschlägen, die in diesem Punkt mit denen der Notwendig ist, daß wir in unserer Gesellschaft Mehrheit aus der CDU/CSU übereinstimmen, schul- endlich der Wunschkindideologie Lebewohl sagen, begleitende Maßnahmen zur Betreuung der Kinder die auf das törichte Denken zurückgeht, es müsse in und familienergänzende Maßnahmen vorgesehen, unserer Gesellschaft alles machbar, planbar, perfekt wobei ich darauf hinweisen möchte, daß auch Tages- und vorherbestimmbar sein. betreuung eine ergänzende Funktion haben soll und muß und nicht etwa dazu führen darf, daß die Mutter, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) die keiner außerhäuslichen Berufstätigkeit nachgeht Wir legen besonderen Nachdruck auf die Hilfen. und sich ausschließlich der Erziehung ihrer Kinder Aber wir sind der Auffassung, daß der Staat auf den widmet, im öffentlichen Bewußtsein weiter zurückge- strafrechtlichen Schutz, die strafrechtliche Mißbilli- setzt wird. gung nicht verzichten darf. (Beifall bei der CDU/CSU) Es geht um die Wahrung des Lebensrechts aller. Es Deswegen glauben wir, daß wir alle miteinander in geht auch darum, in der Öffentlichkeit bewußt zu diesem Hause verpflichtet sind, Hilfen für die Fami- halten, daß die strafrechtliche Mißbilligung nicht lien und die Frauen insgesamt so zu gestalten, daß sich zuletzt auch eine hohe präventive Funktion hat. die Schwangeren und die Familienmütter ohne Deswegen sind wir alle miteinander z. B. der Auffas- Außendruck, vor dem Hintergrund ihrer individuellen sung, daß die Schwangere gegen Nötigung geschützt Lebenssituation und Lebensperspektive, für oder werden müsse. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8257

Herbert Werner (Ulm) Wir haben während der Ausschußberatungen zwar haben bisher in dieser Debatte sehr gegensätzliche nicht unsere Grundsätze in unserem Entwurf verän- Standpunkte mit großer Ruhe ertragen; es gab auch dert, wir haben aber die Aussagen, die wir getroffen immer wieder einmal einen Zwischenruf. Aber ich haben, präzisiert, um damit deutlich zu machen, daß halte es nicht für gut, wenn ein Redner permanent mit dort, wo die Kongruenz der Schwere der Fälle mit der Zwischenrufen bedient wird. medizinischen Indikation gegeben ist, daß dort, wo eine echte Rechtsgüterkollision im Konfliktfall vor- Herbert Werner (Ulm) (CDU/CSU): Herr Präsident! handen ist, daß dann dort in der Tat unter ganz Ich werde dies ertragen, zumal wenn ich sehe, welche bestimmten Indikationsbedingungen ein Schwanger- Kollegen dies sind. schaftsabbruch vertretbar erscheint. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben deswegen präzisiert: Wir haben die Ich bitte insbesondere die Kollegen auf der linken vitalmedizinische Indikation als Rechtfertigungs- Seite — vom Rednerpult aus gesehen — recht herzlich grund ausgeführt und wir haben die sogenannte darum, zur Kenntnis zu nehmen, daß in einem Staat erweiterte medizinische Indikation präzisiert, die es wie dem Staat des Grundgesetzes, der sich ganz bei uns in anderer Form im Entwurf bereits gab. Wir bewußt zu einer objektiven Werteordnung bekennt, haben dort — das ist neu — in den Rahmen der auch eine Überprüfung dessen möglich sein muß und besonderen Bedrängnis auch Straftaten nach gefordert ist, was im Rahmen einer Tötungshandlung §§ 176 ff. hineingenommen, also Vergewaltigung und und des Schwangerschaftsabbruchs geschieht. sexueller Mißbrauch von Kindern, wobei wir deutlich sagen, daß nicht allein der Tatbestand des Mißbrauchs Lassen Sie mich zum Schluß für mich persönlich oder der Vergewaltigung der Grund für eine Abtrei- noch dreierlei anfügen: bung sein kann. Vielmehr fügen wir hinzu, daß wir zur Ich habe Verständnis, wenn sich manche Kollegin Voraussetzung machen müssen, daß auch dort der und mancher Kollege durch Bischofsworte in der Arzt in seiner gesamtmedizinischen, ärztlichen Beur- einen oder anderen Form angekratzt und aufge- teilung zu der Erkenntnis kommt, daß es keine andere schreckt fühlt. Nur, ich möchte hier ganz eindeutig zumutbare Maßnahme und Möglichkeit gibt, eine unterstreichen: Es ist die elementare Aufgabe zualler- Abtreibung zu verhindern. erst der Kirchen, darauf zu achten, daß christliches und auch naturrechtliches Gedankengut eben nicht (Freimut Duve [SPD]: Das ist ja doll! Das muß an den Rand des gesetzgeberischen Gestaltens gerät, erst der Arzt beurteilen?!) meine Damen und Herren. — Jawohl. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben darüber hinaus daran festgehalten, daß Zum zweiten möchte ich für mich persönlich anfü- - in jedem Fall der Arzt sämtliche objektiven Beweg- gen, daß ich die übrigen Entwürfe ablehnen werde, gründe und Gesichtspunkte, die er mit Hilfe der weil sie nach meiner Grundüberzeugung die Situation Schwangeren feststellen kann, festhält nicht wesentlich verbessern werden. (Freimut Duve [SPD]: Das entscheidet dann der Arzt?! Das ist unglaublich!) Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Werner, und die Dokumentation darüber durchführt. Ihre Redezeit ist um. Wir lehnen die soziale Indikation und eine eugeni- sche Indikation ab. Herbert Werner (Ulm) (CDU/CSU): Zum dritten bin ich der Auffassung, daß wir diese Diskussion nicht (Freimut Duve [SPD]: Das ist ja wie in heute beenden werden, sondern daß wir alle uns nach Irland!) dem Spruch unseres höchsten Gerichts mit dieser Dem Arzt kommt — ich habe das gerade angedeu- Frage in Fairneß, aber in aller Härte noch einmal tet — eine entscheidende Rolle zu. Weil sich der Arzt auseinandersetzen müssen. in dieser verantwortlichen Rolle befindet, weil er in Vielen Dank. dieser Situation gleichsam in Stellvertretung für den (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Staat — der, wenn überhaupt jemand, das Recht hat, eine Tötung hinzunehmen — handelt, muß er in besonderem Maße auch zur Dokumentation, zur Ver- Vizepräsident Hans Klein: Als nächste hat die Kol- objektivierung verpflichtet sein. legin Dorle Marx das Wort. (Freimut Duve [SPD]: Er kann dann die Frau zwingen, das Kind nach einer Vergewalti Dorle Marx (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegin- gung zu bekommen?! Das ist ja unglaub nen und Kollegen! Sie werden mir abnehmen, daß ich lich!) die bisherigen Debattenbeiträge mit besonderer Auf- merksamkeit verfolgt habe; ich bin nämlich selbst Das alles muß durch ein Gericht nachprüfbar sein, schwanger. (Freimut Duve [SPD]: Das ist ja schlimmer als In welche Gesellschaft hinein gebären wir Frauen in Irland!) heute Kinder? Die Mitteilung: „Ich bekomme ein das selbstverständlich auf die Verfolgung und die Kind" löst nach wie vor sicher in der Mehrzahl der Strafe verzichten kann. Fälle erst einmal in der persönlichen Umgebung positive Gefühle aus, oft sogar Rührung. Dann kom- men aber auch schon ganz schnell die wohlmeinen- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Werner, den Nachfragen aus dem Freundes- und Bekannten- verzeihen Sie, einen Moment! — Herr Duve, wir kreis. Auch mir, einer mit einem liebevollen Vater für 8258 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dorle Marx das Kind versehenen und materiell abgesicherten Der strafrechtliche Schutz, den wir bisher haben, gilt Abgeordneten, werden Fragen gestellt. Ich bin in den nur dem gesunden vorgeburtlichen Leben. letzten Wochen immer wieder gefragt worden: Kannst Ein Beispiel, das ich persönlich nie verstanden du dir denn als Abgeordnete wirklich ein Kind leisten? habe. Ich weiß, Sie, die Befürworter des Indikationen- Willst du nicht doch lieber die Fruchtwasseruntersu- modells, meinen das nicht so, wie es bei mir ankommt. chung machen lassen? Stell dir doch mal vor, dein Aber es gibt jetzt schon die Regelung — und die soll Kind ist vielleicht behindert. — Und die nächste Frage: nach Ihren Vorstellungen auch beibehalten wer- Willst du wirklich vorher nicht wissen, ob es ein den —, daß bei einer abzusehenden Behinderung des Mädchen oder ein Junge wird? Kindes der selbstveranwortlichen Entscheidung der All das sind — ich sagte es bereits — wohlmeinende Schwangeren innerhalb Ihres Modells der Vorrang Fragen. Es sind ganz normale Fragen in unserer vor dem Lebensrecht des Kindes eingeräumt wird. Die Leistungsgesellschaft. Ein Kind hat geplant, ein Kind Begründung ist ja nachvollziehbar. Sie folgen der hat gesund und seine materielle Zukunft hat bestmög- Erkenntnis, daß das Leben des Kindes nicht gegen das lichst gesichert zu sein. Versicherungsunternehmen Leben der Mutter geschützt werden kann, deren empfehlen die frühzeitige Ausbildungsabsicherung. Leben in diesen Fällen durch einen auferlegten In der dicken Wochenzeitschrift für Leute mit viel Zeit Gebärzwang wahrscheinlich eine übermäßige Beein- wird die kostenträchtige Anmeldung in eliteverdäch- trächtigung erfahren würde. tige Internate empfohlen. Die dringend empfohlene Aber die Beeinträchtigung, die die Verantwortung Zubehörausstattung für den Kinderwagen erinnert an für jedes Kind mit sich bringt, wird doch individuell die Ausstattungslisten des Autohändlers. Der heute immer ganz verschieden sein. Warum steht der für einen Kinderwagen geforderte Preis mit dem Schwangeren dann aber nach Ihrem Modell bei einem Zubehör entspricht übrigens dem Zuschuß von behinderten Kind die Einrede der persönlichen Unzu- 1 000 DM, der hier auch schon genannt worden ist. mutbarkeit zu, bei einem gesunden aber erst einmal nicht? (Zustimmung bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wer dies alles nicht bedenkt und gar noch die Anmeldung für den Kindergartenplatz unmittelbar Um es als Beispiel zu sagen: Es kann für mich als nach der Geburt versäumt, ist selber schuld, hat Abgeordnete im Grunde zumutbarer sein, ein mongo- irrational, irgendwelchen Trieben folgend, ein Kind in loides Kind auf die Welt zu bringen und großzuziehen die Welt gesetzt und wird seiner Verantwortung nicht als vielleicht ein gesundes Kind für eine Frau in einer gerecht. schwierigen sozialen Lage, arbeitslos, alleinerziehend in den neuen Bundesländern. Aber da ist doch noch etwas von den Urinstinkten übrig. Da entsteht Leben ohne vorherige Einsicht- nahme in den Kontenstand der Eltern und das Platz- Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin, gestatten angebot in der Wohnung. Da wächst und gedeiht Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hüppe? etwas, und dieses Leben — darin stimme ich mit Ihnen allen überein — wollen wir schützen. Dorle Marx (SPD): Nein. (Beifall bei der SPD, bei Abgeordneten der Die Strafrechtsregelung entscheidet im Indikatio- CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. nenmodell nicht für oder gegen das Leben, sondern Konrad Weiß [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE enthält eine eigene Wertung nach allgemeinen sozia- GRÜNEN]) len Kriterien. Der soziale Konflikt, in den das vorge- burtliche Leben des Kindes mit dem der Mutter Es macht mich nun aber zornig und auch traurig, geraten kann, läßt sich aber nur ganz persönlich und daß die Befürworter der strafrechtlichen Lösung den individuell entscheiden. Ich möchte mich hier ganz Befürwortern einer Fristenregelung immer wieder besonders an die Kolleginnen wenden, die selbst pauschal unterstellen, diese wollten Schwanger- schon ein Kind geboren haben. schaftsabbrüche erleichtern und würden das vorge- burtliche Leben geringerschätzen, als die Anhänger Ich weiß schon jetzt, daß mir die ganz persönliche einer strafrechtlichen Lösung dies für sich in Anspruch Letztverantwortung für das Kind, das in mir wächst, nehmen. niemals jemand abnehmen kann, nicht der liebevoll- (Beifall bei der SPD) ste Vater, nicht die treusorgendsten Freunde, keine noch so freundliche Kirche und auch nicht ein mütter- Meine Ausgangsfrage als Betroffene ist: Wie kann licher Staat. Ich sage nicht: Mein Bauch gehört mir; die Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen so gering aber zuallererst und zuallerletzt trage ich die Verant- wie nur irgend möglich gehalten werden? wortung für das In-die-Welt-Bringen dieses Kindes. (Beifall bei der SPD) Wie soll Strafrecht hier meine Verantwortung beför- dern oder, im Fall eines behinderten Kindes, vermin- Welche Lösung garantiert den größtmöglichen dern? Lebensschutz? Für die Untauglichkeit des Strafrechts zum indivi- Die Drohung mit Strafe für den unerlaubten duellen Lebensschutz gibt es übrigens noch ein wei- Abbruch hat erwiesenermaßen solche Abbrüche bis- teres Beispiel. Jahrhundertelang war der Selbstmord her nicht verhindert, und sie wird es auch künftig nicht strafbar. Mißlang er, konnte man eingesperrt werden. tun. Die Strafrechtsregelung ist aber nicht nur untaug- Gelang er, wurde das Erbe eingezogen, also die lich, sie enthält auch Wertungswidersprüche in sich — Familie bestraft. Bereits in der Französischen Revolu- Herr Kollege Baum hat bereits darauf hingewiesen —: tion wurde die Forderung nach der Abschaffung der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8259

Dorle Marx Strafbarkeit des Selbstmords erhoben. Heute ist Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wort dem Selbstmord nicht mehr strafbar. Niemand kommt auf Kollegen Horst Eylmann. die Idee, der Staat erleichtere damit den Selbstmord oder wolle ihn gar befördern. Es bleibt in diesem Fall Horst Eylmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine die Trauer um den verlorenen Menschen und die sehr verehrten Damen! Meine Herren! Dies ist — wie Frage, ob und was hätte aktiv getan werden können, sollte es auch anders sein — eine Debatte der persön- um die Entscheidung für das Leben zu ermöglichen. lichen Bekenntnisse, der moralischen Appelle, der Sie mögen jetzt einwenden, der Selbstmord sei mit entschiedenen Haltungen, zuweilen auch der großen der Tötung des vorgeburtlichen Lebens nicht ver- Worte, aber auch eine Debatte der kritischen und gleichbar, das Leben des Kindes sei doch ein ganz zweifelnden Nachdenklichkeit. Und das ist gut so. eigenes. Ich behaupte, daß jeder Schwangerschafts- Die Freuden und Lasten der menschlichen Fort- abbruch eine Art von partiellem Selbstmord für die pflanzung sind unter den Geschlechtern höchst unter- Mutter, eine Vernichtung eines Stücks des eigenen schiedlich verteilt. Nach dem beiderseitigen kurzen Ichs ist Vergnügen folgt für die Frau neun Monate lang die (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Beschwer der Schwangerschaft und der Geburt, und F.D.P. sowie des Abg. Konrad Weiß [Berlin] dann beginnt erst die schwerste Last: die jahrelange [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sorge für und um das Kind. Auch heute noch tragen und von der Schwangeren auch genauso empfunden die Frauen zu 90 % die Last der Erziehung der Kinder. wird. Das erklärt auch folgendes: Die Trauer nach Gerade wir männlichen Politiker wissen das ja am einem nicht mit Strafe bedrohten Abbruch ist nicht besten, denn wir müssen ja unseren Frauen diese geringer und kann es auch nicht sein als bei einer Aufgabe überlassen. bisher noch strafbewehrten Entscheidung gegen das Die Entscheidung, ein Kind auszutragen, ist für eine Austragen eines Kindes. Frau eine Entscheidung, die tief in ihr Leben eingreift und bis an die Wurzeln ihrer Existenz reicht. Und diese Die Verantwortung — ich sagte es bereits — nimmt Last auf sich zu nehmen, können wir von ihr nur mir niemand ab. Wenn wir heute statistisch belegbar verlangen — das ist meine Überzeugung —, wenn sie wissen, daß aktiver Lebensschutz wirksam nur durch diese Last selbst annimmt. soziale Hilfsangebote befördert werden kann: Wie können wir dann noch einen Tag länger zögern? Die (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei Verweigerung längst überfälliger sozialer Hilfen Abgeordneten der PDS/Linke Liste) unter dem Verweis auf Geldnöte verhöhnt aus meiner Das Leben des ungeborenen Kindes kann nicht gegen Sicht die allseits betonte Verpflichtung zum Lebens- den Willen der Frau geschützt werden, heißt es in der schutz. gemeinsamen Erklärung der Kirchen. Eine richtige (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Erkenntnis; wäre sie nur von allen Bischöfen auch in der F.D.P.) den letzten Wochen noch beherzigt worden! Mit Liebe allein bekomme ich ein Kind schon lange (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem nicht mehr groß. Das belegen nicht nur die Säuglings- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- sterberaten in den armen Ländern dieser Erde. Und ordneten der PDS/Linke Liste) ohne Liebe geht es erst recht nicht. Liebe zum Leben Freilich, meine Damen und Herren, was da im kann nicht qua Gesetz verordnet werden. Daher bitte Körper einer Frau heranwächst, mag es auch noch so ich Sie um eine ernsthafte Selbstverpflichtung auch symbiotisch mit ihr verbunden sein, ist eine neue des Bundes zum aktiven Lebensschutz und die Existenz, ist mehr als ein bloßer Bestandteil des Zustimmung zum Gruppenantrag. mütterlichen Körpers. Diese Existenz verdient Schutz, auch staatlichen Schutz. Dazu brauche ich gar nicht in (Anhaltender Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P., der PDS/Linke die Verfassung zu sehen. Aber die Frage ist: Kann ich Liste und des Abg. Konrad Weiß [Berlin] diese Existenz gegen den Willen der Mutter schützen? Damit ist schon das ganze Dilemma umrissen, in dem [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) wir uns hier befinden und das sich niemals glatt und sauber auflösen läßt. Es bleibt immer „ein Rest zu tragen peinlich! " Deshalb stören mich auch häufig die Vizepräsident Hans Klein: Meine Damen und Her- großen Worte, die dann oft zu schrecklichen Verein- ren, mir ist eben das Begehren auf eine Kurzinterven- fachungen führen. tion vorgetragen worden. Ich würde es gern zulassen, wenn Sie, Herr Kollege, es wirklich ganz kurz (Zustimmung bei der F.D.P. und der SPD) machen. Nur: Wenn wir das Instrument der Kurzinter- Der Kollege Werner und seine Freunde meinen, der vention heute strapazieren, kommt diese Debatte mit Schutz des ungeborenen Lebens sei auch gegen den den vielen Redebeiträgen — jeder kann sich ja zu Willen der Mutter notwendig und praktisch zu ver- Wort melden — aus der Reihe. Also: einen Satz. wirklichen. Sie sagen, das geborene und das ungebo- (Widerspruch bei der CDU/CSU und der rene Leben seien im Prinzip gleichwertig. Niemand SPD) dürfe über ungeborenes Leben verfügen. Diese Lösung erscheint logisch und einfach, aber das Leben ist weder logisch noch einfach. Hubert Hüppe (CDU/CSU): Ich möchte nur darauf (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU hinweisen, daß der Werner-Entwurf keine eugenische sowie bei der F.D.P., der SPD und dem Indikation beinhaltet. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 8260 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Horst Eylmann Ob eine vergewaltigte Frau ihr Kind zur Welt bringen blik — von einigen regionalen Erschwernissen abge- muß, darf nach diesem Entwurf nicht sie selbst ent- sehen — einen Arzt finden, der den Schwanger- scheiden, sondern das soll der Arzt entscheiden, und schaftsabbruch vornimmt. Wenn man das als eine er darf es nur dann zulassen, wenn es unzumutbar ist. Fristenlösung bezeichnet, dann haben wir eine, nur Die Unzumutbarkeit richtet sich nach der psychischen leicht von einer Indikationenlösung verschleiert, und Robustheit der Frau. wir würden sie auch nach dem Mehrheitsentwurf der (Zustimmung bei der F.D.P.) Union behalten. Eine Frau muß eine Schwangerschaft selbst dann Deshalb kann ich auch nicht die moralischen Ver- austragen, wenn feststeht, daß ihr Kind unter schwer- dammungsurteile akzeptieren, die die Anhänger des sten, ein menschenwürdiges, ja ein bewußtes Leben Mehrheitsentwurfs gegen die Anhänger des Grup- unmöglich machenden Behinderungen leiden wird. penantrags richten. Wenn die betreffende Frau von sich aus diesen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Beschluß faßt, hat sie meine Hochachtung. Aber kann sowie bei der F.D.P. und der SPD) ich das von ihr verlangen? In den praktischen Auswirkungen unterscheiden sich (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU beide Entwürfe nur minimal. — Auf die Rechtswirk- sowie bei der F.D.P., der SPD und dem lichkeit kommt es mir an. „An ihren Früchten sollt ihr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sie erkennen", steht in der Bibel. — Jedem, der dies Würden Sie, liebe Kollegen in diesem Hause, das bestreitet — auf welchem Flügel dieses Hauses auch tun, wenn es sich um Ihre Ehefrau, um Ihre Tochter immer —, kann ich die Feststellung nicht ersparen, handeln würde? Hier zeigt sich wieder einmal, daß daß er die Wirklichkeit nur unzulänglich erfaßt. jedes Prinzip, klingt es auch noch so logisch, ist es (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der auch noch so begründet, zu Ende gedacht geradezu SPD) zwangsläufig im Inhumanen endet. Nun könnte man mir allerdings die Frage stellen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU warum ich denn nicht für den Mehrheitsentwurf sowie bei der F.D.P., der SPD und dem stimme, wenn dessen Ergebnis so nahe bei dem des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gruppenantrags liegt. Mit dieser Frage habe ich mich Der Mehrheitsentwurf der Union geht — mit lange auseinandergesetzt; denn ich entferne mich in Recht — einen anderen Weg. Er gibt das Prinzip, dieser Frage ungern von meiner Fraktion. Aber der ungeborenes Leben dürfe grundsätzlich nicht zur Unionsentwurf wäre eine Scheinlösung. Disposition stehen, auf. Und wenn man diesen Grund- (Zustimmung hei der F.D.P.) - satz aufgibt, sind folgende Fragen zu beantworten: Unter welchen Voraussetzungen darf eine Schwan- Der Staat würde mit dem Strafrecht drohen, obwohl er gerschaft unterbrochen werden? Wer entscheidet dar- weiß, daß diese Drohung ins Leere stößt, weil es dem über? bloßen Zufall überlassen bleibt, ob es zur Strafverfol- gung eines Arztes kommt. Die Union sagt, es gibt so viele verschiedene Gründe, die einer Frau das Austragen einer Schwan- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU gerschaft unzumutbar machen, daß es unmöglich ist, sowie bei der F.D.P., der SPD und bei Abge- dies in bestimmten Fallgruppen zu umreißen. Das ist ordneten der PDS/Linke Liste) richtig. Deshalb nimmt die Union Zuflucht zu einer Dies ist nicht, wie immer gern behauptet wird, ein pauschalen Indikation, die sie psychosoziale Notlage Problem der Dunkelziffer, die es bei Straftaten natür- nennt. Ob sie vorliegt, soll nicht etwa eine staatliche lich immer gibt. 1990 hat es in der Bundesrepublik Kommission entscheiden. Man weiß, daß die Frauen mehr als 700 000 Strafverurteilungen gegeben, aber hi diesem Lande das nicht tolerieren würden. Deshalb gerade sieben wegen Verstoßes gegen § 218 StGB, weicht man der staatlichen Verantwortung aus und obwohl in diesem Jahr nach einer Schätzung des privatisiert diese Feststellung, indem man sie in die Deutschen Ärztetages 200 000 bis 250 000 Abbrüche Hand der Ärzte legt. in den alten Ländern vorgekommen sind. Davon (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU haben die Ärzte nur 78 000 gemeldet, obwohl sie sowie bei der F.D.P., der SPD und der PDS/ gesetzlich dazu verpflichtet sind, aber 88 000 mit den Linke Liste) Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechnet. Ist deren Entscheidung vertretbar, bleiben sie straflos. (Heiterkeit bei der SPD) Ist sie unvertretbar, werden sie verurteilt. Darüber, Man braucht nur diese Zahlen zur Kenntnis zu neh- wann Vertretbarkeit oder Unvertretbarkeit vorliegt, men, um zu wissen, daß das Strafrecht bei der schweigt sich der Gesetzgeber aus. Bekämpfung des Schwangerschaftsabbruchs keine Im Endergebnis, meine Damen und Herren, würde Rolle mehr spielt, weder bei uns noch irgendwo in der sich, fände dieser Entwurf die erforderliche Mehrheit, Welt. Die Weltgesundheitsorganisation hat das an der gegenwärtigen Rechtswirklichkeit in diesem gerade festgestellt. Lande nichts ändern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P. und der SPD) sowie bei der F.D.P. und der SPD) Und glauben Sie bitte nicht, die Bürger draußen im Jede Frau, die in den ersten 12 Wochen einen Lande würden nicht merken, daß wir hier eine Schein- Abbruch vornehmen will, würde in der Bundesrepu lösung produzieren. Sie haben ohnehin nur noch ein Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8261

Horst Eylmann begrenztes Verständnis für manche Punkte, über die Recht, aber auch die damit verbundene Verantwor- wir hier stundenlang diskutieren. tung formal zu übertragen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Stehen wir den schwangeren Frauen mit Rat und F.D.P., der SPD und der PDS/Linke Liste) Hilfe zur Seite, schärfen wir ihr und unser aller Bewußtsein für den Wert des menschlichen Lebens, Ich werde für den Gruppenantrag stimmen, nach- aber geben wir den untauglichen Versuch auf, diese dem es meinen Mitstreitern und mir gelungen ist, ihn ungeheure schwierige Lebenssituation, in der sich in unserem Sinne zu verbessern. — Ich darf betonen: eine ungewollt schwanger gewordene Frau befindet, Auf mich ist von meiner Fraktion nicht der geringste mit dem Strafrecht lösen zu wollen! Druck ausgeübt worden, mich anders zu entscheiden. — Wir waren uns mit den Initiatoren des Gruppenan- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) trags einig, daß die letzte Entscheidung über einen Versuchen wir statt dessen, unsere Gesellschaft kin- Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wo- derfreundlicher zu machen! Das ist nicht nur eine chen der Schwangeren selbst zustehen sollte. Ich bin Aufgabe für die Politik, sondern dazu kann jeder mit Nachdruck der Auffassung, daß die Entscheidung Arbeitgeber, jeder Arbeitskollege, jeder Vermieter, bei der Mutter besser aufgehoben ist als beim Arzt. jeder Mitmieter und jeder Nachbar seinen Teil beitra- gen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P., der SPD und bei Abge Vielen Dank. ordneten der PDS/Linke Liste) (Anhaltender Beifall bei Abgeordneten der Aber wir wollten noch klarer zum Ausdruck CDU/CSU sowie bei der F.D.P., der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE gebracht wissen, daß ein Schwangerschaftsabbruch GRÜNEN) in den ersten zwölf Wochen nicht im Bereich des ethisch Indifferenten, im Beliebigen anzusiedeln ist. Das haben wir erreicht; denn die Beratung ist eindeu- Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile dem Kollegen tig auf den Schutz des ungeborenen Lebens ausge- Professor Dr. Jürgen Meyer das Wort. richtet. Sie dient dem Lebensschutz durch Rat und Hilfe für die Schwangere und soll dazu beitragen, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft beste- Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Herr Präsident! hende Not- und Konfliktlage zu bewältigen. So steht Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege es in unserem Gruppenantrag. Die Tendenz ist ein- Eylmann hat mir in vielen Punkten aus dem Herzen deutig: Die Beratung ist nicht neutral. gesprochen. Deshalb verzichte ich darauf, mich jetzt im einzelnen mit dem Antrag der Gruppe Werner und - Die von den Kritikern des Gruppenantrags, vor andere noch auseinanderzusetzen. allem auch von der katholischen Kirche, immer wie- der verwendete Argumentation, mit der Strafdrohung Mehrere Vorredner haben darauf hingewiesen, daß falle auch die ethische Mißbilligung des Schwanger- uns der Einigungsvertrag zur Reform verpflichtet. schaftsabbruchs, ist eindeutig falsch. Dem füge ich hinzu: Wer gleichwohl darauf spekulie- ren würde, daß keiner der heute vorliegenden Ent- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU würfe eine Mehrheit findet und daß nach der Aufhe- sowie bei der F.D.P. und der SPD) bung des ostdeutschen Rechts durch das Bundesver- Unsere sittlichen Normen verbieten vieles, was nicht fassungsgericht das westdeutsche Indikationenrecht im Strafrecht steht. Nur ein Beispiel: Die Zehn Gebote künftig in der gesamten Bundesrepublik gilt, ver- sind elementare ethische Regeln für das friedliche und stieße gegen Buchstaben und Geist des Einigungsver- gottgefällige Miteinanderleben der Menschen; aber trages. Konsensverweigerung ist kein Beitrag zur nur ein Teil der Zehn Gebote findet sich in unseren inneren Wiedervereinigung. Strafgesetzen wieder. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Strafnormen sind kein Selbstzweck. Sie haben nur Der Einigungsvertrag sagt mit großer Deutlichkeit, dann ihren Sinn, wenn ich mit ihnen etwas erreichen, daß die notwendige Reform vor allem durch rechtlich auf das H andeln der Menschen Einfluß nehmen gesicherte Ansprüche für Frauen, insbesondere auf kann. Beratung und soziale Hilfen, erreicht werden soll. Es soll also vor allem um Hilfe, nicht um Strafe gehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Darum haben sich die vor neun Monaten eingebrach- sowie bei der F.D.P. und der SPD) ten sechs Entwürfe in mehr oder weniger überzeugen- Kann ich das Ziel auf einem anderen Weg erreichen, der Weise bemüht. dann darf ich Strafnormen gar nicht einsetzen. Es zeigte sich aber sehr bald, daß keiner dieser Wir schreiben hoffentlich ein letztes Kapitel in der Entwürfe eine Mehrheitschance hatte. Wenn wir dem traurigen Geschichte der Entmündigung und Bevor- Auftrag des Einigungsvertrages, der Verfassungsrang mundung der schwangeren Frauen. hat, gerecht werden und die Lage schwangerer Frauen in Ost- und Westdeutschland verbessern woll- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ten, mußten wir also einen neuen Entwurf vorlegen. der F.D.P. — Beifall bei der SPD) Das war unser Leitmotiv, warum wir Sozialdemo- In der Wirklichkeit unserer Tage haben sie längst die kraten, obwohl wir unseren Entwurf nach wie vor für Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch den besten halten, uns in langen Gesprächen mit selber in die Hand genommen. Jetzt geht es darum, Kolleginnen und Kollegen wie Frau Würfel und Herrn ihnen in einem Europa der offenen Grenzen dieses Eylmann um den Gruppenantrag bemüht haben. Bei 8262 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) diesen Verhandlungen haben alle Beteiligten Zuge- Baum mit Recht von einem Beratungsentwurf gespro- ständnisse machen müssen. Sonst wären sie geschei- chen hat, ergab sich aber damals vor allem daraus, daß tert. die Schwangere in den ersten zwölf Wochen der Was uns aber verbindet, ist die gemeinsame Über- Schwangerschaft im Falle des Abbruchs auch ohne zeugung, daß Hilfe werdendes Leben besser schützt Beratung straflos bleiben sollte. Die damals für das als Strafe. Wir gehen gemeinsam davon aus, daß Gebiet des Sozialrechts vorgesehenen Regelungen halten keinen Vergleich aus mit den im Gruppenan- Beratung nur dann einen Sinn hat, wenn sie ohne Druckkulisse stattfindet, wenn der Schwangeren trag vorgesehenen Hilfsansprüchen vom Recht auf keine Darlegungspflicht und kein Rechtfertigungs- Kindergartenplatz bis hin zu den Arbeitsförderungs- maßnahmen. zwang auferlegt werden. Es muß von Anfang an klar sein, daß die Gewissensentscheidung der Schwange- (V o r s i t z: Vizepräsident Dieter-Julius Cro- ren jedenfalls bei Einhaltung der gesetzlichen Frist nenberg) keiner staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Was damals nur ansatzweise in einem Ergänzungsge- Kontrolle unterworfen wird. setz stehen sollte, das lediglich geplant und noch nicht Hier liegen zugleich die entscheidenden Schwach- einmal verabschiedet worden war, ist heute der punkte und inneren Widersprüche des CDU/CSU Hauptgegenstand des Gruppenantrags. Dieser macht Mehrheitsentwurfs. Er wendet sich einerseits gegen Ernst mit dem bekannten Leitsatz der Entscheidung eine Fristenregelung, weil vorgeburtliches Leben von von 1975, daß der Gesetzgeber die grundgesetzlich Anfang an strafrechtlich zu schützen sei. Andererseits gebotene Mißbilligung des Schwangerschaftsab- sehen Sie selbst eine Zwölf-Wochen-Frist vor, in der bruchs auch auf andere Weise zum Ausdruck bringen die Schwangere, nicht aber der Arzt, den Abbruch kann als mit dem Mittel der Strafdrohung. nach Beratung straflos durchführen darf, eine immer Zweitens wäre selbst im Falle eines identischen noch beachtliche Strafschärfung auch gegenüber dem Gesetzes die Bindungswirkung der früheren Ent- geltenden westdeutschen Recht, das einen persönli- scheidung eine höchst relative. Das Gericht selbst ist chen Strafausschließungsgrund für die Schwangere an frühere Entscheidungen nicht gebunden, im vorlie- bis zur 22. Woche enthält. Auch die von Ihnen vorge- genden Fall um so weniger, als jetzt ein anderer Senat sehenen Indikationen verbinden Sie doch mit Fristen, zuständig ist. Wichtiger aber ist, daß eine frühere und zwar von 20 bis 22 Wochen bei der kindlichen Entscheidung durch neue Erkenntnisse überholt sein Indikation und zwölf Wochen bei der psycho-sozialen kann. Diese gibt es in doppelter Hinsicht. Einmal hat Notlage. Ihre Kritik an Fristenregelungen wendet sich sich die vom Bundesverfassungsgericht selbst maß- also gegen Ihren eigenen Entwurf. geblich initiierte Indikationenregelung in den 17 Jah- ren ihrer Geltung als wenig geeignet erwiesen, vor-- (Beifall bei der SPD) geburtliches Leben zu schützen. Zum anderen ist die Die von Ihnen vorgesehene Dokumentationspflicht Wirkung von Strafrecht als staatlichem Instrument ist die Grundlage für eine spätere staatsanwaltschaft- zum Schutz des werdenden Lebens in einer großen liche und gerichtliche Überprüfung der Gewissens- Forschungsanstrengung in den letzten zehn Jahren entscheidung der Frau. Wir lehnen aber jede Neuauf- empirisch und rechtsvergleichend so umfassend lage der Memminger Prozesse mit großem Nachdruck untersucht worden wie kaum ein anderes Strafrechts- ab. problem. Die Untersuchungsergebnisse des Freibur- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ger Max-Planck-Institutes für ausländisches und der F.D.P.) internationales Strafrecht rechtfertigen die Feststel- lung: Das Strafrecht ist kein geeignetes Mittel zum Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Schutz des werdenden Lebens. Das wird auch das Diskussion der letzten Monate ist häufig mit dem Blick höchste Gericht zur Kenntnis nehmen, zumal wir im auf das Bundesverfassungsgericht geführt worden. Gruppenantrag das Strafrecht lediglich zurückneh- Offenbar in der Erwartung, daß der Gruppenantrag men, nicht aber ganz darauf verzichten. heute eine Mehrheit finden könnte, ist uns aus der Drittens kommt im Gruppenantrag im Unterschied CDU/CSU-Fraktion bereits mit der Verfassungsklage zu anderen Entwürfen die grundgesetzlich gebotene gedroht worden. Ich will deshalb die vier Gründe Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs auch nennen, warum wir dem Gang nach Karlsruhe mit strafrechtlich mit großer Deutlichkeit zum Ausdruck. großer Zuversicht und Gelassenheit entgegensehen. Ich muß das nicht ausführen, nachdem mein Kollege Erstens bezog sich das bekannte Urteil des Bundes- Horst Eylmann das so überzeugend getan hat. verfassungsgerichts von 1975 auf eine Fristenrege- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) lung, die mit dem Schwangeren- und Familienhilfe- gesetz des Gruppenantrages nicht gleichgesetzt wer- den kann. Die Aufgabe der Beratung, die nach dem Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Pro- fessor Meyer, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Gruppenantrag eine wesentliche Hilfe in der Not- und Abgeordneten Jäger zu beantworten? Konfliktlage der Schwangeren sein soll, ist damals nur angedeutet worden, was vom Bundesverfassungsge- richt ausdrücklich gerügt worden ist. Im Gegensatz Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Ich möchte jetzt zu zum Gruppenantrag sollte damals der Arzt, der den Ende reden. Schwangerschaftsabbruch durchführte, auch die Be- Viertens läßt der Gruppenantrag keinen Zweifel zu, ratung durchführen können, und zwischen Beratung daß er mit der vom Bundesverfassungsgericht so und Eingriff war keine Karenzzeit vorgesehen. Das genannten Schutzpflicht des Staates zugunsten der geringere Gewicht der Beratung, weshalb der Kollege Leibesfrucht Ernst machen will. Das Ob dieses Schut- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8263

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) zes war im Sonderausschuß und ebenso unter den Zweitens. Ein behinderter Mensch hat die gleiche Unterzeichnern des Hilfsantrags völlig unbestritten. Würde und das gleiche uneingeschränkte Recht auf Hinsichtlich des Wie bejahen wir mit dem obersten Leben und Solidarität wie jeder andere auch. Wir Gericht den Vorrang der Prävention vor der Repres- vermeiden mit unserem Entwurf das schreckliche sion. Mißverständnis, eine zu erwartende Behinderung sei (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der allein ausreichend, nein zu diesem Leben zu sagen. F.D.P.) Eine Gesellschaft, die ohne Behinderte leben will, wäre eine unmenschliche Gesellschaft. Ob unser Weg richtig ist und zu der von uns allen gewollten wesentlichen Reduzierung der Schwanger- (Beifall bei der CDU/CSU) schaftsabbrüche führt, muß die Erfahrung zeigen. Wir Drittens. Die ganze Tragweite vieler Schwanger- stützen uns hinsichtlich des von uns gewählten Weges schaftskonflikte würde verkannt, wenn nicht unser auf gute Erfahrungen mit ähnlichen Regelungen in Recht dem sehr persönlichen Charakter der jeweili- anderen westeuropäischen Ländern. gen Notlage Rechnung trüge. Der Gesetzentwurf der Was das Bundesverfassungsgericht angeht, darf es CDU/CSU-Fraktion ist wertgebunden und lebensnah die Entscheidung des Gesetzgebers, die wir zu treffen zugleich. Er ist kinderfreundlich, er ist frauenfreund- haben, nur dann aufheben, wenn sie für den verfas- lich und er ist familienfreundlich. sungsrechtlich gebotenen Rechtsgüterschutz offen- (Beifall bei der CDU/CSU) sichtlich ungeeignet ist. Dieses sogenannte Evidenz- prinzip ist eine vom Gericht selbst anerkannte Wir sind davon überzeugt, daß jeder Mensch ein Schranke seiner Macht. Nach heutigem Wissensstand Geschöpf Gottes mit einer unverwechselbaren Würde spricht sehr viel für die Richtigkeit und Geeignetheit ist, auch der ungeborene Mensch. Dies begründet des von uns im Gruppenantrag vorgeschlagenen nach unserem Rechtsverständnis eine Schutzpflicht Weges. Wir sind von diesem Weg überzeugt. Das der staatlichen Gemeinschaft. Gericht wird sicher nicht ohne zwingenden Grund den (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Versuch von 1975 wiederholen und dem Gesetzgeber einen Weg weisen, der nach heute allgemeiner Über- Wir wissen aber auch, daß ein Kind in allererster zeugung ein Irrweg gewesen ist. Linie Menschen braucht, die es annehmen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie Wenn wir unserem Thema gerecht werden wollen, uns heute gemeinsam in großer Bescheidenheit, mit müssen wir Antwort auf die Frage finden: Warum Respekt vor der Meinung Andersdenkender und der entscheiden sich Menschen für einen Schwanger- Bereitschaft, hinzuzulernen, den heute allein mehr- schaftsabbruch und gegen das zu erwartende Kind? heitsfähigen Entwurf verabschieden, um den Schutz Nur wenn wir die Gründe kennen, können wir ihnen des werdenden Lebens zu verbessern auch erfolgreich begegnen. (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) Am Anfang steht ja immer eine ungewollte Schwan- und die Lage der Frauen in Ost- und Westdeutschland gerschaft, die in sehr unterschiedlichen Lebenssitua- menschlicher zu gestalten. tionen auftritt, oft bei Müttern, die schon mehrere Ich danke Ihnen. Kinder haben. Häufig gibt es auch ungeplante Schwangerschaften bei sehr jungen Frauen. Nicht (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten vergessen dürfen wir auch die entwürdigenden Situa- der F.D.P.) tionen von Frauen durch Vergewaltigungen. Immer wird in solchen Fällen das ungeborene Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile Leben als Auslöser bedrängender Fragen erlebt: Was nunmehr dem Abgeordneten Peter Hintze das Wort. sagt mein Partner dazu? Wie werden meine Eltern reagieren? Werde ich das finanziell verkraften? Was wird aus meiner Berufstätigkeit? Peter Hintze (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche für den Ich habe vor wenigen Wochen mit 40 alleinerzie- Gesetzentwurf, der von der CDU/CSU-Bundestags- henden Frauen gesprochen, die sich in Selbsthilfe- fraktion mit großer Mehrheit getragen wird. Er geht gruppen organisiert haben, 40 Frauen, die in schwie- von der Unverfügbarkeit menschlichen Lebens aus riger Situation ja zu ihrem Kind gesagt haben, in den und wirbt für ein Leben mit Kindern. Er schützt das allermeisten Fällen gegen den bedrängenden Willen Leben des Kindes mit der Frau und nicht gegen sie. Er ihres Partners. Ihnen war die Freude an ihren Kindern sieht die vielfältigen Konfliktsituationen des Alltags anzumerken, und sie standen auch zu ihrer Entschei- und zeigt Wege auf, solche Konflikte so zu lösen, daß dung. Eltern ja zu ihrem Kind sagen können. Er erkennt aber Aber sie haben auch sehr viel innere Bitterkeit zur auch ausdrücklich an, daß es Notlagen gibt, denen mit Sprache gebracht. „Ich wußte nicht, worauf ich mich den Mitteln der Beratung und mit sozialen Maßnah- eingelassen hatte", sagte eine Mutter. „Bei der Woh- men nicht begegnet werden kann. nungssuche habe ich Schwierigkeiten gehabt. Einem Dabei vermeiden wir drei Mißverständnisse. Wohnungsvermieter rutschte sogar heraus, ich sähe ja Erstens. Der Staat wird seiner Schutzpflicht gegen- doch ganz anständig aus. " — Die Gefühle dieser Frau über dem Ungeborenen durch die Setzung einer können Sie sicher gut nachempfinden. bloßen Entscheidungsfrist nicht gerecht. Deshalb leh- „Mein Mann studiert" , sagte eine andere, „jobbt nen wir eine Fristenregelung ab. nebenbei, ihm geht es ganz gut, er kümmert sich nicht (Beifall bei der CDU/CSU) um sein Kind, gibt mir kein Geld. Mir hat das 8264 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Peter Hintze Sozialamt mitgeteilt, ich müsse mein Studium abbre- lassen Frauen in einer Konfliktsituation mit dieser chen, mich exmatrikulieren, um Sozialhilfe bekom- Verantwortung nicht allein; das ist der Unterschied. men zu können. " — Ungerecht! (Beifall bei der CDU/CSU) Und wer mit dem eigenen Beruf weitermachen Frau Kollegin Marx hat hier vor wenigen Minuten wollte, erfuhr die beschämende Situation, was Kinder- sehr nachdenklich und, wie ich finde, sehr eindring- betreuungseinrichtungen angeht. „Versuchen Sie lich von der seelischen Not und von der Trauer von einmal, in Köln eine Tagesbetreuung für Kinder zu Frauen nach einem Abbruch gesprochen. Ich finde, bekommen", sagte eine Mutter. diese Worte sollten wir alle noch einmal in Ruhe bedenken. Ich glaube, Frau Marx hat recht, und sie hat In diesen Stellungnahmen der Frauen, die in die Situation richtig beschrieben. Aber ich frage: schwieriger Situation ja zu ihrem Kind gesagt haben Dürfen wir dann Frauen mit diesem Problem in der und zu diesem Ja auch stehen, wird deutlich, welche kritischsten Situation, der Entscheidungssituation, seelischen, welche sozialen und welche materiellen alleinlassen? — Ich sage: nein. Probleme auftreten können, denen wir mit unserer Arbeit, auch mit unserem Gesetzentwurf Rechnung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) tragen müssen. Wir setzen auf die Wirkung einer qualifizierten Im Zentrum des Gesetzentwurfs der CDU/CSU steht Beratung, auf soziale Leistungen für Frau und Kind — die Solidarität unserer Gesellschaft mit der schwäch- das tun auch Sie in Ihrem Antrag —, aber wir setzen sten Form menschlichen Lebens, dem ungeborenen auch auf das vertrauensvolle Gegenüber und auf die Kind. Er bietet den be troffenen Schwangeren und den Mitverantwortung des von ihr aufgesuchten Arztes. Familien Hilfe und Unterstützung in schwierigen Das ist in der Tat ein wichtiger Unterschied. Situationen an, die sie oft nicht alleine bewältigen Es gibt Situationen — denen trägt unser Gesetzent- können. Konfliktauflösung ist daher das Ziel der wurf ausdrücklich Rechnung —, die schwangere Reform, mit der wir für ganz Deutschland den Schutz Frauen für sich als so ausweglos empfinden, daß sie des ungeborenen Lebens verbessern wollen. trotz aller gewissenhaften Abwägung für sich nur die Möglichkeit des Abbruchs der Schwangerschaft In erster Linie geschieht das durch eine qualifizierte sehen. Wer hätte das Recht, diese Frauen pauschal Beratung, die bei seelischen Konflikten Unterstützung moralisch zu verurteilen? Ich möchte uns dazu kurz bietet, die zur Annahme des Kindes ermutigt und die vortragen, was in der gemeinsamen Erklärung der umfassende Informationen und konkrete Hilfen zur katholischen und der evangelischen Kirche „Gott ist Überwindung der Notlage gibt. ein Freund des Lebens" hierzu ausgeführt ist. Ich Eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft zitiere aus dieser Denkschrift: ist der beste Schutz ungeborenen Lebens. Dieser Wenn eine Schwangere sich nicht in der Lage politische Grundsatz war für uns immer maßgeblich. sieht, das in ihr heranwachsende Leben anzuneh- Dafür steht eine lange Reihe von familien- und sozi- men, darf ihre Entscheidung, obwohl gegen Got- alpolitischen Leistungen, die wir mit diesem Gesetz- tes Gebot, nicht pauschal und von vorneherein als gebungsvorhaben fortsetzen. Ich bin der festen Über- selbstherrliche Verfügung über menschliches zeugung, daß wir mit der Verlängerung der Arbeits- Leben verurteilt werden. Die Gründe und platzgarantie für Mütter von früher dreieinhalb Mona- Umstände, die zu einem solchen Schritt führen, ten, wie wir sie 1982 vorgefunden haben, auf nunmehr sind vielmehr Herausforderung zum Gespräch, volle drei Jahre und mit der weltweit einmaligen zum Mitfühlen und zu tatkräftiger Hilfe. Einführung eines Erziehungsgeldes mehr für den Schutz des ungeborenen Lebens getan haben, als dies Dieser Idee und diesem Grundsatz, den die Kirchen mit jeder sonstigen rechtlichen Regelung zu erreichen formuliert haben, fühlen wir uns mit unserer Arbeit wäre. und unserem Gesetzentwurf verpflichtet. (Beifall bei der CDU/CSU) Nun ein Wort zum Strafrecht. Wir stehen vor einem seltsamen Widerspruch: Zum einen wird dem Straf- Mit der Anerkennung von Erziehungszeiten in der recht jede normbildende Wirkung abgesprochen; zum Rentenversicherung haben wir bei der Anerkennung anderen fügen Sie von der SPD Ihre Gedanken selbst und der sozialen Absicherung von Familienarbeit in einen strafrechtlichen Entwurf ein. Ich meine, das einen prinzipiellen Durchbruch erzielt. Mit diesem Strafrecht darf in dieser Diskussion nicht überbewer- Gesetzentwurf setzen wir unsere Politik für eine tet werden. Dies ist in den harten Debatten und kinder- und familienfreundliche Gesellschaft fort. Auseinandersetzungen, die wir geführt haben, viel- Ich möchte mich nun mit einem Vorwurf auseinan- leicht geschehen. dersetzen, der in der öffentlichen Diskussion der Aber es bleibt richtig: Welchen Rang die staatliche letzten Wochen eine große Rolle gespielt hat und der Gemeinschaft den einzelnen Rechtsgütern beimißt, uns heute auch in den sehr nachdenklichen Beiträgen wird auch am Strafrecht deutlich. Die verbesserte von Frau Würfel und vielen Rednern der SPD vorge- Indikationsregelung, die wir vorsehen, stellt sicher, halten wurde. Der CDU wird vorgehalten, sie spreche daß das ungeborene Leben unter dem Schutz des der Frau die Fähigkeit zur Verantwortung ab. Ich Rechts insgesamt steht — des Strafrechts und der sage hier ausdrücklich: Das Gegenteil ist der Fall. Wir sozialen Leistungen, deren Gewährung wir gesetzlich betonen in unserem Gesetzentwurf die Eigenverant- sichern — und zugleich dem Charakter und der indi- wortung der Frau, die ihr keine Beratung, kein Arzt viduellen Situation der Frau Rechnung ge tragen wird. und kein Gesetzgeber abnehmen kann. Aber wir Denn wir dürfen sie nicht alleinlassen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8265

Peter Hintze Lassen Sie mich noch einmal die Denkschrift der Fraktion. Stellen Sie sich bitte heute bei der Abstim- Kirchen zitieren: mung mit Herz und Sinn der Frage, wie wir diese Der Schutz des Lebens ist nicht nur eine indivi- prinzipielle Frage zu beantworten haben. Ich bin der duelle, sondern eine solidarische und öffentliche Meinung, daß der Gesetzentwurf, den wir mit großer Aufgabe Mehrheit beschlossen haben, dies in überzeugender Weise tut. Ich bitte Sie deshalb: Stimmen Sie für den Das finden auch wir. Deshalb darf das Strafrecht auch Gesetzentwurf, den gemeinsamen Entwurf von CDU/ nicht isoliert behandelt werden, weder in der Diskus- CSU! sion noch innerhalb der Regelung, die wir erlassen (Beifall bei der CDU/CSU) wollen. Deshalb ist der umfangreiche Katalog flankieren- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort der sozialer Hilfen so wichtig. Diese stellen ja nur eine hat nunmehr die Frau Ministerin des Landes Nieder- Fortsetzung der Familienpolitik dar, die wir hier seit sachsen, Frau Waltraud Schoppe. vielen Jahren machen. Ich darf daran erinnern — wir wollen in der Debatte nicht zu polemisch werden, (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Jetzt, doch muß ich hier darauf hinweisen —: Die SPD hat befürchte ich, wird es nicht mehr jugendfrei viele, viele Jahre über die Einführung eines Babyjah- sein!) res diskutiert; wir hingegen haben sofort, nachdem wir die Regierungsverantwortung übernommen hat- Ministerin Waltraud Schoppe (Niedersachsen): ten, den Erziehungsurlaub mit Beschäftigungsgaran- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird tie und Erziehungsgeld eingeführt. Das ist der Unter- eine kleine Runde von Bundesratsmitgliedern von schied! Niedersachsen und Bayern geben. Sie werden fest- (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Heiner stellen, wie groß die Pluralität der Meinungen ist, und Geißler [CDU/CSU]: Mit Arbeitsplatzgaran das ist gut so. tie sogar!) Ich komme aus der Provinz. Vielleicht interessiert es Eine Arbeitsplatzgarantie haben wir eingeführt, die Sie, wie die Debatte um die rechtliche Ausgestaltung des in gebührendem Ab- das Zehnfache von dem umfaßt, was wir vorgefunden Schwangerschaftsabbruchs stand von Bonn wahrgenommen wird. Aussprüche haben. So erstreckte sich der Mutterschutz, die Kün- wie „die sollen mit dem Theater aufhören und endlich digungsschutzgarantie, zuvor auf dreieinhalb Mo- wieder Politik machen" sind keine Seltenheit. Wir nate. Wir haben diesen Schutz mittlerweile auf drei Politikerinnen und Politiker sollten diese Einwände Jahre ausgeweitet. ernst nehmen und darüber nachdenken, was dahin- - (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Heiner terstecken könnte. Geißler [CDU/CSU]: Sehr gut!) Kaum eine Debatte findet statt, ohne daß die Betei- Das Eintreten für das Lebensrecht ungeborener ligten ihr Bekenntnis zum Schutz des ungeborenen Kinder ist nur dann glaubwürdig, wenn die Gesell- Lebens, des werdenden Lebens, des vorgeburtlichen schaft nicht nur auf Strafnormen setzt, sondern auch Lebens, was ja zum Leben überhaupt geworden ist, konkrete Hilfe in allen Lebenssituationen anbietet. abgeben. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz (Cornelia Schmalz-Jacobsen [F.D.P.]: Sehr ausdrücklich für den Schutz des geborenen Lebens wahr!) aussprechen. Wir kommen dem mit unseren Möglich- keiten nach, indem wir Kindergärten, Kinderhäuser Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entscheidung, und Kinderbüros aufbauen, also für die Kinder das die wir heute zu treffen haben, ist eine zutiefst tun, was sie brauchen. ethische Entscheidung. Die Art und Weise, wie eine Ich glaube nicht, daß die Menschen diese ständige Gesellschaft mit der schwächsten Form von Leben Unterrichtung in Moral und Ethik — so kommt es an — umgeht, sagt sehr viel über die Humanität einer wollen, diese bloßliegende Seele der Abgeordneten. Gesellschaft aus. Wir wissen, daß unsere Möglichkei- Vielleicht soll durch diese Art der Präsentation der ten begrenzt sind. Aber wir wollen mit diesen eigenen Moralität ein stückweit der Verlust an Glaub- begrenzten Möglichkeiten zur ethischen Bewußt- würdigkeit aufgefangen werden, der uns hörbar und seinsbildung beitragen. Wir wollen das Bewußtsein spürbar alle begleitet. dafür stärken, daß menschliches Leben nicht verfüg- bar ist. Deswegen treten wir für einen umfassenden Die Art der Debatte ist vergleichbar mit der Bera- Schutz des ungeborenen Lebens ein, der von neuen tungssituation, wie sie in den vorliegenden Gesetzent- sozialen Leistungen über den Ausbau einer flächen- würfen verfolgt wird. In einem Fall wird mit der deckenden Beratung bis hin zu einer verbesserten formelhaften Wiederholung des Schutzes des unge- Indikationsregelung im S trafrecht reicht. borenen Lebens die Fortsetzung der Schwangerschaft erwartet, und im anderen Fall wird mit der formelhaf- Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der jedes Kind zur ten Präsentation der eigenen Moral die Zustimmung Welt kommen darf, in der — darum bemühen wir zum jeweils vorgelegten Gesetzentwurf, d. h. die uns — Bedingungen herrschen, so daß Männer und Bindung der Wählerklientel, erwartet. Ich glaube, Frauen ja sagen können, ja zu einem verantwortlichen diese Vorstellung geht nicht auf. Die Menschen wol- Umgang mit Sexualität, ja zu einem verantwortlichen len keine Bekenntnisse. Sie erwarten schlicht und Umgang mit dem Leben, ja zu guten Lebenschancen ergreifend eine Entscheidung, die die unterschiedli- für Frauen, Männer und Kinder. chen Lebensumstände berücksichtigt, die Respekt vor Es geht um eine sehr prinzipielle Frage. Ich wende der Privatheit der Frauen hat und einer allgemeinen mich jetzt an alle Abgeordneten meiner CDU/CSU- Humanität verpflichtet ist. 8266 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Ministerin Waltraud Schoppe (Niedersachsen) Ich will mich an dieser Stelle nur dem Gruppenan- Es gibt kein anderes Land im europäischen Raum trag zuwenden, da ich der Meinung bin, daß die oder sonstwo, das die Kraft der Beratung so funda- Vorschläge der CDU mehr oder weniger verdeckt der mental überschätzt. Offensichtlich hält kein anderes Auffassung einer katholischen Moral zuneigen, einer Land die Frauen im Schwangerschaftskonflikt für Moral, die allerdings auch in der katholischen Kirche moralisch und ethisch dermaßen zerrüttet, für derma- nicht überall geteilt wird. ßen der Unverantwortlichkeit fähig, schlichtweg für dermaßen kulturunfähig wie dieses Land. Ich denke, es steht einer demokratischen und plu- ralen Gesellschaft und ihren Vertretern nicht zu, Ganz abgesehen davon, daß die Teilnahme an der einigen hohen Würdenträgern der katholischen Kir- Beratung die verwerfliche Absicht des Abbruchs in che dadurch Erleichterung zu verschaffen, daß ihre eine gerechtfertigte verwandelt, stabilisiert diese Art Moral durch Gesetzwerdung allen anderen Menschen der Beratung die Frau in der Opferrolle, — eine für aufgezwungen werden soll. mich konservative Politikauffassung, die nicht zulas- sen kann, daß Frauen Entschlossenheit und Durchset- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zungskraft haben und bei diesem Konflikt eher im sowie bei Abgeordneten der SPD und der progressiven Sinne auf der Seite der Täterinnen F.D.P.) stehen müssen. Ausdrücklich anerkenne ich die Bemühungen der- Ich halte es außerdem für falsch, einige der Funda- jenigen, die den Gruppenantrag zustande gebracht mente, die die Grundlage der Argumentation des haben. Allerdings ist zu kritisieren, daß der Antrag Bundesverfassungsgerichtsurteils bilden, unangeta- seinen Versprechungen nicht gerecht wird, der My- stet zu lassen. Wer das Bundesverfassungsgerichtsur- thenbildung des Bundesverfassungsgerichts folgt und teil von 1976 kennt, weiß, daß dort eine Verknüpfung ein Bild von Gesellschaft zeichnet, das im Kern — ich von Achtung vor dem Leben und der Bearbeitung des kann das nicht anders sagen — unmodern ist. Faschismus vorgenommen wurde. Dieser dann entste- Die niedersächsischen Koalitionspartner haben sich hende Zusammenhang von individueller Entschei- in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, daß sie dung zum Schwangerschaftsabbruch und dem totali- sich für eine Novellierung einsetzen wollen, die den tären System, das Menschenleben vernichtet hat, legt Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten die Vermutung nahe, daß abtreibende Frauen die straffrei läßt. Wir vertreten diese Position mit gutem eigentliche Gefahr der Wiederkehr eines menschen- Gewissen und in der Erkenntnis, daß erwiesenerma- verachtenden Systems sind. Der Mordvorwurf an die ßen eine Strafandrohung die Frauen nicht von einem Frauen und der Vergleich mit Auschwitz — wir ken- Schwangerschaftsabbruch abhält. nen das — bestätigt dies. Sehen wir uns die heutige Debatte an, wirkt der Wir vertreten diese Position in der Achtung vor der Mythos der abtreibenden Frauen als die eigentliche Singularität des Zustands einer ungewollten Schwan- Bedrohung für das Überleben der Gattung Mensch gerschaft, der sich dem Vergleich mit anderen Situa- fort. Die Kontrolle der Abtreibungsabsicht gilt dann tionen entzieht. Entgegen anderer Auffassung sind als Bannung der Gefahr einer heraufbeschworenen wir nicht der Meinung, daß sich das hier als Strafrecht Menschenvernichtung. Diese Vorstellung ist virulent, pädagogisches Mittel bewährt hat. sie ist abstrus, und mit ihr muß man sich auseinander- Die Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs setzen. erfolgt in autonomer Bewertung mit ethischen Stan- Meine Damen und Herren, ich bin weit weg von dards, die im sozialen Umfeld erworben werden. Nur fundamentalistischen Vorstellungen und auch, Herta, ein obrigkeitsgläubiger Mensch läßt sich die Bewer- bar jeder geschmäcklerischen Haltung in dieser tung vom Strafrecht vorschreiben. Frage. Aber in einer Gesellschaft des ausgehenden Moral, die ihre Konformität dann stabilisiert, wenn 20. Jahrhunderts, die einen Prozeß der Modernisie- das Strafrecht droht, wäre nur eine Zwangsmoral. rung durchgemacht hat, der den Menschen Entschei- Gerade wenn man der Meinung ist, einen Wert dungs- und Verhandlungsfähigkeit und hohe soziale postulieren zu wollen, der eine sorgfältige Entschei- Kompetenzen von Kindesbeinen an abverlangt, wird dung im Schwangerschaftskonflikt zuläßt, ist die den Frauen bis heute eine eigenständige Entschei- Strafandrohung ein falsches Mittel; denn damit wird dung im Schwangerschaftskonflikt verweigert. die Strafbotschaft und nicht die Normbotschaft in den Zu fragen wäre auch — das sehe ich so —, ob die Vordergrund gerückt. unterwürfige Haltung in bezug auf das Verfassungs- Sogar das Bundesverfassungsgericht hat seinerzeit gerichtsurteil nicht schlicht und ergreifend die Tatsa- die Strafe als letztes Mittel genannt. Der Gruppenan- che verdeckt, daß die hier Versammelten den Mut trag knüpft in konservativer Auslegung am Urteil des nicht aufbringen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, Bundesverfassungsgerichts an, weil er die Strafandro- der der Emanzipation der Frauen gerechter wird als hung bestehen läßt. Er folgt dem Bundesverfassungs- alle Gesetze, die hier liegen. gericht auch dort, wo es die vornehmste Aufgabe des Der Gruppenantrag, der mit einer Fristenregelung Staates darin sieht, den Schutzwillen der ungewollt angeboten wurde, wurde im Laufe der Verhandlun- schwangeren Frau dort wieder zu erwecken, wo er gen zu einem Antrag der verkappten Indikationsrege- verlorengegangen ist. Dies erfolgt durch die Pflichtbe- lung. Auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil hat ratung. Obwohl man weiß, daß der größte Teil der die Gewissensentscheidung der Frau als hohen Wert Frauen, die eine Beratung aufsuchen, entschieden ist, anerkannt. Frauen müssen frei nach ihrem Gewissen wird die Mystik, mit der die Beratungssituation bela- entscheiden können — diese Forderung wird bleiben, den ist, noch vergrößert. egal, was heute bei der Abstimmung herauskommt. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8267

Ministerin Waltraud Schoppe (Niedersachsen) Der Gruppenantrag ist leider nur das Resultat einer Indikationslösung ineffizient zu machen, was auch hochemotionalisierten Debatte, die stellvertretend für ziemlich gut gelungen ist. alle Probleme geführt wird, die durch die Vereinigung (Claus Jäger [CDU/CSU]: Leider wahr!) und den Zerfall des Sozialismus, durch ökologische Zerstörung und die Unfähigkeit, sich den neuen Ungeborene Kinder, für die niemand eintritt, werden sozialen Problemen des Modernisierungsprozesses zu sehr häufig, ohne daß von einer Notlage ernsthaft stellen, entstanden sind. Die Polarisierung hat dazu gesprochen werden könnte, in großer Zahl um ihr geführt, daß der Gruppenantrag, so gut er auch Leben gebracht, etwa 300 000 jährlich. Bayern hat im gemeint ist, nur wieder das alte Modell von Bevor- Hinblick auf diese Ineffizienz der geltenden Rechts- mundung, Reglementierung und Kontrolle der Frauen lage am 28. Februar 1990 beim Bundesverfassungs- fortführt. Ich sage das traurig. Vielleicht ist ja auch die gericht Klage erhoben. Dies ist auch der Grund, These richtig, die besagt, daß der Prozeß der Indivi- warum wir uns im Hinblick auf einen Teilbereich an dualisierung die Unfähigkeit zu konsensualen Ent- der heutigen Debatte beteiligen. scheidungen mit sich bringt. Die im Einigungsvertrag vorgesehene Neurege- Meine Damen und Herren, was in der Debatte lung, die den Schutz der ungeborenen Menschen gänzlich fehlt, mir aber ein Anliegen ist: Ich glaube, es verbessern soll, ist keine leichte Aufgabe in einer Zeit, gibt heute eine neue Form des Leidens am Schwan- die zur rein subjektiven Beurteilung neigt und objek- gerschaftsabbruch, weil selbst Reste der Rituale von tive Befunde oft nicht sehen will. Die persönliche Trauer und Wiedergutmachung zerstört sind, woran Glaubwürdigkeit gilt mehr als ethische Normen und vor allem die hohen Herren der katholischen Kirche als die Frage nach der Wahrheit. Hinter der unbe- ihren Anteil haben. Trauer befreit nämlich, und das streitbaren Tragik manches Einzelfalles verschwindet wird nicht gewollt. das Gewicht, das Grundwerte und Grundrechte wie Nur eine liberale Lösung der rechtlichen Gestaltung das Recht auf Leben für alle haben müßten, im des Schwangerschaftsabbruchs und die Wegnahme Unverbindlichen. der Strafandrohung rücken die Norm in den Vorder- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) grund und machen so eine Selbstbindung daran möglich. Wenn das gewollt wird, dann wird es Zeit, Dabei wissen wir dank der naturwissenschaftlichen den Mut zu finden, der Gewissensentscheidung der und medizinischen Entwicklung im Gegensatz zu Frau, ihrer Emanzipation von Männer- und Kirchen- früheren Zeiten, wo man über die Vorgänge im herrlichkeit endlich Raum zu geben. Mutterleib nur spekulieren konnte, heute ganz genau, Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß auch der Ungeborene vom Augenblick der Emp- daß man heute abend bei der Abstimmung seine fängnis an bereits Mensch ist mit eigenen Erbanlagen, Stimme dem kleineren Übel geben muß, und das ist eigenem Leben und damit eigenem Lebensrecht. der Gruppenantrag. Aber das kann nicht das Ende (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) sein. Ich denke, daß wir Frauen uns zusammentun müssen und daß es am Ende des 20. Jahrhunderts Dem Staat und Ihnen, meine Damen und Herren, als den für unsere Gesetze wesentlich Verantwortlichen doch gelingen muß, einen Antrag hinzukriegen, — verbieten die in der Verfassung niedergelegten Wert- entscheidungen zum Schutz des Lebens den ver- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Mini- meintlich bequemen Weg, der jedem alles erlaubt. sterin, Sie kennen die Usancen dieses Hauses, und ich Dem Staat steht in seiner Rechtsordnung ein abgestuf- werde Ihnen auch nicht Ihre verfassungsrechtlichen tes Instrumentarium zur Verfügung, das den Bürgern Rechte nehmen, aber ich darf Sie doch bitten, zum auch die Rangordnung der Werte in der staatlichen Schluß zu kommen. Gemeinschaft vor Augen führt. Das Strafrecht als schwerste Sanktion wird eingesetzt, um die höchsten Ministerin Waltraud Schoppe (Niedersachsen): — Werte zu schützen. der die Emanzipation der Frauen ernst nimmt. Die Werte unterliegen durchaus zeitbedingten Ent- (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ wicklungen. Die Neubewertung der Umwelt hat des- DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ulrich halb selbstverständlich auch zu einer Erweiterung des Briefs [fraktionslos]) Strafrechtskatalogs geführt, und der Ruf nach noch mehr Straftatbeständen und höheren Strafen kommt Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nunmehr immer wieder. Auf der anderen Seite erleben wir auch erteile ich der Staatsministerin der Justiz des Freistaa- die Privatisierung mancher Straftatbestände. Sie wer- tes Bayern, Frau Berghofer-Weichner, das Wort. den ungeachtet der Frage nach der ethischen Bewer- tung nicht mehr als so gemeinschaftsrelevant angese- hen, daß strafrechtlicher Schutz nötig wäre. Weite Staatsministerin Dr. Mathilde Berghofer-Weichner (Bayern): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Teile des Sexualstrafrechts haben diese Entwicklung Das Süd-Nord-Gefälle wird wieder einmal sichtbar. mitgemacht. Derzeit erleben wir allerdings in Teilbe- Bei uns bewegt die Frage nach dem Schicksal der reichen die Umkehr in die Gegenrichtung. Ungeborenen viele Menschen zutiefst. Die Wieder- Die Entwicklung von der privaten Blutrache durch vereinigung Deutschlands gibt uns Gelegenheit, eine die Familie zum staatlichen Strafrechtsmonopol ist Bestimmung zu revidieren, die von der sozialliberalen allgemein als wohltätig empfunden worden. In Koalition nach dem Scheitern der damaligen Fristen- Gesellschaftsordnungen, in denen diese Entwicklung lösung vor dem Bundesverfassungsgericht im Jahre nie ganz akzeptiert wurde — ich denke z. B. an 1975 in der Absicht formuliert wurde, diese ungeliebte Jugoslawien —, ist die Gewaltbereitschaft der Bevöl- 8268 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Staatsministerin Dr. Mathilde Berghofer-Weichner (Bayern) kerung entsprechend höher, wie wir derzeit mit Ent- Demgegenüber stellt das Urteil des Bundesverfas- setzen erleben. sungsgerichts fest, daß die Verpflichtung des Staates, das sich entwickelnde Leben in Schutz zu nehmen, (Lachen der Abg. Andrea Lederer [PDS/ auch gegenüber der Mutter besteht. Es ist ein wichti- Linke Liste] — Zuruf von der CDU/CSU: Ein ges Prinzip des Rechtsstaats, daß sich persönlich interessanter Aspekt!) Betroffene einer Entscheidung in eigener Sache zu Eine Privatisierung im Bereich der Tötung mensch- enthalten haben; den Politikern wird ein Verstoß lichen Lebens, die mit der Freigabe der Abtreibung dagegen derzeit in anderem Zusammenhang ständig beginnt, wäre der Beginn einer verhängnisvollen vorgehalten. Soweit ich sehe, hat sich noch niemand Entwicklung in die falsche Richtung, die in einigen die Frage gestellt, wieso dieses weise Prinzip gerade Jahren vielleicht bei der pflegebedürftigen Oma dann nicht gelten soll, wenn es um eine unwiderrufli- endet. che Entscheidung, wenn es um Tod oder Leben geht. Der Bundestag hat mit dem Embryonenschutz-Gesetz (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei ein Zeichen zum Lebensschutz gesetzt. Es ist rational der SPD — Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: nicht nachvollziehbar, wieso das Leben in einer spä- Sehr richtig! — Uta Würfel [F.D.P.]: Das geht teren Phase vogelfrei werden soll. zu weit! Das ist unglaublich! — Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Ge (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Ja!) nau richtig ist das! Genau da endet es!) In einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft mit pluralistischen Vorstellungen auf praktisch allen Mord wird derzeit mit der höchsten, der lebenslan- gen Freiheitsstrafe belegt. Unser Grundgesetz aner- Gebieten beziehen viele Menschen ihre ethischen kennt in Art. 102 — zu Recht, wie ich meine — durch Maßstäbe aus staatlichem Handeln unter dem Motto: Was nicht strafbar ist, ist auch moralisch erlaubt. die uneingeschränkte Abschaffung der Todesstrafe das Lebensrecht auch dessen, der selbst vorsätzlich (Claus Jäger [CDU/CSU]: Sehr richtig!) und schuldhaft menschliches Leben vernichtet hat. Auch diese Folge einer Fristenlösung ist zu beden- Mit einer Fristenlösung wird, auch wenn das vornehm ken. bemäntelt wird, die Todesstrafe für Unschuldige ohne jede Güterabwägung und ohne jedes rechtsstaatliche (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Sehr rich- Verfahren eingeführt. tig!) Um hier kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es geht uns nicht um die Strafbarkeit der Schwange- ren. An ihrer Position soll nichts geändert werden. Es Eine bloße Beratungspflicht der Mutter bedeutet ja - keinen Schutz für das Kind. Sie ist nur ein Pflästerchen geht um das meist männliche Umfeld, das Schwange- auf das Gewissen derer, die nicht den Mut haben, ren oft erst Schwierigkeiten suggeriert, die objektiv wenigstens offen zur uneingeschränkten Freigabe der nicht bestehen oder auf andere Weise, etwa durch ein Abtreibung zu stehen. Dies gälte übrigens auch für breites Bündel sozialer Maßnahmen, behebbar sind. Indikationsregelungen, die auf die schriftliche Fixie- Es drängt mich, wenn ich von sozialen Maßnahmen rung aller objektivierbaren Voraussetzungen verzich- spreche, daran zu erinnern, daß das Erziehungsgeld ten. und der Erziehungsurlaub wohl nicht so schnell und so gekommen wären, wenn sich Franz Josef Strauß Herr Vilmar irrt mit seinem Hinweis auf die beste- seinerzeit nicht so entschieden für diesen Bereich hende ärztliche Aufzeichnungspflicht. Sie führt eben eingesetzt hätte. gerade nicht dazu, auch die außerhalb rein medizini- scher Befunde liegenden Gesichtspunkte festzuhal- (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Genau so ten, auf die der Arzt seine Entscheidung für die war das!) Abtreibung im Einzelfall stützt. Ich glaube, das muß einmal gesagt werden. Im übrigen frage ich mich, warum selbst Feministin- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nen heute übersehen haben, zu erwähnen, daß es in Letztlich geht es um die Vermeidung des schon diesem Bereich natürlich nicht nur Ärzte, sondern verbreiteten Eindrucks, daß ein Mensch allein völlige auch Ärztinnen gibt. Das ist ja wohl ein sehr wenig Entscheidungsfreiheit über das schon existierende seriöser psychologischer Trick, um die „arme Frau" Leben eines Kindes habe. gegenüber dem „dominanten Mann" darzustellen. Sie, meine Damen und Herren, nehmen heute eine (Claus Jäger [CDU/CSU]: Sehr richtig! Dr. Weichenstellung vor, die im Rechtsbewußtsein Fol- Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Sehr wahr!) gen weit über die unmittelbare Fragestellung hinaus haben wird. Im übrigen geht es bei der Dokumentation nicht nur um Beweissicherung. Jeder weiß doch, daß eine Die bayerische Staatsregierung ist entschlossen, Entscheidung, deren Gründe schriftlich fixiert werden Leben schützen zu helfen. Sie wird gegen jede offene müssen, gründlicher bedacht wird, als eine nur münd- oder verkappte Freigabe der Abtreibung das Bundes- liche oder tatsächlich zutreffende. Warum wohl sonst verfassungsgericht anrufen. müßten unsere Gerichte ihre Entscheidungen auch (Beifall bei der CDU/CSU) schriftlich begründen, selbst wenn sie schon rechts- kräftig sind? Wenn solche Entwürfe Gesetz werden — von Recht möchte ich in diesem Fall nicht spre- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nunmehr chen —,— dann gilt in Wirklichkeit in Zukunft eben die erteile ich der Abgeordneten Frau Edith Niehuis das Macht des Stärkeren, des schon Geborenen. Wort. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8269

Dr. Edith Niehuis (SPD): Herr Präsident! Sehr Justizministerin auf ihrer Bundesratsbank sitzen las- geehrte Kollegen und Kolleginnen! Es fällt mir nach sen und das erzählen, was, wie ich denke, heute dem Beitrag der Justizministerin von Bayern ausge- intensiv bedacht werden muß. sprochen schwer, hier Worte zu finden, die der Sache, über die wir heute diskutieren, noch angemessen Ich habe eben die Frauen genannt. Ich habe wäh- rend der ganzen Debatte gedacht: Ist uns eigentlich sind. klar, daß die Frauen, die uns, ich weiß nicht, ob noch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zuschauen können, aber auf jeden Fall über Radio der F.D.P.) zuhören können, an diese Debatte wirklich eine ganz Ich hatte mir intensiv vorgenommen, das zu tun, was große Erwartung richten? Das Ganze ist ein Frauen- viele Kolleginnen und Kollegen geschafft haben, thema. Das, was wir diskutieren, ist eine Entschei- nämlich hier ganz ernsthaft und sachlich über das, was dung, die für das Leben aller Frauen ganz wichtig uns bewegt, mit Ihnen zu diskutieren; aber ich kann ist, nicht. Wenn hier eine Justizministerin von Bayern (Beifall bei der F.D.P.) steht, von der wir wissen, daß sie die Prozesse in gefühlsmäßig für alle, aber für einige auch im ganz Memmingen nicht nur geduldet, sondern aktiv unter- konkreten Fall — leider im ganz konkreten Fall. stützt hat, dann frage ich mich, Ich hätte mir sehr gewünscht, daß eine Justizmini- (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Haben sterin hier auch einmal dargestellt hätte, was das Sie eine Ahnung vom Rechtsstaat! Unglaub Bundesverfassungsgericht 1975 über die Strafe lich!) gesagt hat. 1975 hat das Bundesverfassungsgericht — lassen Sie mich jetzt doch bitte einmal reden! —, vollkommen zu Recht gesagt, daß die bis dahin was wir hier denn davon halten sollen. Wir wissen geltende Regelung des § 218, nämlich die totale doch ganz genau, was in Memmingen passiert ist, Strafandrohung, für den Schutz werdenden Lebens Frau Berghofer. Wir wissen, daß 279 Frauen und ihre völlig unwirksam ist. Partner zu Hause aufgesucht wurden und vor Gericht - Das Bundesverfassungsgericht hat 1975 etwas ganz im nachhinein über ihre Notlage berichten mußten. Wichtiges gesagt. Ich denke, das ist überhaupt der (Zuruf von der CDU/CSU: Wegen Steuerhin Kernsatz aus dem Urteil. Ich zitiere: terziehung!) Bei aller Schutzverpflichtung des Staates darf Das finden Sie so normal, daß Sie sich heute hier nicht aus den Augen verloren werden, daß das hinstellen und das gleiche System in schlimmerer sich entwickelnde Leben von Natur aus in erster Form noch einmal propagieren. Linie dem Schutz der Mutter anvertraut ist. (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und Es hilft nicht, ob Sie es einsehen wollen oder nicht: Das dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei ist die Wirklichkeit. Das ist etwas, worüber wir reden Abgeordneten der F.D.P.) müssen, wenn wir bei dieser Frage nicht nur einfache Ich denke, es hätte Ihnen ganz gut angestanden, Worthülsen produzieren wollen. wenn Sie nicht nur gesagt hätten, es gebe ein Nord- Süd-Gefälle, sondern uns auch einmal erzählt hätten, Wenn man diesen Satz ernst nimmt, dann weiß man, wie dieses Nord-Süd-Gefälle in der Republik wirklich daß dieser Satz eine Politik gegen die Frauen schlicht- aussieht. Das Nord-Süd-Gefälle sieht nämlich so aus, weg verbietet; denn wenn man diesen Satz ernst daß die Frauen, die in einer Not- und in einer nimmt, dann heißt er doch auch: Eine Politik gegen die Konfliktsituation sind, Ihr Land, nämlich Bayern, Frauen, denen das werdende Leben zuallererst anver- fluchtartig verlassen und dann in die anderen Bundes- traut ist, ist zugleich eine Politik gegen das werdende länder gehen, wo ihnen geholfen wird. Leben. Das können wir als Parlament nicht wollen. (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Abgeordneten der F.D.P. — Dr. Wolfgang F.D.P.) Bötsch [CDU/CSU]: Ein dummes Ge- Darum muß ich auf den Mehrheitsentwurf der schwätz!) CDU/CSU-Fraktion zurückkommen. Der Einigungs- — Kein Geschwätz! vertrag, dem wir hier mit großer Mehrheit zugestimmt haben, hat uns ganz bestimmte Aufgaben gegeben. Ich denke, es wäre sehr gut gewesen, wenn Sie sich Gott sei Dank redet der Einigungsvertrag nicht von mit der Problematik ein bißchen intensiver auseinan- der Strafe, sondern von Hilfen. dergesetzt hätten. Dann hätten Sie gewußt: Es geht nicht schlichtweg um eine Rechtssprache; hier geht es Ich wundere mich, daß ein Herr Schäuble — der seit um Menschen, und hier geht es insbesondere um geraumer Zeit leider nicht mehr hier ist —, Frauen. (Ursula Männle [CDU/CSU]: Herr Klose ist (Beifall bei der SPD, der F.D.P., der PDS/ auch nicht mehr hier!) Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN — Claus Jäger [CDU/CSU]: Reden Sie der Verfasser des Einigungsvertrages ist, zuläßt, daß doch nicht so arrogant! Es ist doch arrogant, aus seiner Fraktion ein Mehrheitsentwurf kommt, der was Sie machen!) nach wie vor der Strafe Vorrang gibt vor Hilfe. — Genau wie Sie an dieser Stelle erregt sind, bin ich (Maria Mieschalk [CDU/CSU]: Das ist doch an dieser Stelle erregt. Insofern werde ich jetzt die nicht wahr!) 8270 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Edith Niehuis — Doch. fest, es sind in der Tat die Frauen, die sich in erster Linie um die Kinder kümmern. Das heißt doch, daß (Zurufe von der CDU/CSU: Bleiben Sie bei der Wahrheit! — Sie müssen den Entwurf diese Gesellschaft tagtäglich mit gutem Gewissen, lesen!) voller Vertrauen und aus guter Erfahrung die Verant- wortung für ein Kind den Frauen überträgt. — Lassen Sie mich doch einmal reden; ich habe Unter diesen Umständen fragen sich angesichts keinen einzigen Zwischenruf gemacht, und ich war unserer Debatte heute so viele Frauen: Wie läßt sich die ganze Zeit da. das erklären, daß die gleichen, die die Verantwortung (Ursula Männle [CDU/CSU]: Wir haben ja für das Kind — es mag noch so hilflos sein — den auch immer die Wahrheit gesprochen!) Frauen von morgens bis abends übertragen, diesen — Nein, Sie haben nicht immer die Wahrheit gesagt. Frauen die Verantwortung über die Entscheidung Auch ich mußte mich häufig sehr zusammenreißen. eines Schwangerschaftsabbruchs nicht mehr zu- Ich bitte Sie jetzt ganz herzlich, sich einmal das, was trauen? Das ist ein Widerspruch, unter dem Frauen nur ich Ihnen sagen möchte, anzuhören. leiden können. (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ CSU: Aber es stimmt eben nicht! — Wie man DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der in den Wald hineinruft, so schallt es her F.D.P.) Ich denke, Frauen wehren sich vollkommen zu Recht-aus!) Ich denke, es ist ganz wichtig, daß wir uns klarma- gegen eine so unsachgemäße Bevormundung. Ich chen, warum hier so wenig Hilfe ist und warum der hoffe nicht, daß dieses Parlament heute so entschei- Mehrheitsentwurf der CDU/CSU nicht das tut, was den wird. Sie, Herr Hintze, gesagt haben, nämlich daß wir Ich denke, Frauen wehren sich vollkommen zu Frauen helfen müssen. Recht, wenn sie in der Diskussion um die gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs als po- Dieser Entwurf läßt Frauen alleine. Denn Sie wollen tentielle Gefahr für das menschliche Leben gesehen nicht, daß die Frau mit ihrer eigenen verantwortungs- werden. Wenn Sie, Frau Ministerin Berghofer, es hier vollen Gewissensentscheidung über ihre Notlage wagen, den Krieg in Jugoslawien mit unserer Debatte entscheidet. Sie versuchen in Ihrem Entwurf so etwas zu vermischen, dann ist das ein schlimmer Vorwurf an wie die Quadratur des Kreises, wenn Sie dem Arzt Frauen, den ich hier nicht stehenlassen will! zumuten, daß er nach ärztlicher Erkenntnis eine psychosoziale Notlage feststellen soll. Die psycho- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ soziale Notlage festzustellen ist nun wirklich keine DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Frage der medizinischen Wissenschaft. Vielmehr ist F.D.P.) und bleibt es die individuelle Notlage der Frau. Aus Ich kann dann auch gleich bei Herrn Waigel wei- der können wir sie leider nicht entlassen, soviel wir termachen: Diejenigen, die sich in dieser Linie so uns hier auch überlegen. lautstark äußern, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Claus Jäger [CDU/CSU]: Bitte kehren Sie DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der zur Sachlichkeit zurück! Das ist doch Pole- F.D.P.) mik, keine Sachlichkeit!) Ich denke, wir müssen wirklich aufpassen, daß mit sind zugleich diejenigen, die hier im Parlament in der der Streichung der Dokumentationspflicht, mit der Lage sind, zu einer Kriegsmaschinerie wie dem einige von Ihnen liebäugeln, hier nicht der Eindruck Jäger 90 ohne Wenn und Aber ja zu sagen. Dann wird entsteht, damit wäre die Strafverfolgung und die in der ganzen Diskussion wieder ein Schuh daraus! gerichtliche Überprüfbarkeit des Arztes und seiner (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Entscheidung nicht mehr möglich. Der Arzt, der eine DIE GRÜNEN) Indikation stellen muß, wird sich notfalls diese Indika- tion gerichtlich überprüfen lassen müssen. Dann wird Obwohl meine ganze Rede sicherlich nicht so ange- er es auch aufschreiben müssen, wenn er klug ist. legt war, möchte ich Ihnen doch noch etwas sagen, was mir in vielen kirchlichen Äußerungen dann doch Das ist doch der Punkt, warum sich so viele Ärzte zu kurz kommt. Ich denke, zwei Worte — Barmherzig- schlichtweg verweigern. Sie möchten nicht, daß der keit und Liebe — eignen sich im Falle unseres Bera- CDU/CSU-Mehrheitsentwurf hier die Mehrheit be- tungsgegenstandes als Werte viel mehr als Zwang kommt, weil sie Angst vor der Situation haben, die wir und Strafe. Weil der Gruppenantrag dies ausstrahlt, in Bayern mit Memmingen erlebt haben. wünsche ich mir sehr, daß dieses Parlament dem (Beifall bei der SPD, der F.D.P. und dem Gruppenantrag die Mehrheit geben wird. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Aber es bewegt mich noch etwas: Wir haben in DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der diesem Parlament so manche Debatte darüber F.D.P.) geführt, was wir mit Frauen machen, die sich den Kindern und der Familien widmen, wie wir verhin- dern können, daß sie durch ihre Familienarbeit Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort Nachteile in dieser Gesellschaft haben. hat Frau Staatsministerin Dr. Mathilde Berghofer- Wenn wir in die Familien, den Freundeskreis und in Weichner. die Nachbarschaft hineinschauen, dann stellen wir (Anhaltender Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8271

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg — Frau Ministerin, ich nehme an, der Beifall gilt nicht sind gute Hilfen für die Frauen und für die Familien. Ihnen. Wenn man sich einmal überlegt — Sie waren in den (Heiterkeit) letzten zehn Jahren auch dabei —, was in den letzten zehn Jahren seit Bestehen dieser Koalition für die Familien getan wurde, dann werden Sie feststellen, Staatsministerin Dr. Mathilde Berghofer-Weichner daß das wesentlich mehr als das ist, was Ihre Partei in (Bayern): Danke schön, ich nehme ihn gern entgegen, den zehn Jahren zuvor mit einer anderen Koalitions- wenn er auch von der falschen Seite kommt. partei erreichen konnte. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorwurf bezüglich des Verfahrens in Memmingen Es ist die Aufgabe aller Finanzminister — sozialde- zwingt mich zu erwidern. Ich nehme nicht an, daß die mokratischer, christdemokratischer und christsozia- Frau Abgeordnete, die ja Vorsitzende eines einschlä- ler —, dafür zu sorgen, daß die Dinge, die wir beschlie- gigen Ausschusses ist, ßen, auch finanzierbar sind und nicht mit einem Verlust an Stabilität bezahlt werden. In einer Zeit, in (Zurufe von der SPD: „Einschlägigen Aus der wir in Deutschland so vielen Herausforderungen schusses" ? — Lachen bei der SPD) vor allen Dingen sozialer Art gegenüberstehen, muß den Sachverhalt so wenig kennt, um ihn so zu verzer- auch diese Frage sinnvoll und glaubwürdig beantwor- ren. Ich weise darauf hin, daß der Bundesgerichtshof tet werden, und ich glaube, das ist uns auch gelun- das Urteil in allen wesentlichen Punkten bestätigt und gen. wörtlich ausgeführt hat, daß jeder einzelne Fall sorg- fältig geprüft und vom Gericht im Rahmen seiner (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der Kompetenz fehlerfrei entschieden worden sei. SPD: Jäger 90!) (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Geprüft ha — Mir in dem Zusammenhang „Jäger 90" zuzurufen, ben sie, das stimmt!) halte ich für eine Unverschämtheit, meine Damen und - Es wird ja wohl auch übersehen, daß das Strafver- Herren. fahren gegen die Frauen nur deshalb geführt werden (Beifall bei der CDU/CSU) mußte, weil der Herr Dr. Theissen sie nicht auf die Ich habe mit der Rüstungslobby oder der Rüstungsin- vorher notwendige Beratung hingewiesen hat. Er dustrie so wenig zu tun wie Sie. hätte sonst nämlich das Honorar nicht bei der Steuer (Lachen des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann hinterziehen können. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der CDU/CSU) — Entschuldigung, Herr Ullmann, ich lade Sie ganz gern ein. Das dürfen Sie mir glauben. Ich glaube Ihnen Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nunmehr ja auch, wenn Sie so etwas sagen. Ich finde es erteile ich dem Finanzminister das eigentlich schlimm, daß man jemandem etwas ande- Wort. res unterstellt. (Zurufe von der CDU/CSU: Dem Abgeordne (Beifall bei der CDU/CSU) ten!) Aber es ist ein böser und schlimmer Zwischenruf, der der Sache und dem Ernst der Debatte nicht gerecht Dr. Theodor Waigel (CDU/CSU): Herr Präsident! wird, meine sehr verehrten Damen und Herren. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche natürlich als Abgeordneter und, meine sehr verehrten (Beifall bei der CDU/CSU) Kolleginnen und Kollegen, auch als Verantwortlicher Im Mittelpunkt dieser Verantwortung steht der für eine Partei, die sich — wie auch andere — diesem Schutz des Lebens im weitesten Sinne. Dieser Schutz- Punkt ganz besonders verbunden weiß. Wir verstehen gedanke umfaßt den Schutz der natürlichen Lebens- uns von einem christlichen Selbstverständnis her und welt, den Schutz des Lebens und hier im besonderen von unseren ethischen und politischen Grundprinzi- heute den Schutz des menschlichen Lebens. Die pien her als eine Partei, die sich zur Verantwortung heutige Debatte läuft auf die Frage hinaus: Wie gehen gegenüber der ganzen Schöpfung bekennt. Staat und Gesellschaft mit den schwächsten, mit den (Zuruf von der SPD: Das merkt man!) wehrlosesten ihrer Mitglieder um? Es stellt sich die — Natürlich merkt man das. — Ich freue mich, daß wir Frage: Inwieweit ist der Staat verpflichtet, im Rahmen in unserer Zeit so viel Engagement für die Schöpfung, der Rechts- und Sozialordnung für einen Schutz des für den Naturschutz, für den Umweltschutz, für den ungeborenen Lebens Sorge zu tragen? Artenschutz, für all diese Dinge aufbringen. Ich wün- Das Problem dieser Debatte ist eines des Verfas- sche mir aber, daß die gleiche Leidenschaft wie für die sungsrechts, des Verfassungsverständnisses und vor ganze Schöpfung auch für das ungeborene Leben allen Dingen der zugrunde liegenden verfassungs- zutage tritt. rechtlichen Grundwerte. Erst hinter den Verfassungs- (Beifall bei der CDU/CSU — Uta Würfel fragen kommen die Aspekte des Strafrechts und der [F.D.P.]: Das werden wir bei den Kommunen Familienpolitik. sehen, wenn es um die Kindergartenplätze Nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutsch- geht!) land ist das menschliche Leben das höchste Rechtsgut. — Auf diesen Einwurf habe ich natürlich auch gewar Es steht unter dem ausdrücklichen Schutz des Staates. tet, Frau Würfel. Ich glaube, nur finanzierbare Hilfen Wir alle müssen — das ist das große Erbe der Aufklä- 8272 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Theodor Waigel rung und der christlichen Überlieferung — den Men- Wie läßt es sich ethisch und juristisch rechtfertigen, schen als ein Wesen behandeln, das Selbstzweck ist den Vorrang des Selbstbestimmungsrechts der Frau wie wir selbst. auf eine ziemlich willkürlich gezogene Frist von drei Monaten zu beschränken? Wie läßt es sich rechtferti- gen, für den Embryo außerhalb des Mutterleibes im Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- Rahmen des Embryonenschutzgesetzes juristische geordneter Waigel, der Abgeordnete Ullmann bittet Schutzvorschriften zu erlassen, diese aber dem unge- um die Beantwortung einer Zwischenfrage. Würden borenen Kind innerhalb des Mutterleibes während Sie bereit sein, das zuzulassen? der ersten Schwangerschaftsmonate zu versagen? (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Theodor Waigel (CDU/CSU): Ausnahmsweise, ja. Kann, meine Damen und Herren, ein fundamentales Menschenrecht wie das Recht auf Leben überhaupt in ethisch gerechtfertigter Weise begrenzt werden? Ist es Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ethisch und juristisch vertretbar, das Recht zur Tötung NEN): Herr Abgeordneter, wenn es sich so verhält, eines ungeborenen Kindes ausschließlich von der wie Sie mir gegenüber soeben dargetan haben, wird Inanspruchnahme einer Beratung abhängig zu ma- es Ihnen ein Leichtes sein, die folgende Frage zu chen? Ist das subjektive Bestehen einer Schwangeren beantworten: Was ist für Sie wichtiger, die Finanzie- auf Vorliegen einer Notlage ausreichend, um die rung des Jägers 90 oder die Finanzierung des Ersten Tötung des ungeborenen Kindes objektiv zu rechtfer- Unrechtsbereinigungsgesetzes? tigen? (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Zuruf In einer gemeinsamen Erklärung der Vorsitzenden von der CDU/CSU: Unverschämt!) der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland heißt es dazu: „Selbstbestimmung findet ihre Grenze am Lebens- Dr. Theodor Waigel (CDU/CSU): Die Frage, Herr Kollege Ullmann, ist nicht beantwortbar, recht des anderen. Wer sie für sich selbst fordert, muß sie auch dem anderen zuerkennen. " Darum kann das (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: So ist Selbstbestimmungsrecht der Frau keine Verfügung es!) über das in ihr heranwachsende Leben begründen. weil wir beides brauchen. Wir brauchen den Schutz (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) des ungeborenen Lebens und die Hilfe dazu, und wir brauchen die Verteidigung unserer Souveränität und Auch andere Grundauffassungen als die des christ- der Freiheit in Deutschland. lichen Denkens führen zu einem ähnlichen Ergebnis. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Im Mittelpunkt des philosophischen Diskurses über ordneten der F.D.P.) die Kritik der praktischen Vernunft steht die Univer- salisierung der Moral auf der Grundlage einer herr- Immanuel Kant hat gesagt: Der Mensch hat nicht schaftsfreien Kommunikationsgemeinschaft. Wenn nur Wert, sondern Würde. Dem entspricht Art. 1 die damit verbundene Ethik den Anspruch erhebt, die unseres Grundgesetzes, ein großartiger Verfassungs- legitimen Rechte der Ungeborenen oder der Unmün- artikel: digen zu berücksichtigen, dann ist es mit einer solchen Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu Ethik schlechterdings nicht vereinbar, das Lebens- achten und zu schützen ist Verpflichtung aller recht ungeborener Kinder zur Disposition zu stellen. staatlichen Gewalt. Niemand wird unterstellen, betroffene Frauen wür- Auch das ungeborene Leben ist eigenständiges den sich im Regelfall leichtfertigt oder leichtsinnig zu menschliches Leben. Auch die menschliche Würde einer Abtreibung entschließen. Wenn eine schwer- des ungeborenen Lebens steht in vollem Umfang wiegende Notlage vorliegt, wird niemand der unter dem Schutz des Staates. Schwangeren aus ethischen oder juristischen Grün- Nach dem heutigen Stand der Medizin ist die den einen Abbruch der Schwangerschaft verweigern Auffassung von Singer, Hörster und anderen abwe- dürfen. Aber wer im Schutz des Lebens, auch des gig, eine Differenz zwischen Mensch und Person ungeborenen das höchste Rechtsgut der Verfassung konstruieren zu können, den staatlichen Schutz an sieht, wird einen Schwangerschaftsabbruch nur billi- bestimmte Fähigkeiten wie Empfindung, Ich-Bewußt- gen können, wenn eine solche Notlage nicht nur sein oder Rationalität zu knüpfen und den Abbruch subjektiv, sondern objektiv und damit auch nachprüf- der Schwangerschaft bis zur Geburt freigeben zu bar vorliegt. wollen. Wer wie wir vom Eigenwert des ungeborenen Dem wird jedoch der fraktionsübergreifende Grup- Lebens überzeugt ist, der muß nach unserer Auffas- penentwurf nicht gerecht. In ihm wird de facto jeder sung für dessen Lebensrecht kämpfen. Schwangeren, die eine Beratung in Anspruch nimmt, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das Vorliegen einer schwerwiegenden Notlage sozu- Die Vertreter der Fristenlösung akzeptieren zwar sagen als Fiktion unterstellt. Wer die Zulassung des den verfassungsrechtlichen Stellenwert des Lebens- Schwangerschaftsabbruchs an das objektive Vorlie- schutzes, räumen aber dem Selbstbestimmungsrecht gen einer schweren Notlage knüpfen will, muß des- zustimmen. der Frau, zumindest in den ersten drei Monaten der halb der Indikationslösung Schwangerschaft, einen verfassungsrechtlichen Vor- Nicht erst seit der Entscheidung des Bundesverfas- rang ein. Sie müssen sich eine Reihe kritischer Fragen sungsgerichts aus dem Jahre 1975 dreht sich ein gefallen lassen: wichtiger Punkt der Debatte über die Neuregelung Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8273

Dr. Theodor Waigel des Abtreibungsrechts um die Frage, wie sich der denke, es kann bei dem, was dieses Haus heute zu Schutz des ungeborenen Lebens am effektivsten leisten hat, nur so sein, daß wir miteinander darum durchsetzen läßt. Die Vertreter der Fristenregelung ringen, wie Lebensschutz am wirksamsten zu gewähr- neigen dazu, den Vertretern der Indikationslösung zu leisten ist. unterstellen, ihnen gehe es um „strafen statt helfen". (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Das ist eine Unterstellung, die am Kern der Probleme F.D.P.) vorbeigeht. In der Frage, daß wir Leben schützen wollen, sind Wir haben uns in unserer Ansbacher Erklärung als wir uns einig; in der Frage, wie, gehen die Meinungen erste Partei ausdrücklich zu einem Gesamtkonzept auseinander. Das ist sicherlich mit dadurch verur- bekannt, das sowohl eine umfassende Beratung und sacht, daß wir alle wissen, daß es einen absoluten umfangreiche familienpolitische Hilfen des Staates als Schutz des werdenden Lebens nicht geben kann. Das auch strafrechtliche Bestimmungen enthält. Eine hat es in keiner Gesellschaft, zu keiner Zeit gegeben. Beratung wird nur dann dem Schutzauftrag des Staa- Kein Gesetz dieser Welt wird das erzwingen kön- tes gerecht, wenn sie mit dem Ziel erfolgt, die Schwan- nen. gere zur Erhaltung des ungeborenen Lebens zu bewe- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gen. Wer abschätzig von Zwangsberatung spricht, der der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE stellt letztendlich den verfassungsrechtlich garantier- GRÜNEN) ten Eigenwert des ungeborenen Lebens in Frage. Bei allen Dingen, die heute angesprochen werden, Es ist heute schon an mehreren Stellen gesagt ist eines für mich sehr schwierig: Wer wie ich — und worden, was wir alles getan haben. Wir brauchen uns viele in diesem Hause — davon ausgeht, daß Straf- dessen nicht zu schämen. Auch als Finanzminister recht werdendes Leben nicht wirksam schützen kann, lasse ich mir hier keine Vorwürfe machen. wer weiß — Herr Eylmann hat es noch einmal darge- (Beifall bei der CDU/CSU) legt —, daß auch die Strafbarkeit eines Schwanger- Meine Damen und Herren, das höchste deutsche schaftsabbruchs in der Realität und in dem, was vor Gericht hat 1975 die Fristenregelung als verfassungs- Gericht tatsächlich behandelt wird, eine ganz unwe- widrig abgelehnt. Vielleicht werden heute nach sentliche Rolle spielt, der hat allerdings Schwierigkei- Abschluß der Debatte und nach der Abstimmung ten damit bzw. kein Verständnis dafür, daß die manche sehr zufrieden sein. Ich glaube, das ist kein Gruppe von Herrn Werner und anderen den Schutz Anlaß zur Zufriedenheit, schon gar kein Anlaß zur des werdenden Lebens mit noch mehr Strafandro- Selbstzufriedenheit und auch kein Anlaß zum Jubel. hung gegen Frauen durchsetzen will, und dies, Es ist kein Anlaß zur Freude. Eine Fristenregelung obwohl wir alle wissen: Das Strafrecht hat immer nur wäre eine Qualitätsänderung im Koordinatensystem dazu gedient, Frauen zu kriminalisieren, sie in die der Grundrechte unserer Verfassung. Illegalität zu treiben und sie letztendlich zu entwürdi- gen und zu demütigen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich appelliere an (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sie, gegen die Fristenregelung zu stimmen und unse- der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE rem Entwurf die Zustimmung zu geben. Wir bekennen GRÜNEN) uns mit Nachdruck zu den Aussagen des höchsten deutschen Gerichts: Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Würde zu. Es ist nicht entscheidend, ob der Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Träger sich dieser Würde bewußt ist und sie selber zu Schmidt, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des wahren weiß. Das gilt für den Kranken, den Behinder- Abgeordneten Jäger zuzulassen? ten, den Alten, den Schuldigen, aber auch das unschuldig Ungeborene. Diesem Anspruch, meine Damen und Herren, wird der Entwurf der CDU/CSU am meisten gerecht. Ursula Schmidt (Aachen) (SPD): Ich möchte weiter- (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der reden. CDU/CSU: Das war eine würdige Rede!) Ich glaube, daß wir bei allem, was wir heute diskutieren, eins im Auge behalten müssen — ich meine das nach beiden Seiten —: daß fundamentali- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort stische Positionen zur Lösung dieser schwierigen hat die Abgeordnete Frau (Aachen). Frage weder lebensnah und menschlich sind noch dem gerecht werden, was wir für die Frauen, für die Männer und Kinder in diesem Land im Moment zu Ursula Schmidt (Aachen) (SPD): Herr Präsident! verwirklichen in der Lage sind. Meine Damen und Herren! Ich hatte im Vorfeld dieser (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Debatte oft die Befürchtung, daß die Toleranz gegen- der F.D.P.) über Andersdenkenden — viele von Ihnen werden das gleiche erlebt haben — auf der Strecke bleiben Mich hat beeindruckt, was Herr Eylmann gesagt hat könnte. Jetzt bin ich froh, wie diese Debatte heute — ich glaube, daß wir so etwas zum Maßstab nehmen geführt wird, weil in der Mehrheit der Redebeiträge sollten —, daß nämlich Strafprozesse kein Selbst- zum Ausdruck kommt, daß wir, obwohl wir unter- zweck sind und daß dann, wenn wir— ich sage es jetzt schiedliche Auffassungen darüber haben, wie Leben sinngemäß — ethische Maßstäbe bei uns selber und zu schützen ist, andere Meinungen respektieren. Ich auch zum Schutz des werdenden Lebens anlegen, 8274 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Ursula Schmidt (Aachen) unser Ringen darum gehen muß, die gesellschaftli- fundenen Belastung und Tragweite nicht nachvoll- chen Formen zu finden, die das garantieren. ziehbar. Deshalb kann auch in der Abwägung zwi- schen dem Schutz des werdenden Lebens und der (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) Entscheidung der Frau in einem Schwangerschafts- Als ich selber vor ungefähr 20 Jahren meine politi- konflikt nicht die Verantwortung an Dritte abgegeben sche Tätigkeit begann, hätte ich mir nie träumen werden. Es kann auch nicht dazu führen, daß sich lassen, daß ich 1992 in einer Plenardebatte des Bun- Frauen von vornherein verschließen müssen, weil destages zur Reform des § 218 würde sprechen müs- man ihnen bei aller Hilfe und Beratung, die man sen. Die damaligen bundesweiten Demonstrationen anbietet, die letztendliche Entscheidung darüber ver- von Frauen vor Augen, ging ich — jung und unbe- weigert und ihnen damit vor allem nicht ermöglicht, kümmert, wie ich war — davon aus, es werde eine offen ihre Probleme erörtern zu können. gesetzgeberische Regelung durchgesetzt, die der (Beifall bei der SPD, der F.D.P. und dem Eigenverantwortung der Frauen entspricht und diese BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge nicht länger zu Kriminellen abstempelt. Das war, wie ordneten der CDU/CSU) ich heute sehe, ein Wunsch. Denn eine sozial wie ethisch vertretbare und an der Lebenswirklichkeit Wir sind uns ja alle in diesem Haus einig: Keiner orientierte Reform des § 218 steht immer noch aus. kommt an der Tatsache vorbei, daß wir Regelungen finden müssen, in welchem Rahmen Schwanger- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Leider!) schaftsabbrüche legalisiert werden können. Die einen In all den Gesprächen, die ich mit Frauen geführt sagen: mit der Entscheidung der Dritten. Wir sagen: habe, habe ich eines gelernt: daß wirksamer Lebens- Das kann nur die Frau. Der Erkenntnis, daß das nur die schutz nicht gegen die Frau, sondern nur mit der Frau Frau kann, muß das heute zu verabschiedende Gesetz verwirklicht werden kann. Rechnung tragen. Es darf heute in diesem Bundestag kein neues Vormundschaftsgesetz für Frauen verab- Ich sage Ihnen eines, liebe Kolleginnen und Kolle- schiedet werden, wie es der Gesetzentwurf der CDU/ gen: Ich als Frau — wie man sieht —, aber auch als CSU-Fraktion darstellt. Mutter bin tief davon überzeugt, daß nur eine Frau aus (Beifall bei der SPD, der F.D.P., der PDS/ eigenem Empfinden nachvollziehen kann, was es Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ heißt, schwanger zu sein, was es heißt, unter unerträg- NEN) lichen Belastungen eine ungewollte Schwangerschaft auszutragen, oder was es heißt, wenn durch den Wer die Würde und Mündigkeit der Frau respek- Druck äußerer Verhältnisse aus einer gewollten tiert und ihr die gleiche ethische Verantwortung und Schwangerschaft eine ungewollte wird. Ich weiß des- Achtung gegenüber dem werdenden und dem gebo- wegen auch, daß sich eine Frau, die sich für einen renen Leben zugesteht, wie wir dies alle im Hause für Schwangerschaftsabbruch entscheidet, immer in uns selber in Anspruch nehmen, muß der Frau auch einer Konfliktsituation befindet, für die sie, subjektiv eine eigenverantwortliche Gewissensentscheidung empfunden, keine andere Lösung sieht. in einem Schwangerschaftskonflikt zugestehen. Ich will nicht rechten. Ich weiß auch, daß viele (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ Männer ihre Pflichten als Väter wahrnehmen. - CSU und der F.D.P.) Dies garantiert der überparteiliche Gruppenent- (Dr. [CDU/CSU]: Das hört sich wurf, dem politische Eiferer schon im Vorfeld das gut an!) Etikett der Verfassungswidrigkeit anhängen, nur weil Aber es ist ein Problem, das wir nicht wegdrücken die Vorstellung einer eigenverantwortlich entschei- können: Da Männer nicht schwanger werden kön- denden Frau nicht in ihr Menschbild paßt. nen, (Beifall bei der SPD, der F.D.P., dem BÜND (Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Noch NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne nicht!) ten der CDU/CSU) haben sie zwangsläufig — ich respektiere das — Allen Kolleginnen und Kollegen aus den neuen einen anderen emotionalen Zugang zu diesem Thema Bundesländern möchte ich nur eines sagen: Ich bin als wir Frauen. Ich würde mir nur wünschen, daß doch mir dessen bewußt, daß das, was wir heute mit diesem viele zumindest den Ausspruch Richard von Weizsäk- Gruppenentwurf verabschieden, nicht das ist, was die kers beherzigen: Frauen in ihrer Mehrheit an Liberalität wollen. Ich bin Im übrigen wäre es gut, wenn Männer, soweit sie mir auch bewußt, daß es eine Einschränkung für die im Rechtsstaat dazu berufen sind, besonders Frauen gegenüber geltendem Recht ist. Aber wir behutsam über die Lage von Frauen urteilen. müssen auch sehen: Was können wir denn tun, und wo ist denn das Minimum, das wir ihnen bieten? Da sind (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei die Hilfen, die in dem Gruppenentwurf enthalten sind, Abgeordneten der CDU/CSU und des schon gut. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber, Herr Bundesfinanzminister Waigel, noch eine Weil das so ist, kann für mich nur eine Frau einen letzte Bitte: Für die Frauen in den neuen Bundeslän- Schwangerschaftskonflikt in eigener Verantwortung dern gehört ebenso dazu, daß wir uns ganz intensiv entscheiden. Kein Gesetzgeber, kein Richter oder darum bemühen, daß sie wieder eine Perspektive Staatsanwalt, kein Arzt kann diese Entscheidung für sehen. Wir dürfen es nicht hinnehmen, daß Frauen sie treffen. Für außenstehende Dritte sind Schwanger- ihre Existenz nicht mehr sichern können und aus schaftskonflikte, Herr Waigel, in ihrer subjektiv emp- Angst vor der Frage, ob sie ihre Familie noch weiter Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8275

Ursula Schmidt (Aachen) ernähren können, darauf verzichten, überhaupt Kin- nen ausgemacht hat. Untersuchungen haben erge- der zu bekommen. Die Lebendgeburten in den neuen ben, daß das etwa bei 5 % lag. Deswegen war es vom Ländern gehen bekanntlich um über 50 % zurück. Da Bundesverfassungsgericht seinerzeit ja auch sehr muß unsere Hilfe über das hinaus, was in dem weise, die Notlage nicht auf die Armutsindikation zu Gruppenentwurf steht, ansetzen. beschränken. Das Leben ist nun einmal anders, meine Ich bitte alle aus den neuen Bundesländern: Muten Damen und Herren. Sie den Frauen neben all dem, was wir ihnen an Finanzielle Hilfen wie Erziehungsgeld oder auch Neuem beschert haben, neben allem, was wir ihnen Stiftungsmittel und auch all die Maßnahmen, die die von dem, was sie hatten, genommen haben, nicht auch Bundesregierung und dieses Parlament beschlossen noch zu, daß Dritte über ihre Konflikte entscheiden. haben — sie sind schon genannt worden sind Vielen Dank. hilfreich und gut. Übrigens bin ich durchaus auch für Hilfen ohne Rechtsanspruch zu haben, allerdings (Beifall bei der SPD, der F.D.P., der PDS/ nicht nur für das vorgeburtliche Leben. Linke Liste und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/ (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) CSU) Es gibt Situationen, in denen es sehr sinnvoll ist, ohne Rechtsanspruch helfen zu können. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile Mit kurzfristig begrenzten Finanzzuwendungen ist nunmehr der Abgeordneten Frau Schmalz-Jacobsen aber auf Dauer nicht geholfen. Ich will das einmal das Wort. sagen: Die Babyausstattung oder die Wickelkommode wird ja wohl auch ohne die einmalige Zahlung eines Familiengeldes zu erlangen sein, Cornelia Schmalz-Jacobsen (F.D.P.): Herr Präsi- dent! Meine Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) zwei Jahren haben wir uns in der F.D.P. intensiv mit das sehr viel Geld kostet, aber nicht lange weiterhilft. der Neuformulierung eines Gesetzes beschäftigt. Wir Darum kann es also nicht gehen. Ich meine, jeder waren uns von Anfang an klar darüber, daß die Geruch, daß man den Frauen ihre Kinder gewisserma- alleinige Entscheidung bei der schwangeren Frau ßen abkaufen kann, wäre fatal. liegen muß und daß ein Rechtfertigungszwang gegen- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der über Dritten nicht angängig sei. SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ Wir wollten eine Verbesserung der Familienhilfen NEN) haben und haben uns von Anfang an darum bemüht, unseren Entwurf verfassungskonform zu machen. Nicht alles ist machbar. Damit müssen wir uns leider Frau Ministerin Schoppe, ich denke, es war gerade abfinden, auch wenn wir es gerne anders hätten. Wir müssen der Komplexität dieser Lage gerecht wer- nicht kleinmütig, hier an das Bundesverfassungsge- den. richt zu denken, sondern es war vernünftig und verantwortungsvoll, dies zu tun. Bei Schwangerschaftskonflikten geht es meistens (Beifall bei der F.D.P.) um Partnerschaftskonflikte, um Einsamkeit, auch um - Ausbildung und um Beruf. Bei Ausländerinnen — Sie Wir mußten Kompromisse schließen. Das mußten werden von mir vielleicht erwarten, daß ich das auch wir auch bei der Beratung des Gruppenentwurfs tun. sage — geht es häufig auch um das schlichte Bleibe- Aber Kompromisse zu schließen gehört zur Demokra- recht. Denn wenn der „ausreichende Wohnraum" tie. Meine Kolleginnen und Kollegen aus der F.D.P. nicht mehr da ist, sind diese Frauen in einem noch und ich wollten gern ein Ergebnis erzielen. Dann hilft ganz anderen Konflikt. es nichts, bei dem zu bleiben, was man sich einmal gewünscht hat. Hauptsache war uns, heute etwas zu Es geht auch um die bittere Erkenntnis, daß die verändern. selbsternannten Lebensschützer, die um ungeborenes Leben so heftig kämpfen, meist von der Bildfläche (Beifall bei der F.D.P.) verschwunden sind, wenn das geborene Leben stö- Wir haben uns von dem klaren Bewußtsein leiten rende Ansprüche stellt. lassen, daß sich aus Wunschvorstellungen nun einmal (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ keine Gesetze machen lassen; daß es Entscheidungen Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ gibt, die sich der Beurteilung Dritter entziehen; daß es NEN) eine Verantwortung gibt, die nur von der einzelnen übernommen werden kann. Hier darf man getrost von Heuchelei sprechen. Und die Entscheidung, ob sich eine Frau ein Kind (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem auszutragen zumutet, wird in solchen Tiefenschichten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Persönlichkeit gefällt, an die in Wahrheit kein Wer sich einmal der schmerzhaften Erfahrung aus- Dritter heran kann. setzt, in Heime zu gehen, um sich dort über das Elend Auch möchte ich sagen: Eine Frau im Schwanger- unerwünschter und ungewollter Kinder kundig zu schaftskonflikt unterliegt einem inneren Druck, sie machen, der wird etwas stiller werden. lebt in einer Zerreißprobe, die — mit Verlaub — kein Die Unterzeichner des Gruppenentwurfs haben sich Mann nachvollziehen kann. von dem Gedanken leiten lassen, daß es um eine Es mag für manche schwierig und ärgerlich sein, umfassende Reform gehen muß, die den Müttern daß die nackte augenblickliche finanzielle Notlage längerfristige Perspektiven eröffnet. Neben einer nur einen Bruchteil der bisherigen Notlagenindikatio- Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und der 8276 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Cornelia Schmalz-Jacobsen Neuregelung des Berufsbildungsgesetzes, neben der wir es gern gehabt hätten. Aber die Anhörungen Tatsache, daß wir den Rückgriff bei der Sozialhilfe haben gezeigt, wie wichtig das ist. Alle sozialflankie- einschränken wollen — das ist alles genannt wor- renden Maßnahmen müssen vor dem Hintergrund den —, geht es auch um das Kernstück eines Rechts- gesehen werden, daß sie den Kriterien einer ehrlichen anspruchs auf eine Kindertagesbetreuung. Mütter und — ich sage — einer modernen Familienpolitik und Familien müssen wissen, auf was sie sich einlas- standhalten. sen. Um wieviel mehr erst müssen das ungewollt Das Entscheidungsrecht der Frau ist der Kernpunkt Schwangere wissen. unseres Anliegens. Nur die Frau allein kann beurtei- Übrigens ist die Interessenlage zwischen Müttern, len, was auf sie zukommt, Monat um Monat, Jahr um die arbeitslos sind, und denen, die eine gute Arbeit mit Jahr. gutem Einkommen haben, nicht so sehr unterschied- Ich bitte Sie um Ihre Stimme für den Gruppenent- lich. Die Frage der Kinderbetreuung ist für beide von wurf zentraler Bedeutung. Sie eröffnet nämlich für beide gleichermaßen Chancen und kann gleichermaßen (Beifall bei der F.D.P., der SPD und beim zum entscheidenden Hindernis werden. Es geht hier BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge nicht nur um Arme. Offenbar fällt es vielen leichter, ordneten der CDU/CSU) nur in den Kategorien der finanziellen Bedürftigkeit zu denken. Es kann alle Frauen treffen. Es kann ja Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort nicht wahr sein, daß man die qualifizierten Frauen, die hat nunmehr die Abgeordnete Frau Dr. Enkelmann. eine gute Arbeit haben, mit Achselzucken auf die Sozialhilfe verweist. Das entspricht doch einem Frau- enbild, das wir jedenfalls nicht teilen. Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den schön- (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) sten Augenblicken im Leben einer Frau gehört die In den letzten Tagen ist noch einmal über die Kosten Geburt eines Kindes. Ich selbst habe drei Kinder zur der Einrichtungen von Kindertagesbetreuung gespro- Welt gebracht, und alle drei waren gewollt. chen worden. Es ist auch bei Ihnen, Herr Kollege Ich selbst war bisher noch nicht in der Situation, Waigel, eben angeklungen. Ich kann nur einen drin- mich gegen eine Schwangerschaft entscheiden zu genden Appell an die Gemeinden, an die Kreise, an müssen. Dennoch bin ich nicht bereit, diese meine die Länder richten, hier tätig zu werden. Wer offenen persönliche Entscheidung zum Maßstab für die Ent- Auges durch die westdeutschen Gemeinden reist, scheidung anderer Frauen zu machen, wie das offen- muß doch sehen, was alles noch schöner und noch sichtlich heute passieren soll. besser gemacht wird, wie die Prioritäten hier gesetzt werden. (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- Ich weiß sehr wohl, daß es Momente im Leben einer ten der SPD) Frau gibt, in denen Frauen meinen, Verantwortung Es ist doch unerträglich, daß in einem Gemeinde- für ein neues Leben nicht übernehmen zu können, in - parlament eher durchzusetzen ist, einen neuen Fuß- denen sie für sich entscheiden, eine Schwangerschaft ballplatz als einen neuen Kindergarten zu schaffen. nicht auszutragen. Ich jedenfalls kann eine solche So ist es aber leider. Entscheidung akzeptieren; denn die übergroße Mehr- (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. heit handelt im vollen Bewußtsein ihrer Verantwor- Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE tung. Ich meine, daß diese Entscheidung keiner Frau abgenommen werden kann und soll. GRÜNEN]) Ich empfinde es als eine unerhörte Anmaßung, mit Und ich bitte die Kolleginnen und Kollegen in den welchen Mitteln nun die Würde und das Selbstbestim- Gemeinden: Gebrauchen Sie Ihre Phantasie. Nicht mungsrecht der Frau mit Füßen getreten werden. In jede Einrichtung eines Kindergartens ist doch eine Art. 1 des Grundgesetzes heißt es — Herr Waigel hat teure Investition. Man kann sich etwas einfallen es hier schon zitiert —: lassen, wie man das regelt. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir tun uns offen- bar so furchtbar schwer mit dem Abbau von Subven- Im übrigen sind auch Frauen Menschen. tionen für Industrien der Vergangenheit. Andererseits Welch Hohn dagegen die im sogenannten Grup- scheuen leider viele die Investitionen, die ungeheure penentwurf vorgeschlagene Neuregelung des § 219 Auswirkungen auf die Zukunft haben. Und das steht zur Pflichtberatung. Ich zitiere: hier in Rede. Da können wir auch keinen Stillstand Die Beratung soll dazu beitragen, die im Zusam- gebrauchen. Hier muß es weitergehen, z. B. bei Ganz- menhang mit der Schwangerschaft bestehende tagsschulen. Not- und Konfliktlage zu bewältigen. Sie soll die Ungewollte Schwangerschaften verhüten zu helfen Schwangere in die Lage versetzen, eine verant- ist eine sehr notwendige Aufgabe. Sexualerziehung wortungsbewußte eigene Gewissensentschei- und Aufklärung über Verhütung sind notwendig, dung zu treffen. Frauen sind dazu also a priori nicht in der Lage? (Beifall bei der F.D.P.) Welches Menschenbild, welches Frauenbild entpuppt auch die kostenfreie Abgabe von Verhütungsmitteln, sich hier. Der Frau muß Verantwortungsbewußtsein die wir nicht in dem Umfang festlegen konnten, wie beigebracht werden? Sie hat es halt nicht? Welch eine Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8277

Dr. Dagmar Enkelmann Arroganz und pure Frauenfeindlichkeit. Ich jedenfalls ten wie die mögliche Not- oder Konfliktsituation von fühle mich durch eine solche Formulierung zutiefst Schwangeren. Einen Weg, der unter beiden Gesichts- gedemütigt und entwürdigt. punkten alle überzeugt, haben wir trotz des langen Noch ein Wort zum Gruppenentwurf: Dieser als Ringens und trotz der vielen Beratungen nicht gefun- Kompromiß so gefeierte Entwurf ist ein fauler Kom- den. Das zeigen die nach wie vor grundlegenden promiß. Es wäre ehrlicher, das zumindest den Frauen Unterschiede in den Anträgen, die uns heute vorlie- im Osten auch so deutlich zu sagen. Der mittelalterli- gen. Wir sind uns aber — das denke ich — alle darin che Strafrechtsparagraph 218, den schon meine Groß- einig, daß der Staat am besten zum Schutz des mütter bekämpft haben, der in der DDR abgeschafft ungeborenen Lebens beitragen kann, wenn er für wurde, kommt wieder über uns. Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, Bedingungen schafft, die ihnen eine Entscheidung für Frau Wettig-Danielmeier hat eingangs ihrer Rede ihr Kind erleichtern. Das geschieht am überzeugend- gesagt, das Strafrecht habe ausgedient. Das ist doch sten dadurch, daß Müttern und Vätern in ihrer Ver- nicht so. Das den Frauen vorzugaukeln halte ich für antwortung für die Kinder durch staatliche Maßnah- unverantwortlich. men Unterstützung und Hilfe gewährt wird. Auch für Mit der Androhung einer S trafe soll Frauen „gehol- den Schutz ungeborenen Lebens ist eine Familien- fen" werden. Für diese Hilfe danke ich. Behandelnder politik Voraussetzung, die Familien für die gesamte Arzt — in den meisten Fällen ein wirklicher Arzt des Zeit, in der die Kinder auf die Betreuung, auf die Vertrauens — und beratender Arzt fallen auseinan- Erziehung und Sorge der Eltern angewiesen sind, der; ein für mich deutlicher Eingriff in die Intimsphäre überzeugend Hilfe leistet und anbietet. Diese Bundes- der Frau. regierung hat dazu schon wichtige Beiträge, gerade Meine Damen und Herren, nicht ganz klar ist mir, auch in dieser Legislaturperiode, geleistet. nebenbei gesagt, wie eine Beratung zur Vermeidung Ich will dazu noch einmal einige in Erinnerung künftiger ungewollter Schwangerschaften beitragen rufen, nämlich die Erhöhung des Kindergeldes, des kann. Ich dachte bisher, das geschieht mittels Pille, Kinderfreibetrages, den Ausbau des Erziehungsgel- Kondomen, Spirale, Koitus interruptus usw. Ich wäre des und des Erziehungsurlaubs, das Unterhaltsvor- also sehr dafür, wenn man sich im tatsächlichen schußgesetz und die Ausweitung der Freistellung von Interesse der Vermeidung ungewollter Schwanger- Müttern und Vätern bei Erkrankung des Kindes. Diese schaften dazu durchringen könnte, Verhütungsmittel beschlossenen Maßnahmen sind ganz erhebliche Ver- nicht nur bis zum 20. Lebensjahr kostenlos auszuge- besserungen für Familien und damit auch ein wesent- ben, wenn man eine umfassende Aufklärung, begin- licher Beitrag zum Schutz des ungeborenen Lebens. nend im Kindesalter, vornehmen würde, wenn diese Gesellschaft nicht so prüde wäre und offener mit (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sexualität und ihren Folgen umginge. Wir dürfen uns aber nicht nur auf diese allgemeinen Noch ein Wort zum Schluß: Der Bundestag hat sich staatlichen Leistungen beschränken. Ebenso wichtig monatelang in intensiven Beratungen um die Neure- ist es, daß den Familien und ganz besonders den gelung der Abtreibung bemüht. An zwei vollen Tagen Frauen, die durch eine Schwangerschaft in eine Not- wurde im Plenum das Thema debattiert. Ich fordere lage geraten sind, auch sehr gezielt geholfen wird, sie auf, sich künfig mit mindestens der gleichen also mit Maßnahmen, die die ganz persönliche Situa- Intensität um die Lebensbedingungen geborener Kin- tion der Frauen erfassen. Gerade in meiner Fraktion der zu sorgen, daß Sie mit großem Nachdruck das waren wir uns wohl immer einig, daß diese individu- Recht der Kinder auf freie Entfaltung ihrer Persönlich- ellen Hilfen für Frauen in Konfliktsituationen im keit, die bevorzugte Versorgung von Familien mit Vordergrund der Maßnahmen für den Schutz des Wohnraum, die umfassende Hilfe für Alleinerzie- ungeborenen Lebens stehen müssen. hende, die Ahndung jeglicher Formen physischer und psychischer Kindesmißhandlungen einklagen. Ich (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wünsche mir, auch im Namen meiner eigenen Kinder, Auch in diesem Punkt unterscheidet sich unser dafür einen Tag ebenso engagierter Debatte in diesem Gesetzentwurf ganz erheblich vom Gruppenantrag. Hohen Hause. Wir haben in unserem Gesetzesentwurf die Einfüh- Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. rung eines Familiengeldes vorgesehen. Wir wollen die (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Ausweitung der Bundesstiftung „Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens". Wir möchten die Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes durch Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort die „Hilfen zur Bewältigung von Schwangerschafts- hat die Abgeordnete Frau Hannelore Rönsch. notlagen und Konflikten" konkretisieren. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Hannelore Rönsch (Wiesbaden) (CDU/CSU): Herr Sie dem Gruppenantrag zuneigen: Was hat dieser Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! dem entgegenzusetzen? Er verzichtet auf die beson- Wir müssen heute und jeder von uns ganz persönlich deren Hilfen in Not- und Konfliktsituationen. Wir muß heute eine Entscheidung treffen, die unter vielen haben in unserem Gesetzentwurf ein Familiengeld Gesichtspunkten abzuwägen ist. Der Anspruch, der festgeschrieben. Dieses wurde in den letzten Wochen an uns gerichtet wird, geht über die Vorschriften zum und Tagen als „Gebärprämie" diffamiert. Ich glaube, Schwangerschaftsabbruch weit hinaus. Wir haben liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie das getan den Auftrag, heute Regelungen zu verabschieden, die haben, Sie schlagen damit den 500 000 Frauen ins das Recht des Ungeborenen auf Leben ebenso beach- Gesicht, denen die Bundesstiftung „Mutter und Kind" 8278 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Hannelore Rönsch (Wiesbaden) in den letzten zehn, fünfzehn Jahren schon sehr Dem Antrag, den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jetzt umfassend geholfen hat. eingebracht haben, habe ich entnehmen können, daß diese Gruppe erkannt hat, daß das Paket an Hilfsan- (Beifall bei der CDU/CSU) geboten des Gruppenantrages zu schwach ist. Denn Ich bitte Sie auch, daran zu denken, daß ein solches nach diesem Antrag sollen die Hilfen aus dem CDU/ Familiengeld auch in der ehemaligen DDR gezahlt CSU-Gesetzentwurf übernommen werden. Außer- wurde. dem haben sich die Antragsteller — in Erkenntnis (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) gerade der besonderen Situation der Frauen in den fünf neuen Bundesländern — für die Zahlung eines Mir ist gerade heute ein Telegramm eines Familien- Familiengeldes ausgesprochen. bundes aus Sachsen zugegangen, worin deutlich gemacht wird, daß das Familiengeld gerade von den Ich betone noch einmal, liebe Kolleginnen und Frauen in den neuen Bundesländern sehr dringend Kollegen: Diskreditieren Sie diese Hilfe für Frauen gebraucht werde. Ich bitte Sie nochmals, gründlich zu nicht! In jedem Falle bitte ich darum, bei der Wortwahl überdenken, welche Hilfen Sie den Frauen in Ihrem etwas vorsichtiger zu sein. Es handelt sich nicht um Gruppenantrag anbieten. „Heuchelei", wenn wir Frauen mit 1 000 DM unter- stützen wollen. Ich möchte besonders an meine Kolleginnen und Kollegen aus den fünf neuen Bundesländern appellie- (Beifall bei der CDU/CSU) ren und sie daran erinnern, daß der „Hilfsfonds für Für mich bleibt es auch weiterhin unverständlich, schwangere Frauen in Not" doch wohl in den letzten daß der Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch auf eineinhalb Jahren sehr hilfreich gewesen ist. Verlangen der Frau vornehmen soll, nicht in seiner eigenen Verantwortung angesprochen wird. Warum (Beifall bei der CDU/CSU) nehmen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Ich habe von vielen — von Abgeordneten aus allen Sie die Fristenregelung befürworten, die Ärzte so Fraktionen — Briefe erhalten, in denen um die Aus- wenig ernst, obwohl sie diese Verantwortung mittra- weitung dieses Hilfsfonds gebeten wurde. Wir können gen wollen und auch mittragen müssen? Diese Ärzte in diesem Jahr mit um 100 % aufgestockten Mitteln fürchten selbst um ihre ärztliche Glaubwürdigkeit, Frauen in Konfliktsituationen helfen. Wollen Sie, daß wenn sie zum bloßen Werkzeug für die von der Frau dieser Hilfsfonds, daß der Ausbau der Stiftung „Mut- verlangten Abtreibung gemacht werden. Wir erwar- ter und Kind" gestrichen wird? Ich glaube, wir tun den ten von Ärzten, daß sie bei jedem Eingriff eine Frauen — insbesondere denen in den fünf neuen Entscheidung nach ärztlichen Gesichtspunkten tref- Bundesländern — damit keinen Gefallen. fen und auch verantworten. Warum soll dieses ausge- rechnet bei einem Schwangerschaftsabbruch unter- (Zustimmung bei der CDU/CSU) bleiben? Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der die schwangeren Frauen mit ihren seelischen Proble- SPD) men und ihren Unsicherheiten auch in einer ihnen wirklich aussichtslos erscheinenden Situation nicht Wenn der Arzt zusammen mit der Frau die bela- allein lassen. Widerspricht es denn nicht jeglicher stende Entscheidung verantwortet und trägt, dann ist Lebenserfahrung, daß Frauen in einem solchen das die rechte Hilfe für die Frauen, die in diesem Schwangerschaftskonflikt ihre Entscheidung für oder Konflikt darum ringen, ob sie zu einem Schwanger- gegen das Leben allein und ohne jede Hilfe von außen schaftsabbruch ja sagen sollen oder nicht. Mir geht es treffen können sollen, daß sie auf Unterstützung nicht um die schwachen Frauen. angewiesen sind? Es geht ja schließlich um eine Heute morgen wurde von Trauerarbeit nach einem Lebensentscheidung. In jeder anderen Konfliktsitua- Abbruch gesprochen. Mir geht es um die Frauen, die tion erwarten wir Beratung und Hilfe. Wieso tun wir unter dem Schwangerschaftsabbruch leiden. Diese dies ausgerechnet nicht, wenn es darum geht abzu- Frauen sind froh — ich weiß dies aus sehr, sehr vielen wägen, ob ungeborenes Leben getötet werden soll? Gesprächen —, daß sie jemanden an der Seite haben, (Zustimmung bei der CDU/CSU) der die Verantwortung für den Abbruch mitträgt. Ich erwarte von uns, daß wir uns gerade vor die schwa- Ich bin natürlich froh darüber, liebe Kolleginnen chen Frauen stellen. Dazu ist der Gesetzgeber ver- und Kollegen von der SPD, daß auch im Gruppenan- pflichtet. Dazu fordere ich Sie, meine sehr geehrten trag endlich die obligatorische Beratung festge- Damen und Herren, auf. schrieben ist. Sie alle, wir alle wissen, daß in über 50 % (Beifall bei der CDU/CSU) der Fälle junge Frauen von ihrem Partner, von ihrem Ehemann, von ihrer Familie zum Schwangerschafts- Im übrigen sehe ich gerade in der Mitverantwor- abbruch gedrängt werden. tung der Ärzte die große Hilfe für die Schwangeren. Sie müssen die Belastung, die mit einer solchen (Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!) Entscheidung verbunden ist, nicht allein tragen. Das Wir würden ansonsten den Frauen, die eine Bera- hat, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit einer Bevor- tungsstelle für Schwangere nicht aufsuchen können, mundung von Frauen gar nichts zu tun. die Möglichkeit nehmen, sich über die umfassenden (Zuruf von der SPD: Nein?) Hilfen, die Staat und Gesellschaft anbieten, zu infor- mieren. Ich bin froh, daß, wie man an dem Gruppen- Wir wollen, daß noch ein anderer diese Last auf seinen antrag sieht, wenigstens diese Einsicht bei ihnen Schultern mitträgt und mitentscheidet. gereift ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8279

Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Ich meine, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Betrag lächerlich ist — drauf, und der Herr daß es die Pflicht des Staates ist, Leben umfassend zu Finanzminister ermahnt uns, bei der Durchsetzung schützen. Des weiteren ist es die ganz besondere eines Anspruchs auf einen Kindergartenplatz finanz- Pflicht des Staates, das schwächste Glied in der Kette, mäßig redlich zu sein. Er sagt, daß ein solcher nämlich das ungeborene Leben zu schützen. Anspruch nicht zu finanzieren sei. Sie schieben die Ich halte es deshalb für nicht vertretbar, das Leben Frist für einen Rechtsanspruch immer weiter nach eines Kindes für eine bestimmte und noch dazu oben. Das halte ich für nicht redlich. Sie tun so, als willkürlich gesetzte Frist grundsätzlich ohne Schutz wollten wir hier nichts erreichen. zu lassen. Jetzt möchte ich aber noch etwas zu meiner eigenen

Bitte bedenken Sie, liebe Kolleginnen und Kolle- Position sagen. Ich habe für den SPD - Gesetzentwurf gen, die Sie dem Gruppenantrag zuneigen, was Sie sehr gekämpft, weil mir darin die generelle Straffrei- den Frauen an Verantwortung ganz allein aufbürden heit und der Rechtsanspruch auf Beratung sehr wich- — Frauen in einer Konfliktsituation, die sonst in jeder tig waren. Ich glaube immer noch, daß das die beste Lebenslage Unterstützung, Hilfe und Beistand erhal- Entscheidung wäre. Aber ich weiß auch, daß wir heute ten. Wenn der Satz, daß der beste Lebensschutz auch dafür keine Mehrheit finden. Deswegen werbe ich, Hilfen für die Frauen beinhaltet, weiterhin gelten soll, obwohl ich ihn nicht unterschrieben habe, hier heute dann bitte ich Sie, daß Sie sich das Hilfepaket in sehr eindringlich und mit der großen Bitte um Unter- unserem Gesetzentwurf noch einmal genau ansehen stützung für den Gruppenantrag. und erst dann Ihre Entscheidung treffen. Meine Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie dem (Beifall bei der CDU/CSU) Gruppenantrag nicht zustimmen, dann halten Sie die entmündigende und existenzbedrohende Situation aufrecht, die § 218 für die Frauen in den alten Bun- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile desländern darstellt. Sie sind dann mitverantwortlich nunmehr der Abgeordneten Hanna Wolf das Wort. dafür, daß die Frauen in den neuen Ländern künftig diese unerträglichen Verhältnisse ebenfalls hinneh- Hanna Wolf (SPD): Herr Präsident! Meine sehr men müssen. verehrten Damen und Herren! Wir sind heute sicher Was das bedeutet, kann ich Ihnen sagen, denn ich auch hier, um zuzuhören und um Meinungen zu bin Abgeordnete aus Bayern. Ich bin sehr dankbar, hören, die wir nicht immer teilen. Aber ich gestehe: daß unsere Justizministerin heute hier gesprochen Bei dem, was die drei Ministerinnen hier heute gesagt hat. Ich hätte es gar nicht so gut darstellen können, haben, fällt es mir unheimlich schwer, nicht ernsthaft was es eigentlich bedeutet, eine CSU-Regierung zu zu fragen, wessen Interessen diese Ministerinnen haben. eigentlich vertreten. (Beifall bei der SPD und der F.D.P. — Zurufe (Beifall bei Abgeordneten der SPD) von der CDU/CSU: Glückliches Bayern! Frau Ministerin Rönsch, was Sie hier gerade gebo- Warum ziehen sie alle nach Baye rn?) ten haben — — — Ja, es lebt sich sehr schön in Baye rn, ich lebe sehr (Zuruf von der CDU/CSU: Das war hervorra- gern in München. Aber die Medaille hat eine Kehr- gend!) seite. Bayern ist ja nicht CSU, aber die CSU regiert in Wie definieren Sie die Begriffe „schwache Frauen" Bayern. bzw. „Hilfe des Arztes"? Übernimmt der Arzt dann die (Zurufe von der CDU/CSU: Gott sei Dank!) Erziehung der Kinder? Sorgt er dann für das Kind? Der CSU in Bayern haben wir zu verdanken, daß es die (Zuruf von der CDU/CSU: Das darf doch gegeben hat. Frau Berghofer- wohl nicht wahr sein!) Memminger Prozesse Weichner, ich hätte eigentlich heute erwartet, daß Sie Ich halte Ihre Wortwahl in bezug auf „Hilfe" und über den Ablauf dieser Prozesse wirklich einmal „schwache Frauen" für mißbräuchlich. Betroffenheit gezeigt hätten (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie des (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/ 90/DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN]) Selbstverständlich ist es unser Wunsch und unser und gesagt hätten: Es ist so nicht gedacht, daß Wille, Frauen in ihrer Not zu helfen. Wir wollen ihnen Prozesse Frauen vor der Öffentlichkeit so vorführen ihre Entscheidung aber nicht abnehmen, weil ihnen und so demütigen. Aber das ist der Hintergrund. diese Entscheidung niemand abnehmen kann bzw. Wenn die Memminger Prozesse einen Sinn gehabt weil sie mit der Entscheidung allein fertigwerden haben, dann den, daß wir heute hier im Parlament müssen. Sie haben die Hilfe des Arztes keine 20 Jahre. über die Parteigrenzen hinaus hoffentlich einen Die Entscheidung, die der Arzt dann vielleicht gefällt Mehrheitsentwurf durchbringen, der solche Prozesse hat, müssen die Frauen dann doch allein tragen. nie wieder möglich macht. Insofern halte ich Ihr Verhalten für eine Heuchelei. (Beifall bei der SPD, der F.D.P. und dem (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) F.D.P.) Wenn wir diesen Entwurf durchbringen — und dafür Genauso ist es Heuchelei, daß Sie sagen, wir hätten werbe ich —, geben wir den Frauen, die dort so keine finanziellen Hilfen vorgesehen. Sie legen jetzt gedemütigt, so vorgeführt wurden, ein wenig Genug- noch ein bißchen Geld — ich sage ein bißchen, weil tuung. Dann war es nicht ganz umsonst, was sie 8280 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Hanna Wolf erlitten haben. Wir werden es abschaffen und für hinreichende, so daß die notwendige Bedingung immer unmöglich machen. dafür, die Differenziertheit, Vielfalt und Komplexität Es geht aber nicht nur um die Frauen, sondern auch aller zu beachtenden Aspekte eingehend zur Sprache um die Ärztinnen und Ärzte. In Bayern gibt es z. B. fast zu bringen. Selten ist ein zur Entscheidung anstehen- keinen Schwangerschaftsabbruch mehr. Es gibt kaum des Problem so kontrovers und gründlich diskutiert noch Ärztinnen und Ärzte, die einen Schwanger- worden wie die Neugestaltung des § 218. schaftsabbruch vornehmen, und zwar nicht aus Es mag neben der Sache die ausdrückliche Beto- Gewissensgründen, sondern weil sie um ihre Existenz nung der Gewissensentscheidung gewesen sein, die Angst haben müssen. Der Prozeß hat auch dieses eine Vielzahl von Experten für Sittlichkeit und Ethik bewiesen. Deswegen brauchen auch die Ärztinnen auf den Plan gerufen hat. Von diesen wurde ein Bild und Ärzte Rechtssicherheit bei der Hilfe für Frauen, entworfen, als hätten wir am heutigen Tag darüber zu die in einer Notlage sind, zu ihnen kommen und Rat befinden, ob Sittlichkeit und Ethik über Bord gewor- brauchen. fen werden sollten. Dieses Bild, liebe Kolleginnen und (Beifall bei der F.D.P.) Kollegen, ist falsch. Es wird vielleicht entworfen, um Wenn wir den Antrag nicht durchbringen, bleibt es Druck zu erzeugen, um uns jener Freiheit zu berau- bei diesem menschenverachtenden Gesetz, und ben, die für eine verantwortliche Gewissensentschei- Memmingen wird wieder möglich. Memmingen ist dung unbedingt benötigt wird. gerade bei den Frauen, die das dort erlitten haben, (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. aber auch überhaupt bei uns Frauen tief im Gedächt- Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE nis. Vor diesem Erfahrungshintergrund muß heute die GRÜNEN] — Gerhard Reddemann [CDU/ Entscheidung fallen: Weg von einer Indikationsrege- CSU]: Unverfrorenheit! Sie sollten zurücktre- lung, hin zu einer Fristenregelung! ten! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Wir haben Recht zu setzen, nicht mehr und nicht All denen, die, wie ich, mehr wollten, möchte ich weniger, ein Recht, das gebunden ist an die Verfas- sagen: Erstens. Schieben wir dem CDU/CSU-Gesetz- sung, ein Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen, das entwurf einen Riegel vor! Zweitens. Verhindern wir, nicht behauptet, unverrückbar in Metaphysik zu daß die Frauen in Ost und West mit der geltenden gründen, sondern das bewußt und absichtsvoll Indikationsregelung bedroht werden! Stimmen Sie lebensweltlich und nicht statisch ist, das seine sittlich daher für den Gruppenantrag! Mehr ist momentan ethische Basis im wohlverstandenen Gemeininteresse nicht zu erreichen. aus dem bezieht, was gesellschaftlich geworden ist (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) und nur dadurch jene Freiheit garantiert, die die Voraussetzung von Sittlichkeit bedeutet.

