Plenarprotokoll 13/79

Deutscher

Stenographischer Bericht

79. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: ZusFr Wolf-Michael Catenhusen SPD 6929A, 6932 A Fragestunde ZusFr Simone Probst BÜNDNIS 90/DIE - Drucksache 13/3473 vom 12. Januar GRÜNEN 6930A, 6931C 1996 - ZusFr Marion Caspers-Merk SPD 6930 B Unterrichtung deutscher Touristen über die Gefahren bei Reisen in unsichere Län- Behauptungen des Senders „ARTE" über der und Krisengebiete, z. B. Kaschmir oder die Tätigkeit des Bundesnachrichtendien- Costa Rica stes in Algerien MdlAnfr 1 MdlAnfr 6, 7 Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU SPD Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 6925 B Antw StMin BK 6933A, 6934 A ZusFr Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU 6925D ZusFr Freimut Duve SPD 6933A, 6934 B ZusFr Freimut Duve SPD 6926 B Norwegisches Forschungsprojekt zur Dün- Einführung der Euroführerscheine gung der Nordsee MdlAnfr 2 MdlAnfr 17 Dr. (München) CDU/CSU Ulrike Mehl SPD Antw PStSekr Johannes Nitsch BMV 6926 C Antw PStSekr Walter Hirche BMU 6935 B ZusFr Dr. Erich Riedl (München) CDU/ ZusFr Ulrike Mehl SPD 6935D CSU 6927 A Haushaltsausgaben zum Schutz der Nord- ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P 6927 B see Verhandlungen über die Versorgung des MdlAnfr 18 Forschungsreaktors (FRM II) in Garching Ulrike Mehl SPD mit hochangereichertem Uran aus Ruß- Antw PStSekr Walter Hirche BMU 6936 C land MdlAnfr 4, 5 Regelungen für die Entsorgung von Horst Kubatschka SPD Nickel-Metallhydrid- und Lithium-Ion- Akkus Antw PStSekr BMBF 6927D, 6930 C MdlAnfr 19 SPD ZusFr Horst Kubatschka SPD 6928A, C Marion Caspers-Merk ZusFr Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Antw PStSekr Walter Hirche BMU 6937 A CDU/CSU 6928D, 6931 D ZusFr Marion Caspers-Merk SPD 6937 B

II Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Verwendung nicht recycelbarer Getränke- CDU/CSU 6954 D dosen Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ MdlAnfr 20 NEN 6955 D SPD Marion Caspers-Merk Heinz-Georg Seiffert CDU/CSU 6957 A Antw PStSekr Walter Hirche BMU 6937 C Nicolette Kressl SPD 6958 A ZusFr Marion Caspers-Merk SPD 6937 D CDU/CSU 6959 B ZusFr Horst Kubatschka SPD 6938 C Tagesordnungspunkt 2: Scheitern der deutschen Embargo-Vor- schläge gegenüber Nigeria in der Euro- Eidesleistung des Bundesministers der päischen Union Justiz, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig 6960 C MdlAnfr 21 Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 6960 C Roland Kohn F.D.P. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesmini Antw StMin Helmut Schäfer AA 6938 Dster BMJ 6960 D ZusFr Roland Kohn F.D.P. 6939 A Nächste Sitzung 6961 C Ausstellung von Paß-Ersatzpapieren durch deutsche Auslandsvertretungen Anlage 1 MdlAnfr 22, 23 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6963*A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD Antw StMin Helmut Schäfer AA 6939C, 6940 B Anlage 2 ZusFr Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 6939D, Telefontarifreform der deutschen Telekom 6940 C AG im Orts-/Nahbereich; Einräumung von Sonderkonditionen für ältere, behinderte Maßnahmen im Fall des in Kaschmir ent- und chronisch kranke Menschen führten Studenten Dirk Hasert MdlAnfr 3 - Drs 13/3473 - MdlAnfr 24 Peter Conradi SPD Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Paul Laufs BMPT 6963 *B Antw StMin Helmut Schäfer AA 6940 D ZusFr Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU 6941B Anlage 3 Erhebung von Zwangsgeldern beim Mikro- Träger der Kosten für den „begleitenden zensus 95; über das Mikrozensusgesetz Dienst" und die „Behandlungspflege" in hinausgehende Fragen Alten- bzw. Pflegeheimen MdlAnfr 31, 32 MdlAnfr 9, 10 - Drs 13/3473 Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. SPD -Monika Ganseforth Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 6941D, 6942 C SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 6963*D ZusFr Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 6942B, C - ZusFr Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 6942 D Anlage 4 Nichtinanspruchnahme von Haushaltsmit- Zusatztagesordnungspunkt 1: teln für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Aktuelle Stunde MdlAnfr 11, 12 - Drs 13/3473 - betr. Haltung der Bundesregierung zu Manfred Kolbe CDU/CSU widersprechenden Aussagen aus der Koalition zum Abbau des Solidaritäts- SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 6964 *B zuschlags 6943 A (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE Anlage 5 GRÜNEN 6943 B Finanzierung der mit Israel und den Peter Harald Rauen CDU/CSU 6944 C USA getroffenen Rentenabkommen für Ingrid Matthäus-Maier SPD 6945C, 6960 B deutschsprachige Juden aus Osteuropa Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 6946D nach dem Fremdrentengesetz; Durch- schnittsalter des betroffenen Personen- Dr. Barbara Höll PDS 6948 Bkreises und Zahl der zwischen 1989 und Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär 1995 Verstorbenen BMF 6949 C MdlAnfr 13, 14 - Drs 13/3473 - Joachim Poß SPD 6951 C (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU 6952 CGRÜNEN Wolfgang Ilte SPD 6953 C SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 6964*C

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Anlage 6 MdlAnfr 26, 27 - Drs 13/3473 - Egon Jüttner CDU/CSU Rentenabkommen mit den USA und Israel Dr. zugunsten der dort lebenden deutschspra- SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI 6965* C chigen Juden aus Osteuropa MdlAnfr 15, 16 - Drs 13/3473 - Anlage 9 (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beschäftigung von Arbeitsgruppen, Kom- SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 6965*A missionen oder Ausschüssen im Bundes- ministerium des Innern und beim Bundes- grenzschutz mit Problemen des Bundes- Anlage 7 grenzschutzes Schäden durch Waldbrände in Zypern MdlAnfr 28 - Drs 13/3473 - F.D.P. MdlAnfr 25 - Drs 13/3473 - Jürgen Koppelin Dr. Elke Leonhard SPD SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI 6966 * B SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA 6965*B Anlage 10 Anlage 8 Finanzielle Förderung der Ansiedlung kul- Einsatzfähigkeit von Gegenmitteln bei turpolitischer Institutionen in Bonn bundesweiten Giftgasanschlägen; Bevor- MdlAnfr 29, 30 - Drs 13/3473 - ratung von medizinischen Hilfsmitteln Thomas Krüger SPD für die Bewältigung von Friedenskata- strophen SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI 6966*C

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79. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Hans Klein: Die Sitzung ist eröffnet. den On-line-Dienst von CompuServe eingespeist und sind dort jederzeit zugänglich. In Ausnahmefäl- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: len geht das Auswärtige Amt mit Reisewarnungen auch an die Medien. Fragestunde - Drucksache 13/3473 - Einzelauskünfte zu Fragen der Sicherheit deut- scher Urlauber im Ausland erteilen die Auslandsver- Anschließend werden wir eine Aktuelle Stunde tretungen auch vor Ort. Art und Umfang der Unter- haben. richtung von Individualtouristen im Ausland sind abhängig von der jeweiligen Situation im Gastland Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des und daher von Ort zu Ort verschieden. Bundesministeriums für Wirtschaft. Zur Beantwor- tung der Fragen steht uns der Parlamentarische Mit diesem vielfältigen Informationsangebot ist Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb zur Verfügung. dafür Sorge getragen, daß sich jeder Reisende umfas- send über die Sicherheitslage an seinem Reiseziel Ich rufe die Frage 1, gestellt von dem Kollegen unterrichten kann. Norbert Otto, auf:

Wie informiert die Bundesregierung deutsche Touristen über Die Bemühungen der Bundesregierung, deutsche Gefahren bei Reisen in unsichere Länder oder Krisengebiete, Touristen umfassend über die Risiken einer Reise in wie z. B. Kaschmir oder Costa Rica, und wie wird die Sicherheit alle Staaten mit deutlich erhöhtem Sicherheitsrisiko deutscher Touristen bei Reisen in Krisengebiete oder unsichere oder gar in Kriegsgebiete ereignisnah und möglichst Länder gewährleistet? umfassend zu informieren, stoßen allerdings dort an Ich bitte, Herr Staatssekretär, um Beantwortung. ihre Grenzen, wo die Einsichtsfähigkeit des Touristen und auch seine Bereitschaft, aus Sicherheitserwä- gungen auf eine Reise bzw. Urlaubsaktivität zu ver- Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft: Verehrter Herr Kollege zichten, fehlt. Hierbei ist ein weitverbreiteter Trend Otto, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bun- zu individuellen Reisen „abseits der ausgetretenen desregierung unterstützt die deutsche Tourismus- Pfade" zu beobachten. Für die Touristen, die sich in wirtschaft in ihren Bemühungen um die Gewährlei- unsichere Gebiete wagen, wächst das Risiko. Gefragt stung der Sicherheit deutscher Touristen im Aus- ist in diesem Zusammenhang also auch die Eigenver- selbst. Ob er reist oder ob er land durch unverzügliche Weitergabe aller einschlä- antwortung des Bürgers gigen Informationen über die Sicherheitslage im nicht reist, muß jeder Tourist letztlich selbst entschei- Ausland. den. Das Auswärtige Amt leitet alle geeigneten Infor- Zusatzfrage, Herr Kol- mationen über mögliche Gefährdungen einschließ- Vizepräsident Hans Klein: lege Otto. lich Merkblätter und Verhaltenshinweise in der Regel uneingeschränkt an das Bundesministerium für Wirtschaft weiter. Das Bundesministerium für Norbert Otto (Erfurt) (CDU/CSU): Herr Staatsse- Wirtschaft seinerseits gibt diese Informationen unver- kretär, vielen Dank für die Beantwortung. Aus der züglich über einen eigenen Faxschlüssel an die Ver- Sicht der Bundesregierung ist es sicherlich nicht bände der deutschen Fremdenverkehrswirtschaft möglich, jedes einzelne Reisebüro über die Gefahren und auch große Reiseunternehmen weiter. zu informieren. Wir haben in Erfurt den bedauerli- chen Fall der Entführung des Erfurter Studenten Die wichtigsten Reisehinweise werden darüber Dirk Hasert. hinaus vom Auswärtigen Amt auf Band telefonisch abrufbar gehalten, gegenwärtig für zehn Länder, Meine Frage möchte ich dahin gehend erweitern: darunter auch Costa Rica und Indien. Die Reisehin- Sehen Sie einen Interessenkonflikt zwischen den weise werden vom Auswärtigen Amt außerdem in Reisebüros und ihren Absichten einerseits sowie der 6926 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Norbert Otto (Erfurt) Warnung vor Reisen andererseits, die in diesen Rei- Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen zu sebüros möglicherweise angeboten werden? Sind Sie diesem Themenkomplex werden nicht gestellt. Ich mit mir einer Meinung, daß wir die Länder in diesem danke Ihnen vielmals, Herr Parlamentarischer Staats- Zusammenhang möglicherweise mit einer Pflicht- sekretär. warnung in den Reisebüros mehr in die Pflicht neh- men müssen? Damit meine ich: Wenn ein Reisebüro Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- Reisen zum Beispiel nach Pakistan anbietet, sollte es riums für Verkehr auf. Zur Beantwortung ist der Par- gleichzeitig zu einer gewissen Warnung oder Infor- lamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch mation verpflichtet werden. erschienen. Ich rufe Frage 2, gestellt vom Kollegen Dr. E rich Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Riedl, auf: desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Otto, ich Wann wird die Euro-Version im Scheckkartenformat die alte denke, auch die Reisebüros haben ein Interesse Fahrlizenz (Führerschein) ablösen, und welche Gründe stehen daran, daß sich die deutschen Touristen im Ausland einer raschestmöglichen, meines Erachtens für die Autofahrer in Sicherheit befinden, ihren Urlaub dort in Sicher- nur vorteilhaften Einführung der Euroführerscheine entgegen? heit verbringen können. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte um Ich will hier beispielhaft den Reisebüroverband Beantwortung. anführen. Er hat ein Informationssystem aufgebaut, um den Sicherheitsinteressen der Urlauber zu genü- Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun- gen. Über dieses System stehen der gesamten Bran- desminister für Verkehr: Sehr geehrter Herr Präsi- che kurzfristig alle erforderlichen Informationen zur dent, die Frage des Abgeordneten Dr. Riedl bezieht Verfügung. Im Staatssystem - das ist ein in dieser sich im wesentlichen auf die raschestmögliche Ein- Branche weit verbreitetes elektronisches Buchungs- führung des Führerscheins im Scheckkartenformat. system, auf das mehr als 7 000 Reisebüros in Lassen Sie mich jedoch eine kurze Vorbemerkung Deutschland Zugriff haben - ist eine entsprechende machen. Rubrik eingerichtet, in der aktuelle Informationen dieser Art abgelegt sind. Das ist innerhalb der Bran- Die Bundesregierung kann einen Führerschein im che bekannt, so daß sich jedes Reisebüro permanent Scheckkartenformat nur auf Grundlage einer Richtli- über Neuerungen informieren kann. nie der Europäischen Union einführen. Die Kommis- sion hat im vorigen Jahr einen entsprechenden Vor- Darüber hinaus werden Spezialveranstalter für schlag vorgelegt. Die Bundesregierung hat diesen bestimmte Länder gezielt über Veränderungen Vorschlag begrüßt. Sie hat jedoch einige Forderun- bezüglich der Gefahrenlage in diesen Ländern unter- gen gestellt: Es darf dabei nicht zu wesentlichen richtet, so daß aus unserer Sicht hinreichend Sorge Kostenerhöhungen oder zu Erhöhungen des Verwal- getragen ist, was das spezielle Länderrisiko anbe- tungsaufwandes kommen. langt. Der Rat hat sich im Dezember mit dem vorliegen- den Vorschlag der Kommission befaßt und im Norbert Otto (Erfurt) (CDU/CSU): Schönen Dank. wesentlichen alle deutschen Vorstellungen berück- sichtigt, so daß wir eine Zeitschiene für die Einfüh- Vizepräsident Hans Klein: Keine weitere Zusatz- rung dieses Führerscheins im Scheckkartenformat frage. Dann erteile ich Herrn Kollegen Duve das festlegen können. Wort. Wichtig für die Bundesregierung war, daß dieser Führerschein nicht auf eine Dauer von zehn Jahren Freimut Duve (SPD): Herr Staatssekretär, stimmen begrenzt wird, sondern unbefristet gültig ist, daß auf Sie im Namen der Bundesregierung mit mir darin diesem Führerschein ein beschreibbares Feld vorge- überein, daß die Kennzeichnung des mit uns sehr sehen wird, daß er aber keinen Chip enthält, da er befreundeten Landes Costa Rica als Krisengebiet für fahrerlaubnisrechtliche Zwecke nicht erforderlich und unsicheres Land von uns nicht übernommen und unter Gesichtspunkten des Datenschutzes pro- werden sollte? blematisch ist. Seit Dezember des vergangenen Jahres rechnen Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- wir damit, daß die Richtlinie nach der zweiten desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Duve, die Lesung im Europäischen Parlament bis zum Sommer Reisehinweise, von denen ich hier gesprochen habe, verabschiedet wird. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die vom Auswärtigen Amt in drei verschiedenen alle nationalen Vorschriften vorbereitet, und wir wol- Abstufungen herausgegeben werden, beinhalten die len gleichzeitig mit der Ausgabe des Führerscheins Stufen Reisewarnung, Sicherheitshinweis und Merk- im Scheckkartenformat auch die neuen Fahrerlaub- blatt. nisklassen einführen. Die von Ihnen angesprochene aktuelle Einschät- Ich fasse zusammen: Bis zum Sommer erwarten wir zung, die gerade unter touristischen Gesichtspunk- die Richtlinie. Dann erfolgt die Ausschreibung für die ten zu sehen ist, halte ich zum derzeitigen Zeitpunkt Hersteller der Karten. Die Herstellung selbst schließt für angemessen. Ich sagte bereits, daß die Einstu- sich an, so daß wir im Laufe des zweiten Halbjahres fung ständig überprüft und aktualisiert wird, so daß mit der Ausgabe der Führerscheine im Scheckkar- ich zur gegenwärtigen Einstufung stehen kann. tenformat beginnen können. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. 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Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Riedl, eine Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun- Zusatzfrage. desminister für Verkehr: Ich kann Ihnen sofort sagen, daß es den Führerschein gibt, der in der ehemaligen DDR ausgegeben wurde. Daneben ist der Führer- Dr. Erich Riedl (München) (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, mich interessiert, oh die ersten neuen schein gültig, der in der alten Bundesrepublik Gül- Euro-Führerscheine im Scheckkartenformat bereits tigkeit hat. Weitere Führerscheine sind mir nicht unmittelbar nach der bestandenen Prüfung an die bekannt, aber ich kann das nachprüfen lassen und frischgeprüften Fahrzeuglenker ausgegeben werden gebe Ihnen das schriftlich. Mir sind also zwei Versio- können oder nicht. Bisher gibt es ein mühsames Ver- nen bekannt. fahren: Wenn man die Prüfung bestanden hat, geht (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Es sind noch der Automatismus des Ausfüllens von Formblättern mehr! - Freimut Duve [SPD]: Noch ist die los. Man ist zwar lizenzierter Führerscheininhaber, Zahl der Scheinführer größer als die Zahl besitzt aber immer noch keinen Führerschein. der Führerscheine!) Sind Sie, Herr Staatssekretär, in der Lage, heute zu erklären, daß die Bundesregierung Richtlinien erar- Vizepräsident Hans Klein: Werden dazu weitere beitet, die die unmittelbare Ausgabe des neuen Fragen gestellt? - Das ist nicht der Fall. Herr Parla- Euro- „Scheckkarten" -Führerscheins nach bestande- mentarischer Staatssekretär, ich bedanke mich für ner Prüfung gewährleisten? Mich interessiert ferner, die Beantwortung. ob ich als Inhaber eines alten, zerfetzten Führer- scheins einer Umtauschpflicht unterliege oder ob der Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeri- Umtausch freiwillig geschieht? ums für Post und Telekommunikation soll die Frage 3 des Kollegen Peter Conradi schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- Ich hatte bereits erwähnt, daß die Führerscheinkarte riums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und ein beschreibbares Feld enthalten muß. Dieses Feld Technologie auf. Die Fragen wird uns der Parlamen- ist insbesondere dafür vorgesehen, daß die Prüflinge tarische Staatssekretär Bernd Neumann beantwor- sofort nach bestandener Prüfung ihre „Scheckkarte" ten. als Fahrerlaubnis erhalten. Die Karte kann während Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Horst der Ausbildung vorbereitet werden. Sie wird zentral Kubatschka auf: hergestellt. Die Gültigkeit der Fahrerlaubnis wird nach bestandener Prüfung in diesem Feld vermerkt. Ist die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Man kann sich - das Technologie, Bernd Neumann, auf meine Frage 30 in Drucksa- ist zumindest vorläufig so vorgesehen - freiwillig che 13/3180 zu Verhandlungen bezüglich der Versorgung mit hochangereichertem Uran aus russischen Beständen für den einen Führerschein im Scheckkartenformat ausstel- Forschungsreaktor (FRM II) in Garching (Plenarprotokoll 13/76 len lassen. Es besteht im Moment keine Pflicht. Sie vom 6. Dezember 1995, S 6704) so zu verstehen, daß die Techni- können Ihr Fahrzeug wahlweise entweder mit ihrem sche Universität München und die Bayerische Staatsregierung, herkömmlichen Führerschein oder mit dem durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie monatelang nicht, nicht ausführlich oder sogar Umtausch erhaltenen Führerschein im Scheckkar- falsch über die nach Presseberichten („Süddeutsche Zeitung" tenformat führen. vom 13./14. Januar 1996) nunmehr feststehende Tatsache, daß doch Verhandlungen mit Rußland geführt werden, informiert haben, und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage. daraus ziehen? Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Dr. Erich Riedl (München) (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, mich interessiert, was dieser neue Führerschein im Scheckkartenformat die Inhaber Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- kostet. Wird das ein zusätzliches Geschäft wie bei desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung den bei neuen Kfz-Schildern? und Technologie: Für einen langen Zeitraum bestand die Absicht, die Versorgung des FRM II mit hochan- gereicherten Uran, also HEU, aus westlichen Quel- Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun- len sicherzustellen. Dies hatte ich mehrfach in Frage- desminister für Verkehr: Nach unseren derzeitigen stunden zum Ausdruck gebracht. Inzwischen hat die Schätzungen wird er zirka 40 DM kosten. Euratom-Versorgungsagentur, die für die Versor- gung der Gemeinschaft mit Kernbrennstoffen Ver- (Dr. Erich Riedl [München] [CDU/CSU]: antwortung trägt, auch Gespräche mit Rußland auf- Vielen Dank!) genommen, um sich zusätzliche Lieferquellen zu erschließen. Nunmehr ist nicht auszuschließen, daß Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Koppelin. für die Versorgung des FRM II auch russische Quel- len in Betracht kommen. Darüber habe ich den Bun- destag in der Fragestunde am 6. Dezember 1995 Jürgen Koppelin (F.D.P.): Herr Staatssekretär, kön- nen Sie mir sagen, wieviel verschiedene Versionen unterrichtet. von deutschen Führerscheinen zur Zeit bei uns gültig sind? Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage. 6928 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, ist es angereiche rtes Uran, und dieses wäre, wenn auch richtig, wie heute die „Süddeutsche Zeitung" und mit größerem Aufwand, bombentauglich. Da setzt ja die „taz" melden, daß die Projektleiter der Techni- Ihre Kritik ein. schen Universität München Herrn Axmann einge- räumt haben, daß eine Reduzierung des Anreiche- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege rungsgrades auf ca. 70 Prozent möglich sei? Wird die Kubatschka. Bundesregierung jetzt darauf drängen, daß der Anreicherungsgrad des Urankerns, wie dies auch technisch möglich ist, auf 20 Prozent gesenkt wird? Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, für Sie war es sicher verwunderlich, daß man in Mün- (Zuruf von der CDU/CSU: Man soll nicht chen von 93 auf 70 Prozent zurückgegangen ist. Sie alles glauben, was in der Zeitung steht!) haben ja vorher wie ein Löwe für eine Anreicherung von 93 Prozent gekämpft. Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung Vizepräsident Hans Klein: Bis jetzt war es ein Kom- und Technololgie: Herr Kollege, Sie haben jetzt zwei mentar, Herr Kollege. Wenn jetzt die Frage käme, Zahlen zusammengefaßt. Als erstes haben Sie von würde es das Verfahren vereinfachen. 70 Prozent gesprochen und dann von einer zwanzig- prozentigen Anreicherung. Das ist eine beträchtliche Horst Kubatschka (SPD): Ja, ja. Differenz, denn bei einer siebzigprozentigen Anrei- cherung spricht man von hochangereichertem Uran Hat in bezug auf dieses Thema, wie die beiden Zei- und bei 20 Prozent von LEU. tungen - ich spreche jetzt von der „Süddeutschen" und der „taz" - in Ihren heutigen Ausgaben über Richtig ist, daß wir im Ministe rium dieser Frage, den Vermerk vom 21. Dezember, den Sie bereits wie Sie wissen, nachgehen, die insbesondere immer zitiert haben, bzw. über einen handschriftlichen wieder von amerikanischer Seite gestellt wird. Ob es Zusatz am Rande aus Ihrem Haus berichten, die Lei- möglich ist, den Reaktor FRM II, der in seiner Kon- tungsrunde im Ministerium über die weitere Strate- zeption praktisch fertig ist, auch mit niedrig angerei- gie bereits entschieden? Wenn ja: Zu welchem chertem Uran, also mit LEU, zu betreiben, war auch Ergebnis ist sie gekommen? schon Gegenstand der Fragestunde, im Oktober letz- ten Jahres an der Sie selbst beteiligt waren. Da geht Parl. Staatssekretär beim Bun- es nicht um die Frage von 70 Prozent - 70 Prozent Bernd Neumann, desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung wäre auch noch hoch angereichert -, sondern wirk- und Technologie: Wir haben uns vor wenigen Tagen lich um LEU, um 20 Prozent. in der Leitungsrunde nicht nur mit diesem Vermerk, Unser damaliger Erkenntnisstand - ich hatte dazu sondern mit dem ganzen Projekt befaßt und haben etwas gesagt - war der, daß dies ein „redesign" des das vereinbart, was ich Ihnen eben mitgeteilt habe: FRM II-Reaktors zur Folge hätte. Es müßte eine Wir wollen das Gespräch mit den Amerikanern wesentliche Vergrößerung des Reaktorkerns erfol- abwarten. Dabei füge ich jetzt hinzu, daß wir das gen. Die thermische Leistung würde sich um ganze Projekt begleiten. Sie wissen, der Betreiber ist 60 Prozent erhöhen, das heißt, die Umweltbeein- die Technische Universität München, und verant- trächtigung wäre wesentlich größer. Wichtig wäre wortlich dafür ist die Bayerische Staatsregierung. aber dabei, daß ein verdichteter Brennstoff anderer Das entbindet uns natürlich nicht davon, daß wir uns Qualität zur Verfügung stünde, um diese 20 Prozent um diese Dinge kümmern müssen. zu erreichen. Nach meiner damaligen Kenntnis - (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das ist ja daran hat sich bis dato nichts geändert - soll ein sol- nicht zu fassen!) cher Brennstoff in absehbarer Zeit nicht zur Verfü- gung stehen. Das hat für uns dazu geführt, daß wir Das tun wir gemeinsam, wie Sie merken. gesagt haben: Wenn es so ist, daß er nicht zur Verfü- Sollten sich andere Erkenntnisse als die bisherigen gung steht und daß die dementsprechende ver- ergeben, werden wir erneut darüber nachdenken gleichbare Leistung nur unter einer völligen Verän- müssen. Das warten wir einmal ab. derung der gesamten Planung mit dementsprechend höheren Kosten erbracht werden kann, dann bleiben wir bei der bisherigen Position. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Dr. Martin Mayer, Sie haben die nächste Zusatzfrage. Sie wissen, daß morgen erneut Gespräche einer größeren „community" mit den Amerikanern erfol- gen. Wir sind dort vertreten und werden unser weite- Dr. Ma rtin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Herr res Verhalten von diesen Gesprächen abhängig Staatssekretär, sind Sie bereit, hier eine Presseerklä- machen. rung des Bayerischen Kultusministeriums zur Kennt- nis zu nehmen, in der es heißt: Die Staatsregierung Letzte Bemerkung. Der Vermerk, der heute zitiert hält am Planungskonzept für die neue Forschungs- worden ist, ist zutreffend. Der Verantwortliche aus neutronenquelle fest. Weiter wird in der Mitteilung dem Betreiber der TU München hat davon gespro- festgestellt, daß es den Gegnern des Reaktors im chen, daß gegebenenfalls die Anreicherung, die jetzt Grunde nur darum geht, durch irgendwelche Ände- 93 Prozent beträgt, auf 70 Prozent reduziert werden rungsvorschläge das Gesamtkonzept zu Fall zu brin- kann. Dies wiederum wäre aber nach wie vor hoch- gen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6929

Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- schungszwecken möglich ist, hochangereichertes desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung Uran zu nutzen. Eine ganz andere Frage ist, wie man und Technologie: Herr Kollege, ich habe dies natür- das politisch bewe rtet. Da gibt es unterschiedliche lich, wie es sich gehört, zur Kenntnis genommen. Ich Auffassungen. möchte hinzufügen: Man muß bei diesem Sachver- Zu Punkt zwei Ihrer Frage. Solange ich in diesem halt sehr zwischen denjenigen, die ernsthaft - was Hause tätig bin - das sind inzwischen fünf Jahre - ich verstehe und auch begrüße - darüber nachden- beschäftige ich mich qua Zuständigkeit mit diesem ken, ob man in der Welt, in Europa und in Deutsch- Thema und beschäftige ich mich und beschäftigt sich land möglichst wenig hochangereichertes Uran ver- dieses Haus auch mit der Frage: Gibt es Alternati- wenden sollte und muß - das ist richtig; deswegen ven? haben wir auch eine Vielzahl von Reaktoren in Deutschland auf LEU umgestellt -, und denen unter- (Freimut Duve [SPD]: Ein hochangereicher scheiden, die aus politisch-ideologischen Gründen ter Kollege!) sich dieses Projekt, den FRM II, ins Visier genommen haben. Aus diesem Grunde begrüße ich sehr, daß die - Daran können Sie sehen, über welche Spannweite Bayerische Staatsregierung, wie wir das ohnehin von wir in der Bundesregierung verfügen. Bayern gewohnt sind, standfest ist und bleibt. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Er strahlt auch noch!) Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Wolf- Deswegen ist es sehr schön, Herr Kollege Catenhu- Michael Catenhusen. sen, daß Sie noch einmal darauf hinweisen, daß die Notwendigkeit besteht, immer erneut darüber nach- Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Herr Staatssekre- zudenken, ob gleiche Leistungsmöglichkeiten bei tär, stimmen Sie mir zu, daß die Bundesregierung aus einem solchen Reaktor mit niedrig-angereichertem Ihrer Verantwortung für die Proliferation, der sie sich Uran gegeben sind. Aber ich weise darauf hin, daß im Unterschied zur Bayerischen Staatsregierung auf wir diese Prüfung permanent vornehmen, daß wir sie Grund ihrer außenpolitischen Zuständigkeit in allein schon deshalb vornehmen, weil wir in einem besonderem Maße widmen muß, auch eine eigen- vernünftigen Gespräch mit den Amerikanern bleiben ständige Prüfung technischer Alternativen zu dem wollen. Es gab kürzlich eine sogenannte Parameter vorgelegten Reaktorkonzept hätte vornehmen müs- Studie aus dem Argonn National Laboratory, in der sen? Können Sie dem Hohen Hause vielleicht auch dieses Problem angesprochen wurde. Wir haben dies mitteilen, ob überhaupt in den letzten Jahren - denn nicht nur mit den Betreibe rn in München diskutiert, die Vorschläge liegen ja schon seit Jahren auf dem sondern haben dies auch zum Gegenstand wichtiger Tisch - von seiten des damaligen BMFT eine unab- Gespräche und Begutachtungen der gesamten hängige, eine eigenständige Prüfung - ich sage es „community" gemacht. Das Ergebnis war eben, daß einmal - von technologischen Alternativen, die den es diese Alternativen, bezogen auf die Leistungs- Einsatz von niedrig angereichertem Uran bei dem möglichkeiten des geplanten Reaktors, bisher nicht Münchener Konzept ermöglichen könnten, vorge- gab. nommen worden ist? Haben Sie eine solche Sache Die Tatsache, daß wir, ohne von irgend jemandem eigentlich einmal in Angriff genommen? Oder haben gedrängt zu werden, morgen wieder mit den Ameri- Sie sich nur auf die Angaben der Reaktorbauer in kanern zusammensitzen und just über dieses Thema München verlassen? diskutieren, macht deutlich, daß wir dem, was Sie wollen, offen gegenüberstehen. Ich bin mir sicher, - Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- daß wir, wenn es alternative Brennstoffe gibt, die desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung eine Reduzierung auf LEU möglich machen, und dies und Technologie: Erstens stimme ich Ihnen zu, daß auch im Rahmen vertretbarer Kosten realisie rt wer- die Bundesregierung immer dann, wenn sie finan- den kann, gemeinsam mit der Bayerischen Staatsre- ziell irgendwo beteiligt ist, auch ihre Möglichkeiten gierung neue Überlegungen anstellen. Aber bisher wahrnimmt, sich für das Projekt als solches zu inter- gab es dafür keine konkreten, realistischen Vorga- essieren, insbesondere dann, wenn es außenpoliti- ben. sche Dimensionen hat, wie es hier der Fall ist. Zweitens haben wir uns insbesondere mit diesen Vizepräsident Hans Klein: Bevor ich der Frau Kol- außenpolitischen Dimensionen befaßt. Das wissen legin Simone Probst das Wort zu einer weiteren Sie; dies war mehrfach Gegenstand auch in den Fra- Frage gebe, habe ich eine kleine Bemerkung an den gestunden. Ich habe längere Diskussionen im Abrü- Parlamentarischen Staatssekretär, die Sie mir bitte stungsausschuß des Deutschen Bundestages mit den nicht verübeln wollen. Sie gebrauchen, abgesehen Kollegen des Deutschen Bundestages geführt. Wir von den Fachbegriffen, die für die Fachleute da sind, sind gemeinsam zu der Auffassung gekommen, daß, nun schon mehrfach einen Begriff: Wer ist die „com- bezogen auf den Nichtverbreitungsvertrag und auch munity"? das sogenannte RERTR-Programm, also das Anrei- cherungsreduzierungsprogramm, rechtliche Hinder- Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- nisse und Bedenken nicht bestehen und daß in allen desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung diesen Vertragsverhandlungen, auch jüngst noch und Technologie: Herr Präsident, unter „community" einmal bei der Verlängerung des NV-Vertrags, klar- verstehen wir diejenigen, die in diesem Fachbereich gelegt wurde, daß es in bestimmten Fällen bei For wissenschaftlich tätig sind. 6930 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Vizepräsident Hans Klein: Danke. Richtig ist, daß die bisher fest geforderten 93 Prozent in Frage gestellt werden und daß von Das Wo zur nächsten Zusatzfrage hat die Kolle- rt einem Vertreter der Betreiber von 70 Prozent gespro- gin Simone Probst. chen wird. Das sind die Fragen, die wir auch morgen erörtern wollen. Simone Probst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben von der Verfügbar- Weitere Zusatzfragen keit von möglichen Brennstoffen. Der Vorschlag, auf Vizepräsident Hans Klein: werden nicht gestellt. eine Abreicherung von 70 Prozent zu gehen, hat Konsequenzen natürlich auch für die Zusammenset- Dann rufe ich die Frage 5 auf, die ebenfalls der zung des Brennstoffs. Deshalb möchte ich Sie fragen., Kollege Horst Kubatschka gestellt hat: welche Brennstoffdichte für eine mögliche Abreiche- Treffen Pressemeldungen in der „Süddeutschen Zeitung" rung auf 70 Prozent vorgesehen ist und ob Brennele- vom 21. Dezember 1995 zu, wonach die EU-Kommission mit- mente mit dieser Dichte und einer Anreicherung von teilte, daß es „Anforderungen u. a. vom FRM II" für die Liefe- 70 Prozent bereits Bestrahlungstests unterzogen wor- rung von hochangereichertem Uran (HEU) gebe, und wenn ja, den sind. ist der Bundesregierung bekannt, wann ein entsprechender An- trag gestellt wurde? Ich bitte Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung um Beantwortung. und Technologie: Frau Kollegin, wahrscheinlich bin ich da im Gegensatz zu Ihnen kein Fachmann. Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Fachfrau!) und Technologie: Für die von Ihnen zitierte Mittei- - Daß ich keine Fachfrau bin, ist vielleicht erkennbar. lung in der Presse liegt mir von der Kommission der - Deshalb sehe ich mich nicht in der Lage, diese EU keine Bestätigung vor. fachspezifische Frage zumindest so zu beantworten, daß sie in jedem Fall wissenschaftlich korrekt beant- Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol- wortet ist. Ich würde das gern nachholen. lege Kubatschka. Dieser Frage bin ich - dafür liegen mir Anhalts- punkte vor - bei einer Anreicherung mit einem Grad Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, von 20 Prozent nachgegangen. Das war aber nicht wurde von der EU-Kommission oder den beteiligten Gegenstand Ihrer Frage. Dazu hatte ich im Oktober Mitgliedstaaten - nach meinen Informationen han- in der Fragestunde nach Vorbereitung Stellung delt es sich hierbei um Deutschland, Frankreich, Bel- genommen. Sie fragen jetzt nach 70 Prozent und wie gien, die Niederlande und Großbritannien - eine da die Dichte des Brennstoffes sein muß und wie es gemeinsame Position im Hinblick auf die Verhand- mit Bestrahlungstests steht. Wenn Sie mir erlauben, lungen mit Rußland über die Lieferung von Uran würde ich Ihnen diese Frage, weil sie nun wirklich bereits erarbeitet, oder wurde sie bereits festgelegt? sehr technisch ist, gern schriftlich beantworten. Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- Vizepräsident Hans Klein: Bitte, Frau Kollegin. desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sie müssen sehen - ich sage das, Marion Caspers-Merk (SPD): Herr Staatssekretär, um erst einmal den Hintergrund Ihrer Frage darzu- ist der Bundesregierung denn bekannt, wie es zu die- stellen -, wie das Ganze formal abläuft. Für Verhand- ser überraschenden Kehrtwende der Projektgruppe lungen über neue Lieferquellen sind zum einen die „Neuer Forschungsreaktor" gekommen ist? Ich frage Betreiber oder von den Betreibern legitimie rte Privat- dies, weil Sie im Parlament jetzt alle Mühe haben, firmen zuständig - in Deutschland ist eine, die das von Ihren ursprünglichen Äußerungen zurückzuru- macht, bekannt, nämlich Nukem - und zum anderen dern. die europäische Versorgungsagentur, bei Euratom angesiedelt, die zwar nicht die einzelnen Verträge für die konkrete Zuweisung aushandelt, die aber die Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- generelle Verantwortung für die Versorgung der EU- desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung Staaten mit Brennstoff wahrnimmt und bei Verträgen und Technologie: Wir müssen erst einmal den Begriff über Lieferungen mitzeichnet. „Kehrtwende" definieren. „Kehrtwende" in dieser Frage würde bedeuten, daß man von hochangerei- Nach meiner Kenntnis gibt es, praktisch im letzten chertem Uran, also HEU, zu niedrigangereichertem Jahr beginnend, seitens der Versorgungsagentur Uran, LEU, kommt. Das entspräche in dem ersten konkrete Gespräche mit verschiedenen Lieferanten, Fall einem Anreicherungsgrad von 93 Prozent - so ist auch mit Rußland. Es gibt auch, wie mir bekannt ist, das jetzt vorgesehen -, im zweiten Fall wären es die Absicht, dies in konkrete Verträge umzumünzen. 20 Prozent. Bei dem neuen Vermerk in unserem Mir ist nicht bekannt, daß es auf anderer Ebene, also Hause, heute in der „Süddeutschen Zeitung" nach- zum Beispiel im sonstigen EU-Bereich, bestimmte zulesen, geht es nur um eine Reduzierung auf Absprachen oder Regelungen, bezogen auf Vertrags- 70 Prozent. Das ist zwar eine Reduzierung, aber nicht umstände mit Rußland, gibt. Dabei ist zu sagen, daß die Nutzung von LEU. Insofern kann ich eine drasti- die Regelungen, die überall gültig sind, auch hier sche Kehrtwende nicht sehen. gültig sind. Insofern verstehe ich die Bedenken dage- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6931 Parl. Staatssekretär Bernd Neumann gen, russisches Material heranzuziehen, weniger, Vizepräsident Hans Klein: Keine zweite Zusatz- weil nämlich eine Inanspruchnahme russischen frage, Herr Kollege Kubatschka? Materials über Euratom dazu führt, daß auch dieses der strengen und scharfen europäischen Kontrolle (Zurufe von der SPD: Er hatte schon zwei!) unterzogen wird. - Jetzt wollte ich mich mal zu Ihren Gunsten verzäh- (Freimut Duve [SPD]: Hier ging es über die len! Lufthansa!) Die nächste Zusatzfrage, Frau Kollegin Simone Das ist mir noch immer sympathischer, als wenn sol- Probst. che Dinge auf anderen Märkten stattfinden. Herr Kollege, es wird hier also wohl verhandelt wie Simone Probst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, eben wurden schon die Verhandlun- auch mit anderen Lieferanten. Es gelten die gleichen gen mit Rußland und auch die Ro lle der EU-Kommis- strengen Kriterien. Deswegen - so vermute ich - gibt sion angesprochen. Ich möchte Sie fragen: Welches es auch keine zusätzlichen Absprachen. Ressort vertritt bei diesen Verhandlungen die Inter- Aber, wie gesagt, ich kann dies nur aus dem Stand essen Deutschlands, und wann rechnen Sie mit heraus beantworten. Mir ist nicht bekannt, daß es einem Abschluß der Verhandlungen? zusätzliche Gespräche im politischen Bereich gibt, was diesen Tatbestand bet rifft. Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege und Technologie: An den Verhandlungen ist die Ver- Kubatschka, eine Zusatzfrage. sorgungsagentur, die Euratom zugeordnet ist, betei- ligt, und diese führt die Verhandlungen. Insofern Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, Sie gehe ich davon aus, daß keine bestimmte Generaldi- haben davon gesprochen, daß 1995 bereits verhan- rektion der Kommission diese Verhandlungen direkt delt wurde. Wann wurde denn konkret mit den Ver- führt. Ich nehme allerdings an, daß die Versorgungs- handlungen begonnen? agentur einem bestimmten Bereich, nämlich dem Energiebereich, zugeordnet ist. Aber die Verhand- lungen selbst werden autonom von der Versorgungs- Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- agentur der Euratom durchgeführt. desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie müssen immer sehen - ich habe Ihnen das schon Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Dr. Martin einmal gesagt -, daß von Agenturen über Verhand- Mayer. lungsgegenstände in diesem Bereich und auch über Partner aus einer Reihe von Gründen sehr ungern Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Herr gesprochen wird. Trotzdem haben wir uns der Pflicht Staatssekretär, ist es richtig, daß die Brennstoffmen- unterzogen, dem nachzugehen, auch über unsere gen, die man für den künftigen Forschungsreaktor ständigen Vertreter do rt vor Ort. Daraus resultiert, braucht, im Verhältnis zu den Mengen an spaltbarem daß es Ende 1994/Anfang 1995 erstmalige - wie soll Material, die in Rußland vorhanden sind, sehr gering man sagen? - Kontakte gegeben hat und daß diese sind, und habe ich Sie da richtig verstanden, daß es Kontakte im Laufe des Jahres 1995 intensiviert wor- dennoch sinnvoll ist, auch mit Rußland über die Lie- den sind, wie gesagt, was die Versorgung und die ferung von spaltbarem Mate rial oder von- Brennstoff Lieferung aus Rußland angeht. für diesen Zweck zu verhandeln, weil damit ein - Wie jetzt das konkrete Stadium aussieht, kann ich wenn auch nur ganz geringer - Teil in eine geord- Ihnen nicht sagen. Ich kann hier auch kein Datum nete Entsorgung in Europa kommt? nennen. Das könnte mir im übrigen auch die Bayeri- (Lachen bei der SPD - Freimut Duve [SPD]: sche Staatsregierung nicht nennen. Sie müssen ja Bei einer solchen Frage müssen Sie stehen immer berücksichtigen: Die Bayerische Staatsregie- bleiben! Eine dramatische Frage!) rung ist der eigentlich Verantwortliche in Verbin- dung mit dem Betreiber, der TU München - wir holen uns unsere Informationen von dort -, und Eura- Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- tom wiederum unterliegt keinen Vorschriften, zu desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung welchem Zeitpunkt sie über was verhandelt. und Technologie: Es ist richtig, es ist nur ein geringer Teil. Es ist ebenfalls richtig, Herr Kollege Mayer, daß Von einem können Sie ausgehen: daß ich Sie all das, was in den Bereich von Euratom integ riert immer korrekt informiert habe, soweit ich selbst Kon- wird, einer sehr strengen und sehr scharfen informiert worden bin. trolle unterzogen wird. Dies ist gerade deshalb wich- tig, weil sich die Bedenken gegen hochangereicher- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Ja, das ist tes Uran auf die mögliche Fähigkeit, Bomben daraus in Ordnung! Das unterstellen wir Ihnen!) herzustellen, beziehen. Je straffer dieses Mate rial Anders würden auch Sie Informationsmöglichkeiten kontrolliert wird, desto eher ist dies ausgeschlossen. und -pflichten nicht handhaben können. Deshalb stimme ich der Fragestellung zu. (Horst Kubatschka [SPD]: Das war das Ent Im übrigen wird, bezogen auf das Material, das in scheidende: wie Sie informiert sind!) Rußland sicherlich in großer Menge vorhanden ist, 6932 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 Part. Staatssekretär Bernd Neumann der FRM eine kleine Menge benötigen. Der FRM nehmen. Das ist in manchen Reaktoren möglich; in braucht nach den jetzigen Planungen etwa 40 Kilo- zwei oder drei tun wir dies auch. gramm im Jahr. Um eine andere Dimension zu nen- nen: In Westeuropa wird für die noch mit HEU betrie- Das heißt, daß man aus dem Vorgang, den Sie, benen Forschungsreaktoren jährlich eine Gesamt- bezogen auf FRM II, jetzt überdimensionieren, menge von einigen hundert Kilogramm hochangerei- schließen kann, dadurch würde der gesamte Markt chertem Uran benötigt. Dies sind im Hinblick auf die motiviert und angereizt, das sehe ich nicht. Das Mengen, die in Rußland vorliegen - das kann man würde vielleicht zutreffen, wenn das der einzige mehr oder weniger nur Berichten entnehmen -, ganz Reaktor wäre und ganz andere Dimensionen hätte. Deswegen kann ich die Befürchtung in Ihrer Frage geringe Mengen. nicht teilen. Im übrigen: Selbst wenn wir den Reaktor FRM II Vizepräsident Hans Klein: Kollege Catenhusen. bei München nicht betrieben, wäre das Phänomen, das Sie beklagen, ohnehin vorhanden. Das würde Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Das gibt mir eine Pakistan und andere, die Sie angesprochen haben, gute Gelegenheit zu meiner Nachfrage. Herr Staats- nicht davon abhalten, mit russischen Lieferungen ins sekretär, angesichts der Tatsache, daß in Rußland, Geschäft zu kommen. glaube ich, Hunderte von Tonnen hochangereicher- ten Urans lagern und wir wahrscheinlich nicht versu- Unsere These ist hier: Je mehr von diesem Mate rial chen - unterstützt von der Bayerischen Staatsregie- einer gezielten Kontrolle zugeführt wird, um so gün- rung -, das alles aufzukaufen, sehen Sie nicht eher stiger ist das. Mir kann keiner einreden, daß diese die Gefahr darin, daß durch den Verstoß der Euratom wenigen 40 Kilogramm - von denen nicht einmal klar auch in Ländern in anderen Erdteilen, die For- ist, daß sie in jedem Fall aus russischen Quellen schungsreaktoren betreiben und die bisher ihr Mate- stammen; die Möglichkeit wird nur nicht ausge- rial dafür nur von der amerikanischen Regierung schlossen -, bezogen auf die vielen Tonnen solchen beziehen - wobei diese auch eine Rücknahmever- Materials zum Beispiel in Rußland - das haben Sie pflichtung gegenüber diesen Ländern eingeht; das selber gesagt -, einen weltweiten Handel besonders heißt, die Länder bekommen das Mate rial nur, wenn anreizen und motivieren sollten. Diese Befürchtung sie es nachher an die Amerikaner zurückgeben -, ein teile ich, bezogen auf FRM II, nicht. ziviler Käufermarkt für hochangereichertes Uran ent- steht - wie von der SPD seit Jahren befürchtet -, an Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen dem dann nicht nur die Euratom, sondern eine Viel- werden dazu nicht gestellt. zahl von Staaten, die Kernforschung betreiben, inter- essiert sind? Ich nenne als Beispiel Pakistan; das ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bedan- ein zarter Hinweis, wozu so etwas führen kann. ke mich für die äußerst ausführliche Beantwortung der Fragen. An sich hätten wir es in der Fragestunde gern kürzer. Das ist aber keine Kritik an Ihnen; denn Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär beim Bun- wenn die Frage selbst schon sehr ausführlich ist und desminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung die Zusatzfragen es ebenso sind, dann werden häu- und Technologie: Herr Kollege, uns liegen keine fig auch die Antworten sehr lang. Das nimmt aber Informationen vor, daß die Absicht der Bundesregie- der Fragestunde ein bißchen den Charakter des rung - bzw. in erster Linie der Bayerischen Staatsre- raschen Informationsaustausches. gierung in Verbindung mit Zuschüssen der Bun- desregierung -, einen solchen Reaktor zu betrei- (Zuruf von der SPD: Der war schon- da!) ben, woanders gewisse Motivationen hervorruft, Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes- ähnliches zu tun. Das sind Vermutungen. Das kann kanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beant- sein, das muß aber nicht so sein. wortung der Fragen ist der Staatsminister Be rnd Im übrigen weise ich darauf hin, daß es weltweit Schmidbauer erschienen. eine Vielzahl solcher Reaktoren gibt. Ich rufe die Frage 6 auf, gestellt vom Kollegen Frei- (Wolf-Michael Catenhusen (SPD]: Ja, des mut Duve: halb ja! Das ist ja das Problem!) Kann die Bundesregierung ausschließen, daß die von Herrn Schmidt-Eenboom in der „ARTE"-Sendung „Die neuen Spione" - Sie wird es auch weiterhin geben, Herr Kollege. - am 14. Dezember 1995 gemachten Behauptungen (- danach ver- Es wird ja so getan, als sei das beim FRM II in Bayern folge der BND auch eine strategische Operationsform zur Er- eine einmalige Sache. schließung von Märkten und Staaten für die deutsche Wi rt -schaft. Das geschehe einmal auf traditionelle Weise, wie in Kroa- Allein die USA, die aus anderen Gründen sehr tien, durch illegale Waffenlieferungen, zum zweiten durch Ope- rationen, wie gegen Algerien und Frankreich. So hätte der BND besorgt sind, betreiben 20 solcher Reaktoren, in 1993 und 1994 die algerische FIS unterstützt, z. B. durch Beihilfe Frankreich werden zwei Reaktoren bet rieben, es gibt zum Waffenschmuggel für algerische Terroristen, Lieferung von zwei weitere in Europa, und die werden weiterbetrie- Funkgeräten an diese und Ausbildung von Aktivisten. Parallel ben. Deswegen verhandelt im übrigen Euratom auch dazu würde den Auslands-Exilführern der Terroristen in Deutschland Bleiberecht gewährt mit dem Ziel, nach deren mit Rußland über zusätzliches Mate rial. Also, hier Machtübernahme in Algerien das französische Wirtschaftsmo- geschieht nichts, was ganz einmalig ist. nopol in diesem Land zu knacken -) auf Vorgängen beruhen, die derartige Schlüsse erlauben oder nahelegen? Dennoch begrüßen wir die Absicht, wo immer es möglich ist, eine Anreicherungsreduzierung vorzu Bitte, Herr Staatsminister. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6933

Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage. kanzler: Herr Kollege Duve, die Bundesregierung kann nach den mir vorliegenden Berichten und Infor- mationen ausschließen, daß die in Ihrer Frage wie- Freimut Duve (SPD): Herr Staatsminister, dieser dergegebenen Behauptungen des Herrn Schmidt- Autor hat - es fast voraussetzend - in dieser Sendung Eenboom über angebliche BND-Aktivitäten und behauptet - wir haben uns eine Gesamtabschrift über angebliche Bevorzugungen von Terroristen bei machen lassen -, daß die Aktivitäten des BND ins- der Aufenthaltsgewährung in Deutschland den Tat- gesamt der Aufbereitung der Marktfähigkeit deut- sachen entsprechen oder aus tatsächlichen Vorgän- scher Produkte dienten und im Grunde genommen gen abgeleitet werden können. verlängerter Arm unserer Außenhandelsinteressen seien. Darauf stützt er dann seine Behauptungen.

Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol- Was wird die Bunderegierung tun, um den Ein- lege Duve. druck zu widerlegen, wir hätten einen Geheim- dienst, der für die wirtschaftlichen Chancen unseres Freimut Duve (SPD): Herr Staatsminister, da die Landes im Ausland tätig ist, welcher ja exakt dem Vorwürfe von Herrn Schmidt-Eenboom, Beihilfe Eindruck entspricht, den wir von den früheren kom- zum Waffenschmuggel für algerische Terroristen, munistischen Staaten und deren Geheimdienstaktivi- Lieferung von Funkgeräten an diese - ich zitiere aus täten haben mußten? dieser Sendung - und Ausbildung von Aktivisten, sehr, sehr schwerwiegend wären, wenn auch nur ein Hauch von Realität dahinterstünde: Was gedenkt die Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- Bundesregierung zu tun, um Herrn Schmidt-Een- kanzler: Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Sie in den boom die Wiederholung solcher Behauptungen, die letzten Tagen eine Sendung im ZDF verfolgt haben, ja auch Straftatbestände betreffen, zu untersagen? die sich mit dem Thema Wirtschaftsspionage beschäftigt hat. Ich habe dort klar Position bezogen, daß dies nicht Aufgabe des deutschen Auslands- Staatsminister beim Bundes- Bernd Schmidbauer, nachrichtendienstes ist. Die Antwort finden Sie auch kanzler: Herr Kollege Duve, dies ist eine für mich sehr in § 1 Abs. 2 des Bundesnachrichtendienstgesetzes. wichtige Frage, die auch geprüft wurde. Ich will Ihnen Dort heißt es: „Der Bundesnachrichtendienst sam- dazu sagen, daß die Bundesregierung nicht den Ein- melt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das druck hat, daß die Darstellungen Schmidt-Eenbooms Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer über Aktivitäten oder Interna deutscher Nachrichten- Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, dienste bei Leuten noch auf Glauben stoßen, die sich die erforderlichen Informationen" und berichtet dar- ihre Meinung kritisch und vorurteilsfrei bilden. über der Bundesregierung. Nun kommt der entschei- Die Bundesregierung kann im übrigen aus dende Punkt: Die Weitergabe von Informationen des bekannten Gründen nicht in der Weise reagieren, Bundesnachrichtendienstes an andere als öffentliche daß sie zum Zwecke der Richtigstellung die wahren Stellen ist nach § 9 Abs. 2 des BND-Gesetzes von der Gegebenheiten im nachrichtendienstlichen Bereich Zustimmung des Chefs des Bundeskanzleramtes öffentlich auf den Tisch legt. Das weiß Herr Schmidt- abhängig gemacht und setzt voraus, daß die Weiter- Eenboom sehr genau. Das ist auch die Basis seines gabe aus außen- und sicherheitspolitischen Gründen Auftritts als „Experte für nachrichtendienstliche erforderlich ist. Angelegenheiten" . Ich will es mit einem anderen technischen Beg riff Trotzdem will ich mich noch einmal mit dieser umschreiben: Wir haben dem BND keinen Auftrag Geschichte beschäftigen; denn ich gebe Ihnen recht, dieser Art gegeben. Der BND würde sich hier außer- daß es an sich ungeheure Vorwürfe sind, die aber halb seiner Aufgaben bewegen. Auch im Hinblick absurd sind. Ich will bei Ihrer zweiten Frage nachher auf die weltweiten Aufgaben von Nachrichtendien- auf diesen Punkt eingehen, weil von unserer Seite sten, auch westlicher Partner, haben Diskussionen aus natürlich nicht nur der innenpolitische Teil stattgefunden. Sie wissen das auch. Ich will aber die- Beachtung finden muß, sondern auch die außenpoli- sen Aspekt aus Ihrer Frage aufgreifen, um die Ange- tischen Wirkungen auf unsere Partner. legenheiten in den dafür zuständigen Gremien noch Wir haben schon wiederholt festgestellt, daß es sol- einmal anzusprechen. Dazu bietet sich in naher che Behauptungen gibt, und haben in entsprechen- Zukunft eine ganz gute Gelegenheit. der Weise reagiert. Ich habe Ihnen eben klarzulegen versucht, warum wir so und nicht anders reagie rt Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen haben. Im übrigen wissen Sie, daß es relativ schwie- dazu? - Es werden keine gestellt. rig ist, über die Presse ein entsprechendes Dementi dann so abzusetzen, daß die Dinge nicht dadurch Dann rufe ich die Frage 7, ebenfalls gestellt vom kontraproduktiv aufgewertet werden, daß sie ent- Kollegen Freimut Duve, auf: sprechend ausführlich dargestellt werden. Außerdem - das ist der Hauptgrund für uns - können wir ND- Was hat die Bundesregierung getan, und was gedenkt sie zu Informationen nicht in dieser Weise öffentlich tun, um solchen Meldungen entgegenzutreten und den für die deutsch-algerischen und die deutsch-französischen Beziehun- machen, wohl aber - und das geschieht auch - in den gen verursachten Schaden zu begrenzen und auszuräumen? dafür zuständigen Gremien des Deutschen Bundes- tages darstellen. Bitte, Herr Staatsminister. 6934 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- zwei Tage vorher, als wir bei einem bilateralen kanzler: Herr Kollege Duve, ich habe schon in der Gespräch in Frankreich waren - ich habe do rt berich- Antwort auf die vorangegangene Frage auf folgen- tet, daß ich nach Algerien führe -, habe ich gemerkt, des hingewiesen: Den Behauptungen des Herrn daß die Irritationen und die Unsicherheiten zwischen Schmidt-Eenboom ist bei den französischen und Paris und Bonn, was die Beziehungsformen anbe- algerischen Partnern in entsprechender und geeig- langt - auch meine Unsicherheit gegenüber der fran- neter Form entgegengetreten worden. Dabei ist aller- zösischen Haltung -, doch nach wie vor relativ stark dings auch festzuhalten, daß entweder aus Mangel sind. an Glaubwürdigkeit dieser Behauptungen von vorn- herein kein Schaden hat entstehen können oder aber Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- durch rechtzeitige Richtigstellung der Eintritt eines kanzler: Herr Kollege Duve, ich kann Ihnen aus eige- solchen Schadens abgewendet werden konnte. ner Erfahrung bestätigen, daß es in bestimmten Ich will Ihnen dazu konkret vorlesen, was das Aus- Bereichen Irritationen geben muß, weil die Probleme wärtige Amt an die Botschaft in Algier mitteilt. Ich nicht in aller Ausführlichkeit ausgebreitet werden zitiere: können. Deutsche Stellen haben zu keiner Zeit algeri- Ich selber habe diese Erfahrung im Maghreb schen Oppositionsgruppen Hilfe in Form von gemacht. Ich war nur aus diesem Grund in den letz- Waffen, Ausrüstung und Ausbildung gegeben ten Monaten in mehreren dieser Staaten. Denn Sie oder angeboten. Der von Schmidt-Eenboom haben recht, daß es keinen Sinn macht, daß diese gemachte Vorwurf ist absurd und entbehrt auch Länder eine solche Vorstellung von der Situation in vor dem Hintergrund der engen deutsch-franzö- der Bundesrepublik Deutschland haben. Auch was sischen Zusammenarbeit jeglicher Grundlage. die gesetzlichen Grundlagen anbelangt, gibt es hier viele Mißverständnisse im Hinblick auf das Asylver- Diese Meldungen wurden an die Zeitung „el Watan" fahren, auf unseren Datenschutz und ähnliches, um weitergeleitet, die sie dann auch veröffentlicht hat. nur einige Beispiele zu nennen. Ich habe genau dies Zusätzlich erhielten das algerische Außenministe- gemacht, was wohl auch Sie gemacht haben: Ich rium und die französische Botschaft in Algier je eine habe versucht, die Realität in der Bundesrepublik Kopie. Unser Botschafter in Algerien hatte darüber Deutschland darzustellen, die entsprechenden Argu- hinaus in einem Gespräch mit seinem französischen mente zu entkräften oder auf sie in besonderer Weise Kollegen die von Schmidt-Eenboom erhobenen Vor- einzugehen. Ich habe das in Ägypten gemacht, ich würfe entkräftet, und zwar relativ zeitnah. Die Vor- habe das in Tunesien gemacht, vor wenigen Wochen würfe wurden im übrigen von französischer Seite von auch in Marokko. Ich habe dies natürlich auch bei vornherein als nicht zutreffend angesehen. meinen Gesprächen im europäischen Bereich reali- Nachdem Sie in Ihrer vorangegangenen Frage auf siert. die Ungeheuerlichkeit zu Recht hingewiesen haben, Das Fazit, das ich ziehen will, lautet: Es gibt bei darf ich noch sagen, daß es in den Gesprächen mit unseren Partnern diese Irritationen nicht, weil sie der französischen Regierung, die ich in regelmäßi- unsere Zusammenarbeit auf diesem Sektor schätzen gem Abstand in diesem Zusammenhang führe, auf und sie sehr detailliert kennen. Ich bin gern bereit, französischer Seite überhaupt keine Irritationen Ihnen sowohl über den Bereich Maghreb als auch gegeben hat. Ich darf Ihnen sagen, daß wir mit der über die Zusammenarbeit mit unseren Partnern auf französischen Regierung in den Bereichen des Terro- diesem Sektor persönlich zu berichten. Hier gab es in rismus und Extremismus in einer sehr guten Weise den letzten Monaten entscheidende Aktivitäten zusammenarbeiten. Ich empfehle Ihnen auch einen zusätzlicher Art im Hinblick auf die Bedrohungssi- Bericht der Bundesregierung über Aktivitäten aus- tuation in Europa durch Extremisten und Terroristen. ländischer Extremisten und Terroristen auf unserem Boden, der jetzt für die Öffentlichkeit freigegeben wurde. In diesem Bericht wird auch ausführlich auf Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage. die Frage der Asylgewährung und die Frage „Ruhe- raum Bundesrepublik Deutschland", die uns ja im Freimut Duve (SPD): Herr Staatsminister, Ihre aus- außenpolitischen Bereich Kopfzerbrechen macht, führliche Antwort veranlaßt mich zu einer letzten eingegangen. Ich werde veranlassen, daß Sie eines Frage. Sind Sie bei diesen erwähnten vielen Gesprä- der ersten Exemplare heute noch zugestellt bekom- chen in den arabischen Staaten durch die dortigen men. Regierungen auf die Iran-Politik der Bundesrepublik Deutschland in diesen Zusammenhängen angespro- Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage. chen worden?

Freimut Duve (SPD): Herr Staatsminister, ich Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- befand mich auf einer etwas schwierigen Reise nach kanzler: Das war auch Gegenstand der Besprechun- Algier just an dem Tag, an dem „el Watan" diesen gen. Angesprochen wurde ich nicht; aber wenn ich Artikel veröffentlicht hat. Wäre es nicht an der Zeit, über den Extremismus in der Bundesrepublik daß die Bundesregierung gegenüber diesem Kom- Deutschland rede, ist klar, daß ich einen ganzen plex „Ruheraum/Unterstützung von Tätigkeiten Bedrohungsgürtel mit einschließe und nicht nur die algerischer Terroristen" eine wirkliche Aufklärungs- jeweilige bilaterale Situation vor Ort diskutiere. Ich offensive im Maghreb-Bereich unternimmt? Denn bin bereit, mit Ihnen auch darüber ein sehr ausführli- Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6935

Staatsminister Bernd Schmidbauer ches Gespräch zu führen. Ich hielte es sogar für nütz- in einem Fjord in Norwegen - eine „Düngung" grö- lich, gerade im Hinblick auf Ihre letzte Frage. ßerer Meeresgebiete ist im Gegensatz zu Pressemel- dungen nicht vorgesehen -; mathematische Model- lierung. Vizepräsident Hans Klein: Werden aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen Zusatzfragen gestellt? Das norwegische Unternehmen „Norsk Hydro" ist - Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister, ich nach Auskunft des Kieler Instituts an der chemischen bedanke mich für die Beantwortung und für das Analytik und an der mathematischen Modellierung zusätzliche Informationsangebot an den fragestellen- beteiligt. den Kollegen. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Klärung offe- Die Frage 8 der Kollegin Dr. Elke Leonhard aus ner wissenschaftlicher Fragen im Zusammenhang dem Bereich des Bundesministeriums der Justiz soll mit den in letzter Zeit immer häufiger zu beobachten- auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet den Artenverschiebungen in eutrophierten Gewäs- werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. sern. Insofern besteht auch aus Umweltsicht ein gro- Auch die Fragen 9 bis 16 aus dem Geschäftsbe- ßes Interesse an dem beschriebenen Projekt, weil reich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozial- durch erweiterte Erkenntnisse möglicherweise die ordnung sollen auf Wunsch der Fragesteller schrift- Maßnahmen zur weiteren Verminderung der Nähr- stoffeinträge und zur Verringerung nachteiliger Aus- lich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. wirkungen der Eutrophierung verbessert werden können. Die kritische Diskussion von Umweltaus- Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- wirkungen ist Teilaspekt der Antragstellung. Die nisteriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Stellungnahme der Gutachter des Forschungsantra- cherheit. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamen- ges verneint negative Umwelteinflüsse durch diese tarischer Staatssekretär Walter Hirche zur Verfü- Untersuchung. gung. Ich rufe die Frage 17, gestellt von der Kollegin Ulrike Mehl, auf: (Ulrike Mehl [SPD]: Das ist klar!)

Ist der Bundesregierung bekannt, daß der größte norwegische Düngemittelproduzent zusammen mit dem Energieversor- Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Mehl, die gungsunternehmen „Norsk Hydro" bei der EU einen Förde- rungsantrag für ein Forschungsprojekt zur Düngung der Nord- erste Zusatzfrage. see zwecks verbesserter Fischanzucht beantragt hat (der inzwi- schen in die Priorität A eingestuft wurde), und wie reagie rt die Bundesregierung im Hinblick auf die ökologischen Folgen auf Ulrike Mehl (SPD): Herr Hirche, Sie haben das sehr dieses Vorhaben? schön verpackt. Daß das der größte Düngemittelher- Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte um steller in Norwegen gerne auch so verpackt, kann ich Beantwortung. gut nachvollziehen. Können Sie mir sagen, welche konkreten Maßnah- Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- men im schleswig-holsteinischen Wattenmeer im ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Rahmen dieses Projektes vorgesehen sind? Es ging cherheit: Herr Präsident! Frau Kollegin, im Rahmen durch die Presse - darauf wollte ich mich noch ein- des Meeresforschungsprogramms der Europäischen mal konkret beziehen -, die Nährstoffeinträge seien Kommission (MAST III) soll das Forschungsprojekt so stark zurückgegangen, daß man im Interesse der COMWEB gefördert werden. Es handelt sich um ein Fischzucht nachfüttern müßte. Wissen Sie etwas dar- Verbundvorhaben, an dem neben der federführen- über, und wenn ja: Wie ist das schleswig-holsteini- den Universität Trondheim mehrere europäische For- sche Wattenmeer betroffen? schungsinstitutionen, darunter auch das Institut für Meereskunde in Kiel, teilnehmen. Das Vorhaben -steht zur Zeit auf Rang 1 der Warteliste des MAST Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- III-Programms. ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit: Frau Kollegin, nach unseren Informationen Mit COMWEB soll die Grundlagenforschung zur ist das schleswig-holsteinische Wattenmeer über- Nährstoffproblematik vorangetrieben werden. Theo- haupt nicht betroffen. Ich kann aus dem Artikel - mir rien zur Struktur und zur Dynamik ma riner Nah- liegt nur ein Artikel der „Kieler Nachrichten" vom rungsnetze sollen überprüft und weiterentwickelt 30. Dezember vor - werden. Insbesondere soll die Reaktion des plankti- schen Nahrungsnetzes auf Veränderungen im Nähr- (Ulrike Mehl [SPD]: Da gibt es mehrere!) stoffangebot untersucht werden. nicht erkennen, daß darüber berichtet wird. Die Tat- Vorgesehen sind Laborexperimente zur Nährstoff- sache, daß der Direktor des Forschungszentrums konkurrenz und zu Nahrungskettenbeziehungen im Westküste in Büsum in das Projekt eingeschaltet ist, Plankton; Experimente in im Meer exponierten, aber bedeutet nicht, daß das Wattenmeer direkt in irgend- geschlossenen Plastiksäcken in Finnland, Spanien welche Experimente einbezogen ist. Dies ersehen und Norwegen; Analysen von Freilanddaten, Pro- wir jedenfalls aus den Unterlagen, die eingereicht bennahme an einer Dauermeßstelle vor Belgien; ein worden sind. Ich denke, das ist insgesamt auch kor- Experiment zur Veränderung des Nährstoffangebots rekt. 6936 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Parl. Staatssekretär Walter Hirche Ich darf wiederholen: Im Meer selbst, das heißt Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, zur außerhalb des Labors - darauf zielte ja Ihre Frage -, Beantwortung. finden zwei Arten von Experimenten statt: Zum einen geht es um Expe rimente mit im Meer exponier- ten, aber geschlossenen Plastiksäcken. Mit ihnen Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- versucht man, aus den veränderten Druckverhältnis- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- sen, die sich nur im Meer ergeben, oder aber Strö- cherheit: Herr Präsident, Frau Kollegin Mehl, der mungs- und Wärmeverhältnissen Einflüsse auf Schutz von Nord- und Ostsee bildet seit vielen Jah- Planktonentwicklungen festzustellen. ren einen Schwerpunkt der Umweltpolitik der Bun- desregierung. Es ist nicht möglich - und sicher auch Zum anderen - darauf geht, so vermute ich, der nicht gewollt -, im Rahmen dieser Antwort die Bericht ganz wesentlich zurück - handelt es sich um umfangreichen und vielfältigen Maßnahmen ab- ein Experiment zur Ermittlung der Veränderung des schließend zu erläutern. Nährstoffangebots in einem Fjord in Norwegen, für das die Universität Oslo zuständig ist. Nach den Als Beispiele seien das Zehn-Punkte-Programm Informationen, die mir vorliegen, könnte Ausgangs- aus dem Jahre 1988, die Beschlüsse der internatio- punkt der gewesen sein, daß das norwegische Ener- nalen Nordseeschutzkonferenzen 1990 und 1995 gieversorgungsunternehmen „Norsk Hydro" durch und die Aktionsprogramme der Flußgebietskom- den Bau von Talsperren zur Energieerzeugung dazu missionen an Rhein, Weser und Elbe, die auch auf beigetragen hat, daß nicht mehr so viele Sedimente den Schutz der Nordsee ausgerichtet sind, ge- wie in früheren Jahrzehnten mit den Flüssen ins nannt. Meer gekommen sind, sich daraufhin Veränderun- gen ergeben haben und wegen dieser Veränderung Bei zahlreichen Maßnahmen zum Gewässerschutz, im Fjord untersucht wird. Aber ich sage dies aus- etwa der 3. Reinigungsstufe bei kommunalen Kläran- drücklich im Konjunktiv. Die Motive im einzelnen lagen, steht der Schutz von Nord- und Ostsee im Vor- sind nicht bekannt. Dies ist lediglich der Versuch, dergrund. nachzuvollziehen, was konkreter Anlaß gewesen sein könnte. Zur Reduzierung des Eintrags von Nährstoffen und anderen schädlichen Stoffen aus Abwasser in Ulrike Mehl (SPD): Trotzdem frage ich noch einmal: die Gewässer hat die Bundesregierung in den Jahren Was ist Ziel dieser Untersuchung - denn das ist ja 1989 bis 1995 für über 40 Herkunftsbereiche Anfor- wesentlich -, soweit sie den Nordseebereich bet rifft? derungen nach § 7 a Wasserhaushaltsgesetz an die Ist das Ziel, negative Entwicklungen in der Nordsee Einleitung von Abwasser erlassen. Auch in Program- genauer aufzuspüren und diese dann abzustellen? men der Landwirtschaft, bei denen hinsichtlich der Oder ist Ziel dieser Untersuchung, herauszubekom- Reduzierung der Nährstoffeinträge trotz bereits men, wie man Fischentnahme maximieren kann? erzielter Erfolge noch Nachholbedarf besteht, wer- den immer stärker ökologische Anforderungen inte- griert. Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Die Umsetzung der Beschlüsse zum Meeresum- cherheit: Es geht um Grundlagenforschung, Frau weltschutz hat von Bürgern, Indust rie und Landwirt- Kollegin. Die Grundlagenforschung beschäftigt sich schaft bereits große Aufwendungen gefordert, mit der Frage der Veränderung des Nährstoffange- gleichzeitig aber durch Umstellungen von Verfahren bots. Da sollen Theo rien zur Struktur weiter über- auch einen Beitrag zur Entwicklung neuer Technolo- prüft werden. Von daher muß man darauf achten, gien geleistet. welche Ergebnisse herauskommen und was mit den Ergebnissen passiert. Allein für die öffentliche Abwasserbeseitigung Es kann heute also nicht gesagt werden, zu wel- wurden nach Erhebungen des Statistischen Bundes- chen Anwendungszwecken die Ergebnisse dienen, amtes in den Jahren 1985 bis 1994, also in zehn Jah- weil man sich im Bereich der Grundlagenforschung ren, mit Unterstützung von Bund und Ländern durch bewegt. Aber wie Sie selbst wissen, können For- die Kommunen etwa 82 Milliarden DM investiert. schungsergebnisse, wenn sie denn vorliegen, in Die Erfolge dieser Investitionen sind beachtlich. So unterschiedlichster Weise verwendet werden. Es konnten die Einträge vieler Schadstoffe in die Nord- wird dann darauf ankommen, zu beobachten, was see von 1985 bis 1995 deutlich verringert werden, damit passiert. zum Beispiel bei den Schwermetallen Cadmium, Chrom, Nickel, Quecksilber um zirka 70 Prozent, bei Phosphor um zirka 50 Prozent und bei Stickstoff um Vizepräsident Hans Klein: Werden dazu weitere 25 Prozent. Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Frage 18 auf, die ebenfalls von der Kolle- Die weitere Umsetzung der Abwasservorschriften gin Ulrike Mehl gestellt wurde: durch die Länder wird die Belastung der Nordsee Wie hoch waren bis Ende 1994 und im Jahr 1995 die öffentli- zusätzlich verringern. chen Ausgaben des Bundes und der Länder zum Schutz der Nordsee vor schädlichen Einträgen durch Oberflächeneinlei- tung, insbesondere von Nährstoffen, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher gegen die schädlichen Einträge Vizepräsident Hans Klein: Keine weitere Zusatz- unternommen? frage. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6937

Vizepräsident Hans Klein Dann rufe ich die Frage 19 auf, die von unserer Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, um Kollegin Marion Caspers-Merk gestellt wurde: Beantwortung. Wird die von der Bundesregierung für die nächste Zukunft an- gekündigte Verordnung zur Umsetzung der EG -Batterie-Richtli- Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- nie oder die für die vom EG-Recht nicht abgedeckten Batterien ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- vorgesehene freiwillige Selbstbindung von Indust rie und Han- del für die Rücknahme, Verwertung und Entsorgung Regelun- cherheit: Herr Präsident, Frau Kollegin, es ist nicht gen für Nickel-Metallhydrid- und Lithium-Ion-Akkus enthalten, zutreffend, daß Getränkedosen, die aus einer Weiß- und wenn nein, wie gedenkt die Bundesregierung eine umwelt- blechdose und einem Aluminiumdeckel zusammen- verträgliche und geeignete Entsorgung für diese Akkus, die auf- grund ihrer höheren Leistung und des nicht mehr vorhandenen gesetzt sind, nicht verwertet werden können oder in Memory-Effekts die bisherigen Akkus verdrängen werden, si- Deutschland nicht verwertet werden. Vielmehr wer- cherzustellen? den diese Dosen nach einer getrennten Erfassung durch das Duale System wieder dem Stahlerzeu- gungsprozeß zugeführt. Im Jahre 1994 wurden mehr Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- als 56 Prozent aller Verkaufsverpackungen aus Weiß- cherheit: Herr Präsident, Frau Kollegin, die von der blech wiederverwertet. Batterieindustrie und dem Handel angebotenen frei- In Deutschland werden derzeit zu etwa 90 Prozent willigen Maßnahmen schließen alle bisher nicht vom Weißblechdosen mit Aluminiumdeckel und zu etwa EU-Recht erfaßten Batterien ein, also auch Nickel 10 Prozent Aluminiumdosen verwandt. Die Ausstat- Metallhydrid- und Lithium-Batterien. tung von Weißblechdosen mit einem Aluminiumdek- kel hat vor allem technische und Produkthaftungs- Die Bundesregierung wird rasch entscheiden, ob gründe. Nach Angaben von Dosenherstellern ist auf in die zur Umsetzung der EU-Richtlinie über schad- Grund der geringen Verformbarkeit des Mate rials stoffhaltige Batterien notwendige Verordnung alle sonstigen Batterien einbezogen werden oder ob die- Stahl ein Stahlaufreißdeckel in der Praxis zur Zeit nicht einsetzbar. Insbesondere ein hoher Aufreißwi- ser Bereich durch eine von der Wi rtschaft angebo- derstand sowie eine Verletzungsgefahr durch scharfe tene freiwillige Selbstverpflichtung geregelt werden kann. Kanten stehen einem Einsatz im Wege. Die Herstel- ler von Weißblechdosen sind jedoch nach eigenen Angaben um Lösungen bemüht. So wurde eine Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage. Alternative entwickelt, bei der ein Stahlaufreißdek- kel durchgestanzt und mit einer Kunststoffmasse abgedichtet wurde. Diese Va ri Marion Caspers-Merk (SPD): Ich habe eine Zusatz- ante war jedoch aus frage dazu, Herr Staatssekretär. Heute morgen ist im Gründen der Produkthaftung nicht geeignet, da sie Umweltausschuß von Ihrer Ministe rin gesagt wor- nicht ausreichend vor Mißbrauch schützte. Die den, daß man mit dieser freiwilligen Selbstverpflich- Dosenhersteller arbeiten daher zur Zeit an weiteren tung Schwierigkeiten kartellrechtlicher Art habe und Lösungen. daß hier eine Verordnung vorgesehen werde. Wer- Darüber hinaus hat die Ökobilanz-Studie für den diese neuen Akkus, die sich durchsetzen wer- Getränkeverpackungen für Bier, die von Bundesum- den, weil die Handies in Mode sind, auch von dieser weltministerin Merkel im Juli 1995 der Öffentlichkeit Verordnung erfaßt werden? vorgestellt wurde, ergeben, daß Weißblechdosen mit Aluminiumdeckel aus ökologischer Sicht Alumini- Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- umdosen mindestens gleichwe rtig sind. In diese von ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- der Gewinnung des Rohstoffs bis zur Entsorgung- rei- cherheit: Frau Kollegin, hierzu habe ich eben ausge- chende Untersuchung wurde auch das Dosenrecy- führt, daß letzte Abstimmungsgespräche innerhalb cling einbezogen. Ob eine Getränkedose aus reinem der Bundesregierung darüber stattfinden, ob wir Weißblech aus ökologischer Sicht den genannten alles einbeziehen oder ob dieser Teil durch freiwillige Alternativen überlegen ist, kann mangels entspre- Selbstverpflichtung geregelt werden kann. Jeden- chender Untersuchungen derzeit nicht endgültig falls ist vorgesehen, Regelungen für den Gesamtbe- beantwortet werden. reich zu finden. Die Rechtsform ist für den Bereich Im Ausland ist eine derartige Ganzstahldose bis- Ihrer Frage noch nicht abschließend geklärt. lang nur in England in geringem Umfang eingesetzt worden. Auf Grund der geschilderten technischen Vizepräsident Hans Klein: Keine weitere Zusatz- Probleme hat sie sich jedoch nicht durchsetzen kön- frage, auch aus dem Kreis der Kolleginnen und Kolle- nen. gen nicht. Dann rufe ich die Frage 20 auf, die ebenfalls die Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Frau Kolle- Kollegin Caspers-Merk gestellt hat: gin. Kann die Bundesregierung erklären, warum in der Bundesre- publik Deutschland derzeit überwiegend nicht zu verwertende Marion Caspers-Merk (SPD): Mir liegen Informatio- Getränkedosen, die aus einer Weißblechdose und einem Alumi- nen vor, Herr Staatssekretär Hirche, daß der eigentli- niumdeckel zusammengesetzt werden, in den Umlauf kommen, che Grund dafür, warum eine Dose aus einem Mate- und kann die Bundesregierung erklären, warum in anderen Ländern der EU im Gegensatz dazu fast ausschließlich aus ei- rial - in diesem Fall Weißblech - bei uns in der Regel nem einheitlichen Mate rial hergestellte Dosen zur Anwendung nicht eingesetzt wird, patentrechtlicher A rt ist. Dem- kommen, die dann auch recycelbar sind? nach seien die deutschen Hersteller nicht bereit, die 6938 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Marion Caspers-Merk Patentgebühren zu zahlen. Können Sie das verifizie- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Kubatsch- ren? Auf diesen Aspekt sind Sie eben nicht einge- ka, wenn ich das richtig verstehe, wollen Sie die gangen. nächste Zusatzfrage stellen.

