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Ist die Verlängerung der U-Bahn-Linie vom U-Bf zum Terminal des Flughafens Brandenburg (BER) sinnvoll?

Teil 1: Verkehrsplanerische Überlegungen

(Teil 2 behandelt bautechnische Rahmenbedingungen)

Gliederung: 1. Verkehrsbedarf Seite 3 2. Finanzierung Seite 4 3. Betrieb Seite 5 4. Schwierige Abstimmungen zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg Seite 5 5. Baurechtliche Verfahren Seite 5 6. Verkehrspolitisches Signal Seite 6

ANHANG A, Grafiken und Informationen zur BER-Anbindung Seite 7 ANHANG B, Zeitungsmeldung zur aktuellen Flughafenentwicklung Seite 10 ANHANG C, Quellen- und Fotonachweise/Fußnotenerklärungen Seite 11

Berlin, Dezember 2020

Impressum: STADT FÜR MENSCHEN, Arbeitsgruppe Öffentlicher Verkehr www.stadtfuermenschen.org Kontakt: matthias.dittmer(at)gmx.de

Stadt für Menschen (SfM) ist eine parteiübergreifende Initiative, die aktiv für die Zukunftsvision einer nachhaltigen Stadt einsteht.

Verlängerung der U7 zum BER? Seite 2 von 11 1. Verkehrsbedarf für eine U7-Verlängerung Entsprechend der Verkehrsprognose (Fluggäste, Beschäftigte und Besucher) für die Zielplanung des Flughafens Berlin Brandenburg "BER" wurden die Schienenverkehrs-Anbindungen dorthin geplant und gebaut. Dazu wurden sowohl die direkte S-Bahn-Anbindung als auch Fern- und Regionalbahn- Anbindungen von Westen und von Osten bis unter das Flughafenterminal konzipiert, gebaut und pünktlich zum 1. Juni 2012 fertiggestellt. Bahnplanerisch optimal wurde ein großer unterirdischer Fern-, Regional- und S-Bahnhof konzipiert, von dessen Bahnsteigen man auf kürzesten Wegen (best- möglich unterstützt durch Fahrtreppen und Aufzüge) ins Hauptterminal des Flughafens zur Abfer- tigung bzw. zum Empfang, zu den Arbeitsplätzen und zu den Besucherbereichen gelangt. Die Kosten für den Flughafenbahnhof und seine Verbindungsstrecken beliefen sich auf 675 Mio. €1, den Hauptanteil hat der Bund übernommen, Berlin und Brandenburg steuerten je 30 Mio. € bei. Für den Flughafen BER unter Vollbetrieb gemäß der Prognose für den Zielhorizont genügen der S- Bahn-Verkehr im 10-Minuten-Takt (ein S-Bahn-Zug fasst 1.000 Personen), abwechselnd verkehren die S 9 von der Stadtbahn und die S 45 vom Südring, und der Flughafenexpress (hoffentlich kommend aus bzw. Gesundbrunnen), verkehrend alle 15 Minuten, mit einer Fahrzeit von 30 Minuten (ab 2025 von 22 Minuten) ab Berlin Hauptbahnhof, mit Zwischenhalten am Potsdamer Platz und am Fern-, R- und S-Bahnhof Südkreuz. Darüber hinaus gibt es weitere Regionalbahnlinien (siehe Abbil- dung 1) und verschiedenste Buslinien, darunter viele Schnellbus-Linien. Weitere Grafiken und Infor- mationen zur BER-Anbindung siehe Anhang A, Seiten 7 bis 9.

Abb. 1: Schienenverkehrsanbindung des Flughafens Berlin Brandenburg2 Abb. 2: Logo des VBB zur Anbindung des BER mit Öf- fentlichen Verkehrsmitteln3

Diese ab Ende Oktober 2020 verkehrenden Schienen- und Omnibus-Angebote sind sehr attraktiv und bestens auskömmlich, Parkhäuser hätten eigentlich gar nicht gebaut werden müssen. Falls wider Er- warten mehr Nachfrage als prognostiziert entsteht oder die Autonutzung zugunsten eines Mehrver- kehrs der Öffentlichen Verkehrsmittel abnimmt, könnten die S-Bahn-Züge z.B. auch im Fünf-Minuten- Takt und der Flughafenexpress im 10-Minuten-Takt verkehren. Einen nennenswerten Bedarf, eine weitere U-Bahn-Anbindung zum BER zu bauen, gibt es daher nicht. Insbesondere die von der U 7 durchquerten Bereiche Spandau, , , Schöneberg und sind mit der S- und Regionalbahn-Anbindung besser bedient als mit einer denkbaren Verlängerung der U 7 zum BER. ______1 Fußnotenerklärungen siehe Anhang C, auf (der letzten) Seite 11