Ich erteile Ich verwahre mich aufs schärfste gegen den Vor- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: wurf derjenigen, die das Eintreten, auch mein Eintre- nunmehr das Wort der Abgeordneten Frau Leutheus- ten für den überfraktionellen Gruppenantrag als ser-Schnarrenberger. Plädoyer für Schwangerschaftsabbruch darzustellen - suchen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (F.D.P.): (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin- Abgeordneten der CDU/CSU) nen und Kollegen! Wir schließen heute eine Diskus- sion ab, die in den letzten Monaten und Wochen Es ist in meinen Augen eine Verleumdung des scharfe Gegensätze in unserer Gesellschaft aufge- gesamten Parlaments, wenn mit publizistischem Auf- zeigt hat. Ich bedaure, daß der Streit um Positionen wand behauptet wird, die Parteien des Deutschen häufig im Vordergrund stand und den fairen Streit um Bundestages seien gewillt, dem ungeborenen Leben den richtigen Weg sehr schwer gemacht hat. den Schutz des Staates zu entziehen. Denn es geht hier und heute nicht um die Frage, ob vorgeburtliches Es war eine gute und richtige Entscheidung, die Leben seitens des Staates zu schützen ist — dies ist Abstimmungen über die Neufassung des § 218 aus eindeutig mit Ja zu beantworten —, sondern es geht den Zwängen von Koalitions- und Fraktionsabspra- darum, wie den relevanten Forderungen unseres chen zu entlassen und der persönlichen Gewissens- Grundgesetzes am besten zu genügen ist. entscheidung des einzelnen Abgeordneten zu über- antworten. Jede hier im Hause vertretene Partei muß (Beifall bei der F.D.P.) mit sich selbst ausmachen, was sie aus dieser richtigen Die geltende Indikationsregelung konnte nicht ent- Entscheidung gemacht hat. Einigen wurde es nicht scheidend zu einem verbesserten Lebensschutz bei- leicht gemacht, ihrem Gewissen treu zu bleiben. tragen. Der — ich zitiere aus dem Urteil des Bundes- Ich hoffe, daß die Entscheidung, die wir heute hier verfassungsgerichts von 1975 — „ernsthafte Versuch, zu treffen haben, keine verzerrte Entscheidung ist und durch eine Differenzierung der Strafdrohung einen letztendlich das zum Ausdruck bringt, was sich jeder wirksameren Lebensschutz und eine Regelung zu einzelne von uns als vor sich selbst vertretbar erarbei- erreichen, die auch vom allgemeinen Rechtsbewußt- tet hat. sein getragen wird", hat nicht zum erhofften Erfolg (Beifall bei der F.D.P.) geführt. Der Staat ist zum Schutz des ungeborenen Es war ein richtiger Entschluß, die anstehenden Lebens verpflichtet, aber wir müssen uns die Frage Entscheidungen dem Gewissen jedes einzelnen von stellen: Ist der Staat dazu verpflichtet, durch das uns zu übertragen. Dies war wenn auch nicht die Strafrecht zu schützen? Gerade die geltende, Schwan- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8281

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gerschaftsabbrüche nicht verhindernde Indikations- Freiheit und die Pflicht zubilligt, selbstbestimmt und regelung hat die Grenzen dessen, was das Strafrecht so in sittlicher Verantwortung vor sich selbst ihre zu leisten in der Lage ist, klar aufgezeigt. S trafrecht Entscheidung zu treffen. kann also nur die Ultima ratio sein. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne (Beifall bei der F.D.P.) ten der SPD) Der Gruppenantrag zeigt, daß zwischen einer Indi- kations- und einer Fristenregelung keine unauflösba- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort ren Gegensätze bestehen müssen. Einerseits weist der hat der Abgeordnete Wolfgang Ullmann. Gruppenantrag auf die Not- und Konfliktlage, in der eine schwangere Frau den Schwangerschaftsabbruch erwägt, hin, andererseits überläßt er ihr bis zur Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 12. Woche der Schwangerschaft die letztverantwortli- NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! che Entscheidung. Wir wollen mit dieser Regelung Frau Ministerin Rönsch, zu Ihrem Beitrag eine Bemer kein Recht auf Abtreibung, sondern ein Recht auf eine -kung und eine Antwort. verantwortungsvolle, durch eine verpflichtende Bera- Die Bemerkung: Worunter Frauen leiden, das ist in tung gestärkte Entscheidung darüber, einem hohen Maße das Frauenbild, das Sie heute hier vertreten haben. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ob der Frau eine Fortsetzung der Schwangerschaft der F.D.P. und der PDS/Linke Liste sowie bei zumutbar ist. So wird nach meiner tiefen Überzeu- Abgeordneten der SPD) gung ungeborenes Leben am besten geschützt. Was der Gruppenantrag anbietet, das ist nicht eine (Beifall bei der F.D.P.) in ein Sozialpaket verhüllte Indikationslösung, son- dern die Befreiung von der unmoralischen Tyrannei Hier liegt der entscheidende Unterschied zum der Indikationslösung. Es hilft nichts, sie in ein dickes Mehrheitsentwurf der CDU/CSU. Dieser gibt dem Paket von Sozialleistungen einzuhüllen, über die ich Arzt die letzte Entscheidung, eine Entscheidung, die gar nicht rede. Die Frauen werden in Art. 20 Ihres gerade nicht nur nach ärztlichen Erkenntnissen Gesetzentwurfes nachschauen. getroffen werden kann. Die Entscheidung, die er treffen muß, unterliegt der gerichtlichen Überprü- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne fung. Auch eine Herausnahme der Dokumentations- ten der SPD) pflicht ändert daran nichts. Denn heute wird darüber entschieden, ob diese Im Vordergrund des Gruppenantrags steht eindeu- Gesellschaft einen Schritt tut, der fällig ist, seit die tig die Verbesserung des Lebensschutzes durch Bera- Gleichheit als eines der Grundprinzipien der Demo- tung, Aufklärung und soziale Hilfen mit Perspek- kratie anerkannt worden ist. Dieser Schritt beantwor- tive. tet die Fragen: Gilt Gleichheit auch für die Frau? Gilt (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) sie im Kernbereich menschlicher Existenz, dort, wo Leben entsteht und weitergegeben wird? Gilt hier Eine perspektivische Hilfe ist gerade das Familien- -Gleichheit? Ist die Frau, die in diesem Kernbereich geld nicht. unserer Existenz steht, Subjekt der Entscheidungen, Entscheidend im Gruppenantrag ist die Pflichtbera- die zu fällen sind, oder ist sie lediglich Objekt einer tung. Maßstäbe sind Lebensschutz und der hohe Wert Gesetzgebung, die ihre Entscheidung im Sinne einer des ungeborenen Lebens. Es werden alle Vorausset- gerade herrschenden Mehrheit zensiert oder billigt? zungen dafür geschaffen, daß die für den Erfolg des Entschieden werden muß heute darüber, ob dieser Beratungsgesprächs erforderliche vertrauensvolle At- Schritt der Emanzipation getan wird oder nicht. mosphäre entstehen kann, In der Beratung geht es Gehört es nicht zu den inspirierendsten Perspektiven darum, eine Alternative zum Schwangerschaftsab- des Einigungsprozesses, daß er uns, bis hin zum bruch aufzuzeigen. Eine solche Beratung kann besser Wortlaut des Einigungsvertrages in dessen Art. 31, als eine direktive, überredende Beratung Einfluß auf auffordert, hier etwas Neues, über die bisherige den Motivationsprozeß der Schwangeren nehmen. Gesetzeslage in den beiden Teilen Deutschlands Deshalb meine ich, daß der Forderung des Bundesver- Hinausgehendes zu verwirklichen? fassungsgerichts nach Einfluß auf den Motivations- In diesem Zusammenhang muß eines mit aller prozeß der Schwangeren im Sinne einer Fortsetzung Deutlichkeit gesagt werden: Was der Antrag der der Schwangerschaft so und auf diesem Weg am CDU/CSU-Fraktion und der Antrag Werner uns hier besten Rechnung ge tragen wird. anbieten, als etwas Neues oder gar als einen Fort- Ich weiß, daß viele von Ihnen schwer mit ihrem schritt anzuerkennen, ist für jemanden aus der ehe- Glauben, mit ihrem Gewissen ringen. Ich achte und maligen DDR schlicht eine Zumutung schwer erträg- respektiere Ihre Überzeugungen. Wir müssen versu- lichen Ausmaßes. chen, eine Entscheidung zu finden, die unserer Ver- (Uta Würfel [F.D.P.]: Nicht nur für jemanden fassung und unserer Gesellschaft gerecht wird. aus der DDR!) Folgen Sie Ihrem Gewissen, vertrauen Sie auf die Bitte, nehmen Sie endlich einmal zur Kenntnis, daß Entscheidungs- und Verantwortungsfähigkeit der die in diesem deutschen Landesteil eingetretenen schwangeren Frau. Der Gruppenantrag ist eine Rege- Fortschritte der Frauenemanzipation für uns nicht lung, die unter sittlich-ethischem Aspekt anspruchs- mehr zur Disposition stehen, vor allem nicht für die voll ist, die auch der konfliktbeladenen Frau die betroffenen Frauen, die keine Macht dieser Welt dazu 8282 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Wolfgang Ullmann bringen wird, wirkliche Freiheiten, die sie wahrge- mals durch einen Richterspruch — sei es des Verfas- nommen haben und wahrnehmen, nachträglich als sungsrichters oder des Strafrichters — zu lösen. Unfreiheit diskreditieren zu lassen! Darum mußte dieses Urteil in sich widersprüchlich bleiben und war auch der Dissens des Minderheiten- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- votums, Rupp, von Brünneck und Simon, unvermeid- ten der SPD) lich. Das Strafrecht kann immer nur das Einzelrechts- Die Emanzipation der Frau ist längst kein Proprium gut schützen, das unter Grundrechtsgarantie steht. linker Parteiprogramme mehr, sondern Bestandteil Eine gesetzliche Regelung für Grundrechtskonflikte der gesellschaftlichen Entwicklung und Praxis im führt zwangsläufig zum unerlaubten Ausspielen des Ganzen. Diejenigen, die unentwegt mit ihren Wert- einen gegen ein anderes. ordnungstheorien agitieren, sollten endlich zu der Die Grundrechte im Ganzen aber kann nur die vom Erkenntnis kommen, daß wir in einer Gesellschaft praktizierten demokratischen Konsens getragene miteinander konkurrierender Wertordnungen leben. Verfassung selbst schützen und nichts außer dem. Vor Unsere Verfassung ist just zu dem Zweck da, keiner allem können sie nicht — das muß ich als Theologe dieser Wertordnungen zu erlauben, staatliche Macht- abschließend einmal sagen — durch eine sogenannte mittel, vor allem nicht das der Gesetzgebung, dazu zu Wertordnung geschützt werden, die in einigen Teilen mißbrauchen, eine dieser Wertordnungen anderen des neokonservativen Bürgertums mit dem Christen mit Gewalt aufzuzwingen. tum identifiziert wird. Dagegen ist schärfster Protest (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einzulegen. der SPD und der F.D.P.) Als die griechischen Kirchenväter und — auf ihrer Dessen sollten Sie gewiß sein. Der Anschauungsun- Basis — der heilige Augustinus auf die Frage, ob die terricht der DDR hat uns für immer für das sensibili- Familie oder der einzelne das Bild der Trinität sei, siert, was eintritt, wenn eine Wertordnung als die antworteten, sagten sie: einzig und allein der ein- herrschende ausgegeben und anderen aufgezwun- zelne, jeder einzelne, ob Mann oder Frau. Damit gen werden soll. haben sie ein für allemal allen Versuchen eine prinzi- pielle Abfuhr erteilt, das Christentum zur Stabilisie- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) rung autoritärer und hierarchisch patriarchalischer „Strafrecht schafft Rechtsbewußtsein" habe ich Gesellschaftssysteme zu mißbrauchen. heute früh von seiten der CDU hier sagen hören. Mich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schaudert vor der Realitätsblindheit und der Demo- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der kratiefeindlichkeit dieser politischen Prügelpädago- F.D.P.) gik. Wie mag das Rechtsbewußtsein wohl aussehen, Was in aller Welt haben jene läppische Moralkasu- das so zustande kommt, daß ein Tatbestand, der von istik über Verhütungsmittel, der Versuch, die Gewis- den heldenmütigen Lebensschützern mehr oder senspatronage des Beichtstuhls über das staatliche weniger dem Mord gleichgesetzt wird, mit Geldstrafe Strafrecht zu sichern, mit jener Freiheit zu tun, von der sanktioniert ist? Der Ausschußbericht geht von einer das Neue Testament zeugt, Zahl von 160 000 Abtreibungen pro Jahr in Deutsch- land aus. Wie viele Prozesse, meine Damen Ministe-- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rinnen, wollen Sie eigentlich mit wie vielen Gerichten sowie bei Abgeordneten der SPD und der führen lassen? F.D.P.) in der ein 4. und 8. Kapitel des Johannesevangeliums (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ und ein 3. und 5. Kapitel des Galaterbriefes stehen? CSU]: Wie viele haben wir denn?) Aber für Christen wie Nichtchristen gemeinsam gilt Wenn man mich als Christen nach dem fünften in gleicher Weise: Eine kinderfreundliche Gesell- Gebot fragt: Es muß immer und immer wiederholt schaft werden wir nur über eine frauenfreundliche werden: Die Schuldhaftigkeit des Tötens bleibt in Gesellschaft erreichen. allen Fällen bestehen, auch in denen, die in sämtli- (Zuruf von der CDU/CSU: Aber auch kinder- chen Gesetzentwürfen als straffrei gelten. Was aber freundliche Gesellschaft!) das subjektive Schuldgefühl bzw. Schuldbewußtsein anbetrifft: Bei wem ist es wohl stärker ausgeprägt, bei Eine Mehrheit für den Gruppenantrag wäre ein erster der Frau, die, ein Bild des Jammers, vom Operations- Schritt in diese Richtung. tisch steigt, wenn sie dazu überhaupt in der Lage ist, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, oder bei demjenigen, der sie in diesen Zustand bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abge versetzt hat? Ihm droht nicht einmal die ominöse ordneten der PDS/Linke Liste) Geldstrafe des § 218. So sieht das Rechtsbewußtsein aus, das mittels des CDU/CSU-Strafrechtes geschaf- fen werden soll. Auch die Frage des Verfassungsrech- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat als näch- tes ist aus diesem gesellschaftlichen Kontext nicht zu ster der Kollege Claus Jäger das Wort. lösen, wie gerade das berühmte Karlsruher Urteil vom 25. Februar 1975 zeigt. Claus Jäger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Der Widerspruch zwischen der Menschenwürde, Damen und Herren! Bei dieser Debatte sollten das dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Lebensrecht der ungeborenen Kinder und ihre Men- Lebensrecht des Kindes, das selbstverständlich und schenwürde im Vordergrund stehen. Über 300 000 vor uneingeschränkt unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 der Geburt getötete Kinder in jedem Jahr sind ein so des Grundgesetzes steht, ist nur praktisch, aber nie- schreckliches Zeugnis gegen unseren Rechtsstaat, Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8283

Claus Jäger daß der Gesetzgeber seine Verantwortung erkennen ausschusses ist vom Sachverständigen unmißver- und handeln muß. ständlich und klar gesagt worden, es gebe zahlreiche Fälle, in denen keine soziale Hilfe greifen könne, weil Wenn diese Legislaturperiode vorübergegangen nicht die finanzielle und soziale Belastung durch das sein wird, ohne daß Einschneidendes zum Schutz der Kind, sondern die Existenz des Kindes selber den ungeborenen Kinder getan worden ist, dann werden der Abtreibung in diesen vier Jahren 1,2 bis 1,5 Mil- Schwangerschaftskonflikt auslöst. Wo z. B. der Kin- lionen Kinder zum Opfer gefallen sein. Das sind desvater das Kind ablehnt, weil er einfach keine Kinder will, verhindern die besten Sozialleistungen Holocaust- Zahlen, die angesichts der deutschen die Abtreibung nicht. Hier hilft nur die Strafdrohung Geschichte bleischwer auf dem Gewissen der Politi- ker lasten, wenn wir diese Todeslawine nicht stop- des Staates, pen. (Zuruf von der SPD: Ach Gott!) Um dies zu erreichen, gibt es von verschiedenen die unser Entwurf, also der der CDU/CSU-Minderheit, Seiten des Hauses, vor allem von der CDU/CSU, gerade für solche Fälle gegen den Vater richtet. Vorschläge für umfassende soziale Leistungen, von Der Gruppenentwurf, der die Tötung ungeborener denen heute hier schon geredet worden ist. Deswegen Kinder in den ersten zwölf Wochen sogar für rechtmä- kann ich mir nähere Ausführungen dazu sparen. ßig erklärt, läßt gerade Frauen im Stich. Sie können Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß ausge- sich nicht einmal mehr mit dem Argument, das Töten rechnet der Gesetzentwurf, der heute abend rein des Kindes sei Unrecht, gegen die Zumutung des zahlenmäßig die besten Chancen hat, nämlich der Kindesvaters zur Wehr setzen, der sie zur Abtreibung Gruppenantrag von SPD, F.D.P., GRÜNEN und eini- drängt. Auch das sollten Sie einmal bedenken! gen Mitgliedern unserer Fraktion, zugleich der dürf- Gegen die Fristenlösung haben die katholische tigste ist, was soziale Leistungen für schwangere Kirche und Teile der evangelischen Kirche, z. B. unser Frauen in Not betrifft. württembergischer Landesbischof Sorg, schwerste (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Bedenken erhoben. Sage keiner, dazu hätten die Birgit Homburger [F.D.P.]: Haben Sie den Kirchen keine Legitimation. Im Kampf gegen Hitlers schon einmal durchgelesen?) Euthanasie-Programm Daß dieser Gesetzentwurf auch sonst in eine ver- (Zuruf von der F.D.P.: Das kann man doch hängnisvolle Richtung weist, die diametral gegen das nicht vergleichen!) Lebensrecht und die Menschenwürde des ungebore- standen die beiden großen christlichen Kirchen eben- nen Kindes gerichtet ist, darf hier nicht verschwiegen falls an vorderster Front, so der damalige württember- werden. gische Landesbischof Wurm oder Kardinal Graf Galen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) von Münster. Sie haben damals laut und deutlich gesagt, daß der Mensch nicht Herr über Leben und Hatte der Entwurf bei seiner Einbringung im Mai Tod ist. noch eine Fristenlösung mit Beseitigung der Straf bar- keit vorgesehen, so erklärt er in seiner jüngsten Es ist heute genauso die Pflicht der Bischöfe, unmiß- Fassung knapp und brutal das Töten eines ungebore- verständlich auf den Wert und Vorrang des menschli- nen Kindes für nicht rechtswidrig, also für rechtmäßig, chen Lebens hinzuweisen. Ich füge hinzu: Damit wenn nur eine Beratungsbescheinigung vorgelegt vertreten die Bischöfe kein speziell kirchliches Anlie- wird, wenn es von einem Arzt vorgenommen wird und gen, sondern eine Forderung der Humanität und der wenn seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Menschenrechte. Wochen vergangen sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es muß keinerlei Notlage der schwangeren Frau Es ist daher töricht, es ist absurd, den Bischöfen vorliegen, kein schwerer Schwangerschaftskonflikt, vorzuhalten, sie wollten einer nicht mehr christlichen kein sonstiger besonderer Grund, um ein unschuldi- Mehrheit der Bevölkerung ihre christliche Moral auf- ges Kind sozusagen rechtmäßig töten zu können. zwingen. Meine Damen und Herren, das ist massiv verfas- Ich appelliere an alle Mitglieder des Hauses: Beken- sungswidrig, weil damit das Leben eines Menschen in nen Sie sich zum Lebensrecht des ungeborenen Kin- die freie Disposition eines anderen Menschen gestellt des, und lehnen Sie einen Gesetzentwurf ab, der ein wird. zutiefst inhumanes Recht zur Tötung Unschuldiger (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) einführen will. Sie, meine Damen und Herren, die diesen Entwurf Daß unsere Initiativgruppe angesichts dieser dra- unterstützen — ich richte dies besonders an die Frau matischen Entwicklung dennoch am eigenen Gesetz- Kollegin Justizministerin; sie scheint nicht mehr dazu- entwurf festhält, hat schwerwiegende Gründe: Leider sein —, schaffen ein Recht auf Abtreibung, ob Sie es bringt auch der Mehrheitsentwurf der Union nicht die wahrhaben wollen oder nicht. Das kann von unserer Wahrhaftigkeit auf, die Dinge beim Namen zu nennen Verfassungsordnung nicht hingenommen werden. und von der Tötung ungeborener Kinder statt vom Sollte dieser Entwurf durchkommen, werden wir Abbruch der Schwangerschaft zu sprechen. dagegen eine in die Wege leiten. Verfassungsklage Der Indikationsentwurf der Mehrheit — so gut er Ein Wort zu den Verfechtern der These, das Straf- gemeint sein mag — beseitigt den grundlegenden recht sei überhaupt ungeeignet, das Leben ungebore- Mangel des heute geltenden Indikationsrechts nicht. ner Kinder zu schützen: In der Anhörung des Sonder- Das geltende Recht hat nicht deswegen versagt, weil 8284 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Claus Jäger Strafrecht angeblich überhaupt nichts zum Schutz welchen Standpunkt auch immer er vertreten hat und ungeborener Kinder beitragen kann. Es hat vielmehr wie sehr er auch immer glaubt, selber im Recht zu deswegen versagt, weil es bewußt so angelegt war, sein. daß es bei Beachtung bestimmter Formalitäten prak- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ tisch zu keiner Anklage und zu keinem Strafverfahren CSU und der F.D.P.) mehr kommen kann. Der berüchtigte Arzt von Mem- Diese Situation erfordert, daß wir den unterschied- mingen ist doch nur deswegen angeklagt worden, lichen Ergebnissen, zu denen wir nach sorgfältiger weil er bei seinen Todesgewinnen auch noch die Prüfung gelangen, mit Respekt begegnen. Und so Steuern hinterzogen hatte und von der Steuerverwal- füge ich aus aktuellem Anlaß hinzu: Auf diesen tung an den Staatsanwalt übergeben worden ist. Respekt hat auch die Präsidentin des Deutschen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Bundestages Anspruch. Zurufe von der SPD: Pfui!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ Auch der Gesetzentwurf der Unionsmehrheit ist CSU, der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/ leider so angelegt, daß bei Einvernehmen zwischen DIE GRÜNEN) Schwangerer und abtreibendem Arzt eine strafrecht- liche Überprüfung nicht mehr stattfindet. Damit wird Die drei Fragen, die ich gestellt habe, beantworte dem Mißbrauch — den sollte das Gesetz ja gerade ich für mich wie folgt: unterbinden — Tür und Tor geöffnet. In den Fällen, in Das vorgeburtliche Leben bedarf des Schutzes denen nur der strafrechtliche Schutz das Leben des schon deshalb, weil es Leben ist, schwach ist und ungeborenen Kindes sichert, bliebe praktisch alles deshalb besonders schutzbedürftiges Leben. Leben in beim alten. einem Zustand, in dem sich jeder von uns am Beginn Unser Gesetzentwurf, der Gesetzentwurf der Min- seiner eigenen Existenz befunden hat. derheit der Unionsfraktion, sieht dagegen für diese Ich habe selbst bis zum Beginn der 70er Jahre Fälle ein wirkungsvolles Strafrecht mit echter geglaubt — und damit komme ich zur zweiten Abschreckungswirkung, mit echter Generalpräven- Frage —, ein Element dieses Schutzes könne oder tion vor, das der Forderung des Einigungsvertrages müsse sogar auch die Strafdrohung sein. Die Lebens- gerecht wird, der uns vorschreibt, das Leben der wirklichkeit und die Erfahrungen, die ich in meinen Ungeborenen besser als bisher zu schützen. verschiedenen Funktionen gewonnen habe, haben Meine Damen und Herren, das waren einige der mich eines Besseren belehrt. Heute weiß ich: Es gibt Argumente, mit denen wir von der Minderheit der keinen wirksamen Schutz des vorgeburtlichen Unionsfraktion für unseren Entwurf eintreten, und die Lebens gegen den Willen der Mutter. bis zur Stunde von niemandem widerlegt werden konnten. Ich bitte Sie daher: Meine Damen und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Herren, stimmen Sie unserem Initiativgesetzentwurf der CDU/CSU und der F.D.P.) Gruppe Werner —— zu. Sie tun damit etwas Wirksa- Ich stimme insoweit völlig mit dem überein, was Herr mes für den Schutz des Lebensrechts der ungebore- Kollege Eylmann heute vormittag dazu ausgeführt nen Kinder. hat. Ich glaube, daß die eindrucksvollen Ausführun- Danke schön. gen einer Mutter, die selbst werdendes Leben in sich trägt — ich meine die Ausführungen der Kollegin (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Marx —, dies noch unterstrichen haben. Nach meiner festen Überzeugung kommt es darauf Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat der Kol- an, durch bessere Aufklärung ungewollte Schwanger- lege Hans-Jochen Vogel das Wort. schaften zu verhindern und durch soziale Hilfen und eine verständnisvolle Beratung bestehende Not- und Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD): Sehr geehrte Frau Konfliktlagen zu bewältigen und so die Fortsetzung Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! der Schwangerschaft zu erleichtern. Die Entscheidung, die wir heute zu treffen haben, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten unterscheidet sich elementar von der Fülle unserer der F.D.P.) sonstigen parlamentarischen Geschäfte. Sie ist funda- mentaler Natur in dem Sinne, daß sie Grundfragen Die interfraktionell vorgeschlagene Regelung — es unserer Daseinsordnung betrifft, nämlich die Frage könnte ein Beitrag zur Herstellung sozialen Friedens nach dem Schutz des vorgeburtlichen Lebens, nach sein, daß es eine interfraktionelle Vorlage ist — ent- der wirksamen Gestaltung dieses Schutzes und nach spricht diesen Anforderungen nach meinem Urteil am der Eigenverantwortung und damit, so meine ich, besten. Auch deshalb, weil sie Hilfen normiert, die auch nach der Würde der Frau. — wie immer man im einzelnen über dieses oder jenes denkt — jedenfalls deutlich über den gegenwärtig Diese Fragen kann jeder einzelne von uns nur aus geltenden Zustand hinausgehen. Darin liegt auch ein seinem Gewissen beantworten. Dabei mögen ihm wichtiges Element der Orientierung, die zu geben die Forderungen, Empfehlungen, Ratschläge und Hin- Rechtsgemeinschaft in einer Frage von solchem weise seiner Partei, seiner Fraktion, der Kirchen, Gewicht nicht verweigern darf und die der interfrak- gesellschaftlicher Gruppen eine Hilfe sein, aber letz- tionelle Antrag auch an mehreren Stellen ausdrück- ten Endes ist jeder von uns mit sich und seiner lich gibt. Verantwortung in dieser Frage allein, auch mit seiner Schuld; denn — da täusche sich keiner — keiner wird Meine dritte Frage beantworte ich dahin, daß nie- aus diesen Beratungen ohne Schuld hervorgehen, mand, kein Arzt, kein Berater, kein Gericht und kein Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8285

Dr. Hans-Jochen Vogel Gesetzgeber, der Schwangeren vor der Instanz ihres Und ich erschrecke bei dem Gedanken, dieses Gewissens die Entscheidung und damit auch die Verdikt, kein Christ zu sein, könne eines Tages auch Verantwortung dafür abnehmen kann, ob sie das über diejenigen gefällt werden, die sich außerstande Leben, das sie in sich trägt, annimmt oder ob sie sehen, die Position des Lehramts zur Frage der Emp- glaubt, dem in ihrer besonderen Lage nicht gewach- fängnisverhütung zu akzeptieren. sen zu sein und deshalb zureichende Gründe für den (Beifall bei der SPD, der F.D.P. sowie der Abbruch der Schwangerschaft zu haben. Das kann zu Abg. Dr. Rita Süssmuth [CDU/CSU] und des falschen Entscheidungen und damit auch zu Schuld Abg. Dr. Gregor Gysi [PDS/Linke Liste]) führen — zur Schuld übrigens auch oder vor allem auch des beteiligten Mannes oder anderer, die es an Ich drücke die Hoffnung aus — ich formuliere es als mitmenschlicher Solidarität oder an Barmherzigkeit Bitte —, daß ein solcher Konflikt gläubigen Christen gegenüber der Schwangeren haben fehlen lassen. erspart bleiben möge. (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. der F.D.P.) Dr. Gregor Gysi [PDS/Linke Liste]) Aber — da mögen die Meinungen sicher wieder Jeder, der sich zu seinem Glauben hält, hat die auseinandergehen — dieser Schuld können wir Lehren seiner Kirche ernsthaft zu bedenken und sich — hier unterscheidet sich meine Meinung, Herr Kol- mit den Gründen auseinanderzusetzen, die sie dafür lege Jäger, ganz diametral von dem, was Sie gesagt anführt. Die Verantwortung für das, was wir hier und haben — mit strafrechtlichen Kategorien nicht heute zu entscheiden haben, kann uns aber niemand, gerecht werden. auch keine kirchliche Institution, abnehmen. Im übrigen: Ein Gericht mag viele Sachverhalte (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) gerecht und richtig und zutreffend beurteilen können; Ich werde aus meiner Verantwortung dem inter- aber den Schwangerschaftskonflikt einer Frau nach- fraktionellen Antrag zustimmen, weil ich ihn für die zuvollziehen, die für sie entscheidenden Lebensum- würdigste und vertretbarste Lösung halte. stände zu erkennen und zu bewerten, im Widerstreit (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie der der Motivationen die letztlich bestimmende Motiva- Abg. Dr. Rita Süssmuth [CDU/CSU]) tion herauszufinden, das kann ein Ge richt nicht, das übersteigt sein Vermögen. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Das Wort hat nun (Sehr wahr! bei der SPD) der Kollege Julius Cronenberg. Es regt zur Nachdenklichkeit an , warum die Zahl der Verfahren, die es gibt, so gering ist: wohl gerade Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) (F.D.P.): Ver- deswegen, weil Staatsanwaltschaften und Gerichte ehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und — von einer bekanntgewordenen Ausnahme abgese- Kollegen! In der Debatte am 6. September 1991 habe hen — ein Empfinden dafür haben, daß dies eine ich den Kollegen Eylmann und Werner von dieser Überforderung darstellt. Stelle gewünscht, daß sie für ihre Positionen in ihrer (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Fraktion die gleiche Toleranz und den gleichen der F.D.P.) Respekt erfahren mögen, die ich für meine — von der Mehrheit der Fraktion abweichende — Auffassung Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und bei den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion Herren, ich möchte — auch dafür ist der Bundestag, erfahren durfte. glaube ich, in diesem besonderen Fall der richtige Heute darf ich mit Dankbarkeit feststellen, daß die Ort — ein persönliches Wort an die Kirche richten, der ich selbst angehöre. Ich begrüße es, daß sie die tolerante und, wie ich meine, wirklich liberale Hal- bisherige Diskussion intensiv begleitet und immer tung sowohl in der Fraktion als auch in der Partei wieder die Schutzwürdigkeit des vorgeburtlichen konsequent durchgehalten wurde. Ob mein Wunsch Lebens betont hat. Ich bedaure, daß dabei Positionen nach Toleranz und Respekt auch in den anderen vertreten werden, die nicht mehr erkennen lassen, Fraktionen ganz oder auch nur teilweise in Erfüllung daß bis tief in den kirchlichen Bereich hinein, bis in gegangen ist, mögen andere beurteilen. zentrale Veranstaltungen des Katholikentags in Karls- Unsachliche und unfaire Angriffe — um das Wort ruhe hinein, nicht um das Ob, sondern um das Wie des „persönlich verletzende" zu vermeiden —, wohlge- Schutzes gerungen wird. merkt, nicht von Kolleginnen und Kollegen aus die- sem Hause, mußte ich allerdings von, wie ich meine, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten verblendeten Anhängerinnen der sogenannten der F.D.P.) „Mein Bauch gehört mir"-Bewegung erfahren. Ich halte es jedoch für schwer erträglich, daß dem (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ einzelnen — ich betone: dem einzelnen; die Frage, ob CSU — Widerspruch bei der SPD) eine Partei das Attribut „christlich" beanspruchen Meine Haltung in der Sache selbst hat das nicht sollte, steht auf einem ganz anderen Blatt —, der in der ändern können. Ich halte daran fest, daß die schon im Frage des Wie eine von der Position der Hierarchie letzten September genannten Kriterien für mich nach abweichende Position vertritt, das Christsein abge- wie vor unverzichtbar sind. sprochen wird. Erstens. Ich vermag keinem Vorschlag zuzustim- (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei men, der sich an Zeitabläufen orientiert. Das heißt: Abgeordneten der CDU/CSU) Eine Fristenlösung ist für mich nach meinem Verfas- 8286 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) sungsverständnis, aber auch für mich als Christ nicht Angelika Pfeiffer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! ausreichend für unseren Willen und unsere Pflicht, Meine Damen und Herren! Ich habe in den letzten Leben zu schützen. Wochen und Monaten mit vielen Menschen in mei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nem Wahlkreis in Sachsen — in Eilenburg, Torgau, Wurzen und Delitzsch —, mit Fraktionskollegen und Zweitens. Es muß bei dem Grundsatz bleiben, daß auch mit Parteifreunden über den auch von mir es zwischen dem Leben des Ungeborenen einerseits unterzeichneten Gruppenantrag gesprochen und dis- und dem Lebenskonflikt der Mutter andererseits kutiert. keine Güterabwägung geben kann, die eine Entschei- Für meinen Standpunkt habe ich nicht nur heftige dung gegen das ungeborene Kind im Ergebnis straf- und zum Teil bösartige Kritik, sondern auch viel Lob rechtlich rechtfertigt. Es kann im Strafrecht an dieser und Zustimmung erhalten. Diese Gespräche haben Stelle immer nur um die Frage des Schuldvorwurfs mich letztlich darin bestärkt, daß die Entscheidung für gehen. den Gruppenantrag richtig und vor allen Dingen Drittens. Wir als Gesetzgeber müssen Hilfs- und notwendig ist. Beratungsangebote als Pflicht verstehen und auch entsprechend normieren. Die Mutter und natürlich (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) auch der Vater des Ungeborenen müssen verläßliche Dieser Antrag wird am ehesten dem Antrag gerecht, Hilfen haben, auf die sie bauen können. Diese müssen zu dessen Erfüllung der Gesetzgeber auf Grund von ihnen aber, u. a. auch in der Form einer Pflichtbera- Art. 31 Abs. 4 des Einigungsvertrages verpflichtet tung, von der Gesellschaft so angeboten werden, daß worden ist, nämlich die Gesetze von Ost und West zu sie dazu geeignet sind, eine Entscheidung für das einem guten gemeinsamen Gesetz zusammenzubrin- Leben des noch Ungeborenen wirksam zu ermögli- gen — zu einem für die Frauen guten Gesetz. chen. (Zuruf von der CDU/CSU: Und für die Kin Verehrte Kolleginnen und Kollegen, diesen drei der?) Kriterien wird der Gruppenantrag, aber auch der Ich möchte der Meinung widersprechen, daß die Mehrheitsentwurf der Union nach meiner Überzeu- Regelung bei uns in der ehemaligen DDR nur darauf gung nicht gerecht. Obwohl der Mehrheitsentwurf der aus war, den Frauen recht zu geben. Unsere Frauen — Union Indikationsvoraussetzungen umschreibt und ich spreche im Namen unserer Frauen, weil ich aus nicht allein auf einen bestimmten Zeitablauf abstellt, dem Osten komme und dort aufgewachsen bin — ist die Indikationsumschreibung doch so weit gefaßt, haben also auch sehr verantwortungsvoll gehandelt daß — nicht zu Unrecht — von einem lediglich und haben sich genauso in einer Konfliktsituation graduellen Unterschied zum Entwurf mit Fristenlö- befunden wie die Frauen in diesem Teil Deutschlands; sung gesprochen wird. sie haben nicht leichtfertiger abgetrieben als Im Konflikt zwischen der Schwangeren und dem anderswo. Anspruch des Ungeborenen auf Leben kann es meiner (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) festen Überzeugung nach keinen Kompromiß geben. Es kann deshalb immer nur darum gehen, daß sich die In der ehemaligen DDR waren weniger Abtreibungen Gesellschaft es gegebenenfalls versagt, den Schuld- zu verzeichnen als z. B. in dem katholischen Polen und vorwurf zu erheben. Genauso kann es auch bei der in dem katholischen Italien. heutigen Entscheidung über die verschiedenen (Uta Würfel [F.D.P.]: Genau!) Anträge zur Lösung dieses Konflikts keine halbherzi- Der Gruppenantrag enthält die Regelungen, die gen, verfassungsrechtlich bedenklichen Kompro- den Schutz vorgeburtlichen Lebens und die verfas- misse in der Grundfrage der Strafbarkeit geben. sungskonforme Bewältigung von Konfliktsituationen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) schwangerer Frauen, vor allem aber rechtlich gesi- cherte Ansprüche der Frauen besser gewährleisten, Aus all diesen Gründen und auf Grund meiner als dies nach der derzeit noch geltenden Regelung der Verantwortung werde ich dem Werner-Entwurf kon- Fall ist. sequenterweise zustimmen und alle anderen Vor- schläge ablehnen. Auf folgende Punkte des von mir unterstützten Antrags möchte ich besonders hinweisen: Die Abtrei- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Uta bung wird auch von den Unterzeichnern des Grup- Würfel [F.D.P.]) penantrages weiterhin strafrechtlich mißbilligt wer- den. Die Gruppenantragsteller sind sich bewußt, daß der Schutz des vorgeburtlichen Lebens genauso wich- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster hat tig ist wie der Schutz der Frauen. Wir haben keine der Kollege Ortwin Lowack das Wort. — Wenn der schlechtere Moral als andere Kollegen, die eine Kollege Ortwin Lowack nicht anwesend ist, dann andere Auffassung vertreten. kommen wir zum nächsten Kollegen, und das ist der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Kollege Jürgen Schmude. sowie bei der SPD, der F.D.P., der PDS/Linke (Uta Würfel [F.D.P.): Das ist ein Irrtum! — Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Clemens Schwalbe [CDU/CSU): Frau Pfeif- NEN) fer ist dran!) Die Gewährung eines Rechtsanspruchs für Frau und — Entschuldigung, Herr Kollege Schmude, der Kol-- Mann auf Beratung in Fragen der Sexualaufklärung lege Schwalbe hat recht. Die nächste Rednerin ist und Verhütung sowie die Möglichkeit einer kosten- Angelika Pfeiffer, der ich hiermit das Wort erteile. freien Versorgung von Versicherten bis zur Vollen- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8287

Angelika Pfeiffer dung des 20. Lebensjahres mit ärztlich verordneten digung; wir haben hier so oft die Liste verändert, daß Verhütungsmitteln wird dazu beitragen, möglichst es nicht mehr ganz übersichtlich war. von vornherein ungewollte Schwangerschaften zu (Gerhard O. Pfeffermann [CDU/CSU]: Er war verhindern. Aufklärung muß in den Kindergärten und doch gar nicht da!) in den Schulen anfangen, damit Auswirkungen unge- wollter Schwangerschaft — z. B. Vernachlässigung — Nein, er stand in dieser Reihenfolge auf der Liste; der Kinder, Ungeliebtsein und, was noch schlimmer ich habe nur die Kollegin Pfeiffer übersehen, weil das ist, Mißhandlungen ungewollter Kinder — ausbleiben dreimal überschrieben und ausgebessert war. Da- können. durch ist es passiert, Kollege Pfeffermann. Alles klar? — Wunderbar. Das Paket an sozialen Hilfen und die angestrebte Kollege Lowack. Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Fami- lie sowie die Schaffung einer kinderfreundlichen Umwelt umfaßt z. B. eine kindgerechte Wohnung. Ortwin Lowack (fraktionslos): Sehr verehrte Frau (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen im Meine Damen und Herren, sehen Sie sich die Woh- Deutschen Bundestag! Meine Damen und Herren! nungen im Osten an, wo die Toiletten in der Mehrzahl Daß wir diese Debatte führen, ist ein gutes Zeichen, vor allen Dingen weil unglaublich viel an Menschlich- aller Fälle auf der Treppe sind und manchmal oder keit und wirklichem Ringen um die richtige Lösung sogar in vielen Fällen nur über den Hof zu erreichen zum Ausdruck kommt. Ich glaube, so etwas suchen sind! Ich habe einen ländlichen Wahlkreis, Frau unsere Menschen draußen in diesem Bundestag; sie Schenk, so ist es: Die Frauen müssen noch über den wollen im Grunde genommen so eine Debatte und Hof gehen. Ein Kinderzimmer soll größer sein als eine diese Art der Behandlung von Gegenständen im Garage. Ich frage Sie, meine lieben Kolleginnen aus dem Osten: Wo ist das Kinderzimmer größer als die Deutschen Bundestag haben. Garage? In den meisten Fällen ist die Garage grö- (Beifall bei der F.D.P.) ßer. Und doch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, (Uta Würfel [F.D.P.]: Ja!) ist es eine gespenstische Debatte in einer Zeit, in der Wo sind Mieten für Familien mit Kindern bezahl- überall in der Welt, vor allem auch in Europa, Men- bar? Das ist auch so eine Sache: Wenn ich zwei oder schen gequält, oft wie Tiere gejagt und getötet wer- drei Kinder habe und muß eine große Wohnung den, das Lebenswerk von Generationen von Men- nehmen, dann kann ich die Miete als Normalverdie- schen vernichtet wird, ohne daß etwas dagegen unter- ner im Osten nicht aufbringen. nommen wird und ohne daß wir den Eindruck er- wecken, daß wir etwas dagegen unternehmen wollen. Mit der angestrebten Verbesserung der Lage einer Vor allen Dingen befassen wir uns leider viel zuviel Mutter wird der Schwangeren die Entscheidung über mit den Symptomen und nicht mit den Ursachen. die Fortsetzung der Schwangerschaft erleichtert wer- Denn wenn in unserer eigenen Gesellschaft Eltern den können. gegen Kinder, Jüngere gegen Ältere, Frauen gegen Die Pflichtberatung der Schwangeren in einem Männer aufgebracht und gegeneinander ausgespielt Schwangerschaftskonflikt dient deshalb auch unab- werden, wenn Rücksichtslosigkeit vorgelebt, wenn dingbar dem Lebensschutz des ungeborenen Kindes. das Gemeinschaftsgefühl geschwächt und gestört Die Pflichtberatung — da bin ich vielleicht ein biß- wird, wenn Mutter zu sein keine Ehre, Auszeichnung chen anderer Meinung als Sie, Frau Schenk, oder als und Aufgabe, sondern oft sozialen Abstieg, Häme, oft andere Kolleginnen — ist für uns ostdeutsche Frauen genug sogar unmenschliche und bürokratische kein notwendiges Übel. Ich denke, jede verantwor- Behandlung bedeutet, wenn Kinder oft genug ganz tungsbewußte Frau läßt sich beraten. Wir lassen uns offen nur als Belastung empfunden und teilweise auch vor jeder kleinen Operation beraten. Bei jedem Zahn- vom Gesetzgeber zur Belastung gemacht werden, arzt sind wir dankbar, wenn er uns berät, ob es wehtut wenn Schule und Lehrer dabei versagen, Lebenser- oder nicht oder was daraus werden kann. Also die mutigung und -ermunterung zu vermitteln, wenn Pflichtberatung ist nicht das Problem. Glaubens- und Gewissensleere das menschliche Leben entwerten und sinnlos machen, wen verwun- Ich bin sicher, daß trotz aller unterschiedlichen dert es denn eigentlich, daß der Schutz des geborenen Meinungen, mit denen die Diskussion bislang geführt wie des ungeborenen Lebens oft zur Farce ver- worden ist, die Entscheidung jedes einzelnen Abge- kommt? ordneten für seinen Antrag als Gewissensentschei- dung respektiert werden muß. Ich werbe dafür, daß Nicht nur deshalb, weil er zufällig in meinem Sie für den Gruppenantrag stimmen. Wahlkreis, in Bayreuth, gelebt hat, fällt mir Jean Paul ein mit seinem Traum von der Rede des toten Christus Danke. vom Weltengebäude herab, daß kein Gott sei. Da hat (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der er eigentlich dargestellt, mit was wir heute zu kämp- F.D.P. und der SPD) fen haben, mit dieser Orientierungslosigkeit, die nicht nur typisch für die Welt ist, in der wir uns bewegen, sondern auch typisch ist für unsere Politik. Ich behaupte einfach, daß auch diese Debatte im Grunde genommen die Orientierungslosigkeit und die Hilflo- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Jetzt hat der Kol- sigkeit einer nach der Verfassung berufenen politi- lege Ortwin Lowack das Wort. Ich bitte um Entschul schen Führung darstellt, die im Bewußtsein der Men- 8288 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Ortwin Lowack schen eben doch keine Ethik verkörpert, sondern Regelung mit den vielen sozialen begleitenden Maß- leider oft nur geballte Macht. Auch wenn das hier nahmen verbinden könnten, die hier im Zusammen- einige stört und stören muß und sie es nicht gerne hang mit anderen Entwürfen dargelegt und zu Recht hören, sollte das trotzdem als Tatbestand und als das, gefordert werden und sehr gut ausgearbeitet wurden. was draußen so gesehen wird, zumindest akzeptiert Ich behaupte einfach, daß diese Entwürfe, die vorlie- werden. Man sollte hier nicht den Kopf in den S and gen, nur Teilaspekte regeln, wo es im Grunde genom- stecken. men — das ist eine Aufforderung an alle von uns — eines überzeugenden Gesamtprogramms für eine Zunehmende Verantwortungslosigkeit und Gleich- menschliche Wertegemeinschaft bedarf. gültigkeit gegenüber dem Nächsten — auch in der eigenen Familie — haben längst den Grundstock zu Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, daß ich zu einer zerstörerischen Entwicklung unserer Gesell- allen Anträgen, die gestellt wurden — teilweise auch schaft gelegt, in der Gemeinsinn, Gemeinschaftsgeist so, daß über einen Antrag vorab abgestimmt wird und und das Füreinander-Einstehen zu Mangelware das Ergebnis bei der nächsten Abstimmung berück- geworden ist und in der das Verantwortungsgefühl sichtigt werden soll —, mit Nein stimmen werde. Ich gravierend abnimmt. Das ist eine ganz große Sorge für hoffe, daß damit der Weg realisierbar bleibt, die die Zukunft. Denn auch unser ökonomisches System notwendigen politischen Entscheidungen zu treffen, baut gerade auf dieser Verantwortungsbereitschaft die Voraussetzung für eine humane und lebenswerte auf. Gesellschaft vor allem auch in den neuen Bundeslän- dern mit ihren ungeheuren wirtschaftlichen und see- Ich behaupte, daß bei vielen Menschen in unserem lischen Problemen sind. Volk durchaus noch das Gespür da ist, wie eine (Zuruf von der SPD: Das kann er doch gar Gesellschaft, wie Familiarität und Menschenwürde nicht wissen!) verkörpert aussehen könnte. Aber die Politik gibt hierauf keine Antwort. Sie steht erst recht nicht an der Spitze einer positiven Entwicklung und vor allem Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat der Kol- einer lebensbejahenden Denkweise. Weil sie selbst lege Jürgen Schmude das Wort. ständig gegen einfache Prinzipien menschlichen Zusammenlebens verstößt und selbst keinerlei Werte (SPD): Frau Präsidentin! Sehr mehr verkörpert, weil ihr die großen Überzeugungen Dr. Jürgen Schmude geehrte Damen und Herren! Auch dieses düstere vom Wert des Menschen und seiner Zukunft fehlen, Problem- und Moralgemälde, das wir hier gehört trägt sie entscheidende Mitschuld an Unsicherheit, haben, darf uns nicht dazu bringen, der Entscheidung Lebensangst und Perspektivlosigkeit unzähliger auszuweichen, die heute fällig ist und für die wir die Menschen. Voraussetzungen geklärt haben. Die sehr schwierige Wenn ich die Anträge — teilweise glänzend Entscheidung über die rechtliche Regelung des begründet und teilweise mit großer Menschlichkeit — Schwangerschaftsabbruchs müssen wir Abgeordnete und die Gegenanträge, die Androhung, zum Verfas- in eigener Verantwortung nach bestem Wissen und sungsgericht zu gehen oder Maßnahmen zu treffen Gewissen treffen. Wie die Regelung auszusehen hat, oder was auch immer, zusammenstelle, frage ich mich kann uns auch unter Berufung auf Glaubensgrund- doch eines: ob wir heute schon so weit sind, eine sätze niemand verbindlich vorschreiben oder verbie- Entscheidung treffen zu können, die draußen zum Teil ten, neue oder falsche Hoffnungen begründet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) In der Zwischenzeit haben wir einen — sicher nicht optimalen — Zustand, auf den man sich irgendwie auch nicht, wie ich aus aktuellem Anlaß sage, in der eingestellt hat. Ich möchte jetzt auch völlig offen Form, daß Abgeordnete je nach ihrer Entscheidung als lassen, was meine persönliche Auffassung ist. Sie Christen akzeptiert oder verworfen werden. können ruhig wissen: Der Entscheidung, nicht abtrei- Wer an uns zur Neuregelung des § 218 appelliert, ben zu lassen, verdanke ich eine glückliche Ehe und wird mit seinen Sachargumenten und Wertungen einen prachtvollen ältesten Sohn in meiner Familie. ernstgenommen. Und natürlich haben Kirchen und Ich habe also durchaus eine ganz persönlich begrün- Christen besondere Legitimation und Auftrag, in die- dete Auffassung. Aber ob wir heute diese Entschei- ser Argumentation mitzuwirken. dung tatsächlich treffen sollten oder ob es nicht besser Dabei besteht so gut wie vollständige Übereinstim- ist, zu sagen, wir belassen es bei der bisher geltenden mung darin, daß durch die gesetzliche Regelung der Regelung in den alten Bundesländern, und geben, Schutz des vorgeburtlichen Lebens bestmöglich weil sich die Menschen darauf einstellen müssen, im gewährleistet werden soll. Das ist eine klare Orientie- Rahmen einer Übergangsfrist die Möglichkeit, daß rung. Welche Regelung diesem Ziel dient, müssen wir man sich auf dieses Recht in ganz Deutschland ein- nüchtern auf der Grundlage der Erfahrungen von stellen kann, sollte überlegt werden. Jahrzehnten prüfen, und darüber gibt es auch in den Ich muß ganz offen sagen: Ich vermisse bei den Kirchen — Herr Kollege Vogel hat von der katholi- vorliegenden Anträgen den Geist wirklich großer schen Kirche gesprochen, ich verweise auf die evan- Menschlichkeit, eines Verständnisses für die physi- gelische Kirche — recht unterschiedliche Auffassun- schen und metaphysischen Ansprüche und Bedürf- gen. nisse, die der Mensch hat und vor allen Dingen die Aber Gebote und Verbote zu erlassen, die auf dem notwendige Zuwendung zur besonderen Situation der Papier strengsten moralischen Forderungen zu ent- schwangeren Frau. Ich frage, ob wir nicht die geltende sprechen scheinen, tatsächlich aber lebensfern sind Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8289

Dr. Jürgen Schmude und unwirksam bleiben, das dient in Wahrheit weder Und wir werden dann eine Daueraufgabe haben, der Moral noch dem Lebensschutz. nämlich dafür zu sorgen, daß das Bewußtsein vom Wert des vorgeburtlichen Lebens weiter gestärkt wird (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) und daß die Hilfen, die ja teilweise nur angestrebt Wir können heute zurückgreifen auf Erfahrungen werden, noch gar nicht alle gewährleistet werden in mit den verheerenden Konsequenzen des in den 50er den Begleitregelungen, weiter ausgebaut werden. Da und 60er Jahren und zuvor geltenden Strafrechts. Wer haben wir alle miteinander eine Menge zu tun auf will ernsthaft in diese Zeit zurück? Nachdem ich hier einem Feld, auf dem es sich lohnt — viel mehr als in Befürworter des Werner-Antrages gehört habe, bin dem Bereich des Strafrechts. ich nicht mehr so sicher, daß ich auf diese Frage mit (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) einem klaren „niemand" antworten kann. Wir haben die Erfahrung mit der immer noch Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat der Kol- unbefriedigenden Praxis und Rechtslage des gelten- lege Hans Engelhard das Wort. den Gesetzes, und wir haben durch die deutsche Einigung Anlaß und Auftrag zur Prüfung und zur Hans A. Engelhard (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine neuen Entscheidung. Bei ihr stehen wir vor der Frage, Damen und Herren! Nach wie vor empfinde ich es als ob wir endlich ernst machen wollen mit dem wirksam- störend, ja ärgerlich, daß die Entwürfe, über die wir sten Schutz, den das vorgeburtliche Leben erfahren heute zu entscheiden haben, hier im Hause, aber zum kann, dem Schutz mit der Mutter und nicht gegen sie, Teil auch in den Entwürfen selbst über andere und auch nicht über sie hinweg. draußen in der Presse als „Lösungen" bezeichnet werden. Ich glaube, dies ist bei mir kein sprachlicher (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Tick oder eine Marotte, wie man es nennen könnte, Genau dazu sieht der Gruppenantrag vor, daß sondern es steckt hier schon die Überlegung dahinter, endlich das Letztentscheidungsrecht über den daß mehr Bescheidenheit am Platze wäre. Schwangerschaftsabbruch bei der Frau selbst liegen (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. soll. Niemand soll über sie und gegen sie entscheiden, Margot von Renesse [SPD]) weder beiläufig und gleichgültig in Unkenntnis des Denn mit dem Worte „Lösung" bei einem so schwie- Einzelfalles noch mit dem aussichtslosen Versuch, rigen Thema tritt man im Grunde mit einem Anspruch sich als Fremder in ihre Lage zu versetzen und ihre auf, der bei allem auch sehr gesunden und vielleicht Empfindungen nachzuvollziehen. Nur so befreien wir auch berechtigten Selbstbewußtsein nicht berechtigt Frauen von dem Druck, sich im Verfahren von vorn- ist. Ich erinnere mich — Jahre zurückliegend in einem herein auf einen Kampf um ihre Schwangerschaft ganz anderen Zusammenhange —, daß ein Richter einzustellen und alle ihre Äußerungen entsprechend des Bundesverfassungsgerichtes mich einmal seine zu gestalten. Nur so können wir Offenheit schaffen für Meinung zu diesem Thema wissen ließ. Er sagte, es ein vertrauensvolles Beratungsgespräch, in dem alles gibt Rechtsmaterien, als da etwa ist: das Scheidungs- erörtert werden kann, ohne daß das für die Frau zu recht oder der Schwangerschaftsabbruch, § 218, und ungewollten Konsequenzen führt. nur weniges mehr. Das sind Materien, die so schwierig Diese Beratung freilich ist aus meiner Sicht unver- sind, daß niemand kommen und sagen kann, er habe zichtbar. Sie gibt die Hilfe. Und ich kann nicht da die beste Lösung gefunden. Nein, vielleicht soll verstehen, wenn in der Tatsache, wie uns Frau Rönsch man gar nicht sagen, da sei eine gute Regelung das dargelegt hat, daß jemand anders der Frau die erfolgt. Er ging weiter, hat es gesteigert und gesagt, Entscheidung wegnimmt, eine Hilfe gesehen werden man könne im Grunde zufrieden sein, wenn sich die soll. Das ist das Gegenteil von Hilfe. politisch Verantwortlichen, wenn sich der Gesetzge- ber verständigen kann und mit Mehrheit oder gar (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten einmütig eine Regelung durchsetzt, die die geringsten der F.D.P.) Nachteile und Fehler hat. Schwangerschaftsabbruch ist ein schwerwiegen- Meine Damen und Herren, wir haben jetzt eine der, stets mit Schuld verbundener Eingriff in ein Gewissensentscheidung zu treffen. Nun wissen wir, es anderes menschliches Leben. Das kommt im Grup- gibt kein Kollektivgewissen, es gibt auch kein Grup- penantrag, wie hier schon dargestellt, eindeutig zum pengewissen. Gewissen ist das, was höchstpersönlich Ausdruck. Und ich finde es fatal, bei allen Meinungs- jedem einzelnen eigen ist. Wenn das so ist und wenn verschiedenheiten, die ausgetragen werden müssen, man es ernst meint mit seinem eigenen Gewissen, wenn hier die Intention und Gestaltung des Gruppen- dann muß man auch Verständnis und Achtung für das antrags polemisch verfälscht wird. Er wird möglicher- Gewissen des anderen haben. weise alsbald gelten, und wir werden ein gemeinsa- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) mes Interesse daran haben müssen, die Mißbilligung Die Grundlage dafür ist, daß man der Auffassung ist, des Schwangerschaftsabbruchs und die Betonung des da gibt es zu demselben Ziel mit guter Absicht Wertes des vorgeburtlichen Lebens, die in diesem mehrere Wege. Mehrere Wege werden von den Gesetz zum Ausdruck kommt, zur Geltung zu brin- einzelnen unterschiedlich eingeschlagen. gen Nun ist es sechs bis sieben Stunden her — aber ich (Zuruf von der F.D.P.: Sehr richtig!) kann es nicht unterdrücken, auf die einleitenden gegen die Verdrehungen, die heute auf uns zukom- Worte zu dieser Debatte heute morgen zurückzukom- men. men —, daß Frau Karwatzki — ja, ich werde doch (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) nicht noch Propaganda machen und nun alles aufzäh- 8290 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Hans A. Engelhard len — gesagt hat, daß das gemeinsame Rechtsbewußt- stürzen kann, die Möglichkeit zu einer eigenverant- sein verfallen sei, da wurde gesagt, daß die Senkung wortlichen Entscheidung bekommen. Und wir wollen der Abtreibungszahlen nicht mehr das gemeinsame auch die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche senken Ziel hier im Hause sei. Ich glaube, da ist genau jener und damit zum Schutz des werdenden Lebens beitra- Punkt, wo das Gewissen des anderen nicht mehr so gen. ernstgenommen wird. Die Erfahrung zeigt: Strafrecht schützt das wer- (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der dende Leben nicht. Strafrecht hat in der Vergangen- PDS/Linke Liste) heit dazu beigetragen, daß Frauen ihr Leben riskieren Aber ich will versuchen, es freundlicher zu sagen. mußten, um einen Konflikt, eine Notsituation zu Zumindest hat Frau Karwatzki zur Auffassung beenden, wenn es ihnen anders als durch einen gebracht — freundlich ausgedrückt —, daß wir ande- Schwangerschaftsabbruch nicht möglich erschien. ren alle Inhaber eines irrenden Gewissens seien, Schwangerschaft kann eine glückhafte Situation bemüht vielleicht, aber nicht in der Lage, mit unserem darstellen mit der Aussicht auf ein Leben mit einem Gewissen etwas darzustellen, was man so ernst neh- gewünschten Kind. Schwangerschaft kann aber auch men könnte. die Lebensperspektiven einer Frau verdunkeln und Meine Damen und Herren, wir kommen heute zu der Frau keinen Ausweg offenlassen. Wir haben heute einer Entscheidung. Ich plädiere dafür, den Gruppen- durch Annahme des Gruppenantrages die Chance, antrag nachhaltig zu unterstützen. In diesem Hause den schwangeren Frauen in ihrer unauflösbaren Ver- gibt es in den Reihen der Union viele, die in diese bindung mit dem Embryo die Möglichkeit einer ver- Richtung tendieren. Ich weiß, daß es nicht einfach ist, antwortlichen und auch verantwortbaren Entschei- in einer solchen Frage, die individuell zu entscheiden dung zu geben, die niemand der Frau abnehmen kann einem jedem aufgegeben ist, mit der Parteiräson ins — kein Arzt, kein Gesetzgeber. reine zu kommen. Julius Cronenberg hat es aus seiner ganz anderen Sicht der Dinge eben dargelegt: Wenn (Beifall bei Abgeordneten der SPD) man sich einmal anschaut, welche Vorschläge in dem Ich bin sicher, daß alle Mitglieder dieses Parlamen- Entwurf von CDU/CSU gemacht werden, so kann man tes wissen: Gegen den Willen der Frau ist der Schutz feststellen, daß dieser nicht weit von der Fristenrege- des werdenden Lebens letztlich nicht möglich. Wir lung entfernt ist. Im Grunde besteht der einzige wollen deshalb durch Verbesserung der sozialen Unterschied darin, daß die Union glaubt, alle Last, alle Rahmenbedingungen die Situation der Frauen Fehlentscheidungen, alle Belastungen dadurch weg- erleichtern. Im SPD-Antrag und auch im Gruppenan- wischen zu können, daß man einen kaum Einblick trag ist sehr sorgfältig formuliert worden, welche habenden Arzt mit der Entscheidung beauftragt und Angebote einer Schwangeren gemacht werden sol- der betroffenen Frau die Möglichkeit zur Entschei- len, um ihr während der Schwangerschaft, aber vor dung nicht gibt. allem auch nach der Geburt des Kindes das Leben zu (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. sowie erleichtern, Probleme aus dem Weg zu schaffen. bei der SPD) Durch diese Verbesserungen der sozialen Rahmenbe- dingungen werden die Beratungsstellen endlich in die Die beiden Auffassungen liegen ansonsten sehr nahe Lage versetzt, auch wirklich praktische Hilfe in typi- beieinander. Dann ist der Schritt von Ihrer Seite, von schen Schwangerschaftskonflikten anbieten zu kön- der CDU/CSU, für den Gruppenantrag zu votieren, nen, was bisher leider nur in sehr unzureichendem ein so weiter nicht. Maße möglich war. (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist falsch!)

Nun hat die Kolle- Wir wollen durch die Beschlußfassung über den Vizepräsidentin Renate Schmidt: Gruppenantrag heute ein Gesetz beschließen, Glas es gin Ulrike Mascher das Wort. Frauen besser möglich macht, auch mit Kindern ihre Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, auch dieje- Ausbildung abschließen zu können, ihrer Erwerbstä- nigen, die ehemals in Regierungsverantwortung tigkeit nachgehen zu können, weil es ausreichend waren, sich möglichst an ihre Redezeit zu halten. bedarfsgerechte Betreuungsangebote für Kleinkinder gibt, weil jedes Kind einen Kindergartenplatz bekommt und weil es ausreichend Ganztagesplätze Ulrike Mascher (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kol- legen und Kolleginnen! Frau Berghofer-Weichner, die gibt. bayerische Staatsministerin der Justiz, hat heute vor- Wir wollen, daß schwangere Frauen und Mütter mit mittag mit wünschenswerter Deutlichkeit gezeigt, Kindern bessere Chancen bei der Wohnungsvergabe welche Realität auch den ostdeutschen Frauen droht, haben. Wir wollen ihnen Möglichkeiten zur Fortbil- wenn wir hier heute keine Mehrheit für den Gruppen- dung eröffnen und den Rückgriff auf Eltern bei antrag finden sollten. Ich bitte alle, die nachher zu Bezieherinnen von Sozialhilfe ausschließen. entscheiden haben werden, sich noch einmal vor Verbesserungen der Lebensbedingungen Augen zu führen, was die bayerische Realität für All diese von Schwangeren und von Müttern mit Kindern Ostdeutschland bedeuten würde. scheinen eigentlich selbstverständlich zu sein, und (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) man wundert sich — oder frau wundert sich — ein Ich möchte als bayerische Abgeordnete deshalb für wenig, wenn wir hören, wie hier der Schutz des den Gruppenantrag werben. Die Frauen sollen in der werdenden Lebens beschworen wird, daß wir das Konfliktsituation, in die eine Schwangerschaft sie alles noch nicht haben. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8291

Ulrike Mascher Die konkrete Umsetzung, die Realisierung, also der So gilt es auch, nicht beide gegeneinander auszu- Bau von Kindergärten und die notwendige Gewin- spielen, sondern sich schützend vor das ungeborene nung von Erzieherinnen und Erziehern und deren Leben und vor die Mütter zu stellen. Finanzierung, wird noch ein hartes Stück Arbeit sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wir haben uns in den letzten Wochen sehr intensiv mit der F.D.P. sowie bei der SPD und bei Abge den Kosten für die Länder und Gemeinden beschäf- ordneten der PDS/Linke Liste) tigt. Der Bund muß hier bei der Verteilung der Lasten seinen Anteil übernehmen. Unser aller und auch mein Dilemma besteht darin, zu wissen, daß jeder Schwangerschaftsabbruch (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans Tötung menschlichen Lebens ist, aber auch um die A. Engelhard [F.D.P.]) ausweglosen Situationen zu wissen, in denen ein Die Länder und die Gemeinden werden sich daran im Schwangerschaftsabbruch subjektiv als der einzige Rahmen ihrer Einnahmesituation beteiligen. Ausweg aus einer anders nicht abwendbaren Notlage (Beifall der Abg. Lieselott Blunck [SPD]) gesehen wird. Dabei sind die seelischen Konflikte in vielen Fällen weit weniger lösbar als die sozialen. Der Gruppenantrag tritt nicht in einen Wettbewerb ein nach dem Motto: Wer hat die meisten Milliarden (Zuruf von der F.D.P.: Richtig!) veranschlagt? Aber: Der Gruppenantrag — und nur Auch ich sage hier: Es geht nicht darum, zu behaup- der Gruppenantrag — ist der Gesetzentwurf, der auch ten, dies sei eine Frauensache. Wenn es uns gelungen im Bundesrat mehrheitsfähig ist. Wenn wir dem Auf-- wäre, die Verantwortung der Männer und Väter in trag des Einigungsvertrags gerecht werden wollen, einer anderen Weise zu praktizieren, wären weit mehr (Norbert Geis [CDU/CSU]: Beim Bundesver- Kinder nicht abgetrieben worden. fassungsgericht!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wenn wir die Chance nutzen wollen, zu zeigen, daß der F.D.P. sowie bei der SPD und der PDS/ der Bundestag aus seiner Mitte heraus zur Formulie- Linke Liste) rung und zur Beschlußfassung eines Gesetzes in Deswegen sage ich noch einmal: Dieses Dilemma in gemeinsamer Anstrengung, in gemeinsamer Kompro- Gesetzesform zu fassen, ist nicht nur schwierig, son- mißfähigkeit fähig ist, und wenn wir einen großen dern im Grunde unmöglich. Aber wir sind gezwun- Schritt weg von der Bevormundung von Frauen, von gen, normative Antworten auch auf die letzten, exi- ihrer oft entwürdigenden Situation in einer schweren stentiellen Fragen unseres Lebens zu geben. persönlichen Konfliktlage kommen wollen — auch wenn wir dabei viele Erwartungen von Frauen noch Wir streiten nicht über das Ziel, sondern ringen um nicht erfüllen können —, dann müssen wir — darum den besseren Weg. Dies habe ich auch mit den bitte ich Sie — dem Gruppenantrag hier zustimmen. Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion über Monate getan. Wir haben gerungen und es uns nicht Vielen Dank. leicht gemacht. Ich respektiere alle, die in dieser (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Frage unterschiedliche Antworten, nämlich ihre ganz der F.D.P.) persönlichen, ihre Gewissensantworten, geben. Dabei sollte allerdings noch einmal festgehalten werden: Nicht hinnehmbar ist, daß die einen erklären, Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat das Wort diejenigen, die nicht dem s trengen Modell oder dem Frau Kollegin Professor Rita Süssmuth. Modell der psycho-sozialen Notlage folgten, gäben menschliches Leben preis, stellten es zur Disposi- tion. (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung Niemand hat das Recht, über menschliches Leben zu über die Neuregelung des Schwangerschaftsab- verfügen. bruchs zu treffen, heißt, vor einer nicht lösbaren (Beifall der Abg. Lieselott Blunck [SPD]) Aufgabe zu stehen. Das gemeinsame Ziel ist der wirksame Schutz des ungeborenen Lebens. Wenn Es gibt kein Selbstbestimmungsrecht als ein Recht heute morgen bereits gesagt wurde, das seien reine über anderes menschliches Leben. Tötung von Leben Lippenbekenntnisse, dann möchte ich fragen, wer das ist ein Unrecht, ein strafbares Delikt. Diese Aussage ist Recht hat, wem den wirksameren Schutz als Absicht wichtig für unser Unrechtsbewußtsein, für unsere abzusprechen. Ehrfurcht vor dem Leben und den Umgang mit ihm. Der rechtliche Schutz ist unbestritten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P. und der SPD) Aber ich wünschte mir, daß bei allem Reden über Sittenverfall auch einmal mehr gesehen würde, in Wenn ich hier wiederhole, was viele vor mir gesagt welchem Maße gerade in der jungen Generation die haben — dieser kann nur mit der Mutter und nicht Ehrfurcht vor dem Leben gewachsen ist. gegen sie erreicht werden —, so ist das nicht nur Erfahrung, sondern meine tiefste Überzeugung. Nie- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU bei mand wird das Kind gegen die Mutter retten können. der SPD und der F.D.P. sowie des Abg. Deswegen geht dies nur mit der Mutter. Dr. Gregor Gysi [PDS/Linke Liste]) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Es gilt hier auch, mehr Anerkennung und Respekt sowie bei der F.D.P. und der SPD) gegenüber den vielen Müttern auszusprechen, die 8292 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Rita Süssmuth unter schwierigsten Verhältnissen ja zum Kind gesagt Es ist Unsinn und nicht redlich, hier zu behaupten, haben. diejenigen, die nicht von einer Indikation durch den (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Arzt ausgehen, ließen die Frauen allein. Da ist die sowie bei der F.D.P. und der SPD) verpflichtende Beratung, verpflichtend gegenüber dem Leben, so wie der Staat verpflichtend sein muß in Glauben Sie mir, mich treffen am meisten jene seinen sozialen Hilfen. Da ist das Gespräch mit dem Briefe, die mich in diesen Tagen erreicht haben, in Arzt oder mit der Ärztin. Aber dann muß ich Ihnen denen gesagt wird: Sie haben uns damals geraten, die sagen und wiederhole ich hier: Niemand kann der Schwangerschaft auszutragen; ich will Ihnen meine Frau die letzte Entscheidung abnehmen. heutige Situation darstellen. Sie ist äußerst schwierig. Weil ich ja zum Kind gesagt habe, habe ich keine (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Sozialhilfe, weil meine Mutter über der Einkommens- sowie bei der F.D.P., der SPD, der PDS/Linke grenze lag; habe ich kein BAFÖG, weil ich zu Hause Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ wohne, und ich würde gern meine Schulausbildung, NEN) mein Abitur nachholen. Ich finde problematisch, was in den letzten Wochen Bei allem, was wir geleistet haben, versperren wir über Gewissen und Gewissensentscheidung gesagt nicht den Blick dafür, wie die Realität aussehen worden ist, und will dies hier nicht vertiefen. kann! - (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P., der SPD und der PDS/ Ich möchte allerdings bei dieser Gelegenheit aus- Linke Liste) drücklich unserem Fraktionsvorsitzenden danken, der zu jeder Zeit dies respektiert hat und auf mich Machen wir uns weiter zum wichtigsten Ziel, dort, wo keinen Druck ausgeübt hat. wir helfen können, noch wirksamer zu helfen, als wir es in der Vergangenheit get an haben! (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P. und der SPD) Lassen Sie mich abschließend sagen: Ich halte es für Lassen Sie mich in den mir verbleibenden Minuten unvertretbar, daß wir jetzt noch in den beiden An trä- gen prüfen, welche sagen, warum ich für den Gruppenantrag stimme. Es soziale Hilfe die einen oder die geht mir nach wie vor um die Frage, wer denn über anderen mehr haben. eine Not - und Konfliktlage entscheiden kann; denn (Uta Würfel [F.D.P.]: Ja!) ein Schwangerschaftsabbruch kann doch überhaupt nur in einer ausweglosen Not- und Konfliktlage in Dann kann ich nur sagen, sie sind unterschiedlich Frage kommen. Ich frage mich, warum in dieser Not- gewichtet. Wer den Kinderbetreuungsanspruch auf und Konfliktlage eigentlich dem Arzt oder nachfol- 1996 statt auf 1999 setzt, hat eine andere Gewich- gend dem Richter, dem Staatsanwalt mehr Kompe- tung. tenz, mehr Verantwortung zugesprochen wird als der (Beifall bei der F.D.P.) Frau, Ich bin überhaupt nicht dagegen, daß auch noch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Familiengeld gegeben wird — damit das klar ist —, sowie bei der F.D.P., der SPD, der PDS/Linke aber ich halte es für ganz wichtig, daß ein Rechtsan- Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- spruch bei der Sozialhilfe bis zum 6. Lebensjahr ohne NEN) Regreß besteht. die die Verantwortung nicht nur jetzt, sondern ein (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Leben lang für das Kind, für die Kinder übernimmt. sowie bei der F.D.P. und der SPD) Hören wir deswegen endlich auf, die Frauen für entscheidungsunfähig, für nicht verantwortungsfähig Deswegen vergleichen wir nicht, was wir hier nicht zu halten! vergleichen sollten, sondern achten wir mehr darauf, daß wir im Bundesrat das durchsetzen, was zunächst (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der einmal noch zur Verwirklichung ansteht. PDS/Linke Liste — Norbert Geis [CDU/CSU]: Das tut doch keiner!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P. und der SPD) — Herr Geis, ich verstehe Ihre Erregung, aber ich antworte genauso entschieden: Wenn Sie das nicht Ich schließe mit dem Satz: Geben wir endlich dem tun, warum trauen Sie dann der Entscheidung von Leben eine Chance, mehr Chancen! Lassen Sie mich Frauen nicht? hinzufügen: Leben weitergeben ist unsere Aufgabe, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU (Norbert Geis [CDU/CSU]: Richtig! Und sowie bei der F.D.P., der SPD und der PDS/ bewahren!) Linke Liste) nicht nur dem ungeborenen, sondern auch dem gebo- Alle, die ich bisher als Ärzte und Ärztinnen gefragt renen. Bemühen wir uns gemeinsam darum! habe, antworten sehr schlicht: Wir glauben unseren Patienten. Wir haben als Ärzte zuzuhören, nachzu- (Anhaltender Beifall bei Abgeordneten der denken, unsere verantwortliche Entscheidung, die CDU/CSU sowie bei der F.D.P., der SPD und auch eine Gewissensentscheidung ist, zu treffen. der PDS/Linke Liste) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8293

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächste Kolle- Eine vernünftige Neuregelung des Abbruchsrech- gin hat das Wort die Abgeordnete Regina Schmidt- tes muß sich aber nicht nur daran messen lassen, ob Zadel. das Selbstbestimmungsrecht der Frau ausreichend geachtet wird. Ebenso wichtig ist das, was an konkre- ten Hilfen, an sozialen Leistungen für Frau und Kind, Regina Schmidt-Zadel (SPD): Frau Präsidentin! geboten wird. Für mein Verständnis wird der vorlie- Meine Damen und Herren! Die vom Einigungsvertrag gende Gruppenantrag noch nicht allen Erwartungen geforderte Neuregelung des Schwangerschaftsab- in dieser Beziehung gerecht. Ich hätte mir gewünscht bruchsrechts steht heute hier zur Abstimmung. Mona- — ich kann das aus meiner langjährigen Erfahrung als telange Beratungen und Sachverständigenanhörun- Sozialarbeiterin sagen; ich habe auch Beratungen gen im Sonderausschuß, zahlreiche Schreiben von gemacht —, daß das Sozialpaket noch umfassender Institutionen, aber auch von Privatpersonen haben geschnürt worden wäre und daß manche Maßnah- deutlich gemacht, wie schwer ein Konsens in dieser men, die vorgesehen sind, früher als jetzt geplant Frage zu erreichen ist. Sie haben auch gezeigt, welche hätten durchgeführt werden können. Unsicherheiten und Nöte die derzeitige Rechtslage Wir erleichtern der Frau sicher das Ja zum Kind, hervorruft und wie sehr eine gemeinsame, parteiüber- wenn sie weiß, daß für sie ein Kindergartenplatz greifende Lösung gefunden werden muß. verfügbar ist. Ich hoffe, daß die vereinbarte stufen- Diese liegt uns nun im Gruppenantrag vor. Ich weise Umsetzung dieses wichtigen Punktes dann begrüße diesen Kompromiß, auch wenn ein Kompro- auch wirklich konsequent erfolgt. miß immer bedeutet, daß nicht alle eigenen Interessen Ähnliches gilt auch für den Bereich der Prävention. durchgesetzt werden konnten, daß mancher wichtige Unerwünschte Schwangerschaften sind keine Frage Aspekt zurückstehen mußte. Aber die bislang gelten- des Alters. Kostenlose Verhütungsmittel nur für die den Regelungen waren unbefriedigend. unter 20jährigen lösen nur einen Teil der Probleme. Der Gruppenantrag sichert der Frau zu, sich eigen- Aber auch hier muß ich sagen: Ich habe mich damit verantwortlich entscheiden zu können. Pauschal for- zufriedengegeben und dem Gruppenantrag zuge- mulierte Indikationen, das Nichtberücksichtigen des stimmt, weil ich weiß, daß dies ein Einstieg ist. Ein von Fall zu Fall unterschiedlichen individuellen Einstieg läßt ja immer hoffen. Vielleicht wird zu einem Schwangerschaftskonfliktes wird es danach künftig späteren Zeitpunkt eine Ausweitung dieser Regelung hoffentlich nicht mehr geben. Ich halte dies für den zu einem weiteren Absinken unerwünschter Schwan- entscheidenden Fortschritt in der Diskussion über das gerschaften führen. Abbruchsrecht. Der Einigungsvertrag verpflichtet uns, bis zum Nur, wer der Frau die Entscheidung überträgt, muß Ende des Jahres ein einheitliches Abbruchsrecht zu auch dafür Sorge tragen, daß die Frau etwas zu schaffen. Der vorliegende Gruppenantrag bietet eine entscheiden hat. Der Entscheidung gegen ein Kind wirkliche Alternative, die die Entscheidung für das müssen Gründe für eine Entscheidung für ein Kind Kind erleichtert und einen Weg bereitet, hin zu einer entgegengesetzt werden. Wenn unsere Gesellschaft kinderfreundlicheren Gesellschaft. Das Votum für den hier nichts zu bieten hat, reichen alle moralischen Gruppenantrag wird der Einstieg in konkrete Hilfen Appelle nicht aus. — das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt — für Schwangere und Kinder bedeuten. Deswegen stimme (Beifall bei der SPD) ich dem vorgelegten Gruppenantrag zu. Ich bitte, daß Im Gegenteil: Ohne konkrete Hilfen, ohne wirkliche das viele Kolleginnen und Kollegen mit mir tun soziale Perspektiven kann eine echte Lösung von werden. Konfliktsituationen nicht erfolgen. Danke. Ich will hier ein Erlebnis von dieser Woche wieder- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten geben: Eine junge Frau, im achten Monat schwanger, der F.D.P.) nicht verheiratet, hat mich angerufen und mir gesagt: Wenn ich das gewußt hätte, was ich jetzt erlebe, hätte ich mich zum Abbruch entschlossen. Ich bekomme Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat die Kolle- keine Wohnung. Ich habe noch keine Möglichkeit, gin Maria Michalk das Wort. mein Kind unterzubringen, und ich werde auf Sozial- hilfe angewiesen sein. — Was kann und was soll ich dieser Frau in dieser Situation sagen, meine Damen Maria Michalk (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Prä- und Herren? sidentin! Meine Damen und Herren! Kinder sind unser (Beifall bei der SPD — Uta Würfel [F.D.P.]: größtes Gut, sie sind unsere Zukunft. Kinder sind Genauso ist es!) spontan, sie sind kreativ, sie sind vor allem ehrlich — Eigenschaften, die unsere Welt dringend nötig hat. Da muß ich fragen: Wo sind denn die Hilfen, Frau Verringert sich die Zahl der Kinder in unserer Gesell- Ministerin Rönsch — sie ist jetzt leider nicht hier —, schaft, wird die Zukunft ärmer sein. Der Schutz des von denen Sie gesprochen haben, die wir dieser Frau ungeborenen Lebens ist ein Anliegen aller. Die Bera- dann angedeihen lassen können? — Deshalb dürfen tungen haben es gezeigt: Allen geht es um den Schutz wir keine Almosen verteilen, sondern Rechtsansprü- des ungeborenen Lebens. Dennoch liegen heute ganz che auf soziale Leistungen sind das Gebot der unterschiedliche Gesetzentwürfe zur Abstimmung Stunde. vor. Ich spreche für den Mehrheitsentwurf der CDU/ (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Uta CSU-Bundestagsfraktion, und lassen Sie mich sagen, Würfel [F.D.P.]) warum. 8294 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Maria Michalk Wenn eine Frau und ein Mann, wenn eine Mutter rung, die wir damit gemacht haben, jetzt als fatal und und ein Vater im Zuge einer Schwangerschaft vor unlogisch abstempeln und unser Familiengeld Konflikten stehen, dann wird die Lösung des Schwan- schlechtreden, dann halte ich das für eine unfaire gerschaftskonfliktes zugunsten aller Beteiligten — für Sache auch denjenigen gegenüber, die die 1 000 DM das ungeborene Kind genauso wie für die Frau — nur gerne in Anspruch nehmen. dann herbeizuführen sein, wenn sie ihre Vorstellun- (Beifall bei der CDU/CSU) gen konkret entwickeln können, wie sie ihr Leben mit dem Kind zu gestalten in der Lage sind, ohne Unmög- Es ist für mich nicht hinnehmbar, daß menschliches liches oder unerträgliche Unsicherheiten in Kauf neh- Leben für Dritte verfügbar wird, auch nicht innerhalb men zu müssen. Deshalb haben wir in unserem Gesetz einer Frist. Deshalb ist der Abbruch nur bei medizini- Soforthilfen sowie Hilfsmaßnahmen und Hilfsange- scher oder psycho-sozialer Indikation zu rechtferti- bote, die langfristig wirken. gen. Ich werde dem Kommissionsentwurf zustimmen, Die Verbesserung der gesellschaftlichen Bedin- weil dieser vom eigenen, unantastbaren Lebensrecht gungen für ein Leben mit dem Kind, die nie vollkom- des Kindes ausgeht. men sein werden, ist der beste Schutz für das unge- borene Leben. Deshalb sind die sozialen Maßnahmen Ich danke Ihnen. unseres Gesetzes für mich das Wichtigste; denn sie (Beifall bei der CDU/CSU) sind eine echte Hilfe, und sie sind auch finanzierbar. Wenn Sie in unser Gesetz hineinschauen, dann ent-- decken Sie, daß mancher Artikel gar nicht mehr darin Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat die Kolle- enthalten ist, weil nämlich im Zuge der Beratung gin Andrea Lederer das Wort. Artikel schon Gesetz geworden sind. Das zeigt, daß eine kontinuierliche Arbeit der Regierung zu ver- Andrea Lederer (PDS/Linke Liste): Frau Präsiden- zeichnen ist und wir die Hilfen permanent realisie- tin! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier ren. zunächst auf Argumente, die gefallen sind, eingehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich mache es mir insofern etwas leicht, als ich mit Die Verlängerung des Erziehungsurlaubes auf drei denjenigen anfange, die hier für den Werner-Antrag Jahre, die Erhöhung des Kindergeldes für das erste plädiert haben. Kind und des steuerlichen Freibetrages, die verlän- Zunächst zum Kollegen Kronenberg: Ich würde gerte Freistellung bei Krankheit des Kindes und die gerne von ihm eine Antwort haben, wem eigentlich Verbesserung en im Unterhaltsvorschußgesetz sind mein Bauch gehören soll, wenn nicht mir. Wenn er wirkliche Hilfen für die Mütter. Toleranz einklagt, dann verlange ich auch, daß er nicht die Frauenbewegung in der Weise lächerlich Allein die Tatsache, daß jede Mutter auch in den macht, daß er sich sozusagen über Parolen, die genau neuen Bundesländern jetzt ein Erziehungsgeld von das Richtige aussagen, hermacht. 600 DM für zwei Jahre erhält, ist eine große Verbes- serung im Vergleich zur früheren DDR-Regelung, als Ein zweiter Punkt: Was Frau Berghofer-Weichner die schwangeren Frauen, wenn sie z. B. ein zweites hier präsentiert hat, ist in der Tat, wie Hanna Wolf es Kind erwarteten, gezwungen waren, vor Eintritt in gesagt hat, das Bild, das sich in Bayern ergibt. Es ist die den Schwangerschaftsurlaub eine Beschäftigung Situation, die Frauen dort zu erleiden haben. Das sind nachzuweisen, um den Anspruch auf Mütterunterstüt- nicht nur die Prozesse wie in Memmingen, sondern zung nicht zu verlieren. Sie mußten also — zum Teil auch die Tatsache, daß Frauen tatsächlich keine Ärzte nur eine Woche — in den Betrieb gehen. Welche finden können, die dort einen Abbruch vornehmen, Belastung das für die Betroffene, aber auch für die und somit gezwungen sind, in andere Länder zu Kollegen war, kann jeder nachfühlen, der in einer gehen. solchen Situation war. Den Gipfel hat meiner Ansicht nach allerdings der Die jetzige Regelung ist frauen- und familien- Abgeordnete Jäger hier produziert, indem er auch freundlich. Das Land Sachsen z. B. diskutiert die noch den Begriff „Holocaust" in diese Debatte einge- Einführung eines Landeserziehungsgeldes von führt hat. Ich muß sagen: Daß dieses Parlament es 400 DM für das dritte Erziehungsjahr — und das bei zuläßt, diesen Begriff in diesem Zusammenhang ein- den uns allen bekannten finanziellen Schwierigkeiten zuführen, und dieses nicht rügt, das halte ich wirklich und finanziellen Anforderungen. Ich denke, das zeigt, für einen Skandal. Das muß zurückgewiesen wer- wo man Prioritäten sieht. den. Eines möchte ich noch sagen: Ich habe heute in der (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Debatte von vielen gehört, daß man den Frauen in den Abgeordneten der SPD und der F.D.P.) neuen Bundesländern nicht etwas zumuten soll, was Das entspricht genau der Demagogie, mit der Lebens- sie nicht wollen oder was sie nicht tragen können. Ich schützer aller Art gegen das Selbstbestimmungsrecht bin sehr dafür, daß man Bewährtes weiterführt und der Frau vorgehen. Das zeigt nur, wo sie insgesamt übernimmt. Die Fristenregelung hat sich nicht stehen: Sie haben weder etwas aus der Geschichte bewährt. Deshalb bin ich nicht dafür, daß wir sie gelernt, noch zögern sie auch nur eine Sekunde, übernehmen. Was sich aber bewährt hat, sind z. B. die Waffen zu exportieren und Flüchtlinge an den Gren- 1 000 Mark, die man damals als Geburtengeld ausge- zen abzuweisen, wie beispielsweise in Baye rn. Sie geben hat, 150 Mark im sechsten Monat, 750 Mark tragen Parolen im Mund, wie: „Die Deutschen sterben zur Geburt des Kindes und vier mal 25 Mark in den aus" und auf der anderen Seite: „Das Boot ist voll". Das folgenden vier Monaten. Wenn Sie die gute Erfah gehört zusammen, und man sieht genau, wie eng Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8295

Andrea Lederer diese beiden Politikvorstellungen miteinander ver- dem Osten —, tatsächlich dafür einzutreten, daß den bunden sind. Frauen dort nicht wieder eine solche Regelung des § 218 beschert wird. Es bleibt leider bei einer straf- (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei rechtlichen Regelung. Abgeordneten der SPD und der F.D.P.) Das widerspricht meiner Auffassung, daß das Ich möchte in diesem Kontext auch auf den Grup- Selbstbestimmungsrecht Geltung haben muß, so fun- penantrag eingehen, der mir — zugegeben — die damental, daß ich dem jedenfalls nicht zustimmen größten Schwierigkeiten in dieser Entscheidungssi- kann. tuation macht. Ich bin eine Anhängerin der ersatzlo- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) sen Streichung des § 218. Ich bin natürlich auch der Auffassung, daß Frauen selbstverantwortlich ent- scheiden können. Ich bin der Meinung, daß Fristen- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht setzung willkürlich geschieht. Wenn man sich die der Kollege Robert Antretter. anderen Regelungen in anderen europäischen Län- dern ansieht, kann man den Frauen dort kaum vor- werfen, sie würden verantwortungslos handeln. Robert Antretter (SPD): Frau Präsidentin! Meine Das Schwierige ist folgendes: Fakt ist doch, der sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Gruppenantrag führt im Ergebnis dazu, daß es, zuge- Sie, daß ich zwei Jahre zurückblende. Der Auftrag, geben, einen Vorteil für Frauen in den südlichen den uns der Einigungsvertrag im Hinblick auf zwei Altbundesländern — Bayern, Baden-Württemberg unterschiedliche Regelungen stellt, lautet, das Recht des Schwangerschaftsabbruchs in den Rechtsgebie- und Rheinland-Pfalz — gibt, keine Frage. Fakt ist aber auch, daß es bereits einen kleinen Nachteil für die ten West und Ost anzupassen, eine einheitliche Neu- Frauen in den nördlichen Altbundesländern gibt, wo regelung zu schaffen. Dabei haben wir hinsichtlich eine Beratungsp flicht mit einem Beratungsziel statu- des Gestaltungsspielraums die Vorgaben des Bundes- zu beachten. Die Karlsruher iert wird, das lebensschutzorientiert und damit nicht verfassungsgerichts neutral — wie eigentlich eine offene Beratung sein Richter haben deutlich gemacht, daß der Gesetzgeber die grundsätzlich gebotene rechtliche Mißbilligung müßte — ist. des Schwangerschaftsabbruchs auch auf andere Fakt ist vor allem, daß Frauen im Osten nur Nach- Weise zum Ausdruck bringen kann als mit dem Mittel teile haben, ausschließlich Nachteile von dieser Rege- der Strafdrohung. lung. Ich möchte einmal wissen: Wenn der Gesetzge- Im Gruppenantrag wird dies mit einer Reihe von ber beim Einigungsvertrag erkannt hat, daß es not- sozialen Maßnahmen versucht, von denen ich glaube, wendig ist, für beide Teile bessere Regelungen zu daß sie geeignet sein können, der werdenden Mutter treffen, dann kann dies doch nicht bedeuten, daß nun im Konfliktfall die Annahme ihres Kindes zu erleich- der eine Teil ausschließlich Nachteile hat und daß bei tern. dem anderen Teil nur etwa bei der Hälfte Vorteile entstehen. Genau das ist das Ergebnis des Sonderaus- Nur, ist die Finanzierung dieser sozialen Hilfen schusses, und das ist die Realität dieses Gruppenan- tatsächlich sichergestellt? Sieht nicht alles danach trages. Genau das macht mir die immensen Probleme, aus, daß nach einer Verabschiedung dieses Entwurfs diesem Gruppenantrag zustimmen zu können. die sozialen Leistungen ganz oder teilweise entfallen? Und was geschieht, wenn die Doppelstrategie der (Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke Regierung aufgeht, die einerseits das Maßnahmenpa- Liste) ket des Gruppenantrags als zu dürftig bezeichnet, Wir wissen jetzt schon, daß, was z. B. die Beratungs- andererseits zugleich die Forderungen von Müttern situation anbelangt, in Ländern wie Thüringen und nach sozialen Hilfen ausschlägt, die den Anspruch auf Sachsen die Gefahr droht, daß bayerische Verhält- einen Kindergartenplatz erst im Jahr 1999 verwirkli- nisse einziehen: In Thüringen gibt es zu 50 % konfes- chen will und dabei gar nicht daran denkt, die sionelle Beratungsstellen bei nach Umfragen schät- Finanzierung durch den Bund mitzutragen? zungsweise 20 % gläubigen Menschen, die der Reli- Gewiß, die Kolleginnen und Kollegen, die den gion tatsächlich anhängen etc. Das ist doch eine Gruppenentwurf einbringen, haben auch nach mei- Einflußnahme auf die Entscheidung der Frau, die ner Überzeugung einen richtigen Weg gewiesen; tatsächlich problematisch ist. einen Weg, der zeigt, wie es möglich wäre, die positive Deswegen kann ich jetzt erklären — auch, um heute Seite jenes Lebensschutzes zu stärken, den jede abend die Debatte nicht zu verlängern —: Ich werde staatliche Rechtsordnung gewähren muß. Es geht um und nicht darum — wie manch- nicht gegen den Gruppenantrag stimmen, weil ich diesen Lebensschutz nicht diesen Lebensschützern sozusagen noch die mal polemisch gesagt wird —, die Frauen zu krimina- Möglichkeit geben will, das zu überstimmen. lisieren. Es geht darum, daß der Staat klarstellt, was ihm der Schutz des menschlichen Lebens wert ist. Aber es tut mir herzlich leid: Ich kann kein Ja zu dem Herr Kollege Eylmann, ich habe mich gefreut, als Gruppenantrag formulieren. Das hat inhaltliche Sie heute vormittag großen Applaus meiner Fraktion Gründe; ich habe sie genannt. für Äußerungen bekommen haben, die ich nicht Ich bin auch der Meinung, daß eine weitere Debatte rundum teile. Ich habe mich darüber gefreut, weil das stattfinden muß, deren Ziel eine ersatzlose Streichung gegenseitige Bekennen des Respekts über Fraktions- dieses Paragraphen sein muß. Sie sind ja auch mit dem grenzen hinweg gerade in einer so schwierigen Aus- in der gegebenen Versprechen ange- einandersetzung ein Ereignis von eigenem Wert ist. treten — das gilt vor allem für die Abgeordneten aus Ich meine, daß nicht nur wir das so sehen, sondern daß 8296 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Robert Antretter die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die die Debatte Mitte. Aber ich bin dankbar, daß ich nicht das Gefühl heute verfolgen, das ähnlich beurteilen werden. haben muß, aus ihrer Mitte ausgeschlossen zu sein. Ich teile den Teil Ihrer Einschätzung, Herr Kollege Vielen Dank. Eylmann, den ich mit meinen Worten so beschreiben (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ will: Wollten wir alles im Geschäfts- oder Sexualleben CSU und der F.D.P.) oder auch in der politischen Auseinandersetzung unter Strafe stellen, was christlicher Ethik wider- spricht, dann wären wir wahrscheinlich ein Volk von Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste hat Sträflingen. Monika Brudlewsky das Wort. (Beifall bei der SPD) Aber ich sage auch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Ich möchte nicht, daß denjenigen in allen Monika Brudlewsky (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Fraktionen, die das ungeborene Leben nicht zu die- Meine Damen und Herren! Es gibt eigentlich keine sem ethischen Minimum zählen möchten, der Respekt neuen Argumente mehr. Es ist vieles gesagt worden. versagt wird. Man ist geneigt, nicht mehr zuzuhören. Und doch sitze ich Stunde urn Stunde hier wie bei der ersten großen Die Kolleginnen und Kollegen, die den Gruppen- Debatte, weil ich es einfach begreifen will, warum entwurf formuliert haben, haben Anerkennenswertes jeder meint, er habe recht. geleistet, aber sie können mir die Sorge nicht nehmen, daß die weitere Aushöhlung der Indikationsregelung Auch die Juristen, die ja die verschiedensten Ent- und die vorgeschlagene Regelung der Beratung den würfe erarbeitet haben, kommen zu den verschieden- Lebensschutz eher verschlechtern könnten. sten Ergebnissen, obwohl sie doch alle das gleiche Recht studiert haben. Sie können mir auch nicht die Sorge nehmen, daß in Warum ist das so? Es gibt meines Erachtens nur eine der langfristigen Folge einmal jene „praktischen Ethi- Ursache: Von welcher Richtung aus schaue ich diese ker" in unserer Gesellschaft — ich meine nicht, in Welt an? Fühle ich mich als Herrscher der Schöpfung, diesem Raum — Zustimmung finden könnten, die uns als Nabel der Welt, dem sich alles unterzuordnen hat, einreden möchten, es gebe eine abgestufte Würde des oder spüre ich zuerst Verantwortung dem Schöpfer Menschen und Stufen menschlichen Rechts auf gegenüber für diese Welt, für alles Schwächere und Leben, etwa bei ungeborenen, behinderten und alten Hilflose? Menschen. Kann ich mich zurücknehmen? Kenne ich Opferbe- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) reitschaft und Verzicht? Habe ich dies eingeübt? Ja, das sind schreckliche Vokabeln für einen selbstbe- Ich kann deshalb diesem Gruppenantrag meiner wußten, von sich überzeugten Menschen: Opferbe- Fraktion und der F.D.P. nicht zustimmen. Ich habe drei reitschaft und Verzicht. Die ungeplanten Kinder brau- Vorbehalte: chen dies. Da scheiden sich die Geister in den alten Erstens. Die rechtliche Gesamtbewertung hat sich und in den neuen Bundesländern gleicherweise; denn verschoben. Bisher war der Abbruch unter bestimm- auch in den neuen Bundesländern gibt es viele ten Bedingungen nicht strafbar. Es war klar, daß er Menschen, die hoffen, daß die Fristenregelung aus nicht Rechtens ist; nun aber wird gesagt, unter unserem Recht verschwindet. bestimmten Bedingungen sei der Schwangerschafts- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und abbruch nicht rechtswidrig. des Abg. Georg Gallus [F.D.P.]) Mein zweiter Einwand bezieht sich auf den Bera- Vor allem haben mir viele Ärzte aufgetragen, dieses tungsinhalt, der mir zu kurz greift. Gewiß, in § 219 Recht beseitigen zu helfen, damit sie nicht mehr sind die Beratungsinhalte angesprochen. Doch diese reihenweise abtreiben müssen. beziehen sich nur auf Informationen über Hilfen, die Ständig wird behauptet, daß Männer und Frauen in der Frau zur Verfügung stehen. Die eigentliche ethi- den neuen Bundesländern weiterhin die Fristenrege- sche Abwägung aber kommt nicht vor. lung bzw. die Liberalisierung des § 218 wollten. Das Schließlich mein dritter Einwand, wenn Sie erlau- wäre eine Pauschalierung. Ich halte dagegen. Durch ben, Frau Präsidentin: Der Gruppenentwurf konzen- Podiumsdiskussionen und Gespräche auf der Straße triert die rechtliche Regelung des Abbruchs auf die und im Freundeskreis kenne ich den Stand der Argu- Frage nach der Erfüllung von Bedingungen. Das mente und der Meinungsbildung der Menschen bei Augenmerk gilt nicht der Verhinderung des Abbruchs mir zu Hause. Man muß bedenken, daß es immerhin selbst, sondern der Beratungspflicht. Auch hier zeigt seit 1972 möglich war, die ungeborenen Kinder nach sich eine Schieflage, die ich nicht mittragen Recht und Gesetz zu töten. Es muß erst wieder ein möchte. Wertebewußtsein erarbeitet werden, das das Recht auf jedwedes Leben an die erste Stelle setzt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die derzeitigen Umfrageergebnisse beeindrucken Meine Damen und Herren, ich finde mich heute mich wenig. Unsere Menschen im Osten brauchen nach elf Jahren Parlamentszugehörigkeit zum ersten- Zeit. Jetzt ist jeder im Aufbruch und hat mit der mal nicht in der Mitte meiner Fraktion. Mir war immer Neuorientierung erst begonnen. In einigen Monaten die Geschlossenheit meiner Fraktion wichtiger, als in oder Jahren sehen die Umfrageergebnisse auch in den der Öffentlichkeit gegen sie recht zu haben. Bei neuen Bundesländern sicher wieder ganz anders aus, diesem schwierigen Thema wäre ich lieber in ihrer wenn das Thema ohne Hysterie angegangen wird. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8297

Monika Brudlewsky Dazu paßt genau, was Ministerpräsident Teufel am Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD): Liebe Kollegen! Wochenende unter großem Beifall vor Tausenden Liebe Koleginnen! Das, was ich will, das, was für mich Christen auch aus den neuen Bundesländern sagte: in dieser Debatte ausschlaggebend ist, ist das, was ich Das Selbstbestimmungsrecht der Mutter und des auch in der ersten Lesung zu unserem Gesetzentwurf Vaters findet seine Grenzen im eigenständigen gesagt habe: Ich möchte die Zuversicht und den Lebensrecht des Kindes. Optimismus, sich für Kinder zu entscheiden, stärken. Ich will die Chancen für Partnerschaft und Liebe, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) soweit das Politik kann, vergrößern. Herr Teufel sagte auch: Dies muß vertreten und auch dann durchgehalten werden, wenn eine Mehrheit in Frau Kollegin Brudlewsky, das, was uns alle, gleich- der Bevölkerung und im Parlament diese Priorität gültig, wo wir im Moment sitzen, umtreibt, ist doch, zeitweise nicht mehr sieht. daß wir möchten, daß es weniger Schwangerschafts- abbrüche gibt. Es hilft doch nicht, einen Zustand zu (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: So ist beklagen und dann die falschen Instrumente zu wäh- es!) len, um diesen Zustand zu heilen. Auch dem kann ich mich anschließen. (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Es wird ständig von Notlagen gesprochen, um ein Ich will doch wie wir alle weniger Schwanger- gesetzlich zugelassenes Töten der ungeborenen Kin- schaftsabbrüche, denn Kinder sind in allererster Linie der zu fordern und gleichermaßen zu entschuldigen — eine Freude oder könnten es für Mütter und Väter in diesem Land, das eines der reichsten Länder der sein, wenn wir endlich andere und neue Prioritäten Welt ist. setzten. Bei aller Achtung vor dem Gewissen: Das Gewissen sollte eine warnende Stimme bleiben, wenn ich Ich weiß, Frau Kollegin Brudlewsky, daß ich nicht Unrecht tun will. Wem wird Unrecht getan: dem der Nabel der Welt bin. Ich weiß auch, daß ich mich getöteten Kind oder der selbstbestimmenden Frau? irren kann. Auch kann ich mir nicht sicher sein, ob wir Man sollte das Gewissen nicht anwenden, um dem mit unserem Gesetzentwurf dieses Ziel und alle Ziele, Töten zuzustimmen. Man kann das Gewissen nur die wir damit verfolgen, wirklich erreichen werden. anwenden, um Töten abzuwenden. Aber ich habe Grund zu der Annahme, daß die Chance besteht, daß wir in allen 16 Bundesländern (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) der Bundesrepublik Deutschland mit diesem Gesetz- Aus Gewissensgründen haben unsere Vorgänger entwurf tatsächlich weniger Schwangerschaftsabbrü- im Parlament die Todesstrafe abgeschafft. Auch die che haben werden. gräßlichsten Verbrecher an der Menschheit werden (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) von unserer Demokratie begnadigt. Wir entsetzen uns über Menschenrechtsverletzungen in aller Welt — mit Um diese Chance geht es mir; diese Chance möchte Recht. Voller Abscheu reagiern wir, wenn Tiere ich gern verwirklichen. Wenn ich sehe, daß das, was gequält und unnötig getötet werden, und auch das mit wir in unserem Gruppenentwurf niedergeschrieben Recht. Aber die unschuldigsten, wehrlosesten aller haben, in den Niederlanden praktiziert wird, wenn ich menschlichen Wesen töten wir unter vielerlei Ent- mir vergegenwärtige, daß es dort —— ohne statistische schuldigungen und Ausreden. Tricks, bezogen auf die Bevölkerungszahl, nur Erinnern wir uns: Wir, die wir kurz nach dein 50 % der Schwangerschaftsabbrüche gibt, die wir hier Zweiten Weltkrieg geboren sind, haben unsere Eltern haben, dann sage ich: Lassen Sie uns doch diese und Großeltern zur Rede gestellt, warum sie nichts Chance tatsächlich ergreifen! Lassen Sie uns das Ziel, getan haben gegen Hitlers Macht, gegen Gaskam- weniger Schwangerschaftsabbrüche zu bekommen, mern und Euthanasie. Wir haben es ihnen nicht wenigstens im Ansatz verwirklichen! abgenommen, daß sie nichts machen konnten. (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Wir aus der ehemaligen DDR wissen, daß ähnliche Der Einigungsvertrag hat uns auf mehr Gleichbe- Fragen unserer Kinder an uns gestellt werden. Warum rechtigung, mehr Vereinbarkeit von Kindern und habt ihr nicht eher etwas getan, sagten sie zu uns, und Beruf, mehr Sicherung von Kindergartenplätzen in es war schwer zu erklären. Unsere Kinder sind sehr den fünf neuen Bundesländern und auch darauf kritisch, und das ist gut so. Unsere Enkel werden uns, verpflichtet, eine bessere Lösung für den Schwanger- vor allem uns, die wir in diesem Parlament sitzen, schaftsabbruch zu finden. fragen: Warum habt ihr das Töten der Kinder nicht verhindert? Vielleicht können diese Enkel mit Wir haben diese Ziele in den zwei Jahren seit wachem Verstand und echtem Gewissen abwenden, Vereinbarung dieses Vertrags bei weitem noch nicht daß Behinderten und uns im Alter und im Siechtum die erreicht. Wir haben heute darüber zu entscheiden, ob Euthanasie angetan wird. wir es wenigstens schaffen, dem Auftrag gerecht zu werden, eine bessere Lösung als die Indikationslö- Ich werde nur dem Initiativantrag der Gruppe sung in der alten Bundesrepublik und eine bessere Werner zustimmen. Lösung als die Fristenlösung in der ehemaligen DDR (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) zu verwirklichen, indem wir den Gruppenentwurf annehmen. Um Zuversicht und Optimismus — beide unver- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste hat zichtbar für die Aufgabe, Kinder großzuziehen — zu Renate Schmidt das Wort. stärken, bedarf es der Hilfe, gesicherter Hilfe. Dieser 8298 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Renate Schmidt (Nürnberg) Maßstab „gesicherte Hilfe" ist an die Gesetzentwürfe Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, Gewissensfrei- anzulegen. heit wird in dieser Frage hochgehoben. Sie ist eine Selbstverständlichkeit. Sie steht uns nach unserer Wir haben es uns mit unserem Entwurf nicht leicht Verfassung zu. Es gehören immer ein bißchen Zivil- gemacht. Wir wissen, daß mehr vorstellbar ist und daß courage und ein Quentchen Mut dazu, diese Gewis- in absehbarer Zukunft auch mehr durchgesetzt wer- sensfreiheit und die Rechte, die man hat, in Anspruch den muß. Wir haben mit den Bundesländern über zu nehmen. unsere Vorschläge geredet und gehen davon aus, daß den Bundesländern und Gemeinden über eine Verän- Auch hier sind Zuversicht und Optimismus ange- derung des Bund-Länder-Finanzausgleichs entspre- sagt. Wir versuchen in unserer Fraktion, denen, die chend den Steuereinnahmen geholfen werden muß, sich anders entscheiden, das Gefühl zu geben, nicht die Rechtsansprüche auf den Kindergartenplatz auch ausgegrenzt zu werden. Ich wünschte mir, daß alle zu erfüllen, weil es sonst nicht geht. Kollegen und Kolleginnen in diesem Parlament dieses Gefühl haben dürfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. ) (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS/Linke Liste) Sie haben sich leider, was die Finanzierung betrifft, ausgeschwiegen; Sie haben das nicht gesucht. Darum Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat verzeihen Sie mir bitte, wenn sich bei mir die Vermu- Gabriele Wiechatzek. tung aufdrängt, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der CDU/CSU-Fraktion den Mehrheitsentwurf gar nicht durchsetzen will, weil Sie über die Finanzierung Gabriele Wiechatzek (CDU/CSU): Frau Präsidentin! nichts sagen, Meine Damen und Herren! Der Bundestag debattiert heute — übrigens nach neun Monaten Ausschußde- (Widerspruch bei der CDU/CSU) batte — erneut über eine Neuregelung des Abtrei- weil das Ihren bisherigen Intentionen nicht entspricht. bungsrechts. Die Debatte, meine ich, war bisher von Ich habe das Gefühl, daß Sie darauf bauen, daß Ihr großer Sachlichkeit geprägt — bis, diese Einschrän- Antrag, wenn er hier eine Mehrheit findet, spätestens kung muß ich leider machen, zu Ihrem Auftritt, Frau im Bundesrat scheitert, so daß es dann bei dem Prinzip Kollegin Schmidt. „Strafe statt Hilfe" bleiben würde. Was Sie sich an Unterstellungen gegenüber der (Beifall bei der SPD — Dr. Wolfgang Freiherr CDU geleistet haben, finde ich dieser Debatte nicht von Stetten [CDU/CSU]: Das ist unfair! — angemessen. Weitere Zurufe von der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Dort, wo es in Ihrem Gesetzentwurf um die Befriedi- Die heutige Debatte kann den Anschein erwecken, gung von Rechtsansprüchen geht, sind Länder und als habe sich seit dem vergangenen Herbst nichts Gemeinden zuständig. Dort, wo der Bund zuständig bewegt. Die grundsätzlichen Standpunkte — dies wäre, bleiben Sie im Unverbindlichen. wurde deutlich — sind die gleichen geblieben. Die Vorstellungen von der künftigen strafrechtlichen ( [CDU/CSU]: Das ist ja Regelung klaffen nach wie vor auseinander; alle nicht wahr!) Bemühungen um eine Einigung, so scheint es, sind Deshalb, liebe Kollegen vom BÜNDNIS 90, ist auch gescheitert. Dieser Eindruck täuscht, zumindest in Ihr Änderungsantrag verfehlt. Denn vom Umfang der einigen wichtigen Punkten. Seiten her wird bezüglich der Hilfen nur der Anschein Schon im September haben viele Kollegen erklärt, erweckt, als ob die Hilfen, die Sie nach dem CDU/ daß es vorrangig nicht um Strafe gehen könne. Viel- CSU-Antrag gewähren wollen, umfangreicher sind mehr komme es darauf an, welche Hilfen wir schwan- als unsere. In Wirklichkeit aber sind sie dort, wo sie geren Frauen geben. Deshalb habe ich bereits im Rechtsansprüche schaffen sollten, unverbindlich; sie Herbst darauf aufmerksam gemacht, daß gerade die gewähren nur Almosen und machen Frauen, Fami- Frage der Wohnungen für Frauen in Schwanger- lien, Kinder und Väter zu Bittstellern. Das wollen wir schaftskonflikten oft von entscheidender Bedeutung nicht. ist. (Beifall bei der SPD) Im Sonderausschuß „Schutz des ungeborenen Ein letzter kurzer Passus: Der Herr Bundeskanzler, Lebens" und im Ausschuß für Raumordnung, Bauwe- Herr Waigel, Herr Lambsdorff und Hans-Jochen sen und Städtebau habe ich mich daher nachdrücklich Vogel haben in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende ihrer für eine Regelung eingesetzt, die schwangeren Parteien im Zusammenhang mit dem Einigungsver- Frauen bei der Vergabe von Wohnungen nicht nur trag zugesichert, daß es in dieser Frage keine Koali- bessere Chancen gibt, sondern sie in der Konkurrenz tionsabsprachen und auch keinen Fraktionszwang mit anderen Wohnungssuchenden eindeutig bevor- geben werde. Ich habe in all den Monaten dieser zugt. Debatte vermißt, daß einer von ihnen, Herr Kohl oder (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Waigel, den jeweiligen Parteifreunden einmal Bereits die ursprünglichen Gesetzentwürfe von gesagt hätte, daß sie dies nicht dauernd anmahnen CDU/CSU, SPD und F.D.P. sahen vor, schwangere dürfen, daß es hier Absprachen gibt und daß es auch Frauen explizit in den Kreis der Personengruppen eine Frage der Glaubwürdigkeit von Politik ist, solche aufzunehmen, die bei der Vergabe von Wohnraum zu Absprachen einzuhalten. fördern sind. Die Diskussion in den vergangenen (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Monaten hat jedoch zu der Überzeugung geführt, daß Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8299

Gabriele Wiechatzek dies allein nicht ausreichen kann. Auch die Experten- Kompromiß möglich gemacht. Auch wenn diese anhörung im Sonderausschuß hat ergeben, daß die Änderungen leider nicht zustande gekommen sind, Wohnsituation ein sehr wichtiges Thema in vielen bietet der Entwurf der CDU/CSU eine Reihe von Beratungsgesprächen ist. Verbesserungen gegenüber dem gegenwärtigen Recht. Er ist von der Einsicht getragen, daß der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schwangerschaftskonflikt ein zutiefst persönlicher ist, Die Koalitionsparteien kamen daher überein, daß der weitgehend einer strafrechtlichen Beurteilung schwangere Frauen als wohnberechtigte Wohnungs- entzogen ist. suchende nicht nur gleichberechtigt, sondern sogar Da von den vorliegenden Gesetzentwürfen der vorrangig vor anderen zu fördernden Personengrup- Unionsentwurf der Problematik des Schwanger- pen zu berücksichtigen sind. schaftsabbruchs am besten gerecht wird, werde ich (Beifall bei der CDU/CSU) ihm zustimmen. Dies kann dadurch ermöglicht werden, daß Gemein- (Beifall bei der CDU/CSU) den dort, wo sie ein direktes Vergaberecht haben, Wohnungen bevorzugt an Schwangere vergeben. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht Auch in den Fällen, in denen das zuständige Woh- Christina Schenk. nungsamt dem Vermieter drei mögliche Mieter vor- schlagen muß, sieht der Koalitionsentwurf vor, daß der Dreiervorschlag ausschließlich aus wohnungssuchen- Christina Schenk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): den schwangeren Frauen bestehen kann. Diese Ver- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich besserung, die hier im Zuge der Beratung erreicht möchte mit einigen grundsätzlichen Bemerkungen an worden ist, zeigt das zähe Ringen aller Fraktionen, das anschließen, was ich heute vormittag gesagt habe. Hilfen für die schwangeren Frauen zu erzielen. Ich Ich habe u. a. ausgeführt, daß nicht das Grundgesetz glaube, dies sollte man eindeutig festhalten. gegen das Recht auf Abtreibung steht, sondern die Interpretation, die heute zwar dominiert, aber den- Der Verbesserungsvorschlag der Koalition traf dann noch nicht die einzige mögliche ist und die nur vor auch auf die Zustimmung auch der Opposition und dem Hintergrund des noch immer großen Einflusses findet sich jetzt im vorliegenden Gruppenentwurf der christlichen Glaubensgrundsätze erklärbar ist. wieder. Ich muß Ihnen sagen, daß ich als neue Bundesbür- Auch wenn also in diesem Hause keine breite gerin mit einigem Erstaunen wahrgenommen habe, Mehrheit für eine Neuformulierung des § 218 welchen Einfluß die Katholische und auch die Evan- zustande kommen wird, gibt es dennoch einen breiten gelische Kirche in der Diskussion über die Neurege- Konsens für eine Verbesserung der sozialen Hilfen. lung des Schwangerschaftsabbruchs beanspruchen. Das Prinzip Hilfe statt S trafe findet seinen Ausdruck in Ich meine, die Kirchen sollten sich auch hier daran den vorliegenden Sozialpaketen, gerade in dem Sozi- gewöhnen, nur für ihr Klientel sprechen zu können, alpaket, das von meiner Fraktion, der CDU/CSU, und sollten aufhören, ihre Ansichten Menschen mit vorgelegt worden ist. anderer Weltanschauung aufzuzwingen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Der Schutz des ungeborenen Lebens erfordert vor Offenbar haben aber die verschiedenen missionari- allem die Solidarität der Gesellschaft mit schwange- schen Heilslehren mit Unfehlbarkeitsanspruch, von ren Frauen. denen ich eine ja auch erleben durfte, grundsätzlich einen Hang zum Diktatorischen. So wird die Säkula- Lassen Sie mich noch etwas zu meinem Abstim- risierung des Rechts als eine hierzulande noch zu mungsverhalten sagen. Meine Mitarbeit bei der Neu- leistende Aufgabe einige Anstrengungen erfordern, regelung des Schwangerschaftsabbruchs war von der meine ich. Hoffnung getragen, daß der Bundestag in einer so fundamentalen Frage zu einem breiten Konsens fin- Eine weitere Anmerkung. Es ging in der Diskussion den könne. Für mich stand aber immer fest, daß eine um die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs völlige Freigabe der Abtreibung in einer bestimmten nach meiner Wahrnehmung nicht vorrangig um die Frist ethisch nicht verantwortbar ist. Senkung der Zahl der ungewollten Schwangerschaf- ten, wie immer wieder behauptet wurde; dann, meine Ich glaube nach wie vor, daß es Möglichkeiten zu ich, hätte ganz anders über sexuelle Aufklärung und einem Kompromiß gab, der sowohl die Würde des Verhütung diskutiert werden müssen, und es hätten ungeborenen Lebens unterstrichen als auch den Kon- entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen da- fliktlagen und der Verantwortungsfähigkeit der für geschaffen werden müssen. betroffenen Frauen Rechnung getragen hätte. Ich füge hinzu: Nur die Senkung der Zahl der Der Gruppenentwurf stellt für mich keinen solchen ungewollten Schwangerschaften kann ein gesell- Kompromiß dar. Die Konzeption der Beratung macht schaftlich anzustrebendes Ziel sein, nicht jedoch die deutlich, daß das Ziel, Leben zu schützen, ganz in den Senkung der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche. Hintergrund tritt. Ich habe mich in den vergangenen Das ist ein ganz großer Unterschied. Monaten immer wieder um eine Verbesserung des Am wenigsten ging es in der Diskussion, so wie ich CDU/CSU-Entwurfs bemüht. sie erlebt habe, um Kinder. Dann wäre über die Frage Ein Verzicht auf die sogenannte Dokumentations- der Kinderbetreuung und über die Finanzierung pflicht und eine stärkere Betonung der Entscheidung anders diskutiert worden, und dann wäre bei anderen der Frau hätten, glaube ich, einen glaubwürdigen Gelegenheiten in diesem Hause anders über die 8300 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Christina Schenk Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft brauchen einen langen Atem, haben ihn immer diskutiert worden. gebraucht. Ich denke, sie werden ihn haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Ich meine, es geht hier um nichts anderes als um PDS/Linke Liste) patriarchale Machtausübung gegen Frauen. Der Tötungsvorwurf, der Rechtfertigungszwang, die Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat die Kolle- Pflichtberatung und schließlich die Strafandrohung gin Dr. Cornelia von Teichman das Wort. dienten einzig und allein der Transportation des patriarchalen Frauenbildes der westdeutschen Ge- Dr. Cornelia von Teichman (F.D.P.): Frau Präsiden- sellschaft, wonach Frauen unwissend, ahnungslos tin! Meine Damen! Meine Herren! Lassen Sie mich und im Grunde unmündig sind und es ihnen qua meine Rede mit meinem ersten Erleben der Abtrei- Geschlecht grundsätzlich an Kulturfähigkeit man- bungsproblematik beginnen, mit meinen ersten prak- gelt. tischen Auseinandersetzungen mit diesem Thema. Es (V o r s i t z: Vizepräsidentin Renate Schmidt) war 1971. Ich war 23 Jahre alt und betreute als Medizinstudentin als Sitzwache im Krankenhaus eine Es geht, wie ich meine, auch in einer zweiten 28jahrige Frau, verheiratet, drei Kinder, die ein viertes Richtung um Macht. Der Staat maßt sich mit der hat abtreiben lassen, weil sie sich in einer außerge- Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs mittels wöhnlichen persönlichen Konfliktsituation befand. Strafrechts die Definitionsgewalt über die Leibes- Diese Frau hatte, weil damals jegliche Abtreibung frucht an. Diese kommt jedoch ausschließlich der illegal war, die Abtreibung von einer sogenannten schwangeren Frau zu und kann ausschließlich von ihr Engelmacherin mit Seifenlauge vornehmen lassen wahrgenommen werden. Es gibt kein objektives Kri- und lag nun, medizinisch unrettbar, im Sterben. Der terium für die Bedeutung der Leibesfrucht, es gibt Todeskampf zog sich über mehrere Tage hin. Wäh- kein objektives Kriterium für die Beurteilung der renddessen haben wir uns, soweit diese Frau noch bei individuellen Situation einer ungewollt schwangeren Bewußtsein war, über die gesamte Problematik unge- Frau. Hier naturwissenschaftliche Erkenntnisse her- schönt unterhalten. anziehen zu wollen, führt mit Notwendigkeit in die Sie war verzweifelt über ihre Situation, verbittert Irre. über die Umstände, die sie dazu gebracht haben, verbittert über die Gesetze, die bei uns bestehen. Sie Die Spannbreite der Definition ihrer eigenen Situa- war verbittert, daß sie weder finanzielle Mittel noch tion ist für die Schwangere sehr groß. Ich sage das hier Informationen für einen ärztlichen Eingriff hatte. Sie mit aller Deutlichkeit. Der Embryo kann für sie ein war jedoch nach wie vor der Meinung, und das bis Kind sein, Mensch von Anfang an, vom ersten Augen- kurz vor ihrer Bewußtlosigkeit, daß für sie kein blick an geliebt, weil erwünscht und sehnsüchtig anderer Ausweg aus ihrer Situation bestanden erwartet. Er kann — ich weiß, was ich sage — für sie hatte. aber auch ein parasitärer Zellhaufen sein, Ich habe sie den ganzen Weg beim Sterben beglei- tet, bis zum Tod. Das ist mir, nicht zuletzt deswegen, (Zuruf von der CDU/CSU: Unverschämt- weil es eine gleichaltrige Frau war — nur mit einem heit!) ganz anderen Schicksal, viel weniger informiert, viel weniger aufgeklärt —, sehr stark im Gedächtnis haf- der die Potenz hat, Lebenspläne zu zerstören, und der ten geblieben. Mir erschien damals und erscheint daher so schnell wie möglich entfernt werden soll. auch heute noch ihr Tod völlig sinnlos, ebenso das Solange die Symbiose zwischen Frau und Leibes- Zurückbleiben dreier Halbwaisen. Eine Wiederho- frucht andauert, muß die Frau ihre eigene Situation lung dieses Schicksals, das keineswegs ein Einzel- innerhalb dieser Spannbreite feststellen können. schicksal darstellte und das mir in meiner medizini- Diese Definitionsmacht endet — auch das sage ich mit schen Laufbahn immer wieder begegnet ist, möchte aller Deutlichkeit, um Mißverständnissen vorzubeu- ich für die Zukunft auf jeden Fall vermeiden. gen — mit der Auflösung der Symbiose per Geburt (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei und der Existenz eines weiteren Menschen. Abgeordneten der PDS/Linke Liste) Meine Damen und Herren, wer nicht begreift, daß Meine Damen und Herren, seien wir einmal ganz es diese Spannbreite gibt, wird in der Diskussion um ehrlich miteinander. Die Vergangenheit bei uns und die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs den auch in anderen Ländern hat gezeigt, daß keine noch so hohe Strafandrohung eine Frau daran hindern wird, ungewollt schwangeren Frauen nicht gerecht werden die sich in einer außerordentlich schwierigen Lebens- können. Schwangerschaftsabbruch muß auch in die- situation befindet, in einer schweren Konfliktsitua- sem Land endlich etwas Normales — nicht Alltägli- tion, in ihrer Not auch unter den erbärmlichsten ches — werden. Alltägliches waren Schwanger- Umständen abtreiben zu lassen und dabei im Zweifel schaftsabbrüche zu keiner Zeit und für keine Frau. Sie sogar den Tod in Kauf zu nehmen. Dies be trifft müssen normal in dem Sinne werden, daß Frauen die insbesondere weniger informierte, weniger aufge- Entscheidungen zum Schwangerschaftsabbruch klärte, mit weniger finanziellen Mitteln ausgestattete ohne Gewissensbisse und ohne Schuldgefühle in Frauen. Wir haben in der Vergangenheit hier eine einem gesellschaftlichen Klima der Akzeptanz dieser Zweiklassengesellschaft gehabt. ihrer Entscheidung treffen können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bis dahin ist in der Bundesrepublik Deutschland Dazugekommen ist eine Ost-West-Unterscheidung, offensichtlich noch ein sehr weiter Weg. Aber Frauen die einfach unerträglich ist. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8301

Dr. Cornelia von Teichman Ich meine, es darf keine Frau, ob arm, ob reich, ob recht, oder wird sie unter Androhung von Strafe zum gebildet, ob ungebildet, ob West, ob Ost, in die Austragen der Schwangerschaft gezwungen? Illegalität getrieben werden. Meine Damen und Herren, ich bin zutiefst davon (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der überzeugt, daß es ein Irrtum ist, zu glauben, das PDS/Linke Liste) Strafrecht könne Menschen zu einem Verhalten zwin- Damit, meine Damen und Herren, retten Sie auch gen, das sie selber nicht ertragen können. kein Kind, sondern verhindern nur die Beratungsof- Wissen wir nicht längst, daß eine Frau, die sich einer fenheit der Frauen und verhindern Beratungsmög- Schwangerschaft und Mutterschaft nicht gewachsen lichkeiten und nehmen nur Elend und Tod der fühlt, auch von einer Strafandrohung nicht abgehalten Schwangeren in Kauf. wird, einen Weg aus ihrem existentiellen Konflikt zu Wer heute eine Verschärfung des Strafrechts for- suchen? dert, um Abtreibung zu verhindern, verschließt seine Und wissen wir nicht längst, daß dieses Strafrecht Augen vor der Realität, nur Illegalität und Heimlichtuereien fördert und (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der angstbesetzte und überhastete Entscheidungen gera- PDS/Linke Liste) dezu provoziert? Meine Vorrednerin hat das sehr der verengt die Problematik in unverantwortlicher zutreffend ausgeführt. Weise. Ich vertrete daher die Überzeugung, daß jeder Wenn wir eine Minderung der Abtreibungsrate Versuch, die Fortsetzung einer Schwangerschaft wirklich erreichen wollen, müssen wir den Gruppen- gegen den Willen der Frau und ohne Verständnis für antrag in seiner Gesamtheit unterstützen. Denn wie ihre Not zu erzwingen, zum Scheitern verurteilt sein kann man denn Abtreibung verhindern? Doch nur mit muß. - mehr Aufklärung, mit mehr Verhütung, mit eingehen- der Beratung, mit einer mutter- und kinderfreundli- Und wer glaubt, durch eine Prämie Frauen zum chen und familiengerechten Umwelt. Austragen bewegen zu können, handelt wenig bedacht. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD) (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ Auch davon — da sollten wir ganz ehrlich sein — sind CSU: Ja, ja, ja!) wir weit entfernt. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe Für ein Linsengericht von 1 000 DM kann und darf zwei schulpflichtige Kinder und habe aus eigenem einer Frau ihre Gewissensentscheidung niemals Erleben meine Erfahrung. abgekauft werden. Die Entscheidung für ein Kind Um Abtreibung zu verhindern, brauchen wir unsere erfordert mehr als ein Handgeld. gesamten Kräfte, müssen wir wirklich unsere Maß- (Widerspruch bei der CDU/CSU — Zuruf von nahmen bündeln und so handeln, wie es im Gruppen- der CDU/CSU: 011e Kamellen!) antrag dargestellt ist. Denn wieviel Verzicht, wieviel Abstriche, wieviel Ich möchte es noch einmal betonen, weil mir das aus grundlegende Änderungen ihrer Lebensführung wer- meiner persönlichen und auch aus meiner ärztlichen den heute noch Frauen abverlangt! In der Regel sind Tätigkeit und aus meiner Erfahrung heraus so wichtig es Frauen, die zurückstecken, verzichten, ihr gesam- ist: Mit einer Verschärfung des Strafrechts, mit einer tes Leben umstellen, wenn ein Kind ankommt. Es sind Kriminalisierung der Frau verhindern Sie keinen viel mehr Frauen als Männer, die wegen eines Kindes einzigen Schwangerschaftsabbruch. Lassen Sie mich auf Ausbildung, Beruf, Einkommen und weiterge- das wirklich betonen. Das hat die Vergangenheit hende Lebenspläne verzichten. gezeigt. Sie verhindern statt dessen nur die Bera- tungsbereitschaft der Frau, treiben sie in die Illegalität Männer hingegen neigen eher dazu, gerade wegen mit all den bekannten, entsetzlichen Folgen. eines Kindes, wegen einer Familie im Beruf Fort- Ich bitte Sie, stimmen Sie dem Gruppenantrag zu. schritte machen zu wollen, statt Verzicht zu üben. Auch diese traditionelle Rollenteilung muß sich ein- (Beifall bei der F.D.P., der SPD sowie bei mal ändern. Abgeordneten der PDS/Linke Liste) (Uta Würfel [F.D.P.]: Ja!) Und lassen sich durch eine Strafandrohung Liebe, Vizepräsidentin Renate Schmidt: Das Wort hat nun Fürsorge und Zuwendung herbeiführen? Durch eine die Kollegin Marliese Dobberthien. Gebärpflicht läßt sich keine Liebe erzwingen. Ich meine aber, jedes Kind hat, weil es eine Bereicherung Dr. Marliese Dobberthien (SPD): Frau Präsidentin! ist und weil einfach so viel Schönes damit verbunden Meine Damen und Herren! Wir haben heute eine ist, das Recht, erwünscht und willkommen zu sein. Entscheidung zu treffen, welche die Grundlagen (Beifall bei der SPD) unserer Ethik genauso berührt wie unser Frauenbild. Wir befinden darüber, in welchem Maße wir der Frau Jedes Kind soll geliebt und umsorgt werden. Wer zutrauen, verantwortungsbewußt für das in ihr wach- den Schwangerschaftsabbruch vermeiden will, muß sende Leben zu entscheiden. Darf sie in einem Müttern und Familien helfen, statt Strafe anzudrohen. Schwangerschaftskonflikt selber die letzte Entschei- Wer — wie die Reformgegner — so stark auf Zwang, dung treffen? Oder werden fremde Menschen Bevormundung und Strafrecht setzt, muß sich den ermächtigt, über die Fortsetzung ihrer Schwanger- Vorwurf gefallen lassen, durch die Wahl untauglicher schaft zu bestimmen? Achten wir ihr Persönlichkeits Mittel die Abtreibung gar zu begünstigen. Wenn die 8302 Deutscher Bundestag —— 12. Wahlperiode 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Marliese Dobberthien konservativen Gesetzentwürfe die Sexualaufklärung CDU/CSU entscheide. Es drängt mich dazu auch und Verhütungsmittel verweigern, nehmen sie die deswegen, weil das „C" in den letzten Tagen und Entstehung ungewollter Schwangerschaften und da- Wochen in der öffentlichen Diskussion eine große mit in der Konsequenz auch Schwangerschaftsabbrü- Rolle gespielt hat und weil ich deutlich machen che in Kauf. Das kann nicht verfassungskonform möchte, daß wir uns als Abgeordnete die Entschei- sein. dung nicht leicht gemacht haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Als ich in die Kommission der CDU/CSU zum Schutz PDS/Linke Liste) des ungeborenen Lebens berufen wurde, um einen Ms Lebensschutz ungeeignet sind auch apodikti- Gesetzentwurf mit zu erarbeiten, hatte ich das Ziel, sche Bekenntnisse. Sie sind zwar für den Bekenner eine möglichst strenge Lösung zum Schutz des wer- moralisch bequem und oft so schön selbstgerecht, aber denden Lebens zu finden. In der Folgezeit habe ich folgenlos. Den besten Lebensschutz kann nur die Frau viele persönliche Gespräche geführt: mit Beraterin- selber gewähren und nicht die meist männlichen nen, mit betroffenen Frauen, mit Geistlichen. Mir selbsternannten „Lebensschützer". Wer heute noch wurde immer mehr klar, daß einerseits mit dem glaubt, durch Kriminalisierung der Frau Schwanger- Strafrecht ein deutliches Signal gesetzt werden muß, schaftsabbrüche verhindern zu können, wer Frauen welches besagt: Abtreibung ist Tötung. weiterhin bevormundet, demütigt und entmündigt, wer Frauen die eigenverantwortliche Entscheidungs- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) fähigkeit pauschal abspricht, fällt rechtspolitisch ins Andererseits müssen wir auch echte Nöte und Kon- 19. Jahrhundert und frauenpolitisch ins Mittelalter fliktlagen von Frauen sehen. zurück. Der vorliegende Indikationenentwurf der CDU/ (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CSU trägt dem Rechnung. Unter Abwägung aller PDS/Linke Liste) Gesichtspunkte, die für oder gegen den Mehrheitsent- Ich möchte noch einmal klarstellen: Bei der Neure- wurf der Fraktion der CDU/CSU sprechen, bin ich der gelung im Gruppenantrag geht es nicht um eine Meinung, daß es richtig ist, wenn ich diesem Entwurf Gutheißung oder gar Förderung von Schwanger- heute meine Stimme gebe. schaftsabbrüchen. Niemand, aber auch wirklich nie- mand, wünscht sich viele Schwangerschaftsabbrüche, Auf jedem von uns lastet die Verantwortung. Das am wenigsten die betroffene Frau. Darum besteht der Thema Abtreibung kann man nicht einfach wegstek- Fortschritt auch nicht in der Zunahme von Schwan- ken wie ein anderes Thema, wenn man nach Hause gerschaftsabbrüchen, sondern ausschließlich in deren geht. Es beschäftigt mich wie auch viele meiner Vermeidung. Das Beispiel der Niederlande lehrt uns, Kolleginnen und Kollegen, die sich intensiv damit daß durch Verhütung und Aufklärung, durch soziale befaßt haben, in jeder freien Minute. Ich habe mich Hilfen und Verständnis für die Frauen die niedrigsten immer wieder gefragt: Ist meine Entscheidung rich- Abbruchraten Europas erreicht wurden. Wollen wir tig? nicht einen solchen Weg auch selber beschreiten?! Mein Ziel ist es, die Fristenregelung zu verhindern. Die Anerkennung eines grundsätzlichen Selbstbe- Deswegen stimme ich für den Mehrheitsentwurf der stimmungsrechts der Frau, wie im Gruppenantrag CDU/CSU, der zwar nicht in allem meinen Vorstellun- vorgesehen, möge heute, nach 121jähriger leidvoller gen entspricht, jedoch meiner Gesamtverantwortung Geschichte des § 218, eine parlamentarische Mehr- Rechnung trägt. Ich bitte auch die Anhänger der heit finden. sogenannten Werner-Gruppe, dies bei der heutigen (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Abstimmung zu berücksichtigen. Liste) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich hoffe, daß wir eines Tages auch noch die vollstän- dige Entkriminalisierung der Frau als den besten Mit meiner Stimme für den Indikationenentwurf Lebensschutz erreichen. entscheide ich mich klar gegen die Fristenlösung. Nach meiner Überzeugung kann das werdende Leben (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke nicht für eine bestimmte Frist schutzlos preisgegeben Liste) werden. Dem besseren Schutz des Lebens dient unser Gesetzentwurf mit einem ganzen Bündel von sozialen Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat die Kolle- Hilfen und durch die Verbesserung der Beratung. gin Maria Eichhorn das Wort. Aber auch das Strafrecht ist ein wichtiger Ansatz- punkt. Maria Eichhorn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Der Gruppenantrag gibt das werdende Leben wäh- Meine Damen und Herren! Nach monatelangem Rin- rend der ersten zwölf Wochen preis. Die darin vorge- gen stehen wir heute vor der Entscheidung zum § 218. sehenen sozialen Hilfen bleiben weit hinter denen des Seit Anfang letzten Jahres befasse ich mich sehr CDU/CSU-Entwurfes zurück. Die im Gruppenantrag intensiv mit diesem Thema. Mir geht es so wie vielen festgeschriebene Beratung verbessert auch nicht den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande, die end- Lebensschutz. Die Feststellung, die Beratung diene lich eine Entscheidung wollen. Es ist zu diesem Thema durch Rat und Hilfe dem Lebensschutz, hat eine reine alles gesagt; die Anhänger jeder Gruppe haben ihre Alibifunktion, da diese Beratung nur der Information Meinung dargelegt. Dennoch drängt es mich, noch zu dienen hat. Eine Frau braucht sich also nur anzu- einmal deutlich zu machen, warum ich mich als hören, was ihr während der Beratung dargelegt wird überzeugte Katholikin für den Mehrheitsentwurf der — nicht mehr. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8303

Maria Eichhorn Die Begründung zu diesem Gesetzentwurf verlangt lung zu schaffen, die besser ist als das, was bisher in eine Beratung von hoher Qualität. Der Deutsche beiden Teilen Deutschlands praktiziert wurde. Die Caritasverband und der Sozialdienst katholischer bessere Lösung, die laut Einigungsvertrag von uns Frauen haben übereinstimmend festgestellt, daß zu Politikern gefunden werden muß, kann nur eine einer derartigen Beratung das Eingehen auf die solche sein, die auf einen breiten gesellschaftlichen gesamte psychische und soziale Situation der Konsens gestützt ist und der geänderten Stellung der Schwangeren gehört — ich zitiere —, „damit ihr eine Frau in der Gesellschaft am Ende des 20. Jahrhun- überlegte und verantwortliche Entscheidung ermög- derts Rechnung trägt. licht werden kann". Konsens läßt sich nicht mit den Mitteln des Straf- Nach dem vorliegenden Entwurf von SPD, F.D.P. rechts erzwingen. Das wäre nichts anderes als eine u. a. bleibt jedoch die Beratung auf Information und Bankrotterklärung an die Politik. Luther sagte einmal, Darlegung von Rechtsansprüchen beschränkt. Des- man soll „dem Volke aufs Maul" schauen. Ich frage wegen wird diese Beratung zur Farce. Eine qualitativ mich manchmal: Tun das Politiker gelegentlich? Wür- hochwertige Beratung kann Hilfestellung geben. Vor- den sie das tun, dann hätten sie mehr Einblick in den aussetzung dafür ist aber, daß die Probleme, Nöte und Lebensweg und die Lebenssituation von Frauen mit Konflikte, die die Schwangere an einen Abbruch Kindern. denken lassen, zur Sprache kommen. trafrecht keinen (Vorsitz: Präsidentin Dr. Rita Süssmuth) Für mich als Ärztin kann das S Beitrag dazu leisten, Schwangerschaftsabbrüche zu Caritasverband und Sozialdienst katholischer vermeiden. Frauen haben daher erklärt, „daß die im Gesetzent- wurf des Gruppenantrags vorgesehenen Bestimmun- (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und gen für die Beratung untauglich sind, um eine wirk- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) same und qualitativ hochstehende Beratung zu Dies beweisen auch ärztliche Erfahrungen. gewährleisten. Sie werden diese im Gegenteil verhin- dern. " Wichtig ist es, die gesellschaftlichen Rahmenbedin- Diese Aussage von Fachleuten sollten alle beden- gungen so zu ändern, daß es trotz einer ungewollten ken, die sich für den Gruppenantrag entscheiden, weil Schwangerschaft möglich ist, sich für ein Kind zu sie glauben, den Frauen damit etwas Gutes zu tun. entscheiden. Dies wäre meine Idealvorstellung. Dazu Alle hier im Saal, die sich Christen nennen und dem benötigen wir genügend Krippen- und genügend Gruppenantrag zustimmen wollen, bitte ich, noch- Kindergartenplätze sowie genügend Arbeits- und mals zu überdenken, ob sie ihre Entscheidung mit Teilzeitarbeitsplätze für Familien mit Kindern. Wir dem Gewissen vereinbaren können. benötigen aber auch Ausbildungsplätze und reelle Meine Damen und Herren, heute wurde das Land Berufschancen für unsere Jugendlichen sowie ausrei- Bayern mehrmals kritisiert. Doch denke ich, auch die chend Wohnraum, — kurz: eine frauen- und kinder- Kritiker müssen anerkennen, daß wir eines der weni- freundliche Gesellschaft. gen Bundesländer sind, die seit langem — Die Entscheidung für ein Kind setzt eine Verantwor- tungsbereitschaft und -fähigkeit für die nächsten Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Kollegin, kom- 20 Jahre voraus. men Sie bitte zum Schluß. Ihre Redezeit ist abgelau- fen. Der gigantische sozialpolitische Feldversuch „Deutsche Einheit" legt nun auch die ersten Ergeb- nisse der Sexualmedizin vor. Maria Eichhorn (CDU/CSU): — sofort, einen Satz noch — das Landeserziehungsgeld eingeführt haben. Der gesellschaftliche Umbruch und die damit ver- Außerdem liegt Baye rn, was die Versorgung mit bundene soziale Unsicherheit haben die Geburten- Kindergartenplätzen be trifft, im Bundesgebiet an der zahlen und das Familienplanungsverhalten drastisch Spitze. geändert. In den ersten sieben Monaten des Jahres (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 1991 wurden insgesamt die Hälfte der Kinder, nämlich Unsere Aufgabe als Politiker ist es nicht, ein Gesetz 42 547 Kinder weniger geboren als 1990. Ende 1992 zu schaffen, das das menschliche Leben von bestimm- wird es nicht einmal die Hälfte der Neugeborenen von ten Fristen abhängig macht; unsere Aufgabe ist es, 1991 sein. Politik so zu gestalten, daß Kinder gern gesehen und Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in der als Glück empfunden werden. Gruppe der 18- bis 24jährigen stieg nach Ahrendt in (Beifall bei der CDU/CSU) Magdeburg auf 28,1 %. Die Zahl der Sterilisationen betrug in einer Klinik früher 10 bis 15 pro Jahr. Jetzt Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste Redne- haben wir die gleichen Zahlen innerhalb einer rin spricht Dr. Helga Otto. Woche. Die Zahl der Eheschließungen ging ebenfalls Dr. Helga Otto (SPD): Frau Präsidentin! Meine zurück und lag Mitte 1991 deutlich unter den Werten Damen und Herren! Ausgangspunkt für eine Neure- der alten Bundesländer. gelung der Probleme im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch ist der Art. 31 Abs. 4 Satz 1 Diese Ergebnisse verdeutlichen, daß bei der noch des Einigungsvertrages. Nach dieser Regelung ist es möglichen Eigenverantwortung der Frau die äußeren Aufgabe, Auftrag und Pflicht des gesamtdeutschen Lebensumstände prägend sind. Sie zeigen aber auch, Gesetzgebers, bis zum Ende dieses Jahres eine Rege-daß die Realisierung der Kinderwünsche primär mit 8304 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Helga Otto der beruflichen Situation und der Arbeitslosigkeit in geben, wenn wir nicht eine Gesellschaft darstellen Zusammenhang stehen. wollen, in der das Leben unschuldiger Menschen Die Frau in der alten DDR hatte sich eine hohe keinen Stellenwert mehr hat. gesellschaftliche Stellung erworben. Sie hat nahezu Meine sehr verehrten Damen und Herren, da wird alle Berufe mit hoher Verantwortung ausgeführt. Wir behauptet, das Strafrecht sei das ungeeignete Mittel. können ihr doch nicht plötzlich die Fähigkeit abspre- Frau Süssmuth sagt, man könne der Frau die Verant- chen, verantwortlich zu handeln. wortung nicht abnehmen. Das ist richtig; aber es kann Deswegen fordere ich Sie auf: Versuchen Sie, über doch nur eine Verantwortung zum Leben hin sein, es Ihren Schatten zu springen, und geben Sie den Frauen kann doch niemals eine Verantwortung zur Tötung eine Chance, auch über eine ungewollte Schwanger- hin sein. Was ist aber, wenn getötet wird? schaft eigenverantwortlich zu entscheiden. (Beifall bei der CDU/CSU) Nur zu gut habe ich als Ärztin die traurige Wirklich- keit der Seifenaborte und der instrumentiellen Ein- Man kann, so heißt es, die Entscheidung der Frau griffe in den schwangeren Uterus in Erinnerung, bei nicht abnehmen. Richtig! Aber was ist, wenn diese der junge Mädchen und Mütter aus Angst vor der Entscheidung falsch ist? Muß, kann und darf sich der Strafe — das bitte ich Sie zu beachten — in den Tod Arzt zum Helfershelfer einer solchen falschen Ent- getrieben wurden. scheidung machen, die unwiederbringlich zur Tötung Ebenso lehne ich es als Ärztin ab, in diesem zutiefst eines Menschen führt? menschlichen und persönlichen Konflikt den Richter Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich zu spielen. glaube nicht, daß wir ohne strafrechtliche Hilfe aus- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ kommen. Das Strafrecht ist eine Hilfe, es ist ein Schutz DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der für das noch nicht geborene Kind. Deswegen haben PDS/Linke Liste) wir es im Gesetz, und deswegen gibt es bei uns überhaupt das Strafrecht. Wir haben das Strafrecht doch nicht, damit der Staat strafen kann — das wäre Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht eine überholte Vorstellung —, sondern damit er Straf- unser Kollege Norbert Geis. taten verhindert. Glauben Sie denn nicht, daß auf die Einstellung Norbert Geis (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsi- einer Frau, die in einer so ungewissen Situation ist, dentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! gerade der Appell des Strafrechts eine ganz aus- Sehr verehrte Frau Kollegin Dr. von Teichman, Sie schlaggebende Bedeutung haben kann? Warum glau- haben vorhin in eindrucksvoller Weise einen Konflikt ben Sie denn darauf verzichten zu können? geschildert, der zur Abtreibung geführt hat. Erlauben Sie mir die Frage: Glauben Sie wirklich, daß, wie Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die schwer ein Konflikt auch immer sein mag, er durch die Sie den Gruppenantrag eingebracht haben, Sie ver- Tötung eines anderen Menschen gelöst werden kann zichten ja gar nicht auf das Strafrecht. Sie tun ja nur so. und gelöst werden darf? Nach drei Monaten sind Sie der Meinung, wie wir, daß das Strafrecht nicht ausbleiben kann. Und Sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) beschränken sich nicht einmal auf drei Monate. Sogar Haben Sie, meine sehr verehrte Frau Teichman, je in den ersten drei Monaten setzen Sie das Strafrecht bedacht, daß bei der Abtreibung — das wissen Sie als ein und strafen Ihre eigenen Behauptungen Lügen; Ärztin doch — nicht ein Zellklumpen beseitigt, son- denn Sie bestrafen die Abtreibung, die ohne Beratung dern ein Mensch getötet wird? Bei jeder Abtreibung vorgenommen wird. Das muß man sich einmal vorstel- wird der untaugliche Versuch unternommen, einen len: Die Unterlassung der Beratung und nicht die Konflikt durch die Tötung eines anderen Menschen zu Tötung wird strafbar gestellt. Was ist das für eine lösen. Logik? Was wären wir für eine Gesellschaft, wenn wir (Beifall bei der CDU/CSU) wirklich davon ausgehen müßten, daß wir einen In welche Irrungen und Wirrungen gehen wir da solchen Konflikt nur durch die Tötung eines unschul- hinein? digen Menschen lösen könnten! Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine (Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE Zeit ist abgelaufen GRÜNEN]: Was ist denn der § 218a?) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wer- (Beifall bei der SPD) den bei uns im Land jährlich über 300 000 unschuldige — hier —, aber ich bin sicher, daß diese Debatte, wenn Menschen getötet. Sie werden getötet, obwohl große sich der Antrag, den Sie gestellt haben, durchsetzen soziale Hilfen bereitstehen. sollte, noch längst nicht zu Ende ist. Denken Sie daran, (Zuruf von der SPD: Wo denn?) daß hinter der Fristenregelung im Grunde genommen Ich will die sozialen Hilfen, die gerade diese Koalition ein furchtbarer Zynismus steht, mit dem wir uns auch in den vergangenen Jahren durchgesetzt hat, nicht in Zukunft nie werden einverstanden erklären kön- geringachten. Obwohl wir seit 17 Jahren die Pflicht- nen! beratung haben, die ich nicht geringschätzen will, im Danke schön. Gegenteil, werden bei uns jährlich 300 000 Kinder getötet. Das muß uns doch zum Nachdenken Anlaß (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8305

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht lehnt, ist weltfremd und muß sich den Vorwurf gefal- Birgit Homburger. len lassen, Konfliktverhinderung zu hintertreiben. - (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Birgit Homburger (F.D.P.): Frau Präsidentin! Liebe GRÜNEN) Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben in den letzten Wochen eine Unmenge von Briefen besorgter Es stellt sich für mich als Katholikin die Frage, wer sich Bürgerinnen und Bürger erhalten, die sich gegen eigentlich um die Frauen kümmert, die von katholi- Abtreibung aussprechen. Viele dieser Briefe waren schen Priestern schwanger sind. von der wirklichen Sorge ge tragen, das ungeborene (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Leben zu schützen. Ich möchte diesen Bürgerinnen ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE und Bürgern sagen, daß wir alle uns vom Gedanken GRÜNEN — Zuruf des Abg. Claus Jäger des Lebensschutzes leiten lassen. [CDU/CSU]) Es gab aber auch eine Reihe von Briefen und — Warum schreien Sie denn so, Herr Kollege? Sind Sie Äußerungen in der Presse, die, von Intoleranz getra- betroffen? gen, allen Befürwortern einer Fristenregelung unter- stellen, sie seien gegen das werdende Leben und (Heiterkeit bei der F.D.P. und der SPD) gleichzeitig mitverantwortlich und des Mordes mit- Noch heute morgen erreichte mich ein sogenannter schuldig, wenn sie der Fristenregelung zustimmen. persönlicher Brief ohne Absender, der den Frauen Vor allem Äußerungen von Kardinal Meisner, es vorwirft, sie wollten Abtreibungen nur deshalb, weil dürfe sich zukünftig nur noch derjenige christlich sie den Wunsch nach Bequemlichkeit, Sorglosigkeit nennen, der einer Verschärfung des § 218 zustimme, und sogenanntem Lebensglück haben. Hinter diesen empfinde ich als Brüskierung all derjenigen Christen, Vorwürfen steht das Frauenbild der unverantwortli- die sich in derselben tiefen Sorge um den Schutz chen „Schlampe", die vom Mann zivilisiert werden werdenden Lebens für einen anderen Weg entschie- muß. den haben, (Zurufe von der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem Es wird verkannt, daß auch Frauen intelligente Wesen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mit Werthaltung und Moral sind, die selbst fähig sind, für den Weg der Fristenregelung mit obligatorischer nachzudenken und Entscheidungen zu treffen. Beratung bei gleichzeitiger sozialer Flankierung (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne durch eine Vielzahl von Maßnahmen. ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Ich glaube in der Tat, daß dieser Weg des Helfens GRÜNEN) statt des Verurteilens und Strafens Frauen in Not das Ja zum Kind erleichtert und der effektivere Lebens- Auch die Ankündigung der katholischen Kirche, sich für den Fall, daß die Fristenregelung verabschie- schutz ist. det wird, aus der §-218-Beratung zurückzuziehen, ist Weder hat der bisherige § 218 Abtreibungen ver- ein unzulässiger, wenngleich lächerlich anmutender hindert, noch wird dessen strafrechtliche Verschär- Versuch, Abgeordnete zu erpressen. fung dieses erreichen. Im Gegenteil, die Verschärfung führt zu Abtreibungstourismus, schönt die Statistiken (Beifall bei der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/ im eigenen Land und ist ein Feigenblatt für das DIE GRÜNEN — Dr. Wolfgang Freiherr von Gewissen derjenigen, die noch immer glauben, daß Stetten [CDU/CSU]: Sie glauben doch solche Bestrafung der Frau die Probleme löst. Märchen nicht!) (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlin-Er bestätigt mich lediglich in der Auffassung, daß wir gen] [F.D.P.] sowie bei Abgeordneten der dringend neu über die Privilegien der Kirche nach- SPD) denken müssen. Wir brauchen kein frauenfeindliches Strafrecht, liebe (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine kinder- ten der SPD, der PDS/Linke Liste und des freundliche Gesellschaft. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Ger- Abschließend möchte ich denjenigen Kolleginnen lingen] [F.D.P.] sowie bei Abgeordneten der und Kollegen in der CDU/CSU, die in den vergange- SPD) nen Wochen großem Druck ausgesetzt waren Besonders wichtig scheint mir vor allem die Präven- (Zuruf von der CDU/CSU: Wer denn?) tion zu sein. Deshalb hätte ich mir eine weitergehende Regelung bei der kostenlosen Abgabe von Verhü- sagen, daß sie meine Hochachtung dafür haben, daß tungsmitteln gewünscht. Auch die Beschränkung der sie diesem Druck bisher standgehalten haben. Ich kostenlosen Abgabe von Verhütungsmitteln auf Pille wünsche ihnen, daß sie ihn bis heute abend durchste- und Spirale schiebt erneut die alleinige Verantwor- hen werden. tung auf die Frau. Denjenigen, die noch schwanken, möchte ich versi- Aufklärung und Schwangerschaftsverhütung sind chern: Keinem von uns fällt die Entscheidung heute für mich die wirksamsten Methoden, Abtreibungen zu leicht. Aber auch die, die für den Gruppenantrag verhindern. Wer aber, wie die katholische Amtskir- stimmen, treffen eine christliche Entscheidung. Denn che, auch moderne Schwangerschaftsverhütung ab-es geht nicht um die Frage „Schutz des ungeborenen 8306 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Birgit Homburger Lebens oder Nichtschutz", sondern lediglich um die wir uns hier mit Bezug auf Herrn Theissen gegenseitig Frage, welcher Weg den wirksamsten Schutz bietet. anschreien. - (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) CSU]: Aber die Dame muß sich auch mäßi gen! Wir leben in einem Rechtsstaat!) Wer mit mir der Auffassung ist, daß der Gruppen- antrag der wirksamste und realistischste Weg ist, der darf sich nicht aus falsch verstandener Solidarität bei der Abstimmung über den CDU/CSU-Mehrheitsan- Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Völlig unnötig trag der Stimme enthalten, sondern muß konsequen- und in einer unglaublichen Art wurde das Intimleben terweise mit Nein stimmen. Es geht nicht um Frak- der Frauen und der Männer von Staatsanwalt und tionssolidarität, sondern um eine Gewissensentschei- Richtern an den Pranger gestellt, deren inquisitori- dung. sches Vorgehen, deren fehlende Menschlichkeit, aber (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem auch deren persönliche Doppelmoral — wenn ich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mich in diesem Zusammenhang an einen Richter erinnere — peinlich sichtbar machten, wie sehr der Daher bitte ich Sie herzlich um Ihr entschiedenes Nein erste Artikel unserer Verfassung zum Mehrheitsantrag der CDU/CSU-Fraktion und um Ihr Ja zum Gruppenantrag. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem staatlichen Gewalt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) für die Richter zu einer unbedeutenden Floskel ver- kommen war. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht Ich hätte mir gewünscht, daß all diejenigen, die, wie Sigrid Skarpelis-Sperk. auch Frau Berghofer-Weichner, diesen Prozeß und sein Ergebnis gerechtfertigt haben, wenigstens mit einem Wort auf die Durchführung des Prozesses und Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Frau Präsidentin! auf die Art und Weise eingegangen wären, mit der Meine Damen und Herren! Vor mehr als drei Jahren, diese Frauen vor Gericht gezerrt, diskriminierend Anfang Mai 1989, ging in Memmingen ein Prozeß zu behandelt und — das will ich Ihnen auch offen Ende, sagen — zum Teil mit einer offenen Frauenverach- (Zuruf von der CDU/CSU: Gegen einen Steu- tung angegangen worden sind, worüber die Presse erhinterzieher!) berichtet hat. dessen Ablauf Millionen Frauen empörte und dessen Ich habe sehr bedauert, daß Frau Kollegin Bergho- barbarische Härte die Öffentlichkeit schockte. Im fer-Weichner, die die Justiz in Bayern beaufsichtigt, Namen des Volkes setzte die bayerische Justiz nicht imstande war, auch nur mit einem Wort zu der (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ Verhandlungsführung von Staatsanwälten und Rich- CSU]: Unabhängige Richter!) tern Stellung zu nehmen, bei der u. a. Worte wie bewußt und vorsätzlich ein politisches Signal. Einma- ,,orientalisch-weitschweifiges Geschwätz" zu den lig in der Justizgeschichte der Bundesrepublik Antworten einer ausländischen Arbeitnehmerin fie- Deutschland len, die versucht hatte, ihre Situation zu rechtfertigen, (Zuruf von der CDU/CSU: Unabhängige oder bei der auf ein Gelärme hin gefragt wurde, ob im Richter haben entschieden!) Saale Radio oder Kinder vorhanden seien, die den Raum gefälligst verlassen sollten. sollten in einem Schauprozeß Frauen eingeschüchtert und Ärzte abgeschreckt werden. Zum ersten: Was in diesem Prozeß gelaufen ist, was hier an die Öffentlichkeit gezerrt wurde, hat Millionen (Zustimmung bei der SPD — Dr. Wolfgang von Frauen und Männern in diesem Land entsetzt und Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Unerhört! ein Signal und ein Fanal dafür gegeben, daß sich die — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie Vorfälle von Memmingen nicht mehr wiederholen wissen, daß das nicht wahr ist!) dürfen. Einmalig und ein Schandfleck in der Justizgeschichte dieses Landes (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Claus Jäger [CDU/CSU]: Was Sie sagen, ist F.D.P.) ein Schandfleck für das Parlament! — Weite- rer Zuruf von der CDU/CSU: Das entspricht Zum zweiten. Es ist uns allen, durch diesen Prozeß nicht der Wahrheit!) aufgerüttelt, klarer geworden, daß das, was Wissen- schaft, Praxis und auch die Gesetzgeber der meisten waren auch die Vorerhebungen und erst recht die Länder der Welt für aussichtslos erklärten, nämlich Durchführung dieses Prozesses, in dem mehr als mit den Mitteln des Strafrechts etwas zu erzwingen, 200 Frauen vor Gericht gezerrt wurden. was nur freiwillig und in eigener Verantwortung mit (Claus Jäger [CDU/CSU]: Durch Schuld des der Würde der Frau vereinbar ist, nicht geht. Herr Herrn Theissen!) Kollege Geis und Herr Werner, die lebenslange Ver- antwortung für das Kind kann nur freiwillig angenom- men werden! Nicht nur die Memminger Richter hatten Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich glaube nicht, daß vergessen, daß sich vieles durch staatlichen Druck es etwas zu unserer Parlamentsdebatte beiträgt, wenn erzwingen läßt, nicht aber Liebe und Zuneigung Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8307

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk sowie die Bereitschaft zur Verantwortung für ein werden. Das ist mein Verständnis von Verantwor- Kind. tung. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das recht- (Beifall bei der PDS/Linke Liste, der SPD und fertigt nicht Mord!) dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Gruppenentwurf, den ich selbst mit eingebracht Ich halte Angstmachen für zutiefst unchristlich. habe, wird diesem Anspruch nicht voll gerecht. Auch (Beifall bei der PDS/Linke Liste, der SPD und dieser Entwurf verzichtet nicht auf eine Strafandro- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Uta hung gegen die betroffenen Frauen. Er bietet auch Würfel [F.D.P.]: Ja!) nicht jene sehr weitgehenden Hilfen an, die wir alle Ich fand mich da in sehr, sehr guter Gesellschaft mit uns gewünscht hätten. Aber unter den im Parlament vielen Teilnehmern. Wir alle haben uns über und in der Gesellschaft heute gegebenen Umständen Drewer- gefreut, der klar und differenziert Aussagen ist das hoffentlich jener Kompromiß, den man — bei mann machte, die die Herzen und Köpfe der Menschen aller Verbesserungsfähigkeit — mit gutem Gewissen erreichten. Nur so kommen wir weiter. Drewermann vertreten kann. ist nicht allein; Dorothee Sölle und viele andere haben Wir sind es Millionen von Frauen in unserem Land sich geäußert. Wir sind also nicht allein, sondern es schuldig, heute ein politisches und rechtliches Signal gibt viele, die darauf warten, daß von uns positive für eine Lösung zu geben, die die Würde der Frau Impulse ausgehen. achtet und eine Wiederholung der Memminger Pro- Es gab eine Podiumsdiskussion. Eine ältere Teil- zesse an anderen Orten verhindert. nehmerin eröffnete ihren Beitrag mit einem Bild, das (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ins Jahr 2000 und darüber hinaus blickte. Aus diesem DIE GRÜNEN) Blickwinkel — über das Jahr 2000 hinaus — hatte sie eingeschätzt: Dann werden Autos Dinosaurier aus der Vergangenheit sein — und der § 218 ebenso. So ist es schon heute: Der § 218 ist ein Fossil, mit dem wir Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht fertigwerden müssen. die Abgeordnete Frau Philipp. Für die Frauen in den neuen Bundesländern ist die Situation besonders schlimm; denn sie sind mit einer Arbeitslosigkeit konfrontiert, die sie nicht kannten. Wenn jetzt noch diese Belastung hinzukommt, wird Ingeborg Philipp (PDS/Linke Liste): Frau Präsiden- das einfach zuviel. Das wird langsam eine gefährliche tin! Meine Damen und Herren! Ich möchte aus der soziale Situation. Sicht einer linken Christin zur anstehenden Problema- Wir müssen versuchen, daß wir damit konstruktiv tik etwas sagen. fertigwerden. Ich selbst habe heute die Diskussion Vor wenigen Tagen war ich in Karlsruhe auf dem sehr aufmerksam verfolgt und habe mich über viele Katholikentag, und zwar bei der Kirche von unten. Beiträge gefreut. Ich habe mich auf der Grundlage Diese „Kirche von unten" hat ein Symbol, das dort dieser Diskussion entschlossen, dem Gruppenantrag weithin sichtbar war: eine Kirche, die in den Wolken zuzustimmen. schwebt. Kirche und Wolken werden von Menschen (Beifall bei der PDS/Linke Liste, der SPD und an Seilen auf die Erde heruntergeholt. Das ist notwen- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei dig, damit die Kirche endlich begreift, wie menschli- Abgeordneten der F.D.P.) che Probleme aussehen und in der Praxis gelagert sind. (Beifall bei der PDS/Linke Liste, der SPD, der Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-Ortrun Schätzle. NEN) Ich habe dort zu meiner Freude festgestellt, daß die Ortrun Schätzle (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Initiative „Kirche von unten" , die erst vor zehn Jahren Meine Damen und Herren! Viele Argumente sind in ins Leben gerufen wurde, hier in Bonn ein Büro der heutigen Debatte schon ausgetauscht. Trotzdem unterhält. Diese „Kirche von unten" hat es fertigge- möchte ich noch einmal auf das Grundsätzliche unse- bracht, den Katholikentag zu organisieren und auch rer heutigen Entscheidung zurückführen und Antwort zu gestalten. Das ist eine beachtliche Leistung, die geben auf einen sehr skeptischen und besorgten Zuruf hoffen läßt; denn es war so, daß Tausende innerlich eines Besuchers draußen vor dem Wasserwerk heute bewegter Menschen, darunter viele junge Menschen, früh, der die Frage stellte: Wißt ihr auch, was ihr heute auf diesem Kirchentag waren. Ich konnte beobachten, hier im Bundestag zu entscheiden habt? daß besonders ältere Frauen eine ganz klare Haltung Die heutige Entscheidung zur Neuregelung des zu § 218 hatten und ihre ablehnenden Gedanken klar Schwangerschaftsabbruchs ist in ihrer rechtlichen, und deutlich aussprachen. sozialen und ethischen Dimension außerordentlich Im Gegensatz zu dieser Atmosphäre stand die weitreichend. Sie betrifft ja nicht nur die Streitfrage Erklärung von Kardinal Meisner, die schon vorhin um eine gesamtdeutsche Regelung, die den Schutz zitiert wurde, der das „C" verweigerte, wenn des vorgeburtlichen Lebens und die verfassungskon- bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Wer forme Bewältigung von Konfliktsituationen schwan- Achtung vor dem Leben hat, der sieht nicht zu, wenn gerer Frauen besser gewährleisten soll, als es bisher in 20jährige junge Menschen in den Golfkrieg geschickt Ost und West der Fall war, sondern sie betrifft vor 8308 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Borm, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Ortrun Schätzle allem auch die Entscheidung über die Verfügbarkeit Die Verbesserungen des CDU/CSU-Mehrheitsent- des Lebens generell. wurfs im Vergleich zum geltenden Recht werden sich frauen- und kinderfreundlich auswirken. Diese Ver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) besserungen sind in aller Breite genannt worden. Auf Ich möchte die Sorgen und die Beunruhigung, die der anderen Seite glaube ich, daß ein verschärftes Befürchtungen aus der Bevölkerung artikulieren, die Strafmaß auch kein geeignetes Ins trument zur Steue- in einer Fristenregelung den Lebensschutz grund- rung des Bewußtseins ist. Aber das jetzt gültige sätzlich in Frage gestellt sehen, Fragen von der älteren Strafmaß, das der Mehrheitsentwurf vorsieht, muß in Generation, aber auch Fragen aus der jüngeren Gene- seiner unverzichtbaren bewußtseinsbildenden Kraft ration. beibehalten werden. Verwirft dagegen die Fristenre- gelung das Lebensrecht, die Eigenständigkeit und Wenn wir heute die Tötung ungeplanten und unge- den Schutzanspruch der ungeborenen Kinder, dann borenen Lebens tolerieren, wer garantiert uns dann, kann ich dem nicht zustimmen. Deshalb meine ich, die daß dieses Gesetz in Zukunft nicht auf andere Formen Fristenregelung bildet keine verläßliche Grundlage des nicht mehr gewollten Lebens ausgedehnt wird? für die Zukunft. (Beifall bei der CDU/CSU — Herbert Werner Ich bitte Sie deshalb eindringlich, liebe Kolleginnen [Ulm] [CDU/CSU]: Sehr richtig!) und Kollegen, der freien Verfügbarkeit von Leben Ist das eine Entwicklung, die wir verantworten kön- nicht zuzustimmen und den Mehrheitsentwurf der nen, eine Entwicklung, wie sie uns in Holland vorge- CDU/CSU-Fraktion zu unterstützen. zeichnet ist? (Beifall bei der CDU/CSU) (Uta Würfel [F.D.P.]: Was? Werden da die Omas umgebracht?) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht Elke Ferner. Die Diskussion in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung verdeutlicht, daß es bei der heutigen Entscheidung vorrangig darum geht, den Wert Elke Ferner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolle- menschlichen Lebens zu manifestieren und über gen! Liebe Kolleginnen! Als ich vor nunmehr 19 Jah- gesinnungsethische Maßstäbe hinaus zu verantwor- ren eine 15jährige Klassenkameradin in der Pause tungsethischem Handeln zu führen. weinend in den Armen hielt, weil sie ungewollt schwanger geworden war, habe ich nicht im Traum Wenn dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, das daran gedacht, heute — 1992 — zur zweiten Reform Postulat ist, halte ich folgende Wertvorstellungen des § 218 hier reden oder sogar mit abstimmen zu auch in Zukunft für unverzichtbar: Erstens. Menschli- können. Was meiner Klassenkameradin damals ches Leben darf nicht zur Disposition gestellt wer- widerfuhr, war der Alptraum einer jeden 15jährigen, den. und ich denke, es ist der Alptraum einer jeden Frau. Zweitens. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau Daß sie sich damals mit 15 Jahren ohne Schulab- schließt die Verfügung über ungeborenes Leben nicht schluß, ohne Beruf, ohne die Aussicht, weiter die ein. Ich verkenne nicht die Problematik der Entschei- Schule besuchen zu können, zusammen mit ihrem dung zwischen der Lebensplanung der Frau und dem 16jährigen Freund gegen die Fortsetzung der Lebensrecht des Kindes. Es ist letztlich ein unlösbares Schwangerschaft entschieden hat, konnte ich gut Spannungsgefüge. Aber die Gewissensentscheidung verstehen. Daß sie mit Unterstützung ihrer Eltern und der Frau darf nicht so verstanden werden, daß sie die der Eltern ihres Freundes das Geld zusammenbekam, freie und unkontrollierte Verfügungsgewalt über das daß sie einen Arzt fand, der den Schwangerschaftsab- Leben des ungeborenen Kindes einschließt. bruch in seiner Praxis vornahm, daß sie nicht auf dem Tisch eines Kurpfuschers landete oder nach Holland Ein drittes. Es ist die Pflicht der Gesellschaft und des fahren mußte, war 1973 nicht selbstverständlich, denn Staates, der schwangeren Frau dergestalt zu helfen, der Schwangerschaftsabbruch war immer noch verbo- daß das Lebensrecht des Kindes gewahrt wird. Wir ten. müssen deshalb mehr sozial- und familienpolitische Seitdem sind mir viele Frauen begegnet, die unge- Hilfen für Frauen in Konfliktsituationen, aber auch für wollt schwanger geworden waren: junge und ältere Frauen und Eltern mit Kindern anbieten. Frauen, Frauen aus den unterschiedlichsten Gesell- (Beifall bei der CDU/CSU) schaftsschichten mit den unterschiedlichsten persön- lichen Situationen. Aber alle hatten eines gemeinsam: Der Mehrheitsentwurf der CDU/CSU entspricht Jede einzelne von ihnen hat sich erst nach langen diesen meinen Grundsätzen. Er geht von dem vorran- sorgfältigen Überlegungen, nach Gesprächen mit Per- gigen Gebot aus, ungeborenes Leben zu schützen. sonen ihres Vertrauens für oder gegen die Fortsetzung Der Ansatz stimmt mit dem Urteil des Bundesverfas- der Schwangerschaft entschieden. Im Vordergrund sungsgerichts und mit dem Grundgesetz überein, ihrer Überlegungen stand nie die mögliche S trafe, auch das sich im Mutterleib entwickelnde Leben als sondern nur die Frage: Kann ich in meiner Situation selbständiges Rechtsgut zu schützen. Unser Verfas- die Entscheidung in die eine oder in die andere sungsrecht versteht unter Leben auch ungeborenes Richtung verantworten? — Ich frage Sie, liebe Kolle- Leben. Das Lebensrecht muß unabhängig von persön- gen und Kolleginnen: Wer von Ihnen will denn die lichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeu- Entscheidung für die be troffene Frau treffen? gungen respektiert werden. (Beifall bei der SPD, der F.D.P. und dem (Zustimmung bei der CDU/CSU) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8309