(SPD): Herr Staatssekretär, weil Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Horst Kubatschka Walter Hirche, Sie das Hohelied der Einwegdose gesungen haben, ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- möchte ich Sie fragen: Können Sie mir bestätigen, cherheit: Frau Kollegin, das kann ich nicht bestäti- daß die aus Glas, zum Bei- gen. Ich kann dieser Vermutung gerne einmal nach- Mehrwegverpackungen spiel bei Bier, den Einwegverpackungen ökologisch gehen. überlegen sind? Ich will aber noch einmal sagen: Die technischen Gründe, die ich geschildert habe, sind durchaus Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- plausibel. Das erklärt auch, warum sich diese Dose in ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- England nicht hat durchsetzen können. Wir müssen cherheit: Herr Kollege Kubatschka, Sie wissen selbst, einfach sehen, daß die scharfen Anforderungen, die daß differenzie rte Ökobilanzstudien für Getränke- im Zusammenhang mit der Produkthaftung an den verpackungen auf den Tisch gelegt worden sind, die Hersteller gestellt werden, natürlich zu äußerster im übrigen für Milch und Bier unterschiedliche Vorsicht führen. Möglicherweise haben wir die Auf- Ergebnisse erbracht haben. Im Bereich Bier haben gabe noch vor uns, zwischen der Frage der absoluten nach dieser Studie Mehrwegverpackungen eindeu- Produkthaftung und der Umweltverträglichkeit eine tige ökologische Vorteile gegenüber allen Einwegal- Abwägung zu treffen, weil diese beiden Dinge nicht ternativen. Im Bereich Milch war das anders; die in jedem Fall kongruent sind. Unterschiede waren nicht so signifikant. Der Schlauchbeutel zum Beispiel hat eine gleichwe rtige ökologische Bewe rtung bekommen wie die Mehr- Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage. wegflasche. Insgesamt hat diese Studie gezeigt, daß Schwarz- Marion Caspers-Merk (SPD): Herr Staatssekretär, Weiß-Darstellungen nicht geeignet sind, sondern Sie haben in Ihrer Antwort ausgeführt, daß bei uns man im Zusammenhang mit Ökobilanzstudien sehr eine hohe Recyclingquote bei Dosen vorhanden ist. differenzierte Untersuchungen für jedes einzelne Sie selbst haben in Ihrem Hause momentan Bestre- Produkt vornehmen muß. Denn der Transportweg bungen, das illegale Ablagern in der freien Land- und die Häufigkeit des Gebrauchs beim Mehrweg schaft durch einen sogenannten Dosengroschen zu sind - wie Sie wissen - die entscheidenden Kriterien, verhindern. Wie sind denn Ihre weiteren Überlegun- die die Bilanz beeinflussen. gen, nachdem das Kartellamt hier Bedenken ange- meldet hat? Vizepräsident Hans Klein: Werden dazu weitere Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der Fall. Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich be- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- danke mich für die Beantwortung der Fragen. cherheit: Sie wissen, Frau Kollegin, daß sich Geträn- Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen keindustrie und Handel im Augenblick darum bemü- Amtes auf. Die Fragen wird uns Staatsminister Hel- hen, eine andere Lösung zu finden. Gestern haben mut Schäfer beantworten. sich die Wirtschaftsbeteiligten zusammengefunden; - das Ergebnis ist mir heute leider noch nicht bekannt. Ich rufe die Frage 21, die der Kollege Roland Kohn Das war ein erstes Gespräch. Es wird jetzt versucht, gestellt hat, auf: mit dem Kartellamt die rechtlichen Probleme vorab Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tat- zu diskutieren und nicht erst eine Lösung auf den sache, daß ihre Versuche gescheitert sind, in der EU die Sper- Tisch zu legen und sich dann Zorn und Einspruch rung von Auslandskonten und einen Ölboykott gegen Nige ria des Kartellamtes zuzuziehen. Insofern sind diese durchzusetzen, um dadurch die massive Verletzung der Men- Überlegungen noch im Gange. schenrechte durch das nigerianische Militärregime zu stoppen? Bitte, Herr Staatsminister. Parallel dazu und unabhängig davon hat das Bun- desumweltministerium über das UBA, also das Umweltbundesamt, kurzfristig ein Forschungsvorha- Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen ben zur Entwicklung umweltpolitischer Instrumente Amt: Herr Kollege, wir haben in der Tat für den Vor- für den Getränkeverpackungsbereich an das Ifo schlag von Bundesaußenminister Kinkel, gegen Institut in München vergeben. Auf der Basis dieser Nigeria die Sperrung der Auslandskonten zu verfü- Untersuchung soll in einem Arbeitskreis, dem im gen und einen Ölboykott zu verhängen, bei unseren übrigen auch Vertreter der Wirtschaft und der Län- europäischen Partnern nicht die notwendige Zustim- der angehören, diskutiert werden, welches Instru- mung gefunden. Es bleibt daher bei der Anwendung ment geeignet ist, um ökologisch vorteilhafte Geträn- der Maßnahmen, auf die sich die Europäische Union keverpackungen unter Berücksichtigung marktwirt- in gemeinsamen Standpunkten am 20. November schaftlicher Rahmenbedingungen zu fördern. Wir 1995 und am 4. Dezember 1995 geeinigt hat. rechnen mit einem Ergebnis dieser Arbeiten im Früh- jahr dieses Jahres. Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6939

Roland Kohn (F.D.P.): Herr Staatsminister, überlegt Ich rufe die Frage 22, die unser Kollege Hans Bütt- die Bundesregierung, nachdem die Bemühungen ner gestellt hat, auf: innerhalb der Europäischen Union, eine multilaterale Ist die Bundesregierung bereit. die Durchführungsverord- Aktion auf den Weg zu bringen, gescheitert sind, in nung zum Paßgesetz dahin gehend zu ändern, daß auch die den Bereichen, in denen das rechtlich möglich ist, deutschen Auslandsvertretungen (so wie bisher schon die deut- auch Schritte in nationaler, eigener Verantwortung? schen Grenzbehörden) zur Ausstellung von Paßersatzpapieren berechtigt sind, damit Reisende, die wegen des Wegfalls der Grenzkontrollen innerhalb der EU das Fehlen gültiger Reisepa- Staatsminister im Auswärtigen piere erst an der EU-Außengrenze bemerken, nicht an die deut- Helmut Schäfer, sche Grenze zurückkehren müssen, sondern sich an die schnel- Amt: Herr Kollege, wir tun das deshalb nicht, weil es ler erreichbaren deutschen Auslandsvertretungen in den Durch- dem Brauch in der Europäischen Union widerspre- reiseländern wenden und dort Paßersatzpapiere bekommen chen würde, solche weitgehenden Maßnahmen - das können? leitet sich aus den Verträgen ab - gegen ein Land Ich bitte um Beantwortung. allein zu ergreifen; das machen wir nur gemeinsam.

Wir müssen schon sehr überzeugende Gründe Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen haben, um zu sagen, daß sich unsere Partnerstaaten, Amt: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, das die zu solchen Schritten nicht bereit sind, irren. Das Paßgesetz sowie die Verordnung zur Durchführung würde uns übrigens auch außenpolitisch nicht nut- des Paßgesetzes dahin gehend zu ändern, daß auch zen. Von daher sehen wir davon ab, über die gemein- die deutschen Auslandsvertretungen zur Ausstel- sam beschlossenen Maßnahmen hinauszugehen. lung von Paßersatzpapieren, wie sie in der Frage angesprochen sind, ermächtigt werden. Die Ausstel- lung derartiger Paßersatzpapiere durch deutsche Eine weitere Zusatz- Vizepräsident Hans Klein: Grenzbehörden gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 Verordnung frage, bitte. zur Durchführung des Paßgesetzes stellt eine Aus- nahme dar, die im Interesse der Regelung von Notfäl- Roland Kohn (F.D.P.): Herr Staatsminister, teilen len von der Systematik des Paßgesetzes abweicht. Sie meine Besorgnis, daß im Fall Nigeria das Eine Ausweitung ist auch deshalb nicht notwen- berühmte Dreistufenmodell eintreten wird: erste dig, weil deutsche Reisende, die das Fehlen ihrer Stufe: große internationale Aufregung über die Men- gültigen Reisepapiere erst kurz vor der Einreise in schenrechtsverletzungen; zweite Stufe: alles bleibt in ein fremdes Land bemerken, nicht unbedingt an die der Schwebe; dritte Stufe: alles verläuft im Sande, deutsche Grenze zurückkehren müssen. Sie können weil sich die internationale Staatengemeinschaft bei den deutschen Auslandsvertretungen vorläufige nicht zu einer gemeinsamen Aktion verstehen Reisepässe beantragen, die auch ausgestellt werden, konnte? wenn die Auslandsvertretungen hierzu von der zuständigen Paßbehörde ermächtigt worden sind. Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Diese Ermächtigung kann in besonderen Fällen auch Amt: Ich kann nicht bestätigen, daß alles im Sande telefonisch erteilt werden. verläuft; denn es sind eine ganze Reihe von Maßnah- men von der Europäischen Union getroffen worden, Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol- die immerhin ein Waffenembargo gegen Nige ria, lege Büttner? weitgehende Visarestriktionen, eine Unterbrechung hochrangiger Besuche und die Zurückberufung der Botschafter einschließen. Das ist eine Fülle von Maß- Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Hält die Bundes- nahmen. Wir wären - das wissen Sie - für weitere regierung es angesichts der Tatsache, daß im Rah- Maßnahmen gewesen. Darüber ist eine Einigung men der Europäischen Union inzwischen die abso- jedoch nicht zu erzielen gewesen. lute Reisefreiheit und die Freiheit der Arbeitsplatz- wahl gilt mit der Folge, daß das Fehlen von Paßpa- Die internationale Öffentlichkeit beobachtet aber pieren oder die Nichtverlängerung von Ausweisen nach wie vor die Vorgänge, und der Druck auf die zum Teil erst beim Überschreiten der Außengrenzen nigerianische Regierung, die Menschenrechte wie- der EU festgestellt wird, nicht für geboten, die derherzustellen und die politischen Gefangenen frei- Ermächtigung zur Verlängerung von Reisepapieren zulassen, erfolgt nicht nur durch die Europäische und Paßersätzen allein aus diesem europäischen Union, sondern zum Beispiel auch durch afrikanische Grund auf die deutschen Auslandsvertretungen aus- Staaten, an der Spitze Nelson Mandela. Das hat Wir- zudehnen, zumal - gestatten Sie mir das als Ein- kung gezeigt. schub, Herr Präsident - es wiederholt passiert, daß deutsche Auslandsvertretungen nicht einmal inner- Wir werden nicht nachlassen, die nigerianische halb der EU in der Lage sind, in Ausnahmefällen sol- Regierung dazu zu bringen, die internationalen Ver- che Maßnahmen vorzunehmen? haltensspielregeln und die Menschenrechte - das ist das Entscheidende - gegenüber ihren eigenen Ein- wohnern und gegenüber der Opposition zu beach- Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen ten. Amt: Sie sind natürlich dazu in der Lage - Herr Kol- lege, hier muß ich Ihnen widersprechen -, wenn es sich nicht gerade - wie in einem speziellen Fall, den Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen Sie wohl im Sinne haben - um einen Sonntag handelt werden dazu nicht gestellt. und die zuständigen Paßbehörden nicht auf den 6940 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Staatsminister Helmut Schäfer Wunsch einer deutschen Botschaft nach Ermächti- das deutsche Fahndungsbuch zur Verfügung. Damit gung zur Ausstellung von Reisepapieren reagieren. können sie sich über mögliche polizeiliche Gründe Im übrigen ist an Wochenenden in deutschen Bot- gegen eine Ausstellung des Paßersatzes informieren. schaften verständlicherweise nicht die gleiche Zahl von Personal vorhanden wie sonst, um alle Wünsche Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage. deutscher Auslandsreisender zu erfüllen. Aber es geschieht grundsätzlich. Nur müssen wir vorher - so sieht es das Paßgesetz nun einmal vor - rückfragen, Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Halten Sie es und das kann man nur bei den Paßbehörden tun. Das nicht für besonders notwendig, daß die Bundesregie- wird von den deutschen Botschaften gemacht, wenn rung in den Durchführungsbestimmungen zum Paß- ein Papier verlorengeht. Aber ich meine, es ist auch gesetz angesichts der neuen Kommunikationsmög- Sache der Reisenden selber, sich vor Auslandsreisen lichkeiten, die auf elektronischem Gebiet bestehen, darüber im klaren zu sein, wohin sie reisen und wel- eine Änderung der Berechtigungen von Auslands- che Papiere sie mitnehmen müssen. Man sollte jetzt vertretungen - entsprechend der Ermächtigung, wie nicht versuchen, das alles auf die Auslandsvertretun- sie Grenzbehörden haben - vornimmt, und teilen Sie gen abzuwälzen - auch angesichts der Personallage meine Auffassung, daß es auch Aufgabe der deut- in unseren Vertretungen. schen Auslandsvertretungen sein muß, Bürgern der Bundesrepublik, die im Bereich der EU unterwegs sind, bei Überschreiten der EU-Außengrenzen unnö- Zweite Zusatzfrage. Vizepräsident Hans Klein: tige bürokratische, technisch behebbare Hindernisse aus dem Weg zu räumen? Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Eine zweite Zusatzfrage dazu. - Gibt es angesichts der Tatsache, Staatsminister im Auswärtigen daß innerhalb der Europäischen Union die Funktion Helmut Schäfer, Amt: Herr Kollege, ich darf noch einmal betonen: Wir der Grenzbehörden jetzt eine andere ist, als sie es halten eine Änderung des Paßgesetzes in dieser Hin- vorher war, nicht eine Notwendigkeit zur Änderung sicht nicht für notwendig, auch ganz einfach deshalb der einschlägigen Dienstanweisungen dahin, zumin- nicht, weil wir zusätzlich zu dem, was jetzt eigentlich dest den deutschen Auslandsvertretungen innerhalb schon Tag für Tag in unseren Auslandsvertretungen, der EU die Funktion von Grenzbehörden zu übertra- speziell auch in Wien - Wien war ja bei dem beson- gen? deren Fall, den Sie im Auge hatten, betroffen -, pas- siert, keine Überlastung der Auslandsvertretungen Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen mit permanent an sie herangetragenen Wünschen Amt: Herr Kollege, es steht mir als Vertreter des Aus- dieser Art wollen. Man vergißt sein Papier; man eilt wärtigen Amtes nicht zu, über innenpolitische Maß- zur Botschaft, und man erwartet sofortige Abhilfe. nahmen letzte Auskünfte zu geben. Ich wäre dank- Das heißt: Man braucht mehr Personal. Wir sind ja in bar, wenn solche Anregungen auch in den zuständi- allen Fällen bereit zu helfen. Aber man sollte die gen Ausschüssen - im Rechts- und im Innenaus- Sorglosigkeit nicht auch noch durch Ausweitung der schuß - besprochen werden könnten. Bisher hat sich Rechte unserer Botschaften fördern. Ich halte das die Regelung so bewährt. Ich meine, dadurch, daß nicht für sehr glücklich. Ich muß Ihnen sagen: Die die Europäische Union erweitert worden ist, ändert Botschaften haben auch nicht in erster Linie die Auf- sich nichts an der Situation, daß Reisen, die außer- gabe, solche Fälle zu bearbeiten; vielmehr sind sie halb dieses Raumes vorgenommen werden, nach wie mit Tausenden anderer Fälle tatsächlich bis obenhin vor häufig Visa erfordern, zumindest aber Reisepässe zugedeckt. Sie wissen aus den Haushaltsdiskussio- oder sonstige Ausweispapiere. Unsere Botschaften nen, daß es sehr schwer ist, allen diesen Ansprüchen können für die Sorglosigkeit sehr vieler Reisender, noch zu genügen, wenn gleichzeitig die Gelder stän- die erst bei beabsichtigten Grenzübertritten merken, dig gekürzt werden müssen - und das Personal auch. daß sie keine Papiere dabeihaben, nicht ständig geradestehen. Unsere Auslandsvertretungen helfen, Zweite Zusatzfrage, so gut es geht, aber sie können es nicht permanent. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Büttner? - Nein, wird nicht gestellt. Über eine Änderung des Paßgesetzes müßte übri- Andere Kolleginnen und Kollegen dazu? - Auch gens zunächst auch innenpolitisch diskutiert werden. nicht.

Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen Dann rufe ich die Frage 24, die der Kollege Norbe rt dazu werden nicht gestellt. Otto gestellt hat, auf: Welche Bemühungen hat die Bundesregierung im Falle des in Dann kommen wir zur Frage 23 des Kollegen Bütt- Kaschmir entführten Erfurter Studenten Dirk Hasert zu dessen ner: Freilassung unternommen, und welche Möglichkeiten sieht sie, das Ende der Geiselnahme so schnell wie möglich herbeizufüh- Stimmt die Bundesregierung der Überlegung zu, daß sich an- ren? gesichts der heute verfügbaren Kommunikationstechniken eine Botschaft oder ein Generalkonsulat ohne größere Probleme, Bitte, Herr Staatsminister. ebenso wie heute schon eine Grenzschutzstelle, vergewissern kann, ob möglicherweise Gründe gegen eine Ausstellung eines Paßersatzes (z. B. Ausschreibung zur Fahndung) vorliegen? Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege, seit Anfang Juli 1995 befinden Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen sich, wie Sie wissen, Herr Hasert sowie zwei britische Amt: Herr Kollege, den Auslandsvertretungen steht und eine amerikanische Geisel in Händen einer Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6941

Staatsminister Helmut Schäfer zuvor noch nie in Erscheinung getretenen Gruppe Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen namens Al Faran. Eine norwegische Geisel ist Mitte Amt: Wenn ich neuesten Zeitungsmeldungen glau- August vergangenen Jahres ermordet worden. ben darf, gibt es mehrere Abgeordnete meiner Frak- tion, die schon längst zu Fraktionen anderer Parteien Die Bundesregierung und die drei anderen betrof- übergelaufen sind. Beides stimmt nicht. Ich kann fenen Regierungen haben durch ihre Botschafter vor Ihnen sagen: Weder läuft einer meiner Fraktionskol- Ort und durch direkte Abstimmung zwischen den legen über, noch sind Lösegeldwünsche bei uns Hauptstädten ihr Vorgehen koordiniert. Die oberste angekommen, worauf wir dann gesagt hätten: Wir Zielsetzung war von Anfang an - und bleibt es wei- haben dafür kein Geld. - Die Situation ist leider so, terhin - die mögliche Freilassung der Geiseln. daß eine Einflußnahme auf diese schwer zu durch- Hierzu hat sich auch die indische Regierung schauenden, international unbekannten und in der bekannt. Der Bundesaußenminister hat in zahlrei- Weite von Kaschmir verborgenen Personen so gut chen schriftlichen und mündlichen Kontakten mit wie unmöglich ist. Noch einmal: Es gibt solche For- den Außenministern von Indien und Pakistan, aber derungen nach meiner Kenntnis nicht. auch von anderen Ländern - insbesondere der isla- mischen Welt - um Unterstützung gebeten. Nicht zuletzt dank dieser Bemühungen, auch angeregt Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Küster, auf durch persönliche Bitten des Ministers, haben sich diese Weise ist die Informationsfähigkeit der Bundes- unter anderem der saudische König, die pakistani- regierung gleich auf ein Thema ausgeweitet worden, sche Premierministerin Bhutto, der Präsident des nach dem nicht gefragt war. UN-Sicherheitsrates, die G 7, die Europäische Union und Sprecher aller Oppositionsgruppen in Kaschmir (Dr. Uwe Küster [SPD]: Aber wie immer ist mit dringenden Appellen an die Organisation Al nicht alles wahr, was die Bundesregierung Faran gewandt. sagt! - Norbert Otto [Erfurt] [CDU/CSU]: Was die Zeitungen schreiben oder was Herr Bundesminister Kinkel hat mehrfach über die Deut- Scharping sagt! - Heiterkeit bei der CDU/ sche Welle direkt an die Entführer appelliert. Vertre- CSU und der F.D.P.) ter der deutschen Botschaft wie auch der anderen betroffenen Botschaften sind seit Beginn der Geisel- Da Frage 25, gestellt von der Kollegin Dr. Elke nahme in Kaschmir präsent, um engen Kontakt mit Leonhard, schriftlich beantwortet werden soll - die den Sicherheitskräften vor Ort zu halten, aber auch, Antwort wird als Anlage abgedruckt -, Herr Staats- um zu versuchen, über kaschmirische Gruppen oder minister, bedanke ich mich für die ausführliche und Einzelpersonen Einfluß auf die Entführer zu nehmen. erweiterte Beantwortung der Fragen. Darüber hinaus kamen zeitweilig Berater aus den Heimatländern der Geiseln zum Einsatz. Das Auswär- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- tige Amt hält sowohl über die Botschaft Neu Delhi als riums des Innern auf. Die Fragen wird uns der Parla- auch durch Mitarbeiter in Bonn ständigen und inten- mentarische Staatssekretär Eduard Lintner beant- siven Kontakt mit der Familie des Entführten. Der worten. Bundesminister hat mehrmals persönliche Schreiben Herr Parlamentarischer Staatssekretär, die Fragen 26 auch an seine Familie in Bad Langensalza gerichtet. und 27 des Kollegen Jüttner, die Frage 28 des Kolle- Die Bundesregierung bemüht sich weiterhin mit gen Koppelin und die Fragen 29 und 30 des Kollegen aller Kraft um eine baldige unversehrte Freilassung Krüger mögen bitte schriftlich beantwortet werden. von Dirk Hasert und den übrigen Geiseln. Aber ihren Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Einflußmöglichkeiten sind Grenzen gesetzt, wie Sie Ich rufe Frage 31, gestellt vom Kollegen Dr. Burk- wissen, nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, daß hard Hirsch, auf und bitte um Beantwortung: Kontaktaufnahme mit den Geiselnehmern nur mög- lich ist, wenn diese sich von sich aus melden. Der Ist es zutreffend, daß die Bundesregierung im Gegensatz zu Möglichkeit einer gewaltsamen Befreiung der Gei- anderen Ländern der EU die Beantwortung einer Statistik des seln sind angesichts der Geländesituation - es ist Statistischen Amtes EUROSTAT - Mikrozensus 95 - auf der Grundlage der Ratsverordnung 3711/91 mit Zwangsgeldern bis unwegsames Gelände in Kaschmir -, angesichts der zu 1 000 DM plus Gebühren durchsetzen läßt, obwohl die Rats- Entschlossenheit und Brutalität der Täter wie auch verordnung den einzelnen Mitgliedstaaten die Anwendung von angesichts der Gefährdung, die damit für das Leben Zwangsmitteln freistellt? der Geiseln selber eintreten würde, sehr enge Gren- zen gesetzt. Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Herr Kollege Dr. Hirsch, die Ant- Norbert Otto (Erfurt) (CDU/CSU): Herr Staatsmini- wort lautet: Die Verordnung 3711/91 des Rates vom ster, eine Zusatzfrage: Stimmt es, daß von den Geisel- 16. Dezember 1991 verpflichtet die Mitgliedstaaten nehmern Lösegeldforderungen an die Bundesregie- zur Durchführung einer jährlichen Stichprobenerhe- rung gestellt worden sind, und stimmt es - ich will bung über Arbeitskräfte in der Gemeinschaft. das jetzt einmal im Zeitungsjargon sagen; so, wie das Gemäß Art. 5 Abs. 2 haben die Mitgliedstaaten dafür in Thüringen in der Presse dargestellt worden ist -, Sorge zu tragen, „daß die gewünschten Auskünfte daß die Bundesregierung untätig war? Es wird in den wahrheitsgemäß, vollständig und fristgerecht erteilt Zeitungen impliziert, daß, wenn es sich um einen werden. Die statistischen Ä mter der Mitgliedstaaten Manager oder Politiker handelte, dieser schon längst können die Beantwortung der Fragen zwingend vor- befreit worden wäre. Können Sie dazu etwas sagen? schreiben. " 6942 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Parl. Staatssekretär Eduard Lintner In Deutschland wird die jährliche Arbeitskräfte- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- erhebung gemäß § 13 des Mikrozensusgesetzes ge- minister des Innern: Hier lautet die Antwort: Der meinsam mit dem Mikrozensus durchgeführt, um die weitaus überwiegende Teil der Erhebungsmerkmale Befragten zu entlasten und den Erhebungsaufwand der Arbeitskräfteerhebung stimmt mit Merkmalen sowie die Kosten erheblich zu reduzieren. Gemäß des Mikrozensus überein. Nur für wenige Merkmale § 13 Abs. 1 des Mikrozensusgesetzes werden die trifft dies nicht zu. Weder für den Mikrozensus noch Merkmale der Arbeitskräfteerhebung, die mit den für die Arbeitskräfteerhebung wird erfragt, ob die Mikrozensusmerkmalen übereinstimmen, den Mi- Kinder des Befragten verheiratet sind. Vielmehr wer- krozensusmerkmalen gleichgestellt. Damit besteht den für beide Erhebungen alle im Haushalt lebenden grundsätzlich für die Arbeitskräfteerhebung Aus- Personen nach dem Familienstand befragt. Die Fra- kunftspflicht, soweit diese in § 9 des Mikrozensus- gen betreffend Zugehörigkeit zur gesetzlichen Kran- gesetzes vorgesehen ist. kenversicherung nach Kassenarten und A rt des Ver- sicherungsverhältnisses sind Mikrozensusmerkmale. Der Mikrozensus und die Arbeitskräfteerhebung werden von den statistischen Ämtern der Länder durchgeführt. Sie können die Auskunftspflicht nach Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage. den landesrechtlichen Vorschriften im Falle einer Auskunftsverweigerung mittels Zwangsgeld durch- Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Herr Staatssekretär, setzen. Ob Zwangsmittel angewendet werden, liegt sind in dem europäischen Mikrozensus Fragen ent- im Ermessen der für die Durchführung der Statisti- halten, die wir für das Mikrozensusgesetz der Bun- ken zuständigen statistischen Ämter der Länder. desrepublik abgelehnt haben? Die Arbeitskräfteerhebung wird in sieben weiteren Mitgliedstaaten der EU - Belgien, Griechenland, Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Frankreich, Italien, Portugal, Österreich und Norwe- minister des Innern: Das kann ich Ihnen aus dem gen - mit Auskunftspflicht durchgeführt. Ob sie Stegreif nicht beantworten. Die Unterlagen geben Zwangsmittel zur Durchsetzung der Auskunftspflicht dazu nichts her. anwenden, ist nicht bekannt. Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage.

Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage. Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Auch dazu sage ich, daß das überraschend ist, weil Sie die Unterlagen ja Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Herr Staatssekretär, selbstverständlich zur Verfügung haben. Man ich muß wirklich sagen, daß es mich überrascht, daß braucht beide Fragebögen an sich nur zu verglei- Ihnen nicht bekannt ist, in welchen anderen europäi- chen, um festzustellen, ob sie identisch sind oder schen Ländern Zwangsmittel nicht angewendet wer- nicht. Ich möchte auch dazu fragen, ob Sie bereit den - es überrascht mich deswegen, weil es zwi- sind, dem Innenausschuß und mir in Kürze zu sagen, schen uns schon lange erörtert wird -, und möchte in welchen Fragen der europäische Mikrozensus Sie fragen, ob Sie uns im Innenausschuß oder mir in über den deutschen hinausgeht und ob Fragen darin absehbarer Zeit mitteilen können, in welchen ande- enthalten sind, die wir für den deutschen Mikrozen- ren europäischen Ländern die Beantwortung dieser sus ausdrücklich abgelehnt haben. Fragen mit Zwangsmitteln durchgesetzt wird und mit welchen. Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Herr Dr. Hirsch, das werden wir umgehend nachholen. Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Herr Kollege Dr. Hirsch, ich bin (Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Das ist schön!) gern bereit, zu veranlassen, daß die deutschen Bot- schaften in diesen Ländern entsprechende Fragen Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Hans Bütt- erhalten. Bei Eingang der Antworten werden wir Sie ner, Zusatzfrage. unverzüglich unterrichten.

(Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Danke!) Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Herr Staatssekre- tär, ich habe eine ergänzende Zusatzfrage zu der des Herrn Kollegen Hirsch. Dürfte ich Sie bitten, bei der Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfrage? - Beantwortung der Frage, ob der europäische Mikro- Nein. zensus Fragen beinhaltet, die nicht im Mikrozensus- gesetz enthalten sind, auch zu prüfen, inwieweit die Dann rufe ich Frage 32 auf, die ebenfalls der Kol- Fragen mit Entscheidungen des Verfassungsgerichts lege Dr. Hirsch gestellt hat: zur informationellen Selbstbestimmung der Betroffe- nen in Einklang stehen? Ist es zutreffend, daß z. B. in dem 28seitigen Fragenkatalog ,, Stichprobenerhebung über die Bevölkerung und den Arbeits- markt" Fragen enthalten sind, die weit über das in der Bundes- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- republik Deutschland geltende Mikrozensusgesetz hinausge- minister des Innern: Herr Kollege, ich gehe davon hen, wie z. B., ob die Kinder des Befragten verheiratet sind, wo der Befragte arbeitet und bei welcher Krankenkasse er versi- aus, daß alle Fragen damit in Einklang stehen, weil chert ist? sie daraufhin überprüft worden sind. Aber auch Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6943 Parl. Staatssekretär Eduard Lintner diese Detailfrage werden wir bei der Antwort selbst- gung zu kümmern, haben Sie sich in Selbstbeschäfti- verständlich mit einbeziehen. gung gestürzt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wenn es nur so Danke sehr, Herr Parla- Vizepräsident Hans Klein: wäre!) mentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Auf jeden Fall erfährt man täglich neue Kapitel über Wir sind damit am Schluß der Fragestunde. den Überlebenskampf der F.D.P. Sie lassen kurz vor den Landtagswahlen noch einmal die dünnen libera- Ich unterbreche die Sitzung. Wir werden sie um len Muskeln spielen. 15 Uhr mit der Aktuellen Stunde fortsetzen. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Herr Schulz, (Unterbrechung von 14.36 bis 15.00 Uhr) ich bitte Sie! - Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Ich denke, Sie wollen über den Solidaritätszu Vizepräsidentin Dr. : Guten Tag, liebe schlag sprechen!) Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sit- zung ist wieder eröffnet. Doch unser Land braucht Handlungen und keine Koalitionsverhandlungen. (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin, wo ist Normalerweise könnte sich ja die Opposition über denn die liberale Fraktion? Sind die schon die Schwäche der Regierung freuen. Doch Ihre alle übergetreten?) Handlungsunfähigkeit erzeugt einfach Stillstand, - Herr Kollege Fischer, lassen Sie mich hier einmal obwohl wir neue Impulse für dieses Land bräuchten, meine Arbeit tun. obwohl wir eine wirtschaftlich-ökologische Erneue- rung bräuchten, obwohl wir eine institutionelle Modernisierung bräuchten. Was hier läuft, ist Po- Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: pulismus und nicht Politik. Und vor allen Dingen: Aktuelle Stunde F.D.P. - eine Frage des Populismus. auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Rolf Kutz Haltung der Bundesregierung zu widerspre- mutz [PDS]) chenden Aussagen aus der Koalition zum Ab- bau des Solidaritätszuschlags Ich habe ja Verständnis, Herr Thiele, wenn Sie sich auf Kosten Ihres Koalitionspartners profilieren wol- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst len. der Abgeordnete Schulz. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Tun wir doch Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gar nicht!) NEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde heute trägt nach dreifacher Dafür gab es genügend Gelegenheiten: die doppelte Verbiegung den merkwürdigen Titel „Haltung der Staatsbürgerschaft und das Haushaltssicherungsge- Bundesregierung zu widersprechenden Aussagen setz. Selbst bei der Diätenerhöhung sind Sie umge- fallen, und es ging in die Hose, besser gesagt - bes- aus der Koalition zum Abbau des Solidaritätszu- - schlags". Eigentlich müßte es „Haltungen" heißen. ser verdient -: in die eigene Hosentasche. Aber Sie Es ist die Krise der Koalition. profilieren sich nicht auf Kosten des Koalitionspart- ners, sondern Sie profilieren sich auf Kosten der Bür- (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Es ist Ihr gerinnen und Bürger. Das ist das Problem. Antrag! Wenn Sie Ihren Antrag nicht formu lieren können!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Es ist die einfache und schlichte Frage, Herr Thiele: Überlebt diese Bundesregierung den Koalitionskrach Sie profilieren sich auf Kosten der neuen Bundeslän- um den Solidarzuschlag? Offenbar sind die meisten der. Auf dem Rücken der neuen Bundesländer versu- Ihrer Kollegen so damit beschäftigt, daß sie hier gar chen Sie den starken Mann zu markieren. Sie miß- nicht erst erschienen sind. Ich weiß nicht, vielleicht brauchen den Aufbau Ost und die Interessen dieses sind Sie die übriggebliebenen letzten Liberalen. vereinten Landes für Ihre eigenen Überlebensinter- (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Die arbeiten für essen. Das ist doch im Moment die Situation. Deutschland! Zum Beispiel tagt der Haus haltsausschuß gerade!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten Jedenfalls hat der Bundeskanzler wiederholt am der PDS - Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Glau Anfang des Jahres - vielleicht war es auch die wie- ben Sie das selber? Glauben Sie diesen derholte Neujahrsansprache - die Arbeitslosigkeit Unsinn selber?) entdeckt. Aber anstatt den Kampf gegen die Arbeits- losigkeit aufzunehmen, haben Sie den Kampf inner- Entweder ist die Einführung des Solidarbeitrags halb der Koalition eröffnet. Anstatt sich um Beschäfti sachgerecht gewesen oder nicht. 6944 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 Werner Schulz (Berlin) Dabei ist der Solidarbeitrag doch eines der traurig- Peter Harald Rauen (CDU/CSU): Frau Präsidentin! sten Kapitel der Regierungskunst dieser Regierung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kol- lege Schulz, bei der Diskussion um den Solidaritäts- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ zuschlag von einer Krise der Regierung zu sprechen, DIE GRÜNEN]: So ist es: raus, rein!) (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist eigentlich eher der Kapitalfehler der deutschen Einheit: keine Steuererhöhungen, dann Füllung der das ist wirklich mehr als übertrieben. Kriegskassen für den Golfkrieg, Wiederabschaffung, Wiedereinführung und jetzt die Diskussion über den (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Wiederabbau des Solidarbeitrags. DIE GRÜNEN]: Stimmt der Koppelin dem Haushalt zu, oder stimmt er nicht zu?) Neben den vielen Bündnissen, die momentan wie Papierkrampen durch die Bonner Luft schwirren und Da ist bei Ihnen offenbar der Wunsch Vater des den schnellen oder schweren Brüter im Kanzleramt Gedankens. nicht erreichen, sollten Sie nicht vergessen, daß wir (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ brauchen, und ein Bündnis zwischen Ost und West DIE GRÜNEN]: Stimmt er zu oder nicht?) das haben Sie hier zum Wahlkampfthema gemacht. Ich halte es ohnehin für völlig übertrieben, wie von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN allen Seiten die Frage hochgezogen wird, wann der und bei der SPD sowie bei Abgeordneten Solidaritätszuschlag abgebaut werden soll. der PDS) (Detlev von Larcher [SPD]: Nicht von allen Ich fordere vor allen Dingen die Bundesregierung Seiten, von einer!) auf, daß sie dieses Wahlkampfthema heute hier ver- bindlich einstellt. Das gilt auch für die durchsichtige Ich habe bisher von niemandem - auch nicht von sei- Ankündigung, 1998 den Solidarbeitrag abzubauen. ten der Opposition - gehört, daß er den Solidaritäts- Es ist doch erkennbar, worum es hier geht. zuschlag nicht abbauen will. Da ich bisher auch von Wir wollen nicht über die Besitzstandswahrung niemandem gehört habe, daß er ihn unter Inkauf- diskutieren, sondern über die Neubegründung der nahme neuer Schulden abbauen will, ist eines völlig Solidarität. Darüber können wir uns hier gern unter- klar: halten. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Sicherlich muß in diesem Land gespart werden. DIE GRÜNEN]: Mehrwertsteuererhöhung! - Aber tun Sie doch nicht so, als sei die Erhöhung der Gegenruf von der F.D.P.: Das wollt ihr Staatsquote wie eine Kefirkultur ohne das Zutun der gerne! - Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜND F.D.P. in diesem Land von selbst gewachsen. Das, NIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) was Sie da zeigen, ist einfach zu billig. Es müssen erst Finanzspielräume dasein, um den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Solidaritätszuschlag abbauen zu können. Diese sowie bei Abgeordneten der SPD) Spielräume entstehen nur dann - vielleicht hört auch der Kollege Fischer einmal zu; er kann vielleicht Warum haben Sie sich nicht gegen die sachfremde doch noch etwas lernen -, wenn die Ausgaben des Finanzierung der deutschen Einheit gestellt? Staates auf allen Ebenen geringer steigen, als unser Dadurch haben Sie doch die gleichen Lohnnebenko- Bruttosozialprodukt wächst. sten mit hochgetrieben, deren Höhe Sie jetzt in der - Standortdebatte beklagen. Es wäre deshalb meiner Meinung nach gut, wenn die Opposition überall dort, wo sie Verantwortung Was ist denn aus der großartigen Subventionsein- trägt, sparung des Ministers Möllemann geworden? Sie ist offenbar im Kleinmut seines Nachfolgers auf Ein- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD] [auf die F.D.P. kaufswagenchipgröße geschrumpft. zeigend]: Da sitzt die Opposition!) Auf jeden Fall sollten Sie diesen entsetzlichen für eine Begrenzung der Ausgabenzuwächse eintre- Koalitionsstreit zu Ende bringen. Koalitionskrach oder ten und zur Erreichung größerer Finanzspielräume -bruch - Sie müssen entscheiden, wohin Sie wollen. beitragen würde. Eins will ich Ihnen in aller Klarheit sagen: Die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Methode Genscher, also der flotte Wechsel oder der Zuruf der Abg. Ingrid Matthäus-Maier bravouröse Abgang in einer Legislaturpe riode, um [SPD]) dann mit großen Lauschern den politischen Vorruhe- - Frau Matthäus-Maier, hören Sie einmal zu; auch stand im Parlament zu genießen, diese Methode wird Sie können noch einiges lernen. nicht mehr klappen. Während die Ausgaben des Bundes im Durch- (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ schnitt der nächsten vier Jahre um 1,3 Prozentpunkte DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) steigen, ist weder bei der Finanzplanung der Länder noch der Gemeinden, noch der Sozialversicherungs- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat kassen zu erkennen, daß ähnliche Anstrengungen jetzt der Abgeordnete Peter Harald Rauen. unternommen würden. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6945

Peter Harald Rauen Macht euch bitte eines klar: Wenn auf allen staatli- Steuern zu reduzieren, wenn endlich alle politischen chen Ebenen die Ausgaben nur um 1,3 Prozent- Kraftanstrengungen auf dieses Ziel ausgerichtet wür punkte steigen würden - bei einem angenommenen den. Wachstum von 4,3 Prozent nominal, was noch reali- stisch ist -, dann hätten wir in vier Jahren einen Wenn es dann noch gelänge, endlich klarzuma- Finanzspielraum von jährlich 45 Milliarden DM, chen, sprich: insgesamt 180 Milliarden DM, die zur Absen- (Detlev von Larcher [SPD]: Wer regiert hier? kung von Neuverschuldung und zur Reduzierung - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ von Steuern und Abgaben genutzt werden könnten. DIE GRÜNEN]: Weihnachten ist vorbei!) (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ daß Lohnzusatzkosten auch deswegen zu hoch sind, NEN]: Das ist doch utopisch!) weil wir zuwenig arbeiten und zu viele bezahlte Dann müßten aber alle im Boot mitmachen, und zwar Nichtarbeitstage haben, dann wäre die Richtung vor- in den Ländern, in den Gemeinden, auch da, wo gegeben, die uns hoffen lassen würde, auf dem Sozialdemokraten oder Grüne mit die Verantwortung Arbeitsmarkt Erfolge einzufahren. haben. Vor diesem Hintergrund wirkt der Streit um den (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Solidaritätszuschlag kleinkariert und unpolitisch. Natürlich muß er bald abgebaut werden und ganz Wenn nicht allen politisch Verantwortlichen klar verschwinden. Das gilt aber auch für viele andere wird, daß es zur Konsolidierung über die Ausgaben Steuern und Abgaben, welche die Beschäftigung in keine Alternative gibt, um bei gleichzeitig gutem Deutschland und den Arbeitsmarkt strangulieren. Wirtschaftswachstum Finanzspielräume zu erwirt- schaften, werden wir noch lange auf den Abbau der Schönen Dank. Steuer- und Abgabenquote warten müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Das ständige Nennen des Solidaritätszuschlags finde ich lächerlich vor dem Hintergrund, daß wir Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat 44 Prozent Steuer- und Abgabenquote haben, wovon jetzt die Abgeordnete Ingrid Matthäus-Maier. der Solidaritätszuschlag mit seinen 28 Milliarden DM gerade einmal 0,8 Prozent ausmacht. Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Frau Präsidentin! Wäre es vor dem Hintergrund wachsender Arbeits- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was sich losigkeit und der viel zu hohen Lohnzusatzkosten die Bundesregierung nun seit Wochen an Gezerre eventuell nicht sinnvoller, mit den durch Konsolidie- um den Solidaritätszuschlag leistet, ist ein Trauer- rung über die Ausgaben frei werdenden Finanzmit- spiel besonderer Art. Jeden Tag hören wir etwas teln erst einmal den Anteil der Arbeitslosen- und Neues aus der Koalition: Soli runter. Soli runter 1997. Rentenversicherung über Steuern zu finanzieren, der Soli runter 1998. Soli runter vielleicht auf zehn Jahre, 1991 zum Aufbau Ost über Beiträge hereingeholt sagt der Herr Ost von der CDU. - Nein, so geht das wurde? nicht weiter. Eine Bundesregierung, die ihre Kraft seit Wochen in Streitereien über den Solidaritätszu- (Beifall des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] schlag vergeudet, statt die gesamte Energie auf die [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen zu kon- Hierbei dreht es sich um 45 Milliarden DM oder zentrieren, ist einfach nicht regierungsfähig, meine drei Beitragspunkte in der die Damen und Herren. Sozialversicherung, - zu korrigieren mindestens genauso nötig wäre wie (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der Abbau des Solidaritätszuschlages. DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rolf Kutz (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD mutz [PDS]) und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Da sagen Koalitionsabgeordnete im Januar 1996, Es wird endlich Zeit, daß auf allen staatlichen Ebe- sie würden im November 1996 dem Haushalt des nen Ernst gemacht wird mit den Bemühungen, die Kanzlers nicht zustimmen, wenn das und das nicht Staatsquote unter Absenkung der Steuer- und Abga- geschähe. Das hört sich der Kanzler alles an. Ich benquote zu reduzieren. kann nur sagen: Ein Bundeskanzler, der, statt dieses Theater zu beenden, Kochbücher herausgibt, ver- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) fehlt seine Aufgabe. Meine Damen und Herren, jeder Prozentpunkt Dif- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE ferenz, um den die Ausgaben aller staatlichen Ebe- GRÜNEN und der PDS - Joseph Fischer nen einschließlich Sozialversicherung weniger stei- [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gen, als die Wirtschaft nominal wächst, bringt Wer hat das denn gesagt? Wer war das 15 Milliarden DM Steuern und Abgaben in staatliche Großmaul?) Kassen, die zur Verringerung von Neuverschuldung und zum Abbau von Steuern und Abgaben genutzt Diese Verunsicherung von Bürgern und Wirt- werden können. Es wäre eine Leichtigkeit, sehr schaft kann so nicht weitergehen. Wir kennen ja das schnell nicht nur den Solidaritätszuschlag, sondern Strickmuster bei der F.D.P. Die F.D.P. erhebt Milliar- auch die Beiträge zur Sozialversicherung durch denforderungen, ohne einen einzigen Finanzie- Übernahme versicherungsfremder Leistungen über rungsvorschlag mitzuliefern. Das würde bedeuten: 6946 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 Ingrid Matthäus-Maier Solidaritätszuschlagsabsenkung auf Pump. Das Wir wissen aber, daß das länger dauert, als von Ihnen würde bedeuten: Noch höhere Schulden und noch prognostiziert. höhere Steuern, (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Das wäre eine (Peter Harald Rauen [CDU/CSU]: Das hat schöne Entlastung für Ostdeutschland!) niemand gesagt!) Es bestehen aber noch Handlungsspielräume. damit die Zinsen auf die noch höheren Schulden Wenn ich gestern lese, daß die Bundesregierung gezahlt werden können. Da sich die F.D.P. außerdem nicht nur 140, sondern 180 Jäger 90 anschaffen wi ll, beim Subventionsabbau immer querlegt, ist das dann können Sie mir nicht sagen, es gebe kein Geld. Ganze, was Sie zum Solidaritätszuschlag äußern, (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Wider schlichtes Wahlkampfgetöse, meine Damen und Her- spruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ren. Wenn Sie die Steuerhinterzieher durch Ihre (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Gesetzgebung in diesem Lande schonen, DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wenn man das der F.D.P. vorhält, dann sagt sie immer, mit den Schulden habe sie gar nichts zu tun, - ja, sicher; warum freuen Sie sich so? -, um dann auch nichts mit der Arbeitslosigkeit; mit der enorm dem ehrlichen Steuerzahler Jahr für Jahr mehr Steu- hohen Steuer- und Abgabenbelastung habe sie ern und Abgaben aufzuerlegen, dann ist das ebenfalls nichts zu tun. Da kann ich nur sagen: Sol- unglaubwürdig. che billigen Tricks kennen wir. Die F.D.P. war zwar (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne immer in Verantwortung, aber nie ist sie für irgend ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN etwas verantwortlich. Dieses Spiel durchschauen die und der PDS) Leute ziemlich schnell. Setzen Sie sich endlich mit dem Problem Steuer- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) hinterziehung auseinander! Am Montag dieser Auch der Herr Waigel jammert. Dem gefällt nämlich Woche stand ein langer Artikel im „Spiegel", daß das Spiel von der F.D.P. nicht. Er sagt, er könne das Steuerforderungen des Staates verjähren, weil der nicht bezahlen. Nur ist an dieser Situation Herr Waigel Staat nicht in der Lage und bereit ist, die Steuerhin- selber schuld. Er legt bei den Haushaltsberatungen terziehung durch Betriebsprüfer zu bekämpfen. Tun nämlich regelmäßig geschönte Zahlen vor, um den Sie zusammen mit den Ländern endlich etwas! Dann Eindruck zu erwecken, er habe alles im G riff, das Geld haben wir auch das Geld, um den Solidaritätszu- sei da, und alles sei paletti. Dann darf er sich aber schlag abzusenken. nicht wundern, wenn sein Koalitionspartner versucht, Letztes Beispiel: Wenn in der Zeitung steht, daß in mit den geschönten Zahlen Steuern zu senken. Das Hamburg von 4 500 Einkommensmillionären 2 000 Spiel geht nicht auf, weil das Geld einfach nicht da ist. keine Steuern zahlen, weil sie durch Abschreibungs- Nein, meine Damen und Herren, so vermischt sich möglichkeiten ihr zu versteuerndes Einkommen die Unseriosität der F.D.P. mit der Unseriosität von reduzieren, dann sage ich Ihnen dazu: Sorgen Sie Herrn Waigel zu einem ärgerlichen Gebräu, das Wirt endlich dafür, daß gemeinsam mit uns Steuersubven- -schaft und Bürger täglich verunsichert. Nicht die tionen abgebaut werden! Dann können wir auch so Arbeitnehmer sind es, wie Sie gerne sagen, sondern schnell wie möglich die Finanzmittel schaffen, um die Verunsicherung durch diese Bundesregierung, den Solidaritätszuschlag abzubauen. - ja, die Bundesregierung selber ist der eigentliche Unsere Vorschläge zum Abbau von Steuersubven- Standortnachteil dieses Landes Bundesrepublik tionen liegen auf dem Tisch. Deutschland. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wo denn?) (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) - Das wissen Sie: in der großen Liste des letzten Som- mers. Greifen Sie sie auf, dann machen wir dies Unsere Position: Die Steuern und Sozialabgaben zusammen. sind ohne Zweifel zu hoch und müssen gesenkt wer- den. Der Solidaritätszuschlag, der übrigens - was (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE viele nicht wissen - auch von den Ostdeutschen GRÜNDEN und der PDS) gezahlt wird und nicht nur von den Westdeutschen, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig! jetzt der Abgeordnete Carl-Ludwig Thiele. Hört! Hört!) (Detlev von Larcher [SPD]: Unsere Vor muß schrittweise in dem Maße zurückgeführt wer- schläge liegen in seinem Leitz-Ordner!) den, (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Aha!) Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Sehr geehrte Frau Prä- wie der Aufbau Ost vorankommt. sidentin! Seitens der SPD liegen keine Vorschläge vor, Frau Matthäus-Maier. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das sage ich doch!) (Widerspruch bei der SPD) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6947

