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Mai/Juni • # 1044/1045 Gorleben Rundschau Bürger initiative Umweltschutz Lüchow-

Marianne Fritzen Landpartie Sie war eine von uns, und sie war die erste von uns. Ihr Rat, ihr Jede Menge Informationen zu Weitblick und ihr Mut haben uns bis zuletzt durch über 40 Jahre Gorleben, zur Suche nach einem Widerstand geleitet. Dem Atomstaat hat sie ihr warmes Herz, ihr Atommülllager und zum Stand menschliches Antlitz und ihren klugen Kopf entgegen gehalten. der . Weitermachen!

Als ich in den Siebzigerjahren Physik studierte, machten sich die meisten Kommiliton/-innen in unserem Institut über die Kritiker der friedlichen Nut- zung der Kernenergie lustig. Frage: „Was ist die größte Gefahr, wenn du ein Kilogramm Plutonium ein Jahr in der Hosentasche herumträgst?“ Ant- wort: „Die Hosentasche kann reißen.“ Als 1986 der Atomreaktor in Tscher- nobyl explodierte, haben wir selbst im fernen Kamerun das aus Europa kommenden Milchpulver Dauermes- sungen auf Verstrahlung unterzogen, bevor wir unserem Säugling damit das Fläschchen zubereiteten. Im Jahr 2011 rauschte die Flutwelle des Tsunami über das Atomkraftwerk in Fukushima hinweg und löste das De- saster aus. Bei uns in Taiwan hatte sie nur noch eine Höhe von 50 Zentime- tern. Auch hier stehen nur zehn Kilo- meter Luftlinie von unserer Wohnung entfernt zwei Atomkraftwerke mit vier Blöcken fast auf Meeresniveau. Ohne die stetige Mahnung und die Ak- tionen des Widerstands hätten wahr- scheinlich auch diese beiden Katastro- phen die Menschheit nicht groß zum Nachdenken gebracht! Ich bin stolz darauf, dass meine Mutter wesentlich dazu beigetragen hat, dass viele Millionen Menschen für die Ge- fahren und ungelösten Probleme der Nutzung der Atomenergie sensibili- siert wurden und man vielerorts über den Ausstieg diskutiert. Aber selbst damit sind die Probleme noch nicht gelöst! Gorleben soll leben!

Emmanuel Fritzen Schulleiter in Taipeh / Taiwan Fotos: Cover: Günter Zint, Seite 2: Privat, Seite 3: PubliXviewinG Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, BI. , Mariannes weiteren simulierten gesellschaft- langjährige Freundin und Mit- lichenVerständigungsprozess hin- ein Menschenleben lang quält uns streiterin, erinnert an die große zufügen möchte, erklärt Ulrike Sterbliche schon die Hochrisiko- alte Dame, die in diesem März von Donat, was aus Sicht von Konflikt- technologie der unsterblichen uns gegangen ist. Wir werden in beratung und Mediation essen- Atomkraft. Da es kein Endlager ihrem Geiste weitermachen. Ver- tielle Elemente einer demokrati- gibt, hätte man niemals in die Nut- sprochen! Martin Donat, schen Bürgerbeteiligung wären, zung der Atomenergie einsteigen Wolfgang Ehmke macht den gros- Vorsitzender der die dieses Etikett verdient. Der dürfen, verkündete einst der letzte sen Schwenk von der willkürlichen BI Lüchow- Geologe Ulrich Kleemann erklärt Dannenberg Umweltminister Peter Altmaier im Standortbenennung Gorlebens uns als Mitglied der Endlager- Wendland und dankte dem dorti- bis zur aktuellen Kommission, die kommission, wie diese sich das gen Widerstand. Eine, die es ihm weder die Fehler der Vergangen- weitere Verfahren der Endlager- und allen Regierenden frühzeitig, heit aufgearbeitet, noch eine ge- suche vorstellt und welche Regio- rechtzeitig und unbequem gesagt sellschaftliche Debatte angestos- nen betroffen sein könnten. hatte, war die Weltbürgerin Mari- sen hat, sondern von alternativen Während die Stromrebellin Ursula anne Fritzen, Mitbegründerin und Lageroptionen unbeirrt den bis- Sladek von EWS-Schönau und Gründungsvorsitzende der Bür- lang stets gescheiterten Pfad der Matthias Willenbacher, Mitbe- gerinitiative; friedlich, mutig, fair tiefengeologischen Endlagerung gründer der juwi AG und Buchau- und konsequent stritt sie für eine fortsetzt. Seit der Monaco-Konfe- tor, engagierte Plädoyers für De- bessere Welt ohne Atom. Von ei- renz 1959, auf der auch noch Ver- zentralisierung und Energiewen- nem „erfüllten Leben“ schreiben klappen und Versenken von Atom- de halten, mahnt Hermann Klepper befreundete Initiativen in der Re- müll im Meer propagiert wurde, zur Bescheidenheit, die als „Suffi- publik, denen sie mit ihrer natür- wird Salz in Deutschland als exzel- zienz“ auf dem Weg in eine nach- lichen Art und Festigkeit Mut zum lentes Endlagermedium gefeiert. haltige Gesellschaft Energiewen- Widerstand machte. „Ich werde es Aus den USA kommen nun kriti- de und Effizienz begleiten muss. wohl nicht mehr erleben“ sagte sche Töne, die uns an die havarier- So danken wir im Angesicht von sie oft in weiser Voraussicht und ten Endlager Morsleben und Asse Enkeln und Urenkeln den vielen meinte den vollendeten Atomaus- denken lassen. lieben und verantwortungsvollen stieg und die Abkehr vom Irrweg Nachdem auch die Endlagerkom- Menschen, die uns auf unserem Gorleben. Noch Ende Januar er- mission 40 Jahren rein informeller langen Weg in eine lebenswerte hob sie dabei vehement ihre klu- Beteiligung der Bevölkerung ohne Zukunft begleiten und begleitet ge Stimme auf der Fachtagung der jede Ergebniswirksamkeit einen haben.

Impressum

Die Gorleben Rundschau ist ein kosten- Redaktion: Andreas Conradt (ac), Druck: dieUmweltdruckerei GmbH loses Informationsblatt der Bürger- Torsten Koopmann (kp) (beide verant- Lohweg 1, 30559 Hannover initiative Umweltschutz Lüchow- wortlich, Adresse wie vor), Jan Becker Auflage: 6600, gedruckt auf Dannenberg e. V. (jb), Wolfgang Ehmke (we), Birgit Huneke Recyclingpapier Circle Matt White Rosenstraße 20, 29439 Lüchow (bh), Torben Klages (tk), Reimar Paul (rb) Weitere Infos, Leserbriefe und [email protected] Gestaltung: Andrea Hagen, Andreas Feedback auf der Website: [email protected] Conradt www.gorleben-rundschau.de

3 Danke, Marianne! Zum Tod von Marianne Fritzen am 6. März 2016

Im März 2016 ist Marianne Fritzen gestorben. Vor fast 40 Jahren im Februar und März 1977 gehörte sie zu denen, die den Protest und Widerstand gegen die Errichtung des „Nuklearen Entsor- gungszentrums“ in Gorleben begonnen haben. Rebecca Harms hat sich Gedanken gemacht zum politischen Vermächtnis von Marianne Fritzen.

Bei der Gründung der Bürgerini- Liebe zur Kultur und zur Welt, entscheidend mit verändert. tiative Umweltschutz Lüchow- das tiefe Interesse an Politik, das Wie ist ihr das so gelungen? Dannenberg war sie Anfang 50. Philosophieren und Streiten mit Am 22. Februar 1977 gab der da- Gestorben ist sie mit 91 Jahren. ihrem Mann über Freiheit, Bürger malige Ministerpräsident Albrecht Als „Mutter“ des Gorleben-Wider- und Staat: Marianne Fritzen war auf in Hannover bekannt, dass bei stands wurde sie auch bei ihrem eine besondere Art vorbereitet, Gorleben im Landkreis Lüchow- Tod bezeichnet. Der bedeutenden als die Gorleben-Entscheidung ihr Dannenberg im östlichsten Zipfel Rolle, die sie gespielt hat im Wend- Leben veränderte und sie zu einem des Landes Niedersachsen das land und darüber hinaus, wird der Köpfe der Bewegung gegen Zentrum zur Wiederaufarbeitung man damit nicht gerecht. Diese Gorleben und die Atomenergie und zur Endlagerung von Atom- großartige Frau war Ehefrau und wurde. müll errichtet werden solle. Unter- Mutter da, wo es darauf ankam, In und mit der Bewegung gehörte tage sollte im Salzstock Gorleben nämlich zuhause in Kolborn bei sie zu denen, die maßgeblich das das Endlager für Atommüll errich- Lüchow. Sie war die immer selbst- neue Denken geprägt haben, das tet werden. Der Ausbau der An- bewusstere Gefährtin eines sehr mit dem Satz „Wir haben die Erde lagen für die Wiederaufarbeitung anspruchsvollen Mannes, der als nur von unseren Kindern gepach- sollte parallel zur Untersuchung Lehrer nicht nur seinen Schülern, tet“ am besten beschrieben ist. des Salzstockes passieren. In der

sondern auch der Familie mit den Ihre Überzeugungen haben sie Nachbarschaft an der sollte Fotos: Anja Weber, Günter Zint, Privat sieben Kindern herausfordernd auch immer mutiger gemacht in ein Atomkraftwerk in Betrieb ge- begegnete. Pragmatisch, geduldig der Verteidigung der Ideen des zi- hen. Ein großer Teil dieser Pläne und tolerant, aber mit Grenzen, vilen Ungehorsams. scheiterte am Widerstand. Heute sei ihre Strategie im Hause Fritzen Die heute erreichte Wertschätzung stehen im Wald von Gorleben gewesen, sagte sie mir einmal. der Zivilgesellschaft, die Verände- „nur“ zwei oberirdische Hallen Einige Jahre mit der Familie in rung unserer Gesellschaft zu einer zur Zwischenlagerung und eine Taiwan mit seiner ganz anderen Bürgergesellschaft: Mariannes Anlage zur Behandlung und Ver- Kultur seien dafür eine gute Schule Ideen und ihr Stil haben das packung von Atommüll. Wer sich gewesen. Ihre große Familie, die Wendland aber auch Deutschland die gigantischen Atomkomplexe

4 Nachruf im britischen Windscale/Sellafield Experten zuerst in Deutschland fand sich so gut wie keiner, der oder im französischen La Hague und dann um den ganzen Globus. den Atommüll im Wald von Gor- ansieht, der weiß wieviel die Physiker, Chemiker, Ingenieure, leben wollte. Die Politik in Hanno- Bürgerinitiative in Lüchow-Dan- Geologen, Soziologen und Juris- ver und Bonn und die Atomindu- nenberg verhindern konnte. Die ten kamen ins Wendland oder wir strie setzten systematisch auf ver- Arbeiten am Endlager-Bergwerk reisten zu ihnen. In ihrem von Ak- harmlosende Propaganda, auf Ar- im Salzstock Gorleben sind aller- ten überquellenden kleinen Büro beitsplatzversprechen, auf Käuf- dings heute nur unterbrochen. in Kolborn bei Lüchow saß sie im lichkeit kommunaler Politik und Rund vierzig Jahre nach der Gor- Zentrum eines Netzwerkes, das ir- auf politische Verteufelung und leben-Entscheidung versuchen gendwann auch Paris, London, To- Diffamierung des Protestes. Bund und Länder sich über einen kio und Washington bekannt war. Schamlos wurde die damalige Ter- Neuanfang bei der Suche über Sachverstand war die Vorausset- rorismusdebatte auf den Bürger- einen geeigneten Ort für die End- zung für den Streit mit Befürwor- protest ausgeweitet. Gorleben- lagerung des Atommülls zu eini- tern, für die Gerichtsverfahren ge- Gegner und Kritiker mussten ein gen. Der Salzstock Gorleben wur- gen die Atomprojekte und auch dickes Fell haben gegen Verun- de als mögliches Endlager nicht für die wachsende Unterstützung glimpfung als Feinde der freiheit- aufgegeben, sondern bleibt Teil der Anti-Atom-Bewegung. Den lich-demokratischen Grundord- der beabsichtigten Suche. Wenn ersten „Bürgerdialog Kernener- nung, als Sympathisanten der ich in den letzten Jahren mit Ma- gie“ der Bundesregierung nahm Baader-Meinhof-Gruppe, als 5. Ko- rianne Fritzen über unsere politi- Marianne als Herausforderung. lonne Moskaus. Hippies, arbeits- sche Arbeit sprach, dann ging es Vorwürfe, sie werde von Politik scheues Gesindel oder Drogen- auch deshalb oft um das Erreichte und Industrie in Alibi-Veranstal- süchtige waren noch die freund- und das Nicht-Erreichte als not- tungen vereinnahmt, nahm sie lichsten Prädikate, die uns ange- wendige Bilanz um zu klären: Wie ernst, entschied sich aber nach Ab- heftet wurden. machen wir weiter? wägung für die Debatte. Sie wollte Unter „erreicht“ ist für Marianne und hat immer wieder mit guten Trotz und gegen dieses aufge- einiges zu verbuchen. In der Bun- Argumenten überzeugt und ge- Wir bleiben hetzte politische Klima entstand desrepublik wurde zwei Mal der wonnen. Als es 1986 in Tscherno- in der Alten Burg, einer Gast- Ausstieg aus der Atomkraft be- byl zum Super-GAU kam und ra- noch eine wirtschaft am Deich in Gorleben, schlossen. Nach dem rot-grünen dioaktive Wolken ganz Europa er- Weile hier unser erstes improvisiertes Info- Konsens mit der Atomindustrie reichten ging, diese Strategie auf: und strei- zentrum gegen die Gorleben-Plä- im Jahr 2000 brauchte es für An- Glaubwürdig für die Mehrheit der ten weiter ne. Wir riefen zur ersten bundes- gela Merkel und ihre schwarz-gel- Deutschen waren die Bürgeriniti- in deinem weiten Großdemonstration im be Koalition noch die Atomkata- ativen. Geist, um Wendland auf. Es kamen viele, strophe von Fukushima, um sich aber viele Lüchow-Dannenberger dem gesellschaftlichen Konsens Als ich Marianne Fritzen im Win- das Leben blieben zuhause. Statt mit uns zu in Deutschland gegen die Atom- ter 1977 das erste Mal begegnete, zu schüt- diskutieren, schürten Landes- und kraft zu fügen. Wer fragt, warum hatte keine von uns auch nur eine zen! Bundesregierung erfolgreich die es diesen Konsens in Deutsch- blasse Ahnung von der Dimension (Hagen) Angst vor brennenden Barrikaden land, anders als in einigen unserer des Konfliktes um Gorleben und und behaupteten, die Bürgeriniti- Nachbarländer, gibt, der findet die um die Atomenergie, der vor uns ativen seien durch politische Ext- Antwort darauf in Persönlichkei- lag. Wahrscheinlich war es gut, remisten unterwandert. Die erste ten wie Marianne Fritzen. Als lang- dass wir keine Vorstellung davon Großdemonstration fand trotz- jährige Vorsitzende hat sie die Bür- hatten, wie sehr unsere Ideen den dem statt. Die Gründung der Bür- gerinitiative zu einer lernenden Staat herausfordern würden und gerinitiative Umweltschutz Lü- Organisation gemacht. Im Aus- wie hart die Reaktionen gegen uns chow-Dannenberg wurde parallel tausch zuerst mit anderen nieder- ausfallen würden. Aber es gehört dazu vorbereitet. Es war ein Glück, sächsischen, dann mit den ba- zu den Verdiensten der Köpfe der dass Marianne Fritzen als Frau aus disch-elsässischen Bürgerinitiati- Bürgerinitiativen, dass dasVerhält- dem Bürgertum der Kleinstadt ven und im Dachverband der Um- nis zwischen Bürger und Staat Lüchow sich bereitfand, an die weltinitiativen in Deutschland, sich über die Jahrzehnte zum Bes- Spitze der Bürgerinitiative zu tre- dem BBU, focht sie unermüdlich seren verändert hat. Diejenigen, ten. Durch Überzeugung, Geduld dafür, dass die Argumente gegen die heute die Idee „Atomkraft Nein und Toleranz hielt sie zusammen, die Atomkraft und gegen die An- danke“ oder die Energiewende für was schwer zusammenzuhalten lagen in Gorleben zutreffend und selbstverständlich und für Main- war. Die Bürgerinitiative war poli- zugänglich waren. „Es reicht nicht, stream halten, können sich nicht tisch mehr als heterogen. Das Lü- wenn wir wissen, dass wir Recht vorstellen, wie hart die gesell- chower Bürgertum traf auf kon- haben. Unsere Argumente müs- schaftliche Polarisierung war. In servative Bauern, konservative sen standhalten und überzeugen“, den ersten Tagen nach der Stand- Anwälte trafen auf eher linke war ihre feste Meinung. „Lieber ortentscheidung bei spontanen Künstler, Landkommunarden auf ein Flugblatt oder eine Presseer- Demonstrationen und Versamm- Großgrundbesitzer. Marianne klärung weniger als ein unseriö- lungen der Kommunalpolitik oder wurde in diesem Ehrenamt an ses Argument.“ Sie suchte mit uns des Landvolkes in der Region der Spitze unseres bunten Hau-