Verlängerung der U7 zum BER? Seite 3 von 11 Sind denn neue Stationen zwischen Rudow und 'BER-Terminal 1' U-Bahn-würdig? Zwischen Rudow und BER sollen laut Machbarkeitsstudie4 entstehen: Lieselotte-Berger-Platz (ehemaliger Arbeitstitel "Rudow-Süd"), Schönefeld-Nord, S+U Schönefeld, Schönefelder Seen und „Airtown“. Rudow-Süd ist eine nur mitteldichte Siedlung, in der längst jeder Haushalt ein bis zwei Autos hat. Ähnliches gilt für die Schönefelder U-Bahnhöfe: Zu weiten Teilen Gewerbegebiete sind sie als autogerechte Siedlungen geplant worden. Insgesamt würden die Zwischenhalte die Anreise zum BER verzögern und sind aufkommensseitig nicht U-Bahn-würdig.

Abb. 3: Autogerechte Anbindung des Flughafens Berlin Bran- Abb. 4: Viele Gewerbeansiedler im Airport-Umfeld legen nur Wert auf denburg mit Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen5 gute Straßenanbindungen. Beispiel: Logistikdienstleister CEVA Logistics6

2. Finanzierung Es ist illusorisch zu glauben, dass der Bund, der bereits die S-, Regional- und Fernbahn-Anbindungen nahezu komplett finanziert hat, für eine U7-Verlängerung einen Anteil von 90 %, oder 75 %, oder auch nur von 60 % bezahlt. Berlin und Brandenburg könnten zwar versuchen, mit einem Antrag auf Mit-Finanzierung die U 7 im GVFG-Bundesprogramm zu platzieren, dann würde man theoretisch 60 % der zuwendungsfähigen Kosten erhalten. Notwendig wäre dafür, in einer Standardisierten Bewertung einen positiven Wert über "1", d.h. einen höheren Nutzen als Kosten, nachzuweisen, dies ist aber wegen der hohen Baukosten (nach heutigem Preisstand 750 bis 800 Mio. €) und der relativ geringen Verkehrsnachfrage (38.000 Fahrgäste pro Tag7) nicht zu erzielen. Eine Finanzierung nur aus den Berliner und Brandenburger Landeshaushalten, die beide in den nächsten Jahren aufgrund der aktuell gestiegenen Verschuldungen keine großen Sprünge erlauben, erscheint ebenfalls ausgeschlossen.

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3. Betrieb Die U 7 ist eine ungünstig lange U-Bahn-Strecke, die betrieblich schwierig zu beherrschen ist. Wenn an einem Bahnhof unterwegs mehr Verkehrsaufkommen herrscht und der Zug daher 15 Sekunden später abfährt, verstärkt sich der Abstand zum vorlaufenden Zug an den folgenden Bahnhöfen, an denen schon wieder mehr Fahrgäste warten, und die Verspätung vergrößert sich, während der nächstfolgende Zug auffährt. So enstehen schlangenartige Kontraktionen im Betriebsablauf. Daher ist schon jetzt nur der 4-Minuten-Takt fahrbar. Zudem verkraftet die U 7 weiteres Verkehrsaufkommen durch eine Verlängerung nicht, denn in den Hauptverkehrszeiten ist die U 7 zwischen Yorckstraße und Hermannplatz heute schon überfüllt.

4. Schwierige Abstimmungen zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg Grenzüberschreitender U-Bahn-Bau erfordert eine Vielzahl sehr komplexer Abstimmungen der be- teiligten Ämter in Berlin und Brandenburg hinsichtlich der Planungen, der Finanzierungen und der Technischen Genehmigungen. Nach den geltenden EU-Vorschriften darf der Berliner Betrieb 'BVG Anstalt öffentlichen Rechts' oder seine Tochter 'BVG Projekt GmbH' nicht in Brandenburg bauen; auch den Betrieb darf die BVG in Brandenburg nicht durchführen. Es bestände die Gefahr, die Möglichkeit der In-House-Vergabe der gesamten Verkehrsleistung in Berlin zu verlieren. So wären für Bau und Betrieb der U7-Verlängerung durch die BVG Verhandlungen mit der EU-Kommission notwendig, der Ausgang ist nicht vorherseh- bar.8 Bei negativem Ausgang der Verhandlungen in Brüssel wären Gründung einer U-Bahn-Bau- und Be- triebsgesellschaft in Brandenburg und der Abschluss komplizierter Länder-Verträge mit entsprechen- dem Zeitbedarf denkbar.