Carl-Ludwig Thiele Das wissen Sie. Die SPD im Bundestag hat zum Jah- zuschlags zur Finanzierung des Kohlepfennigs von ressteuergesetz nichts vorgelegt. Das war der Bun- 8 Milliarden DM, zur Finanzierung der Kosten der desrat, weil Sie sich hier in der Öffentlichkeit des Bahnreform von 6 Milliarden DM und sowieso des- Deutschen Bundestages gedrückt haben, etwas vor- halb, weil der Staat doch das Geld, was er einmal zulegen. vom Bürger kassiert, diesem nicht zurückgeben darf. - So darf mit dem Vertrauen und dem Gefühl der (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wie denn? Bürger in Ost und West, die diese Sonderabgabe an Wer hat denn im Bundesrat die Mehrheit!) den Bund zu zahlen haben, nicht umgegangen wer- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der den. Solidaritätszuschlag muß in 1997 gesenkt werden. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Hierin sind wir uns in der F.D.P. einig. Ich zitiere kurz den Sachverständigenrat, der im (Beifall bei der F.D.P. - Lachen bei der SPD November 1995 festgestellt hat: und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNDEN) Anders als in der öffentlichen Diskussion vielfach Dies sind wir den Bürgern und den Arbeitssuchen- behauptet wird, besteht keine direkte Zweckbin- den in Deutschland dringend schuldig. Den Bürgern deshalb, weil bei der Verabschiedung des Solidari- dung zwischen dem Aufkommen aus dem Solida- ritätszuschlag und irgendwelchen Leistungen an tätszuschlages von allen Parteien erklärt wurde, das Aufkommen des Solidaritätszuschlages stehe aus- die neuen Bundesländer oder den Annuitäten, schließlich dem Bund zu. Als Ergänzungsabgabe die der Bund für den Erblastentilgungsfonds zu dient der Solidaritätszuschlag dem Zweck, nicht als zahlen hat. Es ist deshalb auch unzutreffend, Daueraufgabe, sondern befristet die Leistungen des wenn immer wieder darauf hingewiesen wird, Bundes für den dringend notwendigen Aufbau der der Solidaritätszuschlag müsse allein schon des- neuen Bundesländer mitzufinanzieren. halb noch auf Jahre erhoben werden, weil die Leistungen an die neuen Bundesländer und die Die F.D.P. bekennt sich ausdrücklich zur Notwen- Annuitäten für den Erblastentilgungsfonds noch digkeit der finanziellen Unterstützung des Aufbaus für einen längeren Zeitraum erforderlich sein in den neuen Bundesländern. werden. (Beifall bei der F.D.P.) (Detlev von Larcher [SPD]: Warum heißt er dann so?) Wir stellen aber fest, daß dieser Deutsche Bundestag am 10. November 1995 den Bundeshaushalt für 1996 - Ich zitiere gerade, Herr von Larcher; sagen Sie das mit den Stimmen der Koalition, mit der Kanzlermehr- doch dem Sachverständigenrat. heit - die zwar nicht erforderlich war, aber über die diese Koalition nun einmal verfügt - Ich zitiere weiter den Sachverständigenrat: (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Da es gute Gründe gibt, den Solidaritätszu- DIE GRÜNEN]: Noch! - Ingrid Matthäus schlag bald - möglicherweise schrittweise - Maier [SPD]: Wie lange noch?) abzubauen ..., müßten die Leistungen an die neuen Bundesländer und für den Erblasten- verabschiedet hat. tilgungsfonds auf andere Weise finanziert wer- In diesem Haushalt sinken die Nettotransferlei- den. Wir halten dafür Ausgabenkürzungen bei stungen des Bundes von 101 Milliarden DM auf anderen Budgetposten und den Abbau von 88 Milliarden DM, mithin um 13 Milliarden DM. Der ungerechtfertigten Steuervergünstigungen- für Bundesrat, auch die neuen Bundesländer, auch die geeignet. Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer haben (Dr. Uwe Küster [SPD]: Was wollt ihr diesen Haushalt am 15. Dezember 1995 im Bundesrat machen: höhere Steuern, mehr Schulden?) akzeptiert. Auch die in Sachsen-Anhalt von der PDS geduldete Minderheitsregierung hat ihn akzeptiert, So der Sachverständigenrat im November 1995. so daß ich feststellen kann: Der Bund und die Länder sind der Auffassung, daß in diesem Jahr seitens des Das dringendste Problem, das wir derzeit haben, Bundes 13 Milliarden DM netto weniger für den Auf- ist die Arbeitslosigkeit. Die Politik muß Lösungswege bau der neuen Bundesländer erforderlich sind. aufzeigen, wie die Arbeitslosigkeit gesenkt wird. Hieraus zieht die F.D.P. den logischen Schluß: (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Was sagt Wenn der Solidaritätszuschlag eingeführt wurde, um Waigel dazu?) den Nettotransfer des Bundes in die neuen Bundes- Diese Koalition hat durch die Senkung der Staatsaus- länder mitzufinanzieren, dann muß dieser gesenkt gaben und die Rückführung der Staatsquote in den werden, wenn die Leistungen des Bundes für den Jahren 1982 bis 1990 dafür gesorgt, daß in der Wirt- Aufbau der neuen Bundesländer zurückgehen. schaft, daß in den Bet rieben in Deutschland (Jürgen Türk [F.D.P.]: Das ist doch logisch!) 3,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen konnten. Der Solidaritätszuschlag ist doch keine Dauerein- nahme des Staates. Insofern überzeugt es mich auch (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - nicht, wenn von einzelnen Politikern erklärt wird: Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir benötigen aber das Aufkommen des Solidaritäts Lang ist's her!) 6948 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Carl-Ludwig Thiele Dieses ist der Weg, den wir beschreiten müssen. Wir Nun zur Steuerpolitik insgesamt. Sie von der haben in Deutschland nicht zu viele Staatseinnah- F.D.P. haben sie doch seit 1982 schön brav zusammen men, wir haben zu viele Staatsausgaben. Deshalb mit der CDU/CSU getragen, eine Steuerpolitik, die muß ernsthaft weiter gespart werden. konsequent eine Umverteilung des gesellschaftli- chen Reichtums von unten nach oben zementiert und (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - beschleunigt hat. Ich kann mich zumindest nicht Dr. Uwe Küster [SPD]: Da ist doch die Bun erinnern, aus Ihren Reihen auch nur eine Stimme desregierung verantwortlich! - Weitere gehört zu haben, die 1990 gegen die Senkung der Zurufe von der SPD) Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer prote- stiert hätte. Lassen Sie uns kurzfristig ein Signal an die Bevöl- kerung, an die Wirtschaft geben: Wir dürfen nicht Wie haben Sie sich denn bei der Senkung der Kör- nur über Steuersenkungen reden, die dann im Ver- perschaftsteuersätze oder bei der „Begradigung" des mittlungsausschuß bei den SPD-geführten Ländern Einkommensteuertarifs entschieden? Sie wissen sowieso wieder versanden und gegenfinanziert wer- genau: Das bewirkt jährlich einen Ausfall von etwa den und auf die lange Bank geschoben werden. Las- 36 Milliarden DM. Im Vergleich dazu: Für 1995 wur- sen Sie uns die Kraft finden, jetzt ein klares Signal zu den dadurch Steuerausfälle in Höhe von 30 Mil- setzen! liarden DM erwartet. Wir haben heute im Finanzaus- schuß erneut darüber gesprochen. Lassen Sie uns kurzfristig, möglichst noch im Früh- jahr, Die ganze Diskussion über den Solidaritätszu- schlag ist meines Erachtens eine von der Regierungs- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ koalition geschickt organisierte, öffentlich ausgetra- DIE GRÜNEN]: Möglichst vor den Land gene Scheindiskussion zum Wahlkampf, nur damit tagswahlen!) die F.D.P. für Wählerinnen und Wähler wieder inter- essant wird. die Senkung des Solidaritätszuschlags in 1997 beschließen! Das fordern der Sachverständigenrat, (Beifall bei der PDS) die wirtschaftswissenschaftlichen Institute, der BDI, Eine Zweitstimmenkampagne kam für 1996 nicht in der DIHT, der Bund der Steuerzahler sowie die Mit- Frage, also entschied man sich für diesen Weg. telstandsvereinigung der Union schon seit November 1995 und gerade in der letzten Woche noch die CDU Da Sie uns nun diese Diskussion, die nicht ehrlich in Hessen. Dieses ist das Signal an die Wirtschaft und gemeint ist, aufzwingen, möchte ich noch einmal an die Arbeitssuchenden: daß über die Verbesserung ausdrücklich betonen - gegen weit verbreitete Mei- des Standortes Deutschland und über die Arbeitsbe- nungen, durch die Presse befördert -: Was ist denn dingungen in Deutschland nicht nur geredet, son- eigentlich der Solidaritätszuschlag? Als Ergänzungs- dern daß auch gehandelt wird. abgabe bezeichnet, ist er in Wahrheit eine Steuer auf die Steuer, (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU - Dr. Uwe Küster [SPD]: (Jürgen Türk [F.D.P.]: Natürlich!) Das ist hier doch keine Karnevalsveranstal deren Bemessungsgrundlage das Einkommen ist. tung! - Detlev von Larcher [SPD]: Wahl kampf ohne Butter bei die Fische!) (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Richtig!) Voraussetzung ist, daß man auf ein Einkommen Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt Steuern zahlen kann. Ich versichere Ihnen:- Sehr, sehr die Abgeordnete Barbara Höll. viele Menschen, gerade auch in den neuen Bundes- ländern, würden auch noch den Solidaritätszuschlag in Kauf nehmen, wenn sie denn die Möglichkeit hät- Dr. Barbara Höll (PDS): Frau Präsidentin! Meine ten, Einkommen zu erzielen, auf das sie Steuern zah- Damen und Herren! Vor einigen Wochen besann sich len. die F.D.P. auf ihre Koalitionsvereinbarung mit der CDU/CSU und klagt deren Einhaltung nun - mehr (Gisela Frick [F.D.P.]: Dazu brauchen wir oder weniger wortgewaltig - ein. Herr Walter Döring Arbeitsplätze!) als baden-württembergischer F.D.P.-Chef Aber bei 15 % Arbeitslosigkeit sind diese Menschen (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Guter Mann!) wirklich darauf angewiesen, daß von der Regierung endlich machbare Vorschläge kommen - für einen droht heute sogar, die Landtagswahlen zu einer öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, für die „Volksabstimmung über die Steuerpolitik" zu tatsächliche Schaffung von Arbeitsplätzen. machen. Dabei sind Volksabstimmungen doch wohl (Peter Harald Rauen [CDU/CSU]: Um Got- das letzte, was sich die Koalitionsparteien und damit tes Willen! - Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: auch die F.D.P. in der Politik wünschen. Wie war es Das stranguliert total! - Joseph Fischer denn beim Maastrichter Vertrag? Wie war es denn [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: bei der Diskussion über das Grundgesetz? Die Das hängt doch von Staatsaufträgen ab!) direkte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern wollen Sie von der CDU/CSU und der F.D.P. gerade - Dann setzen Sie sich einmal damit auseinander. Sie nicht. wehren das ja ab. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6949 Dr. Barbara Höll Es geht beim Solidaritätszuschlag um zwei Pro- das Beispiel Hamburg von der Kollegin Matthäus bleme: Erstens. Sind Transferleistungen für die Maier gehört. Das spricht ja wohl für sich. Einkom- neuen Bundesländer notwendig? Zweitens. Ist der mensmillionäre brauchen zum großen Teil nicht zu Solidaritätszuschlag in seiner jetzigen Form das zahlen. Erheben Sie auf deren Einkommen einen geeignete Mittel, oder gibt es nicht noch andere Abschlag! Dann können wir weiter darüber reden, Finanzierungsquellen, um von der eintönigen Leier wie die Einheit finanziert werden soll. insbesondere der CDU/CSU - „Wir müssen sparen, sparen, sparen! " - wegzukommen? Ich bedanke mich. In Übereinstimmung mit allen ostdeutschen Mi- (Beifall bei der PDS) nisterpräsidenten möchte ich auch hier noch einmal für die PDS betonen: Wir denken, Transferleistungen sind absolut notwendig. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamentarische (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Richtig!) Staatssekretär Hansgeorg Hauser. Herr Thiele, was Sie ausgeführt haben, beschreibt die Zwangslage, in der sich die Ministerpräsidenten (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Jetzt sind befinden. Wie sieht es denn konkret aus? Mit dem wir gespannt!) Haushalt 1996 sind viele ostdeutsche Bundesländer nicht mehr in der Lage, die Bundesfördermittel in Parl. Staatssekretär beim Bun- vollem Umfang abzurufen. Gerade Sachsen-Anhalt Hansgeorg Hauser, desminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Meine hat sich in den Haushaltsberatungen sehr strikt an sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Mat- den obersten Grundsatz gehalten, möglichst viel thäus-Maier, es ist schon rührend, wie Sie um die davon abrufen zu können, das heißt, an anderen Stel- Bundesregierung besorgt sind. Ich bewundere es, len zu sparen. wie Sie es schaffen, in jeder Rede den Jäger 90 unter- Aber wie sieht es denn zum Beispiel in Sachsen zubringen. aus? Stellen nach § 249h AFG werden auslaufen, weil keine Gegenfinanzierung vorhanden ist. Und (Beifall bei der CDU/CSU - Ingrid Mat warum ist sie nicht vorhanden? Weil Sie, insbeson- thäus-Maier [SPD]: Das werde ich auch wei dere mit Ihrer Sozialpolitik, viele Probleme, die ter tun!) eigentlich der Bund lösen müßte, auf Land und Kom- Ich empfehle Ihnen aber, einmal Ihren wirtschafts- munen abschieben. politischen Sprecher zu fragen, was er zu diesem (Beifall bei der PDS) Thema meint. Wahrscheinlich wird er dann wieder umfunktioniert zum gesundheitspolitischen Spre- Diese sind tatsächlich nicht in der Lage, über ihre cher. Es amüsiert ihn übrigens außerordentlich, daß Haushalte zu verfügen, sondern sind bis zum letzten er immer von hier nach dort verschoben wird. gebunden und müssen sich verschulden. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Erzählen Sie doch Was nützt es mir, wenn mir jemand hundert Mark geben will, aber ich selbst hundert Mark dazulegen erst einmal etwas zur Haltung der Bundes muß, bevor ich etwas damit anfangen kann? Wenn regierung zum Solidarpakt!) ich die hundert Mark nicht habe, nützt es mir nichts. Die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und Das ist das Problem, das sich im Osten ganz klar F.D.P. enthält in bezug auf den Abbau des- Solidari- stellt. tätszuschlags eine ganz klare Aussage - ich zitiere -: (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das Pro blem haben Sie noch nicht ganz begriffen!) Da der Solidaritätszuschlag zur Finanzierung des Transfers des Bundes für die neuen Länder im Als letztes zu der Frage, ob der Solidaritätszu- Rahmen des Finanzausgleichs dient, muß er bei schlag überhaupt ein geeignetes Mittel ist: Wir Rückführung dieser Belastungen oder bei einem haben von Anfang an gesagt, daß er eben kein dauerhaft stärkeren Anstieg der Einnahmen aus geeignetes Mittel ist. Es geht um eine sozial gerechte dem Solidaritätszuschlag gegenüber den Annah- Finanzierung der Einheit. Diese hat die Regierungs- men des Finanzplans entsprechend zurückge- koalition von Anfang an nicht gewollt. Sie haben bis führt werden. heute nicht die immensen Zusatzgewinne der Ban- ken abgeschöpft. Möglichkeiten dazu wären vorhan- Das sind also zwei Kriterien für die Rückführung des den. Solidaritätszuschlages: zum ersten die Finanzierung des Transfers in die neuen Länder im Rahmen des Ein Beispiel der Steuersubvention habe ich aufge- Finanzausgleichs und zum zweiten der stärkere führt: Heute, 1996, muß der Solidaritätszuschlag von Anstieg der Einnahmen aus diesem Solidaritätszu- Einzelpersonen bereits bei einem Jahreseinkommen schlag. von 17 000 DM gezahlt werden. Steuerhinterziehun- gen machen ganz andere Größenordnungen aus. Ich komme zum ersten Kriterium. Durch die For- Ersetzen Sie die Ergänzungsabgabe! Es stimmt eben mulierung in der Vereinbarung „Transfer des Bundes nicht, daß die Bezieher mittlerer und höherer Ein- für die neuen Länder im Rahmen des Finanzaus- kommen durch diese Regierungskoalition in den gleichs" wird ein enger Zusammenhang zwischen letzten Jahren besonders belastet wurden. Wir haben der Rückführung des Solidaritätszuschlages und 6950 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser einer Revision der Umsatzsteuerverteilung herge- - Also sollten Sie solche Bemerkungen unterlassen. stellt. Sie sind nicht sachgemäß. (Joachim Poß [SPD]: Jetzt müßte Herr (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Thiele genau zuhören!) DIE GRÜNEN]: Doch!) Der Bund hat den Ländern im Rahmen des Föde- Wenn sich diese Tendenz bestätigt, dann bestünde ralen Konsolidierungsprogramms von seinem Anteil ab 1998 eine Überfinanzierung der Vorwegauffül- an der Umsatzsteuer unbefristet sieben Umsatz- lung. Damit würden Spielräume für eine Rückfüh- steuerpunkte abgetreten. Damit finanziert der Bund rung des Solidaritätszuschlages eröffnet. die Vorwegauffüllung bei der horizontalen Umsatz- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Herr Thiele steuerverteilung zugunsten der neuen Länder. Mit spricht doch von 1997! Wer sagt denn nun dieser Vorwegauffüllung wird die Finanzkraft der etwas Falsches?) neuen Länder vor dem Länderfinanzausgleich in Richtung der durchschnittlichen Finanzkraft der Län- - Herr Thiele kann hier doch sehr wohl eine persönli- dergesamtheit angehoben. che Meinung vertreten. Das gestehen Sie ihm doch zu. Auch Sie haben doch Ihre Meinung vertreten. Bei einer Überfinanzierung haben die Länder für diese Vorwegauffüllung nicht benötigte Umsatz- (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ steuereinnahmen an den Bund zurückzuübertragen. DIE GRÜNEN]: Herr Thiele hat gesagt, da Damit mindern sich die Belastungen des Bundes aus seien Sie sich einig!) den Transfers für die neuen Länder. Bei einer Rück- - Herr Fischer, bei Ihrer Lautstärke könnten Sie, gabe dieser nicht mehr benötigten Umsatzsteuer glaube ich, alleine ganze Fischer-Chöre bilden. Das punkte durch die Länder hätte der Bund Spielraum wäre vielleicht auch unterhaltsam. für eine Rückführung des Solidaritätszuschlages. Lassen Sie mich zum zweiten Kriterium der Verein- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Jetzt wissen barung kommen. die Leute Bescheid!) (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Da hat Herr Liebe Frau Matthäus-Maier, nun komme ich zu Thiele also unrecht!) den Steuerschätzungen. Das sind keine geschönten Gegenüber den Annahmen des Finanzplanes zeich- Zahlen. Sie wissen, wie Steuerschätzungen durchge- net sich dauerhaft kein stärkerer Anstieg der Einnah- führt werden. Daran sind Sachverständige beteiligt. men aus dem Solidaritätszuschlag ab. Wir lesen in der Zeitung leider immer wieder, daß die Sachverständigen, die eine Meinung dazu abgege- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ ben haben, ein paar Monate später eine ganz andere DIE GRÜNEN]: Was sagen Sie denn dazu, Meinung vertreten. Das sollte man nicht alles der Herr Thiele?) Bundesregierung in die Schuhe schieben. Im Gegenteil: Durch das steuerliche Existenzmini- Auf der Basis der kurzfristigen Steuerschätzung mum nach dem Jahressteuergesetz 1996 sind die vom Oktober 1995 ergibt sich für 1996 eine im Ver- Aufkommenserwartungen für den Solidaritätszu- gleich zum Gesamtaufkommen aus dem Solidaritäts- schlag gegenüber den Annahmen zum Zeitpunkt der zuschlag von etwa 29 Milliarden DM nur geringe Koalitionsvereinbarung sogar zurückgegangen. Das Überfinanzierung dieser Vorwegauffüllung in einer nach der Steuerschätzung vom Oktober 1995 auch Größenordnung von 1,7 Milliarden DM. mittelfristig zu erwartende geminderte Steuereinnah- menniveau wird sich zusätzlich negativ- auf die Ein- Gesicherte und quantifizierbare Aussagen über die nahmen aus dem Solidaritätszuschlag auswirken. Entwicklung im Zeitraum nach 1996 können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gemacht werden, da (Detlev von Larcher [SPD]: Also kein Abbau eine aktuelle mittelfristige Steuerschätzung nicht des Solidaritätszuschlags!) vorliegt. Allerdings ist für die Folgejahre tendenziell Für 1997 ist zunächst ein Stabilitätspakt zur Defi- eine Zunahme der Überfinanzierung der Vorweg- zitbegrenzung erforderlich. auffüllung zu erwarten. Sollte diese Tendenz in der mittelfristigen Steuerschätzung im Mai dieses Jahres (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ - das ist der nächste Termin - eine Bestätigung fin- DIE GRÜNEN]: Der zuständige Staatssekre den, dann bestünde - - tär verschleiert etwas, habe ich das Gefühl! Staatssekretär Suleika!) (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nach den Landtagswah Der Umfang der Konsolidierungsaufgabe ergibt noch len!) keine Spielräume für eine Rückführung des Solidari- tätszuschlages im Jahre 1997. - Mein lieber Herr Fischer, die Steuerschätzung fin- det regelmäßig zweimal im Jahr statt. Das wissen Sie Meine Damen und Herren, die gespannte Haus- ganz genau. haltslage des Bundes läßt keine anderen Zugeständ- nisse zu. Die vorübergehenden Wachstumsabschwä- (Joseph Fischer [Frankfu rt ] [BÜNDNIS 90/ chungen und die damit verbundenen Wirkungen der DIE GRÜNEN]: Das weiß ich! Aber die automatischen Stabilisatoren führen beim Bund zu Argumentation, die Sie jetzt bringen, ist deutlich höheren Belastungen, als es im Finanzplan davon unabhängig!) vom letzten Sommer unterstellt wurde. Wir haben Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6951 Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser auch in den kommenden Jahren Steuerminderein- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat nahmen zu erwarten. Wir haben Mehrbelastungen jetzt der Abgeordnete Joachim Poß. durch den Arbeitsmarkt zu erwarten. Wir haben allein für 1997 gegenüber der mittelfristigen Finanz- planung bei Umsetzung aller Sparbeschlüsse und Joachim Poß (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Streit in der Koalition über strikter Geltung des Moratoriums, also keinen Lei- den Solidaritätszuschlag ist ein Spiegelbild der stungsverbesserungen, einen Konsolidierungsbe- Finanzpolitik dieser Bundesregierung. darf in Höhe von 20 Milliarden DM. (Detlev von Larcher [SPD]: Also erzählt (Beifall bei der SPD) Herr Thiele von der F.D.P. Quatsch!) Die Politik des Bundesfinanzministers ist ohne klares Bei einem Abbau des Solidaritätszuschlages im Ziel. Sie ist nicht berechenbar. Sie ist planlos und chaotisch. Wir haben hier ein Beispiel dafür erlebt: Jahre 1997 um beispielsweise 2,5 Prozentpunkte müßten weitere 10 bis 12 Milliarden DM eingespart die Auseinandersetzung zwischen Herrn Thiele und werden. Herrn Hauser. Man muß doch fragen: Wer hat denn recht? Wer führt die Bevölkerung hinters Licht? Das (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ muß doch wohl heute zu klären sein. DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wenn das gelingt, Herr Thiele, wäre selbstverständ- DIE GRÜNEN) lich die Chance für Spielräume gegeben. Früher hat der Bundesfinanzminister erklärt, wenn Ich bin gespannt, welche Beiträge die Opposition die Leistungen des Bundes im Finanzausgleich für zu diesen Einsparungsvorschlägen einbringt. Wahr- die neuen Länder zurückgingen, werde der Solidari- scheinlich werden dann wieder auf der einen Seite tätszuschlages entsprechend abgebaut. So auch Herr die hohen Sonderabschreibungen bejammert, die in Hauser heute. Belastbare Zahlen dafür, Herr Thiele, den Gesetzen enthalten sind, auf der anderen Seite, den Solidaritätszuschlag auf Grund des FKP und daß nicht genügend Investitionsbereitschaft vorhan- auch der Koalitionsvereinbarung zum Finanzaus- den ist. gleich zurückzuführen, gibt es nicht. Das haben wir heute morgen im Finanzausschuß festgestellt. Wenn Eines jedenfalls steht fest: Auf Pump wird es keine Sie der Öffentlichkeit als Sachkundiger etwas ande- Steuersenkungen geben. res vermitteln, dann handeln Sie wider besseres Wis- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge sen, um Ihrer sterbenden Partei zu helfen. ordneten der F.D.P.) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir müssen die Maastricht-Kriterien einhalten, von DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rolf Kutz denen wir in diesem Jahr eines noch nicht erfüllen mutz [PDS]) können. Sie sind kein seriöser Finanzpolitiker mehr, Herr (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Hauser, wenn Sie so weitermachen. DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit der Mehr (Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser: wertsteuererhöhung?) Was habe ich denn getan?) Wir haben einen Konsolidierungsbedarf der öffentli- - Ich habe Herrn Thiele gemeint, nicht Sie. chen Haushalte. Konsolidierung ist das Gebot der Stunde. (Lachen bei der CDU/CSU - Zuruf- von der CDU/CSU: Das sind aber zwei verschie (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ dene!) DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Mehrwert steuererhöhung? Im Mai oder im Juni?) Ich habe von dem Widerspruch zwischen Ihnen und Herrn Thiele gesprochen. - Herr Fischer, das, was ich sage, interessiert Sie anscheinend gar nicht. Sie wissen genau, daß wir Neuerdings erklärt der Bundesfinanzminister, der eine Kapitalmarktentlastung erreichen müssen. Solidaritätszuschlag könne nicht abgebaut werden, Dadurch erreichen wir entsprechend stabile Erwar- da es im Haushalt wegen der Bahnreform und des tungen und Vertrauen in die Märkte, niedrige Zinsen Kohlepfennigs zusätzliche Belastungen in Höhe von und niedrige Inflationsraten. Das ist das, was wir 14 Milliarden DM gebe. Diese 14 Milliarden DM schaffen müssen. haben aber überhaupt nichts mit dem Finanzaus- gleich und den neuen Ländern zu tun. Der Grund ist (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) klar: Der Bundesfinanzminister hat riesige Haus- Damit stärken wir das Wachstum am Standort haltslöcher. Erst heute mußte im Finanzausschuß Deutschland und sichern Arbeitsplätze. zugegeben werden, daß 1997 konjunkturbedingt mit zusätzlichen Steuerausfällen in Höhe von 21 Mil- Wir müssen unsere Zinszahlungen durch Schul- liarden DM beim Bund zu rechnen ist. denabbau begrenzen; denn nur dadurch, nicht anders, erhöhen wir die Spielräume zum Abbau des Es ist daher kein Wunder, wenn der Bundesfinanz- Solidaritätszuschlages. minister am Solidaritätszuschlag festhält. Die Gründe für die Einführung des Solidaritätszuschlags aus dem (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Jahre 1993 sind für Herrn Waigel offenbar nicht mehr 6952 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Joachim Poß entscheidend. Ihm geht es nur noch darum, sich Deshalb beschränken sie sich darauf, 1997 Entlastun- irgendwie durchzuwursteln. gen für Großbetriebe über die Gewerbekapitalsteuer und für Großvermögen und Vermögen über die Ver- Uns ist auch klar, warum Herr Waigel im Jahre mögensteuer zu versprechen. 1997 am Solidaritätszuschlag festhalten will. Er braucht die Einnahmen, um die Maastricht-Kriterien Eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast darf erfüllen zu können. Das Ergebnis seiner Finanzpoli- aber nicht bei der Vermögensteuer ansetzen. Sie tik ist ein blauer Brief der Kommission aus Brüssel. muß beim Solidaritätszuschlag ansetzen - das ist schon richtig -, (Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig!) (Zustimmung bei der SPD) Deutschland hat 1995 das Maastricht-Kriterium beim gesamtstaatlichen Defizit nicht eingehalten. allerdings auf Grund von Zahlen über die Entwick- Herr Waigel trägt dafür die Verantwortung. Als lung von Steuereinnahmen und Finanzierungsdefizi- Finanzminister hat er eine gesamtstaatliche Verant- ten in den kommenden Jahren. Bitte nicht wieder auf wortung. Deshalb muß er sich den blauen Brief aus der Basis von Traumzahlen, sondern auf Grund von Brüssel zurechnen lassen. belastbaren und realistischen Rechnungen. Nur so kann man verantwortungsbewußt mit den deutschen (Beifall bei der SPD - Joseph Fischer Wählern umgehen und nicht so, wie Sie es in den [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: nächsten Wochen vorhaben. Schuldentheo!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Es ist zu billig, die Schuld auf andere abzuschie- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ben. Der bayerische Ministerpräsident Stoiber hat und der PDS) deshalb auch die Schuldzuweisung an Länder und Gemeinden entschieden zurückgewiesen. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt der Abgeordnete Gerhard Schulz. (Walter Hirche [F.D.P.]: Das stimmt nicht!)