5 Nachruf fens nicht allein Expertin für die stützer seien bei uns unterge- Stammtische der Lokalpolitik ins Atomspaltung. Sie wurde auch schlüpft, war einer der Vorwürfe, Wanken gebracht. Das Foto, das Expertin für zivilen Ungehorsam. mit denen Marianne als Vorsit- Marianne bei ihrer ersten Fest- Zusammen begriffen wir schnell, zende der Bürgerinitiative kon- nahme zeigt, Häkelmütze vor Po- dass das Argument allein, und sei frontiert wurde. Die Räumung der lizisten mit Schild und Helm, wur- es noch so gut, keine atomaren Freien Republik wurde zum bis da- de eines der ersten Wahlplakate Pläne aufhalten würde. Und mit hin größten Polizeieinsatz in der der Grünen bundesweit mit dem demselben hohen Anspruch, den Geschichte der Bundesrepublik. Slogan „Demokratie braucht Luft Marianne an unsere Argumente Gegen 2000 Sitzende, die sich zum Atmen“. Dieses Plakat hängt anlegte, ging sie in die Auseinan- durch Singen und Reden vertei- in meinem Büro in Brüssel, gera- dersetzung um die Form des Pro- digten, wurde mit einer Übermacht de weil Marianne aus der Partei testes. Von den ersten Blockaden an Polizei und Bundesgrenzschutz, Bündnis90/Die Grünen ausgetre- gegen Bohrungen im Gorlebener mit Hunden, Pferden, Hubschrau- ten ist. Es ist eine Widmung von Wald 1978 bis zum Treck nach bern und Räumpanzern vorge- ihr darauf. Nach den Entscheidun- Hannover, der mit einer Kund- gangen. Diese Unverhältnismäs- gen zum Jugoslawienkrieg und gebung mit 100 000 Teilnehmern sigkeit der Mittel wurde danach dem ersten Atomkonsens sagte endete, wuchs der Anspruch der Wie schön im Konflikt um Gorleben zum Nor- sie mir, sie sei zu alt für Kompro- Bürgerinitiative Lüchow-Dannen- muss es malfall. Mit fast jedem Atommüll- misse. Bis zu ihrem Tod war sie berg, den Protesten und Aktionen erst im Him- transport der späteren Jahre in mir eine politische Freundin. Ich einen zu verantwortenden, klaren mel sein, die Zwischenlagerhalle nach Gor- weiß, wen wir nun vermissen Rahmen zu geben. Wie können wenn er leben wurde der Rekord „grös- werden. Aber ich weiß auch, dass wir Massenprotest organisieren von außen ster Polizeieinsatz der Geschichte“ sie sich auf ihre Freunde weiter und Gewaltlosigkeit gewährleis- neu gebrochen und die Region in verlässt. ten? Was heißt das für eine Bür- schon so ein besetztes Land verwandelt. gerinitiative, wenn im Streit um schön aus- Marianne Fritzen wurde auch in Über die Jahrzehnte hat sich Ma- Gorleben von uns Gesetze über- sieht! verzagten oder wütenden Momen- rianne Fritzen immer neue Aufga- treten werden? Ich weiß gut, wie ten gerade nach den Castortrans- ben gesucht. Sie war nicht mehr (Lindgren) oft Marianne genervt war, wenn porten nie müde immer wieder zu immer an der Strecke oder drau- gerade wir Jüngeren an Bohrlö- erklären, dass Atomkraft nicht nur ßen am Zwischenlager, wenn die chern und Bauzäunen griffigere gefährlich für Mensch und Um- Castortransporte rollten. Sie über- Aktionen wollten. Inzwischen welt ist, sondern Grundlagen un- nahm Dienste in der Telefon- oder denke ich, dass das Gespür Ma- serer Demokratie untergräbt. Die Pressezentrale. „Alles hat seine riannes für die mögliche Über- Räumung der Republik Freies Zeit“, sagte sie dazu. Aber aufhö- forderung der Bürger, von denen Wendland war ein Moment tief ren könne und dürfe man nicht. wir unterstützt werden wollten, empfundener Machtlosigkeit. Sie hat in den letzten Jahren entscheidend für die spätere und Über Macht und Ohnmacht und sehr viel Arbeit in das Gorleben- bis heute andauernde massen- über Davids Strategien gegen Archiv gesteckt. Das hatte sicher hafte Bereitschaft von Tausenden Goliath ging es in den wendlän- damit zu tun, dass ihr das Archiv im Streit gegen Gorleben, Geset- dischen Debatten in all den Jahr- zuhause im wahrsten Sinne des ze zu übertreten und die gewalt- zehnten seither weiter. Marianne Wortes über den Kopf gewachsen lose Konfrontation mit der oft so Fritzen aber ist nie, auch nicht nach ist. Aber es hatte auch damit zu übermächtigen Staatsgewalt zu der Räumung der Freien Republik, tun, dass sie Wissen und Erfah- wagen, gewesen ist. geschlagen nach Hause gezogen. rungen so bewahren wollte, dass sie für die nächste Generation von Als Schlüsselaktion für den Ver- Marianne hatte schon vor diesem Nutzen sein können. Zu dem, was lauf des Protestes in Gorleben und Erlebnis die Gründung einer Par- wir unterschätzten, als 1977 die für ihr eigenes Verhältnis zum zi- tei vorangetrieben, die die ökolo- Bürgerinitiative gegründet wur- vilen Ungehorsam hat Marianne gische Verantwortung in den Mit- de, gehörte eben auch die Dauer Fritzen in einem unserer Gesprä- telpunkt des Programms stellen des Konfliktes um Gorleben. In- che den Aufbau und die Räumung sollte. Ihre eigene Erfahrung im zwischen wissen wir, dass weder der Republik Freies Wendland Gorleben-Konflikt mit Bundes- Mariannes und wohl auch nicht genannt. Das große Hüttendorf und Landesregierung und den al- meine Generation die ist, die die mit seiner in jeder Hinsicht bun- ten deutschen Volksparteien be- Entscheidung für ein zu verant- ten Schar von Besetzern aus Nah stimmten diesen Schritt. Sie war wortendes Endlager für Atommüll und Fern gewann im Mai 1980 die trotz ihres vehementen Einsatzes erleben wird. Aber gerade weil Sympathien der Bundesrepublik. in der Bürgerinitiative auch eine wir das wissen und weil wir um Je beliebter in Deutschland Wo- Anhängerin der repräsentativen die unvorstellbaren Risiken des chenendausflüge ins wendländi- Demokratie. Sie war eine von zwei Atommülls wissen, dürfen wir als sche Hüttendorf wurden, desto Frauen, die zuerst für die Grünen ihre Gefährten und Freunde nicht mehr rüsteten Polizei und Innen- in den Lüchow-Dannenberger locker lassen, uns gegen Gorle- minister verbal und real gegen Kreistag einzogen. Die beiden ben und für ein verantwortliches uns auf. Die Terroristengruppe Damen haben mit Hartnäckigkeit, Vorgehen bei der Suche nach ei- „Bewegung 2. Juni“ und Unter- Charme und viel Arbeit die nem Endlager einzusetzen.

6 Marianne, du fehlst uns!

Günter Zint, der Fotograf des be- rühmten Bildes von Marianne Frit- zen aus dem Jahr 1979, das auch den Titel dieser Ausgabe ziert, war auch persönlicher Freund:

Ich hatte das Glück, einen Men- schen 40 Jahre durch das Leben zu begleiten, der wirklich außerge- wöhnlich war. Marianne hatte tol- le Begabungen: warmherzig, liebe- voll, beharrlich, unbeugsam und immer bereit für Diskussionen, Anteilnahmen Sie ist nun destagsfraktion: „Sie war eine die aber ihren unbeirrbaren Kurs frei und un- starke Frau an der Spitze des Wi gegen die menschenfeindliche Bundesumweltministerin Barbara sere Tränen derstandes gegen Atomkraft und Atomenergie nie ändern konnten. Hendricks (SPD): „Marianne Frit- gegen den Standort Gorleben. Mit 91 Jahren darf man nach ei- zen verkörperte das, was gewalt- wünschen Dabei waren ihre Waffen das Wort nem erfüllten Leben diese Welt, freien Widerstand ausmacht: Ent- ihr Glück. und ihre Unerschrockenheit. Wir in der es ihr nicht leicht gemacht schlossenheit, Mut und Ausdau- (Goethe) sind dankbar, dass Marianne Frit- wurde, verlassen. Trotzdem: Wir er. Die Anti-Atombewegung, aber zen ihre Erfahrung und ihr Wissen brauchen gerade im Moment auch die Gesellschaft insgesamt immer an jüngeren Generationen Menschen wie Marianne. Doch haben Marianne Fritzen viel zu weitergeben hat.“ die sind rar. Ich muss nun in verdanken.“ schlaflosen Nächten darüber nach- Heinrich-Böll-Stiftung: „Sie war denken: „Wie hätte Marianne das Bundesumweltminister a. D. Jür- die Seele der Antiatombewegung gesehen? Wie hätte sie geurteilt?“ gen Trittin (Grüne): „Ohne Mari- im Wendland, eine warmherzige Sie war gerade in den letzten Mo- anne Fritzen und den Protest im und streitbare Frau mit einem naten eine kluge Ratgeberin. Wendland wäre der Atomausstieg wachen Geist und der Klugheit ei- Mein Anti-Atom-Archiv mit hun- in Deutschland vielleicht heute nes Menschen, der viel erlebt und derttausend Fotos und Dokumen- noch nicht besiegelt.“ darüber nachgedacht hat.“ ten habe ich ihr zum 90. Geburts- tag für unkommerzielle Verwen- Rebecca Harms, Fraktionsvorsit- Bundesverband Bürgerinitiativen dung geschenkt. Auch der von mir zende der Grünen im EU-Parla- Umweltschutz (BBU): „Trotz ihrer gerettete Sender der „Republik ment: „[Marianne] war in ihrem eher bescheidenen Art ist Marian- Freies Wendland“ (RFW) samt den Denken der Zeit früh voraus. Sie ne Fritzen zu einer Galionsfigur Tonbändern gehörte zu dem Ge- hat die Bedrohung der Welt durch der bundesweiten Anti-Atom- burtstagsgeschenk, das sie noch die Atomkraft in voller Dimension kraft-Bewegung geworden.“ am selben Tag an das „Gorleben begriffen und uns alle deshalb so Archiv“ zu Birgit Huneke weiter entschieden und mit nicht enden- Masako Sawai, Citizens‘ Nuclear gegeben hat. Inzwischen ist der der Hingabe in dieser Auseinan- Information Center (CNIC), Tokio: RFW-Sender im Berliner Technik- dersetzung geführt.“ „Ich bin tief erschüttert über den museum und das „Gorleben Ar- plötzlichen Tod von Marianne Frit- chiv“ hat 40 Jahre dokumentier- Simone Peter und Cem Özdemir, zen. [Ein] Bild [von ihr und mir] ten Kampf um Gorleben. Das ist Bundesvorsitzende von BÜND- wird zu meinem größten Schatz.“ das Mindeste, was ich Marianne NIS 90/DIE GRÜNEN: „Ihr Engage- und dem Wendland als Danke- ment hat mit dazu beigetragen, Koji Mochizuki: „Es war ein großes schön bieten kann. dass der Widerstand gegen die Glück für mich, Marianne letztes Als Journalist, der fast 60 Jahre Atomkraft und ein Endlager in Jahr bei Euch getroffen zu haben.“ tätig ist, lernt man viele interes- Gorleben so lebendig, bunt und sante und eindrucksvolle Persön- groß geworden ist.“ Udo Buchholz, Vorstand des BBU: lichkeiten kennen. Marianne ist mir „Marianne wird fehlen. Und be- die Liebste von Allen. Für mich Ute Vogt, Stellvertretende Vorsit- sonders ihre Mitmenschlichkeit lebt sie immer noch, und ich wer- zende, und Hiltrud Lotze, atompo- und ihre Herzlichkeit werden feh- de oft Gedanken mit ihr teilen. litische Sprecherin der SPD-Bun- len.“

7 Fotos: PubliXviewinG, Privat, Verlage - - außerdem zu Gast am neuen Gast am neuen zu außerdem in Wunderpunkt“ „Politischen feiert Der Punkt Witzeetze. Klein bie- und Premiere Jahr in diesem tet Ausstellungen, interessante - und Kunst Filmvorführungen Fokus handwerk. Im besonderen Informationen liegen politische in Themenbereichen, zu den die Bewohner/-innen denen sich engagieren. Mai, wird es dem 13. Am Freitag, dem tollen Erfolg im letz- – nach eine Uhr wieder – ab 14 ten Jahr Widerstandspartie“ „Kulturelle Programm mit umfangreichem Atomanlagen an den Gorlebener geben. Mit dabei sind wendlän- Originale wie Meiselgeier, dische Wendland Muul Op und das Der Aber auch Hippie Ohrkestra. vjani, Electrix Garden und Karo den Gästen ein. heizen Fontana schließlich Truck Sound Der Solar zum Salzstock den verspricht, Beben zu bringen. Zwischendrin - überall und immer wieder Panto Clownerie. Ein mime, Jonglage, zum für die Sinne. Ein Fest Fest (ac) Protest. Eichhörnchen Doch Knast kein Aktivistin Cécile Lecomte Die Anti- wegen einer wurde 2013 Atom-Aktion zu einem Bußgeld sie Weil 20 Euro verurteilt. von dies zu zahlen, weigerte, sich erhielt sie eine Ladung zum zur Erzwingungshaft Haftantritt (JVA) in der Justizvollzugsanstalt April Als sie am 5. Hildesheim. Uhr ihre eintägige Haft gegen 10 antreten wollte, wurde ihr über raschend mitgeteilt, dass das raschend Bußgeld bereits bezahlt worden müs- in die JVA sei und sie nicht - se. Erst auf wiederholte Nachfra gesagt, ge wurde ihr schließlich wer das Bußgeld übernommen Zum großen Erstaunen hatte: Aktivist/ innen der begleitenden in Hauptstelle der JVA es die war wohl selbst. Dies geschah Vechta straf- aus grundsätzlich nicht Gründen, oder haftkritischen Aktivist/- sondern, so vermuten den Vorgang „weil der innen, zu nervig Angestellten der JVA Tag am Sie mussten sich war“. mit zahlreichen des Haftantritts An- Anträgen und solidarischen (pm) rufen beschäftigen. BI-intern Neuer gewählt Vorstand die Mitglie- Neues brachte Wenig derversammlung der Bürgerini- am tiative Lüchow-Dannenberg und politische März: Finanzen 13. den Arbeit der BI wurden von rund 70 Mitgliedern anwesenden der Wahl die auch war gelobt. So - reine Rou Vorstandsmitglieder - Verände kaum tine und brachte auf eige- Vorstand rungen. Den verlassen hat Falko Wunsch nen einigen Jahren nach Berkemeier, Anja wieder dabei ist Pause Ansonsten im Bild). Meyer (nicht Wolfgang bleibt es bei (v.l.n.r.) Henrik Ehmke (Pressesprecher), Klaus Stern, Günter Hermeyer, Kerstin (Kassenwart), Longmuss Donat (Vorstand), Martin Rudek, Elisabeth Birgit Fuhrmann, - Vorsitzen (stellv. Hafner-Reckers de). (ac) Kulturelle Landpartie bis Pfingsten Himmelfahrt Von Programm: volles gibt es wieder - prä Landpartie Die Kulturelle die lang Tage zwölf sentiert die wunderba- – Wunde.r.punkte im Punkte ren und die wunden Die Bürgerinitiative Wendland. (BI) wird Lüchow-Dannenberg Informationen mit zahlreichen - Aktionen an verschiede und sein, im Fokus dabei nen Orten immer die Auseinandersetzung wird die Täglich um Gorleben. Atomanlagen präsent BI an den sein, wo sie mit allgemeinen Informationen und – für alle, die - genauer wissen möch es etwas Wissen ten – mit Fachvorträge nicht rund um den immer noch für ein aufgegebenen Standort wird. Atommülllager vermitteln in bei der Mützingenta Auch Mützingen wird die BI mit einem großen Info-Zelt dabei sein. die typischen Hier können auch Widerstandsartikel erworben Ausstellung werden. Mit einer und einem Filmabend ist die BI Wendland 8

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Unsere Geschichte Gorleben Archiv Gorleben riat für viele Euro. (bh) vielleicht noch in einem Antiqua- in einem noch vielleicht heute im Gorleben Archiv und Archiv heute im Gorleben 14,80 D-Mark zu erwerben – 14,80 terstützt. Damals für 4,80 und wurde die Bürgerinitiative Lüchow- un- gen das Gorlebener Projekt kauf und Postkarten der Kalender ge- Dannenberg in ihrem Kampf Atomkraftgegnern. Mit dem Ver Mit dem Atomkraftgegnern. Buch, Kai Hermann und anderen Kai Buch, Nicolas Born, Hans Christoph „Atomspaltung ist Knochenarbeit“ ist „Atomspaltung ins Gras beißen“ – stammten von gen – „Spalte und herrsche“ oder „Spalte und herrsche“ gen – nur die Kühe „Damit nicht oder trauergeränderten Monatslosun- trauergeränderten gans und Rixdorfer Grafiken.gans Die 1979“. Er enthielt lakonische Slo- lakonische Er enthielt 1979“. „Der Atom-Postkarten „Der Atom-Postkarten Kalender berg. Ein Jahr später erschien später erschien berg. Ein Jahr - in Lüchow-Dannen lebt seit 1974 Uwe Bremer, einer von ihnen, einer von Uwe Bremer, Verse wider die Atomkraft mit ty Atomkraft wider die Verse Rixdorfer. Gestaltung der pischer Typographien versehen: giftige versehen: giftige Typographien che von Hellmuth Feye in zwölf Feye Hellmuth von che geln als originelle Kalendersprü- ren mit zwölf neuen Bauernre- wa- Die gestanzten Holzschnitte Atompark Gorleben betreffend“. Atompark Gorleben betreffend“. „Entsorgungskalender 1978, den „Entsorgungskalender 1978, erschien dort der einzigartige der einzigartige dort erschien einige Berühmtheit erlangt: 1978 erlangt: 1978 einige Berühmtheit Dannenberg hat im Wendland Wendland Dannenberg hat im Künstler aus Berlin und Lüchow- Künstler aus Berlin cke“ vier politisch engagierter engagierter vier politisch cke“ Die „Werkstatt Rixdorfer Dru- „Werkstatt Die Kurzmeldungen Kurzmeldungen

Verfassungsklagen Neues Buch Protest in Karlsruhe Widerstand und Kultur Mit einer Kundgebung vor dem „Wir sagen auch übermorgen Bundesverfassungsgericht in noch NEIN!“ Dieses „Wider- Karlsruhe haben Aktivist/-innen wort“ auf einem Demotrans- der Anti-Atom-Organisation parent von 2005 ist eins von .ausgestrahlt und des Bund mehreren hundert, die das für Umwelt und Naturschutz Fotografen-Ehepaar Ingrid und Deutschland (BUND) gegen die Werner Lowin in all den Wider- Verzögerungstaktik der Atom- standsjahren fotografisch fest- kraftwerksbetreiber beim Atom- gehalten und nun neu zusam- BI-Büro ausstieg und deren Forderung mengestellt haben. Aktion und Politik nach Entschädigungszahlungen Für Lowins ist es wichtiger Nicht nur die runden Jahrestage protestiert. Sie verlangten die denn je, sich der Widerworte zu den Katastrophen von Fuku- sofortige Stilllegung der acht aus vergangenen Jahren zu shima und Tschernobyl bescher- noch in Deutschland am Netz erinnern, setzt doch der aktuelle ten der BI im Frühjahr für eine befindlichen Atommeiler. Anlass Prozess auf „Vernebelung und enorme Arbeitsauslastung, zahl- der Kundgebung war der Beginn Einlullung“, wie sie es selbst reiche Tagungen, Veranstaltungen der Verhandlungen des Gerichts beschreiben. Ihre Motive sollen und die Vorbereitungen für die über Verfassungsbeschwerden als Kraftspender dienen für den Kulturelle Landpartie brachten von E.on, RWE und Vattenfall ge- schwierigen politischen Prozess, den Vorstand an die Belastungs- gen den 2011 vom Bundestag be- dem die Bevölkerung kaum grenze. Zwei Filmveranstaltun- schlossenen schrittweisen Atom- noch folgen könne. gen, eine Buchvorstellung, die ausstieg. Die Konzerne fordern „Wer lügt, hat die Wenden am Mitgliederversammlung, Aktio- rund 20 Milliarden Euro Scha- Hals!“ ist ebenfalls ein Wider- nen um den Fukushima-Jahres- denersatz. Auch nach Ansicht von wort vergangener Zeiten. Doch tag und Aktionen in den Regio- Greenpeace werden die Klagen bis in die Gegenwart versam- nen Gronau und Lingen sorgten den Energiekonzernen keine meln sich unaufhörlich Men- für einen vollen Terminplan. Basis für milliardenschwere Ent- schen am Bergwerk in Gorleben Im April musste das Arbeitspen- schädigungszahlungen liefern. und zeigen ihren Protest. Zuletzt sum noch einmal gesteigert Die Umweltschutzorganisation geschehen zur „Kulturellen Wi- werden, denn mit zahlreichen hält den nach dem Super-GAU derstandspartie“ in Mai 2015. internationalen Gästen standen in Fukushima beschlossenen Die Verbindung zwischen Kultur umfangreiche Informationsge- beschleunigten Atomausstieg für und Widerstand haben Lowins spräche an. Beginnend mit dem verfassungskonform. Er stimme nun auf über hundert Fotos Besuch von Golden Misabiko im Wesentlichen mit dem Atom- des Aktionstags in ein neues aus Afrika und einem Treffen mit ausstieg von 2002 überein, den Fotobuch einfließen lassen, dem ehemaligen japanischen die Atomkonzerne selbst unter- dessen Vorwort wie folgt endet: Ministerpräsidenten Naoto Kan schrieben hatten. (pm) „Es war eine lebensbunte und im Rahmen des Literaturfestivals lebensbejahende Aktion, die „Lesen ohne Atomstrom“, über Australien den starken Widerstand und den Besuch der japanischen Do- Wende in Down Under den absoluten Protest gegen kumentarfilmerin Masako Sakata Australien bietet sich als Atom- Atomenergie ausgedrückt hat.“ bis hin zu einer internationalen müllkippe für das Ausland an. Achtung: Ansteckungsgefahr! Journalistengruppe stand Gorle- Eine Regierungskommission Das 72-seitige Fotobuch „Kultu- ben stark im Fokus internationa- hat vorgeschlagen, dass der relle Widerstandspartie“ kann ler Betrachtungen. Im Gegenzug Bundesstaat Südaustralien im BI-Büro bestellt werden. besuchten Vorstandsvertreter/- ein internationales Lager für Preis: 6,00 Euro. (we) innen Konferenzen in Tschechien hochradioaktiven Abfall bauen und in der Schweiz. Die gemein- soll. Ein Gremium hat errechnet, same Fahrt zur TTIP-Demo in dass sich das Vorhaben wirt- Hannover stand ebenso auf dem schaftlich lohnt. Das Lager soll Plan, wie die Begleitung von 390 000 Tonnen abgebrannter „Lesen ohne Atomstrom“, dessen Brennstäbe und anderer radio- Medienpartner zum wiederholten aktiver Abfälle aufnehmen, was Male die „Gorleben Rundschau“ rund 13 Prozent der derzeit auf sein durfte. Die Aktionen um den der Welt zwischengelagerten Tschernobyl-Jahrestag wurden Menge entspräche. Durch die Das 72-seitige Fo- gleich an mehreren Orten beglei- Deponie erhofft sich Australi- tobuch „Kulturelle tet. Im stillen Kämmerlein tüftelte en gewissermaßen durch die Widerstandspar- derweil eine Gruppe an neuen tie“ kann im Hintertür auch den Aufbau eines Informationsformaten, Flyern BI-Büro bestellt eigenen Atomprogramms zur werden. Preis: und dem Programm der nahen- Energieerzeugung. (rp) 6,00 Euro. den Kulturellen Landpartie.

