Veränderungen in Der Niedersächsischen Vogelwelt Im 20
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Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 35: 1-18 (2003) 1 Veränderungen in der niedersächsischen Vogelwelt im 20. Jahrhundert Herwig Zang ZANG , H. (2003): Veränderungen in der niedersächsischen Vogelwelt im 20. Jahrhundert. Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 35: 1-18. In Niedersachsen sind von 1901–2000 17 Brutvogelarten verschwunden, 28 haben sich neu oder wieder angesiedelt, insgesamt gab es 2000 197 regelmäßig brütende Arten. Als Beispiele für die Dynamik und die unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Lebensräumen werden 74 Vogelarten mehr oder weniger kurz vorgestellt. Dabei überwiegen negative Bilanzen bei Niedermooren und Feuchtgrünland, Hochmooren, Bächen und Flüssen, Heiden und Ackergebieten, positive bei Stillgewässern, Küste, Wäldern und Siedlungen. Von den negativen Entwicklungen sind vor allem Limikolen, Hühnervögel und Langstreckenzieher betroffen, von den positiven Enten, Möwen und Standvögel (einschließlich der Kurzstreckenzieher). H. Z., Oberer Triftweg 31A, 38640 Goslar, [email protected] Einleitung Lebensraumes dieser Art, ursprünglich aus - schließlich Binnen landbrüter, hat sie seit den Die Festveranstaltung zum 30-jährigen Beste - 1930er Jahren zunächst nur vereinzelt, seit den hen der Niedersächsischen Ornithologischen 1950er Jahren zunehmend die Küste und die Vereinigung e.V. (NOV) in Hannover am 31. Inseln besiedelt ( ZANG 1991, Z ANG et al . 1991). August 2002 zu Beginn eines neuen Jahrhun - Nur für wenige Arten wie z. B. den Weiß storch derts war der Anlass, nach dem Festvortrag zur liegen langfristige Datenreihen etwa von 1900– „Situation der mitteleuropäischen Vogelwelt“ 2000 vor, vielfach beginnen Zählungen erst in (GLUTZ V. B LOTZHEIM 2002) auch auf die Verän - den 1950er Jahren, für viele Arten fehlen sie derungen der Brutvogelwelt in Niedersachsen ganz. Auf ihre Entwicklung kann nur indirekt während des vergangenen 20. Jahrhunderts z. B. an Hand der Verän de run gen in der Ver - zurückzublicken. brei tung zurückgeschlossen werden. Eine Dar - Zwei Beispiele seien vorangestellt, Weißstorch stellung für alle Arten ebenso wie die Dar le - und Lachmöwe, um die Vorgehensweise vorzu - gung aller Ursachen würde den Rahmen eines stellen sowie Schwierigkeiten und Möglich kei - Vortrags sprengen, auch zu den angesproche - ten aufzuzeigen. Vom Weißstorch liegen Zäh - nen Arten können oft nur wenige An merkungen lun gen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemacht werden, genauere Informationen sind vor, so dass die Entwicklung von 1900–1970 in den Lieferungen „Die Vögel Niedersachsens“ rekonstruiert werden konnte ( GOETHE et al. zu finden. Die beiden Beispiele Weißstorch und 1978), seit 1971 wurde die Zahl der Brutvögel Lachmöwe zeigen, wie entscheidend sich Ver - dann alljährlich erfasst (Abb. 1). Daraus lässt än derungen und Umstellungen in den Lebens - sich erkennen, dass der Be stand von 1900 bis räumen auf die Vogelwelt auswirken. Darum 2000 um 92 % abgenommen hat und sich erst sollen diese Auswirkungen im Folgenden an seit Mitte der 1980er Jahre auf sehr niedrigem Hand der wichtigsten Lebensräume in Nieder - Niveau stabilisiert. Hauptursache für den Rück - sachsen jeweils beispielhaft an mehreren typi - gang ist der Verlust an Lebensräumen. Von der schen Arten gezeigt werden. Die Auswahl der Lachmöwe dagegen sind Bestands zahlen erst Arten, die natürlich auch in anderen Lebens - seit 1946 be kannt, sie zeigen, dass der Be - räu men anzutreffen sind, erfolgte danach, wie - stand bis 1988 um 7.000 % zugenommen hat. weit die Kenntnisse soweit aufbereitet waren, Das hat seine Ursache in der Ausweitung des dass sie optisch präsentiert werden konnten. 