Elke Ferner Für mich ist deutlich geworden, daß werdendes Sie verteidigen damit einen Arzt, der sich, ohne Leben nie gegen die Frau, sondern nur mit ihr Beratung vorzunehmen, an Frauen bereichert und geschützt werden kann, daß eine Gesellschaft, die die mehr Geld genommen hat, als ihm nach den Sätzen notwendigen Hilfen für Alleinerziehende und für der Krankenkassen zugestanden hätte. junge Familien verweigert, nicht das Recht hat, nicht (Widerspruch bei der SPD) den moralischen Anspruch haben kann, zu entschei- den, was die Frauen zu tun oder zu lassen haben. Wenn Sie hier einen solchen Mann, der Frauen ausbeutet und die Not der Frauen ausnutzt, verteidi- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der gen, halte ich das für einen Skandal. Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) Es ist klar, daß sich keine Frau leichtfertig für einen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schwangerschaftsabbruch entscheidet, und es ist Meine Damen und Herren, ich habe gestern gegen auch nie ein Grund allein, sondern eine Vielzahl von die Finanzierung der Containerschiffe gestimmt, Gründen. gegen das Geschäft mit China, weil ich für die Der Gruppenantrag für ein Schwangeren- und Menschenrechte bin. Familienhilfegesetz ist ein Kompromiß, der für viele (Dr. Edith Niehuis [SPD]: Ich auch!) nicht leicht zu tragen ist, auch für mich nicht. Ich hätte mir gewünscht, eine Mehrheit könnte sich für den Ich hätte mir gewünscht, daß viele von denen, die SPD-Antrag entscheiden. Die Mehrheiten sind leider gestern so moralisch gesprochen haben, auch von anders. Aber der Gruppenantrag ist dennoch ein seiten der SPD, heute die Menschenrechte der unge- Fortschritt. Die sozialen Hilfen, die Tatsache, daß borenen Kinder in Deutschland in der gleichen Weise letztendlich die Frau alleine darüber entscheidet, ob verteidigt hätten. sie es verantworten kann, die Schwangerschaft fort- (Beifall bei der CDU/CSU) zusetzen, oder nicht, ist eine Verbesserung gegenüber dem gegenwärtigen Recht, und es ist auch eine In der Zeit, in der wir heute diskutieren, sterben Verbesserung, wenn man bedenkt, was nach Ablauf rund tausend Kinder. Tausend Kinder werden legal der Regelung im Osten den Frauen blühen wird. getötet. Würden heute tausend tote Aale an das Dieser Gruppenantrag stellt für mich sicher, daß die Rheinufer in Bonn geschwemmt, würden alle Fern- Frau letztendlich alleine entscheidet — niemand sehanstalten hierher eilen, und die Nachrichten heute anders, kein Richter, kein Staatsanwalt, kein Arzt, abend wären voll davon. Die tausend toten Kinder keine Ärztin, sondern sie selbst. dagegen scheinen kaum jemanden zu interessieren. Wir wissen, daß die Formel „je mehr Strafandro- Aber offenbar scheint vielen diese Zahl noch nicht hung, desto weniger Schwangerschaftsabbrüche" zu reichen, wenn ich Frau Schenk richtig verstanden nicht aufgeht. Das wissen wir aus Ländern mit restrik- habe, die gesagt hat, sie wolle keine Senkung der Zahl tivem Strafrecht. Restriktives Strafrecht drängt die der Abtreibungen. Frauen, die Ärzte und die Ärztinnen in die Illegalität. Es wird immer behauptet, Strafrecht würde die Zahl Die Frauen fahren, wenn sie es sich leisten können, ins von Abtreibungen nicht senken. Tatsache ist: 1974 Ausland, oder sie landen wie zu Beginn des Jahrhun- haben die Ärzte und der Deutsche Bundestag festge- derts auf dem Tisch von Kurpfuschern. Das können stellt, daß man mit rund 74 000 bis 75 000 Abtreibun- wir alle nicht wollen. gen pro Jahr rechnen müsse. Heute schätzen wir eine (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) Zahl von 300 000 Abtreibungen. Und da behaupten Ich appelliere an alle, vor allem aber an die Kollegen Sie, Strafrecht habe keine Wirkung, Strafrecht würde und die Kolleginnen, die wegen der noch geltenden wirklich nichts nutzen? Regelung in den neuen Ländern den Gruppenantrag Meine Damen und Herren, Sie sagen „Hilfe statt ablehnen wollen: Bedenken Sie bitte die Folgen für Strafe". Aber warum, frage ich Sie, schaffen Sie nicht die Frauen im Osten und auch für die Frauen im statt eines flächendeckenden Netzes von Abtrei- Westen, wenn der Gruppenantrag keine Mehrheit bungskliniken ein flächendeckendes Netz von Hilfs- findet. Ein Nein zum Gruppenantrag ist letztendlich stellen? Warum wollen Sie statt einer Stiftung „Mutter ein Ja für die Indikationsregelung. Stellen Sie Ihre und Kind" eine Abtreibungsfinanzierung? Sie wollen grundsätzlichen Bedenken zurück, und stimmen Sie den Staat mit einbinden in ein Tötungssystem, dem dem Gruppenantrag zu! ich niemals zustimmen kann. Wir brauchen keinen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Staat, der Millionen ausgibt, um das Leben zu der CDU/CSU, der F.D.P. und des BÜNDNIS-töten, SES 90/DIE GRÜNEN) (Hans-Günther Toetemeyer [SPD]: Wer tut das denn?)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht sondern wir brauchen einen Staat, der hilft und Hubert Hüppe. Frauen nicht vom Sozialamt zum Wohnungsamt, von der Krankenkasse zur Fürsorgestelle und vom Arbeitsamt zum Sozialamt schickt. Wir brauchen Hubert Hüppe (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine einen Staat, der die Probleme der Frauen beseitigt und Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal SPD nicht die Kinder. und F.D.P. auffordern, endlich damit aufzuhören, den Meine Damen und Herren, ich bin für den Werner- Memminger Prozeß hier in Schwarz darzustellen. Entwurf, weil ich gegen die eugenische Indikation (Ina Albowitz [F.D.P.]: Tiefschwarz!) bin. Ich kann nicht dafür stimmen, daß Kinder allein, 8310 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Hubert Hüppe weil sie behindert sind, noch im sechsten Schwanger- wie die Fragen der Sexualität und der Geschlechter- schaftsmonat, zwei Wochen vor der Überlebensfähig- beziehungen. Das ist einer der entscheidenden keit außerhalb des Mutterleibes, getötet werden. Punkte, warum sich die Alt- und Neukonservativen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) hier mit soviel Energie festgebissen haben. Wie sieht das in der Realität aus? In der Frankfurter Daher müssen wir uns fragen, ob diese politische Uni-Klinik gibt es die beste Frühgeburtenabteilung in Strategie nicht geradezu Teil eines neoautoritären der Bundesrepublik. Hier ist es gelungen, 24 Wochen Vorgehens gegen die liberale, gegen die offene alte Embryos am Leben zu erhalten. In derselben Gesellschaft ist. Wir müssen uns fragen, ob mit der Klinik werden Abtreibungen nach der eugenischen Beibehaltung insbesondere der strafrechtlichen Ver- Indikation bis zur 22. Woche durchgeführt. Weil man folgung des Schwangerschaftsabbruchs nicht nur der jetzt Angst hat, daß diese Kinder nicht nur lebend weiteren notwendigen Liberalisierung vorgebaut — wie das bei Prostaglandinen immer der Fall ist —, werden soll, sondern ob damit nicht sogar der Weg in sondern auch überlebensfähig zur Welt kommen, andere, neoautoritäre Verhältnisse bereitet werden überlegt man, wieder zur alten Curettage-Methode soll. überzugehen, d. h. man reißt den Kindern die Hände Dem entspricht die Tatsache, daß die Alt- und und Beine ab, und das Kind ist erst tot, wenn ihm der Neukonservativen in diesem Hause wenig Konkretes Kopf vom Leib abgetrennt wird. Das ist die Realität in zu den wirklichen sozialen Mißständen in diesen Deutschland. Das ist die Realität, die mit Ihrem Zusammenhängen sagen: kein wesentlicher Vor- Gesetz, das die eugenische Indikation noch so spät schlag zur Bekämpfung der in Deutschl and leider so gestattet, ermöglicht wird. verbreiteten Kinderfeindlichkeit, kein entsprechen- Jeder muß wissen — ich sage das mit allem Ernst —, der Plan zur Behebung des Mangels an Betreuungs- ob er heute mit seiner Stimme so etwas legalisieren einrichtungen für Kinder, kein entsprechend ausge- will. Jeder muß wissen, daß er, wenn er heute den stalteter Ansatz zur Behebung der Misere am Woh- Rechtsschutz für eine Gruppe von Menschen aufhebt, nungsmarkt, die gerade auch Mütter und alleinerzie- natürlich bald das Lebensrecht anderer Gruppen von hende Frauen trifft. So viele konkrete Aufgaben, aber Menschen auch zur Diskussion stellt. Werden wir nichts zu ihrer Lösung seitens der Konservativen. bald, wie inzwischen in Holland, auch bei älteren und Diese und andere Gründe, die bereits genannt behinderten Menschen ebenfalls Fristen und Indika- worden sind, bringen mich dazu, dem Gruppenent- tionen suchen, vielleicht nach Beratung von Angehö- wurf zuzustimmen. Ich tue das allerdings mit großen rigen? Bauchschmerzen. Die ersatzlose Streichung des § 218 Jeder wird sich — das ist mein letzter Satz, und bitte und das volle Selbstbestimmungsrecht für Frauen und nehmen Sie diesen ganz ernst — vor der nächsten Mädchen sind beim derzeitigen Stand der politischen Generation rechtfertigen müssen, wie er heute abge- Kräfteverhältnisse leider nicht zu erreichen. Sie blei- stimmt hat: für oder gegen das Leben. ben aber auf der politischen Tagesordnung; ich denke, bereits in der nahen Zukunft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Um einen Rückschritt, wie der Entwurf der Werner- Gruppe ihn verkörpert, zu verhindern und um wenig- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht stens einige Schritte auf dem Wege zur Emanzipation Herr Abgeordneter Briefs. — nicht nur der Frauen und Mädchen, sondern auch der Gesellschaft und von uns allen — voranzukom- Dr. Ulrich Briefs (fraktionslos): Frau Präsidentin! men, stimme ich — wenn auch mit sehr starken Meine Damen und Herren! Die Debatte ist stellen- Bedenken — für den Gruppenentwurf. weise ein wenig gespenstig. Man spürt, wie rechte Ich danke für die Aufmerksamkeit. konservative Kreise einer weiteren Liberalisierung (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des des gesellschaftlichen Lebens in der Bundesrepublik BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutschland geradezu entgegenarbeiten. (Widerspruch bei der CDU/CSU — [CDU/CSU]: Ein Gespenst ist jetzt Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht gerade erschienen!) Renate Diemers. Man spürt, wie ebendiese Kräfte das Leben von Frauen und Mädchen weiter belasten und einschnü- Renate Diemers (CDU/CSU): Frau Präsidentin! ren wollen. Man spürt Mißtrauen und Feindseligkeit Meine Damen! Meine Herren! Kein Mensch hat gegenüber Frauen und Mädchen und gegenüber Verfügungsgewalt über das Leben eines anderen deren auf Emanzipation gerichtete Lebensvorstellun- Menschen. gen. Man spürt auch Lustfeindlichkeit. Man spürt (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Mißtrauen gegenüber sehr privaten, sehr intimen Zuruf von der SPD: Sehr richtig!) Beziehungen, in denen Emanzipation gelebt wird und In diesem Prinzip stimmen wir alle überein, wenn es die sich als Lebenswirklichkeit der äußeren Kontrolle sich um sichtbares Leben handelt. Daß einige bereit entziehen. sind, dieses Grundprinzip zu durchbrechen, wenn es Man spürt zugleich auch das Ziel, tatsächliche oder sich um — noch — unsichtbares Leben handelt, zeigt vorgebliche moralische Instanzen wie die katholische ihr Eintreten für die Fristenlösung. Fristenlösung, so Kirche wieder maßgeblich als aktiven, prägenden, ja sagen sie, entspricht dem Selbstbestimmungsrecht dominierenden Faktor in das gesellschaftliche Leben der Frau. Deshalb wollen sie ihr die Verfügungsge- hineinzubringen. Kaum etwas eignet sich dazu so sehr walt über das ungeborene Leben in den ersten drei Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8311

Renate Diemers Monaten uneingeschränkt zugestehen. Damit geben Voraussetzungen zu schaffen, die für das Leben sie der Frau eine Freiheits- und Machtfülle, hinter die ermutigen. alle Werte zurückgedrängt werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Alle, die eine Fristenlösung befürworten, müssen Das Vertrauen der Frau, der Eltern wird doch auf wissen, daß sie damit die bestehende Werteorientie- den Kopf gestellt, wenn ihnen die Abtreibung als rung an ihrer Schnittstelle in Frage stellen. Ihnen geringeres Übel, das Leben des Kindes dagegen als sollte auch klar sein, daß die Dreimonatsfrist, in der für sie mit Konflikten beladen suggeriert wird. ungeborenes Leben getötet werden kann, willkürlich Mir ist bewußt, daß es auch bei einem breitgefächer- ist. Tatsächlich fordern viele die Fristenlösung — wir ten Angebot an unterstützenden Hilfen Indikationen haben es gehört — als Einstieg in die unbefristete geben wird. Diese müssen auf medizinische und Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs. psychosoziale Notlagen beschränkt werden, wie es Ich frage mich, ob sich alle, die das Selbstbestim- der CDU/CSU-Entwurf vorsieht. mungsrecht der Frau über das Lebensrecht des unge- Unbestritten liegt die letzte Entscheidung, nämlich borenen Kindes stellen, die Gewissensentscheidung, auch bei vorhandener Indikation bei der Frau. Das heißt nicht, daß sich die (Zuruf von der F.D.P.: Wer tut das denn?) Gesellschaft, daß sich der Gesetzgeber, daß sich also bewußt sind, daß sich genau dieses vermeintliche jede und jeder einzelne von uns seiner Mitverantwor- Selbstbestimmungsrecht gegen die Frau wenden tung entziehen kann oder darf. Wir alle müssen uns kann. dieser Mitverantwortung bewußt sein und uns ihr (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) stellen. In der Auseinandersetzung „Lebensschutz contra Fristenlösung" kann morgen niemand von uns Wir kennen die Angaben, daß viele Frauen von sagen: Das habe ich nicht gewußt oder das habe ich ihren Partnern und Ehemännern zum Schwanger- nicht gewollt. schaftsabbruch gedrängt und für die Schwanger- schaftsverhütung allein verantwortlich gemacht wer- Lassen Sie uns heute mit unserem Ja zum Leben den. In welche Rolle werden die Frauen gezwungen, auch ein Signal für Menschlichkeit und Mitmensch- wenn sich in diesem Hause eine Mehrheit für die lichkeit setzen. Ich bitte Sie: Geben Sie dem Leben Verfügbarkeit ungeborenen menschlichen Lebens eine Chance. Lehnen Sie die Fristenlösung ab. finden sollte? Würde dann nicht dem Selbstbestim- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mungsrecht der Frau die Würde der Frau geopfert? Zu dem Argument, die Fristenlösung habe sich nach Als nächster spricht DDR-Recht als frauenfreundlich erwiesen, stelle ich Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Abgeordneter Gunter Weißgerber. fest, daß der Schwangerschaftsabbruch nach ebendie- sem Recht als eine Möglichkeit der Familienplanung verstanden und praktiziert wurde. Es darf doch nicht Gunter Weißgerber (SPD): Sehr geehrte Frau Präsi- unser Wollen und unser Handeln sein, Schwanger- dentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die schaftsabbruch als Mittel der Familienplanung Freude über den deutschen Einigungsprozeß ver- rechtsfähig zu machen. mochte meinen Blick zu keiner Zeit unrealistisch zu (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wer macht denn verstellen. Vorausschauend nannte ich in den Wahl- das?) kämpfen des Jahres 1990 lediglich zwei Punkte, die das neue Deutschland durch die gewesene Existenz Für mich wie für die Mehrheit der Bevölkerung steht des zweiten deutschen Staates eventuell kurzfristig außer Zweifel, daß menschliches Leben in jedem beeinflussen werden. Diese zwei Punkte waren bzw. Stadium geschützt und seine Würde erhalten werden sind aus meiner Sicht: zum einen das vierzigjährige muß. Hauptstadt- und Regierungssitzversprechen für Ber- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) lin, zum anderen eine fristenlösungsähnliche Rege- Unbestritten ist, daß Leben mit der Verschmelzung lung zum Schutz des ungeborenen Lebens. Mehr war von Ei- und Samenzelle beginnt. Weil der Mensch von damals nicht drin. Anfang an Mensch ist, weil der Mensch unverfügbare Ich werde heute aus folgenden Gründen für den Person ist, darf hinsichtlich der Schutzwürdigkeit Gruppenentwurf stimmen und hoffe, Sie werden es menschlichen Lebens nicht zwischen geborenem und ebenfalls tun. Erstens. Das Selbstbestimmungsrecht ungeborenem Leben unterschieden werden. ist ein Menschenrecht. Dies gilt selbstredend auch für (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frauen. Im Gruppenentwurf sehe ich es akzeptiert. Zweitens. Die überwiegende Mehrheit der Frauen Das gilt für rechtliche Normen, das gilt insbesondere handelt sehr wohl verantwortungsvoll. Das Argument für unser eigenes Verständnis von menschlichem der wenigen verantwortungslos handelnden Frauen Leben. spricht deshalb nicht gegen eine Fristenlösung. Unser Auftrag lautet, bessere Voraussetzungen für (Beifall bei der SPD und dein BÜNDNIS 90/ den Schutz vorgeburtlichen Lebens und die Bewälti- DIE GRÜNEN) gung von Schwangerschaftskonfliktsituationen zu gewährleisten. Er lautet nicht, die Fristenlösung ein- Aus der Existenz von Bankräubern schließen wir zuführen. Deshalb dürfen keine Energien darauf ver- ebensowenig auf eine Abschaffung der Banken. schleudert werden, wie die Abtreibung zu erleichtern (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem ist. Wir müssen unsere Energien bündeln, um die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 8312 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Gunter Weißgerber Drittens. Aus der Gebärfähigkeit folgt keine Gebär- wende mich gerade an diese Schreiber. Leider muß pflicht. Wir wollen das Leben schützen, besonders da, ich aber feststellen, daß man darin wenig gnädig und wo es Hilfe am meisten benötigt. Doch wo es unge- wenig barmherzig mit diesem Thema umgeht. wünscht oder gar gehaßt zum Leben gezwungen wird, Ich werde dem Gruppenentwurf zustimmen, also beginnt Unmenschlichkeit. Der in der Drucksache einer modifizierten Fristenregelung, und zwar nicht 12/2605 (neu) beschriebene Katalog an Hilf eangebo- etwa deswegen, weil ich meine, es gehe um das ten wird insgesamt zu einer Hinwendung zum gebo- Selbstbestimmungsrecht der Frau. Nein, wir haben zu renen Leben führen. entscheiden zwischen zwei Grundrechten: dem Viertens. Die tatsächlichen Abtreibungszahlen Grundrecht auf Selbstbestimmung auf der einen und werden durch eine Indikationslösung nicht beeinflußt, dem Grundrecht auf Leben des werdenden Kindes wie die Statistik beweist. auf der anderen Seite. Fünftens. Die Menschen im Osten sind nicht für eine Über die Nöte und Konflikte, die dabei entstehen, Rückkehr der Vergangenheit auf die Straße gegan- will ich nicht reden. Das hat sehr ausführlich und sehr gen, sondern für eine verbesserte Bundesrepublik. gut mein Kollege Baum gemacht. Ich meine, daß kein (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Mensch in diesem Konfliktfall gerecht entscheiden DIE GRÜNEN) kann. Wir können nicht im Gewissen der Frau lesen. Wer den Frauen dieses Selbstbestimmungsrecht Wir sollten als diejenigen, die staatliche Gesetze nehmen bzw. vorenthalten will, bricht den Frauen das machen, in aller Bescheidenheit eingestehen, daß es Rückgrat, einer Vergewaltigung gleichkommend. Probleme gibt, deren Lösung sich einem menschli- Frauen tragen bekanntermaßen die Hauptlast der chen Richterspruch entzieht. Erziehung von Kindern und sollen nicht entscheiden (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) können, wie einige §-218-Varianten vorsehen? Wer sich zur Verantwortung der Frau in der Erzie- Der Gruppenentwurf tut nicht so, als könne er rich- hung bekennt, muß ihr in erster Linie auch die ten. Entscheidungsfähigkeit bescheinigen. Schutz des Wenn es bei diesem Gesetzentwurf meiner Mei- ungeborenen Lebens darf nicht auf faktische Gebär- nung nach auch nicht um Selbstbestimmung geht, so sklaverei hinauslaufen. geht es doch um Selbstentscheidung. Der Staat nimmt Ausdrücklich bekenne ich mich — und halte dies der Frau die Entscheidung nicht ab. All den Christen, auch für notwendig zu erklären — zum Wissen um das die mir geschrieben haben, möchte ich in Erinnerung Leben vom ersten Moment an. Wir Abgeordneten rufen, daß es einen Dr. Martin Luther gegeben hat, müssen für unsere Entscheidung in ihrer gesamten der das Buch von der Freiheit des Christenmenschen Tragweite stehen. Es ist das gleiche Leben, welches geschrieben hat, auch von der Freiheit zur Sünde. Die als nachgeburtliches mit gesegneten Waffen sogar in Kehrseite der Medaille „Freiheit" ist aber die Verant- einen Krieg ziehen darf, um da eventuell vernichtet zu wortung; Verantwortung, die bei der Abtreibung werden. — und so ist unser Gesetzentwurf konzipiert — nie- Hier kann ich mich nicht eines unangenehmen mand der Frau abnehmen kann. Eine Indikationsre- Eindrucks der Zwiespältigkeit erwehren. Es gibt gelung tut aber so, als könne der Staat Persilscheine wichtige Kirchenvertreter, welche einem militäri- verteilen. schen Eingreifen, beispielsweise in Jugoslawien, aus Zum zweiten möchte ich gerade den Kritikern aus Gründen der Prävention das Wort reden, in der den Kirchen — ich möchte mich da auch an meinen Schwangerschaftsproblematik hingegen Prävention Kollegen Geis wenden — sagen, daß wir keine göttli- verteufeln. chen Gesetze machen. Sie verwechseln das göttliche Verehrte Kolleginnen und Kollegen, verhindern Sie Recht mit dem Recht, das wir als Staat setzen kön- bitte heute die Möglichkeit von diktatorischen Ent- nen. scheidungen über die Köpfe der Frauen hinweg. Tragen Sie bitte heute mit Ihrer Entscheidung zum (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem Erhalt der Würde der ostdeutschen Frauen bei. Geste- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hen Sie bitte den westdeutschen Frauen ein Gleiches Meine Kollegen, in aller Bescheidenheit: Wir können zu. Stimmen Sie dem Gruppenentwurf zu. Ungebore- nur Spielregeln aufstellen, und wir sollten nicht so nes Leben ist nur mit den Frauen zu schützen, nicht vermessen sein, uns göttliche Gesetzeskompetenz gegen sie. zubilligen zu wollen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 90/DIE GRÜNEN) Daß es sich wirklich um zwei getrennt zu behan- delnde Ebenen handelt, mag man an folgendem Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat Nor- Beispiel sehen: Gehe ich bei Rot über die Ampel, so bert Eimer. begehe ich keine Sünde, aber ich werde vom Staat bestraft. Belüge ich jemanden, ohne ihm damit zu Norbert Eimer (Fürth) (F.D.P.): Frau Präsidentin! schaden, so begehe ich keinen Rechtsverstoß, aber Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen eine Sünde. Am deutlichsten wird es wohl in der Frage erreichten mich — wie viele andere auch — Berge von der Notwehr: Wenn man einen anderen Menschen in Zuschriften, vor allem aus christlichen Kreisen, zum Notwehr tötet, so wird man nicht bestraft. Ob man mit § 218. Weil ich mich selbst meiner Kirche verbunden dem Argument Notwehr vor seinem Herrgott bestehen fühle, nehme ich diese Zuschriften sehr ernst und kann, ist eine andere Frage, heißt es doch: Wenn man Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8313

Norbert Eimer (Fürth) dich auf die rechte Backe schlägt, halte auch die linke Erstens. Dieser Gesetzentwurf ist für mich der hin. umfassendste Schutz ungeborenen Lebens. Denn das Wenn ich also für den Gruppenentwurf und damit ungeborene Kind ist für mich von Anfang an Mensch. für eine modifizierte Fristenregelung stimme, so Der Entwurf anerkennt aber auch, daß es schwere stimme ich nicht für Abtreibung. Ich weiß nur um den Konflikte geben kann, die für die schwangere Frau Unterschied zwischen staatlichem Recht und der gött- unlösbar zu sein scheinen. lichen Gerechtigkeit. Ich persönlich habe zur Abtrei- Zweitens. Der Entwurf ermutigt die Frau zur Fort- bung sehr s trenge Vorstellungen, aber ich kann meine setzung der Schwangerschaft durch qualifizierte strengen Moralvorstellungen anderen nicht aufdrän- Beratung, ein umfangreiches Angebot von sozialen gen. Außerdem sollte die eigene Moral immer stren- Leistungen und praktischen Hilfsmaßnahmen. ger sein als die Gesetze. Drittens. Hilfe statt Strafe ist der Grundgedanke (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem unseres Gesetzentwurfs, der das Strafrecht nur bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mißbrauch vorsieht. Ein Leserbrief aus dem „Sonntagsblatt" vom Juni Ich möchte eine dieser Maßnahmen aufgreifen: die 1991 eines ehemaligen Staatsanwalts und Richters Beratung. Es macht mich betroffen, wenn in der namens Walter Müller aus München beschreibt das öffentlichen Diskussion die Beratung immer wieder mit anderen Worten sehr deutlich. Deswegen will ich als Zwangsmaßnahme bezeichnet wird. An dieser das zum Abschluß zitieren: Stelle möchte ich einmal ausdrücklich jenen Men- Erstens: Gottes Gebot lautet: Du sollst nicht töten. schen danken, die täglich gewissenhaft und verant- Daran gibt es gar nichts zu deuteln. Das mögen wortungsvoll zum Leben beraten und der Frau helfen, sich alle hinter die Ohren schreiben, die immer so ja zum Kind sagen zu können. tun, als sei das Strafgesetzbuch dazu da, die Gebote Gottes auszulegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie sollten sich durch Luthers Lehre von den zwei Die Frau hat ein Recht auf qualifizierte Beratung, Regimenten Gottes darüber aufklären lassen, daß eine Beratung, die auf die individuelle Situation der der Staat, der „Große Heide" (Luther), nach ganz schwangeren Frau eingeht, die ihr alle Möglichkeiten anderen Grundsätzen und Gesichtspunkten ar- zur Überwindung von Notlagen und Konfliktsituatio- beitet und arbeiten muß als die christ die nen aufzeigt. Deswegen sehen wir in der Beratung Gemeinde, daß es uns als Christenmenschen Mo eine große Chance, ungeborenes Leben mit der Frau gar nicht zu kümmern hat, ob der Staat seinerseits und nicht gegen sie zu schützen. also die Verletzung eines göttlichen Gebotes (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) unter Strafe stellt oder — sei es allgemein, sei es unter bestimmten Umständen — auf eine Bestra- Die Beratung muß deutlich machen, daß das Leben fung verzichtet. der Frau durch ein Kind anders sein wird, daß es aber auch durch einen Schwangerschaftsabbruch genauso Zweitens: Als Christen haben wir unter dem anders sein wird. Auftrag des allgemeinen Priestertums mit Zu- spruch, Ermahnung und tätiger Hilfe für Gottes Wenn sich die Frau dessen bewußt ist, wird sie sich Gebote einzutreten. Wenn wir uns davor drücken immer verantwortungsvoll entscheiden. Diese Ent- und statt dessen den Staat als Büttel herbeirufen scheidung liegt doch zunächst bei ihr. Deshalb ist die möchten, so sind wir „unnütze Knechte" (bzw. Beratung als Hilfe für die Frau anzusehen und, so sie Mägde!). es dann will, für den Partner und für die Familie. Denn Ich habe dem nichts hinzuzufügen. das Problem eines Schwangerschaftskonfliktes ist nicht auf die Frau zu reduzieren. Das Klima im (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem Alltagsleben der betroffenen Frauen und ihrer Fami- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- lien, der alleinerziehenden Mütter wird ganz ent- ordneten der CDU/CSU) scheidend vom Verhalten des persönlichen Umfelds geprägt. Deshalb setzen wir auf eine positive beglei- tende Beratung. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht die Abgeordnete Karin Jeltsch. Lassen Sie mich noch einmal auf die Leidenschaft- lichkeit zurückkommen, die diese Debatte hier und da begleitet hat. Dieselbe Leidenschaft wünsche ich mir, Karin Jeltsch (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine wenn es darum geht, für die Verbesserung der Situa- Damen und Herren! Über die unterschiedlichsten tion von Familien und Frauen einzutreten. Gesetzentwürfe, die uns zur Abstimmung vorliegen, ist ernsthaft und leidenschaftlich diskutiert worden: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ernsthaft, weil das dem Schutz des ungeborenen Ich wünschte sie mir auch, wenn es darum geht, die Lebens angemessen ist, und leidenschaftlich, weil uns Situation alleinstehender Mütter so zu verbessern, das Thema alle zutiefst bewegt. Dennoch hatte ich daß die alleinstehende Schwangere alleinstehende manchmal das Gefühl, uns trennen Welten. Mütter aus ihrem persönlichen Umfeld als positives Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe mein Beispiel erleben kann. Votum für den Mehrheitsentwurf der CDU/CSU- Bundestagsfraktion ab, weil ich die Fristenlösung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) entschieden ablehne. Ich will Ihnen auch meine Sie können ihr so Mut geben, ja zum Kind zu Gründe nennen. sagen. 8314 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Karin Jeltsch Liebe Kolleginnen und Kollegen, die hohe Zahl von Sie wird sich durch nichts davon abbringen lassen, Schwangerschaftsabbrüchen muß uns alle bewegen, wenn sie glaubt, nicht in der Lage zu sein, mit dieser egal, wo wir stehen. Deshalb muß unser oberstes Ziel Situation fertigzuwerden einen Weg zu finden, egal, Handeln sein. Die Bundesregierung hat gehandelt. was Sie an Strafen da rein schreiben. Sie hat die Rahmenbedingungen für die Familien und Deshalb bitte ich noch einmal, ganz deutlich zu Frauen entscheidend verbessert und wird sie weiter sehen: Strafrecht ist keine Lösung. Die Lösung ist eine verbessern. Nur, das alles kann es nicht allein sein. kinderfreundliche Gesellschaft. Deswegen bitte ich Wir alle sind aufgefordert, überzeugend für eine Sie, dem Gruppenentwurf zuzustimmen. kinder - und familienfreundliche Gesellschaft unse- ren eigenen Beitrag zu leisten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abschließend möchte ich Sie alle sehr ernsthaft bitten: Stimmen Sie dem Gesetzentwurf der CDU/ CSU-Fraktion zu. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Gestatten Sie eine Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gudrun Weyel (SPD): Wenn Sie das am Ende meiner Rede noch zulassen wollen, gern. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht Frau Gudrun Weyel. Claus Jäger (CDU/CSU): Frau Kollegin Weyel, ich Gudrun Weyel (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolle- stimme Ihnen in dem, was Sie zur Geschichte gesagt ginnen! Meine Herren! Ich möchte sprechen als eine haben und was da an Schlimmem passierte, zu. Aber alte Frau, die die Zeit erlebt hat, als der alte § 218 noch ich möchte Sie doch fragen: Meinen Sie nicht, daß das in seiner strengen Form galt. Ich möchte dies beson- Strafrecht der Frau gerade in den Fällen helfen kann, ders an die Adresse derjenigen sagen, die immer noch wo die Frau selber das Kind haben möchte, der glauben, daß Strafrecht etwas ist, was werdendes Kindesvater oder Mann aber Druck auf sie ausübt, es Leben schützen kann. nicht zu bekommen, so daß die Frau dann die Chance hat, sich auf das S trafrecht zu berufen? In dieser Zeit habe ich mein Kind bekommen. Ich wollte dieses Kind. Aber ich habe erlebt, was das hieß. (Regina Kolbe [SPD]: Dann setzt bei den Es gab das Gesetz, das den Schwangerschaftsabbruch Männern an und nicht bei den Frauen! — unter Strafe stellte, und es gab die gesellschaftliche Weitere Zurufe von der SPD) Akzeptanz, die dazu im Gegensatz stand. Das sah so aus: Die Frauen, die damals entgegen dem Recht ihre Gudrun Weyel (SPD): Herr Kollege Jäger, wenn ein Schwangerschaft abgebrochen haben — wenn sie Mann die Frau in dieser Situation im Stich läßt — das Glück hatten, mit einem Arzt und einer medizinischen ist ja leider häufig der Fall —, dann wird es der Frau Indikation, wenn sie schlecht beraten waren, mit nicht helfen, daß sie mit S trafe bedroht wird. gesundheitlichen Schäden — wurden gesellschaftlich - anerkannt — unter der Oberfläche, aber man hat das (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und akzeptiert. Die Frauen, die sich aus einer gesellschaft- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Claus lich nicht anerkannten Position für das Kind entschie- Jäger [CDU/CSU]: Daß der Mann mit Strafe den, wurden gesellschaftlich bestraft. bedroht wird! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wenn der Mann die Frau (Konrad Gilges [SPD]: Sehr wahr!) bedrängt!) Ich spreche aus eigener Erfahrung. — Aber das steht ja gar nicht zur Debatte. Das erste war der Verlust des Arbeitsplatzes. Es (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Maria wurde einem nicht gekündigt mit der Begründung, Michalk [CDU/CSU]: Doch!) Sie haben ein Kind. Das erfolgte vielmehr unter- schwellig: Man wurde an eine Stelle versetzt, wo man — Gut. Ich habe nichts dagegen, wenn der Mann dann für das Kind nicht sorgen konnte, und zwar in der mit Strafe bedroht wird. Aber vergessen Sie eines Erwartung, daß man dann eben kündigen würde. nicht — das kommt in einem alten lateinischen Sprich- wort zum Ausdruck —: Wer die Mutter ist, weiß man Das ging weiter mit der gesellschaftlichen Ächtung immer. Die Väter haben viele Möglichkeiten, sich zu an vielen Stellen und damit, daß noch Mitte der 70er drücken Jahre, als wir schon die erste Erleichterung des § 218, (Beifall bei der SPD) das heute geltende Recht hatten, Beförderungen mit der Begründung verweigert wurden, diese Frau hat und sich aus der Verantwortung zu ziehen. ein uneheliches Kind, die kann man nicht befördern. Deswegen sage ich noch einmal: Sie helfen der Frau Das war die gesellschaftliche Wirklichkeit. in dieser Situation weder, wenn Sie sie mit Strafe Heute sind wir Gott sei Dank darüber hinaus. Heute bedrohen noch wenn Sie den Mann mit S trafe bedro- kann eine Frau sagen: Ich will mein Kind. Sie wird hen. Sie helfen ihr nur, wenn Sie ihr soziale Hilfe und akzeptiert. Aber ich möchte ganz klar sagen: Die Frau gesellschaftliche Anerkennung geben, und zwar für bekommt ihr Kind nicht, weil sie sich von S trafe die nächsten 20 Jahre nach der Geburt des Kindes. bedroht fühlt, sondern weil sie sich dazu bekennt, und Danke. weil sie es haben will. (Beifall bei der SPD, der F.D.P., der PDS/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ DIE GRÜNEN) NEN) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8315

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht der Schutzpflicht des Staates für das ungeborene der Abgeordnete Adolf Jahn. Leben für den Gesetzgeber nicht zur Disposition. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) Frau Kollegin Würfel, Sie haben heute gesagt, wir Dr. Friedrich-Adolf Jahn (Münster) (CDU/CSU): sprächen der Frau die Befähigung zu einer eigenver- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und antwortlichen Entscheidung ab. Das tun wir nicht. Herren! Was sind die Maßstäbe unserer Verfassung, für den Schutz des ungeborenen Lebens einzutre- (Zuruf von der SPD: Natürlich! — Uta Würfel ten? [F.D.P.]: Wo darf sie denn etwas entschei (Lachen und Zurufe bei der SPD) den?) — Ich meine, da sollte man nicht lachen; denn auf die Nur stellt sich die Frage: Unter welchen Vorausset- Verfassung sind wir alle verpflichtet. Unumstößlicher zungen ist die Frau berechtigt, das zu tun? Maßstab für den Schutz des Ungeborenen sind, erstens, die allgemeinen Menschenrechte sowie, (Zuruf von der SPD: Aha!) zweitens, die jedem Menschen zukommenden Es handelt sich also, wenn von der Befähigung und Grundrechte unserer Verfassung. Das Grundgesetz von der Berechtigung zum Töten gesprochen wird, um geht von einer wertgebundenen Verfassung aus, die einen qualitativen Unterschied. Die Schwangere hat den einzelnen Menschen und seine Würde in den das Letztentscheidungsrecht — unbestritten. Mittelpunkt aller seiner Regelungen stellt. (Zuruf von der SPD: Wer sonst?) Dem liegt, wie das Bundesverfassungsgericht fest- gestellt hat, die Vorstellung zugrunde, daß der Und wenn es im Gruppenantrag an verschiedenen Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen, Stellen heißt, „niemand kann der Frau nach Pflichtbe- selbständigen Wert besitzt, der die unbedingte Ach- ratung und Gespräch mit dem Arzt die Entscheidung tung vor dem Leben jedes einzelnen Menschen unab- für einen Schwangerschaftsabbruch nehmen", dann dingbar fordert. Diese Wertvorstellungen gelten für ist das zutreffend. Doch wird hierbei vergessen hinzu- den geborenen Menschen ebenso wie für den unge- zufügen, daß nach unserer Verfassung vorher eine borenen, für den Behinderten ebenso wie für den Notlage festgestellt werden muß. Und dieses kann die Alten und für den Kranken. Die Menschenrechte und Betroffene nicht; die Menschenwürde sind unteilbar. (Zuruf von der SPD: Wer kann das?) Frau Kollegin Wettig-Danielmeier hat heute mor- gen ihre Rede mit dem Satz beendet: Es geht um die vielmehr muß ein objektiver Dritter das tun. Würde der Frau. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — (Inge Wettig-Danielmeier [SPD]: Richtig!) Zurufe von der SPD) - Dies stimmt. Es ist aber nur die halbe Wahrheit. Es Meine Damen und Herren, auch wenn der Zeitgeist geht heute zugleich — und nach unserer Verfassung die Fristenregelung fordern sollte — ich will das gar grundsätzlich vorrangig — um die Würde, um das nicht bestreiten —, sollten wir ihm nicht erliegen, Lebensrecht des Ungeborenen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso „vorrangig"?) sondern weiterhin auf die Grundwerte unserer Ver- fassung bauen. Lassen Sie mich deshalb mit einem Weil das menschliche Leben also innerhalb der grund- berühmten und mutigen Wort gegen den Zeitgeist aus gesetzlichen Ordnung einen Höchstwert darstellt, ist meiner Heimatstadt schließen. Ich zitiere: der Staat und kein anderer verpflichtet, sich schüt- zend und fördernd vor dieses Leben zu stellen. Wir sind in diesem Augenblick nicht Hammer, Die Befürworter des Gruppenantrages gehen davon sondern Amboß. Fragt den Schmiedemeister, und aus, daß allein die Tatsache einer Schwangerschaft laßt es euch von ihm sagen: Was auf dem Amboß eine Notlage darstellt, die durch die Tötung des geschmiedet wird, erhält seine Form nicht nur Kindes beseitigt werden kann, und zwar allein auf von dem Hammer, sondern auch vom Amboß. Der Grund einer eigenverantwortlichen Entscheidung der Amboß kann nicht und braucht auch nicht Frau. Meine Damen und Herren, eine Notlage auf zurückzuschlagen. Selbsteinschätzungsbasis erfüllt nicht die Anforde- (Unruhe bei der SPD) rungen des Bundesverfassungsgerichts an eine Notla- gensituation; denn die Schutzpflicht des Staates für Er muß nur hart, fest sein. Wenn der Amboß, das ungeborene Leben darf nicht privatisiert wer- hinreichend fest, hart ist, dann hält meistens der den. Amboß länger als der Hammer. Wie hart der Hammer (Zeitgeist) auch zuschlägt, der Amboß Vom Arzt festgestellt und vom Gericht nachgeprüft steht in ruhiger Festigkeit da wird beim Gruppenantrag nur die Einhaltung der Frist. Materiellrechtlich kommt es nur auf deren (Lachen bei der SPD und der F.D.P.) Einhaltung an. Was bleibt, ist also eine Fristenrege- lung, die mit nicht überprüfbaren Begriffen verbrämt und wird noch lange dazu dienen, das zu formen, ist. Nach meiner Auffassung steht die Privatisierung was neu geschmeidet wird. 8316 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Friedrich-Adolf Jahn (Münster) Clemens-August Graf von Galen. war ein großes Sozialpaket geknüpft. Wir im Osten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — hatten einen Geburtenüberschuß — nicht Sie im Zurufe von der SPD) Westen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. sowie Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE die Abgeordnete Angelika Barbe. GRÜNEN) Frau Rönsch ich will Ihnen antworten —: Kein Arzt Angelika Barbe (SPD): Frau Präsidentin! Meine und keine Frau werden durch die Gesetzentwürfe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann leider nicht mit — den Gruppenantrag und den SPD-Antrag — zum einem so herrlichen Hammer-Amboß-Zitat aufwar- Abbruch gezwungen. Ihr CDU-Entwurf ist aber ein ten. Lastenträgermodell für die Ärzte, den diese im übri- (Unruhe) gen abgelehnt haben. Herr Werner sprach davon, daß mit der Wunschkin- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich darf um etwas derideologie endlich Schluß sein müsse. Ich bitte Sie: mehr Ruhe bitten. Unterscheiden Sie bitte zwischen den ungeplanten und den ungewünschten Kindern. Da gibt es riesen- Angelika Barbe (SPD): Ich kann Sie aber an das große Unterschiede. Gedicht von Tucholsky erinnern, das Ihnen allen Ich selber kann von meinem eigenen Schicksal präsent ist, „Die Leibesfrucht" betitelt. Tucholsky berichten. Unser drittes Kind war nicht geplant. Ich sagte darin sinngemäß: „Neun Monate kümmern sie war arbeitslos. Wir hatten Wohnungsprobleme. Viele, sich alle um mich, und nach der Geburt muß ich sehen, die aus der DDR kommen, wissen, was das heißt. wie ich weiterkomme." Gemeinsam mit meinem Mann habe ich mich ent- Ich möchte nun auf einige Argumente eingehen. schieden, dieses Kind zu bekommen. Die Besonder- Frau Michalk hat gesagt, die Zahlung von 1 000 Mark heit dabei ist: Ich konnte mich auf meinen Mann habe sich doch bewährt bei uns. Frau Michalk, bei uns verlassen. Ich kann das auch heute noch tun. Er hat sich noch viel mehr bewährt. Das steht aber in unterstützt mich. Er ist dann da, wenn die Kinder ihn Ihrem Gesetzentwurf nicht drin. Natürlich würden bei brauchen und ich hier in Bonn bin. Das ist die wichtige uns die Frauen, die Eltern diese 1 000 DM nehmen! Grundlage, die eine Frau braucht, wenn sie sich in Denn es gibt ja nichts anderes. Denken Sie einmal an einer solchen Konfliktlage befindet. den Hilfsfonds für schwangere Frauen in Not! Da (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS wurden schon versprochene Zahlungen abgelehnt. 90/DIE GRÜNEN) (Zurufe von der CDU/CSU) Ich konnte ohne Druck selber entscheiden. Ich Mit derlei haben die Bürgerinnen und Bürger bei uns mußte ja die Konsequenzen tragen. Ich habe mich in der ehemaligen DDR schon schlechte Erfahrungen dann mit meinem Mann gemeinsam für das Kind gemacht. Deshalb heißt es: Wir brauchen Rechtsan- entschieden. Aber ich habe das nur deshalb getan, keine Verheißungen. Das ist wichtig. sprüche, weil ich mich frei und ohne Druck entscheiden konnte; (Beifall bei der SPD) denn wer mich kennt, weiß, daß er mich zu nichts Bewährt haben sich bei uns sichere Arbeitsplätze, zwingen kann. die Freistellung zur Pflege erkrankter Kinder, kosten- (Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Dietmar lose Verhütungsmittel. Ich hoffe, daß wir dieses in den Kansy [CDU/CSU]: Uns auch nicht!) nächsten Jahren mit Ihrer Hilfe gesetzlich festschrei- ben werden können. Wie aber sieht die Situation heute aus? Ich bin in die Nun möchte ich etwas zu Frau Brudlewsky sagen. Politik gegangen, weil ich mir von den kommunisti- Ich achte Ihre Haltung sehr. Doch, Frau Brudlewsky, schen Gerontokraten an der Spitze der DDR-Diktatur bedenken Sie folgendes: Sie sagten, „Verzicht", das damals nicht sagen lassen wollte, wie ich mein Leben sei eine schwere Vokabel für selbstbewußte Frauen. zu gestalten habe bzw. wer über mein Leben und das — Ich sage Ihnen: Gerade selbstbewußte Frauen sind Leben meiner Kinder entscheidet. diejenigen, die sich zutrauen, Kinder zu bekommen, Ich streite seit dieser Zeit für das Kindeswohl, und auch wenn sie alleinstehend sind, es sind die Frauen, ich streite dafür, daß es einen kindgerechten Umbau die sich zutrauen, auch in einer schwierigen Situation der Industriegesellschaft gibt. Ich muß Ihnen sagen: die Kinder auszutragen und mit ihnen zu leben. Ich bin von dieser Gesellschaft, die den Frauen eine (Beifall bei der SPD und bei der F.D.P.) hohe Arbeitslosigkeit zuweist, und zwar nicht nur im Ich glaube, Sie alle haben den Brief bekommen, den Osten, sondern auch im Westen, und den Lebensstan- eine alleinstehende Frau, die mit ihren vier Kindern in dard für die Frauen senkt oder sehr niedrig hält, Cottbus lebt, mir zugeleitet hat. Darin hat sie ihr maßlos enttäuscht. Es gibt die Gewalt gegen die Schicksal dargelegt und darum gebeten, hier für eine Frauen, den sexuellen Mißbrauch von Kindern, und Fristenregelung für die Frauen zu streiten, obwohl sie Männer verschwinden gerade dann, wenn man sie am persönlich in ihrer Konfliktsituation anders entschie- nötigsten braucht — und sei es nur, daß sie den den hat. Unterhalt zahlen sollten.

Herr Baum, Sie sagten, die DDR - Fristenregelung Es zeugt auch nicht von Toleranz, wenn die Lebens- sei für den Lebensschutz nicht hilfreich gewesen. Ich schützer behaupten, nur sie würden Leben schützen, muß Ihnen erwidern: Das war sie doch; denn daran weil sie das ungeborene Leben als schützenswert Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8317

Angelika Barbe beschwören. Ich frage mich nur, woher sie das Geld Schwangerschaft und Kinder können im menschli- für ihre teuren Kampagnen haben. chen Leben, wenn es normal und in sicheren Bahnen Gleichermaßen klage ich den Schutz des gebore- verläuft, zu den glücklichsten Ereignissen gehören. Ein Schwangerschaftsabbruch, gleich aus welchen nen Lebens ein. Dazu gehört auch die Verbesserung der Umwelt. Dazu gehört auch, daß die Tötung von Gründen, gehört immer zu den unglücklichen, tragi- Kindern bei Verkehrsunfällen beendet wird. schen Momenten. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Deshalb ist es unsere Aufgabe, Bedingungen zu Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schaffen, damit Schwangerschaftsabbrüche zu den NEN] und der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) Ausnahmen in den Lebensabläufen der Betroffenen gehören. Wir müssen aber gleichfalls Bedingungen Wenn Herr Waigel das ungeborene Leben mit dem dafür schaffen, daß die Kinder ein glückliches Leben Jäger 90 und dem Strafrecht schützen will, dann führen können, Bedingungen dafür, daß Kinder den antworte ich — so viel habe ich inzwischen von Müttern, den Eltern willkommen sind und mit Freude Marktwirtschaft auch schon gelernt —, daß der Schutz angenommen werden. Dies ist die Aufgabe des des geborenen Lebens ohne das Strafrecht und ohne Gesetzgebers. Hier hat er Vorsorge zu treffen; denn den Jäger 90 wesentlich billiger und ehrlicher zu Not- und Konfliktsituationen kann man nicht durch haben ist. Strafandrohung lösen und aus der Welt schaffen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch GRÜNEN und der PDS/Linke Liste) sind Erlebnisse, die tief in das psychische und physi- sche Leben einer Frau hineinwirken. Eine Schwan- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Barbe, Ihre gerschaft kann zu einer Not- und Konfliktsituation Redezeit ist zu Ende. führen, die, gleichgültig, wodurch sie bedingt ist, sehr oft als unlösbar und ausweglos erscheint.

Angelika Barbe (SPD): Nur noch ein Satz. (Beifall bei der F.D.P.) In einer freien Gesellschaft sollten Frauen von dem Hier muß unsere Hilfe einsetzen. Hier sind wir aufge- Verdacht, nicht verantwortungsbewußt entscheiden fordert, tätig zu werden — menschlich, medizinisch, zu können, freigesprochen werden. Ich frage Sie: psychisch und ganz besonders auch im sozialen Sollte etwa in die Geschichte eingehen, daß Frauen in Bereich. Diese Fürsorge muß ohne Zwang, ohne Deutschland nur während der kommunistischen Dik- seelischen Druck, ohne Kontrolle, ohne Strafandro- tatur als mündig galten, in einer Konfliktlage selber hung wirksam werden. Eine Strafandrohung löst diese ohne Strafrecht und ohne Beratungszwang zu ent- schweren menschlichen Probleme nicht. Sie ver- scheiden? Ich wünschte mir deshalb, daß der SPD- schlimmert sie nur. Entwurf heute die Mehrheit fände. Wenn wir Frauen Ein Schwangerschaftsabbruch ist für jede Frau ein allein entschieden, dann wäre es tatsächlich so. Dann tragisches Ereignis, in das sie mit ihrer ganzen Person hätten wir nämlich mindestens 77 Stimmen. voll verwickelt ist. Es wäre vermessen und anmaßend, (Beifall bei der SPD) wenn Außenstehende für sich in Anspruch nähmen, Aber dieser Wunsch wird heute noch nicht wahr. anstelle der Frauen hierüber zu entscheiden. Keine Deshalb werde ich dem Gruppenantrag zustimmen andere Person als nur die betroffene Frau selbst hat und weiter für die Abschaffung des § 218 streiten. das Recht, über ihr Leben, über ihr Schicksal und über das beginnende Leben in ihr zu entscheiden. Nie- Danke schön. mand darf sie entmündigen und entwürdigen, indem (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste man ihr die Verantwortung und die Entscheidung sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann abnimmt. Nur sie allein ist die Trägerin des entstehen- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) den Lebens, das ohne sie nicht werden kann, das ohne sie nicht existieren kann. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster Redner (Beifall bei der F.D.P.) spricht der Abgeordnete Dr. Klaus Röhl. In ihr selbst läuft der Entstehungsvorgang ab, also kann nur sie allein entscheiden, eine Entscheidung treffen. Alle Außenstehenden haben nur das Recht Dr. Klaus Röhl (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute eine der schwer- und die Pflicht, ihr zu einer richtigen Entscheidung wiegendsten Entscheidungen seit der Wiederherstel- über das werdende Leben zu verhelfen. lung der Einheit Deutschlands zu treffen — eine Wir als Gesetzgeber können und wollen das wer- Entscheidung von grundlegender Bedeutung für alle dende Leben schützen durch helfende Beratung, Bürgerinnen und auch Bürger unseres Landes, für die durch das Bereitstellen von sozialen Hilfen. Morali- aus den alten, vor allem aber auch für die aus den sche, ethische, weltanschauliche oder religiöse Auf- neuen Bundesländern. Es ist uns die Aufgabe gestellt, fassungen von einzelnen Menschen oder Gruppen für die in den alten und neuen Bundesländern beste- dürfen nicht mit Zwang oder Druck auf andere Men- henden unterschiedlichen Regelungen und Gesetze schen, die diese Ansichten nicht teilen, übertragen zum Schwangerschaftsabbruch ein einheitliches, für werden, wenn damit Grundrechte und Prinzipien der das gesamte Deutschland geltendes Recht zu finden. Demokratie verletzt werden. Das hat auch bei dem Das ist eine schwere und verantwortungsvolle Auf- heute zu entscheidenden Problem ungebrochene Gül- gabe von hoher menschlicher und rechtlicher Bedeu- tigkeit. Auch deshalb kann und muß die Entscheidung tung. für oder gegen eine Schwangerschaft letztlich nur der 8318 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Klaus Röhl Verantwortung der Frau überlassen bleiben. Diese schaft an sich ist ein Konflikt. Jede schwangere Frau Entscheidung kann und wird sie selbstverständlich sieht doch vor ihrem geistigen Auge ihren Sohn oder nur vor dem Hintergrund ihrer eigenen moralischen, ihre Tochter bereits mit der Schultüte in der Hand vor ethischen, weltanschaulichen oder religiösen Auffas- sich. Mit dieser schönen realen Zukunftsvision vor sung treffen. Niemand und kein Gesetz kann und will Augen treffen Frauen trotzdem die Entscheidung: eine Frau zu einem Schwangerschaftsabbruch zwin- „Ich kann dieses Kind jetzt nicht bekommen. Ich habe gen, aber ebenso kann und darf niemand ihr die keine Möglichkeit und damit kein Recht, diesem Kind eigene Entscheidung verwehren. jetzt Leben zu schenken", eine Entscheidung, die, Wir wollen alles in unserer Kraft Stehende tun, um weil nur durch einen medizinischen Eingriff realisier- das entstehende Leben zu schützen und ihm zu helfen. bar, stets das Risiko zukünftiger Unfruchtbarkeit bein- Diese Aufgabe kann nur gelingen, wenn wir ohne haltet. Zwang, ohne S trafe die besten Bedingungen für das Sie, meine Damen und Herren besonders auf dieser entstehende Leben schaffen. Seite, brauchen die Frauen, die Schwangerschaften Das wollen wir mit dem Gruppenantrag erreichen. erleben, nicht darüber aufzuklären, daß in ihnen Ich bitte Sie deshalb, für dieses Gesetz zu stimmen. Ich Leben entsteht. Die Frau spürt es, und sie entscheidet jedenfalls werde meine Stimme diesem Gruppenan- nicht über ein bißchen Zellgewebe, sondern über ihr trag geben. eigen Fleisch und Blut und über das Bild des kleinen niedlichen Babys, das sie vielleicht bekommen (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) könnte. Meine Herren, Sie sind hier in einer unerträglichen Als nächste spricht Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Arroganz anmaßend wie z. B. Herr Werner, wenn in die Abgeordnete Barbara Höll. dieser Art und Weise über Frauen geurteilt wird. Ich sehe sowohl in diesem Antrag als auch in dem Dr. Barbara Höll (PDS/Linke Liste): Frau Präsiden- CDU-Antrag und in dem Gruppenantrag eine hehre tin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen hier über Pflicht verwirklicht, daß die schwangere Frau, die sich den natürlichen Vorgang der Schwangerschaft, zu in einer solchen Lage befindet, in der sie sagt, sie dem sich die Menschen als denkende Wesen, der könne das Kind nicht bekommen, zu einer Beratung einzigen Spezies auf unserer Erde, die Vernunft gezwungen werden soll. Das heißt, Sie alle sind der hervorgebracht hat, mehr oder weniger bewußt ver- Meinung, daß die Frau in dieser Lage allein nicht fähig halten. ist, verantwortungsbewußt zu entscheiden. Das Verhältnis zur Schwangerschaft ist gesell- schaftlich eingebunden: in die sozialen Strukturen Für mich ist das der pure Geist des Mittelalters, ein von der Familie bis zur Arbeitswelt, in die geltenden Frauenbild, welches unter der Hand beinhaltet: Wenn sozialen und individuellen Werte und Normen bis zur Gott nun schon leider die Frauen zum Werkzeug der Sexualität, und, da nun mal nur Frauen Kinder gebä- Arterhaltung auserkoren hat, so muß der Mann diese seine Erzeugerrolle als Allesentscheidender wenig- ren können, insbesondere in die gesellschaftliche- Stellung zur Frau. stens über patriarchale Machtstrukturen ausüben. Nur er kann letztendlich über Leben oder Tod eines Für mich ist hierbei sehr bemerkenswert, daß wir neuen Kindes entscheiden. konkret in Deutschland doch den sehr perversen Zustand haben, daß Frauen kaum noch zu dem (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wo leben biologisch günstigsten Zeitpunkt Kinder gebären, Sie denn?) weil Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse, materielle Im Mittelalter durften Ehemänner teilweise gebo- Sicherheit und Kinderbetreuung dies nicht gestatten, rene unerwünschte Kinder töten. Hexen können und daß zunehmend mehr Frauen erst jenseits des heute nicht mehr verbrannt werden, aber die Männer 30. Lebensjahres die Realisierung des Kinderwun- diskriminieren und kriminalisieren mit Hilfe des von sches in ihre reale Lebensplanung aufnehmen können Ihnen dominierten Staates die Frauen. Davon zeugt und sie es dann erst oft nach Durchleiden vieler die Besetzung dieses Parlaments. Torturen tatsächlich noch schaffen, ein Kind zu bekommen. Herrschende politische Meinungen, insbesondere von CDU und CSU, unterstellen Frauen Verantwor- Da ich als „Ossi" bzw. ,,Neu-Wessi" gelernt habe, tungslosigkeit und stempeln sie zu potentiellen Mör- daß sich in dieser Gesellschaft möglichst alles rechnen derinnen. soll, ist es nebenbei auch für die Gesellschaft effekti- ver, anstelle in Größenordnungen Geld für künstliche Wer tut denn hier was? Das ist eine eindeutige Befruchtung oder Verpflanzung fremder Eizellen aus- Umkehrung der Beweislastpflicht. Eine Frau wird zugeben, Bedingungen zu gestalten, die es Frauen bis immer noch geschwängert. Sie ist Opfer in mindestens Mitte zwanzig ermöglichen, ihren Kinderwunsch zu dreifacher Hinsicht: als Opfer der Verantwortungslo- erfüllen. sigkeit der Männer, die ungeschützten Geschlechts- Nun sprechen wir heute darüber, wie der Staat verkehr ausüben, als Opfer biologischen Versagens damit umgehen soll, wenn sich schwangere Frauen bei Eintritt einer Schwangerschaft trotz Verhütung nicht dazu in der Lage sehen, ihr Kind zu gebären. Das und als Opfer einer kinder- und frauenfeindlichen ist dann der „Schwangerschaftskonflikt". Gesellschaft. Ich halte bereits die erfolgte Einbürgerung dieses Bitte antworten Sie: Welche Frau handelt verant- Begriffs für einen schweren Fehler, für den die Politik wortungslos? — Diejenige, die gottgewollt ein Kind verantwortlich zeichnet; denn nicht die Schwanger nach dem anderen gebiert, oder diejenige, die über- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8319

Dr. Barbara Höll legt: Was bedeutet es für mein Kind, mit seinem In dieser Hinsicht möchte ich mich ausdrücklich bei Eintritt ins Leben Empfänger von Almosen wie der meinen Wählerinnen und Wählern dafür entschuldi- Sozialhilfe zu werden und mit diesem Stigma aufzu- gen, daß ich annahm, an einer Gesetzesregelung zum wachsen? Was bedeutet es für mein Kind, letztendlich Schwangerschaftsabbruch mitwirken zu können, die Ursache für konkrete Wohnungsnot zu sein, wenn die Rechtslage in beiden Teilen Deutschlands verbes- Vermieter Mütter mit Kindern nicht wollen? Was sert, so wie es der Einigungsvertrag festschreibt. bedeutet es für mein Kind und mich als Frau real, doch Darum ging es in der Arbeit des Sonderausschusses nur eine kleine Pappfigur für geplante militärische bei vielen Mitgliedern leider nicht. Es ging vielmehr Einsätze, eben auch deutscher Truppen — ich erin- um die Festschreibung eines reaktionären, überhol- nere dabei nur an die WEU-Tagung vom letzten ten Frauenbildes, was durch sozialbegleitende Maß- Wochenende in Bonn — zu sein? Was bedeutet das nahmen bemäntelt wird, die damit wieder nur an die Kind für mein eigenes Leben, als Mensch, als Frau? Frauen gebunden sind. Außerdem bleiben sie tatsäch- lich noch weit hinter dem Niveau der ehemaligen DDR Die Schamlosigkeit dieses Herangehens, einer Frau zurück, was ja unsere erste Rednerin, Pe tra Bläss, die Fähigkeit abzusprechen, verantwortungsbewußt eindeutig nachgewiesen hat. und selbstbestimmt über ihre Schwangerschaft ent- scheiden zu wollen und zu können, ist eigentlich (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ kaum noch zu übertreffen. Wenn überhaupt Bera- CSU]: Redezeit!) tungszwang existiert, so wäre es notwendig gewesen, Mit Hilfe der Neuregelung des § 218 wird im den Gedanken von Frau Dobberthien aus der ersten deutschen Parlament versucht, insbesondere den Lesung vom September aufzugreifen, nämlich den Frauen aus der ehemaligen DDR ihre erreichte Selbst- Beratungszwang für Männer vor jedem Geschlechts- bestimmung in allen Bereichen des Lebens zu neh- akt, bei dem sie nicht für Schutz sorgen, und, damit er men. Wenn ich es nicht so bitter erfahren hätte: Dies ist wirksam ist, bitte vor jedem. für mich ungeheuerlich. Die erste Rednerin des heutigen Tages, Frau Kar- watzki, unterstellte den Anträgen von PDS/Linke Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Dr. Höll, Ihre Liste und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sie würden nur Redezeit ist zu Ende. noch vom Selbstbestimmungsrecht der Frauen ausge- hen und die ethische Konfliktlage, die bei einem geplanten Abort vorliegt, nicht beachten. Was berech- Dr. Barbara Höll (PDS/Linke Liste): Noch einen tigt Sie überhaupt, zu trennen und gegenüberzustel- Satz: len? Falls nur Sie in solchen Gegensätzen denken Dieses Frauenbild harmoniert auch überhaupt nicht können, unterstellen Sie bitte Ihre Beschränktheit mit dem Gedanken der europäischen Einigung. Es nicht noch anderen. Hat denn eine Frau a priori keine gab 1981 und 1990 Entschließungen im Europäischen ethischen Normen und Werte? Dies gipfelt dann des Parlament. Deutschland, Irland und Spanien bilden öfteren in Diskussionen und Feststellungen uns die Schlußlichter in diesem Prozeß, obwohl sie bei gegenüber, daß wir damit gleich zu einer Abtreibung militärischen Fragen immer die Vorreiterrolle ha- im achten oder neunten Monat die Erlaubnis geben ben. können. Ich danke Ihnen. Abgesehen davon, daß dies in medizinischer Hin- sicht blanker Unsinn ist — ab einem bestimmten (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Zeitpunkt handelt es sich um eine frühzeitige Geburt; für Ärzte und Frauen kann es tatsächlich dazu kom- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht men, daß sie sich zu solch einem Eingriff unter der Abgeordnete Friedbert Pflüger. medizinischen Aspekten in Ausnahmesituationen entscheiden müssen —: Was unterstellen Sie damit Frauen überhaupt? — Was unterstellen Sie Frauen, Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! die jahrhundertelang, bis heute dazu verdammt sind, Meine Damen und Herren! Vorhin ist in der Rede der Kinder zu gebären, aufzuziehen und erleiden zu Kollegin Schenk ein Begriff gefallen, mit dem sie sich müssen, wie diese ihre Kinder sinnlos in Kriegen, in nicht identifiziert hat, der aber dennoch hier einer von Männern geführten Kriegen — ob unter religiöser weiteren Erwähnung wert ist, nämlich der Beg riff Zielstellung oder, wie beim Golfkrieg, für pures Öl —, „parasitärer Zellklumpen" für ungeborenes Leben. sterben müssen? Ich finde es wichtig, daß man noch einmal feststellt — jedenfalls ist das meine Beobachtung gewesen —: In der Debatte des vergangenen Jahres bin ich für Keiner, der dem Gruppenantrag zustimmt, ist der eine gesetzlich geregelte Fristenlösung eines auf Auffassung, daß das eine richtige, auch nur an- breiter gesellschaftlicher Basis getragenen Kompro- nähernd richtige Beschreibung dessen ist, worum es misses zur Lösung der Konfliktlage der Frau eingetre- heute in dieser Diskussion geht. ten. Besonders durch meine Mitarbeit im Sonderaus- schuß habe ich jedoch in einem sehr schmerzlichen (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der Prozeß die bittere Erfahrung machen müssen, daß ich SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die tatsächlich völlig andere Stellung der Frau in der Damit haben wir nichts zu tun. auf uns überkommenen Bundesrepublik noch nicht Aber wir haben auch nichts mit denjenigen zu tun, erfahren hatte. die sagen: „Fristenlösung ist gleich Endlösung" oder (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ „Abtreibung ist Auschwitz". Auch solche B riefe CSU]: Die Redezeit ist um!) haben wir bekommen, wie Sie wissen. Ich finde 8320 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Friedbert Pflüger — auch das muß man klar und deutlich sagen —, daß Wenn Vertreter der katholischen Kirche nun andro- auch das nicht in eine sachliche Debatte gehört. hen, ihre Beratungsdienste zu verweigern, wenn der Gruppenantrag durchkommt, (Beifall im ganzen Hause) (Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/ Ich finde es gut, daß — jedenfalls soweit ich die CSU]: So ist es auch nicht!) Diskussion hier im Hause beobachtet habe — solche Töne sowohl von der einen wie von der anderen Seite so frage ich mich, ob sich das wirklich mit dem Auftrag nicht oder so gut wie nicht zu hören waren. Ich meine, der Kirche vereinbaren läßt. Ich hatte ihn bislang so das ist für dieses Haus und für diese Diskussion gut. verstanden, daß jeder Mensch, gleich in welcher Von daher kann man vielleicht auch sagen: So sehr Rechtsordnung er lebt, Anspruch auf Beratung und sind der Wertkonsens und das Wertekoordinatensy- Hilfe der Kirche hat. Ich finde, diese sollten wir unter stem doch gar nicht außer Rand und B and geraten, wie keinen Umständen den Menschen verwehren. das der eine oder andere behauptet. Ich finde, wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und haben hier eine verantwortliche Debatte geführt, wie bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE man Lebensschutz am besten verwirklichen kann. GRÜNEN) Das spricht für dieses Haus, meine Damen und Her- Der Staat hat eine Schutzpflicht für das ungeborene ren. Leben. Aber Schutzpflicht heißt nicht Strafpflicht. (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten SPD) der F.D.P.) Ich glaube, daß das geltende Indikationsmodell In erster Linie — da sind wir uns weitgehend einig — nicht geeignet war, die Anzahl der Abbrüche zu kommt es auf Einsicht in den Wert des ungeborenen verringern. Was dagegen de facto gefördert worden Lebens, auf die sozialen Bedingungen, die Kinder- ist, das war Abtreibungstourismus ins Ausland. freundlichkeit an. (Zuruf von der SPD: So ist es!) Ich bin gegen ein Recht auf Abtreibung. Sie ist nicht Wenn wir nun daran anknüpfen und eine Moral ein verspätetes Verhütungsmittel. festschreiben, die die Realität nicht berücksichtigt, (Claus Jäger [CDU/CSU]: Im Entwurf steht es dann würden wir unserer Verantwortung heute nicht aber so!) gerecht. Dann geben wir eine Form, die leer bleibt. Aber nicht jedes sittlich gebotene Verhalten läßt sich Dann droht das Strafrecht zu einem Alibi zu denatu- mit der Androhung von Strafen erzwingen. Umge- rieren. Wir müßten uns dann den Vorwurf gefallen kehrt ist ein Verhalten nicht automatisch dadurch lassen, es uns zu leicht zu machen. gerechtfertigt, daß es nicht bestraft wird. Ich setze mich für eine Regelung ein, die dazu führt, Ich vertraue auf die verantwortliche Entscheidung daß wir Leben wirksam schützen. Aber das ist nur im der Frau. Zusammenwirken mit der Frau, niemals gegen die Frau möglich. Die Beziehung zwischen Mutter und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Kind ist mit so weitreichenden Pflichten verbunden, bei der SPD, der F.D.P. und dem BÜND daß sie nur freiwillig übernommen werden kann. NIS 90/DIE GRÜNEN) In diesem Sinne hat z. B. der katholische Moraltheo- Warum eigentlich sollte irgend jemand anders verant- loge Professor Reiter bei der Sachverständigenanhö- wortlicher entscheiden als sie? rung argumentiert. Er hat gesagt — ich zitiere —: Ich komme zum Schluß: Es fällt nie leicht, gegen die Letztlich hängt alles davon ab, daß die schwan-- Mehrheit der eigenen Fraktion zu stimmen; das ist gere Frau das in ihr wachsende Leben annimmt doch ganz klar. Aber heute geht es nicht um Partei- und bejaht. Ihr „Ja" zum Kind kann nicht ersetzt kämpfe, sondern um eine Gewissensentscheidung. und nicht vertreten werden. Wenn wir hier eine Mehrheit finden wollen, dann muß parteiübergreifend gedacht werden. Das ist sozusa- Das sagt ein katholischer Moraltheologe. Ich finde gen naturgemäß notwendig, wenn wir uns entschei- das, was er gesagt hat, völlig richtig. den wollen. (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der SPD — Claus Jäger [CDU/CSU]: Herr Pflü- F.D.P.) ger, Sie haben völlig recht! Aber Sie ziehen Deshalb, glaube ich, haben wir in der Union, die wir daraus die falschen Konsequenzen!) uns für den Gruppenantrag ausgesprochen haben, Meine Damen und Herren, auf Grund dieser richtig gehandelt. Wir nehmen für uns in Anspruch, Erkenntnis stellt sich für uns jetzt doch die Frage: ihn wesentlich verbessert und dafür gesorgt zu haben, Setzen wir nun die betroffenen Frauen oder die Ärzte daß er verfassungskonform ist. einer Strafandrohung aus und lassen sie im übrigen Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. allein? Oder wenden wir uns den Frauen zu, indem wir ihnen erlauben, angstfrei eine Beratung aufzusuchen? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und In nahezu allen Fällen befinden sich die betroffenen bei der SPD, der F.D.P. und dem BÜND Frauen in einer Situation, die ihnen ausweglos NIS 90/DIE GRÜNEN) erscheint. Nur wer nicht vom S trafrecht bedroht wird, ist offen für Beratung; denn eine solche Beratung schafft Mut zum Kind. Nur dann können wir hoffen, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächstes spricht daß sich die Frau wirklich für das Kind entscheidet. die Abgeordnete Margot von Renesse. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8321

Margot von Renesse (SPD): Verehrte Frau Präsi- kann, und zwar nicht nur unter Verletzung des Kör- dentin! Meine Damen und Herren! Lasssen Sie mich pers, sondern auch der Seele. Wenn aber eine Frau das bei aller Leidenschaft, die auch mich bei diesem Interesse für ihr Kind, den Schutzwillen, den ihr das Thema ergreift, ein bißchen zu nüchternen Argumen- Bundesverfassungsgericht auch zuerkannt hat und tationen zurückkehren. Ich erspare Ihnen die Begrün- von dem es nur fürchtet, er sei vielleicht verlorenge- dung meines Bekenntnisses zum Gruppenantrag. gangen, aber den es doch zumindest immerhin einmal Mir geht es um zwei Unterschiede zwischen Grup- gegeben haben muß, verkörpert — und das tut sie, die penantrag und CDU/CSU- bzw. Werner-Entwurf, sie neun Monate lang 24 Stunden im Dienst ist —, worin sich, glaube ich, eine Menge der relevanten dann ist die Vorstellung von der Waage, bei der sich Unterschiede erkennen lassen. auf der einen Seite die Frau und auf der anderen Seite das Kind befindet, total verkehrt, weil sie physiolo- Erstens. Fristen beinhalten alle Entwürfe; einge- gisch gar nicht existent ist. schränkte Strafbarkeit nach Fristen beinhalten alle. Daraus den Schluß zu ziehen, die einen seien weniger (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des am Schutz des Lebens interessiert als die anderen, ist Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/ darum nicht zulässig. DIE GRÜNEN]) Zweitens. Die grundsätzliche Strafbarkeit beinhal- Lassen Sie mich ein Zweites sagen. Eine Entschei- ten auch alle Entwürfe, allerdings mit jeweils unter- dung im Sinne einer richterlichen Entscheidung — schiedlichen Rechtsfolgen, die an Fristen angeknüpft letzten Endes entscheiden nicht die Weiß-, sondern sind. Wo liegen also die wirklichen Unterschiede? die Schwarzkittel — über das objektiv Richtige ist nur denkbar, wenn das objektiv Richtige findbar ist. Aber Beim Gruppenentwurf entscheidet die Frau; das ist es sind sich alle darüber im klaren, daß es das objektiv hier mehrfach gesagt worden. Richtige — wenn überhaupt — nur bei Gott gibt, aber (Herbert We rner [Ulm] [CDU/CSU]: Das ist doch nicht bei den Menschen in einem solchen der entscheidende Punkt!) Konflikt. — Das ist einer der entscheidenden Punkte, Herr (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wo ist das Werner. Ich erlaube mir, ein Argument für Ihre Mei- bei Mord der Fall?) nung anzuführen, das mir qualifizierter erscheint als das, was ich dazu bisher hier gehört habe. Wenn die Menschen das objektiv Richtige nicht fin- den können, denn Gott ist ein Freund des Lebens — es Wenn das, was z. B. Frau Rönsch gesagt hat — es sei ist mehrfach davon gesprochen worden, daß die eine Form von Hilfe für die Schwachen, die Frauen, Notlage einer schwangeren Frau nicht nachvollzieh- die die Entscheidungen, wie wir alle wissen, zu tragen bar sei und nicht beurteilt werden könne; es war die und auszutragen haben, ihnen diese aus der Hand zu Rede von der hochgradigen Relativität und von der nehmen —, richtig ist und nach diesem Prinzip Hilfe fehlenden Überprüfbarkeit —, dann gibt es auch nicht geleistet werden soll, dann werden wir bald ein Volk den Befangenheitskonflikt, und dann ist schon gar von Entmündigten sein. nicht möglich, was nach dem Mehrheitsentwurf mög- (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) lich ist, nämlich daß der Arzt eines Tages möglicher- Wenn in Krisen schwerwiegende Entscheidungen weise zwar nicht über die Notlage von Frau A, aber zu treffen sind, ziehen wir als Staat, als Gesetzgeber darüber entscheidet, ob sich Herr Doktor B darüber im daraus in der Regel nicht die Folgerung, daß wir die klaren sein konnte, daß sich Frau A in einer Notlage Betroffenen entmündigen. Das ist nicht üblich und befindet. Dazu müßte der Richter die Kriterien einer wird auch sonst so nicht gesagt. Notlage kennen; er müßte außerdem die Kriterien - kennen, an Hand deren der Arzt eine solche Entschei- Aber es gibt ein Qualitätsargument; lassen Sie es dung treffen kann. Das ist unmöglich. mich für Sie sagen: Es gibt nämlich das Argument der Besorgnis der Befangenheit, nämlich daß der oder die Der letzte Grund dafür, weshalb das nicht möglich nicht ohne Verstoß gegen die Würde entscheiden ist, ist schlicht und einfach der, meine Damen und könne, der oder die seinerseits in dem Interessenkon- Herren — auch das ist hier mehrfach gesagt worden —: flikt, um den es geht, befangen, nämlich Träger von Es ist einfach so. Die letzte Entscheidung liegt bei der Interessen ist. Ist das ein gutes Argument? — Ich Frau. Daran kommen Sie nur vorbei, indem Sie denke doch. Geßlerhüte aufrichten, und dafür ist das Strafrecht nicht da. Trotzdem zieht es hier nicht. Es zieht deshalb nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der — lassen Sie mich das als erstes sagen; das ist das F.D.P. und des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜND grundsätzliche offensichtliche Unverständnis insbe- NIS 90/DIE GRÜNEN]) sondere von Männern gegenüber Frauen, die schwan- ger sind; ich weiß darüber einiges, weil ich schwanger Ein letztes Wort noch Frau Präsidentin. Ein katholi- war —, weil nämlich die Frau, die Trägerin ihrer scher Moraltheologe hat einmal in einer Podiumsdis- eigenen Interessen ist, gleichzeitig nicht umhinkann, kussion, an der ich teilgenommen habe, ein so phan- auch Interessenträgerin, im wahrsten Sinne des Wor- tastisches christliches Wort gesagt, daß ich es hier tes: verkörpertes Interesse des Kindes zu sein. Sie wiederholen möchte: „Ein Christ ist nicht interessiert verkörpert beide Interessenlagen. am Strafen." Der Tatbestand des Schwangerschaftsabbruchs ist, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wenn es um den Selbstabbruch geht, wahrscheinlich der F.D.P., der PDS/Linke Liste und des Abg. der einzige im ganzen Strafgesetzbuch, den eine Dr. Wolfgang Ullman [BÜNDNIS 90/DIE Täterin nur unter massiver Selbstverletzung begehen GRÜNEN]) 8322 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht Wenn ich die übrigen Anträge — mit Ausnahme des der Abgeordnete Wolfgang Ehlers. Antrages des Kollegen Herbert Werner — betrachte, so kann ich nicht umhin, festzustellen, daß diese den Vorgaben des Einigungsvertrages nicht entsprechen. Bei Annahme eines dieser Anträge würde sich kein besserer Schutz des ungeborenen Lebens ergeben. Wolfgang Ehlers (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute stehen wir Parla- (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) mentarier vor der wohl kompliziertesten Entschei- Der CDU/CSU-Gesetzentwurf bietet ein ref ormier- dung, die von jedem Abgeordneten dieses Hohen tes Indikationenmodell an, insbesondere durch die Hauses nur seinem Gewissen folgend getroffen wer- Aufnahme der psychosozialen Indikation. den kann. Aus Respekt vor dieser Gewissensentschei- Darüber hinaus ist für mich die Frage nach dem Ziel dung einer jeden Kollegin und eines jeden Kollegen einer Beratung der Schwangeren sehr entscheidend. gehe ich bewußt nicht ausführlich auf die Gesetzent- Hat die Beratung wie nach dem Entwurf der Union die würfe ein, die ich nicht akzeptieren kann. Ich widme Aufgabe, die Schwangere zur Fortsetzung der mich demzufolge vorrangig dem Gesetzentwurf der Schwangerschaft zu ermutigen, oder hat die Schwan- CDU/CSU-Fraktion. gere wie nach dem SPD/F.D.P.-Antrag lediglich eine Er kam als ein Kompromiß zustande, um dem umfassende medizinische, soziale und juristische Deutschen Bundestag einen mehrheitsfähigen Ent- Information im Rahmen der Beratung zu erhalten? wurf vorlegen zu können, der dem Auftrag des Eini- Eine solche Beratung, mit der kein Ziel angestrebt gungsvertrages gerecht wird, nämlich eine bessere wird, meine Damen und Herren, ist in meinen Augen Lösung zum Schutz des ungeborenen Lebens in ganz keine Beratung zum Schutz des Lebens. Deutschland zu finden, als sie gegenwärtig noch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) besteht. Noch eine letzte, hoffentlich zum Nachdenken Meine christliche Überzeugung von der Unverfüg- anregende Bemerkung: Ich habe mir — nicht nur barkeit menschlichen Lebens kommt bei Betrachtung heute, sondern auch in den letzten Tagen, Wochen aller Entwürfe am besten in diesem Gesetzentwurf der und Monaten — häufig die Frage gestellt, wer Men- CDU/CSU-Fraktion zum Ausdruck. In ihm wird das schen das Recht gibt — Ausnahmen sind für mich die ungeborene Leben unter den Schutz der Rechtsord- im Unionsentwurf enthaltenen Notlagen —, über nung gestellt; zugleich werden schwerwiegende Kon- ungeborenes Leben, das aber eben auch bereits flikte betroffener Frauen ernst genommen. Erfreulich Leben ist, zu verfügen. Kein Mitglied dieses Hauses sind für mich als Bürger aus den neuen Bundesländern würde doch auf die Idee kommen, über die weitere auch die verbesserten Rahmenbedingungen für eine Existenz von geborenem menschlichen Leben ent- Entscheidung zum Kind wie finanzielle Leistungen im scheiden zu wollen. Aber das ungeborene Leben wird, Bereich der Familien- und Sozialpolitik, der flächen- zumindest in den ersten zwölf Wochen, zur Disposition deckende Ausbau der Schwangerenberatungsstellen gestellt. und die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrich- Ich werfe für mich und alle Christen hier im Hause tungen. die Frage auf: Bestehen wir mit einer befristeten Freigabe von Leben vor unserem Gewissen und vor (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: So ist Gott? Ich sage dazu: nein. es!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meiner Meinung nach muß jedes menschliche Leben, geborenes und ungeborenes Leben, einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz durch Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht den Staat haben. Eva-Maria Kors. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eva-Maria Kors (CDU/CSU): Verehrte Frau Präsi- Dabei gehe ich, meine Damen und Herren, für mich dentin! Meine Damen und Herren! In den wenigen von folgenden Prämissen aus: Ein Schwangerschafts- Minuten meiner Redezeit will ich mich mit einem abbruch ist als Tötung von Leben grundsätzlich ein zu einzigen, allerdings wesentlichen Bestandteil des mißbilligendes Unrecht. Ungeborenes Leben ist durch Gesetzentwurfs der CDU/CSU-Fraktion und des staatliche Maßnahmen zu schützen. Das bedeutet für Gruppenantrags befassen. Das ist die Beratung. mich auch die Einbeziehung des S trafrechts. Schließ- Wir alle wissen, daß die Frau bei einer ungewollten lich: Für die gesamte Dauer der Schwangerschaft gilt Schwangerschaft in eine schwere Notlage geraten der Vorrang des Lebensrechts des Ungeborenen vor kann. In vielen Fällen wird sie vom Partner oder von dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. Das schließt ihrem unmittelbaren Umfeld unter schweren psychi- für mich jegliche Art von Fristenregelung aus. schen Druck gesetzt. Dann braucht die Frau umfas- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sende Hilfe. Dazu gehört vor allem auch das wirklich helfende Beratungsgespräch. Was ich auf Grund von aktuellen Diskussionen, Im Gruppenentwurf ist nach meiner Auffassung die auch aus meinem Wahlkreis in Westmecklenburg, für Beratung in ihrer Kernaussage auf eine Information äußerst wichtig erachte: Der Schwangerschaftsab- reduziert. Damit bekommt die Selbstbestimmung der bruch darf im geeinten Deutschland niemals zu einem Frau Vorrang vor dem Lebensrecht des ungeborenen Schwangerschaftsverhütungsmittel werden. Kindes. Dies ist auch logisch bei der Fristenregelung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) im Gruppenentwurf, der die Entscheidung zum Deutscher Bundestag 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8323

Eva-Maria Kors Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wo- trag beinhaltet, kann ich mit meinem Gewissen nicht chen allein der Frau überträgt. vereinbaren, auch wenn diese meine Einstellung vielleicht gegen den Zeitgeist verstoßen mag. Ich Eine Beratung, die im Kern nur eine Informations- werde deshalb für den CDU/CSU-Fraktionsentwurf pflicht beinhaltet, verzichtet aber auf ein wesentliches stimmen. Element einer Beratung, nämlich auf die, wie die Fachleute sagen, Exploration, d. h. auf die Befragung, Ich danke Ihnen. wenn Sie so wollen, das Nachfragen nach den Ursa- (Beifall bei der CDU/CSU) chen des Konfliktes durch die Berate rin oder durch den Berater. Daß dies auch so gewollt ist, bestätigen die heutigen Äußerungen von führenden Vertreterin- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächste hat nen des Gruppenantrages, die klar sagen, daß die unsere Kollegin Barbara Weiler das Wort. Frau ihre persönlichen Probleme nicht darzulegen braucht. Diese persönlichen Probleme aber, meine Damen und Herren, sind doch in vielen Fällen gerade Barbara Weiler (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kol- die Ursache für die schwere Konfliktsituation. leginnen und Kollegen! Bundespräsident Richard von (Beifall bei der CDU/CSU — Claus Jäger Weizsäcker hat uns vor einigen Tagen gemahnt, zu [CDU/CSU]: Sehr richtig!) bedenken, daß Politiker nicht allein Vertreter ihrer Partei, sondern Vertreter des Volkes seien. Bei weni- Der CDU/CSU-Entwurf gibt dagegen ein klares gen Debatten ist diese Mahnung so angebracht wie Beratungsziel vor: die Schwangere zur Fortsetzung bei der heutigen Verabschiedung des Gesetzes zur der Schwangerschaft zu ermutigen, dazu beizutra- Neuregelung des § 218. gen, die bestehende Notlage oder innere Konfliktsi- Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, unab- tuation zu bewältigen und Perspektiven für ein hängig davon, ob sie im Osten oder im Westen gemeinsames Leben mit dem Kind zu eröffnen. Deutschlands leben, erwartet zwei wichtige Verände- Ich bin mir aus vielen Gesprächen mit Beraterinnen rungen: erstens die Straffreiheit der Schwangeren bei darüber im klaren, daß eine Beratungspflicht und die Abbruch während der ersten drei Monate und zwei- Vorgabe eines Beratungsziels für den Einstieg in ein tens die eigenverantwortliche Entscheidung der Beratungsgespräch erschwerend sein können. Diese Frau. mögliche Erschwernis ist aber nach meiner Auffas- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sung sowohl für das Beratungspersonal als auch für der F.D.P. und des Abg. Dr. Wolfg ang Ull die schwangere Frau zumutbar, denn schließlich geht mann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) es hier nicht um die Erfüllung einer Informations- pflicht, sondern um eine wirkliche Beratung für die Im Bewußtsein dieses Konsenses in der Bevölke- Frau und insbesondere um den Schutz des elementa- rung bereitet es mir Angst, mit welch militantem Eifer ren Rechtes des ungeborenen Kindes auf Leben. die selbsternannten Lebensschützer und auch einige katholische Würdenträger, voran der Fuldaer Bischof (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dyba, gegen die geplante Neuregelung polemisieren. Sogar die heute geltende Indikationsregelung wird als ( Vorsitz: Vizepräsidentin Renate Schmidt) „allgemeine Tötungslizenz" verurteilt, und es wird Die Beratungspflicht und die Vorgabe des Beratungs- der Abschied vom Rechtsstaat vorausgesagt, falls der zieles sind bei uns im CDU/CSU-Entwurf die logische Souverän, der Deutsche Bundestag, sich heute für Konsequenz, denn bei uns ist ein Abbruch nur bei eine Fristenregelung entscheidet. schwerster Notlage der Frau zulässig. Mit völligem Unverständnis habe ich vom erneuten In einer solchen Situa tion braucht die schwangere Glockenläuten heute morgen im Bistum Fulda gehört. Frau umfassende Hilfen, eine menschliche Beglei- Ich bin erleichtert, daß sich andere Kirchengemeinden tung, deren Umfang meiner Meinung nach allerdings dem nicht angeschlossen haben. auch weit, weit über alle Möglichkeiten von Gesetz- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolf entwürfen hinausgehen muß. Dem Schutz des unge- gang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] borenen Kindes und damit auch dem Schutz der — Zuruf von der CDU/CSU: Bei uns läuten Mutter ist nicht nur der Gesetzgeber verpflichtet, die Glocken jeden Tag!) sondern auch alle gesellschaftlichen Gruppen, die Wie wohltuend ist vor diesem Hintergrund die Kirchen, ja jeder einzelne. Dabei ist es sicherlich auch Äußerung des Prälaten Paul Bocklet vom Kommissa- einmal lohnenswert, darüber nachzudenken und dar- riat der katholischen Bischöfe. Er bietet beim Aufbau über zu diskutieren, welche gesellschaftliche Aner- der Beratungsstellen im Osten Hilfe an. Ich richte an kennung jene bei uns genießen, die eine schwangere dieser Stelle eine Bitte an die Vertreter der Kirche: Frau unter Druck setzen und sie so in eine Konfliktsi- Helfen Sie mit, das antiquierte Bild der Frau in Ihren tuation bringen. Reihen zu korrigieren. Lassen Sie mich zum Abschluß eine persönliche (Beifall bei der SPD, der F.D.P. und der Bemerkung machen. Auch wenn ich sie nicht nach- PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten des vollziehen kann, habe ich gerade als katholische BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Christin die Gewissensentscheidung Andersdenken-- Denn vor allem in ländlichen Regionen werden ledige der immer respektiert. Das gleiche wünsche ich mir Mütter immer noch geschnitten und ausgegrenzt. aber auch umgekehrt. Denn, meine Damen und Herren, eine Fristenlösung, wie sie der Gruppenan- (Zustimmung bei der SPD und der F.D.P.) 8324 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Barbara Weiler Ein Mann, der unehelich geboren wurde, konnte Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächste hat übrigens bis in die 70er Jahre nicht P riester werden. die Kollegin Dr. Sigrid Semper das Wort. Das Spießrutenlaufen für die Frauen, die nicht verhei- ratet sind und schwanger werden, ist auch im 20. Jahr- hundert noch nicht vorbei. Wenn wir ihnen helfen, Dr. Sigrid Semper (F.D.P.): Frau Präsidentin! Liebe dann helfen wir auch dem werdenden Leben. Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wenn wir heute über Wir Sozialdemokraten wollen mit den Kirchen im die Neuregelung der Rechtslage im Zusammenhang Gespräch bleiben. Denn wir müssen darüber reden, mit Schwangerschaftskonflikten befinden, so schlie- wie wir die Gesellschaft gestalten, wie wir die recht- ßen wir hoffentlich eine in einigen Bereichen peinli- lichen und weiteren sozialen Rahmenbedingungen che und für mich unverständliche Diskussion über schaffen wollen. Das ist die Aufgabe, vor der wir erst dieses Thema ab. Eine Neuregelung der in den neuen nach Verabschiedung des Gesetzes stehen. und in den alten Bundesländern unterschiedlichen Vorschriften zum Schwangerschaftsabbruch ist nach Das bedeutet aber auch, daß diese Debatte in dem Einigungsvertrag nicht nur rechtlich geboten, demokratisch-fairer Streitkultur und nicht in der ver- sondern in Anbetracht der unzulänglichen Regelung gifteten Atmosphäre selbsternannter Lebensschützer in den alten Bundesländern auch wünschenswert. geführt wird. Denn die dort geltende Indikationsregelung ist eine (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und nicht länger hinzunehmende Entmündigung der dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei betroffenen Frauen. Diese Tendenz der Entmündi- Abgeordneten der F.D.P.) gung der Frauen wurde in der öffentlichen Diskussion verbal munter weiterbetrieben. Ein kategorisches Nein ist keine Hilfe beim Dialog. Sachlich unangebracht finde ich vor allem den Ein weiterer Grund für meine Zustimmung zu dem Versuch, Vertreter einer Fristenregelung als unver- Gruppenentwurf ist das Angebot einer flächendek- antwortlich, gewissenlos und sich als Richter über kenden Beratung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Leben und Tod aufspielend abzuqualifizieren. der Debatte über die unterschiedlichen Regelungen in (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der Ost- und Westdeutschland wird vielfach vergessen, PDS/Linke Liste sowie des Abg. Dr. Wolf- daß auch im Westen eine große Diskrepanz zwischen gang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Nord und Süd, zwischen Stadt und Land besteht. NEN]) Leider haben sich die Unterschiede im Laufe der Jahre verfestigt, was vom Gesetzgeber sicher nicht beab- Peinlich war für mich die Diskussion über die sichtigt gewesen ist. Einstellung der Bundestagspräsidentin. Ich unter- stütze das mutige Eintreten von Professor Süssmuth Es gibt Regionen in Westdeutschland, in denen für ihre Meinung in dieser Frage ausdrücklich und Frauen und Männer eben kein plurales Angebot an verurteile ebenso diejenigen, die auf Grund dieser Beratungsstellen vorfinden. Es gibt Regionen, z. B. im Meinungsäußerung ihren Rücktritt gefordert haben Kreis Fulda, wo „pro familia" per Verwaltungsgericht und fordern. eine kommunale Unterstüzung erzwingen muß; es gibt Regionen, in denen es im Umkreis von 30, 40 km (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ kein Krankenhaus gibt, das einen Schwangerschafts- Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN) abbruch vornimmt. Dort, wo Frauen es ohnehin viel schwerer haben, den verfassungsmäßigen Anspruch Eine von Fraktionszwängen vollkommen freie Mei- auf gleiche Chancen in Beruf und Gesellschaft zu nungsäußerung und eine entsprechend eigenstän- verwirklichen, müssen sie darüber hinaus in persönli- dige Gewissensentscheidung in dieser Frage tun chen Konfliktsituationen besondere Hemmnisse und wahrlich not. Schikanen bewältigen. Frau Ministerin Merkel, ich habe bei Ihrer Rede Liebe Kolleginnen und Kollegen, Teile der CDU/ geklatscht, obwohl sie zwiespältig war, und möchte CSU haben bereits angekündigt, daß sie vor das Sie an dieser Stelle fragen, warum Sie das, was Sie Bundesverfassungsgericht gehen wollen, falls der wirklich denken, nicht auch öffentlich vertreten. Gruppenantrag heute abend mit Mehrheit verab- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. sowie schiedet wird. bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: So ist es, Frau Kollegin!) Warum lassen Sie sich durch den Druck in Ihren eigenen Reihen verbiegen, statt sich zur Fürspreche- Ich bitte Sie sehr herzlich, zu überlegen, ob es — auch rin der überwältigenden Mehrheit der Bürgerinnen im Sinne eines friedlichen und toleranten Miteinander und Bürger in den neuen Bundesländern zu in der Bevölkerung — für den Fall, daß Sie den machen? Gruppenantrag nicht mittragen wollen, nicht viel besser wäre, statt dessen eine Volksbefragung zu (Beifall bei Abgeordneten der SPD) initiieren. Wir haben in der ehemaligen DDR mit der noch geltenden Fristenlösung durchaus gute Erfahrungen (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und gemacht. dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der - Abg. Uta Würfel [F.D.P.] — Siegfried Hor- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das hat nung [CDU/CSU]: Haben Sie Angst vor dem doch mit Recht nichts zu tun! — Gegenruf von Bundesverfassungsgericht?) der SPD: Das bestimmen Sie!) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8325

Dr. Sigrid Semper — Das mag Ihre Meinung sein. Sie sind sehr klug, und unschuldig in Bedrängnis geratener Frauen und Fami- das Recht gebe ich Ihnen, klug zu sein. lien wenig gemein hat. (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem Es gab eine Mütterrate von ca. 90 % der gebärfähi- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen Mütter eines Jahrgangs. Die Statistik belegt weiterhin, daß trotz oder vielleicht gerade mit der Der in diesem Zusammenhang zum Teil gezeigte fast Fristenregelung in der ehemaligen DDR die Abtrei- militante Lebensschutz übereifriger Aktivisten ist völ- bungszahlen rückläufig waren. Es ist also keine Rede lig fehl am Platze. Denn es geht nicht um ein Verfü- von einer zwangsläufig höheren Abtreibungsrate. gensrecht über das menschliche Leben, sondern um ein der Gewissensfreiheit verwandtes Recht als der Ich möchte noch eine weitere Erfahrung aus der Kehrseite der mit der Mutterschaft verbundenen Ver- Praxis der nunmehr neuen Bundesländer im Zusam- antwortung. Wo Pflichten sind, da müssen auch menhang mit der Abtreibungsregelung aufzeigen. Rechte eingeräumt werden; und die macht sich keine Die Wahlfreiheit der Frau führte im Osten dazu, daß es Frau leicht. keine Diskriminierung unehelicher Kinder mehr gab (Claus Jäger [CDU/CSU]: Kein Recht zum und daß es auch für Ledige üblich war, Kinder zu Töten!) haben. Ich bin auf vielen Veranstaltungen zu § 218 in Ich kenne keine einzige betroffene Frau, die sich in und Umgebung immer wieder auf kopfschüt- einem Schwangerschaftskonflikt leichtfertig und ver- telndes Unverständnis über die endlosen Debatten zur antwortungslos wie auch immer entschieden hat oder Neuregelung des Abtreibungsrechtes gestoßen. Die entscheiden würde. Frauen und Männer im Osten fordern mit überwälti- gender Mehrheit und parteiunabhängig eine Fristen- Derart abwegige Vorstellungen finden sich vor regelung. allem bei einigen Männern, die mit entsprechenden Konfliktlagen persönlich noch nicht im entferntesten In meiner Heimatstadt Leipzig sind alle Frauen- zu tun hatten. Fast muß gesetzlich festgeschrieben gruppen — einschließlich der CDU-Frauenunion — werden, daß in einer freiheitlichen Gesellschaft eine einhellig für eine Fristenregelung. Die gegen die mit so elementaren Pflichten und Emotionen verbun- Fristenregelung eingestellten Teile der Union müssen dene Beziehung wie die zwischen Mutter und Kind sich folglich fragen lassen, ob sie sich in dieser Frage nur freiwillig übernommen, nicht aber mit den Mitteln mit ihren restriktiven Forderungen nicht unüber- des Strafrechts erzwungen werden kann. brückbar weit von ihrer Basis entfernt haben. Hilfe statt S trafe ist somit der logische Schwerpunkt des interfraktionellen Gesetzentwurfes. Ich unter- (Beifall bei der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/ stütze diesen Gesetzentwurf und schließe mich den DIE GRÜNEN) eindringlichen Worten von Frau Uta Wüfel an. Stimmen Sie dem Gruppenantrag zu! Vielleicht wäre es hilfreich, sich daran zu erinnern, daß die Volksvertreter nicht nur so heißen, sondern Danke. unbenommen ihrer persönlichen Ungebundenheit (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ wenigstens ansatzweise auch so handeln sollten. Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Beifall bei der F.D.P.)

Auch die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächstes hat Argumente der angeblichen Verfassungswidrigkeit das Wort der Kollege Dr. Jürgen Warnke. einer Fristenregelung gewinnen durch ständiges Wie- derholen nicht an Glaubwürdigkeit. Dr. Jürgen Warnke (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Das Ergebnis des 16. Strafverteidigertages 1992 in Meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt zwei Hamburg hat eindeutig die Verfassungskonformität Jahrzehnte her, daß ich aus dem Munde von Marianne der in den neuen Bundesländern zur Zeit geltenden Strauß zum erstenmal die Zielsetzung für Schwangere Fristenregelung erbracht. Nicht anders wird es mit in Notlagen hörte: Helfen statt Strafen. In diesem dem vorliegenden Schwangeren- und Familiengesetz Sinne hat die CSU ihre Ansbacher Erklärung gemäß Drucksache 12/2605 sein. beschlossen; der Entwurf der Unionsfraktionen atmet diesen Geist. Zu Recht setzen wir einen Schwerpunkt Eine über Strafandrohung erzwungene Gebär- bei der Hilfe im sozialen Bereich. Bund, Länder und pflicht wird dagegen niemals in der Lage sein, bei Gemeinden sind in die Pflicht genommen, die notwen- Schwangerschaftskonflikten sinnvolle Lösungen an- digen Mittel aufzubringen, auch im Angesicht einer zubieten. Es gibt nun einmal außer der Sterilisation beispiellosen finanziellen Herausforderung durch keine hundertprozentig sichere Verhütungsmethode; deutsche Einheit, durch internationale Hilfsbedürftig- und dementsprechend wird niemand ungewollte keit und durch den Schutz der Umwelt. Schwangerschaft für die Zukunft genauso wie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) schwerwiegende anderweitige Schwangerschafts- konflikte ausschließen können. Nur, zur Bewahrung der Schöpfung gehört es doch - auch, daß ungeborenes Leben die nach Gottes Willen Die Saubermänner, die glauben, das tun zu können, in ihm angelegte Persönlichkeit entfalten kann. leben in einer moralisch sauber ausstaffierten Traum- So sicher eine schwangere Frau in der Notlage der welt, die mit der oftmals verzweifelten Realität Beratung und materiellen Hilfe bedarf, so sehr bedarf 8326 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Jürgen Warnke sie des seelischen Zuspruchs. Ich möchte den Organi- zur Abtreibung durch Ehemänner und Partner auf die sationen und Gruppen — ich denke an die Stiftung Frau, durch Eltern auf die unverheiratete Tochter in „Mutter und Kind" —, die beides miteinander verbin- Zukunft zu erhöhen. den, hier danken. Ich danke besonders den Kirchen. (Claus Jäger [CDU/CSU]: So ist das!) Wie immer wir heute nacht entscheiden werden, ihre Mitwirkung an dieser Beratung wird auch in Zukunft Dagegen hat die fortentwickelte Indikationenlösung gebraucht. des Unionsentwurfes in Verbindung mit sozialer Hilfe, Beratung und rechtlichem Schutz des ungeborenen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lebens zum Ziel, die Stellung der Frau gegenüber Neben sozialer und neben seelischer Hilfe kann dem Druck durch äußere Umstände oder personales moralische Hilfe dem Schutz des ungeborenen Lebens Umfeld zu stärken. geleistet werden, wenn der Staat Abtreibung rechtlich Alle gesetzlichen Vorkehrungen werden aber nur klar mißbilligt und nur eine anders nicht zu bewälti- erfolgreich sein, wenn jeder von uns das Seine tut, gende Notlage zur Rechtfertigung zuläßt. Dies und Müttern nicht nur in den Konflikten der Schwanger- nicht die Drangsalierung der in Notlage befindlichen schaft, sondern auch und gerade wenn sie alleinste- Frau ist Sinn und Wirkung der strafrechtlichen Schutz- hend sind, danach mit ihren Kindern in Notlagen und norm für das Leben. auf Jahre hinaus durchs Leben begleitend zur Seite zu stehen und damit dem Schutz des vorgeburtlichen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lebens bessere Voraussetzungen zu geben als bis- Damit trägt der Staat gleichzeitig dem Verfassungsge- her. bot des Schutzes menschlicher Würde und menschli- Zum Schluß ein persönliches Wort: Wie wir uns auch chen Lebens Rechnung. mühen — wir müssen uns mühen — und welche Entscheidend bleibt, daß bei dem uns vorliegenden Entscheidung wir heute nacht auch fällen werden, Gruppenantrag der Schwangerschaftsabbruch für gerade am Schutz des ungeborenen Lebens wird uns gerechtfertigt erklärt und damit menschliches Leben klar: Wir wären übel beraten, zu glauben, wir hätten zur Disposition gestellt wird, auch ohne daß eine Patentrezepte, mit denen wir die Dinge in den Griff Notlage vorzuliegen braucht. Es ist zwar wahr, daß bekommen werden. Um das zu einem guten Ende zu ungeborenes Leben nicht gegen den Willen der Frau bringen, was der Gesetzgeber heute beschließt, wirksam geschützt werden kann, aber keine Frau und bedarf es auch der Hilfe Gottes. kein Mann hat nach unserer Verfassung das Recht, (Beifall bei der CDU/CSU) sich zum Herrn oder zur Her rin über Tod und Leben zu erklären. Ich spreche hier bewußt vom Mann und von der Frau. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat die Kolle- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gin Frau Rosemarie Priebus das Wort. Frau Kollegin Wettig-Danielmeier hat heute früh erklärt: Jede kluge Frau weiß, auf den Vater kann sie Rosemarie Priebus (CDU/CSU): Frau Präsidentin! sich nicht verlassen, ob verheiratet oder ledig. — Frau Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Durch die Kollegin, zu diesem Exemplar der Spezies Mann Wiedervereinigung hat sich die Gesellschaft in möchte ich Ihnen kondolieren. — Ihnen, Frau Kollegin Deutschland auf einen Schlag verändert. Es sind Barbe, kann ich zu dem gratulieren, was Sie über 16 Millionen Menschen hinzugekommen, für die im Ihren Mann zu berichten gewußt haben. Natürlich Gegensatz zu den Westdeutschen der Glaube an gibt es Männer — es gibt viel zu viele davon —, die einen Gott nicht die herausragende und lebensbe- sich der schwangeren Frau gegenüber verantwor- stimmende Bedeutung hat. Die Schlußfolgerung liegt tungslos verhalten. Natürlich gehört diesen Männern, nahe: Bei den Bemühungen um einen Gesetzentwurf soweit das gesetzlich nur möglich ist, das Handwerk sei uns nicht bewußt gewesen, daß es sich hier um gelegt. Der Unionsentwurf sieht genau das vor. werdendes, schützenswertes Leben handelt. Dem Aber das Bild, das die Debatte von der linken Seite muß ich an dieser Stelle vehement widersprechen. des Hauses beherrscht hat: von Männern, die nur (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der Schurken sind, und von Frauen, die sich ohne Aus- SPD) nahme nur nach strenger Prüfung ihres Gewissens entscheiden, ist eine Karikatur unserer Wirklichkeit Uns Ostdeutschen wird dieser Vorschlag zu Unrecht und als Grundlage eines wirklichen Lebensschutzes gemacht. Im Gegenteil: Seit der Verabschiedung des nicht tragfähig. Gesetzes über die Unterbrechung der Schwanger- schaft von 1972 — es ist das einzige Volkskammerge- (Beifall bei der CDU/CSU) setz mit 14 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen gewe- Ich erspare Ihnen und mir die Zitate aus den Medien, sen — hat es in der ehemaligen DDR immer wieder wo sich Frauen in einer Weise geäußert haben, die Bedenken in folgenden Punkten gegeben: ethische weder der Würde der Frau noch der Stärkung der Bedenken gegen den Eingriff in keimendes Leben, Grundwerte eines freiheitlichen Gemeinwesens und Furcht vor der Zunahme der Leichtfertigkeit und schon ganz und gar nicht der Verantwortung für das Sorge um die Entwicklung der Geburtenrate. ungeborene Leben gerecht wird. Betrachte ich diese drei Punkte, dann muß ich Ich befürchte, daß die grundsätzliche Freigabe der folgendes Resümee ziehen. Abtreibung durch die Fristenregelung den Frauen Zu den ethischen Bedenken. Ich glaube, hier einen Schutzschild nimmt und geeignet ist, den Druck besteht Konsens, daß es sich um werdendes Leben Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8327

Rosemarie Priebus handelt, welches nur in einer Notsituation angetastet ment B III usw., in Betracht ziehen, in dem unter werden darf. Punkt C folgendes steht: Zu den Bedenken der Leichtfertigkeit. Es hat Frauen muß in der EG das Recht auf Selbstbestim- Frauen gegeben, die leichtfertig gehandelt haben. mung über ihr eigenes Leben zugestanden wer- Aber der größte Teil hat sich die Entscheidung — es ist den, also auch das Recht, zwischen Mutterschaft in der Tat eine Gewissensentscheidung in einer Kon- und Unterbrechung ungewünschter Schwanger- flikt- oder Notlage — reiflich überlegt. Keine Frau hat schaft zu entscheiden. es sich einfach gemacht, und kein Außenstehender, Zur Ablehnung des Mehrheitsentwurfes, der heute sei es nun der Arzt, der Berater oder gar der Vater, abend hoffentlich keine Mehrheit erhalten wird, kann die Komplexität dieser Konfliktlage beurteilen. möchte ich viertens allen Kollegen der ehemaligen Deshalb kann nur die Frau allein die Entscheidung Volkskammer die Koalitionsvereinbarung zwischen treffen. den Fraktionen ins Gedächtnis rufen, in der der umfassende Schutz des ungeborenen Lebens durch (Beifall bei der SPD, der F.D.P., beim BÜND- umfangreiche Beratung, Aufklärung und Unterstüt- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- zungsangebote bei Beibehaltung der Fristenregelung ten der CDU/CSU) zum Schwangerschaftsabbruch zugesichert wird. Sie muß sie in dem Bewußtsein treffen dürfen, daß ihre (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Entscheidung rechtlich nicht überprüfbar ist. DIE GRÜNEN — Dr. Barbara Höll [PDS/ Zur Sorge um die Geburtenrate kann ich nur fest- Linke Liste]: Sehr gut!) stellen: Diese Sorge war unbegründet. Nicht zuletzt hat sich meine persönliche Meinung Bei der Betrachtung des westdeutschen Indikations- auch dadurch verfestigt — und deshalb gibt es für modells komme ich fast zum gleichen Resümee: Beide mich heute kein Zurück mehr —, daß mich in den Regelungen haben, wie alle in diesem Hohen Hause vielen Diskussionen vor Ort — und ich habe in allen wissen, nicht die Lösung gebracht. fünf Kreisen und auch in anderen Kreisen Podiums- gespräche zum § 218 durchgeführt — überwiegend Wäge ich nun die für mich überhaupt zustimmungs- Frauen angesprochen und ermutigt haben, für den fähigen Gesetzentwürfe — Mehrheitsentwurf der Gruppenantrag zu votieren. CDU/CSU und Gruppenantrag — ab, habe ich mich also zu entscheiden zwischen Indikation von Anfang Vizepräsidentin Renate Schmidt: Frau Abgeord- an und Indikation ab der zwölften Woche, dann lehne nete, jetzt wäre es allmählich soweit. ich aus folgenden Gründen den Mehrheitsentwurf ab: Rosemarie Priebus (CDU/CSU): Was sollte ich also Erstens. Die Feststellung einer Indikation ist immer anderes tun, als durch die Untermauerung meiner juristisch überprüfbar, siehe BGH-Urteil zum Mem- Gewissensentscheidung an dieser Stelle auch für die minger Prozeß. hoffnungsvoll auf das Bonner Parlament schauenden (Beifall bei der SPD, der F.D.P. sowie bei Frauen zu sprechen und zu stimmen? Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zweitens. Die Verantwortung wird auf eine Zweit- person, den Arzt, delegiert. In den Thesen des Arzte- Stimmen Sie also mit mir für mehr Ehrlichkeit, tages von 1991 heißt es abschließend: stimmen Sie für den Gruppenantrag! (Beifall bei der SPD, der F.D.P. sowie beim Die Feststellung der Notlage ist mit ärztlichen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erkenntnissen nicht zu erreichen.

Danach muß nach entsprechender Pflichtberatung die Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat die Kolle- Entscheidung von der Betroffenen eigenverantwort- gin Erika Reinhardt das Wort. lich gefällt werden. (Beifall bei der SPD und der F.D.P. — Zuruf Erika Reinhardt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! von der CDU/CSU: Sehr richtig!) Meine Damen und Herren! Wir werden heute darüber entscheiden, ob ein ungeborenes Kind im Konflikt- Führen wir uns noch einmal die Indikationsrege- falle das Licht der Welt erblicken darf oder ob es nur lung im Mehrheitsbeschluß vor Augen: Die Indikation durch eine alleinige Entscheidung der Frau nicht auf soll jederzeit juristisch überprüfbar bleiben. Nur, wie die Welt kommen darf. soll das, bitte schön, stattfinden, wenn auf die Doku- mentationspflicht verzichtet wird, was in Diskussion Jeder von uns nimmt für sich in Anspruch, durch war? Das habe ich bis heute nicht verstanden. Verste- seinen Gesetzentwurf das ungeborene Kind schützen hen Sie das, verehrte Kolleginnen und Kollegen? Das zu wollen. Ich möchte niemandem den guten Willen ist doch vorn und hinten nicht schlüssig. absprechen, obwohl ich heute in der Diskussion manchen Beitrag gehört habe, der mich daran zwei- (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten feln läßt. der CDU/CSU) Tatsache ist, daß sich die Entwürfe wesentlich Lassen Sie mich noch einen dritten Gesichtspunkt unterscheiden. Sie reichen von der Streichung des anführen. Da wir 1993 einem einheitlichen Europa § 218 über die Fristenlösung mit Beratung bis zur angehören werden, müssen wir auch die Entschlie- Indikationslösung. Die Regelung des Schwanger- ßungen des Europäischen Parlaments, Doku- schaftsabbruchs war in der Vergangenheit Gegen- 8328 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Erika Reinhardt stand kontroverser Auseinandersetzungen. In aller Hilfen, die unser Gesetzentwurf bietet, sind vielfältig Regel war der Knackpunkt die strafrechtliche Rege- und umfassend. Die Fraktion der CDU/CSU beweist lung. mit diesem Gesetzentwurf, daß der Schutz des Lebens Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sicher geht im Zentrum unserer Politik steht, daß wir diesen es auch um die Strafbarkeit. Aber dies ist nur ein Teil Schutz zugleich einbetten in den Schutz der Familie, dessen, was wir heute entscheiden werden. Ebenso die der Grundstock jeder Gesellschaft ist. Eine Gesell- wichtig sind, so meine ich, die im Gesetzentwurf der schaft ohne Kinder wäre auf Dauer zum Tode verur- CDU/CSU enthaltenden flankierenden Maßnah- teilt, finanziell ebenso wie moralisch. men. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lassen Sie mich an dieser Stelle einen Ausschnitt aus einem Leserbrief von einer Mutter mit drei Aus diesem Grund ist unser Gesetzentwurf auch als Kin -dern aus den neuen Bundesländern aus der „Sächsi- Paket zu verstehen. Wenn ich für den Mehrheitsent- schen Zeitung" zitieren: wurf der CDU/CSU spreche, dann tue ich dies aus tiefster Überzeugung, ungeborenes Leben zu schüt- Ich bin nur gespannt, wie sich die Männer und zen. Frauen, die heute für die Abtreibung sind, damit abfinden werden, wenn sie in ca. 20 Jahren von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ihren „Wunschkindern" getötet werden, weil sie Grundsätzlich ist in unserer Gesellschaft eine Ver- keine „Wunschalten" sind. änderung des Lebensstils festzustellen. Zunächst ist es vorrangig, einem Beruf nachzugehen. Das, was man (Beifall bei der CDU/CSU) erlernt hat, muß umgesetzt werden; der Kinder- Auch wenn dieses Zitat vielleicht etwas überspitzt ist, wunsch wird auf später vertagt. Hintergrund für diese sollte es uns nachdenklich stimmen. Wir sollten dar- Überlegung ist die Erkenntnis, daß Kinder Kosten und über nachdenken, wie weitreichend die Entscheidung Mühen verursachen, daß die Elternschaft mit Verzicht sein kann, die wir heute treffen. Wer von uns kann sich und Last verbunden ist. Dieser Trend erschüttert mich. anmaßen, zu entscheiden, wann Leben lebenswert ist Wie kann eine Gesellschaft kinderfreundlich werden, und wann nicht? — So bitte ich Sie im Bewußtsein wenn Kinder zum Kostenfaktor werden, unserer Verantwortung, dem Mehrheitsentwurf der CDU/CSU-Fraktion zuzustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU) wenn sie wie eine Steuererklärung oder eine Abschreibung, aus der ich möglichst viel Gewinn ziehe, an ihrer Rentabilität gemessen werden? Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster Red- Selbstverständlich wächst die Belastung einer ner hat der Kollege Dr. Konrad Elmer das Wort. Familie, wenn ein Kind unterwegs ist. Es wächst aber auch die Freude und Verantwortung gegenüber dem neuen Leben. Dr. Konrad Elmer (SPD): Frau Präsidentin! Meine (Regina Kolbe [SPD]: Aber nicht, wenn das Damen und Herren! Der heutige Tag ist nicht nur für Kind nicht gewollt ist!) die Frauen besonders wichtig, sondern auch für uns Dieses ungeborene Leben zu schützen ist Aufgabe Männer. Denn Frauenfragen sind immer auch Män- und Verpflichtung des Gesetzgebers. nerfragen und umgekehrt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Ein Schlagwort der Befürworter einer Liberalisie- NEN) rung ist das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Was bedeutet das konkret? — Sie sagen, die Entscheidung Wir Männer jedenfalls haben für uns dort, wo wir für oder gegen eine Schwangerschaft ist Sache der möglicherweise eine Entscheidung zwischen Leben einzelnen Frau. Ich sage Ihnen als Frau: Das ist und Tod treffen müssen, nämlich beim Wehrdienst, die freiwillige Gewissensentscheidung für oder gegen einseitig und kurzsichtig; denn Sie lassen die Frau mit ihrer Entscheidung, die ihr ganzes weiteres Leben einen Dienst mit der Waffe sogar grundgesetzlich beeinflußt, alleine. festgeschrieben. (Zuruf von der CDU/CSU: Wenn es um das (Beifall bei der CDU/CSU) eigene Leben geht!) Und Sie entlassen damit die Männer voll aus ihrer Doch den Frauen haben wir in bezug auf die Proble- Verantwortung. Auch sie sind nämlich ein Teil dieser matik, bei der es um Leben und Tod geht, eine solche Entscheidung für das Kind und damit auch ein Teil der Gewissensentscheidung — jedenfalls bisher nicht Verantwortung, aus der ich sie nicht entlassen zugebilligt. möchte. Bei einer Fristenlösung — ob mit oder ohne Beratungspflicht — fällt es ihnen sehr leicht, sich Wenn die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause dieser Verantwortung zu entziehen. eine Zweidrittelmehrheit für eine verfassungsmäßige - Sicherung dieses Rechtes auf eine freie Gewissensent- (Claus Jäger [CDU/CSU]: So ist das!) scheidung für die Frau nicht zulassen, so wollen wir Selbstverständlich müssen einer Frau im Konflikt- diese der Frau diesmal wenigstens mit einem einfa- fall alle erdenklichen Hilfen angeboten werden. Die chen Gesetz einräumen. Denn es handelt sich um die Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8329

Dr. Konrad Elmer existentielle Problematik, zwischen Leben und Tod zu scheidungsfindung Beratung erfahren, damit auch sie • entscheiden. dort, wo es um Leben und Tod geht, in der Lage sind, eine verantwortliche Gewissensentscheidung zu fäl- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Für wen len, existenziell?) (Zuruf von der CDU/CSU: Hohn!) Meine Damen und Herren, ein Wort noch zur Beratung. Für mich liegt ein guter Kompromiß nur eine Gewissensentscheidung, die wie alle Gewissens- dann vor, wenn etwas nicht nur aus pragmatischen entscheidungen durch Dritte nicht zu überprüfen Gründen beschlossen wurde, sondern auch sachlich ist. zu vertreten ist. Ich kann diesem Kompromiß des Insofern werden wir nach der Verabschiedung des Gruppenantrages zustimmen. Denn de facto wird Gruppenantrags demnächst darüber reden müssen, darin keine Beratungspflicht, sondern eine Pflichtin- wann wir endlich auch die unsäglichen Versuche formation festgeschrieben. einer Gewissensüberprüfung bei Kriegsdienstver- (Claus Jäger [CDU/CSU]: Hört! Hört!) weigerern abschaffen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ob daraus ein offenes Gespräch wird, bleibt der Schluß darauf hinweisen, daß wenigstens hier bei der Frau überlassen. Sie muß nicht, aber sie kann durch Neuregelung des § 218 der Prozeß der deutschen die Darlegung ihrer persönlichen Gedanken und Einheit als ein gleichberechtigter gelungen ist. Wenn Gefühle und durch die Spiegelung von Weite seitens wir dem Gruppenantrag folgen, werden weder die der Beraterin zusätzliche Klarheit und Begleitung Westdeutschen das Gefühl haben, unter eine ostdeut- erleben. Jeder gute Berater wird ein nicht wertendes, sche Regelung zu kommen, noch werden wir in nicht direktives Gegenüber sein. Er wird der Frau die Ostdeutschland das Gefühl haben, uns sei eine west- Chance bieten, sich in ihrer singulären Entschei- deutsche Regelung übergestülpt worden. Hier wurde dungssituation mit ihren ganz spezifischen Einsam- endlich einmal das beste aus beiden Teilen Deutsch- keitsmomenten und in ihrer hohen Eigenverantwor- lands zu einer neuen Qualität geformt. Wäre uns das tung wahrzunehmen. doch auch in anderen Bereichen gelungen! (Zuruf von der CDU/CSU: Deswegen sehen Auf jeden Fall hoffe ich, daß am Ende dieses Tages wir zwei Beratungen vor!) der Gruppenantrag eine Mehrheit findet und daß der Ich weiß, es bleibt eine Gratwanderung. Denn die eine oder andere dies auch als ein Geschenk des Frau wird zunächst einmal genötigt, zu einer Bera- Ostens an den Westen versteht. tungsstelle zu gehen. Doch wenn wir ein plurales Netz Vielen Dank. von Beratungsstellen in allen Teilen Deutschlands (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der haben werden, dann wird diese Nötigung der Frau nur F.D.P.) die Nötigung zu etwas Hilfreichem sein. (Zuruf von der CDU/CSU: Was?) Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat der Kol- Deshalb bitte ich vor allem auch die ostdeutschen lege Wolfgang Kubicki das Wort. Frauen, die eine qualifizierte Beratung früher weithin vermissen mußten, von der neuen Freiheit Gebrauch zu machen. Wolfgang Kubicki (F.D.P.): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf „Kubitzki" (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten höre ich auch. der F.D.P.) (Heiterkeit) Es bleibt ein Kompromiß. Doch bietet er immerhin In der Diskussion um das Abtreibungsrecht haben die Chance, daß die Frau aus freien Stücken aus der wir sehr viele brauchbare und durchdachte Argu- Pflichtinformation heraustritt in einen Freiraum der mente und Gegenargumente gehört. Leider gab es Beratung. Die Frau hat dabei die Gelegenheit, sich im auch vieles, was darauf abzielte, die Gegenmeinung Gespräch mit der Beraterin der eigenen Argumente zu zu diffamieren und zu verletzen. Dazu zähle ich vergewissern, eine Chance, die sie ansonsten viel- Aussagen wie jene: „Abtreibung leicht doch nicht ergriffen hätte. Insofern kann und ist Mord." werde ich dieser Informationspflicht zustimmen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auf diesen Ich muß aber sofort hinzufügen, daß wir, wenn wir Unsinn und diese Ungeheuerlichkeit sachlich einzu- die Gleichstellung von Frau und Mann ernst nehmen, gehen. Bei der gegenwärtigen Ausgangslage schützt jetzt darüber nachdenken müßten, ein Gesetz zur § 218 StGB das Leben der Leibesfrucht explizit nur vor Beratungspflicht für junge Männer zu erarbeiten, vorsätzlichen Angriffen. Klassifiziert man nun diesen (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolf- vorsätzlichen Angriff als Mord, so müßte konsequen- gang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] terweise auch die fahrlässige Abtreibung als fahrläs- — Zurufe von der CDU/CSU) sige Tötung strafbar sein, aber gerade dies ist nicht der Fall. um auch sie zu verpflichten — bitte nicht erschrecken, ich meine es ernst —, vor dem Wehrdienst, dem (Zurufe von der CDU/CSU: Das gibt es auch Erlernen des Tötens für den Ernstfall, gleichfalls eine nicht! Das ist auch keine Fahrlässigkeit!) Beratungsstelle aufzusuchen, in der sie sich über das — Ich komme gleich zu der moralisch postulierten Für und Wider informieren lassen und für ihre Ent- Formel, der Schutz des werdenden Lebens habe 8330 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Wolfgang Kubicki absoluten Vorrang vor allen anderen Rechtsgütern. — hender Strafandrohung kann deshalb nicht die Rede Aber auch minder intensive Einwirkungen, die nicht sein. die Abtreibung des Fötus, sondern lediglich postna- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der tale Schädigungen zur Folge haben, sind nicht straf- SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann bar. Das heißt: Angriffe gegen die Gesundheit der [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Leibesfrucht, seien sie fahrlässig oder vorsätzlich, sind straflos, und zwar auch dann, wenn sie an dem später Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, daß kein gewordenen Menschen als Gesundheitsschäden fort- Strafrecht dieser Welt eine Frau dazu zwingen kann, wirken. Für die Strafbarkeit ist demnach lediglich der ein Kind zur Welt zu bringen. Die Pönalisierung läuft Zeitpunkt der Einwirkung auf die Leibesfrucht maß- unweigerlich ins Leere, wenn die Frau die ungewollte lebenslange Mutterschaft als größere Belastung emp- geblich. Gerade weil es keine Körperverletzung an trafe, die im Strafgesetzbuch stehen der Leibesfrucht gibt, gibt es auch keinen Mord am findet denn jede S ungeborenen Leben. kann. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der Anderenfalls würde die schwangere Frau zur blo- SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann ßen Gebärmaschine degradiert. Sie wäre gezwungen, [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) jeden ihrer Schritte danach abzuwägen, ob er dem Wohl der Leibesfrucht nicht vielleicht abträglich ist, Daraus muß der Staat Konsequenzen ziehen. Er und bei jedem Nahrungsmittel, das sie zu sich nimmt, muß der Frau ein Angebot machen. Diesen Gedanken hat der Gruppenantrag zum Ke rn. Er bietet erstmalig zu analysieren, ob es den Fötus nicht schädigen könnte. Die Folge wäre nämlich sonst möglicherweise in der Geschichte die wirkliche Chance, die unerträg- lich hohe Zahl von Abtreibungen in unserem Land zu eine Anklage. reduzieren. Ich empfehle daher allen, die dieses Argument in Der intensiven Beratung, in der nicht nur alle ihrem Munde führen, doch wirklich einmal einen bestehenden und vorgesehenen Hilfen erläutert wer- Blick in das Strafgesetzbuch und in die Entscheidun- den, sondern auch besonderer Wert auf Beratung bei gen des Bundesgerichtshofs. psychischen Konfliktsituationen gelegt wird, muß die folgen. Die Beratung (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der freie Entscheidung der Frau kann nur als Entscheidungshilfe verstanden wer- SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann den. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Claus Jäger [CDU/CSU]: Ihr Vorredner hat Bei Gott, meine verehrten Kolleginnen und Kolle- gerade das Gegenteil gesagt!) gen aus der CDU/CSU-Fraktion, zum Beleg, wie Wirklich frei kann diese Entscheidung nur sein, bigott das Strafrecht gerade in dieser Frage ist, emp- wenn nicht die Möglichkeit einer Bestrafung besteht. fehle ich Ihnen die Lektüre von § 217 StGB, der die Freie Entscheidung und Angst vor Bestrafung schlie- Tötung eines geborenen Kindes bei oder unmittelbar ßen einander vollkommen aus. Die schwangere Frau nach der Geburt privilegiert, wenn es sich dabei um braucht Sicherheit. Sie braucht Freiheit von Angst vor ein nichteheliches Kind handelt. sozialer, psychischer und menschlicher Not, aber auch (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Freiheit von Angst vor Bloßstellung und Verfolgung. Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/ Ihr diese Angst zu nehmen und damit den Mut zu DIE GRÜNEN] - Maria Michalk [CDU/CSU]: verantwortungsvoller Mutterschaft zu geben ist zen- Das muß geändert werden! — Uta Würfel trales Ziel des Gruppenantrages. Deshalb bitte ich [F.D.P.]: Was, das ist ja nicht zu fassen!) auch hier um Ihre Unterstützung; um nichts anderes kann es heute gehen. Damit beende ich für mich die Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Debatte. Gruppenantrag, der von mir unterstützt wird, garan- Vielen Dank. tiert grundsätzlich die Straffreiheit der Frau, wenn sie innerhalb von zwölf Wochen die Abtreibung vorneh- (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie des men läßt und sich vorher hat beraten lassen. Kritiker Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/ des Gruppenantrags laufen vor allen Dingen gegen- DIE GRÜNEN]) diese generelle Straffreiheit der Frau Sturm. Deshalb stelle ich die Frage, was denn die obligatorische Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat das Wort Beratung bringen soll, wenn die Frau sich am Ende die Kollegin Sigrun Löwisch. gegen die Schwangerschaft entscheidet und eine Bestrafung zu erwarten hätte. Dies wäre eben nicht ein Anreiz für die Frau, sich über die vielfältigen Sigrun Löwisch (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Formen der staatlichen Hilfe und Unterstützung zu Meine Damen und Herren! Zunächst einmal sind wir informieren, die im Gruppenantrag vorgesehen sind, uns in einer Aussage einig, nämlich in der, daß vielmehr wäre diese Beratung dann lediglich Schwan- positiverweise alle Gesetzentwürfe familien- und gerschaftszwangsregistrierung. sozialpolitische Maßnahmen vorsehen. Denn wir sagen alle — darin haben wir noch Konsens —: Schüt- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) zen heißt zunächst einmal helfen. Die Frau müßte unter Umständen nach einer Frühge- Viel mehr in den Vordergrund rücken muß aber burt nachweisen, daß es sich hierbei eben nicht um eine Hilfe, die es ermöglicht, auch in den schwersten eine Abtreibung gehandelt hat. Von einem fairen Konflikten das Kind zur Welt zu bringen, und ich finde, Angebot des Staates an die Schwangere bei fortbeste dies ist das Wichtigste, was wir hier diskutieren Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8331

Sigrun Löwisch sollten, die Adoption. Wir sind uns auch darin einig, Kindes leider in der Minderheit. Vielleicht ändert sich daß Adoptionen erleichtert werden müssen. Eigent- das jetzt noch. lich schlimm ist aber, daß auf Frauen oder auch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Familien, die in schwersten Notlagen sind, oft mit dem Finger gezeigt wird, wenn sie ihr Kind zur Adoption Letztendlich führen aber alle Überlegungen — je- freigeben, so nach dem Motto: Seht einmal, diese denfalls für mich; ich hoffe, auch für Sie, meine lieben Rabenmütter, diese Rabeneltern! Kolleginnen und Kollegen — zu der Frage: Welcher Gesetzentwurf sieht den umfassendsten Schutz des (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ungeborenen Lebens vor? Deswegen gibt es für mich nur die Möglichkeit, für den Werner-Entwurf zu Hier müssen wir uns alle an die Brust klopfen und zu stimmen. einer Meinungsänderung beitragen, damit dieser moralische Zeigefinger zurückgenommen wird. Ich (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) würde mich freuen, wenn eine Familie, die schon mehrere Kinder hat und in einer so schwierigen Situation ist, daß sie ein weiteres Kind nicht mehr in Vizepräsidentin Renate Schmidt: Jetzt spricht Jan die Familie aufnehmen kann, sagt, daß das Kind zur Oostergetelo zu uns. Welt kommen soll, und die Möglichkeit ins Auge faßt, es in ein SOS-Kinderdorf oder in eine Pflegestelle zu geben. Ich fände das sehr positiv. Auch das wäre noch Jan Oostergetelo (SPD): Frau Präsidentin! Meine die bessere Lösung, und wir sollten das unterstüt- sehr geschätzten Damen und Herren! Schutz vorge- zen. burtlichen Lebens — darum geht es uns heute. Vor- geburtliches Leben ist zu allererst einmal menschli- (Beifall bei der CDU/CSU) ches Leben. Mit dem Abbruch der Schwangerschaft wird somit die Entwicklung eines neuen werdenden Nun kommen wir zu einer Frage, in der ich nicht Menschen abgebrochen. mehr im Konsens mit vielen meiner Kolleginnen und Kollegen bin. Es ist für mich keine Frage, daß staatli- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, für mich cher Schutz des werdenden Lebens auch strafrechtli- stellen sich drei Fragen. Erste Frage: Wer gibt uns chen Schutz erfordert. Entscheidend ist für mich: eigentlich das Recht, Leben abzubrechen, zu töten? Wenn wir dem werdenden Leben strafrechtlichen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schutz zusprechen, dürfen wir diesen nicht einfach Zweite Frage: Wer gibt uns eigentlich das Recht, auf die konfliktfreie Situation beschränken. Wir müs- über Frauen, die mit ihrer Konfliktsituation nicht mehr sen auch für den Konflikt zwischen dem Lebensrecht fertigwerden, zu urteilen und sie zu verurteilen? Das des Ungeborenen und der Lebenssituation der wer- machen wir auch bei Selbstmördern nicht. denden Mutter nach Kriterien suchen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das gilt in doppelter Hinsicht: Zum einen müssen wir materiell fragen, wann es vertretbar ist, das Dritte Frage: Haben wir nicht die Pflicht, menschli- werdende Leben hinter den Belangen der Mutter ches Leben in jeder Situation zu schützen, und zwar zurücktreten zu lassen. Zum anderen müssen wir uns letztlich auch mit dem Strafrecht? Rechenschaft über die Verfahrensweise geben, nach (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Freiherr von der die Entscheidung über die Lösung des Konflikts Stetten [CDU/CSU]) getroffen wird. Ich frage aber gleichzeitig: Was bewirkt Strafe in Ich halte in dieser Frage die Antworten des Werner- dieser Situation? Hilft sie tatsächlich, Schwanger- Entwurfs für richtig, der insoweit im wesentlichen mit schaftsabbrüche zu verhindern? dem geltenden Recht der alten Bundesländer in Bei Abwägung dieser Fragen komme ich zu dem Einklang steht: Der strafrechtliche Schutz des wer- Ergebnis, daß es eine Lösung nicht gibt. Bescheiden- denden Lebens darf nur dann zurücktreten, wenn heit und Demut ist hier am Platze. ohne den Abbruch der Schwangerschaft die Gefahr Ich habe großen Respekt vor der Ernsthaftigkeit, mit einer dauerhaften und schwerwiegenden Beeinträch- der hier heute diskutiert worden ist, mit der wir tigung des körperlichen oder seelischen Gesundheits- gemeinsam darum ringen, Regelungen zu finden, mit zustandes der Schwangeren droht. denen Leben erhalten werden kann. Wie immer wir Die Entscheidung über die Lösung des Konflikts heute auch entscheiden — oder nicht entscheiden —: zwischen zwei widerstreitenden Interessen darf doch Ohne Schuld kommt hier keiner raus. nicht allein dem Träger des einen Interesses überlas- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sen werden, wie das der Gruppenentwurf vorsieht. Häufig genug fühlen sich Frauen gerade von den (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Menschen alleingelassen, denen sie sich bisher anver- trauten. Manchmal werden sie gerade von diesen Ich finde, das widerspricht dem Gebot eines fairen Menschen unter Druck gesetzt, ihr Kind abzutrei- Verfahrens. Auf ein solches faires Verfahren muß das ben. Ungeborene doch um so mehr Anspruch haben, als es Die Entscheidung allein der Frau zuzuschieben, sich selbst gar nicht artikulieren kann. ohne ihr gleichzeitig Wegweisung und Hilfe anzubie- ten, halte ich für sehr unbarmherzig. Im Laufe dieser Debatte — ich beklage es — waren meiner Ansicht nach die Anwälte des ungeborenen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 8332 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Jan Oostergetelo Wir alle sind zur Hilfe verpflichtet. Aber die letzte dert war. Die Nazis haben sie umgebracht. Ihre Entscheidung kann dann nur die Frau treffen. Tochter wurde durch eine glückliche Fügung von der Mutter getrennt, so daß sie überleben konnte. Auch (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der sie war behindert. Aber sie war der gute Geist der F.D.P.) Gemeinde Enger, ihres Betriebes und ihres Bekann- Wir dürfen keine Regelung verabschieden, mit der tenkreises. wir der Gesinnung „Ich kann mit meinem Körper Meine lieben Freunde, ich will hier bekennen: Aus machen, was ich will" Vorschub leisten. persönlichen Gründen kann ich auch zu diesen beiden (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Entwürfen nicht ja sagen. Ich weiß, daß meine Ent- Wir dürfen auch nicht verschweigen, daß Abtreibung scheidung nicht konsequent ist, weil ja eine Regelung wirklich Unrecht ist. Wir Mitbürger stehen alle in der gefunden werden muß. Aber ich kann nicht anders, Verantwortung, den Frauen zu helfen — darum geht und dazu stehe ich. es heute —, damit Leben erhalten wird. Wie mensch- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der lich unsere Gesellschaft ist, können wir daran erken- CDU/CSU) nen, wie wir miteinander umgehen, wie wir mit den schwächsten Gliedern der Gesellschaft umgehen: Vizepräsidentin Renate Schmidt: Bevor ich nun der Das sind die Ungeborenen und die Geborenen, das Kollegin Michaela Geiger das Wort gebe, möchte ich sind die Pflegebedürftigen und Behinderten und die Sie, damit wir uns Arbeit ersparen und nicht etwas Frauen in der Konfliktsituation. protokollieren, was nicht protokolliert werden müßte, Nun zu den Anträgen. Zu dem Werner-Antrag, dem um Ihre Zustimmung bitten, damit einverstanden zu ich sehr nahestehe, möchte ich sagen: Für meine Frau sein, daß abweichend von unserer Geschäftsordnung und mich kann es Abtreibung nicht geben, es sei denn, Reden zu Protokoll gegeben werden. In der Zwischen- es steht Leben gegen Leben. zeit sind schon 50 Reden zu Protokoll gegeben wor- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) den. Besteht Einverständnis darüber, daß weitere Reden ohne gesonderte Nennung zu Protokoll gege- Aber, meine Freunde: Was nutzt Strafandrohung? Ich ben werden können? frage uns: Wo bleibt auch hier die Barmherzigkeit, wenn die Frau keinen Ausweg aus ihrer Konfliktsitua- (Beifall im ganzen Hause) tion sieht? — Ich sehe dazu keinen Widerspruch. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Damit hat nun die Kollegin Michaela Geiger das Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) Wort. Die Anträge der PDS und auch der Gruppe BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN lehne ich ab. Michaela Geiger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In meiner Beim Gruppenantrag, der hier vorliegt, fehlt mir die jetzt über elfjährigen Zugehörigkeit zum Deutschen Strafandrohung für den Fall, daß die Frau zum Bundestag hat es wenige Fragen gegeben, bei denen Schwangerschaftsabbruch genötigt wird. Ich bin kein ich mich mit meiner Entscheidung so schwer getan Jurist, aber ich hätte hier gerne den Nötigungspara- habe. Warum dies so ist, will ich durch einige Lebens- graphen gesehen, den es, wie ich mir habe sagen geschichten verdeutlichen, die mir Frauen in der lassen, ja gibt. letzten Zeit geschildert haben. (Uta Würfel [F.D.P.]: Das ist strafbar!) Mit einer Ordensschwester, die in meinem Wahl- Zudem fehlt mir eine qualifzierte Beratung dahin kreis in einem Waisenhaus tätig ist, sprach ich über gehend, wie Frauen ermutigt werden können, ihr den § 218. Sie setzte sich vehement für das Lebens- Kind auszutragen. recht der ungeborenen Kinder ein, und dies, obwohl in ihrem Heim gerade das fünfte Kind einer Alkoholike- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) rin aufgenommen wurde, das wieder einen anderen Aber der CDU-Antrag ist auch nur eine modfizierte Vater hatte als seine Geschwister. Fristenlösung. Sowohl beim CDU-Antrag wie- auch Ich weiß von einer jungen Frau, die unter großen beim Gruppenantrag ist eine Sonderregelung mit medizinischen Schwierigkeiten zwei Kinder zur Welt Strafverzicht bis zur 20. bzw. 22. Woche vorgesehen, gebracht hat. Ihr Arzt riet ihr dringend, nicht wieder wenn infolge von Erbanlagen oder anderer Einflüsse schwanger zu werden. Trotzdem passierte es zum mit einer nicht behebbaren Schädigung des Kindes zu dritten Mal. Der Arzt riet wegen Lebensgefahr für die rechnen ist. Dies kann ich nicht mittragen. Ich frage Mutter zur Abtreibung. Sie und ihr Mann rangen sich uns: Wer gibt uns eigentlich das Recht für diese dazu durch, das Kind auszutragen. Trotz der Kompli- wir Sonderregelung? Wer sind denn die Behinderten, kationen ging alles gut, und aus der Problemschwan- sogenannten Gesunden oder die Kranken? — Eine gerschaft ist ein ganz lieber Lausbub entstanden. Gesellschaft ohne Behinderte ist eine unmenschliche Trotzdem steht diese Frau heute in der ersten Reihe, Gesellschaft. wenn es darum geht, für die ersatzlose Streichung des (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der § 218 zu demonstrieren. Sie sagt, für sie sei eine CDU/CSU) Abtreibung nicht in Frage gekommen, findet aber, Besteht nicht die Gefahr, liebe Kollegen, daß Taten daß jede Frau das Recht auf eine eigene Entscheidung Vorschub geleistet wird, die in unserer jüngsten haben muß. Vergangenheit so sehr zu beklagen sind? Ich hatte Nun noch ein letztes Schicksal. Eine Frau um die 50 eine Tante, die geistig und körperlich schwerstbehin sprach mit mir über ihre Kinderlosigkeit. Es tue ihr Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8333

Michaela Geiger heute sehr leid, daß sie keine Kinder habe. Sie sei denken. An der Entstehung eines Kindes sind immer einmal schwanger gewesen, habe aber abgetrieben, zwei Menschen beteiligt. Die Konsequenzen hat weil der damalige Partner das Kind nicht haben jedoch häufig allein die Frau zu tragen. Aus Gesprä- wollte. Heute mache sie sich Vorwürfe, daß sie nicht chen mit Schwangerschaftsberaterinnen und Ärztin- die Kraft hatte, ihr Kind allein aufzuziehen. Jedesmal, nen weiß ich, daß Frauen in vielen Fällen bereit wenn sie eine schwangere Frau oder einen Kinderwa- wären, ihr Kind auszutragen, wenn sie mehr Unter- gen sehe, deprimiere sie dies tief. Sie glaubt heute, stützung durch den Ehemann, den Freund, die Familie daß vor allem soziale Hilfen notwendig sind, um die hätten. Oft genug besteht der Partner darauf, das Kind Zahl der Abtreibungen senken zu können. abzutreiben. Der Partner der schwangeren Frau, der ihr die Hilfe verweigert, müßte folgerichtig ebenfalls Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sind strafrechtlich belangt werden, und zwar in stärkerem nur drei Schicksale. Mir sind noch viele andere und eindeutigerem Maße, als dies bisher in diesem bekannt, die ich hier anführen könnte. Jede dieser Entwurf vorgesehen ist. Dann würde mir mein Ja zu Frauen hat aus ihren ganz persönlichen Erfahrungen diesem Gesetz leichter fallen. andere Schlüsse gezogen. Keine hat leichtfertig gehandelt oder geurteilt. Was will ich damit sagen? Trotzdem, ich stimme ihm zu und hoffe, daß unser Vermutlich hält niemand von uns den Schlüssel zur Entwurf die Mehrheit erhalten wird. reinen Wahrheit in Händen, ganz sicher auch ich Danke schön. nicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn ich heute trotzdem dem Gesetzentwurf der CDU/CSU zustimme, dann deshalb, weil ich glaube, Als nächstes hat daß er den Frauen wie auch dem ungeborenen Leben Vizepräsidentin Renate Schmidt: am ehesten gerecht wird und dem, was das Grundge- unser Kollege Wolf Bauer das Wort. setz von uns verlangt, am ehesten Genüge tut. Ich glaube, daß in diesem Entwurf die Fragen der sozialen Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Hilfen und der finanziellen Leistungen im Bereich der Meine sehr verehrten Kolleginnen! Meine Kollegen! Familien- und Sozialpolitik vorbildlich gelöst sind und Wir müssen uns in dieser Debatte immer wieder er unserer Maxime „Hilfe vor Strafe" voll ent- klarmachen, um was es im Kern geht: Es geht um spricht. Menschen, nicht um Sachen oder abstrakte Prinzi- Gewisse Probleme bereitet mir allerdings die Straf- pien. Es geht um Menschen in Ausnahme- und androhung in diesem Gesetzentwurf. Wenn ich der Extremsituationen, die, weil sie sich in einer solchen Strafandrohung heute trotzdem zustimme, dann aus Situation befinden, des besonderen Schutzes und der folgenden Gründen: Jede Frau, die ein Kind hat, weiß, Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft bedürfen. daß sie in der Schwangerschaft mit diesem neuen Zum einen geht es um das ungeborene Kind. Daß Wesen aufs engste verbunden ist. Sie ist es, die ja das ungeborene Kind ein Mensch ist, ein Individuum, sagen muß, damit ein neuer Mensch geboren werden einzigartig, im Besitz einer unteilbaren Würde, das kann. Wenn sie aber nicht ja sagt, macht es dann Sinn, steht doch fest. Deshalb ist es auch unbezweifelbar, das Kind gegen seine Mutter zu schützen? daß dieser noch nicht geborene Mensch ein Lebens- Unbestritten ist, daß ein werdendes Kind ein Recht recht besitzt wie wir alle. Das ungeborene Kind kann auf Leben hat. Wenn es aber ein solches Lebensrecht sein Lebensrecht nicht selber geltend machen und gibt, dann muß es auch rechtliche Mittel geben, dieses gegen Angriffe verteidigen. Es ist in dieser Extremsi- tuation wehrlos. Daher bedarf es in besonderem Maße Grundrecht durchzusetzen. der staatlichen Gemeinschaft. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Staat, der Tiere Zum anderen geht es um die Mutter. Sie kann und Pflanzen oft auch gegen den Willen der Besitzer zweifelsohne auf Grund ihrer Schwangerschaft eben- unter Strafandrohung schützt, beim höchstentwickel- falls in eine Ausnahmesituation geraten. Auch sie ten aller Lebewesen, dem Menschen, auf diese bedarf daher des besonderen Schutzes der staatlichen Schutzpflicht verzichten kann. Gemeinschaft, einerseits, um ihr Kind zur Welt brin- (Beifall bei der CDU/CSU) gen zu können, und andererseits, um vor Bedrängung durch Dritte geschützt zu sein. Frauen wehren sich heute vehement dagegen, daß Diese beiden unterschiedlichen Ausnahme- bzw. andere über sie und ihren Körper verfügen. Die Extremsituationen, die des ungeborenen Kindes und Forderung etwa nach der strafrechtlichen Ahndung die der schwangeren Frau, gilt es gegeneinander der Vergewaltigung in der Ehe entspringt diesem abzuwägen, wobei für das Kind immer das Leben auf Denken. Beim Schwangerschaftsabbruch geht es dem Spiel steht, nicht allein um Seele und Körper der Frau, sondern auch um ein Wesen, das sich selbst noch nicht wehren (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) kann. Deshalb bleibt vermutlich auch keine andere für die Frau — abgesehen von einer medizinischen Möglichkeit, als durch das Strafrecht zu verhindern, Indikation — in aller Regel ein weniger schwerwie- daß über dieses Wesen nach Gutdünken verfügt gendes Rechtsgut. werden kann. Frage: Beinhaltet das Recht der Schwangeren auf Wenn wir aber das S trafrecht weiterhin benötigen, selbstbestimmte Lebensgestaltung auch das Recht, in um den Schutz des ungeborenen Lebens sicherzustel- ihr unlösbar erscheinenden Konfliktsituationen das len, dann sollten wir dies auch konsequent zu Ende Lebensrecht des Kindes zu mißachten und den Kon- 8334 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Wolf Bauer flikt durch Abbruch der Schwangerschaft zu mildern den, das sie zu „Objekten legitimer negativer Selek- oder zu beseitigen? tion" macht. — Bleiben wir doch dabei! Nach allgemeinem Rechtsverständnis ist das Zur F.D.P.: Strafbewehrte Verbote seien sinnvoll, Lebensrecht des ungeborenen Kindes unvergleichbar „denn wir müssen uns gegen jede Manipulation stärker. Das Recht muß hier zuvörderst dem Schwäch- menschlichen Lebens bereits im Vorfeld wehren und sten beistehen. Das ist eindeutig das ungeborene einen umfassenden Lebensschutz gewähren". Kind. Das waren Zitate von der F.D.P., von den GRÜNEN und von der SPD. Ich appelliere an Sie: Denken Sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) daran, was Sie vor diesem Hohen Hause eirural In diesem Haus besteht weitgehend Einigkeit dar- erklärt haben, und stimmen Sie unserem Antrag zu! über, daß der Abbruch einer Schwangerschaft ein (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) weiterhin im Strafgesetz zu verankernder Tatbestand sein soll. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß wir uns dann alle danach richten müssen und nicht einteilen Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat die Kolle- dürfen, wann es ein Straftatbestand sein kann und gin Regina Kolbe das Wort. wann nicht. Uneinigkeit besteht also nur darüber, ob, wann und unter welchen Umständen die generell Regina Kolbe (SPD): Frau Präsidentin! Meine vorzusehende Strafe für den Abbruch einer Schwan- Damen und Herren! Ich weise aufs entschiedenste den gerschaft nicht angewendet werden soll. soeben gemachten Vorwurf zurück, daß vorgeburtli- Die Frage, die es heute zu beantworten gilt, lautet ches Leben im Zusammenhang mit dem Leben Kör- also: Soll es auch in Zukunft eine spürbare — nicht nur perbehinderter zur Disposition gestellt wird. Kein theoretische, sondern spürbare — rechtliche Hemm- Mensch, der die Fristenlösung vertritt, hat dieses schwelle für den Abbruch einer Schwangerschaft Ansinnen jemals geäußert oder wird es umsetzen. geben? (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Wer wie ich diese Frage bejaht, dem stellt sich eine In diesem Hause haben heute viele selbsternannte zweite Frage: Wie hoch muß diese rechtliche Hemm- Lebensschützer für das vorgeburtliche Leben plädiert. schwelle im Interesse des ungeborenen Kindes sein, Ich frage Sie: Waren Sie selber einmal in der Situation, und wie niedrig darf sie sein, um die Interessen der ungewollt schwanger zu sein? Die Männer können Frau in einer schweren unauflösbaren Konfliktsitua- das nicht, nur die Frauen. Ich sage Ihnen: Ich war es tion angemessen zu berücksichtigen? Meine Antwort zweimal, und ich mußte mich entscheiden. Trotz des lautet: Es gibt Extremsituationen, in denen die zum Anratens der Ärzte, die gegen das Leben meines Schutz des ungeborenen Kindes verpflichtete staatli- Sohnes gesprochen haben, habe ich mich für ihn che Gemeinschaft einer Frau die Fortsetzung einer entschieden. Das drückt aus, daß Frauen das Kind Schwangerschaft nicht zumuten kann. In solchen bekommen, wenn sie es wollen. Wenn sie es nicht Extremsituationen — aber nur in solchen Ex- wollen, werden sie Mittel und Wege finden, um die tremsituationen — ist es gerechtfertigt, die für den Schwangerschaft abzubrechen. Abbruch einer Schwangerschaft vorzusehende Strafe (Beifall bei der SPD, der F.D.P. und der nicht anzuwenden. Beg riffe wie allgemeine oder psy- PDS/Linke Liste) chosoziale Notlage sind mir hier einfach zuwenig; sie Die Frage, vor die wir hier heute gestellt sind, ist, sind mir zu unklar. wie wir ihnen diese Wege eröffnen. Der Gesetzentwurf der Gruppe Werner mit seiner (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) eindeutig definierten Indikationsstellung ist deshalb In allen vorliegenden Entwürfen spielt die Beratung der einzige Entwurf, dem ich persönlich zustimmen eine sehr wichtige Rolle. In einigen Entwürfen wird sie kann. In Verbindung mit einer Vielzahl von Hilfen für sogar zwingend vorgeschrieben. Auch im Gruppen- die schwangere Frau bietet er von allen Gesetzent- entwurf wird davon ausgegangen, daß Frauen erst würfen den bestmöglichen Schutz des ungeborenen nach Beratung verantwortungsvoll eine Gewissens- Kindes. - entscheidung treffen können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich räume ein, daß Frauen in dieser sehr schwieri- gen Situation Beratungsbedarf haben. Aber die Bera- Die Unterstützung eines anderen Gesetzentwurfs ist tung soll freiwillig erfolgen und nicht per Gesetz mit mit meinen Vorstellungen von einem christlichen und Zwang verordnet werden. Der vorliegende CDU/ wertorientierten Menschenbild nicht zu vereinba- CSU-Gesetzentwurf geht sogar so weit, daß Frauen ren. nicht allein entscheiden können; sie sollen mit dem Ich möchte die Damen und Herren des Hauses gern Arzt gemeinsam entscheiden. noch daran erinnern, wie sie sich beim Embryonen- Deutlicher kann man seine Einstellung gegenüber schutzgesetz verhalten haben. Ein Zitat von der SPD: Frauen kaum darstellen. Eine Frau ist demnach nur „Menschliches Leben darf nicht total planbar und darf mit bestelltem Beistand in der Lage, zu entscheiden. nicht verfügbar gemacht werden. " — Ja, dann bleiben Das widersp richt den Grundfesten unserer Gesell- wir doch dabei! schaft, nämlich der Auffassung, daß in einer freien Gemeinschaft jeder verantwortlich vor sich selbst und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) den anderen handeln muß. Genau diese Fähigkeit zur Von den GRÜNEN wurde ausgeführt, daß sich Verantwortung sprechen Sie, die Sie für einen Bera- Kranke und Behinderte in einem Gesetz wiederfän tungszwang eintreten, den Frauen ab. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8335

Regina Kolbe In diesem Zusammenhang ist für mich auch unver- und anderer „Kulturkampfaktionen" (Originalton ständlich, daß Frauen für Frauen die Beratung for- Kardinal Meisner): Der moderne Verfassungsstaat ist dern. Frauen machen Frauen dadurch unmündig. nicht mehr das weltliche Schwert der Kirche, Meine Zustimmung zum Gruppenentwurf fällt mir (Beifall bei Abgeordneten der SPD) sehr schwer. Ich stimme ihm trotzdem zu. Ich sagte, daß der Beratungszwang für mich ein wesentlicher nicht der Vormund und Sittenwächter von Frauen und Hinderungsgrund ist. Ferner ist vor allen Dingen ein Männern. Hinderungsgrund, daß der § 218 weiterhin im Straf- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der gesetzbuch enthalten sein wird. Trotzdem stimme ich SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ also dem Gruppenantrag zu, NEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der In einem weltanschaulich neutralen Staat haben F.D.P.) kirchliche Standpunkte keinen Anspruch, zur Geset- weil ich erreichen möchte, daß den Frauen in West- zesnorm verallgemeinert zu werden. deutschland endlich eine freie Entscheidung ermög- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der licht wird, ob sie ein Kind bekommen wollen oder SPD) nicht. (Zurufe von der CDU/CSU: Vorher!) Wieviel wert, meine Herren und Damen, ist also die vielgerühmte Gewissensfreiheit der 662 Abgeordne- Hinzu kommt, daß ich somit wenigstens dazu bei- ten im Streit urn den § 218? Oder ersetzen gar Parteien tragen kann, daß den Frauen in Ostdeutschland die das Gewissen? Gibt es etwa ein Partei- oder Kollek- jetzt hierzulande geltende Indikationenlösung erspart tivgewissen? Ich sage: nein. Gegenüber den unerträg- bleibt. lichen Bevormundungsversuchen durch die katholi- Ich hörte vorhin die Worte: Vorher soll die Frau sche Kirche und mancher ihrer Gefolgsleute sage ich: entscheiden, ob sie schwanger wird oder nicht. — Ich Widerstand ist Pflicht. Heute wird nicht entschieden, bin mit bewußter Verhütung schwanger geworden. wer ein guter Christ ist und wer ein schlechter Christ Ich habe das Pech gehabt, mit Pille und Spirale ist. schwanger zu werden. Auch das gibt es. Diese Realität (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der sollten Sie anerkennen. Auch für diese Frauen muß SPD und der PDS/Linke Liste — Claus Jäger eine Lösung gefunden werden. [CDU/CSU]: Das sind doch Kulturkampf (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der töne!) F.D.P. und der PDS/Linke Liste) Die sozialliberale Koalition hatte 1974 beschlossen, Ich glaube auch nicht, daß in diesem Hause heute durch die prinzipielle Freigabe des Schwanger- zum letzten Mal über dieses Problem diskutiert wor- schaftsabbruchs innerhalb der ersten drei Monate den den ist. Daß der § 218 auch nach dem Gruppenentwurf schwangeren Frauen neben der Gewissenslast, die sie erhalten bleibt, wird dafür sorgen, daß die Frauen ohnehin haben, auch den Gewissensentscheid zu weiter Protest anmelden. Irgendwann wird dieses übertragen. Relikt der Vergangenheit angehören. Das Bundesverfassungsgericht verwarf diese Rege- Danke. lung und formulierte die Vorlage für das bis heute (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der bestehende Indikationsmodell, das eine Abwägung F.D.P., der PDS/Linke Liste und des BÜND- des werdenden Lebens gegenüber den Interessen der NISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau durch Dritte erzwingt. Mit anderen Worten: Die Entscheidung zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens und der Notlage der Frau haben bis heute in den ersten drei Monaten — und es wird auch zukünf- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat die Kolle- tig so sein, sollte der CDU-Mehrheitsentwurf obsie- gin Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink das Wort. gen — dritte Personen und nicht die schwangere - Frau. In unserem Gruppenantrag fordern wir statt dessen, Dr. Margret Funke-Schmi tt-Rink (F.D.P.): Frau Prä- daß die betroffene Frau und nur sie die letzte Gewis- sidentin! Meine Herren! Meine Damen! sensentscheidung trifft. Dies ist der grundsätzliche Unterschied zwischen dem Indikationsmodell und Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dem Fristenmodell. ... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Niemand, nicht ein Arzt, nicht ein Richter, nicht ein Gewissen unterworfen. Bischof, kann und darf der schwangeren Frau diese So steht es in Art. 38 des Grundgesetzes. Entscheidung abnehmen. Der Bundestag als Institution hat ebensowenig ein (Claus Jäger [CDU/CSU]: Die F.D.P. auch Gewissen wie die katholische Kirche als Institution. nicht!) Trotz Glockenterrors Vor allem: Können, oder besser: müssen, Dritte dann (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der auch die Folgen dieser Entscheidung mittragen? Wer SPD, der PDS/Linke Liste und des BÜND- kann denn allen Ernstes behaupten, daß Dritte ein NISSES 90/DIE GRÜNEN) größeres Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem 8336 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink ungeborenen Leben hätten als die schwangere Frau gerschaft eine Bankrotterklärung unserer Wertege- selbst? meinschaft sieht, der irrt. Bankrott ist eine Familien- politik, die immerzu von der Chancengleichheit von (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ Mutterschaft und Beruf redet, während in Wirklich- Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- keit Frauen und Familien mit Kindern sozial und NEN) wirtschaftlich diskriminiert werden. So wie der Embryo sich in völliger physischer (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ Abhängigkeit von der Frau befindet, so ist die Verbin- Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ dung, von der Frau aus gesehen, mit keiner anderen NEN) Beziehung vergleichbar, weder körperlich noch emo- tional noch sozial. Die Menschwerdung der Leibes- Nur hier und nicht im Abtreibungsrecht liegt die frucht im Körper der Frau ist nur möglich, wenn diese Wurzel des Übels. sich voll und ganz, total, zur Verfügung stellt. Ein (Herbert We rner [Ulm] [CDU/CSU]: Da muß Schwangerschaftskonflikt ist mit einer biologisch ein- vor allem die F.D.P. zur Einsicht kommen!) zigartigen Situation verknüpft. Meine Herren, meine Damen, stehen Sie zu der von Eine gegebene Kollision des werdenden Lebens mit Ihnen durch das Grundgesetz garantierten Gewis- den Interessen der Frau ist ein in der Rechtsordnung sensfreiheit! Beenden Sie die pharisäerhafte Selbstge- einmaliger Fall. Der Konflikt kann nicht generell- rechtigkeit der Diskussion über den § 218! Stimmen abstrakt dadurch gelöst werden, daß der Gesetzgeber Sie für den Gruppenantrag! seine Entscheidung an die Stelle der Entscheidung (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ der Frau setzt. Die staatliche Drohung, die Strafbarkeit Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ des Abbruchs, muß den Konflikt verschärfen und in NEN) eine unerträgliche Zwangslage verwandeln. Das Pro- blem der Abtreibung, meine Damen, meine Herren, ist mit den Mitteln des Strafrechts nicht zu bewälti- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun spricht die gen. Frau Kollegin Roswitha Verhülsdonk. (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Roswitha Verhülsdonk (CDU/CSU): Frau Präsiden- NEN) tin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich habe heute Ich behaupte, daß der bisherige § 218 bis heute keine viele Reden gehört, bei denen ich Schwierigkeiten einzige Abtreibung verhindert hat. hatte, die Meinung zu teilen; aber die letzte Rede fand Die Verpflichtung der Frau zum Austragen des ich schlimm. Kindes gegen ihren Willen bedeutet den tiefsten (Beifall bei der CDU/CSU) Eingriff in ihre gesamte Lebensplanung und Lebens- Wer die öffentliche Debatte über die Reform des führung. In einer freiheitlichen Gesellschaft, die wir Abtreibungsparagraphen verfolgt hat, konnte man- doch sind, kann eine mit so weitreichenden Pflichten ches Mal den Eindruck gewinnen: An dieser Frage vorhandene Sonderrechtsbeziehung wie die Mutter- entscheidet sich, wie gut oder wie schlecht es um die Kind-Beziehung nur freiwillig übernommen, aber Rechte der Frau bestellt ist. Von Selbstbestimmung, ja nicht mit Mitteln des Strafrechts erzwungen werden. von Befreiung der Frau war dabei die Rede. Diese Dies kommt einer Entmündigung der schwangeren Verkürzung der Diskussion finde ich unverantwort- Frau gleich. Sittliche und strafrechtliche Bewertung, lich. meine Damen und Herren von der CDU/CSU, müssen nicht deckungsgleich sein, wie Sie das gebetsmühlen- (Beifall bei der CDU/CSU) artig formulieren. Sie verschleiert den ethischen Aspekt des Schwanger- schaftsabbruchs, und sie wird auch den Problemen der ( [CDU/CSU]: Eine höchst Frauen nicht gerecht. überflüssige Bemerkung!) In den alten Bundesländern konnten wir in den Will der Staat die Entscheidung zum Kind erleich- - letzten 15 Jahren wichtige Erfahrungen mit dem § 218 tern, darf er nicht zum Strafrecht, sondern muß er in sammeln. Wer sich wie ich jahrelang darum geküm- die Taschen seiner Bürgerinnen und Bürger greifen. mert hat, was sich in Beratungsstellen und Arztpraxen (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) abspielt, der konnte erfahren, wie schwierig, komplex und konfliktbeladen die Entscheidungssituation un- Dazu gehören die seit vielen Jahren geforderten gewollt schwangerer Frauen ist. familienfreundlichen Maßnahmen, die alle Fraktio- nen in diesem Haus befürworten. Aber dazu gehört Die Notsituationen, die dort zur Sprache kommen, noch viel mehr. Unser gemeinsames langfristiges Ziel sind so verschieden wie die Frauen selbst. Da gibt es muß der soziale Umbau unserer Gesellschaft sein, die starke, selbstbewußte Frau, die einen Schwanger- damit Frauen und Männer gleichberechtigt und schaftskonflikt notfalls allein meistert. Die meisten der gleichgestellt mit Kindern leben können und wol- ratsuchenden Frauen, so sagen uns die Beraterinnen, len. sind aber in ihren Problemen so befangen, daß sie diese allein nicht bewältigen können. Viele sind von (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke ihrem Partner gedrängt und von ihren Familien ver- Liste) lassen. Die Frauen sprechen häufig zunächst von Fazit: Wer im Verzicht auf die Anwendung des ihren wirtschaftlichen und sozialen Nöten, die auch Strafrechts in den ersten drei Monaten der Schwan für engagierte Beraterinnen nicht leicht lösbar sind; Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8337