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Atommülllager

In Gorleben ist alles klar? Denkste! Der Widerstand im Wendland muss wachsam bleiben

Gorleben Der Atomausstieg ist besiegelt, die Endlagersuche wird neu gestartet, und um Gorleben ist es ruhig geworden. Wer das glaubt, sollte unbedingt weiterlesen, rät der Pressesprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke.

Richtig ist, dass 2022 das letzte Flugzeugabstürze nicht gesichert nannten Endlagerkommission be- Atomkraftwerk vom Netz geht. ist. Zudem gibt es eine Lagerhalle reit, weil wir Vereinnahmung un- Ausgenommen von diesem für schwach- und mittelaktive Ab- ter dem Deckmantel der Bürger- „Atomausstieg light“ sind aber fälle und eine Verpackungsanlage beteiligung befürchteten. Als die die Brennelementefabrik in Lin- für den hochradioaktiven Müll. Kommission ihre Arbeit schließ- gen und die Urananreicherungs- Ohne die Castortransporte aber lich begann, wurde schnell klar: anlage in Gronau. Und europa- und die Aufmerksamkeit der Me- Die falschen Entscheidungen, die weit ist ein Atomausstieg ohnehin dien fällt es viel schwerer, die ak- Manipulationen und Tricksereien nicht in Sicht: Nicht nur in Hinkley tuelle, bedrohliche Lage rund um am und um den Salzstock im Point in Großbritannien soll der Gorleben zu kommunizieren. Fakt Wendland spielten kaum eine Rol- Bau eines Kraftwerkskomplexes ist nämlich: Der Salzstock im le in den Sitzungen, eine Aufarbei- sogar mit EU-Mitteln subventio- Wendland bleibt voll im Rennen, Die Ruhe tung der Vergangenheit fand nicht niert werden. wenn es um die Standortsuche für auf dem statt. Genau wie befürchtet. In Gronau fallen radioaktive Abfäl- das Super-Atommülllager geht. Land ist oft le an, die dort aufgehaldet werden. Wir sind also wachsam und sagen: stille Wut Nicht unsere Kommission Der Berg wächst und wächst. Auch Ein Salzstock, unter dem sich ein der Müll aus der havarierten Asse Gasvorkommen befindet, geht In den knapp zwei Jahren, die die soll geborgen werden. Nur wohin nicht als Endlager. Ein Salzstock, Kommission inzwischen am Werk damit? In den Schacht Konrad bei über dem es einen Einbruchsee ist, wurde dann auch immer klarer: Salzgitter darf das Zeug nicht rein, wie in Rambow gibt, geht nicht. Weder die Arbeit der Kommission dafür gibt es keine Genehmigung. Ein Salzstock, der kein intaktes, noch ihre Ergebnisse konnten Ver- Es sind zudem Abfälle, von denen Wasser abschirmendes Deckge- trauen schaffen – im Gegenteil. Es niemand genau sagen kann, in wel- birge hat, geht nicht. Ein Stand- gibt keinen Neustart beim Umgang chem Zustand sie sich befinden ort, der seit 1977 nur mit Lug und mit dem Atommüll, sondern die und was darin enthalten ist. Trug und Polizeigewalt durchge- Fortführung eines falschen und ge- Was aber macht das Bundes- boxt wurde, geht nicht. Ein Neu- scheiterten Verfahrens. Denn die umweltministerium? Es entwirft start der Endlagersuche ohne Kommission ist dem im Standort- das „Nationale Entsorgungspro- Gorleben ist überfällig. Aber im auswahlgesetz formulierten An- gramm,“ in dem geregelt wird, die Nachhinein den Standort durch spruch, die Fehler der Vergangen- brennbaren, Gas entwickelnden Parteienkompromisse zu legiti- heit aufzuarbeiten, mitnichten ge- Abfälle zusammen mit den hoch- mieren, ist faul. Der Fisch stinkt recht geworden. Sie hat zudem radioaktiven Abfällen – also Brenn- vom Kopf her. nicht einmal ernsthaft versucht, elementen, verglasten hochradio- alternative Lageroptionen zu prü- aktiven und Wärme entwickelnden Es hätte gelingen können fen, sondern stattdessen nahtlos Abfällen – in ein einziges Lager zu den auf tiefengeologische Lage- verbringen. Einfach weg damit! Als im Frühjahr 2014 von der Po- rung fixierten Weg fortgesetzt, Natürlich wissenschaftsbasiert, litik das Standortauswahlgesetz der in der Vergangenheit zu den Kriterien orientiert, transparent (StandAG) beschlossen und der Havarien in der Asse und Morsle- und rückholbar… „Neuanfang“ bei der „Endlager- ben führte. suche“ proklamiert wurde, pochten Die willkürliche politische Ent- Was hat das mit Gorleben zu tun? wir darauf, zunächst auf die Fehler, scheidung für den geologisch un- Alles! die in den vergangenen vierzig geeigneten Standort Gorleben Jahren in Gorleben gemacht wur- wurde nicht revidiert, sondern Die Castortransporte nach Gorle- den, zu blicken, sie zu benennen durch politisch motivierte Krite- ben sind zwar gestoppt und der und zuzugeben. Nur dieser Blick rien-Benennung erneut begüns- Restmüll aus der Wiederaufarbei- zurück hätte die Basis für eine de- tigt. tung der abgebrannten Brennele- mokratische Atommüllpolitik sein Auch eine breite gesellschaftliche mente, die nach La Hague (Frank- können. Für einen Prozess, der Debatte zum am wenigsten risiko- reich) und Sellafield (Großbritan- eine faire, ergebnisoffene und reichen Umgang mit dem Atom- nien) gebracht wurden, soll nun zu vergleichende Suche nach einem müll hat es nie gegeben, weder vor Zwischenlagern an AKW-Stand- Standort für ein deutsches Atom- der Verabschiedung des Gesetzes, orten gekarrt werden, wo er dann mülllager ermöglicht hätte. Doch noch während der Arbeit der Kom- – wie in Gorleben – herumsteht. die Mahnung blieb ungehört. Als mission. Dort im Wendland lagern schon Konsequenz waren wir und an- Schließlich wurde auch die Öffent- jetzt 113 Castorbehälter in einer dere in der Anti-Atom-Bewegung lichkeit in der Kommission weder oberirdischen Halle, die gegen nicht zur Mitarbeit in der so ge- frühzeitig noch angemessen be-

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Widerstand nicht bändigen. Aus der scheinbar ewigen Wiederho- lung des Castor-Spektakels wurde im Wendland die „fünfte Jahres- zeit“. Ende August 2009 startete der größte Anti-AKW-Treck in der Geschichte der Bundesrepublik. Von Gorleben über Schacht Kon- rad, Asse II und Morsleben ging es nach Berlin. Am 5. September demonstrierten 40 000 Menschen und mehr als 400 Trecker in der Hauptstadt für den Atomausstieg und gegen Gorleben. 2011 schließlich war eine Art Höhe- punkt der Proteste und des Wider- stands, nachdem schon im Jahr zuvor, als die Laufzeitverlängerung unter CDU/FDP beschlossen und teiligt. Die „Beteiligung“ reduzier- Wenn die Kom- Hannover. Am 31. März demonst- das Gorleben-Moratorium aufge- te sich auf informatorische Anhö- mission baden rierten dort 100 000 Menschen ge- hoben wurde, die Demo-Wellen rungen ohne jede Ergebniswirk- geht, bricht der gen Atomkraft. Ministerpräsident hoch schlugen: Der 12. Castor- gesellschaftliche samkeit. Konflikt um den Albrecht (CDU) befand daraufhin, transport im November 2010 Umweltgruppen und Initiativen Atommüll erneut dass eine Wiederaufarbeitungs- brauchte daraufhin 92 Stunden. lehnten es darum zu Recht ab – auf. anlage (WAA) politisch nicht Bauern ketteten sich an einer und tun es immer noch –, an ei- durchsetzbar sei. Am Bau eines Betonpyramide fest, zwei Green- nem Prozess teilzunehmen, der atomaren Zwischenlagers und peace-Mitglieder an einem Beton- lediglich bereits erkannte Fehler des Atommüllendlagers in Gorle- block in einem umgebauten Bier- der Vergangenheit wiederholt. Als ben wurde aber festgehalten. lastwagen. Feigenblatt für diesen Irrweg ste- Im Mai 1980 besetzten 5000 Men- Im Herbst 2011 kam es zu erbitter- hen wir auch weiterhin nicht zur schen die Bohrstelle 1004 und ten Auseinandersetzungen um Verfügung. Und auch die Abgeord- errichteten ein Hüttendorf: die den 13. Castortransport. 20 000 neten des Bundestages sollten Republik Freies Wendland mit Menschen demonstrierten in Dan- sich und die Gesellschaft mit die- Wendenpass und eigener Radio- nenberg für die Stilllegung aller sem Kommissions-Vorschlag nicht station. Vier Wochen später wurde Atomkraftwerke und gegen Gorle- erneut in eine Sackgasse führen das Dorf von einer Polizeiarmada ben als Atommüllendlager. Neu- lassen. gewaltsam geräumt. er vorläufiger Rekord: Der Konvoi Immerhin haben wir hier im Wend- Zwei Jahre nach Baubeginn des mit dem Strahlenmüll brauchte land auch einen Ruf zu verlieren: Zwischenlagers wurden am 8. Ok- 125 Stunden und 49 Minuten von Gorleben war in den Neunziger- tober 1984 die ersten Atommüll- La Hague bis ins Zwischenlager. jahren bis zum letzten Castor- fässer aus dem AKW Stade per transport 2011 der Ort, an dem für LKW angeliefert. Sitzblockierer Und nun? den sofortigen Atomausstieg und konnten den Transport immer die Aufgabe des Salzstocks als wieder stoppen. Erneut ruhen die Bauarbeiten un- mögliches Endlager demonstriert Dabei landeten Blähfässer und ter Tage im so genannten Erkun- wurde. Ohne die bundesweite Transnuklear-Müll im Fasslager. dungsbergwerk. Das Standortaus- Unterstützung, ohne diesen Kris- Im Januar 1988 schütteten Bau- wahlgesetz, das eine Endlagerung tallisationspunkt und unsere Aus- ern Mutterboden in die Torein- der radioaktiven Abfälle regeln dauer gäbe es vermutlich nicht fahrt des Zwischenlagers und soll, wurde 2013 verabschiedet. einmal den Atomausstieg light à pflanzten Bäume. 8000 Menschen Mit allen beschriebenen „Schön- la Merkel und Co. demonstrierten im März 1988 ge- heitsfehlern“: Es gab nicht etwa gen die Atomtransporte, die wie erst eine umfassende gesell- Wir haben Geschichte geschrieben „geschmiert“ liefen. 1296 Fässer schaftliche Debatte, sondern gleich mussten darauf hin wieder aus- das Gesetz. Es wurden nicht etwa

Drei Wochen nach der Standort- gelagert und neu konditioniert die Fehler der Vergangenheit ad Fotos: Hans Möser, PubliXviewinG benennung Gorlebens als „Nukle- werden. acta gelegt, sondern Gorleben ares Entsorgungszentrum“ (NEZ) Und schließlich die Ära der Castor- blieb im Rennen. am 22. Februar 1977 versammel- transporte, zuerst jeweils einzeln Doch wie im Märchen vom Hasen ten sich 16 000 Menschen auf der im Frühjahr, später gebündelt im und dem Igel, sagen wir: Wir sünd gespenstischen Waldbrandfläche, kalten November. Doch selbst die al dor. Uns geht die Puste nicht aus. wo der riesige Atommüllkomplex größten Polizeieinsätze in der errichtet werden sollte. Nachkriegsgeschichte mit bis zu Weitere Infos im Internet unter: 1979 folgte der Bauerntreck nach 18 000 Beamt/-innen konnten den www.gorleben-rundschau.de

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Brief an die AG

Auszüge aus einem Brief von Adrian Arab und Cécile Marchand, den Jugendbotschafter/-innen in der Arbeitsgruppe 1 „Gesellschaft- licher Dialog, Öffentlichkeitsbetei- ligung und Transparenz“ der End- Die Vorsitzenden lagerkommission, an deren Vorsit- der so genannten zende Kardinal Meister und Hart- Endlagerkom- mut Gaßner. Der Brief entstand im mission, Ursula Auftrag der Teilnehmer/-innen des Heinen-Esser und Michael Müller. Workshops „Junge Erwachsene und Beteiligungspraktiker/-innen“:

In jeder von uns Jugendbotschaf- ter/-innen besuchten AG-Sitzung hatten wir den Eindruck, unsere Inhalte nicht deutlich genug ver- mitteln zu können. Unter anderem Die Vorsitzenden deshalb, weil die von uns einge- der Arbeitsgruppe brachten Punkte gar nicht oder 1 in der so ge- nicht ausreichend diskutiert wur- nannten Endla- den. gerkommission, Hartmut Gaßner Als gewählte Botschafter/-innen und Landesbi- des Beteiligungsworkshops „Jun- schof Ralf Meister ge Erwachsene und Beteiligungs- praktiker/-innen“ und somit Ver- Botschaft an die Kommission treter/-innen jenes Querschnitts der Bevölkerung, der letztlich von Auf einem „Workshop zur Vorbereitung der Standortauswahl“ der so allen Standortfragen direkt betrof- genannten Endlagerkommission wurde Mitte Januar durch Vertreter/- fen sein wird, sollte es [im] Inter- innen der Regionen folgende Erklärung abgegeben: esse [der Kommission] liegen, dass die Ergebnisse der […] drei Grundlegende Voraussetzungen für eine mögliche Akzeptanz der Workshops nachhaltig Beachtung Atommüllendlagersuche durch die Bevölkerung sind erstens die ab- finden und auf diese Weise eine solute Unumkehrbarkeit des Atomausstiegs und zweitens die Erset- Feedbackkultur in die Arbeit der zung der Atomenergie ausschließlich durch erneuerbare Energien. Kommission eingeführt wird. Wir Die bisherige Behandlung der Frage des Atomausstiegs ist von einem legenWert darauf, dass die AG 1 der Hin und Her gekennzeichnet. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung Kommission durch die Diskussion erscheint es denkbar, dass die Existenz eines Endlagers zum Anlass unserer Vorschläge über die reine genommen wird, den Atomausstieg wieder rückgängig zu machen, Kenntnisnahme hinausgeht. da die zuvor offene Endlagerfrage nun ja gelöst sei. Die große Mehr- […] heit der Bevölkerung wünscht jedoch, den Irrweg in die gefährliche Für uns und die anderen Teilneh- Atomenergie ein für alle Mal zu beenden und ist nur unter dieser Prä- menden sind unsere […] Vor- misse bereit, die Endlagersuche wohlwollend zu begleiten. schläge eine wichtige Vorausset- Der Sinn des Atomausstiegs kann nicht darin bestehen, dass die zung dafür, dass eine Beteiligung Atomkraft durch die Verbrennung fossiler Stoffe abgelöst wird, deren bei der Endlagersuche erfolgreich Schadwirkungen – durch Verursachung des Klimawandels – anders, gestaltet werden kann. aber keinesfalls geringer sind als die der Atomenergie. Es wäre wi- […] dersinnig, das eine Übel durch ein anderes, nicht minder schlimmes, Wir versichern Ihnen, dass unsere abzulösen. Vielmehr muss die Atomkraft durch erneuerbare Energien Teilnehmenden mit einfachen Mit- ersetzt werden, wie es der Befürwortung der Energiewende durch die teln unheimlich motiviert werden Bevölkerung entspricht. und dies auf andere junge Leu- Hieran sollte gerade auch Wirtschaftsminister Gabriel erinnert wer- te in unserem Alter übertragen kön- den, der weiterhin die Auffassung vertritt, dass man nicht gleichzeitig nen – eine besondere Wertschät- aus Atom und Kohle aussteigen könne und mit dieser Begründung zung durch unseren Einfluss auf die einen Plan zum Kohleausstieg bis 2040 zurückgewiesen hat – im Ge- Tagesordnung könnte daher Vor- gensatz zum Umweltministerium, das diesen Plan begrüßt. bildcharakter für weitere Beteili- Die Absichtserklärungen der Pariser Weltklimakonferenz haben nur gungskonzepte in der Zukunft ent- dann einen Sinn, wenn alle Anstrengungen unternommen werden, falten und beweisen, dass Beteili- sie umzusetzen. Dies verlangt auf sämtlichen Gebieten Abweichun- gung über warme Worte hinaus-

Zitat: Schriftsteller Nicolas Born Zitat: Schriftsteller gen vom „business as usual“ und Revision alter Überzeugungen. geht.

13 Fotos: picture alliance, PubliXviewinG Atommülllager

Die gar nicht mal so weiße Landkarte Von der langen Suche nach einem atomaren Endlager

Standortauswahl Welche Kriterien muss eine Lagerstätte für hoch radioaktiven Müll er- füllen? Diese Frage soll die Endlagerkommission dem Bundestag bis Ende Juni in einem wissenschaftlich fundierten Bericht beantworten. Kommissionsmitglied Ulrich Kleemann, Mitglied der Grünen, Geologe und Behördenleiter aus Koblenz, sprach kürzlich im Inter- view mit Katharina de Mos vom Trierischen Volksfreund über Ausschlusskriterien, ambitio- nierte Zeitpläne und Fehler, die Frankreich derzeit macht.