5. Baurechtliche Verfahren Aufgrund vieler möglicher Varianten der U-Bahn-Verlängerung der Linie U 7 südlich des U-Bf Rudow wäre zunächst ein zeitaufwändiges Raumordnungsverfahren durchzuführen. Anschließend käme es zu äußerst schwierigen Planfeststellungsverfahren in Berlin und Brandenburg. Diese könnten eventuell in Amtshilfe von nur einer Planfeststellungsbehörde durchgeführt werden. Dabei werden erfahrungsgemäß Verfahren zusätzlich verkompliziert, bei denen die Deutsche Bahn sowie das Eisenbahn-Bundesamt einzubeziehen sind. Ebenfalls ist der Flächennutzungsplan der Gemeinde Schönefeld anzupassen. Bebauungspläne, das Gemeinsame Strukturkonzept Flughafenumfeld BER (GSK FU-BER)9 und der Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) sind – jeweils mit Bürgerbeteiligungen – zu ändern. Nicht geklärt ist bislang, ob die Grundstücke für den geplanten Abschnitt der U 7 der öffentlichen Hand, der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH oder privaten Eigentümern gehören. In den letzteren beiden Fällen wären die benötigten Flächen käuflich zu erwerben, möglicherweise erst nach Bei- legung von Kaufpreisstreitigkeiten.

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6. Verkehrspolitisches Signal Entgegen dem Koalitionsvertrag wurde neben sieben anderen U-Bahn-Studien die vertiefte Mach- barkeitsstudie für die U7-Verlängerung zum BER (172 Seiten) erstellt4. Die Studie für diese U-Bahn- Verlängerung hat Planungskapazitäten gebunden, mit denen man gleich mehrere Straßenbahn- strecken hätte planerisch voranbringen können. Berlin hat im verkehrsstarken Innenstadtbereich genug U-Bahnstrecken, in den Vororten – radial zu- meist gut mit S-Bahn-Strecken erschlossen – ist aufgrund geringerer Verkehrsnachfrage weiterer U- Bahn-Ausbau nicht nötig, 10- bis 20-mal kostengünstigere Straßenbahnstrecken würden nachfrage- gerecht ausreichen. Anstatt weiterhin Planungskapazitäten mit U-Bahn-Planungen zu binden, war gemäß Koalitions- vertrag eigentlich das gebotene Signal der Berliner Landesregierung, eine gerechte Aufteilung des Straßenraums herbeizuführen, und statt des überbordenden Flächenverbrauchs des Autoverkehrs mehr Platz zu schaffen für Straßenbahnen, Omnibusse, Fahrradfahrer und Fußgänger. Auch kann es klimapolitisch nicht das Signal sein, die Zu- und Abfahrten für den Flugverkehr (über- wiegend Urlaubs- und Freizeitverkehr) mit seinem inakzeptablen ökologischen Fußabdruck über Gebühr komfortabel auszustatten.

Hier nur ein Beispiel zu konkurrenzierenden Vorhaben: Die U7-Verlängerung mit prognostizierten 38.000 Fahrgästen am Tag bei Volllast BER, die sich aber aus klimapolitischen Gründen nicht ein- stellen wird, vgl. Pressemeldung im Anhang B, Seite 10, kostet je nach Variante 746 bis 799 Mio. €. Die Straßenbahnverlängerung vom Alexanderplatz zum Kulturforum, die 40.000 Fahrgäste am Tag nutzen werden, kostet 70 Mio. €. Sie ist also im überschlägigen Nutzen-Kosten-Verhältnis mindestens um den Faktor 10 günstiger als die U7-Verlängerung.

Verlängerung der U7 zum BER? Seite 6 von 11 Anhang A

Abb.: Anbindung des BER an Berlin und weiter entfernte Regionen mit Schienenverkehr Quelle: https://www.vbb.de/ber

Abb.: Linienverläufe der Schienen-Anbindung des BER ab Ende Oktober 2020 Quelle: https://www.vbb.de/ber

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Abb.: Verkehrsanbindung des BER. Screenshot der Website www.berlin.de (Auszug), vom Okt. 2020

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Lage der Omnibus-Haltestellen am BER Terminal 1. Die Mehrzahl der Haltestellen liegt optimal, direkt vor dem Eingang zum Terminal. Die Haltestellen rechts im Bild, für Umlandbusse, erfordern jedoch unangenehm lange Fußwege von und zum Terminal. Grafik: VBB