Deutschland hat 1995 das Maastricht-Kriterium Gerhard Schulz (Leipzig) (CDU/CSU): Frau Präsi- beim Defizit mit 3,6 Prozent deutlich überschritten. dentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Auch Ich frage Sie, Herr Hauser - von Herrn Thiele und wenn ich viele Kolleginnen und Kollegen in diesem der F.D.P. gar nicht zu sprechen -: Wie können Sie Haus verstehen kann, die gerne schon 1997 eine angesichts dieser Situation fordern, daß 1997 die Ver- Reduzierung des Solidaritätszuschlages erreichen mögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer ersatz- möchten, muß ich leider sagen: Ich halte das nicht für los abgeschafft und die Gewerbeertragsteuer weiter realisierbar und auch nicht für verantwortbar. gesenkt werden? Das allein macht 15 Milliarden DM aus. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ (Peter Harald Rauen [CDU/CSU]: Wegen NEN und der PDS) der Arbeitsplätze!) Am 12. Oktober des vorigen Jahres feierten wir in Die F.D.P. fordert zusätzlich zu diesen 15 Milliarden diesem Hause fünf Jahre deutsche Wiedervereini- DM eine Senkung des Solidaritätszuschlages um gung. Der Bundeswirtschaftsminister veröffentlichte 10 Milliarden DM. Das macht dann 25 Milliarden DM anläßlich dieses Festtages eine Broschüre mit dem aus. Bezogen auf das Jahr 1995 hätte Deutschland Titel „Aufbau Ost - die zweite Hälfte des Weges". mit diesen zusätzlichen Steuerausfällen beim Defizit- Wir waren uns damals einig, daß diese zweite- Hälfte kriterium über 4 Prozent gelegen. Das wäre doch des Weges mindestens genauso steinig und angesichts der Musterschülerrolle, die Herr Waigel beschwerlich werden wird wie der erste Teil. Dieser europa- und weltweit spielt, skandalös. Grundsatz gilt auch heute noch, vier Monate später. Deshalb sage ich Ihnen: Wer aus der Wi rtschaft, Er gilt um so mehr, wenn man sich die wirtschaftli- der F.D.P. oder der Union solche Forderungen an die che Entwicklung in Ostdeutschland im Jahre 1995 Steuerpolitik stellt, ohne zu sagen, wie er das gegen- vor Augen führt. Die Wachstumsrate des Bruttoin- finanzieren will, handelt verantwortungslos und führt landsprodukts hat sich in den neuen Ländern von die Leute hinters Licht. 8,5 Prozent auf 6,3 Prozent reduziert. Für 1996 erwar- ten selbst Optimisten nur eine Fünf vor dem Komma. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Der Anteil Ostdeutschlands am gesamtdeutschen und der PDS) nominalen Bruttoinlandsprodukt stieg 1995 von 10,4 Prozent auf nur 10,9 Prozent. Bei gleichen Wi rt Die vom Finanzminister und erst recht von der -schaftsverhältnissen in Ost und West müßte er bei F.D.P. geforderte Senkung der Steuer- und Abgaben- rund 20 Prozent liegen, um den Anteil der ostdeut- belastung ist ein leeres Versprechen. Das Ziel, die schen Bevölkerung an der gesamtdeutschen Bevöl- Steuer- und Abgabenbelastung für die große Mehr- kerung widerzuspiegeln. heit der Menschen zu senken, haben Waigel und Co. längst aufgegeben. Im Klartext heißt das: Die Schere zwischen Ost und West schließt sich zwar, sie schließt sich aber immer (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Haben wir langsamer. Wir werden in Zukunft den Aufbau Ost gerade gemacht!) mit weniger Wachstum bewältigen müssen, und das Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6953

Gerhard Schulz (Leipzig) heißt, der neu geschaffenen Wi rtschaftsstruktur in Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat den neuen Bundesländern auch weiterhin die not- jetzt der Abgeordnete Wolfgang Ilte. wendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie sich langfristig stabilisieren und auf eigenen Füßen stehen kann. Das kostet Geld. Und das sollte man an Wolfgang lite (SPD): Frau Präsidentin! Meine dieser Stelle der gesamten deutschen Bevölkerung Damen und Herren! Die Koalition steckt also offen- deutlich und ehrlich sagen. sichtlich in der Krise. Wir hören es quasi bei jedem Wortbeitrag. Der eine sagt es so, der andere so. Der Solidaritätszuschlag trägt dazu bei, die Trans- ferzahlungen des Bundes für Ostdeutschland zu (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch finanzieren, reicht aber zur vollständigen Bewälti- blanker Unsinn!) gung dieser Aufgaben bei weitem nicht aus. Bei Hausgemacht ist die Krise sicherlich, aber offensicht- einem Nettotransfervolumen von rund 85 Milliarden lich soll sie bewußt nicht mehr hinter dem Berg DM - Herr Thiele sagte vorhin 88 Milliarden DM - gehalten werden. für 1996 und einem realistisch gerechneten Aufkom- men des Solidaritätszuschlages von 29 Milliarden Da veranstaltet die F.D.P. einen Parteitag und DM im gleichen Jahr wird deutlich, daß wenig Platz möchte sich gerne profilieren, zum Beispiel als Steu- für die Reduzierung dieses Zuschlags bleibt, wenn ersenkungspartei. Das wäre doch einmal etwas Posi- die Transfers nach Ostdeutschland seriös finanziert tives. werden sollen. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: So ist es!) Den Kolleginnen und Kollegen, die jetzt aus wahl- Aber stopp mal, sagt der eine, das reicht zum taktischen oder anderen Gründen kurzfristig die Bestehen der nächsten drei Landtagswahlen viel- Rückführung des Solidaritätszuschlages für 1997 ver- leicht nicht aus, denn damit haben wir es ja schon so langen, stelle ich folgende Fragen: oft versucht, und außerdem, Steuern und Abgaben (Detlev von Larcher [SPD]: Leute hinters senken wollen die anderen schließlich auch. Die Licht führen!) Union will die Unternehmensteuern und die Erb- schaftsteuern senken, möglichst auf Null. Die Vermö- Wollen Sie die fehlenden Mittel durch eine höhere gensteuer soll ganz abgeschafft werden. Die Sozial- Verschuldung ausgleichen oder wollen Sie eine Ver- demokraten wollen die Lohnnebenkosten und die kürzung der Finanzmittel für den Aufbau Ost- Sozialabgaben senken. Eigentlich ist schon fast alles deutschlands? besetzt. Was machen wir denn da? Und plötzlich hat einer einen Gedanken und sagt: die Förderung Ost. (Zurufe von der F.D.P.: Nein!) Meine Damen und Herren, ich gratuliere Ihnen. Das ist genau das, was wir in der heutigen gesellschaftli- - Na gut, aber eines müssen wir ja machen, oder wir chen Diskussion wirklich noch gebraucht haben. belassen es beim Solidaritätszuschlag. Die eine Alter- native, eine höhere Kreditfinanzierung der deut- Was ist denn eigentlich der Solidaritätszuschlag? schen Einheit, hätte nicht nur fatale Folgen für die Er ist einmal eingeführt worden - das ist hier sehr Verschuldung der öffentlichen Haushalte, sondern richtig von Herrn Hauser gesagt worden, im Gegen- auch für das gesamtdeutsche Zinsniveau. Steigende satz zu seinen Äußerungen im Finanzausschuß -, um Zinsen in Zeiten, in denen wir in Ost und West drin- die Transferleistungen des Bundes in die neuen Län- gend Investitionen brauchen, sind Gift für unsere der zu unterstützen, und abgebaut bzw. abgeschafft labile Konjunktur, für den Aufbau Ost und würden werden sollte er in dem Maße schrittweise,- wie der nur noch mehr Arbeitslosigkeit verursachen. Aufbau Ost vorankommt. Wenn man in der heutigen gesellschaftlichen Lage den Abbau des Solidaritäts- Die andere Alternative, eine Reduzierung der Auf- zuschlages forde rt, muß man auch die Folgen benen- bauunterstützung bereits zu dieser Zeit, führt mit nen. Zum einen könnte man sich hinstellen und Gewißheit zu einer Verlangsamung des Aufbaus und sagen, der Aufbau Ost ist soweit vorangeschritten, damit später zu höheren sozialen Transferzahlungen. wir brauchen die Solidarität des Westens nicht mehr. Na, herzlichen Glückwunsch, meine Damen und Nein, bleiben wir realistisch. Wir werden den Soli- Herren. Erzählen Sie das einmal Ihrer Klientel im daritätszuschlag noch lange benötigen, denn die Osten! neuen Länder werden auch bis ins nächste Jahrtau- (Beifall bei der SPD) send möglicherweise noch von westdeutschen Trans- ferzahlungen abhängig sein. Aber je mehr wir jetzt Hierbei ist mir völlig unklar, wie so ein Parteitagsbe- weiterhin klotzen statt kleckern, desto eher brauchen schluß bei Ihnen überhaupt zustande kommen kann, wir keine Transferzahlungen mehr. Wir sollten ehr- zumal die Mehrheit Ihrer Mitglieder eigentlich im lich sein - ich wiederhole es - und dies den Men- Osten zu Hause ist. Das wundert mich, offen gesagt, schen in unserem Lande auch so deutlich sagen. an dieser Stelle völlig. Wie erklären es die Ost-Abge- ordneten Ihrer Partei eigentlich ihrer Klientel zu Herzlichen Dank. Hause im Wahlkreis, daß die F.D.P. nun noch massi ver die Förderung Ost zusammenstreichen will? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das sagt kei DIE GRÜNEN) ner!) 6954 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 Wolfgang Ilte - Hören Sie einmal zu! Dafür gibt es für mich nur Dann fordere ich Sie aber auch auf: Besinnen Sie sich noch eine Erklärung. Sie wollen Wähler im Westen trotz Einsparungsmöglichkeiten auf die Realitäten! gewinnen, im Osten haben Sie sowieso keine mehr. Die 22 Milliarden DM Förderung Ost sind im Ver- gleich der Haushalte 1995 und 1996 netto eingespart (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE worden, so heißt es aus den Reihen der Koalition. Die GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Papiere haben Sie ja erhalten. PDS) Frau Karwatzki gibt uns Papiere ähnlichen Inhalts, Sie nehmen aus reinem Wahlkampfpopulismus in wobei sie sich nicht ganz sicher ist: Sind es nun bloß Kauf, daß in unserer Gesellschaft eine Ost-West- 13 Milliarden DM, oder sind es doch 22 Milliarden Antisolidarisierungsdiskussion vom Zaun gebrochen DM, je nachdem wie man rechnet? Das sei, wie es wird, und hoffen, daß Sie auf diese skandalöse A rt sei. Sie haben doch trotz Beibehaltung des Solidari- und Weise Ihre Wähler West noch einmal mobilisie- tätszuschlages fast genau um den Betrag, den man ren können. Dabei sollten Sie allerdings stets auch damit kassenwirksam erzielen kann, die Förderung darauf hinweisen, daß die Bürgerinnen und Bürger Ost zurückgebaut. Damit haben Sie genaugenom- im Osten, so sie denn noch Arbeit haben, diesen men - das ist auch schon gesagt worden - bereits die Zuschlag ganz genauso zahlen wie die meisten Bür- Geschäftsgrundlage für den Beschluß des Haushal- gerinnen und Bürger im Westen, tes 1996 verlassen. Man muß sich nämlich langsam fragen: Ist der Solidaritätszuschlag überhaupt noch (Zurufe von der F.D.P.: Richtig! - Eben!) eine solidarische Abgabe für den Osten, oder üben ausgenommen natürlich die Hälfte der Einkommens- hier mittlerweile die Bürgerinnen und Bürger dieses millionäre in Hamburg. Sie zahlen nämlich - weder Landes mehr oder minder freiwillig Solidarität mit Steuern noch Solidaritätsabgabe; denn wer keine dem Waigelschen Haushalt? Ich frage mich nämlich Steuern zahlt, zahlt bekanntlich diesen Betrag auch schon, ob der Name „Solidaritätszuschlag" über- nicht. haupt noch zu rechtfertigen ist oder ob wir ihn nicht lieber seit Inkrafttreten des Haushaltes 1996 als das Nehmen wir doch einmal den Fall, daß Sie die bezeichnen sollten, was er nämlich eigentlich ist - Transferleistungen zwar schrittweise abbauen wür- eine reine Haushaltssanierungssteuer. den, Sie sie aber dennoch teilweise aufrechterhalten Schönen Dank, meine Damen und Herren. wollen. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten, die Finanzierung zu bewerkstelligen. Zum einen kön- (Beifall bei der SPD und der PDS) nen Sie natürlich hergehen und die 27 oder 29 Milliarden DM auf die Lohnnebenkosten umlegen und die verbleibenden Transferleistungen wieder Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt von den abhängig Beschäftigten über die Beitrags- der Abgeordnete F riedrich Merz. und Versicherungsleistungen bezahlen lassen, von den Arbeitnehmern wie den Arbeitgebern. Diese Friedrich Merz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Form hat ja bereits Methode in der Politik. Aber dies- sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mal werden wir Ihnen das nicht durchgehen lassen; zunächst eine Feststellung treffen: Alle Abgeordne- das verspreche ich Ihnen, meine Damen und Herren. ten der CDU/CSU und der F.D.P. sind für die bald mögliche Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Die andere Möglichkeit wäre: Sie finanzieren das über den Bundeshaushalt. Da haben Sie wieder zwei (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Möglichkeiten, einsparen oder Schulden machen. - Nun sind Sie ja Meister im Schuldenmachen Ich möchte hinzufügen: Ich halte es für das gute Recht der F.D.P., in der Diskussion um diese Frage (Zuruf von der F.D.P.: Meister ist Lafon anzumahnen, ihn früher abzuschaffen, als es eigent- taine!) lich geplant ist. Es ist das gute Recht der F.D.P., dies sogar in Wahlkampfzeiten zu sagen. Wir befinden - na schön; nun kommen Sie -, aber ich glaube, das uns in großer Übereinstimmung auch mit Kollegen trauen Sie sich denn wohl doch nicht. der SPD, mit Herrn Poß, mit Herrn Spöri, mit ande- ren, die sagen: Der Solidaritätszuschlag muß abge- Bleiben die Einsparungen. Es liegen ja mittler- schafft werden. weile aus allen Fraktionen dieses Hauses die ent- sprechenden Einsparungsvorschläge vor. Natürlich Aber wenn wir den Solidaritätszuschlag abschaf- berücksichtigt jeder dabei seine Klientel. fen, dann brauchen wir auch eine gewisse Symme- trie bei der Entlastung der Arbeitnehmer von über (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Wie kann man proportional gestiegenen Sozialabgaben. Dies nur einen solchen Schwachsinn reden!) gehört für uns zusammen, und dies können wir nicht voneinander trennen. Wenn Sie von uns Sparvorschläge haben wollen, dann müssen Sie natürlich auch hinhören; oder Sie Der Abbau des Solidaritätszuschlages - darauf hat können auch vorbeikommen. Herr Thiele, wir haben Staatssekretär Hauser dankenswerterweise und rich- kein Problem damit; wir können sie Ihnen gern auch tigerweise hingewiesen - darf und kann auch nicht noch mal in der nächsten Ausschußsitzung auf den mit einer weiteren Anhebung der Verschuldung in Tisch legen. Deutschland finanziert werden. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Gern!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6955