Roswitha Verhülsdonk das wissen wir alle. Ich denke hier vor allem an das Beratung. Man spürt dem Gruppenentwurf geradezu Wohnungsproblem. den Widerwillen an, das Selbstbestimmungsrecht der Frau durch Beratung „einzuschränken". Die Bedeutung der sozialen Hilfsmaßnahmen ist in der öffentlichen Diskussion bedauerlicherweise zu (Beifall bei der CDU/CSU) kurz gekommen. Von ihnen hängt es aber unter Wegen des überzeugenden Beratungskonzepts und Umständen ab, ob sich eine Frau in schwieriger Lage des besseren Hilfepakets, aber auch wegen der straf- für ihr Kind entscheiden kann. rechtlichen Ausgestaltung werde ich für den Mehr- Die Union hat sich mit ihrem Hilfepaket viel Mühe heitsentwurf der Union stimmen. gemacht. Wir haben alle wesentlichen Forderungen (Beifall bei der CDU/CSU) der Beratungsstellen, die uns in den letzten Jahren immer wieder auf den Tisch gelegt worden sind, berücksichtigt. Dieses Sozialpaket zielt nicht nur auf Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächste hat Abhilfe in akuten Schwangerschaftsnotlagen, son- die Kollegin Margitta Terborg das Wort. dern enthält auch wesentliche Verbesserungen für das Leben mit dem Kind und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist eine Stelle, an der wir ansetzen müssen. Ich bin sicher, wir haben über das Margitta Terborg (SPD): Frau Präsidentin! Meine hinaus, was hier an Hilfe diskutiert wird, noch viel verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist schwierig, mehr zu tun. nach einer so langen Debatte hier und nach einer in der Öffentlichkeit so breit geführten Diskussion über Erfahrene Beraterinnen berichten uns aber seit dieses Problem noch einen neuen Gedanken beizu- langem, daß hinter den sozialen und materiellen steuern. Problemen der Frauen fast immer tiefgreifende Bezie- Diesen Ehrgeiz habe ich nicht. Ich will Flagge hungskonflikte zwischen den Partnern stehen. Oft ist zeigen und die Frauen und Mütter in meinem Wahl- die Frau die einzige, die das Kind eigentlich will. Aber kreis wissen lassen, daß ich ihre Sorgen und Nöte der Druck, es „wegmachen" zu lassen, wie der ver- verstehe und sie in dieser Frage nicht allein lasse. harmlosende Sprachgebrauch da lautet, ist über- mächtig. (Beifall bei der SPD) (Beifall des Abg. Siegfried Hornung [CDU/ Ich bin für den Gruppenantrag, der mehrheitlich CSU]) von den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion getragen wird. Ich bin für die Fristenlösung, und ich Kommt es zum Abbruch, sind es wieder die Frauen, stehe dafür, daß die letzte Entscheidung über einen die die Trauerarbeit leisten und die seelischen Pro- Schwangerschaftsabbruch bei der Frau bleibt. Zwar bleme, die daraus folgen, bewältigen müssen. werden wir mit dieser Reform den Beratungszwang Vor diesem Hintergrund finde ich es geradezu statt des Angebots der Beratung nicht verhindern zynisch, wenn die Antwort auf die Probleme heißt: können, aber ich würde den Frauen, die in Not Selbstbestimmung innerhalb einer Frist. geraten sind, einen noch schlechteren Dienst erwei- sen, wenn ich um der „reinen Lehre" willen den (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) vorgeschlagenen Kompromiß ablehnte. Ganz neben- Vielen Frauen ist es keine Hilfe, wenn ihnen ein bei: Es gibt hier keine „reine Lehre". möglichst schneller und unkomplizierter Weg zur Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine so tiefgrei- Abtreibung eröffnet wird. Frauen, die keinen Ausweg fende persönliche und ethische Entscheidung in fast mehr sehen, brauchen vor allem eine verständnis- auswegloser Situation, daß das Strafrecht verstum- volle Beratung, in der ihr Konflikt vertrauensvoll und men muß und auch die P riester schweigen müssen. behutsam aufgearbeitet wird. Am Ende soll dann eine reflektierte Entscheidung der Mutter stehen. Eine (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Beratungspflicht ist deshalb nicht Gängelung, son- Ich persönlich hätte eine solche Entscheidung nie dern Hilfe für die Frau. Das möchte ich einigen treffen wollen und können. Zum Glück ist sie mir Kolleginnen sagen. erspart geblieben. Nun nennt der Gruppenentwurf in seiner Begrün- Aber ich weiß von vielen Frauen aus meinem dung als Ziel zwar eine qualitativ hochwertige Bera- Wahlkreis, die keinen anderen Ausweg mehr sahen. tung. Er verpflichtet die Frau aber nicht, ihre Situation Ich war außerstande, ihre Entscheidung zu mißbilli- darzulegen. Die sogenannte Beratung bleibt auf ärzt- gen. Die Gesellschaft hatte sie allein gelassen. liche Information und Darstellung von sozialen Wenn ich den Finanzierungsvorbehalt der Damen Rechtsansprüchen beschränkt und wird damit nach und Herren Finanzminister aller Couleur richtig meiner Ansicht zu einer Farce. deute, wird das noch längere Zeit so bleiben. Das, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) meine Kolleginnen und Kollegen, ist der eigentliche Skandal. Bisher gilt die Trennung von ärztlicher und psycho- sozialer Beratung. Ich frage die Verfasser des Grup- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) penentwurfs: Warum wird diese Trennung aufgege- Er würde noch größer, wenn der Bundestag mehrheit- ben? Sollen alle, die unter der bisherigen Bedingung lich die Indikationenlösung beschließen würde, denn qualifiziert beraten haben, aus dieser Beratungsauf- dann müßten die Hilfen für das werdende Leben, für gabe herausgedrängt werden? Das bedeutete dann die Mutter und das Kind noch viel intensiver ausge- doch eine Fristenlösung mit einer bloßen Pro-forma- staltet werden, d. h. teurer sein. 8338 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Margitta Terborg Wenn der Staat das Austragen eines Kindes von der wie vor für eine Fristenregelung eintrete, und zwar, Mutter erzwingt, hat er die Obhut für dieses Kind zu wie ich meine, mit gewichtigen Gründen. übernehmen. Die Indikationen-Befürworter setzen Ich hätte persönlich die Möglichkeit gehabt, Abtrei- sich dem Verdacht aus, Sittenrichter der Nation zu bungen bei meinen drei Kindern vornehmen zu las- sein und sich um die Folgen nicht kümmern zu sen. Ich tat das trotzdem nicht, obwohl ich beim ersten wollen. Kind gar eine Empfehlung, aus welchen Gründen Wir alle, meine Kolleginnen und Kollegen, stehen in auch immer, erhalten hatte. der Pflicht, dem werdenden Leben, den Müttern und Ich denke einfach, daß ein gesetzlicher Rahmen, der den Kindern zu helfen. eine Frist benennt, aber keinerlei Strafandrohung Nun sage ich noch etwas, was Sie vielleicht beinhaltet, dazu geeignet wäre, wirklich selbstbe- schockiert; aber das meine ich so. Ich kann mich an stimmt zu entscheiden. Verpasse ich diese Frist, dann einen Krieg erinnern, wo über Nacht im Bundeshaus- kann ich das nicht dem Staat, der Ärztin oder dem Arzt halt 10 Milliarden DM zur Mitfinanzierung der oder sonstwem anlasten, sondern es ist mein eigenes Tötung geborenen Lebens zur Verfügung standen. Versäumnis, mit dem ich dann leben muß. Für mich ist (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Regina die zwölfte Woche eben kein willkürlich gesetzter Kolbe [SPD]: 16 Milliarden!) Termin. Ich hoffe, Sie erinnern sich auch daran, schämen sich Aber warum ist ein Kind für die Partner oft kein und stellen sich auf die Seite des werdenden Lebens, Grund zur Freude? Das Dasein des Kindes war nicht der Mutter und des Kindes. eingeplant. Und viele wissen nicht, daß Kinder auch Ein allerletztes Wort — ich weiß, es ist nicht üblich, Glück bedeuten; besser gesagt, sie haben diese natür- aber was kann schon üblich sein an einem Tag wie lichen Reaktionen auf Grund der gesellschaftlichen diesem —: Ich wollte dem Kollegen Eylmann danke Gegebenheiten verlernt. sagen für eine Rede, die durch ihre Brillanz turmhoch Wenn das so ist, dann ist in der Art und Weise, wie aus der Debatte herausragte. Ich kann nur hoffen, daß wir leben, ein Punkt erreicht oder gar überschritten, seine Rede in den Köpfen seiner CDU-Kollegen Bewe- der mich als Ärztin dazu verleitet, zu sagen: Eine gung ausgelöst hat. Wenn nicht, bleibt sie dennoch ein Gesellschaft, in der Kinder oft sehr einseitig als Beispiel dafür, daß es wenigstens einen Mann in der Belastung empfunden werden, ist krank. Verhalten Union gibt, der den Konflikt begriffen, aufgenommen wird erzeugt und ist nicht einfach so gegeben. und intellektuell verarbeitet hat. Machen wir Frauen uns doch nichts vor: Viele Männer (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS wollen an der Entscheidung über das Leben des 90/DIE GRÜNEN) Kindes nicht teilhaben oder sind froh, daß sie die Verantwortung der Frau zuschieben können. Die Rolle des Mannes wird in der Diskussion für mich Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat die Kolle- zuwenig berücksichtigt oder zu einseitig gesehen, gin Dr. Ursula Fischer das Wort. obwohl ständig vom Patriarchat geredet wird. Die Männer haben oft entscheidenden Einfluß auf den Ausgang einer Schwangerschaft. Dr. Ursula Fischer (PDS/Linke Liste): Frau Präsiden- Was aber macht es so schwer, sich bewußt für ein tin! Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte, die wir Kind zu entscheiden? Unsicherheit gibt es auf allen heute miteinander führen, ist so widersprüchlich wie Wegen. Wer Angst vor dem weiteren beruflichen die Gesellschaft, in der wir leben. Positionen und Werdegang und den finanziellen Belastungen hat, Argumente prallen aufeinander und sind scheinbar scheut auch vor Partnerschaft und Kind zurück. unversöhnlich. Jeder glaubt, daß seine Wichtung, seine Entscheidung nur so und nicht anders möglich Strafrechtliche Regelungen schaffen zusätzliche ist. Ängste und bauen sie nicht ab. Es ist ein großer Irrtum, daß staatlicher Druck auf längere Sicht die Probleme Oft genug ist betont worden, daß die Abgeordneten löst. Das gilt wohl nicht nur für den § 218. in diesem Punkt nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Das begrüße ich, das sollte immer so sein. Mit Sorge beobachte ich die besondere Situation in Aber das entspricht derzeit wohl nicht der tatsäch- den neuen Bundesländern. Frauen sind in vielen lichen Situation. Ich jedenfalls fühle mich bedrängt Richtungen verunsichert. Wenigstens nicht schwan- und muß letztlich taktisch entscheiden, um meinen ger werden, heißt die Devise; jetzt ein Kind wäre unser Wählern und Wählerinnen wenigstens die Tür für ihre Aus, eine Art der Selbstaufgabe für uns selbst. Selbstbestimmung offenzuhalten. Meine Damen und Herren, der § 218 — und machen Hier wird getan, als ob Frauen zur Abtreibung wir uns nichts vor, im Gruppenentwurf ist nach wie vor gezwungen werden sollen. Warum ist es nicht mög- der § 218 enthalten — löst auch Ängste aus. Die lich, eine Toleranz an den Tag zu legen, die jedem Folgen sind psychische und psychosomatische Stö- Individuum das Recht einräumt, sich selbstbestimmt rungen. in seinem Umfeld — und für mich gehören die Männer Die Folgerung lautet immer häufiger: Sterilisation. dazu — zu orientieren und zu entscheiden, auch Die ist ja wohl erlaubt. Auch Arbeitgeber sind ja nicht darüber, welche Form und Art der Beratung von gerade unglücklich über eine derartige Mitteilung. anderen Stellen zusätzlich gewünscht werden? Mir macht das Angst; denn das ist eine eindeutige Ich sehe, daß hier der Mensch, ob nun Mann oder Absage an die Zukunft. Offensichtlich glauben die Frau, entmündigt wird. Ich sage das, obwohl ich nach Frauen, die zu diesem Mittel greifen — auch Männer Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8339

Dr. Ursula Fischer tun es — nicht mehr an eine Veränderung in Richtung würden manche, die sich heute so vehement dafür auf eine kinderfreundliche Gesellschaft. Auch mir fällt einsetzen, gar nicht existieren. es manchmal schwer. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn ich mich heute entscheide, dann nicht nach meinem Gewissen, sondern, wie gesagt, rein taktisch, Ein weiterer Gesichtspunkt, vor einer Fristenrege- um Schlimmeres zu vermeiden. Ich denke, so werde lung zu warnen, ergibt sich aus der durch Untersu- ich das auch meinen Wählerinnen und Wählern erklä- chungen belegten Tatsache, daß die Feststellung ren müssen. einer Schwangerschaft zwar von einigen werdenden Müttern und Vätern sehr positiv begrüßt wird, bei Der Gruppenantrag verursacht mir Bauchschmer- einem hohen Prozentsatz der Frauen jedoch zunächst zen, und ich möchte mich zumindest enthalten wollen; Unsicherheit oder gar Schock und Entsetzen auslöst. aber das kann ich wohl nicht verantworten. Ich sage es Selbst wenn ein Kind im Grunde bejaht wird, heißt es ganz deutlich: Mein Ja ist erzwungen durch die oft: Nicht gerade jetzt, nicht zu dieser Zeit! Wir wissen Verhältnisse, wie sie derzeit sind, nicht mehr und nicht aus diesen Studien aber auch, daß die ursprüngliche weniger. Ablehnung mit der Zeit sehr oft in eine Annahme, Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Bejahung und sogar freudige Erwartung umschlägt. (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei (Beifall bei der CDU/CSU) Abgeordneten der SPD) Ist die Schwelle für die Durchführung der Abtreibung nicht hoch gesetzt, würde manch eine in einer solchen Vizepräsidentin Renate Schmidt: Bevor ich nun der ersten oder zweiten Reaktion eine Entscheidung tref- Kollegin Frau Professor Dr. Ursula Lehr das Wort fen, die sie später bereuen würde. erteile, möchte ich Sie nur kurz darüber informieren, In der Tat ist die Geburt eines Kindes im Leben einer daß wir derzeit noch mindestens elf Wortmeldungen Frau eine äußerst einschneidende Zäsur, bedeutet oft vorliegen haben, daß also die Abstimmung frühestens eine völlige Umgestaltung der eigenen Lebenspla- in einer Stunde beginnen kann. nung, wie sie ein Mann kaum nachvollziehen kann. Ich sage das, damit Sie die Chance haben, falls Sie Das Leben des Vaters verläuft meist — mehr oder sich lieber noch unterhalten, das jetzt nicht hier im weniger beeinflußt — in gleichen Bahnen weiter. Für Raum zu tun, und damit die anderen die Chance die Frau dagegen kann eine Schwangerschaft, gerade haben, denen zuzuhören, denen sie zuhören wollen. wenn sie sich alleingelassen fühlt, zu einer existentiel- Das ist nur meine Bitte wegen des Geräuschpegels. len Krise werden. Solchen Situationen muß die For- Ich mag auch nicht immer die ganze Zeit brüllen, Sie mulierung des Gesetzes Rechnung tragen. zur Ordnung rufen und Sie bitten, Platz zu nehmen Wir haben uns hier zu fragen, wie wir die Situation und ähnliches, sondern ich bitte schlicht und einfach, der jungen Mutter erleichtern können. Eine breite die Gespräche unten im Keller oder draußen auf dem Palette unterstützender Maßnahmen ist in dem CDU/ Vorplatz, im Garten oder sonstwo zu führen und hier CSU-Antrag vorgesehen. Doch mit materiellen und denen, die den Verhandlungen folgen wollen, die finanziellen Hilfen allein ist es oft nicht getan. Möglichkeit dazu zu geben. Nun, Frau Kollegin Professor Dr. Lehr, haben Sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das Wort. Solche Aspekte sind oft nicht primär entscheidend für eine Ablehnung des Kindes, vor allem dann nicht, wenn sich die junge Mutter verpflichtet fühlt, ihren Dr. Ursula Lehr (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Beruf aufzugeben oder die Berufstätigkeit für längere Meine Damen und Herren! Fast die Hälfte der Abge- Zeit zu unterbrechen. Wir schützen werdendes Leben ordneten des Deutschen Bundestages sind in der nur dann, wenn wir Frauen Beruf und Familie ermög- Kriegs- und Nachkriegszeit geboren: 192 in den lichen, wenn wir Frauen nicht direkt oder indirekt den Kriegsjahren 1939 bis 1945 und 106 in der Nach- Platz allein im Haushalt oder bei den Kindern zuwei- kriegszeit bis 1948, sen, wenn wir für eine qualifizierte Tagesbetreuung (V o r sitz: Vizepräsident Hans Klein) auch von Kleinstkindern Möglichkeiten schaffen, sie zumindest nicht ablehnen. Die junge Mutter, die trotz in einer Zeit, die damals für die meisten Mütter und Väter wahrhaftig durch eine vielfache soziale Notlage Kleinkind berufstätig sein will, sollten wir nicht als gekennzeichnet war, Rabenmutter abstempeln. Diejenigen, die mit mehr oder minder gewichtigen Gründen die Mutter unbe- (Beifall bei der CDU/CSU) dingt an den Herd binden, haben sicherlich nicht zu in einer Zeit, die durch Hunger und Not, durch einer Verbesserung des Schutzes des ungeborenen Bombenangriffe und Flüchtlingselend geprägt war. Lebens beigetragen. Die Wohnsituation war äußerst angespannt. Viele (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) lebten zu mehreren, teils fremden Personen in einem meist schlecht geheizten Raum zur Untermiete. Ihre Hier ist ein Wandel in der Einstellung der berufstäti- Väter waren damals vielleicht eingezogen, in Kriegs- gen jungen Mutter gegenüber notwendig. gefangenschaft oder gar im Krieg gefallen. Und trotz- Eine Fristenlösung lehne ich aus vielen Gründen ab. dem haben Ihre Mütter ja zu ihnen gesagt. Die Kriterien für eine Notlagenindikation sollten eng Aus biographischen Erhebungen, aus vielen einge- gesetzt werden: aus einer ethischen Verantwortung henden Gesprächen mit jetzt älteren Menschen weiß dem werdenden Leben gegenüber und auch aus einer ich: Hätte es damals die Fristenregelung gegeben, Verantwortung der jungen Frau gegenüber. Denn 8340 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Ursula Lehr das, was in der momentanen Situation vielleicht als Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema hat in eine Befreiung aus der Konfliktsituation erscheinen jüngster Zeit zu so unterschiedlichen Reaktionen und mag, hat sich oft als lebenslange psychische Belastung Bewertungen geführt wie die Diskussion um den herausgestellt. § 218. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nun ist die Diskussion ja nicht neu. Wir führen sie, Und ein letztes: Leben darf in keiner Phase zur wie Frau Funke-Schmitt-Rink ausgeführt hat, seit sehr Disposition gestellt werden. Auch wenn es die Befür- vielen Jahren und vollziehen im Augenblick den worter der Fristenlösung nicht wollen, ist zumindest zweiten Schritt zu einer, wie ich für mich persönlich nicht auszuschließen, daß sich dann, wenn an einer gestehen muß, nicht optimalen Lösung, aber einer Stelle das Lebensrecht beschnitten wird, sich auch an Lösung, die akzeptiert werden muß, weil wir eine anderen Stellen Schleusen öffnen. bessere nicht bekommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich habe bewußt den Gruppenantrag nicht unter- Zum Schluß einige Zahlen aus Holland: In einer schrieben, spreche mich aber bewußt heute dafür aus, Verlautbarung des niederländischen Ärztebundes und das nach sehr vielen Gesprächen mit vielen, heißt es, daß bei 129 000 Todesfällen über 60jähriger vielen Frauen, vor allem jungen. Und junge Frauen insgesamt 19 675, das sind 15,3 %, das Leben durch sagen: Beratung ist nicht der Punkt für uns. Beratung, aktive Euthanasie beendet wurde, selbst wenn sie sein muß, ist kein Argument, gegen den Gruppenantrag zu stimmen. Für uns ist die (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Möglichkeit der Öffnung zur Fristenlösung der wich- davon 8 655 mit ausdrücklicher Absicht des Kranken, tige Fortschritt. aber in 11 575 Fällen ohne ausdrückliche Bitte des Deswegen spreche ich mich massiv dafür aus, daß Kranken. Sie, meine Damen und Herren, die noch zögern, diese (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!) Interessen von jungen Frauen, die ja mal Familien- Schon heute ist bei unserer älteren Bevölkerung die mütter werden könnten, hier zu begreifen und ihnen Angst, pflegebedürftig zu werden, sehr groß. Hoffent- zu entsprechen. lich wird angesichts der Diskussion über die Ein- (Beifall bei der SPD) schränkung des Lebensrechts — Eines muß ich auch sagen: Ich habe die Debatte über den ganzen Tag hinweg zum größten Teil Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin, Ihre Rede- verfolgt. Es ist beeindruckend, daß auf jeder Seite zeit! doch achtbare Argumente gefallen sind und als solche auch aufgefaßt worden sind. Dieser zumeist faire Dr. Ursula Lehr (CDU/CSU): — daraus nicht die Umgang mit Worten und Menschen hat mich sehr Angst, daß auch das Leben von pflegebedürftigen beeindruckt. Es ist allerdings ein Umgang, der der alten Menschen eines Tages zur Disposition steht. Sache auch angemessen ist, denn in keinem mensch- lichen Bereich geht es urn so Persönliches, Intimes wie (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU) in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs, handelt es sich doch dabei um die Auswirkung gelebter Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wort der Sexualität. Dieser Komplex ist angstbesetzt und wird Kollegin Uta Titze. wegen des Einflusses der katholischen Amtskirche — das ist von Frau Funke-Schmitt-Rink in entspre- Uta Titze (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und chendem Kampfesmut vorzüglich dargestellt wor- Herren! Es würde mich ja reizen, mich speziell an Sie, —den immer noch stark tabuisiert, moralisiert und Herr Klein, zu wenden, in Vertretung für die 527 hier läuft auf fast unanständige Weise emotinalisiert ab. anwesenden Männer; denn die heutige Schlagzeile Ich begreife zwar, daß man deshalb zu sehr subjek- der „Bild-Zeitung" hat mich schon beeindruckt. Die tiven Argumenten greift; ich habe aber kein Verständ- lautete: 527 Männer entscheiden über alle Frauen. Ich nis mehr dafür, daß mir gestern beispielsweise — Ih- hoffe, Herr Präsident, und mit Ihnen alle Männer, Sie nen, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es sicher- sind sich dieser schweren Verantwortung bewußt. lich genauso — etwas auf den Schreibtisch gelegt (Beifall bei der SPD) wurde, was ich nur unter großer Erschütterung in den Papierkorb werfen konnte, nämlich Fotos von abge- Es würde mich auch reizen, Herrn Blüm zu fragen. triebenen Föten in einem Eimer. Diese Werbung für Es wäre sehr reizvoll, zu erfahren, wie er sich gestern eine Sache geht mir zu weit. Da ist die Grenze der im EG-Sozialministerrat verhalten hat, wo es ja doch Zumutbarkeit erreicht. Diese Art Kulturkampf zeigt darum ging, die Blockade der deutschen Bundesre- doch mehr als jedes Wort die Mißachtung der Frau, die gierung gegen einen besseren Schutz der Schwange- hinter solchen Aktionen steckt. ren aufzuheben. Aber die Antwort wird wohl heute abend nicht erfolgen. (Beifall bei der SPD) Zum Kollegen Warnke: So, wie Sie die Realität In allen meinen Unterredungen, Gesprächen und schildern, ist sie zum Glück ja nicht. Immerhin befür- Diskussionen mit jungen und älteren Frauen sind zwei worten, auch wenn man nicht an Umfragen glauben schwere Diskriminierungen angeführt worden, unter mag, bis zu 80 % der bundesdeutschen Bevölkerung denen Frauen bei der Debatte um den § 218 generell eine für die Frauen, wie ich meine, bessere Lösung, leiden: zum einen die Unterstellung, daß eine Frau, die Fristenlösung, und unter diesen 80 % dürften auch die abtreibt, eine Quasi-Mörderin ist, und zum ande- Männer sein. ren, daß Frauen unmoralisch, leichtfertig und — falls Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8341

Uta Titze auch noch abtreibungswillig — nicht ganz bei Sinnen Allerdings wird sich in Zukunft zeigen, wie ernst es sind. unsere Parteien mit dem Schutz des ungeborenen Wir haben hier genügend kluge und richtige Aus- Kindes meinen, wenn es darum geht, in den Gemein- führungen zur Beratung gehört. Ich brauche das nicht den, Kreisen und Ländern den Rechtsanspruch auf zu erläutern. Ich möchte nur mit einem Satz meine einen Kindergartenplatz vor Ort zu realisieren. Dann berufliche Erfahrung als langjährige Sonderschulleh- geht es nämlich um die Frage: Geben wir unser Geld rerin in München für erziehungsschwierige Jugendli- für Kindergärten aus oder für andere wünschenswerte che, die alle etwa 15 bis 17 Jahre alt waren, weiterge- Investitionen in unseren Gemeinden? geben. Meine Damen und Herren, sosehr ich für soziale (Glocke des Präsidenten) Hilfen bin, sosehr ich auch davon überzeugt bin, daß wir mit diesen Hilfen und mit Zuwendungen an — Ich komme zum Schluß. — Das Recht auf Sexual- Schwangere das ungeborene Leben schützen kön- beratung, auf Sexualerziehung ist äußerst wichtig. Ich nen, habe in meiner Arbeit so große Defizite bei Mädchen, Jungen und auch Eltern festgestellt, daß es gerade (Zuruf von der SPD: Das ist auch noch zuwe- dieser Punkt verdient, in den Gruppenantrag aufge- nig!) nommen zu werden. so sehr bin ich auch dafür, daß wir das ungeborene Ich appelliere an Sie alle, an die Frauen in ganz Leben, das menschliche Leben vom Anfang bis zum Deutschland zu denken und dem Gruppenantrag Ende, unter einen rechtlichen Schutz stellen. zuzustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Daher bin ich nicht bereit, den staatlichen Schutz für das höchste Gut, das es zu schützen gilt, das Recht des Menschen auf Leben, in irgendeiner Phase, auch nicht Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Titze, Sie in den ersten drei Monaten, zurückzunehmen. hatten die Redezeit zwar ein kleines bißchen über- (Beifall bei der CDU/CSU) schritten, aber die Glocke galt nicht Ihnen, sondern der Unruhe im Saal. Ich persönlich empfinde es als unverantwortlich, wenn die Vertreter unseres Volkes den staatlichen Ich bitte Sie alle doch herzlich, die Stunde jetzt Schutz für das menschliche Leben für eine bestimmte durchzuhalten. Es ist für den Redner oder die Redne- Frist streichen und damit das Lebensrecht des unge- rin sehr schwer, sich durchzusetzen, wenn hier im Saal borenen Kindes der Verfügungsgewalt eines einzel- etwa 30 Minikonferenzen stattfinden. nen Menschen überlassen. Vor dieser Abstimmung Ich erteile dem Kollegen Karl-Josef Laumann das sollten wir sicherlich noch einmal bedenken, daß Wort. unsere Rechtsordnung auch eine Werteordnung ist. Insofern können wir, so meine ich, einer Fristenlösung nicht zustimmen. Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die (Beifall bei der CDU/CSU) Auseinandersetzung über § 218 ist nach meinem Aus diesem Grunde werde ich, meine Damen und Empfinden nicht nur unter dem Aspekt des rechtli- Herren, heute den Antrag der Gruppe We rner leiden- chen Schutzes des menschlichen Lebens zu führen, schaftlich unterstützen. Denn dieser Antrag spricht sondern auch unter dem Blickwinkel der sozialen sich eindeutig für den rechtlichen Schutz des ungebo- Hilfen für Mutter und Kind zu betrachten. Dieses renen Lebens aus. Thema habe ich in der heutigen Debatte manchmal etwas vermißt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Peter Hintze [CDU/CSU]: Sehr gut!) Ich sage aber auch: Sollte dieser Antrag keine Mehr- heit finden, so werde ich — mit schwersten Beden- Es geht um die Frage: Wie stark ist unsere Gesellschaft ken — in einer anderen Abstimmung dem Mehrheits- bereit, für Frauen, die durch eine Schwangerschaft in antrag von CDU/CSU zustimmen. Ich erwäge dies nur eine Konfliktsituation geraten, Hilfen zu organisie- deswegen, ren? (Zurufe von der SPD) (Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Wo denn?) Ich bin froh darüber, daß in den Anträgen der weil ich meine, daß wir die Einführung einer Fristen- CDU/CSU und der Werner-Gruppe hierzu deutliche regelung auf jeden Fall verhindern müssen. Aussagen gemacht worden sind. Daß wir dies ernst (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) meinen — damit komme ich auf den Zwischenruf „Wo denn?" —, können Sie an den Ergebnissen der Politik Ich bitte noch einmal all diejenigen, die für eine der letzten zehn Jahre sehen. Erziehungsgeld, Aner- Fristenlösung sind, zu bedenken, ob sie mit dieser kennung von Kindererziehungszeiten in der Renten- Entscheidung heute nicht einer Entwicklung Vor- versicherung, Steuererleichterungen für Familien mit schub leisten, die irgendwann darin münden wird, Kindern und viele andere Entscheidungen kennzeich- daß in unserem Lande auch darüber gesprochen wird, nen eine richtige Politik für den Schutz des ungebo- den Schwerstpflegebedürftigen den rechtlichen renen Lebens. Schutz auf Leben zu entziehen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Zustimmung bei der CDU/CSU) 8342 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Karl-Josef Laumann Ich möchte Sie — das sage ich auch meinen Freun- Bedrohliches, während Pflichtberatung eigentlich den aus der Werner-Gruppe — ganz herzlich darum etwas Normales ist. bitten, dann, wenn wir die Abstimmung hier verlieren Es gibt in diesem Haus einige, die meinen, die DDR sollten, dem Mehrheitsantrag der Union zuzustim- besser zu kennen als die, die dort selber gelebt haben. men. Aber obwohl im DDR-Gesetzbuch das Wo rt „Bera- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) tung" nicht stand, konnte keine Frau in eine Kranken- Ich glaube, wir sind es Gott und unseren Bürgern hausstation eingewiesen werden, bevor sie nicht schuldig, in diesem Falle mit der erwähnten Möglich- zusammen mit dem Arzt einen Fragebogen ausgefüllt keit die letzte Chance zur Verhinderung der Einfüh hatte, den beide gemeinsam unterschreiben mußten. rung einer Fristenlösung in diesem Land zu nutzen. Insofern gab es sogar eine Dokumentation. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.]) - Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Jörg Gan- Meine Herren, lassen Sie sich jetzt nicht davon schow, Sie haben das Wort. abhalten, auch in dieser Frage mitzureden. Meine Damen, verurteilen Sie nicht die Männer, die Jörg Ganschow (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum drittenmal steht heute die sich das Recht herausnehmen, in dieser Frage mitzu- Neuregelung des Abtreibungsparagraphen an. Das reden. ist eine Pflichtaufgabe, die uns in erster Linie auf Die Herren dieses Hauses sollten aber heute und Grund der Wiedervereinigung Deutschlands übertra- hier zeigen, daß sie nicht daran zweifeln, daß jede gen wurde. Doch sehe ich die Neuregelung nicht als Frau in Deutschland mit einer Fristenregelung verant- lästige Pflicht, sondern vor allem als eine Chance dazu wortlich umgehen kann. an, überhaupt zu einer Reform dieses Paragraphen zu Danke. kommen. (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) In Deutschland gibt es derzeit zweierlei Recht: in den alten Ländern die Indikationslösung, in den neuen die Fristenregelung. Wenn ich mir das, was ich Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kollege heute hier gehört habe, noch einmal durch den Kopf Dr. Andreas Schockenhoff. gehen lasse, so muß ich sagen: Ich glaube nicht, daß die Diskussion nach einer Beschlußfassung beendet sein wird. Denn inzwischen gibt es zahlreiche Ankün- Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Herr Präsi- digungen, gegen die eine oder andere Änderung beim dent! Meine Damen und Herren! Viele hier im Saal, Bundesverfassungsgericht Klage zu erheben. auf allen Seiten des Saals, stehen heute als Christen Ich werde für den Gruppenantrag stimmen. vor einer sehr schwierigen Gewissensentscheidung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Ich zähle mich dazu. F.D.P.) (Zuruf von der SPD: Ich bin nicht Ch rist!) Ich habe dafür mehrere Gründe. Frau Funke-Schmitt-Rink, Sie haben einige von uns Zum einen befürworte ich persönlich die Fristenre- als „Gefolgsleute des Glockentenors" bezeichnet. Ich gelung ganz grundsätzlich. Das Stellen von Indikatio- habe das als sehr verletzend empfunden und bitte Sie, nen halte ich nicht für besonders ehrlich, da weder sich zu entschuldigen. eine Strafandrohung noch das Aufbauen von Indika- (Beifall bei der CDU/CSU) tionshürden bisher irgend etwas daran geändert haben, daß Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt Wir müssen in dieser Debatte der besonderen Situa- werden. tion der schwangeren Frau gerecht werden. Deshalb ist es wichtig, daß die Diskussion nicht ausschließlich Zum zweiten sehe ich die Situation in Ostdeutsch- auf den strafrechtlichen Aspekt des Schwanger- land. 76 % der Menschen in Deutschland — der Anteil schaftsabbruchs beschränkt war. Strafe kann Bera- in Ostdeutschland liegt bei 82 % — befürworten die tung und Hilfen allenfalls flankieren. Fristenregelung. Insofern finde ich hier im Gruppen- antrag die Fristenregelung wieder. Dazu möchte ich Als Mutter ist die schwangere Frau für ihr Kind der jedoch noch zwei Dinge anmerken. wichtigste Mensch. Ihr obliegen die Fürsorge und die Erstens. Es ist ziemlich unverschämt, wenn von Verantwortung für ihr ungeborenes Kind. Im Grenz- radikalen Frauengruppen behauptet wird, daß dieser fall der ungewollten Schwangerschaft schließt das Gruppenantrag nur eine verdeckte Indikationslösung auch die Zumutung einer ungewollten Verantwor- sei, der vor allem die Frauen in Ostdeutschland ins tungsübernahme ein. Mittelalter zurückwerfen würde. Ein wirksamer Schutz kann nur mit den be troffenen Ich warne davor, das Strafgesetzbuch der DDR Frauen, nicht gegen sie erreicht werden. Das ist nachträglich zu glorifizieren, nur weil es keinen § 218 richtig. Nicht nur das ungeborene Kind braucht enthalten hat. Man betrachte dann bitte auch die Schutz, sondern auch die betroffene Frau vor dem politischen Strafparagraphen dieses Strafgesetz- Druck von außen. buchs. Die Frau hat in einem Schwangerschaftskonflikt (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der Anspruch auf Solidarität und Hilfe — nicht nur für ihr CDU/CSU) Kind, sondern auch um ihre eigenen Lebenschancen Ich warne auch vor einer Romantisierung der DDR zu wahren. im Zusammenhang mit der Beratung. Schon die Die Güterabwägung zwischen dem Lebensrecht Bezeichnung „Zwangsberatung" suggeriert etwas des Kindes und dem Selbstbestimmungsrecht der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8343

Dr. Andreas Schockenhoff Frau ist deshalb so schwierig, weil beide verschiede- Vielen Dank. nen Wertordnungen angehören. Als das fundamental- (Beifall bei der CDU/CSU) ste Gut ist das Leben die Voraussetzung für die Verwirklichung aller anderen Güter. Das Selbstbe- stimmungsrecht der Frau kann deshalb nicht so ver- Vizepräsident Hans Klein: Meine Damen und Her- standen werden, daß es die freie Verfügungsgewalt ren! Die Rednerliste ist in der letzten halben Stunde über das Leben des ungeborenen Kindes ein- nicht kürzer, sondern länger geworden. Ich habe jetzt schließt; noch 14 Namen auf der Liste. Das bedeutet, daß wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mit der Abstimmung frühestens etwas nach 22.30 Uhr werden beginnen können. denn die Selbstbestimmung der Frau ist in diesem Fall Als nächster hat Kollege Dr. Axel Wernitz das eine irreversible Fremdbestimmung des Embryos, die Wort. dessen fundamentale Rechte mißachtet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Axel Wernitz (SPD): Herr Präsident! Meine Eine solche Mißachtung läßt sich auch nicht mit der Damen und Herren! Mehr als bei anderen Entschei- Berufung auf das eigene Gewissen rechtfertigen. Die dungen, die wir im Parlament zu treffen haben, ist Rechte eines Menschen dürfen nicht von der Gewis- heute bei der rechtlichen Regelung des Schwanger- sensentscheidung eines anderen Menschen abhän- schaftsabbruchs jeder einzelne von uns im spezifi- gen. schen Sinne von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) setzes in der Pflicht des Gewissens. Es gibt in der Ehrfurcht vor dem Leben keinen Es ist ohne Zweifel ein positives Ergebnis des qualitativen Unterschied zwischen dem geborenen kontroversen Ringens um die notwendig gewordene und dem ungeborenen Leben. Das haben wir übrigens erneute Reform des § 218, daß doch ein relativ breiter in der Debatte bezüglich des Embryonenschutzgeset- politischer Konsens über umfangreiche zusätzliche zes mit großer Mehrheit gemeinsam zum Ausdruck frauen-, familien-, sozial- und gesundheitspolitische gebracht. Der Embryo ist von Anfang an Person und Maßnahmen entstanden ist. Hierbei handelt es sich damit dem staatlichen Schutz seiner Menschenwürde eben nicht um rein flankierende Maßnahmen zum unterstellt. Schutz des ungeborenen Lebens, sondern um funda- mentale Voraussetzungen für einen besseren Schutz Wenn wir die Würde der Person beim ungeborenen des Lebens als bisher. Kind außer acht lassen, hat das Konsequenzen für unser ganzes Menschenbild — weit über die Frage der Das menschliche Leben, meine Damen und Herren, Abtreibung hinaus. Wenn wir das ungeborene Leben läßt sich nicht in verschiedene Phasen einteilen, die für eine bestimmte Frist zur Disposition stellen — wie vom Staat geschützt werden oder nicht. Steht aber die können wir dann Ehrfurcht vor dem geborenen Leben Anfangsphase des menschlichen Lebens prinzipiell verlangen? Wer entscheidet, welches Leben schüt- oder faktisch nicht mehr unter dem staatlichen Rechts- zenswert ist, etwa in der Frage der Euthanasie. Frau schutz, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch das Lehr hat das eindrucksvoll dargestellt. Ende des Lebens verstärkt in Frage gestellt wird. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Gerade vor dem Hintergrund mancher Anzeichen für In einer immer älter werdenden Gesellschaft stellt ein erneutes Aufflackern des alten Ungeistes, der sich die Frage des Lebensschutzes nicht nur vor der zwischen lebensunwertem und lebenswertem Leben Geburt, sondern in zunehmendem Maße auch vor unterscheiden will, verdienen alle ernsthaften Aufklä- dem Tod eines Menschen. Auch da gibt es für die rungsbemühungen Unterstützung, die darauf gerich- unmittelbar betroffenen Angehörigen Zumutungen tet sind, die Sensibilität und Verantwortung für Würde und Notlagen. Das Lebensrecht darf nur in begründe- und Wert des ungeborenen Lebens bei Mutter und ten Ausnahmen von der Betroffenheit anderer abhän- Vater sowie bei Dritten zu bewahren und zu stär- gen. ken. Ich kann deshalb eine Fristenregelung weder mora- Zum staatlichen Schutz gehört auch das Mittel des lisch noch biologisch, noch medizinisch oder rechtlich Strafrechts, insbesondere, wenn es um das Grund- rechtfertigen. Die medizinische Indikation ist eindeu- recht auf Leben geht. Angesichts der besonderen tig. Hier kollidieren gleichrangige Rechtsgüter. Eine Beziehungen zwischen der Schwangeren und dem psychosoziale Indikation muß überprüfbar sein. Dazu ungeborenen Kind ist das Strafrecht ja bereits weitge- reicht nach meiner Auffassung die Darlegung der hend zurückgenommen worden und wird spätestens Frau nicht aus. Die straffreie Tötung eines Menschen seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von ist nicht durch die subjektiv empfundene und nicht 1975 als Ultima ratio gesehen. Sowohl die werdende überprüfbare Notlage eines anderen Menschen zu Mutter als auch das noch nicht geborene Kind haben rechtfertigen, auch nicht eines sehr nahestehenden. ein Recht auf Entfaltung ihres Lebens. Hier gibt es Ich bitte Sie deshalb, liebe Kolleginnen und Kolle- trotz aller Hilfen immer wieder Zielkonflikte, die nach gen, um Unterstützung des Werner-Entwurfs. Helfen meiner Auffassung verfassungskonform nur im kon- Sie mit, eine Fristenlösung zu verhindern! Die Straf- kreten Einzelfall entschieden werden können. freiheit der Abtreibung, auch für eine bestimmte Frist, Da das Recht auf Selbstbestimmung am Lebens- wäre im Urteil der Bevölkerung eine ethische Frei- recht des anderen, hier des ungeborenen Kindes, gabe. seine Grenze findet, muß nach meiner Überzeugung 8344 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Axel Wernitz unsere Rechtsordnung auch in Zukunft den Schwan- In zahllosen Petitionen, die mir in den letzten gerschaftsabbruch grundsätzlich mißbilligen. Monaten zugegangen sind, wird immer wieder an das Für mich bleibt jede Regelung inakzeptabel, die christliche Gewissen der Bundestagsabgeordneten prinzipiell oder in ihrer konkreten Handhabung für appelliert, dem wir uns in unserer Entscheidung eine bestimmte Zeitspanne generell und ohne Prü- verpflichtet wissen sollten. Das ist wahr: Wir alle fung des Einzelfalles auf den Einsatz des Strafrechtes tragen unmittelbar oder mittelbar Verantwortung für verzichten will. Die rechtsbewußtseinsbildende Kraft die Kinder dieser einen Welt, für die geborenen und der Strafnorm darf gewiß nicht überschätzt, aber eben die noch nicht geborenen, für die sozial vergessenen auch nicht unter rechtliche Mindestanforderungen Kinder in den Slums Lateinamerikas, für die sexuell abgesenkt oder gar negiert werden. ausgebeuteten Mädchen Südostasiens, für die strah- lungsgeschädigten in Tschernobyl, für die verhun- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gernden in Afrika und für die nicht selten reizüberflu- Alle Gesetzentwürfe auf der Basis der Fristenrege- teten und gestreßten Kinder unserer Familien. lung aber — dazu gehört auch der Gruppenantrag — geben aus meiner Sicht letztlich im Falle des geschil- In der dramatischen Überbetonung der Verantwor- tung des christlichen Gewissens für das noch ungebo- derten Zielkonflikts nicht die dem bewußt wertgebun- den angelegten Grundgesetz angemessene Ant- rene Leben — mein Blick ist dabei auf den Geltungs- wort. bereich des reformierten § 218 gerichtet, der sich ausschließlich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) blik Deutschland beschränkt — sehe ich eine natio- Vielmehr geben sie ein Signal, das ich in seinen nale Verengung des christlichen Moralgedankens. tatsächlichen und möglichen Auswirkungen auf das Als weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu, daß wir Rechtsbewußtsein in unserem Gemeinwesen für nicht so tun können, als ob wir uns im luftleeren Raum falsch und gefährlich halte und werte. befinden. Mit unserer Entscheidung sind wir in das Ich halte die Indikationenreglung trotz aller ihrer sich entwickelnde Europa eingebettet, in ein Umfeld Schwächen für die ethisch-religiös überzeugendere von Staaten, in denen unterschiedliche Regelungen und zudem für die verfassungskonforme Antwort, gelten und daher immer die Möglichkeit des Auswei- gerade weil und wenn es um eine ernsthafte Güterab- chens gegeben ist. wägung geht, die an Hand sachlicher Kriterien erf ol- Wie sagte doch eine Berlinerin, die vor unserem gen muß und nicht nach zeitlichen Fristen. Fraktionsraum im Reichstag den Kaffee ausschenkte (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) und von mir anläßlich unserer § 218-Diskussion um Meine Damen und Herren, nach gewissenhafter ihre Meinung befragt wurde: Da kommen die besser- Prüfung bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß der gestellten Frauen wieder gut weg. Die fahren einfach von der Mehrheit der Unionsfraktion vorgelegte Indi- nach Holland oder woandershin. Wir armen Schlucker kationenentwurf meiner Einstellung zu § 218 noch am aber bleiben im Netz hängen. nächsten kommt. Ich werde deshalb für diesen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Gesetzentwurf stimmen. F.D.P. und der SPD) (Beifall und Bravo-Rufe bei der CDU/CSU) Das war die Stimme des Volkes, d. h. unserer Wähler- schaft. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Professor Das in diesem Hohen Hause so oft zitierte grenzen- Immo Lieberoth, Sie haben das Wort. lose Europa von morgen können wir bei diesen Diskussionen um den § 218 nicht aus dem Blickfeld lassen. Dr. Immo Lieberoth (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die meisten Argumente Betrachtet man die Geburtenregelung weltweit sind ausgetauscht. Trotzdem glaube ich, daß einige — ich hatte kürzlich Gelegenheit, mich in Indien und Gesichtspunkte nochmals hervorgehoben werden in Pakistan an Ort und Stelle zu informieren —, so sollten. kann man unsere Diskussion kaum noch verstehen. So möchte ich gleich zu Beginn die Frage stellen: Natürlich muß es dort in erster Linie um Aufklärung Was bedeutet eigentlich „reine Gewissensentschei- und Verhütung gehen, die unvergleich lich besser als dung" eines Abgeordneten? Es bedeutet doch nur, Unterbrechung sind. Eines Tages aber müssen wir daß er vor seinem Gewissen eine in seinem Wahlkreis eine weltweite Regelung anstreben, die nicht nur mehrheitlich vertretene Meinung in die Abstimmung unsere Probleme, die zur Zeit anderer Natur als einbringt, diejenigen in den Entwicklungsländern sind, sondern auch die in diesen Staaten vorhandenen berücksich- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der tigt. Für mich ist die Bevölkerungsexplosion in vielen F.D.P. und der SPD — Widerspruch bei der Ländern der Erde schon zum schwierigsten Problem in CDU/CSU) dieser Welt geworden, das alle anderen bedingt bzw. und das nicht nur bei einer Abstimmung wie heute, nach sich zieht. sondern jedesmal. Also sollte es im Abstimmungsver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) halten keine prinzipiellen Unterschiede geben. Wenn ich mich zu dieser Thematik nach dem Stimmungsbild Was ist schlimmer dort? Verhütung, eventuell Unter- in meinen drei Verwaltungskreisen richte, folgt, daß brechung oder der Tod von zigtausend Kindern, von der größere Teil der Bevölkerung, insbesondere die denen sich einige vielleicht fragen: Warum mußten unter 50jährigen, dem Gruppenantrag zugeneigt ist. wir geboren werden? Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8345

Dr. Immo Lieberoth Damit komme ich noch einmal zum Kernpunkt Umgekehrt ist es richtig: Es ist eine uralte Erfah- meiner Ausführungen, der Wahl zwischen dem rung, daß Strafen, wie in § 218 verankert, vorgeburt- Antrag der CDU/CSU und dem Gruppenantrag. In liches Leben nicht wirksam schützen können, schon Anbetracht des zu Beginn Gesagten und nachdem gar nicht gegen den Willen der ungewollt Schwange- weitere Sperren im Gruppenantrag eingebaut wor- ren, wie hier sehr oft gesagt wurde, und auch nicht den sind, habe ich mich für diesen entschieden. Ganz dort, wo Schwangerschaftskonflikte im sozialen besonderen Wert lege ich persönlich dabei auf die Bereich und in den Lebensbedingungen begründet Beratungsregelung, auf die obligatorische Konflikt- sind. beratung unter dem Aspekt des Lebensschutzes und Die Erfahrung zeigt auch: Es ist nicht nachzuweisen, unter Beachtung von Freiheit und Würde der betrof- daß § 218 vorgeburtliches Leben schon gerettet hat. fenen Frauen. Denn die Zahlen der Schwangerschaftsabbrüche sind Da allerdings habe ich einige Sorgen, was die bei Indikationslösung und bei Fristenlösung annä- personelle Besetzung der Beratungsstellen in den hernd gleich. Warum fragt denn niemand, ob nicht neuen Bundesländern betrifft. In der Regel sind die menschliches Leben hätte gerettet werden können, neu entstandenen bzw. entstehenden Einrichtungen wenn es eine Fristenregelung gegeben hätte und dieser Art mit ehemaligen Mitarbeitern der früheren wenn dadurch illegale Abtreibungen mit tragischem DDR-Beratungsstellen besetzt und müssen sich daher Ausgang unterlieben wären? stärker als bisher auf eine lebenserhaltende Beratung Die Konfliktsituation schwangerer Frauen muß mit orientieren. anderen und mit angemesseneren Mitteln gelöst wer- Abschließend sei betont, daß mir die Entscheidung den. sehr schwerfällt. Unter Abwägung aller Umstände und Fakten bin ich zu dem Schluß gekommen, daß es nicht um die Entscheidung zwischen einem Übel und Vizepräsident Hans Klein: Einen Moment, Frau einem Nicht-Übel geht, sondern um die Entscheidung Kollegin. zwischen dem kleineren und dem größere Übel. Für Meine Damen und Herren, in dieser Debatte haben das kleinere halte ich die ehrliche Fristenlösung unter sich die Rednerinnen und Redner heute mehrfach den Aspekten des Lebensschutzes und des Selbstbe- gegenseitig bekundet, daß man unterschiedlichen stimmungsrechtes der Frauen. Standpunkten den nötigen Respekt erweisen müsse. Ich danke Ihnen. Zu diesem Respekt gehört an allererster Stelle, daß (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der man sich gegenseitig anhört. F.D.P., der SPD und des BÜNDNISSES 90/ (Beifall) DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile der Kollegin Dr. Christine Lucyga (SPD): Nicht strafrechtliche Dr. Christine Lucyga das Wort. Drohgebärden bewegen Frauen in Schwanger- schaftskonflikten zur Annahme eines Kindes, sondern es sind soziale und materielle Leistungen auf der Basis Dr. Christina Lucyga (SPD): Herr Präsident! Meine eines Rechtsanspruches, die die Grundvoraussetzung Damen und Herren! Ich hatte anfangs nicht vor, in für eine kinderfreundliche Lebensplanung bilden. dieser Debatte zu sprechen. Ich habe den Gruppen- Diese Rechtsansprüche müssen ernstgemeint und antrag unterschrieben und mir meine Entscheidung durchsetzbar sein; denn nicht die Schwangerschaft ist reiflich überlegt. Aber was schließlich den Ausschlag das Problem. Das Problem ist das Leben des Kindes gegeben hat, mich dann doch zu Wort zu melden, nach der Geburt, und da werden Mutter und Kind oft waren diese Vorabdiskriminierungen und diese alleingelassen. unsäglichen Vergleiche, die von bestimmten klerika- len Kreisen — ich sage nicht: von allen, sondern: von (Zuruf von der SPD: O ja!) bestimmten — herangezogen wurden. Ich hatte den Wenn der Staat Leben wirksam schützen will, dann Eindruck: Hier urteilen Leute über eine Lebenswirk- muß er den sozialen Rahmen für Kinderfreundlichkeit lichkeit, die sie nicht kennen und die sie nicht verste- der Gesellschaft schaffen. Es müssen Wohnungen hen können. gebaut und zugesagte Hilfen auch eingehalten wer- (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und den. Überhaupt: Der ethische Anspruch, ungeborenes dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Leben schützen zu wollen, muß sich immer daran messen lassen, was für das geborene Leben getan Die Polemik einzelner Kleriker, daß Politiker heute über Leben und Tod entscheiden würden, ist schlicht- wird. weg falsch. Wenn wir hier dafür eintreten, werdendes (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Leben wirksamer als durch Strafandrohung zu schüt- Liste) zen, und in diesem Kontext auch dafür eintreten, Da möchte ich ganz konkret fragen, ob diejenigen, Schwangerschaftsabbrüche nicht länger unter S trafe die für jeden gerade erst gezeugten Embryo kämpfen zu stellen, dann bedeutet das ja nicht gleichzeitig, daß wollen und den Befürwortern der Fristenregelung mit wir den Schwangerschaftsabbruch auch wollen. Denn schlimmsten Höllenstrafen drohen, etwas dagegen es ist ja der falsche Diskussionsansatz: Es wird von den tun, daß jährlich eine Million Kinder in der Dritten Gegnern der Fristenregelung so getan, als würden Welt noch vor Erreichen des ersten Lebensjahres von jetzt an alle Frauen nur noch abtreiben wollen. Hungers sterben, daß sie an Mangelkrankheiten ster- Das ist ja gar nicht so. ben, daß Frauen und Kinder im Granatfeuer von (Beifall bei der SPD) Sarajevo umkommen oder obdachlose Kinder in Rio 8346 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Christine Lucyga von Todesschwadronen verfolgt werden. Oder sind nach aller Erfahrung wirklungslos bleiben und die von diese Leben etwa weniger schutzbedürftig? den Betroffenen zumindest bei einigem finanziellen (Beifall bei der SPD, der F.D.P., der PDS/ Einsatz leicht umgangen werden können. Es ist nicht Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ möglich, die Austragung einer Schwangerschaft mit NEN) dem Strafrecht zu erzwingen. Diese Erfahrung haben wir nun lange genug gemacht. Aber so weit brauchen wir gar nicht zu schauen. Auch aktuelle Entwicklungen in unserer Gesellschaft Darum sind die sozialen Begleitmaßnahmen des sind es, die Frauen in eine Verweigerungshaltung Gruppenantrages und der vorliegenden Gesetze der treiben, nämlich oft dahin, an die Stelle des Kinder- eigentliche Kern des staatlichen Lebensschutzes. Die wunsches den Wunsch nach Kinderlosigkeit setzen zu Frau muß die Sicherheit haben, daß sie von der wollen. Sollen etwa diese Frauen dafür bestraft wer- Gesellschaft nicht allein gelassen wird, wenn sie das den, daß sie eine noch immer überwiegend nach Kind zur Welt gebracht hat. Sie kann erst dann eine- männlichen Strukturen organisierte Welt nicht als die wirklich freie Entscheidung treffen, wenn sie weiß, ihre und als kinderfeindlich empfinden? welche Rechte ihr für das Kind zustehen, und wenn sie weiß, daß das nicht nur Versprechungen, sondern Wer den Frauen das Recht auf Verantwortung Ansprüche sind. abspricht, selbst entscheiden zu wollen, ob sie sich auf Grund angebotener Hilfen für ein Kind entscheiden Darum ist die Pflicht zur Beratung nach meiner oder ob sie sich aus Gründen, die wir respektieren Überzeugung nicht etwa unzumutbar, sondern wich- müssen, gegen ein Kind entscheiden, verletzt die tig dafür, daß die Frau auch denjenigen sozialen Würde der Frau. Diesen Anspruch auf Würde für Zwängen entzogen wird, die sie aus ihrem unmittel- Mutter und Kind unterstreicht der Gruppenantrag, baren Lebensumfeld zu einer bestimmten Entschei- und ich stimme ihm zu. dung drängen oder zwingen wollen. Die Pflicht zur Beratung unterwirft sie nicht fremden Zwängen, son- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS dern soll sie gerade von fremden Zwängen 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten befreien. der PDS/Linke Liste) Ich bin der festen Überzeugung, daß der Gruppen- antrag unsere verfassungsrechtlichen Pflichten erfüllt Ich erteile dem Kollegen Vizepräsident Hans Klein: und sowohl gerechter als auch wirksamer als die Dr. Burkhard Hirsch das Wort. gegenwärtige Rechtslage ist. (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man muß es fast BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) am Ende dieser Debatte trotz der enormen physischen Es ist nur eine Bemerkung nachzutragen: Die sozia- und psychischen Anstrengungen vieler Beteiligten len Ansprüche, die mit dem Gruppenantrag verbun- sagen: Wenn man die Protokolle der Debatten liest, den sind, sind ein wesentlicher Schritt hin zu einer die wir vor fast 20 Jahren in diesem Hause geführt kinderfreundlichen Gesellschaft. Wir müssen eigent- haben, ist festzustellen, daß sich, abgesehen von den lich darüber nachdenken, warum wir diesen Schritt gesetzgeberischen Details, die Argumente zu den erst jetzt unter dem Zwang vollziehen können, eine rechts- und sozialpolitischen Grundproblemen und zu neue Regelung zum Schutz des noch nicht geborenen den moralischen Positionen nicht verändert haben. Lebens zu finden. Das liegt nicht an mangelnder Intelligenz oder an (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem mangelnder Zuhörbereitschaft, sondern daran, daß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der elementare Interessenkonflikt unverändert ge- blieben ist, in dem auf der einen Seite die Frau, die Es sollte uns die Befriedigung darüber einigen, daß sich in einer Konfliktsituation sieht und deren Lebens- keiner mehr hinter diesen sozialen Standard zurück- verhältnisse sich gegen ihren Willen völlig verändern gehen kann. sollen, und auf der anderen Seite das ungeborene (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem menschliche Leben steht, das nach unserer Verfas- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sung geschützt werden muß. Die Frage, wie das zu geschehen hat, ist über Jahrhunderte immer wieder anders beantwortet wor- Vizepräsident Hans Klein: Der Kollege Dr. Peter den. Frau Würfel hat in ihrer heutigen Rede zutreffend Paziorek hat das Wort. darauf hingewiesen, daß das auch immer damit zusammengehangen hat, welche Rechtsstellung die Frau in einer Gesellschaft hat und welche Verantwor- Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Herr Präsident! tung ihr zugebilligt oder auch zugemutet wurde. Man Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinem muß daran erinnern, daß es selbst im Kirchenrecht Vorredner bin ich nicht der Ansicht, daß der Gruppen- über lange Zeit mit der Lehre der Beseelung eine antrag den Bestimmungen unseres Grundgesetzes Fristenregelung von 50 bis 80 Tagen gegeben hat. entspricht. Ich stimme ihm nur darin zu, daß in der Es geht hier nicht darum, eine Morallehre in gesetz- Diskussion um die Neuregelung des Schwanger- liche Bestimmungen zu transformieren, sondern schaftsabbruchs im Strafgesetzbuch die Vorgaben des darum ein staatliches Gesetz zu machen, das von allen Grundgesetzes, unserer Verfassung, von entschei- akzeptiert werden kann und das Aussicht darauf dender Bedeutung sind. bietet, die gewünschten Wirkungen zu erzielen. Der Die Entscheidung des Gesetzgebers, von welchem Staat soll und darf keine Strafgesetze machen, die Zeitpunkt an er menschliches Leben schützen will, ist Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8347

Dr. Peter Paziorek eine Rechtsentscheidung, die den Boden unserer wegen der Signalwirkung des Strafrechts grundsätz- Verfassung nicht verlassen darf. lich nicht verzichtet werden. Natürlich handelt es sich bei der Regelung des Ich kann somit der Fristenregelung im Gruppenan- Schwangerschaftsabbruchs für den einzelnen Abge- trag nicht zustimmen. Vielmehr bitte ich Sie, sich nach ordneten um eine Gewissensentscheidung, die z. B. Abwägung aller Gesichtspunkte, auch des Gesichts- durch medizinische oder theologische Maßstäbe punkts, daß der Einsatz des Strafrechts gegenüber der geprägt ist. Dies ändert jedoch nichts daran, daß auch Frau dann bestimmte Probleme aufwirft, wenn die Entscheidungen, die als Gewissensentscheidungen Frau ungewollt schwanger geworden ist, für das zu qualifizieren sind, das Verfassungsrecht zu berück- verbesserte Indikationsmodell der CDU/CSU-Frak- sichtigen haben. tion auszusprechen. (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ Die besondere Konfliktlage kann vorliegen bei CSU) Lebensgefahr für die Mutter oder in einer Situation, in der die psychische Kraft der Mutter nicht ausreicht, Das Verfassungsrecht muß sogar zwingend als Maß- eine Notlage, eine existentielle persönliche Krise zu stab für jede Gesetzgebungsentscheidung herange- bewältigen. Im Rahmen der psychosozialen Indika- zogen werden. tion ist daher zu berücksichtigen, daß der Gesetzge- Nach meinem Verfassungsverständnis steht das ber — es geht heute nur um uns als Gesetzgeber — ungeborene Leben unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 nicht den seelischen Zusammenbruch einer Frau auf des Grundgesetzes. Das ungeborene Leben ist dem Grund einer schwerwiegenden Konfliktlage hinneh- geborenen Leben gleichwertig. men will. Die psychosoziale Indikation ist eine Aus- nahmeregelung, die sich zusammensetzt aus der Menschliches Leben beginnt mit der Vereinigung lebensorientierten Beratung, der Darlegung der Kon- von Samen und Eizelle und entwickelt sich von fliktlage durch die Frau und der Eigenwertung des diesem Augenblick an kontinuierlich und nach einem Facharztes, der seine Entscheidung dokumentieren eigenständigen Lebensplan. Fristen, innerhalb deren muß. Durch ein solches Verfahren wird deutlich, daß ein Schwangerschaftsabbruch auf Grund einer stufen- eine derartige Indikationslösung nicht auf pauschale weisen Entwicklung vertretbar wäre, sind daher nicht Aussagen abstellt. zu rechtfertigen. Ich bin der Ansicht, daß ein solches Indikationsmo- Die Garantie des Rechts auf Leben zieht die Ver- dell den Anforderungen unseres Grundgesetzes ent- pflichtung des Staates nach sich, das Leben auch spricht. Den Gruppenantrag halte ich für verfassungs- tatsächlich zu schützen. Der Gesetzgeber ist verpflich- widrig. Aus diesem Grunde werde ich für den Entwurf tet, klar zum Ausdruck zu bringen, daß die Vernich- der CDU/CSU-Fraktion stimmen. tung menschlichen Lebens prinzipiell Unrecht ist. Weil der Lebensschutz Vorrang hat, richtet sich dieser (Beifall bei der CDU/CSU) Schutzanspruch auch gegen das sogenannte Selbst- bestimmungsrecht der Frau. Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Abge- Der Staat ist nach meinem Verständnis verpflichtet, ordnete Prof. Dr. Eckhart Pick. das Strafrecht beim Lebensschutz nicht als alleiniges Mittel einzusetzen. Zu den sonstigen Mitteln zähle ich umfassende soziale Hilfen einschließlich der Bera- Dr. Eckhart Pick (SPD): Herr Präsident! Meine tung. Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen fast 13 Stunden eine Diskussion erlebt, die ich als auf Sowohl der sogenannte Werner-Entwurf als auch einem hohen Niveau stehend — im allgemeinen der Mehrheitsentwurf der CDU/CSU-Fraktion gehen zumindest — bewerten möchte. In einigen Beiträgen davon aus, daß der Schutz des vorgeburtlichen Lebens wurde aber der Versuch unternommen, eine Parallele auch durch umfassende finanzielle Leistungen im von dieser Diskussion zur Euthanasie und dem Töten Bereich der Familien- und der Sozialpolitik, durch den alter Menschen zu ziehen. Ich halte diese Argumen- Ausbau von Schwangerschaftsberatungsstellen sowie tation für die heutige Diskussion nicht angemessen, durch die Bereitstellung von Kinderbetreuungsein- richtungen zu erfolgen hat. Der Staat ist zur Schaffung (Beifall bei der SPD, der F.D.P., der PDS/ eines kinder- und familienfreundlichen gesellschaftli- Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chen Klimas aufgerufen und damit zu einer entspre- NEN) chenden Familienpolitik. weil sie den Respekt vor der Ehrlichkeit und Aufrich- Trotz dieser sozialpolitischen Sichtweise ergibt sich tigkeit der Diskussion in diesem Hause vermissen für mich wegen des zwingenden verfassungsrechtli- läßt. chen Hintergrunds die Konsequenz, daß durch das Meine Damen und Herren, ich will, weil das schon Strafrecht der Schwangerschaftsabbruch als Unrecht so oft geschehen ist, jetzt nichts mehr zu den einzelnen zu bezeichnen ist, da die vorsätzliche Tötung mensch- gesetzlichen Regelungen und ihrer unmittelbaren lichen Lebens, gleichgültig, in welcher Entwicklungs- Problematik sagen. Ich habe den Gruppenantrag mit stufe, grundsätzlich schwerstes Unrecht ist. unterschrieben, und ich denke, daß ich dieses Verhal- Nur im Ausnahmefall kann ein Schwangerschafts- ten nicht noch einmal im einzelnen zu begründen abbruch strafrechtlich gerechtfertigt oder entschul- habe, weil dazu schon Überzeugendes gesagt worden digt sein, und zwar in einer besonderen Konfliktlage, ist. in der zwei Rechtsgüter aufeinandertreffen. Auf den Der Gang der Diskussion gibt mir allerdings Anlaß, Lebensschutz mit Hilfe des Strafrechts darf somit doch über drei Fragen zu sprechen, die sich mir 8348 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Eckhart Pick aufdrängen, weil sie unmittelbar und untrennbar mit Darin liegt aber ein grundsätzliches Mißverständ- der Problematik verbunden sind, an die anzunähern nis. Ich denke, das Bundesverfassungsgericht ist nicht wir uns heute bemühen, die wir jedoch nicht lösen dazu da, uns die Verantwortung für unser Handeln als können. Gesetzgeber abzunehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege, darf ich Sie [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) einen Moment unterbrechen. — Meine Damen und Herren, auch die Konferenzen unter der Empore, die Es hat auch nicht verdient, als Feigenblatt mißbraucht Gespräche, die an der Tür geführt werden, stören den zu werden. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist auch Ablauf der Debatte und irritieren den Redner. Ich bitte ein Gestaltungsprinzip unserer Demokratie, Sie, in der letzten halben Stunde der Debatte noch (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Geduld aufzubringen und zuzuhören. — Bitte, fahren und es lehrt uns, daß es unsere Aufgabe ist, Gesetze- zu Sie fort. machen und nicht immer wie gebannt auf das Bun- desverfassungsgericht zu starren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der (SPD): Schönen D ank, Herr Präsi- Dr. Eckhart Pick F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- dent. NEN) Ich möchte drei Anmerkungen machen, und zwar Wenn wir unsere Aufgabe nicht selbstbewußt wahr- erstens zu dem Thema „Selbstwert der Parlamentarie- nehmen, dann, meine Damen und Herren, kann uns rinnen und Parlamentarier", zweitens — dieser Punkt niemand helfen, keine Instanz, auch kein Bundesver- ist häufig angesprochen worden — zum Verhältnis fassungsgericht. der Legislative zur Rechtsprechung des Bundesver- fassungsgerichts, und drittens schließlich möchte ich Zum dritten Punkt: Hier geht es um die Kontinuität auch eine Bemerkung zur Kontinuität der sozialdemo- der politischen Aussage. Ich denke, daß dies eine kratischen Vorstellungen zur Bewältigung der Proble- Partei mit Tradition auszeichnet — und wenn sie sich matik des Schwangerschaftsabbruchs machen. dieser Tradition verpflichtet fühlt, um so besser. Ich erinnere deshalb daran, daß die Fraktion der SPD am Zum ersten Punkt. Angesichts einer weitverbreite- 31. Juli 1920 im Reichstag einen Antrag einbrachte, ten Vorstellung in der Öffentlichkeit, Abgeordnete der die Freigabe des ärztlichen Schwangerschaftsab- seien Marionetten in der Hand ihrer Fraktionsführun- bruches forderte, schon damals begrenzt auf die gen, sozusagen willfährige Vollzugsbeamte einer ver- ersten drei Monate der Schwangerschaft. Dies hat ordneten Beschlußlage, kommt die heutige Debatte damals noch nicht zu einer Gesetzgebung durch den gerade zum richtigen Zeitpunkt. Sie ist geeignet, Reichstag geführt, aber immerhin die Diskussion dieses Bild wieder etwas zurechtzurücken. eröffnet. 1926 kam es zu einer Änderung und der (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Einführung des § 218 ins Strafgesetzbuch. Damals In einer juristischen Zeitschrift wurde dieser Tage wurde aus der von der Schwangeren selbst vorgenom- die Frage gestellt: Sind Richter Zinnsoldaten der menen Abtreibung statt eines Verbrechens „nur Macht? Diese Frage könnte man auf die Abgeordne- noch" ein Vergehen. Wir können also sehen, daß es ten übertragen, spricht man doch gelegentlich von eine lange Entwicklung gewesen ist, die diese Vor- Parteisoldaten. Der Bundestag, meine Damen und schrift gestaltet hat. Die Zeit war allerdings damals Herren, sollte die heutige Entscheidung als Ch ance noch nicht reif. begreifen, sein angeschlagenes Image in der Bevöl- kerung ein wenig zu verbessern. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege, Ihre Rede- Der freie, nur seinem Gewissen untergeordnete zeit ist ein gutes Stück überschritten. Abgeordnete ist schon lange nicht mehr mit dem Anspruch, daß es auf ihn als Einzelperson ankomme, Dr. Eckhart Pick (SPD): Ich komme zum letzten aufgetreten. Zuletzt war etwas von dieser Einschät- Satz. zung bei der Debatte um die Frage der Bundeshaupt- Ich denke, daß der Gruppenantrag eine sinn- stadt zu spüren. Ich denke, das sollte kein einmaliger volle, zeitgemäße Fortentwicklung dieser politischen Vorgang sein, sondern erwarte, daß er sich gelegent- Grundposition ist. Deswegen bitte ich um Ihre Zustim- lich wiederholt. mung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ull F.D.P., der PDS/Linke Liste und des BÜND- mann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) NISSES 90/DIE GRÜNEN) Zum zweiten Punkt: Bei der Debatte ist mir aufge- fallen, wie häufig, sowohl von den Befürwortern als Ich erteile dem Kollegen auch von den Gegnern einer liberaleren Regelung, Vizepräsident Hans Klein: Georg Gallus das Wort. das Bundesverfassungsgericht für ihre Zwecke in Anspruch genommen wurde, sozusagen als Kron- zeuge in eigener Sache. Nun weiß ich sehr wohl, daß Georg Gallus (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Urteile dieses Gerichts als Steinbruch benutzt werden, Damen und Herren Kollegen! Es geschieht selten, daß um für die eigene Argumentation Material zu gewin- man die Möglichkeit hat, eine einen ganzen Tag auf nen, in vielen Fällen ohne Rücksicht auf den Zusam- einem so hohen Niveau stattfindende Debatte zu menhang der Zitate. verfolgen. Ich habe das heute getan. Man muß allen, Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8349

Georg Gallus die hier gesprochen haben, dafür dankbar sein, wie der Begleitmaßnahmen wird von unserem Volk und diese Debatte geführt worden ist. von uns allen noch sehr viel fordern. Die Erkenntnis aus dieser Debatte ist für mich, daß Keiner von uns macht es sich bei seiner Entschei- in unserem Volk sehr viel mehr Leid vorhanden ist, als dung leicht. Ich hoffe bloß, daß, gleichgültig, wie die wir gemeinhin erkennen können. Abstimmung ausgeht, die Respektierung der jeweils anderen Meinung auch danach noch gilt. Wir alle sind ja sehr stolz auf unsere Selbstverwirk- lichung, sowohl Frauen als auch Männer. Ich habe Seit geraumer Zeit setze ich mich mit meiner Frau aber das Gefühl, daß das Miteinander in unserer mit der Frage auseinander: Gruppenentwurf, Fristen- Gesellschaft und das Miteinander-Auskommen in lösung oder Entwurf der CDU/CSU-Indikationenlö- vielen Fällen auf der Strecke bleiben. Das können wir sung. Ich weiß, es gibt keine Lösung, an der man nichts erstaunt gemeinsam feststellen. Die Leidtragenden aussetzen könnte. Ich bin aber zu der festen Überzeu- sind Frauen und Kinder. Der christliche Grundsatz gung gekommen, daß der Spielraum, den ich mir - „Einer trage des anderen Last" scheint auf der Strecke selber gesetzt habe, mit der verbesserten Indikations- zu bleiben. lösung des CDU/CSU-Antrags ausgeschöpft ist. Aber wir können gleichzeitig erfreut feststellen, daß (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) es viele junge Menschen in unserem Volk gibt, die das Meine Damen und Herren, diese meine Haltung soll Gegenteil beweisen. aber niemanden im Zweifel darüber lassen, daß ich der Meinung bin: Dieser Antrag schließt eine verant- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne wortungsvolle Sexualerziehung nicht aus, schon gar ten der CDU/CSU) nicht die Empfängnisverhütung. Ich halte die Pro- Der Gemeindetag der Evangelischen Kirche in Stutt- bleme dieser Welt schlechterdings nicht mehr für gart und der Katholikentag in Karlsruhe haben das lösbar, wenn wir das Problem der Bevölkerungsent- erst kürzlich bewiesen. wicklung nicht lösen können. Ich habe am heutigen Tag eines gelernt: unter (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der welchen Bedingungen man überhaupt ein Kind haben CDU/CSU) kann. Wenn ich das heute abend meiner Frau erzähle, Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Gallus, Ihre (Heiterkeit im ganzen Hause) Redezeit ist abgelaufen. dann müßten wir zu dem Schluß kommen, meine Frau und ich hätten kein einziges Kind haben dürfen, und Georg Gallus (F.D.P.): Ich bin fertig, ich bin gerade zwar deshalb, weil wir zu der Zeit, als unsere fünf beim letzten Satz. Kinder geboren wurden, noch nicht einmal eine Waschmaschine besessen haben. Meine Frau hat die Dies ist allerdings auch ein Appell an die religiösen Wäsche für fünf Kinder auf dem Herd gekocht. Führer der Welt. Ich bedanke mich. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Ich spreche heute auch im Namen meiner Frau. (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der Das Wort hat der Abge- CDU/CSU) Vizepräsident Hans Klein: ordnete Martin Bury. Wissen Sie, Sie dürfen nicht glauben, daß ich eine Frau zu Hause habe, die sich hier nicht selber artiku- lieren könnte. Sie hat fünf Kinder aufgezogen und ist Hans Martin Bury (SPD): Herr Präsident! Liebe schon seit zwölf Jahren im Kreistag in Göppingen. Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute eine Wenn sie hier wäre, würde sie das Nötige sagen. Aber weitgehend abstrakte Debatte über ein sehr persönli- ich tue es an ihrer Stelle. ches Thema. Ich bin mir mitunter nicht sicher, ob sich die Dimension dieses Themas bei einigen Rednern (Heiterkeit im ganzen Hause) bzw. Antragstellern nicht etwas außerhalb ihrer per- Wir sind uns — das hat die Debatte gezeigt — sicher sönlichen Lebenssituation befindet. alle einig Ich habe mich mehrmals gefragt, was Sie dem noch (Dr. [PDS/Linke Liste]: sehr jungen Paar sagen würden, das neulich in mei- Nein!) nem Bürgerbüro saß. Die beiden hatten sich nach sehr intensivem Ringen für die Fortsetzung der Schwan- — Sie wissen doch gar nicht, was ich sagen will —: gerschaft entschieden. Nun ist das Kind geboren (Heiterkeit im ganzen Hause) worden. Die Mutter befindet sich noch in der Ausbil- dung, der Vater ist gerade dabei, seine zu beenden. daß die Ehrfurcht vor dem Leben unser Handeln Eine Wohnung finden die beiden seit Monaten nicht, bestimmen muß. und das Bundesamt für Zivildienst stellt sich gegen- (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist wahr!) über dem Wunsch, den Vater erst einzuziehen, wenn Wie wir allerdings dem Schutz des Lebens am besten wenigstens die Mutter ihre Ausbildung beendet hat gerecht werden, darüber streiten wir uns. Das ist und das Kind betreuen kann, auch noch stur. legitim. Bei den Begleitmaßnahmen wetteifern wir Was würden Sie den beiden sagen? Ihr habt nicht miteinander. Das ist richtig. Nur, meine Damen und gegen Strafrechtsnormen verstoßen, aber nun schaut, Herren, geben wir uns keiner Illusion hin: Der Vollzug wie ihr klarkommt?! 8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Hans Martin Bury Mit einer Strafandrohung werden Sie weder diesem che Entscheidung der Frau akzeptieren — und nie- Paar helfen, noch einem Paar oder einer Frau, die die mand anders kann letztlich entscheiden —, nehmen Entscheidung über die Fortsetzung der Schwanger- wir auch uns auf Dauer in die Pflicht. schaft noch nicht getroffen hat, die Entscheidung für In den meisten Redebeiträgen und in fast allen das Kind und damit für den Schutz des werdenden Briefen gegen die Fristenregelung wird der fatale Lebens erleichtern. Glaube deutlich, mit der Verabschiedung einer Indi- Meine Damen und Herren, ich befürchte, hier wird kationslösung sei das Grundproblem gelöst. Ein fol- das Strafrecht zum Valium für das Gewissen des genreicher Trugschluß. Gesetzgebers. Die Dimension der Aufgabe und die Notwendigkeit, über den Tag hinaus tätig zu werden, belegt eindrück- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten licher als vieles andere eine beschämende Zahl, die der F.D.P.) sich noch auf die alte Bundesrepublik bezieht. In der- Denn Strafrecht ist kein Selbstzweck, wie auch das öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Bundesverfassungsgericht in der Begründung seines Steueränderungsgesetz 1992 wurde der Armutsbe- Urteils von 1975 ausdrücklich bestätigt, das explizit richt des Deutschen paritätischen Wohlfahrtsverban- darauf abhebt, daß die Gesamtheit der Schutzmaß- des zitiert. Demnach ist Kindererziehung in 85 % aller nahmen, insbesondere jedoch die sozialrechtlichen, Fälle dominierender Armutsfaktor. Wenn einige hier einen tatsächlichen Schutz gewährleisten. Dabei mit dem gleichen Engagement für geborenes Leben gelte, so das Bundesverfassungsgericht, für den eintreten würden, wäre das zugleich eine ehrliche, Schutz des werdenden Lebens in besonderem Maße eine tatsächliche Hilfe für Schwangere in Konfliktsi- der Leitgedanke des Vorrangs der Prävention vor der tuationen und ein wirkungsvoller Beitrag zum Schutz Repression. werdenden Lebens. Diesem Leitgedanken wird meines Erachtens nur (Beifall bei der SPD) der vorliegende Gruppengesetzentwurf ausreichend Die vermeintlich konsequente Entscheidung gegen gerecht, vor allem, wenn Sie sich vor Augen halten, die Fristenregelung ist in Wirklichkeit eine vorder- daß das Bundesverfassungsgericht es ausdrücklich gründige Gewissensberuhigung. Wer so entscheidet, gebilligt und als unbedenklich bezeichnet hat — wört- macht es sich einfach und den Be troffenen schwer. liches Zitat —, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der ... wenn der Gesetzgeber seine Pflicht zu einem F.D.P.) besseren Schutz ungeborenen Lebens durch prä- Ich bitte Sie, sich nicht mit einer Strafrechtsnorm ventive Maßnahmen einschließlich einer die und ein paar eher halbherzigen Veränderungen aus Eigenverantwortung der Frau stärkenden Bera- der Verantwortung zu stehlen, sondern dem Grup- tung zu erfüllen versucht. penentwurf zuzustimmen, der die Betroffenen und Strafrechtsnormen waren schon damals nicht gefor- uns nicht aus der Verantwortung entläßt. dert. Sie sind auch weder sinnvoll noch gerechtfertigt, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wie die Entwicklung deutlich gezeigt hat. der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE Daß mit Strafandrohung werdendes Leben nicht GRÜNEN) wirkungsvoll geschützt werden kann, zeigen nicht nur die Erfahrungen in anderen Ländern, sondern auch Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile dem Kollegen die Erfahrungen mit der bestehenden Regelung in der Dr. Paul Laufs das Wort. alten Bundesrepublik. Wenn wir uns also einig sind im Ziel, werdendes Leben wirkungsvoll zu schützen, dann müssen wir gesellschaftliche Rahmenbedingun- Dr. Paul Laufs (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine gen schaffen, in denen die eigenverantwortliche Ent- Damen und Herren! Zu meinen politischen Aufgaben scheidung der Betroffenen möglichst für Kinder aus- gehört der Schutz der wundervollen und vielfältigen fallen kann. Schöpfung mit all dem, was kreucht und fleucht und wächst und ein großes Glück für uns Menschen ist. Um Eine Reihe konkreter Verbesserungen sieht der wieviel mehr möchte ich sagen: Jedes Kind ist ein Gruppenentwurf vor. Wenn Sie Zweifel daran haben, großes Glück und eine Quelle der Freude. ob die staatlichen Hilfen für Schwangere und die Bedingungen für Kinder, Familien und Alleinerzie- (Beifall bei der CDU/CSU) hende ausreichend sind, um den Schutz werdenden Das Ungeborene trägt mit 12 Wochen ein mensch- Lebens angemessen zu gewährleisten, dann erwarte liches Antlitz. Ich empfinde die Frage nach dem ich Ihre Initiative in diesen Bereichen; insbesondere Schutz eines Lebensrechts von Anfang an als eine bei der Schaffung von ausreichendem, bezahlbarem Frage nach unserer Menschlichkeit. Wohnraum, bei der überfälligen Einführung eines Ich empfinde auch die religiöse Dimension, die gerechten Familienlastenausgleichs, aber auch bei diese Frage letztlich hat. Ich bekenne mich zu meinem der Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundla- christlichen Glauben, nach dem jeder Mensch sein gen. Leben aus dem Willen Gottes empfängt. Darin allein Denn wenn sich Frauen nicht in der Lage sehen, ist seine unantastbare Würde begründet. Die Achtung eine Schwangerschaft fortzusetzen, dann fordert das dieser Würde steht jedem Menschen zu, dem ungebo- nicht eine Verschärfung der Strafdrohung. Und: Eine renen ebenso wie der Frau. strafrechtliche Regelung entläßt uns nicht aus der Ich weiß um das Unvermögen des Mannes, der Not Verantwortung. Nur wenn wir die eigenverantwortli und Angst der Frau gerecht zu werden, die an der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8351

Dr. Paul Laufs ungewollten Schwangerschaft zu zerbrechen meint. — Vielleicht darf ich wenigstens zu Ende reden. Ich In meinem Wahlkreis habe ich erfahren — dies erfüllt denke, wir hatten im Laufe des Tages schon vielfach mich mit Dankbarkeit —, daß mich zahlreiche Frauen, Gelegenheit, zur Abstimmung Stellung zu nehmen. junge und ältere, alleinstehende und Mütter, in mei- (Zuruf von der CDU/CSU: Muß man sich das ner Überzeugung bestärken, daß sich der Staat nicht denn zweimal anhören?) zurückziehen darf, wenn es gilt, das Kind vor Unver- Ich habe mir die Entscheidung über mein Abstim- mögen und Irrtümern seiner Eltern zu schützen, also mungsverhalten wahrlich nicht leicht gemacht. Wie mit der Bereitstellung von Rat, tätiger Hilfe und — viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause unverzichtbar — mit dem eindeutigen Aufzeigen von bewegen mich auch jetzt noch sehr zwiespältige Unrecht seine schützende Aufgabe wahrzunehmen. Gefühle. Trotzdem habe ich mich entschieden, mei- Das Strafrecht ist gewiß nicht das bevorzugte Mittel nem Gewissen zu folgen und nein zu sagen. Dabei zum Lebensschutz. denke ich in erster Linie an meine Wählerinnen und (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist Wähler, die mir den eindeutigen Auftrag gegeben wohl wahr!) haben, keine Lösung zuzulassen, die schlechter ist als geltende. Mich bedrückt und beunruhigt aber der Gedanke an die bisher in der DDR eine Rechtsordnung, die die Tötung menschlichen Diesem Maßstab entspricht der Gruppenentwurf in Lebens nicht als Unrecht qualifiziert und nicht mißbil- keiner Weise. Daß einer seiner Hauptbestandteile ein ligt. Strafrechtsparagraph 218 ist, der für die neuen Bun- desländer nach 20jähriger Straffreiheit des Schwan- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gerschaftsabbruchs eingeführt werden soll, ist in den Ich lehne deshalb jede Fristenregelung ab; die Fri- Debatten der letzten Wochen ebenso in den Hinter- stenregelung stellt nicht nur das Lebensrecht des grund getreten wie die tatsächliche Bedeutung einer Ungeborenen in den ersten Monaten in die alleinige verpflichtenden Beratung mit dem Ziel des Lebens- Entscheidungsfreiheit der Frau, sie weist auch dem schutzes. Statt dessen wurde eine Mogelpackung als Arzt die Rolle eines Handwerkers zu, der die Tötungs- Fristenregelung verkauft, wohl wissend, daß der handlung auf Bestellung vornimmt. Dies bedeutet den größte Teil der Bevölkerung eine wirkliche Fristenre- Bruch mit den überkommenen und auch heute not- gelung, also ohne Strafandrohung, wünscht. Für wendigen Grundlagen allen ärztlichen Handelns. Meine Entscheidung beruht darauf, daß ich nicht alles ärztliche Tun, wenn es beruflich legitim sein und weiß, wie ich es vor vielen Frauen, die meine Auffas- vor dem Recht bestehen soll, ist unverzichtbare Vor- sung teilen, und vor mir selbst rechtfertigen soll, einen aussetzung, daß es indiziert, d. h. vom beruflichen solchen § 218 mit Strafandrohung und Zwangsbera- Heilauftrag umfaßt und geboten ist. tung für Frauen legalisiert zu haben, und sei es auch Es ist meine Bitte, daß wir uns gerade in dieser Zeit durch Stimmenthaltung. der Krise und des sich ausbreitenden Nihilismus auf Ich betone noch einmal, da ich im Verlauf der das christlich-abendländische Menschenbild besin- ganzen Diskussion um die Neuregelung des § 218 nen und es verteidigen. immer im Namen meiner Gruppe gesprochen habe: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dies ist eine persönliche Erklärung. Dazu gehört die Ehrfurcht vor dem menschlichen Ich möchte zum Abschluß, ganz bewußt kurz vor der Leben von Anfang an und in allen seinen Gestalten. Abstimmung in diesem Hause, noch mit meinen Ich bin überzeugt, daß eine Fristenregelung die Aus- Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen 33 000 Un- einandersetzung um das Lebensrecht des Ungebore- terschriften aus den neuen Bundesländern gegen nen weder befrieden noch beenden kann, weil hier § 218 übergeben. die Frage nach dem Wert des menschlichen Lebens (Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/Linke überhaupt gestellt ist. Liste] und Abg. Dr. Barbara Höll [PDS/Linke Ich danke Ihnen. Liste] überreichen Vizepräsident H ans Klein (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) die Unterschriftenlisten) Ich danke. (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Petra Bläss, Sie haben das Wort. Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat die Kollegin Claudia Nolte. Petra Bläss (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich heute gegen die Annahme des Gruppenentwurfs stimmen werde, Claudia Nolte (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte dann ganz sicher nicht deshalb, um einer wie auch Kolleginnen und Kollegen! Die meisten werden in immer gearteten Indikationsregelung Tür und Tor zu ihrer Entscheidung festgelegt sein. Aber ich möchte öffnen, die Möglichkeit nutzen, die mir als Mitglied des (Ursula Schmidt [Aachen] [SPD]: Tun Sie Parlaments gegeben ist, um ausdrücklich für den aber!) rechtlichen Schutz ungeborenen menschlichen Le- bens einzutreten. Für mich gelten in diesem Zusam- und auch nicht, um als radikale Feministin fundamen- menhang keine demoskopischen Mehrheitsmeinun- talistische Prinzipienreiterei zu betreiben. gen und auch keine Einzelfallbeispiele, um daraus (Zurufe von der SPD: Tun Sie aber!) allgemeine Rechtsgrundsätze herzuleiten. 8352 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Claudia Nolte Für mich steht heute eine grundsätzliche Entschei- bedeutet. Ich bin mir sicher, daß Bewußtsein für das dung an. Ich glaube, die Tragweite dessen, was wir Leben wird sich weiter durchsetzen. heute beschließen, geht über die Frage des Schutzes (Beifall bei der CDU/CSU) ungeborenen Lebens hinaus. Menschliches Leben ist in keiner Phase der Entwicklung verfügbar, (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Herr unabhängig von Behinderung und Alter. Ein Rechts- Abgeordnete Otto Schily. staat, der Menschen zeitweilig das Lebensrecht abspricht, stellt sich selbst in Frage. Otto Schily (SPD): Herr Präsident! Meine verehrten (Beifall bei der CDU/CSU) Kolleginnen und Kollegen! Zwei Fragen stehen, so Wieviel ist menschliches Leben wert, wenn allein eine wie ich es sehe, im Mittelpunkt dieser sehr beachtli- Frist, das Verlangen einer Person und die fachge- chen und ernsten Debatte. Zum einen: Wie weit reicht rechte Ausführung Rechtfertigungsgründe für dessen das Recht, wie weit gehen die Befugnisse des Staates? Tötung sind? Zum anderen: Welche Vorstellungen haben wir von dem realen Geschehen der Inkarnation eines Men- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) schen im mütterlichen Leib? Ich befürchte einen regelrechten Dammbruch, Wer die embryonale Entwicklung für einen mehr wenn wir Leben vor der Geburt zeitweilig zur Dispo- oder weniger mechanistisch-materiellen Prozeß der sition stellen. genetisch gesteuerten Ausdifferenzierung von Zell- Wir können uns politisch darüber streiten, welche gebilden hält, hat möglicherweise geringere Hem- Maßnahmen umgesetzt werden müssen, um eine mungen, in diesen Prozeß medizinisch einzugreifen. Wer dagegen das embryonale Geschehen als Zusam- familien - und kinderfreundliche Gesellschaft zu schaffen. Unabhängig von notwendigen sozialpoliti- menwirken geistig-seelischer und physischer Vor- schen Maßnahmen ist aber das Rechtsbewußtsein gänge versteht, wird eher dazu tendieren, sich gegen- entscheidend. Dies drückt sich in einer entsprechen- über medizinischen Interventionen äußerste Zurück- den Rechtsprechung aus. Der Staat hat eine Schutz- haltung aufzuerlegen. pflicht für das Leben. Er kann im Einzelfall von Strafe Jedenfalls entspricht es nicht dem wunderbaren absehen. und geheimnisvollen Geschehen der Menschwer- Von Bismarck stammt der Satz: Politik ist die Kunst dung im Mutterleib — dem wir mit Ehrfurcht begeg- des Möglichen. Wer die Tötung menschlichen Lebens nen sollten —, wenn von einem Verfassungsrichter rechtfertigt, überschreitet das, was politisch machbar vor geraumer Zeit formuliert wurde, der menschliche ist, machbar sein darf. Denn es steht der Politik nicht Embryo sei nichts als ein erdbeerähnlicher Zellklum- an, menschliches Leben zu qualifizieren. pen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Frauen, die im Unterschied zu Männern eine viel Schon die Praxis des bisherigen § 218 läßt zu Recht intimere Wahrnehmung für die embryonale Entwick- Zweifel an dessen Verfassungsmäßigkeit aufkom- lung haben, sind mit Sicherheit gegen eine derart men. Die sozialliberale Fristenregelung fiel bereits vor seelenlose Be trachtungsweise gefeit. 17 Jahren beim Bundesverfassungsgericht durch. Das wird sich wiederholen, wenn der SPD-F.D.P.-Grup- Erkenntniszugang und moralische Einstellung sind penentwurf heute eine Mehrheit findet. eng verwoben. Kann das Recht eine bestimmte Erkenntnis und die damit verbundene moralische (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Einstellung privilegieren und mit staatlichen Sanktio- Aus diesem Grunde stimme ich für den Gruppenent- nen durchsetzen? Die Frage kann sowohl aus einem wurf aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, den positivistischen als auch einem naturrechtlichen Antrag zum Schutz der ungeborenen Kinder, den Rechtsverständnis gestellt werden. sogenannten Werner-Entwurf. Im Rahmen der Problematik des Schwangerschafts- abbruches mag der Staat durch die Verfassung und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) durch Gesetz einen gesellschaftlichen Konsens arti- Heute kann jeder wissen, daß menschliches Leben kulieren, der den Schwangerschaftsabbruch einem mit der Verbindung von Ei- und Samenzelle beginnt. Unwerturteil unterwirft. Das Recht und der Staat Der Mensch ist Mensch von Anfang an. Ich bedauere, dehnen damit aber ihren Geltungsanspruch in fiktiver daß bei der Anhörung des Sonderausschusses die Form auf einen Bereich aus, der sich existentiell der Frauen, die eine Abtreibung hinter sich haben, nicht staatlichen und rechtlichen Regelung entzieht. zu Wort kamen. Wenn heute Frauen aus eigenem Meine Grundthese lautet: Das Verhältnis zwischen Erleben vor den insbesondere psychischen Folgen Frau und Embryo ist keine Rechtsbeziehung, sondern warnen, müssen eines Schwangerschaftsabbruches eine Naturbeziehung. Die Schwangerschaft begrün- wir das ernst nehmen. Die betroffenen Frauen sind das det eine geistige, seelische und körperliche Verbin- zweite Opfer einer Abtreibung. dung mit einer menschlichen Individualität, die ihre Unabhängig davon, wie wir heute entscheiden, Verkörperung sucht in einem Naturzusammenhang, wird das Thema „Schutz des ungeborenen Lebens" in der die Mutter für das werdende Leben gewisser- damit nicht abgeschlossen sein. Wir werden auch in maßen den Kosmos bildet. Der Staat hat in diesem Zukunft darauf aufmerksam machen, was Abtreibung Naturverhältnis nichts zu suchen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8353

Otto Schily Entscheidungen, die die Frau souverän in der Dennoch hat es mich immer gestört, wie sehr die Schwangerschaft trifft, haben dadurch vielleicht sogar Männer auch in unserer Sprache der Verantwortung noch eine gesteigerte moralische Verantwortlichkeit. los- und ledig werden konnten. Über Jahrhunderte Dieser Verantwortung werden die Frauen auch sprachen wir von der unehelichen Mutter. In diesem gerecht, denn ich bin überzeugt, daß sich keine Frau Ausdruck war unausgesprochen Diskriminierung ent- leichten Herzens zu einem Schwangerschaftsabbruch halten. Vom unehelichen Vater sprach niemand. Er entschließt. war sprachlich auf der Flucht. Wenn wir das verän- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dern wollen, dann muß es zwischen Mutter und Vater der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE einen partnerschaftlichen Dialog über dieses Thema, GRÜNEN) das wir heute behandeln, geben. Der Staat überschreitet die ihm gezogenen Gren- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und zen, wenn er mit strafrechtlichen Sanktionen eine der F.D.P. — Regina Kolbe [SPD]: Aber wenn bestimmte Entscheidung erzwingen will. Es ist eine der Vater doch nicht will!) zutiefst entwürdigende Prozedur, wenn sich Männer Es gab viel doppelte Moral. Die Mutter, die ihr Kind mit schwarzen Kitteln bekleiden und Frauen zu abtrieb, wurde mit Strafe des Rechtes bedacht. Die Gefängnisstrafen verurteilen, weil sie in einer Kon- Mutter, die ihr uneheliches Kind austrug, wurde von fliktsituation eine möglicherweise moralisch proble- der Gesellschaft verachtet. Das war eine doppelte matische Entscheidung getroffen haben. Dem Schutz Moral, die wir nicht hinnehmen können. werdenden Lebens dienen solche Veranstaltungen nicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) ordneten der F.D.P. und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) Patrick Bahners hat in einem Aufsatz für die „Frank- furter Allgemeinen Zeitung" sehr gut herausgearbei- Der Mutter, die ihr Kind austrägt, muß geholfen tet, daß die Grenze des Körpers zugleich die Grenze werden. des Staates ist, und die Debatte zu § 218 in Beziehung Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Selbstbe- zur Herausbildung der ge- Habeas-corpus-Rechte stimmung der Frau kann doch nicht Alleinbestim- setzt. Bahners weist aber auch darauf hin, daß es dem mung sein? Jede Selbstbestimmung muß doch mit der Staat gewiß erlaubt ist, durch Vergünstigungen, viel- Selbstbestimmung anderer abgewogen werden. Der fältige Hilfen und Beratungsangebote Frauen, die im Schwächste in diesem Abwägungsprozeß ist der Zweifel sind, ob sie eine Schwangerschaft austragen Kleinste, der ungeborene Mensch. Wer verleiht ihm in können, dazu zu bewegen, das Kind zur Welt zu dieser Debatte Stimme? bringen. In diesem Sinne ist das beste Mittel gegen Schwan- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gerschaftsabbrüche eine kinderfreundliche und kind- Auch er muß in diese Debatte eingebracht werden. heitsschützende Gesellschaft. Ich melde mich hier zu Wort (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Davon sind wir noch sehr weit entfernt, solange wir (Zuruf von der SPD) immer noch oft Leben, Gesundheit und seelisches — können wir uns nicht ganz in Ruhe zuhören? —, weil Gedeihen von Kindern vermeintlich wichtigeren Zie- ich meine, daß wir hier nicht nur über das Leben des len unterordnen. Manche sind ja nicht einmal bereit, noch nicht geborenen Kindes diskutieren, sondern dem Lebensrecht von Kindern Vorrang gegenüber der auch über die Frage, ob wir alles dürfen, was wir schnellen Fortbewegung von Autos zu geben. können. Wir werden mehr können als je zuvor. Der (Beifall bei der SPD, der F.D.P. und dem Abstand zwischen Können und Dürfen wird größer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) werden. Wir werden den Homunkulus zum erstenmal Im Interesse des werdenden Lebens und aus herstellen können. Frösche können wir klonieren, Respekt vor den Frauen unterstütze ich den Gruppen- warum — wenn wir alles dürfen, was wir können — entwurf. nicht auch den Menschen? (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Ich glaube, wir können uns vor diesen Zumutungen Abgeordneten der PDS/Linke Liste und des und Gefahren nur durch ein neues Tabu befreien: BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) durch das Tabu des Lebens. Wenn das Leben einmal befristet zur Disposition gestellt wird, gibt es kein Halten mehr. Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Norbert Blüm. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn es eine Frist am Beginn des Lebens gibt, warum Dr. Norbert Blüm (CDU/CSU): Herr Präsident! nicht auch eine Frist beim verlöschenden Leben? Eine Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß der Konflikt, Notlage ist doch nicht vom Geburtsdatum abhängig. über den wir heute sprechen, ein Konflikt ist, den Es kann im Alter schwere Notlagen geben. existentiell die Frauen austragen. Deshalb weiß auch Deshalb plädiere ich für eine Verständigung über ich, daß den Männern in dieser Debatte eine gewisse neue Tabus. Unsere Sittlichkeit ist nicht sehr stabil. Zurückhaltung zu empfehlen ist. Wir müssen sie auch durch das Recht stützen, wenn (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ auch nicht deshalb, weil Recht schon Sittlichkeit wäre. DIE GRÜNEN) Aber ich glaube schon, daß wir bei der Instabilität des 8354 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dr. Norbert Blüm Menschen das Recht brauchen, um uns vor dem eben wieder auf einige der Ratgeber Bezug genom- Absturz in die Barbarei zu bewahren. men —, so lassen Sie mich bitte zwei Bemerkungen (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei machen. der SPD) Ich finde, es geht hier um eine Frage, bei der wir Ich stelle noch einmal die Frage: Dürfen wir alles, Männer sehr wohl mit zu beraten und mit zu entschei- was wir können? — Ich antworte: nein. Wir dürfen das den haben. Aber ich wäre froh, wenn die Frauen, Leben nicht manipulieren. wenn es um einen Schwangerschaftsabbruch geht, von den Männern nicht in so vielen Fällen alleinge- (Zuruf von der SPD: Aber den Mutter lassen würden, wie es heute noch der Fall ist. -schutz!) Wir liefern es sonst unseren Wünschen und Launen (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der aus. Wir müssen den Mensch durch das Recht schüt- CDU/CSU und der SPD) zen. Ich selber war und bin der Meinung, daß sich der Wenn ich dies sage, so muß ich einen grundsätzli- Staat nur im Konflikt Leben gegen Leben zurückzie- chen Widerspruch zu dem anmelden, was Sie, Herr hen darf. Blüm, zum Selbstbestimmungsrecht gesagt haben. (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ Alle heute vorliegenden Anträge gehen davon aus, CSU) daß am Schluß einer die Entscheidung trägt. Kein Antrag sieht Kollektiventscheidungen etwa der Frau Nur kommt es nicht auf meine private Gesinnung mit dem Partner vor. Alle Anträge sehen die Schluß- an. In einer Verantwortungsethik muß man auch die entscheidung eines einzelnen vor. Dabei stellt sich Folgen mitbedenken. Einen solchen Standpunkt hier doch die Frage: Trauen wir es den Frauen zu, die heute abend zu Protokoll zu geben, bewegt nichts. Es Entscheidung selbst zu treffen, oder meinen wir, wir kommt darauf an, das Schlimmste zu verhindern. bräuchten den Arzt, einen urteilenden Vormund? Da Nach meiner Güterabwägung ist das Schlimmste für sage ich als Unterstützer des Gruppenantrages: Nein, mich eine befristete Freigabe des Lebens. Deshalb die Selbstbestimmung kann nur von der Be troffenen appelliere ich an alle — auch an die, die meinen selbst wahrgenommen werden, von niemandem ethischen Standpunkt teilen —, sich dem Mehrheits- sonst. antrag der CDU/CSU-Fraktion anzuschließen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der Im übrigen bin ich gar nicht so pessimistisch: Eine SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- neue Verantwortung für die Schöpfung bricht sich NEN) Bahn. Sie hat die Natur schon erreicht, warum sollte sie auch nicht die Menschen einschließen? Ihr Antrag läuft auf eine Fremdbestimmung der Frau (Beifall bei der CDU/CSU) hinaus, nicht auf eine Selbstbestimmung. Das schrecklichste, weil zynischste Wort ist das Wort Lassen Sie mich noch eines ergänzen. Es ist heute „Abtreibung". Ein Mensch ist doch kein Stück Holz, schon mehrfach angesprochen worden, daß die Her- der vom Strom mitgerissen wird. Das schönste Wort ist ren der katholischen Kirche uns Rat geben. Ich möchte das einer werdenden Mutter, die sagt, sie wäre guter einmal den Gedanken weiterspinnen. Was wäre Hoffnung. Ich bin sicher, daß diese Hoffnung stärker eigentlich, wenn es Kirchen gäbe, in denen nur ist als alle Fristenlösungen. Frauen die Sakramente spenden dürfen und Männer daran gehindert wären? Wie wäre dann eigentlich die (Beifall bei der CDU/CSU) Entscheidung dazu, was die Gottheit für richtig hält, ausgefallen? Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kollege (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der Wolfgang Lüder. SPD — Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Ganz genauso!) Wolfgang Lüder (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Meine Damen und Herren, bei seinem Abstim- sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Blüm! mungsverhalten sollte jeder, der für die Selbstbestim- Vor einem Jahr stand dieses Haus — Klaus Röhl und mung der Frau ist, berücksichtigen, daß wir nur dann andere haben heute daran erinnert — schon einmal zur Abstimmung über den Gruppenantrag kommen, vor einer entscheidenden Frage, wenn wir nicht vorher durch Enthaltung oder andere Freundlichkeiten für andere Papiere signalisiert (Zuruf von der SPD: Bonn oder Berlin!) haben. Wir kommen heute in klare Entscheidungssi- der Vollendung der Einheit Deutschlands. Heute geht tuationen, und unser Wort kann zu jedem Antrag nur es — diesen Aspekt möchte ich voranstellen — um die — lassen Sie es mich so biblisch sagen — ja oder nein Schaffung eines einheitlichen Rechtes in Deutsch- lauten. Ein Zwischending trägt nur dazu bei, daß am land. Was in Frankfurt/Oder straflos bleibt, kann nicht Ende die falsche Entscheidung getroffen wird. in Frankfurt/Main strafbar sein, und was in (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der gilt, muß auch in Düsseldorf Rechtens sein. SPD) (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Meine Damen und Herren, ich will deutlich machen Darum zu ringen, darauf kommt es heute zunächst — gerade aus juristischer Sicht —: Der Gruppenan- an. trag ist in meinen Augen nicht nur verfassungsmäßig Wenn wir uns heute in einer Debatte zu einem zulässig, sondern er ist verfassungsmäßig und ethisch Thema befinden, zu dem uns viele außerhalb des geboten. Er bringt die Entscheidungsmöglichkeiten Parlamentes einen Rat gegeben haben — Sie haben für die Frau, die der Bürgerin gebühren, und drängt Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8355

Wolfgang Lüder den Staat in die Aufgabe zurück, die ihm obliegt, Früher hat sie die Stricknadel genommen. Das Straf- nämlich Hilfen zu bieten, nicht aber Vormund und recht hat sie nicht davon abgehalten. Urteilsgeber zu sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne F.D.P.) ten der SPD) Die schwankende, unsichere Schwangere, die noch nach einem Weg sucht, die sich vielleicht für das Kind entscheiden könnte, die tut dies nicht auf Grund des Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wort der Strafrechts, sondern dann, wenn ihr die Sicherheit und Kollegin Susanne Rahardt-Vahldieck. eine Zukunftsperspektive für sich und das Kind gege- ben wird. (CDU/CSU): Herr Prä- Diese Sicherheit hat sie nicht. Sie hat nicht die Ruhe, Susanne Rahardt-Vahldieck - sident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nachzudenken, das Kind anzunehmen. Sie hat nicht eine zum Teil sehr ergreifende, zum Teil sehr bewegte die Ruhe, eine Beratung offen mitzuerleben, wenn sie Debatte gehabt, zum Teil aber auch Formulierungen weiß, daß sie von der Entscheidung dritter abhängig gehört, die mir nicht gefallen haben. ist. Wenn sie weiß, daß sie selber die Verantwortung, Das ist das Wort vom „Gebärzwang" gefallen. Da ist die sie annehmen soll, nicht tragen darf, dann kann sie der Spruch „Mein Bauch gehört mir" gekommen. Da sich nicht frei für das Kind entscheiden. Deswegen kam auch die Vokabel — das hat mir ebenfalls nicht dürfen wir mit dem Druck des Strafrechts nicht arbei- gefallen, Frau Kollegin Funke-Schmitt-Rink — vom ten. Glockenterror. Nach meiner persönlichen festen Überzeugung Das sind Formulierungen, die dieser Debatte und — die sicher viele von Ihnen nicht teilen — gilt: diesem Problem nicht angemessen sind. Strafrechtliche Regelungen gefährden eher das unge- borene menschliche Leben durch Zwang und Druck (Zuruf von der SPD: Aber realistisch!) auf die Schwangere, als sie es schützen. Auf der anderen Seite ist es genauso unangemes- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der sen, wenn Formulierungen wie „Euthanasie" oder F.D.P. und der SPD sowie beim BÜND- „Holocaust" gebraucht werden. NIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS/Linke (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liste) Unterstellungen dieser Art sind unakzeptabel. Man Offenheit und Vertrauen schützen das menschliche hat so etwas aus einigen Redebeiträgen herausgehört Leben im Mutterleib. Deswegen stehe ich für den — als ob diejenigen, die den Gruppenantrag unter- Gruppenantrag. stützen, für Abtreibung seien oder Kindstötung beför- Ich will aber noch einen anderen Gedanken ein- dern wollten oder Leben verfügbar machen wollten. bringen. Ich habe die Hoffnung, daß, wenn wir diese Diese Unterstellungen weise ich für mich und für die Debatte abgeschlossen haben, eine gewisse Ruhe anderen, die diesen Gruppenantrag unterstützen, einkehren wird und daß das Feldgeschrei der vergan- zurück. genen Jahre — hier Selbstbestimmungsrecht, da (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der Lebensschutz, obwohl gar nicht miteinander gespro- SPD sowie dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ chen wurde, sondern nur gegeneinander polemisiert NEN) wurde — aufhört. Dann können wir uns endlich auf das konzentrieren, auf das es wirklich ankommt, Wir von der Union, die wir den Gruppenantrag nämlich den Wert des ungeborenen Lebens in der unterstützen, wissen — ich nehme an, das gilt auch für Politik und in der Gesellschaft verstärkt herauszustel- die meisten anderen —: Es handelt sich um ungebo- len. So kann in der Gesellschaft und durch uns an all renes menschliches Leben. Es ist menschliches Leben den Hilfen gearbeitet werden, die wir wirklich brau- von Anfang an. Zellklumpen, Schwangerschaftspro- chen, um das ungeborene Leben mit seiner Mutter dukt — all diese merkwürdigen Vokabeln, die auch und nicht gegen sie zu schützen. gelegentlich Verwendung finden — dürfen keinen Eingang in eine solche Debatte finden. Sie sind der Danke. Sache nicht angemessen. Dieses ungeborene mensch- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der liche Leben muß natürlich auch vom Staat geschützt F.D.P., der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE werden. Das ist ganz selbstverständlich. Das bestreitet GRÜNEN und der PDS/Linke Liste) ja auch niemand von uns. Die Frage ist doch nur: Wie schützen wir es? Die Frau Kollegin Ing Frage ist doch, ob ein Indikationenmodell der derzei- Vizepräsident Hans Klein: rid Matthäus-Maier, Sie haben das Wort. tigen Regelung oder ein Indikationenmodell, wie es der derzeitige Entwurf meiner Fraktion vorsieht, das richtige Mittel ist. Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Herr Präsident! Ich glaube eben nicht, daß der Entwurf meiner Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte ist fast Fraktion richtig ist. Welches ungeborene Kind soll das vorüber. Eines hat sie deutlich gemacht, nämlich, Strafrecht schützen? Welche verzweifelt entschlos- worum es nicht ging. Es ging nicht um die Frage, ob sene Schwangere, die glaubt, die Schwangerschaft man für oder gegen Abtreibung ist. Ich will hier klar nicht austragen zu können, trägt das Kind aus, weil ihr und deutlich sagen: Jeder Schwangerschaftsabbruch das Strafrecht vor Augen steht? Sie wird nach Holland ist einer zuviel. Wir haben heute darüber gestritten, fahren. Sie wird in ein anderes Bundesland fahren. wie wir den besten Weg finden, um Schwanger- 8356 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Ingrid Matthäus-Maier schaftsabbrüche zu vermeiden, meine Damen und moderne Sexualaufklärung oder wirksame Verhü- Herren. tungsmittel, wie die Pille, bekämpft haben. (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der F.D.P.) Ein Weg hat sich über die Jahrzehnte als wirkungs- Zweitens gehören bezahlbarer Wohnraum und los erwiesen, die Strafandrohung des § 218. Den Krippenplätze zu dem Hilfsangebot für werdende Schutz des werdenden Lebens hat dieser Paragraph Mütter. In seinem Gedicht über die Leibesfrucht, das jedenfalls nicht bewirkt. Wir wissen dies doch aus Angelika Barbe schon genannt hat, schrieb Tucholsky unzähligen Leidensgeschichten von Frauen. Frauen, so treffend: die aus Verzweiflung über das Verlassenwerden Für mich sorgen sie alle, Kirche, Staat, Ärzte und durch den Vater des Kindes, aus Angst vor der Richter, neun Monate lang. Aber wenn diese Schande, aus sozialer Not, aus körperlicher oder neun Monate vorbei sind, dann muß ich sehen, seelischer Überlastung das Kind nicht austragen woll- wie ich weiterkomme. Sagt selbst: Ist das nicht ten, haben sich nie durch einen Abtreibungsparagra- eine merkwürdige Fürsorge? phen davon abhalten lassen. Auch wenn sich seit Tucholskys Zeiten viel geän- Der § 218 war auf diese Weise zwar der wirkungs- dert hat, so gilt doch auch heute noch, daß der Staat loseste Strafrechtsparagraph, was den Schutz des sich mehr um den Schutz des ungeborenen als des werdenden Lebens anging, aber er war einer der geborenen Lebens kümmert. Und das wollen wir wirkungsvollsten, was die Demütigung, die Veräng- ändern, meine Damen und Herren. stigung, die Einschüchterung, die Verzweiflung bis (Beifall bei der SPD) hin zum Tod von Frauen betrifft. Deswegen lassen Sie mich abschließen: Viele (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten Frauen in unserem Lande haben das, wie ich glaube, der F.D.P.) richtige Gefühl: Wenn nur Frauen im Bundestag die Mehrheit hätten, gäbe es den § 218 schon längst nicht Generationen von Frauen haben unter ihm gelitten. mehr. Ich erinnere mich noch gut, als wir Ende der 60er, (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Anfang der 70er Jahre — ich war damals junge Liste) Studentin — Unterschriften gegen den § 218 sammel- ten. Jeder weiß, daß ältere Frauen sich in der Regel bei Ich appelliere deswegen gerade auch an die Kolle- solchen Aktionen nicht engagieren. Damals war es gen hier im Raume — — anders. Alte und ganz alte Frauen kamen an die Stände und sagten: Ich will auch mit unterschreiben; ihr jungen Frauen sollt es einmal besser haben, als wir Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin, Ihre Rede- es hatten. Zum Teil berichteten sie von ihren Leiden, zeit ist ein gutes Stück überschritten. von drei, von fünf und mehr Abtreibungen, und das waren alles keine Abtreibungen aus Leichtfertigkeit, meine Damen und Herren, sondern weil diese Frauen, Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Ich bitte Sie, stimmen sehr oft Mütter von mehreren Kindern, sich einer Sie dem Gruppenantrag zu. Werdendes Leben kann weiteren Schwangerschaft nicht mehr gewachsen man nur mit der Mutter, nie gegen die Mutter schüt- fühlten. zen. Lassen Sie Frauen entscheiden, nicht mehr Staatsanwälte und Richter! Daß dies alles nicht so lange her ist, Herr Blüm, (Beifall bei der SPD, der F.D.P., der PDS/ daran möchte ich Sie erinnern, weil Sie das Stichwort Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- „Unehelichenrecht" hier genannt haben. Es ist doch NEN) erst wenig mehr als 20 Jahre her, daß der damalige Justizminister gegen zum Teil entschiedenen Widerstand aus Ihren Reihen eine Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile dem Kollegen Reform des Nichtehelichenrechts durchsetzen Dr. Heiner Geißler das Wort. mußte.

(Beifall bei der SPD) Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will am Wir, die wir den Gruppenantrag eingebracht Anfang etwas zu Rita Süssmuth sagen und zu den haben, gehen einen anderen Weg. Er heißt: Hilfe statt anderen Frauen aus allen Fraktionen, die in ihren Strafe, und wir halten ihn für wirkungsvoller sowohl Aussagen die Verantwortung der Frauen und die für den Schutz des werdenden Lebens als auch für die letzte Entscheidung der Frauen besonders herausge- Würde und Gesundheit der Frauen. stellt haben. Dazu gehört erstens: Ungewollte Schwangerschaf- Viele haben vermißt, daß in manchen dieser Reden ten müssen möglichst verhindert werden. Umfas- nicht von der Würde des Kindes die Rede war. Das ist sende Aufklärung, Sexualunterricht in der Schule und richtig. Was wir aber heute von Frauen über Frauen ungehinderter Zugang zu Verhütungsmitteln gehö- gehört haben, ist das vielleicht nicht doch das Echo, ren dazu. Ich habe nie verstanden, warum es so oft die auch ein später Aufschrei für die Generationen von gleichen waren, die einerseits für scharfe Bestrafung schwangeren Frauen, die seit Jahrhunderten auch auf der Frauen eintreten, andererseits aber zugleich eine Grund einer falschen Sexualmoral gedemütigt, ver- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8357

Dr. Heiner Geißler stoßen, verfemt, arbeitslos gemacht und oft zum abzutreiben, oder setzt sie nicht, im Gegenteil, die Selbstmord getrieben worden sind? Pressionen erst richtig frei? Das ist die Frage. (Beifall bei der SPD, der F.D.P., der PDS/ (Beifall bei der CDU/CSU) Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Deshalb sagen wir: Diejenigen, die schwangere, mit NEN sowie bei Abgeordneten der CDU/ ihren Konflikten beladene Frauen nötigen und erpres- CSU) sen, müssen — das fehlt in den anderen Entwürfen — In der größten deutschen Dichtung wurde es zum bestraft werden. Das ist wahr. zentralen Thema: (Beifall bei der CDU/CSU) Nah war der Freund, nun ist er weit, Es ist immer ein zentraler Punkt auch der neuen zerrissen der Kr anz, die Blumen zerstreut. sozialen Frage gewesen, daß wir an der Seite der Schwächsten zu stehen haben. Das ist mit der weitere - Das sagt Margarete in Goethes „Faust" im Kerker und Grund für mich, warum ich diesem Entwurf der Union schon im Wahnsinn. zustimme. Ich bin der festen Überzeugung, daß der Laß mich nur erst das Kind noch tränken. Entwurf der Union den sozialen Schutz für Frauen Ich herzte es die ganze Nacht. und Kinder am konsequentesten durchsetzt und auch Sie nahmen miss, um mich zu kränken weiterentwickelt. und sagen nun, ich hätt' es umgebracht, Die Zustimmung zu dieser Debatte werden wir dann und niemals werd' ich wieder froh. am leichtesten haben, wenn wir in unsere politische Das erbärmliche Schicksal Hunderttausender von Obhut nicht nur die Kinder einbeziehen, die schon Frauen vor uns wirkt bis heute in unserer Diskussion. leben, aber noch nicht geboren sind, und nicht nur die Wer hätte eigentlich das Recht, auch wenn man einer Frauen, die Konflikte austragen müssen, sondern anderen Auffassung ist, vielen heutigen Frauen vor- auch die 250 000 Kinder, die auf der Welt pro Woche zuwerfen, daß sie sich dagegen wehren, daß Richter sterben müssen, weil sie nicht genügend zu essen und Staatsanwälte die Konflikte der Schwangerschaft haben, die Kinder der Flüchtlinge, die Kinder der lösen sollen. Bürgerkriegsflüchtlinge und — das sage ich hin- zu — Den Schwachen zu helfen, nicht sie zu strafen, hat (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Zuruf meine Partei auf dem Wiesbadener Parteitag von der SPD: Herr Geißler, Sie sind schein- beschlossen. Das war schon immer die vornehmste heilig!) Aufgabe des Staates. alle anderen Kinder. Laßt uns darüber in den kom- Dies gilt aber auch für das Kind. Deshalb muß ich menden Debatten mit demselben Engagement disku- zurückfragen: Wie soll ich, würde der Gruppenantrag tieren und entscheiden, wie wir uns für die Kinder und damit die Fristenlösung angenommen, z. B. mei- entschieden und eingesetzt haben, die noch nicht auf nen Kindern erklären, daß ein ungeborenes Kind am der Welt sind, die aber schon leben. ersten Tag der 13. Woche vom Staat geschützt wird, dasselbe Kind aber am Tag zuvor straflos abgetrieben Deswegen bitte ich alle, dem Entwurf der Union die werden darf, und zwar — das ist das Entscheidende — Zustimmung unter der Voraussetzung zu geben, daß nur deswegen, weil die Zeit noch nicht abgelaufen ist. wir diese Verantwortung auf die übrigen Kinder Das kann nicht richtig sein. ausdehnen, die ebenfalls unserer Obhut anheim gegeben sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich stimme für den Entwurf der Union, weil es nach meiner Auffassung zu einer menschenwürdigen Ord- nung gehört — auch wenn es strafrechtlich zugegebe- Vizepräsident Hans Klein: Ich schließe die Ausspra- nermaßen kaum eine Wirkung hat, weil es schwer che. justitiabel ist —, daß eine Schwangerschaft auch Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, innerhalb einer Frist nicht einfach ohne jeden Grund zum Bericht des Sonderausschusses folgendes mitzu- und ohne jede Begründung abgebrochen werden teilen: Wegen verfahrensrechtlicher Schwierigkeiten darf. im Zusammenhang mit der Behandlung von Petitio- nen wird die heute morgen hier mündlich vorgetra- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — gene Ergänzung der Empfehlung, wonach die an den Zurufe von der SPD) Sonderausschuß gerichteten Petitionen für erledigt — Ich habe eine andere Meinung; ich habe sie zum erklärt werden sollten, zurückgezogen. Ausdruck gebracht. Aber es ist vielleicht doch des (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Nachdenkens wert, daß wir uns noch einmal kurz austauschen. Ich erteile dem Kollegen Schulz das Wort. Es gibt auch noch eine andere Frage. Manchmal wundere ich mich — ich war 13 Jahre Sozial- oder Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Familienminister —, welches Bild hier gezeichnet NEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen wird. Was ist denn eigentlich mit den Frauen, die das und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kind haben wollen, aber nicht dürfen? In welcher Welt Spannung ist auf dem Höhepunkt. Nicht nur heute, leben wir denn? Ich stelle die Frage: Erschwert nun die sondern seit Monaten, ja eigentlich mit und seit der Fristenlösung den Druck der Umgebung, der Familie, deutschen Einigung erleben wir eine bewegende der Männer, des Freundes, des Partners auf die Frau Diskussion. Sie werden mir sicherlich zustimmen, daß 8358 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Werner Schulz (Berlin) wir heute nacht zu einer Entscheidung finden werden Ich darf es noch einmal in Erinnerung rufen, bevor und müssen. So oder so, ob Schutz des ungeborenen wir zur Abstimmung kommen. Über die Gesetzent- Lebens oder Schwangerschaftsabbruch oder Recht würfe wird jetzt in der zweiten Beratung in folgender auf selbstbestimmte Schwangerschaft, ob Indikatio- Reihenfolge namentlich abgestimmt: Entwurf der nen- oder Fristenlösung: Es wird eine offene gesell- Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf der schaftliche Wunde bleiben. Unsere Aufgabe sollte es Gruppe PDS/Linke Liste, Entwurf des Abgeordneten vor allen Dingen sein, eine demokratische Entschei- Herbert Werner (Ulm) und anderer, Entwurf der dungsfindung in diesem Haus zu ermöglichen, d. h. Fraktion der F.D.P., Entwurf der Fraktion der SPD, den Gesetzentwurf herauszufinden — — Entwurf von Mitgliedern der Fraktion der CDU/CSU, Entwurf der Abgeordneten Inge Wettig-Danielmeier, Uta Würfel und anderer, der sogenannte Gruppenan- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Schulz, Sie trag. wollten zur Geschäftsordnung und zur Tagesordnung Die vorliegenden Änderungsanträge werden je- sprechen. Bitte, tun Sie das. weils vor dem entsprechenden Gesetzentwurf aufge- rufen. Ein Gesetzentwurf ist angenommen, wenn er die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Das Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ist der Fall, wenn mehr Jastimmen als Neinstimmen NEN): Ich möchte zur Geschäftsordnung sprechen, für ihn abgegeben werden. Stimmenthaltungen wer- weil ich meine, daß wir in diesem Haus eine demo- den hierbei nicht mitgezählt. Entscheidend ist also kratische Entscheidungsfindung ermöglichen sollten, allein, daß die Jastimmen die Neinstimmen überwie- also den Antrag herausfinden sollten, der die höchste gen. Das bedeutet, sobald einer der konkurrierenden Akzeptanz hat. Das Abstimmungsverfahren, das uns Gesetzentwürfe die Mehrheit der abgegebenen Stim- vorliegt, wird diesem Anspruch, meine Damen und men erhält, ist er in zweiter Beratung angenommen. Herren, nicht gerecht. Über weitere Entwürfe wäre dann nicht mehr abzu- Wir haben heute früh auf eine Geschäftsordnungs- stimmen. diskussion verzichtet. Mein Kollege Dr. Ullmann hat Wir stimmen zuerst über den Gesetzentwurf der unsere Bedenken angemeldet. Ich zitiere aus dem Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab: Gesetzent- Protokoll: wurf zur Sicherung der Entscheidungsfreiheit von Das jetzt von Ihnen vorgetragene Verfahren Frauen beim Umgang mit ungewollten Schwanger- impliziert, daß unter Umständen der Gruppenan- schaften, Drucksache 12/696. trag überhaupt nicht mehr zur Beratung und Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Abstimmung gestellt werden kann. (V o r s i t z : Vizepräsident Helmuth Becker) Darauf vermerkt das Protokoll den Zuruf der CDU/ CSU: „Das wäre doch gut! " Ich denke, das wäre fatal. Das würde im Moment eher eine Stimmung verstär- ken, die gegen die herkömmliche Politik gerichtet ist. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Ich bitte Sie deswegen, einem Verfahren zuzustim- Herren, darf ich fragen, ob noch ein Mitglied im Hause men, das die gegenüberstellende Abstimmung sämt- ist, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? — licher Anträge gemäß § 48 Abs. 2 unserer Geschäfts- ordnung ermöglicht. Auch hier besteht die Möglich- Meine Damen und Herren, ich frage noch einmal: keit, daß die in den Fraktionen ohnehin schon disku- Gibt es noch ein Mitglied hier im Hause, das seine tierte Situation der Zurücknahme einzelner Gesetz- Stimme bisher nicht abgegeben hat? — Ich stelle fest: entwürfe durchaus erwogen werden kann. Und Herr Das ist nicht der Fall. Gysi, wenn Sie auf bestimmte Mätzchen verzichten Ich schließe damit die Abstimmung. Ich bitte die würden, wäre hier eine faire Lösung möglich. Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich möchte Sie deswegen abschließend bitten: Las- Meine sehr verehrten Damen und Herren, bis zum sen Sie uns einen Entscheidungsweg finden, der auf Vorliegen des Ergebnisses muß ich die Sitzung unter- der Kraft der Argumente und nicht auf den Finessen brechen. eines Verfahrens beruht. (Unterbrechung von 23.10 Uhr bis Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. 23.17 Uhr) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Hans Klein: Wird dazu das Wort Vizepräsident Helmuth Becker: Meine sehr verehr- gewünscht? — Das ist nicht der Fall. ten Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Meine Damen und Herren, dieser Antrag kann nur mit einer Zweidrittelmehrheit der Anwesenden ange- Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte nommen werden, weil er eine Abweichung von der Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Geschäftsordnung anstrebt. Wer stimmt für diesen Gesetzentwurf der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Antrag? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich NEN auf Drucksache 12/696 bekannt. Abgegebene der Stimme? — Damit ist der Antrag abgelehnt. Es Stimmen: 657, davon ungültig: keine. Mit Ja haben bleibt bei dem heute morgen festgelegten Verfah- gestimmt: 17, mit Nein haben gestimmt: 634, Enthal- ren. tungen: 6. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8359

Vizepräsident Helmuth Becker Endgültiges Ergebnis Büttner (Schönebeck), Dr. Jobst, Dionys Müller (Wadern), Hartmut Dr.-Ing. Jork, Reiner Hans-Werner Abgegebene Stimmen: 655; Buwitt, Dankward Dr. Jüttner, Egon Müller (Wesseling), Alfons davon Carstens (Emstek), M anfred Jung (Limburg), Michael Nelle, Engelbert Carstensen (Nordstrand), Junghanns, Ulrich Dr. Neuling, Christian ja: 17 Peter Harry Dr. Kahl, Harald Neumann (Bremen), Bernd nein: 632 Clemens, Joachim Kalb, Bartholomäus Nitsch, Johannes Dehnel, Wolfgang Kampeter, Steffen Nolte, Claudia enthalten: 6 Dempwolf, Gertrud Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Dr. Olderog, Rolf Deres, Karl Dr. Kappes, Franz-Hermann Ost, Friedhelm Deß, Albert Karwatzki, Irmgard Oswald, Eduard Diemers, Renate Kauder, Volker Otto (), Norbert Ja Dörflinger, Werner Keller, Peter Dr. Päselt, Gerhard Doss, Hansjürgen Kiechle, Ignaz Dr. Paziorek, Peter Paul SPD Echternach, Jürgen Kittelmann, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Ehlers, Wolfgang Klein (Bremen), Günter Petzold, Ulrich Roth, Wolfgang Ehrbar, Udo Klein (München), Hans Pfeffermann, Gerhard O. Eichhorn, Maria Klinkert, Ulrich Pfeifer, Anton Engelmann, Wolfgang Köhler (Hainspitz), Pfeiffer, Angelika PDS/Linke Liste Eppelmann, Rainer Hans-Ulrich Dr. Pfennig, Gero Eylmann, Horst Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Pflüger, Friedbert Bläss, Petra Eymer, Anke Volkmar Dr. Pinger, Winfried Dr. Enkelmann, Dagmar Falk, Ilse Dr. Kohl, Helmut Pofalla, Ronald Dr. Gysi, Gregor Dr. Faltlhauser, Kurt Kolbe, Manfred Dr. Pohler, Hermann Dr. Heuer, Uwe-Jens Feilcke, Jochen Kors, Eva-Maria Priebus, Rosemarie Dr. Höll, Barbara Dr. Fell, Karl Koschyk, Hartmut Dr. Probst, Albert Jelpke, Ulla Fischer (Hamburg), Dirk Kossendey, Thomas Dr. Protzner, Bernd Dr. Keller, Dietmar Fischer (Unna), Leni Kraus, Rudolf Pützhofen, Dieter Lederer, Andrea Fockenberg, Winfried Dr. Krause (Börgerende), Rahardt-Vahldieck, Susanne Dr. Modrow, Hans Francke (Hamburg), Klaus Günther Raidel, Hans Dr. Seifert, Ilja Frankenhauser, Herbert Dr. Krause (Bonese), Dr. Ramsauer, Peter Stachowa, Angela Dr. Friedrich, Gerhard Rudolf Karl Rau, Rolf Fritz, Erich G. Krause (Dessau), Wolfgang Rauen, Peter Harald Fuchtel, Hans-Joachim Krey, Franz Heinrich Rawe, Wilhelm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ganz (St. Wendel), Johannes Kriedner, Arnulf Reddemann, Gerhard Geiger, Michaela Kronberg, Heinz-Jürgen Regenspurger, Otto Dr. Feige, Klaus-Dieter Geis, Norbert Dr.-Ing. Krüger, Paul Reichenbach, Klaus Köppe, Ingrid Dr. Geißler, Heiner Krziskewitz, Reiner Eberhard Dr. Reinartz, Berthold Poppe, Gerd Dr. von Geldern, Wolfgang Lamers, Karl Reinhardt, Erika Schenk, Christina Gerster (Mainz), Johannes Dr. Lammert, Norbert Repnik, Hans-Peter Gibtner, Horst Lamp, Helmut Johannes Dr. Rieder, Norbert Dr. Göhner, Reinhard Lattmann, Herbert Dr. Riedl (München), Erich Fraktionslos Göttsching, Martin Dr. Laufs, Paul Riegert, Klaus Götz, Peter Laumann, Karl Josef Dr. Riesenhuber, Heinz Dr. Briefs, Ulrich Dr. Götzer, Wolfgang Lehne, Klaus-Heiner Ringkamp, Werner Gres, Joachim Dr. Lehr, Ursula Rode (Wietzen), Helmut Grochtmann, Elisabeth Lenzer, Christian Rönsch (Wiesbaden), Gröbl, Wolfgang Dr. Lieberoth, Immo Hannelore Nein Grotz, Claus-Peter Limbach, Editha Roitzsch (Quickborn), Ing rid Dr. Grünewald, Joachim Link (Diepholz), Walter Romer, Franz-Xaver CDU/CSU Günther (Duisburg), Horst Lintner, Eduard Dr. Rose, Klaus Frhr. von Hammerstein, Dr. Lippold (Offenbach), Rossmanith, Kurt J. Adam, Ulrich Carl-Detlev Klaus W. Roth (Gießen), Adolf Dr. Ackermann, Else Harries, Klaus Dr. sc. Lischewski, Manfred Rother, Heinz Dr. Altherr, Walter Haschke (Großhennersdorf), Löwisch, Sigrun Dr. Ruck, Christian Augustin, Anneliese Gottfried Lohmann (Lüdenscheid), Rühe, Volker Augustinowitz, Jürgen Haschke (Jena-Ost), Udo Wolfgang Dr. Rüttgers, Jürgen Austermann, Dietrich Hasselfeldt, Gerda Louven, Julius Sauer (Salzgitter), Helmut Bargfrede, Heinz-Günther Haungs, Rainer Lummer, Heinrich Sauer (Stuttgart), Rol and Dr. Bauer, Wolf Hauser (Esslingen), Otto Dr. Luther, Michael Scharrenbroich, Heribert Baumeister, Brigitte Hauser (Rednitzhembach), Maaß (Wilhelmshaven), Erich Schätzle, Ortrun Bayha, Richard Hansgeorg Männle, Ursula Dr. Schäuble, Wolfgang Belle, Meinrad Hedrich, Klaus-Jürgen Magin, Theo Schartz (Trier), Günther Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Heise, Manfred Dr. Mahlo, Dietrich Schemken, Heinz Bierling, Hans-Dirk Dr. Hellwig, Renate Marienfeld, Claire Scheu, Gerhard Dr. Blank, Joseph-Theodor Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Marschewski, Erwin Schmalz, Ulrich Blank, Renate Hinsken, Ernst Marten, Günter Schmidbauer, Bernd Dr. Blens, Heribert Hintze, Peter Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Schmidt (Fürth), Christian Bleser, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Martin Dr. Schmidt (Halsbrücke), Dr. Blüm, Norbert Hörster, Joachim Meckelburg, Wolfgang Joachim Böhm (Melsungen), Wilfried Dr. Hoffacker, Paul Meinl, Rudolf Horst Schmidt (Mühlheim), Andreas Dr. Böhmer, Ma ria Hollerith, Josef Dr. Merkel, Angela Schmidt (Spiesen), Trudi Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Dr. Hornhues, Karl-Heinz Dr. Meseke, Hedda Schmitz (Baesweiler), Dr. Bötsch, Wolfgang Hornung, Siegfried Dr. Meyer zu Bentrup, Hans Peter Bohl, Friedrich Hüppe, Hubert Reinhard von Schmude, Michael Bohlsen, Wilfried Jäger, Claus Michalk, Maria Dr. Schneider (Nürnberg), Borchert, Jochen Jaffke, Susanne Michels, Meinolf Oscar Brähmig, Klaus Jagoda, Bernhard Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Schockenhoff, Andreas Breuer, Paul Dr. Jahn (Münster), Dr. Möller, Franz Dr. Scholz, Rupert Brudlewsky, Monika Friedrich-Adolf Molnar, Thomas Frhr. von Schorlemer, Brunnhuber, Georg Janovsky, Georg Dr. Müller, Günther Reinhard Bühler (Bruchsal), Klaus Jeltsch, Karin Müller (Kirchheim), Elmar Dr. Schreiber, Harald 8360 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker Schulhoff, Wolfgang Blunck, Lieselott Kolbow, Walter Dr. Schöfberger, Rudolf Dr. Schulte (Schwäbisch Bock, Thea Koltzsch, Rolf Schreiner, Ottmar Gmünd), Dieter Dr. Böhme (Unna), Ulrich Koschnick, Hans Schröter, Gisela Schulz (Leipzig), Gerhard Börnsen (Ritterhude), Arne Kretkowski, Volkmar Schröter, Karl-Heinz Schwalbe, Clemens Brandt-Elsweier, Anni Kubatschka, Horst Schütz, Dietmar Schwarz, Stefan Dr. Brecht, Eberhard Dr. Kübler, Klaus Schulte (Hameln), B rigitte Dr. Schwarz-Schilling, Büchler (Hof), Hans Kuessner, Hinrich Dr. Schuster, Werner Christian Büchner (Speyer), Peter Dr. Küster, Uwe Schwanhold, Ernst Dr. Schwörer, Hermann Dr. von Billow, Andreas Kuhlwein, Eckart Schwanitz, Rolf Seehofer, Horst Büttner (Ingolstadt), Hans Lambinus, Uwe Seidenthal, Bodo Seesing, Heinrich Bulmahn, Edelgard Lange, Brigitte Seuster, Lisa Seibel, Winfried Burchardt, Ursula von Larcher, Detlev Sielaff, Horst Seiters, Rudolf Bury, Hans Martin Leidinger, Robert Simm, Erika Sikora, Jürgen Caspers-Merk, Marion Lennartz, Klaus Singer, Johannes Skowron, Werner Catenhusen, Wolf-Michael Dr. Leonhard-Schmid, Elke Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Sopart, Hans-Joachim Conradi, Peter Lohmann (Witten), Klaus Dr. Soell, Hartmut Sothmann, Bärbel Dr. Däubler-Gmelin, Herta Dr. Lucyga, Christine Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Spilker, Karl-Heinz Daubertshäuser, Klaus Maaß (Herne), Dieter Sorge, Wieland Spranger, Carl-Dieter Dr. Diederich (Berlin), Nils Marx, Dorle Dr. Sperling, Dietrich Dr. Sprung, Rudolf Diller, Karl Mascher, Ulrike Steen, Antje-Marie Steinbach-Hermann, Erika Dr. Dobberthien, Marliese Matschie, Christoph Steiner, Heinz-Alfred Dr. Stercken, Hans Dreßler, Rudolf Dr. Matterne, Dietmar Stiegler, Ludwig Dr. Frhr. von Stetten, Duve, Freimut Matthäus-Maier, Ingrid Dr. Struck, Peter Wolfgang Ebert, Eike Mattischeck, Heide Tappe, Joachim Stockhausen, Karl Dr. Eckardt, Peter Meckel, Markus Terborg, Margitta Dr. Stoltenberg, Gerhard Dr. Ehmke (Bonn), Horst Mehl, Ulrike Dr. Thalheim, Gerald Strube, Hans-Gerd Eich, Ludwig Meißner, Herbert Thierse, Wolfgang Stübgen, Michael Dr. Elmer, Konrad Dr. Mertens (Bottrop), Titze, Uta Dr. Süssmuth, Rita Erler, Gernot Franz-Josef Toetemeyer, Hans-Günther Susset, Egon Esters, Helmut Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Urbaniak, Hans-Eberhard Tillmann, Ferdinand Ewen, Carl Mosdorf, Siegmar Vergin, Siegfried Dr. Töpfer, Klaus Ferner, Elke Müller (Düsseldorf), Michael Verheugen, Günter Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Fischer (Gräfenhainichen), Müller (Pleisweiler), Albrecht Dr. Vogel, Hans-Jochen Uldall, Gunnar Evelin Müller (Schweinfurt), Rudolf Voigt (Frankfurt), Karsten D. Verhülsdonk, Roswitha Fischer (Homburg), Lothar Müller (Völklingen), Jutta Vosen, Josef Vogel (Ennepetal), Fried rich Formanski, Norbert Müller (Zittau), Christian Wagner, Hans Georg Vogt (Düren), Wolfgang Fuchs (Köln), Anke Müntefering, Franz Wallow, Hans Dr. Voigt (Northeim), Fuchs (Verl), Katrin Neumann (Bramsche), Volker Waltemathe, Ernst Hans-Peter Fuhrmann, Arne Neumann (Gotha), Gerhard Walter (Cochem), Ralf Dr. Vondran, Ruprecht Ganseforth, Monika Dr. Niehuis, Edith Walther (Zierenberg), Rudi Dr. Waffenschmidt, Horst Gansel, Norbert Dr. Niese, Rolf Wartenberg (Berlin), Gerd Dr. Waigel, Theodor Dr. Gautier, Fritz Niggemeier, Horst Dr. Wegner, Konstanze Graf von Waldburg-Zeil, Alois Gilges, Konrad Odendahl, Doris Weiermann, Wolfgang Dr. Warnke, Jürgen Gleicke, Iris Oesinghaus, Günter Weiler, Barbara Dr. Warrikoff, Alexander Dr. Glotz, Peter Oostergetelo, Jan Weis (Stendal), Reinhard Werner (Ulm), Herbe rt Graf, Günter Opel, Manfred Weißgerber, Gunter Wetzel, Kersten Großmann, Achim Ostertag, Adolf Weisskirchen (Wiesloch), Gert Wiechatzek, Gabriele Haack (Extertal), Dr. Otto, Helga Welt, Hans-Joachim Dr. Wieczorek (Auerbach), Karl-Hermann Paterna, Peter Dr. Wernitz, Axel Bertram Habermann, Frank-Michael Dr. Penner, Willfried Wester, Hildegard Dr. Wilms, Dorothee Hacker, Hans-Joachim Peter (Kassel), Horst Westrich, Lydia Wilz, Bernd Hämmerle, Gerlinde Dr. Pfaff, Martin Wettig-Danielmeier, Inge Wimmer (Neuss), Willy Hampel, Manfred Eugen Pfuhl, Albert Dr. Wetzel, Margrit Dr. Wisniewski, Roswitha Hanewinckel, Christel Dr. Pick, Eckhart Weyel, Gudrun Wissmann, Matthias Dr. Hartenstein, Liesel Poß, Joachim Dr. Wieczorek, Norbert Dr. Wittmann, Fritz Hasenfratz, Klaus Purps, Rudolf Wieczorek (Duisburg), Helmut Wittmann (Tännesberg), Dr. Hauchler, Ingomar Rappe (Hildesheim), Hermann Wieczorek-Zeul, Heidemarie Simon Heistermann, Dieter Reimann, Manfred Wiefelspütz, Dieter Wonneberger, Michael Heyenn, Günther Rempe, Walter Wimmer (Neuötting), Wülfing, Elke Hiller (Lübeck), Reinhold von Renesse, Margot Hermann Würzbach, Peter Kurt Hilsberg, Stephan Rennebach, Renate Dr. de With, H ans Yzer, Cornelia Dr. Holtz, Uwe Reschke, Otto Wittich, Berthold Zeitlmann, Wolfgang Horn, Erwin Reuschenbach, Peter W. Wohlleben, Verena Zierer, Benno Huonker, Gunter Reuter, Bernd Wolf, Hanna Zöller, Wolfgang Ibrügger, Lothar Rixe, Günter Zapf, Uta Iwersen, Gabriele Schäfer (Offenburg), Dr. Zöpel, Christoph Jäger, Renate Harald B. Janz, Ilse Schaich-Walch, Gudrun SPD Dr. Janzen, Ulrich Schanz, Dieter F.D.P. Jaunich, Horst Dr. Scheer, Hermann Adler, Brigitte Dr. Jens, Uwe Scheffler, Siegfried Willy Albowitz, Ina Andres, Gerd Jung (Düsseldorf), Volker Schily, Otto Dr. Babel, Gisela Antretter, Robert Jungmann (Wittmoldt), Horst Schloten, Dieter Baum, Gerhart Rudolf Bachmaier, Hermann Kastner, Susanne Schluckebier, Günter Beckmann, Klaus Barbe, Angelika Kastning, Ernst Schmidbauer (Nürnberg), Cronenberg (Arnsberg), Bartsch, Holger Kirschner, Klaus Bernd Dieter-Julius Becker (Nienberge), Helmuth Klappert, Marianne Schmidt (Aachen), Ursula Eimer (Fürth), Norbert Becker-Inglau, Ing rid Klemmer, Siegrun Schmidt (Nürnberg), Renate ans A. Engelhard, H Berger, Hans Klose, Hans-Ulrich Schmidt (Salzgitter), Wilhelm van Essen, Jörg Bernrath, Hans Gottfried Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Schmidt-Zadel, Regina Dr. Feldmann, Olaf Beucher, Friedhelm Julius Körper, Fritz Rudolf Dr. Schmude, Jürgen Friedhoff, Paul Bindig, Rudolf Kolbe, Regina Dr. Schnell, Emil Friedrich, Horst Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8361

Vizepräsident Helmuth Becker Funke, Rainer Dr. Schwaetzer, Irmgard Schriftführern bedanken. Sie haben die erste Auszäh- Dr. Funke-Schmitt-Rink, Sehn, Marita lung in sieben Minuten beendet. Margret Seiler-Albring, Ursula Gallus, Georg Dr. Semper, Sigrid (Beifall) Ganschow, Jörg Dr. Solms, Hermann Otto Genscher, Hans-Diet rich Dr. Starnick, Jürgen Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich Gries, Ekkehard Dr. von Teichman, Cornelia erneut die Sitzung. Grünbeck, Josef Thiele, Carl-Ludwig Grüner, Martin Dr. Thomae, Dieter (Unterbrechung von 23.24 bis 23.31 Uhr) Günther (Plauen), Joachim Timm, Jürgen Dr. Guttmacher, Karlheinz Türk, Jürgen Hackel, Heinz-Dieter Walz, Ingrid Meine Damen und Herren, ich gebe das von den Hansen, Dirk Dr. Weng (Gerlingen), Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Dr. Haussmann, Helmut Wolfgang über den Gesetzentwurf der Gruppe Heinrich, Ulrich Wolfgramm (Göttingen), Abstimmung Dr. Hirsch, Burkhard Torsten PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/898 bekannt. Dr. Hitschler, Walter Würfel, Uta Homburger, Birgit Zurheide, Burkhard Abgebene Stimmen: 655, davon ungültig: keine. Dr. Hoth, Sigrid Zywietz, Werner Mit Ja haben gestimmt: 17; mit Nein haben gestimmt: Dr. Hoyer, Werner 635; Enthaltungen: 3. Irmer, Ulrich Kleinert (Hannover), Detlef BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kohn, Roland Endgültiges Ergebnis Bierling, Hans-Dirk Dr. Kolb, Heinrich L. Schulz (Berlin), Werner Dr. Blank, Joseph-Theodor Koppelin, Jürgen Weiß (Berlin), Konrad Abgegebene Stimmen: 653 Blank, Renate Dr. Blens, Heribert Kubicki, Wolfgang davon Dr.-Ing. Laermann, Karl-H ans Bleser, Peter ja: 17 Dr. Blüm, Norbert Dr. Graf Lambsdorff, Otto Fraktionslos Leutheusser-Schnarrenberger, nein: 633 Böhm (Melsungen), Wilfried Sabine Henn, Bernd Dr. Böhmer, Maria enthalten: 3 Lüder, Wolfgang Lowack, Ortwin Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Lühr, Uwe Dr. Bötsch, Wolfgang F Dr. Menzel, Bruno Bohl, riedrich Bohlsen, Mischnick, Wolfgang Ja Wilfried Borchert, Jochen Möllemann, Jürgen W. Enthalten Brähmig, Klaus Nolting, Günther Friedrich PDS/Linke Liste Breuer, Paul Dr. Ortleb, Rainer SPD Brudlewsky, Monika Otto (Frankfurt), Bläss, Petra Brunnhuber, Georg Hans-Joachim Dr. Enkelmann, Dagmar Tietjen, Günther Bühler (Bruchsal), Klaus Paintner, Johann Dr. Gysi, Gregor Büttner (Schönebeck), Peters, Lisa Dr. Heuer, Uwe-Jens Hartmut Dr. Pohl, Eva Dr. Höll, Barbara PDS/Linke Liste Buwitt, Dankward Richter (Bremerhaven), Jelpke, Ulla Carstens (Emstek), M anfred Manfred Dr. Keller, Dietmar Dr. Fischer, Ursula Carstensen (Nordstrand), Rind, Hermann Lederer, Andrea Dr. Fuchs, Ruth Peter Harry Dr. Röhl, Klaus Dr. Schumann (Kroppenstedt), Dr. Modrow, Hans Clemens, Joachim Schäfer (Mainz), Helmut Philipp, Ingeborg Fritz Dehnel, Wolfgang Schmalz-Jacobsen, Cornelia Dr. Schumann (Kroppenstedt), Dempwolf, Gertrud Schmidt (Dresden), Arno Fritz Deres, Karl Dr. Schmieder, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Seifert, Ilja Stachowa, Angela Deß, Albert Dr. Schnittler, Christoph Diemers, Renate Dr. Ullmann, Wolfgang Schüßler, Gerhard Dörflinger, Werner Schuster, Hans Wollenberger, Vera BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Doss, Hansjürgen Echternach, Jürgen Dr. Feige, Klaus-Dieter Ehlers, Wolfgang Köppe, Ingrid Ehrbar, Udo Der Antrag ist damit abgelehnt. Schenk, Christina Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt über Eppelmann, Rainer Fraktionslos Eylmann, Horst den von der Gruppe PDS/Linke Liste eingebrachten Eymer, Anke Entwurf eines Gesetzes zur Legalisierung des Dr. Briefs, Ulrich Falk, Ilse Schwangerschaftsabbruchs und zur Sicherung von Dr. Faltlhauser, Kurt Mindeststandards für Frauen zum Schwangerschafts- Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl abbruch — Drucksache 12/898 — ab. Nein Fischer (Hamburg), Dirk Fischer (Unna), Leni Ich eröffne die namentliche Abstimmung. — CDU/CSU Fockenberg, Winfried Francke (Hamburg), Klaus Meine Damen und Herren, ich frage: Ist noch Adam, Ulrich Frankenhauser, Herbert jemand im Hause, der seine Stimmkarte nicht abge- Dr. Ackermann, Else Dr. Friedrich, Gerhard Dr. Altherr, Walter Fritz, Erich G. geben hat? — Ich frage noch einmal: Ist noch ein Augustin, Anneliese Fuchtel, Hans-Joachim Mitglied im Hause, das die Stimmkarte nicht abgeben Augustinowitz, Jürgen Ganz (St. Wendel), Johannes hat? — Das ist offenbar nicht der Fall. Ich schließe die Austermann, Dietrich Geiger, Michaela Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Aus- Bargfrede, Heinz-Günther Geis, Norbert Dr. Bauer, Wolf Dr. Geißler, Heiner zählung zu beginnen. Baumeister, B rigitte Dr. von Geldern, Wolfgang Bayha, Richard Gerster (Mainz), Johannes Meine Damen und Herren, bleiben Sie bitte in der Belle, Meinrad Gibtner, Horst Nähe des Plenarsaals. Wir können uns bei unseren Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. Göhner, Reinhard 8362 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker Göttsching, Martin Dr. Laufs, Paul Dr. Riesenhuber, Heinz Dr. Warnke, Jürgen Götz, Peter Laumann, Karl Josef Ringkamp, Werner Dr. Warrikoff, Alex ander Dr. Götzer, Wolfgang Lehne, Klaus-Heiner Rode (Wietzen), Helmut Werner (Ulm), Herbert Gres, Joachim Dr. Lehr, Ursula Rönsch (Wiesbaden), Wetzel, Kersten Grochtmann, Elisabeth Lenzer, Christi an Hannelore Wiechatzek, Gabriele Gröbl, Wolfgang Dr. Lieberoth, Immo Roitzsch (Quickborn), Ing rid Dr. Wieczorek (Auerbach), Grotz, Claus-Peter Limbach, Editha Romer, Franz-Xaver Bertram Dr. Grünewald, Joachim Link (Diepholz), Walter Dr. Rose, Klaus Dr. Wilms, Dorothee Günther (Duisburg), Horst Lintner, Eduard Rossmanith, Kurt J. Wilz, Bernd Frhr. von Hammerstein, Dr. Lippold (Offenbach), Roth (Gießen), Adolf Wimmer (Neuss), Willy Carl-Detlev Klaus W. Rother, Heinz Dr. Wisniewski, Roswitha Harries, Klaus Dr. sc. Lischewski, Manfred Dr. Ruck, Christian Wissmann, Matthias Haschke (Großhennersdorf), Löwisch, Sigrun Rühe, Volker Dr. Wittmann, Fritz Gottfried Lohmann (Lüdenscheid), Dr. Rüttgers, Jürgen Wittmann (Tännesberg), Haschke (Jena-Ost), Udo Wolfgang Sauer (Salzgitter), Helmut Simon Hasselfeldt, Gerda Louven, Julius Sauer (Stuttgart), Roland Wonneberger, Michael Haungs, Rainer Lummer, Heinrich Scharrenbroich, Heribert Wülfing, Elke Hauser (Esslingen), Otto Dr. Luther, Michael Schätzle, Ortrun Würzbach, Peter Kurt Hauser (Rednitzhembach), Maaß (Wilhelmshaven), Erich Dr. Schäuble, Wolfgang Yzer, Cornelia Hansgeorg Männle, Ursula Schartz (Trier), Günther Zeitlmann, Wolfgang Hedrich, Klaus-Jürgen Magin, Theo Schemken, Heinz Zierer, Benno Heise, Manfred Dr. Mahlo, Dietrich Scheu, Gerhard Zöller, Wolfgang Dr. Hellwig, Renate Marienfeld, Claire Schmalz, Ulrich Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Marschewski, Erwin Schmidbauer, Bernd Hinsken, Ernst Marten, Günter Schmidt (Fürth), Christian SPD Hintze, Peter Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Schmidt (Halsbrücke), Hörsken, Heinz-Adolf Martin Joachim Adler, Brigitte Hörster, Joachim Meckelburg, Wolfgang Schmidt (Mühlheim), Andreas Andres, Gerd Dr. Hoffacker, Paul Meinl, Rudolf Horst Schmidt (Spiesen), Trudi Antretter, Robert Hollerith, Josef Dr. Merkel, Angela Schmitz (Baesweiler), Bachmaier, Hermann Dr. Hornhues, Karl-Heinz Dr. Meseke, Hedda Hans Peter Barbe, Angelika Hornung, Siegfried Dr. Meyer zu Bentrup, von Schmude, Michael Bartsch, Holger Hüppe, Hubert Reinhard Dr. Schneider (Nürnberg), Becker (Nienberge), Helmuth Jäger, Claus Michalk, Maria Oscar Becker-Inglau, Ing rid Jaffke, Susanne Michels, Meinolf Dr. Schockenhoff, Andreas Berger, Hans Jagoda, Bernhard Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Scholz, Rupert Bernrath, Hans Gottfried Dr. Jahn (Münster), Dr. Möller, Franz Frhr. von Schorlemer, Beucher, Friedhelm Julius Friedrich-Adolf Molnar, Thomas Reinhard Bindig, Rudolf Janovsky, Georg Dr. Müller, Günther Dr. Schreiber, Harald Blunck, Lieselott Jeltsch, Karin Müller (Kirchheim), Elmar Schulhoff, Wolfgang Bock, Thea Dr. Jobst, Dionys Müller (Wadern), Dr. Schulte (Schwäbisch Dr. Böhme (Unna), Ulrich Dr.-Ing. Jork, Reiner Hans-Werner Gmünd), Dieter Börnsen (Ritterhude), Arne Dr. Jüttner, Egon Müller (Wesseling), Alfons Schulz (Leipzig), Gerhard Brandt-Elsweier, Anni Jung (Limburg), Michael Nelle, Engelbert Schwalbe, Clemens Dr. Brecht, Eberhard Junghanns, Ulrich Dr. Neuling, Christian Schwarz, Stefan Büchler (Hof), Hans Dr. Kahl, Harald Neumann (Bremen), Bernd Dr. Schwarz-Schilling, Büchner (Speyer), Peter Kalb, Bartholomäus Nitsch, Johannes Christian Dr. von Billow, Andreas Kampeter, Steffen Dr. Olderog, Rolf Dr. Schwörer, Hermann Büttner (Ingolstadt), Hans Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Ost, Friedhelm Seehofer, Horst Bulmahn, Edelgard Dr. Kappes, Franz-Hermann Oswald, Eduard Seesing, Heinrich Burchardt, Ursula Karwatzki, Irmgard Otto (Erfurt), Norbert Seibel, Winfried Bury, Hans Martin Kauder, Volker Dr. Päselt, Gerhard Seiters, Rudolf Caspers-Merk, Ma rion Keller, Peter Dr. Paziorek, Peter Paul Sikora, Jürgen Catenhusen, Wolf-Michael Kiechle, Ignaz Pesch, Hans-Wilhelm Skowron, Werner Conradi, Peter Kittelmann, Peter Petzold, Ulrich Dr. Sopart, Hans-Joachim Dr. Däubler-Gmelin, Herta Klein (Bremen), Günter Pfeffermann, Gerhard O. Sothmann, Bärbel Daubertshäuser, Klaus Klein (München), Hans Pfeifer, Anton Spilker, Karl-Heinz Dr. Diederich (Berlin), Nils Klinkert, Ulrich Pfeiffer, Angelika Spranger, Carl-Dieter Diller, Karl Köhler (Hainspitz), Dr. Pfennig, Gero Dr. Sprung, Rudolf Dr. Dobberthien, Marliese Hans-Ulrich Dr. Pflüger, Friedbert Steinbach-Hermann, Erika Dreßler, Rudolf Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Pinger, Winfried Dr. Stercken, Hans Duve, Freimut Volkmar Pofalla, Ronald Dr. Frhr. von Stetten, Ebert, Eike Dr. Kohl, Helmut Dr. Pohler, Hermann Wolfgang Dr. Eckardt, Peter Kolbe, Manfred Priebus, Rosema rie Stockhausen, Karl Dr. Ehmke (Bonn), Horst Kors, Eva-Maria Dr. Probst, Albert Dr. Stoltenberg, Gerhard Eich, Ludwig Koschyk, Hartmut Dr. Protzner, Bernd Strube, Hans-Gerd Erler, Gernot Kossendey, Thomas Pützhofen, Dieter Stübgen, Michael Esters, Helmut Kraus, Rudolf Rahardt-Vahldieck, Susanne Dr. Süssmuth, Rita Ewen, Carl Dr. Krause (Börgerende), Raidel, Hans Susset, Egon Ferner, Elke Günther Dr. Ramsauer, Peter Tillmann, Ferdinand Fischer (Gräfenhainichen), Dr. Krause (Bonese), Rau, Rolf Dr. Töpfer, Klaus Evelin Rudolf Karl Rauen, Peter Harald Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Fischer (Homburg), Lothar Krause (Dessau), Wolfgang Rawe, Wilhelm Uldall, Gunnar Formanski, Norbert Krey, Franz Heinrich Reddemann, Gerhard Verhülsdonk, Roswitha Fuchs (Köln), Anke Kriedner, Arnulf Regenspurger, Otto Vogel (Ennepetal), Fried rich Fuchs (Verl), Katrin Kronberg, Heinz-Jürgen Reichenbach, Klaus Vogt (Düren), Wolfgang Fuhrmann, Arne Dr.-Ing. Krüger, Paul Dr. Reinartz, Berthold Dr. Voigt (Northeim), Ganseforth, Monika Krziskewitz, Reiner Eberhard Reinhardt, Erika Hans-Peter Gansel, Norbert Lamers, Karl Repnik, Hans-Peter Dr. Vondran, Ruprecht Dr. Gautier, Fritz Dr. Lammert, Norbert Dr. Rieder, Norbert Dr. Waffenschmidt, Horst Gilges, Konrad Lamp, Helmut Johannes Dr. Riedl (München), Erich Dr. Waigel, Theodor Gleicke, Iris Lattmann, Herbert Riegert, Klaus Graf von Waldburg-Zeil, Alois Graf, Günter Deutscher Bundestag 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8363