2 ZANG : Veränderungen in der Vogelwelt Niedersachsens 800 Abb. 1: Weißstorch Ciconia cico - nia – Zahl der Brutpaare in Nie - dersachsen 1971-2001 ( GOETHE et al. 1978, Staatliche Vogel - schutz warte Niedersach sen, 600 briefl.). - White Stork Ciconia cico - e r nia – numbers of breeding pairs in a a Lower Saxony 1971–2001. p t u r B 400 l h a z n A 200 0 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 Jahre Abb. 2: Goldregenpfeifer Pluvialis 125 apricaria – Zahl der Paare in Nie - der sachsen 1900-2002, Säulen Schätzungen vor 1970, Linie Zäh - 100 lungen 1970–2002 ( ZANG et al. 1995, Staatliche Vogel schutz - e r warte Niedersach sen, briefl.). - a a Golden Plover Pluvialis apricaria p 75 t u – numbers of breeding pairs in r B Lower Saxony 1900–2002. Bars l h are estimated values before 1970, a 50 z line are counts from1970–2002. n A 25 0 1 0 3 7 0 2 5 8 1 4 7 0 3 6 9 2 3 5 5 5 6 7 7 7 8 8 8 9 9 9 9 0 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 Jahre 10000 Abb. 3: Birkhuhn Tetrao tetrix – Zahl der balzenden Männchen in Nieder sachsen 1964-2000 ( KNOL- n e LE & H ECKENROTH 1985, Staatliche h 8000 c Vogel schutz warte Niedersach - n n sen, briefl.). - Black Grouse Tetrao ä M tetrix – numbers of breeding pairs 6000 e in Lower Saxony 1964–2000. d n e z l a 4000 b l h a z n 2000 A 0 1964 1970 1976 1980 1985 1990 1995 2000 Jahre Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 35 (2003) 3 Die zahlreichen im Vortrag verwendeten (Ver - Niedermoor, Feuchtgrünland (Schnep fen, Al - brei tungs-) Karten werden hier nicht erneut pen strandläufer, Kampf läufer, Brachvogel, Wie - abgedruckt, sie entstammen den „Vögeln Nie - sen weihe, Braun kehlchen, Wachol der drossel) der sachsens“ (s. Literatur) und den Brut vogel - Die Wiesenweihe Circus py gar gus, noch vor at lanten ( HECKENROTH 1985, H ECKENROTH & 1976 im Tief land und bis in die Börden weit ver - LASKE 1997), die Diagramme werden dagegen breitet, hat von 1966–1988 um 72 % abgenom - alle gezeigt, da sie zumeist neu waren oder die men und nistet derzeit mit etwa 50 Paaren von Fortset zung von Bestandsent wicklun gen bis wenigen Ausnah men abgesehen fast nur noch etwa 2000 darstellen. In zwei Abschnitten soll in der naturräumlichen Region Watten und durch die Lebensräume und Landschaf ten Marschen (ohne Inseln) ( ZANG et al . 1989, geführt werden, zunächst die mit einer negati - HECKENROTH & L ASKE 1997). Als Brut vögel ganz ven Bilanz - Hochmoore, Nie dermoore und verschwunden sind die Doppel schnepfe Feucht grünland, Heiden, Bä che und Flüsse Gallinago me dia seit 1926, die Zwerg schnepfe sowie Ackerge biete - und dann die mit einer Lymno cryp tes minimus seit 1928 und der posi tiven Bilanz - Küste, Still ge wässer, Wälder, Alpen strandläufer Calidris alpina seit 1985. Städte und Siedlungen. Die Bilanzen sollen am Auch bei anderen Limi kolenarten, für die Nie - Ende erläutert werden. der sach sen aufgrund ihrer Ver breitung eine besondere Ver ant wortung hat, sind die Be - stände stark rückläufig, so beim Kampf läu fer Philoma chus pugnax von 1970–2000 um 96 % Landschaften, Lebensräume mit negati - (Abb. 4; ZANG et al. 1995, J. MELTER briefl.), bei ver Bilanz der Bekassine 1961–2000 um 80 %, beim Großen Brach vogel Numenius arquata 1961– Hochmoor (Goldregenpfeifer, Birkhuhn, 2000 um 77 %, beim Kiebitz Vanellus vanellus Bruch was serläufer und Raubwürger) 1961–1993 um 69 % und bei der Uferschnepfe Limosa limosa 1961–2000 um 68 % ( ZANG et Niedersachsen beherbergt in drei Moor kom - al . 