Schon 100, 1000 oder 10 000 Jahre nischer Aktivität. Es gibt auch Min- sind aus Menschensicht eine sehr destanforderungen: So muss das lange Zeit. Der hoch radioaktive Gestein mindestens 100 Meter Müll jedoch, der derzeit in den mächtig sein, es muss in mindes- deutschen Atomkraftwerken pro- tens 300 Metern und maximal duziert wird, soll so gelagert wer- 1500 Metern Tiefe liegen, und es den, dass er für einen Zeitraum von darf nicht zu wasserdurchlässig einer Million Jahre keine Gefahr sein. Und dann gibt es noch Abwä- mehr darstellt. Für niemanden. gungskriterien, die einen Vergleich Aber: Wie lässt dich so etwas ga- verschiedener Standorte ermög- rantieren? Antworten auf diese lichen: Wie gut hält ein Gestein Frage erarbeitet aktuell die 33 Mit- Radionuklide zurück? Wie reagiert glieder starke Endlagerkomission. es auf Hitze? Bis Juni 2016 soll ihr Bericht vorlie- gen, der Grundlage für die neue TV: Welche Gesteine kommen Suche nach einem deutschen End- denn in Frage? lagerstandort wird. Der Koblenzer Geologe Ulrich Kleemann, lang- UK: Salz-, Ton- und Kristallinge- jähriger Leiter der Abteilung Si- steine. Bei Kristallingesteinen cherheit nuklearer Entsorgung im kann es sinnvoll sein, das mit Bundesamt für Strahlenschutz flach darüber lagernden Salz- und derzeit Chef der rheinland- oder Tongesteinen zu verbinden. pfälzischen Umweltbehörde SGD Nord, beteiligt sich als Wissen- TV: Wo findet man die? schaftler daran, Kriterien für den Umgang mit den strahlenden Ab- UK: Über ganz Deutschland ver- fällen der Atomenergie zu defi- teilt. Aber in Norddeutschland nieren. recht konzentriert, weil dort große Tonvorkommen sind, die sich von Trierischer Volksfreund: Herr Klee- der holländischen Grenze bis Ber- mann, wie kommt Ihre Kommis- lin ziehen. Aber auch in Baden- sion voran? Württemberg gibt es Tongestein. Die Salzstöcke liegen ebenfalls in Ulrich Kleemann: Wir werden bis Norddeutschland. Kristallingestei- zum Sommer unseren Bericht vor- ne gibt es in Bayern und Sachsen. legen und sind mit einer hohen Kristallin mit Überlagerung in Schlagzahl am Werk. Die geologi- Bayern, Hessen und Thüringen. schen Kriterien sind weitgehend festgelegt. Wir haben auch schon TV: Niemand will ein Endlager vor ein Ablaufschema diskutiert, wie seiner Haustüre. Wie geht man die Standortsuche gestaltet wer- bei der Suche mit den Sorgen den soll, und wir haben einen Be- und Protesten der Bürger um? schluss über die zukünftige Be- hördenstruktur gefasst. UK: Proteste wird man nicht ver- meiden können. Entscheidend ist, TV: Wie sehen die geologischen dass die Menschen nachvollziehen Kriterien für ein Endlager aus? können, dass der Standort nach objektiven, geologischen Kriterien UK: Es gibt Ausschlusskriterien: ausgewählt wird. Das Problem war Es darf zum Beispiel nicht in geo- ja bisher – zum Beispiel in Gorle- logischen Störungszonen liegen ben – dass der Standort politisch oder in einem Gebiet mit vulka festgelegt wurde. Das schafft Miss-

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Auch unterirdische Erkundung wird ben – dass der Standort politisch Teil der Standort- nachvollziehbare, objektive Ent- seit 2006 in Betrieb. Anm. d. Red.) festgelegt wurde. Das schafft suche sein. scheidung. Das derzeit größere Die Bundesregierung favorisiert Misstrauen. Für alle Orte, die in die Problem sind allerdings die lau- ein zentrales Zwischenlager am engere Auswahl kommen, wird es fenden Kraftwerke Cattenom und Eingang des Endlagers. Das würde Regionalkonferenzen geben, bei- Tihange. Das bereitet schon Sorgen. natürlich die Akzeptanz des Stand- denen die betroffenen Regionen ortes nicht unbedingt verbessern. mitentscheiden können. TV: Wie lange wird die Endlager- Deshalb plädieren wir dafür, die suche dauern? Zeit bis zur Einlagerung mit drei TV: Und wie trifft man eine Aus- bis vier dezentralen Zwischenla- wahl? UK: Laut Standortauswahlgesetz gern zu überbrücken. soll der Standort bis 2031 gefunden UK: In einer ersten Phase werden Proteste sein – also in nur 15 Jahren. Das TV: Laut Bundesumweltministe- mögliche Standortregionen an- wird man ist sehr ambitioniert. In diesem rium wird die Standortsuche zwei hand von geowissenschaftlichen nicht ver- Zeitraum muss ja auch die Erkun- Milliarden Euro kosten. Das Endla- Kriterien identifiziert. Die zweite meiden dung über und unterTage erfolgen. ger bis zur Stilllegung dann noch Phase schließt ab mit Standorten können Aber wir müssen die radioaktiven mal 7,7 Milliarden Euro. Wer soll für die untertägige Erkundung. Es Abfälle so schnell wie möglich un- das zahlen? Fotos: PubliXviewinG, picture alliance, Deutscher Bundestag / Achim Melde werden wahrscheinlich zwei bis terbringen. Die Zwischenlagerung drei sein, die man in die engere an den Kraftwerkstandorten ist UK: Es ist ganz klar Zielsetzung der Wahl nimmt. In der dritten Phase von der Sicherheit her schlechter Kommission, dass die Verursacher finden die untertägige Erkundung zu beurteilen als die Endlagerung. der Abfälle – also die Energiever- und der Standortvergleich statt. sorger – die Kosten tragen. Es wird In jeder Phase wird es Regional- TV: Und wann verschwindet der eine Fondslösung diskutiert oder konferenzen geben. Atommüll dann endlich im Unter- eine sogenannte Bad Bank. Weil grund? das strittig ist, hat das Bundeswirt- TV: Wie machen es unsere euro- schaftsministerium eine weitere päischen Nachbarn? UK: Wir gehen davon aus, dass Kommission ins Leben gerufen, man 2050 mit der Einlagerung be- die sich genau mit dieser Frage UK: Frankreich ist ein Beispiel, wie ginnen kann. Deshalb müssen wir auseinandersetzt. Im Frühjahr man es nicht machen sollte. Die uns auch über eine längere Zwi- müssten die Ergebnisse vorliegen, haben den Standort relativ früh schenlagerung Gedanken ma- die wir dann in unseren Bericht politisch festgelegt und fangen chen. (Die Castorbehälter dürfen in integrieren. jetzt erst an, die Öffentlichkeit zu den Zwischenlagern an den Atom- beteiligen, um festzustellen, dass kraftwerken jeweils maximal 40 Weitere Infos im Internet unter: es Widerstand gibt. Das ist keine Jahre lang liegen. Die Lager sind www.gorleben-rundschau.de

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Sitzung der so Massenhaft Atommüll ver Abfallstoffe“ bereitet die neue genannten Endla- lenschutz innehaben. Kontrolliert Suche nach einem Endlager für gerkommission in werden soll die Bundesgesell- Berlin Da ein Endlager für hoch radioak- hoch radioaktiven Abfall vor. Der schaft vom neuen Bundesamt für tiven Müll bisher fehlt, muss die- Standort soll „die bestmögliche kerntechnische Entsorgung. ser jahrzehntelang „zwischenge- Sicherheit“ gewährleisten. Die lagert“ werden. Deutschland hat Kommission entwickelt die dafür drei zentrale Zwischenlager: In nötigen Regeln und Kriterien. Zu Im Interview Ahaus (Nordrhein-Westfalen) und den Mitgliedern zählen acht Wis- Gorleben (Niedersachsen) lagern senschaftler, darunter Kleemann, Dr. Ulrich Kleemann (60) ist Prä- die Transportbehälter in Hallen sowie acht Vertreter der Gesell- sident der Struktur- und Geneh- aus Stahlbeton. Zudem gibt es auf schaft (Gewerkschaften, Energie- migungsdirektion Nord (SGD) in dem Gelände des ehemaligen unternehmen,Volkswirte, Kirchen- Koblenz. Der Geologe hat sich in Atomkraftwerks bei Lubmin das vertreter und Umweltverbände). seinem Berufsleben intensiv mit Zwischenlager Nord. Darüber hin- Die übrigen 16 Mitglieder der Kom- Die Zwi- der Entsorgung radioaktiver Ab- aus wurden an den Standorten der mission sind je zur Hälfte Vertreter schenla- fälle beschäftigt. Von 2004 bis Atomkraftwerke zwölf dezentrale von Landesregierungen und der gerung ist 2010 leitete er den Fachbereich Si- Zwischenlager gebaut. Die ab- Bundestagsfraktionen. Die Ergeb- gefährlicher cherheit nuklearer Entsorgung im gebrannten Brennelemente sol- nisse fließen in einen Bericht an als die End- Bundesamt für Strahlenschutz. len dort in Castorbehältern maxi- Bundestag, Bundesrat und Bun- 2009 wechselte er als Technischer mal 40 Jahre trocken aufbewahrt desregierung ein. Die Grundlage lagerung Geschäftsführer zur Asse GmbH, werden. Für radioaktive Abfälle, für die neue Suche ist das am 1. um ein Stilllegungskonzept zu ko- die nur schwache Wärme produ- Januar 2014 in Kraft getretene ordinieren. Kurz zuvor war in der zieren, wird derzeit im Schacht Standortauswahlgesetz. Schachtanlage radioaktiv konta- Konrad bei Salzgitter ein Endlager minierte Salzlauge gefunden wor- errichtet. Ähnliche Abfälle finden den. 2010 zog Kleemann nach eige- sich im ehemaligen DDR-Endlager Die Aufsicht nem Bekunden die Reißleine, als Morsleben, das stillgelegt werden die damalige Bundesregierung soll. Ein großes Problem sind die Künftig soll es eine neue Betrei- die Laufzeiten der Kernkraftwerke radioaktiven Abfälle, die zwischen berstruktur für Atommülllager ge- verlängerte, und arbeitete freibe- 1979 und 1995 im Versuchsendla- ben. „Wir brauchen eine klareTren- ruflich als Geologe. 2012 wurde ger Asse II eingelagert wurden. nung zwischen Betreiber und Auf- das Grünen-Mitglied Leiter der Zweifel an der Standsicherheit gab sichtsbehörde. Derzeit ist das nicht Umweltbehörde, die landesweit es von Anfang an. 2008 fand man eindeutig geklärt“, sagt Ulrich Klee- über 450 Menschen beschäftigt. in dem ehemaligen Salzbergwerk mann, Mitglied der Endlagerkom- Ob er dies bleibt, wird davon ab- radioaktiv kontaminierte Lauge mission. Die Kommission hat da- hängen, ob die Grünen nach den und beschloss, sämtliche Abfälle her beschlossen, dass es künftig Wahlen noch Teil der Landesre- zurückzuholen. Wo sie eingelagert eine Bundesgesellschaft geben gierung sind. werden sollen, ist ungewiss. We- soll, die das neue Endlager, per- Im Herbst 2011 hat Kleemann gen des anhaftenden Salzes gel- spektivisch aber auch alle ande- im Auftrag der Rechtshilfe Gor- ten sie als unkalkulierbares Risiko. ren Atommülllager, betreibt. Das leben eine Studie zur Eignung heißt: Sie übernimmt zentral Auf- des Salzstocks Gorleben als gaben, die nun die Deutsche Ge- Endlagerstandort erstellt. Darin Die ungeliebte Kommission sellschaft zum Bau und Betrieb kam er zu dem eindeutigen Er- von Endlagern für Abfallstoffe gebnis, dass Gorleben schon in ei- Die 33 Mitglieder zählende „Kom- mbH (DBE), die Asse GmbH, aber ner frühen Phase eines Auswahl- mission Lagerung hoch radioakti- auch das Bundesamt für Strah- verfahrens ausscheiden muss.

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Avanti Popolo Bürgerbeteiligung zwischen Mitmachfalle und Demokratiegewinn

Standortauswahl In Gorleben, an anderen Atomstandorten und bei Industrieansiedlungen gibt es schlechte Erfahrungen mit Angeboten von Öffentlichkeitsbeteiligung. Der „Bürgerdialog Kernenergie“ Anfang der Achtzigerjahre beispielsweise war ein durchsetzungsorientiertes Werbeprojekt. Die „Dialogangebote“ verschiedener Umweltminister wie Norbert Röttgen oder Peter Altmaier wurden als „Mogelpackung“ abgelehnt. Was aber unterscheidet solcherlei „Scheinbeteiligung“ von einer partizipati- ven Beteiligung, die ein Demokratiegewinn sein kann? Von Ulrike Donat

Überall im Land wird mehr Mit- chen Einfluss die Mitarbeit auf das up“-Teil fällt unter den Tisch. Ein sprache, mehr Demokratie, mehr Ergebnis hat oder haben kann. Dialog aber, in dem einer sendet Partizipation gefordert. Dabei gibt Diese Phase der Vorklärung mit und die anderen hören sollen, in es verschiedene Ziele für die Be- der Bevölkerung wurde bei der dem die Ergebnisse von vornhe- teiligung der Öffentlichkeit. „neuen“ Endlagersuche mal eben rein feststehen, verdient diesen übersprungen. Namen nicht und gehört in die Ab- 1. Ziel: Qualitätsgewinn teilung „Durchgefallen!“. Es geht 2. Ziel: Akzeptanz also um echte Mitsprache und Er- In Verwaltungsverfahren zur Plan- gebniswirksamkeit. Viele Angebo- aufstellung wird eine so genannte Politiker favorisieren den „Dialog“, te der Politik im Gorleben-Konflikt frühe Öffentlichkeitsbeteiligung um Politikverdrossenheit entge- trugen diesen Charakter des „ein- angeboten mit dem Ziel, frühzei- gen zu wirken und Akzeptanz zu seitigen Dialogs“ und wurden von tig die beteiligten Interessen zu er- erreichen. Ein echter Dialog ist ein Anti-Atom-Aktivisten im Wend- kunden und so einen Qualitätsge- möglichst gleichberechtigter Aus- land mit grimmigem Augenzwin-

winn in der Planung zu erzielen. tausch, in dem beide einander zu- kern als „Dialüg“ bezeichnet. Fotos: PubliXviewinG Mögliche Interessenkonflikte vor- hören und gemeinsame Ergeb- her zu sehen spart Fehlplanungen nisse suchen. Unter Politikern hat 3. Ziel: Legitimität und Zeit. Das ist erst einmal nichts sich aber eine einseitige Kommu- Schlechtes, es kommt darauf an, nikation „top down“ unter diesem Politik möchte auch Legitimität wie es dann weiter geht und wel- Label eingeschlichen – der „bottom durch Beteiligung erreichen. Legi-

18 Atommülllager timität entsteht nicht durch Geset- was gemeinsam zu entscheiden Zeitdruck und Alternativlosigkeit ze (Legalität) allein, sondern be- gibt. Die Ergebnisse dürfen daher zieht sich auf die Bewahrung nicht von vornherein feststehen, Die Argumentation mit Zeitdruck grundlegender gemeinsamer sonst geht es nur um Akzeptanz- ist ein Misstrauensfaktor – viel- Werte. Dieses Ziel ist akzeptabel, beschaffung und Befriedung, aber leicht sollen einem hier schnelle bil- wenn auch die Beteiligungsformen nicht um einen demokratischen lige Lösungen untergejubelt wer- darauf ausgerichtet sind, Werte zu Prozess. Hier liegt auch der Grund den? Es gibt echten Zeitdruck, aber erforschen und ihnen zur Durch- für die Absage einer Beteiligung dann ist es sinnvoller, schnelle setzung zu verhelfen. Dies setzt der Anti-Atom-Bewegung zur Mit- Zwischenlösungen zu verhandeln echte Partizipation voraus, bei der arbeit in der so genannten Endla- und dem eigentlichen Prozess der das Verfahren gemeinsam be- gerkommission: Sowohl das Ver- Zusammenarbeit Zeit und Raum stimmt wird und die Ergebnisse fahren selbst als auch die Themen zu geben. Beliebt ist auch, bestim- zumindest teilweise, jedenfalls und Lageroptionen standen schon mte Teillösungen als „alternativ- aber in den Streitfragen offen sind, vor Arbeitsbeginn der Kommis- los“ bereits zu Beginn fest zu set- so dass das Beteiligungsverfah- sion unverrückbar fest – zu viele zen. Sinn von Beteiligung ist aber ren darauf tatsächlich Einfluss hat. Lobbyisten saßen am Tisch. gerade, Kreativität für möglichst Dies ist zum Beispiel in der Endla- Es gibt jedoch auch gute Beispiele viele Lösungsideen zu wecken, gersuche nicht gegeben, solange von Öffentlichkeitsbeteiligung, bei um so zu neuen, besseren Lösun- Gorleben nicht ausgeschieden ist, dem nur einige Themen offen, an- gen zu gelangen statt zu einem denn die Vorfestlegung durch den dere bereits gesetzt sind – auch das „weiter wie bisher“. Das ist das Erkundungsvorsprung lässt sich kann sinnvoll sein, sofern es nur Sinn von Gegenteil von Ergebnisoffenheit nicht rückgängig machen und die ausreichend Offenheit für ge- Beteiligung und ergebniswirksamer Beteili- Einengung der Themen auf tiefen- meinsam gestaltete Lösungen ist, Kreati- gung. Daher gilt: Alternativlos = geologische Endlagerung nimmt gibt, die verhandelt werden kön- vität für Lö- höchste Misstrauensstufe! das Ergebnis vorweg, statt es offen nen. Es reicht aber nicht, wenn sungsideen zu diskutieren. Echte Mitsprache man nur über die Fassadengestal- Neutrale akzeptierte Moderation der Bürger wäre dagegen ein Ele- tung eines Risikobaus mitbestim- zu wecken ment direkter Demokratie, also ein men darf. Es geht schon um die In Konfliktlösungsverfahren sind emanzipatorischer Gewinn. Mitsprache zum Kern der Prob- Neutralität und Allparteilichkeit leme. Dieser Spielraum der Mit- der Moderation zentral. In von 4. Ziel: Kontrolle entscheidung und seine Grenzen Politik und Verwaltung angebote- müssen von Anfang an offen kom- nen Verfahren der Öffentlichkeits- Schließlich dient eine gute Betei- muniziert werden. Man darf nicht beteiligung ist dies noch nicht als ligung auch der Kontrolle von Beteiligung versprechen, wenn Standard angekommen. Oft über- Politik, Wirtschaft, Wissenschaft keine Mitsprache drin ist. nehmen Politik oder Verwaltung und Technik – das kennt die Anti- Mitmachen lohnt sich nur, wenn selbst die Durchführung und Lei- Atom-Bewegung aus eigener An- Ergebniswirksamkeit gegeben ist, tung – dann ist eine (potenzielle) schauung, denn die Kontrollfunk- wenn also das Verfahren und das Konfliktpartei zugleich Verfahrens- tion gegen unverantwortliche Ri- Miteinander so gestaltet sind, dass leitung. Das ist keine gute Idee, siken durch die Atomenergie ha- alle Einfluss auf das Ergebnis ha- denn die Unparteilichkeit der Mo- ben immer die Atomgegner und ben: durch gemeinsame Themen- deration ist Erfolgsfaktor und Fair- nicht die dazu berufenen Entschei- findung, durch Gehörtwerden in nessgebot. Oder die Politik be- der ausgeübt. Die eigentlich Ver- der Sache, durch Einfluss auf das stimmt selbst die Leitung und antwortlichen haben sich dagegen Verfahren und Einfluss auf die wählt dann oft verdiente Kämpfer auf das atomare Abenteuer einge- letztendlichen Ergebnisse. Sind aus den eigenen Reihen, bei de- lassen – ohne Rücksicht auf die die Vorgaben zu eng, lohnt sich nen die Neutralität ebenfalls frag- langfristigen Folgen. Gelingt Kon- Mitmachen nicht. Mitmachen kos- lich ist. Das kann gut gehen, wenn trolle durch Beteiligung, könnte tet Zeit, und man muss immer es honorige Persönlichkeiten sind, dies nicht nur ethische Aspekte in abwägen, ob man außerhalb des die von allen akzeptiert werden. komplexen Verfahren durchset- Beteiligungsverfahrens durch Öf- Sinnvoller aber ist eine externe, zen, sondern auch Korruption vor- fentlichkeitsarbeit, Kritik oder Pro- professionelle, von allen gewählte beugen. Der Kontrollaspekt ist um- test mehr Ergebniswirksamkeit oder akzeptierte Moderation. Poli- so wichtiger, je weniger Rechts- erzielen kann, als durch die ange- tik und Verwaltung transportieren schutzinstrumente greifen, etwa botene Beteiligung. Daher ist Er- immer ihren eigenen wertenden weil die Klagebefugnis für kom- gebniswirksamkeit und genug Er- Stil in die Moderation, während mende Generationen von den gebnisoffenheit und Mitsprache- professionelle Konfliktexperten Gerichten verneint wird. möglichkeit essentiell für die Ent- mit Supervision geschult sind und scheidung: Mitmachen oder trainiert, die Kommunikation zu Ergebnisoffen und ergebniswirk- draußen bleiben. Die Anti-Atom- fördern statt die eigenen Vorstel- sam Bewegung und insbesondere die lungen durchzubringen. Sie sind Gorleben-Gegner haben sich im auch erfahren in transparenter Grundlegend für ein gutes Betei- Frühjahr 2014 entschieden, drau- Kommunikation statt im strategi- ligungsverfahren ist, dass es et- ßen zu bleiben. schen Ränkeschmieden.