Geplanter Busbahnhof am BER-Terminal 5. Diese Planung bietet nur unattraktiv lange Fußwege, die nicht zur Benutzung des ÖPNV einladen; Pkw-Plätze und Taxenplätze sind hingegen dicht am Terminal angeordnet. Grafik: VBB

Werbung eines privaten Anbieters, der eine eigenwirtschaftliche Express-Bus-Linie vom Rathaus Steglitz zum BER einrichtet. Abb.: Bayern Express & P. Kühn Berlin GmbH

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Zu der aktuellen Entwicklung des Flugverkehrs am BER schreibt der TAGESSPIEGEL am 25. Sep. 2020 (https://www.tagesspiegel.de/berlin/sparmassnahmen-am-hauptstadtflughafen-das-ber-terminal-2-ist-betriebsbereit-und- bleibt-geschlossen/26219424.html):

Das BER-Terminal 2 ist betriebsbereit – und bleibt geschlossen ... "Die Kapazität des Hauptterminals reicht aus. Es ist preiswerter, das Terminal T2 zunächst nicht in Betrieb zu nehmen", sagte Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider dem Tagesspiegel. "Wir befinden uns in der tiefsten Krise der Luftfahrt", sagte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup dem Tagesspiegel. "Es wäre nicht gerechtfertigt, das Terminal in Nutzung zu neh- men." So werde man jeden Monat eine halbe Million Euro sparen. Wie berichtet, erwartet die FBB, dass sie in diesem Jahr wegen der Corona-Einbrüche nur etwa zehn Millionen Passagiere abfertigen wird, im Rekordjahr 2019 waren es in Tegel und Schönefeld noch 35,6 Millionen. Das neue BER-Hauptterminal ist für 24 Millionen Passagiere angelegt. Im alten Schönefelder SXF-Terminal – künftig das BER-Terminal 5 – waren zuletzt 13 Millionen Fluggäste im Jahr abgefertigt worden. Und das neue Terminal T2 hat eine Abfertigungskapazität von sechs Mil- lionen Passagieren. ...

Abb.: Animation des Flughafens Berlin Brandenburg (BER), Terminal 1. © Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB)

Verlängerung der U7 zum BER? Seite 10 von 11 Anhang C

Foto- und Quellennachweise:

Fotos Titelseite: • U-Bahn-Brücke der U-Bahnlinie U 6 über die Otisstraße. Foto: Google Maps – Street View. • Aufzugs-Baustelle U-Bahnhof Rudow. Foto: BVG. • -Baustelle. Foto: SfM. • Visualisierung BER-Vorfeld und SPNV-Anbindung. © Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB). • U-Bahn-Zug. Foto: BVG, Bearbeitung SfM. • Baugrube der U 5 am Berliner Hauptbahnhof. Foto: SfM. • Grafik Ausbaustufen für den Flughafen BER. © Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB). • Zementwerk für den Bau des BER. Foto: Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB).

Fußnoten und Quellennachweise:

Für als Quellen angegebene Links wird keine Haftung übernommen.

1 Vgl. Z.B. https://www.punkt3.de/bahnanbindung-fuer-den-flughafen (Feb. 2020)

2 Quelle: https://www.wikiwand.com/de/Bahnhof_Flughafen_Berlin_Brandenburg

3 https://www.vbb.de

4 Zur Machbarkeitsstudie siehe https://www.tagesspiegel.de/berlin/ausbau-der-u7-fahrerloser-zug-das-sind-die-plaene-fuer-die-u-bahn-anbindung-des-ber/26232656.html 5 https://www.gemeinde-schoenefeld.de

6 https://www.airport-region.de/aktuelles/detail/von-der-ece-entwickeltes-logistik-center-bei-berlin-vor- fertigstellung-voll-vermietet. Visualisierung Logistik Center Berlin-Süd © ECE Projektmanagement GmbH&Co KG

7 Aktuelle Prognose der SenUVK und der BVG; Tagesspiegel vom 05. März 2020

8 Bei einer Direktvergabe auf Basis der VO 1370/2007 darf das kommunale Verkehrsunternehmen Verkehrs- leistungen nur innerhalb des Gebiets der zuständigen Behörde erbringen (Gebietskriterium) und muss den „überwiegenden Teil“ der Verkehrsleistungen selbst erbringen. Vgl. z.B. https://www.staatsanzeiger.de/vergabe/nachrichten/nachricht/artikel/eugh-direktvergabe-von-verkehrsleistungen

9 https://www.dialogforum-ber.de

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