1995, Staatliche Vogel schutz warte plex en die letzten Vorkommen des Goldre gen - Niedersach sen, briefl. ). Während sich die pfeifers Pluvialis apricaria in Mitteleuropa, ihre Wachol der drossel Turdus pilaris , Brutvogel in Ent wicklung mit seit 1986 weniger als 20, Nieder sachsen seit 1899 und bis 1956 erst in 1991–1994 sogar nur 9–12 Paa ren erscheint den östlichen Landesteilen heimisch ( NIEBUHR kritisch, zu mal sie seit den 1990er Jah ren nicht & G REVE 1957), bis 1985 über weite Teile des mehr in den Hoch moo ren, sondern auf Landes mit Ausnahme Ost frieslands ausge - Frästorf flä chen nisten. Vor 1950 wurde teilwei - breitet hatte, hat das Braun kehlchen Saxicola se noch ein Bestand von 50–100 Paaren ange - rubetra von 1961–2000 um 82 % abgenommen nommen, die weite Bereiche Nieder sach sens (HECKEN ROTH & L ASKE 1997, Staatliche Vogel - besiedelt haben (Abb. 2, ZANG et al . 1995, schutz warte Niedersach sen, briefl. ). HECKEN ROTH & L ASKE 1997). Das Birk huhn Tetrao tetrix , noch bis Mitte der 1970er Jahre ein über das gesamte Tiefland verbreiteter Heiden (Triel, Blauracke, Wiedehopf, Brach - pieper) Brutvogel ( KNOLLE & H ECKENROTH 1985), war 1995 nur noch an wenigen Stellen in der Die Blauracke Coracias garrulus ist 1951, der Lüneburger Heide anzutreffen. Der Rückgang Triel Burhinus oedicnemus 1955 als Brutvogel lag zwischen 1964 und 2000 bei 98 % (Abb. 3, verschwunden, beide waren in Geest- und HECKENROTH & L ASKE 1997). Der Bruchwas ser - Heidegebieten sowie im Weser-Aller-Flachland läufer Tringa glareola , einst ebenfalls im Tief - weit verbreitet ( ZANG & H ECKENROTH 1986, Z ANG land verbreitet, wurde 1972 letztmalig als Brut - et al . 1995), ebenso der auch über die Heiden vogel festgestellt, Brutverdacht bestand bis hinaus bis ins Berg land verbreitete Wiedehopf 1987 und wieder 1999 ( ZANG et al . 1995, Upupa epops etwa seit 1995, zuletzt war er nur BRANDT 1999). Der Raub wür ger Lanius excubi - noch im Wendland anzutreffen ( ZANG & tor hat seit Ende der 1970er Jahre im Be stand HECKENROTH 1986, H ECKEN ROTH & L ASKE 1997, drastisch abgenommen und sich seitdem nicht Staatliche Vogel schutz warte Niedersach sen, wieder erholt ( ZANG & H ECKENROTH 1998). briefl. ). Weit ver breitet war in den Sandge gen - 4 ZANG : Veränderungen in der Vogelwelt Niedersachsens Abb. 4: Kampfläufer Philomachus 600 pug nax – Zahl der brütenden Weib chen in Niedersachsen 1970- 2000 ( ZANG et al. 1995, J. MELTER n 500 e briefl., Staat liche Vogel schutz - h c warte Nieder sach sen, briefl.). - b i Ruff Philoma chus pugnax – popu - e 400 lation trend in Lower Saxony W e 1970–2000. d n 300 e t ü r b l 200 h a z n A 100 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 Jahre 1.200.000 den des mittleren Niedersachsen auch der Brachpieper An thus campestris , der im Jahr e 2000 nur noch an 2 Stellen in der Lüneburger r 900.000 a a Heide und im Wend land vorkam und vermutlich p t u r bald verschwunden sein dürfte ( ZANG & B 600.000 l HECKENROTH 2001).