19 Atommülllager

Wer wird beteiligt

In der Konfliktforschung und Konfliktmoderation gibt es den Grundsatz: Die Richtigen sitzen am Tisch. Verstanden wird das so, dass alle Konfliktbeteiligten sich zusammensetzen sollen. Das sind alle, die vom Ergebnis betroffen sind oder sonst Einfluss auf das Ergebnis haben, etwa durch Rechtspositionen. Die Erfahrung zeigt, dass es Gift für das Gelingen von Beteiligungsprozessen ist, wenn die Beteiligten einseitig be- stimmt werden, wenn Hardliner- Lobbyisten und Interessenvertre- ter von einer Seite zu viel Mitspra- che bekommen. Negativ kann sich nen, eigenen Rechtsrat einzuho- wen man wann wofür und wozu auch auswirken, wenn Personen als len und die nötige finanzielle Un- beteiligen will. Große Informati- Vertreter entsandt werden, die in abhängigkeit hierzu. Sonst domi- onsveranstaltungen können Inte- der Vergangenheit verantwortlich niert die (scheinbar) „wissende“ resse wecken beim Kick-Off oder waren für umstrittene Entschei- Partei die „Unwissenden“. Unter sinnvoll sein, wenn Ergebnisopti- dungen. Möglichst von allen Sei- diesem Aspekt stellt sich auch die onen breit beraten werden sollen. ten akzeptierte Vertreter sind eine Frage, ob in einem schwierigen Dazwischen sind Formate, die gute Voraussetzung. Üblich ist Feld wie der Atommüllverwah- Gruppenarbeit an speziellen Prob- aber, dass jede beteiligte Partei rung die Heranziehung von „Zu- lemen ermöglichen, oft sinnvoller. ihre eigenen Vertreter entsendet. fallsbürgern“ eine gute Idee ist, All das muss aber von professio- Dann kommt es darauf an, dass denn es braucht viel Wissen und nellen Begleitern in einem Ge- jede Seite durch die Verfahrensge- Parallel viel Erfahrung, um auf Augenhöhe samtprozess organisiert und im- staltung Einfluss auf die Themen laufende komplexe wissenschaftlich-tech- mer wieder mit den beteiligten und die Ergebnisse nehmen kann, Gerichtspro- nisch-politisch-wirtschaftliche Gruppen abgestimmt werden. Ein sonst werden einige über den zesse sind Fragen zu beraten. „Zufallsbür- Gesamtprozess denkt in Phasen Tisch gezogen. Nur wenn wirklich Gift ger“ repräsentieren den Quer- ähnlich der Mediationsphasen: alle an Kooperation interessiert schnitt der Bevölkerung und sind Arbeitsbündnis - Themensamm- sind oder jedenfalls das Beteili- also grundsätzlich ein demokrati- lung und Informationsbeschaf- gungsverfahren ausreichend Sog scher Zugang. Wissen und bereits fung - Interessenermittlung - Lö- für eine gemeinsam gestaltete Lö- durch Engagement erworbenes sungsoptionen - Vereinbarungen sung entwickeln kann, ergibt Betei- Verständnis für die Materie kön- - Umsetzung der Vereinbarungen. ligung einen Sinn. Sonst bleibt die nen in komplexen Feldern aber Ein Gesamtprozess wacht über die Option: wieder aussteigen. wichtiger sein, wenn man zu gu- Einhaltung wesentlicher Prinzipi- ten Ergebnissen für die Zukunft en wie Allparteilichkeit, Fairness, Transparenz und Informationszu- kommen will. Geheimhaltungsbe- Transparenz und Vertraulichkeit. gang dürfnissen kann man Rechnung Es braucht Zeit für die Auswer- tragen, indem ausgewählten Ver- tung von Veranstaltungen, und es Wer gute Entscheidungen treffen tretern der Zugang zu vertrauli- braucht die Möglichkeit zu Rück- soll, muss gut, vollständig und chen Informationen gewährt wird. sprüngen im Verfahren, wenn richtig informiert sein. Sonst ent- neue Probleme auftauchen oder stehen aus Wissenslücken neue Beteiligungsformate , Prozess eingeschlagene Wege sich als schlechte Entscheidungen, oder und Phasenmodell Sackgassen erweisen. Manchmal Entscheidungen sind nicht nach- braucht es echte Konfliktmediati- haltig, wenn später fehlende As- Häufig wird Öffentlichkeitsbeteili- on an bestimmten Wegkreuzun- pekte ans Licht kommen. Das ist gung über möglichst gut klingen- gen. Absolutes Gift für Beteili- aus der Geschichte der Atomener- de Veranstaltungsformate disku- gungsprozesse sind parallel lau- gie hinreichend bekannt. Alle we- tiert: Fokusgruppen, World Café fende Gerichtsprozesse zu den sentlichen Unterlagen, Erkenntnis- und Ähnliches. Bei der Güteprü- gleichen Streitthemen. se und Expertisen müssen daher fung geht es aber nicht um For- für alle wesentlichen Beteiligten mate, sondern um den wahrhaft Konsens und Vetorechte zugänglich und transparent sein. demokratischen Geist, die Ergeb- Dazu gehört das Recht auf Akten- niswirksamkeit und die Kommuni- Die Verpflichtung auf Entschei- einsicht, aber in komplexen Frage- kation über die eigentlichen The- dungen im Konsens fördert die stellungen auch die Möglichkeit, men. Beteiligungsformate sind Lösungsorientierung und das Ver- eigene Wissenschaftler zu benen- das Ergebnis, wenn man weiß, trauen in die Zusammenarbeit.

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Wo immer möglich, sollte das sieren. Das Ergebnis ist oft von der tur für bessere Ergebnisse und Konsensprinzip bestimmend sein. Formulierung der Fragestellung einen guten Generationentrans- Politiker denken oft, dann gäbe es abhängig, hier gibt es viele Mani- fer. All die, die sich schon lange keine Lösung, denn irgendwer sei pulationsmöglichkeiten, wie aus mit Atomprotest und Atommüll immer dagegen. Die Erfahrung von den Erfahrungen in den Bundes- beschäftigen, sind aus Erfahrung Konfliktexperten ist eine andere. ländern bekannt ist. Volksabstim- klug und sollten gehört werden. Konsensprinzip heißt nicht not- mungen taugen, wenn es um ei- Dazu reicht weder ein Dokumen- wendig Ja oder Nein in Überein- ne wirkliche Ja-Nein-Entschei- tarfilm noch die Vereinnahmung stimmung, sondern man kann dung geht, wie etwa bei der Fra- der Widerstandsarchive – es feh- auch gut mit Konsensstufen arbei- ge, ob Olympia in Deutschland len echte Partizipationsangebote. ten: „Ich bin voll dafür“ - „Ich bin mit stattfinden soll. Sie sind eher kon- Bedenken dafür“ - „Ich enthalte traproduktiv in komplexen Ent- mich, aber trage das Ergebnis scheidungsfeldern, weil für die mit“ - „Ich habe Bedenken, aber Entscheidung sehr vereinfachte akzeptiere das Ergebnis ohne ei- Fragestellungen erzeugt werden gene Mitarbeit“ - „Ich lege Veto müssen, die die Probleme nicht Darum lehnt die Anti-Atom-Be- ein“. Diese Denkweise hat sich in wirklich abbilden. Zudem hat die wegung die Mitarbeit in der so konfliktbeladenen Entwicklungs- Seite mit dem besseren Zugang genannten Endlagerkommission prozessen bewährt. Ebenso hat zu Werbung und Medien häufig ab: sich bewährt, dass eine vorläufige die Deutungshoheit. Hier kann Zustimmung zu einem Teilbereich Finanzmacht statt Inhalte ent- - Limitierung der Laufzeit der noch keine Zustimmung für das scheidend werden. Volksabstim- Kommission auf zwei Jahre statt Endergebnis bedeuten muss.Veto- mungen und Meinungsumfragen „bis alle Fragen geklärt sind“. rechte befördern die Verpflichtung können aber gut als politisches auf eine gemeinsam getragene Lö- Druckmittel benutzt werden. - Erlass des Standortauswahlge- sung und können einer kleinen setzes statt vorheriger breiter ge- Partei für wesentliche Rechte eine Fazit sellschaftlicher Debatte. Dadurch starke Stellung geben. Vetorechte keine Mitsprache bei der Gestal- können aber auch den gesamten Die Anti-Atom-Bewegung hat vie- tung des Verfahrens Prozess blockieren, daher sollten le Erfahrungen, aber die Politik sie sparsam verteilt werden oder tut in der so genannten Endlager- - Die Kommission bietet nur infor- nur den Inhalt haben: „Nein, so kommission so, als könne man bei matorische Beteiligung statt ech- nicht weiter, zurück auf die letzte Null anfangen. Willfährige „Betei- ter Gestaltungsmöglichkeit. Stufe und noch einmal neu den- ligungsexperten“ ignorieren vor- ken.“ handene Konflikte, vorhandene - Eine Aufarbeitung der Fehler der Erfahrungen, vorhandene Kom- Vergangenheit war und ist nicht Volksabstimmung petenz. Doch wird dieses Wis- gewünscht. sen noch gebraucht werden für In der Idee sind Volksabstimmun- die notwendigen Rücksprünge, - Es gibt unterschiedliche For- gen ein Gewinn an direkter Demo- wenn sich weitere Entscheidun- schungsstände bei den in Frage kratie. In der Praxis führen sie oft gen als fehlbar herausstellen (das kommenden Wirtsgesteinen. zu einer Vertiefung der Gräben, ist vorhersehbar). Es gab mehr aber nicht immer zu besseren Lö- als genug Alibi-Veranstaltungen - Die Zusammensetzung der sungen. Rein binäre Entscheidun- und Simulationstheater, nötig ist Kommission ist ungerecht und gen zwischen Ja und Nein polari- eine demokratische Konfliktkul- nicht repräsentativ.

21 Fotos: PubliXviewinG stellt. Die ersten Indizien lieferte Die erstenstellt. lieferte Indizien der Erdöl- eine Untersuchung und Salzlaugenverteilung in 48 die der Ölkonzern Bohrlöchern, Mexiko ge- Statoil im Golf von hatte. bohrt - Leit der elektrischen Messungen um- das dass fähigkeitergaben, Drittel unteren im Salz gebende - So porös war. der Bohrlöcher aus Erdgas als auch wohl Sole größerer Tiefe konnten dif- im Salz winzige Kanälchen durch im Bohrloch fundieren und sich be- Wie die Forscher sammeln. können bei sehr hohem richten, Druck in der Tiefe Mikrorisse im entstehen, die solche Salzgestein öffnen. Porenkanälchen

und anderen Flüssigkeiten un- – meistens jedenfalls. durchlässig es keine Solange tektonischen oder Risse im Ge- Verwerfungen stein gibt, sollen sie verhindern radioaktivesdass können, Materi- von der Salzstock Auch al austritt. daher lange auf der Gorleben war für einen Endlager- Auswahlliste Eine sol - (Anm. d. Red.: Standort. Liste hat es nie gegeben. Bis che heute ist Gorleben der einzige be- Standort.) nannte mögliche Ghanbarzadeh und Soheil Doch der University von seine Kollegen neue nun haben Austin in Texas of Erkenntnisse zum Salzverhalten gewonnen, die eine Eignung von als Endlager in Frage Salzstöcken

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Salzstöcke doch nicht für Endlager geeignet? für Endlager nicht doch Salzstöcke Studie: Auch ohne Mikrorisse das kann Salz durchlässig werden sind gegenüber Grundwasser sind gegenüber Grundwasser sche Formationen. Denn diese Formationen. sche als vielversprechende geologi- als vielversprechende allem Salzstöcke, Granit Ton und müll-Endlager gelten bisher vor müll-Endlager gelten bisher vor Auf der Suche nach einem Atom- einem nach Auf der Suche Strahlung aus. im Zwischenlager Gorleben im über Zwischenlager Castoren tritt gelagerten irdisch Schäden und Lecks. Auch aus den aus Auch Lecks. und Schäden hälter und Fässer mit Atommüll mit hälter und Fässer schon jetzt haben viele ältere Be- haben viele ältere jetzt schon hochradioaktiven Abfällen. hochradioaktiven Und für die dauerhafte Lagerung von Lagerung von für die dauerhafte nirgendwo eine optimale Lösung Ländern um. Denn bisher gibt es Kraftwerksbetreiber in vielen Kraftwerksbetreiber kanischen Fachmagazin „Science“. kanischen Fachmagazin und treibt Regierungen se Frage - im ameri Wissenschaftler die berichten sind, geeignet nicht Atommüll für als Endlager dass Salzstöcke bedeuten, aber könnte Die- Atommüll? dem mit Wohin Wasser und andere Stoffe durchlassen. Belege dafür fanden Forscher sowohl in Bohrlöchern als auch bei Laborversuchen. Das Das bei Laborversuchen. als auch in Bohrlöchern sowohl Forscher dafür fanden Belege durchlassen. Stoffe und andere Wasser gedacht: Geraten die Salzvorkommen unter Druck oder werden sie deformiert, dann bilden sich winzige Kanälchen im Salz, die im Salz, Kanälchen winzige dann bilden sich deformiert, sie oder werden Druck unter die Salzvorkommen Geraten gedacht: „Salzlinie“ vor. Doch heute müssen wir einen Rücksprung machen, denn Salzstöcke sind offenbar noch durchlässiger als bisher durchlässiger noch sind offenbar denn Salzstöcke machen, müssen wir einen Rücksprung heute Doch vor. „Salzlinie“ In der GR-Serie „Endlagermedium“ stellen wir eigentlich Alternativen zur in Deutschland immer noch favorisierten favorisierten immer noch in Deutschland zur Alternativen wir eigentlich stellen „Endlagermedium“ In der GR-Serie Steinsalz Endlagermedium Zitat: Marc Hesse Winkels zwischenWinkels denKristallen rationen, die wegen desflachen Kontakt bringen. Selbst Konfigu- und siedadurch untereinanderin schen denSalzkristallen dehnen winzige,isoliertekann Poren zwi- der Salzstöcke imUntergrund Schon die natürliche Verformung erhöhen“, berichten die Forscher. in Abwesenheit von Mikrorissen A.d.R.)desSalzessigkeit; selbst diePermeabilitätkann (Durchläs - Das Ergebnis: „Eine Deformation putertomografie untersuchten. Bedingungen mittels Mikro-Com- Salzstruktur unterverschiedenen suche durch, beidenensiedie Laborver die Wissenschaftler der Sache nachzugehen, führten Durchlässigkeit desSalzes. Um störtem Gesteinaufeineerhöhte unge- bei und geringeren Tiefen Feldstudie stießensieauch in und seineKollegen. Doch inihrer achtet“, erklärenGhanbarzadeh Atommüll-Lagerstätten beob- öffnungen von Salzminen oder Gestein rundumdieGruben- brüche vor allemimgestörten „Bisher hatmandieseMikro- - Daten re-evaluieren.“ te mandieses anhandderneuen ger von Atommüll gibt, dann soll- in einemSalzstock schon einLa- Maša Prodanovic. „Und wenn es den soll“, sagtHessesKollegin wie atomarer Abfall gelagert wer wenn manentscheidet, wound daher miteinbezogen werden, Durchlässigkeit gibt.Diessollte gen uns,dasseseinepotenzielle „Die neuenInformationensa- werden. müll unbedingtberücksichtigt nach einem Endlagerfür Atom- Salzstöcken jedoch beiderSuche se neuentdeckte Schwäche von Ihrer Ansicht nach mussdie - zwar noch genaueruntersuchen. müssendieForschermen kann, Netzwerk von Poren imSalz strö - dabei durch dasneuentstehende Autor MarcHesse. Wie vielLauge lässig werdenkann“, betontKo- durchvon Bergbau-Aktivitäten - dass Salz selbstin Abwesenheit „Die entscheidende Botschaft ist, senschaftler. durchlässig werden,sodie Wis- als dicht galten, könnendann - werden durchlässig Aktivitäten Bergbau- auch ohne Salz kann Gorleben. dem Salzstock Bohrkerne aus Salzes sichtbar. des Gorlebener die Inhomogenität Unter Licht wird einzige benannte Gorleben istder Standort fürein deutsches Ato - en zumTrotz:feln Der Salzstock Allen Zwei- 23 mülllager. gerformation festhält.“ und vor allemanSalz alsEndla- sie unbeirrt an der Tiefengeologie weise zuberücksichtigen oderob derartige wissenschaftliche Hin- in Frage stellt,inderLageist, nicht sie den Zeitdruck, enormen die Endlagerkommissionbeidem sind. Gespanntdarfmansein,ob dungen, die nicht mehr reversibel schung und nicht vor Entschei - am erst Anfang der Endlagerfor „Wir stehen aus unserer Sicht Pressesprecher Ehmke: Wolfgang ment der Befürworter weg. BI- Nun aberbricht dasHauptargu- rungszonen. frostrisse, SubrosionundStö- um Kohlenwasserstoffe, Perma - eine Vielzahl andererEinwände: schaftlerstreit aberauch noch um In Gorlebengehtesim Wissen- Richtung Wärmequelle. in das Hinfließen von Flüssigkeit Salzkörpers durch dieHitze und meeinfluss, die Ausdehnungdes liche Rissbildungen unter Wär innen aberverwiesenaufmög- Hohlräume zuwüchsen. Gegner/- salz sich plastisch verhalte und Befürwortern bisher, dassStein- Ins Feld geführt wurde von den deutschenbestätigt. „Salzlinie“ ergebnisse inihrerKritikander die amerikanischen Forschungs - Dannenberg (BI) sieht sich durch Lüchow-Die Bürgerinitiative Bohrlöchern inBetracht. rung desNuklearabfallsintiefen Beispiel die USA – auch die Lage- Granit oderziehen–wiezum oder auf Ton lange schon setzen gert werden kann. Andere Länder hochradioaktiver Mülleingela- Tiefen großen in der in trachtet, mögliche Gesteinsformation be- LinieSteinsalzalseine erster Bisher wurde in Deutschland in Kommentar derBürgerinitiative Weitere Infos imInternet unter: www.gorleben-rundschau.de Endlagermedium - - Energiewende

Der steinige Weg zur Energiewende Wie der Erfolg von Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse gesichert werden kann

Erneuerbare Welche Bilanz können wir heute von der Energiewende ziehen? Wie geht es weiter, was ist zu tun, damit sie eine wirkliche Erfolgsgeschichte wird? Dazu referierte , Stromrebellin der bürgereigenen Elektrizitätswerke Schönau, auf dem IPPNW-Kongress anlässlich der Jahrestage der Katstrophen von Tschernobyl und Fukushima.