Vizepräsident Helmuth Becker Großmann, Achim Ostertag, Adolf Weißgerber, Gunter Lühr, Uwe Haack (Extertal), Dr. Otto, Helga Weisskirchen (Wiesloch), Gert Dr. Menzel, Bruno Karl-Hermann Paterna, Peter Welt, Hans-Joachim Mischnick, Wolfgang Habermann, Frank-Michael Dr. Penner, Wilfried Dr. Wernitz, Axel Möllemann, Jürgen W. Hacker, Hans-Joachim Peter (Kassel), Horst Wester, Hildegard Nolting, Günther Friedrich Hämmerle, Gerlinde Dr. Pfaff, Martin Westrich, Lydia Dr. Ortleb, Rainer Hampel, Manfred Eugen Pfuhl, Albert Wettig-Danielmeier, Inge Otto (Frankfurt), Hanewinckel, Christel Dr. Pick, Eckhart Dr. Wetzel, Margrit Hans-Joachim Dr. Hartenstein, Liesel Poß, Joachim Weyel, Gudrun Paintner, Johann Hasenfratz, Klaus Purps, Rudolf Dr. Wieczorek, Norbert Peters, Lisa Dr. Hauchler, Ingomar Rappe (Hildesheim), Hermann Wieczorek (Duisburg), Helmut Dr. Pohl, Eva Heistermann, Dieter Reimann, Manfred Wieczorek-Zeul, Heidemarie Richter (Bremerhaven), Heyenn, Günther Rempe, Walter Wiefelspütz, Dieter Manfred Hiller (Lübeck), Reinhold von Renesse, Margot Wimmer (Neuötting), Rind, Hermann Hilsberg, Stephan Rennebach, Renate Hermann Dr. Röhl, Klaus Dr. holtz, Uwe Reschke, Otto Dr. de With, Hans Schäfer (Mainz), Helmut Horn, Erwin Reuschenbach, Peter W. Wittich, Berthold Schmalz-Jacobsen, Cornelia Huonker, Gunter Reuter, Bernd Wohlleben, Verena Schmidt (Dresden), Arno Ibrügger, Lothar Rixe, Günter Wolf, Hanna Dr. Schmieder, Jürgen Iwersen, Gabriele Roth, Wolfgang Zapf, Uta Dr. Schnittler, Christoph Christoph Jäger, Renate Schäfer (Offenburg), Dr. Zöpel, Schüßler, Gerhard Harald B. Janz, Ilse Schuster, Hans Schaich-Walch, Gudrun Dr. Janzen, Ulrich Dr. Schwaetzer, Irmgard Jaunich, Horst Schanz, Dieter F.D.P. Dr. Scheer, Hermann Sehn, Marita Dr. Jens, Uwe Seiler-Albring, Ursula Volker Scheffler, Siegfried Willy Albowitz, Ina Jung (Düsseldorf), Dr. Semper, Sigrid Jungmann (Wittmoldt), Horst Schily, Otto Dr. Babel, Gisela Dr. Solms, Hermann Otto Kastner, Susanne Schloten, Dieter Baum, Gerhart Rudolf Dr. Starnick, Jürgen Kastning, Ernst Schluckebier, Günter Beckmann, Klaus Kirschner, Klaus Schmidbauer (Nürnberg), Bredehorn, Günther Dr. von Teichman, Cornelia Klappert, Marianne Bernd Cronenberg (Arnsberg), Thiele, Carl-Ludwig Klemmer, Siegrun Schmidt (Aachen), Ursula Dieter-Julius Dr. Thomae, Dieter Klose, Hans-Ulrich Schmidt (Nürnberg), Renate Eimer (Fürth), Norbert Timm, Jürgen Dr. sc. Knaape, H ans-Hinrich Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Engelhard, Hans A. Türk, Jürgen Körper, Fritz Rudolf Schmidt-Zadel, Regina van Essen, Jörg Walz, Ingrid Kolbe, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Feldmann, Olaf Dr. Weng (Gerlingen), Kolbow, Walter Dr. Schnell, Emil Friedhoff, Paul Wolfgang Koltzsch, Rolf Dr. Schöfberger, Rudolf Friedrich, Horst Wolfgramm (Göttingen), Koschnick, Hans Schreiner, Ottmar Funke, Rainer Torsten Kretkowski, Volkmar Schröter, Gisela Dr. Funke-Schmitt-Rink, Würfel, Uta Kubatschka, Horst Schröter, Karl-Heinz Margret Zurheide, Burkhard Dr. Kübler, Klaus Schütz, Dietmar Gallus, Georg Kuessner, Hinrich Schulte (Hameln), B rigitte Ganschow, Jörg Dr. Küster, Uwe Dr. Schuster, Werner Genscher, Hans-Dietrich Fraktionslos Kuhlwein, Eckart Schwanhold, Ernst Gries, Ekkehard Lambinus, Uwe Schwanitz, Rolf Grünbeck, Josef Henn, Bernd Lange, Brigitte Seidenthal, Bodo Grüner, Martin Lowack, Ortwin von Larcher, Detlev Seuster, Lisa Günther (Plauen), Joachim Leidinger, Robert Sielaff, Horst Dr. Guttmacher, Karlheinz Lennartz, Klaus Simm, Erika Hackel, Heinz-Dieter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Leonhard-Schmid, Elke Singer, Johannes Hansen, Dirk Lohmann (Witten), Klaus Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Haussmann, Helmut Poppe, Gerd Dr. Lucyga, Christine Dr. Soell, Hartmut Heinrich, Ulrich Schulz (Berlin), Werner Maaß (Herne), Dieter Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Ullmann, Wolfgang Marx, Dorle Sorge, Wieland Dr. Hitschler, Walter Weiß (Berlin), Konrad Mascher, Ulrike Dr. Sperling, Dietrich Homburger, Birgit Wollenberger, Vera Matschie, Christoph Steen, Antje-Ma rie Dr. Hoth, Sigrid Dr. Matterne, Dietmar Steiner, Heinz-Alfred Dr. Hoyer, Werner Matthäus-Maier, Ing rid Stiegler, Ludwig Irmer, Ulrich Enthalten Mattischeck, Heide Dr. Struck, Peter Kleinert (Hannover), Detlef Joachim Meckel, Markus Tappe, Kohn, Roland Terborg, Margitta SPD Mehl, Ulrike Dr. Kolb, Heinrich Dr. Thalheim, Gerald Meißner, Herbert Koppelin, Jürgen Thierse, Wolfgang Tietjen, Günther Dr. Mertens (Bottrop), Kubicki, Wolfgang Titze, Uta Franz-Josef Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Toetemeyer, Hans-Günther Dr. Graf Lambsdorff, Otto Mosdorf, Siegmar Urbaniak, Hans-Eberhard PDS/Linke Liste Müller (Düsseldorf), Michael Vergin, Siegfried Leutheusser-Schnarrenberger, Müller (Pleisweiler), Albrecht Verheugen, Günter Sabine Dr. Fischer, Ursula Müller (Schweinfurt), Rudolf Dr. Vogel, Hans-Jochen Lüder, Wolfgang Dr. Fuchs, Ruth Müller (Völklingen), Jutta Voigt (Frankfurt), Karsten D. Müller (Zittau), Christian Vosen, Josef Der Antrag ist abgelehnt. Müntefering, Franz Wagner, Hans Georg Neumann (Bramsche), Volker Wallow, Hans Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt über Neumann (Gotha), Gerhard Waltemathe, Ernst den Gesetzentwurf der Abgeordneten Herbert Wer- Dr. Niehuis, Edith Walter (Cochem), Ralf Dr. Niese, Rolf Walther (Zierenberg), Rudi ner (Ulm), Monika Brudlewsky, Claus Jäger, Norbert Niggemeier, Horst Wartenberg (Berlin), Gerd Geis, Hubert Hüppe und anderer ab: Entwurf eines Odendahl, Doris Dr. Wegner, Konstanze Gesetzes zum Schutz der ungeborenen Kinder auf Oesinghaus, Günter Weiermann, Wolfgang Drucksache 12/1179 in der Ausschußfassung. Oostergetelo, J an Weiler, Barbara anfred Opel, M Weis (Stendal), Reinhard Ich eröffne die namentliche Abstimmung. 8364 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Schemken, Heinz Hintze, Peter Herren, darf ich fragen, ob noch jemand im Hause ist, Schmitz (Baesweiler), Hörster, Joachim Hans Peter Jaffke, Susanne der seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? — Soweit Dr. Schneider (Nürnberg), Jeltsch, Karin ich sehen kann, haben alle ihre Stimmkarten abgege- Oscar Jung (Limburg), Michael ben. Dr. Schockenhoff, Andreas Junghanns, Ulrich Dr. Schreiber, Harald Dr. Kahl, Harald Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstim- Dr. Schwörer, Hermann Kalb, Bartholomäus mung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung Seesing, Heinrich Kampeter, Steffen zu beginnen. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, Dr. Stercken, Hans Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Dr. Frhr. von Stetten, Karwatzki, Irmgard in der Nähe zu bleiben. Es ist sehr rasch gearbeitet Wolfgang Kittelmann, Peter worden. Das gilt auch für die nächste Runde. Stockhausen, Karl Klein (Bremen), Günter Die Sitzung ist unterbrochen. Strube, Hans-Gerd Klinkert, Ulrich Tillmann, Ferdinand Köhler (Hainspitz), (Unterbrechung von 23.38 Uhr bis Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Hans-Ulrich 23.43 Uhr) Vogt (Düren), Wolfgang Dr. Köhler (Wolfsburg), Graf von Waldburg-Zeil, Alois Volkmar Werner (Ulm), Herbert Dr. Kohl, Helmut Dr. Wilms, Dorothee Kolbe, Manfred Vizepräsident Helmuth Becker: Die unterbrochene Wimmer (Neuss), Willy Kossendey, Thomas Dr. Wittmann, F ritz Dr. Krause (Börgerende), Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Wülfing, Elke Günther Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Zierer, Benno Krause (Dessau), Wolfgang Abstimmung über den Gesetzentwurf der Abgeord- Zöller, Wolfgang Kriedner, Arnulf neten Herbert Werner (Ulm) und anderer auf Druck- Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard sache 12/1179 bekannt. Abgegebene Stimmen: 656. F.D.P. Dr. Lammert, Norbert Ungültig: keine. Mit Ja haben gestimmt: 104. Mit Nein Lamp, Helmut Johannes haben gestimmt 495. Enthaltungen: 57. Cronenberg (Arnsberg), Lattmann, Herbert Dieter-Julius Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lieberoth, Immo Endgültiges Ergebnis Jagoda, Bernhard Lintner, Eduard Dr. Jahn (Münster), Dr. sc. Lischewski, Manfred Abgegebene Stimmen: 653; Friedrich-Adolf Nein Lohmann (Lüdenscheid), davon Janovsky, Georg Wolfgang Dr. Jobst, Dionys CDU/CSU Maaß (Wilhelmshaven), Erich ja: 104 Dr. Kappes, Franz-Hermann Männle, Ursula nein: 492 Kauder, Volker Adam, Ulrich Magin, Theo Keller, Peter Dr. Ackermann, Else Dr. Mahlo, Dietrich enthalten: 57 Koschyk, Hartmut Augustin, Anneliese Marten, Günter Dr. Krause (Bonese), Augustinowitz, Jürgen Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Ja Rudolf Karl Baumeister, B rigitte Martin Krey, Franz Heinrich Bayha, Richard Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU Dr. Laufs, Paul Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. Merkel, Angela Laumann, Karl Josef Bierling, Hans-Dirk Dr. Meseke, Hedda Dr. Altherr, Walter Dr. Lehr, Ursula Dr. Böhmer, Maria Michalk, Maria Austermann, Dietrich Lenzer, Christian Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Bauer, Wolf Dr. Lippold (Offenbach), Dr. Bötsch, Wolfgang Molnar, Thomas Belle, Meinrad Klaus W. Bohl, Friedrich Dr. Neuling, Christian Dr. Blank, Joseph-Theodor Löwisch, Sigrun Bohlsen, Wilfried Neumann (Bremen), Bernd Bleser, Peter Lummer, Heinrich Breuer, Paul Otto (Erfurt), Norbert Böhm (Melsungen), Wilfried Dr. Luther, Michael Büttner (Schönebeck), Dr. Päselt, Gerhard Brähmig, Klaus Marienfeld, Claire Hartmut Pesch, Hans-Wilhelm Brudlewsky, Monika Meinl, Rudolf Horst Buwitt, Dankward Petzold, Ulrich Brunnhuber, Georg Michels, Meinolf Carstensen (Nordstrand), Pfeifer, Anton Bühler (Bruchsal), Klaus Dr. Möller, Franz Peter Harry Pfeiffer, Angelika Deres, Karl Dr. Müller, Günther Clemens, Joachim Dr. Pfennig, Gero Deß, Albert Müller (Kirchheim), Elmar Doss, Hansjürgen Dr. Pflüger, Friedbert Dörflinger, Werner Müller (Wadern), Eichhorn, Maria Dr. Pinger, Winfried Echternach, Jürgen Hans-Werner Eppelmann, Rainer Pofalla, Ronald Ehlers, Wolfgang Müller (Wesseling), Alfons Eylmann, Horst Dr. Pohler, Hermann Ehrbar, Udo Nelle, Engelbert Falk, Ilse Priebus, Rosemarie Engelmann, Wolfgang Nitsch, Johannes Dr. Faltlhauser, Kurt Rahardt-Vahldieck, Susanne Dr. Fell, Karl Ost, Friedhelm Feilcke, Jochen Rau, Rolf Fischer (Unna), Leni Pfeffermann, Gerhard O. Fischer (Hamburg), Dirk Repnik, Hans-Peter Fockenberg, Winfried Dr. Probst, Albert Francke (Hamburg), Klaus Dr. Riesenhuber, Heinz Fritz, Erich G. Raidel, Hans Dr. Friedrich, Gerhard Rönsch (Wiesbaden), Ganz (St. Wendel), Johannes Dr. Ramsauer, Peter Fuchtel, Hans-Joachim Hannelore Geis, Norbert Rauen, Peter Harald Geiger, Michaela Roitzsch (Quickborn), Ing rid Gerster (Mainz), Johannes Rawe, Wilhelm Dr. Geißler, Heiner Rother, Heinz Götz, Peter Regenspurger, Otto Dr. von Geldern, Wolfgang Rühe, Volker Dr. Götzer, Wolfgang Dr. Reinartz, Berthold Gibtner, Horst Dr. Rüttgers, Jürgen Gröbl, Wolfgang Dr. Rieder, Norbe rt Dr. Göhner, Reinhard Scharrenbroich, Heribert Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Dr. Riedl (München), Erich Gres, Joachim Schätzle, Ortrun Hinsken, Ernst Riegert, Klaus Grochtmann, Elisabeth Dr. Schäuble, Wolfgang Hörsken, Heinz-Adolf Ringkamp, Werner Grotz, Claus-Peter Scheu, Gerhard Dr. Hoffacker, Paul Romer, Franz-Xaver Günther (Duisburg), Horst Schmalz, Ulrich Hollerith, Josef Dr. Rose, Klaus Harries, Klaus Schmidbauer, Bernd Hornung, Siegfried Rossmanith, Kurt J. Hasselfeldt, Gerda Dr. Schmidt (Halsbrücke), Hüppe, Hubert Sauer (Salzgitter), Helmut Heise, Manfred Joachim Jäger, Claus Schartz (Trier), Günther Dr. Hellwig, Renate Schmidt (Mühlheim), Andreas Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8365

Vizepräsident Helmuth Becker Schmidt (Spiesen), Trudi Dr. Eckardt, Peter Mehl, Ulrike Thierse, Wolfgang von Schmude, Michael Dr. Ehmke (Bonn), Horst Meißner, Herbert Titze, Uta Dr. Scholz, Rupert Eich, Ludwig Dr. Mertens (Bottrop), Toetemeyer, H ans-Günther Schulhoff, Wolfgang Dr. Elmer, Konrad Franz-Josef Urbaniak, Hans-Eberhard Dr. Schulte (Schwäbisch Erler, Gernot Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Vergin, Siegfried Gmünd), Dieter Esters, Helmut Mosdorf, Siegmar Verheugen, Günter Schulz (Leipzig), Gerhard Ewen, Carl Müller (Düsseldorf), Michael Dr. Vogel, Hans-Jochen Schwalbe, Clemens Ferner, Elke Müller (Pleisweiler), Albrecht Voigt (Frankfurt), Karsten D. Schwarz, Stefan Fischer (Gräfenhainichen), Müller (Schweinfurt), Rudolf Vosen, Josef Dr. Schwarz-Schilling, Evelin Müller (Völklingen), Jutta Wagner, Hans Georg Christian Fischer (Homburg), Lothar Müller (Zittau), Christian Wallow, Hans Seehofer, Horst Formanski, Norbert Müntefering, Franz Waltemathe, Ernst Seibel, Winfried Fuchs (Köln), Anke Neumann (Bramsche), Volker Walter (Cochem), Ralf Sikora, Jürgen Fuchs (Verl), Katrin Neumann (Gotha), Gerhard Walther (Zierenberg), Rudi Skowron, Werner Fuhrmann, Arne Dr. Niehuis, Edith Wartenberg (Berlin), Gerd Dr. Sopart, Hans-Joachim Ganseforth, Monika Dr. Niese, Rolf Dr. Wegner, Konstanze Sothmann, Bärbel Gansel, Norbert Niggemeier, Horst Weiermann, Wolfgang Spilker, Karl-Heinz Dr. Gautier, Fritz Odendahl, Doris Weiler, Barbara Dr. Sprung, Rudolf Gilges, Konrad Oesinghaus, Günter Weis (Stendal), Reinhard Steinbach-Hermann, Erika Gleicke, Iris Opel, Manfred Weißgerber, Gunter Dr. Stoltenberg, Gerhard Dr. Glotz, Peter Ostertag, Adolf Weisskirchen (Wiesloch), Gert Stübgen, Michael Graf, Günter Dr. Otto, Helga Welt, Hans-Joachim Dr. Süssmuth, Rita Großmann, Achim Paterna, Peter Dr. Wernitz, Axel Dr. Töpfer, Klaus Haack (Extertal), Dr. Penner, Willfried Wester, Hildegard Uldall, Gunnar Karl-Hermann Peter (Kassel), Horst Westrich, Lydia Verhülsdonk, Roswitha Habermann, Frank-Michael Dr. Pfaff, Martin Wettig-Danielmeier, Inge Vogel (Ennepetal), Friedrich Hacker, Hans-Joachim Pfuhl, Albert Dr. Wetzel, Margrit Dr. Voigt (Northeim), Hämmerle, Gerlinde Dr. Pick, Eckhart Weyel, Gudrun Hans-Peter Hampel, Manfred Eugen Poß, Joachim Dr. Wieczorek, Norbert Dr. Vondran, Ruprecht Hanewinckel, Christel Purps, Rudolf Wieczorek (Duisburg), Helmut Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Hartenstein, Liesel Rappe (Hildesheim), Hermann Wieczorek-Zeul, Heidemarie Dr. Waigel, Theodor Hasenfratz, Klaus Reimann, Manfred Wiefelspütz, Dieter Dr. Warrikoff, Alex ander Dr. Hauchler, Ingomar Rempe, Walter Wimmer (Neuötting), Wetzel, Kersten Heistermann, Dieter von Renesse, Margot Hermann Wiechatzek, Gabriele Heyenn, Günther Rennebach, Renate Dr. de With, Hans Dr. Wieczorek (Auerbach), Hiller (Lübeck), Reinhold Reschke, Otto Wittich, Berthold Bertram Hilsberg, Stephan Reuter, Bernd Wohlleben, Verena Wilz, Bernd Dr. Holtz, Uwe Rixe, Günter Wolf, Hanna Wissmann, Matthias Horn, Erwin Roth, Wolfgang Zapf, Uta Wonneberger, Michael Huonker, Gunter Schäfer (Offenburg), Dr. Zöpel, Christoph Würzbach, Peter Kurt Ibrügger, Lothar Harald B. Yzer, Cornelia Iwersen, Gabriele Schaich-Walch, Gudrun Zeitlmann, Wolfgang Jäger, Renate Schanz, Dieter Janz, Ilse Dr. Scheer, Hermann F.D.P. Dr. Janzen, Ulrich Scheffler, Siegfried Willy SPD Jaunich, Horst Schily, Otto Albowitz, Ina Dr. Jens, Uwe Schloten, Dieter Dr. Babel, Gisela Adler, Brigitte Jung (Düsseldorf), Volker Schluckebier, Günter Baum, Gerhart Rudolf Andres, Gerd Jungmann (Wittmoldt), Horst Schmidbauer (Nürnberg), Beckmann, Klaus Antretter, Robert Kastner, Susanne Bernd Bredehorn, Günther Bachmaier, Hermann Kastning, Ernst Schmidt (Aachen), Ursula Eimer (Fürth), Norbert Barbe, Angelika Kirschner, Klaus Schmidt (Nürnberg), Renate Engelhard, Hans A. Bartsch, Holger Klappert, Marianne Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Dr. Feldmann, Olaf Becker (Nienberge), Helmuth Klemmer, Siegrun Schmidt-Zadel, Regina Friedhoff, Paul Becker-Inglau, Ingrid Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Dr. Schmude, Jürgen Friedrich, Horst Berger, Hans Körper, Fritz Rudolf Dr. Schnell, Emil Funke, Rainer Bernrath, H ans Gottfried Kolbe, Regina Dr. Schöfberger, Rudolf Dr. Funke-Schmitt-Rink, Beucher, Friedhelm Julius Kolbow, Walter Schreiner, Ottmar Margret Bindig, Rudolf Koltzsch, Rolf Schröter, Gisela Gallus, Georg Blunck, Lieselott Koschnick, Hans Schröter, Karl-Heinz Ganschow, Jörg Bock, Thea Kretkowski, Volkmar Schütz, Dietmar Genscher, H ans-Dietrich Dr. Böhme (Unna), Ulrich Kubatschka, Horst Schulte (Hameln), Brigitte Gries, Ekkehard Börnsen (Ritterhude), Arne Dr. Kübler, Klaus Dr. Schuster, Werner Grünbeck, Josef Brandt-Elsweier, Anni Kuessner, Hinrich Schwanhold, Ernst Grüner, Martin Dr. Brecht, Eberhard Dr. Küster, Uwe Schwanitz, Rolf Günther (Plauen), Joachim Büchler (Hof), Hans Kuhlwein, Eckart Seidenthal, Bodo Dr. Guttmacher, Karlheinz Büchner (Speyer), Peter Lambinus, Uwe Seuster, Lisa Hackel, Heinz-Dieter Dr. von Bülow, Andreas Lange, Brigitte Sielaff, Horst Hansen, Dirk Büttner (Ingolstadt), Hans von Larcher, Detlev Simm, Erika Dr. Haussmann, Helmut Bulmahn, Edelgard Leidinger, Robert Singer, Johannes Heinrich, Ulrich Burchardt, Ursula Lennartz, Klaus Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Hirsch, Burkhard Bury, Hans Martin Dr. Leonhard-Schmid, Elke Dr. Soell, Hartmut Dr. Hitschler, Walter Caspers-Merk, Marion Lohmann (Witten), Klaus Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Homburger, Birgit Catenhusen, Wolf-Michael Dr. Lucyga, Christine Sorge, Wieland Dr. Hoth, Sigrid Conradi, Peter Maaß (Herne), Dieter Dr. Sperling, Die trich Dr. Hoyer, Werner Daubertshäuser, Klaus Marx, Dorle Steen, Antje-Marie Irmer, Ulrich Dr. Diederich (Berlin), Nils Mascher, Ulrike Steiner, Heinz-Alfred Kleinert (Hannover), Detlef Diller, Karl Matschie, Christoph Stiegler, Ludwig Kohn, Roland Dr. Dobberthien, Marliese Dr. Matterne, Dietmar Dr. Struck, Peter Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Dreßler, Rudolf Matthäus-Maier, Ingrid Tappe, Joachim Koppelin, Jürgen Duve, Freimut Mattischeck, Heide Terborg, Margitta Kubicki, Wolfgang Ebert, Eike Meckel, Markus Dr. Thalheim, Gerald Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans 8366 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker Dr. Graf Lambsdorff, Otto Enthalten Der Antrag ist abgelehnt. Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine Wir stimmen jetzt über den Gesetzentwurf der Lüder, Wolfgang Fraktion der F.D.P. ab: Schwangeren- und Familien- Lühr, Uwe CDU/CSU hilfegesetz auf Drucksache 12/551. Dr. Menzel, Bruno Mischnick, Wolfgang Bargfrede, Heinz-Günther Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Möllemann, Jürgen W. Blank, Renate Nolting, Günther Friedrich Dr. Blens, Heribert Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob noch Dr. Ortleb, Rainer Dr. Blüm, Norbert ein Mitglied im Haus ist, das seine Stimmkarte nicht Otto (Frankfurt), Borchert, Jochen abgegeben hat? — Einer noch. — Noch einmal: Ist Hans-Joachim Carstens (Emstek), Manfred noch jemand im Hause, der seine Stimmkarte nicht Paintner, Johann Dehnel, Wolfgang Peters, Lisa Dempwolf, Gertrud abgegeben hat? — Offenbar ist das nicht der Fall. Dr. Pohl, Eva Diemers, Renate Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schrift- Richter (Bremerhaven), Eymer, Anke führer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Manfred Frankenhauser, Herbert Rind, Hermann Göttsching, Martin Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich die Sit- Dr. Röhl, Klaus Dr. Grünewald, Joachim zung. Schäfer (Mainz), Helmut Frhr. von Hammerstein, Schmalz-Jacobsen, Cornelia Carl-Detlev (Unterbrechung von 23.48 bis 23.55 Uhr) Schmidt (Dresden), Arno Haschke (Großhennersdorf), Dr. Schmieder, Jürgen Gottfried Dr. Schnittler, Christoph Haschke (Jena-Ost), Udo Schüßler, Gerhard Haungs, Rainer Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Schuster, Hans Hauser (Esslingen), Otto Herren! Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Dr. Schwaetzer, Irmgard Hauser (Rednitzhembach), Sehn, Manta Hansgeorg Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Seiler-Albring, Ursula Hedrich, Klaus-Jürgen Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dr. Semper, Sigrid Dr. Hornhues, Karl-Heinz Gesetzentwurf der Fraktion der F.D.P., Drucksache Dr. Solms, Hermann Otto Dr.-Ing. Jork, Rainer bekannt. Abgegebene Stimmen: 656. Ungül- Dr. Starnick, Jürgen Dr. Jüttner, Egon 12/551 Dr. von Teichman, Cornelia Kiechle, Ignaz tige Stimmen: keine. Mit ja haben 75, mit Nein 577 Thiele, Carl-Ludwig Klein (München), Hans Abgeordnete gestimmt. Enthaltungen: 4 Dr. Thomae, Dieter Kors, Eva-Maria Timm, Jürgen Kraus, Rudolf Türk, Jürgen Kronberg, Heinz-Jürgen Walz, Ingrid Lamers, Karl Endgültiges Ergebnis Dr. Hitschler, Walter Dr. Weng (Gerlingen), Limbach, Editha Homburger, Birgit Wolfgang Link (Diepholz), Walter Abgegebene Stimmen: 653 Dr. Hoth, Sigrid Wolfgramm (Göttingen), Louven, Julius davon Dr. Hoyer, Werner Torsten Marschewski, Erwin Irmer, Ulrich Würfel, Uta Dr. Meyer zu Bentrup, ja: 74 Kleinert (Hannover), Detlef Zurheide, Burkhard Reinhard nein: 575 Kohn, Roland Zywietz, Werner Dr. Olderog, Rolf Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Oswald, Eduard enthalten: 4 Koppelin, Jürgen Dr. Paziorek, Peter Paul Kubicki, Wolfgang PDS/Linke Liste Dr. Protzner, Bernd Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Pützhofen, Dieter Dr. Graf Lambsdorff, Otto Bläss, Petra Reddemann, Gerhard Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Enkelmann, Dagmar Reichenbach, Klaus Ja Sabine Dr. Fischer, Ursula Reinhardt, Erika SPD Lüder, Wolfgang Dr. Fuchs, Ruth Rode (Wietzen), Helmut Lühr, Uwe Dr. Gysi, Gregor Roth (Gießen), Adolf Erler, Gernot Dr. Menzel, Bruno Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Ruck, Christian Mischnick, Wolfgang Dr. Höll, Barbara Sauer (Stuttgart), Rol and Möllemann, Jürgen W. Jelpke, Ulla Schmidt (Fürth), Christian F.D.P. Nolting, Günther Friedrich Dr. Keller, Dietmar Frhr. von Schorlemer, Dr. Ortleb, Rainer Lederer, Andrea Reinhard Albowitz, Ina Otto (Frankfurt), Dr. Modrow, Hans Seiters, Rudolf Dr. Babel, Gisela Hans-Joachim Philipp, Ingeborg Spranger, Carl-Dieter Baum, Gerhart Rudolf Peters, Lisa Dr. Schumann (Kroppenstedt), Susset, Egon Bredehorn, Günther Dr. Pohl, Eva Fritz Dr. Warnke, Jürgen Eimer (Fürth), Norbert Richter (Bremerhaven), Dr. Seifert, Ilja Dr. Wisniewski, Roswitha Engelhard, Hans A. Manfred Stachowa, Angela Wittmann (Tännesberg), Dr. Feldmann, Olaf Rind, Hermann Simon Friedhoff, Paul Dr. Röhl, Klaus Friedrich, Horst Schäfer (Mainz), Helmut BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Funke, Rainer Schmalz-Jacobsen, Cornelia Dr. Feige, Klaus-Dieter Dr. Funke-Schmitt-Rink, Schmidt (Dresden), Arno Köppe, Ingrid Margret Dr. Schmieder, Jürgen Poppe, Gerd SPD Ganschow, Jörg Dr. Schnittler, Christoph Schenk, Christina Genscher, Hans-Dietrich Schüßler, Gerhard Schulz (Berlin), Werner Oostergetelo, Jan Gries, Ekkehard Schuster, Hans Dr. Ullmann, Wolfgang Günther Tietjen, Grünbeck, Josef Dr. Schwaetzer, Irmgard Weiß (Berlin), Konrad Grüner, Martin Sehn, Marita Wollenberger, Vera Günther (Plauen), Joachim Seiler-Albring, Ursula Dr. Guttmacher, Karlheinz Dr. Semper, Sigrid Fraktionslos Hackel, Heinz-Dieter Dr. Sohns, Hermann Otto Hansen, Dirk Dr. Starnick, Jürgen Dr. Briefs, Ulrich F.D.P. Dr. Haussmann, Helmut Dr. von Teichman, Cornelia Henn, Bernd Heinrich, Ulrich Thiele, Carl-Ludwig Lowack, Ortwin van Essen, Jörg Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Thomae, Dieter Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8367

Vizepräsident Helmuth Becker Timm, Jürgen Geis, Norbert Lamers, Karl Reinhardt, Erika Türk, Jürgen Dr. Geißler, Heiner Dr. Lammert, Norbert Repnik, Hans-Peter Walz, Ingrid Dr. von Geldern, Wolfgang Lamp, Helmut Johannes Dr. Rieder, Norbert Dr. Weng (Gerlingen), Gerster (Mainz), Johannes Lattmann, Herbert Dr. Riedl (München), Erich Wolfgang Gibtner, Horst Dr. Laufs, Paul Riegert, Klaus Wolfgramm (Göttingen), Dr. Göhner, Reinhard Laumann, Karl Josef Dr. Riesenhuber, Heinz Torsten Göttsching, Martin Lehne, Klaus-Heiner Ringkamp, Werner Würfel, Uta Götz, Peter Dr. Lehr, Ursula-Maria Rode (Wietzen), Helmut Zurheide, Burkhard Dr. Götzer, Wolfgang Lenzer, Christian Rönsch (Wiesbaden), Zywietz, Werner Gres, Joachim Dr. Lieberoth, Immo Hannelore Grochtmann, Elisabeth Limbach, Editha Roitzsch (Quickborn), Ingrid Gröbl, Wolfgang Link (Diepholz), Walter Romer, Franz-Xaver Nein Grotz, Claus-Peter Lintner, Eduard Dr. Rose, Klaus Dr. Grünewald, Joachim Dr. Lippold (Offenbach), Rossmanith, Kurt J. CDU/CSU Günther (Duisburg), Horst Klaus W. Roth (Gießen), Adolf Frhr. von Hammerstein, Dr. sc. Lischewski, Manfred Rother, Heinz Adam, Ulrich Carl-Detlev Löwisch, Sigrun Dr. Ruck, Christian Dr. Ackermann, Else Harries, Klaus Lohmann (Lüdenscheid), Rühe, Volker Dr. Altherr, Walter Haschke (Jena-Ost), Udo Wolfgang Dr. Rüttgers, Jürgen Augustin, Anneliese Hasselfeldt, Gerda Louven, Julius Sauer (Salzgitter), Helmut Augustinowitz, Jürgen Haungs, Rainer Lummer, Heinrich Sauer (Stuttgart), Roland Austermann, Dietrich Hauser (Esslingen), Otto Dr. Luther, Michael Scharrenbroich, Heribert Bargfrede, Heinz-Günther Hauser (Rednitzhembach), Maaß (Wilhelmshaven), Erich Schätzle, Ortrun Dr. Bauer, Wolf Hansgeorg Männle, Ursula Dr. Schäuble, Wolfgang Baumeister, Brigitte Hedrich, Klaus-Jürgen Magin, Theo Schartz (Trier), Günther Bayha, Richard Heise, Manfred Dr. Mahlo, Dietrich Schemken, Heinz Belle, Meinrad Dr. Hellwig, Renate Marienfeld, Claire Scheu, Gerhard Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Marschewski, Erwin Schmalz, Ulrich Bierling, Hans-Dirk Hinsken, Ernst Marten, Günter Schmidbauer, Bernd Dr. Blank, Joseph-Theodor Hintze, Peter Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Schmidt (Fürth), Christian Blank, Renate Hörsken, Heinz-Adolf Martin Dr. Schmidt (Halsbrücke), Dr. Blens, Heribert Hörster, Joachim Meckelburg, Wolfgang Joachim Bleser, Peter Dr. Hoffacker, Paul Meinl, Rudolf Horst Schmidt (Mühlheim), Andreas Dr. Blüm, Norbert Hollerith, Josef Dr. Merkel, Angela Dorothea Schmidt (Spiesen), Trudi Böhm (Melsungen), Wilfried Dr. Hornhues, Karl-Heinz Dr. Meseke, Hedda Schmitz (Baesweiler), Dr. Böhmer, Maria Hornung, Siegfried Dr. Meyer zu Bentrup, Hans Peter Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Hüppe, Hubert Reinhard von Schmude, Michael Dr. Bötsch, Wolfgang Jäger, Claus Michalk, Maria Dr. Schneider (Nü rnberg), Bohl, Friedrich Jaffke, Susanne Michels, Meinolf Oscar Bohlsen, Wilfried Jagoda, Bernhard Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Scholz, Rupert Borchert, Jochen Dr. Jahn (Münster), Dr. Möller, Franz Frhr. von Schorlemer, Brähmig, Klaus Friedrich-Adolf Molnar, Thomas Reinhard Breuer, Paul Janovsky, Georg Dr. Müller, Günther Dr. Schreiber, Harald Brudlewsky, Monika Jeltsch, Karin Müller (Kirchheim), Elmar Schulhoff, Wolfgang Brunnhuber, Georg Dr. Jobst, Dionys Müller (Wadern), Dr. Schulte (Schwäbisch Bühler (Bruchsal), Klaus Dr.-Ing. Jork, Reiner Hans-Werner Gmünd), Dieter Büttner (Schönebeck), Dr. Jüttner, Egon Müller (Wesseling), Alfons Schulz (Leipzig), Gerhard Hartmut Jung (Limburg), Michael Nelle, Engelbert Schwalbe, Clemens Buwitt, Dankward Junghanns, Ulrich Dr. Neuling, Christian Schwarz, Stefan Carstens (Emstek), Manfred Dr. Kahl, Harald Neumann (Bremen), Bernd Dr. Schwarz-Schilling, Carstensen (Nordstrand), Kalb, Bartholomäus Nitsch, Johannes Christian Peter Harry Kampeter, Steffen Nolte, Claudia Dr. Schwörer, Hermann Clemens, Joachim Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Dr. Olderog, Rolf Seehofer, Horst Dehnel, Wolfgang Dr. Kappes, Franz-Hermann Ost, Friedhelm Seesing, Heinrich Dempwolf, Gertrud Irmgard Karwatzki, Oswald, Eduard Seibel, Winfried Deres, Karl Kauder, Volker Otto (Erfurt), Norbert Seiters, Rudolf Deß, Albert Keller, Peter Dr. Päselt, Gerhard Sikora, Jürgen Diemers, Renate Kiechle, Ignaz Dr. Paziorek, Peter Paul Skowron, Werner Dörflinger, Werner Kittelmann, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Dr. Sopart, Hans-Joachim Doss, Hansjürgen Klein (Bremen), Günter Petzold, Ulrich Sothmann, Bärbel Echternach, Jürgen Klein (München), Hans Pfeffermann, Gerhard O. Spilker, Karl-Heinz Ehlers, Wolfgang Klinkert, Ulrich Pfeifer, Anton Spranger, Carl-Dieter Ehrbar, Udo Köhler (Hainspitz), Pfeiffer, Angelika Dr. Sprung, Rudolf Eichhorn, Maria Hans-Ulrich Dr. Pfennig, Gero Steinbach-Hermann, Erika Engelmann, Wolfgang Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Stercken, Hans Eppelmann, Rainer Volkmar Dr. Pinger, Winfried Dr. Frhr. von Stetten, Eylmann, Horst Dr. Kohl, Helmut Pofalla, Ronald Wolfgang Eymer, Anke Kolbe, Manfred Dr. Pohler, Hermann Stockhausen, Karl Falk, Ilse Kors, Eva-Maria Priebus, Rosemarie Dr. Stoltenberg, Gerhard Dr. Faltlhauser, Kurt Koschyk, Hartmut Dr. Probst, Albert Strube, Hans-Gerd Feilcke, Jochen Kossendey, Thomas Dr. Protzner, Bernd Stübgen, Michael Dr. Fell, Karl Kraus, Rudolf Pützhofen, Dieter Dr. Süssmuth, Rita Fischer (Hamburg), Dirk Erik Dr. Krause (Börgerende), Rahardt-Vahldieck, Susanne Susset, Egon Fischer (Unna), Leni Günther Raidel, Hans Tillmann, Ferdinand Fockenberg, Winfried Dr. Krause (Bonese), Dr. Ramsauer, Peter Dr. Töpfer, (Hamburg), Klaus Rudolf Karl Rau, Rolf Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Frankenhauser, Herbert Krause (Dessau), Wolfgang Rauen, Peter Harald Uldall, Gunnar Dr. Friedrich, Gerhard Krey, Franz Heinrich Rawe, Wilhelm Verhülsdonk, Roswitha Fritz, Erich G. Kriedner, Arnulf Reddemann, Gerhard Vogel (Ennepetal), Fried rich Fuchtel, Hans-Joachim Kronberg, Heinz-Jürgen Regenspurger, Otto Vogt (Düren), Wolfgang Ganz (St. Wendel), Johannes Dr.-Ing. Krüger, Paul Reichenbach, Klaus Dr. Voigt (Northeim), Geiger, Michaela Krziskewitz, Reiner Eberhard Dr. Reinartz, Berthold Hans-Peter 8368 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker Dr. Vondran, Ruprecht Graf, Günter Opel, Manfred Weißgerber, Gunter Dr. Waffenschmidt, Horst Großmann, Achim Ostertag, Adolf Weisskirchen (Wiesloch), Gert Dr. Waigel, Theodor Haack (Extertal), Dr. Otto, Helga Welt, Hans-Joachim Graf von Waldburg-Zeil, Alois Karl-Hermann Paterna, Peter Dr. Wernitz, Axel Dr. Warnke, Jürgen Habermann, Frank-Michael Dr. Penner, Willfried Wester, Hildegard Dr. Warrikoff, Alexander Hacker, Hans-Joachim Peter (Kassel), Horst Westrich, Lydia Werner (Ulm), Herbert Hämmerle, Gerlinde Dr. Pfaff, Martin Wettig-Danielmeier, Inge Wetzel, Kersten Hampel, Manfred Eugen Pfuhl, Albert Dr. Wetzel, Margrit Wiechatzek, Gabriele Hanewinckel, Christel Dr. Pick, Eckhart Weyel, Gudrun Dr, Wieczorek (Auerbach), Dr. Hartenstein, Liesel Poß, Joachim Dr. Wieczorek, Norbert Bertram Hasenfratz, Klaus Purps, Rudolf Wieczorek (Duisburg), Helmut Dr. Wilms, Dorothee Dr. Hauchler, Ingomar Rappe (Hildesheim), Hermann Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wilz, Bernd Heistermann, Dieter Reimann, Manfred Wiefelspütz, Dieter Wimmer (Neuss), Willy Heyenn, Günther Rempe, Walter Wimmer (Neuötting), Dr. Wisniewski, Roswitha Hiller (Lübeck), Reinhold von Renesse, Margot Hermann Wissmann, Matthias Hilsberg, Stephan Rennebach, Renate Dr. de With, Hans Dr. Wittmann, Fritz Dr. Holtz, Uwe Reschke, Otto Wittich, Berthold Wittmann (Tännesberg), Horn, Erwin Reuschenbach, Peter W. Wohlleben, Verena Ingeburg Simon Reuter, Bernd Huonker, Gunter Wolf, Hanna Wonneberger, Michael Rixe, Günter Ibrügger, Lothar Zapf, Uta Wülfing, Elke Roth, Wolfgang Iwersen, Gabriele Dr. Zöpel, Christoph Würzbach, Peter Kurt Jäger, Renate Schäfer (Offenburg), Yzer, Cornelia Janz, Ilse Harald B. Zeitlmann, Wolfgang Dr. Janzen, Ulrich Schaich-Walch, Gudrun F.D.P. Zierer, Benno Jaunich, Horst Schanz, Dieter Cronenberg (Arnsberg), Zöller, Wolfgang Dr. Jens, Uwe Scheffler, Siegf ried Willy Dieter-Julius Jung (Düsseldorf), Volker Schily, Otto Gallus, Georg SPD Jungmann (Wittmoldt), Horst Schloten, Dieter Paintner, Johann Adler, Brigitte Kastner, Susanne Schluckebier, Günter Andres, Gerd Kastning, Ernst Schmidbauer (Nürnberg), PDS/Linke Liste Antretter, Robert Kirschner, Klaus Bernd Bachmaier, Hermann Klappert, Marianne Schmidt (Aachen), Ursula Bläss, Petra Barbe, Angelika Klemmer, Siegrun Schmidt (Nürnberg), Renate Dr. Enkelmann, Dagmar Bartsch, Holger Klose, Hans-Ulrich Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Dr. Fischer, Ursula Becker (Nienberge), Helmuth Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Schmidt-Zadel, Regina Dr. Fuchs, Ruth Becker-Inglau, Ingrid Körper, Fritz Rudolf Dr. Schmude, Jürgen Dr. Gysi, Gregor Berger, Hans Kolbe, Regina Dr. Schnell, Emil Dr. Heuer, Uwe-Jens Bernrath, Hans Gottfried Kolbow, Walter Dr. Schöfberger, Rudolf Dr. Höll, Barbara Beucher, Friedhelm Julius Koltzsch, Rolf Schreiner, Ottmar Jelpke, Ulla Bindig, Rudolf Koschnick, Hans Schröter, Gisela Dr. Keller, Dietmar Blunck, Lieselott Kretkowski, Volkmar Schröter, Karl-Heinz Lederer, Andrea Bock, Thea Kubatschka, Horst Schütz, Dietmar Dr. Modrow, Flans Dr. Böhme (Unna), Ulrich Dr. Kübler, Klaus Schulte (Hameln), Brigitte Philipp, Ingeborg Börnsen (Ritterhude), Arne Kuessner, Hinrich Dr. Schuster, Werner Dr. Schumann (Kroppenstedt), Brandt-Elsweier, Anni Dr. Küster, Uwe Schwanhold, Ernst Fritz Büchler (Hof), Hans Kuhlwein, Eckart Schwanitz, Rolf Dr. Seifert, Ilja Buchner (Speyer), Peter Lambinus, Uwe Seidenthal, Bodo Stachowa, Angela Dr. von Billow, Andreas Lange, Brigitte Seuster, Lisa Büttner (Ingolstadt), Hans von Larcher, Detlev Sielaff, Horst BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bulmahn, Edelgard Leidinger, Robert Simm, Erika Burchardt, Ursula Lennartz, Klaus Singer, Johannes Dr. Feige, Klaus-Dieter Bury, Hans Martin Dr. Leonhard-Schmid, Elke Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Köppe, Ingrid Caspers-Merk, Marion Lohmann (Witten), Klaus Dr. Soell, Hartmut Poppe, Gerd Catenhusen, Wolf-Michael Dr. Lucyga, Christine Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Schenk, Christina Conradi, Peter Maaß (Herne), Dieter Sorge, Wieland Schulz (Berlin), Werner Dr. Däubler-Gmelin, Herta Marx, Dorle Dr. Sperling, Dietrich Dr. Ullmann, Wolfgang Daubertshäuser, Klaus Mascher, Ulrike Steen, Antje-Marie Weiß (Berlin), Konrad Dr. Diederich (Berlin), Nils Matschie, Christoph Steiner, Heinz-Alfred Wollenberger, Vera Diller, Karl Dr. Matterne, Dietmar Stiegler, Ludwig Dr. Dobberthien, Marliese Matthäus-Maier, Ingrid Dr. Struck, Peter Fraktionslos Dreßler, Rudolf Mattischeck, Heide Tappe, Joachim Duve, Freimut Meckel, Markus Terborg, Margitta Dr. Briefs, Ulrich Ebert, Eike Mehl, Ulrike Dr. Thalheim, Gerald Henn, Bernd Dr. Eckardt, Peter Meißner, Herbert Thierse, Wolfgang Lowack, Ortwin Dr. Ehmke (Bonn), Horst Dr. Mertens (Bottrop), Titze, Uta Eich, -Josef Toetemeyer, Hans-Günther Dr. Elmer, Konrad Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Urbaniak, Hans-Eberhard Enthalten Esters, Helmut Mosdorf, Siegmar Vergin, Siegfried Ferner, Elke Müller (Düsseldorf), Michael Verheugen, Günter CDU/CSU Fischer (Gräfenhainichen), Müller (Pleisweiler), Albrecht Dr. Vogel, Hans-Jochen Evelin Müller (Schweinfurt), Rudolf Voigt (Frankfurt), Karsten D. Haschke (Großhennersdorf), Fischer (Homburg), Lothar Müller (Völklingen), Jutta Vosen, Josef Gottfried Formanski, Norbert Müller (Zittau), Christian Wagner, Hans Georg Fuchs (Köln), Anke Müntefering, Franz Wallow, Hans Fuchs (Verl), Katrin Neumann (Bramsche), Volker Waltemathe, Ernst SPD Fuhrmann, Arne Neumann (Gotha), Gerhard Walter (Cochem), Ralf Dr. Brecht, Eberhard Ganseforth, Monika Dr. Niehuis, Edith Walther (Zierenberg), Rudi Tietjen, Günther Gansel, Norbert Dr. Niese, Rolf Wartenberg (Berlin), Gerd Dr. Gautier, Fritz Niggemeier, Horst Dr. Wegner, Konstanze Gilges, Konrad Odendahl, Doris Weiermann, Wolfgang F.D.P. Gleicke, Iris Oesinghaus, Günter Weiler, Barbara Dr. Glotz, Peter Oostergetelo, Jan Weis (Stendal), Reinhard van Essen, Jörg Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8369

Vizepräsident Helmu th Becker Der Gesetzentwurf ist damit abgelehnt. Bury, Hans Martin Matschie, Christoph Caspers-Merk, Marion Dr. Matterne, Dietmar Wir stimmen jetzt über den Gesetzentwurf der Catenhusen, Wolf-Michael Matthäus-Maier, Ing rid Fraktion der SPD, Familien- und Schwangerenhilfe- Conradi, Peter Mattischeck, Heide gesetz, Drucksache 12/841, ab. Dr. Däubler-Gmelin, Herta Meckel, Markus Daubertshäuser, Klaus Mehl, Ulrike Ich eröffne die namentliche Abstimmung. — Dr. Diederich (Berlin), Nils Meißner, Herbert Dr. Dobberthien, Marliese Dr. Mertens (Bot trop), Ich möchte darauf hinweisen, daß wir jetzt 24 Uhr Dreßler, Rudolf Franz-Josef haben. Duve, Freimut Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Ebert, Eike Mosdorf, Siegmar Meine Damen und Herren, ich frage noch einmal, Dr. Eckardt, Peter Müller (Düsseldorf), Michael ob ein Mitglied im Hause ist, das die Stimmkarte noch Dr. Ehmke (Bonn), Horst Müller (Pleisweiler), Albrecht nicht abgegeben hat. — Das ist offenbar nicht der Fa ll. Eich, Ludwig Müller (Völklingen), Jutta Dr. Elmer, Konrad Müller (Zittau), Christian Ich schließe die Abstimmung. Erler, Gernot Müntefering, Franz Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu Ewen, Carl Neumann (Bramsche), Volker Ferner, Elke Neumann (Gotha), Gerhard beginnen. Fischer (Gräfenhainichen), Dr. Niehuis, Edith Ich gratuliere unserem Kollegen Gert Wartenberg, Evelin Dr. Niese, Rolf Fischer (Homburg), Lothar Odendahl, Doris der seit zwei Minuten Geburtstag hat. Formanski, Norbert Oesinghaus, Günter Fuchs (Köln), Anke Ostertag, Adolf (Beifall) Fuchs (Verl), Katrin Dr. Otto, Helga Meine Damen und Herren, wir können noch zwei Fuhrmann, Arne Paterna, Peter Ganseforth, Monika Peter (Kassel), Horst weiteren Mitgliedern des Hauses heute zum Geburts- Dr. Gautier, Fritz Dr. Pfaff, Martin tag gratulieren. Es ist Dr. Jürgen Rüttgers, Gilges, Konrad Pfuhl, Albert Gleicke, Iris Dr. Pick, Eckhart (Beifall) Dr. Glotz, Peter Poß, Joachim Graf, Günter Purps, Rudolf und es ist neben mir unser Kollege Schriftführer Bodo Großmann, Achim Rappe (Hildesheim), Hermann Seidenthal. Haack (Extertal), Reimann, Manfred Karl-Hermann Rempe, Walter (Beifall) Habermann, Frank-Michael von Renesse, Margot Hacker, Hans-Joachim Rennebach, Renate Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Hämmerle, Gerlinde Reschke, Otto Sie auf Grund einiger Interventionen auf folgendes Hampel, Manfred Eugen Reuschenbach, Peter W. hinweisen. Es ist bei solchen Abstimmungen auch in Hanewinckel, Christel Reuter, Bernd der Vergangenheit schon vorgekommen, daß falsche Dr. Hartenstein, Liesel Rixe, Günter Stimmkarten eingeworfen worden sind, es gab Hasenfratz, Klaus Roth, Wolfgang Dr. Hauchler, Ingomar Schäfer (Offenburg), Namensverwechslungen und dergleichen. Es gibt Heistermann, Dieter Harald B. auch heute abend einige wenige Fälle, wo das passiert Heyenn, Günther Schaich-Walch, Gudrun ist. Ich bitte die Kollegen, sich unmittelbar an das Hiller (Lübeck), Reinhold Schanz, Dieter Präsidium zu wenden und darauf aufmerksam zu Hilsberg, Stephan Dr. Scheer, Hermann Dr. Holtz, Uwe Scheffler, Siegfried Willy machen, was ihnen widerfahren ist. Alle anderen bitte Horn, Erwin Schily, Otto ich, immer genau darauf zu achten, daß der richtige Huonker, Gunter Schloten, Dieter Name auf der Stimmkarte steht. Ibrügger, Lothar Schluckebier, Günter Iwersen, Gabriele Schmidbauer (Nürnberg), Meine Damen und Herren, darf ich um Aufmerk- Jäger, Renate Bernd samkeit bitten; wir haben das nächste Abstimmungs- Janz, Ilse Schmidt (Aachen), Ursula Dr. Janzen, Ulrich Schmidt (Nürnberg), Renate ergebnis vorliegen. Jaunich, Horst Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Dr. Jens, Uwe Schmidt-Zadel, Regina Jung (Düsseldorf), Volker Dr. Schnell, Emil Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Jungmann (Wittmoldt), Horst Dr. Schöfberger, Rudolf Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache Kastner, Susanne Schreiner, Ottmar 12/841 bekannt. Abgegebene Stimmen: 658, ungültig: Kirschner, Klaus Schröter, Gisela keine. Mit Ja haben gestimmt: 237, mit Nein haben Klappert, Marianne Schröter, Karl-Heinz Klemmer, Siegrun Schütz, Dietmar gestimmt: 405. Enthalten haben sich 16 Kolleginnen Klose, Hans-Ulrich Schulte (Hameln), B rigitte und Kollegen. Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Dr. Schuster, Werner Kolbe, Regina Schwanhold, Ernst Kolbow, Walter Schwanitz, Rolf Endgültiges Ergebnis Bachmaier, Hermann Koltzsch, Rolf Seidenthal, Bodo Barbe, Angelika Kretkowski, Volkmar Seuster, Lisa Abgegebene Stimmen: 654; Bartsch, Holger Kubatschka, Horst Simm, Erika Becker-Inglau, Ingrid Dr. Kübler, Klaus davon Singer, Johannes Berger, Hans Dr. Küster, Uwe Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid ja: 236 Beucher, Friedhelm Julius Kuhlwein, Eckart Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Bindig, Rudolf Lange, Brigitte Sorge, Wieland nein: 402 Blunck, Lieselott von Larcher, Detlev Dr. Sperling, Dietrich enthalten: 16 Bock, Thea Leidinger, Robert Steen, Antje-Marie Dr. Böhme (Unna), Ulrich Lennartz, Klaus Steiner, Heinz-Alfred Ja Börnsen (Ritterhude), Arne Dr. Leonhard-Schmid, Elke Stiegler, Ludwig Brandt-Elsweier, Anni Lohmann (Witten), Klaus Dr. Struck, Peter SPD Büchler (Hof), Hans Dr. Lucyga, Christine Tappe, Joachim Dr. von Bülow, Andreas Maaß (Herne), Dieter Terborg, Margitta Adler, Brigitte Bulmahn, Edelgard Marx, Dorle Dr. Thalheim, Gerald Andres, Gerd Burchardt, Ursula Mascher, Ulrike Thierse, Wolfgang 8370 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker Titze, Uta Augustinowitz, Jürgen Haschke (Jena-Ost), Udo Louven, Julius Toetemeyer, Hans-Günther Austermann, Diet rich Hasselfeldt, Gerda Lummer, Heinrich Urbaniak, Hans-Eberhard Bargfrede, Heinz-Günther Haungs, Rainer Dr. Luther, Michael Vergin, Siegfried Dr. Bauer, Wolf Hauser (Esslingen), Otto Maaß (Wilhelmshaven), Erich Verheugen, Günter Baumeister, B rigitte Hauser (Rednitzhembach), Männle, Ursula Voigt (Frankfurt), Karsten D. Bayha, Richard Hansgeorg Magin, Theo Vosen, Josef Belle, Meinrad Hedrich, Klaus-Jürgen Dr. Mahlo, Dietrich Wagner, Hans Georg Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Heise, Manfred Marienfeld, Claire Wallow, Hans Bierling, Hans-Dirk Dr. Hellwig, Renate Marschewski, Erwin Waltemathe, Ernst Dr. Blank, Joseph-Theodor Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Marten, Günter Walter (Cochem), Ralf Blank, Renate Hinsken, Ernst Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Walther (Zierenberg), Rudi Dr. Blens, Heribert Hintze, Peter Martin Wartenberg (Berlin), Gerd Bleser, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Meckelburg, Wolfgang Dr. Wegner, Konstanze Dr. Blüm, Norbert Hörster, Joachim Meinl, Rudolf Horst Weiermann, Wolfgang Böhm (Melsungen), Wilfried Dr. Hoffacker, Paul Dr. Merkel, Angela Weiler, Barbara Dr. Böhmer, Ma ria Hollerith, Josef Dr. Meseke, Hedda Weis (Stendal), Reinhard Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Dr. Hornhues, Karl-Heinz Dr. Meyer zu Bentrup, Weißgerber, Gunter Dr. Bötsch, Wolfgang Hornung, Siegfried Reinhard Weisskirchen (Wiesloch), Gert Bohl, Friedrich Hüppe, Hubert Michalk, Maria Welt, Hans-Joachim Bohlsen, Wilfried Jäger, Claus Michels, Meinolf Wester, Hildegard Borchert, Jochen Jaffke, Susanne Dr. Mildner, Klaus Gerhard Westrich, Lydia Brähmig, Klaus Jagoda, Bernhard Dr. Möller, Franz Wettig-Danielmeier, Inge Breuer, Paul Dr. Jahn (Münster), Molnar, Thomas Dr. Wetzel, Margrit Brudlewsky, Monika Friedrich-Adolf Dr. Müller, Günther Weyel, Gudrun Brunnhuber, Georg Janovsky, Georg Müller (Kirchheim), Elmar Dr. Wieczorek, Norbert Bühler (Bruchsal), Klaus Jeltsch, Karin Müller (Wadern), Wieczorek (Duisburg), Helmut Büttner (Schönebeck), Dr. Jobst, Dionys Hans-Werner Wieczorek-Zeul, Heidemarie Hartmut Dr.-Ing. Jork, Reiner Müller (Wesseling), Alfons Wiefelspütz, Dieter Buwitt, Dankward Dr. Jüttner, Egon Nelle, Engelbert Dr. de With, Hans Carstens (Emstek), Manfred Jung (Limburg), Michael Dr. Neuling, Christian Wittich, Berthold Carstensen (Nordstrand), Junghanns, Ulrich Neumann (Bremen), Bernd Wohlleben, Verena Peter Harry Dr. Kahl, Harald Nitsch, Johannes Wolf, Hanna Clemens, Joachim Kalb, Bartholomäus Nolte, Claudia Zapf, Uta Dehnel, Wolfgang Kampeter, Steffen Dr. Olderog, Rolf Dr. Zöpel, Christoph Dempwolf, Gertrud Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Ost, Friedhelm Deres, Karl Dr. Kappes, Franz-Hermann Oswald, Eduard Deß, Albert Karwatzki, Irmgard Otto (Erfurt ), Norbert PDS/Linke Liste Diemers, Renate Kauder, Volker Dr. Päselt, Gerhard Dörflinger, Werner Keller, Peter Dr. Paziorek, Peter Paul Bläss, Petra Doss, Hansjürgen Kiechle, Ignaz Pesch, Hans-Wilhelm Dr. Enkelmann, Dagmar Echternach, Jürgen Kittelmann, Peter Petzold, Ulrich Dr. Fischer, Ursula Ehlers, Wolfgang Klein (Bremen), Günter Pfeffermann, Gerhard O. Dr. Fuchs, Ruth Ehrbar, Udo Klein (München), Hans Pfeifer, Anton Dr. Gysi, Gregor Eichhorn, Maria Klinkert, Ulrich Pfeiffer, Angelika Dr. Heuer, Uwe-Jens Engelmann, Wolfgang Köhler (Hainspitz), Dr. Pfennig, Gero Dr. Höll, Barbara Eppelmann, Rainer Hans-Ulrich Dr. Pflüger, Friedbert Jelpke, Ulla Eylmann, Horst Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Pinger, Winfried Dr. Keller, Dietmar Eymer, Anke Volkmar Pofalla, Ronald Lederer, Andrea Falk, Ilse Dr. Kohl, Helmut Dr. Pohler, Hermann Dr. Modrow, Hans Dr. Faltlhauser, Kurt Kolbe, Manfred Priebus, Rosemarie Philipp, Ingeborg Feilcke, Jochen Kors, Eva-Maria Dr. Probst, Albert Dr. Schumann (Kroppenstedt), Dr. Fell, Karl Koschyk, Hartmut Dr. Protzner, Bernd Fritz Fischer (Unna), Leni Kossendey, Thomas Pützhofen, Dieter Dr. Seifert, Ilja Fockenberg, Winfried Kraus, Rudolf Rahardt-Vahldieck, Susanne Stachowa, Angela Francke (Hamburg), Klaus Dr. Krause (Börgerende), Raidel, Hans Frankenhauser, Herbert Günther Dr. Ramsauer, Peter Dr. Friedrich, Gerhard Dr. Krause (Bonese), Rau, Rolf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fritz, Erich G. Rudolf Karl Rauen, Peter Harald Fuchtel, Hans-Joachim Krause (Dessau), Wolfgang Rawe, Wilhelm Dr. Feige, Klaus-Dieter Ganz (St. Wendel), Johannes Krey, Franz Heinrich Reddemann, Gerhard Köppe, Ingrid Geiger, Michaela Kriedner, Arnulf Regenspurger, Otto Poppe, Gerd Geis, Norbert Kronberg, Heinz-Jürgen Reichenbach, Klaus Schenk, Christina Dr. Geißler, Heiner Dr.-Ing. Krüger, Paul Dr. Reinartz, Berthold Schulz (Berlin), Werner Dr. von Geldern, Wolfgang Krziskewitz, Reiner Eberhard Reinhardt, Erika Dr. Ullmann, Wolfgang Gerster (Mainz), Johannes Dr. Lammert, Norbert Repnik, Hans-Peter Wollenberger, Vera Gibtner, Horst Lamp, Helmut Johannes Dr. Rieder, Norbert Glos, Michael Lattmann, Herbert Dr. Riedl (München), Erich Dr. Göhner, Reinhard Dr. Laufs, Paul Riegert, Klaus Fraktionslos Göttsching, Martin Laumann, Karl-Josef Dr. Riesenhuber, Heinz Götz, Peter Lehne, Klaus-Heiner Ringkamp, Werner Dr. Briefs, Ulrich Dr. Götzer, Wolfgang Dr. Lehr, Ursula Rode (Wietzen), Helmut Henn, Bernd Gres, Joachim Lenzer, Christian Rönsch (Wiesbaden), Grochtmann, Elisabeth Dr. Lieberoth, Immo Hannelore Gröbl, Wolfgang Limbach, Editha Roitzsch (Quickborn), Ing rid Nein Grotz, Claus-Peter Link (Diepholz), Walter Romer, Franz-Xaver Dr. Grünewald, Joachim Lintner, Eduard Dr. Rose, Klaus CDU/CSU Günther (Duisburg), Horst Dr. Lippold (Offenbach), Rossmanith, Kurt J. Frhr. von Hammerstein, Klaus W. Roth (Gießen), Adolf Adam, Ulrich Carl-Detlev Dr. sc. Lischewski, M anfred Rother, Heinz Dr. Ackermann, Else Harries, Klaus Löwisch, Sigrun Dr. Ruck, Christian Dr. Altherr, Walter Haschke (Großhennersdorf), Lohmann (Lüdenscheid), Rühe, Volker Augustin, Anneliese Gottfried Wolfgang Dr. Rüttgers, Jürgen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8371

Vizepräsident Helmuth Becker Sauer (Salzgitter), Helmut Wonneberger, Michael Rind, Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sauer (Stuttgart), Rol and Wülfing, Elke Dr. Röhl, Klaus Scharrenbroich, Heribert Würzbach, Peter Kurt Schäfer (Mainz), Helmut Weiß (Berlin), Konrad Schätzle, Ortrun Yzer, Cornelia Schmalz-Jacobsen, Cornelia Dr. Schäuble, Wolfgang Zeitlmann, Wolfgang Schmidt (Dresden), Arno Fraktionslos Schartz (Trier), Günther Zierer, Benno Dr. Schmieder, Jürgen Schemken, Heinz Zöller, Wolfgang Dr. Schnittler, Christoph Lowack, Ortwin Scheu, Gerhard Schüßler, Gerhard Schmalz, Ulrich Schuster, Hans Enthalten Schmidbauer, Bernd SPD Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita Schmidt (Fürth), Christian SPD Dr. Schmidt (Halsbrücke), Antretter, Robert Seiler-Albring, Ursula Joachim Becker (Nienberge), Helmuth Dr. Semper, Sigrid Bernrath, H ans Gottfried Schmidt (Mühlheim), Andreas Büchner (Speyer), Peter Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Brecht, Eberhard Schmidt (Spiesen), Trudi Büttner (Ingolstadt), Hans Dr. Starnick, Jürgen Diller, Karl Schmitz (Baesweiler), Müller (Schweinfurt), Rudolf Dr. von Teichman, Cornelia Esters, Helmut Hans Peter Oostergetelo, Jan Thiele, Carl-Ludwig Gansel, Norbert von Schmude, Michael Dr. Penner, Willfried Dr. Thomae, Dieter Kastning, Ernst Dr. Schneider (Nürnberg), Dr. Wernitz, Axel Timm, Jürgen Körper, Fritz Rudolf Oscar Wimmer (Neuötting), Türk, Jürgen Koschnik, Hans Dr. Schockenhoff, Andreas Hermann Walz, Ingrid Kuessner, Hinrich Dr. Scholz, Rupert Dr. Weng (Gerlingen), Lambinus, Uwe Frhr. von Schorlemer, Wolfgang Niggemeier, Horst Reinhard F.D.P. Wolfgramm (Göttingen), Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schreiber, Harald Torsten Sielaff, Horst Schulhoff, Wolfgang Albowitz, Ina Würfel, Uta Dr. Soell, Hartmut Dr. Schulte (Schwäbisch Dr. Babel, Gisela Zurheide, Burkhard Tietjen, Günter Gmünd), Dieter Baum, Gerhart Rudolf Zywietz, Werner Dr. Vogel, Hans-Jochen Schulz (Leipzig), Gerhard Beckmann, Klaus Schwalbe, Clemens Bredehorn, Günther Schwarz, Stefan Cronenberg (Arnsberg), Der Gesetzentwurf ist damit abgelehnt. Dr. Schwarz-Schilling, Dieter-Julius Christian Eimer (Fürth), Norbert Meine Damen und Herren, ich bitte Sie jetzt, Platz Dr. Schwörer, Hermann Engelhard, H ans A. zu nehmen, weil ich Ihnen in Abänderung unseres Seehofer, Horst van Essen, Jörg Seesing, Heinrich Dr. Feldmann, Olaf usprünglich vorgesehenen Ablaufs etwas mitzuteilen Seibel, Winfried Friedhoff, Paul habe, wofür ich wirklich alle Aufmerksamkeit brau- Seiters, Rudolf Friedrich, Horst che. Sikora, Jürgen Funke, Rainer Skowron, Werner Dr. Funke-Schmitt-Rink, Wir stimmen jetzt über den Gesetzentwurf der Dr. Sopart, Hans-Joachim Margret Fraktion der CDU/CSU, Gesetz zum Schutz des unge- Sothmann, Bärbel Gallus, Georg Spilker, Karl-Heinz Ganschow, Jörg borenen Lebens, auf Drucksache 12/1178 (neu) in der Spranger, Carl-Dieter Genscher, Hans-Dietrich Ausschußfassung ab. Der vorgesehene Änderungsan- Dr. Sprung, Rudolf Gries, Ekkehard trag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Steinbach-Hermann, Erika Grünbeck, Josef Drucksache 12/2924 (neu) ist zurückgezogen worden. Dr. Stercken, Hans Grüner, Martin Dr. Frhr. von Stetten, Günther (Plauen), Joachim Wir stimmen also jetzt direkt über den Gesetzentwurf Wolfgang Dr. Guttmacher, Karlheinz der CDU/CSU ab. Stockhausen, Karl Hackel, Heinz-Dieter Dr. Stoltenberg, Gerhard Hansen, Dirk Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Strube, Hans-Gerd Dr. Haussmann, Helmut Stübgen, Michael Heinrich, Ulrich Meine sehr verehrten Damen und Herren, haben Dr. Süssmuth, Rita Dr. Hirsch, Burkhard alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte abgege- Susset, Egon Dr. Hitschler, Walter ben? — Das ist offensichtlich der Fall. Dann bitte ich Tillmann, Ferdinand Homburger, Birgit Dr. Töpfer, Klaus Dr. Hoth, Sigrid die Schriftführer, mit der Auszählung der Stimmkarte Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Dr. Hoyer, Werner zu beginnen. Uldall, Gunnar Irmer, Ulrich Verhülsdonk, Roswitha Kleinert (Hannover), Detlef Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen: Je Vogel (Ennepetal), Friedrich Kohn, Roland nach den Abstimmungsergebnissen zu diesem oder Vogt (Düren), Wolfgang Dr. Kolb, Heinrich Leonhard möglicherweise zu einem anderen Antrag kommen Dr. Voigt (Northeim), Koppelin, Jürgen Hans-Peter Kubicki, Wolfgang wir in die Lage, in dritter Lesung den Gesetzentwurf Dr. Vondran, Ruprecht Dr.-Ing. Laermann, Karl-H ans erneut zu behandeln. Dafür ist namentliche Abstim- Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Graf Lambsdorff, Otto mung verlangt. Ich bitte Sie also, hier zu bleiben und Graf von Waldburg-Zeil, Alois Leutheusser-Schnarrenberger, das Haus nicht zu verlassen. Dr. Warnke, Jürgen Sabine Dr. Warrikoff, Alexander Lüder, Wolfgang Werner (Ulm), Herbert Lühr, Uwe Die Sitzung ist unterbrochen. Wetzel, Kersten Dr. Menzel, Bruno Wiechatzek, Gabriele Mischnick, Wolfgang (Unterbrechung von 0.18 bis 0.24 Uhr) Dr. Wieczorek (Auerbach), Möllemann, Jürgen W. Bertram Nolting, Günther Friedrich Dr. Wilms, Dorothee Dr. Ortleb, Rainer Meine Damen und Wilz, Bernd Otto (Frankfurt), Vizepräsident Helmuth Becker: Wimmer (Neuss), Willy Hans-Joachim Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröff- Dr. Wisniewski, Roswitha Paintner, Johann net. Wissmann, Matthias Peters, Lisa Dr. Wittmann, Fritz Dr. Pohl, Eva Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Wittmann (Tännesberg), Richter (Bremerhaven), Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Simon Manfred Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU auf Druck- 8372 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker sache 12/1178 (neu) bekannt. Abgebene Stimmen: Lehne, Klaus-Heiner Sauer (Stuttgart), Roland 658, ungültige Stimmen: keine. Mit ja haben Dr. Lehr, Ursula-Maria Scharrenbroich, Heribert Lenzer, Christian Schätzle, Ortrun gestimmt: 272, mit Nein haben gestimmt: 370, Enthal- Limbach, Editha Dr. Schäuble, Wolfgang tungen: 16. Link (Diepholz), Walter Schartz (Trier), Günther Lintner, Eduard Schemken, Heinz Dr. Lippold (Offenbach), Schmalz, Ulrich Endgültiges Ergebnis Glos, Michael Klaus W. Schmidbauer, Bernd Dr. Göhner, Reinhard Löwisch, Sigrun Schmidt (Fürth), Christian Abgegebene Stimmen: 657; Götz, Peter Lohmann (Lüdenscheid), Schmidt (Mühlheim), Andreas Gres, Joachim Wolfgang Schmidt (Spiesen), Trudi davon Grochtmann, Elisabeth Louven, Julius Schmitz (Baesweiler), ja: 272 Gröbl, Wolfgang Lummer, Heinrich Hans Peter Grotz, Claus-Peter Dr. Luther, Michael von Schmude, Michael nein: 369 Dr. Grünewald, Joachim Maaß (Wilhelmshaven), Erich Dr. Schneider (Nürnberg), enthalten: 16 Günther (Duisburg), Horst Männle, Ursula Oscar Frhr. von Hammerstein, Magin, Theo Dr. Schockenhoff, Andreas Carl-Detlev Dr. Mahlo, Dietrich Dr. Scholz, Rupert Ja Haschke (Großhennersdorf), Marienfeld, Claire Frhr. von Schorlemer, Gottfried Marschewski, Erwin Reinhard CDU/CSU Haschke (Jena-Ost), Udo Marten, Günter Dr. Schreiber, Harald Hasselfeldt, Gerda Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Schulhoff, Wolfgang Dr. Altherr, Walter Haungs, Rainer Martin Dr. Schulte (Schwäbisch Augustin, Anneliese Hauser (Esslingen), Otto Meckelburg, Wolfgang Gmünd), Dieter Augustinowitz, Jürgen Hauser (Rednitzhembach), Dr. Merkel, Angela Dorothea Schwalbe, Clemens Austermann, Die trich Hansgeorg Dr. Meseke, Hedda Schwarz, Stefan Bargfrede, Heinz-Günther Hedrich, Klaus-Jürgen Dr. Meyer zu Bentrup, Dr. Schwarz-Schilling, Baumeister, Brigitte Heise, Manfred Reinhard Christian Bayha, Richard Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Michalk, Maria Dr. Schwörer, Hermann Belle, Meinrad Hinsken, Ernst Michels, Meinolf Seehofer, Horst Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Hintze, Peter Dr. Möller, Franz Seesing, Heinrich Dr. Blank, Joseph-Theodor Hörsken, Heinz-Adolf Müller (Kirchheim), Elmar Seibel, Winfried Blank, Renate Hörster, Joachim Müller (Wadern), Seiters, Rudolf Dr. Blens, Heribert Dr. Hoffacker, Paul Hans-Werner Sikora, Jürgen Bleser, Peter Hollerith, Josef Nelle, Engelbert Sothmann, Bärbel Dr. Blüm, Norbert Dr. Hornhues, Karl-Heinz Dr. Neuling, Christian Spilker, Karl-Heinz Böhm (Melsungen), Wilfried Hornung, Siegfried Neumann (Bremen), Bernd Spranger, Carl-Dieter Dr. Böhmer, Maria Jaffke, Susanne Nitsch, Johannes Dr. Sprung, Rudolf Dr. Bötsch, Wolfgang Jagoda, Bernhard Nolte, Claudia Steinbach-Hermann, Erika Bohl, Friedrich Dr. Jahn (Münster), Dr. Olderog, Rolf Dr. Stercken, Hans Bohlsen, Wilfried Friedrich-Adolf Ost, Friedhelm Dr. Frhr. von Stetten, Borchert, Jochen Janovsky, Georg Oswald, Eduard Wolfgang Brähmig, Klaus Jeltsch, Karin Otto (Erfurt), Norbert Stockhausen, Karl Breuer, Paul Dr.-Ing. Jork, Reiner Dr. Päselt, Gerhard Dr. Stoltenberg, Gerhard Brunnhuber, Georg Dr. Jüttner, Egon Dr. Paziorek, Peter Paul Strube, Hans-Gerd Bühler (Bruchsal), Klaus Jung (Limburg), Michael Pesch, Hans-Wilhelm Stübgen, Michael Buwitt, Dankward Junghanns, Ulrich Petzold, Ulrich Susset, Egon Carstensen (Nordstrand), Dr. Kahl, Harald Pfeifer, Anton Tillmann, Ferdinand Peter Harry Kalb, Bartholomäus Dr. Pfennig, Gero Dr. Töpfer, Klaus Clemens, Joachim Kampeter, Steffen Dr. Pinger, Winfried Uldall, Gunnar Dehnel, Wolfgang Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Pofalla, Ronald Verhülsdonk, Roswitha Dempwolf, Gertrud Dr. Kappes, Franz-Hermann Dr. Pohler, Hermann Vogel (Ennepetal), Friedrich Deres, Karl Karwatzki, Irmgard Dr. Probst, Albert Vogt (Düren), Wolfgang Deß, Albert Kauder, Volker Dr. Protzner, Bernd Dr. Vondran, Ruprecht Diemers, Renate Keller, Peter Pützhofen, Dieter Dr. Waffenschmidt, Horst Dörflinger, Werner Kiechle, Ignaz Raidel, Hans Dr. Waigel, Theodor Doss, Hansjürgen Kittelmann, Peter Dr. Ramsauer, Peter Graf von Waldburg-Zeil, Alois Echternach, Jürgen Klein (Bremen), Günter Rau, Rolf Dr. Warnke, Jürgen Ehlers, Wolfgang Klein (München), Hans Rauen, Peter Harald Dr. Warrikoff, Alexander Ehrbar, Udo Klinkert, Ulrich Rawe, Wilhelm Wetzel, Kersten Eichhorn, Maria Köhler (Hainspitz), Reddemann, Gerhard Wiechatzek, Gabriele Engelmann, Wolfgang Hans-Ulrich Regenspurger, Otto Dr. Wieczorek (Auerbach), Eppelmann, Rainer Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Reinartz, Berthold Bertram Eymer, Anke Volkmar Reinhardt, Erika Dr. Wilms, Dorothee Falk, Ilse Dr. Kohl, Helmut Repnik, Hans-Peter Wilz, Bernd Dr. Faltlhauser, Kurt Kors, Eva-Maria Dr. Rieder, Norbert Wimmer (Neuss), Willy Feilcke, Jochen Koschyk, Hartmut Dr. Riedl (München), Erich Dr. Wisniewski, Roswitha Dr. Fell, Karl Kossendey, Thomas Riegert, Klaus Wissmann, Matthias Fischer (Hamburg), Dirk Erik Kraus, Rudolf Dr. Riesenhuber, Heinz Dr. Wittmann, Fritz Fischer (Unna), Leni Dr. Krause (Börgerende), Ringkamp, Werner Wittmann (Tännesberg), Fockenberg, Winfried Günther Rode (Wietzen), Helmut Simon Francke (Hamburg), Klaus Krey, Franz Heinrich Rönsch (Wiesbaden), Wülfing, Elke Frankenhauser, Herbert Kriedner, Arnulf Hannelore Yzer, Cornelia Dr. Friedrich, Gerhard Kronberg, Heinz-Jürgen Romer, Franz-Xaver Zeitlmann, Wolfgang Fritz, Erich G. Dr.-Ing. Krüger, Paul Dr. Rose, Klaus Fuchtel, Hans-Joachim Krziskewitz, Reiner Eberhard Rossmanith, Kurt J. Ganz (St. Wendel), Johannes Lamers, Karl Roth (Gießen), Adolf Geiger, Michaela Dr. Lammert, Norbert Rother, Heinz Dr. Geißler, Heiner Lamp, Helmut Johannes Dr. Ruck, Christian Dr. von Geldern, Wolfgang Lattmann, Herbert Rühe, Volker SPD Gerster (Mainz), Johannes Dr. Laufs, Paul Dr. Rüttgers, Jürgen Gibtner, Horst Laumann, Karl Josef Sauer (Salzgitter), Helmut Dr. Wernitz, Axel Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8373

Vizepräsident Helmuth Becker F.D.P. Dreßler, Rudolf Dr. Matterne, Dietmar Dr. Struck, Peter Duve, Freimut Matthäus-Maier, Ingrid Tappe, Joachim Gallus, Georg Ebert, Eike Mattischeck, Heide Terborg, Margitta Paintner, Johann Dr. Eckardt, Peter Mehl, Ulrike Dr. Thalheim, Gerald Dr. Ehmke (Bonn), Horst Meißner, Herbert Thierse, Wolfgang Eich, Ludwig Dr. Mertens (Bottrop), Titze, Uta Nein Dr. Elmer, Konrad Franz-Josef Toetemeyer, Hans-Günther Erler, Gemot Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Urbaniak, Hans-Eberhard CDU/CSU Esters, Helmut Mosdorf, Siegmar Vergin, Siegfried Ewen, Carl Müller (Düsseldorf), Michael Verheugen, Günter Dr. Ackermann, Else Ferner, Elke Müller (Pleisweiler), Albrecht Dr. Vogel, Hans-Jochen Dr. Bauer, Wolf Fischer (Gräfenhainichen), Müller (Schweinfurt), Rudolf Voigt (Frankfurt), Karsten D. Bierling, Hans-Dirk Evelin Müller (Völklingen), Jutta Vosen, Josef Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Fischer (Homburg), Lothar Müller (Zittau), Christian Wagner, Hans Georg Brudlewsky, Monika Formanski, Norbert Müntefering, Franz Wallow, Hans Büttner (Schönebeck), Fuchs (Köln), Anke Neumann (Bramsche), Volker Waltemathe, Ernst Hartmut Fuchs (Verl), Katrin Neumann (Gotha), Gerhard Walter (Cochem), Ralf Carstens (Emstek), Manfred Fuhrmann, Arne Dr. Niehuis, Edith Walther (Zierenberg), Rudi Eylmann, Horst Ganseforth, Monika Dr. Niese, Rolf Wartenberg (Berlin), Gerd Harries, Klaus Gansel, Norbert Niggemeier, Horst Dr. Wegner, Konstanze Dr. Hellwig, Renate Dr. Gautier, Fritz Odendahl, Doris Weiermann, Wolfgang Hüppe, Hubert Gilges, Konrad Oesinghaus, Günter Weiler, Barbara Jäger, Claus Gleicke, Iris Opel, Manfred Weis (Stendal), Reinhard Dr. Jobst, Dionys Dr. Glotz, Peter Ostertag, Adolf Weißgerber, Gunter Krause (Dessau), Wolfgang Graf, Günter Dr. Otto, Helga Weisskirchen (Wiesloch), Gert Dr. Lieberoth, Immo Großmann, Achim Paterna, Peter Welt, Hans-Joachim Dr. sc. Lischewski, Manfred Haack (Extertal), Dr. Penner, Willfried Wester, Hildegard Molnar, Thomas Karl-Hermann Peter (Kassel), Horst Westrich, Lydia Müller (Wesseling), Alfons Habermann, Frank-Michael Dr. Pfaff, Martin Wettig-Danielmeier, Inge Pfeiffer, Angelika Hacker, Hans-Joachim Pfuhl, Albert Dr. Wetzel, Margrit Dr. Pflüger, Friedbert Hämmerle, Gerlinde Dr. Pick, Eckhart Weyel, Gudrun Priebus, Rosemarie Hampel, Manfred Eugen Poß, Joachim Dr. Wieczorek, Norbert Rahardt-Vahldieck, Susanne Hanewinckel, Christel Purps, Rudolf Wieczorek (Duisburg), Helmut Reichenbach, Klaus Dr. Hartenstein, Liesel Rappe (Hildesheim), Hermann Wieczorek-Zeul, Heidemarie Roitzsch (Quickborn), Ingrid Hasenfratz, Klaus Reimann, Manfred Wiefelspütz, Dieter Schulz (Leipzig), Gerhard Dr. Hauchler, Ingomar Rempe, Walter Wimmer (Neuötting), Skowron, Werner Heistermann, Dieter von Renesse, Margot Hermann Dr. Sopart, Hans-Joachim Heyenn, Günther Rennebach, Renate Dr. de With, Hans Dr. Süssmuth, Rita Hiller (Lübeck), Reinhold Reschke, Otto Wittich, Berthold Dr. Voigt (Northeim), Hilsberg, Stephan Reuschenbach, Peter W. Wohlleben, Verena Ingeburg Hans-Peter Dr. Holtz, Uwe Reuter, Bernd Wolf, Hanna Werner (Ulm), Herbert Horn, Erwin Rixe, Günter Zapf, Uta Wonneberger, Michael Huonker, Gunter Roth, Wolfgang Dr. Zöpel, Christoph Würzbach, Peter Kurt Ibrügger, Lothar Schäfer (Offenburg), Zierer, Benno Iwersen, Gabriele Harald B. Jäger, Renate Schaich-Walch, Gudrun F.D.P. Janz, Ilse Schanz, Dieter SPD Dr. Janzen, Ulrich Dr. Scheer, Hermann Albowitz, Ina Jaunich, Horst Scheffler, Siegfried Willy Dr. Babel, Gisela Adler, Brigitte Dr. Jens, Uwe Schily, Otto Baum, Gerhart Rudolf Andres, Gerd Jung (Düsseldorf), Volker Schloten, Dieter Beckmann, Klaus Antretter, Robert Jungmann (Wittmoldt), Horst Schluckebier, Günter Bredehorn, Günther Bachmaier, Hermann Kastner, Susanne Schmidbauer (Nürnberg), Cronenberg (Arnsberg), Barbe, Angelika Kastning, Ernst Bernd Dieter-Julius Bartsch, Holger Kirschner, Klaus Schmidt (Aachen), Ursula Eimer (Fürth), Norbert Becker (Nienberge), Helmuth Klappert, Marianne Schmidt (Nürnberg), Renate Engelhard, H ans A. Becker-Inglau, Ing rid Klemmer, Siegrun Schmidt (Salzgitter), Wilhelm van Essen, Jörg Berger, Hans Klose, Hans-Ulrich Schmidt-Zadel, Regina Dr. Feldmann, Olaf Bernrath, Hans Gottfried Dr. sc. Knaape, Hans-Hin rich Dr. Schmude, Jürgen Friedhoff, Paul Beucher, Friedhelm Julius Körper, Fritz Rudolf Dr. Schnell, Emil Friedrich, Horst Bindig, Rudolf Kolbe, Regina Dr. Schöfberger, Rudolf Funke, Rainer Blunck, Lieselott Kolbow, Walter Schreiner, Ottmar Dr. Funke-Schmitt-Rink, Bock, Thea Koltzsch, Rolf Schröter, Gisela Margret Dr. Böhme (Unna), Ulrich Koschnick, Hans Schröter, Karl-Heinz Ganschow, Jörg Börnsen (Ritterhude), Arne Kretkowski, Volkmar Schütz, Dietmar Genscher, Hans-Dietrich Brandt-Elsweier, Anni Kubatschka, Horst Schulte (Hameln), B rigitte Gries, Ekkehard Dr. Brecht, Eberhard Dr. Kübler, Klaus Dr. Schuster, We rner Grünbeck, Josef Büchler (Hof), Hans Kuessner, Hinrich Schwanhold, Ernst Grüner, Martin Büchner (Speyer), Peter Dr. Küster, Uwe Schwanitz, Rolf Günther (Plauen), Joachim Dr. von Bülow, Andreas Kuhlwein, Eckart Seidenthal, Bodo Dr. Guttmacher, Karlheinz Büttner (Ingolstadt), Hans Lambinus, Uwe Seuster, Lisa Hackel, Heinz-Dieter Bulmahn, Edelgard Lange, Brigitte Sielaff, Horst Hansen, Dirk Burchardt, Ursula von Larcher, Detlev Simm, Erika Dr. Haussmann, Helmut Bury, Hans Martin Leidinger, Robert Singer, Johannes Heinrich, Ulrich Caspers-Merk, Ma rion Lennartz, Klaus Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Hirsch, Burkhard Catenhusen, Wolf-Michael Dr. Leonhard-Schmid, Elke Dr. Soell, Hartmut Dr. Hitschler, Walter Conradi, Peter Lohmann (Witten), Klaus Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Homburger, Birgit Dr. Däubler-Gmelin, Herta Dr. Lucyga, Christine Sorge, Wieland Dr. Hoth, Sigrid Daubertshäuser, Klaus Maaß (Herne), Dieter Dr. Sperling, Dietrich Dr. Hoyer, Werner Dr. Diederich (Berlin), Nils Marx, Dorle Steen, Antje-Marie Irmer, Ulrich Diller, Karl Mascher, Ulrike Steiner, Heinz-Alfred Kleinert (Hannover), Detlef Dr. Dobberthien, Marliese Matschie, Christoph Stiegler, Ludwig Kohn, Roland 8374 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Jelpke, Ulla Wir stimmen jetzt über den Gesetzentwurf in der Koppelin, Jürgen Dr. Keller, Dietmar Ausschußfassung ab. Dazu ist namentliche Abstim- Kubicki, Wolfgang Lederer, Andrea Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Modrow, Hans mung beantragt. Ich eröffne die nament liche Abstim- Dr. Graf Lambsdorff, Otto Philipp, Ingeborg mung. Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Schumann (Kroppenstedt), Sabine Fritz Meine Damen und Herren, ich mache noch einmal Lüder, Wolfgang Dr. Seifert, Ilja darauf aufmerksam: Nach dieser Abstimmung gibt es Lühr, Uwe Stachowa, Angela noch einmal eine namentliche Abstimmung. Dr. Menzel, Bruno Mischnick, Wolfgang Meine Damen und Herren, ich will noch einmal Möllemann, Jürgen W. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen besonderen Dank an unsere Kolleginnen und Nolting, Günther Friedrich Kollegen Schriftführer aussprechen. Sie haben her- Dr. Ortleb, Rainer Dr. Feige, Klaus-Dieter vorragend gearbeitet. Otto (Frankfurt), Köppe, Ingrid Hans-Joachim Poppe, Gerd (Beifall) Peters, Lisa Schenk, Christina Dr. Pohl, Eva Schulz (Berlin), Werner Ich hoffe, daß ich in fünf bis zehn Minuten auch das Richter (Bremerhaven), Dr. Ullmann, Wolfgang Ergebnis dieser Abstimmung verkünden kann. Manfred Weiß (Berlin), Konrad Rind, Hermann Wollenberger, Vera Aber bitte verlassen Sie das Haus nicht. Anschlie- Dr. Röhl, Klaus ßend findet mit hoher Wahrscheinlichkeit die nächste Schäfer (Mainz), Helmut namentliche Abstimmung statt. — Schmalz-Jacobsen, Cornelia Fraktionslos Schmidt (Dresden), Arno Meine Damen und Herren, ich darf fragen: Haben Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Briefs, Ulrich alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarten abgege- Dr. Schnittler, Christoph Henn, Bernd ben? — Das ist offenbar der Fall. Schüßler, Gerhard Lowack, Ortwin Schuster, H ans Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift- Dr. Schwaetzer, Irmgard führer, mit der Auszählung zu beginnen. Sehn, Marita Seiler-Albring, Ursula Ich unterbreche die Sitzung, bis das Ergebnis vor- Dr. Semper, Sigrid Enthalten liegt. Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen CDU/CSU (Unterbrechung der Sitzung von 00.32 bis Dr. von Teichman, Cornelia 00.39 Uhr) Thiele, Carl-Ludwig Adam, Ulrich Dr. Thomae, Dieter Geis, Norbert Timm, Jürgen Göttsching, Martin Türk, Jürgen Dr. Götzer, Wolfgang Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Walz, Ingrid Kolbe, Manfred Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröff- Dr. Weng (Gerlingen), Dr. Krause (Bonese), Rudolf net. Wolfgang Karl Wolfgramm (Göttingen), Meinl, Rudolf Horst Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Torsten Dr. Mildner, Klaus Gerhard Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Würfel, Uta Dr. Müller, Günther Gesetzentwurf der Abgeordneten Inge Wettig- Zurheide, Burkhard Pfeffermann, Gerhard O. Danielmeier, Uta Würfel und anderer auf Zywietz, Werner Scheu, Gerhard Drucksache Dr. Schmidt (Halsbrücke), Jo- 12/2605 (neu) bekannt. Abgegebene Stimmen: 657, achim davon ungültig: keine. Mit Ja haben gestimmt: 356, PDS/Linke Liste Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter mit Nein haben gestimmt: 283, Enthaltungen: 18. Zöller, Wolfgang Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Endgültiges Ergebnis Molnar, Thomas Dr. Fischer, Ursula SPD Petzold, Ulrich Dr. Fuchs, Ruth Abgegebene Stimmen: 656; Pfeiffer, Angelika Dr. Gysi, Gregor Oostergetelo, Jan davon Dr. Pfennig, Gero Dr. Heuer, Uwe-Jens Günther Tietjen, Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Höll, Barbara ja: 356 Priebus, Rosemarie nein: 282 Rahardt-Vahldieck, Susanne Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt. Rau, Rolf enthalten: 18 Reichenbach, Klaus Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt über Roitzsch (Quickborn), Ingrid den Gesetzentwurf der Abgeordneten Inge Wettig- Scharrenbroich, Heribert Danielmeier, Uta Würfel, Dr. Hans de With, Gerhart Ja Dr. Schmidt (Halsbrücke), Joachim Rudolf Baum, Susanne Rahardt-Vahldieck, Dr. Wolf- CDU/CSU Schulz (Leipzig), Gerhard gang Ullmann und anderer ab: Gesetz zum Schutz des Skowron, Werner vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung Adam, Ulrich Dr. Sopart, Hans-Joachim einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Dr. Ackermann, Else Dr. Süssmuth, Rita Bierling, Hans-Dirk Dr. Voigt (Northeim), Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Hans-Peter Schwangerschaftsabbruchs, Drucksache 12/2605 Büttner (Schönebeck), Wonneberger, Michael (neu). Hartmut Würzbach, Peter Kurt Eylmann, Horst Dazu liegt ein Änderungsantrag der PDS/Linke Göttsching, Martin Liste auf Drucksache 12/2923 vor. Ich bitte diejenigen, Harries, Klaus SPD die dem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, Dr. Hellwig, Renate um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Stimm- Kolbe, Manfred Adler, Brigitte Krause (Dessau), Wolfgang Andres, Gerd enthaltungen? — Der Antrag ist bei Zustimmung der Dr. Lieberoth, Immo Bachmaier, Hermann Gruppe PDS/Linke Liste vom Haus abgelehnt. Dr. sc. Lischewski, Manfred Barbe, Angelika Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8375

Vizepräsident Helmuth Becker Bartsch, Holger Kirschner, Klaus Schmidt (Nürnberg), Renate Friedhoff, Paul Becker (Nienberge), Helmuth Klappert, Marianne Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Friedrich, Horst Becker-Inglau, Ing rid Klose, Hans-Ulrich Schmidt-Zadel, Regina Funke, Rainer Berger, Hans Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Dr. Schmude, Jürgen Dr. Funke-Schmitt-Rink, Bernrath, Hans Gottfried Körper, Fritz Rudolf Dr. Schnell, Emil Margret Beucher, Friedhelm Julius Kolbe, Regina Dr. Schöfberger, Rudolf Ganschow, Jörg Bindig, Rudolf Kolbow, Walter Schreiner, Ottmar Genscher, Hans-Dietrich Blunck, Lieselott Koltzsch, Rolf Schröter, Gisela Gries, Ekkehard Bock, Thea Kretkowski, Volkmar Schröter, Karl-Heinz Grünbeck, Josef Dr. Böhme (Unna), Ulrich Kubatschka, Horst Schütz, Dietmar Grüner, Martin Börnsen (Ritterhude), Arne Dr. Kübler, Klaus Schulte (Hameln), Brigitte Günther (Plauen), Joachim Brandt-Elsweier, Anni Kuessner, Hinrich Dr. Schuster, Werner Dr. Guttmacher, Karlheinz Dr. Brecht, Eberhard Dr. Küster, Uwe Schwanhold, Ernst Hackel, Heinz-Dieter Büchler (Hof), Hans Kuhlwein, Eckart Schwanitz, Rolf Hansen, Dirk Büchner (Speyer), Peter Lambinus, Uwe Seidenthal, Bodo Dr. Haussmann, Helmut Dr. von Billow, Andreas Lange, Brigitte Seuster, Lisa Heinrich, Ulrich Büttner (Ingolstadt), Hans von Larcher, Detlev Sielaff, Horst Dr. Hirsch, Burkhard Bulmahn, Edelgard Leidinger, Robert Simm, Erika Dr. Hitschler, Walter Burchardt, Ursula Lennartz, Klaus Singer, Johannes Homburger, Birgit Bury, Hans Martin Dr. Leonhard-Schmid, Elke Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Hoth, Sigrid Caspers-Merk, Marion Lohmann (Witten), Klaus Dr. Soell, Hartmut Dr. Hoyer, Werner Catenhusen, Wolf-Michael Dr. Lucyga, Christine Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Irmer, Ulrich Conradi, Peter Maaß (Herne), Dieter Sorge, Wieland Kleinert (Hannover), Detlef Dr. Däubler-Gmelin, Herta Marx, Dorle Dr. Sperling, Die trich Kohn, Roland Daubertshäuser, Klaus Mascher, Ulrike Steen, Antje-Ma rie Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Dr. Diederich (Berlin), Nils Matschie, Christoph Steiner, Heinz-Alfred Koppelin, Jürgen Diller, Karl Dr. Matterne, Dietmar Stiegler, Ludwig Kubicki, Wolfgang Dr. Dobberthien, Marliese Matthäus-Maier, Ingrid Dr. Struck, Peter Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dreßler, Rudolf Mattischeck, Heide Tappe, Joachim Dr. Graf Lambsdorff, Otto Duve, Freimut Meckel, Markus Terborg, Margitta Leutheusser-Schnarrenberger, Ebert, Eike Mehl, Ulrike Dr. Thalheim, Gerald Sabine Dr. Eckardt, Peter Meißner, Herbert Thierse, Wolfgang Lüder, Wolfgang Dr. Ehmke (Bonn), Horst Dr. Mertens (Bot trop), Titze, Uta Lühr, Uwe Eich, Ludwig Franz-Josef Toetemeyer, Hans-Günther Dr. Menzel, Bruno Dr. Elmer, Konrad Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Urbaniak, Hans-Eberhard Mischnick, Wolfgang Erler, Gernot Mosdorf, Siegmar Vergin, Siegfried Möllemann, Jürgen W. Esters, Helmut Müller (Düsseldorf), Michael Verheugen, Günter Nolting, Günther Friedrich Ewen, Carl Müller (Pleisweiler), Albrecht Dr. Vogel, Hans-Jochen Dr. Ortleb, Rainer Ferner, Elke Müller (Schweinfurt), Rudolf Voigt (Frankfurt), Karsten D. Otto (Frankfurt), Fischer (Gräfenhainichen), Müller (Völklingen), Jutta Vosen, Josef Hans-Joachim Evelin Müller (Zittau), Christian Wagner, Hans Georg Peters, Lisa Fischer (Homburg), Lothar Müntefering, Franz Wallow, Hans Dr. Pohl, Eva Formanski, Norbert Neumann (Bramsche), Volker Waltemathe, Ernst Richter (Bremerhaven), Fuchs (Köln), Anke Neumann (Gotha), Gerhard Walter (Cochem), Ralf Manfred Fuchs (Verl), Katrin Dr. Niehuis, Edith Walther (Zierenberg), Rudi Rind, Hermann Fuhrmann, Arne Dr. Niese, Rolf Wartenberg (Berlin), Gerd Dr. Röhl, Klaus Ganseforth, Monika Niggemeier, Horst Dr. Wegner, Konstanze Schäfer (Mainz), Helmut Gansel, Norbert Odendahl, Doris Weiermann, Wolfgang Schmalz-Jacobsen, Cornelia Dr. Gautier, Fritz Oesinghaus, Günter Weiler, Barbara Schmidt (Dresden), Arno Gilges, Konrad Opel, Manfred Weis (Stendal), Reinhard Dr. Schmieder, Jürgen Gleicke, Iris Ostertag, Adolf Weißgerber, Gunter Dr. Schnittler, Christoph Dr. Glotz, Peter Dr. Otto, Helga Weisskirchen (Wiesloch), Gert Schüßler, Gerhard Graf, Günter Paterna, Peter Welt, Hans-Joachim Schuster, H ans Großmann, Achim Dr. Penner, Willfried Wester, Hildegard Dr. Schwaetzer, Irmgard Haack (Extertal), Peter (Kassel), Horst Westrich, Lydia Sehn, Marita Karl-Hermann Dr. Pfaff, Martin Wettig-Danielmeier, Inge Seiler-Albring, Ursula Habermann, Frank-Michael Pfuhl, Albert Dr. Wetzel, Margrit Dr. Semper, Sigrid Hacker, Hans-Joachim Dr. Pick, Eckhart Weyel, Gudrun Dr. Solms, Hermann Otto Hämmerle, Gerlinde Poß, Joachim Dr. Wieczorek, Norbert Dr. Starnick, Jürgen Hampel, Manfred Eugen Purps, Rudolf Wieczorek (Duisburg), Helmut Dr. von Teichman, Cornelia Hanewinckel, Christel Rappe (Hildesheim), Hermann Wieczorek-Zeul, Heidemarie Thiele, Carl-Ludwig Dr. Hartenstein, Liesel Reimann, Manfred Wiefelspütz, Dieter Dr. Thomae, Dieter Hasenfratz, Klaus Rempe, Walter Wimmer (Neuötting), Timm, Jürgen Dr. Hauchler, Ingomar von Renesse, Margot Hermann Türk, Jürgen Heistermann, Dieter Rennebach, Renate Dr. de With, Hans Walz, Ingrid Heyenn, Günther Reschke, Otto Wittich, Berthold Dr. Weng (Gerlingen), Hiller (Lübeck), Reinhold Reuschenbach, Peter W. Wohlleben, Verena Wolfgang Hilsberg, Stephan Reuter, Bernd Wolf, Hanna Wolfgramm (Göttingen), Dr. Holtz, Uwe Rixe, Günter Zapf, Uta Torsten Horn, Erwin Roth, Wolfgang Dr. Zöpel, Christoph Würfel, Uta Huonker, Gunter Schäfer (Offenburg), Zurheide, Burkhard Ibrügger, Lothar Harald B. Zywietz, Werner Iwersen, Gabriele Schaich-Walch, Gudrun F.D.P. Jäger, Renate Schanz, Dieter Janz, Ilse Dr. Scheer, Hermann Albowitz, Ina PDS/Linke Liste Dr. Janzen, Ulrich Scheffler, Siegfried Willy Dr. Babel, Gisela Jaunich, Horst Schily, Otto Baum, Gerhart Rudolf Dr. Fischer, Ursula Dr. Jens, Uwe Schloten, Dieter Beckmann, Klaus Dr. Fuchs, Ruth Jung (Düsseldorf), Volker Schluckebier, Günter Bredehorn, Günther Dr. Gysi, Gregor Jungmann (Wittmoldt), Horst Schmidbauer (Nürnberg), Eimer (Fürth), Norbert Dr. Heuer, Uwe-Jens Kastner, Susanne Bernd Engelhard, Hans A. Jelpke, Ulla Kastning, Ernst Schmidt (Aachen), Ursula Dr. Feldmann, Olaf Dr. Keller, Dietmar 8376 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker Dr. Modrow, Hans Francke (Hamburg), Klaus Dr.-Ing. Krüger, Paul Rossmanith, Kurt J. Philipp, Ingeborg Frankenhauser, Herbert Krziskewitz, Reiner Eberhard Roth (Gießen), Adolf Dr. Schumann (Kroppenstedt), Dr. Friedrich, Gerhard Lamers, Karl Rother, Heinz Fritz Fritz, Erich G. Dr. Lammert, Norbert Dr. Ruck, Christian Stachowa, Angela Fuchtel, Hans-Joachim Lamp, Helmut Johannes Rühe, Volker Ganz (St. Wendel), Johannes Lattmann, Herbert Dr. Rüttgers, Jürgen Geiger, Michaela Dr. Laufs, Paul Sauer (Salzgitter), Helmut Geis, Norbert Laumann, Karl Josef Sauer (Stuttgart), Rol and BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Geißler, Heiner Lehne, Klaus-Heiner Schätzle, Ortrun Dr. von Geldern, Wolfgang Dr. Lehr, Ursula Dr. Schäuble, Wolfgang Dr. Feige, Klaus-Dieter Gerster (Mainz), Johannes Lenzer, Christi an Schartz (Trier), Günther Poppe, Gerd Gibtner, Horst Limbach, Editha Schemken, Heinz Schulz (Berlin), Werner Glos, Michael Link (Diepholz), Walter Scheu, Gerhard Dr. Ullmann, Wolfgang Dr. Göhner, Reinhard Lintner, Eduard Schmalz, Ulrich Weiß (Berlin), Konrad Götz, Peter Dr. Lippold (Offenbach), Schmidbauer, Bernd Wollenberger, Vera Dr. Götzer, Wolfgang Klaus W. Schmidt (Fürth), Christian Gres, Joachim Löwisch, Sigrun Schmidt (Mühlheim), Andreas Grochtmann, Elisabeth Lohmann (Lüdenscheid), Schmidt (Spiesen), Trudi Gröbl, Wolfgang Fraktionslos Wolfgang Schmitz (Baesweiler), Grotz, Claus-Peter Louven, Julius Hans Peter Dr. Briefs, Ulrich Dr. Grünewald, Joachim Lummer, Heinrich von Schmude, Michael Henn, Bernd Günther (Duisburg), Horst Dr. Luther, Michael Dr. Schneider (Nürnberg), Frhr. von Hammerstein, Maaß (Wilhelmshaven), Erich Oscar Carl-Detlev Männle, Ursula Dr. Schockenhoff, Andreas Haschke (Jena-Ost), Udo Magin, Theo Dr. Scholz, Rupert Hasselfeldt, Gerda Dr. Mahlo, Dietrich Frhr. von Schorlemer, Haungs, Rainer Marienfeld, Claire Reinhard Hauser (Esslingen), Otto Marschewski, Erwin Dr. Schreiber, Harald Hauser (Rednitzhembach), Marten, Günter Schulhoff, Wolfgang Nein Hansgeorg Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Schulte (Schwäbisch Hedrich, Klaus-Jürgen Martin Gmünd), Dieter Heise, Manfred Meckelburg, Wolfgang Schwalbe, Clemens CDU/CSU Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Meinl, Rudolf Horst Dr. Schwarz-Schilling, Hinsken, Ernst Dr. Meseke, Hedda Christian Dr. Altherr, Walter Hintze, Peter Dr. Meyer zu Bentrup, Dr. Schwörer, Hermann Augustin, Anneliese Hörsken, Heinz-Adolf Reinhard Seehofer, Horst Augustinowitz, Jürgen Hörster, Joachim Michalk, Maria Seesing, Heinrich Austermann, Dietrich Dr. Hoffacker, Paul Michels, Meinolf Seibel, Winfried Bargfrede, Heinz-Günther Hollerith, Josef Dr. Möller, Franz Seiters, Rudolf Dr. Bauer, Wolf Dr. Hornhues, Karl-Heinz Dr. Müller, Günther Sikora, Jürgen Baumeister, B rigitte Hornung, Siegfried Müller (Kirchheim), Elmar Sothmann, Bärbel Bayha, Richard Hüppe, Hubert Müller (Wadern), Spilker, Karl-Heinz Belle, Meinrad Jäger, Claus Hans-Werner Spranger, Carl-Dieter Dr. Blank, Joseph-Theodor Jaffke, Susanne Müller (Wesseling), Alfons Dr. Sprung, Rudolf Blank, Renate Jagoda, Bernhard Nelle, Engelbert Steinbach-Hermann, Erika Dr. Blens, Heribert Dr. Jahn (Münster), Dr. Neuling, Christian Dr. Stercken, Hans Bleser, Peter Friedrich-Adolf Neumann (Bremen), Bernd Dr. Frhr. von Stetten, Dr. Blüm, Norbert Janovsky, Georg Nitsch, Johannes Wolfgang Böhm (Melsungen), Wilfried Jeltsch, Karin Nolte, Claudia Stockhausen, Karl Dr. Böhmer, Maria Dr. Jobst, Dionys Ost, Friedhelm Dr. Stoltenberg, Gerhard Dr. Bötsch, Wolfgang Dr.-Ing. Jork, Rainer Oswald, Eduard Strube, Hans-Gerd Bohl, Friedrich Dr. Jüttner, Egon Otto (Erfurt), Norbert Stübgen, Michael Bohlsen, Wilfried Jung (Limburg), Michael Dr. Päselt, Gerhard Susset, Egon Borchert, Jochen Junghanns, Ulrich Dr. Paziorek, Peter Paul Tillmann, Ferdinand Brähmig, Klaus Dr. Kahl, Harald Pesch, Hans-Wilhelm Dr. Töpfer, Klaus Breuer, Paul Kalb, Bartholomäus Pfeffermann, Gerhard O. Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Brudlewsky, Monika Kampeter, Steffen Pfeifer, Anton Uldall, Gunnar Brunnhuber, Georg Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Dr. Pinger, Winfried Verhülsdonk, Roswitha Bühler (Bruchsal), Klaus Dr. Kappes, Franz-Hermann Pofalla, Ronald Vogel (Ennepetal), Friedrich Buwitt, Dankward Karwatzki, Irmgard Dr. Pohler, Hermann Vogt (Düren), Wolfgang Carstens (Emstek), Manfred Kauder, Volker Dr. Probst, Albert Dr. Vondran, Ruprecht Clemens, Joachim Keller, Peter Dr. Protzner, Bernd Dr. Waffenschmidt, Horst Dehnel, Wolfgang Kiechle, Ignaz Pützhofen, Dieter Dr. Waigel, Theodor Dempwolf, Gertrud Kittelmann, Peter Raidel, Hans Graf von Waldburg-Zeil, Alois Deres, Karl Klein (Bremen), Günter Dr. Ramsauer, Peter Dr. Warnke, Jürgen Deß, Albert Klinkert, Ulrich Rauen, Peter Harald Dr. Warrikoff, Alex ander Diemers, Renate Köhler (Hainspitz), Rawe, Wilhelm Werner (Ulm), Herbert Dörflinger, Werner Hans-Ulrich Reddemann, Gerhard Wetzel, Kersten Doss, Hansjürgen Dr. Köhler (Wolfsburg), Regenspurger, Otto Wiechatzek, Gabriele Echternach, Jürgen Volkmar Dr. Reinartz, Berthold Dr. Wilms, Dorothee Ehlers, Wolfgang Dr. Kohl, Helmut Reinhardt, Erika Wilz, Bernd Ehrbar, Udo Kors, Eva-Maria Repnik, Hans-Peter Wimmer (Neuss), Willy Eichhorn, Maria Koschyk, Hartmut Dr. Rieder, Norbert Dr. Wisniewski, Roswitha Engelmann, Wolfgang Kossendey, Thomas Dr. Riedl (München), Erich Wissmann, Matthias Eppelmann, Rainer Kraus, Rudolf Riegert, Klaus Dr. Wittmann, Fritz Eymer, Anke Dr. Krause (Börgerende), Dr. Riesenhuber, Heinz Wittmann (Tännesberg), Falk, Ilse Günther Ringkamp, Werner Simon Dr. Faltlhauser, Kurt Dr. Krause (Bonese), Rode (Wietzen), Helmut Wülfing, Elke Dr. Fell, Karl Rudolf Karl Rönsch (Wiesbaden), Yzer, Cornelia Fischer (Hamburg), Dirk Krey, Franz Heinrich Hannelore Zeitlmann, Wolfgang Fischer (Unna), Leni Kriedner, Arnulf Romer, Franz-Xaver Zierer, Benno Fockenberg, Winfried Kronberg, Heinz-Jürgen Dr. Rose, Klaus Zöller, Wolfgang Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8377

Vizepräsident Helmuth Becker SPD Feilcke, Jochen Abgegebene Stimmen: 657; ungültige Stimmen: Haschke (Großhennersdorf), keine. Mit Ja haben gestimmt: 357; mit Nein haben Antretter, Robert Gottfried gestimmt: 284; Enthaltungen gab es 16. Dr. Wernitz, Axel Dr. Merkel, Angela Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Olderog, Rolf F.D.P. Dr. Wieczorek (Auerbach), Endgültiges Ergebnis Büchner (Speyer), Peter Bertram Dr. von Bülow, Andreas Cronenberg (Arnsberg), Abgegebene Stimmen: 654; Büttner (Ingolstadt), Hans Bulmahn, Edelgard Dieter-Julius davon Gallus, Georg SPD Burchardt, Ursula Paintner, Johann ja: 355 Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Klemmer, Siegrun nein: 283 Koschnick, Hans Catenhusen, Wolf-Michael PDS/Linke Liste Oostergetelo, J an enthalten: 16 Conradi, Peter Günther Tietjen, Dr. Däubler-Gmelin, Herta Bläss, Petra Daubertshäuser, Klaus Dr. Seifert, Ilja Dr. Diederich (Berlin), Nils F.D.P. Diller, Karl Ja Dr. Dobberthien, Marliese Jörg Dreßler, Rudolf Fraktionslos van Essen, CDU/CSU Duve, Freimut Lowack, Ortwin Adam, Ulrich Ebert, Eike PDS/Linke Liste Dr. Ackermann, Else Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke (Bonn), Horst Bierling, Hans-Dirk Ludwig Dr. Enkelmann, Dagmar Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Eich, Dr. Elmer, Konrad Dr. Hö11, Barbara Büttner (Schönebeck), Erler, Gernot Enthalten Lederer, Andrea Hartmut Esters, Helmut Eylmann, Horst Ewen, Carl CDU/CSU Göttsching, Martin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ferner, Elke Harries, Klaus Fischer (Gräfenhainichen), Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. Hellwig, Renate Ingrid Evelin Carstensen (Nordstrand), Köppe, Kolbe, Manfred Peter Harry Schenk, Christina Fischer (Homburg), Lothar Krause (Dessau), Wolfgang Formanski, Norbert Dr. Lieberoth, Immo Fuchs (Köln), Anke Dr. sc. Lischewski, M anfred Fuchs (Verl), Katrin Der Antrag ist damit in zweiter Beratung angenom- Molnar, Thomas men. Fuhrmann, Arne Petzold, Ulrich Ganseforth, Monika Pfeiffer, Angelika Gansel, Norbert (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Dr. Pflüger, Friedbert F.D.P.) Dr. Gautier, Fritz Priebus, Rosemarie Gilges, Konrad Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir treten Rahardt-Vahldieck, Susanne Gleicke, Iris Rau, Rolf in die Dr. Glotz, Peter Reichenbach, Klaus Graf, Günter dritte Beratung Roitzsch (Quickborn), Ingrid Großmann, Achim Scharrenbroich, Heribert Haack (Extertal), ein und kommen zur Schlußabstimmung. Dr. Schmidt (Halsbrücke), Karl-Hermann Joachim Auch hierzu ist namtliche Abstimmung verlangt. Habermann, Frank-Michael Schulz (Leipzig), Gerhard Hacker, Hans-Joachim Ich eröffne die Abstimmung. — Skowron, Werner Hämmerle, Gerlinde Dr. Sopart, Hans-Joachim Hampel, Manfred Eugen Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal Dr. Süssmuth, Rita Hanewinckel, Christel fragen: Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimm- Dr. Voigt (Northeim), Dr. Hartenstein, Liesel karte abgegeben? — Das ist offensichtlich der Fall. Hans-Peter Hasenfratz, Klaus Dr. Wieczorek (Auerbach), Dr. Hauchler, Ingomar Ich schließe damit die Abstimmung, bitte die Bertram Heistermann, Dieter Schriftführer mit der Auszählung zu beginnen, und Wonneberger, Michael Heyenn, Günther unterbreche die Sitzung. Würzbach, Peter Kurt Hiller (Lübeck), Reinhold Hilsberg, Stephan (Unterbrechung von 00.45 bis 00.51 Uhr) Dr. Holtz, Uwe Horn, Erwin SPD Huonker, Gunter Ibrügger, Lothar Adler, Brigitte Iwersen, Gabriele Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Andres, Gerd Jäger, Renate Bachmaier, Hermann Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröff- Janz, Ilse Barbe, Angelika Dr. Janzen, Ulrich net. Bartsch, Holger Jaunich, Horst Ich weise noch einmal darauf hin, daß wir in knapp Becker (Nienberge), Helmuth Dr. Jens, Uwe Becker-Inglau, Ingrid Jung (Düsseldorf), Volker zwei Stunden acht namentliche Abstimmungen zu Berger, Hans Jungmann (Wittmoldt), Horst diesem wichtigen Thema durchgeführt haben. Ich Bernrath, Hans Gottfried Kastner, Susanne bedanke mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, für Beucher, Friedhelm Julius Kastning, Ernst die außerordentliche Disziplin und Hilfsbereitschaft Bindig, Rudolf Kirschner, Klaus Blunck, Lieselott Klappert, Marianne bei dieser Abstimmungsserie. Bock, Thea Klemmer, Siegrun Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Dr. Böhme (Unna), Ulrich Klose, Hans-Ulrich über den Börnsen (Ritterhude), Arne Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Ergebnis der namentlichen Abstimmung Brandt-Elsweier, Anni Körper, Fritz Rudolf Gesetzentwurf auf Drucksache 12/2605 (neu) be- Dr. Brecht, Eberhard Kolbe, Regina kannt. Büchler (Hof), Hans Kolbow, Walter 8378 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker Koltzsch, Rolf Schröter, Gisela Gries, Ekkehard BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Koschnick, Hans Grünbeck, Josef Schröter, Karl-Heinz Dr. Feige, Kretkowski, Volkmar Grüner, Martin Klaus-Dieter Schütz, Dietmar Poppe, Gerd Kubatschka, Horst Schulte (Hameln), B rigitte Günther (Plauen), Joachim Dr. Kübler, Klaus Dr. Guttmacher, Karlheinz Schulz (Berlin), Werner Dr. Schuster, Werner Dr. Ullmann, Wolfgang Kuessner, Hinrich Hackel, Heinz-Dieter Schwanhold, Ernst Weiß (Berlin), Konrad Dr. Küster, Uwe Hansen, Dirk Schwanitz, Rolf Wollenberger, Vera Kuhlwein, Eckart Seidenthal, Bodo Dr. Haussmann, Helmut Lambinus, Uwe Seuster, Lisa Heinrich, Ulrich Lange, Brigitte Sielaff, Horst Dr. Hirsch, Burkhard Fraktionslos von Larcher, Detlev Simm, Erika Dr. Hitschler, Walter Leidinger, Robert Singer, Johannes Homburger, Birgit Dr. Briefs, Ulrich Lennartz, Klaus Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Hoth, Sigrid Henn, Bernd Dr. Leonhard-Schmid, Elke Dr. Soell, Hartmut Dr. Hoyer, Werner Lohmann (Witten), Klaus Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Irmer, Ulrich Dr. Lucyga, Christine Sorge, Wieland Kleinert (Hannover), Detlef Nein Maaß (Herne), Dieter Dr. Sperling, Dietrich Kohn, Roland CDU/CSU Marx, Dorle Steen, Antje-Ma rie Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Mascher, Ulrike Steiner, Heinz-Alfred Koppelin, Jürgen Dr. Altherr, Walter Matschie, Christoph Stiegler, Ludwig Kubicki, Wolfgang Augustin, Anneliese Dr. Matterne, Dietmar Dr. Struck, Peter Dr.-Ing. Laermann, Karl-H ans Augustinowitz, Jürgen Matthäus-Maier, Ingrid Tappe, Joachim Dr. Graf Lambsdorff, Otto Austermann, Diet rich Mattischeck, Heide Terborg, Margitta Leutheusser-Schnarrenberger, Bargfrede, Heinz-Günther Mehl, Ulrike Dr. Thalheim, Gerald Sabine Dr. Bauer, Wolf Meißner, Herbert Thierse, Wolfgang Lüder, Wolfgang Baumeister, Brigitte Dr. Mertens (Bottrop), Titze, Uta Lühr, Uwe Bayha, Richard Franz-Josef Toetemeyer, Hans-Günther Dr. Menzel, Bruno Belle, Meinrad Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Urbaniak, Hans-Eberhard Mischnick, Wolfgang Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Mosdorf, Siegmar Vergin, Siegfried Möllemann, Jürgen W. Dr. Blank, Joseph-Theodor Müller (Düsseldorf), Michael Verheugen, Günter Nolting, Günther Friedrich Blank, Renate Müller (Pleisweiler), Albrecht Dr. Vogel, Hans-Jochen Dr. Ortleb, Rainer Dr. Blens, Heribert Müller (Schweinfurt), Rudolf Voigt (Frankfurt), Karsten D. Otto (Frankfurt), Bleser, Peter Müller (Völklingen), Jutta Vosen, Josef Hans-Joachim Dr. Blüm, Norbert Müller (Zittau), Christian Wagner, Hans Georg Peters, Lisa Böhm (Melsungen), Wilfried Müntefering, Franz Wallow, Hans Dr. Pohl, Eva Dr. Böhmer, Maria Neumann (Bramsche), Volker Waltemathe, Ernst Richter (Bremerhaven), Dr. Bötsch, Wolfgang Neumann (Gotha), Gerhard Walter (Cochem), Ralf Manfred Bohl, Friedrich Dr. Niehuis, Edith Walther (Zierenberg), Rudi Rind, Hermann Bohlsen, Wilfried Dr. Niese, Rolf Wartenberg (Berlin), Gerd Dr. Röhl, Klaus Borchert, Jochen Niggemeier, Horst Dr. Wegner, Konstanze Schäfer (Mainz), Helmut Brähmig, Klaus Odendahl, Doris Weiermann, Wolfgang Schmalz-Jacobsen, Cornelia Breuer, Paul Oesinghaus, Günter Weiler, Barbara Schmidt (Dresden), Arno Brudlewsky, Monika Opel, Manfred Weis (Stendal), Reinhard Dr. Schmieder, Jürgen Brunnhuber, Georg Ostertag, Adolf Weißgerber, Gunter Dr. Sehmittler, Christoph Bühler (Bruchsal), Klaus Dr. Otto, Helga Weisskirchen (Wiesloch), Gert Schüßler, Gerhard Buwitt, Dankward Paterna, Peter Welt, Hans-Joachim Schuster, Hans Carstens (Emstek), Manfred Dr. Penner, Willfried Wester, Hildegard Dr. Schwaetzer, Irmgard Clemens, Joachim Peter (Kassel), Horst Westrich, Lydia Sehn, Marita Dehnel, Wolfgang Dr. Pfaff, Martin Wettig-Danielmeier, Inge Seiler-Albring, Ursula Dempwolf, Gertrud Pfuhl, Albert Dr. Wetzel, Margrit Dr. Semper, Sigrid Deres, Karl Dr. Pick, Eckhart Weyel, Gudrun Dr. Solms, Hermann Otto Deß, Albert Poß, Joachim Dr. Wieczorek, Norbert Dr. Stamick, Jürgen Diemers, Renate Purps, Rudolf Wieczorek (Duisburg), Helmut Dr. von Teichman, Cornelia Dörflinger, Werner Rappe (Hildesheim), Hermann Wieczorek-Zeul, Heidemarie Thiele, Carl-Ludwig Doss, Hansjürgen Reimann, Manfred Wiefelspütz, Dieter Dr. Thomae, Dieter Echternach, Jürgen Rempe, Walter Wimmer (Neuötting), Timm, Jürgen Ehlers, Wolfgang von Renesse, Margot Hermann Türk, Jürgen Ehrbar, Udo Rennebach, Renate Dr. de With, Hans Walz, Ingrid Eichhorn, Maria Reschke, Otto Wittich, Berthold Dr. Weng (Gerlingen), Engelmann, Wolfgang Reuschenbach, Peter W. Wohlleben, Verena Wolfgang Eppelmann, Rainer Reuter, Bernd Wolf, Hanna Wolfgramm (Göttingen), Eymer, Anke Rixe, Günter Zapf, Uta Torsten Falk, Ilse Roth, Wolfgang Dr. Zöpel, Christoph Würfel, Uta Dr. Faltlhauser, Kurt Schäfer (Offenburg), Zurheide, Burkhard Dr. Fell, Karl Harald B. Zywietz, Werner Fischer (Hamburg), Dirk Schaich-Walch, Gudrun Fischer (Unna), Leni Schanz, Dieter F.D.P. Fockenberg, Winfried Dr. Scheer, Hermann Francke (Hamburg), Klaus Scheffler, Siegfried Willy Albowitz, Ina Frankenhauser, Herbert Schily, Otto Dr. Babel, Gisela PDS/Linke Liste Dr. Friedrich, Gerhard Schloten, Dieter Baum, Gerhart Rudolf Fritz, Erich G. Schluckebier, Günter Bredehorn, Günther Dr. Fischer, Ursula Fuchtel, Hans-Joachim Schmidbauer (Nürnberg), Eimer (Fürth), Norbert Dr. Fuchs, Ruth Ganz (St. Wendel), Johannes Bernd Engelhard, H ans A. Dr. Gysi, Gregor Geiger, Michaela Schmidt (Aachen), Ursula Dr. Feldmann, Olaf Dr. Heuer, Uwe-Jens Geis, Norbert Schmidt (Nürnberg), Renate Friedhoff, Paul Jelpke, Ulla Dr. Geißler, Heiner Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Friedrich, Horst Dr. Keller, Dietmar Dr. von Geldern, Wolfgang Schmidt-Zadel, Regina Funke, Rainer Dr. Modrow, Hans Gerster (Mainz), Johannes Dr. Schmude, Jürgen Dr. Funke-Schmitt-Rink, Philipp, Ingeborg Glos, Michael Dr. Schnell, Emil Margret Dr. Schumann (Kroppenstedt), Dr. Göhner, Reinhard Dr. Schöfberger, Rudolf Ganschow, Jörg Fritz Götz, Peter Schreiner, Ottmar Genscher, Hans-Diet rich Stachowa, Angela Dr. Götzer, Wolfgang Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8379

Vizepräsident Helmuth Becker Gres, Joachim Löwisch, Sigrun Schmidt (Mühlheim), Andreas SPD Grochtmann, Elisabeth Lohmann (Lüdenscheid), Schmidt (Spiesen), Trudi Gröbl, Wolfgang Wolfgang Schmitz (Baesweiler), Antretter, Robert Grotz, Claus-Peter Louven, Julius Hans Peter Dr. Wernitz, Axel Dr. Grünewald, Joachim Lummer, Heinrich von Schmude, Michael Günther (Duisburg), Horst Dr. Luther, Michael Dr. Schneider (Nürnberg), Frhr. von Hammerstein, Maaß (Wilhelmshaven), Erich Oscar F.D.P. Carl-Detlev Männle, Ursula Dr. Schockenhoff, Andreas Haschke (Jena-Ost), Udo Magin, Theo Dr. Scholz, Rupert Cronenberg (Arnsberg), Hasselfeldt, Gerda Dr. Mahlo, Dietrich Frhr. von Schorlemer, Dieter-Julius Haungs, Rainer Marienfeld, Claire Reinhard Gallus, Georg Hauser (Esslingen), Otto Marschewski, Erwin Dr. Schreiber, Harald Paintner, Johann Hauser (Rednitzhembach), Marten, Günter Schulhoff, Wolfgang Hansgeorg Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Schulte (Schwäbisch Hedrich, Klaus-Jürgen Martin Gmünd), Dieter PDS/Linke Liste Heise, Manfred Meckelburg, Wolfgang Schwalbe, Clemens Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Meinl, Rudolf Horst Schwarz, Stefan Bläss, Petra Hintze, Peter Dr. Meseke, Hedda Dr. Schwarz-Schilling, Dr. Seifert, Ilja Hörsken, Heinz-Adolf Dr. Meyer zu Bentrup, Christian Hörster, Joachim Reinhard Dr. Schwörer, Hermann Dr. Hoffacker, Paul Michalk, Maria Seehofer, Horst Fraktionslos Hollerith, Josef Michels, Meinolf Seesing, Heinrich Dr. Hornhues, Karl-Heinz Dr. Möller, Franz Seibel, Winfried Lowack, Ortwin Hornung, Siegfried Dr. Müller, Günther Seiters, Rudolf Hüppe, Hubert Müller (Kirchheim), Elmar Sikora, Jürgen Jäger, Claus Müller (Wadern), Sothmann, Bärbel Jaffke, Susanne Hans-Werner Spilker, Karl-Heinz Jagoda, Bernhard Müller (Wesseling), Alfons Spranger, Carl-Dieter Dr. Jahn (Münster), Nelle, Engelbert Dr. Sprung, Rudolf Enthalten Friedrich-Adolf Dr. Neuling, Christian Steinbach-Hermann, Erika Janovsky, Georg Neumann (Bremen), Bernd Dr. Stercken, Hans Jeltsch, Karin Nitsch, Johannes Dr. Frhr. von Stetten, CDU/CSU Dr. Jobst, Dionys Nolte, Claudia Wolfgang Dr.-Ing. Jork, Reiner Ost, Friedhelm Stockhausen, Karl Carstensen (Nordstand), Dr. Jüttner, Egon Oswald, Eduard Dr. Stoltenberg, Gerhard Peter Harry Jung (Limburg), Michael Otto (Erfurt), Norbert Strube, Hans-Gerd Feilcke, Jochen Junghanns, Ulrich Dr. Päselt, Gerhard Stübgen, Michael Gibtner, Horst Dr. Kahl, Harald Dr. Paziorek, Peter Paul Susset, Egon Haschke (Großhennersdorf), Kalb, Bartholomäus Pesch, Hans-Wilhelm Tillmann, Ferdinand Gottfried Kampeter, Steffen Pfeffermann, Gerhard O. Dr. Töpfer, Klaus Dr. Merkel, Angela Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Pfeifer, Anton Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Kappes, Franz-Hermann Dr. Pinger, Winfried Uldall, Gunnar Dr. Olderog, Rolf Karwatzki, Irmgard Pofalla, Ronald Verhülsdonk, Roswitha Kauder, Volker Dr. Pohler, Hermann Vogel (Ennepetal), Friedrich Keller, Peter Dr. Probst, Albert Vogt (Düren), Wolfgang SPD Kiechle, Ignaz Dr. Protzner, Bernd Dr. Vondran, Ruprecht Kittelmann, Peter Pützhofen, Dieter Dr. Waffenschmidt, Horst Koschnick, Hans Klein (Bremen), Günter Raidel, Hans Dr. Waigel, Theodor Oostergetelo, Jan Klein (München), Hans Dr. Ramsauer, Peter Graf von Waldburg-Zeil, Alois Tietjen, Günther Klinkert, Ulrich Rauen, Peter Harald Dr. Warnke, Jürgen Köhler (Hainspitz), Rawe, Wilhelm Dr. Warrikoff, Alex ander Hans-Ulrich Reddemann, Gerhard Werner (Ulm), Herbert F.D.P. Dr. Köhler (Wolfsburg), Regenspurger, Otto Wetzel, Kersten Volkmar Dr. Reinartz, Berthold Wiechatzek, Gabriele van Essen, Jörg Dr. Kohl, Helmut Reinhardt, Erika Dr. Wilms, Dorothee Kors, Eva-Maria Repnik, Hans-Peter Wilz, Bernd Koschyk, Hartmut Dr. Rieder, Norbert Wimmer (Neuss), Willy PDS/Linke Liste Kossendey, Thomas Dr. Riedl (München), Erich Dr. Wisniewski, Roswitha Kraus, Rudolf Riegert, Klaus Wissmann, Matthias Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Krause (Börgerende), Dr. Riesenhuber, Heinz Dr. Wittmann, Fritz Dr. Höll, Barbara Günther Ringkamp, Werner Wittmann (Tännesberg), Lederer, Andrea Dr. Krause (Bonese), Rode (Wietzen), Helmut Simon Rudolf Karl Rönsch (Wiesbaden), Wülfing, Elke Krey, Franz Heinrich Hannelore Yzer, Cornelia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kriedner, Arnulf Romer, Franz-Xaver Zeitlmann, Wolfgang Kronberg, Heinz-Jürgen Dr. Rose, Klaus Zierer, Benno Köppe, Ingrid Dr.-Ing. Krüger, Paul Rossmanith, Kurt J. Zöller, Wolfgang Schenk, Christina Krziskewitz, Reiner Eberhard Roth (Gießen), Adolf Lamers, Karl Rother, Heinz Dr. Lammert, Norbert Dr. Ruck, Christian Lamp, Helmut Johannes Rühe, Volker Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung Lattmann, Herbert Dr. Rüttgers, Jürgen angenommen. Dr. Laufs, Paul Sauer (Salzgitter), Helmut Laumann, Karl Josef Sauer (Stuttgart), Rol and Lehne, Klaus-Heiner Schätzle, Ortrun (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen Dr. Lehr, Ursula Dr. Schäuble, Wolfgang und Gruppen) Lenzer, Christian Schartz (Trier), Günther Limbach, Editha Schemken, Heinz Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen noch Link (Diepholz), Walter Scheu, Gerhard folgendes bekanntgeben: Es liegen uns zahlreiche Lintner, Eduard Schmalz, Ulrich Dr. Lippold (Offenbach), Schmidbauer, Bernd Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 der Ge- Klaus W. Schmidt (Fürth), Christian schäftsordnung vor, die schriftlich abgegeben worden 8380 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Vizepräsident Helmuth Becker sind und die zu Protokoll genommen werden. *) Aber Ich muß deshalb befürchten, daß das Bundesverfas- es gibt auch eine Wortmeldung zu § 31 der Geschäfts- sungsgericht bei einer entsprechenden Klage einfach ordnung, und zwar vom Kollegen Gysi. Ich möchte mit dem Hinweis darauf, daß die Gleichheit vor dem ihm das Wort erteilen. Gesetz es nicht zuläßt, daß ungleiche rechtliche Ver- hältnisse in beiden Teilen Deutschlands unbef ristet (Unruhe) gelten, gezwungen wäre, diesen Satz aufzuheben. Herr Kollege Gysi, ich bitte Sie noch einem Moment Wenn dieser Satz aus dem Einigungsvertrag aufgeho- um Geduld. ben würde, hätte das zur Folge, daß unmittelbar Meine Damen und Herren, ich bitte, dafür Sorge zu danach das bisherige Bundesrecht in den neuen tragen, daß wir diese Sitzung ordnungsgemäß been- Bundesländern gilt. den können und daß der Redner hier zu Wort kommen Das hätte zur Folge, daß für die Frauen in den neuen kann. Bundesländern dann die Indikationsregelung gilt, wie sie bisher in der Bundesrepublik Deutschland galt. Das wollte und konnte ich den Frauen in den neuen (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! Dr. Gregor Gysi Bundesländern nicht zumuten. Deshalb habe ich, Meine Damen und Herren! Wenn ich mich rechtzeiti- zwar auch zum Teil gegen meine Auffassung, aber ger entschieden hätte, hätte ich die Erklärung zu eben aus dieser Motivation heraus mit Ja gestimmt. Protokoll gegeben. So muß ich es mündlich tun, einfach deshalb, weil ich zumindest scheinbar im Ich füge hinzu, ich konnte dem Zweiten Senat des Widerspruch auch zu Dingen, die als Meinung meiner Bundesverfassungsgerichts dort nicht ganz trauen, Partei vertreten werden, gehandelt habe, indem ich zu schon deshalb, weil dort sieben Männer sitzen und nur diesem Gruppenantrag in zweiter und dritter Bera- eine Frau. tung ja gesagt habe. Ich will wenigstens die Gelegen- Danke schön. heit haben, dies kurz zu erklären. (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Ich bin der Auffassung, daß das nun angenommene Gesetz eine Verschlechterung für die Frauen in den neuen Bundesländern ist. Deswegen hatte ich Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und zunächst eine Haltung dagegen eingenommen. Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir Ich muß andererseits akzeptieren, daß im Eini- sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesord- gungsvertrag eine Regelung enthalten ist, die ich für nung. bedenklich halte, nämlich die, daß dann, wenn keine Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- gesetzliche Regelung zustande kommt, in beiden destages auf heute morgen, 8.00 Uhr, ein. Teilen Deutschlands das unterschiedliche materielle Recht unbefristet weiter gilt. Die Sitzung ist geschlossen.

*) Werden in einem Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll abge- druckt (Schluß der Sitzung: 0.58 Uhr)

Berichtigung

98. Sitzung, Seite 8215 B, 13. Zeile von unten: Statt „73" ist „81" zu lesen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8381*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Dr. Hellwig, Renate Rahardt-Vahldieck, Susanne Hinsken, Ernst Raidel, Hans Liste der entschuldigten Abgeordneten Hintze, Peter Dr. Ramsauer, Peter Hörster, Joachim Rau, Rolf Dr. Hoffacker, Paul Rauen, Peter Harald entschuldigt bis Abgeordnete(r) Hollerith, Josef Rawe, Wilhelm einschließlich Dr. Hornhues, Karl-Heinz Reichenbach, Klaus Hornung, Siegfried Repnik, Hans-Peter Brandt, Willy SPD 25. 06. 92 Jagoda, Bernhard Dr. Rieder, Norbert Doss, Hansjürgen CDU/CSU 25. 06. 92 Dr. Jahn (Münster), Dr. Riedl (München), Erich Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 25. 06. 92 Friedrich-Adolf Riegert, Klaus Gattermann, Hans H. F.D.P. 25. 06. 92 Janovsky, Georg Dr. Riesenhuber, Heinz Dr. Jobst, Dionys Ringkamp, Werner Genscher, Hans-Diet rich F.D.P. 25. 06. 92 Junghanns, Ulrich Rode (Wietzen), Helmut Dr. Hauchler, Ingomar SPD 25. 06. 92 Kalb, Bartholomäus Rönsch (Wiesbaden), Marten, Günter CDU/CSU 25. 06. 92* Kampeter, Steffen Hannelore Dr. Kappes, Franz-Hermann Romer, Franz-Xaver Dr. Pohl, Eva F.D.P. 25. 06. 92 Karwatzki, Irmgard Rother, Heinz Rempe, Walter SPD 25. 06. 92 Keller, Peter Rühe, Volker Graf von Schönburg- CDU/CSU 25. 06. 92 Kittelmann, Peter Dr. Rüttgers, Jürgen Glauchau, Joachim Klein (Bremen), Günter Schätzle, Ortrun Köhler (Hainspitz), Dr. Schäuble, Wolfgang Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 25. 06. 92 Hans-Ulrich Schemken, Heinz * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Dr. Köhler (Wolfsburg), Scheu, Gerhard Volkmar Schmidbauer, Bernd Dr. Kohl, (Fürth), Christian Kors, Eva-Maria Dr. Schmidt (Halsbrücke), Kraus, Rudolf Joachim Dr. Krause (Börgerende), Schmitz (Baesweiler), Günther Hans Peter Anlage 2 Dr. Krause (Bonese), Dr. Schneider (Nürnberg), Endgültiges Ergebnis Rudolf Karl Oscar Krause (Dessau), Wolfgang Dr. Schockenhoff, Andreas der namentlichen Abstimmung über die Krey, Franz Heinrich Dr. Scholz, Rupert Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses Dr.-Ing. Krüger, Paul Frhr. von Schorlemer, zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Krziskewitz, Reiner Eberhard Reinhard der CDU/CSU und der F.D.P. zur Lamers, Karl Dr. Schulte (Schwäbisch Lattmann, Herbert Gmünd), Dieter vereinbarten Debatte zur Menschenrechtspolitik Dr. Laufs, Paul Schulz (Leipzig), Gerhard (Drucksache 12/2857) Laumann, Karl-Josef Schwalbe, Clemens Lehne, Klaus-Heiner Dr. Schwarz-Schilling, Abgegebene Stimmen: 467 ; Diemers, Renate Lenzer, Christian Christian Dörflinger, Werner Dr. Lieberoth, Immo Dr. Schwörer, Hermann davon Dr, Dregger, Alfred Link (Diepholz), Walter Seehofer, Horst ja: 257 Echternach, Jürgen Lintner, Eduard Seesing, Heinrich Ehlers, Wolfgang Dr. Lippold (Offenbach), Seibel, Winfried nein: 193 Ehrbar, Udo Klaus W. Sikora, Jürgen enthalten: 17 Engelmann, Wolfgang Dr. sc. Lischewski, M anfred Dr. Sopart, Hans-Joachim Eylmann, Horst Löwisch, Sigrun Spilker, Karl-Heinz Falk, Ilse Lohmann (Lüdenscheid), Dr. Sprung, Rudolf Ja Dr. Faltlhauser, Kurt Wolfgang Steinbach-Hermann, Erika Dr. Fell, Karl Louven, Julius Dr. Stercken, Hans CDU/CSU Fischer (Hamburg), Dirk Erik Maaß (Wilhelmshaven), Erich Dr. Frhr. von Stetten, Francke (Hamburg), Klaus Magin, Theo Wolfgang Adam, Ulrich Dr. Friedrich, Gerhard Marschewski, Erwin Stockhausen, Karl Dr. Ackermann, Else Fuchtel, Hans-Joachim Marten, Günter Dr. Stoltenberg, Gerhard Bargfrede, Heinz-Günther Geiger, Michaela Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Stübgen, Michael Baumeister, Brigitte Geis, Norbert Martin Susset, Egon Bayha, Richard Gibtner, Horst Meckelburg, Wolfgang Tillmann, Ferdinand Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Glos, Michael Meinl, Rudolf Horst Dr. Töpfer, Klaus Bierling, Hans-Dirk Dr. Göhner, Reinhard Dr. Merkel, Angela Dorothea Uldall, Gunnar Blank, Renate Göttsching, Martin Dr. Meseke, Hedda Verhülsdonk, Roswitha Dr. Blens, Heribert Götz, Peter Michalk, Maria Vogel (Ennepetal), Friedrich Bleser, Peter Dr. Götzer, Wolfgang Michels, Meinolf Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Blüm, Norbert Gres, Joachim Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Warnke, Jürgen Dr. Bötsch, Wolfgang Grochtmann, Elisabeth Dr. Möller, Franz Dr. Warrikoff, Alexander Bohl, Friedrich Gröbl, Wolfgang Molnar, Thomas Werner (Ulm), Herbert Brähmig, Klaus Frhr. von Hammerstein, Müller (Kirchheim), Elmar Dr. Wieczorek (Auerbach), Breuer, Paul Carl-Detlev Müller (Wesseling), Alfons Bertram Brudlewsky, Monika Harries, Klaus Nelle, Engelbert Wilz, Bernd Brunnhuber, Georg Haschke (Großhennersdorf), Nolte, Claudia Wissmann, Matthias Bühler (Bruchsal), Klaus Gottfried Oswald, Eduard Dr. Wittmann, Fritz Büttner (Schönebeck), Haschke (Jena-Ost), Udo Otto (Erfurt), Norbert Wittmann (Tännesberg), Hartmut Hasselfeldt, Gerda Dr. Paziorek, Peter Paul Simon Buwitt, Dankward Haungs, Rainer Petzold, Ulrich Wülfing, Elke Carstensen (Nordstrand), Hauser (Esslingen), Otto Pfeifer, Anton Yzer, Cornelia Peter Harry Hauser (Rednitzhembach), Dr. Pohler, Herm ann Zeitlmann, Wolfgang Clemens, Joachim Hansgeorg Priebus, Rosemarie Zierer, Benno Deß, Albert Heise, Manfred Dr. Protzner, Bernd Zöller, Wolfgang 8382* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

F.D.P. Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Ibrügger, Lothar Weiermann, , Wolfgang Iwersen, Gabriele Weiler, Barbara Albowitz, Ina Eichhorn, Maria Janz, Ilse Weisskirchen (Wiesloch), Gert Dr. Babel, Gisela Fritz, Erich G. Jaunich, Horst Dr. Wernitz, Axel Beckmann, Klaus Dr. Geißler, Heiner Kastner, Susanne Wester, Hildegard Bredehorn, Günther Grotz, Claus-Peter Kirschner, Klaus Westrich, Lydia Cronenberg (Arnsberg), Hörsken, Heinz-Adolf Klappert, Marianne Weyel, Gudrun Dieter-Julius Hüppe, Hubert Klemmer, Siegrun Dr. Wieczorek, Norbe rt Eimer (Fürth), Norbert Jäger, Claus Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Heidemarie Wieczorek-Zeul, Engelhard, Hans A. Jeltsch, Karin Kolbow, Walter Wiefelspütz, Dieter van Essen, Jörg Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Koltzsch, Rolf Wimmer (Neuötting), Friedhoff, Paul Kauder, Volker Kretkowski, Volkmar Hermann Friedrich, Horst Koschyk, Hartmut Kubatschka, Horst Dr. de With, Hans Funke, Rainer Kronberg, Heinz-Jürgen Dr. Kübler, Klaus Wittich, Berthold Dr. Funke-Schmitt-Rink, Lamp, Helmut Johannes Dr. Küster, Uwe Wohlleben, Verena Ingeburg Margret Limbach, Editha Kuhlwein, Eckart Wolf, Hanna Gallus, Georg Lummer, Heinrich Lambinus, Uwe Zapf, Uta Genscher, Hans-Dietrich Reinhardt, Erika Lange, Brigitte Gries, Ekkehard Dr. Ruck, Christian von Larcher, Detlev Grünbeck, Josef Sauer (Salzgitter), Helmut Dr. Leonhard-Schmid, Elke F.D.P. Grüner, Martin Schmalz, Ulrich Dr. Lucyga, Christine Günther (Plauen), Joachim Graf von Schönburg Maaß (Heme), Dieter Ganschow, Jörg Dr. Guttmacher, Karlheinz -Glauchau, Joachim Marx, Dorle Kohn, Roland Hackel, Heinz-Dieter Dr. Schreiber, Harald Mascher, Ulrike Hansen, Dirk Schwarz, Stefan Matschie, Christoph Dr. Süssmuth, Rita Heinrich, Ulrich Matthäus-Maier, Ingrid PDS/Linke Liste Homburger, Birgit Vogt (Düren), Wolfgang Mattischeck, Heide Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Hoyer, Werner Meckel, Markus Bläss, Petra Wetzel, Kersten Irmer, Ulrich Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Dr. Enkelmann, Dagmar Wonneberger, Michael Kleinert (Hannover), Detlef Müller (Pleisweiler), Albrecht Dr. Fischer, Ursula Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Müller (Schweinfurt), Rudolf Dr. Fuchs, Ruth Koppelin, Jürgen Müller (Völklingen), Jutta Jelpke, Ulla Kubicki, Wolfgang SPD Müntefering, Franz Lederer, Andrea Dr.-Ing. Laermann, Karl-H ans Neumann (Bramsche), Volker Dr. Seifert, Ilja Dr. Graf Lambsdorff, Otto Adler, Brigitte Dr. Niehuis, Edith Leutheusser-Schnarrenberger, Antretter, Robert Dr. Niese, Rolf Sabine Bachmaier, Hermann Odendahl, Doris 90/DIE GRÜNEN Lüder, Wolfgang Becker (Nienberge), Helmuth Oesinghaus, Günter BÜNDNIS Lühr, Uwe Becker-Inglau, Ing rid Oostergetelo, J an Dr. Feige, Klaus-Dieter Dr. Menzel, Bruno Bernrath, Hans Gottfried anfred Opel, M Köppe, Ingrid Nolting, Günther Friedrich Beucher, Friedhelm Julius Ostertag, Adolf Poppe, Gerd Dr. Ortleb, Rainer Bindig, Rudolf Dr. Otto, Helga Schenk, Christina Paintner, Johann Blunck, Lieselott Peter (Kassel), Horst Schulz (Berlin), Werner Richter (Bremerhaven), Dr. Böhme (Unna), Ulrich Dr. Pfaff, Martin Dr. Ullmann, Wolfgang Manfred Brandt-Elsweier, Anni Pfuhl, Albert Weiß (Berlin), Konrad Rind, Hermann Dr. von Bülow, Andreas Dr. Pick, Eckhart Wollenberger, Vera Dr. Röhl, Klaus Büttner (Ingolstadt), Hans von Renesse, Margot Schmalz-Jacobsen, Cornelia Bury, Hans Martin Rixe, Günter Schmidt (Dresden), Arno Caspers-Merk, Marion Schanz, Dieter Dr. Schmieder, Jürgen Catenhusen, Wolf-Michael Scheffler, Siegfried Willy Fraktionslos Schüßler, Gerhard Conradi, Peter Schmidbauer (Nürnberg), Schuster, Hans Dr. Däubler-Gmelin, Herta Bernd Dr. Briefs, Ulrich Dr. Schwaetzer, Irmgard Daubertshäuser, Klaus Schmidt (Aachen), Ursula Lowack, Ortwin Seiler-Albring, Ursula Dr. Dobberthien, Marliese Schmidt (Nürnberg), Renate Dr. Semper, Sigrid Dreßler, Rudolf Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Dr. Solms, Hermann Otto Duve, Freimut Schmidt-Zadel, Regina Dr. Starnick, Jürgen Ebert, Eike Dr. Schmude, Jürgen Enthalten Dr. von Teichman, Cornelia Dr. Eckardt, Peter Dr. Schöfberger, Rudolf Dr. Thomae, Dieter Dr. Elmer, Konrad Schreiner, Ottmar CDU/CSU Türk, Jürgen Ferner, Elke Schröter, Gisela Walz, Ingrid Fischer (Gräfenhainichen), Schütz, Dietmar Eppelmann, Rainer Wolfgramm (Göttingen), Evelin Schulte (Hameln), B rigitte Dr.-Ing. Jork, Reiner Torsten Fischer (Homburg), Lothar Dr. Schuster, Werner Dr. Jüttner, Egon Zurheide, Burkhard Fuhrmann, Arne Schwanhold, Ernst Kossendey, Thomas Gansel, Norbert Seidenthal, Bodo Dr. Mahlo, Diet rich Dr. Gautier, Fritz Simm, Erika Dr. Meyer zu Bentrup, PDS/Linke Liste Gilges, Konrad Dr. Soell, Hartmut Reinhard Gleicke, Iris Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Dr. Päselt, Gerhard Dr. Heuer, Uwe-Jens Graf, Günter Sorge, Wieland Dr. Pinger, Winfried Haack (Extertal), Dr. Sperling, Dietrich Reddemann, Gerhard Karl-Hermann Steen, Antje-Marie Schmidt (Spiesen), Trudi Fraktionslos Habermann, Frank-Michael Stiegler, Ludwig Skowron, Werner Hacker, Hans-Joachim Dr. Struck, Peter Sothmann, Bärbel Henn, Bernd Hämmerle, Gerlinde Tappe, Joachim Hanewinckel, Christel Terborg, Margitta Dr. Hartenstein, Liesel Dr. Thalheim, Gerald PDS/Linke Liste Nein Hasenfratz, Klaus Titze, Uta Dr. Hauchler, Ingomar Vergin, Siegfried Dr. Gysi, Gregor CDU/CSU Heistermann, Dieter Verheugen, Günter Dr. Keller, Dietmar Hiller (Lübeck), Reinhold Dr. Vogel, Hans-Jochen Dr. Modrow, Hans Augustin, Anneliese Dr. Holtz, Uwe Voigt (Frankfurt), Karsten D. Philipp, Ingeborg Augustinowitz, Jürgen Horn, Erwin Wallow, Hans Stachowa, Angela Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8383*

Anlage 3 ermöglichen soll, Ihre Pflicht getan zu haben. Nie- mand — auch nicht im UN-Weltsicherheitsrat — wird Zu Protokoll gegebene Rede leichtfertig für einen Beschluß plädieren, der einen des Abgeordneten Dr. Werner Hoyer (F.D.P.) Einsatz von Streitkräften zur Wiederherstellung des zu Tagesordnungspunkt 7 Friedens zur Folge hat. Doch sollte es dennoch einmal (Abrüstungspolitische Vorlagen und Vorlage dazu kommen, wäre es unverantwortlich und im zur Beteiligung der Bundeswehr an Einsätzen Widerspruch zu unseren mit der Ratifikation der außerhalb des NATO-Vertragsgebietes) *) UN-Charta übernommenen Pflichten, wenn wir Deut- schen hinter einer Nebelwand aus vermeintlich pazi- fistischen, in Wahrheit aber eher eskapistischen Sprü- Der Antrag der Gruppe der PDS schließt in der ihm chen von vornherein bedingungslos und mit Verweis eigenen Rigorosität militärische Mittel als Beitrag zur auf uns leider bindende, in Wahrheit aber höchst Konfliktlösung aus. Dies ist aus Sicht der Antragsteller angenehme und bequeme verfassungsrechtliche sicherlich konsequent. Wir Freien Demokraten sind Schranken abseits stehen. aber nicht bereit, eine unverantwortliche Position zur Grundlage unserer Friedens- und Sicherheitspolitik Wir haben in dem schon erwähnten Hamburger zu machen. Es geht nicht um Wiederherstellung Beschluß auch gefordert, daß die Entsendung von der Kriegsführungsfähigkeit der Bundesrepublik Streitkräften der Bundeswehr zu Kampfeinsätzen an Deutschland, wenn damit die Vorbereitung eines die Bedingung geknüpft ist, daß andere Mitgliedstaa- Angriffskrieges gemeint sein sollte. Dies wäre verfas- ten der Europäischen Gemeinschaft sich durch Ent- sungswidrig. Es ist völlig unstrittig, daß bei internatio- sendung von Kampfverbänden ihrer Streitkräfte nalen Krisen immer alle politischen und diplomati- ebenfalls beteiligen. Das Stichwort kann also auch in schen Mittel ausgeschöpft werden müssen, bevor es dem heute zur Debatte stehenden Zusammenhang zum Einsatz von Streitkräften als ultima ratio kommen nur „Europäisierung von Sicherheits- und Verteidi- darf. Die friedenserhaltende und friedenssichernde gungspolitik " lauten. Eine Renationalisierung dieser Funktion deutscher Streitkräfte ist unbestreitbar. Nie- Politik — und sei es durch moralische Überheblichkeit mand bei uns Liberalen hat Sehnsucht danach, mit bedingtes Beiseitestehen —, gefährdet die internatio- schimmernder Wehr die Welt am deutschen Wesen nale Glaubwürdigkeit unseres Landes. genesen zu lassen. Ich hoffe sehr, daß sich auch die Sozialdemokraten Es geht darum, daß wir Deutschen auf Basis der zu dieser Erkenntnis durchringen. Wir sind ja durch- Charta der Vereinten Nationen und des KSZE-Vertra- aus bereit, Brücken zu bauen, weil wir einen möglichst ges nach Herstellung der staatlichen Einheit unserer breiten Konsens wollen. Deshalb müssen diese Brük- internationalen Verantwortung voll gerecht werden. ken natürlich auch tragfähig sein. Aber sie müssen Es gibt keinen Grund mehr, sich dieser Verantwor- dann eben auch beschritten werden. Ich appelliere an tung zu entziehen. die SPD, sich ihrer Mitverantwortung bewußt zu Wir Liberalen haben deshalb auf unserem Bundes- werden und sich endlich zu bewegen. Im übrigen ist es hauptausschuß im Mai 1991 in Hamburg beschlossen, ja durchaus vorstellbar, daß sich alle großen Parteien daß deutsche Streitkräfte in Zukunft an der Durchset- darauf verständigen, nach erfolgter Grundgesetzän- zung von Entscheidungen des Weltsicherheitsrates derung eine Teilnahme an Kampfeinsätzen für die — notfalls auch mit Streitkräften unserer Bundes- nächsten Jahre politisch an eine breite Zustimmung wehr — mitwirken können sollen. Dies soll sowohl im Parlament zu binden. Auch die F.D.P. weiß, daß so Blauhelm-Einsätze als auch im äußersten Fall Kampf- etwas nicht mit der Brechstange durchgesetzt werden maßnahmen betreffen und an die Zustimmung der darf. Wenn die Bundeswehr eines Tages zu weiterge- Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gebunden henden Einsätzen außerhalb des NATO-Vertragsge- sein. bietes eingesetzt werden soll, dann hat jeder einzelne Soldat nicht nur Anspruch auf eine saubere verfas- Die F.D.P. hat in diesem Zusammenhang auch sungsrechtliche Grundlage, sondern auch auf die deutlich gemacht, daß eine solche Teilnahme der Rückendeckung der deutschen Bevölkerung und Bundeswehr an UN-Friedensmissionen nur nach nicht nur auf die bestimmter Parteien. einer Änderung des Grundgesetzes erfolgen darf. Ich weiß, daß viele Fachjuristen dazu anderer Auffassung Insofern ist die Teilnahme von Sanitätseinheiten der sind. Doch mit Blick auf die Haltung verschiedener Bundeswehr an der UNO-Mission in Kambodscha Bundesregierungen zu dieser Frage dürfte klar sein, zwar international gesehen ein wertvoller deutscher daß zu diesem Thema kein verfassungsrechtliches Beitrag, kann aber die Notwendigkeit einer Verfas- Seminar, sondern eine verfassungspolitische Lösung sungsänderung nicht ersetzen. Ich habe an dieser und ein breiter Konsens erforderlich sind. Wir Libera- Stelle schon einmal darauf hingewiesen, daß man auf len sind zu einer Grundgesetzänderung bereit. der Hardthöhe nicht so tun sollte, als wäre diese Verfassungsänderung schon da. Wir Liberalen wer- Der Antrag der PDS kann insofern guten Gewissens den im Interesse der Soldaten der Bundeswehr keine vernachlässigt werden. Mein Appell richtet sich viel- Salami-Taktik hinnehmen. Deshalb werden wir hof- mehr an die Sozialdemokraten, der notwendigen fentlich bald nach der Sommerpause gemeinsam Grundgesetzänderung nicht länger im Wege stehen. mit unserem Koalitionspartner eine Grundgesetz- Es reicht nicht aus, wenn Sie glauben, mit der Vorlage änderung beantragen. Die SPD fordere ich noch- eines Antrages, der lediglich Blauhelm-Missionen mals auf, im Interesse der internationalen Ver- antwortung Deutschlands sich nicht länger zu verwei- *) Siehe 98. Sitzung, Seite 8145 B ff gern. 8384* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Anlage 4 mit Erfolg Gebrauch gemacht. Diese im Ke rn zivil- rechtliche Ausgestaltung unseres Wettbewerbsrechts, Antwort die auch eine rasche Unterbindung wettbewerbswid- des Parl. Staatssekretärs Dr. Reinhard Göhner auf die riger Werbung mit einstweiligen Verfügungen Frage des Abgeordneten Benno Zierer (CDU/CSU) ermöglicht, hat sich seit langem bewährt. Die Beurtei- (Drucksache 12/2863 Frage 11): lung von Werbemaßnahmen nach wettbewerbsrecht- lichen Gesichtspunkten steht dabei letztlich natürlich Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, im Zuge einer den Gerichten zu. Allerdings ist zu berücksichtigen, Verschärfung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb die Werbung in den Tele-Medien wieder mehr an sachlicher daß § 1 UWG keine „Geschmackszensur" ermöglicht. Verbraucheraufklärung zu orientieren und damit die zuneh- Nicht jede geschmack- oder taktlose Werbung ist menden Elemente in der Darstellung zu unterbinden, die auch sittenwidrig. Allerdings kommt eine Sittenwid- geeignet sind, religiöse und ästhetische Gefühle zu verletzen rigkeit im Sinne des § 1 UWG dann in Be tracht, wenn oder junge Menschen, besonders Minderjährige, zu sozialem Fehlverhalten und sinnlosem Konsum zu verführen? die Werbung nach Auffassung der betroffenen Ver- kehrskreise das sittliche Empfinden verletzt, weil sie in grobem Maß gegen Pietät und Takt verstößt und Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse dadurch ärgerniserregend und belästigend wirkt. dazu vor, daß die Wirtschaftswerbung im allgemeinen und insbesondere die Fernsehwerbung zunehmend Ergänzt wird die rechtliche Kontrolle der Werbung Darstellungen enthielte, die, wie in Ihrer Frage aus- durch die Gerichte durch selbstdisziplinäre Maßnah- geführt, geeignet sind, religiöse und aesthetische men der Werbewirtschaft. Hierzu gehört vor allem der Gefühle zu verletzen oder junge Menschen zu sozia- bereits 1972 vom Zentralverband der Deutschen Wer- lem Fehlverhalten und sinnlosem Konsum zu verfüh- bewirtschaft gegründete Deutsche Werberat. Dieser ren. hat u. a. eine Reihe von Verhaltensregeln verabschie- Die Wirtschaftswerbung insgesamt und auch die det. Dazu gehören z. B. die im Januar 1974 verab- Fernsehwerbung ist ein wesentlicher Bestandteil schiedeten Verhaltensregeln für die Werbung mit und unserer Wirtschaftsordnung, da sie es den Unterneh- vor Kindern im Werbefunk und Werbefernsehen. men ermöglicht, die Verbraucher mit ihrem Angebot an Waren oder Dienstleistungen vertraut zu ma- In jüngster Zeit hat eine Werbekampagne der chen. Textilfirma Bennetton in Deutschland und auch im Ausland breite Aufmerksamkeit und Kritik auf sich Werbung trägt in vielen Fällen auch zur sachlichen gezogen. Auf Plakaten und den Anzeigen — nach Verbraucheraufklärung bei, die sachliche Produkt- meiner Kenntnis allerdings nicht im Fernsehen — werbung ist aber nicht notwendiger Inhalt der Wer- wurde z. B. ein sterbender AIDS-Kranker dargestellt. bung. Vielmehr dient die Werbung häufig der Image- Hierzu habe ich erst vor kurzem in meiner Antwort auf pflege eines Unternehmens oder seiner Waren- oder eine schriftliche Frage des Kollegen Horst Gibtner Dienstleistungen. Dies ist durchaus legitim. Stellung genommen. Ich habe dabei ausgeführt, daß Die Wirtschaftswerbung muß sich allerdings an die diese Werbekampagne nach meiner Auffassung teil- bestehenden Gesetze halten. Dazu gehört insbeson- weise die Grenzen des Anstands und des guten dere auch das von Ihnen angesprochene Gesetz Geschmacks überschreitet. Diese Auffassung wird gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Nach § 1 auch vom Deutschen Werberat geteilt, der die Werbe- dieses Gesetzes sind alle Handlungen im geschäftli- kampagne der Firma Bennetton in zwei Fällen öffent- chen Verkehr verboten, die gegen die guten Sitten lich beanstandet hat. Gegen die genannte Anzeige verstoßen. Von diesem Verbot wird insbesondere und eine weitere Anzeige hat übrigens auch die auch Werbung erfaßt, die die Leichtgläubigkeit oder Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, Unerfahrenheit der angesprochenen Verbraucher, ein nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbe- wie z. B. gerade von Jugendlichen oder Minderjäh- werb klagebefugter Verband, dem neben zahlreichen rige, ausnützt. Hierzu gibt es eine umfangreiche Wirtschaftsverbänden insbesondere alle Industrie- Rechtsprechung der Gerichte, die aus der Sicht der und Handelskammern sowie die Handwerkskam- Bundesregierung zu insgesamt angemessenen Erg eb- mern angehören, erfolgreich eine einstweilige Verfü- nissen führt. Weiterhin verbietet § 3 UWG die irrefüh- gung erwirkt. Dies zeigt, daß das vorhandene Instru- rende Werbung. Bei Verstößen gegen diese Vorschrif- mentarium zur Bekämpfung unlauterer und sitten- ten können insbesondere zivilrechtliche Unterlas- widriger Werbung durchaus greift. sungsansprüche geltend gemacht werden. Dazu sind neben den betroffenen Mitbewerbern auch Verbände Die Bundesregierung ist nach allem der Auffassung, zur Förderung gewerblicher Interessen und Verbrau- daß kein Anlaß zu einer Änderung oder Ergänzung cherverbände berechtigt. Von dieser Klagemöglich- des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb keit wird in erheblichem Umfang und vielfach auch besteht. Nachtrag zum Plenarprotokoll 12/99