Der GAU von Fukushima vor fünf Gesetz (EEG). In zweiter Linie den sichts der globalen Bedrohung Jahren blieb auch in Deutschland Bürgern, die einfach gehandelt ha- durch die Klimaerwärmung zu nicht ohne Folgen: Unsere Bundes- ben, die Photovoltaikanlagen auf beschleunigen. Der Ausbau der kanzlerin rief das Ende des Atom- das Dach montiert, gemeinsam ein Photovoltaik ist im Jahr 2015 in zeitalters aus: „Wenn selbst ein Windrad errichtet und in die Zu- Deutschland sehr deutlich einge- technologisch so hoch entwickel- kunft investiert haben. Der Bürger brochen, verursacht durch die tes Land wie Japan nicht dazu in ist zu mehr bereit. Doch unter dem Notwendigkeit von Ausschreibun- der Lage ist, die Atomtechnologie Druck der großen Energieversor- gen, die EEG-Umlagenbelastung zu beherrschen, dann kann die ein- ger auf die Politik hat sich einiges und den immer größer werden- zige Konsequenz nur der schnellst- geändert. Nicht mehr so schnell den bürokratischen Aufwand. Mit mögliche Ausstieg aus der Atom- soll die Energiewende vonstatten dem Wechsel hin zu Ausschrei- energie sein.“ Ohne den jahrelan- gehen, ein ganzes Instrumentari- bungen durch die EEG-Novelle gen Druck durch die Bürger und um wurde im EEG 2014 zur Ver- 2016 ist bei der Windkraft das den Widerstand der deutschen langsamung der Energiewende gleiche zu befürchten. Schon jetzt Anti-Atom-Bewegung gegen die geschaffen, und aktuell hat sich stagniert das Repowering, weil die Nuklearindustrie wäre diese Ent- schon wieder eine Gruppe Abge- Akteure massiv verunsichert sind. scheidung wohl nicht so schnell ordneter der CDU an die Regie- Hier wird deutlich, welche Auswir- getroffen worden – immer wieder rung gewandt mit der Forderung kungen es hat, wenn die Politik sehen wir, wie wichtig der Bürger, nach einer weiteren massiven nicht den geeigneten Spielraum der Mensch bei großen gesell- Kürzung und Verlangsamung des für Veränderungen schafft, aber so Fotos: PubliXvewinG, EWS schaftlichen Veränderungen ist. Ausbaus der erneuerbaren Ener- ist das von der Politik wohl auch Den gigantischen Zubau der Er- gien. gewollt: Das Thema „Energiepro- neuerbaren auf nunmehr knapp Dies geschieht, obwohl Klimafor- duktion“ soll wieder bei den gros- 30 Prozent des Bruttostromver- scher uns eindringlich auffordern, sen Energieversorgern angesie- brauchs verdanken wir in erster die Energiewende nicht zu brem- delt werden, wohingegen Bürger- Linie dem Erneuerbaren Energien sen, sondern im Gegenteil ange- gesellschaften, Genossenschaften

24 Energiewende und andere entgegen aller anders sichtigt werden können. Dass we- lautender Beteuerungen weitge- der die Autoindustrie noch die hend außen vor bleiben sollen. Kohlekraftwerksbetreiber Sonder- Die EEG Novellierung 2014 und die regelungen für ungeminderten geplante Novellierung 2016 zei- Ausstoß von Klimagas bekom- gen an zwei ganz entscheidenden men. Das heißt auch, dass die Flug- Stellen, was falsch läuft bei der industrie endlich besteuert wer- Energiewende: Die Politik setzt die den muss und die klimaschädlich- Energiewende nicht konsequent ste Art zu reisen nicht noch durch und kraftvoll um und lässt außer Steuerbegünstigungen belohnt Acht, dass sie nur zusammen mit werden darf, um nur ein paar Din- den Bürgern gelingen kann. ge zu nennen. Wir haben bis jetzt viel erreicht. Doch die anfängliche Dynamik der Was ist zu tun? Schluss mit den Energiewende lässt spürbar nach, Mythen der Atomenergie! und die auf dem Pariser Gipfel pro- klamierten Ziele werden so kaum „Kernkraftwerke sind Klimaschüt- Autorin Ursula erreicht werden können. Der Kunden entwickelt hätten, wären Sladek zer vom Anfang der Urangewin- Atomausstieg, die Energiewende nach dem Unglück von Fukushima nung über den Bau und Betrieb ist gefährdet. Ein reduzierter Zu- in den Jahren 2011 bis 2013 keine bis hin zu Entsorgung und Rück- bau an Erneuerbaren wie von der Erneuerbaren Energien für die bau der Anlagen zur grünen Regierung geplant, kann nicht ein- Stromerzeugung verfügbar gewe- Wiese“. So lässt es sich auf der mal die Atomstromerzeugung er- sen. Das Ergebnis der Studie: Internetseite Kernenergie.de setzen, geschweige denn einen Auch ohne den massiven Zubau nachlesen. Ziemlich zynisch die- Kohlestromausstieg möglich ma- Erneuerbarer Energien wäre es zu se Behauptung, wenn man daran chen. Die Schwäche der Politik, die erheblichen Preissteigerungen an bedenkt, wie durch den Uranab- sich dem Druck der Wirtschaft den Strommärkten gekommen, bau der Lebensraum indigener beugt und sinnvolle Maßnahmen der Haushalts- und Gewerbe- Völker zerstört wird, wie radio- wie die Reform des Emissions- strompreis hätte in etwa dem aktive und giftige Stoffe aus den handelswesens oder die Neuge- aktuellen Preis entsprochen, die Urangruben Arbeiter und Anwoh- staltung des Strommarktdesigns Industrie würde erheblich mehr ner krank machen und die Krebs- erst gar nicht in Angriff nimmt zahlen… rate steigen lassen. Und auch oder gar die geplante Kohleabga- die Menschen von Tschernobyl be wieder rückgängig macht, wirkt Was ist zu tun? und Fukushima nehmen dieses dem Gelingen der Energiewende Strompreisdebatte beenden! Statement wohl nur fassungslos mächtig entgegen. entgegen. Es erschließt sich auch Diese Inkonsequenz bei der Um- Von der EEG-Umlage landet nicht nicht, wie die Lagerung radioak- setzung der Energiewende wird einmal die Hälfte bei den Produ- tiver Abfallstoffe ein Beispiel für seit Jahren begleitet von einer po- zenten der Erneuerbaren Energien Klimaschutz sein soll. Dennoch pulistischen Debatte um steigen- Anlagen. Der Rest sind so genann- propagieren Länder in Europa de Strompreise, die den Bürgern te „Sonstige Kosten“, die im We- und auch sonst auf der Welt, dass diese Vorgehensweise schmack- sentlichen auf den Rückgang der auf Atomenergie wegen seiner haft machen soll. Anstatt bei der Börsenstrompreise zurückzufüh- klimaschützenden Eigenschaften Bevölkerung um Akzeptanz für die ren sind – und auf Industrieprivi- nicht verzichtet werden kann. Energiewende zu werben, wird legien, also die weitgehende Be- Atomstrom ist noch nicht einmal genau das Gegenteil versucht: Die freiung der stromintensiven In- CO2-neutral, wie oft von Befür- Erneuerbaren Energien werden dustrie von der Umlage. Jedes wortern behauptet wird. Atom- immer wieder als Preistreiber hin- Jahr fließen für Öl, Gas und Stein- kraftwerke verursachen im Be- gestellt, um die Verlangsamung kohle zwischen 70 und 80 Milliar- trieb zwar keine CO2-Emissionen. beim Ausbau mit den angeblichen den Euro ins Ausland – Geld, das Betrachtet man aber die gesamte Interessen der Stromkunden zu mit der Steigerung der Erneuer- Prozesskette – von Uranabbau, rechtfertigen. Interessant ist ein baren Energien zunehmend in Brennelementherstellung, Kraft- Diskussionspapier von Prof. Dr. Deutschland bleibt und hier bei werksbau und rückbau bis zur Jürgen Karl vom Lehrstuhl für uns Arbeitsplätze und Wirtschaft Endlagerung – so werden sehr Energieverfahrenstechnik der fördert. wohl Treibhausgase emittiert, die Friedrich-Alexander-Universität zwar deutlich geringer sind als Erlangen-Nürnberg, das im Auf- Was ist zu tun? Die Energiewen- bei Kohlekraftwerken, aber höher trag von Siemens erstellt wurde. de ist kein Problem, sondern eine als die Emissionen der Erneuer- Auf der Basis historischer Daten lösbare Aufgabe! baren Energien. der europäischen Strombörse Warum ist der Mythos von der EEX errechneten die Wissen- Das heißt dann aber auch, dass klimaschützenden Atomenergie schaftler, wie sich Strompreise für Partikularinteressen, die dem ent- so gefährlich? Weil er zusammen Privathaushalte und gewerbliche gegenstehen, nicht mehr berück-

25 Energiewende mit dem reduzierten Zubau der tifikate und vor allem ein Über- Erneuerbaren ins Feld geführt schuss an Zertifikaten – also mehr werden kann, um in den nächsten Zertifikate als Emissionen – haben Jahren eine Debatte über Laufzeit- dazu geführt, dass der Zertifikats- verlängerungen in Deutschland in preis zusehends verfällt, kein An- Gang zu setzen. Noch ist es nur die reiz für Investitionen in Klima- AfD, die in ihrem Wahlprogramm schutz gegeben ist, stattdessen das Weiterlaufen der noch im Be- mehr klimaschädliche Kohle ver- trieb befindlichen AKW fordert … brannt wird und der Staat weni- Doch was ist der Grund für den Bau ger Einnahmen hat. Das Emissi- und Betrieb von Atomkraftwerken frage und die Unfallrisiken von onshandelssystem hat sich selbst auch heute noch? Es ist die mili- AKWs stellen dabei weitere Ge- ad absurdum geführt. So konnten tärische Nutzung für den Bau von fährdungen dar, die sich finanziell zum Beispiel die Stromversorger Atombomben. Selbst Japan, das gar nicht quantifizieren lassen. durch die kostenlose Zuteilung der durch zwei Atomkatastrophen un- Hinkley Point C: ein offenes Bei- Zertifikate Zusatzgewinne von 38 vorstellbaren Ausmaßes heimge- spiel dafür, dass die EU-Kommis- Milliarden Euro einfahren, die auch sucht wurde, will sich den Bau von sion die Ausweitung der Atom- in den Bau neuer Kohlekraftwerke Atombomben wegen der Bedroh- kraft in Europa unterstützt, obwohl geflossen sind. Zweifelhaft ist, ob ung durch Nordkorea offen halten. dies zu ihren eigenen energie- und man das Emissionshandelssys- Dabei ist gerade Japan prädesti- klimapolitischen Zielen für die Er- tem überhaupt so „reparieren“ niert für eine Energiewende mit Wir müs- höhung des Anteils Erneuerba kann, dass es funktioniert. Der Erneuerbaren Energien, wenn sen mit der rer Energien in eklatantem Wider- Klimaforscher Prof. Latif schlägt man an die großen Potenziale Energie- spruch steht. Für den Bau von stattdessen vor, das Emissions- von Wind, Sonne und Biomasse wende auch Hinkley Point C hat Brüssel wett- handelssystem zugunsten einer verbunden mit einer bereits vor- bewerbswidrige Milliardensub- Kohlestoffsteuer abzuschaffen. handenen sehr hohen Energieef- eine Struk- ventionen abgesegnet und es in „Treibhausgase wie CO2 erhalten fizienz denkt. turwende Kauf genommen, damit einen dann nicht über den Handel – also Aus gleichem Grund wollen auch vollziehen Präzedenzfall für neue AKW in über Angebot und Nachfrage – ei- die Briten neue Atomkraftwerke Europa zu schaffen. nen Preis, sondern direkt beim Ver- bauen, obwohl der so produzierte Doch das europäische Recht sieht ursacher. Wer viel emittiert, der Strom um ein Vielfaches teurer durchaus Möglichkeiten vor, sich muss viel bezahlen. Da sind auch sein wird als Strom aus Erneuer- gegen solche Entscheidungen zu Spielchen, wie wir sie vom Emis- baren Energien und obwohl Groß- wehren: Österreich hat gegen die sionshandel kennen, nicht mehr britannien preisgünstigere und Entscheidung beim Europäischen möglich.“ 72 Staaten unterstützen sicherere Alternativen zur Strom- Gerichtshof (EuGH) geklagt. Die schon die Idee einer Kohlestoff- produktion hätte: Der Energieko- Elektrizitätswerke Schönau haben steuer, die direkt den fossilen nzern Electricité de France will im sich für einen anderen Weg ent- Energieverbrauch verteuert und englischen Hinkley Point eines der schieden und zusammen mit 30 somit zu mehr Preiswahrheit größten Atomkraftwerke der Welt Umweltorganisationen eine Be- führt. Allerdings müsste auch bauen. Finanzierbar ist das Projekt schwerdekampagne gegen die Atomkraft besteuert und damit nur mit Subventionen durch die Brüsseler Entscheidung ins Leben auch hier die externen Kosten für britische Regierung. Geplant ist ein gerufen. Den Stromrebellen war es Umweltschäden eingepreist wer- Garantiepreis von über 11 Cent pro wichtig, dass die Bürger von die- den. Kilowattstunde. Dieser soll über ser ungeheuerlichen Entschei- einen Zeitraum von 35 Jahren ge- dung der EU-Kommission erfah- Was ist zu tun? währt werden, dazu kommt noch ren, zumal in den Medien kaum Selbst aktiv werden! ein jährlicher Inflationsausgleich, darüber berichtet wurde. Mit 180 000 sodass die Vergütung nach Be- Beschwerdebriefen nach Brüssel Bei vielenThemen ist die unmittel- rechnungen der Financial Times haben die Schwarzwälder die ös- bare Einflussnahme von Bürgern bis zum Ende des Förderzeitraums terreichische Klage flankieren kön- sehr begrenzt, aber dennoch soll- auf rund 35 Cent je Kilowattstunde nen. ten wir unsere Bedeutung für das ansteigen wird. Der britische Staat Gelingen der Energiewende nicht sagt außerdem rund 20 Milliarden Was ist zu tun? Das Emissions- unterschätzen – ich würde sogar Bürgschaften und weitere Garan- handelssystem endlich wirksam behaupten, dass Gelingen hängt tien zu. Während die Erneuerbaren gestalten! von uns Bürgern ab. Die Energie- durch eine stetige Senkung der Er- wende betrifft all unsere Lebensbe- zeugungskosten ihre Wirtschaft- Der Emissionshandel war als zen- reiche: Energie, Mobilität, Ernäh- lichkeit demonstrieren, zeigt sich trales Element für die erfolgreiche rung, Konsum, Lebensstil. Wir hier deutlicher denn je, dass die Energiewende und den Klima- müssen selbst aktiv werden, damit Atomenergie nach wie vor unwirt- schutz gedacht, hat sich jedoch die Energiewende vorangebracht schaftlich ist – trotz bereits 60 Jah- durch Fehler im System und in der wird, all unsere Lebensbereiche auf ren massiver staatlicher Subven- Ausgestaltung als nicht wirksam den Prüfstand stellen ob sie mit tionen. Die ungelöste Atommüll- erwiesen. Kostenlos verteilte Zer- Klimaschutz und Energiewende

26 Energiewende vereinbar sind. Wie oft höre ich, dert wird. Mit „Rebellion“ gegen auch von Menschen die genug die Ohnmächtigkeit ankämpfen Geld haben, dass Bahn fahren im heißt, von der Ohnmacht in die Verhältnis zum Fliegen zu teuer Macht zu kommen, in die Macht, sei – obwohl Fliegen die umwelt- selbst etwas zu ändern, auch schädlichste Art zu reisen ist. Viel wenn es schwierig und kaum zu oft wird immer nur auf das realisierbar ist. Und dann Erfolg Geld geschaut und so eine zu haben – das gibt einen Motiva- Entschuldigung für das eigene, kli- tionsschub für weitere Aktivitäten maschädliche Verhalten gesucht. und weitet dabei auch den Kreis der Engagierten aus. Genau das Was mir oftmals fehlt, ist die Be- haben wir immer wieder erlebt. geisterung für die Energiewende, Und wir müsssen bei unserem ich höre zu viele Einwände und mit der ökologischen Rendite zu- Handeln auch bereit sein, in ganz Bedenken. Die Elektrizitätswerke frieden geben. Dann ist unsere neue Richtungen zu denken, denn Schönau planen gerade im Süd- Investition ein Geschenk an die so viel ist klar: wir müssen uns schwarzwald einen kleinen Wind- Gesellschaft und an kommende verabschieden, von dem Gedan- park mit fünf Windenergieanla- Generationen. Es gälte hierfür die ken des stetigen Wachstums und gen, und sie erleben genau das geeigneten Instrumente zu fin- immer währenden Konsumierens, Gleiche, was Investoren an vielen den, die dafür sorgen, dass diese von der Befriedigung eigener Be- anderen Standorten auch wider- Investitionen wirklich nur dem dürfnisse ohne Rücksicht auf Um- fährt: Die Bewohner sind selbst- Gemeinwohl zugute kommen. welt und Mitmenschen, wo auch verständlich auch für die Energie- Ideen gibt es dafür schon. Wir immer auf der Welt sich diese be- wende, aber doch bitte nicht bei müssen selbst handeln, wenn finden. uns. Dies lässt sich leicht sagen, sich etwas ändern soll – das ist Die Energiewende ist keine tech- wenn man nicht zu den Dörfern meine Erfahrung aus dem Reak- nische Veranstaltung, sondern sie gehört, die durch den Braunkohle- torunfall von Tschernobyl, als muss von uns mit Leben gefüllt abbau abgebaggert werden oder Politik und Energieversorger nicht werden. Die Erneuerbaren Energi- kein potentieller Standort für ein bereit waren, etwas zu ändern en sind dezentral, das heißt, dass Atommülllager ist. Und die Aus- und wir in Schönau rebellisch die wir mit der Energiewende auch wirkungen des Klimawandels be- Dinge selbst in die Hand genom- eine Strukturwende vollziehen kommen wir noch zu wenig zu men haben. Die Übernahme des müssen: weg von den zentralis- spüren, unsere Existenz ist durch Stromnetzes und der Stromver- tischen Strukturen hin zu dezent- den Klimawandel auch noch nicht sorgung in Schönau war nur mit ralen Strukturen. Da sind wir Bür- bedroht. diesem „rebellischen Geist“ mög- ger, die Kommunen und örtlichen Jeder von uns hat wahrscheinlich lich, sieben Jahre Kampf und Gemeinschaften gefragt. Wir als Freunde, Verwandte, Arbeitskolle- zwei Bürgerentscheide hat es ge- Bürger, als Verbraucher, als Strom- gen, denen bis jetzt die Energie- braucht, bis die Schönauer Bürger kunden, als Wähler müssen aber wende mehr oder weniger egal ist sich gegen die Übermacht des auch Druck auf Politik und Wirt- oder die die Klimaveränderungen großen Energieversorgers und die schaft machen mit allen uns zur nicht wahrhaben wollen. Könnte lokalen Widerstände durchsetzen Verfügung stehenden Möglichkei- nicht jeder von uns sich für einen konnten. Auch die Belegung un- ten: auf der Straße und im per- bestimmten Zeitraum – sagen wir serer evangelischen Kirche in sönlichen Gespräch. Wir müssen mal drei Monate – vornehmen, Schönau 1998 mit einer großen durch unser eigenes Handeln mindestens zwei Menschen für Photovoltaik-Anlage den „Schö- Druck erzeugen und notfalls auch die Energiewende zu begeistern? nauer Schöpfungsfenstern“ war nicht davor zurückschrecken, Ge- Und dabei sein eigenes Verhalten nur mit einer „Solarrevolution“ richte anzurufen. Wir müssen uns an weiteren zwei oder drei Stel- möglich. Das Denkmalamt hatte miteinander vernetzen und vonei- len energiewendekompatibel ma- eine Anlage auf der Kirche unter- nander lernen. Und trotz all dem chen? sagt, doch der Ältestenrat der notwendigen Druck nicht auf „die Nichts hindert uns, einen Schritt Kirche und die Schönauer Bürger da oben“ warten, sondern ein- weiterzugehen und einen Blick in wollten das nicht hinnehmen und fach die Dinge selbst in die Hand unseren Geldbeutel zu werfen.Wie errichteten die Anlage zunächst nehmen, so wie die Schönauer wäre es denn, wenn wir in die ohne Genehmigung, die darauf- Bürger und viele andere das nach Energiewende investieren, ohne hin jedoch von der obersten Denk- Tschernobyl und Fukushima ge- Hinblick darauf, welche finanzielle malbehörde nachträglich erteilt tan haben. Der steinige Weg zur Rendite zu erwarten ist. Viel zu wurde. Energiewende ist zwar mühsam, schnell wird immer die Frage ge- Heute kämpfen wir für das in der aber nicht unbezwingbar, wenn stellt: „Rechnet sich das denn?“ Verfassung verbriefte Recht der wir ihn mutig und rebellisch ge- Wir könnten doch für uns selbst Kommunen, die Energieversor- meinsam gehen. die Gesetze der Marktwirtschaft gung in eigener Regie zu betrei- einfach außer Acht lassen, auf ben, was durch das kartellrecht- Weitere Infos im Internet unter: jeglichen Zins verzichten und uns liche Regime konsequent verhin- www.gorleben-rundschau.de

27 Energiewende

100 Prozent Erneuerbare, 100 Prozent Freiheit Was die Energiewende für uns tun kann

Optimist „Die Frage ist nicht, was wir für die Energiewende tun müssen. Die Frage ist vielmehr, was sie für uns tun kann. Wir gewinnen als Bürger unsere Souveränität zurück.“ So bringt der Elder Statesman der Erneuerbaren Energien, Matthias Willen- bacher, im Gespräch mit Klaus Kocks den eigentlichen Kern der Energiewende auf den Punkt.

Diese Wahrheit sei im politischen kurzer Zeit nach wie vor für rea- ner Energiewende an, so wie Sie Gezänk, in den Diskussionen um listisch und deshalb erstrebens- sie verstehen? technische Details und den Ausei- wert. nandersetzungen um Märkte ver- Matthias Willenbacher: Das ei- schüttet worden, meint der Mit- Gorleben Rundschau: Herr Willen- gentliche Thema der Energiewen- begründer des Erneuerbare-Ener- bacher, wenn heute jemand von de, die Abkehr von überkomme- gie Projektierers „juwi“. Momen- außerhalb in die Bundesrepublik nen hochzentralisierten Versor- tan wird Willenbacher zwar durch kommt, was liest er an Energiethe- gungsstrukturen auf der Basis einen Schmiergeld-Prozess gegen men in der Zeitung? Die frühere fossiler Energieträger und der ihn in Atem gehalten, doch das hält Ruhrkohle-Tochter Steag möchte Kernenergie hin zu einer dezentra- ihn nicht ab, auch weiterhin für die die ostdeutsche Braunkohle kau- len, kleinteiligen, ressourcen- und Fotos: Bulletin d‘Environnement Energiewende zu kämpfen: Der fen, in Belgien schaltet Electrabel klimaschonenden Energieversor- Bauernsohn, der sich aus eigener die mit 45 Jahren ältesten Kern- gung ist unter diesen und ande- Kraft in die erste Garde der „rege- energie-Reaktoren wieder an, das ren Schlagworten verschüttet wor- nerativen“ Unternehmer hochge- Netzunternehmen TenneT streitet den. Zudem erleben wir eine Per- arbeitet hat, hält das von ihm pro- über neue Trassen, um Offshore- version der Diskussion, indem sich pagierte Ziel einer zu 100 Prozent Energie aus der Nordsee bis Gar- etwa Öl- und Gaskonzerne als Ant- auf Erneuerbaren basierenden misch-Partenkirchen durchleiten wort auf die Energiewende dar- Energieversorgung in möglichst zu können. Hört sich das nach ei- stellen, tatsächlich aber Teil des

28 Energiewende

Problems und nicht Teil der Lö- MW: Ja, aber das passiert auch an- Versorgung rein mit Erneuerba- sung sind. Das eigentliche Ziel der derweitig. Ich behaupte, Erneuer- Energien möglich ist. Energiewende ist auch verstellt bare Energien werden ganz be- durch den konjunkturellen Ein- wusst verhindert. Zum Beispiel GR: Ist das so? bruch in der Solarbranche und durch Zölle auf eingeführte Solar- durch die neue Zurückhaltung ge- module. Dabei werden im Prinzip MW: Ich behaupte ja nicht, dass genüber der Windenergie. An den kaum noch Solarmodule in Deut- schon alle davon überzeugt sind. Basisdaten, die dem Gedanken der schland hergestellt. Warum gibt es Es gibt noch genügend Menschen, Energiewende zugrunde liegen, diese Zölle dann noch? Was ma- die anderer Meinung sind. So be- hat sich jedoch gar nichts geän- chen sie für einen Sinn, wo ist ihre komme ich zum Beispiel viel Post dert. Wir sehen zurzeit zwar Verän- Berechtigung? Das sollte man dis- von älteren Ingenieuren, die mir in derungen der Subventionsgesetz- kutieren. Es gibt in diesem Bereich ihren Schreiben vorrechnen, wie gebung, also sozusagen auf der nur ganz wenige Produktionska- schwierig es ist, mit Solarenergie politischen Seite, aber nicht bei den pazitäten in Deutschland und Eu- auch nur einen winzigen Beitrag essenziellen Entwicklungen. ropa aber es gibt Einfuhrzölle auf zur Energieversorgung zu leisten. Ich glaube, dass man sich der Foto-voltaik-Module. Für sie wird Doch bei dem unterdessen erreich- Grundgedanken der Energiewen- damit einfach willkürlich ein Preis ten Anteil der Erneuerbaren am de wieder stärker erinnern muss. festgelegt. Wenn das keine Plan- deutschen Strommix von rund 33 Dann fallen solch absurde energie- wirtschaft ist, zumindest jedoch Prozent wird es langsam schwer, wirtschaftliche Vorstellungen wie ein massiver Eingriff in den freien diese Argumentationen aufrecht- eine Versorgung Bayerns mit Off- Markt. zuerhalten. Zumal es die 33 Pro- shore-Windstrom aus der Nord- zent nach den Warnungen dieser see automatisch hintenüber. Denn GR: Sie meinen also, ein weiterer düsteren Propheten eigentlich auch dies ist ein zentralisiertes zügigerer Ausbau Erneuerbarer auch gar nicht geben dürfte. Konstrukt staatlicher Planwirt- Energien ist ohne Weiteres mög- Aber dennoch oder vielleicht gera- schaft mit einem absolut irrsinni- lich, wird aber politisch behindert? de deswegen wird versucht, die gen Aufwand und den sozusagen Entwicklung der Energiewende in vorprogrammierten negativen MW: Das ist richtig, ja! Dies sage eine gewisse Richtung zu lenken. Folgen solcher Strategien. Dabei ich bewusst auch als Vorstand der ken. Warum? Weil dies für die alt- wird nämlich sehr viel Geld in die 100 Prozent Erneuerbar Stiftung, eingesessenen Konzerne von Vor- die Hand genommen, um am die sich für eine dezentrale und hu- teil ist. Und weil andere politische Ende festzustellen, dass sich das mane Energiewende einsetzt. Die- Interessen an den Erhalt der über- Vorhaben nicht rechnet. Schlim- se Initiative strebt genau das an, kommenen zentralen Strukturen mer noch, es kann sich nur dann was ich für den Kernpunkt der geknüpft sind. Da werden unter an- rechnen, wenn man den Bürger Energiewende halte – die Verän- derem struktur- und arbeitsmarkt- betrügt. Jetzt erklärt man, dass es derung hin zu einer partizipativen politische Gründe vorgeschoben. für die Energiewende wichtig sei, und gemeinschaftsstärkenden En- Es ist faktisch aber genau umge- Windstrom von Norddeutschland ergieversorgung, bei der jeder kehrt: Wenn ich hier einen Trend nach Süddeutschland zu transpor- Bürger, jede Gemeinde, jedes Land verschlafe, entstehen die Arbeits- tieren. Doch das ist definitiv nicht die energiewirtschaftliche Souve- plätze anderswo. Dann verliere so. Stattdessen sollte man in den renität und Unabhängigkeit er- ich sie hierzulande strukturell. Zeiten, wenn zu viel Windstrom an- hält, frei wählen zu können, wie fällt, konventionelle Energieträger der jeweilige Energiebedarf ge- GR: Verstehen wir Sie richtig? Die und hier vor allem die Braunkohle- deckt wird. Das ist das Anliegen Erneuerbaren entwickeln sich von kapazitäten herunterfahren. Dann meiner Stiftung, ebenso wie das selbst besser als erwartet und wären wieder deutlich mehr Netz- meinige. werden nun nach Ihrer Meinung kapazitäten vorhanden. bewusst eingebremst? Die Offshore-Windparks können GR: Klingt das ein wenig nach derzeit mangels Übertragungska- einem Regenerativen-Don-Qui- MW: Wir haben, was den Ausbau pazitäten noch gar nicht genutzt chote? der Erneuerbaren Energien anbe werden. Für mich klingen solche trifft, 2015 ungefähr schon das er- Planungen zur Offshore-Erzeu- MW: Richtig ist, dass ich ein ver- reicht, was laut den staatlichen gung eher nach Strategien, um gleichsweise winziger David bin, Planungen erst 2020 hätte erreicht weitere Fortschritte in Richtung de- der versucht hat und weiter daran werden sollen. Deswegen ist man zentraler Erneuerbarer Energien, arbeitet, die verkrusteten Energie- mit den Zielsetzungen zuletzt ein die unabdingbar sind, aufzuhal- strukturen hierzulande aufzubre- wenig ins Schwimmen gekom- ten und zu verhindern. chen. Ob dies am Ende ein siegrei- men. Denen lag nämlich die An- cher Kampf gegen Goliath oder ein nahme zugrunde, dass pro Jahr- GR: Das ist ja ein interessanter An- erfolgloser gegen Windmühlen zehnt 15 Prozent Anteil der Erneu- satz. Sie sehen also ein Konzept, sein wird, muss sich zeigen. Auf erbaren hinzukommen können. um den „Siegeszug“ der Erneu- jeden Fall bin ich stolz darauf, dass Aber das ist planwirtschaftliches erbaren zu bremsen, etwa durch die Mehrheit der Deutschen inzwi- Denken. Dabei werden kein Lern- kontraproduktive Vorhaben? schen verstanden hat, dass eine effekt oder sonstige Begleitfakto-

29 Energiewende ren berücksichtigt. Wenn man so haben, dass die Regenerativen ei- aus einem Blockheizkraftwerk mit die digitale Kommunikation einge- nen wichtigen Beitrag leisten kön- Diesel zu beziehen als von einer führt hätte, dann würden heute vie- nen, um den Klimawandel aufzu- Fotovoltaik-Anlage. le Menschen in Deutschland Han- halten. Argumentationen wie „das dy mit Internetzugang betrachten kann technisch gar nicht funktio- GR: Wie stehen Sie denn zu dem wie früher die Menschen in der nieren“ oder „der Beitrag der Er- Argument, dass die Klimaproble- DDR Bananen und Schokolade. neuerbaren kann nur marginal matik mit der Kernenergie volks- Aber dieser planwirtschaftliche sein“ sind unterdessen widerlegt wirtschaftlich günstiger zu lösen Ansatz für die Erneuerbaren Ener- und überholt. wäre. Der deutsche Weg eines gien hat einen tieferen Sinn: Es Kernenergieausstiegs aus der geht darum, Kohle und Atomkraft GR: Die 100 Prozent sind also aus Verstromung ist ja in Europa ein- zu schützen, damit sie nicht vorzei- Ihrer Sicht keine Vision, sondern zigartig … tig abgeschaltet werden müssen. ein erreichbares Ziel? MW: Der Kernenergieanteil an GR: Schutz von Veränderungsver- MW: Genau! der weltweiten Stromerzeugung lierern? ist einstellig. Mit der wachsenden GR: Gut, es handelt sich also nicht Weltbevölkerung wird auch deren MW: Diesem Zweck dient das um ein Wolkenkuckucksheim, son- Energiebedarf steigen. Und mit zu- planwirtschaftliche Konzept für dern einen gangbaren Weg. Aber nehmender Nachfrage wird der die Erneuerbaren Energien! Ge- wie und von wem wird er konkret Anteil der Kernenergie automa- nau diese Entwicklung war aber behindert? Handelt es sich bei der tisch kleiner werden, weil weniger vorauszusehen. Deshalb habe ich von ihnen kritisierten Gegenbe- Atomkraft zugebaut wird als an- sie so auch schon in meinem wegung um Lobbywiderstand dere Erzeuger. In zehn Jahren Buch beschrieben. oder hat das energiewirtschaftli- wird sich dieser Trend noch mal che Gründe? dramatisch steigern, weil bis dahin GR: Die Rede ist also nicht mehr aus wirtschaftlichen Gründen nie- von „additiven“, sondern von „al- MW: Wenn die Weltwirtschaft wei- mand mehr auf die Kernenergie ternativen“ Energien? terhin vom Öl abhängig bleiben setzt. Schon jetzt ist die Atomkraft MW: Wir haben schon eine sozu- sollte, wenn man also nicht den viel zu teuer. Das wird in Großbri- sagen historische Entwicklung von schnellen Umstieg auf Erneuerba- tannien deutlich, wo neue Atom- einem prognostizierten einstelli- re Energien vollzieht, dann wird kraftwerke gebaut werden sollen. gen Beitrag der Erneuerbaren zu der momentan sehr niedrige Öl- Was da für die Kilowattstunde einem Drittelwert gesehen und wir preis sehr schnell wieder steigen. staatlich garantiert werden muss, nähern uns bei der Stromerzeu- Seine Baisse ist ja absehbar nur damit sich die Neubauten über- gung den 50 Prozent an. sehr temporär. Aktuell haben wir haupt annähernd rechnen, ist zwei Effekte, die den Ölpreis am mehr als Solarenergie kostet. GR: War es im Nachhinein klug von Boden halten. Da ist zum einen die Trotzdem wird an den Kernener- Ihnen, das Ziel einer Stromversor- rückläufige Nachfrage aus China gieplänen festgehalten, weil eine gung Deutschlands allein aus er- und zum anderen Saudi- Arabien, starke Lobby dahinter steht. Mit neuerbaren Energien im Jahr 2020 das nach der Aufhebung des Em- dem Geld, das dort in die Atom- vorzugeben? Haben Sie damit den bargos gegen den Iran so viel för- kraftwerke und deren Überwa- Mund nicht etwas voll genom- dert, um den Preis bewusst unten chung gesteckt wird, hätte man men? zu halten und dem Iran so zu scha- locker einen Großteil des Landes den. Aber die Erfahrung zeigt, dass auf Erneuerbare Energien um- MW: Im Gegenteil. Damit habe der Ölpreis schwankt. Somit ist fra- stellen können. Und die haben ich wesentlich dazu beigetragen, glich, wie lange das Preistief anhal- reichlich Wind dort. dass dieses 100-Prozent-Ziel hof- ten wird. Aber ich bin auch davon fähig wird. Wenn ich ernsthaft den überzeugt, dass die Fotovoltaik GR: Ihr Energiewende-Konzept Klimawandel aufhalten möchte, und in nicht allzu weiter Ferne geht mit einer ausgeprägten De- wenn ich daran tatsächlich arbei- ebenfalls die Elektromobilität bil- zentralisierung einher. Warum? ten und nicht nur Lippenbekennt- liger sein werden als das aktuell Worin besteht der Vorteil, sich in nisse abgeben will, dann muss ich günstige Öl. Insofern hat dieser ak- jedem Dorf Ärger wegen einer den Weg zu 100 Prozent Erneuer- tuelle energiewirtschaftliche Fak- Erneuerbare- Energie-Anlage ein- baren möglichst schnell und kon- tor zwar einen gewissen Einfluss zuhandeln, gegenüber einem na- sequent einschlagen. Ich habe auf die Entwicklung in Sachen tionalen Konzept bzw. einer zent- mich deshalb sehr gefreut, dass Wind und Solarenergie bzw. Elek- ralisierten Energieversorgung? bei den zahlreichen Kundgebun- tromobilität, aber keinen entschei- gen im Umfeld der Weltklimakon- denden. Es wird dadurch eine ge- MW: Erneuerbare Energien sind ferenz in Paris immer wieder die ringfügige Verzögerung geben, von Grund auf dezentral. Sie bie- Forderung nach 100 Prozent Er- aber keine dramatische. So ist es ten die Möglichkeit, sich von gros- neuerbaren zu hören und zu lesen auch bei den derzeit sehr niedri- sen Versorgern unabhängig zu ma- war. Denn das bedeutet, dass die gen Diesel- oder Heizölkosten im- chen. Dadurch lassen sie viele an- Menschen inzwischen eingesehen mer noch wesentlich teurer, Strom dere Konflikte erst gar nicht ent-

30 Energiewende stehen. Denn Abhängigkeit bringt Entscheidender ist, was aktuell an der Abhängigkeit von zwangsver- immer Probleme mit sich. Erneu- anderer Stelle getan wird, um den sorgenden Groß-EVU, aus der Ab- erbare Energien haben ganz klar Ausbau der Erneuerbaren einzu- hängigkeit limitierender Struktu- den Riesenvorteil, dass sie sehr bremsen. Etwa indem Mengen ren. Stattdessen muss die Energie- modular genutzt werden können. festgelegt werden. Das empfinde wende Wahlfreiheit eröffnen, ob Und das in jeder Größenordnung. ich eben als Planwirtschaft, wenn ich mich weiterhin kommunal ver- Vom solaren Taschenrechner bis vorher bestimmt wird, dass nur sorgen will im Sinne eines Sorg- hin zum Riesen-Windpark oder eine bestimmte Menge zugebaut los-Pakets oder ob ich meine Ener- Solarfeld ist alles möglich. Genau werden darf. So wird von vornhe- gieversorgung selbst bzw. gemein- das ist aus meiner Sicht der ent- rein jede darüber hinausgehende sam mit Freunden oder wem auch scheidende Punkt, dass die Erneu- Entwicklungsmöglichkeit ausge- immer in die Hand nehmen möch- erbaren sogar jedem Einzelnen die bremst. Es werden Marktbarrieren te. Das schließt auch die Freiheit Souveränität darüber verschaffen für Neuentwicklungen errichtet. So mit ein, sich auf Wunsch komplett können, selbst darüber zu ent- können nur die am Ende im Markt autark machen zu können, ohne scheiden, wie er sich mit Energie bleiben, die viel Geld haben und noch ans Netz angeschlossen zu versorgen möchte. Jedem Bür- etabliert sind. Das hemmt Innova- sein. In dieser Hinsicht muss ein ger, jeder Gemeinde, jedem Land. tion und führt langfristig zu Still- Umdenken stattfinden. Das ist stand. meine persönliche Meinung, ganz GR: Das widerspricht schon vom privat. Die Chance der Energie- Prinzip her dem Unternehmens- GR: Für sie bedeutet also Ener- wende sehe ich wirklich genau bild börsennotierter Großkonzer- giewende vor allen Dingen auch darin, die bestehenden verkruste- ne. Sie bevorzugen für größere eine Dezentralisierung der Ener- ten Strukturen zu entfernen. Aber Einheiten ein genossenschaftli- gieversorgung, sprich die Abkehr verstehen Sie mich richtig: Ich ches Modell … von einer staatlichen oder quasi meine keine moralinen Zwangs- staatlichen Zwangsfürsorge hin diktate für bestimmte Energiefor- MW: Energiegenossenschaften zu mehr individuellem Entschei- men, sondern die Wende hin zu spielen bei meinen Vorstellungen dungsspielraum? einem freiheitlichen Energiesys- von einer echten Energiewende tem. einen wichtigen Part. Aber nicht MW: Das ist der politische Aspekt ausschließlich. dabei – gegen Bevormundung, ge- gen staatliche Zwangswirtschaft, GR: Können Energiegenossen- gegen Technologiefeindlichkeit, ge- schaften dazu beitragen, Akzep- gen Renditeinteressen von Groß- tanzprobleme in der Bevölke- unternehmen. Was ich anstrebe – rung etwa bei der Errichtung von und was die Lobby auf der ande- Windenergieanlagen ein wenig ren Seite stört – ist eine sehr klein- abzuschwächen? teilige, sehr demokratische, sehr individuelle Struktur. Die braucht MW: Das lässt sich durch eine Ge- keine Großkonzerne. nossenschaft erreichen. Es sind Unsere althergebrachte Organi- Zur Person aber auch andere Formen der sation der Energieversorgung ist Partizipation denkbar. Wichtig ist geprägt von Abhängigkeiten, von Matthias Willenbacher ist Mibe- grundsätzlich, die Menschen auch politischen Eingriffsmöglichkeiten. gründer der „juwi AG“, eines Pro- bei Erneuerbare- Energie-Projek- Es war immer der Politik vorbehal- jektentwicklungsunternehmens ten mitzunehmen. Die Energiege- ten, die Energieversorgung sicher- für Anlagen der Energieversor- nossenschaft ist eine Form, die zustellen. Und es war eine staatli- gung aus erneuerbaren Energie- Bürger vor Ort partizipieren zu che Aufgabe mit halbstaatlichen quellen mit Sitz im rheinland-pfäl- lassen. Denn es ist ganz entschei- Großkonzernen, Seite an Seite. zischen Wörrstadt. Nach finanziel- dend, wenn man ein Projekt in ei- Das muss sich ändern. In Zukunft len Schwierigkeiten wurde „juwi“ ner Kommune oder in einer Regi- soll es nicht mehr nur ein Ener- Ende 2014 vom Mannheimer En- on realisieren will, sich darum zu giekonzept geben, sondern viele ergieversorger MVV übernom- bemühen, die Menschen vor Ort parallele mit der Möglichkeit für men. Willenbacher hat das Unter- einzubinden. Das gelingt nicht jeden Stakeholder, seine eigene nehmen 2015 verlassen. In seinem immer und es gelingt auch nicht Energieversorgung frei zu gestal- Buch „Mein unmoralisches Ange- immer gleich gut. Und es wird ten. Das kann ein einzelner Haus- bot an die Kanzlerin“ beschreibt er, immer Einzelne geben, die gegen besitzer sein oder eine Kommune wie die Energiewende zu schaffen solche Vorhaben sind, die andere oder ein Zusammenschluss meh- ist, und warum sie auf keinen Fall von ihrer Sicht der Dinge überzeu- rerer Hausbesitzer. scheitern darf. Wegen mutmaßli- gen und am Ende eine Mehrheit Wir reden hier über freiheitliche cher Schmiergeldzahlungen, läuft hinter sich haben. Das kann im- Konzepte, die aus der Abhängig- derzeit ein Verfahren gegen Willen- mer mal wieder passieren. Aber keit führen, aus der internationa- bacher. Eine richterliche Entschei- auch davon sind die Erneuerba- len Abhängigkeit einer ölbasier- dung lag bei Redaktionsschluss ren Energien nicht aufzuhalten. ten Weltwirtschaft und Politik, aus noch nicht vor.