Deutscher Bundestag

Nachtrag zum Stenographischen Bericht

99. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Inhalt:

Anlage 5 Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 8403* A Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesord- Horst Gibtner CDU/CSU 8403* C nungspunkt 13 (Schutz des ungeborenen Peter Götz CDU/CSU ...... 8404* C Lebens) Wolfgang Gröbl CDU/CSU 8405* B Dr. CDU/CSU . . . . . 8385* A Michael Habermann SPD ...... 8405* D Ina Albowitz F.D.P...... 8385* C Gerlinde Hämmerle SPD 8407* A Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . . 8386* B Dr. Renate Hellwig CDU/CSU 8407* C CDU/CSU . . . . . 8386* D Heinz-Adolf Hörsken CDU/CSU 8408* A Dr. F D P. 8387* B Dr. Paul Hoffacker CDU/CSU 8408* D Brigitte Baumeister CDU/CSU 8388* A Dr. Uwe Holtz SPD 8408* D Ingrid Becker-Inglau SPD 8389* A Siegfried Hornung CDU/CSU 8409* B Dr. Sabine Bergmann-Pohl CDU/CSU . 8389* C Gabriele Iwersen SPD 8410* A Dr. Joseph- CDU/CSU . 8390* B Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8410* C CDU/CSU 8391* B Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 8411* B Dr. Ulrich Böhme (Unna) SPD . . . . . 8392* A Dr. Egon Jüttner CDU/CSU 8412* A Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 8393* A Steffen Kampeter CDU/CSU 8412* C CDU/CSU 8394* A Dr. Franz-Hermann Kappes CDU/CSU . 8413* C Ursula Burchardt SPD ...... 8394* C CDU/CSU 8414* D Marion Caspers-Merk SPD 8395* C Peter Keller CDU/CSU 8415* C Wolf-Michael Catenhusen SPD 8396* A Dr. Hans-Hinrich Knaape SPD 8416* B CDU/CSU 8396* B Manfred Kolbe CDU/CSU 8416* D Albert Deß CDU/CSU 8397* B Jürgen Koppelin F.D.P. 8417* D CDU/CSU 8398* A Wolfgang Lüder F.D.P. 8418* B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8399* A CDU/CSU 8419* A Dr. Karl H. Fell CDU/CSU 8400* A Dr. Michael Luther CDU/CSU 8419* D (Unna) CDU/CSU 8401* B Dr. Franz Möller CDU/CSU 8420* C Erich G. Fritz CDU/CSU . . . • . . . 8402* A Alfons Müller (Wesseling) CDU/CSU . . 8421* C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Günther Nolting F D P. 8422* C Anlage 8

Friedhelm Ost CDU/CSU 8423* A Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Lisa Peters F.D.P. ...... 8423* D Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) zur Ab- stimmung über die in Tagesordnungs- Dr. CDU/CSU . . . . . 8424* B punkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des Peter Rauen CDU/CSU 8425* D ungeborenen Lebens) 8450 * A Dr. Bertold Reinartz CDU/CSU 8426* C Günter Rixe SPD 8427* B Anlage 9 Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8428* B Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . 8429* B Günter Graf (SPD) zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Siegfried Scheffler SPD 8430* A Vorlagen (Schutz des ungeborenen Le- Heinz Schemken CDU/CSU ...... 8431* A bens) 8450* C Gerhard Scheu CDU/CSU 8431* D Anlage 10 Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. . . . . . 8432* C Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8433* B Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) zur Abstimmung Dr. CDU/CSU . . . . . 8434* C über die in Tagesordnungspunkt 13 aufge- Gisela Schröter SPD 8436* B führten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Lebens) 8451 * A CDU/CSU 8437* A 8437* D Stefan Schwarz CDU/CSU Anlage 11 Heinz Seesing CDU/CSU ...... 8439* A Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Bärbel Sothmann CDU/CSU . . . . . 8439* C Lothar Ibrügger (SPD) zur Abstimmung über Dr. Hans Stercken CDU/CSU 8440* C die in Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Le- CDU/ Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten bens) 8451*C CSU ...... 8440* D Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8441* B Anlage 12 Carl-Ludwig Thiele F D P 8442* A Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 8443* A Dr. Klaus Kübler (SPD) zur Abstimmung über Dr. Horst Waffenschmidt CDU/CSU . 8444* B die in Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Le- Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 8445* A bens) 8452 * A Dr. CDU/CSU 8445* D Dr. Roswitha Wisniewski CDU/CSU . 8446* B Anlage 13 Wolfgang Zöller CDU/CSU ...... 8447 * B Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Burkhard Zurheide F.D.P 8447* D Herbert Lattmann (CDU/CSU) zur Abstim- Werner Zywietz F.D.P...... 8448* D mung über die in Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungebo- renen Lebens) 8452 * B Anlage 6

Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Anlage 14 Klaus Bühler (Bruchsal), Klaus Riegert, Franz Romer, Dr. Andreas Schockenhoff und Elke Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Wülfing (alle CDU/CSU) zur Abstimmung Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU) zur Abstim- über die in Tagesordnungspunkt 13 aufge- mung über die in Tagesordnungspunkt 13 führten Vorlagen (Schutz des ungeborenen aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungebo- Lebens) ...... 8449* B renen Lebens) 8452 * C

Anlage 7 Anlage 15

Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU) Dr. Jürgen Rüttgers (CDU/CSU) zur Abstim- zur Abstimmung über die in Tagesordnungs- mung über die in Tagesordnungspunkt 13 punkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungebo- ungeborenen Lebens) ...... 8449* C renen Lebens) 8453 * A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 III

Anlage 16 Anlage 20 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Heribert Scharrenbroich (CDU/CSU) zur Dr. Ruprecht Vondran (CDU/CSU) zur Ab- Abstimmung über die in Tagesordnungs- stimmung über die in Tagesordnungs- punkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des punkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Lebens) 8453 * C ungeborenen Lebens) 8455 * A

Anlage 17 Anlage 21 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD) zur Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) zur Ab- Abstimmung über die in Tagesordnungs- stimmung über die in Tagesordnungs- punkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des punkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Lebens) ...... 8454 * A ungeborenen Lebens) 8455* C

Anlage 18 Anlage 22 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Hermann Schwörer (CDU/CSU) zur Ab- Benno Zierer (CDU/CSU) zur Abstimmung stimmung über die in Tagesordnungs- über die in Tagesordnungspunkt 13 aufge- punkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des führten Vorlagen (Schutz des ungeborenen ungeborenen Lebens) ...... 8454 * C Lebens) ...... 8456* A

Anlage 19 Anlage 23 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Günter Verheugen (SPD) zur Abstimmung Claudia Nolte (CDU/CSU) zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 aufge- über die in Tagesordnungspunkt 13 aufge- führten Vorlagen (Schutz des ungeborenen führten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Lebens) ...... 8454 * D Lebens) 8456 * D

Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8385*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 5 duelle Notlagen ärztlicherseits festzustellen und gerichtlich zu überprüfen. Folgerichtig gibt es keine Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungs psychosoziale Indikation, sondern die Pflicht für die punkt 13 (Schutz des ungeborenen Lebens) abtreibungswillige Frau, sich beraten zu lassen. Um einen Rechtfertigungsdruck auszuschließen, sind beratender und abtreibender Arzt nicht identisch. Anders als im Gesetzentwurf der CDU (Kommissions- Die Abtreibungs- Dr. Else Ackermann (CDU/CSU): antrag) wird durch die Lösungswege im Gruppenan- frage hat mich berufsbedingt begleitet und sie bleibt trag vermieden, daß sich der Arzt ständig am Rande auch für mich ein Trauma, weil jeder Abbruch ein der Rechtswidrigkeit bewegt. Tötungsdelikt ist. Die auch in der DDR bestandenen und erlassenen Regelungen habe ich tragen und Allerdings hat der Rechtsstaat Bundesrepublik trotz ertragen müssen. Die Diskussionen für und wider eine der noch bestehenden restriktiven Regelung die Fristenlösung waren nicht anders als jetzt, wenn auch offensichtlichen Rechtsverstöße gegen den § 218 nicht ohne Auswirkungen, weil keine neue Regelung mehr so ernst genommen, da 1991 nur 7 Verstöße bei anstand. insgesamt 700 000 Strafverfahren gerichtlich geahn- det wurden. Die sog. Indikationslösung ist nur eine verkappte Fristenlösung. Im Gesetzentwurf der CDU wird die Dieser Gruppenantrag entspricht auch der Koali- medizinische Indikation für einen Schwangerschafts-- tionsvereinbarung vom 12. April 1990 des ersten frei- abbruch um die psychosoziale Notlage erweitert. Die gewählten Parlaments in der DDR, in der ein „umfas- Schwangere stellt dem Arzt ihre Notlage dar, die für sender Schutz des ungeborenen Lebens durch um- sie so schwerwiegend ist, daß die Fortsetzung der fangreiche Beratungs-, Aufklärungs- und Unterstüt- Schwangerschaft für sie nicht zumutbar ist. Da in zungsangebote sowie kostenlose Bereitstellung von diesem Gesetzentwurf der Arzt die Entscheidung über Kontrazeptiva für Frauen bei Beibehaltung der F ri den Schwangerschaftsabbruch trifft und diesen auch -stenlösung zum Schwangerschaftsabbruch" zugesi- durchführt, muß er seine ärztliche Beurteilung einer chert wurde. psycho-sozialen Indikation schriftlich niederlegen (dokumentieren) entweder per Gesetz, nämlich nach § 218a (2), oder aber laut Standesrecht. Er trägt aber Ina Albowitz (F.D.P.): Das Thema Schwanger die Verantwortung. Deshalb muß seine Entscheidung schaftsabbruch läßt niemanden kalt. Deshalb sollte überprüfbar sein. Der Arzt läuft also Gefahr, mit dem man auch keinem Mitglied des Parlaments unterstel- Gesetz in Konflikt zu geraten. Die Verfasser des len, daß ihm das Schicksal der ungeborenen Kinder Gesetzestextes wußten um diese Gefahr und schützen egal ist. Dieser Eindruck, der leider auch in Teilen der nun wiederum den Arzt in § 219 (2), indem jeder, der Bevölkerung entstanden ist — die zahlreichen Briefe „öffentlich in anstößiger Weise erklärt, einen Arzt zum Thema zeigen dies —, muß durch die heutige getäuscht zu haben, um eine Indikationsstellung nach Debatte ausgeräumt werden. § 218a zu erreichen", bestraft wird. Strittig ist einzig und allein die Frage, wie das Die Feststellung einer Notlage ist aber mit ärztli- ungeborene Leben besser geschützt werden kann. Ich chen Erkenntnissen nicht erreichbar. Die Notlagenin- möchte die Punkte aufzählen, die für meine Entschei- dikation ist zudem die Aushöhlung der klassischen dung, den Gruppenantrag zu unterstützen, den Aus- medizinischen Indikation und muß deshalb verworfen schlag geben. werden. Die Entscheidung muß also nach entspre- chender Beratung, die eine Pflicht sein soll, von den Es muß doch nachdenklich stimmen, daß in unserer Betroffenen eigenverantwortlich gefällt werden. Gesellschaft werdendes Leben häufig unerwünscht Diese Formulierung ist dem Thesenpapier „Zur Pro- und der Auslöser enormer Konflikte ist. Das kann nur blematik des Schwangerschaftsabbruches" entnom- daran liegen, daß es trotz des unbestreitbaren Wohl- men, das auf dem 93. Deutschen Ärztetag 1990 in standes enorme Defizite bei der Unterstützung der Würzburg initiiert wurde mit dem Ziel, ärztlich rele- schwangeren Frauen und Mütter gibt. vante Gesichtspunkte zusammenzustellen, die bei einer Neufassung des § 218 für das gesamte Deutsch- Die Frauen fühlen sich bei der Bewältigung der land zu berücksichtigen sind. Probleme, die durch die Schwangerschaft entstehen, zu oft allein gelassen. Viele Männer wenden sich Nach Meinung der Ärzteschaft ist von besonderer desinteressiert ab, als hätten sie mit der ganzen Sache Bedeutung, daß nur bei einem legalen Schwanger- nichts zu tun, es gibt keine ausreichenden Betreu- schaftsabbruch eine Konfliktberatung in Anspruch ungsmöglichkeiten, auf dem Wohnungsmarkt haben genommen wird und deshalb die Beratung zur Pflicht Familien mit Kindern und vor allem alleinerziehende gemacht werden soll. Anderenfalls steht die abtrei- Frauen kaum eine Chance, es gibt viel zu wenig bungswillige Frau unter einem Rechtfertigungsdruck Regelungen, die die Vereinbarkeit von Kind und und ist veranlaßt, ihren Berater und Arzt zu belügen. Beruf erleichtern. Diesem Mehrheitsvotum der deutschen Ärzteschaft trägt der Gruppenantrag auf Drucksache 12/2205 Die Frauen, die vor diesen Problemen kapitulieren, weitestgehend Rechnung. Er geht im Gegensatz zum lassen sich auch von einer Indikationsregelung nicht CDU-Entwurf davon aus, daß es unmöglich ist, indivi- schrecken. Notfalls landen sie beim Kurpfuscher. 8386* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d en 25. Juni 1992

Und wenn man den jungen Frauen den bürokrati- eine bestimmte Frist schutzlos zur Disposition gestellt schen Hürdenlauf zur Feststellung einer Indikation werden. Das Leben ungeborener Kinder bedarf auch aufzwingt, fühlen sich diese in die Ecke gedrückt. Sie im vereinten Deutschland eines rechtlichen Schutzes, verschließen sich emotional und sind nicht mehr offen der keinesfalls schwächer sein darf als in der alten für die Argumente und Hilfsangebote, die trotz aller Bundesrepublik. Das Lebensrecht des Kindes hat Probleme für das Kind sprechen. grundsätzlich Vorrang vor dem Selbstbestimmungs- recht der Frau. Weiß die Frau von Beginn an, daß sie nach der obligatorischen und fachkundigen Beratung letztend- Eine Fristenregelung ist mit der grundgesetzlich lich alleine über den Schwangerschaftsabbruch ent- verankerten Verpflichtung des Staates zum Schutz scheiden kann, ist sie viel empfänglicher für die des Lebens ungeborener Kinder unvereinbar. Dabei Beratung und somit auch für Argumente für das Kind. geht es nicht um eine Verschärfung bestehender Hiervon wird es nach Inkrafttreten der heute zu Strafrechtsregelungen, sondern in erster Linie um den beschließenden sozialen Hilfen einige mehr geben. weiteren Ausbau der sozialen Hilfen für Schwangere. Ausreichend sind diese Verbesserungen alleine noch Auch die Schaffung von preisgünstigen Wohnungen immer nicht, zumal auf Grund haushaltspolitischer für Familien und Alleinerziehende ist in diesem Vorgaben bei der Realisierung Übergangsfristen in Zusammenhang besonders notwendig. Kauf genommen werden müssen. Wichtig bleibt zudem die Verbesserung der Bera- tung der Schwangeren mit einer klaren Orientierung Notwendig ist vielmehr auch eine grundsätzliche Änderung der Akzeptanz jedes einzelnen für Kinder am Lebensrecht des ungeborenen Kindes. sowie die Probleme ihrer Mütter. Das kann niemand Der Schutz des ungeborenen Lebens stellt eine erzwingen. Der Gruppenantrag erfüllt allerdings auch immense sozial- und gesellschaftspolitische Aufgabe am besten von den vorliegenden Gesetzentwürfen die und Verantwortung dar. Eine weitreichende Bewußt- Voraussetzungen, die für einen solchen Wandel not- seinsänderung in unserer Gesellschaft zugunsten des wendig sind. Schutzes des ungeborenen Kindes ist dabei unabding- bar. Das ungeborene Kind — als Geschöpf Gottes — Vor allem die Frauen in den neuen Bundesländern ist Mensch von Anfang an . sähen sich bei einer Indikationsregelung und den derzeitigen wirtschaftlichen Problemen unter Druck Wie der Gesetzgeber heute auch entscheidet: Für gesetzt. Die Geburtenrate würde noch stärker sinken, einen Christen ist die Abtreibung die Tötung eines als dies seit der Vereinigung Deutschlands ohnehin Menschen. bereits der Fall war. Heute gibt es in den neuen Bundesländern fast nur noch die Hälfte der Geburten pro tausend Einwohner wie vor der Wende. Und diese Dietrich Austermann (CDU/CSU): Die Diskussion Tendenz setzt sich fort. Nach den Zahlen des Statisti- um das Thema Abtreibung konzentriert sich meist auf schen Bundesamtes kamen 1989 12,0 Lebendgebo- die Zumutbarkeit der Strafbarkeit gemäß § 218 StGB, rene auf 1 000 Einwohner pro Jahr; 1991 waren es weniger auf die Frage, wie der Schutz ungeborenen nach den vorläufigen Angaben nur noch 6,6. Zum Lebens verstärkt werden kann. Dies war aber der Vergleich: In den alten Bundesländern waren es 11,3 Ausgangspunkt im Einigungsvertrag: Eine Regelung im Jahre 1991. sollte herbeigeführt werden, die anders als die Praxis in der ehemaligen DDR (Fristenlösung, auf zwei Deshalb dürfen auf keinen Fall die strafrechtlichen Geburten kommt eine Abtreibung) einen stärkeren Bestimmungen verschärft werden. Diese sind im Schutz des ungeborenen Lebens bewirken sollte. Gegensatz zu den sozialen Hilfen wirkungslos. Jede Schätzung der Zahl an illegalen Schwangerschaftsab- Dabei ist zu beachten, daß die unterschiedliche brüchen, welche in den alten Bundesländern die Zahl Rechtslage in der alten Bundesrepublik und der der legalen Abbrüche (1990 waren es 78 808) sogar ehemaligen DDR faktisch zu gleichen, von der Mehr- noch übertreffen soll, unterstreicht dies. heit kritisierten Abtreibungszahlen führte. Jeder Vorschlag, der heute diskutiert wird, muß sich Ich gehe davon aus, daß dieses Parlament nicht also darauf überprüfen lassen, ob er den Schutz einer Selbsttäuschung erliegen will und sich nicht mit werdenden Lebens verbessert, die Barriere, die einer Senkung der offiziellen Abtreibungszahlen Abtreibung verhindern soll, absenkt oder erhöht. durch eine Indikationslösung zufrieden gibt. Wer Nach meiner Einschätzung wird dieser Überprüfung wissentlich die Entwicklung der Zahl illegaler nur der Vorschlag einer Gruppe von CDU/CSU- Schwangerschaftsabbrüche ignoriert, die bei einer Abgeordneten und mit Einschränkung der Vorschlag Ausweitung der Indikationsregelung in ganz der CDU/CSU-Fraktion gerecht. Ein Ja zur Fristenre- Deutschland in den neuen Bundesländern ohne Zwei- gelung kann es für mich nicht geben. fel sprunghaft steigen und in den alten Bundesländern nicht zurückgehen würde, handelt kurzsichtig und Klar muß jeder Abgeordneten und jedem Abgeord- realitätsfern. neten sein, daß nach unserem Grundgesetz dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung (über ihren eigenen Körper) die Verpflichtung des Staates zum Schutz Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU): In der Frage des ungeborenen Lebens gegenübersteht. Dies muß nicht Schutzes des ungeborenen Lebens spreche ich mich notwendig durch das Strafrecht geschehen, andere unmißverständlich gegen eine Fristenregelung, in Alternativen sind nur leider bisher nicht gefunden welcher Form auch immer, aus. Leben darf nicht für worden. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8387*

Staatliche Hilfe für werdende Mütter ist selbstver- Tage. Eines aber wird uns sicher einen, nämlich die ständliche Pflicht, wird künftig auch in beachtlichem Hoffnung, daß wir nach zwei Jahren eingehender, Maße geleistet, reicht aber als Lebensschutz allein manchmal bitterer und quälender Auseinanderset- nicht aus. Ein Verfahren, das eine Pflichtberatung zung endlich entscheiden. Die Zeit ist reif. Ich mache lediglich als lästige Durchlaufstation vorsieht, wird keinen Hehl daraus, daß ich die im Gruppenantrag dieser Aufgabe der Allgemeinheit nicht gerecht. Wer gefundene Lösung unterstütze. Sie enthält die drei Unantastbarkeit der Menschenwürde fordert, wer wesentlichen Elemente des F.D.P.-Entwurfs: die eine Antwort auf die Unmenschlichkeit der NS-Zeit Gewissensentscheidung der Frau als letzte Instanz, geben will, wer unterlassene Hilfeleistung unter die vom Staat zwingend vorgeschriebene Beratung Strafe stellt, darf das subjektive Recht des schwäch- sowie die unveränderte Verankerung des Tatbestan- sten Gliedes der Gemeinschaft nur in klar umrissenen des im Strafrecht. Not- und Ausnahmefällen einem anderen Leben — nicht aber einer unbegrenzten Selbstbestim- Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mung — unterordnen. aus dem Jahr 1975 spielte bei den grundsätzlichen Erwägungen und Formulierungen eine große Rolle. Vor 20 Jahren wurde bei der Reform des Sexual- Es gibt Sätze in diesem Urteil, die den Weg der strafrechts mit Erfolg gefordert, der Staat möge sich Fristenregelung völlig zu verbauen scheinen. Dabei aus den Schlafzimmern (oder wo sonst) heraushalten. wird eines übersehen: Im Jahre 1975 gab es noch nicht Jetzt fordern einige mit Verve, der Staat müsse gleich- — wie heute im Jahr 1992 — eine jahrelange Erfah- wohl die Verantwortung für das, was dort geschieht, rung mit der Indikationsregelung und der Fristenre- übernehmen: Pille und Kondome auf Krankenschein gelung. Man nahm an, daß die Fristenregelung im oder von der Sozialhilfe, und wenn's trotzdem schief- Vergleich zur Indikationsregelung die Zahl der geht nach neun oder zehn oder elf Wochen die Abtreibungen steigern würde und daß damit der Abtreibungspille oder die Abtreibung. Schutz des werdenden Lebens gemindert würde.

Daß gefordert wird, der Staat müsse die Vorsorge Heute wissen wir, daß diese Annahme nicht stimmt. und Verantwortung für menschliches Verhalten im Nicht nur der internationale, sondern auch der Ver- Sexualbereich übernehmen, zeigt, daß mit der Igno- gleich innerhalb der beiden deutschen Rechtsordnun- rierung fremder Rechte oftmals auch die Ignorierung gen zeigt, daß im Ergebnis beide Wege gleich sind. eigener Pflichten und ein genereller Werteverlust Die Zahlen unterscheiden sich nicht signifikant. Ich verbunden ist. behaupte daher auch nicht, daß die Fristenregelung zu mehr Schutz des werdenden Lebens führt, und Die Anhänger einer Fristenlösung, die Abtreibung noch weniger, daß die Indikationsregelung der Frau bis zu einem bestimmten Termin nicht nur erlaubt die Möglichkeit, ihre Entscheidung durchzusetzen, sondern sogar als rechtmäßig erklärt, werden sich die unzulässig eingeschränkt hätte. Frage gefallen lassen müssen, weshalb sie den Schutz des ungeborenen Lebens von einem willkürlich Für mich geht es in dieser Frage mehr um Wahrhaf- gegriffenen Stichtag abhängig machen wollen. Wir tigkeit und Ehrlichkeit: Nur bei der im Gruppenantrag beginnen so, unveräußerliche Rechte unseres Ge- gefundenen Lösung, nur wenn die Frau nach ihrem meinwesens zur Disposition zu stellen. Wer dem eigenen Gewissen handelt und entscheidet, regeln Wandel des Zeitgeistes jeweils hinterherläuft, „zeit- wir als Gesetzgeber, was in Wirklichkeit schon so ist: gemäßes" und „unzeitgemäßes" Leben unterschei- Wir erkennen an, daß Frauen in diesem Konflikt zwar det, wird bald alle eigenen Pflichten und Rechte Hilfe brauchen, aber letztlich selbst entscheiden. Ihre Dritter zur Disposition stellen. Im übrigen unterschei- Entscheidung wird nicht richtiger und ethisch höher- det sich auch hier offenbar die veröffentlichte Mei- wertig, wenn sie die Zustimmung oder Billigung nung von der schweigenden Mehrheit. Nie bekam ich anderer Personen — sei es Richter, Arzt oder sozialer als Abgeordneter mehr Briefe als jetzt und mit einheit- Berater — erfährt. lichem Tenor zugunsten werdenden Lebens. Aber dadurch wird es für eine schwangere Frau ja Die Fristenlösung ist nach Grundgesetz und Bun- nicht einfacher, sich für einen Abbruch zu entschei- desverfassungsgericht verfassungswidrig. Forscher den. Sie trägt die ganze Last der Verantwortung allein. der Heilpädagogischen Fakultät der Kölner Universi- Der Gesetzgeber muß werdendes Leben schützen tät haben mir vor einiger Zeit geschrieben und darauf durch Verbesserung der Lebensbedingungen für hingewiesen, wie sehr behinderte Mitbürger gede- Familien, für Kinder. Darin sind sich im Kern alle mütigt sind durch die Diskussion, die praktisch behin- Parteien wieder einig. dertes vorgeburtliches Leben verfügbar macht: „Es sollte um jeden Preis vermieden werden, daß zum Noch ein Wort zur Gewissensentscheidung der zweiten Mal innerhalb von 50 Jahren behinderte Abgeordneten. Aus Kreisen der Kirche kam der Satz, Kinder sterben müssen, dieses Mal wegen der Utopie über Leben und Tod könne man nicht mit Mehrheit einer leidfreien Gesellschaft und eines falsch verstan- entscheiden. Das halte ich für eine große Verdrehung. denen Selbstbestimmungsrechts." Den Anfängen Niemand muß abtreiben, niemand soll abtreiben. Wir muß gewehrt werden. entscheiden darüber, in welcher Weise der Staat am besten dazu beiträgt, eine Abtreibung zu verhindern. Unsere Möglichkeiten sind — und das erkennen wir Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Die Debatte über die alle — begrenzt. Ich wiederhole den oft gesagten Satz: Refom des § 218 führen wir heute den ganzen Tag. Die Der beste Schutz des werdenden Lebens ist die Freude Gegensätze der Auffassungen treten deutlich zu über das geborene Leben. 8388* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Brigitte Baumeister (CDU/CSU): Eine der Aufga- Die Indikationenregelung, wie wir sie in unserer ben, die mit der deutschen Einigung auf uns zuge- Fraktion nach sorgfältigen Beratungen formuliert kommen sind, ist die Neuregelung der rechtlichen haben, ist als einzige geeignet, einerseits den Schutz Rahmenbedingungen für den Schutz des ungebore- der Ungeborenen in den Mittelpunkt zu stellen und nen Lebens. Wir haben uns verpflichtet, eine Lösung andererseits den Erfordernissen der Frauen nachzu- zu erarbeiten und eine Parlamentsentscheidung zu kommen. Sie gibt den Rahmen für die angemessene treffen. Dieser Pflicht müssen und wollen wir heute Berücksichtigung des Lebensrechts, ohne die Frauen nachkommen. Kaum ein Beratungsgegenstand ist in ihren Rechten und in ihrem Wunsch nach Verwirk- bisher so lange und so intensiv beraten worden. Zu lichung der eigenen Lebensplanung zu beeinträchti- kaum einer anderen Frage haben wir so viele gen. Zuschriften, Anregungen und beabsichtigte Einfluß- Eines ist klar: Wir beraten über ein Thema, bei dem nahmen erhalten. es um viel Verantwortung auf verschiedenen Seiten Ich begreife diese Aufgabe als erfreuliche Chance. geht. Wir sind aufgerufen, eine Lösung zu beschlie- Bisher gelten unterschiedliche Regelungen in Ost und ßen, die der Verantwortung gegenüber dem ungebo- West — ein unerträglicher Zustand. Es kann nicht renen Leben gerecht wird und die gleichzeitig die sein, daß Lebensrecht für Ungeborene und Regelung Verantwortung gegenüber den Frauen und werden- des Schwangerschaftsabbruchs in Ost und West den Müttern wahrnimmt. Wir müssen erkennen und unterschiedlich bewertet werden. Wir wollen in Ost- berücksichtigen, daß jede Frau in be treffender Situa- und in Westdeutschland gleiche Lebensverhältnisse tion ihre Verantwortung erkennt und ihr nachkommt. herstellen. Hierbei dürfen wir auch nicht haltmachen Schließlich muß mit Nachdruck auch auf die Verant- beim Schutz des ungeborenen Lebens. wortung hingewiesen werden, die die Männer mitzu- tragen haben. Worüber haben wir heute zu befinden? Es geht weit über die Regelung des § 218 des Strafgesetzbuches Ein entscheidender Faktor ist die eingehende und hinaus: das Grundrecht auf Leben, die verfassungs- verantwortlich geführte Beratung der betreffenden rechtliche Pflicht des Staates zum Schutz des Schwä- Frauen. Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie viele cheren vor dem Stärkeren, der Schutz ungeborener Frauen aus einer solchen Beratung eine ausschlagge- Kinder, die Stellung der Frau als Mutter und in der bende Weichenstellung für ihre Planung und Ent- Verwirklichung ihrer Lebensziele in privatem und scheidung erfahren haben, müssen wir erkennen, wie beruflichem Bereich. unverzichtbar die Beratung ist. Sie ist unbedingt festzuschreiben. Die Entscheidung ist nicht leicht, und wir dürfen Bei der Erörterung der Frage, inwieweit eine Doku- und wollen sie uns nicht leichtmachen. Wir stellen mentation der Beratung vorgenommen wird und diese Fragen an die Wissenschaft, einerseits an die Natur- Dokumentation rechtswirksame Folgen haben kann, wissenschaft, andererseits an ethische Richtlinien. dürfen wir die Hauptsache nicht aus den Augen Wir in der CDU sind darüber hinaus dem „C", der verlieren. Es geht in erster Linie um den Schutz des christlichen Wertordnung im Namen unserer Partei ungeborenen Lebens, um die Verwirklichung des verpflichtet, Auf Grund unserer Erkenntnis orientie- elementaren Lebensrechts. Ich frage mich, inwieweit ren wir uns vor dem Hintergrund christlichen Glau- der Gedanke an eine Dokumentation die Atmosphäre bens an der Ehrwürdigkeit und dem absoluten Wert des Gesprächs zwischen der schwangeren Frau und des Lebens. dem beratenden Arzt beeinflußt. Jedenfalls wünsche ich mir, daß die vertrauensvolle Beratung, der ich eine Welche Informationen gibt uns die Wissenschaft? Es große Bedeutung zumesse, hierdurch nicht beein- ist heute naturwissenschaftlich nachgewiesen, daß trächtigt wird. mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle ein neues menschliches Leben beginnt. Ohne Wenn und Natürlich müssen kinder- und familienfreundliche Aber ist dies ein absoluter Meßpunkt, den wir zu Rahmenbedingungen den Schutz des ungeborenen respektieren haben. Daher können wir nicht von Lebens unterstützen. Trotz angespannter Haushalts- „werdendem Leben" im Sinne eines Provisoriums lage hat sich die Bundesregierung dieser Aufgabe oder einer Relativierung des Lebens sprechen, son- verpflichtet und in der letzten Zeit zahlreiche famili- dern müssen erkennen, daß hier auch schon vor der enpolitische Fortschritte erreicht. Geburt eigenständiges menschliches Leben existiert. Gleichzeitig setze ich auf verstärkte Beratung und Auf Grund dieser Erkenntnis verbietet sich schon aus Aufklärung, auf Prävention und Vorsorgemaßnah- logischen Erwägungen jede Fristenregelung. Denn men. Es ist heute ohne weiteres zu erreichen, daß die jede Fristsetzung stellt eine willkürliche Grenzzie- Zahl ungewollter Schwangerschaften entscheidend hung dar. Es wäre vermessen, die Entscheidung, ab vermindert wird. Hier müssen wir den gesellschaftli- wann menschliches Leben schützenswert ist, von chen Erkenntnis- und Akzeptanzprozeß aktiv unter- einer solchen Zeiteinteilung abhängig zu machen. stützen und beschleunigen. Denken wir das Konzept einer Fristenregelung Nach meiner Überzeugung ist der Entwurf unserer konsequent weiter, so liegt die Idee nicht fern, nicht Fraktion derjenige, der auf die gestellten Fragen nur hinsichtlich des Beginns menschlichen Lebens, stichhaltige Antworten gibt. Er ist derjenige, der das sondern beispielsweise auch zu dessen Ende eine Lebensrecht am besten respektiert und der Forderung vergleichbare Regelung zu treffen. Die fatalen Konse- nach Berücksichtigung der Belange der be troffenen quenzen eines solchen Gedankens können wir uns Frauen angemessen nachkommt. Ich bin sicher, mit ausmalen. Ich möchte sie hier nicht weiter ausfüh- dieser Regelung werden wir unserer Verantwortung ren. gerecht. Deshalb stimme ich für diesen Entwurf. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8389*

Ingrid Becker-Inglau (SPD): Niemand in diesem Verhinderung ungewollter Schwangerschaften Prä- Hause wird behaupten wollen oder hat bisher vention und Verhütung gefordert. Der Gruppenantrag behauptet, Schwangerschaftsabbrüche seien wün- ist nahezu identisch. schenswert oder man würde sie gar persönlich befür- Ich werbe für die Zustimmung zum Gesetzentwurf worten. Ich sage: Jede Abtreibung ist eine Abtreibung der SPD, weil er dem Schutz des werdenden Lebens zuviel. Gerade deshalb haben wir im Bundestag den und dem Entscheidungsrecht der Frau am besten Auftrag, eine Regelung für die Verhinderung bzw. gerecht wird. Aber gleichzeitig appelliere ich an Sie Verminderung von Schwangerschaftsabbrüchen zu alle — um der Hoffnung vieler Frauen willen in der finden. Bundesrepublik eine Verbesserung der jetzigen Seit über einem Jahr haben wir zunächst in den Situation zu erreichen —, wenigstens dem Gruppen- Fraktionen und danach fraktionsübergreifend in antrag Ihre Stimme zu geben. Wir Frauen wollen zähem Ringen bis an den Rand der Kompromißfähig- keine Verschlechterung der bestehenden Regelung. keit über eine Neuregelung mit großer Ernsthaftigkeit Wir wollen 15 Jahre Erfahrung, daß S trafe keine debattiert. Der nun vorliegende Gruppenantrag, dem Abtreibung verhindert, nutzen. Mitglieder aller Fraktionen beitreten konnten, ist der Versuch, möglichst viele unterschiedliche Meinungen so zusammenzufügen, daß das Ziel, den Schutz des Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU/CSU): Was kön- Lebens und den Schutz des werdenden Lebens zu nen wir nach monatelanger, heftiger und hitziger gewährleisten, erreicht wird. Dabei mußten a lle, die Diskussion als Ergebnis feststellen? Obwohl alle wuß- sich am Gruppenantrag beteiligt haben, Zugeständ- ten, daß das Strafrecht wenig geeignet ist, eine nisse an ihre Fraktionsentwürfe und ihre eigene Abtreibung zu verhindern, war der überwiegend Meinung machen. ideologisch geführte S treit zwischen Fristen- und Natürlich stehe ich nach wie vor zu den sozialdemo- Indikationsregelung das Hauptthema. kratischen Forderungen, die wir in unserem Gesetz- Die eigentlichen Lösungsansätze für eine wirkliche entwurf zum Familien- und Schwangerenhilfegesetz Verbesserung der unerträglichen Situation von ca. formuliert haben, nämlich erstens eine umfassende 300 000 Schwangerschaftsabbrüchen in der Bundes- Prävention, die zur Verminderung oder Verhinderung republik liegen — wie die meisten wissen — woan- einer ungewollten Schwangerschaft führt; zweitens ders: erstens in einer deutlichen Reduzierung der Zahl der Anspruch auf Beratung bei Schwangerschaft und der ungewollten Schwangerschaften durch eine ent- beim Schwangerschaftskonflikt; drittens die Straffrei- tabuisierte Sexualaufklärung an den Schulen, die die heit der Frau bei einem Schwangerschaftsabbruch im Eigenverantwortung der Jugendlichen beim Sexual- Konfliktfall; viertens ein Angebot von flankierenden verhalten bewußter macht. Maßnahmen, das das Austragen einer Schwanger- schaft in einer familien- und kinderfreundlichen Zweitens hätte ich mir eine fraktionsübergreifende Gesellschaft ermöglicht und den Ansprüchen des Initiative in Richtung einer massiven und möglichst Bundesverfassungsgerichtsurteils von 1975 entspricht schnell spürbaren Verbesserung der Situation junger und als Ersatz für eine Strafbewährung gelten muß. Familien oder Alleinerziehender gewünscht. Dabei bin ich mir natürlich der finanziellen Probleme von In vielen Veranstaltungen fand ich Bestätigung und Bund, Ländern und Kommunen bewußt. Aber es gilt Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. Bei den eben in diesem Zusammenhang Prioritäten zu set- Gegnern unseres Entwurfs hatte ich häufig den Ein- zen. druck, sie wollten mich beschuldigen, daß ich zur Abtreibung aufforderte, ja sie am Ende herbei- Meine Haltung ist im übrigen klar und unmißver- wünschte. Das war und ist absurd. ständlich. Auch als Ärztin habe ich aus ethischen und Wir müssen, wie im Einigungsvertrag festgelegt, moralischen Gründen große Probleme mit jeder Form eine Regelung von Schwangerschaftskonfliktsituatio- einer Fristenregelung, da mit ihr menschliches Leben nen für alle Bundesländer erarbeiten. Einerseits muß für einen letztlich willkürlichen Zeitraum zur Disposi- -der Frau die Austragung des Kindes in eine familien tion gestellt wird. Ich darf hier auf eine Aussage eines und kinderfreundiche Welt gewährt werden. Dazu prominenten F.D.P.-Mannes hinweisen, der letztes benötigt sie die Hilfen des Staates, dessen Zukunft Jahr als Zeitraum für die Straffreiheit eine F rist von unsere Kinder sind. Andererseits muß die Frau in 10 Wochen genannt hat — wegen neuer medizini- unserer Gesellschaft die Chance haben, sich gegen scher Erkenntnisse. Auch wenn dieser Vorschlag die Fortsetzung einer Schwangerschaft entscheiden wieder zurückgezogen wurde, macht er doch deut- zu können, ohne daß sie von Kurpfuschern zu Tode lich, auf welch medizinisch unsicherem Boden man gequält wird — wie vor 1975 möglich — oder von sich hier bewegt. Gerichten verurteilt wird wie kürzlich noch in Mem- Plakativ bleibt am Schluß festzuhalten: 12 Wochen mingen. plus 1 Tag gleich Strafe; 12 Wochen minus 1 Tag Der SPD-Entwurf enthielt die Straffreiheit der Frau. gleich straffrei. Es ist einfach medizinisch und ent- Im Gruppenantrag ist dies durch eine Fristenregelung wicklungsphysiologisch nicht nachvollziehbar, wieso eingeschränkt. Der SPD-Entwurf hat das Prinzip eine Fristsetzung mit der Grenzziehung von einem „Hilfe statt S trafe" in einem umfassenden Umfang Tag über die Legalität einer Abtreibung entscheiden enthalten. Im Gruppenantrag sind nur Teile davon soll. Wenn man dem Gedanken einer Fristenlösung erreicht. Der SPD-Entwurf enthielt die Forderung überhaupt folgen kann, dann doch nur innerhalb einer eines auf Freiwilligkeit ausgerichteten Anspruchs auf Zeitspanne, die sich nach dem gegenwärtigen Stand Beratung. Im Gruppenantrag sind nur Teile davon der Erkenntnis, nur auf ein zerebral nicht differenzier- erreicht. Der SPD-Entwurf hatte als Kernstück zur tes Stadium beschränkt. 8390* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Natürlich bin ich mir darüber im klaren, daß mit Das in unserer Verfassung verbürgte Recht auf theoretischen Ausführungen die Lebenswirklichkeit Leben, das die Schutzpflicht des Staates auch für das nicht verändert werden kann. Wir als Gesetzgeber ungeborene Leben umfaßt, ist der Maßstab, an dem haben die Pflicht, diese Lebenswirklichkeit zu sehen, jede Neuregelung des Abtreibungsrechts zu messen d. h. sich der Tatsache der ungewollten Schwanger- ist. Meine Entscheidung bei der heutigen Abstim- schaften zu stellen. Diesen Frauen in einer schweren mung wird von folgenden Grundsätzen bestimmt: Konfliktlage müssen wir helfen, ohne den Schutz des Erstens. Menschliches Leben, geborenes und unge- ungeborenen Lebens bedingungslos preiszugeben borenes, hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau oberste auf den Schutz des Staates. Priorität beizumessen. Es muß einen — auch ethisch vertretbaren — Ausgleich geben. Zweitens. Das Lebensrecht des ungeborenen Kin- des hat grundsätzlich Vorrang vor dem Selbstbestim- Eine Indikationsregelung, die auf eine psycho- mungsrecht der Frau. soziale Notlage abstellt, bietet den verfassungsrecht- lich sichersten Ansatzpunkt. Drittens. Ein Schwangerschaftsabbruch ist Tötung menschlichen Lebens und muß deshalb durch die Sich der Lebenswirklichkeit stellen heißt aber auch, Rechtsordnung eindeutig und zweifelsfrei mißbilligt die aktuelle Situation der Frauen gerade in den neuen werden. Bundesländern zu sehen. Für sie wird die Möglichkeit Viertens. Ein Schwangerschaftsabbruch kann nur in des Abbruchs objektiv erschwert. bestimmten Not- und Konfliktsituationen straffrei Ich halte das Gespräch zwischen Frau und Arzt für sein, in denen der Abbruch einer Schwangerschaft auf sehr wichtig. Beide befinden sich in einer Konflikt- einer achtenswerten Güter- und Interessenabwägung lage. Beide brauchen die Möglichkeit des offenen und beruht. ehrlichen Gesprächs. Deshalb bin ich für die Ände- Fünftens. Der Gesetzgeber hat die Pflicht, die Kri- rung unseres Mehrheitsentwurfs. terien zu normieren, in denen eine Not- und Konflikt- Bereits in der ersten Lesung im September 1991 lage angenommen werden kann. habe ich gesagt, daß eine gesonderte Dokumenta- Sechstens. Eine wie auch immer geartete Fristenre- tionspflicht entbehrlich sei, da der Arzt schon nach gelung macht menschliches Leben verfügbar. Eine seiner Berufsordnung zur Aufzeichnung verpflichtet solche Regelung, die von vornherein die Tötung ist. Allerdings ist eine stichwortartige Aufzeichnung menschlichen Lebens auch für die Fälle billigend in etwas anderes, als eine im Strafrecht aufgeführte Kauf nimmt, in denen keine Not- bzw. Konfliktsitua- Dokumentationspflicht. Auch sollte das vertrauens- tion vorliegt, ist mit unserer Verfassung nicht verein- volle — auf subjektiven Momenten beruhende — bar. Gespräch zwischen Frau und Arzt nicht dadurch belastet werden, daß Inhalt und Entscheidung viel- Insbesondere von den Befürwortern einer Fristenre- leicht Jahre später gerichtlich überprüft werden kön- gelung wird mir entgegengehalten, ich versuchte nen. Daher verhindert eine gesonderte Dokumenta- meine moralischen Auffassungen anderen zu oktro- tionspflicht eine ehrliche Beratung und ein offenes yieren, die andere Wertvorstellungen hätten als ich. Gespräch der beiden, an dessen Ende eine gemein- Wenn die überwiegende Mehrheit unserer Bevölke- same Entscheidung für oder gegen den Abbruch steht; rung eine Fristenlösung befürworte, zeige sich darin eine Entscheidung, die meiner Meinung nach nicht ein gewandeltes Wertebewußtsein, dem auch der gegen die Frau getroffen werden kann. Gesetzgeber Rechnung zu tragen habe. Das überzeugt mich nicht. Zwar ist richtig, daß der Ich plädiere für eine verfassungskonforme Lösung, Staat in unserer weltanschaulich pluralistischen die Frauen in einer Konfliktsituation nicht allein läßt, Gesellschaft weder die Pflicht noch die Möglichkeit die den Rahmen für Beratung und soziale Maßnah- hat, etwa alle religiös-sittlichen Vorstellungen der men bietet, aber das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Strafgesetzbuch zu berücksichtigen. Bei Frauen nicht über das Lebensrecht der ungeborenen der Frage des Schwangerschaftsabbruchs handelt es Kinder stellt. sich doch keineswegs um spezifisch kirchliche Forde- rungen, gar um katholisches Sondergut. Vielmehr Dr. Joseph-Theodor Blank (CDU/CSU): Art. 31 des geht es um das unabdingbare Prinzip jeder sittlich Einigungsvertrages verpflichtet uns, den gesamtdeut- legitimierten Rechtsordnung: Menschliches Leben ist schen Gesetzgeber, Regelungen zu treffen, die den grundsätzlich unantastbar. Schutz ungeborener Kinder besser gewährleisten als Auch in einer weltanschaulich pluralistischen bisher geltendes Recht und die zugleich Konfliktsitua- Gesellschaft gelten grundlegende und unantastbare tionen schwangerer Frauen verfassungskonform lö- sittliche Gebote. Daher hat gerade in einer Zeit, in der sen helfen. Der strafrechtliche Schutz des ungebore- religiöse und sittliche Grundsätze immer stärker rela- nen Lebens ist dabei neu und einheitlich zu fassen. tiviert werden, in einer Zeit, in der geschlossene Die hohe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen in Weltanschauungen ihre Leitbildfunktion weitgehend der Vergangenheit sowohl in der alten Bundesrepu- verloren haben, der Gesetzgeber die Aufgabe, die blik als auch in der ehemaligen DDR macht deutlich, sittliche Verantwortung der Gesellschaft und des daß Staat und Gesellschaft ihrer Aufgabe, die einzelnen in positive Rechtsregeln umzusetzen. schwächste Form menschlichen Lebens, das ungebo- Angesichts eines technischen Fortschritts, der die rene Kind, wirkungsvoll zu schützen, bisher offen- manipulative Beeinflussung des Lebens in all seinen sichtlich nur unzureichend nachgekommen sind. Phasen ermöglicht, steht der Gesetzgeber vor der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8391*

Aufgabe, dem technisch und medizinisch Möglichen haben kann? Sowohl bei der Entscheidung, ein Kind Grenzen des sittlich Zulässigen und Verantwortbaren zur Welt zu bringen oder nicht, als auch in der Frage, zu setzen. Im Bewußtsein dieser Verantwortung hat ob Sterbehilfe statthaft ist oder nicht, geht es um die der Bundestag ein Gentechnologiegesetz beschlossen Unantastbarkeit menschlichen Lebens. und ein Embryonenschutzgesetz verabschiedet. Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen soll Natürlich gibt es Situationen, in denen Leben gegen zukünftig Ziel jeder Staatstätigkeit sein. Die Rechts- Leben steht und Menschen entscheiden müssen, wel- subjektivität von Tieren als Mitgeschöpfe haben wir ches Leben erhalten bleibt. Ich denke dabei an ebenfalls gesetzlich bereits festgeschrieben. Polizeiaktionen bei Gewaltverbrechen, an den Krieg, an riskante medizinische Eingriffe, aber auch an eine Angesichts dieser konsequenten, dem Lebens- Abwägung — Gott sei Dank nur sehr selten — zwi- schutz dienenden Gesetzgebung ist es für mich wider- schen dem Leben einer Frau und dem eines ungebo- sprüchlich und nicht nachvollziehbar, vorgeburtliches renen Kindes. In allen genannten Fällen können wir in menschliches Leben dem Zugriff anderer weitgehend unserer Gesellschaft einen breiten Konsens in der oder auch nur befristet anheimzugeben. Wir können Prioritätensetzung bei der Wahl für das zu schützende doch nicht einerseits Menschen mit den Mitteln des Leben vorfinden. Strafrechts daran hindern, Tieren Leiden zuzufügen, andererseits aber den strafrechtlichen Schutz für das Unterschiedliche Weltanschauungen zeigen sich ungeborene Leben einschränken. erstaunlicherweise dann, wenn Belastungen für Fami- lien, für Partner und für die betroffene Frau durch die Das ungeborene Leben wird — und das weiß ich Tötung eines Menschen in der ersten Schwanger- auch — nicht allein und in erster Linie durch Regelun- schaftsphase abgewehrt werden sollen. Eine unge- gen des Strafrechts — wenngleich solche unverzicht- wollte Schwangerschaft kann in der Tat lästig sein. Sie bar sind — wirkungsvoll geschützt werden können. kann Pläne der Lebensführung über den Haufen Die Erfahrungen mit der Indikationsregelung der werfen, finanzielle Nachteile und sogar große Schwie- Altbundesrepublik und der Fristenregelung der DDR rigkeiten verursachen, wenn die Planansätze für haben gezeigt, daß beide Regelungen allein einen Haus, Auto, Urlaub keinen Spielraum für Unvorher- wirksamen Lebensschutz nicht hinreichend gewähr- gesehenes aufweisen und der Einkommensverlust leisten. Der Schutz vorgeburtlichen Lebens muß daher einer ansonsten berufstätigen Ehefrau nicht verkraftet vorrangig durch verbesserte Rahmenbedingungen für werden kann. Aber auch Schwierigkeiten in der Ehe die Entscheidung zum Kind bewirkt werden. Das oder in einer Beziehung sind Anlaß, sich gegen ein umfaßt sowohl finanzielle Leistungen im Bereich der Kind zu entscheiden. Männer, die in außerehelichen Familien- und Sozialpolitik, den flächendeckenden Beziehungen, aber auch in der Ehe nicht zu ihrer Ausbau von Schwangerenberatungsstellen, die Be- Verantwortung stehen und der Frau nicht helfen, mit reitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen und der neuen — für mich persönlich sehr schönen Situa- die Qualifizierung von Hilfen. tion — fertigzuwerden, sind oft der Grund für eine Der Gesetzentwurf, der nach meiner Auffassung am Abtreibung. ehesten einer sittlich und auch verfassungsrechtlich gebotenen Schutzpflicht des Staates im Hinblick auf Dies alles sind für die be troffenen Frauen und das menschliche Leben entspricht und zugleich Kon- Männer sicher unangenehme und nur schwer zu fliktsituationen schwangerer Frauen verfassungskon- meisternde Situationen. Trotzdem frage ich: Sollen form löst, ist der Entwurf eines Gesetzes zum Schutz dies alles Beweggründe sein, die der Staat als Recht- der ungeborenen Kinder auf Drucksache 12/1179. Ihm fertigung oder sogar als Notlagenindikation für die werde ich deshalb zustimmen. Tötung eines — auch nach dem Grundgesetz — voll- wertigen Menschenlebens akzeptiert? Nein! Sollte dieser Gesetzentwurf keine Mehrheit finden, werde ich mich, um eine Fristenlösung — wie sie auch Wie oft werden wir im Leben gezwungen, Ein- der fraktionsübergreifende Gruppenantrag vorsieht schnitte und Schicksalsschläge hinzunehmen, ange- — zu verhindern, für den Gesetzentwurf der Fraktion fangen bei der verpatzten Prüfung, dem Verlust des der CDU/CSU auf Drucksache 12/1178 — Gesetz zum Arbeitsplatzes, dem Erleiden eines schweren Unfalls Schutz des ungeborenen Lebens — entscheiden. mit Dauerschäden, einer schweren, sogar unheilbaren Krankheit oder dem Zerbrechen einer Ehe bzw. Bezie- hung, bis hin zum Tod eines nahestehenden Men- (CDU/CSU): Die Reform des § 218 des Peter Bleser schen? Da soll die Geburt eines Kindes eine größere Strafgesetzbuches ist für mich Anlaß, grundsätzlich Belastung sein, als die eben genannten Schicksals- über die Werteordnung unserer Gesellschaft nachzu- schläge? Wie weit sind wir gekommen! Unsere Gesell- denken. Vordergründig geht es bei der Neuregelung schaft ist nicht sehr kinderfreundlich. Familien mit des § 218 darum, ein einheitliches Rechtsgebiet für die Kindern sind finanziell immer noch benachteiligt; Bundesrepublik — alt und neu — zu schaffen. Bei auch fehlen in den Städten Kindergartenplätze. In den genauem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß hier ein Dörfern meines Heimatlandkreises Cochem-Zell ist heftiger S treit um den Stellenwert des einzelnen das übrigens nie ein Problem. Da muß und wird auch Menschen in jeder Existenzphase, gegenüber der noch mehr getan werden. Aber dies als Rechtferti- Gesellschaft insgesamt oder eines Mitmenschen, ent- gung für die Abtreibung eines Kindes hinzunehmen, brannt ist. beleidigt alle Eltern, die selbst in den schwierigsten Dabei geht es im Grunde um die Frage: Inwieweit Kriegs- und Nachkriegszeiten nicht einmal mit dem muß ich es zulassen, daß die Existenz eines anderen Gedanken gespielt haben, ein ungeborenes Kind zu Menschen auf mein Leben entscheidenden Einfluß töten. 8392* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Jede Gesellschaft setzt die Normen ihres menschli- brüche jemals verhindern. Es gelang nicht und es wird chen Zusammenlebens selbst. Heute steht eine grund- nicht gelingen, Frauen zur Austragung ihres Kindes sätzliche Weichenstellung in der Frage des Schutzes zu zwingen. Im Gegenteil: Die Rate der illegalen ungeborener Kinder an. Für mich steht außer Frage, Schwangerschaftsabbrüche stieg in solchen Zeiten. daß die Unantastbarkeit des Lebens auch vor der Auch die beiden alternativen Regelungen wie die Geburt nur bei einer medizinischen Indikation zur Indikationenlösung in unserem Strafgesetzbuch so- Disposition gestellt werden darf. Dies bedeutet aber wie die Fristenlösung in der ehemaligen DDR werden auch, daß wir die Achtung vor einer Frau, die sich trotz von den betroffenen Frauen vielfach als unbefriedi- widriger Umstände für ihr Kind entscheidet, praktisch gend empfunden. Bei der Indikationenlösung war die leben müssen. Ihr öffentliches Ansehen muß genauso Rechtssicherheit nicht gewährleistet. Dies haben gestärkt werden wie die Hilfsbereitschaft in der Nach- Gerichtsverfahren in der Vergangenheit gezeigt, in barschaft. der Frauen auf entwürdigende Weise vorgeführt wur- Mein Respekt gehört den Frauen und Männern, die den. Zudem sind Ärztinnen und Ärzte mit der Feststel- den Mut zur Überwindung aller Widerstände haben lung einer sozialen Notlage überfordert. Auch gericht- und sich für ihr Kind entscheiden. Meine Stimme gilt lich kann diese nur schwer überprüft werden. daher dem Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bei der Fristenlösung besteht die Gefahr, daß sie als ungeborenen Kinder des Kollegen Werner. Für den Instrument der Familienplanung eingesetzt wird. Fall, daß dieser Gesetzentwurf nicht die erforderliche Ausführliche Beratung vor dem Schwangerschaftsab- Mehrheit erhält, stimme ich, um eine Fristenregelung bruch gab es in der ehemaligen DDR nicht. zu verhindern, für den Mehrheitsentwurf Gesetz zum Schutz des ungeborenen Lebens der CDU/CSU-Frak- Abgeordnete von SPD, CDU, F.D.P. und der Gruppe tion. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben deshalb einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der den Schutz des vorgeburtlichen werdenden Lebens, die Förderung Dr. Ulrich Böhme (Unna) (SPD): In dem französi- einer kinderfreundlicheren Gesellschaft und Hilfen schen Film „Eine Frauensache " wird die wahre im Schwangerschaftskonflikt in den Mittelpunkt Geschichte einer Frau geschildert, die mehrfach an stellt. Hierzu gehört beispielsweise eine umfassende anderen Frauen Abtreibungen durchführte. Eines Sexualaufklärung sowie kostenfreie Abgabe ärztlich ihrer Motive war Mitleid mit den verzweifelten verordneter Verhütungsmittel an Frauen bis zur Voll- Frauen. Hinzu kam deren Armut, die es häufig nicht endung des 20. Lebensjahres. erlaubte, noch ein Kind in die Welt zu setzen. Und Verhütungsmittel wie heute gab es noch nicht. Diese Hierzu gehört die Schaffung einer kinderfreundli- Frauen trieben ab oder ließen abtreiben, obwohl cheren Lebenswelt. Die Verbesserung der Rahmen- ihnen klar war, daß ihnen nach dem damaligen bedingungen für Familien fordern wir Sozialdemo- französischen Recht die Todesstrafe drohte. Dieses kraten seit langem. Die Erweiterung des Erziehungs- Schicksal ereilte schließlich die Heldin des Films. Als urlaubs und des Zeitraumes der Gewährung von letzte Frau wurde sie wegen der von ihr vorgenomme- Erziehungsgeld sowie andere wichtige Verbesserun- nen Abtreibungen zum Tode verurteilt. gen, die im vergangenen Jahr beschlossen wurden, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Wir fordern Obwohl sich die medizinische Forschung erheblich jedoch weiterhin den Rechtsanspruch auf einen Kin- weiterentwickelt hat, Verhütungsmittel zur Verfü- dergartenplatz sowie eine bessere Versorgung der gung stehen und die Gesetzgebung liberaler gewor- Kinder in Kinderhorten. Nur so ist es möglich, daß den ist, gibt es in dieser Begebenheit Konstanten, die Frauen, insbesondere auch Alleinerziehende, beru- noch heute für viele Frauen in Konfliktsituationen higt ihren Beruf ausüben können. gelten: Dies hat natürlich seinen Preis. Aber wer es mit dem Erstens. Die Frauen, die sich zu einem Abbruch der Lebensschutz ernst meint, wird diesen doch nicht am Schwangerschaft entschließen, sind verzweifelt. Die Geld scheitern lassen. Die Kosten jedoch zum größten Lebensumstände sind so entmutigend, daß sie sich Teil den Ländern aufbürden zu wollen ist unredlich. nicht imstande sehen, ein Kind zur Welt zu bringen. Hier ist die Bundesregierung gefordert, die dann eben Zweitens. Strafandrohung, selbst die der Todes- auf andere kostspielige Prestigeobjekte verzichten strafe, kann Abtreibungen nicht verhindern. Sie wei- muß. chen auf Abtreibungen ohne ärztliche Hilfe aus, die Unser Gesetzentwurf überläßt der Frau die Ent- für die Frauen zumeist lebensgefährlich sind. scheidung, ob sie das Kind zur Welt bringen möchte Die Tatsache, daß allein in den alten Bundesländern oder nicht. Wir wollen ihr mit diesem Gesetzentwurf pro Jahr zur Zeit ca. 80 000 legale Schwangerschafts- bei der Entscheidungsfindung helfen, nicht sie in die abbrüche durchgeführt werden — die illegalen Knie zwingen. Wir wollen sie durch die genannten Abbrüche und die im Ausland nicht mitgerechnet —, Maßnahmen dazu ermutigen, ihr Kind zur Welt zu bedauere ich sehr. An solche Zahlen werde ich mich bringen. nicht gewöhnen. Schwangerschaftsunterbrechung als Dennoch — und damit müssen wir uns abfinden — Verhütungsmittel zu betrachten, lehne ich ab. Denn entscheiden sich Frauen in Ausnahmesituationen wieviel menschliches Leid, wieviel Verzweiflung und dazu, die Schwangerschaft abzubrechen. Und hier wieviel seelische Beschädigungen sich für die Frauen setzen unsere Vorschläge zur Neuregelung der dahinter verbergen, ist kaum zu ermessen. Schwangerschaftsabbrüche an: Straffrei soll der Weder die Androhung der Todesstrafe noch anderer Schwangerschaftsabbruch sein, wenn dieser inner- schwerer Strafen konnte jedoch Schwangerschaftsab- halb der ersten 12 Wochen nach der Empfängnis mit Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8393*

Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorge- der Kinder ausrichten würden und unsere generatio- nommen wird und die Schwangere mindestens drei nenübergreifende Verantwortung nicht aus dem Blick Tage vor dem Eingriff in einer Beratung eine umfas- verlieren. sende medizinische, soziale und juristische Informa- Wo es um Kinder geht, muß das Prinzip der Einsicht tion erhalten hat. — nicht die Drohung mit Strafe — Berücksichtigung Unser Kompromißentwurf vereint viele positive finden. In dieser Frage führt Strafbarkeit zur Demüti- Ansätze und effektive Hilfsangebote an die Frau mit gung. Dies gilt für die Frau, die sich in tiefer und nüchternen Regelungen im Falle einer Schwanger- verzweifelter Konfliktlage befindet. Sie weiß in die- schaftsunterbrechung. Dies macht unseren Entwurf so sem Augenblick sehr wohl, daß wir uns nicht zum menschlich. Er ist weder doktrinär noch dogmatisch. Menschen, sondern als Menschen entwickeln. Die Er steht in seinem Ernst diame tral entgegengesetzt zu Entscheidung über den Lebensschutz des ungebore- Libertinage oder inhumanem Leichtsinn. nen Kindes kann ihr niemand abnehmen. Unser Ziel ist und bleibt es, möglichst viele Abtreibungen zu Weil im Zentrum dieses Entwurfs der Schutz des verhindern. Die Angst vor Strafe führt in die Illegalität werdenden Lebens, eine kinderfreundliche Gesell- und ich frage mich, ist dieser — im Grundsatz — schaft sowie Hilfestellungen für Frauen in Konfliktsi- ethische Konflikt einer ungewollten Schwangerschaft tuationen stehen, bitte ich Sie, diesem Antrag zuzu- mit dem Strafrecht überhaupt lösbar? Nein. stimmen. Umfassende, fachkundige und persönliche Bera- tung ist hilfreich und notwendig. Sie kann das Vorlie- Eine Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): gen einer Indikation bestätigen, doch an der Selbst- Kirche, die mir bei der anstehenden Abstimmung bestimmung der Frau führt kein Weg vorbei. Dabei vorschreiben will, was christlich ist, mißbraucht das halte ich es für selbstverständlich und notwendig, daß Bekenntnis zu Jesus Christus, weil sie es für eine in vielen möglichen Fällen beide Betroffenen, Frau politische Entscheidung verwendet. Heftige Angriffe und Mann, gemeinsam zu einer Entscheidung kom- hat es in den letzten Wochen gegen die Abgeordneten men. Der Mann gehört in die Mitverantwortung. der Union gegeben, die sich für den Gruppenantrag entschieden haben. Ich wehre mich gegen diese Wir sollten bei dieser aktuellen Auseinanderset- Pranger-Praxis. Wir sind nicht weniger christlich, zung nicht vergessen, daß es in Europa in den vergan- wenn wir nach unserem Gewissen anders als die genen Jahrhunderten ständig zwei Bewegungen in Mehrheit entscheiden. Nicht einzelne politische dieser Problematik gab. Die eine wurde von der Lösungen sind Ausweis christlicher Gesinnung, son- Bevölkerungspolitik bestimmt, die zweite von der dern das Menschenbild, das unserem Handeln ethischen Frage, ob es der Frau überhaupt erlaubt ist, zugrunde liegt. Die freie Gewissensentscheidung von ungeborenes Leben zu töten. Viele hundert Jahre lang Abgeordneten ist ein fundamentales Recht. Für mich wurde die Abtreibung als Mittel der Geburtenbe- ist sie gebunden an meine christliche, soziale und schränkung eingesetzt. Die Liberalisierung des humane Verantwortung. Abtreibungsrechtes erfolgte wirklich erst nach dem Zweiten Weltkrieg, zu Anfang in den osteuropäischen Mehr als 120 000 Abbrüche jährlich allein in der Staaten, dann in Großbritannien, in den skandinavi- alten Bundesrepublik sind ein Maßstab dafür, daß wir schen Ländern, später in Österreich, Frankreich und in unserer Gesellschaft Defizite an Menschlichkeit Italien. Während sich Dänemark, Schweden und Bel- und sozialer Fürsorge haben. Der Rückgang der gien für eine Fristenlösung entschieden, sprachen sich Abbrüche um über 22 % in den vergangenen 7 Jahren fast alle anderen für den Indikationsweg aus. gibt Anlaß zur Hoffnung auf die Wirksamkeit von Aufklärung und die vorgesehenen flankierenden In den USA verneinte der Supreme Court das Recht sozialen Maßnahmen für Frauen, Mütter und Fami- auf Leben bei ungeborenen Kindern. Das Bundesver- lien. Die Sensibilität und Zuwendung gegenüber dem fassungsgericht dagegen bejahte im Fristenlösungs- ungeborenen Leben hat zugenommen. Die vielen urteil dieses Recht. Die Bandbreite der Auffassungen hundert Beratungszentren, die Gespräche mit Ärzten ist sehr groß, und sie erhält noch eine zusätzliche und die Arbeit der kirchlichen Verbände belegen dies. Dimension, wenn man die Diskussion auf der Weltbe- Das alles hat zu einer Verbesserung der Situation völkerungskonferenz in Mexiko 1984 einbezieht. Dort insgesamt beigetragen. In diesem Zusammenhang konnte nur ein Minimalkonsens gefunden werden, kommt Anerkennung auch denen zu, die Sexualerzie- denn gerade in den Staaten der Dritten Welt, wo oft hung in der Schule unterrichten. Hunger, Armut und Elend herrschen, wird die Abtrei- bung als Mittel gegen die drohende Überbevölkerung Der beste Schutz des ungeborenen Lebens ist der angesehen. Für das christliche Abendland eine nur Schutz geborenen Lebens. Deshalb gilt es, die immer schwer nachvollziehbare Begründung. noch bestehenden Defizite in bezug auf Kinder- freundlichkeit, Umweltsicherheit, nachbarschaftli- Wir sollten bei der von uns angestrebten nationalen cher Zuwendung, Wohnraumumfang, Kindergarten- Lösung nicht die Internationalität der Problematik und Kinderbetreuungsplätzen und die Vereinbarkeit vergessen, nicht die Angst der Frau vor dem Verlas- von Familie und beruflicher Tätigkeit der Frau in einer senwerden bei ungewollter Schwangerschaft, nicht breit angelegten Kampagne von Bund, Ländern und ihre Sorge, dem Kind nicht gewachsen zu sein. Kommunen gemeinsam zu beheben. Der Gruppenantrag läßt keine Zweifel zu, daß am „Wo es Kindern gutgeht, geht es allen gut. " Wir alle, grundsätzlichen Verbot der Tötung festgehalten wird. die gesamte Gesellschaft, haben einen Vorteil davon, Aber er sagt auch unmißverständlich, daß sich der wenn wir viel stärker als bisher unsere Politik am Wohl Schutz des ungeborenen Lebens nicht gegen die 8394* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Frauen durchsetzen läßt. Die persönliche Verantwor- Dort, wo echte Probleme oder Notlagen bestehen, tung wird anerkannt. Die Gewissensentscheidung muß es darum gehen, der werdenden Mutter zu kann ihr niemand abnehmen. helfen. Da geht es freilich nicht nur um Worte. Schwangere Frauen in Notsituationen brauchen Wenn ich dem Gruppenantrag zustimme, gebe ich neben dem Verstehen auch soziale Hilfen. Das ist eine als Christ nicht meine Grundmaxime immer Leben zu Aufgabe für die Politik, und ich weiß, daß wir hier noch schützen, auf, ob gegen Diktaturen, gegen Feinde von lange nicht alle Möglichkeiten erfüllt haben. Menschen- und Bürgerrechten oder gegen jene, die die Schöpfung nicht bewahren wollen. Hingegen werden Millionen aus öffentlichen Kas- sen für alterna tive Projekte aller Art sowie für überzo- gene Kunst- und Kulturszenen usw. ausgegeben. Eine Georg Brunnhuber (CDU/CSU): Als frei gewählter Garantie für einen Kindergartenplatz oder für Kinder- Abgeordneter des Deutschen Bundestages — meinem tagesstätten kann aber nicht gegeben werden. Das ist Gewissen verpflichtet — lehne ich jede Form der wenig glaubwürdig und nicht überzeugend. Mit Fristenregelung ab. Niemand hat das Recht, dem einem Bruchteil der für die vorher genannten Einrich- Menschen im Mutterleib das Recht auf Leben zu tungen notwendigen Mittel könnte man dafür sorgen, nehmen. Das Recht auf Leben wird nicht durch den daß wir eine kinderfreundliche Gesellschaft werden. Staat verliehen, sondern ist ein elementares Men- Würden wir alle unsere Kraft in Bund, Ländern und schenrecht. Gemeinden darauf verwenden, dann ist dies auch zu schaffen. Die Anhörungen zur Neuregelung des § 218 haben eindeutig ergeben, daß in der Medizin kein Dissens Ich appelliere an Sie, meine Kollegen und Kollegin- darüber besteht, daß ab der Befruchtung ein mensch- nen: stellen Sie Ihre Entscheidung unter den Leitsatz: liches Wesen vorhanden ist. Schon in der sechsten Es geht darum, der werdenden Mutter zu helfen, Woche werden eindeutig menschliche Umrisse sicht- anstatt ihr ungeborenes Kind mit dem Tode zu bestra- bar, und ab der achten Woche reagiert das Kind auf fen. Reize und ist eindeutig schmerzempfindlich. Zwar Ich fürchte, unsere Kinder werden es einst nicht hängt es von der Mutter ab, ist aber nicht einfach nur verstehen, wenn wir nicht alles ausgeschöpft haben, ein Teil der Mutter, sondern ein individuelles Wesen um das Leben Ungeborener zu schützen. Stimmen Sie und deshalb wie jeder geborene Mensch von der deshalb gegen den Gruppenantrag von SPD und Mutter, von der Gesellschaft und vom Staat zu schüt- F.D.P., der eine Fristenregelung vorsieht. zen. Leben kennt eben keine Fristen. Die schwangere Frau kann im Sinne der Menschen- Ursula Burchardt (SPD): Wer sich mit der über rechte nicht über ihr ungeborenes Kind wie über einen hundertjährigen Geschichte des § 218 befaßt, kommt beliebigen Gegenstand verfügen. Menschliches Le- an der Erkenntnis nicht vorbei: Keine Strafandrohung, ben darf in keiner Phase seiner Entwicklung zur und sei sie noch so hart, kann vorgeburtliches Leben Disposition gestellt werden. Dies hat bereits das schützen. Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 1975 Die Drohung mit Gefängnisstrafen ist nicht nur festgestellt und deshalb jegliche Fristenregelung als sinnlos, sie ist unmenschlich. Seit seinem Bestehen hat verfassungswidrig verworfen. der § 218 unendlich viel Leid über unendlich viele In der Bundesrepublik Deutschland wurden im Jahr Frauen gebracht, sie diskriminiert, kriminalisiert, sie 1991 400 000 ungeborene Menschen durch Abtrei- in ihrer Not zu Engelmacherinnen und Kurpfuschern bung getötet. Ich frage Sie allen Ernstes: Können wir getrieben. Oftmals verloren sie dabei Gesundheit und das verantworten? Kann unserer Gesellschaft eine Leben, die Würde allemal. solche Situation egal sein? Sind wir nicht alle aufge- Wer diese Tatsache nicht kennt, ist so bodenlos rufen, dafür einzutreten, auch das ungeborene Leben ahnungslos, daß sich die Frage nach der politischen zu schützen? Verantwortungsfähigkeit aufdrängt. Wer in Kenntnis dieser Tatsache behauptet, Frauen trieben leichtfertig Die sicherlich allen nicht unbekannte und weltweit ab, sie machten ihre Entscheidung vom Wochentag geehrte Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa oder der Jahreszeit abhängig — wie ich es jüngst in hat sich hierzu wie folgt geäußert: „Abtreibung ist diesem Hause noch gehört habe —, ist zynisch und heute der größte Feind des Friedens. Sie ist die menschenverachtend. schlimmste Art des Tötens, ein Krieg gegen das hilfloseste Wesen überhaupt — das Ungeborene!" Tatsache ist, daß werdendes Leben nur geschützt werden kann durch die freie und eigenverantwortli- Es wird von den Befürwortern der Fristenregelung che Entscheidung der Frau. Tatsache ist, daß den immer wieder darauf verwiesen, daß das Strafrecht Frauen die Entscheidung für ein Kind leichter fällt, keine Abtreibung verhindere. Doch deshalb kann wenn ihr gesellschaftliches Umfeld familien- und doch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Töten kinderfreundlich ist. Gelebte Kinderfreundlichkeit eines Ungeborenen mit einem Federstrich im Straf- und sozialer Fortschritt sind der beste Lebensschutz. recht vom Unrecht zum Recht wird. Dies haben die Erfahrungen der Nachbarstaaten und Dem Schutz zum Leben dient sowohl ein ganzes die Anhörungen im Sonderausschuß nachhaltig Bündel von Maßnahmen — darunter auch Beratung belegt. und soziale Hilfe —, aber eben auch eindeutig das Wer immer noch meint, Frauen müßten per Gesetz Strafrecht. Dieses stellt den Unrechtscharakter der zum Objekt von Fremdbestimmung durch Ärzte oder Fristenregelung heraus. Richter gemacht werden, diskriminiert die Leistungen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8395* und die unglaubliche Verantwortung der Frauen, die zes, weil sich das Strafrecht als untauglich zu diesem sie tagtäglich tragen. Sind es doch bis heute überwie- Zwecke erwiesen hat. gend sie, die für die Erziehung von Kindern unendlich viele Mühen und Opfer auf sich nehmen, oft unter Ohne die freie Entscheidung der Frau sind auch Inkaufnahme der Einschränkung eigener Entfal- materielle Hilfen sinnlos. tungsmöglichkeiten bis hin zum Leben in Armut. Mit der heutigen Entscheidung für oder gegen die Von Frauen wird erwartet, daß sie zurückstecken: Fristenregelung wird auch darüber entschieden, ob „Der Lebensschutz, das vorgeburtliche Leben, hat Freiheit und Selbstbestimmung, ob Toleranz und Vorrang vor eurer Lebensplanung." heißt die mehr- Achtung der Würde eines jeden Menschen, nur die heitlich konservative Botschaft. In diesem Zusammen- rhetorische Garnierung staatsmännischer Festtagsre-- hang steht erneut die Glaubwürdigkeit der Politik auf den sind oder ernstgemeinte, verbindliche Gestal- dem Spiel: Warum entbrennt über die Finanzierung tungsprinzipien in unserer demokratisch verfaßten von Kindergartenplätzen ein fast kleinkariert anmu- Gesellschaft, die auch für Frauen selbstverständlich tender Streit, wenn innerhalb weniger Tage 17 Milli- und uneingeschränkt gelten. arden DM für den Golfkrieg lockergemacht werden Ich stimme für die Fristenregelung. konnten? Wer kann es noch verstehen, daß Milliarden im Bundesverkehrswegeplan für neue Betonpisten vorgesehen sind, wo doch den geborenen Kindern bald die Luft zum Atmen ausgeht? Welche Konse- Marion Caspers-Merk (SPD): Kaum ein Thema hat die quenzen werden gezogen aus dem offenkundigen bundesdeutsche Diskussion so beschäftigt wie die Zusammenhang von Geburtenrückgang und drama- Auseinandersetzung um den § 218. Da werden Dro- tisch steigender Frauenarbeitslosigkeit in den neuen hungen ausgesprochen, werden Vergleiche zur Nazi- Ländern? diktatur gezogen und müssen Bibelzitate herhalten. Da werden Kunststoffembryonen versandt, Videokas- Die Aufzählung weiterer Beispiele für Glaubwür- setten verschickt und flattern Plakate ins Haus. Kaum digkeitslücken beim Schutz des geborenen Lebens ein Gesetzgebungsverfahren hat die Menschen so wäre ein abendfüllendes Programm. bewegt wie dieses. Die Diskussion droht zu entgleiten. Um so nötiger scheint es, die Debatte auf das zurück- Der Beirat des Frauenreferates der Evangelischen zuführen, was sie wirklich ist. Es handelt sich hierbei Kirche von Westfalen schrieb mir denkwürdige Zei- um ein Gesetzgebungsverfahren, das uns durch den len: „Es gehört aber zu einer verantwortlichen Ent- Einigungsvertrag aufgegeben wurde. Gleichzeitig ist scheidung, Bedingungen und Einschränkungen die heutige Debatte auch Ausdruck eines gesell- wahrzunehmen und sie mit den eigenen Vorstellun- schaftlichen Wertewandels. Wir alle müssen einräu- gen zu verbinden. So kann die Entscheidung für einen men, daß der 120 Jahre alte § 218 seinen Anspruch, Abbruch gerade deshalb verantwortlich sein, weil sie werdendes Leben zu schützen, nicht erfüllt hat. Er die Feindseligkeit der umgebenden Verhältnisse bedroht Schwangere mit S trafe, schüchtert die Ä rzte- berücksichtigt. " schaft ein, ohne daß dadurch gleichzeitig werdendes Leben geschützt wurde. Inte rnationale Vergleiche Dagegen erweisen sich die Appelle des katholi- beweisen, daß die Zahl der Abtreibungen nicht durch schen Klerus als weltfremd. Er verteufelt Verhütung, schärfere Gesetze, sondern nur durch mehr Aufklä- nimmt damit das explosionsartige Anwachsen der rung und mehr gesellschaftliche Hilfen für Mütter und Bevölkerung in Kauf, insbesondere im südlichen Teil ihre Familien zu senken ist. So hat beispielsweise das der Welt, und dies angesichts millionenfachen Kinder- katholische Irland eine Regelung, die den Schwanger- tods. schaftsabbruch in der Verfassung verbietet. Aber um „Macht euch nicht zu Richtern", forderte Bischof so höher sind die Abbruchzahlen in England. Die Lehmann zum Abschluß des Kirchentages mit Blick eingestandene oder uneingestandene Akzeptanz auf die heutige Debatte. So richtig diese Aufforderung eines „Abtreibungstourismus" beleuchtet schlaglicht- im Grundsatz ist, so ignorant und arrogant wird sie artig das Versagen eines Gesetzgebers vor gesell- empfunden angesichts gleichzeitiger Verurteilung schaftlichen Tatsachen und vor der Not der Frauen. von Frauen, von Andersdenkenden, von Menschen, Diesen Tatsachen müssen wir uns als Gesetzgeber die ihr Leben nach anderen Werten ausrichten. In und vor allem Gesetzgeberinnen in vollem Umfang einer pluralistischen Gesellschaft ist der Staat für alle stellen. da. Er darf sich nicht an einer Weltanschauung, an Maßstäben einer Institution orientieren, deren Ober- Kein anderer Paragraph des Strafrechtes hat für uns zeugungskraft und Akzeptanz im Schwinden begrif- Frauen eine derart lange und leidvolle Geschichte wie fen ist. Dies auch deshalb, weil sie noch immer auf der § 218. Er hat Frauen, die sich im Konflikt für einen Strafe und Angst, statt auf menschliche Vernunft und Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, mit Verantwortungsfähigkeit setzt. drastischen Strafen bedroht und somit Opfer zur Rechtsbrecherinnen gemacht. Auch die jetzt zur Dis- Das Festklammern an der Strafandrohung in der kussion stehende Festschreibung der Indikationsre- Konfliktsituation, die nur durch die Schwangere gelung ändert an diesem Tatbestand nichts. Sie baut gelöst werden kann, wird von Frauen zu Recht als das vor einem Abbruch bürokratische Hürden auf und Wegtauchen der Politik aus der Verantwortung für die traut der Frau keine eigenverantwortliche Entschei- Gestaltung einer menschenfreundlichen Gesellschaft dung zu. Durch eine wie immer geartete Dokumenta- empfunden. Sie ist eine unerträgliche Form von tionspflicht wird Memmingen wieder möglich. Dies Privatisierung. Sie ist die Preisgabe des Lebensschut darf nie wieder geschehen. 8396* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Auch der Gruppenantrag von Mitgliedern aus SPD Aus drei Gründen bin ich entschieden gegen eine und F.D.P. erfüllt nicht alle meine Wunschvorstellun- Fristenregelung: gen für die Neuregelung des § 218. Er erfüllt aber zwei wesentliche Prinzipien: Er bekennt sich zur Eigenver- Erstens. Menschliches Leben, geborenes und unge- antwortlichkeit der Frau, und er macht klar, daß der borenes, hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch Schutz des geborenen und des ungeborenen Lebens auf den Schutz des Staates. Die Fristenregelung stellt zusammengehören, indem er erstmalig ein breites das ungeborene Kind für eine bestimmte Zeit recht- Angebot von sozialen Hilfen und Rechtsansprüchen und schutzlos. Dies ist unvereinbar mit dem Urteil des für Frauen und Kinder formuliert. Bundesverfassungsgerichts. Wer das Urteil von 1975 gelesen hat — was ich voraussetze —, kann sich Denn dies ist die eigentliche Tragik des § 218. Wir dieser Erkenntnis nicht entziehen und muß die Fri- haben uns mit einem Paragraphen im Strafgesetzbuch stenregelung ablehnen. der Pflicht entzogen, eine kinderfreundliche Gesell- schaft zu werden. Eine evangelische Landessynodale Zweitens. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau aus Baden formulierte es bei einer Podiumsdiskussion muß am Lebensrecht des Kindes seine Grenze finden. einmal so: „Wir haben uns mit Hilfe des Strafrechtes Die Verfassungsrichter stellten hierzu fest, daß dem freigekauft von der Verantwortung, für frauenfreund- Lebensschutz des ungeborenen Kindes für die liche und familienfreundliche, gesellschaftliche gesamte Dauer der Schwangerschaft der Vorrang vor Strukturen zu sorgen. " Lassen Sie uns mit dieser dem Selbstbestimmungsrecht der Frau gegeben wer- Verantwortung für eine frauen- und kinderfreundli- den muß. Auch nach meiner Meinung muß eine che Gesellschaft heute beginnen, indem wir den Güterabwägung zwischen Selbstbestimmungsrecht Gruppenantrag annehmen und damit einen Schluß- und Lebensrecht des Kindes eindeutig zugunsten des strich unter 120 Jahre Frauenleid und Frauendiskri- ungeborenen Lebens ausfallen. Wir haben heute alle minierung ziehen. Möglichkeiten, uns vor dem Eintritt in eine Schwan- gerschaft für oder gegen diese zu entscheiden.

Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Ich unterstütze Drittens. Die Befürworter einer Fristenregelung las- den Gruppenantrag zur Reform des Schwanger- sen die Frau in ihrer Konfliktsituation allein, treiben schaftsrechts. Und ich kann diese Gewissensentschei- sie in die Isolation. Wir wissen, daß Ehemänner, dung sehr wohl mit meiner aktiven Unterstützung des Partner und Familien in über 50 % der Fälle Frauen zur Embryonenschutzgesetzes unterstützen. Menschli- Abtreibung drängen. Diese Frauen sind fremdbe- ches Leben ist von Beginn an schützenswert. Aber wir stimmt. Von einer selbstbestimmten Entscheidung müssen unterscheiden können. Beim Embryonen- kann in diesen Fällen nicht ausgegangen werden. schutzgesetz wollen wir gemeinsam mit Hilfe des Beratung darf sich deshalb nicht in bloßer Information Strafrechts die befruchtete menschliche Eizelle davor erschöpfen, wie es der Gruppenantrag vorsieht. Eine schützen, daß sie durch interessierte Wissenschaftler, solche Beratung hat nichts mit „Rat" zu tun und ist für Mediziner aus allgemeinem Erkenntnisinteresse zum die Frauen in Not keine Hilfe. Beratung soll der Frau Forschungsobjekt gemacht wird, verbraucht wird. In nach unserem Entwurf Wege zu einem Leben mit der Abwägung zwischen dem Forschungsinteresse einem Kind aufweisen. Dazu werden der Schwange- Dritter und dem Schutz werdenden menschlichen ren vielfältige soziale Hilfsmaßnahmen angeboten. Lebens dürfen wir die Entscheidung nicht dem Drang von Forschern überlassen. Wir haben hier mit Hilfe In unserer Fraktion tun wir uns sehr schwer mit der des Strafrechts eine klare Grenze gesetzt und den Gewissensentscheidung, die — da es um menschli- Vorrang des Schutzes werdenden menschlichen ches Leben geht — eine besonders verantwortungs- Lebens rechtlich verankert. bewußte zu sein hat. Da wundern wir uns schon über die Gewissensuniformität in anderen Fraktionen. Völlig anders sieht es aber in einer Schwanger- Schwangerschaftsabbruch ist zweifelsfrei Tötung schaftskonfliktsituation aus. Wir können doch nicht im menschlichen Lebens und muß deshalb durch die Ernst den an Embryonenforschung interessierten Arzt Rechtsordnung eindeutig mißbilligt werden. Es kann und die schwangere Frau in einer Konfliktsituation nicht bestritten werden, daß das Strafrecht bewußt- über einen juristischen Leisten scheren. Deshalb an seinbildende Bedeutung hat. die Adresse der Unterstutzer des Werner-Entwurfs: Ich als Christ halte nach wie vor die Regelungen im Keinen Sinn macht für mich das oft zitierte Motto Embryonenschutzgesetz, die verbrauchende For- „Helfen statt Strafen" . Um S trafe ging es für die schung an menschlichen Embryonen untersagt, für Schwangere schon bei der geltenden Indikationsrege- richtig und notwendig. Ich trete aber heute in eben lung nicht. In Anlehnung an bisheriges Recht wollen derselben Deutlichkeit für den Gruppenantrag ein, wir, daß die Schwangere selber unter drei Vorausset- denn werdendes menschliches Leben ist nicht gegen, zungen beim Schwangerschaftsabbruch straffrei sondern nur mit der Mutter zu schützen. Die Mutter bleibt: Wenn ein Facharzt den Abbruch vornimmt, muß deshalb in einer Konfliktsituation eigenverant- wenn vorher eine Beratung erfolgt ist und drittens wortlich entscheiden, ohne Kontrolle oder Bevormun- höchstens 12 Wochen nach der Empfängnis verstri- dung. chen sind. Vielmehr zielt unser Entwurf darauf ab: Helfen, um Gertrud Dempwolf (CDU/CSU): Unter Berücksichti- schwangeren Frauen in ihrer Konfliktsituation eine gung aller Gesichtspunkte habe ich mich entschlos- Perspektive für ein Leben mit dem Kind zu geben. sen, den Mehrheitsentwurf der CDU/CSU-Fraktion zu Ausdrücklich begrüßen wir deshalb die verbesserte unterstützen, um eine Fristenregelung zu verhindern. Beratung zum Leben hin. Die angeführte Konfliktlage Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8397*

im Gruppenantrag ist für mich eine inhaltslose Formel, Die Definition „Pflichtberatung" läßt erkennen, daß da die Frau diese allein feststellt. es sich dabei mehr um eine offene Beratung als Wirkliche Hilfen im Schwangerschaftskonflikt sind Pflichtaufgabe handelt denn um eine Beratung für das die verbesserten Hilfen und Ansprüche. Sie sind im Leben. Diese Tatsache wird auch dadurch belegt, daß einzelnen bereits genannt worden: Verlängerter sich jährlich mehr als 300 000 Frauen trotz Beratung Erziehungsurlaub, Freistellung von der Arbeit zur und sozialer Hilfen nicht davon abhalten ließen, ihre Pflege kranker Kinder, erhöhter Unterhaltsvorschuß, ungeborenen Kinder töten zu lassen. Man kann hier Einarbeitungszuschüsse bei Rückkehr in das Er- spekulieren, warum dies so ist: Liegt es daran, daß werbsleben, Rechtsanspruch auf einen Kindergarten- Ratsuchende ihre Entscheidung bereits vor der Bera- platz, Einführung eines einkommensabhängigen Fa- tung getroffen haben, oder liegt es an der Beratung miliengeldes und Ausweitung der Bundesstiftung selbst? Eine Beratung, welche die Option für das Töten „Mutter und Kind" . Unser Entwurf erscheint mir des unerwünschten Kindes offenläßt, ist kein Beitrag gerade deswegen richtig, weil sich rechtliche, soziale zum Lebensschutz. und bewußtseinsbildende Maßnahmen ergänzen. Den Betroffenen soll durch ein Beratungsgespräch Alle zusammen — so forderten es 1975 die Verfas- verdeutlicht werden, daß es ein Unrecht ist, ihr eige- sungsrichter vom Gesetzgeber — sind unerläßlich für nes Kind zu töten, auch wenn das Gesetz in bestimm- den gebotenen Schutz des Lebens. ten Fällen Straffreiheit vorsieht. Auch sind die schwe- Wir müssen unser Gewissen prüfen und nicht das ren psychischen Spätfolgen einer Abtreibung ver- für notwendig erachten, was zur Zeit populär stärkt anzusprechen, auch oder gerade im Interesse erscheint. Wir Politiker müssen gerade das populär der Schwangeren. Betroffen habe ich heute in einem machen, was notwendig ist: Das Leben ungeborener Schreiben der Selbsthilfegruppen „Frauen nach Kinder unbefristet zu schützen und ungewollte Abtreibung" gelesen, ich zitiere: „Die Tötung eines Schwangerschaften durch eine frühe Erziehung der Kindes im Körper seiner Mutter ist ein brutaler Ge- Kinder und Jugendlichen zum verantwortlichen waltakt — nicht nur gegen das Kind, sondern auch Umgang mit der Sexualität zu vermeiden. Die Ehr- gegen seine Mutter, selbst wenn sie diesem Gewaltakt furcht vor dem Leben darf in unserer Gesellschaft zustimmt bzw. zustimmen mußte." nicht verlorengehen. Der beste Schutz für ungebore- Ich werde bei der Abstimmung zum § 218 ff. StGB nes Leben überhaupt ist eine positive Grundhaltung für den Gesetzentwurf des Abgeordneten der Gruppe zum Kind und zum Leben. Deshalb fordern wir eine Herbert Werner (Ulm) stimmen, weil darin der Schutz gewissensbildende Kampagne über den Schutz des des ungeborenen Lebens meiner Ansicht nach am ungeborenen Lebens. Ich denke hier an eine ähnliche besten gewährleistet wird. Schon bei der Definition Informationsreihe, wie sie über „AIDS" entworfen des § 2 „Beratung" steht in diesem Entwurf der Schutz wurde. des ungeborenen Kindes gleichrangig neben dem Ich wiederhole: Eine Fristenregelung in jeglicher Schutz der Schwangeren. Dieser Schutz menschli- Form ist ethisch unverantwortlich und verfassungs- chen Lebens von Anfang an unterliegt voll dem Schutz widrig. Selbst wenn sich heute eine Mehrheit der des Grundgesetzes. Abgeordneten dafür aussprechen sollte, so wird sie In schöner Eintracht von links nach rechts heißt es, keinen Bestand haben. menschliches Leben sei in seinem vorgeburtlichen Stadium noch kein Menschenleben im vollen Sinn des Albert Deß (CDU/CSU): Die heutige Debatte über Wortes und nehme folglich auch nicht in vollem eine Änderung der § 218 ff. StGB trifft unsere Rechts- Umfang am Lebensschutz des Grundgesetzes teil. kultur in einem entscheidenden Punkt: Es geht um die Dabei vergißt man aber, daß das Bundesverfassungs- Frage, wie wir mit den Schwächsten in unserer Gesell- gericht in seinem Urteil zur Fristenregelung solchen schaft umgehen, mit denen, die sich nicht selbst Überlegungen klare Absagen erteilt hat. Das Bundes- artikulieren können. Ich vertrete den Standpunkt, daß verfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß zur Konfliktbereinigung — unabhängig von der Beur- das ungeborene und das geborene Leben gleicherma- teilung der Schuldfrage — kein unschuldiger Mensch ßen ein Recht zum Leben haben und daß der Staat getötet werden darf. verpflichtet ist, das ungeborene Leben gleichermaßen zu schützen wie das geborene. Das Leben ist das Jede Art von Fristenregelung, und sei sie auch mit fundamentalste Gut des Menschen, es ist die vitale einer Pflichtberatung ausgestattet, lehne ich ab, weil Basis aller anderen Rechtsgüter. Es gibt nicht ein sie vordergründig das Selbstverwirklichungsrecht der „bißchen Leben" — sondern es gibt Leben oder Tod. Frau berücksichtigt und dabei übersehen wird, daß Der Eingriff in das Rechtsgut Leben bedeutet immer auch ein Ungeborenes das Recht auf Selbstverwirkli- dessen Vernichtung. Dies sollten alle Anhänger der chung hat. Abtreibung ist kein Akt der Selbstbestim- Fristenregelung bedenken. mung, sondern eine Form von extremer Fremdbestim- mung. Ein Abwägungsprozeß zwischen den Interes- Deshalb muß sich eine humane Rechtsordnung in sen des Kindes und dessen Mutter läßt unberücksich- der Abwägung der Interessen zwischen dem Leben tigt, daß sich im Falle der Abtreibung völlig verschie- auf der einen Seite und dem Selbstbestimmungsrecht dene Interessen gegenüberstehen. Für das Kind geht der Mutter auf der anderen Seite immer für das Leben es ums Überleben, für die Mutter um die Einschrän- des Kindes entscheiden und diesem den Vorzug kung ihrer künftigen Selbstentfaltung. Das Recht auf geben. Nur in dem Fall, in dem Leben gegen Leben Leben wurde vom Bundesverfassungsgericht schon steht, kann die Tötung des einen Lebens zugunsten 1975 höherrangig eingestuft als das Selbstbestim- des anderen gerechtfertigt sein. Deshalb können die mungsrecht. Indikationen des § 218a StGB mit Ausnahme der 8398* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 strengen medizinischen Indikation niemals Rechtfer- schwanger werden. Hier wollen und dürfen wir die tigungsgründe sein. Frauen nicht allein lassen.

Schon bei der Wiedervereinigung wurden in ganz Schwangerschaftskonflikte setzen sich immer aus Deutschland Stimmen laut, die in der früheren DDR objektiven und subjektiven Bestandteilen zusammen. geltende Fristenregelung auf das ganze Bundesgebiet Gäbe es nur rein objektiv zu beurteilende Argumente, auszuweiten. Gegen erheblichen Widerstand konnte dürfte es in der Tat in unserer Wohlstandsgesellschaft dies verhindert werden. Normen, die in Fortschrei- keine Abtreibungen geben. bung der ehemaligen DDR-Regelungen auf einem atheistisch-marxistischen Menschenverständnis be- Hier Klarheit zu schaffen und den Konflikt in lösbare ruhen, sind für mich nicht akzeptabel und schon gar und möglicherweise nicht lösbare Bestandteile zu nicht Grundlage für eine so wichtige Entscheidung. gliedern, muß Sinn sowohl der Beratung als auch des Es gibt keine Anzeichen dafür, daß das Bundesver- Gespräches mit dem Arzt zur Indikationsfeststellung fassungsgericht die Frage der Fristenregelung heute sein. Daß überhaupt eine Indikation gefordert wird, anders beurteilt als vor 17 Jahren, als es mit seinem halte ich deshalb für richtig, weil damit die Schwan- Richterspruch die Einführung der Fristenregelung gere — und hoffentlich auch ihr Partner — sich der durch die damalige SPD/F.D.P.-Regierung verhin- Frage stellen muß, warum sie denn eigentlich eine derte. Abtreibung vornehmen lassen will. Vor sich selber müssen sie diese Frage beantworten. Mein Einsatz gilt dem Lebensrecht des ungebore- nen Kindes, das wehrlos ist. Ein Ungeborenes hat Es kann nicht sein, daß aus einem diffusen Unbeha- keine Stimme und keine eigene Lobby, deshalb gen heraus, aus oft panischer und unreflektierter braucht es den uneingeschränkten Schutz des Staates, Reaktion, möglicherweise unter dem Druck des Part- so wie er im Grundgesetz verankert ist. ners, der Vorsatz zum Schwangerschaftsabbruch in die Tat umgesetzt wird. Die zunächst verdrängte Ilse Falk (CDU/CSU): Das Wissen, daß auch schärf- Frage nach dem „warum" taucht garantiert irgend- ste Strafgesetze Abtreibungen nicht haben verhin- wann später wieder auf und kann zu erheblichen dern oder vermindern können, verpflichtet uns dazu, psychischen Belastungen führen. unsere heutige Entscheidung daran auszurichten, welcher der vorliegenden Entwürfe am ehesten Als zweiten wichtigen Grund für mein Votum habe geeignet ist, der besonderen Situation einer ungewollt ich die Respektierung der subjektiven Entscheidung schwangeren Frau gerecht zu werden. Aus der Ver- von Frau und Arzt genannt. Auch hier bleibe ich pflichtung des Staates, Leben zu schützen, muß er dabei, daß es hilfreich ist, wenn Frau und Arzt nach zwar jedes Zuwiderhandeln grundsätzlich unter Straf- einem Gespräch gemeinsam zu einer Entscheidung androhung stellen. Aber es erwächst daraus gleichzei- kommen, die sie im Falle eines Abbruchs sowieso tig die Forderung, alles Bemühen darauf auszurich- auch jeder für sich treffen müssen. ten, daß dieses Zuwiderhandeln gar nicht erst geschieht. Hier kommt es entscheidend darauf an, daß Ich hätte mir gewünscht, daß man sich auf die sich dieses Bemühen an der Lebenswirklichkeit Dokumentation nach ärztlichem Standesrecht be- betroffener Frauen und nicht an der Betroffenheit schränkt und die ausdrückliche Dokumentations- lebensfremder Gesetzgeber orientiert. pflicht aus dem Entwurf herausgenommen hätte. So wäre jede Möglichkeit der Interpretation, die laut Wenn wir allerdings den Erfolg der einzelnen Ent- Begründung zum Entwurf ausdrücklich auch nicht würfe abschätzen wollen, sind wir alle auf Hypothe- gewollt ist, vermieden und deutlich gemacht, daß die sen angewiesen. Trotzdem habe ich natürlich meine Entscheidung der Schwangeren und des Arztes nicht Gründe, warum ich meine, daß der Fraktionsentwurf in Frage gestellt werden darf. Hier vertraue ich darauf, der CDU/CSU in besonderer Weise Schwangeren in daß die Forderung, Verantwortung für ein Kind zu einer Konfliktsituation helfen könnte. Vieles ist heute übernehmen, auch bedeutet, Verantwortung für eine schon gesagt, deshalb beschränke ich mich auf die mir Entscheidung zuzugestehen, ohne sich anzumaßen, wichtigsten zwei Gründe: diese überprüfbar zu machen. 1. Beratung und Indikationsstellung Wir alle sind in den vergangenen Wochen und 2. Respektierung der subjektiven Entscheidung von Monaten mit einer Flut von Briefen und Ratschlägen Frau und Arzt. überrollt worden, deren textliche und bildliche Dar- Zu 1.: Beratung und Indikationsstellung als Bedin- stellungen oftmals an die Grenzen des Erträglichen gungen für Straffreiheit stelle ich ausdrücklich in und darüber hinaus gingen. Allen Absendern sei einen ganz engen Zusammenhang, weil hier an zwei gesagt: Ich brauche für meine heutige Entscheidung Stellen die Chance besteht, einer Frau, die ihren weder Plastik-Föten, noch Bilder von zerstückelten Konflikt als unlösbar empfindet, in Gesprächen sach- Ungeborenen, noch die Androhung der Hölle. Ich liche und seelische Hilfe ohne den Druck der Strafan- brauche es nicht, weil ich mich uneingeschränkt dem drohung zu vermitteln. Wünschenswert wäre, daß ihr Schutz des ungeborenen Lebens verpflichtet fühle. Ich Partner daran teilnähme; aber wir wissen, wie oft brauche nicht das Besserwissen der anderen, sondern Frauen gerade in dieser Lage allein gelassen werden. die Hilfe eines jeden einzelnen, wenn es darum geht, Häufig vertrauen sich Frauen auch niemandem an, Familien in Not, Alleinerziehenden, allen, die sich weil sie sich seit Erfindung der Pille alleine für bewußt auch für behindertes Leben entscheiden, zur Verhütung verantwortlich fühlen und es als persönli- Seite zu stehen und ihnen Unterstützung und Gebor- ches Versagen empfinden, wenn sie ungewollt genheit zukommen zu lassen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8399*

Dr. Klaus-Dieter Feige (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ gekommen sind. Es drängt sich mir fast der Verdacht NEN): Freiheit ist immer die Freiheit der Andersden-- auf, daß dies die gleichen Menschen sind, die weiter- kenden. Fanatisierte Menschengruppen in der Bun- hin zulassen, daß in der „Dritten Welt" tagtäglich desrepublik Deutschland sind egozentrischer und zigtausende Kinder und Erwachsene in Armut intoleranter als sonstwo auf dieser Welt! umkommen. Sie wissen nur zu gut, daß diese Armut Zu diesem, vielleicht nur wenig übertriebenen durch uns Nordmenschen maßgeblich mitbestimmt Ergebnis kommt sicher mancher Abgeordneter des wurde und wird. Bundestages, wenn er an die letzten Wochen in Bonn Ich frage mich wirklich, ob es einen Sinn hat, daß so und daheim zurückdenkt. Ursache für diese düstere viele Kinder auf diese Welt kommen, nur um alsbald Feststellung ist die nationale Auseinandersetzung um wieder elendig zu sterben. Es ist so leicht, diese Schuld die Gesetzesvorlagen zu den § 218 und § 219 des zu verdrängen oder durch Ablaß-Geldspenden sein Strafgesetzbuches. Die Regelung des ersten gesamt- Gewissen zu beruhigen. Es ist so leicht, sich im deutschen Gesetzes über Schwangerschaftsunterbre- Bemühen um ungeborenes Leben von dieser Schuld chungen und zum Selbstbestimmungsrecht von freizukaufen. Frauen ist noch umstrittener als die vor einem Jahr im Ich mag Kinder sehr gern. Gerade deshalb habe ich Bundestag debattierte Frage des Umzugs von Parla- aber beim Anblick der hungernden Kinder in Ent- ment und Regierung nach Berlin. wicklungsländern der Welt nur Wut über so viel Die Formen der Einflußnahme von Gegnern von Borniertheit verspürt. All diejenigen, die sich also Schwangerschaftsunterbrechungen auf die Bundes- unter dem Deckmantel ihres Glaubens (sei er christ- tagsabgeordneten kannten weder Maß noch Gesetz. lich oder weltlich) um die ungeborenen Embryonen Videos mit „verzweifelt" gegen den Arzt „kämpfen- bemühen, werden erst dann meinen Respekt erhalten, den" Embryonen, Plastikföten und Drohbriefe gehör- wenn sie diesen Glauben auch global verwirklichen ten noch zu den harmloseren Meinungsäußerungen. helfen. Bischöfe mißbrauchten ihr Amt und machten öffent- lich Stimmung, aber auch Befürworter der fortschritt- Ich mag Kinder sehr gern. Ich mag aber auch die lichen Lösungen gingen mit den religiösen Gefühlen Mütter und Väter, die ihr Kind nur in eine Umwelt der Kolleginnen und Kollegen nicht gerade zimperlich zeugen wollen, in der diesem eine sinnvolle Zukunft um. garantiert werden kann. Und ich wünsche mir, daß die Mütter immer frei darüber entscheiden können, ob Völlig daneben griffen all diejenigen, die für den dieser Zeitpunkt gekommen ist oder nicht — selbst bei Erhalt des ungeborenen Lebens bereit waren, bereits einem Liebes „unfall". geborenes Leben (nämlich das der Abgeordneten) zu vernichten. Ich mag Kinder sehr und wünschte mir, daß keine Wenn ich diese Form der Meinungsfreiheit so beob- Schwangerschaften durch die werdenden Mütter achte, wird mir schon klarer, wie es in einigen Ländern beendet werden müßten, aber ich weiß, daß wir auf dazu kommen kann, daß sich Völker gegenseitig um der Erde dieses „Nicht-mehr-unterbrechen-zu-müs- eines Glaubens Willen umbringen. sen" erst garantieren können, wenn freie Menschen ihr Lebensgeschick selbst in die Hände genommen Es ist nun mal eine nicht zu verleugnende Tatsache, haben. Der Weg in diese Zukunft kann aber nicht daß in der Bundesrepublik das zahlenmäßige Verhält- bereits am Eingang mit einer Freiheitsberaubung nis zwischen den konfessionell gebundenen Men- verbaut werden. schen und der Menge an „Heiden" die Bevölkerung etwa halbiert. Und wie in vielen anderen Dingen des Mit einer befristeten oder unbefristeten Legalisie- täglichen Lebens kommt es vor, daß sich Menschen in rung der Schwangerschaftsunterbrechung (von mir ihrer Meinung aus weltanschaulichen Gründen unter- aus nur bis auf das Niveau der ehemaligen DDR) ist scheiden. In der Bundesrepublik gilt allein schon aus übrigens nicht die Pflicht verbunden, daß die Frauen diesem Grund zumindest theoretisch das demokrati- jetzt regelmäßig abtreiben müssen. Die Frauen in der sche Prinzip der Glaubensfreiheit und auch das der ehemaligen DDR haben es bewiesen, sie konnten Trennung von Staat und Kirche. verantwortungsvoll mit der Fristenregelung umge- hen. Nur bösartige Menschen unterstellen ihnen Diese Kirchen in der Bundesrepublik verlieren nun zügellose Lust — eine Schwangerschaftsunterbre- von Tag zu Tag immer mehr an Einfluß auf die chung ist ja auf jeden Fall auch eine seelische und Bürgerinnen und Bürger, manch ein Kirchenfürst physische Belastung, der sich keine Frau aus Jux und weint heute schon den Zeiten hinterher, in denen es noch Staatsreligionen gab. Und genau da liegt die Tollerei aussetzt. Ursache für diesen „Bürgerkrieg": Die einen sind Mein Votum am heutigen Donnerstag gilt also allen unfähig, mit einer aus ihrer Sicht erlebten Niederlage Gesetzesinitiativen, die der individuellen Freiheit von zurechtzukommen, und die anderen sind sich des Frauen zum Recht verhelfen — mein Votum gilt allen aufkommenden Freiheitsgefühls noch nicht sicher. Gesetzentwürfen, die die Mädchen und Frauen in Damit reduziert sich die Frage der Schwanger- ihrer Selbstbestimmung nicht mehr kriminalisieren schaftsunterbrechung auf ein jahrtausendealtes Pro- und dem anderen Freiheitswerten verpflichteten blem, nämlich: Wer bestimmt über wen? Wer hat Urteil von meist männlichen Richtern aussetzen. Macht über andere? Mit dem sogenannten „Gruppenantrag" ist eine In einer Zeit, in der die Menschen des reichen Lösung vorgeschlagen worden, die diesen Vorstellun- Nordens von sich behaupten, der Nabel der Welt zu gen noch Erhebliches in den Weg legt. Sie ist aber die sein, zeigt es sich, daß viele in der Beherrschung ihrer einzige Lösung, die die Abgeordneten der verschie- Emotionen über steinzeitliches Niveau nicht hinaus- densten Lager aufeinander zuführt. Und weil sich nur 8400* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 durch Aufeinander- Zugehen vernünftiger Menschen Die grundsätzliche Strafbarkeit der Tötung ungebo- etwas in der Welt bewegt, werde ich dieser aus renen Lebens ist unabdingbar, um den Unrechts- Ost-Sicht rückständigen Variante meine Stimme charakter der Abtreibung herauszustellen. Die Straf- geben, weil sie gesamtdeutsch denn wohl doch der androhung hat die Aufgabe, das Leben des ungebo- wichtige erste Schritt in die wirkliche Glaubensfrei- renen Kindes als geschütztes Rechtsgut zu verdeutli- heit ist. chen und damit die Werteordnung in der Bevölkerung zu schärfen. Ob und wer tatsächlich zu bestrafen ist, entscheidet sich im Einzelfall. Dr. Karl H. Fell (CDU/CSU): Das ungeborene Leben steht nicht zur Disposition des einzelnen, weder zur Die offiziell genannte Zahl von 74 570 Abtreibun- Disposition der Mutter noch des Vaters. Das ungebo- gen im Jahr allein in den alten Bundesländern belegt rene Leben steht ebensowenig zur Disposition des das schwindende Wertebewußtsein; die Dunkelziffer Gesetzgebers, selbst wenn wir heute über verschie- reicht bis zu 350 000 Abtreibungen jährlich. Und das dene Gesetzentwürfe beraten müssen, die von der bei etwa 720 000 Neugeborenen pro Jahr. Eine Verfügbarkeit über das Leben des ungeborenen Kin- erschütternde Bilanz: Im Wohlfahrtstaat Deutschland des ausgehen. Deshalb drängt sich die Entscheidung wird die Abtreibung immer mehr zum Mittel der für den Entwurf der Gruppe um den Abgeordneten Empfängnisverhütung. Begründet als „dringender Werner geradezu auf. Fall sozialer Indikation". Es geht nicht um die heute schon arg strapazierte Das Leben des ungeborenen Kindes als geschütztes Frage, ob die Mutter frei darüber entscheiden darf, ihr Rechtsgut zu verdeutlichen, ist in der heutigen Zeit Kind auszutragen oder nicht. Der Schutz des ungebo- dringend geboten. Es handelt sich schließlich nicht um renen Kindes ist absolut, das ungeborene Leben ist für eine Schwangerschafts-„Unterbrechung", wie die den einzelnen Menschen nicht verfügbar. Die Selbst- Ausdrucksweise mancher Befürworter der Fristenre- verwirklichung der Mutter ist vor diesem absolut zu gelung verharmlosend suggeriert: Bei einer Abtrei- schützenden Rechtsgut zweitrangig, ebenso wie sich bung wird nichts unterbrochen, das später fortgesetzt der Vater nicht davonstehlen darf. werden könnte. Abtreibung ist Tötung und das muß das geltende Strafrecht deutlich durch eine nach- Gerade weil dieses junge Leben noch nicht fähig ist, drückliche Strafandrohung zum Ausdruck bringen. sich selbst zu artikulieren, bedarf es dieses umfassen- den Schutzes durch den Gesetzgeber. Dem müssen Dabei geht es — mir jedenfalls — nicht primär um wir mit unserer heutigen Entscheidung Rechnung die Bestrafung der Schwangeren, auch wenn die tragen. Befürworter der Fristenregelung dies der Bevölke- rung immer wieder neu suggerieren. Nach geltendem Selbst die Abtreibungsbefürworter können nicht Recht wird die Frau nämlich schon dann nicht bestraft, leugnen, daß es sich beim ungeborenen Kind bereits „wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung um menschliches Leben vom Zeitpunkt der Ver- (§ 218b Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) von einem Arzt schmelzung von Ei- und Samenzelle an handelt. Dies vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis wird in der Medizin ernsthaft nicht mehr in Frage nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen gestellt, wie die ausführliche Diskussion in den ver- sind" (vgl.: § 218 Abs. 3 Satz 2 StGB). „Nach Bera- gangenen Monaten nochmals deutlich bestätigt hat. tung" heißt hier wohlweislich, unabhängig vom Bera- Es handelt sich um Leben, um Leben, das des umfas- tungserfolg, somit ausdrücklich auch ohne Indika- senden Schutzes der Mutter bedarf, um wehrloses tionslage. Die Schwangere brauchte sich bisher ledig- Leben, das man nicht sich selbst überlassen darf. lich von einem Arzt über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte informieren zu lassen und sich Dabei geht es auch um den notwendigen Schutz vor zugleich an eine Beratungsstelle zu wenden, um sich der Unsicherheit einer Frau, die nicht weiß, ob sie ihr in der aus ihrer Sicht vorliegenden Konfliktsituation Kind annehmen soll. Deshalb müssen wir ihr alle beraten zu lassen. Nach drei Tagen Überlegungsfrist, denkbaren Hilfen zur Seite stellen, damit ihr die die einzuhalten wirklich keine besondere Hürde dar- Entscheidung für ihr Kind erleichtert wird. Ungebore- stellt, konnte sie bisher die Abtreibung vornehmen nes Leben muß ebenso vor dem Vater geschützt lassen, ohne daß dies für sie strafrechtliche Konse- werden, dem die neue Situation lästig ist und der quenzen gehabt hätte. deshalb die Schwangere verstößt oder gar auf Abtrei- bung drängt. Der Vater trägt eine ebenso hohe Ver- Diese Strafbefreiung ist zu weitgehend. Sie wirkte antwortung für das Kind wie die Mutter, dies muß ihm, für die Schwangere wie ein Persilschein. Unser, der wie vorgesehen, nötigenfalls durch Strafandrohung, Entwurf der „Werner"-Gruppe verlangt daher zu bewußt gemacht werden. Der persönliche Strafaus- Recht als Voraussetzung persönlicher Strafbefreiung, schließungsgrund gilt für ihn nicht. daß sich die Schwangere zur Zeit des Eingriffs „in besonderer Bedrängnis" befunden haben muß. Die Nichtverfügbarkeit des ungeborenen Lebens ist der hauptsächliche Grund für mein Abstimmungsver- Lassen Sie mich noch einen weiteren Aspekt halten. Der Gesetzgeber ist gefordert, alles zu tun, um beleuchten. Sollte tatsächlich der Gruppenantrag der Mutter und dem Vater die Entscheidung für ihr einer Fristenregelung mit Beratungsp flicht heute eine gemeinsames Kind zu erleichtern. Daher enthält Mehrheit finden, so ist dies ein bitterer Preis für die unser Gesetzentwurf ein umfassendes Paket an So- Wiedererlangung der deutschen Einheit. Ich möchte zialmaßnahmen, die sicherstellen, daß niemand aus daran nachdrücklich erinnern. Die Schaffung neuen materieller Not eine Abtreibung vorzunehmen Unrechts wird zum Preis für den geeinten deutschen braucht. Rechtsstaat. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8401*

Die neuerliche Diskussion über eine wie auch tatsächlich über das Lebensrecht. Sie stellen die Frau immer geartete Fristenregelung ist Folge einer man- nicht nur straflos, sondern kennzeichnen die Tötung gelnden Konsensfähigkeit beim Abschluß des Eini- ungeborenen Lebens ohne schwerwiegenden Grund gungsvertrages. Schlimmer noch: Die Bestrebungen nach Beratung überhaupt nicht mehr als Unrecht. Dies in den neuen, aber auch teilweise in den alten bedeutet zugleich auch den Verzicht auf die Mißbilli- Bundesländern, das jahrzehntelang praktizierte SED- gung der Abtreibung durch die Rechtsordnung im Unrecht auf ganz Deutschland zu übertragen, waren übrigen. so stark, daß der Einigungsvertrag vom Scheitern Zweitens. Der Verzicht auf eine strafrechtliche bedroht gewesen wäre, hätten wir uns hier nicht auf Mißbilligung bricht mit der Systematik und Dogmatik eine erneute Diskussion der Abtreibungsfrage einge- des Strafrechts. Nach der Selbstdarstellung des Grup- lassen. Deshalb wurde die Frage ausgeklammert und penantrags ist die Not- und Konfliktlage der Frau stets liegt uns heute zur bitteren Entscheidung vor. zu unterstellen und Grund für die Rechtfertigung der Gestatten Sie mir zum Abschluß einige Bemerkun- Tat. Wir wissen, daß über 90 % der Mörder reine gen zum Gruppenantrag. Er ist grob verfassungswid- Konflikttäter sind, verzichten aber im S trafrecht zu rig, unsozial und gewährleistet keinen wirksamen Recht nicht auf die strafrechtliche Mißbilligung dieser Lebensschutz: Straftat gegen das Leben. Im übrigen führt die Frei- Die nach dem Gruppenantrag vorgesehene Bera- gabe der Abtreibung mit und ohne Frist, mit und ohne tung bleibt eine Farce, weil sie sich auf bloße Infor- Beratung zu einem unauflösbaren Wertungswider- mationserteilung beschränkt. Echte Konfliktbera- spruch zum Schutz des extrakorporal erzeugten Em- tung, eine Beratung für das Leben, findet nicht statt. bryos, der vor dem Transfer in die Gebärmutter Die schwangere Frau wird mit ihren Problemen allein strafrechtlich geschützt ist, danach aber nicht mehr. gelassen. Drittens. Auch zentrale soziale Gründe sprechen Die Ausgestaltung des Beratungsverfahrens kon- gegen die Freigabe der Abtreibung und unpräzise zentriert sich auf das zweigleisige Beratungsmodell Indikationsmodelle. So ist das Strafrecht auch sozialer von Pro Familia, das aus ideologischen Gründen die Schutzschild gegen Nötigung, Pressung und Druck soziale Beratung mit der medizinischen koppelt. Tat- Dritter gegen die schwangere Frau. sächlich ist hier eine strikte Trennung vonnöten. Die Ich fürchte zudem, daß durch die Fristenlösung, medizinische Beratung hat durch unabhängige Ärzte aber auch durch unpräzise Indikation pränatale Eu- zu erfolgen, während es Aufgabe der Beratungsstel- thanasie, aber auch Selektion unter rassistischen len bleibt, die psychische und soziale Hilfe zu gewäh- Gesichtspunkten möglich wird, wenn z. B. ein Junge ren. gewollt, ein Mädchen aber nicht geboren werden soll, Entscheidend kommt hinzu: Der Gruppenantrag oder wenn das Kind abgetrieben wird, weil der Vater bleibt hinsichtlich der flankierenden und sozialen Farbiger ist. Die Folgen für das soziale Zusammenle- Rahmenbedingungen weit hinter dem Antrag der ben sind nicht abzusehen. er" -Gruppe und weit hinter dem Mehrheitsent- „Wern Ich vermisse des weiteren im Gruppenantrag und in wurf der CDU/CSU-Fraktion zurück. Damit offenba- den anderen Entwürfen, daß den Beratungsstellen ren die Vertreter des Gruppenantrags selbst über- Möglichkeiten spontaner, praktischer Hilfen zur mit dem Schutz des deutlich wie „ernst" es ihnen Annahme des Lebens eingeräumt werden. Dann wäre ungeborenen Kindes ist. eine Beratungsstelle tatsächlich auch handlungsfä- Ich werde daher für den von mir mit unterzeichne- hig. ten „Werner"-Entwurf stimmen. Sollte dieser Entwurf keine Mehrheit finden, werde ich für den Mehrheits- Auch vermag ich nicht zu erkennen, daß die sozia- entwurf der CDU/CSU-Fraktion als dem geringeren len und psychologischen Folgen einer Abtreibung für Übel stimmen. Den Gruppenantrag lehne ich — wie die Frau und ihr soziales Umfeld, die inzwischen unter jede Form einer Fristenregelung — auf jeden Fall dem Stichwort „post-abortion-Syndrome" anerkannt ab. sind, bei den Gesetzentwürfen berücksichtigt wur- den.

Leni Fischer (Unna) (CDU/CSU): Es stehen im Viertens. Meine dargelegte Position ergibt sich Prinzip zwei Grundpositionen zur rechtlichen Rege- nicht zuletzt aus ethischen Überlegungen, die für mich lung der chirurgischen und medikamentösen Abtrei- nicht Privatsache, sondern Maßstab politischen Wer- bung gegenüber: die Freigabe von Abtreibung mit tens und Handels sind. Ich erinnere noch einmal an und ohne Frist sowie differenzierende Indikationslö- Dietrich Bonhoeffer, der in seiner „Ethik" nicht im sungen. Ich entscheide mich für den grundsätzlichen formaljuristischen Sinne, sondern in einem grundle- Weg der Indikationslösung. Ich sehe aber nur ein genden ethischen Verständnis geschrieben hat: enges Indikationsmodell als verfassungs- und rechts- Die Tötung der Frucht im Mutterleib ist Verlet- politisch vertretbar sowie als sozial und ethisch zung des dem werdenden Leben von Gott verlie- gerechtfertigt an. henen Lebensrechtes. Die Erörterung der Frage, Erstens. Das Lebensrecht eines ungeborenen Men- ob es sich hier schon um einen Menschen handele schen steht nach dem Grundgesetz nicht zur Disposi- oder nicht, verwirrt nur die einfache Tatsache, tion, weder für einen einzelnen noch für den Gesetz- daß Gott hier jedenfalls einen Menschen schaffen geber, selbst nicht für den Verfassungsgesetzgeber. wollte und daß diesem werdenden Menschen Vertreter des Gruppenantrags erkennen diesen ele- vorsätzlich das Leben genommen worden ist. Das mentaren Verfassungsgrundsatz an, verfügen aber aber ist nichts anderes als Mord. 8402* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Daß die Motive, die zu einer derartigen Tat aufhalten, sondern fördern. Wer kann ausschließen, führen, sehr verschieden sind, ja daß dort, wo es daß als nächstes über behindertes, schwer pflegebe- sich um eine Tat der Verzweiflung in höchster dürftiges, psychisch krankes oder zu Ende gehendes menschlicher oder wirtschaftlicher Verlassenheit Leben in ähnlicher Weise gesprochen wird wie heute und Not handelt, die Schuld oft mehr auf die über ungeborenes? Schon gibt es Überschriften in Gemeinschaft als auf den Einzelnen fällt, daß Zeitungen wie „Leben erhalten um jeden Preis?"; schließlich gerade in diesem Punkt Geld sehr viel schon gibt es Sterbehilfedebatten, die einen fatal an Leichtfertigkeit zu vertuschen vermag, während vergangene totalitäre Zeiten erinnern. gerade bei den Armen auch die schwer abgerun- gene Tat leichter ans Licht kommt, dies alles Die Generation, die nach den Jahren der Diktatur, berührt unzweifelhaft das persönliche und seel- der Erniedrigung des Menschen und des Lebens in sorgerliche Verhalten gegenüber den Betroffe- Gestapo-Gefängnissen, Konzentrationslagern und nen ganz entscheidend, es vermag aber an dem Krieg und stalinistischer Gewaltherrschaft im Westen Tatbestand des Mordes nichts zu ändern. eine Verfassung geschaffen hat, die die Würde, die Unveräußerlichkeit und die Unverfügbarkeit des Abschließend: Ich weiß, daß Abtreibungen nicht Menschen ganz obenan gestellt hat und im Osten nie allein mit staatlichen Mitteln des S trafrechts, der Hilfe die Sehnsucht nach einer rechtsstaatlichen Gesell- und Unterstützung verhindert werden. Um so wichti- schaft aufgegeben hat, die das individuelle Men- ger ist dann die Förderung einer neuen Kultur des schenleben von Staats wegen schützt, sollte uns Lebens, die das Gefühl der Bewunderung und Dank- Verpflichtung sein, in diesem Bemühen nicht nachzu- barkeit angesichts der Größe jedes menschlichen lassen, sondern unter neuen Bedingungen ein hohes Lebens weckt. Dies gilt gerade für eine Welt, die Maß an Schutz des Lebens, auch des ungeborenen, zu — überrollt von technischer und funktionalistischer garantieren. Mentalität — gegenüber der Größe und der Personali- tät auch des ungeborenen Lebens die notwendige Nun betonen die Anhänger der Fristenlösung und Sensibilität verliert oder sogar schon verloren hat. des Gruppenantrages, daß es ihnen vorrangig um den Schutz des Lebens gehe. Es ist von allen Seiten immer Erich G. Fritz (CDU/CSU): Die heutige Debatte und wieder betont worden, daß die Hilfen für Frauen in Abstimmung über den Schutz des ungeborenen Schwangerschaftskonflikten wichtiger seien und die Lebens bildet den — wahrscheinlich nur vorläufi- Frage des Strafrechtes nachrangig. Dieser Auffassung gen — Abschluß einer Diskussion, die in hohem bin ich auch, allerdings müssen dann die Hilfen so Respekt vor unterschiedlichen Meinungen geführt ausgestattet sein, daß sie tatsächlich ihre Wirkung worden ist. Mir ist im Verlaufe dieses Jahres allerdings zeigen. Der Gruppenantrag klammert aber wichtige auch in erschreckender Weise deutlich geworden, wie Hilfsinstrumente aus, so daß sich die Anhänger dieser weit sich die unterschiedlichen Positionen von einem Lösung fragen lassen müssen, ob es ihnen nicht doch Konsens darüber entfernt haben, was Kern unserer nur um die Verfügbarkeit des ungeborenen Lebens Verfassung war und bleiben muß, daß es vornehmste geht. Aufgabe des Staates ist, Leben in jeder Form zu schützen. Neben einer verbreiteten Gleichgültigkeit Ich kann auch nicht verstehen, wie diese Abgeord- gegenüber den elementaren Fragen des Umgangs mit neten die Forderung erheben können, der Staat müsse menschlichem Leben gibt es offensichtlich einen gro- eine flächendeckende Infrastruktur für Abtreibungen ßen Teil der Bevölkerung und des deutschen Bundes- zur Verfügung stellen. Es ist vielmehr Aufgabe des tages, der Leben in ganz unterschiedliche Kategorien Staates, alles zu tun, damit Abtreibungen nicht statt- einteilt, die man unterschiedlich behandeln kann, finden und daß es in Konfliktsituationen akzeptable ohne daß sich das eigene Gewissen rührt. Wir müssen Auswege für die betroffenen Frauen gibt. Es kann daran arbeiten, daß die Verhältnisse im Umgang mit nicht Aufgabe des Staates sein, die Tötung ungebore- Schöpfung und Leben wieder zurechtgerückt werden nen Lebens institutionell vorzubereiten. können, denn ohne einen Grundkonsens in solchen Fragen kann eine Demokratie nicht bestehen. Dies alles weist darauf hin, daß die Anhänger des Gruppenantrages nichts anderes wollen als eine reine Schutz des Lebens ist für alle ein hohes Gut, solange Fristenlösung. Wer aber das Leben verfügbar macht, es um Erhaltung der Artenvielfalt, den Schutz der der steht nach meiner Meinung außerhalb unserer Natur geht. Heiße Debatten werden zu Recht geführt Verfassung und sollte ernsthaft darüber nachdenken, über Menschenrechtsverletzungen, über den verächt- welche Türen er damit öffnet. lichen Umgang mit dem Leben von Menschen in den Kriegs- und Bürgerkriegsregionen der Welt. Wir Ich habe den Mehrheitsentwurf der CDU/CSU- haben Strafen vorgesehen für den nicht sachgerech- Fraktion unterzeichnet, werde aber nach der langen ten Umgang mit der pflanzlichen und tierischen Natur Diskussion in der ersten Abstimmung den Antrag der und sind uns darüber einig, daß es dabei keine Gruppe Werner unterstützen, um ein Zeichen dafür zu weniger wertvollen Teile gibt. setzen, daß die grundlegende Auseinandersetzung Weitaus höhere Maßstäbe müssen wir dann doch über die Frage des Umgangs mit dem Leben und seine anlegen, wenn es um menschliches Leben geht. Mir Bedeutung für das zukünftige Zusammenleben in wird nicht wohl bei dem Gedanken, daß der Staat einer Gesellschaft des Individualismus und der Ver- einen Teil des Lebens aus dem Schutz des Strafrechts einzelung von wesentlicher Bedeutung ist. Ich hoffe, entlassen soll, den ungeborenen in einer bestimmten daß dieser Tag der Anfang einer Lebensdiskussion ist, Frist! Ich befürchte, daß wir damit die Diskussion über die zurückführt zu einem Konsens über diese zentrale andere Daseinsformen menschlichen Lebens nicht Frage. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8403*

Ich werde in der zweiten Abstimmung dem Entwurf Aus all dem gibt es für mich nichts anderes als die der CDU/CSU zustimmen, weil ich mir von ihm die Indikationsregelung, wie sie im Gesetzentwurf der Chance erhoffe, eine Fristenlösung zu verhindern, CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach außerordentlich und fordere alle auf, die den Antrag der Gruppe gründlicher Diskussion entwickelt wurde. Ich bin mir Werner unterstützen, dies ebenfalls zu tun. Niemand dabei bewußt, daß auch diese Regelungen auf geht ohne Schuld aus dieser Entscheidung, wer aber Schwierigkeiten und Grenzen stoßen. Trotzdem ver- nicht versucht, noch größeres Unheil zu vermeiden, mag ich wegen des Schutzinteresses des werdenden lädt bewußt Schuld auf sich. Lebens nicht einzusehen, daß der Rechtsstaat den Schutz des schwächsten und wehrlosesten ganz aus der Hand gibt, wie es alle Fristenlösungen tun. Der Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Bei der heuti- Schutz des ungeborenen Lebens muß grundsätzlich gen Entscheidung muß vieles bedacht werden: der für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang Rechtsschutz des ungeborenen Lebens, die Konfliktsi-- haben. Es ist willkürlich, den Schutz des ungeborenen tuation von Frauen, das Klima für Kinder und Familie Lebens für eine bestimmte Frist außer Kraft zu setzen. in unserer Gesellschaft. Ich habe dabei aber auch ganz Wer dies tut, verkennt, daß die staatliche Rechtsord- persönliche Empfindungen. Es ist nämlich für mich die nung auch durch das Strafrecht anzeigt, welchen Frage, ob es zum Beispiel mich bei der Art, wie heute Rang sie den einzelnen geschützten Rechtsgütern mit dem Problem zuweilen umgegangen wird, über- zumißt. haupt geben würde. Wenn man dem Rechnung tragen möchte und Ich möchte zum Nachdenklichmachen die Situation andererseits auch die ganz konkrete Konfliktsituation meiner Mutter darstellen und m anche hier im Raum der schwangeren Frau einbeziehen möchte, dann könnten wahrscheinlich von ähnlichen Konfliktsitua- bleibt nur eine Indikationsregelung, die auch auf die tionen ihrer Mütter berichten. Meine Mutter hatte Situation der Frau in ihrer besonderen, im Einzelfall während der Schwangerschaft einen sehr schweren durch schwerwiegende Belastungen gekennzeich- Motorradunfall, wo sie 8 m durch die Luft gewirbelt nete Lage Rücksicht nimmt, wie dies im Vorschlag der wurde und mit einem gebrochenen Wirbel schwerst- CDU/CSU vorgesehen ist. verletzt in einen Fluß landete, sie war unverheiratet, ohne jedes Vermögen, ohne jede Ausbildung, nach dem Unfall ohne Unterkunft und Arbeit. Nur mit Horst Gibtner (CDU/CSU): Vor der heutigen Ent größtmöglichem medizinischen Einsatz gelang es den scheidung ist mir sehr wohl bewußt, daß es fast Ärzten, eine nichtlebensfähige Frühgeburt zu verhin- unmöglich ist, alle zu beachtenden Grundsätze in dern. Es war der Wille meiner Mutter, trotz der einem Gesetz zu vereinen. Mir ist ebenso bewußt, daß Schwere ihrer Verletzungen, trotz der Unwissenheit, keiner der vorliegenden Gesetzentwürfe — aber auch welche Auswirkungen dies auf das Kind später haben kein sonstiger denkbarer Entwurf — die Zustimmung würde. aller Deutschen finden kann. Dennoch haben wir die Pflicht zur Entscheidung. Nach meiner Auffassung hat es eine Verschiebung von Werten, wahrscheinlich auch im Denken über Uns eint noch am ehesten die Erkenntnis, daß vor Wertinhalt gegeben, was sich auf den Umgang mit und nach der Geburt eines Kindes für die Familie bzw. dieser Frage auswirkt. Gerade deswegen darf die die Mutter moralische und finanzielle Hilfe durch die aktuelle Diskussion über den Schutz des ungeborenen Gesellschaft erfolgen muß. Das gilt ganz besonders Lebens nicht auf den strafrechtlichen Aspekt des dann, wenn der Vater des Kindes seiner Mitverant- Schwangerschaftsabbruches verkürzt werden. Dies wortung nicht gerecht wird. Unterschiedliche Auffas- ist zu wenig. sungen bestehen jedoch schon über den Umfang dieser Hilfe. Ein wirksamer Schutz des ungeborenen Lebens ist Viel schwerer wiegen die Meinungsverschieden- nur möglich, wenn alle politischen und gesellschaftli- heiten über die moralische Zulässigkeit einer Abtrei- chen Kräfte in Deutschland mitwirken, ein Klima in bung und eventuelle strafrechtliche Konsequenzen. unserer Gesellschaft zu schaffen, in dem Kinder als Wir unterscheiden uns auch in der Bewertung von Bereicherung und nicht in erster Linie als Last emp- Konfliktsituationen der Familie oder auch nur der funden werden. Vor allen rechtlichen und sozialen Mutter. Regelungen entscheidet das gesellschaftliche Klima über den Schutz des ungeborenen Lebens. So bleibt nur die Gewissensentscheidung jedes einzelnen Volksvertreters in diesem Hohen Haus. Ich Weil ein wirksamer Schutz des ungeborenen danke für die Gelegenheit, meine Gewissensentschei- Lebens nur auf dem Fundament einer kinder- und dung vor Ihnen begründen zu können: familienfreundlichen Gesellschaft möglich ist, müssen die staatlichen und gesellschaftlichen Anstrengungen Eltern und Kinder — Kinder und Gesellschaft. Nach vor allem dort ansetzen. Deswegen ist es bei der meiner Überzeugung kann es nichts Schöneres für heutigen Entscheidung sehr wichtig, dies mit unter- Eltern geben, als Leben zu schenken und Kinder stützenden Maßnahmen für Hilfen für Familien und großzuziehen. Aus christlicher Sicht ist es zugleich vor allem für Frauen zu verbinden. Beratung und Hilfe eine ehrenvolle Aufgabe, an der Bewahrung der für die schwangere Frau und die beteiligten Personen Schöpfung mitwirken zu dürfen. Ja, es darf uns nicht haben Vorrang vor strafrechtlichen Maßnahmen. nur um den Erhalt der Lebensbedingungen für Pflan- Abtreibung bleibt trotzdem Tötung menschlichen zen und Tiere gehen: Es geht auch um den Menschen Lebens. Dies kann nur in engen Not- und Konfliktsi- auf dieser Erde! Kinder sind nicht ausschließlich tuationen dem Strafrecht entzogen werden. Privatsache! Und die Entscheidung über ungeborenes 8404* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Leben hat nicht allein mit dem Selbstbestimmungs- Ich halte es für zumutbar, daß eine zum Schwanger- recht der Frau zu tun. schaftsabbruch entschlossene Frau ihre schwerwie- genden Gründe dem Arzt offenlegt, dem sie sich selbst Natürlich ist das Austragen eines Kindes für die und das Leben ihres ungeborenen Kindes anvertraut. Mutter und das Erziehen von Kindern für die Familie Ich werde also dem „Entwurf eines Gesetzes zum auch Verantwortung, kostet Anstrengung und bedeu- Schutz des ungeborenen Lebens" in der aktuellen tet auch Verzicht. Daß sich aus diesen Gründen eine Fassung (Drucksache 12/1178 (neu) — Ausschußfas- kinderfeindliche Haltung in unserer Gesellschaft ent- sung Drucksache 12/2875) zustimmen. Dabei will ich wickelt hat, liegt aber nicht an Armut und Existenz- nicht verhehlen, daß ich gerade im Bereich der Hilfen angst — sondern am Wohlstandsdenken vieler Men- im Konfliktfall und in der sozialen Absicherung von schen, an der fehlenden Bereitschaft, auf ungeborenes Familien mehr Leistungen für besser halte. Leben Rücksicht zu nehmen. Dieser Bequemlichkeit unserer Gesellschaft darf sich der Gesetzgeber nicht Unsere Verantwortung endet nicht mit der heutigen beugen. Wir müssen unter Abwägung aller Gesichts- Abstimmung. Wir müssen uns ihr auch morgen und punkte den Maßstab setzen — auch auf die Gefahr in, übermorgen stellen. daß manche Menschen zur Mißachtung von Gesetzen bereit sind. Peter Götz (CDU/CSU): In der Bundesrepublik Deutschland werden jährlich 300 000 Kinder und Kinder sind keine Sachen zum Wegwerfen! Abtrei- mehr durch Abtreibung getötet: Ein zum Himmel bung ist leider so häufig geworden, daß Bevölke- schreiendes Unrecht! Über 1 Million Ehepaare warten rungsexperten — nicht nur die selbsternannten — teilweise über Jahre darauf, ein Kind adoptieren zu meinen, daß sie tatsächlich zu einer neuen Form der können. Für alle, die sich sehnlichst ein Kind wün- Geburtenkontrolle geworden sei. Aber Abtreibung schen, ist eine Abtreibung eine unbegreifliche Tat. darf nicht mit Geburtenkontrolle verwechselt werden. Geburtenkontrolle verhindert neues Leben von Bei der Novellierung des § 218 sollten wir nicht Anfang an — Abtreibung jedoch vernichtet das neue verkennen, daß der Staat die Pflicht hat, sich schüt- Leben, wenn es bereits begonnen hat. zend vor alles Leben zu stellen. Deshalb muß er auch dem ungeborenen Kind diesen Rechtsschutz gewäh- Was ist entscheidungsrelevant? ren. Den bestmöglichen Schutz ungeborenen Lebens Erstens. Biologisch besteht für mich kein Zweifel, können wir allerdings nur erreichen, wenn in der daß von der Zeugung an im Mutterleib eigenständiges Bevölkerung das Bewußtsein für die unbedingte Leben besteht. Der Übergang zum Leben findet nicht Schutzwürdigkeit des Lebens ungeborener Kinder etwa beim Übergang von der 12. Woche zur 13. Wo- tiefer verankert wird, als dies derzeit der Fall ist. che oder gar erst bei der Geburt statt, sondern im Deshalb wäre es wünschenswert, wenn in der öffent- Zeitpunkt der Befruchtung des Eies. Dies ist die eine lichen Diskussion und den politischen Auseinander- zu beachtende Tatsache. setzungen mehr das Bewußtsein verbreitet würde, daß es in der Ehrfurcht vor dem Leben und dem Anspruch Zweitens. Juristisch gesehen hat jeder das Recht auf jedes Menschen auf staatlichen Schutz seines Lebens Leben. Da das ungeborene Kind dieses Recht nicht im grundsätzlichen keinen qualitativen Unterschied selbständig geltend machen und durchsetzen kann, zwischen dem geborenen Leben und dem ungebore- ist hier der Staat quasi als Stellvertreter gefordert. Ich nen Leben geben kann. Nur diese Grundüberzeu- weiß, daß das Strafrecht dabei nur die letzte Möglich- gung sollte die Basis unseres Handelns sein. keit ist. Aber bei einer Entscheidung über das Leben Der Auftrag des Einigungsvertrages, den Schutz des spielt Strafrecht immer eine unverzichtbare Rolle. vorgeburtlichen Lebens und die verfassungskonforme Dies ist die andere zu beachtende Tatsache. Bewältigung von Konfliktsituationen schwangerer Drittens. Was wir in den letzten Monaten gelesen Frauen vor allem durch rechtlich gesicherte Ansprü- haben, besprochen und oft auch heiß debattiert che für Frauen — insbesondere auf Beratung und haben, ist die eine Seite. Von all diesen Erörterungen soziale Hilfen — besser zu gewährleisten, als dies in am meist grünen Tisch losgelöst, stehen aber Mutter beiden Teilen Deutschlands jetzt der Fall ist, ist nicht und Vater wie auch Berater und Ärzte im Fall einer nur eine Verpflichtung, der wir bis Ende dieses Jahres unbeabsichtigten Schwangerschaft vor einer konkre- nachkommen müssen, sondern gleichzeitig auch eine ten, höchst persönlichen und höchst sensiblen Ent- Chance, die bisherige unbefriedigende Regelung zu scheidung. Ich weiß, daß manchmal schwere Konflikte verbessern. bewältigt werden müssen. Dies ist eine weitere zu Wir wissen, daß fast 87 Prozent aller gemeldeten beachtende Tatsache. Abtreibungen wegen einer Notlage erfolgen, d. h. Welchen Schluß ziehe ich? Die für meine Entschei- unsere heutige Indikationsregelung ist de facto viel- dung relevanten Gründe finde ich am ehesten im fach zu einer verschleierten Fristenregelung gewor- CDU/CSU-Fraktionsentwurf berücksichtigt. Das ist den. Aber: Das Recht auf Leben kennt keine Fristen! Die Einführung einer dreimonatigen Fristenlösung der Entwurf, der durch einen großen sozial- und familienpolitischen Maßnahmenkatalog — trotz an- löst die zentrale Frage nicht, warum das ungeborene Leben nach drei Monaten mehr wert ist als vorher. gespannter Haushaltslage — die äußeren Bedingun- Deshalb muß der Schwangerschaftsabbruch grund- gen verbessert. Das ist der Entwurf, der die Frauen sätzlich von der Rechtsordnung mißbilligt werden. nicht ohne nachhaltige Beratung abtreiben läßt. Das ist der Entwurf, der nur bei Vorliegen wirklich schwer- Allerdings dürfen wir das Strafrecht in seiner wiegender Gründe, sogenannter Indikationen, vom Bedeutung zum Schutz des ungeborenen Lebens auch staatlichen Strafanspruch absieht. nicht überschätzen. Deshalb sollte gelten: Hilfe vor Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8405*

Strafe! Wir wissen sehr wohl, daß es schwerwiegende den Schutz des ungeborenen Lebens dürfen wir nicht Konfliktlagen gibt, in denen Frauen keinen anderen zur Disposition stellen. Ausweg sehen, als einen Schwangerschaftsabbruch. Bei der Frage zum Leben oder Tod des Kindes im In dieser Situation müssen wir ihnen auch zur Seite Mutterleib findet auch das Selbstbestimmungsrecht stehen. Der Schutz vorgeburtlichen Lebens muß des- der Frau seine Grenzen, ohne daß dadurch die Würde halb vorrangig durch verbesserte Rahmenbedingun- der Frau verletzt ist. gen für die Entscheidung zum Kind bewirkt wer- den. Abtreibung ist Tötung menschlichen Lebens vor der Geburt. Es ist nicht zu verstehen, die Tötung mensch- Da wir wissen, daß in den alten Bundesländern über lichen Lebens innerhalb einer Frist von beispielsweise 600 000 Kindergartenplätze fehlen und daß Schwan- zwölf Wochen unter gewissen Bedingungen straffrei gere bei der Wohnungssuche so gut wie keine Chan- zu stellen, aber die Tötung unter denselben Bedingun- cen haben, ist der Gesetzgeber dringend zum Han- gen ein oder zwei Tage später der Strafbarkeit zu deln gezwungen. Der Entwurf der CDU/CSU-Frak- unterziehen. Es ist ein und dasselbe Leben in seiner tion trägt dieser Situation Rechnung: Zum Beispiel von Gott geschaffenen Einzigartigkeit vor und nach durch die Festschreibung eines Rechtsanspruchs für Ablauf der Frist. einen Kindergartenplatz zwischen dem 3. und dem 6. Lebensjahr sowie durch eine bevorzugte Berück- Eine Fristenlösung wie auch immer sie ausgestaltet sichtigung bei der Vergabe von Sozialwohnungen. ist könnte, so fürchte ich, auch ein Einstieg dazu sein, Die von uns vorgeschlagenen Änderungen in den den Schutzanspruch anderer Abschnitte des Men- Bestimmungen des 2. Wohnungsbaugesetzes und schenlebens einzuschränken. Auch deshalb lehne ich dem Wohnungsbindungsgesetz sind sehr weitge- eine Fristenlösung ab. hende, bevorzugte Hilfestellungen für Schwangere. Keiner der heute zur Abstimmung vorliegenden Gesetzentwürfe entspricht meiner Grundposition, die Gerade die Suche nach einer geeigneten Wohnung sich in der Ansbacher Erklärung der CSU vom 13. Juli stellt für die Familie oder auch für die schwangere 1991 wiederfindet. Trotzdem stimme ich für den Alleinerziehende ein wesentliches Kriterium in der Kompromißentwurf der CDU/CSU, weil dieser als Entscheidungsfindung über einen Schwangerschafts- einziger der beiden mehrheitsfähigen Entwürfe den abbruch dar. Deshalb ist es zu begrüßen, daß wir im Schutz ungeborenen Lebens wei treichend garantiert Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städte- und zwei vernünftige Indikationenmodelle anbietet. bau eine Regelung gefunden haben, wonach schwan- gere Frauen, die die Voraussetzungen für die Inan- Unabhängig von der heutigen Entscheidung bleibt spruchnahme einer Sozialwohnung erfüllen, bei der die Arbeit für mehr Kinder- und Familienfreundlich- Zuweisung einer solchen Wohnung vor anderen Per- keit unserer Gesellschaft eine unserer wichtigsten sonengruppen absoluten Vorrang erhalten. Es Aufgaben, nicht nur im materiellen Bereich. erscheint mir wichtig, die im Fachausschuß einver- nehmlich getroffene Regelung in dieser Debatte fest- Michael Habermann (SPD): Das Bundesverfas- zuhalten. sungsgericht wird aller Voraussicht nach neue Arbeit Die Entscheidung über den Schutz des ungebore- bekommen: Sollte der Gruppenantrag eine Mehrheit nen Lebens, die wir zu treffen haben und die für die bekommen, will die Minderheit seine Verfassungsge- soziale und moralische Verfassung unseres Gemein- mäßheit überprüfen lassen. Politik und ihre Ergeb- wesens von sehr zentraler Bedeutung ist, gehört unter nisse stehen in Karlsruhe auf dem Prüfstand. ethischen Gesichtspunkten zu den wesentlichen Fra- Dies ist aber nicht neu. Die Familienpolitik der gen unserer Zeit. Trotz unterschiedlicher Auffassun- Mehrheit in diesem Haus und der Bundesregierung gen in einigen Bereichen, sollten wir unsere politi- findet gegenwärtig einen ganz großen Teil ihrer schen Prioritäten für die Familie, für das Leben mit Dynamik aus den Urteilen des Bundesverfassungsge- Kindern in dieser Gesellschaft setzen und immer richtes und aus den noch zu erwartenden bzw. wieder einfordern. befürchteten Wegweisungen der Karlsruher Richter. Ich werde den von der Unionsfraktion eingebrach- Auch die unterschiedlichen Entwürfe zur Neurege- ten Gesetzentwurf unterstützen, weil er die dringend lung des § 218 StGB wurden mit Blick auf Karlsruhe notwendigen Hilfsangebote glaubwürdig fest- formuliert. Das Bundesverfassungsgericht hat derzeit schreibt, auf unserer Verfassung basiert und nach dem größten Einfluß auf die Inhalte und die Ausgestaltung Stand der politischen Diskussion die einzige Chance der Rechts-, Finanz- und Sozialpolitik. beinhaltet, ohne das Bundesverfassungsgericht anru- Nicht nur die strafrechtlichen Regelungen, sondern fen zu müssen, eine Fristenlösung zu verhindern. auch die von uns heute zu beschließenden Hilfen werden sich der Prüfung des Bundesverfassungsge- richts unterziehen müssen: Sind diese Regelungen Wolfgang Gröbel (CDU/CSU): Das Grundgesetz der tauglich und ausreichend, um vorgeburtlich wachsen- Bundesrepublik Deutschland sieht im menschlichen des Leben besser zu schützen? Leben das höchste Rechtsgut und gebietet dem Staat in Art. 2 Abs. 2 den Schutz des Lebens, auch des Die Verfasser des Gruppenantrags haben mit ihrem ungeborenen Lebens. ernsthaften Bemühen, einerseits vorgeburtlich wach- sendes Leben, andererseits auch das Leben von Kin Dieser klare Verfassungsauftrag ist eine der -dern und deren Eltern zu schützen, einen richtigen wesentlichen ethischen Grundlagen unseres Zusam- Schritt zu einer kinderfreundlichen Gesellschaft menlebens. Diesen Verfassungsauftrag ebenso wie gemacht. 8406* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Gleichzeitig wissen wir, daß nicht nur die im Gesetz- Eltern. Das Bundesverfassungsgericht muß deshalb entwurf geregelten Lebensbereiche, sondern alle derzeit entscheiden, ob eine Mutter von sechs Kindern Lebensbereiche, die Familien mit Kindern in unserer mit 300 DM Rente auskommen muß, während ihre Gesellschaft vorfinden, von Relevanz sind. Deshalb Kinder Rentenbeiträge von monatlich über 6 000 DM müssen sich alle wichtigen Lebensbereiche hinsicht- zahlen. lich ihrer Kinderfreundlichkeit hinterfragen lassen. Das sind die Realitäten, wenn sich Eltern in einer Dies gilt von der Wohnungsnot bis zu den fehlenden Arbeitsplätzen, von ausreichendem Kindergeld bis sozial schwierigen Lage für ein Kind entschließen zur Hilfe für die Ausbildung des Kindes, von der sollen. Kinder haben wird zum Luxus in unserer Gesellschaft. Familien mit Kindern finden sich des- Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr bis zu halb immer häufiger an der Grenze oder hinter der einem Kindergartenplatz für jedes Kind, von einem Grenze zur Armut. Kinderlose dagegen gehören gerechten Kinderlastenausgleich bis zu einer gerech- immer mehr zu den materiellen Gewinnern unseres ten Rente im Alter, wenn die Frau Kinder erzogen Systems. hat. Wir brauchen deshalb zukünftig einen neu organi- Die soziale Lage von Familien mit Kindern wird viel sierten Lastenausgleich, der die Lasten zwischen zu oft schöngeredet. Das Staatsziel einer familien- und Kinderlosen und Familien mit Kindern gerecht auf- kinderfreundlichen Gesellschaft bedarf in Zukunft teilt. Kinderlose müssen sich an der Finanzierung der weiterer Maßnahmen. Wir haben mit diesem Gesetz- Kosten nachvollziehbar und spürbar beteiligen. Eine entwurf noch keine kinderfreundliche Gesellschaft. kinderfreundliche Gesellschaft, so wie sie die meisten Es bedurfte der Diskussion über den § 218, um eine Gesetzentwürfe zum Ziel haben, lebt gerade von der Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern Solidarität aller mit diesen Kindern und ihren und ihren Familien erneut zur Diskussion zu stellen. Eltern. Seien wir doch ehrlich: Ohne die Urteile des Bundes- In den Mittelpunkt rückt in den nächsten Wochen verfassungsgerichtes zum Kinderlastenausgleich und das Bundesverfassungsgericht. Die heute unterlege- ohne den Zwang zur Neuregelung des § 218 StGB nen Parlamentarier werden das Verfassungsgericht hätten wir Familienpolitiker in der Auseinanderset- anrufen in der Hoffnung, daß der Zweite Senat die zung mit den Finanzpolitikern schlechte Karten. Verfassungswidrigkeit des Mehrheitsentwurfs fest- Trotzdem: Alles, aber auch alles, was wir für Familien stellt. Das Verfassungsgericht wird abzuwägen tun wollen, stand und steht unter dem Finanzierungs- haben, ob die im Gesetz aufgeführten Hilfen ausrei- vorbehalt. Es drängt sich für Familien in Deutschland chend sind, um vorgeburtlich werdendes Leben bes- der Eindruck auf, daß unsere Solidarität mit ihnen in ser zu schützen, als es die derzeitigen Regelungen Reden beginnt und mit diesen Reden auch endet. können. Auch unsere Solidarität mit Kindern droht zu einer Geldfrage zu verkümmern. Hoffen Sie von der CDU/CSU in diesem Falle, daß das Verfassungsgericht Ihrer Argumentation folgt, so In welcher materiellen Situation leben werdende fürchten Sie andererseits die ausstehenden Entschei- Eltern in diesem Deutschland? Eine Antwort auf diese dungen des Verfassungsgerichtes über anhängige Frage gibt das Erziehungsgeld. Das Erziehungsgeld Klagen zum Grundfreibetrag, zu Rentenanwartschaf- ist zum Gradmesser der schleichenden Verarmung ten durch Kindererziehung und zum Kinderlastenaus- von Familien geworden. Über 80 % bekamen 1989 das gleich. Erziehungsgeld nach einem halben Jahr ungekürzt weiter, obwohl die seit 1986 unverände rten Einkom- Hier gibt es einen Zusammenhang: Beim Verfas- mensgrenzen heute in der Nähe der Sozialhilfe liegen. sungsgericht treffen sich jetzt sowohl die Hoffnungen Das Existenzminimum für ein Kind wird von dieser als auch die Befürchtungen der meisten Parlamenta- Bundesregierung so berechnet, daß es unterhalb der rier von CDU und CSU. Diese Nahtstelle läßt auch zu gewährenden Sozialhilfe für das Kind liegt. Der einen Blick auf die familienpolitische Redlichkeit Familienbund der Deutschen Katholiken hat dies in dieser Bundesregierung zu. Tatsächliche Hilfe gäbe seiner Verbandszeitschrift „Stimme der Familie" im sie den Familien, den Frauen und den Kindern, wenn Juni dieses Jahres eindrucksvoll belegt. diese Verfassungsklagen der Männer und Frauen nicht mehr nötig wären, wenn es also nicht mehr nötig Bisher werden Leistungen für Familien weitestge- wäre, daß Ihre Familienpolitik auf ihre Verfassungs- hend von diesen selber finanziert. 20 DM mehr Kin- mäßigkeit überprüft wird. dergeld müssen mit einer Mehrwertsteuererhöhung von Familien bezahlt werden, weil — so die Familien- Wir sind noch weit entfernt von einer kinderfreund- ministerin Rönsch zu Beginn des Jahres — das Kinder- lichen Gesellschaft. Aber wir haben uns auch auf den geld solide finanziert sein will. So greift die Politik Weg dorthin gemacht. Dies gibt Zuversicht und ermu- zunächst den Familien in die Tasche, um dann ihre tigt. Wohltaten an diese zu verteilen. Das ist ein In- Noch muß es einen Familienpolitiker wie mich sich-Transfer, der uns von Finanzwissenschaftlern in nachdenklich stimmen, wenn in der Auseinanderset- Mark und Pfennig nachgewiesen wird. Jüngste Anhö- zung über die notwendigen finanziellen Prioritäten in rungen haben dies erneut bestätigt. Über eine Mil- der Politik unseres Landes erst die Urteile des Verfas- lion Mark an Kosten und Einkommensverlust muß sungsgerichts einer verfassungsgemäßen Politik für eine Familie mit zwei Kindern gegenüber einem Familien die Tür öffnen. kinderlos bleibenden Paar hinnehmen. Kinderkosten sind privatisiert. Der Ertrag dieser Kinder wird sozia- So besehen stehen wir mit den sozialen Maßnah- lisiert. Jedermanns Kinder ernähren jedermanns men in unseren Gesetzentwürfen erst am Beginn einer Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8407*