31 Fotos: PubliXviewinG dabei sind die 2, len Konferenz schon 2010. Doch wir alles dafür tun, die Erd- statt erwärmung auf zwei Grad zu be- zu und die Erde nicht grenzen um apokalyptische übernutzen, auf unserem Pla- Entwicklungen neten zu vermeiden – katastro- gan- Überflutungen phale Dürren, Zerstörung zer Landstriche, wert- - Ökosysteme und Lebens voller Millionen Menschen räume von - Wachs das – steigern wir ständig - Produkti die steigern weiter tum, ändern un- on materieller Güter, im Gegen- nicht, zu leben Art sere Autos und Wir bauen mehr teil: Flugreisen neh- Kreuzfahrtschiffe, men weiter zu. also die Notbremse zu zie- Statt hen, geben wir Gas. Sind wir ei- - Eine Pres zu retten? noch gentlich des Umweltbundes- semitteilung amtes vom 17. Anstieg der März die Fehlentwicklung: bestätigt Emissionen 2015 um sechs Milli- CO Tonnen onen nachhal- wichtig, ist es durchaus wichti- tig zu konsumieren. Noch ger allerdings wäre es, auf unnö- - zu verzich gänzlich tigen Konsum ten, sich dem Konsum-„Zwang“, zu verwei- dem Konsum-„Terror“ zurückhal- gern und stattdessen tender und mit einem einfacheren - zufrieden zu sein. Nachhal Leben sollte mit Suffizienz tiger Konsum einhergehen; mit dem Bemühen geringen also um einen möglichst und Energieverbrauch. Rohstoff- der Der Grund dafür wurde von wir „Wenn längst erkannt: Politik Wachstum mit dem ständigen Produk- und einer unaufhörlichen tion materieller Güter so weiter unser wird bisher], [wie machen Auswir- Planet kollabieren durch kungen der ständigen Erderwär- mung, Naturzerstörung, Verlust so die der Biodiversität weltweit“, Acosta, Alberto von Warnung dem von Energieminister ehemaligen auf einer internationa- Ecuador, -Zeitalter? Im digital gesteuerten Elektro-Porsche von der Passivhaus-Villa der Passivhaus-Villa von Elektro-Porsche Im digital gesteuerten -Zeitalter? 2 32 Ohne Suffi- zienz wird es keinen Klimaschutz geben - Wie sieht sie aus, unsere Zukunft im Post-CO Zukunft unsere Wie sieht sie aus,

Konsument/-innen ist groß. Dabei Konsument/-innen logischer Fußabdruck“ solcher solcher Fußabdruck“ logischer halten zu können. Doch der „öko- der halten zu können. Doch ren gehobenen Lebensstil beibe- ren gehobenen Lebensstil und so mit ruhigem Gewissen ih- haltigem Konsum die Welt retten retten Welt die haltigem Konsum - kaufen und die meinen, mit nach ten können, teurere Produkte zu ten können, teurere Produkte finanziell gut geht, die es sich leis- finanziell gut geht, die es sich Ökos“, Menschen also, denen es Menschen Ökos“, häufig sogenannte „Lifestyle- Moderne Konsument/-innen sind Moderne Konsument/-innen Strategien die Wirtschaft ankur Wirtschaft Strategien die Milchschäumer. mit wirkungsvollen Marketing-mit wirkungsvollen ma“ für einem solarbetriebenen Konsum ist ein Riesengeschäft, das ein Riesengeschäft, ist Konsum „Shoppen fürs Kli- à la Werbung Elektronik umfasst? Nachhaltiger Nachhaltiger umfasst? Elektronik absurder und Zeitschriften mit belt, gefertigte Kleidung, Schuhe oder Kleidung, Schuhe gefertigte ist und zum Beispiel nachhaltig nachhaltig Beispiel zum und ist und sozial weitgehend verträglich nur wenig belastet, ökologisch sung? Ein Konsum, der das Klima sung? Ein Konsum, Ist „nachhaltiger Konsum“ die Lö- Konsum“ „nachhaltiger Ist Leben Suffizienz, nicht Wachstum,Grünes kann uns retten Weniger istWeniger Mehr Grünes Wachstum oder Verzicht? Nur im Verbund, sagt Hermann Klepper, wird die Klimakatastrophe zu verhindern sein. zu verhindern die Klimakatastrophe wird Klepper, Hermann sagt Verbund, Nur im Verzicht? oder Wachstum Grünes im Grünen zum Städtetrip ins nachhaltig geführte Öko-Hotel in Italien? Oder FKK im naturbelassenen Garten hinterm Haus? hinterm Garten in Italien? Oder FKK im naturbelassenen Öko-Hotel geführte ins nachhaltig im Grünen zum Städtetrip Energiewende Energiewende

Emissionen deutscher Industrien selbst. Grünes Wachstum ist eine Termin Und E-Autos? Klimafreundlich, im Ausland nicht mal eingerech- Droge, eine psychische Barriere, nachhaltig, dazu eine Kaufprämie net. Statt weniger, produzieren die es uns schwer macht, das Prof. Niko Paech, – und nun mal los? Auch hier gilt wir mehr Emissionen – den er- Richtige zu tun. Ökonom und es, in die Bewertung mit einzube- neuerbaren Energien und aller Denn auch das Wachstum mit Wachstumskri- ziehen, dass bei der Herstellung Energieeffizienz zum Trotz. Dabei grünem Mäntelchen ist verbun- tiker, spricht am sehr viel Kupfer, Lithium, Neodym wurde uns erst kürzlich deutlich den mit Emissionen und Res- 6. Mai um 19.00 und Kobalt benötigt wird, deren Uhr in Güstritz vor Augen geführt, dass mit einem sourcenverbrauch. Friedrich Gewinnung und Verarbeitung äus- (Wendland) zum Rückgang von Produktion und Ver- Schmidt-Bleek, Mitbegründer serst energieintensiv sind, einher- Thema: „Globale brauch von Konsumgütern die des „Wuppertal Instituts“, schreibt Auswirkungen gehen mit der Zerstörung wert- Emissionen sinken: Im Krisenjahr in seinem Buch „Grüne Lü- des Wachstums- voller Ökosysteme und zu katast- 2009 ging das Wirtschaftswachs- gen“: „ … Zerstörung der Natur, strebens“. rophalen Arbeits- und Lebensbe- tum um 5,1 Prozent zurück, die Plünderung von Ressourcen, dingungen von Menschen führen. Kohleverbrennung nahm um 11 Emissionen, Ausbeutung und Ar- Eingeladen Auch hier müssen wir uns fragen: Prozent ab, und die CO2 Emissio- mut sind unvermeidlich auch die haben die Tut es ein kleineres Auto nicht nen sanken um 6,9 Prozent. In den Grundlagen grünen Wachstums“. „Arbeitsgemein- auch? Kann ich mich am Car-Sha- Folgejahren mit stärkerer Kon- Er fordert eine Ressourcenwende, schaft Natur- ring beteiligen? Wieweit ist es für junktur stiegen die Emissionen eine deutliche Einschränkung im und Umwelt- mich möglich, auf öffentliche Ver- bildung“ (ANU) wieder – und das trotz weiteren Verbrauch von Rohstoffen, denn kehrsmittel umzusteigen? und die Kom- Ausbaus der Erneuerbaren Ener- jedes Produkt sei ein Konzentrat Wenn das Ziel des Klimaschutz- mune Güstritz. gien und höherer Energieeffizienz! eines langen Herstellungspro- plans, bis zum Jahr 2050 rund 80 Grund: Die gewonnene erneuer- zesses, hat einen „Ökologischen bis 90 Prozent des Energiebedarfs bare Energie hat nicht im gleichen Rucksack“, der im gesamten Ferti- aus erneuerbaren Energien zu de- Maß fossile Energie ersetzt, son- gungsprozess von der Gewinnung cken, erreicht werden soll, muss dern wurde zusätzlich mit fossiler des Rohstoffes, über die Verarbei- schnellstmöglich und drastisch Energie dazu verwendet – und so tung bis zum fertigen Produkt und die Nutzung fossiler Energieträger dem Klimaschutz entzogen –, er- der Entsorgung – alles einherge- zurückgefahren und diese konse- neut ein möglichst hohes Wachs- hend mit langen Transportwegen quent durch Erneuerbare ersetzt tum zu erreichen und noch mehr per Straße, Flugzeug oder Schiff – werden. materielle Güter zu produzieren. das Klima mit Emissionen belas- Die Bundesregierung sieht zwar Deutliche Botschaften, dass wir tet und mit zur Naturzerstörung diese Notwendigkeit und schreibt unsere Art zu wirtschaften und zu beiträgt. zum nationalen Klimaschutzplan leben verändern müssen, sind in- Keine Frage: Wir brauchen erneu- 2020: „Insbesondere muss ver- des in der Welt: Yvo de Boer, einst erbare Energien und Energieeffi- mieden werden, dass das natio- oberster Klimaschützer der UN, zienz. Doch ohne Verbindung mit nale Klimaziel verfehlt wird, wenn sagte drastisch: „Der einzige Weg, Suffizienz werden wir die Erder- erneuerbare Energien ausgebaut wie ein Abkommen im Jahr 2015 wärmung nicht auf zwei Grad be- und Energieeffizienz verbessert (Klimagipfel Paris) zum Zwei- grenzen können. Denn auch Ge- wird, aber nicht im Gegenzug fos- Grad-Ziel führen könnte, wäre, winne durch erneuerbare Energi- sile Stromerzeugung abgebaut die gesamte Weltwirtschaft still- en erhöhen die Kaufkraft, fließen wird.“ Inkonsequenterweise hält zulegen“. Auch der Papst fordert in den Konsum, erhöhen die Pro- sie aber am vertrauten Wachs- im Rahmen der Klimadiskussion duktion materieller Güter und sind tumskonzept fest: Aufgabe sei es die Besinnung auf einfachere Le- mitverantwortlich für die Zunah- „ ... engagierten Klimaschutz zum bensstile und kritisiert den Kon- me von Flugreisen und Kreuzfahr- Fortschrittsmotor zu entwickeln sumwahn und das Streben nach ten und den Bau weiterer Kreuz- und dabei Wohlstand und Wettbe- immer mehr Wachstum, beraten fahrtschiffe und Autos. Bei der werbsfähigkeit zu stärken“, heißt übrigens von Prof. Schellnhuber, Energieeffizienz weisen empiri- es vom Umweltbundesamt. dem Direktor des Klimafolge- sche Untersuchungen auf Re- Wir können es drehen und wen- forschungsinstituts in Potsdam. bound-Effekte hin, die den Vorteil den, wie wir wollen: Ohne im Sin- Doch statt wir unsere Lebensstile eingesparter Energie wieder ab- ne von Suffizienz zu wirtschaften überdenken und verändern im schwächen: Eingespartes Geld und zu leben, wird es keinen Kli- Sinne von Suffizienz, Genügsam- fließt in zusätzlichen Konsum, maschutz geben, der Klimakatast- keit und einem einfacheren Leben oder es werden vermehrt neue, rophen verhindert. Wir dürfen kei- und damit Energie und Ressour- noch effizientere Geräte produ- ne Zeit verlieren. Wir müssen uns cen sparen, tun wir alles, um genau ziert und gekauft. Energieeffizienz bewusst machen, dass die Gene- diese Veränderung zu vermeiden. darf aber nicht dazu führen, be- ration, die jetzt lebt, in den nächs- Dabei machen wir uns etwas vor, denkenlos immer mehr effiziente- ten wenigen Jahrzehnten die ent- wenn wir meinen, mit Grünem re Produkte zu konsumieren, weil scheidenden Weichen stellt für die Wachstum könnten wir unsere Art sie ja so „klimafreundlich“ sind. Lebensbedingungen derjenigen, zu leben beibehalten und dabei Energieeffizienz ist nur dann sinn- die nach uns kommen. gleichzeitig der Erderwärmung voll, wenn sie einhergeht mit der spürbar und rechtzeitig entge- Frage nach der Suffizienz: „Brau- Weitere Infos im Internet unter: gen wirken. So betrügen wir uns che ich dieses Gerät wirklich?“ www.gorleben-rundschau.de

33 Fotos: PubliXviewinG, picture alliance - - der beiden Wieses. Sie geben dem geben dem Sie Wieses. der beiden Hier Gesicht. ein Gorleben-Protest stehen die Türen sprichwörtlich nur nicht und man ist eben offen, im- es schon gab Wieses Gast. Bei und so mer Familienanschluss, halten es Tina und Gerhard als Generation auch. nachfolgende einen aber auch Sie entwickelten vertrauen sie wem dafür, Instinkt überlassen kön- und ihre Küche Kü- nen. Dem niederländischen zum Rampenplan chenkollektiv Chaos wie groß das Beispiel: Egal und wie viele Demonstranten war aus versorgt hier von wurden, und blitzten Küche zum Schluss Tina Saal. schmunzelt auch über einen Teilnehmer der Gruppe x- Schuhe ihre Alle zogen tausend: gingen, sie in den Saal aus, bevor blieb Veranstaltung am Ende der Wie hatte stehen. Stiefel ein Paar verlas- den Saal der Schuhträger November… sen? Es war so se- zu uns“, kommt Welt „Die hen es Tina und Gerhard, „des- weg.“ wegen müssen wir nicht Auf dem Hof tanzt eine Gruppe Indianer? Na US-amerikanischer und? Zwei junge Irinnen wollen mit und Klamotten in schicken beim Stallaus- weißen Schuhen misten helfen? Nur zu! im Gast- Welt die sich Während haus Wiese öffnet, spüren Tina und Gerhard eine bedrückende mal wieder wenn die Polizei Enge, vor tagelang mit Einsatzwagen steht. Nur so. Um Präsenz Tür der in nicht Sie wollen sich zu zeigen. las- drängen kriminelle Ecke eine sie wütend, sen. Das macht als nor sehen sie sich schließlich male Bürger. male Bürger. nur: Der sicher, Das sind sie ganz an dem sie leben, ist es nicht: Ort, Man kann Haus aus den vom Atomanlagen se- der Schornstein hen. Ein fragwürdiges Privileg. in Frage!“ nicht „Kommt Flucht? Wieses leben in einem netten eine Existenz auf haben sich Dorf, - „Die Fra eigenem Hof aufgebaut. einmal aber noch ge stellt sich in neu, wenn die PKA tatsächlich „Pilotkon- In dieser Betrieb geht.“ ei- könnten ditionierungsanlage“ nes Tages schadhafte Castorbe- werden. Dann wür hälter geöffnet Schornstein de der gut sichtbare die Umgebung radioaktiv verseu- vielleicht!“ „Dann Flucht? chen.

- So eine Kulisse ließen sich die Fil- sich ließen eine Kulisse So entgehen, weil nicht memacher ent- Klischee ihrem genau sie Wieses haben dann doch sprach. und mit viel Vorsichtig umgebaut. Augenmaß und Gefühl für die für den Räume. Die Bohlenbretter ge- selbst Gerhard hat Fußboden macht. be- ein Gedelitz ist Inzwischen in Ost- der Jazzszene kannter Ort niedersachsen. Auf - dem Touren selten steht nicht plan der Jazzer und „Athen - Gedelitz Teheran“, - Musikerdie wenn Gast- den in raum kommen, sehen sie die Bil- und Konzerte der vergangener da war. alles staunen, wer schon das „Kneipenerhaltungsverein“, ist die frühere Castorgruppe. Jäger und der Sparklub tref- Auch Als Gerhard regelmäßig. fen sich lernte er aber auch aufwuchs, ken - Art anderer ganz Menschen nen: Betreiber eines Kölner Kin- - derladens, Mitglieder der Sozia Deutschlands Jugend listischen - Work internationalen oder von Be- typische ganz camps. Nicht einem wendländischen in sucher das nor Hier war und doch: Dorf, mal. Tina freut sich immer noch so die sich über all die Menschen, uneigennützig gegen Castortrans- aktiv einfach engagieren, porte eigentlich die Sache, eine Für sind. weit weg sein könnte. Das stärkt, dann, wie es sie und sie spürt „Hier begegnen selbst mitreißt: Welten“. sich Dass immer wieder so viele kommen Wendland ins „Fremde“ Verdienst ist auch und mitmachen, Hier hält man gerne auf den Weg Weg den gerne auf hält man Hier an oder wärmt Gorleben nach sich bei einer Tasse Kaffee nach einer Demo Tina wieder und auf. nur auf aber nicht Gerhard wollen sich leben. Sie haben dem Hof das Ziel gesetzt, wieder vom Hof zu leben. übernahmen, Als sie den Laden noch und Gastraum Saal hatten vergangener den Charme längst Zeiten. Das war urig und sympa- unprak- auch aber es war thisch, quiet- tisch, eng, Tapeten und die heute ei- Wer Augen. in den schten Atmosphä- der von nen Eindruck den will, sollte sich re gewinnen - Furt Maria mit „Salzleiche“ Tatort wängler ansehen: Einige Szenen sind im Gasthaus gedreht worden. 34 Tina macht die Tina macht Gerhard Kneipe, - die Bio betreibt So gasanlage. es, wäre einfach die beiden wenn in irgendwo Niedersachsen leben würden. sie aber Tun Gasthaus nicht. und Hof liegen in Sichtweite der Gorlebener Atomanlagen. ändert Das Es prägt alles. ihr Leben seit vierzig Jahren. Torsten Von Koopmann

drin, wenn es um Gorleben geht. Tina und Gerhard sind - mitten war, genau an diesem Tisch… Tisch… diesem genau an war, schon vor dreißig Jahren mal hier mal Jahren dreißig vor schon steht und ihnen erzählt, dass er wenn plötzlich jemand in Tür der Das merkendann, sie immer viel Geschichte und Geschichten. und Geschichten. viel Geschichte übernommen, sondern auch ganz ganz sondern auch übernommen, nicht nur einfach ein Gasthaus nur einfach nicht von Eltern und Schwiegereltern Eltern und Schwiegereltern von ihre Welt. Mit dem Hof haben sie haben Hof dem Mit Welt. ihre Es ist ihr Gasthaus, ihr Zuhause, Hause, Tina und Gerhard bleiben. Hause, anderen gehen irgendwann nach nach anderen gehen irgendwann Die beiden können nicht weg. Alle weg. Die beiden können nicht Tina Wiese. Tina Und hier wohnen Gerhard und Gerhard hier wohnen Und oder nach dem Gorleben Gebet. oder nach Spaziergang um das Bergwerk Spaziergang noch jeden Sonntag nach dem nach jeden Sonntag noch plant. Hier trifft man sich heute man sich plant. Hier trifft es Camps und wurde Protest ge- Protest und wurde es Camps Latschdemos nach Gorleben, gab gab Gorleben, nach Latschdemos im Saal, war der Startpunkt vieler der Startpunkt war im Saal, gab es so manche Versammlung Versammlung es so manche gab Gasthaus Wiese in Gedelitz. Hier Gasthaus in Lüchow. Der dritte Ort ist das Ort Der dritte in Lüchow. natürlich dazu, auch das BI-Büro dazu, auch natürlich Atomanlagen in Gorleben zählen heute zusammenkommen. Die heute zusammenkommen. sationsorte, wo Menschen bis wo Menschen sationsorte, worden. Es gibt auch Kristalli- worden. Es gibt auch nicht nur von Menschen geprägt Menschen nur von nicht Der Gorleben-Protest ist Der Gorleben-Protest Portrait niemand ist Näher dran Aktivistenportrait Blick ew X le

Erich Kästner: „Ich bin gekommen, um von einem gemeinsamen muß notfalls die Schneid aufbrin- Bekannten Grüße zu überbringen, von Sokrates. Er hat den Herren gen, unpopulär zu handeln‘. Da in Bonn einige Fragen gestellt: ,Haben Sie, als Sie mit Ihrer Parla- rief Sokrates: ,O mein Alkibiades! mentsmehrheit die Atombewaffnung Westdeutschlands durchsetzten, Mir scheint, du verwechselst Mut gewußt, daß die Mehrheit der Bevölkerung strikt dagegen ist? Sollten mit Übermut.‘“ (sinngemäßes Zi- Sie es nicht gewußt haben, könnte man meinen, Sie seien keine beson- tat aus einer Rede Kästners auf ders fähigen Politiker. Sollten Sie es gewußt haben, ließe sich fast ver- der Kundgebung gegen Atom- muten, Sie seien keine sonderlich überzeugten Demokraten.‘ Schließ- rüstung in München am 23. Mai lich sagte der jüngste Minister: ,Auch eine demokratische Regierung 1958)

35 Verschiedene Flyer, Infobroschüren, T-Shirts und andere wendländische Widerstandsartikel können im BI-Büro telefonisch bestellt werden. Weitere Artikel findest Du auf unserer Internetseite! www.bi-luechow-dannenberg.de

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