Entwicklung, die das Leben von Kindern und ihren § 218 in den vergangenen hundert Jahren kein Eltern unterstützen soll. Den allergrößten Teil des Schwangerschaftsabbruch verhindert worden. Weges einer Gleichstellung zwischen Kinderlosen Ich trage diesen Antrag mit voller Überzeugung mit, und Familien haben wir aber noch vor uns. weil ich auf dem Hintergrund meiner Erfahrung als Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam, zügig und Schulleiterin an einer Berufsschule, gerade mit sehr zielstrebig zurücklegen! Das ist der beste Schutz für jungen Frauen, weiß, daß ein Schwangerschaftskon- vorgeburtlich wachsendes Leben und für Familien, flikt nicht mit den Mitteln des Strafrechts geregelt die mit Kindern zusammenleben. werden kann. Deshalb müssen wir jetzt die Rahmenbedingungen Gerlinde Hämmerle (SPD): In einem von den vielen, schaffen, die den Frauen ihre Entscheidung erleich- zum Teil mit unsäglichen Zumutungen versehenen tern, die ihnen eine persönliche Perspektive mit dem Briefen, die ich in den letzten Wochen zur Diskussion Kind bieten, die verhindern, daß ein Kind persönliches um den § 218 erhalten habe, stand der Satz „Der und berufliches Abseits bedeuten kann. Schwangerschaftsabbruch eignet sich nicht für die Wir haben mit dem vorliegenden Gruppenantrag Selbstverwirklichung der Frau". Leider kann ich mich die Chance, Frauen in einem Schwangerschaftskon- des Eindrucks nicht erwehren, daß das Frauenver- flikt echte Hilfe zu schaffen, ohne daß eine Überprü- ständnis, das hinter dieser skandalösen Aussage steht, fung ihrer moralischen Integrität stattfindet, daß sie auch noch in den Köpfen vieler und insbesondere der selbst ohne Druck entscheiden können, daß die Ent- ner herumspukt, wobei ich der Ansicht bin, daß Man scheidung erleichtert wird und sie sich für das Kind dieses so heikle Thema gerade von Männern eigent- entscheiden können. lich nur mit aller Zurückhaltung diskutiert werden kann. In meiner eigenen Fraktion habe ich hier Wir, die wir heute darüber zu entscheiden haben, wohltuende Erfahrungen gemacht. sollten diese Chance nutzen. Wir haben in den vergangenen Wochen und Mona- ten sehr intensiv über die Lösung des Schwanger- Dr. Renate Hellwig (CDU/CSU): Ich werde erst für schaftskonflikts diskutiert, und ich bin froh, daß wir den Mehrheitsantrag der CDU/CSU stimmen, aller- heute im Deutschen Bundestag diese Debatte führen dings unter der Voraussetzung, daß — wie im gegen- können und eine Entscheidung zu treffen haben, zu wärtigen Zeitpunkt nicht auszuschließen — die jetzt der uns ja der deutsch-deutsche Einigungsvertrag noch im Gesetzestext verankerte Dokumentations- verpflichtet hat. Ich möchte an dieser Stelle noch pflicht über das Gespräch zwischen Arzt und Frau einmal darauf aufmerksam machen, daß es heute um entfällt. Sollte der CDU/CSU-Antrag, über den als eine „gesamtdeutsche" Lösung und nicht um eine vorletzten abgestimmt wird, nicht die Mehrheit erhal- Novellierung der bundesdeutschen Indikationenre- ten, werde ich für den überparteilichen Gruppenan- gelung geht. trag stimmen, der eine Fristenregelung, verbunden mit einer Beratungspflicht für die Frau, vorsieht. Leider sehe ich aber die Gefahr, daß ein Teil dieses Hauses genau diese Möglichkeit heute nutzen will. Ich war als Staatssekretärin für Soziales in Rhein- Sie sehen endlich die Möglichkeit, die 1976 auf Grund land-Pfalz fünf Jahre lang für die Schwangerenbera- des Urteils des Bundesverfassungsgerichts geschaf- tungsstellen zuständig. Vierteljährlich waren die fene und ihnen damals schon viel zu liberale Indika- Beratungsstellen bei mir im Ministerium zum Erfah- tionslösung durch eine strengere Regelung im Straf- rungsaustausch eingeladen, und zwar kirchliche gesetzbuch zu ersetzen. ebenso wie kommunale und pro familia. Hier kamen die Konfliktsituationen, in denen eine Schwangere Die Frauen in den neuen Bundesländern bestehen steht, deren näheres Umfeld (Ehepartner oder Freund, aber zu Recht auf ihrer bis dato liberalen Regelung, Eltern, Verwandte, sonstige Freunde) sie mit dem die die Eigenverantwortung der Frau in den Mittel- Problem der unerwarteten Schwangerschaft allein punkt stellt. Die Frauen in den alten Bundesländern, läßt, sehr konkret und sehr deutlich zur Sprache. die Memmingen erlebt haben, fordern zu Recht eine Dieses Verlassensein von den Nahestehenden ist die Regelung, die solche Gerichtsverfahren unmöglich eigentliche Hauptursache aller psycho-sozialen Not- macht. lagen. Mit dem heute hier vorliegenden Gruppenantrag Circa ein Drittel der Abtreibungen werden in Fami- wollen wir das Prinzip der Eigenverantwortung und lien vorgenommen, und zwar dann, wenn das uner- den Grundsatz „Hilfe statt Strafe" für Frauen in einem wartete Dritt-, Viert- oder Fünftkind als nicht mehr Schwangerschaftskonflikt verwirklichen. verkraftbar angesehen wird. Grundsätzlich bleibt festzuhalten: Der Schutz des Wer den Schutz ungeborener Kinder verbessern ungeborenen Lebens muß uns gleich wichtig wie der will, muß an zwei Bereichen ansetzen: 1. Die Aufklä- Schutz des Lebens allgemein sein. Das Problem des rung über Schwangerschaftsverhütung ist immer Schwangerschaftsabbruchs eignet sich am allerwe- noch unzulänglich; deswegen befürworte ich auch die nigsten für das Durchsetzen von weltanschaulichen Pille auf Krankenschein. 2. Der Mut der Schwangeren Fundamentalpositionen. Im Mittelpunkt allen Bemü- zum Kind muß gestärkt werden. Der moralische hens um eine Lösung muß die Frau und ihre Situation Appell in allen nur möglichen Privatgesprächen ist stehen. Deshalb ist Hilfe allemal besser als Strafe. von großer Bedeutung. Daneben bedarf es aber auch Holland hat mit seiner anerkannt liberalen Rege- der konkreten Hilfe. Dies kann nicht immer nur eine lung die niedrigste Rate an Schwangerschaftsabbrü- Angelegenheit des Staates sein. Wo sind die Kirchen- chen. Und auch in unserem Land ist durch den alten verwaltungen, die demonstrativ Mütter mit uneheli- 8408* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 chen Kindern einstellen? Welche Industrievereini- lich, daß im Strafrecht das Lebensrecht des ungebore- gung, welcher Lyons-Club nimmt Kontakt mit den nen Kindes voll geschützt wird. Der Staat ist verpflich- Schwangerenberatungsstellen auf, um im Falle von tet, menschliches Leben, auch das vorgeburtliche Berufsproblemen zu helfen? menschliche Leben, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen. Der Unrechtscharak- Und zur „Familienabtreibung": Diskutieren wir in ter eines Schwangerschaftsabbruchs muß in der Freundeskreisen offen die Frage, was wichtiger ist: Rechtsordnung deutlich werden. der Konsumwettlauf mit der Nachbarfamilie oder das dritte Kind nicht abzutreiben? Strafprozesse à la Unser ganzes Bemühen muß darauf gerichtet sein, Memmingen fördern nicht das Ja zum Leben, sondern die betroffenen Mütter und Väter zu bewegen, aus lenken uns nur ab von der moralischen Anstrengung, ihrem Gewissen und aus Verantwortung die Entschei- die wir auf diesem Feld leisten müssen. Deswegen dung für das Leben zu treffen. Im Interesse des akzeptiere ich zwar den Appell im CDU/CSU-Mehr- verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes des unge- heitsentwurf an Arzt und Frau, sich über die Frage, ob borenen Kindes muß die Lebenssituation der Familie eine psycho-soziale Notlage vorliegt, Gedanken zu bzw. der ledigen Mutter nachhaltig verbessert wer- machen. Diese gemeinsame Abwägung jedoch später den. Jede Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, von einem Gericht überprüfen zu lassen, lehne ich ab. die allein vom Selbstbestimmungsrecht der Mutter Wie sollte sich ein Richter anmaßen, Monate danach ausgeht und nur eine formale Beratung voraussetzt, diese psycho-soziale Notlage stellvertretend für Frau liegt nicht im Interesse der schwangeren Frau. Eine und Arzt außer Kraft zu setzen? solche Regelung setzt nämlich die Frau schutzlos ihrer Umwelt aus, wenn diese zum Schwangerschaftsab- bruch drängt. Der strafbewehrte Schutz des ungebo- Heinz-Adolf Hörsken (CDU/CSU): Das Recht auf renen Kindes und eine Beratung, die auch das Lebens- Leben ist ein fundamentales Menschenrecht, wie es in recht des ungeborenen Kindes im Auge hat, schützen unserem Grundgesetz festgeschrieben ist. Das die Frau vor gesellschaftlichem Druck. Sie schaffen ihr menschliche Leben ist ein Geschenk Gottes, und wir erst die Freiräume, die sie für eine verantwortliche nehmen es dankbar an. Wir sind immer wieder Entscheidung braucht. Heute geht es in dieser aufgerufen, es zu schützen und mit allen unseren Debatte um das Ringen um den besten und hilfreich- Kräften zu fördern. Das ungeborene Kind ist mensch- sten Weg, ungeborenes Leben für die gesamte Bun- liches Leben von Anfang an. Es hat uneingeschränkt desrepublik Deutschland besser zu schützen. Dies ein Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrt- kann nach meiner Überzeugung nicht durch eine heit. Fristenlösung gewährleistet werden. Für das im Grundgesetz Art. 2 Abs. 2 gewährlei- stete Recht auf Leben sind ungeborenes und gebore- Dr. Paul Hoffacker (CDU/CSU): Jeder Schwanger nes menschliches Leben gleichwertig. Und deshalb schaftsabbruch bedeutet die Tötung eines ungebore- dürfen wir dieses Menschenrecht den Kleinsten, den nen menschlichen Lebens. Da ich die Tötung ungebo- Schwächsten, den ungeborenen Kindern nicht versa- renen menschlichen Lebens grundsätzlich nicht gen. akzeptieren kann, könnte ich — mit Blick auf die Ich weiß, daß gegen den Willen der Mutter das strafrechtlichen Regelungen — keinem der hier vor- ungeborene Kind nicht geboren wird. Das Recht der gelegten Gesetzentwürfe meine Stimme geben, wenn Schwangeren auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit ich ausschließlich meiner Grundüberzeugung folgen nach Art. 2 Abs. 1 GG ist unbestritten. Selbstbestim- würde. Der Entwurf der Gruppe Werner kommt mei- mung stößt an ihre Grenzen, wenn das Lebensrecht ner Grundüberzeugung am nächsten: Ich werde die- anderer behindert wird. Lebensrecht ist ganz klar das sem Entwurf daher meine Stimme geben. höherwertige Gut, und deswegen hat der Lebens- Bei realistischer Einschätzung der Mehrheitsver- schutz des ungeborenen Kindes Vorrang. Selbstbe- hältnisse im Deutschen Bundestag wird dieser Ent- stimmung hat Leben zur Bedingung. Uneinge- wurf allerdings nicht die Mehrheit der Stimmen schränkte Selbstbestimmung der Frau bedeutet für bekommen. Somit habe ich mir die Frage zu stellen, das ungeborene Kind schrankenlose Fremdbestim- wie denn das Schlimmste — nämlich eine Fristenre- mung. Niemand in unserer Gesellschaft wird sich gelung — verhindert werden kann. Ich werde daher anmaßen, über die Existenzberechtigung eines Alten, auch dem gemeinsamen Entwurf der CDU/CSU Kranken oder Behinderten zu urteilen. Warum tun Bundestagsfraktion meine Stimme geben, weil dieser sich viele so schwer damit, die gleiche Haltung Entwurf die einzige politische Möglichkeit ist, eine gegenüber dem ungeborenen Kind einzunehmen? Fristenregelung überhaupt zu verhindern. Damit ver- Wir müssen noch vieles tun, um unsere Gesellschaft binde ich die Hoffnung, daß der Entwurf der CDU/ kinderfreundlicher zu gestalten. Vieles liegt noch im CSU-Bundestagsfraktion die Mehrheit der abgegebe- argen; denn wir brauchen eine Gesellschaft, wo sich nen Stimmen erhalten wird. Kindererziehung und Berufsleben vereinbaren las- sen. Das Ziel, eine kinderfreundliche Gesellschaft Dr. Uwe Holtz (SPD): Meines Erachtens muß es Ziel aufzubauen, erreicht man nicht durch Abtreibun- sein, Lebensverhältnisse einschließlich einer kinder- gen. und familienfreundlichen Gesellschaft zu schaffen, in denen Frauen sich nicht zum Schwangerschaftsab-- Jeder Schwangerschaftsabbruch bedeutet Tötung bruch gezwungen sehen. menschlichen Lebens und ist daher grundsätzlich Unrecht. Weil das ungeborene Kind sein Recht auf Im November 1991 hatte der Sonderausschuß zum Leben nicht selbst verteidigen kann, ist es erforder- Schutz des ungeborenen Lebens des Deutschen Bun- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8409* destages über 50 Sachverständige zu einer Anhörung christliche Werteordnung. Doch selbst unabhängig eingeladen. Ich selbst habe bereits in den 70er Jahren vom jeweiligen Glaubensbekenntnis ist dies die ein- zahlreiche Diskussionen und in den letzten Wochen zige Grundlage menschlichen Daseins. In einer wieder viele Zuschriften zu dem Thema erhalten. Demokratie haben die gewählten Vertreter deshalb Nach Ansicht von Ärzten, Juristen sowie Sozial- und für den Schutz jeglichen Lebens und für das unantast- Wohlfahrtsverbänden, die sich anläßlich der Anhö- bare Recht auf Leben — ob ungeboren oder gebo- rung äußerten, und nach Ansicht derer, die sich an ren — eine besonders hohe Verantwortung. mich gewandt haben, schält sich — abgesehen von der Auffassung, daß jede Abtreibung Mord ist — für Wenn nun der „Zeitgeist" einen Unterschied — wie mich dreierlei heraus. im sogenannten Gruppenantrag — zwischen der Würde des Menschen und der Würde der Frau macht 1. Das Strafrecht ist nicht geeignet, die Zahl der und die Würde der Frau über alles erhebt, dann Schwangerschaftsabbrüche zu senken. beginnt die Dekadenz eines Volkes. 2. Überhaupt läßt sich dieses Problem individueller In der ehemaligen DDR sind nach den öffentlich moralischer Verantwortlichkeit wohl kaum durch zugänglichen Zahlen im vergangenen Jahr von je irgendwelche Rechtssetzungen befriedigend lösen. zehn geborenen Kindern vier Kinder abgetrieben 3. Die Entscheidung der Be troffenen muß stärker als worden, d. h. mehr als jedes dritte Kind ist vor seiner bisher in den alten Bundesländern üblich respektiert Geburt getötet worden. 1982 wurden dort fast genauso werden. viele Kinder im Mutterleib getötet, wie geboren wur- den. Durch den Einigungsvertrag vom vergangenen Jahr ist der Gesetzgeber, also insbesondere der Bun- Auch im Westen wurde nach den letzten Zahlen destag, gehalten, bis Ende 1992 eine einheitliche jedes zehnte Kind vor seiner Geburt getötet, wobei gesamtdeutsche Regelung zu den Fragen des hier noch von einer erheblichen „Dunkelziffer" Schwangerschaftsabbruches zu verabschieden. Da- zusätzlich auszugehen ist. Die genannten Zahlen mit soll das derzeit bestehende unterschiedliche Recht werden jedoch nicht ermittelt, obwohl, gemessen am — in der alten Bundesrepublik die Indikationsrege- Strafrecht — Körperverletzung, Totschlag oder gar lung, in Ostdeutschland die Fristenregelung — been- Mord —, dies möglich wäre, da ja die Krankenversi- det werden. Dabei geht es, wie ein Blick in die cherungen alles bezahlen. unterschiedlichen Gesetzesentwürfe erhellt, keines- Gemessen an diesen Tatsachen zeigt sich die dop- wegs allein um den § 218. In den Gesetzentwürfen ist pelte Moral, wenn wie gestern im Deutschen Bundes- der § 218 vielmehr nur ein Teil des Entwurfes, wäh- tag wegen der möglichen Lieferung von Frachtschif- rend sich eine ganze Anzahl weiterer Artikel mit fen an China die Menschenrechte zitiert und das umfangreichen sozialen Hilfen für Familien und Massaker vor drei Jahren an chinesischen Studenten Alleinerziehende befassen. Dies halte auch ich für auf dem Platz des Himmlischen Friedens zum Maß- ganz wichtig, weil leider oft der Eindruck vorhanden stab von Handelsbeziehungen — aus meiner Sicht ist, als ob alles von der Ausgestaltung des Strafrechts durchaus zu Recht — gemacht wird, bei uns aber abhinge. jährlich Hunderttausende Kinder vor ihrer Geburt Nach vielen Diskussionen auf politischer Ebene und getötet werden. auch im Rahmen der evangelischen Kirche, der ich angehöre, habe ich mich bereits in den 70er Jahren Ich weiß, daß das Strafrecht alleine nicht das geeig- entschlossen, trotz großer Bedenken einer Regelung nete Instrument zur Verhinderung der Abtreibung ist. zuzustimmen, die die Frau nicht länger kriminali- Deshalb stehen die Hilfen für Familien auch im siert. Vordergrund der CDU-Politik. Ich möchte hier auf das bisher Erreichte verweisen, das künftig noch zu ver- Durch die Erfahrungen in der alten DDR sowie in bessern ist. Wenn aber das Strafrecht — wie von der anderen Ländern Europas, aber auch durch die zur Antragstellerin der Fristenregelung vorgetragen — Zeit stattfindende Diskussion in der Bundesrepublik ausgedient hat, dann frage ich mich, warum wir und durch die oben geschilderte Anhörung fühle ich überhaupt noch Gesetze machen, wozu überhaupt ein mich zu folgender Position ermuntert: Strafrecht, wie es beim Tierschutz, beim Artenschutz, — Von einer Strafbarkeit der Abtreibung ist in den beim Eigentumsdelikt, im Straßenverkehr usw. exi- ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft abzuse- stiert. Oder sind das die höheren Rechtsgüter? hen. Unser Leben, der Alltag und — als Abgeordneter — Es gilt, ein besseres soziales, kinder- und familien- weiß ich dies ganz besonders — gerade auch die freundliches Umfeld zu schaffen. Demokratie erfordern immer wieder Kompromisse. In einem Bereich allerdings gibt es keinen Kompromiß, — Aufklärung und Informationen sind zu verstär- nämlich beim Recht auf Leben, vor allem dort, wo sich ken. die Betroffenen — die Ungeborenen — dieses Recht Ich werde jenen Gesetzentwürfen zustimmen, die nicht erstreiten können oder gar — was Grundlage meinen Vorstellungen am nächsten kommen; dies unserer Demokratie ist — zur Wahl gehen können. sind der SPD-Antrag und der auch von mir unterzeich- Wie würden sie wohl wählen? nete Gruppenantrag. Der Antrag der Gruppe Werner, Drucksache 12/1179, kommt dem Schutz des ungeborenen Lebens Siegfried Hornung (CDU/CSU): Die Würde des auch nach rechtsstaatlichen Möglichkeiten am näch- Menschen ist unantastbar. Das unterstreicht auch die sten und entspricht meiner christlichen Werteordnung 8410* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

am meisten. Deshalb werde ich diesem Gesetzesent- wortung für die Zukunft zu übernehmen, und zwingen wurf, den ich auch mitgestaltet habe, zustimmen. Sie niemanden, ein Kind in eine Gesellschaft hinein- Wenn sich im Verlauf der Abstimmungen heraus- zugebären, die keineswegs immer imstande ist, das stellen sollte, daß die Fristenlösung zum Gesetz wer- Leben der Kinder dieser Welt zu schützen und erträg- den sollte, dann werde ich trotz größter Bedenken den lich — menschenwürdig — zu gestalten. CDU/CSU-Antrag, Drucksache 12/1178 (neu), unter- Geben Sie Ihre Stimme der Fristenlösung und damit stützen. dem Gruppenantrag, der von einem hohen Maß an Mit einigen Redebeiträgen ist eine eisige Kälte in Verantwortungsethik ge tragen ist, und geben Sie dieses Haus eingezogen. Egoismus wird mit Selbstbe- denjenigen, die trotz allem den Mut haben, Kindern stimmung und Selbstverwirklichung verwechselt. Wir das Leben zu schenken, sie in dieser Welt zu erziehen erleben das heute jeden Tag bei der Bewältigung der und ihren Lebensraum über viele Jahre hinweg zu deutschen Einheit. Materielles Denken steht im Vor- schützen und zu verteidigen, geben Sie diesen dergrund. Anstatt zu führen und Vorbild zu sein, Frauen, diesen Familien wirksame Hilfen, damit die laufen viele Abgeordnete den Umfragen hinterher. neue Generation ein menschenwürdiges Leben füh- Insofern dienen wir nicht, sondern wir drücken uns vor ren kann. der Verantwortung. Ulla Jelpke (PDS/Linke Liste): An so einem Tag wie Gabriele Iwersen (SPD): Lassen Sie mich den vielen heute möchte ich am liebsten nur eine Stimme abge- Argumenten und Stellungnahmen über Rechte und ben, nämlich die für die ersatzlose Streichung des Pflichten des Staates, der Gesellschaft und der eigent- § 218. Mehr als 20 Jahre kämpfe ich mit der westdeut- lich betroffenen schwangeren Frauen noch einen schen Frauenbewegung für diese Forderung, für das Gesichtspunkt hinzufügen. Selbstbestimmungsrecht der Frauen, für ihr alleiniges Entscheidungsrecht, ein Kind zu gebären oder auch Es geht um die Verantwortung der Frauen in einer nicht. Welt, in der die Achtung vor dem Leben oft einen geringeren Stellenwert hat als der Kampf um natio- Nach 20 Jahren Kampf gegen Strafe und Entwürdi- nale, nationalistische und wirtschaftliche Interessen. gung der Frauen stehen wir heute vor einer traurigen Bilanz. Seit mehr als einem Jahr werden wir Frauen Opfer von Bürger- und Glaubenskriegen, von Hun- von sogenannten Lebensschützerinnen und Lebens- gersnot, Seuchen und Umweltgefahren sind mehr und schützern und ihren Organisationen, von sogenann- mehr auch Kinder. Es genügt nicht mehr, einem Kind ten Christen und Reaktionären und nicht zuletzt von das Leben und seine Liebe zu schenken. Nein, Frauen, dieser erlauchten männlichen Dominanz der Abge- die Verantwortung für das von ihnen geborene Leben ordneten in diesem Hause belehrt und bevormundet, übernehmen sollen mit allen Konsequenzen für eine daß es ohne Strafandrohung und Verfolgung bei der qualifizierte Überlebenschance des Neugeborenen, Entscheidung eines Schwangerschaftsabbruchs nicht müssen auch das Recht haben, abzuwägen, ob sie gehen soll. Mit Hetzschriften und Flugblättern, Gum- diese Chance überhaupt erkennen können. Diesen miembryonen und superteuren Glanzpamphleten mit Abwägungsprozeß aber kann niemand stellvertre- widerlichen zerstückelten Leibesfrüchten treten diese tend für die Schwangere vornehmen, und dabei Leute an, um den Frauen den Kampf anzusagen. Als spielen auch 1 000 DM als Hilfe während der Schwan- Mörderinnen müssen wir uns beschimpfen lassen, von gerschaft keine Rolle. Leuten, denen für die patriarchalische Vormundschaft Das Wachstum der Weltbevölkerung hat ein Maß der Frauen kein Weg zu weit und keine Kosten zu angenommen, das die Lebenschance von Millionen hoch sind, die aber, wenn es um Rüstung und Krieg von Kindern nicht mehr garantiert. Hunger und Elend geht, nicht einen Bruchteil dieser Aktivitäten gezeigt treiben die Menschen in Staaten, in denen sie hoffen, haben. überleben zu können. Auch in Deutschland suchen Die Doppelmoral dieser Leute, die vorgeben, sich jährlich Tausende Zuflucht, aber leider werden häufig für den Schutz des Lebens einzusetzen, wird uns hier weder sie noch ihre Kinder mit offenen Armen aufge- im Bundestag immer wieder vorgeführt. Wo sind nommen. dieselben Leute, wenn es um den Völkermord am Während große Teile der Bevölkerung, Parlamente kurdischen Volk durch die türkischen Sicherheits- und Verwaltungen sich den Kopf zerbrechen, wie sie kräfte ging, wo waren sie, als das Waffenembargo die ungebetenen Gäste wieder loswerden können, gegen die türkische Regierung von der Bundesregie- wird in diesem Haus von vielen die Würde und das rung wieder aufgehoben wurde? Wo waren sie, bei Recht des ungeborenen Lebens an erste Stelle gesetzt. der unmenschlichen Gesetzgebung gegen ausländi- So wird sehr viel Energie für den Kampf um das sche Menschen, die wegen Verfolgung und/oder vorgeburtliche Leben aufgewendet. Es sind jedoch wirtschaftlicher Not in unserem Land Asyl begehren? die geborenen Kinder, die zuallererst auf unsere Hilfe Und wo bleiben ihre Aufschreie gegen die deutsche angewiesen sind, auch wenn sie keine deutsche Rüstungsindustrie und die Bundesregierung, wenn es Staatsangehörigkeit haben. darum geht, an fast jedem Krieg kräftig mitzuverdie- Deutsche Gesetze gelten für jeden, der in unserem nen? Es gäbe viele weitere Beispiele für diese Politik Land lebt, auch wenn es nur vorübergehend ist. Dies der Doppelmoral aus diesem Parlament. bezieht sich natürlich auch auf den § 218, der die Frau Heute wird wieder einmal in diesem Hohen Hause nach meiner Ansicht in ihrer Eigenverantwortlichkeit ein Stück Geschichte um den § 218 festgeschrieben, schützen soll. Geben Sie, meine Damen und Herren, die den über 100 Jahre andauernden Kampf gegen den Frauen in unserem Land die Chance, Verant- den § 218 nicht beenden wird. Klar ist von den Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8411*

Mehrheitsverhältnissen: Der § 218 bleibt im Strafge- der Eingriff ist jedoch nur in einer besonderen Aus-- setzbuch, offen ist nur noch, zu welchem Zeitpunkt die nahmesituation zulässig. Mit meinen mündlichen Strafbarkeit bzw. Verfolgung von Frauen möglich Anfragen im Deutschen Bundestag am 18. Juli 1971 wird. Auch der Gruppenantrag mit seiner Notlagenin- bin ich der Forderung einer Gruppe von Frauen in dikation und Zwangsberatung zwingt uns dazu, wei- einer deutschen Illustrierten entgegengetreten: „Der ter zu simulieren und zu lügen. Mit dieser Notlagenin- Bauch gehört mir". dikation bleiben Frauen Bittstellerinnen und bevor- mundet. Sie werden weiterhin verunsichert und ein- Diese Haltung bedeutet keine Entmündigung der geschüchtert, denn die Notlage wird in unserer Frau. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau hat aber Gesellschaft immer noch stigmatisiert. Nur das aner- seine Grenze, wenn es um ein anderes Leben geht. kannte Selbstbestimmungsrecht der Frauen kann zu Das Lebensrecht des ungeborenen Kindes hat Vor- einer freien Entscheidung beitragen. rang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. Jedes Selbstbestimmungsrecht setzt auch Verantwortung Mit dem heutigen Tage wird auch eine weitere voraus. Ohne Bereitschaft zur Verantwortung für sich Errungenschaft der DDR zu Grabe getragen, denn und andere führt der Anspruch auf Selbstbestimmung immerhin hatten die Ost-Frauen innerhalb der ersten zur Selbstsucht mit der Folge, daß auch vor der Tötung zwölf Wochen die alleinige Entscheidungsfreiheit. wehrloser ungeborener Kinder nicht haltgemacht Die Politik des Westens wird so oder so auch hier ihre wird. Verantwortungsvolle Selbstbestimmung besteht weiteren Erfolge auf Kosten der Frauen feiern. für Mann und Frau gleichermaßen darin, eine unge- Klar ist für mich, daß meine Jastimme den Anträgen wollte Schwangerschaft von vornherein zu verhin- für die ersatzlose Streichung des § 218 gehört. Da dern, anstatt sie dann abzubrechen. heute bei der letztlich entscheidenen Abstimmung zwischen einem größeren und einem kleineren Übel Gerade in Deutschland als einem reichen Land entschieden wird, werde ich meine Stimme nicht kann grundsätzlich das Argument nicht zählen, daß verschenken, sondern sie gegen die Indikationsrege- aus sozialen Gründen abgetrieben werden muß. lung einsetzen. Die CDU-Indikationsregelung wurde Wenn in Deutschland über 85 % aller Schwanger- gegenüber der bestehenden noch verschärft; sie treibt schaftsabbrüche angeblich auf Grund einer sozialen die Frauen zurück in eine Zeit, wo Engelmacherinnen Indikation vorgenommen werden, dann drängt sich und Engelmacher Hochkonjunktur hatten. Ich erin- die Frage auf, ob nicht von einem Mißbrauch der nere mich nur zu gut an die Zeit, als 16jähriges Indikationsregelung gesprochen werden muß. Ein Mädchen, das vergewaltigt wurde. Ich mußte ein Kind Volk, das für den Umweltschutz Milliarden investiert austragen, gab es doch nur die Adoption als Schwan- und in diesem Bereich eine Spitzenstellung in der gerschaftskonfliktlösung. Es ist, so glaube ich, mit das Welt errungen hat, wird unglaubwürdig, wenn es in Unwürdigste, wozu eine Frau gezwungen werden der Frage der höchsten Form des Umweltschutzes, kann. Der Kampf gegen diesen unmenschlichen und nämlich beim Schutz des Menschen, nicht eindeutig frauenfeindlichen § 218 wird weitergehen! Position bezieht. Wer das Leben von Tieren und Pflanzen höher setzt als das Leben eines Menschen, verstößt nicht nur gegen christliche Maximen, son- Dr. Dionys Jobst (CDU/CSU): Die Entscheidung dern stellt die Basis unserer Zivilisation in Frage. über den Schutz des ungeborenen Lebens stellt uns alle in eine hohe Verantwortung. Es gibt Dinge, die Die Strafbarkeit einer unzulässigen Abtreibung ist bei allem Bemühen, einen Ausgleich zu finden, nicht nicht der entscheidende Punkt. Die S trafe richtet sich kompromißfähig sind. Zwischen Leben-lassen und in erster Linie gegen die Ärzte. Entscheidend ist das Nicht-leben-lassen gibt es keinen Kompromiß. Beim Bewußtsein in unserer Gesellschaft darüber, um was ungeborenen Leben handelt es sich um Leben; es ist es bei der Leibesfrucht geht, nämlich, daß es um ein Mensch. Kein ernsthafter Wissenschaftler sagt, Leben geht. Wir sind gefordert, für Wahrheit und dies sei kein Kind. Von der achten Schwangerschafts- Recht einzutreten. Es müßte doch jeden alarmieren, woche an hat das Kind im Mutterleib Schmerzempfin- wenn Fristen für das Leben gesetzt werden. Die den. Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, daß eines Das Grundgesetz bestimmt an vorderster Stelle die Tages das Bewußtsein für das Leben noch mehr Unantastbarkeit der Würde des Menschen — dazu schwindet und auch am Ende des Lebens Fristen zählt zweifelsfrei sein Lebensrecht —, und es ver- gesetzt werden. pflichtet alle staatliche Gewalt zu dessen Schutz. Die Der Staat und die Gesellschaft haben die Aufgabe, unantastbare Würde des Menschen ist ein unverzicht- in bedrängten Situationen, die es sicherlich gibt, zu barer Baustein der Gesellschaft. Dieses Grund- und helfen. Ungeborenes Leben kann und muß zuallererst Menschenrecht ist jedem Menschen auch vor seiner durch eine kinderfreundliche Gesellschaft geschützt Geburt von Natur aus eigen. Es ist nicht vom Staat werden. Deshalb ist es eine der vornehmsten Aufga- verliehen und kann damit auch nicht von ihm entzo- ben der Politik, durch Gesetzgebung und durch gen werden. Der Schutz des menschlichen Lebens ist andere Maßnahmen familienfreundliche Verhältnisse unteilbar. Jede Regelung, die das Leben zur Disposi- zu schaffen. Die Bundesregierung Kohl hat für die tion stellt, ist mit der staatlichen Schutzpflicht nicht Familien, gerade für die Familien mit Kindern, beacht- vereinbar und damit verfassungswidrig. liche Leistungen erbracht. Familienpolitik war und ist Eine Fristenlösung ist das Gegenteil von Lebens- ein Schwerpunkt von CDU/CSU. Mit diesen Verbes- schutz. Man kann nicht für die Erhaltung des Lebens serungen ist auch das Ja zum Kinde erleichtert wor- sein und zugleich für die Tötung. Fristenlösung den. Die familienpolitischen Maßnahmen müssen bedeutet Erlaubnis zum Töten. Ein so schwerwiegen weiter ausgebaut werden. 8412*' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Die Aufgabe der Rechtsordnung ist es, für den kommt die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Schutz des ungeborenen Lebens Sorge zu tagen. einen Kindergartenplatz für alle Kinder ab drei Jahren Strafrecht, Rechtsbewußtsein und Wertbindung ste- bis zum Schuleintritt. Diese Maßnahme, die zwar erst hen in einem wechselseitigen Zusammenhang. S trafe bis 1998 verwirklicht werden kann, ist von besonderer bildet Rechtsbewußtsein. Sie setzt ein Signal. Um Bedeutung für Alleinerziehende und für Frauen, die Umweltsünder abzuschrecken, wird heute laufend auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen sind. All diese eine Verschärfung des Strafrechts gefordert. Hier ist sozialen Maßnahmen und finanziellen Hilfen sind es unbestritten — für das ungeborene Kind nicht. dazu geeignet, den Schwangerschaftskonflikt zu ent- schärfen. Sie können und sollten, soweit der finan- Als Christ und verantwortlicher Staatsbürger sehe ich mich gefordert, eindeutig für den Schutz des zielle Spielraum dies zuläßt, künftig noch weiter ungeborenen Lebens einzutreten. Der Gesetzentwurf verbessert werden durch schulbetreuende und famili- der Abgeordneten Werner (Ulm) und anderer, den ich energänzende Maßnahmen sowie durch weitere Hil- mittrage, wird dieser hohen Verantwortung gerecht fen für Familien und Frauen. Ein wichtiger Aspekt und enthält ein Gesamtkonzept, das diesen Schutz aber ist auch die Notwendigkeit einer Änderung in garantiert und das mit dazu beiträgt, daß die hohen der Einstellung und Haltung unserer Gesellschaft zu Abtreibungszahlen in unserem Lande gesenkt wer- Kindern. Unsere Gesellschaft muß kinderfreundlicher den. werden. Es kann nicht angehen, daß Familien oder Alleinerziehende mit Kindern wegen der Kinder bei der Wohnungssuche benachteiligt werden. Hier eröff- Dr. Egon Jüttner (CDU/CS U): Die Entscheidung, die net sich ein wichtiges Feld der Aufklärung, aber auch wir heute zu fällen haben, ist keine leichte. Wir alle der gesetzlichen Regelung, das noch angegangen haben seit Monaten viele Appelle und Briefe aus allen werden muß. Insgesamt müssen wir weiter an einer Teilen Deutschlands erhalten. Besorgte Menschen Verbesserung der Rahmenbedingungen für ein Leben haben sich an uns gewandt, uns ihren Standpunkt mit Kindern arbeiten. Gerade diese Rahmenbedin- erläutert und uns um die entsprechende Zustimmung gungen sind eine entscheidende Voraussetzung für oder Ablehnung gebeten. Heute haben wir abzuwä- die Entscheidung zum Kind und somit auch für den gen zwischen dem Lebensrecht des ungeborenen Schutz des ungeborenen Lebens. Kindes und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. Niemand nimmt uns diese Entscheidung ab. Wir haben sie nach unserem Gewissen zu treffen — frei Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die Entscheidung, von sogenanntem Fraktionszwang. In dieser so exi- die wir heute treffen, hat für mich zwei Aspekte. Zum stentiellen und prinzipiellen Frage muß es zweifels- einen gilt es, ein umfassendes familienpolitisches ohne eine solche freie, nur dem Gewissen des einzel- Paket zu verabschieden, das wesentlich darauf nen Abgeordneten verpflichtende Abstimmung ge- abzielt, insbesondere jungen Paaren das „Ja" zum ben. Leben auch umfassend finanziell abzusichern. Zum anderen gilt es, die strafrechtlichen Aspekte der Die Aggressionen und gegenseitigen Beschuldi- Tötung ungeborenen Lebens neu zu regeln. gungen, die es im Rahmen der Diskussion um den § 218 gegeben hat, waren für die Entscheidungsfin- Nach der Auseinandersetzung der vergangenen dung sicherlich nicht notwendig. Sie sind aber gleich- Monate hätte es mich gefreut, wenn die Neuregelung zeitig ein Beleg dafür, daß diese Frage die Menschen zu einer Debatte darüber geführt hätte, welcher tief berührt und bewegt. Jeder, der heute seine Aufwertung die Familie in unserer Gesellschaft Stimme abzugeben hat, hat sich mit dem Problem des bedarf. Eine entsprechende Diskussion hätte ein Schwangerschaftsabbruchs intensiv auseinanderge- Signal des Mutes an diejenigen gegeben, die bei setzt. Deshalb möchte ich auf eine Wiederholung der Familiengründung vor Schwierigkeiten und Konflik- Argumente für oder gegen die verschiedenen ten stehen und die sich unsicher darüber sind, ob eine Modelle verzichten. Die Diskussion ist so lange und so Abtreibung auch eine Form der Konfliktlösung sein intensiv geführt worden, daß sich inzwischen mit könnte. Diesen Menschen sollte die Politik Mut Sicherheit jede Kollegin und jeder Kollege längst machen und diesen Mut auch durch eine entspre- entschieden hat, wie er heute stimmen wird. chende Familienpolitik untermauern, unterstützen. Wenn ich heute für den Entwurf der CDU/CSU- Daher begrüße ich ausdrücklich die in dem sozial- Fraktion stimme, dann auch deshalb, weil gleichzeitig politischen Paket des Entwurfes der CDU/CSU-Bun- ein umfassendes Sozialpaket mitbeschlossen wird, destagsfraktion aufgeführten Maßnahmen. Sie ma- das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser als chen Mut und helfen, Konflikte zu verringern oder gar bisher ermöglichen wird. Da sind zum einen die nicht erst entstehen zu lassen. Für besonders dringend finanziellen Hilfen für die schwangere Frau und ihre halte ich die Ausweitung des Erziehungsurlaubs im Familie wie das einkommensabhängige Familiengeld Zusammenhang mit dem Rechtsanspruch auf einen von 1 000 DM, zum anderen die auf die neuen Bun- Kindergartenplatz. Angesichts der veränderten Le- desländer auszuweitende Bundesstiftung „Mutter bensentwürfe junger Menschen und hier insbeson- und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens". Dies dere der Frauen in unserer Gesellschaft halte ich diese sind Maßnahmen, die dem Schutz des ungeborenen Maßnahmen für gesellschaftlichspolitisch ausgespro- Lebens dienen, indem sie schwangeren Frauen eine chen notwendig. Durch die unmittelbare zeitliche Perspektive eröffnen bei der Bewältigung einer Anbindung von Erziehungsurlaub und Kindergarten- schwierigen persönlichen Situation. Sie ergänzen die betreuung können wir den Familien, die eine entspre- bereits vorgesehene Verlängerung des Erziehungs- chende Unterstützung erwarten, ein — wie ich meine gelds sowie den Erziehungsurlaub und die Leistungs- — überzeugendes Angebot machen. Auch wenn der verbesserungen beim Unterhaltsvorschuß. Hinzu Rechtsanspruch auf den Kindergartenplatz nicht Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8413* sofort verwirklicht werden kann, werden diese normenbildende Funktion der Rechtsordnung für hin- Beschlüsse doch zu einer wesentlichen Verbesserung reichend erfüllt. Sie konkretisiert für mich überzeu- der Familiensituation führen. Die Einführung des gend, daß dem Verfügungsrecht über das ungeborene Familiengeldes, die Erhöhung des Mehrbedarfs- Leben enge rechtliche Grenzen zu ziehen sind. zuschlages und die Ausweitung der Mittel für die Die Neugestaltung der Indikationsregelung im Ent- Bundesstiftung Mutter und Kind sind ebenfalls unver- wurf der CDU/CSU enthält für mich wesentliche zichtbar. Alle diejenigen, die die strafrechtliche Verbesserungen gegenüber der derzeitigen Rechts- Dimension im Auge haben, sollten nicht so schnell praxis. So befürworte ich es, daß der Arzt stärker auf über diesen familienpolitischen Bereich unserer heu- die Übernahme von Verantwortung bei Indikationser- tigen Debatte hinweggehen. teilung und Vornahme des Abbruchs verpflichtet Die Vielzahl der vorliegenden Gesetzentwürfe wird. Hierdurch werden die Verantwortung und die macht deutlich, wie gering leider die Übereinstim- Entscheidung der Mutter nicht gemindert. Selbstver- mung beim strafrechtlichen Schutz des ungeborenen ständlich trägt sie — gemeinsam mit dem Vater — die Lebens ist. Recht wirkt bewußtseinsbildend. Deswe- Verantwortung für ihr Tun. Der Staat tut gut daran, mit gen halte ich es auch für richtig, daß wir auch im einer lebensbejahenden Beratung eine Hilfe für die strafrechtlichen Teil der heutigen Debatte besonders Entscheidung zu geben. Die umfassende Pflicht zur klar herausarbeiten, wo Gemeinsames und wo Tren- Beratung stärkt nach meiner Auffassung die Position nendes liegt. des ungeborenen Kindes, und eine entsprechende Nach meiner Auffassung darf die Debatte zum gesetzliche Regelung war für diese Kinder schon Schutz des ungeborenen Lebens nicht losgelöst von lange notwendig. der Debatte über andere Bereiche des Lebensschut- Der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion stellt den Ver- zes, wie z. B. den Aspekt der sogenannten Tötung auf bund eines qualifizierten familienpolitischen Paketes Verlangen, betrachtet werden. Eine weitergehende mit einer auch verfassungsrechtlich zu billigenden Fassung des Rechts auf Abtreibung wird — so rechtlichen Erfassung der Tötung des ungeborenen befürchte ich — in absehbaren Zeiträumen auf diese Lebens dar. Er verdient Zustimmung. Bereiche ausstrahlen. Jeder sollte sich dessen bei seiner Entscheidung bewußt sein. Dr. Franz-Hermann Kappes (CDU/CSU): Natürlich Als evangelischer Christ habe ich mit besonderer würde es mich reizen, erst einmal zu vielen — wie ich Aufmerksamkeit das zur Kenntnis genommen, was finde — realitätsfernen Behauptungen und teilweise uns die christlichen Kirchen mit auf den Weg gegeben geradezu grotesken Verstiegenheiten, die man heute haben. So hat der Bevollmächtigte der EKD vor dem hören konnte, Stellung zu nehmen — bis hin zur Sonderausschuß zum Schutz des ungeborenen Le- wirklich unerhörten pauschalen Beschimpfung der bens erklärt: „Schwangerschaftsabbruch ist Tötung Männer und Väter heute morgen ganz zu Beginn der menschlichen Lebens. Das Verbot der Tötung Debatte oder zu so primitiven Sprüchen wie „Mein menschlichen Lebens ist ein Grundpfeiler der Huma- Bauch gehört mir", den wir uns tatsächlich vorhin im nität und einer humanen Zivilisation. Ein Recht auf Deutschen Bundestag anhören mußten. Abtreibung darf es daher nicht geben." Wenig später heißt es: „Das Selbstbestimmungsrecht von Men- Manchmal hatte ich auch den Eindruck, daß schen begründet kein Verfügungsrecht über andere gewisse Damen und Herren Kollegen auf der linken Menschen. " Auch der Feststellung der EKD, daß der Seite dieses Hauses und bei den Liberalen in Sachen Gesetzgeber darauf achten müsse, daß die anste- Lebensschutz die Vorstellungen ihrer Großmütter hende Regelung unmißverständlich die Absicht und übernommen haben und auch, naturwissenschaftlich den Willen der Rechtsgemeinschaft bekunden müsse, gesehen, in der Welt von heute höchst rückständigen dem ungeborenen Leben Schutz zu gewähren und Kenntnissen von der vorgeburtlichen Entwicklung diesen Schutz zu verbessern, ist uneingeschränkt des Menschen anhängen, die seit Jahrzehnten über- zuzustimmen. Anders als die EKD ziehe ich aus diesen holt sind oder gar aus dem 19. Jahrhundert stammen. klaren Feststellungen eine Schlußfolgerung und Wenn etwas auf diesem Gebiet einfach rückständig komme somit heute in dieser Frage zu einer eindeu- ist, dann sicher jegliche Art von undifferenzierter tigen Entscheidung. „Fristenlösung". Wesentlich für meine Entscheidung ist die Abwä- Völlig wirklichkeitsfremd ist auch die Vorstellung, gung darüber, ob Tötung ungeborenen Lebens von alle Frauen müßten nicht nur eigenverantwortlich einer Frist oder einer Notlage abhängig zu machen handeln, sondern würden auch verantwortungsbe- ist. wußt entscheiden. Das ist doch einfach nicht wahr. Wer die Wirklichkeit kennt — ich könnte da ganz Mit einer Notlagenindikation wird deutlich, daß der konkrete Beispiele nennen —, der weiß, daß nun Staat die Tötung ungeborenen Lebens weiterhin miß- einmal nicht alle Frauen — genauso wie die Männer — billigt, gleichzeitig aber die Entscheidung in einer verantwortungsbewußt handeln. Entgegen dem, was Notlage anerkennt und straffrei stellt. Die Abtreibung mehrfach gesagt wurde, gibt es sehr wohl auch in Abhängigkeit von einer Frist durchzuführen beruht Frauen, denen zu „mißtrauen" ist, d. h. die eine auf einem anderen Werturteil. Mit dem von der ethisch nicht verantwortbare Entscheidung treffen. CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgeschlagenen Ge- Was ist mit solchen Entscheidungen? setzentwurf und der darin enthaltenen psychosozia- len Notlagenindikation halte ich im Vergleich zu den Aber ich wollte mich eigentlich auf einige verfas- anderen Vorschlägen den Schutz des ungeborenen sungsrechtliche Bemerkungen beschränken, mit de- Kindes für am umfassendsten gewährleistet und die nen ich mich vor allem gegen Ausführungen der 8414* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Kollegen Eylmann, Dr. de With und Professor Meyer Tut der Staat dies nicht oder nicht mehr, wird dies wende. die entsprechenden Folgen haben, und zwar keines- falls im Sinne der Zielsetzung des Einigungsvertrages. Erstens. Der sogenannte Gruppenantrag, der in den Schwangerschaftsabbruch wird dann zur zulässigen ersten drei Monaten auf die Androhung von S trafe als Methode der Geburtenplanung. Alle, die dem heute Ultima ratio auch für diejenigen Fälle verzichtet, in ihre Zustimmung geben, tragen schwere Mitverant- denen der Frau die Fortsetzung der Schwangerschaft wortung für die dann zu erwartende noch negativere unbestreitbar zuzumuten ist, verstößt gegen unsere Entwicklung. Dafür werden sie am Ende ihrer Zeit Verfassung, weil er insoweit jedenfalls menschliches einmal geradestehen müssen. Leben als den zentralen Wert unserer Rechtsordnung befristet schutzlos stellt. Das ist klar verfassungswid- Fünftens. Es ist auch verfassungsrechtlich unzuläs- rig, zumal wenn man die Rechtsprechung des Bundes- sig, das gesellschaftspolitisch erwünschte Ziel der verfassungsgerichts seit seiner Entscheidung von Senkung der Abtreibungszahlen im allgemeinen 1975 bis heute zur Schutzpflicht des Staates berück- unter Verletzung des Grundrechtsschutzes im Einzel- sichtigt. fall zu betreiben. Jedes konkrete ungeborene Kind hat zunächst einmal vorrangig Anspruch auf den Schutz Grundrechte sind eben nicht nur Abwehrrechte des Staates. Auch dies hat uns das Bundesverfas- gegen den Staat, sondern sie verpflichten diesen auch, sungsgericht klar vorgegeben. Dritte vor einem möglichen Mißbrauch des Grund- Entgegen der Auffassung der genannten Kollegen, rechts zu schützen. Dies gilt zumal dann, wenn der die als Juristen gesprochen haben, gibt es keine Träger des einen Grundrechts sonst unbegrenzt über „verfassungsfeste Fristenlösung ". Schon gar nicht ist den anderen Grundrechtsträger — hier das ungebo- es der sogenannte Gruppenantrag. Da helfen alle rene Kind — entscheiden könnte. beschönigenden Formulierungen oder auch die Zweitens. Es ist geradezu abwegig — wie dies heute Bezeichnung als „Selbstindikationsmodell" nicht. Im geschehen ist —, die geforderte staatliche Mißbilli- übrigen erfüllt der Antrag aber auch die vom Bundes- gung des Schwangerschaftsabbruchs darin sehen zu verfassungsgericht formulierten Anforderungen an wollen, daß ja im Gegensatz zu dem erst vor 17 Jahren die Beratung der Schwangeren trotz aller insoweit vom Bundesverfassungsgericht in einer sehr grund- wohlklingenden Umschreibungen nicht. sätzlichen Entscheidung verworfenen sozial-liberalen Noch ein persönliches Wort zum Schluß: Diese Gesetz der Tatbestand des Schwangerschaftsab- Debatte hat erneut gezeigt, wie beängstigend der bruchs bestehenbleibt und nur die Rechtswidrigkeit Wertewandel in unserer Gesellschaft vorangeschrit- der Tötungshandlung verneint wurde. Genau darauf ten ist. Zudem hat auch die Beschimpfung der Kir- kommt es aber doch an. Es geht doch gerade um den chen, zumal der katholischen Kirche, ein geradezu zu mißbilligenden rechtswidrigen Angriff auf das historisches Ausmaß angenommen. Hier fehlt es hohe Rechtsgut Leben, das der Staat mit allen ihm zunehmend an rationaler Auseinandersetzung. Ge- gegebenen Mitteln zu schützen hat. Da gibt es über- rade deshalb erkläre ich nicht nur als Jurist, sondern haupt keinen Unterschied zur Fristenlösung der 70er auch als Christ: Jede Fristenlösung ist als Angriff auf Jahre. unsere verfassungsrechtlich verankerte Wertordnung entschieden abzulehnen. Drittens. Dieser staatliche Schutz wird auch nicht dadurch bewirkt, daß man für diejenigen, die ein ohnehin gewolltes Kind annehmen oder die sich für Volker Kauder (CDU/CSU): Das Embryonenschutz- die Geburt eines eigentlich nicht gewollten Kindes gesetz schützt durch verschiedene Strafvorschriften erfreulicherweise entscheiden, großzügig in Milliar- ab der Verschmelzung von Ei und Samenzelle den denhöhe öffentliche Leistungen ankündigt und diese Embryo im Reagenzglas. Damit hat der Deutsche vielleicht auch ausgibt. Bundestag den Beginn menschlichen Lebens definiert und menschliches Leben unter den strafbewehrten Es geht doch um die Mißbilligung einer Tötung trotz Schutz des Staates gestellt. Und dies ist richtig so. Es dieser in unserem Land vergleichsweise günstigen ist eine der vornehmensten Aufgaben des Rechtsstaa- Bedingungen. Hier kann auf die Androhung von tes, menschliches Leben uneingeschränkt zu schüt- Strafe als Ultima ratio zum Schutz der auf Leben und zen. Warum, so frage ich mich, geht der Deutsche Tod gefährdeten Kinder eben offenkundig nicht ver- Bundestag diesen Weg nicht konsequent weiter und zichtet werden. gewährt dem Embryo im Mutterleib den gleichen Schutz wie dem Embryo im Reagenzglas? Muß nicht Viertens. Strafandrohung geht — oder ginge — der Grundsatz gelten, der Schutz menschlichen auch nicht ins Leere, ganz konkret nicht bei den Lebens ist unteilbar? Männern und sonstigen Nahestehenden, die die wer- dende Mutter unter Druck setzen, und vor allem nicht Ich habe in der heutigen Debatte sehr viel vom in den Köpfen der Menschen, die von diesem Staat des Selbstbestimmungsrecht und der Verantwortung der Grundgesetzes mit Recht erwarten, daß er auf der Frau und wenig vom Lebensrecht des ungeborenen Grundlage der von unserer Verfassung gewollten Kindes gehört. Die Frau soll über das Leben des Wertordnung aus ethischer Verantwortung heraus ungeborenen Kindes ausschließlich entscheiden dür- auch mittels der Androhung von Sanktionen Grenzen fen. Denjenigen, die dies als nicht hinnehmbare aufzeigt — jedenfalls dann, wenn es um ein hohes Ausgrenzung des Lebensschutzes bezeichnen, wurde oder gar höchstes Rechtsgut geht. Dies bedeutet auch heute in der Debatte vorgeworfen, sie wollten überhaupt nicht eine „Scheinlösung", wie Herr Eyl- die Frauen entmündigen, sie würden Frauen nicht mann gemeint hat. zutrauen, verantwortlich zu handeln. Diese Argumen- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8415*

tation gipfelte in der unglaublichen geschlechterkäm- man es den Männern gar nicht machen, die Verant- pferischen Aussage der SPD-Kollegin Wettig-Daniel- wortung allein auf die Frau abzuschieben. meier, daß kluge Frauen wissen, daß sie sich auf die Väter nicht verlassen können. Ich weise diese Argu- — Der Staat darf aus seiner Verantwortung für den mentation für mich und meine Freunde in der CDU/ Schutz ungeborener Kinder nicht entlassen werden. CSU-Bundestagsfraktion auf das entschiedenste zu- Nach diesen Grundsätzen werde ich heute meine rück. Für uns haben Frauen gleiche Rechte und Entscheidung fällen. Abtreibung, die im übrigen den Pflichten wie Männer. Wir haben mit unserer moder- Frauen ja nicht wirklich hilft, ist für mich nur in den nen Sozialpolitik erst die Voraussetzungen dafür beschriebenen Indikationen zu rechtfertigen. Es geschaffen, daß Frauen sich frei entscheiden können kommt aber heute auch darauf an, eine Fristenrege- zwischen Familie und Beruf oder für eine Kombination lung zu verhindern. Und dieser Verantwortung werde von beidem. Und wir respektieren die Entscheidun- ich mich nicht entziehen. gen, die Frauen und Familien treffen, wie sie ihr Familien- und Berufsleben gestalten wollen. Ich lasse mich nicht als Macho diffamieren, der Frauen unter- Peter Keller (CDU/CSU): Wir führen heute eine drückt und ihnen ein Selbstbestimmungsrecht und ein Debatte, bei der um das Leben von Ungeborenen Recht auf eine eigenständige Persönlichkeit ab- gerungen wird. Kein Staat hat das Recht, das Grund- spricht. Aber genau darum geht es auch in dieser recht auf Leben — auch nicht befristet — freizugeben, Debatte gar nicht. Es geht vielmehr darum, daß nach selbst dann nicht, wenn die Mehrheit der Gesellschaft unserer Rechtsordnung und unserem Bild vom Men- anders denkt. schen kein Mensch das Recht hat, über das Lebens- Welch eine Moral, welch ein Widerspruch ist es, recht eines anderen Menschen zu befinden. Niemand wenn das in vitro künstlich erzeugte Kind, der Em- hat das Recht, sich Lebenschancen auf Kosten eines bryo, besser geschützt ist als das natürlich gezeugte anderen zu suchen. Und da der Embryo menschliches Kind? In beiden Fällen entwickelt sich der Mensch Leben ist, ist der Staat nach meiner Auffassung nicht zum Menschen, sondern als Mensch, weil er von verpflichtet, dieses Leben auch mit dem Strafrecht zu Anfang an Mensch ist. schützen. Und ich bin nach wie vor der Auffassung, daß Strafrecht bewußtseinsbildende Kraft hat. Die Ich bin für das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Tötung ungeborener Kinder muß deshalb grundsätz- Schon begrifflich gibt es aber kein Selbstbestim- lich verboten bleiben. Ich weiß aber sehr wohl, daß es mungsrecht über andere. Dies wäre ein Alleinbestim- Konfliktsituationen gibt, in denen der Staat seinen mungsrecht des Stärkeren über den Schwächeren. Strafanspruch nicht mehr durchsetzen darf. Die medi- Und wo bliebe das Selbstbestimmungsrecht des Kin- zinische Indikation, die auch die schwere seelische des über sein Leben? Notlage mit umfaßt, und die kriminologische Indika- Für mich persönlich sind Menschenrechte Perso- tion kann ich akzeptieren. Eine Tötung eines ungebo- nenrechte, die sich aus der transzendenten Beziehung renen Kindes aus einer sozialen Notlage heraus kann zu Gott herleiten. Keine Gesellschaft hat daher das für uns aber nur Herauforderung zur Hilfe und nicht Recht, über diese Grundrechte des Menschen zu Rechtfertigung zur Abtreibung sein. Es ist deshalb verfügen. Der Mensch ist nicht Träger, sondern das richtig, daß die sozialen Hilfen weiter ausgebaut Ziel jeder Gesellschaft. werden. Wir dürfen Frauen in Konfliktsituationen nicht allein lassen, und wir müssen unseren Familien Würden Kinder in unserer Gesellschaft als das und Alleinerziehenden die Hilfen anbieten, die ihnen begriffen, was sie eigentlich sind — das Zukunftsver- dann auch die Sorgen und Ängste nehmen, das Leben sprechen, d. h. die Zusage von Sinn für ein eigenes mit dem Kind vielleicht nicht packen zu können. Dazu flüchtiges Leben; die Garantie für das Überleben von gehört der Ausbau der Kindergartenversorgung und Tugenden, die unter Erwachsenen abhanden kom- der Ganztagesbetreuung. Dazu gehört aber auch, daß men —, dann wären Kinder als eine neue Art von wir uns herausgefordert fühlen, gerade alleinerzie- Reichtum zu begreifen. henden Frauen persönlichen Beistand zu leisten. Und ich sage dies auch, obwohl mit Kindern mögli- Der Schutz ungeborener Kinder erfordert ein Maß- cherweise Leid und Schmerz verbunden sein können. nahmenbündel: Ich spreche bewußt nicht von Elend und Not. Denn das — Wir müssen Bewußtsein schaffen für die Unverletz- soziale Elend können und müssen wir bekämpfen. lichkeit des Lebens in jedem Stadium. Aber Schmerz und Leid gehören zu jeder menschli- chen Existenz, dies ist meine persönliche Überzeu- — Wir müssen Familien und Alleinerziehenden die gung und Erfahrung. Hilfe gewähren, die ihnen die Sorge nehmen kann, ihre soziale Situation nicht meistern zu können. Der — 29jährig an Schwindsucht gestorbene — Dichter Novalis schreibt vor 200 Jahren: „Krankheit, — Wir müssen ledigen Frauen, die ein Kind austragen, Schmerz und Leid sind Lebensjahre der Lebenskunst mit Respekt begegnen und ihnen in ihrer schwierigen und der Gemütsbildung." Heute würden wir sagen: sozialen Situation helfen. Lebenskrisen sind nicht nur eine Bedrohung, sondern — Wir dürfen die Männer aus ihrer Verantwortung für bilden auch neue Lebenschancen nach Leid und den Schutz ungeborener Kinder nicht entlassen. Und Schmerz. Dazu zähle ich auch eine ausgetragene genau dies geschieht in unverantwortlicher Weise, Schwangerschaft. Lebensberichte von Frauen, die wenn wie heute morgen formuliert wird, daß aus- abgetrieben haben, beweisen, daß oft die seelischen schließlich die Frau darüber zu entscheiden hat, ob Probleme nach einer Abtreibung größer sind als das Kind ausgetragen wird oder nicht. Leichter kann vielleicht die Austragung des Kindes. 8416* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Bei unserem politischen Bemühen um den Lebens- Der Abbruch einer Schwangerschaft — nach dem schutz des ungeborenen Kindes sind die drei gesetz- Gruppenantrag, dem ich zustimmen werde, ist dies so lichen Elemente vielfältige soziale Hilfen, Beratung zu verstehen — sollte zur Ausnahme werden, da zum Leben und Strafbewehrung für mich eine Einheit, infolge verinnerlichter Erkenntnisse und dementspre- gleichgewichtig und gleichwertig, vergleichbar mit chendem Verhalten nach umfassender Beratung und einem gleichschenkligen Dreieck. Dazu nenne ich ein Aufklärung von der Kindheit an und über das Jugend- viertes Element: die Bewußtseinsbildung in der alter hinaus der Umgang mit der Sexualität ebenso Gesellschaft. Jeder einzelne von uns kann und muß als wie die Verhütung und die gewollte Planung einer Nachbar, Vermieter, Vorgesetzter, Arbeitgeber, Ar- Schwangerschaft erlernt sein sollten. Es entspricht beitskollege seinen ganz persönlichen Beitrag für eine nicht ärztlicher Auffassung, wenn eine persönliche kinderfreundliche Gesellschaft leisten. Bei uns ist es Konfliktentscheidung, die Vertrauen zwischen der heute das gesamtgesellschaftliche Klima, das den Schwangeren und dem Arzt voraussetzt, Bürgerinnen Umgang mit dem werdenden Leben so schwer und Bürger in verschiedene Lager führt, die lautstark macht. und emotional leidenschaftlich wechselseitig sich befehden und wahrscheinlich über die heute parla- Zum Schluß zwei Fragen: Gibt sich eine Gesell- mentarisch zu fällende Entscheidung hinaus noch schaft nicht ein Stück weit selbst auf, wenn sie bereit gegenseitig sich zu beeinflussen versuchen werden. ist, Gesetze hinzunehmen, die Tötung — trotz wissen- schaftlicher Erkenntnisse — nicht mehr Tötung nen- Wenn die ärztliche Berufsordnung den deutschen nen? Arzt verpflichtet: „Ich werde jedem Menschenleben von der Empfängnis an Ehrfurcht entgegenbringen Und wie lösen wir den moralischen Widerspruch, und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst daß die Abtreibung — Tötung — im Gesetz entkrimi- nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlich- nalisiert werden soll, wir aber die Polizei rufen, wenn keit anwenden.", so wissen berufserfahrene Ärztin- uns der Fotoapparat aus dem Auto gestohlen wird? nen und Ärzte, daß ihre Entscheidung und entspre- chendes Handeln unter bestimmten Indikationen sich Humanität ist unteilbar. Sie ist ohne die Anerken- auch gegen das Leben wenden kann. nung des Lebensrechtes nicht zu haben. Dazu gehört auch der rechtliche Schutz des Lebens vor der Geburt. Und eine dieser Indikationen liegt vor, wenn bei Aus diesen persönlichen Überzeugungen bejahe ich sozial das Leben absichernden Bedingungen, für die neben den dringend notwendigen sozialen Hilfen und der Staat in der Pflicht steht, die Frau aus ihrer der Beratung zum •Leben auch den strafrechtlichen psychischen Befindlichkeit heraus sich gegen die Schutz des ungeborenen Lebens im Gesetzentwurf Austragung des Lebens in ihr entscheidet. Aber jeder des Abg. Werner. weiß, soziale Not führt zu erheblichen Störungen der körperlichen und psychischen Befindlichkeit. Dies müssen wir akzeptieren, nicht zerreden, und es Ohne ärztliche Dr. Hans-Hinrich Knaape (SPD): müssen auch — gleich, wie heute die Entscheidung Beratung und Begleitung sollte keine Schwanger- der Parlamentarierinnen und Parlamentarier ausfal- schaft einer Frau durch die Geburt beendet werden, len sollte — die Unterliegenden mit ihrem Gesetzes- aber ebenso sollte keine Schwangerschaft ohne eine antrag die Entscheidung der Mehrheit akzeptieren, medizinische Indikation abgebrochen werden. Aber mittragen, und sie dürfen nicht durch ausufernden über die Zeit ihrer Schwangerschaft befindet die Frau Streit für weitere Konflikte im zwischenmenschlichen allein und nur sie. Eine Entscheidung der Frau zum Zusammenleben sorgen. Mit Würde und Anstand Abbruch einer psychisch von ihr nicht angenomme- sollten wir heute die jeweils persönliche Entscheidung nen und als Konflikt erlebten Schwangerschaft ist als des anderen zur Kenntnis nehmen und sie tolerieren. ihr Wille zu akzeptieren, gegen den sich ärztliches Dies gebietet die Achtung vor der Persönlichkeit des Handeln nicht wenden kann und darf, auch wenn der anderen. Arzt den Eingriff gegen eine innere Überzeugung und Auffassung vornehmen wird und damit das eigene Gewissen belastet und sich schuldig fühlt. Der Arzt Manfred Kolbe (CDU): Bei allem Streit um die kann den Eingriff grundsätzlich verweigern, aber Neuregelung des Rechts des Schwangerschaftsab- wäre dies ärztliches Handeln, wenn eine Frau in bruchs und insbesondere des § 218 Strafgesetzbuch psychischer Not, ohne ihre sie bedrückenden Kon- lassen Sie uns bitte eines nicht vergessen: Wohl fast flikte ihm darzulegen, hilfesuchend zu ihm kommt? allen in diesem Hause geht es um einen besseren Schutz des ungeborenen Lebens. Es geht deshalb Hingegen wird der Arzt mit Gewissenhaftigkeit und nicht an, zwischen Lebensschützern und Lebensgeg- Würde — sofern die Schwangere sich vor dem nern zu differenzieren. Abbruch der Schwangerschaft ihm psychisch öffnet — ihr zur Beratung und Behandlung — sofern sie es Strittig ist dagegen im wesentlichen die in § 218 Strafgesetzbuch geregelte Strafbarkeit des Schwan- will — helfend und begleitend über die Phase des persönlichen Konfliktes und dessen Bewältigung zur gerschaftsabbruchs in den ersten drei Monaten. Seite stehen, aber er wird keinesfalls — aus welchen Rein juristisch ist die Indikationslösung des bisheri- Gründen auch immer — die Frau bedrängen, versu- gen § 218 StGB unangreifbar: Leben — dazu gehört chen, sie zu überreden oder sogar sie in irgendeiner auch das ungeborene nach der Befruchtung — als Weise unter Druck zu setzen, um sie dann doch noch höchstes Rechtsgut steht unter besonderem — auch umzustimmen. Bei fehl ender Gesprächsbereitschaft strafrechtlichem — Schutz und kann nicht einfach der Frau muß der Arzt dies hinnehmen und die ohne Güterabwägung für zwölf Wochen zur Disposi- verlangte Leistung erbringen. tion stehen. Jeder Schwangerschaftsabbruch ist Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8417*

Tötung ungeborenen Lebens und kann deshalb nur in CDU wieder, so daß ich heute für diesen Gruppenan- einer Not- oder Konfliktlage nach einer Güterabwä- trag stimmen werde. Gewünscht hätte ich mir aller- gung gerechtfertigt sein. Der klassische Satz aus der dings, daß die Notwendigkeit einer Not- oder Kon- Frauenbewegung „Mein Bauch gehört mir" ist falsch, fliktlage im Gesetz deutlicher ausformuliert worden weil es nicht nur um den Bauch, sondern auch um das wäre. ungeborene Kind geht. Da die Entscheidung zur Neuregelung des Rechts Die Schwierigkeiten der im bisherigen § 218 StGB des Schwangerschaftsabbruchs gerade für die Christ- verankerten Indikationslösung fangen aber in der lich-Demokratische Union eine grundsätzliche und Praxis an. Auch die bisherige westdeutsche Indika- wertgeprägte Entscheidung darstellt, habe ich meine tionsregelung hat keinen ausreichenden Lebens- Entscheidung nicht gegen den Willen der Parteior- schutz ungeborener Kinder bewirken können. Ja, es gane und Mitglieder treffen wollen, die mich für den scheint sogar, daß die Zahl der Abtreibungen pro Kopf Deutschen Bundestag nominiert haben. Deshalb habe der Bevölkerung in der Alt-Bundesrepublik höher ich sowohl den Gruppenantrag als auch den Mehr- war, als in der ehemaligen DDR. 1990 wurden im heitsentwurf der CDU/CSU-Fraktion auf Mitglieder- Osten 59 587 und im Westen 78 808 Schwanger- versammlungen meiner drei sächsischen Kreisver- schaftsabbrüche registriert. Hinzu kommt aber noch bände Döbeln, Grimma und Oschatz zur Abstimmung die Dunkelziffer, die im Osten unbedeutend gewesen gestellt. Das Ergebnis fiel in allen drei Fällen zugun- sein dürfte, während im Westen von mindestens sten des Gruppenantrages aus. Bei meiner Gewissens- 200 000 nicht registrierten Schwangerschaftsabbrü- entscheidung glaube ich daher, die grundsätzlichen chen ausgegangen werden kann. Interessen unserer Partei berücksichtigt zu haben. Richter und Staatsanwälte im Westen wenden den § 218 StGB kaum an. Mindestens 200 000 nicht regi- Jürgen Koppelin (F.D.P.): Ich habe mich entschlos- strierten Schwangerschaftsabbrüche standen 1989 sen den Gruppenantrag zu unterstützen. Dabei — das ganze 8 und 1990 ganze 7 strafrechtliche Verurteilun- will ich hier bekennen — ist mir diese Unterstützung gen gegenüber. Natürlich wird auch nicht jeder Raub nicht ganz leicht gefallen. oder jeder Mord aufgeklärt und somit strafrechtlich Meine Bedenken betrafen und be treffen immer geahndet, und trotzdem kommt dort niemand auf die noch in erster Linie die Passagen des Gesetzestextes, Idee, diese Strafbestimmungen abzuschaffen. Aber nach denen es möglich ist, nach der Empfängnis im meinem Eindruck nach ist die Sachlage beim § 218 Zeitraum von 22 Wochen die Schwangerschaft zu StGB eine andere: Er wird offenbar vielerorts nicht unterbrechen, wenn das Kind infolge einer Erbanlage mehr ernsthaft angewandt, und es stellt sich deshalb oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer die Frage nach der Glaubwürdigkeit des staatlichen nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszu- Strafanspruchs. standes leiden würde, so daß von der Schwangeren Arzt und Richter müssen nach der Indikationsrege- die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt lung an Stelle der Frau über das Vorliegen einer werden kann. psychosozialen Notlage entscheiden. Die Arztever- Meine Sorge ist, daß Eltern, die sich doch dafür bände lehnen dies mit großer Mehrheit ab. Als Jurist entscheiden, daß ein behindertes Kind zur Welt sage ich: Als Richter möchte ich diese Entscheidung kommt, vielleicht unter einen starken Rechtferti- nicht an Stelle der schwangeren Frau im Rahmen gungsdruck geraten. eines Strafverfahrens treffen. In der vorgelegten Formulierung sehe ich auch den Für meine heutige Entscheidung sind drei Eck- Ansatz einer Diskriminierung von geschädigtem und punkte maßgeblich: behindertem Leben. — Jeder Schwangerschaftsabbruch ist Tötung unge- Meine Sorge ist auch, daß bei Erkennung einer borenen Lebens und kann deshalb nur in einer Not- Schädigung des ungeborenen Kindes empfohlen wer- oder Konfliktsituation gerechtfertigt sein. Bei der den könnte, die Schwangerschaft zu unterbrechen, reinen Fristenlösung fehlt diese notwendige Güterab- weil das Gesetz dies hergibt. wägung. Ich weiß, daß es schwer ist, einer werdenden Mutter, — Wesentlich für den Schutz des ungeborenen Lebens bei der in der Schwangerschaft festgestellt wird, daß sind eine umfassende Pflichtberatung und soziale das Kind Schädigungen hat, Rat zu erteilen. Und ich Hilfen des Staates, die einen effektiven Lebensschutz weiß, kein Strafrecht — und auch kein Bundesverfas- bewirken. Hierzu zählen vor allen Dingen die Verbes- sungsgericht — wird eine werdende Mutter zwingen serung der Rahmenbedingungen für Familien und die können, ein Kind zur Welt zu bringen, vor allem ein Schaffung einer kinderfreundlicheren Umwelt durch behindertes Kind. ein breites Angebot sozialer Hilfen. Das einzige, was wir tun können, ist, auch diesen — Die letzte Entscheidung kann jedoch nur bei der Müttern in ihrer Not zu sagen, daß es für behinderte schwangeren Frau liegen, da ihr weder Arzt noch Kinder und für ihre Eltern Hilfe und Unterstützung Richter diese Entscheidung abnehmen können und gibt. auch ganz überwiegend nicht abnehmen wollen. Wir Seit sehr vielen Jahren habe ich mich unter ande- können das werdende Leben nicht gegen den Willen rem als Landesvorsitzender der Lebenshilfe für geistig der Mutter schützen. Behinderte in Schleswig-Holstein für die Gleichbe- Diese drei Eckpunkte finden sich im wesentlichen handlung von behindertem und nicht behindertem im Gruppenantrag von F.D.P., SPD und Teilen der Leben eingesetzt. 8418* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Daher erlaube ich mir zu sagen: Wir als politisch gen Konfliktsituation der ungewollten und allzu oft Verantwortliche tun nach meiner Auffassung viel zu nicht ertragbaren Schwangerschaft. wenig für die behinderten Kinder und für ihre Frau Präsidentin Süssmuth hat kürzlich in einer Eltern. Fernsehsendung erklärt, daß die Debatte wohl anders Eltern mit behinderten Kindern sind durchaus und deutlicher zugunsten der Schwangeren geführt bereit, dieses gemeinsame Leben zu führen. Aber sie würde, wenn wir Männer die Be troffenen wären. Sie erwarten unsere Unterstützung. hat recht. Es ist mir daher ein Bedürfnis, heute an dieser Stelle Ich ergänze: Wie anders würde die offizielle katho- einmal allen Eltern mit behinderten Kindern für ihr lische Kirche sprechen, wenn nur Frauen die Sakra- großes Engagement und für die Liebe zu ihren Kin- mente austeilen dürften und nur Frauen darüber dern zu danken. Genauso danke ich allen, die in entschieden, was die richtige Lehre der Gottheit ist. Behindertentagesstätten oder bei Behindertenein- richtungen arbeiten, für ihre aufopfernde Tätigkeit. Wer die Frau, die sich in ihrer Konfliktsituation für einen Schwangerschaftsabbruch unter den im Grup- Ich stelle immer wieder fest, daß die Liebe sehr penantrag vorgesehenen Bedingungen entscheidet, vieler Eltern zu ihrem behinderten Kind so groß ist, des Kindesmordes bezichtigt, stellt nicht die Frau ins daß ich davon nur mit Respekt, Anerkennung und moralische Abseits; er grenzt sich selbst aus. Bewunderung sprechen kann. Trotz meiner genannten Bedenken werde ich dem Wenn in dieser Woche vom Vorsitzenden der katho- Gruppenantrag zustimmen, weil ich davon überzeugt lischen Bischofskonferenz signalisiert wird, die katho- bin: Wenn dieser Antrag scheitert, sind wir als poli- lischen Organisationen würden ihre Caritas-Aufga- tisch Verantwortliche in einer wichtigen Frage ben zur Beratung der Frau nach Annahme unseres gescheitert. Ja, ich muß meine Bedenken sogar Gesetzentwurfes nicht weiter leisten, dem muß geant- zurückstellen, denn habe ich — und haben wir alle — wortet werden, daß dann der Staat eben andere nicht ständig vom mündigen Bürger gesprochen? Und karitative Organisationen im kirchenfreien Raum för- nun soll ich mir anmaßen, durch mein Parlaments- dern und unterstützen muß, die dem Auftrag des Gesetzes zu entsprechen bereit sind. So viel staatli- mandat für Frauen Vormund zu sein? ches Selbstbewußtsein werden wohl auch süddeut- Zu einer Unterstützung des Gruppenantrags sche Länder aufbringen können. komme ich, weil ich der Auffassung bin, daß alles, was wir bisher hatten, unbefriedigend war, und das was Mit dem Gruppenantrag erfüllt das deutsche Parla- wir sonst bekommen werden, noch unbefriedigender ment die verfassungskräftigen Verpflichtungen aus sein wird. dem Einigungsvertrag, die sich aus den beiden unter- schiedlichen Rechtsentwicklungen in Deutschland Und daher erlaube ich mir auch, nachdem ich hier zur Frage der Not- und Konfliktlösung von Schwan- meine Bedenken vorgetragen habe, alle Kolleginnen geren ergeben. und Kollegen, die zu der einen oder anderen Passage des Gruppenantrages Bedenken haben, zu bitten, Lassen sie mich deutlich sagen: diese Bedenken, wenn sie es mit ihrem Gewissen Erstmals in der deutschen Geschichte werden vereinbaren können, zurückzustellen, damit der umfassende Hilfsangebote für die Mütter vorgesehen, Gruppenantrag eine Mehrheit bekommt. die ihr Kind zur Welt bringen. Erstmals wird in einem Denn: Alles andere wäre ein Schritt zurück und Maß die Verpflichtung zur Bereitstellung von Kinder- schafft noch mehr seelische Not und menschliche gartenplätzen dargelegt, wie bisher noch nie in der Katastrophen. Das können wir nicht wollen. Ich alten Bundesrepublik. Erstmals übernimmt der Staat bedanke mich für Ihre Geduld. die Verantwortung dafür, daß jungen Menschen die Verhütung ungewollter Schwangerschaften erleich- Wolfgang Lüder (F.D.P.): Vor einem Jahr haben wir tert wird. Ich werde dem Gesetzentwurf zustimmen. in der Hauptstadtdebatte des Deutschen Bundestages Er ist verfassungsgemäß und ethisch geboten. über die Vollendung der Einheit Deutschlands im Ich kann der Argumentation der Gegner nicht staatlich-organisatorischen Bereich debattiert. Heute folgen. Sie wird insbesondere der Tatsache nicht geht es wieder um die Vollendung der Einheit gerecht, daß sich Frauen in einer Not- und Konfliktsi- Deutschlands. Zwei unterschiedliche Rechtssysteme tuation befinden, zu der der Staat nicht nur die eine müssen in dem schwierigen Strafrechtsbereich Antwort geben darf: Austragen eines Kindes, auch zusammengefügt werden. Im einheitlichen Deutsch- gegen den Willen der Mutter; auch in eine soziale und land, in dem ein einheitliches Grundgesetz und nicht psychische Notsituation hinein. zwei unterschiedliche Verfassungen gelten, kann es auf Dauer nicht unterschiedliche Strafrechte geben. Nein, die Verantwortung vor der Würde der Frau Was in Frankfurt/Oder straflos ist, kann nicht in gebietet, daß ihr die Entscheidung über einen Frankfurt/Main strafbar sein. Was in Dresden gilt, Schwangerschaftsabbruch allein obliegt, da ihr nie- muß auch in Düsseldorf Rechtens sein. mand diese Last abnehmen kann. Der Staat wird dabei seiner Verantwortung dadurch gerecht, indem Ich habe den Gruppenantrag unterzeichnet und er die Schwangere zur Beratung veranlaßt, aber nicht unterstütze ihn in jedem Punkt. Der Gruppenantrag mit Druck zu ungewolltem Handeln. bringt eine am Wertmaßstab des Grundgesetzes aus- gerichtete Entscheidung in einer schwierigen Kon- Ich bitte um Zustimmung zum Gesetzentwurf des fliktlage der Frau und — leider zu selten — auch des Gruppenantrages, weil wir so die Würde der Frau mitratenden männlichen Partners in einer schwieri- auch im Konfliktfall wahren. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8419*

Heinrich Lummer (CDU/CSU): Die heutige Ent- Wer eine Abtreibung plant, sollte über das aufge- scheidung ist in gleicher Weise schwerwiegend wie klärt werden, was wirklich geschieht. schwierig. Schwerwiegend, weil sie wesentlichen Meistens wird auch nicht gesagt, daß mindestens Anteil daran haben wird, ob Kinder geboren werden doppelt so viele Frauen bei legalen Abtreibungen oder ob sie im Mutterleib getötet werden. Schwierig, sterben, die während der ersten drei Monate durch- weil wegen des notwendigerweise zu suchenden geführt werden, wie bei einer Geburt. Statistiken Kompromisses keiner der vorliegenden Entwürfe in zeigen auch, daß eine Frau nach einer legalen Abtrei- hinreichendem Maße dem Gewicht der zu treffenden bung mit einer erhöhten Gefahr von späteren Fehlge- Entscheidung entsprechen kann. burten und Sterilität rechnen muß. Wenn wir uns die zu beachtenden Tatsachen vor Und zumeist werden auch die schweren und lang- Augen führen, wird deutlich, daß unsere Entschei- wierigen emotionalen Störungen, die Depressionen dung heute immer nur eine mangelhafte Entschei- und Fehl- und Überreaktionen verschwiegen, unter dung sein kann: Es geht um die Frage von Hilfen zum denen viele Frauen danach leiden. Austragen der Kinder; es geht um Beratung der Eltern in einer solchen Konfliktsituation. Und es geht um die Wenn die Abtreibung als Tötung von Menschenle- Frage nach Strafe oder Nicht-Strafe für die Tötung ben legal wird, muß jeder befürchten, daß die Zeit eines Kindes im Mutterleib. Und darum handelt es nicht mehr fern ist, in der man auch andere Arten des sich für mich, weil niemand die Frage beantworten Tötens akzeptiert. Wenn Leben vor der Geburt zer- kann, wann menschliches Leben beginnt. Im Zweifel stört werden darf, warum sollte man nicht auch am beginnt es mit der Befruchtung. Deshalb kann es Ende manipulieren? keine Fristen für legales Töten geben. Kein Gesetz Die Schizophrenie liegt auf der Hand: Einerseits kann hier Schuld beseitigen. schützen wir mit dem Embryonenschutzgesetz mit Auch hier und heute können wir nicht das gesell- großem Nachdruck „die befruchtete, menschliche schaftliche Umfeld schaffen, das die Entscheidung für Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an" als das Leben selbstverständlich macht. Und ich habe die Embryo und brandmarken Todesstrafe selbst für Befürchtung, daß wir auch nicht in der Lage sind, eine Schwerstverbrecher weltweit als Verbrechen gegen solche Entscheidung „rundherum" sozial abzufedern. die Menschlichkeit, als menschenrechtswidrig, und Und das Schlimmste: Ich fürchte sehr, daß viele völlig andererseits soll die Tötung unschuldigen Lebens im losgelöst von solchen äußeren Rahmenbedingungen Mutterleib innerhalb einer willkürlichen Drei- nicht gewillt sind, überhaupt eine Entscheidung für Monats-Frist legalisiert werden! das Leben zu treffen. Nach alledem: Was können wir heute tun? Wir sind Deshalb möchte ich persönlich anmerken und damit gezwungen, eine neue Regelung zu treffen. zum Nachdenken anregen: Jede Regelung in dieser Frage, die nicht das unein- Mag sein, die Eltern haben das Kind vielleicht nicht geschränkte „Du sollst nicht töten" auch uneinge- gewollt. Und doch gibt es für den Christen einen, der schränkt beachtet, ist keine gute Regelung. es von vornherein gewollt hat. Denken wir beispiels- weise daran, wie es in Gottes Wort, der Heiligen Ich sehe mich also gezwungen, dem Entwurf zuzu- Schrift, im Propheten Jeremia — Kapitel 1, Verse 4 stimmen, der der am wenigsten schlechte ist. Dies ist und 5 — heißt: „Und das Wort des Herrn geschah zu der Entwurf der sogenannten Gruppe Werner (Druck- mir also: Ehe ich dich im Mutterleibe bildete, habe ich sache 12/1179). dich erkannt, und ehe du aus dem Mutterschoße Wenn dieser Entwurf in der ersten Abstimmungs- hervorkamst, habe ich dich geheiligt: zum Propheten runde keine Mehrheit findet, werde ich mich für den an die Nationen habe ich dich bestellt." dann einzigen annähernd vertretbaren Entwurf ent- Von Gott geschaffen, von Gott schon davor gekannt, scheiden. Das ist der CDU/CSU-Mehrheitsentwurf in von Gott für eine Aufgabe bestimmt — nicht nur der aktuellen Fassung, der durch einen großen sozial- Leben von Anfang an, sondern Persönlichkeit von und familienpolitischen Maßnahmenkatalog — trotz Anfang an! Gott wartet nicht, bis sich ein Baby bewegt angespannter Haushaltslage — die äußeren Bedin- oder bis es völlig bereit ist für das Leben außerhalb der gungen verbessert und der die Frauen nicht ohne Mutter, bevor er es kennt und liebt und als winziges nachhaltige Beratung zur Tötung schreiten läßt. Das menschliches Leben anerkennt. Warum sollten wir ist der Entwurf, der nur bei Vorliegen wirklich schwer- damit warten? Dazu haben wir kein Recht! wiegender Gründe, sogenannter Indikationen, vom staatlichen Strafanspruch und der staatlichen Straf- Und außerdem: Abtreibung ist keine „schnelle und pflicht absieht. einfache" Methode, um ein „ärgerliches Problem" loszuwerden. Kaum jemand sagt den Frauen, die Die Hilfen im Konfliktfall und die soziale Absiche- Beratung suchen, was sie dem Kind und den Frauen rung von Familien muß aber auch über diesen Entwurf antun wollen. hinaus weiter verbessert werden. Wir müssen uns Kaum jemand spricht von der Abartigkeit der unserer Verantwortung auch über die heutige Methoden, die mit nichtssagenden Beg riffen belegt Abstimmung hinaus stellen. werden. Denken wir nur an die Kurettage, bei der mittels eines scharfen Messers das sich wehrende Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Ich bin über die Kind im Mutterleib zerstückelt wird. Oder an das Diskussion, über die Argumente und über die Art und Absaugen mit einem Schlauch, der zehnmal stärker Weise des Umgangs mit dem Thema „Schutz des als ein Staubsauger ist, bei dem das sich sträubende ungeborenen Lebens" bedrückt. Nach wie vor bin ich Kind zerrissen wird. der Meinung, daß es sich hierbei um das Thema 8420* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

„Leben eines Menschen" handelt. Jahrhunderte hat Mein beinahe nicht geborener Sohn Markus formu- die Menschheit gebraucht, um sich über die Stellung lierte im Religionsunterricht in der ersten Klasse, nach des Menschen an sich und seine Beziehung zur der Aufforderung ein persönliches Gebet zu sagen: Umwelt klarzuwerden. Diese Entwicklung, die in „Lieber Gott, ich danke Dir, daß ich lebe." diesem Punkt vom Grundsatz her sagt, daß das Kind Auf Grund der Mängel des § 218 StGB, auf die ich im Bauch der Mutter menschliches Leben ist, wird wegen der vielen Beiträge dazu nicht näher einzuge- durch den heutigen Erkenntnisstand der Wissenschaft hen brauche, stimme ich für den Gesetzentwurf der nur unterstrichen. Abgeordneten Herbert We rner (Ulm) u. a. zum Schutz Es ist für mich schon kurios, wenn in der Wohl- der ungeborenen Kinder (Bundestagsdrucksache standsgesellschaft Mitteleuropas sich genau zu die- 12/1179). Für den Fall, daß dieser Gesetzentwurf sem Zeitpunkt darüber Gedanken gemacht werden, keine Mehrheit im Deutschen Bundestag findet, ob menschliches Leben unter bestimmten Bedingun- werde ich dem Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/ gen von bestimmten Menschen zur Disposition CSU zum Schutz des ungeborenen Lebens (Bundes- gestellt werden kann. In Fortsetzung dieses Gedan- tagsdrucksache 12/1178 (neu)) zustimmen. In diesen kens steht für mich die Frage: Wie geht diese Diskus- beiden Gesetzesvorlagen kommt dem Schutz des sion weiter, wenn erst einmal dieses Thema abgehakt ungeborenen Lebens ein angemessen hoher Stellen- ist? wert zu. Nicht nur angesichts der heutigen Entscheidung, Außerdem begrüße ich, daß ein anderes, aber in sondern auch vor dem Hintergrund der davon ausge- diesem Zusammenhang stehendes Thema, mit ange- henden Gefahr möchte ich grundsätzlich meine Posi- gangen wird. Wir müssen nicht nur die Kinder schüt- tion hier benennen. Leben, gleich, in welcher Situa- zen, sondern ihnen auch helfen eine gute Zukunft zu tion, muß den uneingeschränkten Schutz der mensch- haben. Dazu ist die Unterstützung der Familien, der lichen Gesellschaft genießen. Leider ist das keine Frauen und der Kinder durch Gemeinschaft, also allgemeine Position mehr. Die Praxis sieht anders aus, durch den Staat notwendig. denn die Zahlen der Abtreibungen in Ost und West Eine weitergehende Abschwächung der von mir sind erschreckend. Dieser Situation wurde bereits mit dargestellten durch die anderen mit eingebrachten dem bisherigen § 218 StGB Rechnung getragen. Mit Gesetzentwürfe kann ich nicht mittragen. der Wiedervereinigung Deutschlands kam es jedoch zu einer Diskrepanz der diesbezüglichen Rechtslage, so daß das Thema erneut aufgenommen werden Dr. Franz Möller (CDU/CSU): Leben ist ein göttliches mußte. Geschenk, das für Menschen nicht verfügbar ist. Ich wehre mich dagegen, wenn davon gesprochen Das oberste und beherrschende Prinzip des Grund- wird, daß im Osten Deutschlands 100 % für die Fri- gesetzes ist in Art. 1, die Unantastbarkeit der mensch- stenlösung sind. lichen Würde, niedergelegt. Dieser Artikel findet seine logische Ergänzung in Art. 2, wo es heißt: „Jeder Es gibt zum ersten eine Menge Leute mit einer hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrt- dezidiert anderen Auffassung. heit." Zweitens weiß ich nach vielen Gesprächen, um die Daraus folgt für uns als Gesetzgeber, daß das Leben Unkenntnis der bestehenden § 218-Regelung. In die- nach dem Entstehen und vor dem Vergehen für jeden sen Gesprächen habe ich oft festgestellt, daß sich viele Menschen uneingeschränkt und ungeteilt zu gewähr- mit den Zielen des bestehenden § 218 StGB identifi- leisten ist. zieren könnten. Der Entwurf eines „Gesetzes zum Schutz des unge- Drittens meine ich, daß eine ostdeutsche Tradition borenen Kindes", der sogenannte Werner-Entwurf, völlig falsch bewertet wird. Gerade bei der Einfüh- wird diesem Auftrag gerecht. Die Formulierung „Tö- rung der Fristen für einen legitimierten Schwanger- tung eines ungeborenen Kindes" kennzeichnet, um schaftsabbruch ist es die Ost-CDU gewesen, die trotz was es.bei einer Abtreibung geht. Der grundsätzliche der im allgemeinen staatlich verordneten Meinung in Unrechtscharakter und die gravierende Menschen- der Volkskammer gegen diese Entwicklung gestimmt rechtsverletzung werden deutlich gekennzeichnet. hat. Die Tötung eines ungeborenen Lebens läßt sich nur Viertens kann ich aus eigener Erfahrung in der rechtfertigen, wenn eine Gefahr für das Leben der Familie berichten, wie unsensibel mit dem Thema Mutter besteht. Deshalb erkennt der Werner-Entwurf umgegangen wurde, nachdem die Fristenlösung in nur die vitale Indikation als Rechtfertigung an. Da alle der DDR eine längere Zeit möglich war. Meine Frau anderen Fälle Unrecht sind, spricht der Entwurf auch mußte zweimal, d. h. beim zweiten und dritten Kind, ein klares Unwerturteil aus. fast darauf bestehen, nicht abtreiben zu lassen, son- Aber auch wenn Unrecht vorliegt, kann von Strafe dern austragen zu wollen. Die Gründe waren vermu- abgesehen werden. Jedoch nur unter der Vorausset- tete Komplikationen. Im nachhinein gab es die nicht. zung, daß eine dauerhafte und schwerwiegende Die psychologische Situation meiner Frau während Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen der Schwangerschaft vor dem Hintergrund dieser Gesundheitszustandes der Schwangeren vorliegt, die Beratung war nicht einfach. nicht auf eine andere, für die Schwangere zumutbare Im nachhinein fällt mir jedoch noch eine Episode Weise abgewendet werden kann (§ 218 Abs. 2 Nr. 1). ein. Ich muß dabei vorausschicken, wir haben nie mit Natürlich können solche Beeinträchtigungen sich unseren Kindern über diese Probleme gesprochen. auch aus dem psychosozialen Umfeld ergeben. Ent- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8421* scheidend ist jedoch, daß diese Umstände zu einer nete Schenk gesagt hat, ist das eine Pervertierung medizinisch relevanten Auswirkung mit Krankheits- unseres Rechtsbewußtseins. charakter führen. Mit dem Embryonenschutzgesetz vom 13. Dezem- Diese Voraussetzungen müssen tatsächlich vorlie- ber 1991 hat der Bundestag schon die „befruchtete, gen und gerichtlich überprüfbar sein. Dies ergibt sich entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeit- daraus, daß es sich in diesen Fällen um Unrecht punkt der Kernverschmelzung an" unter den beson- handelt, auch wenn es nicht strafwürdig ist. deren strafrechtlichen Schutz gestellt. Darin zeigt Das Strafrecht ist e in e Möglichkeit zum Schutz des sich, daß wir als Gesetzgeber die Bedeutung des ungeborenen Lebens. Daneben müssen, da sind wir Strafrechts zum Schutz des werdenden Lebens hoch uns alle einig, soziale Rahmenbedingungen geschaf- bewerten. Das war und ist richtig. Aber warum soll fen werden, die die Entscheidung für das Leben werdendes Leben im Mutterleib weniger Schutz leichter machen. genießen? Das Argument, das werdende Leben könne nicht Der sogenannte Werner-Entwurf, den ich mitunter- gegen die schwangere Frau geschützt werden, wen- zeichnet habe, bietet dem werdenden Leben den det sich in einprägsamer Formulierung gegen das Schutz, den es nötig hat und den es von uns verlangt. Instrument des S trafrechts. Frau Wettig-Danielmeier Deshalb stimme ich für diesen Entwurf. Wenn er keine (SPD) hat dies in ihrem Beitrag klar ausgedrückt, als Mehrheit findet, werde ich dem Mehrheitsantrag der sie davon sprach, daß „das Strafrecht ausgedient CDU/CSU-Fraktion meine Stimme geben. habe". Dieser Auffassung bin ich nicht. (Wesseling) (CDU/CSU): Ich will es Das Strafrecht stellt zwar nur die Ultima ratio im Alfons Müller gleich vorweg sagen, meine Zustimmung vermag ich Instrumentarium des Gesetzgebers dar, d. h. aber heute nur dem Entwurf der Werner-Gruppe zu geben, nicht, daß wir nicht darauf zurückgreifen sollten, der ich seit Jahren angehöre. wenn wir effektiven Lebensschutz gewährleisten wol- len. Ich habe wiederholt meine Meinung zu diesem wichtigen Thema deutlich und klar zum Ausdruck Hinzuzufügen ist, daß es dabei zudem nicht nur um gebracht. Bereits 1984 habe ich als Abgeordneter des ein Wollen des Gesetzgebers geht, sondern daß wir Deutschen Bundestages dazu Stellung genommen, durch Art. 2 auch zum Schutz des werdenden Lebens ebenso am 20. September 1990 und erneut am in die Pflicht genommen sind. 25. September 1991. Welches Mittel der Gesetzgeber wählt, — die von Es ist mir nicht leichtgefallen, wegen der Fristenre- der Verfassung geforderte rechtliche Mißbilligung muß auch in der Rechtsordnung unterhalb der Verfas- gelung zur Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands ein Nein zu sagen. Dabei habe ich den sung deutlich in Erscheinung treten. Diesem Unwert- Einigungsprozeß aktiv und engagiert unterstützt. urteil ist die Fristenregelung von 1974 nicht gerecht geworden, wie das Bundesverfassungsgericht deut- Bei allen Debatten ging es vorrangig darum, ob die lich gemacht hat. Auch der Gruppenantrag von SPD Entscheidungsbefugnis über das ungeborene Leben und F.D.P. erfüllt diese Voraussetzungen nicht. der werdenden Mutter allein überantwortet werden Unrecht bleibt die Tötung werdenden Lebens mit soll. Dies ist auch heute in dieser Debatte vor allem aus Ausnahme der vitalen Indikation immer. Wie weit sie dem Munde von SPD- und F.D.P.-Rednern erneut strafwürdig ist, kann zweifelhaft sein. vorgetragen worden. Es wird immer nur von der Eine reine formelle Mißbilligung, wie sie in § 218 Situation der Frau gesprochen, selten vom Lebens- recht des ungeborenen Menschen. Abs. 5 des Gruppenantrages — der Zwölf-Wochen- Frist — ausgedrückt wird, wird unserem Auftrag als Auch die übrigen Entwürfe, die heute zur Entschei- Gesetzgeber nicht gerecht, uns schützend vor das dung anstehen, sind für mich nicht akzeptabel. Ich werdende Leben zu stellen. meine wir sollten ehrlich miteinander umgehen und Strafnormen richten sich an alle. Wer sich auf die den Schutz des werdenden Lebens in den Mittelpunkt stellen. Position der Fristenlösung zurückzieht, verzichtet auf e in e Möglichkeit, menschliches Verhalten zu bestim- Die hohe Zahl der Abtreibungen muß doch jeden men. von uns tief beunruhigen. Es kann daher nicht ange- Natürlich wird das werdende Leben vorrangig von hen, daß den ungeborenen Kindern der ihnen zuste- der Schwangeren geschützt; das ist eine biologische hende rechtliche Schutz der staatlichen Gemeinschaft Tatsache. Das heißt aber nicht, daß auf die bewußt- versagt wird. Das widerspricht ganz klar meiner seinsbildende Kraft „Schwangerschaftsabbruch ist christlichen Grundüberzeugung, meinem ethischen Unrecht" verzichtet werden darf. Empfinden, dem Grundgesetz und auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar Ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch kann es 1975. nicht geben. Bei einer Orientierung an Art. 1 GG besteht ein Vorrang des Lebensschutzes für das wer- Nach meiner Auffassung bedeutet jede Abtreibung dende Kind gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht die Tötung eines ungeborenen Menschen als Eben- der Frau, und das während der ganzen Dauer der bild Gottes. Mein Gewissen verbietet mir daher, einer Schwangerschaft. Wenn das werdende Leben als Abtreibung — außer aus medizinischen Gründen — „parasitärer Zellhaufen, der die Lebenschancen der zuzustimmen. Frau beeinträchtige und deshalb beseitigt werden Durch jede Art von „verdeckter" oder „offener" müsse" angesehen werden darf, wie es die Abgeord- Fristenregelung entzieht sich der Staat nicht nur 8422* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht; auch das Ich stimme den Aussagen der katholischen Kirche in Rechtsbewußtsein gegenüber dem ungeborenen Le- diesen Fragen voll und ganz zu und danke den ben wird entscheidend negativ verändert. Wenn das Bischöfen für die aufrüttelnden Worte und wegwei- ungeborene Leben nicht mehr unter dem Schutz des sende Hilfe. Leben ist und bleibt das höchste Gut in Staates steht, dann empfinden viele Menschen kein unserer Gesellschaft und sollte deshalb nur dann Unrecht mehr, wenn sie Leben abtreiben, also töten. angetastet werden, wenn eine Gefahr für Leib und Dadurch wird die unbedingte notwendige Achtung Leben der Mutter besteht. vor dem Recht auf körperliche Unversehrtheit in unerträglicher Form verändert. Ich darf mit Nachdruck alle Kolleginnen und Kolle- gen urn eine gewissenhafte Entscheidung für das Jeder muß wissen: Wer hier Rechtspositionen auf- Leben bitten. gibt, wird sie nie mehr zurückholen können. Wie sollen je die Schleusen geschlossen werden, die sich heute durch unsere Entscheidung auftun können. Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): In der Abstim mung zur Neuregelung des § 218 für das vereinigte Es darf nicht sein, daß wir die Schutzbedürftigkeit Deutschland werde ich für den Gesetzentwurf stim- eines Schwalbennestes unter einem Hausdach oder men, der unter Federführung meiner Fraktionskolle- eines Froschlaiches in einer Regenpfütze höher gin Uta Würfel erarbeitet und als Gruppenantrag über bewerten als das menschliche Leben, das doch höch- Fraktionsgrenzen hinweg eingebracht worden ist. Ich stes Gut auf Erden ist. bin davon überzeugt, daß er das ungeborene Leben besser schützt als jede Strafandrohung. Ich unterstütze daher nachdrücklich den Gesetzes- antrag der Initiativgruppe „Schutz des ungeborenen Der Gesetzentwurf sieht vor, daß jede Frau, die in Kindes". Lediglich eine Abtreibung aus medizini- einer Konfliktsituation einen Schwangerschaftsab- schen Gründen wird unserem Grundgesetz und unse-- bruch erwägt, an einer Beratung teilnimmt, um einer- rer Wertordnung gerecht. seits ihre Lage im Gespräch zu klären, vor allem aber über die staatlichen Hilfen, die ihr bei Nichtabbruch Ich bedauere auch, daß ich dem Mehrheitsantrag meiner Fraktion nicht zustimmen kann. Die in diesem zustünden, informiert zu werden. Entwurf formulierten Voraussetzungen stellen man- Die anschließende Entscheidung muß bei der gels jeglicher Objektivierbarkeit und Justitiabilität betroffenen Frau und ihrem Partner liegen. Forderun- einer beabsichtigten oder bereits durchgeführten gen, daß ein Arzt das Vorliegen einer Notlage feststel- Tötung ungeborenen Lebens keine Indikationslö- len, sie schriftlich niederlegen und letztlich über den sung, sondern eher eine verdeckte Fristenregelung Schwangerschaftsabbruch entscheiden solle, unter- dar. stellen, daß Frauen unfähig seien, eine Gewissensent- scheidung zu treffen und den Schwangerschaftsab- Ich kann erst recht nicht dem von SPD-, F.D.P.- und einigen Mitgliedern meiner Fraktion eingebrachten bruch als Methode der Geburtenkontrolle einsetzen. Ich halte es für unglaublich, Frauen keine Ethik, keine Gruppenantrag sowie den übrigen Anträgen zustim- men. Vorschläge, die hier gegenüber dem Mehrheits- Moral und kein Verantwortungsbewußtsein zuzu- trauen. antrag meiner Fraktion unter Hinweis auf das Selbst- bestimmungsrecht der Frau weitergehende Regelun- Der richtige Weg zum Schutze Ungeborener kann gen anstreben, sind für mich kein Maßstab. nur sein, die Bedingungen, unter denen Familien und alleinstehende Mütter Kinder erziehen, zu verbes- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin mir bewußt, daß eine strafgesetzliche Regelung, wie sern. Dies wird nicht mit dem Strafrecht erreicht, sondern durch flankierende Maßnahmen im sozialen auch immer sie aussehen mag, die Abtreibungszahlen Bereich, wie sie die Koalitionsregierung bereits verab- in Deutschland nur unwesentlich beeinflussen wird. schiedet hat. Wir wollen die Betreuungsmöglichkei- Aber auch das allgemein für notwendig erachtete ten vor allem für Alleinerziehende verbessern und Verkehrsstrafrecht erreicht keine unmittelbare Ver- jedem Kind einen Anspruch auf einen Kindergarten- hinderung entsprechender Vergehen, das unmittel- platz garantieren — dies scheiterte bisher an den bare Ziel kann nur die Beeinflussung der Bewußt- Ländern, die andere Prioritäten bei der Verteilung seinsbildung sein. ihrer Einnahmen setzen. Schwangere Frauen und Ich bin allerdings der Auffassung, daß wir deutli- Mütter sollen bei der Vergabe von Sozialwohnungen chere Zeichen für das Leben setzen müssen. Unser bevorzugt werden, das Erziehungsgeld für zwei Jahre Bestreben in der politischen Arbeit war und ist es, die gezahlt, der Erziehungsurlaub auf drei Jahre verlän- Familienpolitik positiv zu gestalten. gert werden. Insgesamt wollen wir die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien und die Schaf- Als langjähriger Bundesvorsitzender der Katholi- fung einer kinderfreundlichen Umwelt mit Hilfe einer schen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) habe ich ent- breiten Palette weiterer sozialer Hilfen erreichen. scheidend mithelfen können, die familienpolitischen Leistungen zu verbessern. Die Anerkennung von Diese und andere Maßnahmen, zusammen mit Kindererziehungszeiten im Rentenrecht war und einer verbesserten Sexualerziehung, schaffen den bleibt ein entscheidender Durchbruch. Aber wir dür- Rahmen für den Gesetzentwurf, den ich unterstütze fen uns damit nicht zufriedengeben. Es müssen wei- und mitunterschrieben habe. Ich bin davon über- tere familienpolitische Leistungen Wirklichkeit wer- zeugt, daß er das ungeborene Leben besser schützen den, und es muß endlich aufhören, daß eine Frau nur kann als Strafandrohung oder die Entscheidung über deshalb abtreibt, weil sie sich alleingelassen fühlt einen Schwangerschaftsabbruch durch einen unbe- oder keine ausreichende Hilfe erhält. teiligten Dritten. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8423*

Vertrauen in das Verantwortungsbewußtsein einer In den letzten Wochen und Monaten sind wir alle schwangeren Frau und ihres Partners und die von vielen Menschen in unserem Land sowie von Beschlüsse, die bessere Bedingungen für Familien Institutionen und vor allem auch von den Kirchen und Kinder schaffen, sind die Grundlage meiner ermahnt worden, uns politisch für den Lebensschutz Entscheidung. des ungeborenen Kindes stark zu machen. Diese Mahnungen nehme ich sehr ernst, doch sollten alle Mahner sich mehr noch als bisher aktiv für den Schutz Friedhelm Ost (CDU/CSU): Der Schutz des Lebens, des Lebens engagieren. Das beste Gesetz, die opti- insbesondere des ungeborenen Lebens, ist die wich- male rechtliche Regelung, finanzielle, wirtschaftliche tigste Aufgabe für Politik und Gesellschaft. Als Politi- und soziale Hilfen sind von großer Bedeutung, aber sie ker, der mit aller Überzeugung zum „C" im Namen werden allein nicht die viel zu hohe Zahl von Abtrei- seiner Partei steht und der — fernab von jeglicher bungen verhindern. Opportunität und gegen starke Strömungen des Zeit- geistes — aus innerer Überzeugung die Orientierung Hinzukommen muß das ganz persönliche, direkte der Politik an den christlichen Grundwerten für wich- Engagement für schwangere Frauen, für Familien mit tig und richtig hält, lehne ich eine wie auch immer Kindern, für das ungeborene und geborene Leben vorgesehene Fristenregelung ab. — in den Familien, in der Nachbarschaft, in den Kommunen, in den Kirchengemeinden. Wir alle sind Der frühere Lübecker Bischof und Neutestamentler herausgefordert, das Bewußtsein für das Leben zu Ulrich Wilckens hat vor wenigen Tagen überzeugend stärken und unsere aktiven Hilfen vor Ort weiter zu darauf hingewiesen, daß „das Selbstbestimmungs- erhöhen. Denn nur im Zusammenwirken rechtlicher, recht der Frau seine Grenze beim Schutz des heran- sozialer und bewußtseinsbildender Maßnahmen kann wachsenden Kindes finden muß". Das Recht auf freie es gelingen, das Leben ungeborener Kinder wirksam Selbstbestimmung könne — so Bischof Wilckens wei- zu schützen. ter — seinen Sinn nur behalten, wenn es gleichge- In diesem Zusammenhang danke ich den kirchli- wichtig für alle Menschen gelte. Und er befürchtet zu chen Verbänden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Recht: „Gäbe es ein Recht auf Abtreibung, so gäbe es tern der Kirchen für ihr großartiges Engagement für auch bald ein entsprechendes Recht auf Tötung das Leben, für schwangere Frauen in Not, für die behinderter, schwerkranker oder siecher alter Men- schen." Aus meinem Verständnis heraus hat kein Familien. Mensch ein Recht, über menschliches Leben in Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, irgendeiner Weise zu verfügen. Nach den wissen- Karl Lehmann, hat die Politiker aufgefordert: „Helft schaftlichen Erkenntnissen beginnt mit der Ver- den Frauen nicht nur auf dem Papier, ja zum Kind zu schmelzung von Ei und Samenzelle das Leben eines sagen." Indem ich seine Forderung unterstreiche, unverwechselbaren Individuums: Der Mensch ist möchte ich betonen, daß diese Forderung für alle gilt: Mensch von Anfang an! „Helft den Frauen nicht nur mit Worten, ja zum Kind zu sagen! " Deshalb ist jede Festlegung einer Frist, innerhalb der eine Abtreibung vorgenommen werden soll, rein Gemeinsam das Lebensrecht der ungeborenen Kin- willkürlich. Ja, die Fristenregelung würde die Mög- der besser zu schützen als bisher, dies muß unser Ziel lichkeit eröffnen, auch in anderen Altersphasen über sein. Deshalb stimme ich dem Gesetzentwurf meines das menschliche Leben zu verfügen. Eine strafrechtli- Kollegen Herbert Werner und anderer Kolleginnen che Mißbilligung der Abtreibung ist und bleibt des- und Kollegen aus meiner CDU/CSU-Fraktion mit halb notwendig; denn nur so wird allen deutlich voller Überzeugung zu und bitte darum, daß möglichst gemacht, daß das werdende Kind nicht weniger Recht viele Abgeordnete diesen Gesetzentwurf ebenfalls auf sein Leben hat als jeder andere Mensch. Es kann unterstützen. und darf nicht Leben 1. Klasse und 2. Klasse, nicht disponibles und kein unverfügbares Leben geben. Lisa Peters (F. D. P.): Der Einigungsvertrag veranlaßt Dabei warne ich davor, jene, die eine klare rechtli- uns zum Handeln. Eine neue, die Entscheidung, sollte, che Regelung fordern, als ewiggestrig und konserva- muß heute fallen! Wir müssen zu einer Lösung kom- tiv zu verteufeln. Unser Grundgesetz ist in diesem men, die diesem Problem angemessen ist. Punkt ganz aktuell; es verfolgt ohne jede Einschrän- Die Fraktionen und Mitglieder des Deutschen Bun- kung den Schutz des menschlichen Lebens und ent- destages haben in den letzten Wochen und Monaten spricht damit doch eindeutig den Wertvorstellungen hart gearbeitet, angehört, beraten, abgewogen. Sie- unserer Gesellschaft. Wenn das Leben nicht mehr ben Entwürfe sind zur Abstimmung vorgelegt wor- durch Recht und Gesetz geschützt ist, wird darunter den. auch die ethische Überzeugung vom Wert des Lebens leiden und ausgehöhlt. Ausdrücklich danke ich den Kollegen und Kollegin- nen, die sich um einen gemeinsamen Antrag bemüht Richtig ist, daß das uneingeschränkte Ja zum unge- haben. borenen und geborenen Leben sowohl rechtlich gesi- Drei Ziele müssen wir erreichen: chert als auch durch eine Vielzahl anderer Maßnah- men flankiert werden muß. Soziale Hilfen sind wichtig — das ungeborene Leben schützen, und richtig. Aber es wäre ein Trugschluß, zu glauben, — die gesamte Situation der Mutter — die familiäre, daß solche Verbesserungen, die mit Milliarden aus körperliche und seelische — berücksichtigen, den Staatskassen finanziert werden, allein ausrei- chen. — Rechtssicherheit herstellen. 8424* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Heute gab es viele gute Beiträge. Es wurde fair Verwischung und Verharmlosung von Begriffen in gestritten, überwiegend sachlich und angemessen einigen der vorliegenden Gesetzentwürfe wird auch diskutiert. die Grenze zwischen Recht und Unrecht, zwischen Verantwortung für wehrloses, menschliches Leben Mein Stader Kollege Horst Eylmann hat alles einerseits und Eigennutz und Selbstsucht andererseits gesagt, alles dargestellt, uns Wege gewiesen. Seine verwischt und die Frage nach der moralischen Quali- Ausführungen waren umfassend. Ich kann ihnen nur tät unseres Umgangs mit diesem Leben an den Rand zustimmen. gedrängt. Wir müssen heute entscheiden, jeder, jede muß Nicht nur der christliche Glaube, auch höchstrich- seine Stimme abgeben. Die Entscheidung fällt mir terliche Entscheidungen liefern uns als wesentliche nicht leicht, es ist eher eine Last, es berührt mich tief! Vorgabe, daß das Lebensrecht des ungeborenen Kin- Wertbegriff, Glauben, Erziehung, viele Dinge spielen des Vorrang hat vor der Verfügungsfreiheit der mit. Die Frage, kann und darf man eine Schwanger- Schwangeren über dieses ungeborene Leben. Die schaft abbrechen, ist nur schwer zu beantworten! vorliegenden Gesetzentwürfe müssen sich deshalb an Ich habe trotzdem den Gruppenentwurf unter- der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichtsurteils schrieben, ich trage ihn voll mit. Ich möchte, daß wir in von 1975 messen lassen, ob sie die Tötung eines Zukunft weniger Schwangerschaftsabbrüche haben. ungeborenen Kindes auch tatsächlich als strafbare Kinder müssen leben können! Handlung mißbilligen und vom Grundsatz her unter Strafe stellen. Ich halte dies für unverzichtbar, denn Wir benötigen eine Rechtslage für Frauen, die in Strafrecht schafft auch Rechtsbewußtsein. Umgekehrt großer Not sind. Frauen und Familien brauchen Hilfe, liegt der Schluß von der Straffreiheit auf moralisches Beratung und Unterstützung. Frauen müssen ihr Kind Erlaubtsein gefährlich nahe. austragen können. Hier ist eine umfassende Hilfe Jenseits der strafrechtlichen Aspekte, die ohne nötig. Diese Hilfe kostet Geld. Wir müssen dafür die Zweifel dieses Parlament in die einzelnen Lager Mittel bereitstellen. spalten, muß das hohe Maß an Gemeinsamkeit darin Ich habe selbst Kinder geboren, eine Abtreibung betont werden, daß ohne wirksame materielle und wäre für mich nicht in Frage gekommen. Auch einem immaterielle Hilfen für Schwangere, Mütter, Familien behinderten Kind hätte ich das Leben geschenkt. Ich und Kinder eine nur strafrechtliche Aufarbeitung war aber nicht in Not, wir wollten Kinder, haben uns alleine ungeborenes Leben wohl kaum wirklich wirk- Kinder gewünscht. Sie wurden erwartet. sam zu schützen vermag. Die Entscheidung für das Kind muß mit vielfältigen sozialen Hilfen und Leistun- Frauen brauchen deshalb einen Rechtsanspruch auf gen für Schwangere erleichtert werden. Die Verbes- Hilfe, wenn sie in Not sind. Sie müssen aufgefangen serung der Hilfsangebote für schwangere Frauen ist werden, wenn ein Schutz in der Familie fehlt. Ich nach meiner Meinung der beste Weg, die Zahl der begrüße ausdrücklich die Pflicht zur Beratung. Abtreibungen deutlich zu reduzieren. Ich appelliere an alle im Hause, heute in der dritten Den Hilfen, wie sie die beiden Gesetzentwürfe der Lesung zu einem Gesetz zu kommen. Dieser Weg Union vorsehen, kommt deshalb herausragende sollte „durchsichtig" und nicht nur von Geschäftsord- Bedeutung zu: Ich nenne hier nur stichwortartig die nungsdebatten beherrscht sein. Verlängerung des Erziehungsurlaubs und des Erzie- hungsgeldes, die Einführung eines Familiengeldes, Wir alle müssen nach der Beschlußfassung das die Anhebung des Kindergeldes sowie des Kinderfrei- Ergebnis respektieren, die Meinung des/der Anders- betrages, den Anspruch auf einen Kindergartenplatz denkenden achten. Jede Diskriminierung müßte aus- ab 1997, die Hervorhebung der Beratung der Schwan- geschlossen werden können. Frauen sollten in unse- geren und vieles mehr. Erfreulich ist auch der breite rem Land ihr Kind austragen können. Dabei müssen Konsens darüber, daß keine Neuregelung im straf- Gemeinden, Städte, Kreise und Länder helfen, Mittel rechtlichen Bereich zu einer Kriminalisierung der bereitgestellt werden, Einrichtungen geschaffen wer- Schwangeren führen darf. Indikation hin, Indikation den. her, Notlage hin, Notlage her: In unzähligen Fällen Wir haben noch viel zu tun, unsere Welt muß wird eine Frau dann nicht den Weg durch die gesetz- humaner und menschlicher werden, Kinder nicht nur lich vorgeschriebenen Instanzen antreten, um nicht geduldet sein, sie sollten Mittelpunkt unseres Lebens „erfaßt" zu werden. Vielmehr wird sie, um einer sein oder werden. formellen Illegalität zu entrinnen, gleich den Weg in den Bereich der Dunkelziffern wählen. Damit wäre Ich bitte Sie, für den Gruppenantrag zu stimmen! weder der Schwangeren noch dem ungeborenen Kind geholfen; das Gesetz hätte dann versagt. Eine Strafan- drohung allein kann die Konfliktlage einer ungewollt Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Den Gegenstand, schwangeren Frau, die sich in einer schwerwiegenden den wir heute zu beraten und über den wir schließlich Notlage befindet, nicht lösen. zu befinden haben, halte ich für den schwerwiegend- sten, mit dem sich das deutsche Parlament in dieser Ich werde heute für den Mehrheitsentwurf der Legislaturperiode auseinanderzusetzen hat: die Frage CDU/CSU-Fraktion stimmen. Ich tue dies nicht leich- nach dem Umgang mit einem ungeborenen Kind, was ten Herzens, sondern nach sehr gründlicher Abwä- mithin in die Frage nach unserem Verhältnis zu und gung mit den anderen vorgelegten Entwürfen. Ohne dem Umgang mit menschlichem Leben schlechthin den Entwürfen, die außerhalb der Union vorgelegt mündet. Ich betone diese Wortwahl, denn mit der wurden, den guten Willen zum Schutz des ungebore- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8425* nen Kindes absprechen zu wollen, laufen sie m. E. Ablauf einer Abtreibung und damit einer Tötung ausdrücklich oder letztlich de facto in der Praxis auf eines ungeborenen Kindes verpflichtend und gegebe- Fristenregelungen — zwar unterschiedlicher Quali- nenfalls mit Bildern darstellen müßte. Eine solche tät, aber eben auf solche — hinaus. Fristenregelungen Verpflichtung fehlt im Gesetzentwurf. Zwar soll der widersprechen jedoch eklatant dem eingangs darge- abtreibende Arzt verpflichtet werden, der Schwange- legten wesentlichen Grundsatz des Vorrangs des ren den Ablauf der Abtreibung darzulegen. Zu diesem Lebensrechtes des Kindes vor dem Selbstbestim- Zeitpunkt ist es aber für das ungeborene Kind schon mungsrecht der Mutter. Diesen Gesetzentwürfen muß zu spät. Die Darstellung gehört deshalb in die Bera- ich mich deshalb widersetzen. tung. Aber auch der Mehrheitsentwurf der CDU/CSU- Allein mit Blick auf diese fünf Einwände müßte ich Fraktion trägt Mängel in sich, derentwegen ich ihm in der Abstimmung dem Minderheitenentwurf der nicht uneingeschränkt zustimmen kann: Fraktion den Vorzug geben. In der politischen Ent- 1. Auch dieser Entwurf erliegt dem Versuch zumin- scheidung und der die Gesamtproblematik betrach- dest einer Neutralisierung der Abtreibungsproblema- tenden Gewissensentscheidung kann es aber leider tik, indem er nicht von der faktischen Tötung eines nicht nur allein darum gehen, wie das ungeborene ungeborenen Kindes, sondern nur vom „Abbruch Kind so vollkommen wie möglich geschützt werden einer Schwangerschaft" spricht. Der Minderheiten- kann, nicht nur darum also, was ich positiv und entwurf der Unionsfraktion hingegen spricht stets konstruktiv will. konsequent von der „Tötung eines ungeborenen Kin- Die heute gegebene Gefechtslage gebietet es, des". genauso in Be tracht zu ziehen, was es zu verhindern 2. Auch das Zwei-Indikationen-Modell öffnet Türen gilt: nämlich all jene Gesetzentwürfe, die offen oder zum Mißbrauch durch breite Auslegbarkeit dessen, versteckt auf eine Fristenlösung hinauslaufen. Zwar was etwa eine psychosoziale Notlage im einzelnen mag bei isolierter Betrachtungsweise der Minderhei- sein kann. Der Minderheitenentwurf aus der Union tenentwurf der Union scheinbar eher geeignet sein, setzt hier immerhin engere Grenzen, obwohl auch er das ungeborene Leben zu schützen. Bei realistischer den Mißbrauch nicht ausschließen kann. Ich gestehe Einschätzung der Gefechtslage gehe ich aber davon allerdings zu, daß jegliche Indikation die Gefahr des aus, daß eine Unterstützung dieses Minderheitenent- Mißbrauchs in sich birgt. Ein Ausschluß jeder Indika- wurfs die Mehrheitsfähigkeit des Mehrheitsentwurfs tion aber würde viele Frauen wiederum in die Illega- der Union vereitelt und damit einer Fristenregelung lität treiben. Man mag gegen diese Erwägung von der einen oder anderen Form Tür und Tor öffnet. orthodoxer Seite her vieles einwenden können — von der tatsächlichen Lebenswirklichkeit her ist es aber Die Abwägung lautet also mit anderen Worten: Muß nun einmal so. Und ein verantwortungsvoller Umgang nicht — um das Schlimmste einerseits zu verhin- mit der heutigen Problematik gebietet es eben, dieser dern — aus politischen und Gewissensgründen ande- Lebenswirklichkeit ins Auge zu blicken und dieser rerseits die Einschränkung einer angenommenen gerecht zu werden. Vollkommenheit beim Schutz des ungeborenen Lebens in Kauf genommen werden? Was würde denn 3. Der Gesetzentwurf sieht ebensowenig wie alle geschehen, wenn wir uns mehrheitlich auf den zwar anderen Möglichkeiten vor, wie die Väter ungewoll- rechtgläubigen Minderheitenentwurf aus der Union ter Schwangerschaften stärker in die Verantwortung versteifen und einer Fristenregelung dadurch letztlich eingebunden werden können. Ungewollte Schwan- indirekt zu einer Mehrheit verhelfen würden? Die gerschaften sind ihre Sache genauso wie die der Befürworter einer rechtgläubigen Lösung mit maxi- Mütter. Die Verantwortung in jedweder Hinsicht ist maler Strafbarkeit und geringstmöglicher Indikation von ihnen deshalb genauso zu tragen. Mann und Frau würden uns dann eben nicht dafür loben, daß wir mit haben zusammen zwar in der Tat das Recht, über die wehenden Fahnen untergegangen sind. Sie würden Zeugung eines Kindes zu entscheiden. Über das vielmehr berechtigte Kritik üben und fragen, warum Leben oder die Tötung eines einmal gezeugten, wir nicht alles unternommen haben, um das Schlimm- lebenden Kindes aber zu entscheiden haben sie nicht. ste für das ungeborene Kind zu verhindern, nämlich Sich hieraus möglicherweise ergebende Lasten müs- eine Fristenlösung. sen deshalb von beiden gleichermaßen ge tragen werden. Der Mehrheitsentwurf der CDU/CSU-Fraktion läßt zwar manche Wünsche offen, bietet aber einen Schutz 4. Eine Möglichkeit, die Väter in die Verantwortung für das ungeborene Kind, der über den bisherigen mit einzubinden, liegt in ihrer Einbeziehung in die Status sowohl in den alten als auch erst recht in den Pflichtberatung, soweit der Vater wirklich feststeht. neuen Bundesländern hinausgeht. Letztlich gibt er Gerade in kritischen Fällen, in denen ein Vater aus aber am ehesten Gewähr dafür, daß eine wie auch welchen Gründen auch immer zur Abtreibung drängt, immer geartete Fristenlösung verhindert wird. Ich könnte dadurch das beidseitige elterliche Ja zum Kind stimme deshalb für den Mehrheitsentwurf der sichergestellt und der Schwangeren in einer schwie- Union. rigen Beratungssituation Halt gegeben werden. Der Mehrheitsentwurf der Union sieht die Teilnahme des Vaters oder anderer Personen am Beratungsgespräch Peter Rauen (CDU/CSU): Grundlage der Diskussion leider nur auf Wunsch der Schwangeren vor. zum Schutz ungeborener Kinder ist für mich die Frage, 5. Die Beratung könnte ihr Ziel, das Ja zum Kind zu wann und ab welchem Zeitpunkt das Grundrecht auf sichern, noch erfolgreicher erreichen, wenn sie den den Schutz des Lebens einsetzt. 8426* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Noch im letzten Jahrhundert ging man (z. B. der kann, indem sie oder ihr Partner mit den verschieden- Zoologe Ernst Haeckel) davon aus, daß jeder Mensch sten Verhütungsmitteln das Zustandekommen einer in seiner vorgeburtlichen Entwicklung auch tierische Schwangerschaft verhindern können? Entwicklungsphasen durchläuft. Und noch vor weni- Ich finde, wir machen es uns doch zu einfach, und gen Jahren wurde von dem Embryo als einem Zell- wir werden damit unserer großen Verantwortung haufen oder einem himbeerähnlichen Gebilde ge- nicht gerecht, wenn wir — wie heute teilweise gesche- sprochen. hen — das Problem der Abtreibung lediglich an der Heute wissen wir es besser. Die in den letzten Frau und ihrem Arzt festmachen. Jahren durch die vorgeburtliche Diagnostik gewon- Wenn es heute eine Mehrheit dafür geben sollte, nenen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse lassen daß gemäß dem Gruppenantrag zukünftig die Tötung keinen Spielraum mehr für irgendwelche Interpreta- eines Kindes bis zum 90. Tage nach der Zeugung tionen, sondern müssen als verpflichtend zur Kenntnis erlaubt wird, dann ist dies für mich ein Dammbruch genommen werden. Von der Befruchtung der Eizelle und ich wage mir nicht auszumalen, was diese Ent- an ist der Mensch mit all seinen späteren Anlagen und scheidung für das Rechtsempfinden und das Wertebe- in seiner Einzigartigkeit geschaffen. Er entwickelt wußtsein unserer Gesellschaft bedeutet. sich nicht etwa von da an zum Menschen, sondern lediglich als Mensch. Es gibt kein vormenschliches Nach meiner Gesinnung und inneren Überzeugung Stadium des Embryos. Er entwickelt sich ohne Zäsu- kann es in der Frage, ungeborene Kinder zu schützen, ren oder Einschnitte und ist in jeder Phase seines keinen Kompromiß geben. Ich stimme deshalb für den Lebens bis zu seinem Tod von gleicher Wertigkeit. Gesetzentwurf der Gruppe Werner. Auch wenn der Mensch im Alter von zwei Monaten Eine Mehrheit für den Gruppenantrag, der nach- nur so groß wie ein Daumen ist, so schlägt dennoch Beratung innerhalb von Fristen das Töten eines Men- sein Herz, sein Gehirn arbeitet, und seine Fingerab- schen erlaubt, halte ich jedoch für einen derart irre- drücke sind individuell und einzigartig wie die Linien parablen Schaden im Wertebewußtsein unserer seiner Hand. Gesellschaft, daß ich mir je nach Debatte und Abstim- mungsverfahren vorbehalte, eventuell meine Stimme Das Leben dieses Menschen kann und darf nicht zur dem Entwurf der Unionsfraktion zu geben, um Disposition stehen. Es kann und darf nicht der Verfüg- dadurch eine Mehrheit für den Gruppenantrag zu barkeit anderer unterliegen. Das Recht auf Leben ist verhindern. die fundamentale Rechtsposition unserer Verfassung, und damit ist der Schutz des Lebens nicht nur eine Ich darf abschließend, liebe Kolleginnen und Kolle- individuelle, sondern eine solidarische und öffentliche gen, eindringlich an Sie appellieren und höflich Aufgabe und somit auch Aufgabe unserer Rechtsord- darum bitten, Ihre Entscheidung heute an dem unver- nung. äußerlichen Grundrecht auf Leben auszurichten. Wer das ungeborene Kind der Mitmenschlichkeit entzieht, greift damit die wesentliche Grundlage Dr. Bertold Reinartz (CDU/CSU): „Recht" und unseres Ethos an. „Ethik" sind unterschiedliche Disziplinen. M an kann aus einer ethischen Forderung nicht prinzipiell und Unsere Gesellschaft setzt sich heute — wie ich finde, zwingend gesetzgeberische Konsequenzen und zu Recht — für den Schutz von Robbenbabies, Walen, rechtliche Folgerungen für ein Gemeinwesen ablei- Nashörnern, Elefanten und den Schutz der natürli- ten. Aber dennoch werden beide Bereiche zusam- chen Lebensgrundlagen ein. Soll dieselbe Gesell- mengeführt, und zwar aus der Verantwortung politi- schaft gleichzeitig die Augen davor verschließen, daß schen Handelns heraus, wissend um die Leitfunktion Abtreibung nichts anderes als die Tötung des unge- des Rechts für menschliches Handeln. Recht und Ethik borenen Kindes bedeutet, und dies auch noch legali- sind untrennbar aufeinander bezogen. Besonders sieren? deutlich wird dies, wenn Menschenrechte voneinan- Hier wurde heute von den Befürwortern einer der abzugrenzen sind. Fristenlösung häufig das Recht zur Selbstbestimmung Das Bundesverfassungsgericht hat 1975 ausgeführt: der Frau reklamiert. Das Recht auf Selbstbestimmung „Der Lebensschutz der Leibesfrucht genießt grund- ist für uns ein hohes Gut, aber es kann und darf nicht sätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft dazu führen, daß dem ungeborenen Kind sein origi- Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der näres Lebensrecht abgesprochen wird. Wer Selbstbe- Schwangeren und darf nicht für eine bestimmte Frist stimmung für sich selbst einfordert, kann nicht dafür in Frage gestellt werden. " Das Grundgesetz schützt sein, daß andere fremdbestimmt werden. auch das Lebensrecht des ungeborenen Kindes. Das Kind und sein Leben sind nicht verfügbar. Der Schutz des ungeborenen Lebens ist eine ethi- Von denen, die das Selbstbestimmungsrecht der sche Aufgabe höchster Stufe, die ihre adäquate recht- Frau gegen das Recht auf leben des ungeborenen liche Antwort finden muß. Kindes stellen, wird nach meiner Überzeugung viel Dem werdenden Leben kommt die unverfügbare zuwenig beachtet, daß es zu dieser alternativen Frage Würde des Menschen zu. Daraus leitet sich für das nun wirklich nicht zu kommen braucht, weil es genü- ungeborene Kind das unteilbare Menschenrecht ab. gend Möglichkeiten gibt, eine Schwangerschaft zu verhüten. Wird dem Selbstbestimmungsrecht der Das werdende Leben entwickelt sich weder in Frau nicht schon dadurch in hohem Maße Rechnung einem rechtsfreien Raum noch in einem privatrechtli- getragen, daß sie heute umfassender denn je selbst chen Sachverhältnis („mein Bauch gehört mir") der präventiv über die Schwangerschaft entscheiden Mutter zu ihrem Kind. Mutter und Kind bilden eine Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8427*

auch ungeborenes Leben nicht verfügbar. Gerade das Auch wenn das eigentliche Ziel, die ersatzlose leugnet fälschlicherweise jede Fristenlösung. Streichung des § 218, noch nicht erreicht ist, so ist dieser Kompromißvorschlag das Optimum, was in der Ein Staat ist nicht eine zufällige Interessengemein- augenblicklichen Mehrheitssituation erreichbar ist. schaft von Menschen. Das Grundgesetz nennt eine Dies müssen sich all diejenigen vor Augen führen, die Vielzahl von Werten und Rechten, die unter seinem heute die Zustimmung verweigern, weil die Neurege- Schutz stehen. Aufgrund dieser gemeinsamen Basis lung die ersatzlose Streichung nicht beinhaltet und fordert auch der Deutsche Bundestag immer wieder, sogar einen Beratungszwang enthält. daß auch im Strafrecht diese Werte, besonders aber Wer jetzt aber diese Reform nicht unterstützt, trägt die Werte Gerechtigkeit und Leben, ihren wirksamen Schutz finden müssen. Weiterhin ist anerkannt, daß mit dazu bei, daß die Verpflichtung aus dem Eini- das Strafrecht eine Orientierung und eine Leitbild- gungsvertrag zwischen der ehemaligen DDR und der funktion für eine verantwortliche Werteordnung aus- Bundesrepublik Deutschland, bis zum 31. Dezember strahlt. Sonst würden wir z. B. nicht zu Recht über 1992 eine Regelung zum Schutz des vorgeburtlichen strafrechtliche Sanktionen bei Unrechtsverhalten wie Lebens und zur Bewältigung von Konfliktsituationen Nötigung in der Ehe oder bei verantwortungslosem schwangerer Frauen zu treffen, nicht erfüllt werden kann. Das wäre ein dramatischer Fehler gegenüber Umgang mit der Umwelt diskutieren. allen Frauen in den neuen sowie in den alten Bundes- Der Staat hat aber vor allem die Pflicht, das unver- ländern. Für den Rest dieses Jahrhunderts wären alle äußerliche und unteilbare Leben zu schützen. Ein Chancen auf eine liberalere Regelung des Schw an Staat, der diese Pflicht nicht in aller gebotenen Kon- -gerschaftsabbruches vertan. Dieser Gewissensfrage sequenz wahrnimmt, ein Staat, der die Menschen- müssen sich alle Zweifler stellen: Die Grünen, die PDS rechte und die Menschenwürde nicht absolut schützt, und auch die Länder, die einen großen Teil der ein Staat, der glaubt, das höchste Gut, nämlich das finanziellen Lasten mittragen sollen. Leben, in das Belieben von Menschen stellen zu Ich gebe diesem Gruppenvorschlag meine Zustim- können und der dessen Vernichtung nicht mehr mung, weil er zwei gesellschaftspolitisch bedeutende strafrechtlich sanktionieren will, ein solcher Staat Ziele: setzt seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel, auch andere 1. ethische Postulate in seiner Rechtsordnung zu ver- Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen in der wirklichen. Er gerät in die Gefahr, zu einer Gesell- Frage des Schwangerschaftsabbruches und schaft zu verkommen, in der das Recht des Stärkeren 2. den Schutz des vorgeburtlichen Lebens, gilt. Deshalb bleiben bei der Abwägung aller dem das sind zwei Ziele, für die jahrzehntelang gestritten Schutz des ungeborenen Lebens dienenden Maßnah- wurde und für die auch ich immer eingetreten bin, men die Mittel des Strafrechtes für den Gesetzgeber endlich auch praktische Umsetzungsvorschläge ent- unverzichtbar. Allein dem Ge richt ist es vorbehalten hält. festzustellen, daß ein persönlicher Schuldvorwurf nicht erhoben werden kann. Zu 1. Es ist natürlich richtig, daß die ersatzlose Streichung der Strafbarkeitsregelungen die eigentli- Es gilt, das einzigartige Mutter-Kind-Verhältnis zu che Reform hätte sein müssen. Das ist auch der schützen. Daher können die sozialen begleitenden Wunsch der Mehrheit in der SPD gewesen. Das, denke Maßnahmen für Familie, Mutter und Kind nicht weit ich, muß immer wieder deutlich gesagt werden. genug gehen. Dazu gehören umfangreiche soziale Schwangerschaftsabbrüche sind durch Strafgesetze Hilfsmaßnahmen. Dazu gehört eine Beratung der nicht einzuschränken; das waren sie nie und das Frauen und Familien in Schwangerschaftskonflikten, werden sie nie sein. Es gab immer Möglichkeiten, sich die Auswege aus der Notlage zeigen kann. Dazu den Strafdrohungen zu entziehen. Für wenige, die es gehört mitmenschliches Verständnis. Jeder, der aus sich leisten konnten, gab es das Ausland; für andere Gründen seines Gewissens und der grundgesetzli- gab es die Illegalität mit oft schmerzlichen sozialen chen Vorgaben eine Fristenlösung ablehnt, hat daher und familiären Folgen. die Pflicht, soziale und psychische Auswege für die Nöte der schwangeren Frau aufzuzeigen und ihr zu Die Sachverständigenanhörungen vor dem Aus- helfen. Im Mittelpunkt aber steht das Recht des schuß „Schutz des ungeborenen Lebens" haben ver- ungeborenen Kindes auf sein Leben. deutlicht, daß allein eine umfassende und kontinuier- liche Sexualaufklärung die hohe Zahl ungewollter Dies gewährleistet von allen Gesetzentwürfen am Schwangerschaften erheblich verringern kann. Es ist besten der Werner-Entwurf. Deshalb stimme ich für daher gut, daß diese Forderungen jetzt im Gruppen- diesen Entwurf und damit für das Lebensrecht des antrag aufgenommen wurden. Ungeborenen und einen wirksamen sozialen Schutz Auch wenn mit dem Gruppenantrag die ersatzlose von Frau und Mutter und Kind und Familie. Streichung der Strafvorschriften nicht erreicht wird, ist doch der straflose Schwangerschaftsabbruch für die ersten zwölf Wochen garantiert. Damit wird es solche Günter Rixe (SPD): Nach über hundert Jahren Skandale wie Memmingen oder entwürdigende Ver- Kampf gegen den Strafrechtsparagraphen 218 ist die höre der Frauen durch Männer wohl nicht mehr mit dem Gruppenantrag vorgeschlagene Fristenlö- geben. Die selbstbestimmte Mutterschaft, eines der sung mit Beratungspflicht ein Schritt in die richtige elementarsten Frauenrechte überhaupt, wäre damit Richtung: Diese Regelung befreit die Frauen vom nahezu bei uns erreicht. Ich sage „nahezu", weil die Indikationenmodell. Straflosigkeit anknüpft an die Voraussetzung, daß 8428* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

eine Bescheinigung über eine Beratung in den letzten Zeit statt. Und das heißt: der Embryo ist Leben von drei Tagen vor dem Abbruch vorgelegt wird. Dies ist Anfang an. Die früheren Versuche, das Kind in den die Kröte, die es bei diesem Kompromiß zu schlucken ersten drei Monaten des Lebens nur als „Klumpen" zu gilt. bezeichnen, sind gescheitert. Diese Pflicht zur Beratung ist es, die wieder einmal Von da aus betrachtet geht es tatsächlich um eine die Frauen entmündigt, zumindest formal. Die Bera- Frage von Leben und Tod, über die wir heute abstim- tungsstelle hat der Frau über die Tatsache, daß sie men. Das Grundgesetz mit dem Recht auf Leben muß Informationen für ihre Entscheidungsfindung erhal- beachtet werden. ten hat, eine mit Datum versehene Bescheinigung auszustellen. In den zurückliegenden Monaten sind mir zahlrei- che Resolutionen von Verbänden und Stellungnah- Dennoch kann ich dieser Form der Zwangsberatung men von Bürgerinnen und Bürgern zugegangen. Ver- — Zwang zur Beratung ist in sich widersprüchlich und schiedene Pfarrgemeinderäte in meinem eigenen zerstört die Offenheit, die für eine wirkliche Beratung Wahlkreis haben zum Ausdruck gebracht, daß sie notwendig wäre — zustimmen, weil die Beratung durchaus verstehen, wenn sich eine werdende Mutter nicht protokolliert werden soll, ja, auf Antrag sogar durch eine ungewollte Schwangerschaft in einer anonym bleiben kann. Und ich kann zustimmen, weil scheinbar ausweglosen Situation befindet. Niemand das Gesetz über die Formulierung in § 219 Abs. 3, daß wolle eine Frau in dieser Lage verurteilen. die Beratung zu „ihrer Entscheidungsfindung" bei- trägt, endlich das Selbstbestimmungsrecht der Frau Ganz so leicht ist die Frage leider nicht zu lösen. Wir über den Abbruch einer nichtgewollten Schwanger- wollen alle den Schutz des Lebens, und für mich schaft anerkennt. persönlich füge ich hinzu: Ich will auch nicht die Zu 2. Der „Schutz des ungeborenen Lebens" läßt Verurteilung einer Frau in einer Krisensituation. Des- sich nur mit der Frau, nicht gegen sie erreichen. Auf halb gilt es, das Bewußtsein der Deutschen zu schär- keine Weise, auch nicht durch die Rechtsordnung, läßt fen, das Bewußtsein einerseits für die Frage des Rechts sich dieser Schutz erzwingen. auf Leben und andererseits der Hilfen für die Frau im Konfliktfall. Auf das Unrechtsbewußtsein bei einer Darum ist die Forderung immer richtig gewesen, die Abtreibung muß also hingearbeitet werden. Ich soziale und wirtschaftliche Situation, in die das Kind betone das deshalb, weil manche oberflächlich sagen: hineingeboren wird, so zu verbessern, daß Kinder Schafft zuerst Kinderkrippen und Kindergartenplätze, nicht als Belastung oder Einschränkung empfunden dann löst sich die Frage der Abtreibung von selbst. — werden müssen. Soziale und wirtschaftliche Leistun- Nur: Stimmt das? In Presseveröffentlichungen dieser gen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sind Grund- Woche war zu lesen, daß in Westdeutschland 1991 voraussetzungen für eine kinder- und frauenfreundli- jede elfte Schwangerschaft abgebrochen wurde, in che Lebensplanung und Lebensgestaltung. Fehlen Ostdeutschland aber fast jede zweite. Obwohl in der diese Leistungen und gibt es kein entsprechendes ehemaligen DDR angeblich viel mehr Kinderkrippen Umfeld, dann können Schwangerschaft und Familien- vorhanden sind als im Westteil, wird dort viel mehr leben Isolation und Fixierung aufeinander bedeu- abgetrieben. Das muß doch wohl mit dem Bewußtsein ten. zu tun haben; oder soll ich sagen, mit einem geschärf- Darum bin ich sehr froh darüber, daß der Gruppen- teren Gewissen? antrag viele Dinge aufgenommen hat, die in der Die aktuelle Diskussion ist von vier Hauptfragen Sachverständigenanhörung benannt worden sind: geprägt. Die erste ist manchmal polemisch verzerrt, z. B. die Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes zur indem von der „Lizenz zum Töten", vom „Recht auf besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Selbstbestimmung", vom „Angriff auf den Rechts- die Bevorzugung von Schwangeren bei der Vergabe staat" gesprochen wird. Gewisse Gruppen im Volk öffentlich geförderter Wohnungen und vor allem das wollen sogar eine „Kindermordfraktion" gesichtet Recht auf einen Kindergartenplatz und der Anspruch haben, in der finstere Gestalten einem Henkerberuf auf Kinderbetreuung. nachgehen. Ich kann nur hoffen, daß nach der Schluß- Wenn auch gerade der letzte Punkt, die Kinderbe- abstimmung wieder mehr Sachlichkeit einkehrt und treuung, für die Länder erhebliche finanzielle Mehr- das Schwarzweißmalen ein Ende hat. Die Probleme aufwendungen bedeutet, so ist hierauf dennoch nicht sind bekanntlich vielschichtig. Anderenfalls hätte es zu verzichten. Ich appelliere daher auch an die Län- nicht ungezählter Anhörungen, seitenlanger Berichte der, dazu beizutragen, daß das Gesamtpaket dieser und paragraphenstarker Gesetzentwürfe bedurft. Der Reform in die Wirklichkeit umgesetzt werden kann. Schlußbericht des Sonderausschusses „Schutz des Abschließend rufe ich allen Beteiligten in Erinne- ungeborenen Lebens" mit seinen 206 Seiten beweist rung: Eile tut not. Bis zum Jahresende muß die Reform die Differenziertheit der Betrachtung. von Bundestag und Bundesrat verabschiedet sein; Die zweite Hauptfrage waren die unterschiedlichen sonst gilt der alte § 218 gesamtdeutsch. Ansätze der Gesetzentwürfe und die Notwendigkeit der Betonung von Einzelaspekten. Es geht bekannt- Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): Wegen der Wiederver- lich einerseits um die Fortführung des alten DDR- einigung ist die erneute Diskussion über das Recht auf Zustands oder des geltenden bundesdeutschen Leben notwendig geworden. Ich begrüße diese Dis- Rechts, andererseits aber auch um eine Verschärfung kussion, findet sie doch — anders als 1972 — zumin- oder Verdeutlichung dieses bundesdeutschen Rechts, dest in den Ländern der ehemaligen, kleineren Bun- wonach auch die derzeitige Notlagenindikation ein- desrepublik in einer wissenschaftlich aufgeklärteren geschränkt werden soll. Wem es mit dem Schutz des Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8429*

Lebens ernst ist, kann nämlich die „Notlage" nicht So hoch das Selbstbestimmungsrecht der Frau auch allzu großzügig auslegen. zu achten ist, so ist in der Konfliktsituation der ungewollten Schwangerschaft das Lebensrecht des Die dritte Hauptfrage bezieht sich auf die Rahmen- Ungeborenen doch als fundamentaler anzusehen. bedingungen für Familien und die Schaffung einer Persönlichkeitsentfaltung und Selbstbestimmungs- kinderfreundlicheren Umwelt. Da gab es ursprünglich recht haben hohes Gewicht, rechtfertigen aber nicht die größten Gemeinsamkeiten unter den Fraktionen, den Tod des Kindes. Der Grundsatz, daß menschliches weil man sich gegenseitig übertrumpfen wollte bei der Leben unantastbar ist, muß daher auch weiterhin Hilfe für Alleinerziehende, bei Kindergartenplätzen, gelten. Das Recht auf Gewissensfreiheit und Gewis- beim Erziehungsgeld oder beim Erziehungsurlaub. sensentscheidung der Frau muß dort seine Grenzen Als man über die Finanzierung nachzudenken finden, wo das Recht auf Leben des Ungeborenen begann, tauchte neuer Streit auf — aber das kenne ich verletzt wird. ja als Haushaltspolitiker. Fristenlösung und ersatzlose Streichung des § 218 Die vierte Hauptfrage befaßt sich mit den Fällen, in mißachten dieses Grundrecht auf Leben. Sie ebnen denen — trotz aller Bemühungen um den Schutz des den Weg in eine Gesellschaft, der das Lebensrecht der Lebens — Schwangerschaftsabbrüche unvermeidlich Ungeborenen nichts mehr bedeutet. Wenn mit der waren oder einfach durchgeführt wurden und somit Fristenlösung menschliches Leben für eine bestimmte auch das Strafrecht in den Mittelpunkt rückt. Vor Zeit zur freien Disposition gestellt wird, so wird die allem ging es hierbei um den Aufbau eines flächen- Verletzung des hohen Gutes des Lebensrechtes für deckenden Netzes von Beratungsstellen beziehungs- eine bestimmte Frist ungesühnt gelassen. weise von ambulanten Abtreibungsstellen, wie PDS und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forderten. Die Signalwirkung strafrechtlicher Bestimmungen würde bei einer Straffreiheit der Abtreibung wegfal- Ich erwähne das alles bloß noch, um aufzuzeigen, len. In der Bevölkerung würde das Bewußtsein, daß daß ein klares Ja oder klares Nein im Gesetzgebungs- Abtreibung Unrecht und das Tötungsverbot eine verfahren nicht möglich war, sondern daß man viele Grundlage unserer Gesellschaft ist, schwinden. Fragen aufgreifen und beantworten mußte. Aber jetzt geht es um die Abstimmung über die vorliegenden Der CDU/CSU-Antrag mit der psychosozialen Indi- Gesetzentwürfe und nicht um nochmaliges Einzel- kation ist eingebunden in eine Neubewertung der schwadronieren. Schwangerschaftsberatung und den Ausbau der sozial- und familienpolitischen Maßnahmen. Sie bie- Für mich steht fest, daß der Schutz des menschli- tet die Möglichkeit, zu einer Eindämmung der hohen chen Lebens eine alles überragende Aufgabe ist und Abtreibungszahlen beizutragen. daß der Staat sich dieser Aufgabe verpflichtet fühlen Nur in einer kinder- und familienfreundlicheren muß. Die hohe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen Umwelt kann eine Verbesserung des Schutzes des ist für uns alle eine große Herausforderung. Die Lebensrechtes der Ungeborenen eintreten. Dem straf- Rahmenbedingungen für ein Leben mit Kindern müs- rechtlichen Schutz kommt zwar eine herausgehobene sen so gestaltet werden, daß Schwangere und Fami- Stellung zu, wichtiger sind jedoch spürbare Maßnah- lien in bedrängter Lage die Solidarität ihrer Mitwelt men, die Familien und Alleinerziehende entlassen. erfahren. Da ist im reichen Deutschland noch viel zu Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung hat hier in tun. Mit der von SPD/PDS/GRÜNEN und anderen den vergangenen Jahren vorbildliche Arbeit geleistet. Einzelpersonen angestrebten Fristenlösung wird auf Aber das ist noch nicht genug. jeden Fall kein richtiger Schritt in eine gute Zukunft getan. Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, die Einführung eines einkommensabhängigen Fami- liengeldes und die zusätzlichen Mittel für die Bundes- Roland Sauer (Stuttgart) (CDU/CSU): Schutz und stiftung „Mutter und Kind" sollen diese Entwicklung Förderung des Lebens sind allgemeines menschliches vorantreiben. Wir müssen günstigere Rahmenbedin- Grundgebot. Jeder Mensch, ob geboren oder ungebo- gungen für den Lebensschutz schaffen. ren, hat ein Recht darauf, nicht getötet zu werden. Dieses Recht gründet sich in der Menschenwürde, und Dazu gehört, dem Leben mit Ehrfurcht zu begeg- es ist Pflicht eines jeden Menschen, diese zu ach- nen. In der Erziehung müssen gerade die jungen ten. Menschen lernen, daß Leben ein schützenswertes Gut ist, über das nicht beliebig verfügt werden darf. Wie Oberstes Ziel der Neuregelung des Schwanger- krank ist eine Gesellschaft, in der der Schutz von schaftsabbruchs muß es somit sein, das Lebensrecht Kröten und Robbenbabies mit großen Kampagnen des Ungeborenen zu schützen. unterstützt, die Tötung von jährlich nahezu 300 000 Das Leben ist der fundamentalste Wert, den wir ungeborenen Kindern aber toleriert wird? besitzen. Das Leben macht die Verwirklichung von Ein flächendeckendes Netz von Beratungsstellen Werten überhaupt erst möglich. Es darf daher keinen muß aufgebaut werden. Hierbei sollte die „Beratung Abwägungsvorgang beim Recht auf Leben geben. zum Leben" unser Ziel sein. Der Berater hat die Leben ist kein relatives Recht, das auch verweigert doppelte Aufgabe, die Frau in ihrer Notlage ernstzu- werden darf. nehmen, aber auch Anwalt über das ungeborene Gesellschaft und Staat sind daher aufgefordert, sich Leben zu sein. zu ihrer Verantwortung für das Ungeborene, für Die Politik einer christlichen und demokratischen dessen Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit zu Partei darf sich nicht nur am Minimalkonsens in der bekennen. Öffentlichkeit und am Zeitgeist orientieren. Menschli- 8430* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 che und christliche Werte wie das Recht auf Leben und In der Tat werden die Entwürfe zur Neuregelung der Schutz der ungeborenen Kinder gehören für mich des § 218, auch der des Gruppenantrages von SPD, zu den Grundüberzeugungen unserer Gesellschaft. F.D.P. und Abgeordneten der CDU, von vielen Frauen Diese Werte und Rechte dürfen weder aufgegeben, der neuen Bundesländer als einschneidender Rück- noch relativiert werden! schritt empfunden. Gleichwohl muß es aber vor dem Hintergrund der uneinheitlichen Rechtslage unser aller Anliegen sein, durch einen vernünftigen Kom- Es ist sicherlich nicht Siegfried Scheffler (SPD): promiß eine tragfähige Mehrheitsentscheidung zu unumstritten, wenn ich als Mann in dieser Debatte das unterstützen. Diesen Kompromiß sehe ich im Grup- Wort ergreife, die einen höchst sensiblen Bereich der penantrag verwirklicht. Frauen betrifft. Zweifellos noch umstrittener ist es jedoch meines Erachtens, daß eine Dreiviertelmehr- Hierzu ein sehr wichtiger weiterer Aspekt: Der heit von Männern hierüber heute gesetzliche Rege- Gruppenantrag schafft die Rahmenbedingungen, lungen festlegt. dem werdenden und bestehenden Leben Schutz und Hilfe zu gewährleisten. Er schützt das werdende So war es für mich selbstverständlich, nicht nur Leben, indem er die verlangte und die notwendige meiner eigenen Überzeugung zu folgen, sondern Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs zum mich mit den Frauen der neuen Bundesländer und Ausdruck bringt und präventive Maßnahmen schafft. insbesondere meines Wahlkreises abzustimmen, um Er nimmt nicht nur die Sorgen und Ängste, insbeson- so eine Art imperatives Mandat in dieser Frage dere die berechtigten Interessen einer sich in einer auszuführen. Konfliktsituation befindlichen Frau sowie ihrer Part- Worum geht es also: Die laut Einigungsvertrag für ner und Familien, ernst, sondern ermöglicht darüber das Beitrittsgebiet angestrebte Neufassung des § 218 hinaus fundierte Gewissensentscheidungen und bie- fordert eine Vereinheitlichung des bisherigen Rechts tet realistische Hilfsmaßnahmen an. der Fristen- bzw. Indikationslösung. Ich halte es für eine dringliche Aufgabe des sozialen Dabei kommt es der Mehrzahl der Frauen in den Rechtsstaates — und dies ist besonders an die Adresse neuen Bundesländern darauf an, nicht das bisher in der Bundesregierung gerichtet —, die äußeren, spe- der Bundesrepublik geltende Recht der Strafverfol- ziell die sozialen und gesellschaftspolitischen Rah- gung bei Schwangerschaftsabbrüchen übergestülpt menbedingungen dafür zu schaffen, daß schwangere zu bekommen. Aber auch eine große Anzahl von Frauen nicht mehr in dem Maße wie bisher Konflikten Frauen der alten Bundesländer forde rn eine Verbes- über die Fortsetzung ihrer Schwangerschaft ausge- serung mit dem Ziel der Legalisierung auf dem Wege setzt werden. einer Fristenregelung. Ich sage aber auch: Nur eine umfassende Aufklä- rung und Beratung kann einer Notlage vorbeugen Diese Neuordnung soll damit also nicht nur eine und zusammen mit der gesetzlichen Sicherung der längst überfällige verfassungskonforme Bewältigung erforderlichen Rahmenbedingungen eine gewissen- der Konfliktsituation schwangerer Frauen darstellen; hafte, verantwortungsbewußte, aber eben auch sie ist darüber hinaus ein weiterer Schritt auf dem Weg eigenverantwortliche Entscheidung der Be troffenen des Zusammenwachsens der alten und der neuen für das werdende bzw. bestehende Leben errei- Bundesländer in einem vereinigten Deutschland. chen. Denn sowohl die Indikationsregelung der alten Es hat sich erwiesen, daß die strafrechtliche Sank- Bundesländer als auch die Fristenregelung der ehe- tionierung des Schwangerschaftsabbruchs keine hun- maligen DDR haben ihre Schwachstellen gezeigt und dertprozentige Vermeidung zur Folge hat. Frauen in eignen sich, so die Meinung des Parlaments und der einer Notlage in die Illegalität zu drängen stellt nicht verfassungsgebenden Organe, nicht als Lösung für nur keine Hilfe für die einzelnen dar, sondern diese Gesamtdeutschland. Beide Regelungen werden weit- Art der „Verdrängung" stellt auch auf Dauer keine hin von den betroffenen Frauen als teilweise unbefrie- Lösung für eine offene, zur Austragung von Konflikten digend empfunden und haben keinen effektiven aufgeforderte und mündige Gesellschaft dar. Eher Schutz des vorgeburtlichen Lebens zu bewirken ver- kriminalisiert sie Frauen in ihrer Notlage. mocht. Als Vater zweier Kinder fühle ich mich in gleichem Der Einigungsvertrag bietet jetzt endlich allen Maße dem Schutz des geborenen Lebens, vor allem Frauen die Chance, unter Beachtung der Forderungen dem der Kinder gegenüber, verantwortlich. Alle Auf- des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des wer- regung um das ungeborene Leben — und ich erinnere denden Lebens eine neue gesetzliche Regelung zu hier vor allem an die zahlreichen so „christlichen" an entwickeln. Diese hat sowohl der staatlichen Aufgabe mich gerichteten Zuschriften, die zum Teil in übelster des Lebensschutzes als auch den Belangen der in Art und mit schlimmster Polemik Einfluß zu nehmen einer Konfliktlage befindlichen Frauen gerecht zu versuchen — bleibt so l ange unglaubwürdig, wie werden. Diese verschiedenen Ansprüche sehe ich am nicht ernsthafte Verbesserungen für ein lebenswer- weitestgehenden in dem Antrag der SPD verwirk- teres Dasein der geborenen Kinder geschaffen wer- licht. den. Ich denke hier z. B. an die Verwirklichung des Politik bedeutet für mich jedoch nicht nur das Verbotes der Kinderarbeit. Suchen nach optimalen, von einzelnen Bevölkerungs- An dieser Stelle sehe ich mich als mündiger und gruppen bevorzugten Lösungen, sondern das Ringen verantwortlicher Parlamentarier, übrigens nicht nur um gemeinsame, tragfähige Lösungen im Gegensatz heute, nicht dem weit verbreiteten Abstimmungsver- zu einem sturen Beharren auf Maximalforderungen. halten der Fraktionen sowie dem Druck der Bundes- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8431*

regierung verpflichtet, sondern fühle mich in Überein- wirklichung" und der „Befreiung der Frau vom stimmung mit meinem Gewissen und den von mir Manne", z. B. „mein Bauch gehört mir". vertretenen Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet, für den Gruppenantrag zu stimmen. Die Fristenregelung enthebt den zeugenden Mann jeglicher Mitverantwortung für den Schutz des unge- Dieser Gruppenantrag bejaht nicht nur das wer- borenen Lebens, denn schließlich liegt ja die letzte dende und bestehende Leben, er stellt einen Schritt in und alleinige Entscheidung bei der Frau. die Richtung einer offenen, verantwortungsbewußten und sozialen Gesellschaft dar. Er zeigt exemplarisch Es ist in dem Sinne keine Befreiung für die Frau, das Ringen der Menschen aus beiden Teilen Deutsch- sondern eine Befreiung des Mannes von jeglicher lands, neue, zukunftsweisende und gemeinsame Verantwortung; der Mann ist als Zeugender nicht Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden mehr zu 50 % mitverantwortlich, sondern er wird und nicht einfach auf bestehende Regelungen in den 100 %ig entlastet. Ist das die Befreiung der Frau, von Altbundesländern zurückzugreifen. der so oft gesprochen wird? Wohl eher das Gegenteil, also frauenfeindlich. Ich bitte die noch Schwankenden und bisher anders Denkenden, sich meinem Votum anzuschließen. Der Lebensschutz des ungeborenen Lebens hat Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren. Im Prinzip wird jegliche Verantwort- Den vorliegenden Heinz Schemken (CDU/CSU): lichkeit zum Schutz des ungeborenen Lebens außen Gesetzentwurf, der den Schwangerschaftsabbruch im vor gelassen. In unserer abendländischen Kultur, die Rahmen einer Fristenregelung beinhaltet, lehne ich durch die christliche Wertorientierung geprägt ist, gilt ab, da dieser dem Schutz des ungeborenen Kindes in gerade in unserer wohlhabenden Gesellschaft die keiner Weise Rechnung trägt. Das eklatante Defizit Verpflichtung, für den Schutz des ungeborenen der bisherigen Gesetzentwürfe zur Fristenregelung Lebens einzutreten. Ich halte die Fristenregelung mit drückt sich dadurch aus, daß sie dem „Zeitgeist" dem Grundsatz der Menschenwürde und dem Recht nachlaufen. Wer gibt dem Menschen das Recht, eine auf Leben in Art. 1 des Grundgesetzes für nicht Frist gerade von bis zu drei Monaten nur unter dem vereinbar. Vorbehalt einer sogenannten Beratungspflicht zu set- zen, um eine Schwangerschaft abzubrechen und Es ist die Pflicht eines jeden Christenmenschen, damit ungeborene Kinder zu töten? uneingeschränkt für den Schutz ungeborenen Lebens Das Recht auf Leben kennt keine Fristen! Die einzutreten. Ich stelle mich deshalb auf die Seite Pflichtberatung der schwangeren Frau wird damit derer, die unmißverständlich für den Schutz des lediglich zur Formsache und somit zur Makulatur ungeborenen Kindes als elementarstes Menschen- degradiert. Da die schwangere Frau dabei letztend- recht eintreten. Ich trete für eine Mehrheit ein, die die lich selbst die Entscheidung treffen soll und muß, ob Beratung zum Kind durch soziale und familienpoliti- sie das ungeborene Kind austrägt oder nicht, wird sie sche Maßnahmen stützt. Dabei geht natürlich die in ihrem Gewissenskonflikt sich selbst überlassen und Beratung vor Strafe. Aber die Hilfe muß im Vorder- mit der schwerwiegenden Entscheidung alleine grund stehen, damit die Frau „Ja" zum Kind sagen gelassen. kann. Eine Gesellschaft, die dies nicht leisten kann, müßte sich möglicherweise eines Tages fragen, wie Die Beratungsstellen „pro familia" z. B. sind in ihrer sie insgesamt zum Leben steht, und auch diese Frage Zielsetzung meist darauf ausgerichtet, der schwange- steht in dieser Stunde an. ren Frau den für sie „günstigsten Weg" zum Abbruch aufzuzeigen — welch eine Ironie und Widersinnigkeit des Namens „pro familia"! Wenn ich hier vom Zeit- Gerhard Scheu (CDU/CSU): Schlüsselfrage jeder geist spreche, so meine ich damit eine Gesellschaft, Indikationenregelung bleibt, daß unbeschadet der die nach einer vollkommen legalen, aber moralisch notwendig unbestimmten Rechtsbegriffe zur Notlage nicht legitimen Absicherung ruft, nämlich die Abtrei- und des weiten Beurteilungsspielraumes des Arztes bung werdenden Lebens ohne jegliche Verantwor- ein gewisses Mindestmaß an Kontrolle der Indika- tung und Wertorientierung zu ermöglichen. tionsstellung möglich bleiben muß. Meine Partei, die CSU, hat ihren Standpunkt hierzu in der „Ansbacher Wenn auch noch darauf verwiesen wird, wie „ein- Erklärung" vom 13. Juli 1991 verdeutlicht, die ich fach" die Abtreibungspraxis im früheren SED-Staat uneingeschränkt befürworte. „Der Abbruch der gewesen sei, so möchte ich dazu bemerken, daß es Schwangerschaft darf nicht freiem ärztlichen Belie- dem SED-Staat darauf ankam, die Kinder, die geboren ben überlassen werden" (BGH 1 StR 120/90, UA wurden, von Geburt an in staatlich-sozialistischen S. 26), sondern muß nach „vertretbarer" — und inso- Kinderkrippen und Kindergärten zu Menschen mit weit jedenfalls auch nach objektivierbarer — „ärztli- sozialistischem Weltbild heranzubilden. Das ungebo- cher Erkenntnis" angezeigt sein. Der Mehrheitsent- rene Leben, das nicht erwünscht war, wurde über die wurf der CDU/CSU (Drucksache 12/1178, neu) enthält reine Fristenregelung vernichtet. Hier zeigt sich im in § 218a Abs. 2 Nr. 2 einen Formelkompromiß, in den übrigen auch die ganze Menschenverachtung des gegenläufige Positionen eingeflossen sind: einerseits SED-Regimes, denn für die SED war der Schutz des die unüberprüfbare subjektiv-persönliche Überzeu- ungeborenen Lebens kein Thema. gung des Arztes nach Darlegung der Frau und ande- Gewisse Gruppierungen in unserer Gesellschaft rerseits die beschränkte — durch schriftliche Feststel- wie die Feministinnen und die SPD-Frauenvereini- lungen abgesicherte — inhaltliche Nachprüfbarkeit gung entwickeln mit der Fristenregelung eine völlig jedenfalls auf offensichtliche eindeutige Unvertret- falsche Vorstellung von der sogenannten „Selbstver- barkeit hin. 8432* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Die Anhörungen vor dein Sonderausschuß, die rung ist weder benannt noch abzusehen. Daß eine schriftlichen Stellungnahmen der rechtswissenschaft- amtierende Bundesministerin die Aufbringung der lichen Sachverständigen und auch das erwähnte Mittel „statt neuer Straßen oder neuer Schwimmbä- Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs haben die der" für leistbar hält (Inte rview vom 2. Juni 1992), Zweifel verstärkt, ob der Gesetzentwurf insoweit den bezeugt einen für die Gesamtpolitik bedenklichen Anforderungen entspricht. „Die Erkenntnis einer Per- Verlust von Wirklichkeitsnähe. Zum Schutz des unge- son ist nicht schon deshalb eine ,ärztliche', weil diese borenen Lebens sind eingestandenermaßen außeror- Person Arzt ist" (BGH, a. a. O.), und „die nur subjek- dentliche sozialflankierende Anstrengungen erfor- tive Überzeugung des Arztes, die keinen Anhalt in derlich. Es müssen dann aber auch Lösungen aufge- den wirklichen Gegebenheiten zu haben braucht, zeigt werden, wie sie ohne weitere Zunahme der vermag nicht rechtfertigend zu wirken" (Ausschuß- ohnehin höchst beunruhigenden Finanzierungsdefi- Drucksache Nr. 17 S. 3 f.), sondern allenfalls zu ent- zite aller staatlichen Ebenen geleistet werden sollen. schuldigen. „Eine subjektive Erkenntnis bleibt auch Dazu bleibt der Entwurf Drucksache 12/1178 (neu) dann eine solche, wenn sie offensichtlich falsch war" die Antwort schuldig. (Ausschuß-Drucksache Nr. 18 S. 11). Die Konsequenz für mein Abstimmungsverhalten Hierauf habe ich bereits in der ersten Lesung versteht sich nach alledem von selbst. Keiner der hingewiesen (Plenar-Prot. 12/44 S. 3755). Leider ist es heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe nicht gelungen, diesen entscheidenden Punkt im wird — aus meiner Sicht — den Anforderungen Gesetzestext noch klarzustellen. Vielmehr haben gerecht. öffentliche Erklärungen maßgebender Gesetzesiniti- atoren den Eindruck einer Divergenz von Gesetzes- wortlaut und Begründung noch vertieft. Ob dieser Dr. Jürgen Schmieder (F.D.P.): Das Statistische Mangel durch verfassungskonforme Auslegung des Bundesamt verzeichnet im Jahre 1991 für die alten sich ohnehin „an der unteren Grenze des Minimums" Bundesländer 74 578, für die neuen Bundesländer (Ausschuß-Drucksache Nr. 49 S. 16) bewegenden 49 806 Abtreibungen. Die Dunkelziffer schwankt, je Entwurfs behebbar wäre, bleibt eine offene Frage. Für nach erhebender Stelle, zwischen 100 000 und die Rechtsanwendung ist nach Art. 103 Abs. 2 GG 300 000. Das Meldedefizit liegt in den alten Bundes- allein der im Gesetz zum Ausdruck kommende Rege- ländern regional bei bis zu 85 %. lungsgehalt maßgeblich und dürfen Zweifel „nicht zu Gunsten der Strafbarkeit behoben werden" (BGH, Die Geburtenzahlen sind in den alten Ländern in a. a. O., S. 25). den letzten Jahren stetig gesunken, und in den neuen Diese Bedenken habe ich ursprünglich nur in der Ländern ist hier ein drastischer Einschnitt erfolgt, Hoffnung und der Erwartung zurückgestellt, damit zu nämlich ein Abfallen von rund 43 % im Vergleich von einem Kompromißentwurf der CDU/CSU-Fraktion 1990 zu 1991. Die Dunkelziffer in der Größenordnung beizutragen. Ein einheitliches Votum der größten von rund 300 000 belegt, daß jedes Jahr hier viele Fraktion des Bundestages hätte ich für einen ethi- Bürgerinnen von diesem Problem berührt sind und schen Selbstwert gehalten. Nachdem sich — bestätigt daß die jetzt im Altbundesgebiet praktizierte Lösung inzwischen von einem Landesverband und von nicht die Zustimmung der Bevölkerung findet. Hier bedeutenden Repräsentanten in der CDU — nunmehr müssen wir handeln und die entsprechenden Verän- aber ergeben hat, daß eine gemeinsame Auffassung derungen im Gesetz herbeiführen. nicht besteht, ist damit auch der Grund für meine Die Medizin ist heutzutage so weit fortgeschritten, Zustimmung entfallen. Maßgebliche Richtschnur ist daß z. B. Operationen am Herzen des Fötus im Mut- für mich deshalb die Position, wie sie in der „Ansba- terleib möglich sind. Die Ärzte kämpfen um jede cher Erklärung" der CSU und der Normenkontroll- Frühgeburt. Doch was nützt die Medizin, wenn die klage der Bayerischen Staatsregierung Ausdruck Gesellschaft nicht lebensfreundlich ist? Nach der gefunden hat und wie sie meiner Überzeugung ent- Statistik ist es für viele ein Abtreibungsgrund, daß es spricht. einem reichen Staat wie Deutschland nicht gelingt, für Ebenso gewichtig sind aus meiner Sicht die gravie- seine Kinder, Senioren und Behinderten annehmbare renden Bedenken gegen die Finanzierbarkeit der im Lebensbedingungen zu schaffen. Auch hier müssen CDU/CSU-Entwurf im Kinder- und Jugendhilferecht wir etwas ändern! Es ist sinnlos, die persönliche über den auch von mir unterstützten Anspruch auf Freiheit der Frauen mit dem Ziel, die Abtreibungszah- einen Kindergartenplatz hinaus unverändert vorgese- len zu senken, einzuschränken. Einzig und allein eine henen sonstigen Betreuungsansprüche. § 24 Abs. 1 Veränderung der sozialen Bedingungen sowie eine KJHG in der Fassung des Gesetzentwurfes gewährt verstärkte Aufklärungsarbeit können hier Abhilfe nach Wortlaut und Begründung ohne Zweifel einklag- schaffen. bare „Rechtsansprüche" . Ihre Kosten werden sowohl von der Bundesregierung selbst wie auch vom Bericht Genau da setzt unser Gesetzentwurf an. Wir for- des Haushaltsausschusses (Drucksache 12/2880 vom dern, der Entscheidungsfreiheit der Frauen Rechnung 22. Juni 1992) auf — zusammen mit dem Kindergar- zu tragen, ohne sie in ihrer Entscheidung alleine zu tenplatz — investiv insgesamt 42,38 Milliarden DM lassen. Die Folgen der Entscheidung sind von der Frau und mit jährlichen Betriebskosten (netto) von zu tragen und letztlich zu verantworten. Es ist daher 11,31 Milliarden DM veranschlagt. Diese Mehrkosten unumgänglich, ein soziales Umfeld zu schaffen, das sind angesichts der dringend erforderlichen Konsoli- wirkliche Freiheit der Entscheidung gewährleistet. dierung des öffentlichen Gesamthaushaltes schlech- Auf eine qualitativ hochwertige Beratung sowie prak- terdings nicht zu bewältigen. Eine seriöse Finanzie- tische Hilfe darf nicht verzichtet werden. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8433

Darüber hinaus müssen soziale Rahmenbedingun- Das Strafrecht alleine kann einen wirksamen Schutz gen geschaffen werden, die ein Ja zum Kind verstärkt ungeborener Kinder nicht gewährleisten. Das Straf- ermöglichen. Einer Mutter oder einer Familie muß das recht alleine kann Konflikte, denen sich eine schwan- Zusammenleben mit einem Kind erleichtert werden. gere Frau gegenübersieht, nicht lösen. Strafrechtsvor- Genauso muß eine kinderfreundliche Umwelt ge- schriften sind niemals „Lösung" von Konflikten, sind schaffen werden, der wir ruhigen Gewissens Kinder niemals „Lösung" von Problemen; sie können es nicht anvertrauen können. sein, und sie sollen es auch nicht sein. Hierzu sind sowohl das Recht auf einen Kindergar- Einer der wichtigsten und zentralen Bestandteile tenplatz als auch andere soziale Hilfen unumgänglich. der Politik von CDU und CSU ist und bleibt deshalb Man darf nicht vergessen, daß finanzielle und mate- die Familienpolitik. Seit 1982 sind die steuerlichen rielle Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch an und haushaltswirksamen Leistungen für die Familie oberster Stelle stehen. Mit diesem Hintergrund for- von seiten des Bundes erheblich ausgeweitet worden. dern wir auch eine breite Palette sozialer Leistun- Nur beispielhaft will ich an dieser Stelle folgende gen. Stichworte erwähnen: Es ist ebenfalls untragbar, daß immer noch Kinder — die Anhebung aller familienpolitisch relevanten aus mangelnder Aufklärung oder aus Unkenntnis Freibeträge; zuverlässiger Kontrazeptiva gezeugt werden. Der von — nachhaltige Verbesserungen bei Kindergeld und uns geforderte Gesetzentwurf sieht daher einen Baukindergeld; Rechtsanspruch auf Sexualaufklärung sowie die kostenfreie Abgabe ärztlich verordneter Verhütungs- — Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub und die Aner- mittel vor. kennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzli- chen Rentenversicherung; last but not least: Es ist uns allen doch klar, daß die derzeitige Form des § 218 durch das vorgesehene Verfahren zur Fest- — die Errichtung der Bundesstiftung „Mutter und stellung einer Indikation von vielen Frauen als ent- Kind". würdigend empfunden wird. Sie hat sogar Frauen in Darüber hinaus sind — entsprechend der Koali- die Illegalität getrieben. Vorgeburtliches Leben kann tionsvereinbarung — weitere nachhaltige Verbesse- aber nur mit der Schwangeren und nicht gegen sie rungen für Familien mit Kindern bereits auf den Weg geschützt werden. Jeder Mensch nimmt eine Vertei- gebracht. Nur beispielhaft nenne ich digungshaltung an, wenn er eine ihm unangenehme Prozedur über sich ergehen lassen muß. Andererseits — eine weitere Verlängerung des — zum Teil — ist man in einer entspannten Situation durchaus einkommensabhängigen Erziehungsgeldbezugs so- bereit, Hilfen und Anregungen durch eine Fachkraft wie des Erziehungsurlaubs; zu akzeptieren. — eine weitere Anhebung des Kinderfreibetrages; So auch hier. Wir dürfen die Chance nicht vergeben, — die Erhöhung des Erstkindergeldes sowie des aufgrund von qualifizierten und umfassenden medizi- Kindergeldzuschlages; nischen, sozialen und juristischen Informationen sowie praktischer Hilfe die Entscheidung der Frau für — Leistungsverbesserungen beim Unterhaltsvor- ein Kind zu erleichtern. Dieses kann jedoch nur schuß sowie gelingen, wenn der Schwangerschaftsabbruch straf- — den kontinuierlichen Ausbau des Familienlasten- frei wird, zumindest wenn er in den ersten 12 Wochen ausgleichs. nach der Empfängnis erfolgt. Erst dadurch kann eine Beratungsatmosphäre entstehen, die einen wirksa- Zusätzlich zu allen bisherigen familienpolitischen men Schutz des vorgeburtlichen Lebens ermöglicht. Maßnahmen wollen CDU und CSU weitere soziale Auch hier erfüllt unser Gesetzentwurf alle an ihn Hilfen schaffen; so z. B. die Zahlung eines (einkom- gestellten Anforderungen. mensabhängigen) Familiengeldes in Höhe von 1 000 DM bei der Geburt eines Kindes. Infolge dieser Gründe bin ich der Meinung, daß unser gemeinsamer Gesetzentwurf den zur Zeit All diese Maßnahmen, all diese Hilfen sind ein besten Kompromiß bietet, indem er sowohl das vorge- wertvoller Beitrag zur familien- und kinderfreundli- burtliche Leben schützt als auch der freien Gewissens- chen Gesellschaft. Wer also die heutige Diskussion auf entscheidung der Frau Rechnung trägt. das Schlagwort „helfen statt strafen" reduzieren wollte, greift zu kurz. Das Strafrecht steht bei den Ich bin für die Fristenlösung und stehe für den Gesetzentwürfen sowohl der CDU/CSU-Bundestags- Gruppenantrag. fraktion als auch der Initiativgruppe „Schutz des ungeborenen Kindes" nicht im Vordergrund; gleich- wohl hat es eine unverzichtbare Funktion. Hans Peter Schmitz (Baesweiler) (CDU/CSU): Wenn wir heute über die Frage einer gesetzlichen Bei dem Recht auf Leben handelt es sich keines- Neuregelung zum Schutz ungeborener Kinder disku- wegs nur um eine Frage von moralischer Bedeutung, tieren, so ist dies eine Kernfrage unseres Rechtsstaa- sondern um ein Grund- und Menschenrecht, eine tes, eine Kernfrage unseres demokratischen und Fundamentalnorm unserer Verfassung. Menschliches sozialen Gemeinwesens. Der Deutsche Bundestag ist Leben, geborenes und ungeborenes, ist ein Geschenk aufgerufen, in dieser Frage eine gesetzliche Grund- Gottes. Und menschliches Leben hat einen verfas- lage zu schaffen, die für größtmögliche Hilfe und für sungsrechtlichen Anspruch auf den Schutz des Staa- bestmöglichen Schutz gleichermaßen Sorge trägt. tes. 8434* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Eine generelle Duldung von Abtreibungen kann eindringlich an alle Kolleginnen und Kollegen, in und darf es wegen der damit verbundenen Mißach- ihrer Verantwortung vor dem Recht des Schwachen, tung des Grund- und Menschenrechts auf Leben unter in ihrer Verantwortung vor dem Recht auf Leben der Geltung des Grundgesetzes nicht geben. Aus dem Mütter und Kinder weder hilf- noch schutzlos alleine Unrechtscharakter der Abtreibung ergibt sich zwin- zu lassen. Ich appelliere an alle Mitglieder des Hau- gend, daß Schwangerschaftsabbrüche durch die ses, jegliche Form einer „Fristenregelung" abzuleh- Rechtsordnung eindeutig und zweifelsfrei mißbilligt nen. werden müssen. Das heißt, daß in einer Rechtsnorm dem einzelnen deutlich werden muß, daß die Tötung Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU): Die heutige Diskus- Ungeborener gegen das Recht verstößt und damit sion der unterschiedlichen Gesetzesentwürfe zum unzulässig ist. Schutz des ungeborenen Lebens gehört sicher zu den schwierigsten und aufwühlendsten, die den Deut- Für die Bildung von Wertbewußtsein ist — neben schen Bundestag seit langem bestimmt haben. Jeder- öffentlichen Förder- und Hilfsmaßnahmen — ganz mann in diesem Saal ist sich darüber im klaren, daß es entscheidend, welchen Rang die staatliche Rechtsord- wirklich um eine fundamentale Entscheidung geht, nung den einzelnen geschützten Gütern zumißt. Wer die gar nicht ernsthaft genug erörtert und geprüft durch das Mittel der Strafbewehrung das Rechtsbe- werden kann. Der Einigungsvertrag gibt uns eine wußtsein beispielsweise im Umweltschutz, im Tier- verbindliche Vorgabe, auch auf dem Gebiet des schutz und — prägnanterweise — auch im Embry- Schutzes ungeborenen Lebens endlich für die nötige onenschutz außerhalb des Mutterleibes schärft, muß Rechtseinheit in ganz Deutschland, und dies auf dies notwendigerweise doch erst recht für den Schutz verfassungsmäßigem Wege, zu sorgen. Daß in des im Mutterleib heranwachsenden Kindes gelten Deutschland die Rechtslage immer noch gespalten ist, lassen. Hieran fehlt es den Entwürfen von F.D.P., SPD, führt zu zahlreichen und vielen wahrhaft unüberwind- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS ebenso wie dem lichen Konflikten. Am deutlichsten wird dies etwa in sogenannten Gruppenantrag. Berlin. Daß Berlin in der so existentiellen Frage des Mit dem eben bereits zitierten Schlagwort „helfen Schutzes ungeborenen Lebens buchstäblich immer statt strafen" könnte der Eindruck erweckt werden, noch geteilt ist, daß von einer Straßenseite zur ande- daß sich Hilfe für schwangere Frauen in Not und ren Straßenseite immer noch unterschiedliches Recht rechtliche Sanktionen gegen Abtreibungen gegensei- gilt, ist schlechterdings unerträglich. Daß in den tig ausschließen. Der Schutz des Strafrechts aber steht neuen Bundesländern nach wie vor die Rechtslage der in keinerlei Widerspruch zur Gewährung von Hilfen. ehemaligen DDR, d. h. die Fristenlösung gilt, darf uns Wenn also im Zusammenhang mit anderen hier ein- nicht vom richtigen Wege ablenken. Im Gegenteil, das gebrachten Anträgen eine Verbesserung der Hilfen Grundgesetz und seine grundlegende Norm in Art. 2 für schwangere Frauen gefordert wird, um dem Abs. 2 Satz 1, die einen wirksamen Schutz ungebore- Schutz des ungeborenen Kindes zu dienen, dann ist nen Lebens vorschreibt, gilt heute in ganz Deutsch- die gleichzeitige Forderung nach Abschaffung der land. Deshalb muß eine Entscheidung gefunden wer- rechtlichen Mißbilligung einer Abtreibung unlogisch. den, die dieser grundlegenden Wertentscheidung Denn eine eventuelle Strafandrohung trägt keines- unserer Verfassung gerecht wird bzw. vor ihr Bestand falls zur Tötung Ungeborener bei. Ganz im Gegenteil hat. dient sie dem gleichen Ziel wie Beratung und Hilfe. Ich möchte mich hier auf die verfassungsrechtliche Das Recht der Schwangeren auf freie Entfaltung Frage beschränken und die konkurrierenden Geset- ihrer Persönlichkeit ist unbestritten. Der Lebensschutz zesentwürfe ausschließlich in verfassungsrechtlicher des ungeborenen Kindes muß jedoch Vorrang haben. Sicht würdigen. Denn das Recht auf Leben ist immer das höherwertige Jeder hat das Recht auf Leben, also auch das Rechtsgut. Selbstbestimmung hat Leben zur Bedin- ungeborene Kind. Dies folgt zwingend aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz. Das Bundesverfassungs- gung gericht hat in seiner Entscheidung vorn 25. Februar Die rechtliche Mißbilligung einer Abtreibung dient 1975 (BVerfGE 39,1 ff.) hierzu alles Maßgebende im übrigen nicht alleine dem Schutz ungeborener gesagt. Und gestatten Sie mir gleich eine Vorbemer- Kinder; sie dient gleichermaßen dem Schutz der kung: Diese Entscheidung des Bundesverfassungsge- Schwangeren. Wer von uns wollte behaupten, eine richts, die zwar inzwischen einige Jahre zurückliegt, Mutter mache sich die Entscheidung für eine Abtrei- ist nach wie vor verbindlich. Nach wie vor ist die bung leicht? Oftmals ist die vielzitierte „Konfliktsitua- Interpretation des Bundesverfassungsgerichts für alle tion" doch gerade jene, daß die Schwangere von Verfassungsorgane maßgebend. Gerade in einer so ihrem engsten persönlichen Umfeld zum Abbruch existentiellen Frage wie der des Schutzes des unge- gedrängt wird. Oftmals sind es doch gerade die borenen Lebens sollte man hierüber nicht leichtfertig Männer — ich will sie in dieser Diskussion keinesfalls hinweggehen, wie dies etwa jene tun, die auf eine aus der Verantwortung entlassen —, die eine Frau zur Änderung der Rechtsprechung des Bundesverfas- Abtreibung nötigen, ohne daß dies nachgewiesen sungsgerichts spekulieren. Welche Bedeutung hätte werden könnte. Gerade hier bietet das Recht Schutz, noch eine Verfassungsrechtsprechung in Deutsch- wirksamen Schutz für Mutter und Kind — so wie unser land, wenn man in der Gesetzgebung immer dann, Recht stets die Schwächsten zu schützen sucht, die wenn jemandem eine Entscheidung dieses höchsten Schwachen vor den Starken, die Ohnmächtigen vor deutschen Gerichts nicht paßt oder unbequem ist, den Mächtigen. schlechterdings darauf spekulieren könnte oder „Hilfe und Schutz" möge deshalb das Leitwort dürfte, daß das Gericht seine Rechtsprechung ja auch unserer heutigen Entscheidung sein. Ich appelliere ändern könnte? Damit wäre auch die Autorität des Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8435*

Bundesverfassungsgerichts in entscheidender Weise Dies gilt auch für den sogenannten Gruppenantrag. relativiert, ja ausgehöhlt; und auch dies gilt es heute Auch er geht davon aus, selbst wenn er eine Fristen- zu beachten. lösung im Ergebnis bejaht, daß der prinzipielle Schutz ungeborenen Lebens ohne den Einsatz strafrechtli- Das Bundesverfassungsgericht hat in aller Klarheit cher Mittel nicht gewährleistet werden kann. Mit ausgesprochen, daß „das sich im Mutterleib entwik- anderen Worten: Ganz offenkundig ist es doch für alle kelnde Leben als selbständiges Rechtsgut unter dem mehr oder weniger deutlich geworden, daß gerade im Schutz der Verfassung steht" und daß „die Schutz- Lichte der vorgenannten Feststellungen des Bundes- pflicht des Staates nicht nur unmittelbare staatliche verfassungsgerichts auf das Strafrecht nicht verzichtet Eingriffe in das sich entwickelnde Leben verbietet, werden kann; und dies bedeutet mit anderen Worten, sondern daß es dem Staat auch gebietet, sich schüt- daß das Mittel des Strafrechts auch tatsächlich ange- zend und fördernd vor dieses Leben zu stellen". Diese wandt werden muß. Schutzpflicht des Staates, „das sich entwickelnde Leben in Schutz zu nehmen, besteht auch gegenüber Jeder Schutz eines verfassungsrechtlichen Rechts- der Mutter", es „genießt grundsätzlich für die guts, gerade eines so bedeutsamen wie des hiesigen, gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem fordert nicht nur formalen Schutz, sondern er fordert Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren und darf auch einen rechtlich einigermaßen effektiven Schutz. nicht für eine bestimmte Frist in Frage gestellt wer- Deshalb müssen die heute zur Entscheidung stehen- den". Jedermann weiß, daß diese Entscheidung unse- den Gesetzentwürfe auch den Test ihrer Wirksamkeit rer Verfassung für viele Frauen große Probleme, ja bestehen. Wer sich nur der Form nach auf das Straf- große Konflikte aufwirft oder aufwerfen kann. Den- recht beruft, wer es nur äußerlich zum Schutze unge- noch, um dies in aller Deutlichkeit zu sagen, gerade borenen Lebens heranzieht, der muß sich die Frage dies für eine freiheitliche Ordnung so unverzichtbare stellen lassen, ob er es wirklich mit einem effektiven Selbstbestimmungsrecht des einzelnen, also auch der Schutz ungeborenen Lebens ernst gemeint hat. Mit Frau, kann nie grenzenlos gelten, auch das Selbstbe- gutem Gewissen bejahen kann dies nur der, der nicht stimmungsrecht des einzelnen unterliegt stets den gleichzeitig das Leben Ungeborener dennoch, der verfassungsimmanenten Schranken, die sich aus den strafrechtlichen Schutzgewährleistung zum Trotz, Rechten anderer, hier aus dem Recht auch des Unge- zumindest zeitweise zur Disposition stellt. borenen auf Leben, ergeben. Leider gilt dies auch für den Gruppenantrag. Denn Deshalb ist zunächst in aller Deutlichkeit festzustel- er beläßt es für die Straffreiheit bei dem schlichten len, daß jede Fristenlösung eindeutig verfassungswid- Nachweis, daß „die Schwangere dem Arzt durch eine rig und damit nicht zu akzeptieren ist. Denn jede Bescheinigung nach § 219 Abs. 3 nachgewiesen hat, Fristenlösung bedeutet in Wahrheit nichts anderes, als daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat daß für eine bestimmte Zeit das Leben zur Disposition beraten lassen" (§ 218V Ziff. 3 StGB). Denn nach eines anderen Menschen gestellt wird — ein Tatbe- § 219 Abs. 1 soll diese Beratung zwar „den hohen stand, der sich auch nicht unter dem Stichwort des Wert des vorgeburtlichen. Lebens" zum Ausdruck Selbstbestimmungsrechts ausräumen oder überwin- bringen, andererseits soll aber — offenkundig gleich- den läßt. rangig — die „Eigenverantwortung der Frau" Maß- stab sein. Das Strafrecht bildet ein legitimes Instrument zum Schutz auch des ungeborenen Lebens. Auch dies hat Was bedeutet aber solche „Eigenverantwortung"? das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich aner- Ganz offenkundig wird sie als Gegensatz zum unge- kannt. Es hat andererseits freilich auch festgehalten, borenen Leben vorausgesetzt bzw. mit diesem gleich- daß „der Gesetzgeber die grundsätzlich gebotene gestellt. Dies führt aber im Ergebnis zur Dispositions- rechtliche Mißbilligung des Schwangerschaftsab- freiheit über das ungeborene Leben, wie sie gerade bruchs auch auf andere Weise zum Ausdruck bringen nicht verfassungsmäßig ist. Die Frau hat, auch in kann als mit dem Mittel der Strafdrohung". Entschei- schwierigen Konfliktlagen, nicht nur eine „ Eigenver- dend ist hierbei aber, „ob die Gesamtheit der dem antwortung ", sondern auch eine Verantwortung für Schutz des ungeborenen Lebens dienenden Maßnah- das ungeborene Leben. men eine der Bedeutung des zu sichernden Rechtsgu- Deshalb kann der Konflikt nicht zwischen Eigenver- tes entsprechenden tatsächlichen Schutz gewährlei- antwortung der Frau oder Selbstbestimmung der Frau stet. Im äußersten Falle, wenn der von der Verfassung einerseits und dem Schutz des ungeborenen Lebens gebotene Schutz auf keine andere Weise erreicht andererseits ausgetragen werden, sondern der Kon- werden kann, ist der Gesetzgeber verpflichtet, zur flikt muß, will er verfassungskonform gelöst werden, Sicherung des sich entwickelnden Lebens das Mittel in einer Weise ausgetragen werden, die in der Person des Strafrechts einzusetzen". der Frau wirklich objektiven Gesetzlichkeiten Rech- nung trägt, d. h. Gesetzlichkeiten, die es für die Frau Schon der Einigungsvertrag hat betont, daß dieser wirklich unzumutbar machen, ein Kind auszutragen. evidenten Konfliktlage möglichst über soziale Maß- Dies ist der Sinn einer Indikationslösung; und allein nahmen bzw. über die Verbesserung sozialer Hilfen begegnet werden soll. Dieser Ansatz ist richtig, er ist eine Indikationslösung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsmäßig. politisch wie sozial zu befürworten und er ist auch verfassungsmäßig. Andererseits hat sich aber auch Ganz unstreitig ist, daß es zum Schwangerschafts- ergeben — gerade in den langen Beratungen im abbruch bei „einer schwerwiegenden Beeinträchti- Sonderausschuß zum Schutz ungeborenen Lebens —, gung des Gesundheitszustandes" der Frau kommen daß auf das Strafrecht letztendlich nicht verzichtet darf; dies hat das Bundesverfassungsgericht mit aller werden kann. Klarheit zum Ausdruck gebracht. Das Gericht hat 8436' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

darüber hinaus aber auch ausgeführt, daß es „dem schen Demokratie, auf die Gewissensfreiheit des Gesetzgeber freisteht, andere außergewöhnliche Be- Abgeordneten. lastungen für die Schwangere, die ähnlich schwerwie- Wie soll man auch sonst auf Brieffluten reagieren, in gend sind, als unzumutbar zu werten und in diesen denen uns Befürwortern des Gruppenantrags faschi- Fällen den Schwangerschaftsabbruch straffrei zu las- stische Euthanasiebestrebungen unterschoben wer- sen" . Dies ist richtig und gerechtfertigt. Denn es gibt in den? Unsere christliche Gesinnung wird uns abge- der Tat auch andere Konfliktlagen, die es tatsächlich sprochen. Häufig wird geradezu unterstellt, mit dem gerechtfertigt erscheinen lassen, den Schutz des Gruppenantrag würde eine Abtreibungspflicht einge- ungeborenen Lebens im Einzelfall zurücktreten zu führt. lassen. Aber eine solche „außergewöhnliche Bela- stung" liegt nicht etwa in der Dispositionsfreiheit oder Und das alles wird unterstellt in christlicher Gesin- in der Selbstbestimmung der Frau, wie dies von den nung aus tiefer Sorge um den Schutz der ungeborenen Befürwortern einer Fristenlösung ganz offenkundig Kinder, die sonst hilflos ihren verantwortungslosen vorausgesetzt wird. Um es noch einmal in aller Deut- Müttern ausgeliefert wären. lichkeit zu sagen: Jede Fristenlösung ist verfassungs- Nach Meinung dieser Lebensschützer ist allein ein widrig, auch wenn sie mit einer Beratungspflicht drakonisches Strafrecht in der Lage, die ungeborenen verbunden wird, die in Wirklichkeit nicht dem inso- Kinder vor ihren Müttern zu schützen. Eine Straffrei- weit allein maßgeblichen Schutz ungeborenen heit unter bestimmten Voraussetzungen, wie sie unser Lebens zu dienen bestimmt ist. Gruppenantrag vorsieht, überfordert angeblich die Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion ist dem- Schwangere. gegenüber verfassungsmäßig. Er stellt auf die Indika- Offenbar glauben konservative Männer noch tionslösung ab und wird dennoch — in verfassungs- immer, eine Entscheidung von dieser Tragweite sei konformer Weise — den besonderen Belastungen für ein weibliches Gehirn einfach nicht zu leisten. oder Konfliktlagen in der Person der Schwangeren gerecht, wenn er nicht nur den „körperlichen", son- Die vielfältigen Verlockungen der heutigen Gesell- dern auch den „seelischen Gesundheitszustand der schaftsordnung, der Wunsch, ja, der Zwang zur Schwangeren" als Rechtfertigungsgrund nennt. Es ist Selbstverwirklichung mache Frauen, die nicht mehr auch richtig, die psychosoziale Notlage zur Rechtfer- vor Strafe zittern müssen, schutzlos und erpreßbar. tigung heranzuziehen. Denn auch in psychischer Der psychologische Druck zur Abtreibung sei so Hinsicht können sich in der Tat Konfliktlagen erge- ungeheuerlich, daß die Frauen einfach nicht mehr in ben, die es für die Schwangere unzumutbar werden der Lage seien „ihren Dienst am Leben" zu leisten. lassen, ein Kind auszutragen. Alles dies ist in § 218 a Ganz davon abgesehen, daß sich mir die Logik StGB des Mehrheitsentwurfs der CDU/CSU-Fraktion dieser Argumentation nicht recht erschließt, wo, bitte, im einzelnen ausgeführt. taucht denn der Dienst der Väter am Leben auf? Und Gerade auch aus der Sicht der Frau liegt in dieser wie sehen die gesellschaftlichen Zwänge wirklich aus, Regelung ein maßgebender, ja ein entscheidender denen Frauen seit Generationen ausgesetzt sind? Da Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage. sind einerseits Frauen angeblich nicht in der Lage, Aber dieser Fortschritt wird nicht um den Preis eines eine verantwortungsvolle Entscheidung für ihre Verstoßes gegen das Verfassungsgut des Schutzes ungeborenen Kinder zu treffen. Deswegen muß ihnen ungeborenen Lebens erreicht. Im Gegenteil, hier wird die Gesellschaft per Strafandrohung den richtigen eine Konfliktlösung angestrebt bzw. werden für eine Weg weisen. Sind die Kinder dann aber geboren, Konfliktlösung die nötigen Voraussetzungen geschaf- werden sie Privatsache, und zwar ausschließlich Pri- fen, die allen zu helfen imstande sind, die mit der vatsache der Frau. Verfassung vereinbar sind, die vor allem den Grund- Fragen Sie einmal meine 70jährige Mutter, die sätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- 5 Kinder unter sehr schwierigen Bedingungen groß- gerichts gerecht werden. gezogen hat, wie ihr die Gesellschaft ihren „Dienst am Deshalb werbe ich dafür, dem Antrag der CDU/ Leben" gelohnt hat: geringes Familieneinkommen, CSU-Bundestagsfraktion zuzustimmen. Verzicht auf eigene Berufstätigkeit und als Konse- quenz eine mickrige Altersrente. Das Sümmchen, mit der ihr die Erziehung von fünf Kindern von der Gisela Schröter (SPD): Meine Entscheidung, mich Gesellschaft entgolten wird, würde Ihnen die Tränen überhaupt an der heutigen Debatte zu beteiligen, ist in die Augen treiben. buchstäblich erst in letzter Minute gefallen. Es ist beschämend, wie gering die Lebensleistung Eigentlich ist zum Thema alles gesagt. Den Argu- von Frauen bewertet wird, doppelt beschämend, menten bleibt kaum noch etwas hinzuzufügen. Die wenn man beim Nachrechnen des Rentenbescheides Entscheidung des oder der Einzelnen wird kaum noch die vollmundigen Reden der selbsternannten Lebens- durch Redebeiträge zu beeinflussen sein. schützer über die hehre Rolle der Frau und Mutter im Ohr hat. Wenn ich mich trotzdem äußere, dann tue ich es vor allen Dingen, um mir Luft zu machen. Die Kampagne So gut kann es um die Rolle der Mütter und Kinder konservativer Lebensschützer aus allen Ecken der in unserer Gesellschaft wirklich nicht bestellt sein. Bundesrepublik, mit der die Bundestagsabgeordne- Denn selbst die Verfechter des absoluten Lebens- ten in letzter Zeit überzogen werden, hat mich sehr schutzes sehen die Tragweite, die die Entscheidung betroffen gemacht. Ich sehe darin einen massiven für ein Kind für die betroffene Mutter mit sich Angriff auf eine der Grundregeln der parlamentari- bringt. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8437*

Man hat mich in vielen Schreiben aufgefordert, hungsgeldes und Erziehungsurlaubs erwähnen. Das mutig zu sein und mich mit meiner Stimme im Erziehungsgeld soll ab 1993 sogar auf 24 Monate Bundestag für das Leben zu entscheiden. Das tue ich, ausgedehnt werden. indem ich den Gruppenantrag unterstütze. Unser Ein familienpolitisches Jahrhundertwerk im Rah- Antrag bietet Hilfe statt Strafe. Nur unter diesen men des Rentenrechts dürfte auch die Anerkennung Voraussetzungen kann Leben lebenswert genannt eines Erziehungsjahres in der gesetzlichen Renten- werden. versicherung sein. Auch die hier geplante Verbesse- Den Lebensschützern kann ich nur nachträglich mit rung, für Geburten ab 1992 drei Jahre für die Erzie- auf den Weg geben: Machen Sie einmal Bilanz über hung eines Kindes als rentenrechtliche Zeit anzuer- die Kosten dieser zum Teil unsäglichen Aktion. Spen- kennen, ist eine beachtliche Weiterentwicklung des den Sie beim nächsten Mal die Kosten, die Ihnen für Gedankens, die Kindererziehung und die Berufstätig- Papier, Porto, Plastikföten usw. entstanden sind, der keit gleichwertig zu be trachten. Nicht zu vergessen örtlichen Kindergarteninitiative oder meinetwegen die Stiftung „Mutter und Kind". auch dem Müttergenesungswerk. Damit hätten Sie Mit diesen Maßnahmen wurde zweifellos die Lage dem Leben einen größeren Dienst erwiesen. der Mutter verbessert, jedoch muß noch wesentlich mehr erfolgen, um glaubwürdig zu dokumentieren, Wolfgang Schulhoff (CDU/CSU): Wenn ich als einer daß man helfen will. rede, der sich bis jetzt vornehmlich mit Finanzpolitik Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang, beschäftigt hat, so ist mir doch durchaus bewußt, daß wenn der Rechtsanspruch auf einen Kindergarten- es bei der heutigen Entscheidung um mehr geht als platz schon vor dem Jahre 1999 bestehen würde. nur um Geld. Es geht um Leben schlechthin, um das Jedoch müssen wir hier Rücksicht nehmen auf Länder werdende Leben, aber gleichzeitig auch um das und Gemeinden. Wir brauchen sowohl Zeit zur Vor- weitere Leben einer Frau, die sich in einer Notlage bereitung als auch finanzielle Mittel. Bekanntlich ist befindet, aus der sie momentan keinen Ausweg mehr unser Finanzrahmen durch die enormen Mittel, die sieht. Oft wird sie in dieser Konfliktsituation noch wir brauchen, um die Schäden des Sozialismus zu alleine gelassen. beseitigen, sehr beengt. Trotzdem muß man auch hier In dieser Situation braucht sie Zuspruch und natür- Prioritäten setzen. lich mehr noch konkrete Hilfe, Hilfe für Leben mit ihrem Kind. Sie braucht Wohnung, Einkommen, Sie sehen, meine Damen und Herren, daß es mir um Betreuung des Kindes und die Chance, sich auch Hilfe für die sich in Not befindende Frau und nicht um weiter selbst zu verwirklichen. Strafe geht. Also geht es auch um Geld. Wer sich glaubwürdig Ich gebe auch zu, daß mir bei dem Antrag meiner schützend vor das werdende Leben und die Mutter Fraktion, dem ich zustimmen werde, nicht alles stellen will, muß auch bereit sein, materiell zu helfen, gefällt. Jedoch bei Abwägung aller Möglichkeiten, alle anderen Bemühungen entbehren sonst ihre die mehrheitsfähig wären, ist für mich dieser Antrag Glaubwürdigkeit. Moralisierendes Handauflegen ge- die beste Lösung, da eine wie auch immer gestaltete nügt nicht. Fristenlösung für mich aus ethischen und verfassungs- rechtlichen Gründen nicht akzeptabel ist. Hilfe muß konkret faßbar und abrufbereit sein, sonst bleibt alles Gerede darüber nur Makulatur und hat Wenn ich mich frage, was sich denn eigentlich ausschließlich Alibifunktion. Deshalb sei mir erlaubt grundsätzlich zur Ausgangslage der ersten parlamen- aufzuzeigen, was die Bundesregierung und die sie tarischen Diskussion über den Schwangerschaftsab- tragende Koalition seit 1982 getan hat, um die Situa- bruch Anfang der siebziger Jahre bis heute geändert tion von Müttern in den ersten Lebensjahren des hat, so sehe ich ein klares Urteil des Bundesverfas- Kindes und natürlich darüber hinaus zu verbessern. sungsgerichts gegen eine Fristenlösung und die Viel- zahl der von mir vorab kurz erwähnten Maßnahmen In knapp zehn Jahren haben sich die familienpoli- zur materiellen Verbesserung der Situation von Frau tischen Leistungen mehr als verdoppelt, nämlich von und Familie. Ganz im Sinne des Verfassungsgerichts- knapp 27 auf 56 Milliarden DM. urteiles: Hilfe vor Strafe. Im einzelnen darf ich auf folgende familienpoliti- Ich verkenne nicht, daß sich auch noch ein Werte- sche Verbesserungen hinweisen: Steuerliche Berück- wandel vollzogen hat; so jedenfalls berichten die sichtigung von Kinderbetreuungskosten bei Alleiner- Demoskopen. Ja, der Zeitgeist hat sich offensichtlich ziehenden, Wiedereinführung eines steuerlichen Kin- geändert. In einer so elementaren Frage jedoch, wie derfreibetrages und kontinuierliche Anhebung dieses sie heute zur Entscheidung ansteht, kann und will ich Betrages, Verdopplung der steuerlichen Ausbil- mich dem Zeitgeist nicht beugen. dungsfreibeträge für auswärtig untergebrachte Kin- der, Erhöhung des steuerlichen Haushaltsfreibetrages für Alleinerziehende parallel zur Verbesserung des Stefan Schwarz (CDU/CSU): Ich habe seit einiger Grundfreibetrages, Einführung eines Pflegepausch- Zeit das Gefühl, daß wir bei der Diskussion um den betrages, Anhebung des Baukindergeldes und Kin- § 218 eine Menge mitdiskutieren, was zum eigentli- derzuschlag für Geringverdienende. chen Strafrecht sinnvollerweise wohl nicht gerechnet werden kann. Dieser Katalog ist noch unvollständig und könnte fortgesetzt werden, jedoch möchte ich in diesem Um allzusehr aufs Strafrecht Hoffende zu warnen, Zusammenhang nur noch die Einführung eines Erzie- stelle ich vorweg fest: Das Strafrecht ist faktisch ein 8438* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 kaum wirksames Mittel. Es gibt zu viele Alternativen cengerechtigkeit im familiären und beruflichen im freien Europa, ja auch in Deutschland selbst. Leben? Vor dem Strafrecht sind im übrigen wichtigere und Es ist wahr: Frauen werden zur Abtreibung von effektivere Schritte zum Schutz des Lebens möglich Männern gedrängt. Es ist wahr: Alleinerziehende und nötig. Helfen statt Strafen war in dieser Frage haben teilweise einen miserablen Stand in unserem immer die Devise der CDU/CSU. Wer Leben wirklich Land. Und es stimmt auch. Die Not der Familien ist in effektiv schützen will, der muß alle möglichen, im Deutschland oft größer, als wir es wahrhaben wollen. wahren Sinne des Wortes: alle möglichen Chancen Für dies alles schäme ich mich; denn ich weiß um ergreifen, Eltern das Ja zum Kind zu erleichtern und unsere Unterlassungen in diesem Feld. Meine Damen ein Nein zum Kind zu verhüten. und Herren, machen wir uns nichts vor: Wir bleiben in einer unglaubwürdigen Lage, wenn wir daran nicht Es geht mir bei dieser Frage ausdrücklich nicht um wesentlich mehr ändern als bisher. die Überfrachtungen dieses letzten Mittels, nämlich des Strafrechts, mit allen möglichen anderen The- Die Feststellung all dieser Unzulänglichkeiten, men. Mängel und teilweise großen Ungerechtigkeiten kann mich aber doch nicht zu folgendem bringen: Ich Diese anderen, dem Strafrecht vorausgehenden Fragen müssen wir lösen, um glaubhaft zu sein — kann nicht die innere Barriere übersteigen, die es mir erlauben könnte, das Leben eines Menschen ohne gegenüber den lebenden Frauen wie vor allem Androhung von Sanktionen töten zu lassen. gegenüber den ebenfalls lebenden Menschen, die wir — zu diesem Zeitpunkt — nur per Ultraschall sehen Ich bitte auch um Verständnis, und ich entschuldige können. mich bei all den wirklich verzweifelten Frauen und Wer den Eltern, den Frauen und Männern, die Männern für die sicherlich teilweise empfundene Entscheidung für das Kind wirklich erleichtern will, Zumutung, denen wir sie im CDU/CSU-Entwurf der darf sich nicht darauf beschränken, Kind und dadurch aussetzen, daß wir Hürden eingebaut haben, Eltern in den ersten zwei bis drei Lebensjahren und die wir vor das ja stattfindende Töten eines Menschen danach zu begleiten. Es gehört eine wirklich kinder- setzen. freundliche Gesellschaft dazu, die Spiel- und Bolz- Es geht uns dabei ja nicht um Unterstellungen plätze von Kindern nicht deshalb verbietet, weil das gegenüber angeblich leichtfertigen Frauen, es geht Rufen und Spielen von Kindern unter Lärmbelästi- nicht um das Zuschustern aller Verantwortlichkeiten gung fällt; die mit der doppelten Moral aufräumt, daß an die Frau im Schwangerschaftskonflikt. Es muß aber zwar Abtreibung Mord sei, uneheliche Kinder aber darum gehen, eine Chance auch für denjenigen zu eine Katastrophe für das Ansehen bedeuten; die garantieren, der im Konfliktfalle noch schwächer ist denjenigen Elternteilen, die sich ihrer Kinder beson- als die schwangere Frau; nämlich für den Menschen, ders annehmen, sowohl in Familie als auch im Beruf den sie in sich trägt. wirkliche Chancen einräumt und nicht nur in Debat- ten um den § 218 oder auf Gewerkschaftskongressen Weder vor Beratungsstellen noch vor verantwortli- oder politischen Grundsatzerklärungen darüber re- chen Fachärzten muß frau sich fürchten. Es geht nicht det. urn Entmündigung, es geht um Zumutung für die Frau und den Mann. Mir geht es vor allem um Chancen- Ich habe oft den großen Fehler beobachtet, daß gleichheit und Schutz für ungeborene Menschen in menschliches Leben ausgespielt wurde gegen das solchen Konfliktfällen, in denen wir anders nicht Selbstbestimmungsrecht der Frau. Wir reden — auch helfen könnten. als Männer — häufig in einer Entweder-oder-Spra- che, in der Alternative Recht der Frau oder Recht des Ein fachlich versierter, mit den Themen vertrauter Kindes anstatt wirklich für das Leben zu werben. und frei zu wählender Arzt entscheidet sicherlich mit der Frau für das Kind, nicht im Sinne einer Obrigkeit Und noch immer sind wir hier in diesem Parlament gegen die Frau. in der Bringschuld: Noch immer fehlt die freundlich- werbende Kampagne für das menschliche Leben, Es geht mir — auch als Mann — darum, denjenigen noch immer ist die Sexualaufklärung in Schule und meiner Geschlechtsgenossen das Handwerk zu legen, anderswo unzureichend, noch immer leben wir hier die Druck zum Töten auf die Schwangeren aus- mit Tabus, die wir im Ergebnis oft mit dem Töten von üben. Menschen bezahlt sehen. Ich will hier abschließend persönlich etwas beken- Wir haben große Unterlassungen begangen, alle nen, was ich für nicht untypisch halte. Das Sich- miteinander. Wir haben zum Beispiel Prioritäten in Freuen und das Schön-Reden über Kinder wider- diesem Bereich von Leben und Tod auf Finanzielles spricht natürlich eklatant dem, was wir hier im politi- reduziert und dann für nicht finanzierbar erklärt. Wir schen Bereich vielfach praktizieren und vorleben. nehmen im übrigen nach wie vor Wohnungsanzeigen Eines ist doch klar: Wenn ich mich nach den Erfolgs- hin, in denen als Bedingung für ein Dach überm Kopf gesetzen der politischen Klasse in der Bundesrepublik steht: „ohne Kinder". Wo sind wir eigentlich hinge- Deutschland richte, wäre ich doch völlig verrückt, kommen in diesem Land? Wo bleibt eigentlich unser wenn ich mich etwa mehr als nur zwischen allen Aufbäumen gegen diese wirklich beschämenden Terminen um meine Kinder kümmern würde. Das Umstände in einem der reichsten Länder der Erde? berühmte „Sitzfleisch", das Absitzen von Terminen, Wie halten's eigentlich die Gewerkschaften und die entscheidet noch immer mehr über politischen Erfolg Arbeitgeber mit der Herstellung von wirklicher Chan- als das persönliche Engagement in der Familie inklu- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8439* sive der Kinder. Ich wünsche mir die Kraft, auch gegen Auffassung keinen rechtlichen Schutz des Lebens diese kinderunfreundliche Tendenz anzugehen. geben, der für einen bestimmten Lebenszeitraum versagt wird. Das bedeutet, daß ich es sowohl nach Ich komme aus einer Familie mit sechs Kindern — unserer christlichen Lebensordnung wie nach unse- heute würden wir vielleicht ja schon als asozial gelten. rem Grundgesetz für nicht statthaft halte, den Rechts- Aber ich sag' Ihnen was: Ich fand's toll. Ich sag' Ihnen schutz etwa bis zur 12. Woche des Lebens zu verwei- noch was: Ich liebe meine Eltern und meine Geschwi- gern. ster. Es ist — bei allen großen und kleinen Schwierig- keiten — ein schönes Gefühl. Deshalb will ich auch Ich halte eine solche Festlegung auch deswegen für selber Kinder haben — und ich werde mir Mühe wichtig, weil uns die Diskussion um die Euthanasie, geben, daß die mal dasselbe sagen, was ich heute also um die zwangsweise Beendigung des Lebens im sagen kann. Alter oder in einer Krankheit, und um die Lebensbe- rechtigung von Behinderten in Zukunft beschäftigen Uns allen wünsche ich die Kraft, trotz der empfun- wird. Und ich stelle die Frage, ob wir diese Probleme denen Zumutungen für verzweifelte Frauen und auch dann auch mit „Fristen" regeln wollen oder müssen. Männer den CDU/CSU-Entwurf zu beschließen, um Von entscheidender Bedeutung sind aber neben der dem Leben eine faire Chance zu geben. Frage „Wissen wir eigentlich genug vom Leben?" und neben dem erforderlichen rechtlichen Schutz des Heinz Seesing (CDU/CSU): Die Diskussion um den Lebens von seinem Anfang bis zum gottgewollten Schutz des ungeborenen Kindes hat mir gezeigt, daß Ende die umfassenden Hilfen, die Familien, Eltern, bei vielen Menschen das Wissen um das menschliche besonders den Müttern, und den Kindern gewährt Leben und seinen Beginn äußerst gering ist. Eine neue werden. Wer wirklich Lebensschutz will, der muß Einstellung zum Leben ist aber nur dann zu erreichen, diese Hilfen als einen Schwerpunkt der Politik anse- wenn alle Menschen mehr darüber wissen. hen. Es ist schon beängstigend, wie gerade die Frage Ich sehe meine Vorstellungen am besten gesichert nach dem Lebensbeginn in der Diskussion ausge- in den Gesetzentwürfen der „Gruppe Werner" und klammert wird, um nicht bestimmte Schlußfolgerun- — danach — der Mehrheit der Mitglieder der CDU/ gen ziehen zu müssen. Die hat der Deutsche Bundes- CSU-Bundestagsfraktion. Entsprechend werde ich tag aber bereits einmal gezogen, als es um den Schutz mich in den Abstimmungen verhalten. des in der Retorte gezeugten Embryos ging. Im Embryonenschutzgesetz ist ein sehr weitgehender Bärbel Sothmann (CDU/CSU): Wie schützen wir am Schutz des extrakorporal erzeugten Embryos erreicht wirksamsten das ungeborene Leben? Kaum ein worden. Die Ablehnung des Gesetzes durch Teile des Thema hat in den letzten Jahren so viele Menschen Bundestages erfolgte nicht wegen eines möglicher- bewegt, wie die Neuregelung des Gesetzes zum weise zu weit gehenden Schutzes solcher Embryonen, Schutz des ungeborenen Lebens. Diese Frage, die wir sondern weil einzelne Bestimmungen nach Ansicht heute hier entscheiden müssen, ist wohl die elemen- dieser Kolleginnen und Kollegen nicht ausreichend tarste, die Mitglieder des Deutschen Bundestages in sind und weil einige Probleme noch gar nicht geregelt ihrem Parlamentarierleben zu beantworten haben. wurden. Wichtig für unsere derzeitige Diskussion ist Wir stehen in einer großen Verantwortung. aber die Begriffsbestimmung in § 8 dieses Gesetzes. Dort heißt es: „Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes Ich wende mich entschieden gegen die Fristenlö- gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige sung. Ein Schwangerschaftsabbruch ist ein grundsätz- menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernver- lich zu mißbilligendes Unrecht. schmelzung an. " Das ist auch wohl naturwissenschaft- Es gibt keinen qualitativen Sprung in der Entwick- lich die einzige mögliche Festlegung auf den Beginn lung des Menschen. eines neuen Lebens. Ich sehe auch rechtlich keine Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben andere Möglichkeit, genau den Beginn des Schutzes uns zu Wissenden gemacht, zu Wissenden darüber, menschlichen Lebens zu bestimmen. Meine Frage ist daß ungeborenes Leben ab dem Zeitpunkt der Zeu- jetzt: Wieso soll der in der Retorte erzeugte Embryo gung menschliches Leben ist. mehr Schutz erfahren als der natürlich gezeugte? Das Embryonenschutzgesetz schützt allerdings auch sol- Unsere Verfassung, die im Bewußtsein der „Verant- che Embryonen, indem es verbietet, sie noch vor der wortung vor Gott und den Menschen" beschlossen Einrüstung in die Schleimhaut der Gebärmutter zu wurde, sagt: Jeder hat das Recht auf Leben und entnehmen, um sie zu veräußern oder Experimente körperliche Unversehrtheit. Die Würde des Menschen anzustellen. Wieviel mehr müßte der Embryo dann vor ist unantastbar und vom Staat nicht nur zu achten, Eingriffen geschützt werden, die seinen Tod beab- sondern auch zu schützen. Dies gilt auch für das sichtigen! ungeborene Leben. Eine Fristenlösung, die menschli- ches Leben für eine gewisse Zeit zur Disposition stellt, Rechtsgüter werden bei uns durch Gesetz ist mit den Grundwerten unserer Verfassung nicht geschützt. Noch immer halte ich das menschliche vereinbar. Dies hat auch das Bundesverfassungsge- Leben für das höchste zu schützende Gut. Es bedarf richt bereits 1975 festgestellt. des rechtlichen Schutzes von seinem Anfang bis zu seinem Ende. Nur in Fällen der Notwehr darf man Mit anderen Worten: Es kann nicht sein, daß über dieses Gebot hinweggehen. Auch unser Grund- Lebensschutz bestimmten Fristen unterliegt und daß gesetz billigt jedem das Recht auf Leben und körper- ohne gerichtlich überprüfbare Indikation die anson- liche Unversehrtheit zu. Deswegen haben wir ja auch sten strafbare Abtreibung innerhalb einer völlig will- die Todesstrafe abgeschafft. Es kann nach meiner kürlichen Frist von 12 Wochen gebilligt wird. Es kann 8440* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

auch nicht sein, daß das Selbstbestimmungsrecht der unserer Rechtsordnung als zu schützendes Gut veran- Frau ihr das Bestimmungsrecht über ein anderes kert bleiben. Das Indikationsmodell ist für mich der menschliches Leben gibt. Die Freiheit des einzelnen äußerste Kompromiß, der sich in der Frage der Abtrei- hört da auf, wo die Freiheit — oder die Menschen- bung finden läßt. Ich kann daher nur für die Indika- würde, um mit dem Grundgesetz zu sprechen — des tionslösung stimmen. Ich bitte Sie, stimmen auch Sie anderen beginnt. Deshalb kann und darf es auch nicht dafür! die Sache der Frau sein, allein über Leben und Tod eines kleinen menschlichen Wesens zu entscheiden. Dr. Hans Stercken (CDU/CSU): Um im Einklang mit Von seiten des Gesetzgebers muß der Lebensschutz der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland zu des Ungeborenen — als schwächstem und schutzbe- leben, habe ich mich seit 1949 nicht an Verfassungs- dürftigstem Mitglied unserer Gesellschaft — während interpretationen orientiert, sondern an dem, was die der gesamten Dauer der Schwangerschaft Vorrang Verfassungsgeber in den Debatten des Parlamentari- vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren schen Rates als Begründung für ihre Entscheidungen haben. Das Motto „Hilfe statt Strafe", nach dem die vorgetragen haben. Vertreterinnen und Vertreter der Fristenlösung ope- rieren, greift daher nach meinem Verständnis zu kurz. Hier ist ein in meiner Erinnerung verbliebenes Zitat Es steht außer Frage, daß Schwangeren in Konfliktsi- aus der Sitzung des Hauptausschusses des Parlamen- tuationen umfassende Hilfen zur Verfügung gestellt tarischen Rates: werden müssen. Der Mehrheitsentwurf meiner Frak- Dr. Heuss (F.D.P.): Ich stimme an sich mit Frau tion sowie der bereits von uns beschlossene, umfang- Dr. Weber überein, daß der Begriff des Lebens reiche sozial- und familienpolitische Maßnahmenka- auch auf das keimende Leben ausgedehnt ist. talog zum Schutz des ungeborenen Lebens tragen Aber ich bin der Meinung, wir dürfen in die dem ausdrücklich Rechnung. Oberstes Ziel ist es, die Verfassung selber nicht Dinge hineinnehmen, die Bereitschaft der werdenden Mutter, die Schwanger- im Strafgesetz als solche geregelt sind. Infolge- schaft anzunehmen, zu stärken und Wege aus der dessen halte ich sowohl die Nennung des keimen- Konfliktsituation aufzuzeigen. den Lebens als einer Sonderfrage wie die Nen- nung der Todesstrafe für überflüssig. Wir wissen, daß die Frauen sich ohne Zwang nur selten gegen ihr Kind entscheiden. Aber da ist ihr Ich halte an dieser Erklärung der Absichten des Umfeld: Die Eltern, der Partner, die Familie, sie setzen Verfassungsgebers fest. Ohne eine Änderung der die Frau nicht selten unter Druck und zwingen sie zur Verfassung kann das Recht auf Leben des ungebore- Abtreibung, anstatt ihr unterstützend zur Seite zu nen Kindes innerhalb willkürlicher Fristen nicht ein- stehen. Die Pflichtberatung kann in diesem Fall hel- geschränkt werden. fen, der Frau wieder eine eigenständige Orientierung zu ermöglichen. Staat und Gesellschaft müssen dafür Sorge tragen, daß jede Frau ihr Kind mit einer Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Es vernünftigen Perspektive großziehen kann. Erzie- wird heute hier sehr ernsthaft diskutiert, und es hungsgeld, Erziehungsurlaub, Kindergeld, Familien- werden die unterschiedlichsten Meinungen vertreten. geld, Arbeitsplatzgarantie, der Anspruch auf einen Aber ich muß zu vielen Rednern — Rednerinnen Kindergartenplatz, Sozialhilfe, die Bundesstiftung insbesondere — sagen, daß nicht die Würde der Frau „Mutter und Kind" werden dazu beitragen. heute zur Abstimmung steht, sondern der Schutz des ungeborenen Lebens. Die Befürworter des Gruppen- Aber es geht nicht nur um diese staatlichen Hilfen. antrags haben sich wenigstens bemüht — mindestens Das Klima in unserer Gesellschaft muß kinderfreund- subjektiv — das werdende Leben zu schützen, indem licher werden. Das ist nicht nur die Aufgabe der sie eine positive Beratung, d. h. eine Beratung für das Regierung, sondern vor allem die Aufgabe der Men- Leben fordern. Aber im entscheidenden Moment schen, die Aufgabe eines jeden einzelnen von uns. lassen sie die Frau allein, weil sie meinen, das Selbst- Die heutige Diskussion um den Schutz des werden- bestimmungsrecht, die Würde der Frau fordere dies. den Lebens bietet auch die Gelegenheit, über die Wertvorstellungen in unserem geeinten Deutschland Dabei wird übersehen, daß — ich möchte sagen -- Klarheit zu gewinnen, nämlich: der überwiegende Teil der Abtreibungen zustande kommt, weil der Erzeuger oder ein anderer Mensch, 1. Menschliches Leben ist ein Wert an sich, über das Eltern, Geschwister oder sogenannte wohlmeinende kein Mensch frei verfügen darf. Nachbarn zur Abtreibung drängen oder raten. Genau 2. Leitbild unserer Verfassung ist der mündige hier wäre es sinnvoll, daß nach der ersten Beratung die Bürger, das heißt der Mensch, der in Verantwortung letztliche Entscheidung gemeinsam mit dem Arzt vor Gott und den Menschen — wie es in der Präambel erfolgt. des Grundgesetzes heißt — sein Leben gestaltet. Der Zudem werden zwei Rechte gegeneinander abge- mündige Bürger ist das Leitbild, an dem wir uns alle wogen, die schlichtweg nicht vergleichbar sind. Wenn orientieren müssen. Das bedeutet konkret auf die nur zwischen der Würde der Frau und der Würde des Abtreibungsfrage bezogen: Niemand entbindet die ungeborenen Lebens entschieden würde, könnte die Frau von ihrer Verantwortung. Güterabwägung leichter durchgeführt werden. Hier Auf der anderen Seite entbindet aber auch den wird aber Würde gegen Leben gestellt. Das Leben ist Gesetzgeber in einem Rechtsstaat niemand von seiner ganz sicher das höherwertige vom Grundgesetz Verpflichtung, Unrecht zu nennen, was Unrecht ist. geschützte Rechtsgut. Hierin liegen der Irrtum vieler Der Schutz des ungeborenen Lebens muß daher in Anhänger dieses Antrages und auch das Unrecht. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8441*

Wer aber wie die Anhänger der PDS und teilweise Für mich als Christ liegt die besondere Würde des des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN die ersatzlose menschlichen Lebens darin begründet, daß der Streichung des § 218 StGB fordert, billigt die Tötung Mensch Gottes Ebenbild ist. Diese Vorstellung vom ungeborenen Lebens bis unmittelbar vor der Geburt. Menschen als dem „Abbild Gottes" stammt aus dem Das ist eine schlimme und in einer Demokratie uner- ersten Schöpfungsbericht der Bibel (Gen 1,26f). Als trägliche Rechtsansicht. Christ weiß ich: Jedes menschliche Leben erhält einen eigenen Wert und Sinn, indem Gott es schafft, ruft, Dem Schutz des ungeborenen Lebens dient ganz achtet und liebt. Der Mensch hat eine unverlierbare sicher, wenn er Gesetz würde, der sogenannte Wer- Würde, weil Gott ihn berufen hat, sein Gegenüber zu ner-Entwurf, der aber — wie die Mehrheiten heute sein, und weil er ihn in Jesus Christus unbedingt hier zeigen — keine Chance hat. Dabei verkenne ich angenommen hat. nicht, daß die Strafandrohung und die Einschränkung der Abtreibungsmöglichkeiten die Abtreibung als Ungeborene Kinder sind da natürlich nicht ausge- solche nicht verhindern. Dies tun aber auch die grenzt, sondern mitgemeint. Indem Gott bereits das Strafandrohungen bei Diebstahl, Mord und Totschlag ungeborene menschliche Leben annimmt, verleiht er nicht. Der Staat muß seine Rechtsposition verteidigen, ihm menschliche Würde. Daraus folgt nun für mich die wenn nicht die Demokratie in Anarchie untergehen Verpflichtung, das ungeborene menschliche Leben soll. Viele von denen, die heute „knallhart" für die anzunehmen und zu schützen — keineswegs nur, aber Fristenlösung eintreten, wären nicht geboren, wenn auch durch das Strafrecht, das als letztes Mittel das Gesetz, was sie heute hier vertreten, Geltung dient. gehabt hätte. Es ist für Biologen und Mediziner unstrittig, daß es Politik heißt aber auch gegebenenfalls das kleinere sich beim ungeborenen Kind um menschliches Leben Übel zu wählen. Deswegen werde ich, wenn der handelt. Meiner Meinung nach darf über dieses indi- Werner-Entwurf keine Mehrheit findet, dem Mehr- viduelle Leben niemand willkürlich verfügen. Zwar heitsentwurf der CDU/CSU zustimmen, weil hier die ist es richtig, daß ein noch nicht geborenes Kind in Frau eine Möglichkeit der Beratung und Hilfestellung besonderer Weise von der schwangeren Frau abhän- erhält, die besser ist als bei jedem anderen Entwurf. gig ist. Das heißt aber noch lange nicht, daß es nur ein Die Hürde soll und muß möglichst hoch sein, damit die Teil von ihr ist. Das ungeborene Kind ist ein eigen- Achtung vor dem ungeborenen Leben bleibt und eine ständiges menschliches Wesen. Aus dem Selbstbe- Mutter zwischen der Tötung des ungeborenen Lebens stimmungsrecht der Frau kann deshalb kein Verfü- und eigenen Problemen wirklich abwägt. Soziale gungsrecht über das in ihr heranwachsende Kind Probleme können heute bei den vielen flankierenden abgeleitet werden. Der Lebensschutz für das ungebo- Maßnahmen nicht mehr der Grund sein, was immer rene Kind hat für mich Vorrang vor dem Selbstbestim- sonst unter „psycho-soziale Notlage" verstanden wer- mungsrecht der Schwangeren. In diesem Wissen den kann. lehne ich eine Fristenlösung ab, denn Leben kann und Ich bitte deshalb ebenso eindringlich wie fordernd darf niemals „befristet" freigegeben werden. die Befürworter des Werner-Entwurfs, nach der Aus- Bei der in Westdeutschland praktizierten Indika- zählung der Stimmen ihres Antrages dem Mehrheits- tionslösung hat sich nach meiner festen Überzeugung entwurf der CDU/CSU zuzustimmen. Nur so läßt sich die Abtreibungspraxis von der Gesetzeslage entfernt. eine Mehrheit für den Gruppenantrag verhindern. Wenn 83,3 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche Sollte dieser Gesetzentwurf durchgehen und vom als soziale Notlagenindikationen ausgewiesen wur- Verfassungsgericht gehalten werden, bleibt ein Trost, den, kann dies mit der im Gesetz genannten „schwe- daß die Kinder, die trotz — oder wegen, wie die ren Notlage" offensichtlich nicht begründet werden. Befürworter meinen — dieses Gesetzes auf die Welt Eine wirkliche Notlage kann ich nur akzeptieren bei kommen, samt ihren Müttern und Eltern materiell einer gravierenden Gefahr für die Gesundheit der besser gestellt sind, weil die flankierenden Maßnah- Schwangeren, das heißt, wenn das Leben der Mutter men, die bei dem CDU/CSU-Entwurf und dem Grup- dem Leben des Kindes gegenübersteht. penantrag nahezu gleich sind, eine wesentliche Ver- besserung bringen. Zur Aufgabe der Politik gehört es, einen gesell- schaftspolitischen Rahmen zu schaffen, der werden- den Müttern jede Hilfe zukommen läßt, um ein Kind Hans-Gerd Strube (CDU/CSU): „Jeder hat das zur Welt kommen zu lassen und mit ihm ohne Not zu Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." So leben. Hier sehe ich meine Aufgabe als Politiker. beginnt der zweite Absatz des Artikels 2 des Grund- Vieles ist in der Zeit der CDU/CSU-Regierung in der gesetzes. Da das Recht auf Leben jedem garantiert Familien- und Sozialpolitik an Positivem geschehen. wird, handelt es sich um ein Menschenrecht. Dieses Ich nenne die Stiftung „Mutter und Kind", die Neu- Menschenrecht steht — unabhängig von Alter, Rasse, gestaltung des Familienlastenausgleichs, Erziehungs- körperlicher oder geistiger Verfassung — jedem geld und Erziehungsurlaub mit Beschäftigungsgaran- menschlichen Leben zu, und damit eben auch dem tie, die Anerkennung von Erziehungszeiten in der ungeborenen Leben. Das hat das Bundesverfassungs- Rentenversicherung, die Verbesserung des Baukin- gericht am 25. Februar 1975 beim Urteil gegen die dergeldes und viele andere Maßnahmen. Fristenlösung bekräftigt. Für die grundgesetzliche Ordnung unseres Staates ist das menschliche Leben Finanzielle Hilfen sind nötig — es gilt, sie auszu- ein Höchstwert, weil es „die vitale Basis der Men- bauen. Aber noch wichtiger ist, daß wir für die schenwürde und die Voraussetzung aller anderen Achtung vor dem Lebensrecht der ungeborenen Kin- Grundrechte" ist (BVerfGE 39, 1). der kämpfen, um eine Korrektur des teilweise fehlge- 8442* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 leiteten Wertebewußtseins in unserer Gesellschaft zu Diese Frauen würden zum einen den Eindruck erreichen. erhalten, daß nicht sie bestimmen, sondern daß über sie bestimmt wird. Zum anderen müssen sie bei dem Erfreuliche Ansätze und Erfolge im Kampf urn den Unionsantrag den Eindruck erhalten, unser Rechts- Schutz der ungeborenen Kinder sind festzustellen. Es staat nimmt es mit dem Recht nicht genau. Denn was wurden Einrichtungen geschaffen, denen manches soll eine Strafvorschrift für eine Frau, wenn keine Frau Kind die Rettung seines Lebens und manche Mutter nach dieser Vorschrift bestraft wird? Ich muß mich die Freude an ihrem Kind verdankt. verbessern: 1990 soll eine Frau nach § 218 StGB Eine Gesellschaft, die im Tier- und Pflanzenschutz verurteilt worden sein. S trafrecht ist doch nicht die weltweit an der Spitze steht, wird hoffentlich auf Verkündung eines moralischen Maßstabes, sondern Dauer auch zu der Erkenntnis gelangen, daß das eine Strafrechtsnorm gibt doch nur Sinn, wenn eine ungeborene Kind schützenswert ist. für strafbar erklärte Handlung auch bestraft wird. In dieser Situation ist es daher erforderlich, eine Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Die Diskussion zur neue und tragfähige Lösung zu finden. Die Verhand- Neuregelung des § 218 StGB besteht in vielen Teilen lungen der letzten Monate haben gezeigt, daß wir uns aus der Darlegung von Glaubensbekenntnissen und um eine solche Lösung in ungewöhnlicher Intensität dem Streit um den richtigen Weg. Ich finde es gut, daß bemüht haben. Dabei hat die Aufhebung der Frak- wir hier die Debatte frei von Fraktionszwängen füh- tionsbindung, die ich sehr begrüße, sicher eine ganz ren, weil es unterschiedliche Wege zum gleichen Ziel wichtige Rolle gespielt. Damit ist der Weg frei gewor- gibt. Über das gemeinsame Ziel besteht Einigkeit: den für eine ganz individuelle Gewissensentschei- eine kinderfreundlichere Gesellschaft, die es Frauen dung. ermöglicht, sich für das Kind zu entscheiden und Ich möchte Ihnen einige Argumente nennen, die für damit die Zahl der Abtreibungen zu minimieren. meine persönliche Entscheidung dabei wichtig sind: Für mich soll eine Schwangerschaft möglichst mit Ziel jeder rechtlichen Regelung der Abtreibung muß einer Geburt enden, nicht mit einem Abbruch. Es gibt ein vernünftiger Ausgleich im Konflikt zwischen den allerdings Gründe, die für einen Abbruch sprechen Interessen der schwangeren Frau und des werdenden können. Das sieht übrigens ebenso der CDU/CSU- Lebens sein. Deshalb ist es auch das gute Recht und Antrag vor. Insofern besteht auch kein grundsätzli- sogar die Pflicht der katholischen Kirche, ihre Stimme cher Widerspruch zwischen dem Antrag der Union in diesem Zusammenhang zu erheben und ihre Inter- und dem von der F.D.P. initiierten Antrag. pretation in die Diskussion einzubringen. Aber allein die Interpretation der katholischen Kirche kann nicht Ich bin allerdings erstaunt darüber, daß der Staat maßgeblich sein für die Ausgestaltung einer Straf- insbesondere aus katholischen Kreisen immer wieder rechtsnorm. Diese muß auf einem weitaus breiteren aufgefordert wird, Moralvorstellungen mit Hilfe des Konsens beruhen. Das S trafrecht darf nicht als Mittel Strafrechtes durchzusetzen. Ich kann mich auch des- benutzt werden, die Wertentscheidung einer Gruppe halb kritisch damit auseinandersetzen, weil ich selbst allen Frauen aufzuzwingen. Katholik bin, mich dieser Auseinandersetzung immer gestellt habe und viele Gespräche, u. a. auch mit dem Ich denke, wirksame Hilfe für die Mütter und eine Osnabrücker Bischof Ludwig, hierzu geführt habe. In familien- und kinderfreundliche Gesellschaft verhin- diesen Gesprächen habe ich mich in meiner Einschät- dern Abtreibungen wesentlich effektiver als Strafan- zung bestätigt gefunden, daß die Strafandrohung für drohungen. Deshalb läßt sich dieses wünschenswerte einen Schwangerschaftsabbruch das ungeeignete Ergebnis nach meiner Meinung in Deutschland nicht Mittel ist, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu etwa durch eine Strafrechtsreform erreichen. Viel reduzieren. mehr geeignet ist eine Erhöhung der Kinderfreund- lichkeit unserer Gesellschaft in Verbindung mit einem Die rechtliche Regelung des Schwangerschaftsab- noch verbesserten Schutz vor ungewollten Schw an bruches durch den bisherigen § 218 StGB hat schon in -gerschaften. den alten Bundesländern nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt. Das Indikationsmodell hat nicht In diesem Sinne habe ich mit zahlreichen anderen zu dem erwarteten und heute noch von der Mehrheit Abgeordneten den Gruppenentwurf ins Parlament der Union behaupteten Maß an Schutz des ungebore- eingebracht. Die Neuformulierung der §§ 218ff StGB nen Lebens geführt. Zugleich hat es die schwangeren ist nur ein kleiner Teil des Gesamtpakets, das wenig- Frauen einem fremdbestimmten Verfahren ausgelie- stens in materieller Hinsicht dafür sorgen wird, daß fert, das zu Recht oft als entwürdigend empfunden Kinder nicht länger als Last oder gar Schaden anzu- wird. sehen sind. Dadurch soll keine Frau mehr aus mate- riellen Gründen eine Abtreibung für erforderlich hal- Durch die deutsche Einigung droht diese Kluft ten müssen. zwischen rechtlichem Anspruch und gesellschaftli- cher Realität weiter zu wachsen. Die Frauen in den Eine entsprechende Bewußtseinsänderung bei neuen Bundesländern sind es bisher gewohnt, selbst Frauen, die glauben, über Abtreibung ihre Selbstbe- über die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft zu stimmung behaupten zu müssen, kann dadurch leider entscheiden. Wenn am Ende dieses Jahres ein nicht herbeigeführt werden. Das vermag jedoch auch gemeinsames Recht zum Schwangerschaftsabbruch das Strafrecht nicht. Dieses Ziel können wir Politiker in Ost und West in Kraft treten muß, wäre den Frauen überhaupt „von oben" nicht erzwingen. Das kann in den neuen Bundesländern die bisherige Indikatio- allenfalls die Gesellschaft als Gesamtheit durch eine nenregelung und die damit verbundene Fremdbe- entsprechende Einstellung zu dieser Frage errei- stimmung nicht zu vermitteln. chen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8443*

Nachdem ich damit die grundsätzliche Frage für ungleich höherwertigen Rechtsgut „Leben" anders mich beantwortet habe, sind die übrigen Fragen eher verfahren werden und „Leben" zwölf Wochen ohne praktischer Natur. Gerade eine vernünftige Abtrei- strafrechtlichen Schutz sein? Warum eigentlich nicht bungsregelung, die auf die Eigenverantwortlichkeit elf oder dreizehn Wochen? Solche Rechtsetzung ist der Frauen baut, ist in der Lage, ein Klima der reine Willkür und nicht Ausweis eines der Menschen- Kinderfreundlichkeit zu schaffen und damit dem wer- würde verpflichteten Rechtsstaates. Wie soll der denden Leben besser zu dienen als restriktive Straf- Staatsbürger unsere detaillierten Regelungen zum rechtsbestimmungen. Durch die Begleitmaßnahmen Embryonenschutz verstehen, wenn derselbe Gesetz- tun wir ein übriges, um wenigstens eine etwas kinder- geber dem ungeborenen Kind vergleichbaren Schutz freundlichere Gesellschaft zu erreichen. Und durch versagt? die Beratungspflicht sorgen wir dafür, daß die Frauen in der Konfliktsituation über diese Hilfen informiert Wer dem Embryonenschutzgesetz zugestimmt hat werden. Damit werden wir der Konfliktsituation am und jetzt die Fristenregelung fordert, begibt sich auf besten gerecht. Deshalb bin ich überzeugt, daß der den schizophrenen Weg intellektueller Unredlichkeit. Gruppenantrag der richtig Weg ist. Wer die Schöpfung vor Manipulation bewahren will, wer Tier und Umwelt schützen will, das Leben eines (CDU/CSU): Der Eini-ungeborenen Kindes aber drei Monate lang von der Dr. Klaus-Dieter Uelhoff freien Entscheidung seiner Mutter abhängig macht, gungsvertrag hat uns vor die Aufgabe gestellt, eine Regelung zu erreichen, „die den Schutz vorgeburtli- der verliert Glaubwürdigkeit und verkennt im übrigen die Werteordnung unserer Verfassung; denn das chen Lebens und die verfassungskonforme Bewälti- gung von Konfliktsituationen schwangerer Frauen vor Recht auf Leben eines Menschen ist weder vom Gewissen eines anderen Menschen noch von dessen allem durch rechtlich gesicherte Ansprüche für Frauen, insbesondere auf Beratung und soziale Hil- Entscheidung abhängig. fen, besser gewährleistet, als dies in beiden Teilen Und bedenken wir bitte noch eines: Wer das Men- Deutschlands derzeit der Fall ist". schenrecht „Leben" am Anfang ohne Schutz läßt, darf Die von der CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagenen sich nicht wundern, wenn bei passender Gelegenheit Neuregelungen zum Schutz des ungeborenen Lebens auch am Ende des Lebens der Schutz entzogen wird, werden die sozialen Rahmenbedingungen für die angesichts der grundlegend veränderten Altersstruk- werdende Mutter, für Kinder und Familien weiter tur unserer Gesellschaft und der materiellen Anforde- verbessern. Erleichterungen im Adoptionsrecht blei- rungen an Gesundheitsvorsorge und Pflege ein apo- ben aber für die Zukunft wünschenswert. Mit dem kalyptischer Gedanke. Wehret den Anfängen! Paket sozialpolitischer Maßnahmen macht die CDU/- CSU-Fraktion auch im vereinten Deutschl and deut- Die geradezu uferlose Ausweitung der Notlagenin- lich, daß unser Staat den Verfassungsauftrag zum dikation im geltenden Recht der alten Bundesländer Schutz des Lebens auch in Zeiten angespannter Haus- unterscheidet sich faktisch kaum von der als Beitrag haltslage sehr ernst nimmt. Es gilt, überall, vor allem zur Familienplanung in der untergegangenen DDR auch in den neuen Bundesländern, die neuen mate- erklärten Fristenregelung. Erfahrungsberichte über riellen Chancen für Mütter, Familien und Kinder „Notlagen"-Beratung im Westen besagen, daß es oft bekannt zu machen, eine wichtige Aufgabe der Bera- gar nicht um Beratung, sondern vor allem um Beschaf- tungsstellen für das Leben. Insoweit ist die Forderung fung des „Scheines" geht; allzuoft sind berufliche des Einigungsvertrages erfüllt. Gründe oder Fragen der persönlichen Lebensplanung für den Wunsch nach Abtreibung entscheidend. „Helfen statt strafen" heißt eine gängige Formel. Natürlich ist das Selbstbestimmungsrecht des Men- Doch diese Formel verkürzt das Problem, stellt die schen ein hohes Gut. Aber dürfen wir es in unserer schwangere Frau in den Mittelpunkt der Betrachtung Gesetzgebung zulassen, daß das Rechtsgut „Leben" und übersieht das ungeborene Kind immer dann, dahinter zurücksteht? Wir sollten uns an die Aussage wenn die Hilfen — aus welchen Gründen auch des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1975 immer — von der Mutter nicht angenommen werden. erinnern, daß das Recht der Frau auf freie Entfaltung Die wichtigen sozialen Hilfen allein werden allerdings der Persönlichkeit nicht die Befugnis umfaßt, in die der Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Rechts- geschützte Rechtsphäre eines anderen ohne rechtfer- gut „Leben" des ungeborenen Kindes nicht gerecht. tigenden Grund einzugreifen oder diese Rechtsphäre Insoweit ist der Auftrag des Einigungsvertrages damit gar mit dem Leben selbst zu zerstören; oder an anderer noch nicht erfüllt. Stelle „das menschliche Leben stellt innerhalb der Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar". vom 25. Februar 1975 diese Schutzpflicht aus dem Natürlich können unerwartete, nicht geplante Kinder Lebensrecht des ungeborenen Kindes und seiner die Lebensplanung der Eltern, insbesondere der Mut- Menschenwürde gefolgert. Das S trafrecht dient dem ter, empfindlich verändern. Hans Maier nennt des- Schutz von Rechtsgütern, und dies nicht nur zur halb Kinder „natürliche Dissidenten" und fragt: „Soll Prävention; es ist wesentlich auch Ausdruck der es wirklich so bleiben, daß das Wohlstandskalkül der Werteordnung und deshalb Maßstab zur Orientierung Erwachsenen, Männer und Frauen, jedes Jahr für der Gesellschaft. Folgerichtig denkt niemand daran, Hunderttausende zum Todesrisiko wird?" z. B. dem Rechtsgut „Eigentum" den Schutz des Strafrechts zu entziehen, obwohl alljährlich viele Jede Art von Fristenregelung wird der Forderung Hunderttausende einfache Diebstähle geschehen und des Einigungsvertrages nicht gerecht, das vorgeburt- die Aufklärungsquote gering ist, von der Strafverfol- liche Leben und die verfassungskonforme Bewälti- gung ganz zu schweigen. Warum aber soll bei dem gung von Konfliktsituationen besser zu gewährlei- 8444* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 sten, als dies in beiden Teilen Deutschlands derzeit deutlich machen, daß es sich in diesem Falle wirklich der Fall ist. nur um Ausnahmefälle handeln darf. Ich habe aber auch die große Sorge, daß die im 2. Das „Ja" zum Kind muß den Eltern, insbesondere Mehrheitsentwurf der CDU/CSU-Fraktion vorgese- aber der Mutter durch Staat und Gesellschaft erleich- hene Indikation wegen einer psycho-sozialen Notlage tert werden. Darum sind vielfältige Hilfen für junge sich im Ergebnis nicht wesentlich von der derzeit Familien und auch für Alleinerziehende von außeror- geltenden Indikation wegen einer sozialen Notlage dentlicher Dringlichkeit. Hier ist in den letzten Jahren unterscheidet. Die Kombination objektiver und sub- durch die Bundesregierung unter Führung von Bun- jektiver Elemente macht eine im Grundsatz notwen- deskanzler und der Union viel gesche- dige gerichtliche Nachprüfung fast unmöglich. In der hen, z. B. durch die Anrechnung der Erziehungszeiten Praxis ist jedenfalls eine sehr unterschiedliche, letzt- bei der Rente, durch Anhebung des Kindergeldes und lich willkürliche Anwendung dieser Indikation zu des Kinderfreibetrages und durch die Stiftung „Mut- befürchten. ter und Kind". Weitere Hilfen sind notwendig, z. B. Kindergartenplätze und familienfreundliche Öff- Ich kann nicht erkennen, wie durch die psycho- nungszeiten bei Behörden und Geschäften. Die soziale Indikation der Schutz des vorgeburtlichen Gesellschaft muß heute fairerweise davon ausgehen, Lebens besser gewährleistet sein soll als durch die daß viele junge Mütter in ihrer heutigen Lebenssitua- gegenwärtige Regelung in den alten Bundesländern; tion und nach ihrer Ausbildung auch den Wunsch ich halte beide Regelungen nicht für geeignet, dem haben, neben der Erziehung der Kinder noch zeit- Schutz des Lebens zu dienen. weise zu arbeiten. Deshalb muß auch die Möglichkeit Der von der Initiativgruppe vorgelegte Entwurf für Teilzeitarbeit weiter vorangetrieben werden. „zum Schutz des ungeborenen Kindes" umfaßt alle familien- und sozialpolitischen Maßnahmen des 3. Aber nicht nur materielle Hilfen für Eltern und Mehrheitsentwurfes der CDU/CSU; er stellt jedoch junge Familien sind notwendig, sondern in unserer unmißverständlich das ungeborene Kind unter den Gesellschaft muß es kinderfreundlicher zugehen. Schutz des Strafrechtes und trägt damit entscheidend Dabei geht es nicht nur um Kinderspielplätze in zur Sicherung unserer Werteordnung bei. Eine Abtrei- Städten und Gemeinden. Ich denke z. B. an die bung ist nur gerechtfertigt, wenn das Leben der Urlaubsmöglichkeiten für kinderreiche Familien. Aus Schwangeren gefährdet ist. Im übrigen bleibt die Frau eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig es biswei- bei einer besonderen Bedrängnis straffrei; die Tötung len war, mit vier Kindern eine geeignete Unterbrin- des Kindes bleibt aber Unrecht. Die Regelung schützt gung zu finden. Auch müssen wir dafür werben, daß das Kind und richtet sich nicht gegen die Frau. Die in wohnungsnahe Turn- und Spielplätze möglich blei- diesem Entwurf geforderte Beratung ist nicht „offen", ben. Das Kinderlachen und auch ein gewisser Lärm, sondern soll der werdenden Mutter helfen, das Kind den Kinder bei ihrem Spiel verursachen, muß in auszutragen und Perspektiven für ein gemeinsames natürlicher Weise ertragen werden. Er ist oft weniger Leben zu eröffnen. Dazu gehören auch Information lautstark als manches technische Übertragungsge- und Vermittlung öffentlicher und privater Hilfen. rät. Dieser Gesetzentwurf zum Schutz der ungeborenen 4. Als Christ möchte ich ganz persönlich im Blick auf Kinder gewährleistet den Schutz vorgeburtlichen Kinder aber auch folgendes feststellen: Meine Frau Lebens und die verfassungskonforme Bewältigung und ich haben ein Kind immer auch als ein Geschenk der Konfliktsituation schwangerer Frauen besser, als Gottes angesehen. Ich habe viele Ehepaare vor dies in beiden Teilen Deutschlands derzeit der Fall ist. Augen, die gerne ein Kind hätten, aber keines bekom- Der Entwurf der „Gruppe Werner" verdient es des- men können. Wenn man Eheleute kennt, die unter halb, Gesetz zu werden. Kinderlosigkeit besonders leiden, wird man für jedes eigene Kind besonders dankbar. Mit Recht sprechen wir heute in unserer politischen Verantwortung von Dr. Horst Waffenschmidt (CDU/CSU): 1. Schutz des der Erhaltung der Schöpfung. Dies ist sicherlich wich- menschlichen Lebens ist nach meinem Verständnis tig beim Naturschutz und beim Umweltschutz. Aber oberste Aufgabe des Staates. Dies gilt das ganze beim Empfangen von Kindern und bei der Betreuung Leben lang, aber ganz besonders am Anfang im von Kindern sind wir als Eltern ganz besonders Mutterleib und am Ende, wenn der Mensch alt und hineingenommen in die Bewahrung der Schöpfung. schwach geworden ist. Darum kann ich nicht für eine Als Christ verstehe ich es auch als ein Zeichen der Fristenlösung stimmen, denn dabei wird grundsätz- Liebe Gottes, daß er als Schöpfer aller Dinge, Mann lich festgelegt, daß menschliches Leben für eine und Frau in seinen immerwährenden Schöpfungspro- Zeitspanne ohne strafrechtlichen Schutz bleibt. Von zeß einbezieht und uns als Eltern Kinder anvertraut. der Vereinigung der weiblichen Eizelle und der Wir dürfen ihnen vieles für das Leben mitgeben und in männlichen Samenzelle an ist menschliches Leben ihnen ein Stück weiterleben, wenn wir schon selbst vorhanden. Dazu hat sich der Deutsche Bundestag gestorben sind. Auch im Alter ist unser Leben sicher- schon bei der Beratung des Embryonenschutzgeset- lich reicher, wenn wir die fortschreitenden Jahre zes bekannt. Es kann schwerwiegende Ausnahmen unseres Lebens im Kontakt mit Kindern und Enkelkin- geben, wo ausnahmsweise die Tötung des Kindes im dern erleben dürfen. Alles dies ist sicherlich auch zu Mutterleib nicht mit S trafe verfolgt wird, weil hohe bedenken, wenn es um den „Schutz des ungeborenen andere rechtliche Güter oder besondere Lebenssitua- Lebens" geht. Kinder machen Arbeit, sie verlangen tionen im Ausnahmefall von einer Strafbarkeit abse- bisweilen Opfer; aber insgesamt bringen sie viel mehr hen lassen. Aber ich meine, der Gesetzgeber muß Freude und Erfüllung des Lebens. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8445*

5. Christen sollten bei dem Thema „Schutz des die Entscheidung der Mutter maßgeblich ist, sondern ungeborenen Lebens" jede Form von Heuchelei der Druck von Männern: von Ehemännern, von bekämpfen. Dies bedeutet z. B. auch entsprechende Vätern, von Familienangehörigen. Achtung vor der Frau, die ein uneheliches Kind zur Die einzige Möglichkeit der Frau, sich der Zumu- Welt bringt und nicht abtreiben läßt. tung zu erwehren, durch eine Abtreibung das entstan- 6. Besonders bedeutsam ist mir, daß der gesamte dene Problem zu lösen, ist der Hinweis auf das Aufgabenkomplex „Schutz des ungeborenen Le- Lebensrecht des Kindes und seine klare gesetzliche bens" in unserem Land mit Nächstenliebe und Ein- Verankerung. fühlungsbereitschaft zu den betroffenen geborenen und ungeborenen Menschen diskutiert wird. Christen Meine Sorge ist die, daß das Wegfallen schwerwie- in unserem Land sollten besonders einen Beitrag dazu gender Gründe, also der vitalen Indikation als Recht- leisten, das dies mehr noch als bisher möglich wird. fertigungsgrund und der schweren gesundheitlichen, leiblichen oder seelischen Beeinträchtigung als Straf- ausschließungsgrund, zur Waffe in der Hand von Alois Graf von Waldburg-Zeil (CDU/CSU): Zwei Männern gegen Frauen werden wird. Der Arzt kann Kollegen feiern heute Geburtstag: und hier zum Helfer der Frau werden. Er ist es ja, der mit Gerhard Neumann (Gotha). Ich gratuliere ihnen herz- Strafe bedroht ist, nicht die Frau, die auch im „Werner lich. Entwurf" nach § 218b nicht bestraft wird, wenn der Aber was bedeutet das, wenn wir ein Leben lang Eingriff durch einen Arzt vorgenommen wird, eine uns des Tages unserer Geburt erinnern? Gratulieren 12-Wochen-Frist gewahrt bleibt, eine Beratungsstelle heißt auch danken. Der Dank gebührt in erster Linie aufgesucht wurde und besondere Bedrängnis vor- der Mutter, die uns das Leben geschenkt hat. Dank lag. allen Müttern, die Kinder zur Welt gebracht haben Auch ein zweiter Grund macht mir tiefe Sorge. Mehr und Kinder zur Welt bringen werden. und mehr höre ich Klagen, daß Ärzte bei der dritten Die Mutter bedarf aber nicht nur der Dankbarkeit. oder vierten Schwangerschaft gar nicht mehr mit einer Sie bedarf, solange sie guter Hoffnung ist, des beson- Geburt rechnen, sondern gleich fragen, wann abge- deren Schutzes und der besonderen Zuwendung. trieben werden soll. Noch verstörter sind Frauen, die Nicht umsonst sagt der zweite Leitsatz des Bundesver-- zu pränatalen Untersuchungen genötigt werden mit fassungsgerichtsurteils vom 25. Februar 1975: „Die dem stirnrunzelnden Hinweis, man könne der Gesell- Verpflichtung des Staates, das sich entwickelnde schaft keine zusätzlichen Behinderten zumuten. Leben in Schutz zu nehmen, besteht auch gegenüber Nur dann können wir verhindern, daß durch die der Mutter". aufgestoßene Tür eines Fristbewußtseins, trotz Bera- Denn, obwohl wir von der guten Hoffnung und vom tung Eugenik-, Zuchtwahl- und Wunschkindauswahl- frohen Ereignis der Geburt sprechen, sind schwierige, Denken Einzug hält, wenn der Wert des Menschen harte und schmerzhafte Umstände mit Schwanger- — auch des kranken und des behinderten Men- schaft und Geburt verbunden. schen — weiterhin in der gesetzlichen Norm klar Das wichtigste, was vom heutigen Tag in die Öffent- genannt ist. Deshalb auch die Sprache dieses An tra- lichkeit dringen sollte, ist dies: Wir wollen alles in ges: Ungeborenes Kind. Tötung von ungeborenen unseren Kräften Stehende tun, Mütter auf dem Weg Kindern. zur Geburt und danach hilfreich zu begleiten. Dabei Sollte der „Werner-Antrag" keine Mehrheit finden, sind die staatlichen Maßnahmen ein wichtiger, aber werde ich für den Fraktionsantrag der CDU/CSU eben nur ein kleiner Teil einer gesamtgesellschaftli- stimmen, um wenigstens noch etwas unternommen zu chen Aufgabe. haben, eine bewußtseinsverändernde Fristenlösung Sie werden sich nun aber sicher fragen, wie ich aus zu verhindern. dieser Grundhaltung den sogenannten „Werner- Antrag" unterstützen kann, der zwar — wie der Uni- (CDU/CSU): Gegen Ende einer onsantrag — erhebliche Hilfen bietet, aber im Straf- Dr. Dorothee Wilms langen Debatte um die gesetzliche Regelung des rechtsteil klare Normen setzt. Schwangerschaftsabbruches möchte ich noch einmal Lassen wir die Mütter nicht genau dann allein, wenn grundsätzlich betonen: der schwerste der denkbaren Fälle vorliegt: das Gefühl der Mutter, mit der vor ihr stehenden Schwan- Es geht um den Schutz des höchsten Gutes, nämlich gerschaft, Geburt und Mutterrolle nicht fertig werden um den Schutz des menschlichen Lebens, also auch zu können? des ungeborenen. Gerne möchte ich versuchen, Ihnen zu erklären, Um dieses Ziel des Lebensschutzes zu erreichen, warum ich dafür bin, nicht nur klar von ungeborenen gebührt der werdenden Mutter alle Hilfe und Unter- Kindern zu sprechen, sondern auch von der rechtli- stützung durch den Mann und Partner, durch die chen Norm, die, von schwerwiegenden Ausnahmefäl- Familie, aber auch durch Staat und Gesellschaft. len abgesehen, die Tötung ungeborener Kinder ver- a) Frauen in Not brauchen die finanziellen und mate- bietet. riellen familien- und kinderfreundlichen Hilfen, wie Im Zug verschiedener Kommissionsarbeiten habe sie von der CDU/CSU, ergänzend zu den bisherigen ich mich intensiv mit dem Problem des Schwanger- Maßnahmen, heute vorgeschlagen werden; ich halte schaftsabbruches beschäftigen müssen. Dabei hat sie aber auch in der Zukunft für erweiterungsbedürf- mich besonders erschüttert, daß in 80 % der Fälle nicht tig. 8446* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 b) Frauen brauchen die sachkundige Beratung in der wie der Schutz menschlichen Lebens am besten zu Zeit der Schwangerschaft und danach, gerade weil sie gewährleisten sei. Wir, die wir eine Indikationslösung sich oft in einer verzweifelten Situation fühlen und es anstreben, sind der Auffassung, daß das Grundrecht zum Teil auch sind. Sie brauchen Menschen, die sie auf Leben für jeden Menschen von Anfang an und aus einer seelischen Sackgasse herausführen können, ohne zeitliche Befristung gelten muß. aus der sie oft allein keinen Ausweg mehr sehen. Eine Es geht also letztlich um die möglichst uneinge- Pflichtberatung ist nicht erniedrigend für Frauen, wie schränkte Aufrechterhaltung einer Rechtsnorm, die oft gesagt wird, sondern ganz im Gegenteil echte nach jahrhundertelangem Ringen nun in allen zivili- Lebenshilfe, die den Weg in die Zukunft weisen sierten Staaten dieser Erde gilt: das Grundrecht auf kann. Leben. Es war ein langer Kampf, der — weitgehend Arzt und Beratungsstelle fungieren außerdem unter Führung von Christen — für die Durchsetzung gleichsam als der gesetzliche Anwalt, die Stimme des dieses Grundrechts durchgefochten werden mußte. Ungeborenen, das ein Recht auf Leben hat wie jeder Auch hier in Mitteleuropa gab es eine Zeit, in der es von uns. So kann m. E. eine Beratung auch nicht durchaus üblich war, unerwünschtes oder „lebensun- gegen das Lebensrecht des Kindes gerichtet sein. wert" erscheinendes menschliches Leben zu beseiti- c) Hat das Strafrecht, die Prüfung und Feststellung gen. Ungewollte Kinder, Kranke und Greise wurden einer Notlage und Indikation durch Dritte, d. h. durch ausgesetzt oder auf andere Weise umgebracht. Arzt und Beratung, nicht auch eine Schutzfunktion für Für alle, die diesem inhumanen Verhalten entge- die Frau? Davon wird viel zu wenig gesprochen. Oft ist genwirkten, waren es immer zwei Anliegen, die sie es hilfreich und entlastend für die Schwangere, wenn vertraten: Durchsetzen dessen, was wir heute Grund- sie die Aussage der Beratung und die Feststellung des recht auf Leben nennen, und Schaffen von sozialen Arztes wie einen Schutzschild vor sich stellen kann. Einrichtungen, die den be troffenen Familien Hilfen Bei der Fristenlösung ist die Frau in den ersten drei boten. Es ist kein Wunder, daß Waisenhäuser, Kran- Monaten ganz allein in die schwere Entscheidung kenhäuser und Altenbetreuung im Mittelalter von der über Leben oder Tod gestellt, trägt allein die Last der christlichen Kirche eingeführt wurden. Unsere Auf- Verantwortung, ist u. U. sogar schutzlos dem Druck gabe heute muß es sein, diese beiden Bemühungsrich- des Mannes, der Eltern oder anderer Nahestehender tungen um die Durchsetzung bzw. Geltung des ausgesetzt. Grundrechtes auf Leben für jeden Menschen, in welcher Gestalt auch immer, weiter zu verfolgen und d) Immer wieder wird das „Gewissen der Frau" als Verbesserungen zu erreichen. Maßstab für Abtreibung herangezogen. Die Frau müsse es vor ihrem Gewissen selbst verantworten. Ja, Wir hier in Deutschland sind auf Grund eines letztlich muß sie es — aber sollen wir sie dabei ohne Rückfalls in die Unmenschlichkeit durch zwei Dikta- Stärkung und Maßstab lassen? Gibt es keine allge- turen zu besonderer Verantwortung in diesem Bereich mein gültigen ethischen Werte mehr, an denen sich verpflichtet. Dies natürlich vor allem wegen jener unser Gewissen orientieren muß, weil sie über uns Diktatur, zu deren Ideologie es gehörte, „Lebensun- selbst hinausweisen? würdigkeit" nicht nur für bestimmte Rassen, sondern z. B. auch für Behinderte festzustellen und entspre- Muß nicht Gewissen auch gebildet werden? Etwa chend unmenschlich zu handeln. Aber auch die SED- durch die gesellschaftliche Wertordnung, bei der der Diktatur zeichnete sich dadurch aus, daß der Würde Schutz des Lebens obenan steht? Oder durch das und dem Recht des einzelnen Menschen kein hoher Strafrecht, das ja nicht nur straft, sondern auch Rang eingeräumt wurde. Man sprach von sozialisti- menschliches Verhalten mit prägt und normiert? schen (d. h. eingeschränkten) Grundrechten. In die- Warum werden denn bei uns — erfreulicherweise — sen Rahmen gehörte die Fristenlösung, wie sie in der mehr und mehr Delikte, gerade solche gegen die ehemaligen DDR galt. Natur, gegen Tiere, gegen Embryonenmißbrauch usw. unter Strafe gestellt, wohl wissend, daß dadurch Unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker keineswegs immer Menschen von der Tat abgehalten muß es sein, die verletzliche Idee des Grundrechtes oder gar gefaßt und bestraft werden? auf Leben für jeden Menschen zu verteidigen und in ihren Konsequenzen für die Gesetzgebung in der Es wäre doch widersinnig, den Schutz der Natur zu Abtreibungsfrage verständlich zu machen. Denn es ist einer öffentlichen Angelegenheit zu machen, die ja nicht verwunderlich, daß manche Menschen in Tötung ungeborenen Lebens dagegen mehr als Pri- unserer Gesellschaft verbindliche Normen für ihr vatangelegenheit der Frau zu be trachten! Eine solche Verhalten immer weniger gelten lassen wollen, wenn rechtspolitische Entwicklung kann doch nicht richtig sie den für sie vermeintlich einfacheren Weg der sein! Fristenlösung im Fall einer Abtreibung bevorzugen. e) Mein Votum gilt in der heutigen Abstimmung einer Für die politisch Verantwortlichen aber ist es gerade Indikationenlösung, die verbunden ist mit großzügi- angesichts des jahrhundertelangen Ringens um die gen materiellen Hilfen für Frauen und Familien und Durchsetzung der Menschenrechte Pflicht, dem allge- mit Beratungspflicht, letztlich dem Mehrheitsantrag. meinen Trend zu hedonistischer Beliebigkeit entge- Eine Fristenlösung, d. h. auch den vorliegenden genzuwirken. Gruppenantrag, halte ich mit meinem Gewissen und Besonders erschreckend ist für mich die Argumen- mit unserer Verfassung für unvereinbar. tation, daß mit der möglichst problemlosen Tötung eines ungewollten Kindes dem Kind selbst der größte Dr. Roswitha Wisniewski (CDU/CSU): In der Diskus- Schutz geboten werde, bewahre man es doch vor sion um den § 218 geht es in erster Linie um die Frage, einem qualvollen Leben in einer ihm feindlich geson- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8447* nenen Umgebung. Gegen eine solche leichtfertig noch ein Mann das Recht, über die Existenz eines generalisierende Aussage sprechen ganz andere ungeborenen Kindes zu befinden. Erfahrungen. Es gibt, wie wir alle wissen, hochbe- gabte Menschen in hohen gesellschaftlichen Positio- Es gibt für mich auch keinen Rechtfertigungsgrund nen — in meinem eigenen engsten Bekanntenkreis dafür, irgendwelchen Lebensumständen einen Vor- gibt es allein drei —, die einst das Schicksal des rang gegenüber dem entstandenen menschlichen ungewollten Kindes ertragen mußten. Diese heutige Leben einzuräumen. Eine Abwägung muß doch Erfahrung trifft sich mit einer uralten Volksweisheit. In immer zugunsten des höchsten Rechtsgutes ausfallen. Sagen wird oft geschildert, wie Neugeborene, deren Es mag sein, daß man nicht auf alle Fragen eine Leben vernichtet werden sollte, zu überragenden befriedigende Antwort geben kann. Aber ist das ein Menschen werden. Grund, menschliches Leben zur Disposition zu stel- len? Wann wird ein Staat, der seinen schwächsten Nicht der Mutlosigkeit nachgeben, Mut machen Bürgern den Rechtsschutz verweigert, diesen Schutz und Erleichterungen schaffen im materiellen wie im des Lebens ganz zurücknehmen, wenn beim Töten psychischen, aber auch im rechtlichen Bereich eines ungeborenen Kindes schon eine Beratung als — etwa durch die Gleichstellung unehelicher mit Begründung ausreicht? Bedenken wir die Tragweite ehelichen Kindern — ist unsere politische und der heutigen Entscheidung! menschliche Aufgabe! Wer den Schutz des ungeborenen Kindes in Frage Die Argumentation, daß es für Frauen „nicht zumut- stellt, eröffnet die Diskussion über lebenswertes und bar" sei, sich der Indikationsstellung durch einen Arzt lebensunwertes Leben. Es gibt für mich kein unwertes zu unterziehen, gehört zu dem in vielen Bereichen des Leben, ob vor der Geburt, ob als behinderter oder als heutigen Lebens erschreckend zutage tretenden alter und schwerkranker Mensch. Eine solche Bewer- übersteigerten Subjektivismus, der manche Men- tung wird sich erheblich auf das gesamte gesellschaft- schen verleitet, möglichst überhaupt keine Norm liche Zusammenleben und auf die Einstellung zum anzuerkennen, wenn sie dem eigenen Wollen Gren- Leben anderer Menschen auswirken. Es wird höchste zen setzt oder zur Verantwortung vor der Gesellschaft Zeit, daß wir uns wieder auf christliche Grundwerte zwingt. In der im Mehrheitsentwurf der CDU/CSU- besinnen und danach handeln. Bundestagsfraktion vorgesehenen Indikationslösung vertritt der Arzt die Gesellschaft, die beider Leben zu Deshalb muß zu den vordringlichen Aufgaben wie schützen hat, das der Mutter und das des Kindes. Weil Schaffung einer kinderfreundlicheren Umwelt, finan- der Arzt mit der Indikationenstellung eine öffentliche zielle und ideelle Unterstützung der Familien, Bera- Aufgabe wahrnimmt, kann dieser Vorgang auch nicht tung zum Kind in Konfliktsituationen auch die straf- in der Anonymität bleiben. Daher ist die Anfertigung rechtliche Seite berücksichtigt werden. Geltendes eines Protokolls über den Beratungsvorgang und die Recht ist meinungsbildend. Wie will man vor den Entscheidung meines Erachtens unabdingbar. Bürgern glaubwürdig sein, wenn Gewalt in der Ehe Die Gesellschaft ist schon jetzt bereit, erhebliche unter Strafe gestellt, das Töten eines ungeborenen Hilfen für Mütter in Not bereitzustellen, und sie wird Kindes aber straffrei bleiben soll? — wie gesagt in guter christlich-humaner Tradition — Eine Bewußtseinsänderung in Richtung Lebens- diese Hilfen weiter verbessern. Dieser Anerkennung schutz für die ungeborenen Kinder ist auch nicht zu gesellschaftlicher Verpflichtung zur Hilfe für die ein- erreichen, solange die gesetzlichen Krankenkassen zelne Frau und für das einzelne Kind in einer Notlage die Kosten für die Tötung ungeborener Kinder tragen muß die Verantwortung der einzelnen Frau und des müssen. Dadurch wird die Meinung verstärkt, was einzelnen Arztes als des Vertreters der Gesellschaft gesetzliche Krankenkassen bezahlen, kann doch bei der Entscheidung über Leben und Tod eines nicht Unrecht sein. ungeborenen Kindes entsprechen. Die jahrhundertelange mühsame Entwicklung hin Der Staat hat die Pflicht, Leben zu schützen und zu zu mehr Humanität, die die Starken und Überlegenen verteidigen. Abtreibung, gleich aus welchem Grund, zu mehr Rücksichtnahme gegenüber den Hilflosen ist und bleibt Tötung, die ich mit allen mir zur und Schwachen erzog, darf nicht aufgegeben oder Verfügung stehenden Mitteln verhindern will. Des- eingeschränkt werden, sondern muß gerade in unse- halb stimme ich für den Antrag „Schutz der ungebo- rer Zeit mit ihren vielfachen Angeboten zur Unabhän- renen Kinder". gigkeit ein entscheidend wichtiges politisches Ziel bleiben. Burkhard Zurheide (F.D.P.): Wer den Eindruck zu erwecken versucht, am Ende der heutigen Debatte Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Ein großer Teil der stehe die Entscheidung der Frage, ob der Gesetzgeber heutigen Debattenbeiträge hat mich tief erschüttert. ein Recht auf Abtreibung zuerkenne oder ein solches Man spricht von zumutbaren Wegen und Kompromis- Recht verneine, handelt in einem hohen Maße unan- sen, von Fristen und Indikationen, von Dokumenta- gemessen. Niemand kann einen Rechtsanspruch auf tionspflicht und Beratungszwang. Als gehe es um Vernichtung menschlichen Lebens besitzen, gleich in irgendeine Sache, die angeschafft werden soll oder welchem Zustande sich dieses Leben befindet. Die nicht. Vielmehr geht es doch letztendlich um die Einräumung eines solchen Rechtes wäre dem Gesetz- Grundsatzentscheidung, ob wir ein elementares Men- geber im übrigen auch nicht nur aus verfassungsrecht- schenrecht, das Recht auf Leben auch für ungeborene lichen Gründen verwehrt. Nein, im Gegenteil, Auf- Kinder, aus Zeitgeistgründen zur Disposition stellen gabe des Staates, der Gesellschaft und mithin des wollen. Nach meiner Auffassung hat weder eine Frau Gesetzgebers ist der Schutz menschlichen Lebens. 8448* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Sowenig es ein Menschenrecht auf Abtreibung gibt, Nein, es gibt in Wahrheit nur zwei Möglichkeiten: sowenig existiert a priori ein Alleinverfügungsrecht Entweder man stellt die Abtreibung sowohl für die der schwangeren Frau über das Leben, das sie in sich Schwangere als auch für denjenigen, der die Abtrei- trägt. Fötus und Embryo sind keine eigentumsfähigen bung vornimmt, generell unter S trafe, oder man Gegenstände. Sie unterliegen nicht dem beliebigen überläßt die letzte Entscheidung in einer solchen Gebrauch, auch nicht demjenigen der Schwangeren. Situation der Schwangeren selbst, wobei nicht über- Parolen wie „Mein Bauch gehört mir" sind mir daher sehen werden darf, daß auch die generelle Unterstra- zutiefst zuwider. festellung eine Entscheidung über den Kopf der Schwangeren hinweg wäre. Es ist menschenverachtend, ein noch nicht gebore- nes Kind als „Schwangerschaftsmaterial" zu bezeich- Wenn der Staat an dieser Stelle auf seinen Strafan- nen. Ein Kind, das nach regelmäßig neun Monaten spruch verzichtet, so doch nicht deswegen, weil er das Schwangerschaft auf die Welt kommt, ist unfertig. Es straflose Verhalten befürworten wollte; er entscheidet hat nur den ersten Teil seines Lebens im Mutterleib sich lediglich dafür, seinen Strafanspruch nicht durch- verbracht. Der Zeitpunkt des Geborenwerdens ist von zusetzen, weil er ganz zum Schluß die persönliche der Natur ebenso zufällig wie geplant festgelegt Entscheidung der Schwangeren respektiert und nicht worden. Der Schwangerschaftsabbruch ist daher kein die Augen davor verschließt, daß eine Konfliktlage so Mittel der Familienplanung oder der Geburtenkon- dramatisch sein kann, daß sich die Schwangere selbst trolle. Abtreibung ist kein Verhütungsersatz. von einer Strafandrohung nicht von ihrem Entschluß abhalten läßt. Weil aber kein Mensch berechtigt ist, über die Existenz eines anderen zu verfügen, handelt es sich Es ist wohl wahr, und wir sollten es uns eingestehen: bei der Frage der Neuregelung des § 218 StGB auch Das Strafrecht ist letztlich nicht in der Lage, eine nicht um eine Frauenfrage, wie einige glauben Schwangere gegen ihren Willen zur Austragung der machen wollen. Es handelt sich sehr wohl um eine Schwangerschaft zu bewegen. Frage, die vor allem Frauen angeht, insbesondere die betroffene Schwangere; sie wird dadurch aber nicht Aus diesem Grunde bin ich für die ehrliche Lösung, zu einer Frage, die nur Frauen beantworten können. und das ist der zur Abstimmung vorgelegte Gruppen- Und ich glaube auch nicht, daß diejenigen, die in antrag. dieser Weise argumentieren, ihrer Sache damit tat- sächlich nutzen. Werner Zywietz (F.D.P.): Populistische Worte wie Ich bin mir sicher: Diejenige Frau, die sich allein „der Bauch gehört mir" oder „Abtreibung ist Mord" oder gemeinsam mit ihrem Partner dazu entschließt, sind in der Sache, um die es hier geht, den § 218 des ihre Schwangerschaft abzubrechen, macht sich diese StGB, weder angemessen noch hilfreich. Ich habe eine Entscheidung nicht leicht. Ein solcher Entschluß wird Debatte über dieses Thema als Abgeordneter des nicht nebenbei getroffen in dem Bewußtsein, man Deutschen Bundestages bereits 1974 miterlebt. Ich entledige sich seines ungeborenen Kindes so wie habe mich damals nach langer Güterabwägung für eines Einrichtungsgegenstandes der Wohnung. die Fristenlösung entschieden, d. h. für die Straffrei- heit bei Schwangerschaftsabbruch innerhalb von Auch durch Strafrechtsnormen werden bestimmte zwölf Wochen. Ich werde heute für den Gruppenan- Wertentscheidungen, die eine Gesellschaft aus histo- trag stimmen, ebenfalls für die Straffreiheit bei rischen, ethischen, religiösen oder weltanschaulichen Schwangerschaftsunterbrechung bis zum dritten Mo- Gründen akzeptiert, abgesichert. Dies ist wahr. Und nat mit der Bedingung einer vorherigen Beratung. genau dies ist auch der Grund dafür, daß der Ihnen Diese Beratung, die bei dem Gesetzentwurf 1974 vorliegende Gruppenantrag Abtreibung nicht etwa erwartet wurde, ist durch das Urteil des Bundesverfas- für straffrei erklärt, sondern eine Wertentscheidung sungsgerichts zwingend geworden und darum Be- trifft, nämlich zugunsten des ungeborenen Lebens. Es standteil des Gruppenantrags. reicht eben nicht aus, sich darauf zu beschränken, eine Wertentscheidung zu treffen; man muß eben Für eine Straffreiheit bei Schwangerschaftsabbruch auch die Rahmenbedingungen schaffen, die allein die in den ersten drei Monaten zu plädieren ist gewiß Umsetzung einer solchen Wertentscheidung ermögli- keine leichte, schon gar keine leichtfertige Entschei- chen. Hinzu kommen muß die Beratung der Schwan- dung, aber aus der Sachlage heraus und nach meiner geren, die über eine Abtreibung nachdenkt. Eine Bewertung der einzig sinnvolle Weg: In der Vergan- solche Beratung ist für mich ein unverzichtbares genheit hat es leider viele illegale Schwangerschafts- Element und eine Voraussetzung für meine Zustim- unterbrechungen gegeben. Fakt ist also, daß von mehr mung zu dem Gruppenantrag. und mehr Frauen die Strafandrohung des Staates nicht respektiert worden ist. Es macht für mich wenig Und genau an dieser Stelle hat der Gesetzgeber die Sinn, Gesetze zu haben, deren Einhaltung in immer entscheidende Frage zu beantworten: Wenn eine stärkerem Maße ausgewichen wird. Ein Abdrängen in Schwangere sich nach Beratung entschließt, bei ihrem die Illegalität ist weder aus gesundheitlichen noch aus Abtreibungsentschluß zu verbleiben, soll dann ein rechtlichen noch aus humanen Be trachtungen gutzu- außenstehender Dritter berechtigt sein und verpflich- heißen. tet werden, an Stelle der Schwangeren zu entschei- den? Kann wirklich ein Dritter, der ja niemals alle Eine Korrektur der bestehenden Rechtslage ist Facetten einer Konfliktsituation erfassen kann, in der darum für mich dringend erforderlich, um so mehr, als Lage sein, für die Schwangere zu entscheiden? in den fünf neuen Bundesländern nach der deutschen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8449*

Einheit eine Drei-Monats-Fristenlösung gilt. Zweier- Die strafrechtliche Sanktionierung der Abtreibung lei Recht in Deutschland darf es auf Dauer nicht ist unverzichtbar, obwohl sie nur eine flankierende geben. Zum anderen sollte jede zukünftige Regelung Maßnahme zur Beratung und zur sozialen Hilfe sein für die gesamte deutsche Bevölkerung sich nicht zu kann. weit entfernen von der Rechtslage in den fünf neuen Bundesländern und der jetzigen Indikationslösung im Deshalb haben wir den Gesetzentwurf der Initiativ- Westen. gruppe „Schutz des ungeborenen Kindes" unter- zeichnet. Eine Fristenregelung mit Beratung ist für mich Dieser Entwurf hat in der Abstimmung keine Mehr- darum der angemessene Weg zur Besserung einer heit gefunden. Deshalb stimmen wir jetzt für den schlechten Gesamtsituation. Er respektiert die Be- Entwurf der CDU/CSU, auch wenn wir dagegen in wußtseinslage in der west- und ostdeutschen Bevöl- manchen Punkten Bedenken haben, weil wir eine kerung und überläßt der Frau letztendlich die allei- Fristenlösung verhindern wollen. nige Entscheidung. Ich vermute, daß andererseits jedwede Indikationslösung in der Lebenspraxis durch unterschiedliches Ärzteverhalten und die Möglichkeit des „Abtreibungstourismus" unterlaufen wird. Mir erscheint darum eine Regelung mit „Fristen" ehrli- cher und gerechter als eine Regelung nach „Krite- rien". Anlage 7 Die Zahl der Schwangerschaftsunterbrechungen Erklärung nach § 31 GO wird aber meines Erachtens nur dann kleiner werden, des Abgeordneten Hartmut Büttner (Schönebeck) wenn die Unterstützung unserer Gesellschaft für (CDU/CSU) zur Abstimmung Familien und Frauen mit Kindern verständnisvoller über die in Tagesordnungspunkt 13 und deutlich hilfsbereiter wird! aufgeführten Vorlagen „Die Würde des Menschen ist unantastbar" beginnt (Schutz des ungeborenen Lebens) unser Grundgesetz. Für mich ist dies auch der inhalt- liche Kernsatz! Darum ist für mich die straffreie Als bekennender katholischer Christ ist für mich der Schwangerschaftsunterbrechung innerhalb von zwölf Schutz menschlichen Lebens zwingendes Gebot und Wochen nach einer Beratung und durch die alleinige dringliche Aufgabe. Menschliches Leben ist natürlich Entscheidung der Frau die liberale und damit ver- auch das vorgeburtliche Leben im Leib der Mutter. nünftigste Regelung, für die ich stimmen werde. Abtreibung ist immer Tötung ungeborener Kinder. Ziel einer menschenfreundlichen Politik muß es sein, Leben zu erhalten. Ich unterstütze deshalb alle Maß- nahmen zugunsten einer kinderfreundlicheren Ge- sellschaft. Ebenso muß eine verantwortliche Sexualer- ziehung Abtreibung als Verhütungsmethode ächten Anlage 6 und überflüssig machen. Erklärung nach § 31 GO Bei dieser schwierigen Gewissensfrage muß m an der Abgeordneten Klaus Bühler (Bruchsal), allerdings die Erfahrungen mit den bisherigen Rege- Klaus Riegert, Franz Romer, Dr. Andreas lungen und Gesetzen in Deutschland und anderen Schockenhoff und Elke Wülfing (alle CDU/CSU) zur Ländern berücksichtigen. Die völlige Freigabe von Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 Schwangerschaftsabbrüchen hat vielen ungeborenen aufgeführten Vorlagen Kindern das Leben gekostet. Nirgendwo ist es mit dem (Schutz des ungeborenen Lebens) Mittel strafrechtlicher Vorschriften gelungen, die Zahl der Abtreibungen zu verringern. Frau und Kind sind zwei direkt miteinander ver- Nach unserer Überzeugung ist eine Fristenregelung knüpfte eigenständige menschliche Wesen. Jede weder moralisch noch biologisch-medizinisch noch Regelung, die nur das Kind oder nur die Mutter rechtlich zu rechtfertigen. berücksichtigt, greift zu kurz. Das Leben des Kindes Die vitale medizinische Indikation ist eindeutig. kann ich allerdings nur retten, wenn ich hierfür die Hier kollidieren gleichrangige Rechtsgüter. Mutter gewinne. Deshalb sage ich Ja zu einer obliga- torischen Beratung vor einer Entscheidung über Tod Eine psychosoziale Indikation muß überprüfbar und Leben. Ziel der Beratung muß eindeutig die sein. Dazu muß der Arzt die Gefahr einer dauerhaften Beratung zum Leben sein. Alle Chancen, die Mutter in und schwerwiegenden Beeinträchtigung des körper- diesen Gesprächen für das Überleben ihres Kindes zu lichen oder seelischen Gesundheitszustandes der gewinnen, müssen genutzt werden. Frau objektiv darstellen. Die Darlegung der Frau reicht dazu nicht aus. Die Entscheidung fremder Personen — auch eines Arztes — über eine Zulassung des Schwangerschafts- Die straffreie Tötung eines Menschen ist nicht durch abbruches lehne ich ab. Ein solches Verfahren drängt die subjektiv empfundene, nicht überprüfbare Not- zahlreiche Frauen auch nur wieder in die Illegalität. lage eines anderen Menschen zu rechtfertigen. Damit entziehen sie sich auch der Lebensberatung, 8450* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 und sie bleiben häufig im Einflußbereich drängender Angesichts dessen habe ich mich nach wirklich Dritter. reiflicher Überlegung dafür entschieden, mich bei der Abstimmung über den CDU/CSU-Fraktionsentwurf Nach dieser Beratung kann und darf das letzte Wort der Stimme zu enthalten. Für den CDU/CSU-Frak- und die Entscheidung über einen Schwangerschafts- tionsantrag kann ich nicht stimmen, denn er stellt in abbruch nur von der Mutter vorgenommen werden. wesentlichen Punkten ja sogar eine Verschlechterung Sie hat auch die Konsequenzen ihrer Entscheidung zu des Lebensschutzes gegenüber der jetzigen Gesetzes- tragen. Die seelischen und körperlichen Folgen von lage dar, die die zweifellos in dem Antrag auch Abtreibungen sind nicht zu unterschätzen und sollten enthaltenen Verbesserungen nicht aufwiegen. Mein auch im Beratungsgespräch angeführt werden. Gewissen läßt keine andere Entscheidung zu. Aus all diesen Gründen kann ich im Deutschen Bundestag nur dem Gruppenantrag von CDU/F.D.P./ SPD zustimmen, nicht heißen Herzens — insbeson- dere wenn ich mir vorstelle, wer ansonsten noch diesen Antrag unterstützt —, sondern nach langer reiflicher Überlegung. Ich stimme der Regelung zu, weil ich hoffe, daß es mit der obligatorischen Beratung Anlage 9 und der Letztentscheidung der Mutter gelingt, mehr Kindern das Leben zu ermöglichen als bei den ande- Erklärung nach § 31 GO ren vorliegenden Lösungsvorschlägen. des Abgeordneten Günter Graf (SPD) zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Lebens)

Christliche, ethische und moralische Vorstellungen Anlage 8 einerseits und die Realitäten des täglichen Lebens habe ich meiner Entscheidung zugrundegelegt, den Erklärung nach § 31 GO unter anderen heute zur Debatte stehenden Gruppen- des Abgeordneten Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) antrag zu unterzeichnen und ihm meine Zustimmung zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 zu geben. aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Lebens) Ich mache kein Hehl daraus, daß mir keine Ent- scheidung ganz persönlicher Art jemals so schwer gefallen ist wie die heutige. Was meine persönlichen Da ich mich bereits bei der ersten Lesung mit einem Motive zum Ja zum Gruppenantrag angeht, so mache Debattenbeitrag beteiligt habe, möchte ich heute ich die in der heutigen Debatte von der Kollegin Uta hierauf verzichten und lediglich eine persönliche Würfel gemachten Aussagen voll inhaltlich zum Erklärung zu meinem heutigen Abstimmungsverhal- Gegenstand meiner persönlichen Erklärung. ten abgeben. Ich bedauere die im Verlauf der Debatte von meiner Ich habe den Gesetzentwurf der sogenannten Kollegin Inge Wettig-Danielmeier gemachten Äuße- Gruppe Werner (Initiativgruppe Schutz des ungebo- rungen hinsichtlich der pauschalen Diffamierung der renen Kindes) mit unterschrieben und mit einge- Männer in unserer Gesellschaft ausdrücklich, weise bracht, weil ich ihn für den Antrag halte, der mit sie mit Entschiedenheit zurück und drücke über meiner ethischen und religiösen Grundüberzeugung die Art und Weise der Darstellung mein Bedauern am besten zu vereinbaren ist, denn er wird am ehesten aus. dem mir wichtigsten Anliegen gerecht, nämlich dem Schutz der ungeborenen Kinder. Daran hat sich nichts Was die in den letzten Wochen bis zum heutigen geändert. Ich stimme deshalb auch in zweiter Lesung Tage durchgeführte Kampagne gegen den Gruppen- antrag zum § 218 angeht, müssen sich diejenigen, die selbstverständlich für diesen Antrag. sich an dieser Kampagne beteiligt haben, fragen Freilich muß ich damit rechnen, daß der von mir lassen, ob sie damit tatsächlich dem Schutz des mitgetragene Gesetzentwurf im Deutschen Bundes- vorgeburtlichen Lebens dienen. Ich bezweifele das in tag keine Mehrheit findet. Für diesen Fall stehe ich vor starkem Maße, denn es wird der fälschliche Eindruck der Frage, ob ich dann im nächsten Wahlgang für den erweckt, als gäbe der gefundene Kompromiß das Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion stimmen soll, vorgeburtliche menschliche Leben kurzerhand für die um jedenfalls den verfassungswidrigen und für mich Tötung frei. Sehr nachdenklich muß es einen auch als Christen wie jede Fristenlösung unannehmbaren stimmen, daß in den Kritiken am Gruppenantrag Gruppenantrag zu verhindern. Dies erscheint mir kaum ein Gedanke auf die Lage der Frau und ihre allerdings nur dann verantwortbar, wenn der CDU/ Verantwortung verwendet wird. Daß sie, die Frau, an CSU-Entwurf tatsächlich eine Chance hat, Gesetz zu diesen schwerwiegenden Eingriff überhaupt nur in werden. Nach meiner allerletzten Einschätzung der einer ernsten Konfliktlage denken kann, scheint Lage — und ich habe diese sorgfältig geprüft — gibt den Kritikern unbekannt. Von Kompetenz und es für den CDU/CSU-Entwurf jedoch keine Mehrheit, Eigenverantwortung der Frau als Grundlagen nicht zuletzt, weil eine Reihe von CDU-Kollegen für ihrer Entscheidung ist bei den Kritikern nichts nach- den Gruppenantrag stimmen will. zulesen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8451*

Anlage 11 Ich würde mir wünschen, wenn diejenigen, die sich an dieser in weiten Teilen unsachlichen und sehr polemischen und verletzenden Kampagne beteiligt Erklärung nach § 31 GO haben, mit gleicher Vehemenz für das geborene des Abgeordneten Lothar Ibrügger (SPD) Leben eintreten würden. Dabei denke ich an die Tag zur Abstimmung über die in für Tag an Hunger Sterbenden auf dieser Welt. Ich Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen fordere alle auf, auch hierüber einmal in verstärktem (Schutz des ungeborenen Lebens) Maße nachzudenken.

Artikel 31 Abs. 4 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik geschlossenen Einigungsvertrages ver- pflichtet den gesamtdeutschen Gesetzgeber, „späte- Anlage 10 stens bis zum 31. Dezember 1992 eine Regelung zu treffen, die den Schutz vorgeburtlichen Lebens und Erklärung nach § 31 GO die verfassungskonforme Bewältigung von Konfliktsi- des Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) tuationen schwangerer Frauen vor allem durch recht- zur Abstimmung über die in lich gesicherte Ansprüche für Frauen, insbesondere Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen auf Beratung und soziale Hilfen, besser gewährleistet, (Schutz des ungeborenen Lebens) als dies in beiden Teilen Deutschlands derzeit der Fall ist. Zur Verwirklichung dieser Ziele wird in dem in Artikel 3 genannten Gebiet mit finanzieller Hilfe des Das Recht auf Leben ist ein Höchstwert in unserer Bundes unverzüglich ein flächendeckendes Netz von Verfassung. Der Staat ist daher verpflichtet, dieses Beratungsstellen verschiedener Träger aufgebaut. Rechtsgut zu schützen. Die Beratungsstellen sind personell und finanziell so Die Qualität unserer Gesellschaft hängt davon ab, auszustatten, daß sie ihrer Aufgabe gerecht werden wie wir mit den Schwächsten umgehen. Es ist ein können, schwangere Frauen zu beraten und ihnen Armutszeugnis für diesen Staat und für diese Gesell- notwendige Hilfen — auch über den Zeitpunkt der schaft, wenn wir über 300 000 Tötungen — und um Geburt hinaus — zu leisten". eine Tötungshandlung handelt es sich bei einem Schwangerschaftsabbruch immer, egal wie man es Nach meiner 1990 erfolgten Zustimmung zu dem auch nennen mag — pro Jahr feststellen müssen. Einigungsvertrag im Deutschen Bundestag gilt es jetzt, eine Entscheidung zu treffen, die Hilfe statt Das ungeborene Kind ist das schwächste Glied in Strafe bewirkt. Dabei lasse ich mich von den Zielen unserer Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht leiten, die wir Sozialdemokraten uns im Grundsatz- spricht in diesem Zusammenhang vom Schutz des programm gesetzt haben: Strafrechts als „ultima ratio". Dieser Schutz muß sich über die gesamte Dauer der Schwangerschaft erstrek- „Wir wollen Lebensverhältnisse schaffen, in denen ken. sich Frauen nicht zum Schwangerschaftsabbruch gezwungen sehen. Wir wissen jedoch, daß wir nicht Eine rein subjektive Entscheidung eines einzelnen alle menschlichen Konflikte lösen können. Die Straf- Betroffenen, auch wenn sie von dem größtmöglichen barkeit des Schwangerschaftsabbruchs hat nicht zum Bemühen um Objektivität geprägt ist, darf nicht im Schutz werdenden Lebens, sondern seit jeher mehr Mittelpunkt stehen. zur Bedrohung und Demütigung der Frauen geführt. In einem Staat, der Achtung vor Menschen- und Das Strafrecht ist kein geeignetes Mittel für die damit Lebensrecht hat, darf es meines Erachtens kein Lösung von Schwangerschaftskonflikten. Deshalb Recht auf Abtreibung geben. Die Tötung eines unge- wollen wir die erforderlichen gesetzlichen Regelun- borenen Menschen darf nur die allerletzte Maßnahme gen außerhalb des Strafrechts treffen. sein, nämlich dann, wenn auf keine andere wirklich zumutbare Weise eine Abhilfe der Not und eine Wir wollen werdendes Leben schützen. Das Abwendung des Konflikts geschaffen werden kann. kann nur mit dem Willen, nicht gegen den Willen der Frau geschehen. Deshalb erkennen wir die Ver- Der Staat hat deshalb auch die materiellen Grund- antwortung und das Selbstbestimmungsrecht der lagen zu schaffen, damit Geist und Klima in einer Frau an." Gesellschaft kinderfreundlich sein können. Darunter verstehe ich weiterhin verstärkte Hilfen für Familien, Nach meiner Überzeugung zeigt das jetzt zur für Mütter und für eine kinderfreundlichere Welt. Abstimmung stehende Gesetz zum Schutz des vorge- Den Ausführungen des Kollegen Werner stimme ich burtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer zu und erspare mir deshalb, auf weitere Einzelheiten kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im einzugehen: Ich werde für seinen Antrag votieren! Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs Wege zur Lösung für den Sollte dieser Antrag keine Mehrheit bekommen, Fall auf, daß eine Frau durch eine ungewollte Schwan- werde ich — um die Fristenlösung zu verhindern — gerschaft in Konflikte gebracht wird. für den Antrag der CDU/CSU-Fraktion stimmen, obwohl er meinen Vorstellungen nur in Teilen ent- Deswegen werde ich dem Gruppenantrag zustim- spricht. men. 8452* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Anlage 12 Anlage 14

Erklärung nach § 31 GO Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Klaus Kübler (SPD) des Abgeordneten Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU) zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 zur Abstimmung über die in aufgeführten Vorlagen Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Lebens) (Schutz des ungeborenen Lebens)

Ich habe den Gruppenantrag mitunterzeichnet, Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutsch- nicht um Abtreibung zu fördern, freizugeben oder zu land ist nach Art. 2 Abs. 2 festgeschrieben: „Jeder hat legalisieren, sondern um endlich eine Neuregelung das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." anzustreben mit dem Ziel, effektiven Lebensschutz zu Daß dies auch für das noch nicht geborene Kind gilt, ist bewirken unter Wahrung der Eigenverantwortlich- vom Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung keit der Frau. Durch ein deutliches Mehr an sozialer vom 25. Februar 1975 festgestellt worden. Hilfe und ein breitgefächertes Angebot an Hilfe und Unterstützung soll vielmehr Abtreibung wirksam Deshalb ist der Schutz des menschlichen Lebens, bekämpft werden. Abtreibung ist nicht zu bekämpfen des geborenen und ungeborenen, die wichtigste und und zu verhindern durch die Bestrafung der Frau. Und höchste Aufgabe, der ich mich als Abgeordneter und Abtreibung ist auch nicht zu verhindern durch die als Christ verpflichtet fühle. Es ist für mich unabding- Androhung der Bestrafung. Dies würde die Frau nur bar, daß das Lebensrecht des ungeborenen Kindes dazu bringen — wie früher — illegale Abtreibungen grundsätzlich Vorrang vor dem Selbstbestimmungs- mit allen negativen gesundheitlichen, unsozialen und recht der Frau haben muß und eine qualifizierte kriminellen Folgen vornehmen zu lassen. Beratung, auch in schwerwiegenden Not- und Kon- Den Schutz des Lebens, für den ich massiv und fliktsituationen, immer zugunsten des Lebens zu erfol- selbstverständlich eintrete, erreiche ich also nicht gen hat. Vater und Mutter tragen dabei gemeinsam über die Strafbarkeit der Frau — das haben leider Verantwortung. ganz unbestritten alle Erfahrungen der Vergangen- Deshalb muß ich mich bei meiner heutigen Ent- heit gezeigt —, sondern ich kann ihn eher und besser scheidung über die vorliegenden Anträge zur Neure- erreichen durch ein Netz sozialer Maßnahmen, durch gelung der §§ 218ff StGB davon leiten lassen, wie ich eine kinder- und frauenfreundliche Lebens- und dieser Verantwortung gerecht werden kann. Am ehe- Arbeitswelt. Dies ist das Ziel des Gruppenantrages, sten sehe ich den Schutz des ungeborenen Kindes im der eine ehrlichere Lösung vorsieht als andere Gesetzentwurf der Abg. Herbert Werner, Monika Anträge. Brudlewsky und anderer (Drucksache 12/1179) Der Gruppenantrag fördert das notwendige garantiert, und ich werde ihm deshalb meine Zustim- menschliche Zusammenwachsen der alten und der mung geben. neuen Bundesländer, in denen es ja nach der Wieder- Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion (Druck- vereinigung unterschiedliche Rechtslagen in der sache 12/1178 [neu]) sieht in § 218a Abs. 2 Ziffer 5 a Abtreibungsproblematik gab. Eine einheitliche vor, daß „der Abbruch der Schwangerschaft durch Rechtssicherheit für die Frauen in den alten und einen Arzt nicht nach § 218 strafbar ist, wenn seit der neuen Bundesländern kann erst soziale Sicherheit Empfängnis nicht mehr als zwanzig Wochen verstri- bringen. chen sind, soweit dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß das Kind infolge einer Erbanlage oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszustan- Anlage 13 des leiden würde". Erklärung nach § 31 GO Nicht nur die Tatsache, daß nach dem heutigen des Abgeordneten Herbert Lattmann (CDU/CSU) Wissensstand der Medizin mögliche Behinderungen zur Abstimmung über die in nach der 12. Lebenswoche nicht besser oder schlech- Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen ter festgestellt werden können als bis zur 12. Woche, (Schutz des ungeborenen Lebens) sondern auch die damit im Raum stehende Frage des Wertes eines behinderten Menschen lassen mir keine Ich stimme dem Gesetzentwurf der Fraktion der andere Möglichkeit, als diese vorgesehene Regelung CDU/CSU zum Schutz des ungeborenen Lebens des § 218a Abs. 2 Ziffer 5 a des CDU/CSU-Gesetzent- Drucksache 12/1178 (neu) trotz einiger Bedenken zu, wurfs mit allem Nachdruck abzulehnen. Mir persön- weil ich insbesondere die darin enthaltenen Hilfsan- lich sind Fälle bekannt, bei denen Ärzte eine dro- gebote für schwangere Frauen unterstütze. Hilfe ist hende Behinderung des im Mutterleib wachsenden für mich die erste und überzeugendste Maßnahme Kindes diagnostiziert hatten und sich diese Diagnosen zum Schutz des ungeborenen Lebens. nach der Geburt des Kindes als absolut falsch erwie- sen. Meine Zustimmung bezieht sich ausdrücklich nicht auf die vorgesehene Dokumentationspflicht des Arz- Sollte jedoch der Gesetzesantrag der Abg. Herbert tes, die das notwendige Vertrauensverhältnis zwi- Werner, Monika Brudlewsky und anderer (Drucksa- schen der schwangeren Frau und ihrem Arzt beein- che 12/1179) nicht die erforderliche Mehrheit erhal- trächtigt, ohne in irgendeiner Form zum Schutz des ten, werde ich dem Gesetzentwurf der CDU/CSU- ungeborenen Lebens beizutragen. Fraktion (Drucksache 12/1178 [neu]), dennoch zustim- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8453* men, allein unter dem Gesichtspunkt, den Gesetzent- ungeeignet zum Schutz ungeborener Kinder. Fristen wurf auf Drucksache 12/2605 (neu), und damit eine geben letztlich den Anspruch der Rechtsordnung auf, reine Fristenregelung, zu verhindern. zum Schutz ungeborener Kinder beizutragen. Fristen sind eine' Flucht in die vermeintlich einfache Ant- wort.

Der Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion entspricht aus meiner Sicht dem verfassungsrechtlich und ethisch Gebotenen. Deshalb stimme ich diesem Entwurf zu. Anlage 15

Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Jürgen Rüttgers (CDU/CSU) zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen (Schutz des ungeborenen Lebens) Anlage 16

Menschliches Leben ist grundsätzlich unverfügbar. Erklärun9 nach § 31 GO Auch ein ungeborenes Kind ist Leben von Anfang an des Abgeordneten Heribert Scharrenbroich — Gottes Ebenbild nach christlichem Verständnis, mit (CDU/CSU) zur Abstimmung über die in eigenem Recht und eigener Würde begabte Person in Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen humanistischer Perspektive. Das Grundgesetz doku- (Schutz des ungeborenen Lebens) mentiert dieses gemeinsame Erbe von Christentum und Humanismus in Artikel 1: „Die Würde des Men- schen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen Auch wenn ich dem Gesetzentwurf der Abgeordne- ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. " Diese ten Herbert Werner und anderer (BT-Drucksache schlichten Sätze sind die „Magna Charta" des Zusam- 12/1179) zugestehe, daß er konsequenterweise den menlebens in unserer Gesellschaft. Ihnen ist der wichtigen Grundsatz: „Das Selbstbestimmungsrecht Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verpflich- des einzelnen findet seine Grenzen am Lebensrecht tet. Wir wollen eine lebensbejahende Gesellschaft — des anderen" strafrechtlich bewehrt, konnte ich die- in den sozialen und in den rechtlichen Bedingun- sem Gesetzentwurf nicht zustimmen, da eine solche gen. Strafbedrohung einen offenen Meinungsaustausch bei der Beratung gefährdet und damit die Erreichung Die hohe Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in des Beratungszieles erschwert, das ungeborene unserem Land ist ein Skandal. Weder die Regelung in Leben zu erhalten. Neben den sozialen Hilfen kommt der ehemaligen DDR noch die Regelung in den alten der Beratung die allergrößte Bedeutung zu, gefährde- Bundesländern hat daran etwas ändern können. Der tes Leben zu retten. Versuch einer Neuregelung ist also nicht nur formaler Auftrag des Einigungsvertrages, sondern vor allem Der Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion moralischer Auftrag auf dem Hintergrund der Misere (BT-Drucksache 12/1178) kennt diese Belastung der vieler Abtreibungen, vieler schwerer Konfliktsituatio- Beratung nicht. Außerdem bewahrt er die schwangere nen schwangerer Frauen. Frau davor, alleine über die Bewältigung ihrer Not und Konfliktlage zu entscheiden. Die Feststellung der Der Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion will Indikation durch den Arzt dürfte für viele Frauen bei dazu beitragen, mit dem Ausbau sozialer Hilfen die der Bewältigung der psychischen Belastung nach innere und äußere Not dieser Frauen zu wenden. einem Schwangerschaftsabbruch eine wichtige Hilfe Schwangerschaft und Geburt eines Kindes dürfen in sein. Deswegen und wegen der besseren sozialen unserem reichen Land nicht die Zerstörung persönli- Hilfen habe ich diesen Gesetzentwurf allen anderen cher Lebenspläne bedeuten. vorliegenden Entwürfen vorgezogen und ihm zuge- stimmt. Aber nicht nur die sozialen Rahmenbedingungen, auch die Gestaltung unserer Rechtsordnung ist Aus- Bei gründlicher Prüfung aller Anträge komme ich druck unseres Grundverständnisses einer lebens- zum Ergebnis daß — wie es der Abgeordnete Julius freundlichen Gesellschaft. Cronenberg (F.D.P.) prägnant formulierte — zwi- schen dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Der Entwurf der CDU/CSU-Bundestagesfraktion und dem Gruppenantrag von SPD-, F.D.P.- und Uni- versucht, beide Aspekte zu verbinden: den Schutz des onsabgeordneten (BT-Drucksache 12/2605) nur ein ungeborenen Lebens als gottgegebenes Geschenk gradueller Unterschied besteht. und die besondere Verknüpfung mit dem Leben der schwangeren Frau. Bei aller Unvollkommenheit, die Die Zustimmung zu diesem Antrag erscheint mir, den Regelungsversuchen gerade in diesem Bereich nach Ablehnung des CDU/CSU-Antrages, verant- anhaftet, bei aller inneren Not der persönlichen wortbar und zwingend, weil wir dem Auftrag des Gewissensentscheidung in diesem Bereich, ist dieser Einigungsvertrages nicht gerecht geworden wären, Versuch nach meiner Überzeugung gelungen. Eine wenn die bisherige Fristenregelung in den jungen Fristenregelung dagegen wäre völlig willkürlich und Bundesländern noch länger fortgegolten hätte, und 8454* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 weil es eine schwere Niederlage des Parlamentaris- Anlage 18 mus wäre, wenn der Gesetzgeber die Beratung der Neufassung des § 218 heute vorläufig abgeschlossen Erklärung nach § 31 GO hätte, ohne daß ein akzeptabler Gesetzentwurf eine des Abgeordneten Dr. Hermann Schwörer Mehrheit gefunden hätte. (CDU/CSU) zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen Außerdem drücke ich mit meiner Zustimmung zu (Schutz des ungeborenen Lebens) diesem Gesetzesantrag bewußt meine Solidarität mit den CDU-Abgeordneten aus, die vor allem aus dem Im Bewußtsein unserer Verantwortung vor Gott und außerparlamentarischen Raum in verwerflicher Form den Menschen — so unser Grundgesetz — haben wir kritisiert wurden, weil sie ihrem Gewissen folgend am als Abgeordnete des Deutschen Bundestages die Gruppenantrag der SPD- und F.D.P.-Abgeordneten Pflicht, das Leben zu schützen. Dies bedeutet: mitgearbeitet haben. Sollte dieser Gesetzentwurf Wirklichkeit werden, dann kommt diesen Abgeordne- 1. Den Schwachen vor Übergriffen durch andere zu ten das Verdienst zu, daß sie den Gesetzentwurf in schützen. Dies gilt um so mehr, je schwächer das Opfer entscheidenden Punkten verbessert haben. Ich nenne ist Das ungeborene Kind ist das schwächste Mitglied nur, daß der Lebensschutz jetzt als Ziel der Schwan- der Gesellschaft. gerschaftsberatung definiert ist und daß die Existenz 2. Eine straffreie Tötung eines Ungeborenen ist nur einer Not- und Konfliktlage als Voraussetzung für dann zu rechtfertigen, wenn das Leben der Mutter auf einen Schwangerschaftsabbruch genannt wird. dem Spiel steht. 3. Die Aufrechterhaltung des strafrechtlichen Schut- zes ist auch deshalb notwendig, weil der Wegfall des Strafrechtsschutzes in kurzer Zeit zu einem Recht auf Abtreibung führen würde mit unabsehbaren Folgen für alle. 4. Die seelischen Nöte vieler Frauen, die abgetrieben Anlage 17 haben, sind ein Argument gegen jede Fristenregelung — selbst gegen die mit Beratungszwang. Es ist unsere Erklärung nach § 31 GO Pflicht, auch die gesundheitlichen Spätfolgen einer des Abgeordneten Wilhelm Schmidt Abtreibung zu verhindern, für die nachher die Versi- (Salzgitter) (SPD) zur Abstimmung über die in chertengemeinschaft hohe Kosten tragen muß. Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen 5. Selbstverständlich ist es unsere christliche Pflicht, (Schutz des ungeborenen Lebens) den Frauen in Notlagen zu helfen. Zu den bisher schon stark ausgebauten Familienhilfen müssen weitere Ich werde dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion Hilfen kommen, z. B. das Bewahrmodell, das Ungebo- und dem Gruppenantrag der Abg. Frau Wettig- renes retten will, auch wenn die Mutter zunächst die Danielmeier, Frau Würfel u. a., den ich selbst als einer Annahme des Kindes beharrlich verweigert. Darüber der Ersten mitunterzeichnet habe, zustimmen. Damit hinaus müssen wir alles tun, damit unsere Gesell- möchte ich persönlich meiner tiefen Überzeugung schaft kinderfreundlicher wird. Die Rolle der Familie, Ausdruck geben, daß ich die Verantwortung und das die Wichtigkeit ihres Zusammenhalts, auch im Hin- besondere persönliche Recht jeder werdenden Mut- blick auf die Altenprobleme, wie Pflege, muß in der ter, in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft Öffentlichkeit viel stärker herausgestellt werden. über das werdende Leben zu entscheiden, respektiere Dabei ist der aufopfernden Liebe und Fürsorge aller und gegenüber allen anderen berührten Rechten für Mütter, vor allem auch der Mütter mit behinderten vorrangig ansehe. Darüber hinaus möchte ich aber Kindern, vom Staat und der Gesellschaft höchste auch in meiner Eigenschaft als Kinderbeauftragter Anerkennung zu zollen. unterstreichen, daß ich es als besonders wich tige Ich habe zuerst für den Indikationsentwurf Werner Schutzfunktion für das ungeborene Leben ansehe, gestimmt, den ich unterschrieben hatte. Weil dieser wenn die sozial orientierten Begleitmaßnahmen keine Mehrheit gefunden hat, stimme ich für den intensiv und konkret vorangebracht werden und die Entwurf der CDU/CSU-Fraktion und hoffe, daß ich Gesellschaft in Deutschland sich endlich durch p riva- dazu beitragen kann, die verfassungswidrige Fristen- tes und staatliches Handeln kinderfreundlich gestal- lösung zu verhindern. tet. „Hilfe statt S trafe" halte ich für eine grundsätzlich richtige Orientierung, die der Frau eine häufiger positive Entscheidung im Rahmen des ihr zustehen- den Rechts zugunsten ungeborenen Lebens ermög- Anlage 19 licht, zugleich aber auch die Lebensperspektiven der geborenen Kinder verbessert. Die Güterabwägung in Erklärung nach § 31 GO dieser schwierigen Frage ist in erster Linie zugunsten des Abgeordneten Günter Verheugen (SPD) zur des Entscheidungsrechts der schwangeren Frau zu Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 treffen. Aber auch die sozialen Hilfen für das geborene aufgeführten Vorlagen Leben sind von hohem Rang. Ein gesellschaftliches (Schutz des ungeborenen Lebens) Verantwortungsbewußtsein dieser A rt sollte nach der heutigen Entscheidung mehr als bisher das politische Ich habe dem Gesetzentwurf in zweiter und dritter Handeln bestimmen. Lesung zugestimmt, weil der Antrag der SPD-Bundes- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992 8455*

tagsfraktion auf Drucksache 12/841 keine Mehrheit worden ist, liegt weit außerhalb dessen, was ein Christ gefunden hat. Der Gesetzentwurf der SPD-Bundes- vertreten kann. tagsfraktion wäre nach meiner Überzeugung am besten von allen vorliegenden Entwürfen geeignet gewesen, dem Prinzip Hilfe statt Strafe Rechnung zu tragen. Der sogenannte Gruppenantrag sieht eine Beratungspflicht vor, die Frauen in einer Schwan- Anlage 21 gerschaftskonfliktsituation unnö tigem psychischen Druck aussetzen kann. Da der Gruppenantrag jedoch eine deutliche Verbesserung des geltenden Rechts Erklärung nach § 31 GO darstellt, halte ich ihn letztlich für akzeptabel. Ich der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul werde mich im Rahmen meiner politischen Möglich- (SPD) zur Abstimmung über die in keiten jedoch weiter darum bemühen, dem Antrag der Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen SPD-Fraktion eines Tages mit zur Mehrheit zu verhel- (Schutz des ungeborenen Lebens) fen. Bei meiner Entscheidung habe ich mich von der Ich stimme für den Gruppenantrag der SPD-, F.D.P.- Überzeugung leiten lassen, daß der Gesetzgeber die und einiger CDU-Abgeordneten. Zahl der Schwangerschaftsabbrüche durch Strafan- Er ist insgesamt ein Fortschritt gegenüber der jetzi- drohung nicht verringern kann. Ich halte es vielmehr gen Indikationenregelung. Denn die Indikationenre- für seine Pflicht, familienfreundliche Bedingungen zu gelung hat Memmingen möglich gemacht und auch schaffen, die es jeder Frau erlauben, in einer Schwan- die entwürdigenden Zwangsuntersuchungen an der gerschaft die Entscheidung für das Kind zu treffen. holländischen Grenze. Dieser schrecklichen Praxis muß endlich ein Ende gemacht werden. Der Gruppenantrag sichert eine Fristenregelung von 12 Wochen, innerhalb deren die Frau allein über einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden kann. Anlage 20 Der Mehrheitsantrag von CDU/CSU will diese Ent- scheidung den Frauen entziehen und einer fremden Erklärung nach § 31 GO Autorität übertragen. Ich halte dies für eine Entmün- des Abgeordneten Dr. Ruprecht Vondran digung und Diskrimierung von Frauen. (CDU/CSU) zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 13 Frauen können in unserer Gesellschaft alles; sie aufgeführten Vorlagen erziehen die Kinder, sie verzichten deshalb häufig auf (Schutz des ungeborenen Lebens) Erwerbstätigkeit, sie erhalten deshalb häufig niedri- gere Renten, oder sie sind gleich dreifach belastet: Sie erziehen Kinder, sind berufstätig und machen den Das Strafrecht ist ein untaugliches Mittel, hilfloses Haushalt. Sie können alles. Aber die Entscheidung in werdendes Leben wirksam zu schützen. Das lehrt die der existentiellsten Frage, die eine Frau betreffen Erfahrung der letzten Jahre. 300 000 Schwanger- kann, soll ihr vom CDU/CSU-Mehrheitsentwurf vor- schaftsabbrüche im Jahr und die hohe Dunkelziffer enthalten werden! Das wäre ein „Frauen-Bevormun- sprechen eine eigene traurige Sprache. dungsgesetz". Andererseits prägt das Recht die Werthaltung der Ich bin für den generellen Wegfall der Strafandro- Menschen. Es markiert zumindest ein ethisches Mini- hung gegen die Frauen und für die Streichung des mum. Dies genau tut der von der Mehrheit der § 218. Nach 121 Jahren ist seine generelle Streichung CDU/CSU eingebrachte Gesetzentwurf. Er gibt klare überfällig. Der Gruppenantrag, der ein Kompromiß Orientierung und mahnt, mit der Sexualität verant- ist, geht zwar nicht so weit, wie dies meiner Posi tion wortungsvoll umzugehen, wenn wir auch künftig in entspricht, aber er ist ein Gesamtfortschritt für die einer humanen Gesellschaft leben wollen. Frauen. Dem sogenannten „Werner-Antrag" kann ich nicht Ich bin prinzipiell gegen die obligatorische Bera- zustimmen. Er will die geltenden Rechtsnormen ver- tung für Frauen. Alle Beratungsstellen haben uns in schärfen. Damit überlastet er das Recht und weist ihm den letzten Monaten im Deutschen Bundestag vorge- eine Funktion zu, die es nicht mehr erfüllen kann. tragen, daß die offene Beratung die beste Entschei- Zugleich vertieft er den Graben, den eine unglückli- dungshilfe für Frauen ist. Und außerdem will ja auch che Nachkriegsgeschichte mitten durch Deutschland niemand die an der Schwangerschaft beteiligten gezogen hat. Unsere Aufgabe besteht aber gerade Männer zur Beratung verpflichten. Auch hier stelle ich darin, diese Trennlinie wieder zu überwinden. meine Bedenken zurück angesichts des Gesamtfort- Der sogenannte „Gruppenantrag" von SPD und schritts, den der Gruppenantrag darstellt, zumal die F.D.P. nimmt dem werdenden Leben zumindest in der Beratung nicht protokolliert wird und auch gerichtlich ersten Phase den Schutz der Rechtsordnung. Er gibt nicht überprüft werden kann. vor, der Würde der Frau zu dienen. Doch in der Die Diskussion heute trägt hoffentlich dazu bei, daß Wirklichkeit schafft er in vielen Fällen der Bequem- unsere Gesellschaft endlich kinder- und frauen- lichkeit und der Gedankenlosigkeit Raum. freundlich wird. Das Strafrecht ist immer das Billigste. Der Antrag von PDS/Linke Liste , aus deren Reihen Teurer, aber menschlicher für unsere Gesellschaft ist ein Embryo ein „parasitärer Zellklumpen" genannt es, wenn wir endlich das geborene Leben schützen. 8456* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1992

Dazu brauchen wir wirkliches Umdenken in der bleiben, wenn die Gefahr einer dauerhaften und Gesellschaft. Die notwendigen Kinderbetreuungs- schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen möglichkeiten müssen endlich geschaffen werden, oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwan- preiswerter Wohnraum für Frauen und Familien muß geren objektiv nachweisbar vorliegt und auf keine endlich her, und die Organisation des Wirtschafts- und andere für die Schwangere zumutbare Weise abge- Arbeitslebens muß endlich so geändert werden, daß wendet werden kann. Nur diese medizinische Indika- Kindererziehung auch für Berufstätige möglich tion vermag die Straffreiheit zu begründen. wird. „Hilfe statt Strafe" ist meiner Meinung nach die Heute steht ein Frauenbild zur Entscheidung im falsche Parole, weil das Kind nicht vorrangig als Deutschen Bundestag: entweder die Orientierung am Kostenfaktor gesehen werden darf. Beim Schutz des konservativen Bild der Frau, das sie prinzipiell als ungeborenen Lebens geht es um elementare Grund- schwach und „beratungsbedürftig" betrachtet, oder werte unserer Gesellschaft und Kultur. Nicht akzepta- das Bild der selbständigen, eigenständigen, gleichbe- bel ist für mich auch der Entwurf der CDU/CSU, weil rechtigten Frau, das unserer modernen Gesellschaft ich die „psycho-soziale Indikation" für einen zur entspricht. Ich hoffe, daß der Deutsche Bundestag Fristenregelung ausweitbaren Begriff halte. Schon bis heute die Entscheidung zugunsten der Frauen und heute hätte es nicht zur massenhaften Tötung unge- ihres Selbstbestimmungsrechtes trifft. borenen Lebens kommen dürfen angesichts eines Wohlstandes in unserem Land wie nie zuvor und angesichts von Verhütungsmethoden wie nie zuvor. Das Recht auf Selbstverwirklichung muß dort seine Grenzen finden, wo es um das Lebensrecht eines ungeborenen Menschen geht. Anlage 22 Meine Entscheidung in der Abstimmung treffe ich nach einer Vielzahl von Diskussionen in Versammlun- Erklärung nach § 31 GO gen und Einzelgesprächen auf Grund von Hunderten des Abgeordneten Benno Zierer (CDU/CSU) von Zuschriften, für die ich dankbar bin und die mich zur Abstimmung über die in in meiner Haltung bestärkt haben, und letztlich in der Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen Verpflichtung zum „C" in unserem Parteinamen. (Schutz des ungeborenen Lebens)

Ich werde ausschließlich für den Entwurf der „Gruppe Werner" stimmen und jeden anderen Ent- Anlage 23 wurf ablehnen. Es geht um die Wahrung christlicher Grundsätze, auf die sich die Präambel des Grundge- Erklärung nach § 31 GO setzes beruft, indem sie von der Verantwortung unse- der Abgeordneten Claudia Nolte (CDU/CSU) res Volkes vor Gott und den Menschen spricht. Wir zur Abstimmung über die in wissen heute, daß in der befruchteten Eizelle das Tagesordnungspunkt 13 aufgeführten Vorlagen vollständige genetische Programm eines Individuums (Schutz des ungeborenen Lebens) enthalten ist. Das ungeborene Kind führt ein eigen- ständiges Leben, das nach Anstrengung des Gewis- Da ich zum Zeitpunkt der Abstimmung des Antrags sens nicht unbegrenzt straffrei zur Tötung freigege- der Gruppe Werner (Ulm) u. a. nicht im Plenarsaal ben werden darf. Die Tötung des ungeborenen Kindes sein konnte, möchte ich hiermit erklären, daß ich darf nach meiner Auffassung allein dann straffrei diesem Antrag zustimme.