Friedrich Merz Herr Poß, hier befinden wir uns offensichtlich in gro- gedacht: Wenn Frau Matthäus-Maier in ihrem Wahl- ßer Übereinstimmung. kreis einmal einen neuen Bäckerladen einweihen sollte, bringt sie es fertig, den Jäger 90 zum zentralen (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Gegenstand ihrer Eröffnungsrede zu machen. Auch DIE GRÜNEN]: Reden Sie über die Mehr das schaffen Sie noch. wertsteuererhöhung!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Aber eines sollten wir ebenfalls klarstellen, Herr Kollege Poß. Sie haben von der gesamtstaatlichen Nun zum Ernst der Diskussion zurück. Frau Mat- Verantwortung des Bundesfinanzministers gespro- thäus-Maier, wir werden uns über genau das Thema, chen. das Sie mit dem von mir nicht gelesenen „Spiegel"- (Joachim Poß [SPD]: Er hat sie!) Artikel dieser Woche zitiert haben, in diesem Jahr unterhalten, nämlich über die Frage, ob wir in der Sie hat er, und er nimmt sie wahr. Aber die Bemes- Lage sind, nicht nur Abgaben zu reduzieren, sondern sung des Verschuldungskriteriums - höchstens auch Steuergestaltungsmißbrauch einzuschränken. 60 Prozent Gesamtverschuldung und 3 Prozent Defi- zitquote - erfolgt nicht ausschließlich auf der Basis (Joachim Poß [SPD]: Steuerhinterziehung!) des Bundeshaushalts, sie erfolgt auf der Grundlage des Bundeshaushalts, der Haushalte der Länder, der Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Lassen Sie uns in Haushalte der Gemeinden und auch der Defizite der diesem Zusammenhang darüber reden, ob wir nicht Sozialkassen. durch die Streichung aller einheitswertbezogenen Steuern - der Gewerbekapitalsteuer, der Vermögen- (Detlev von Larcher [SPD]: Wer hätte das steuer und vielleicht sogar der Grundsteuer, zumin- gedacht?) dest einer Umgestaltung der Grundsteuer - in der Lage sind, das notwendige Personal in den Finanz- - Lieber Herr Kollege von Larcher, wenn ich es rich- verwaltungen ohne jede zusätzliche Neueinstellung tig weiß, kommen Sie aus Niedersachsen. Ich emp- freizustellen, um genau den auch von uns so gesehe- fehle in diesem Zusammenhang eine Diskussion mit nen Mißstand abzustellen, daß wir in Deutschland Ihrem Ministerpräsidenten, nämlich offensichtlich zuwenig Betriebsprüfungen (Walter Hirche [F.D.P.]: Den schätzt er nicht und zuviel Gestaltungsmißbrauch haben. sehr!) Vielen Dank, meine Damen und Herren. der jetzt einen neuen Haushalt für 1996 vorgelegt hat. Nachdem das Haushaltsvolumen des Bundes ein (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Minus von 1,5 Prozent aufweist, weist der nieder- Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie wollen sächsische Haushalt eine Steigerungsrate von alles aus der Lohn- und der Mehrwertsteuer 6,8 Prozent und eine mittlerweile verfassungsrecht- holen! Das ist Ihre Philosophie!) lich außerordentlich zweifelhafte Verschuldungsrate aus. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) die Abgeordnete Christine Scheel. Auch dies gehört dazu, wenn wir heute über die Frage des Maastricht-Kriteriums sprechen. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Das, Frau Matthäus-Maier, ich hätte mir gewünscht, was wir vorhin zwischen Herrn Hauser- und Herrn daß Sie die sehr dezidiert dargelegten Zahlen des Thiele erlebt haben, hat genau das widergespiegelt, Kollegen Peter Rauen hier nicht mit einer vorgelese- von dem wir sagen: Der Zustand dieser Koalition ist nen vorbereiteten Rede beantwortet hätten. Das ist verheerend. Ihr gutes Recht, aber ich hätte mir gewünscht, daß Sie auf seine Zahlen und seine Vorschläge etwas aus- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führlicher eingegangen wären. Er hat nämlich sehr und bei der SPD) dezidiert dargelegt, welche Vorstellungen wir haben, um genau das Ziel zu erreichen, das auch Sie hier Herr Hauser sagt, die Abschaffung des Solidaritäts- reklamieren, zuschlags könne frühestens 1998 über eine Rückfüh- rung der Umsatzsteuerbeteiligung der Länder erfol- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ gen, die dann stattfinden könne. Herr Thiele sagt, es DIE GRÜNEN]: Die hat er aber abgelesen!) geht auch 1997. Gleichzeitig gibt es die Ankündigun- nämlich mehr Beschäftigung in Deutschland und gen in der F.D.P., dem Haushalt nicht zuzustimmen, damit mehr Steuereinnahmen, mehr Einnahmen in sofern die CDU/CSU nicht bereit ist, den Weg mitzu- den Sozialkassen zu erzielen. gehen, den Solidaritätszuschlag 1997 um zumindest 2,5 Prozentpunkte zu senken. Wie verhalten Sie sich (Detlev von Larcher [SPD]: Aber wie Sie es denn jetzt, Herr Thiele? machen, haben Sie nicht gesagt!) (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Haben Sie Ich bewundere allerdings Ihre Fähigkeit, in freier doch gehört! Ich habe gerade gesprochen!) Rede in jedem Zusammenhang den Jäger 90 zum Thema zu machen. Es ist wirklich bewundernswert, Was tun Sie denn jetzt? Herr Hauser hat klipp und was Sie da fertigbringen. Ich habe mir eben noch klar gesagt: Mit uns nicht, frühestens 1998. 6956 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Christine Scheel Auf der anderen Seite ist das, was hier bet rieben maßen kompensieren wollen. Sie sind sich auch nicht wird, denke ich, wirklich eine Zumutung und eine darüber einig - das ist ein weiterer Punkt hinsichtlich Volksverdummung. der Unzumutbarkeit Ihrer Pläne gegenüber den Bür- gerinnen und Bürgern -, wie das, was Sie, Herr (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thiele, angekündigt haben, nämlich den Subven- sowie bei Abgeordneten der SPD) tionsabbau, aussehen soll. Wir hatten in diesem Haus Es ist deswegen eine Zumutung, weil Waigel noch vor einem Jahr eine Diskussion darüber, daß die Sub- im September gesagt hat: Abbau 1997. Jetzt sagt ventionen abgebaut werden sollten. Eine Kommis- Waigel: Auf Grund des weiteren Milliardenlochs im sion hat Vorlagen gemacht. Trotzdem hat der Sub- Haushalt, das sich - ich sage es jetzt einmal so iro- ventionsabbau nicht stattgefunden. Das heißt, wir nisch - „ganz plötzlich" aufgetan hat, können wir haben Steuermindereinnahmen auf Grund der Tatsa- das nicht und müssen einmal sehen, ob es 1998 che, daß die F.D.P. zusammen mit der CDU und der geht. CSU ein sinnvolles Steuerkonzept, vorgelegt von einer hochbezahlten Kommission, in diesem Hause Sie wissen ganz genau: Wenn Sie den Solidarbei- blockiert hat. Das ist ein Fakt. trag von 7,5 Prozent auf 5 Prozent senken, kommt es zu weiteren Steuermindereinnahmen von 10 Mil- Sie wissen auch ganz genau, daß die Schulden von liarden DM. Diese werden Sie nach den Wahlen, heute die Steuern von morgen sind. Es wird ein gro- wenn Sie, liebe F.D.P.-ler, in den Landtagen noch ßes Problem geben. Wir haben auch eine Debatte vertreten sein sollten, wahrscheinlich mit einer Erhö- über den Sozialstaat geführt. Ich befürchte, daß es hung der Umsatz- und der Mehrwertsteuer kompen- nach den drei Wahlen, egal, wie sie für Sie ausgehen, sieren. Das ist die Unehrlichkeit gegenüber den Bür- zu dem Versuch eines Abbaus der Sozialleistungen gerinnen und Bürgern in diesem Lande. durch die CDU/CSU kommt, um die Löcher zu stop- fen. Es wird ein weiterer Umbau von unten nach (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oben stattfinden. Das muß man den Menschen und bei der SPD) sagen. Die Menschen sind nicht so blöd, wie Sie den- Ein weiterer Punkt. Man muß von unserer Seite ken. ganz offen sagen: Es geht hier im Moment um eine Partei, um eine wahltaktische Angelegenheit - und Was nutzt es denn, wenn das Existenzminimum um sonst gar nichts. auf einem höheren Niveau freigestellt wird, wenn gleichzeitig die Abgaben in anderen Bereichen (Joachim Poß [SPD]: So ist das!) erhöht werden, wenn also die Menschen, deren Exi- stenzminimum von der Steuer freigestellt wird, bei Es geht auch darum - es stehen ja noch andere Pro- den Lohnnebenkosten stärker herangezogen werden bleme an -: Sie kompensieren zum Beispiel den und unter dem Strich im Geldbeutel so gut wie nichts Wegfall der Vermögensteuer nicht. Das haben wir mehr bleibt? Das ist doch der Punkt. heute morgen erfahren. Das wollen Sie nicht. Sie wollen auch die Gewerbekapitalsteuer ohne Kom- (Walter Hirche [F.D.P.]: Wer forde rt immer pensation wegfallen lassen. mehr Steuern? Das sind die Grünen! - (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wer hat das Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ gesagt?) DIE GRÜNEN]: Das steht doch alles in der Koalitionsvereinbarung drin!) Sie kündigen an, Sie wollen die Lohnnebenkosten senken und den Solidarbeitrag abbauen. Wie soll das Zu den neuen Bundesländern ist zu sagen - Herr denn, bitte schön, bezahlt werden, wenn nicht über Schulz hat das richtigerweise angesprochen- -: Das die Umsatz- und die Mehrwertsteuer? Das frage ich DIW hat Wirtschaftsdaten vorgelegt, nach denen Ost- Sie. deutschland noch mindestens zehn Jahre von staatli- chen Finanztransfers abhängig ist. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Gewerbekapi talsteuer mit Kompensation, hat der Staats (Gisela Frick [F.D.P.]: Aber nicht gleich sekretär ausgeführt!) hoch!) - Das hat Staatssekretär Hauser gesagt: die Vermö- Diese Finanztransfers können abgebaut werden; das gensteuer mit Kompensation. Über die Schenkung- ist vollkommen klar. Aber Sie wissen ganz genau, steuer und die Erbschaftsteuer will er kompensieren. daß die Wirtschaftslage in den neuen Bundesländern Aber die Gewerbekapitalsteuer wird anders umge- nicht so rosig ist, wie man das ursprünglich gedacht legt. hat. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Was hat der Aus schußvorsitzende dazu gesagt? - Jürgen (Dr. Uwe Küster [SPD]: Das weiß die F.D.P. Türk [F.D.P.]: Polemischer geht es ja wohl nicht! Da kommt sie doch gar nicht mehr nicht!) vor! Die gibt es doch nicht mehr!) Fest steht, daß Sie sich in Ihren Reihen in keiner Sie wissen auch - hier wird eine Milchmädchenrech- Weise darüber einig sind, wie Sie die Staatsverschul- nung aufgestellt, hier wird von Herrn Rauen eine dung in den Griff bekommen wollen. Sie sind sich Märchenstunde abgehalten nach dem Motto: wir nicht darüber einig, wie Sie die Steuermindereinnah- glauben an das Christkind -, daß das Wirtschafts- men, die jetzt offensichtlich geworden sind, einiger wachstum von ihm auf einer Berechnungsgrundlage Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6957 Christine Scheel prognostiziert worden ist, die vollkommen utopisch wie man die 10 bis 12 Milliarden DM Ausfälle - ist. neben den konjunkturellen Problemen, die wir ja haben und die nicht wegzudiskutieren sind - finan- (Peter Harald Rauen [CDU/CSU]: Das sind zieren und dennoch die Maastricht-Kriterien erfüllen ökonomische Wahrheiten! Die müssen Sie will. erst einmal lernen! Sie haben sie nicht kapiert! So geht das nicht!) (Walter Hirche [F.D.P.]: Einstieg in den Aus stieg!) Und dann finanzieren Sie über dieses Wirtschafts- wachstum den Wegfall des Solidarbeitrags. Dann Ich bin sehr zuversichtlich, daß wir nach dem Jahre gute Nacht! 1997 bis zur Jahrtausendwende den Solidaritätszu- schlag schrittweise abschaffen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Dazu werden Sie gar keine Gelegen heit mehr haben!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt der Abgeordnete Heinz-Georg Seiffert. Meine Damen und Herren, es ist fast untergegan- gen, aber es ist eine Tatsache: Für all die Wenigerver- Heinz-Georg Seiffert (CDU/CSU): Frau Präsiden- dienenden ist der Solidaritätszuschlag wie die tin! Meine Damen und Herren! Die Grünen haben gesamte Steuerpflicht bereits seit dem 1. Januar die- diese Aktuelle Stunde zum Solidaritätszuschlag ses Jahres abgeschafft worden. Das Jahressteuerge- gefordert. Wie Sie spüren, stellen wir uns dieser Dis- setz hat es mit sich gebracht, daß viele Millionen Bür- kussion gern und nicht erfolglos. ger bereits jetzt keinen Solidaritätszuschlag zahlen. All diejenigen, die Sie so gerne als Besserverdie- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - nende bezeichnen, werden ihn eben in Solidarität Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ noch eine gewisse Weile leisten müssen. DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ich will noch an einen Ich warne davor, das Thema Solidaritätszuschlag Gesichtspunkt erinnern. Es ist uns von vielen Seiten jetzt in einen Wahlkampfschlager umzuwandeln. vorgeworfen worden, daß wir 1991/92 den Solidari- tätszuschlag zu früh abgeschafft haben. (Zurufe von der SPD: Wir auch!) (Zuruf von der SPD: Wohl wahr!) Sie versuchen, mit dieser Aktuellen Stunde und mit dem Hochstilisieren dieses Problems einen Keil zwi- Es ist von der Opposition und von den Meinungsbild- schen die Regierung zu treiben. Dies wird Ihnen nern kommentiert worden, dies sei Feigheit der nicht gelingen. Dieses Thema ist uns zu ernst, als daß Regierung gewesen; man hätte den Bürgern diese wir heute mit starken Worten tagespolitische Vorteile Opfer weiter zutrauen und auflasten können; sie hät- vor Ihnen erringen wollten. ten es gerne getragen. (Zuruf von der SPD: Dann beenden Sie das (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE doch!) GRÜNEN]: Nicht nur die Arbeitnehmer!) Die Opposition ist hier auf dem falschen Dampfer. Es Ich höre diese Worte heute noch. Der politische Mut ist ein Armutszeugnis für Sie, daß Sie keine intelli- der Regierung habe gefehlt - so ist damals gesagt genteren Themen finden als jetzt dieses Thema. worden -, und wir sollten, wenn sie es schon- so mei- nen, diesen vermeintlichen Fehler nicht wiederholen; (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - wir sollten warten, bis zuverlässige Rahmenbedin- Lachen bei der SPD) gungen für eine Abschaffung vorliegen. Meine Damen und Herren, im Grunde sind wir uns Herr Poß, Sie haben die Sitzung von heute morgen doch alle einig: Eine Belastung wie den Solidaritäts- zitiert, völlig zu recht. Es liegen tatsächlich noch zuschlag darf es nur so lange geben, wie sie unbe- keine verläßlichen Rahmendaten vor. Jetzt muß ich dingt notwendig ist. Sobald man diese Solidaritätsab- Sie aber fragen: Nachdem diese Daten nicht vorlie- gabe nicht mehr braucht, muß sie weg. Da sind wir gen, wie kommt dann Ihr baden-württembergischer uns doch einig. Spitzenkandidat Spöri dazu, den Abbau des Solidari- Es gibt eine klare Vereinbarung dieser Koalition. tätszuschlags bereits ab 1997 zu fordern? Ich glaube, Wenn diese Vereinbarung zutrifft, dann kommt der er macht genau das, was Sie der F.D.P. vorwerfen, Solidaritätszuschlag stufenweise weg. Wir alle wis- nämlich ganz billige Wahlkampfpolemik und Wahl- sen, daß im Moment die finanziellen Spielräume für kampfpopulismus. eine Aussage nicht gegeben sind, die darauf hinaus- (Joachim Poß [SPD]: Und was macht der läuft, daß dies schon 1997 geändert wird. Wer in die- Herr Teufel? Haben Sie heute morgen in sem Zusammenhang - das sage ich auch zum Koali- der Zeitung gelesen, was der Herr Teufel tionspartner - die Absenkung schon 1997 um ein gesagt hat?) Drittel fordert, der muß sagen, wie man es gegenfi- nanzieren soll, Auch dies sollten wir bei dieser Gelegenheit mit aller Deutlichkeit sagen. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Hört! Hört!) (Beifall bei der CDU/CSU) 6958 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Heinz-Georg Seiffert Sie werfen mit Steinen auf andere und machen es in Chaotisches Hickhack ist überhaupt das vorherr- Baden-Württemberg genau gleich. schende Muster der Steuer- und Finanzpolitik der Koalition. Ich erinnere mich mit Grausen, daß hier (Zuruf von der SPD: Haben Sie „Spöri" oder vor fast exakt einem Jahr das Koalitionswirrwarr um „Teufel" gesagt?) das Kindergeld stattfand. Nun verbreiten Sie schon Meine Damen und Herren, wir sollten die Fakten wieder Chaos. Wenn wir Ihnen nicht andauernd auf sprechen lassen. Nicht der Kalender ist maßgeblich die Füße treten, läuft in der Steuerpolitik anschei- für den Abbau des Solidarzuschlags, sondern die nend nichts. finanziellen Möglichkeiten, die wir haben. Solidarität (Beifall bei der SPD) heißt - das stellt man fest, wenn man in den Duden Ähnlich läuft das Chaos jetzt: hineinschaut -, daß Zusammengehörigkeitsgefühl gefordert ist. (Zurufe von der CDU/CSU) Ich meine, wir müssen den Bürgern dieses Solidar- - Hören Sie jetzt lieber einmal zu! - Da machen opfer abverlangen, solange dies unbedingt notwen- F.D.P.-Politiker ihre Zustimmung zum Haushalt vom dig ist. Dann aber sollten wir es sofort abschaffen. Abbau des Solidaritätszuschlags abhängig, wobei einer übrigens ganz schnell wieder einknickt. Die Vielen Dank. finanzpolitische Sprecherin der F.D.P. macht kon- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge krete Vorschläge für einen Stufenplan, aber der ordneten der F.D.P.) Bundesgeschäftsführer zuckt gleich zurück, indem er sagt, es mache jetzt keinen Sinn, das zu beziffern.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt Der Parlamentarische Staatssekretär und nieder- die Abgeordnete Nicolette Kressl. sächsische F.D.P.-Chef forde rt für den Abbau des Solidaritätszuschlags die Streichung von Subventio- nen ein, wo wir doch alle hier bei dem Jahressteuer- Nicolette Kressl (SPD): Frau Präsidentin! Liebe gesetz erlebt haben, wie die F.D.P. aufheult, wenn es Kolleginnen und Kollegen! darum geht, auch nur einige ungerechtfertigte Sub- Solidarität ist das Bindeglied zwischen Freiheit ventionen zu streichen. Das hält nun wirklich keiner und Gerechtigkeit. Denn nur durch solidarisches mehr für glaubwürdig. Verhalten kann das Streben nach möglichst viel (Beifall bei der SPD) Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft in Einklang gebracht werden mit dem Bedürfnis nach mög- Gleichzeitig sagt der Finanzminister im September lichst viel individueller Freiheit. - wahrscheinlich zufällig ausgerechnet vor dem Steuerzahlerkongreß -, daß der Solidaritätszuschlag Dieses Zitat von macht die Bedeutung unter Umständen schon 1997 abgebaut werden kann. von Solidarität in unserer Gesellschaft deutlich. Im November sagt er, daß der Abbau frühestens 1998 Seine Aussage gilt aber auch für die finanzielle Soli- erfolgen kann und daß der Zuschlag auf jeden Fall bis darität, die wir gegenüber den Menschen in den zum Jahr 2000 bleibt. Dagegen hält der CDU-Frak- neuen Bundesländern zeigen wollen und müssen. tionsvorsitzende eine Reduzierung für 1997 für mög- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Carl lich. Der Parlamentarische Staatssekretär im Finanz- Ludwig Thiele [F.D.P.]) ministerium erklärt das fast zeitgleich für unmöglich. Wenn Politik aber - wie mit dem Solidaritätszu- Währenddessen spricht sich der hessische CDU- schlag - von den Menschen Solidarität einfordert, Landtagsfraktionsvorsitzende für eine Senkung- des dann muß sie dabei geradlinig und transparent han- Solidaritätszuschlags um ein Drittel ab 1. Januar deln; denn sonst wird diese Inanspruchnahme ver- 1997 aus, und die Herren Linssen, CDU, und Hennig, ständlicherweise nicht akzeptiert. CDU, machen ihre Spielchen mit dem Gedanken an eine Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung Was die Regierungskoalition bei diesem Thema eines Abbaus des Solidaritätszuschlags - nachlesbar! zur Zeit aufführt, ist weder geradlinig noch transpa- rent. Die Menschen haben Anspruch auf klare Aus- Besonders amüsant - wenn das Thema nicht so sagen, auf einen sachlich begründeten Zeitplan zum ernst wäre - hören sich die Aussagen vom Baden- Abbau des Solidaritätszuschlags. Württemberger SPD-Chef an, der androht, er wolle die Landtagswahlen zu einer Volksabstimmung über Übrigens, Herr Seiffert, genau das fordert der Wi rt die Steuerpolitik machen. „Nur zu! ", kann ich da nur -schaftsminister Spöri. Sie sollten vielleicht auch ein- sagen. Er scheint vergessen zu haben, welche Par- mal nachlesen, was Herr Teufel dazu sagt. teien diese Bonner Regierungskoalition bilden, (Zuruf von der CDU/CSU: Ab 1998 hat er (Beifall bei der SPD) gesagt! 1998, 1999, 2000 - in drei Schritten!) welche Parteien den Menschen diese Spitzenbela- Es kann wohl nicht wahr sein, daß durch ein chao- stungen mit Steuern und Abgaben beschert haben. tisches Hickhack die Bereitschaft der Menschen, sich Ich bin sicher, andere werden das nicht vergessen für den Aufbau im Osten einzuschränken, durch die haben. Koalition gefährdet wird. Das ist kein verantwort- Sorgen Sie auch in den alten Bundesländern für licher politischer Umgang mit diesem Thema. mehr Steuergerechtigkeit, indem Sie die Rahmen- (Beifall bei der SPD) bedingungen für bessere Steuerprüfung und für Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6959 Nicolette Kressl -fahndung schaffen! Versuchen Sie nicht wieder Allerdings hat mich gefreut, daß Frau Matthäus durch Zurufe, den Schwarzen Peter den Ländern Maier ihren Wortschatz erweitert hat: Neben dem zuzuschieben! Das macht keinen Sinn, solange Sie Jäger 90 gibt es jetzt auch die „Einkommensmillio- nicht beispielsweise durch einheitliche Verwaltungs- näre". richtlinien dafür sorgen, daß kein Land gegen ein anderes durch lasche Vorgehensweisen einen (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist ja billig! „Standortvorteil" haben kann. Sprechen Sie doch einmal zur Sache!) (Beifall bei der SPD) Wer solche Verhetzungen in unserem Lande betreibt, dem muß ich ganz deutlich sagen: Mit einer solchen Auch im Verhältnis der Länder haben Sie dafür zu Neiddiskussion schaffen Sie keinen neuen Arbeits- sorgen, daß es nicht heißt: Der Ehrliche ist der platz. Dumme. Sorgen Sie für die notwendige Transparenz bei der Diskussion! (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Wie kann man Wir fordern von Ihnen klare und sachlich be- nur einen solchen Blödsinn reden!) gründete Vorstellungen darüber ein, wie es mit dem Solidaritätszuschlag weitergehen soll. Begründen Sie Wer gearbeitet und etwas eingenommen hat, der hat nicht plötzlich die Aussage, der Solidaritätszuschlag auch investiert. könne nicht abgebaut werden, mit Haushaltslöchern, sondern einigen Sie sich endlich einmal darauf, wie (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie haben Ihre Koalitionsvereinbarungen interpretie rt werden keine Ahnung!) sollen! Wenn er keine Steuern zahlt, dann hat er investiert (Beifall bei der SPD) und hat Arbeitsplätze geschaffen. Ich muß Ihnen Von mir aus können Sie sich in der Koalition in die ganz ehrlich sagen: Was Sie hier aufzeigen, ist der Haare kriegen, aber nicht auf Kosten der Glaubwür- falsche Weg für dieses Land. digkeit von Steuerpolitik insgesamt. Uns Sozialde- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - mokratinnen und Sozialdemokraten ist es nicht egal, Dr. Uwe Küster [SPD]: Diese Rede ist ob Sie mit dem Geld der Menschen, für die Sie Regie- schamlos!) rungsverantwortung übernommen haben, verant- wortungsvoll umgehen. Wir fordern ein klares und Keiner draußen glaubt Ihnen diese Ideologie mehr. vernünftiges Vorgehen. Wir werden nicht akzeptie- Diese Neiddiskussion ist für unser Land der falsche ren, daß Sie einfach so weiterwursteln. Weg. (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei (Peter Harald Rauen [CDU/CSU]: Neid ist Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE ein schlechter Ratgeber für Arbeitsplätze!) GRÜNEN) Sozialneid ist der falsche, nicht der richtige Weg. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Als letztem Red- Meine Damen und Herren, zur Sache Solidaritäts- ner in dieser Debatte erteile ich dem Abgeordneten zuschlag selbst. Alle, die sich zum Thema geäußert Hans Michelbach das Wort. haben, stimmen in einem Punkt überein: Der Solida- ritätszuschlag muß so schnell wie möglich abgebaut Hans Michelbach (CDU/CSU): Frau Präsidentin! werden. Jede Steuersenkung schafft Impulse für Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht jetzt neue Arbeitsplätze. Das ist das, was wir jetzt brau- - um die Notwendigkeit, Freiräume für Wachstum und chen. Beschäftigung zu schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Alle Mitglieder der Regierungskoalition sind dieser Dabei muß alles auf den Prüfstand, natürlich auch Meinung. Es ist in unserer Koalitionsvereinbarung der Solidaritätszuschlag. Wir machen keine K rise, unveränderlich festgeschrieben. Hierzu stehen wir. keinen Krach oder was Sie uns sonst an Popanz unterstellen wollen: Wir wollen eine Reduzierung der In der Koalitionsvereinbarung steht aber auch, daß Steuer- und Abgabenlast. mit der Rückführung erst dann zu beginnen ist, wenn die Belastungen des Bundes im Rahmen des Finanz- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) ausgleichs zugunsten der neuen Länder zurückge- Dabei, meine Damen und Herren von den Linken, hen. Antworten auf die Frage, wann die Möglichkeit zur Rückführung denn nun besteht, können somit sind Sie gegen die Unternehmensteuerreform und keine Vereinbarungen oder Verlautbarungen, son- für neue Ökosteuern. Das ist genau das Gegenteil. dern nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Das ist keine Alternative für den Wirtschaftsstando rt. ökonomischen Realitäten und finanzpolitischen Zah- Das ist keine gute Steuerpolitik. Das bringt uns kei- nen neuen Arbeitsplatz. len geben. Die wird der Staatssekretär Hauser zu gegebener Zeit vorlegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sie allein entscheiden darüber, ob uns - wie zur Was Sie hier vollziehen und was in den einzelnen Zeit leider noch der Fall - die Hände gebunden sind Reden geboten worden ist, muß ich als Popanz und oder ob wir mit dem Abbau endlich beginnen kön- als höchst unseriös bezeichnen. nen. 6960 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Hans Michelbach Eines sollte man nämlich bedenken: Es bringt Wort „Einkommensmillionär" seit 40 Jahren ein offi- nichts, auf der einen Seite Steuern abzubauen, wenn zieller Ausdruck in der Steuertheorie und in der man gleichzeitig auf der anderen Seite die Verschul- Steuerwissenschaft für Menschen ist, die im Jahr dung erhöhen muß. Dies wäre eine Steuersenkung mehr als eine Million DM Einkommen haben, im auf Pump; das ist mit uns nicht zu machen. Natürlich Unterschied zu Vermögensmillionären, die mehr als sind Verschuldungen immer zu kritisieren. Aber wo eine Million DM Vermögen haben. Das ist ein ganz sind denn in diesem Land die Verschuldungen am sachlicher Ausdruck, wie Ihre Kollegin von der höchsten? Sie sind doch in den SPD-regierten Län- F.D.P., die Frau Professorin, mit Sicherheit bestätigen dern am höchsten. wird. Die Konvergenzkriterien für die Währungsunion, (Zuruf von der SPD: Herr Michelbach weiß die Sie hier anführen, sind doch auch deshalb im aber doch so etwas nicht!) Jahr 1995 nicht erreicht worden, weil die SPD-regier- Bundesländer die höchsten Verschuldungen hat- ten Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Die Aktuelle ten. Stunde ist damit beendet. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Die Sitzung wird um 16.45 Uhr mit Tagesord- Widerspruch bei der SPD) nungspunkt 2, Eidesleistung eines Bundesministers, Das muß doch ganz deutlich werden. Um der Ehr- fortgesetzt. lichkeit willen muß das hier einmal gesagt werden. Ich unterbreche die Sitzung. Ich kann Ihnen sagen: Es macht wenig Sinn, ein (Unterbrechung der Sitzung von 16.23 bis Loch zu stopfen, indem man ein anderes aufreißt. So 16.45 Uhr) kann nur eine SPD-Finanzpolitik aussehen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Detlev von Lar Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Liebe Kolleginnen cher [SPD]: Wie kann man nur so einen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder Quatsch erzählen! Ein Blödsinn nach dem eröffnet. anderen!) Unsere Politik kann so nicht aussehen. Sie von der Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: SPD können bekanntlich mit Geld am wenigsten gut Eidesleistung eines Bundesministers umgehen. Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben (Zuruf von der SPD: Aber Sie!) vom heutigen Tage folgendes mitgeteilt: Das habe ich Ihnen schon öfter gesagt. Das hat sich Gemäß Art. 64 Abs. 1 des Grundgesetzes für die der Vergangenheit auch immer bewahrheitet. in Bundesrepublik Deutschland habe ich heute auf Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Hierzu Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers die Bundes- müssen wir alle unseren Beitrag leisten. Dann kann ministerin der Justiz, Frau Sabine Leutheusser- der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Dann Schnarrenberger, auf ihren Antrag aus ihrem wird er schließlich überflüssig. Amt als Bundesministerin entlassen und Herrn Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig zum Bundesmi- Zum Schluß stehe ich hier an, unseren Steuerzah- nister der Justiz ernannt. lern Dank zu sagen, die diesen Solidaritätszuschlag in diesen Wochen, Monaten und Jahren aufgebracht Nach Art . 64 Abs. 2 des Grundgesetzes- leistet ein haben. Dank für die deutsche Einheit und die Wie- Bundesminister bei der Amtsübernahme den in dervereinigung und nicht für diesen Popanz, den Sie Art. 56 des Grundgesetzes vorgesehenen Eid. Herr hier aufziehen. Unsere Leute sind vernünftig. Dieses Bundesminister Dr. Schmidt-Jortzig, ich darf Sie zur Geld war gut angelegt; wir werden es, sobald es Eidesleistung zu mir bitten. - überflüssig ist, zurückgeben. Herr Bundesminister, ich bitte Sie, den Eid zu spre- Vielen Dank. chen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - (Die Anwesenden erheben sich) Detlev von Larcher [SPD]: Die F.D.P. klatscht sogar zu einer Ohrfeige!) Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer kurzen des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen meh- persönlichen Erklärung erteile ich der Abgeordneten ren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und Matthäus-Maier das Wort. die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerech- tigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir (SPD): Herr Michelbach, ich Ingrid Matthäus-Maier Gott helfe. möchte Sie nur auf eines aufmerksam machen. Sie haben so getan, als ob ich durch die Verwendung des Wortes „Einkommensmillionär" eine besonders Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Sie haben den Eid gehässige Form der Kennzeichnung reicher Leute gesprochen. Ich möchte Ihnen ganz herzlich gratulie- wählen wollte. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß das ren und Ihnen Glück in diesem Amt wünschen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6961

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der ihre verdienstvolle Tätigkeit als Mitglied der Bundes- Justiz: Danke sehr. regierung. Für Ihr weiteres politisches Wirken beglei- ten Sie unsere besten Wünsche. (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tages- Herren, Herr Bundesminister Prof. Dr. Edzard ordnung. Schmidt-Jortzig hat den vom Grundgesetz vorge- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- schriebenen Eid geleistet. Ich wünsche Ihnen Glück destages auf morgen, Donnerstag, den 18. Januar und Segen und darf Ihnen für Ihr Amt die besten 1996, 9 Uhr ein. Wünsche des Hauses aussprechen. Die Sitzung ist geschlossen. Zugleich danke ich der ausgeschiedenen Bundes- ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für (Schluß der Sitzung: 16.49 Uhr)

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6963*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Die wesentlichen Daten der Tarifstrukturreform der Deutschen Telekom AG beruhen auf einem Auf- Liste der entschuldigten Abgeordneten sichtsratsbeschluß von 1993, der um eine Vereinba- rung zwischen dem Bundesministerium für Post und Abgeordnete(r) entschuldigt für Telekommunikation und der Deutschen Telekom AG über eine Tarifniveauabsenkung von 5 % zum 1. Juli Belle, Meinrad CDU/CSU 17. 1. 96 1996 ergänzt wurde. Borchert, Jochen CDU/CSU 17. 1. 96 Die für die Deutsche Telekom AG insgesamt ein- Brandt-Elsweier, Anni SPD 17. 1. 96 nahmeneutrale Tarifstrukturreform zum 1. Januar Deß, Albert CDU/CSU 17. 1. 96 1996 soll zu kostengerechteren Tarifen führen. Das Doss, Hansjürgen CDU/CSU 17. 1. 96 heißt, Fern- und Auslandsverbindungen werden ent- sprechend der Kostenlage billiger und Gespräche im Eymer, Anke CDU/CSU 17. 1. 96 Orts- und Nahbereich teurer. Gleichzeitig wurde Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 17. 1. 96 eine stärkere Differenzierung der Verbindungstarife Großmann, Achim SPD 17. 1. 96 nach Tageszeit und Entfernungszonen eingeführt. Es wird erwartet, daß sich im Durchschnitt für den Kun- Dr. Hartenstein, Liesel SPD 17. 1. 96 den, der nicht nur Orts- sondern auch Ferngespräche Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 17. 1. 96 führt, der Rechnungsbetrag kaum verändern wird. Junghanns, Ulrich CDU/CSU 17. 1. 96 * Durch die Verlagerung der Gespräche in günstigere Tarifzeiten kann er einer möglichen Verteuerung ent- Kaspereit, Sabine SPD 17. 1. 96 gegenwirken. Kolbow, Walter SPD 17. 1. 96 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 17. 1. 96 Für Kunden, die aus sozialen Gründen von der Rundfunkgebühr befreit sind, sind die ermäßigten Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 17. 1. 96 Tarife so umgestaltet, daß insgesamt Verbesserungen Meißner, Herbert SPD 17. 1. 96 für die Betroffenen eintreten. Michels, Meinolf CDU/CSU 17. 1. 96 * Die Deutsche Telekom AG hat der Bundesregie- Neumann (Berlin), Kurt SPD 17. 1. 96 rung mitgeteilt, daß sie ermäßigte Tarife für Odendahl, Doris SPD 17. 1. 96 bestimmte Zielrufnummern vorbereitet, die es Privat- Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 17. 1. 96 kunden ermöglichen sollen, in häufig genutzten Ver- bindungen verbilligt zu telefonieren. Die Bundesre- Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 17. 1. 96 gierung wird sich für eine rasche Realisierung dieser Hermann Vorstellungen einsetzen. Im übrigen wird die Deut- Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 17. 1. 96 sche Telekom AG nach einer Erfahrungszeit von eini- Vogt (Duren), Wolfgang CDU/CSU 17. 1. 96 gen Monaten über die finanziellen Auswirkungen auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen berich- Wallow, Hans SPD 17. 1. 96 ten. Auf dieser Grundlage wird die Bundesregierung Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 17. 1. 96 prüfen, ob im Rahmen des neuen Tarifsystems flä- chendeckend ausreichende und preislich angemes- sene Telekommunikationsdienstleistungen gewähr- * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Ver- leistet sind. sammlung des Europarates

Anlage 3 Anlage 2 Antwort Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Paul Laufs auf die Frage des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Fra- des Abgeordneten Peter Conradi (SPD) (Drucksache gen der Abgeordneten Monika Ganseforth (SPD) 13/3473 Frage 3): (Drucksache 13/3473 Fragen 9 und 10): Wie bewertet die Bundesregierung die von der Deutschen Te- lekom AG angekündigte Telefonkostensteigerung im Orts-/ Wer soll nach dem Pflegeversicherungsgesetz für pflegebe- Nahbereich um mehr als 100 %, die im Widerspruch zu der von dürftige Personen in Pflegeheimen, die auf Sozialhilfe angewie- der Deutschen Telekom AG zugesagten „Kostenentlastung für sen sind, die Kosten für den „begleitenden Dienst" überneh- die meisten der Benutzer" steht, und was wird die Bundesregie- men? rung unternehmen, um die Deutsche Telekom AG zu veranlas- sen, diese unsoziale, vor allem ältere, behinderte und chronisch Wer wird nach dem Pflegeversicherungsgesetz die Kosten der kranke Menschen belastende Telefontarifreform zu korrigieren? „Behandlungspflege" in Altenpflegeheimen tragen? 6964* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Nach dem Pflege-Versicherungsgesetz (Pfle- nicht ausgegeben hat. Von den genehmigten Mit- geVG) trägt die Pflegekasse - bis zu den gesetz- teln in Höhe von rd. 9,6 Milliarden DM sind nur lich bestimmten Obergrenzen - die leistungsge- 213 Millionen DM nicht ausgegeben worden. rechte Vergütung für die im Pflegeheim erbrachten allgemeinen Pflegeleistungen. Zu diesen allgemei- Zu Frage 12: nen Pflegeleistungen gehören die Grundpflege auch in Form aktivierender Pflege, Beaufsichtigung Die genehmigten Mittel sind zu fast 98 Prozent oder Anleitung in den Fällen, in denen diese Hil- ausgegeben und zu fast 100 Prozent gebunden wor- fen bei den Verrichtungen im Ablauf des täglichen den. Eine Auszahlung von exakt 100 Prozent ist nicht Lebens notwendig sind, und nicht zuletzt auch die erreichbar, es sei denn, man riskie rt eine Überschrei- Kommunikation bei der Leistungserbringung. tung der Mittelansätze, was Sie als Mitglied des Soweit nach Art und Umfang darüber hinausge- Haushaltsausschusses sicherlich nicht befürworten hende betreuerische Leistungen nachgefragt wer- werden. Eine vollständige Auszahlung ist nicht mög- den, die dazu dienen, den Heimaufenthalt im All- lich weil z. B. für die zum Jahresende Beschäftigten tag lebenswert zu gestalten und das nicht vorhan- Abrechnungen nicht vollständig erfolgen können dene familiäre Umfeld so weit wie möglich zu oder für vorzeitig ausgeschiedene Beschäftigte nicht ersetzen, werden diese von der Pflegeversicherung immer sofort Nachrücker zugewiesen werden kön- nicht erfaßt. Diese Aufwendungen sind vom Heim- nen. bewohner selbst oder bei dessen Bedürftigkeit von der Sozialhilfe zu tragen. Das PflegeVG trifft keine Regelung über die Kostenträgerschaft für medizinische Behandlungs- pflege in Pflegeheimen. Diese Kosten können nicht von der Pflegeversicherung getragen werden, da es Anlage 5 sich nicht um Leistungen im Zusammenhang mit den Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens han- Antwort delt. Zur Zeit sind die Kosten der medizinischen Behandlungspflege - soweit sie von Mitarbeitern des des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Fra- Pflegeheims erbracht werden - im Pflegesatz enthal- gen der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin) ten und werden vom Pflegebedürftigen selbst oder, (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 13/3473 wenn er hierzu nicht in der Lage ist, vom Träger der Fragen 13 und 14): Sozialhilfe im Rahmen der „Hilfe zur Pflege" getra- gen. Wie reagie rt die Bundesregierung auf die in Presseberichten wiedergegebene Kritik an der geplanten Finanzierung der mit Es wird vielfach gefordert, daß diese Leistungen Israel und den Vereinigten Staaten von Amerika getroffenen Rentenabkommen für deutschsprachige Juden aus Osteuropa der medizinischen Behandlungspflege für kranken nach dem Fremdrentengesetz, und hält sie vor diesem Hinter- versicherte Pflegebedürftige im Pflegeheim von der grund an den auf Drucksachen 13/1809 und 13/1811 in den für die Krankenbehandlung zuständigen Kranken- Deutschen Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfen weiter versicherung bezahlt werden sollen. Gegenüber der fest? derzeitigen Praxis bedeutete dies zusätzliche Ausga- Wie hoch ist nach Erkenntnissen der Bundesregierung das ben der Krankenkassen. Es wird deshalb innerhalb Durchschnittsalter des in Frage kommenden Personenkreises, der Bundesregierung geprüft, von wem diese Kosten und wie viele der Betroffenen sind zwischen 1989 und 1995 be- künftig getragen werden sollen. reits verstorben? - Zu Frage 13:

Die Bundesregierung hält an ihren Gesetzentwür- fen fest.

Anlage 4 Der federführende Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages hat in Antwort seiner heutigen Sitzung beschlossen, dem Bundes- des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Fra- tag die Zustimmung zu den Gesetzentwürfen zu gen des Abgeordneten Manfred Kolbe (CDU/CSU) empfehlen. (Drucksache 13/3473 Fragen 11 und 12): 14: Ist es richtig, daß die von der Bundesregierung für ABM-Maß- Zu Frage nahmen vorgesehenen Haushaltsmittel in Höhe von 600 bis 700 Millionen DM nicht ausgegeben werden konnten? Das Durchschnittsalter der Berechtigten ist eben- sowenig bekannt wie die Anzahl der von 1989 bis Warum sind diese Mittel nicht ausgegeben worden, obwohl nach wie vor ein reges Interesse an ABM-Stellen besteht? 1995 inzwischen Verstorbenen. Es handelt sich aber um einen hochbetagten Personenkreis, weil Zu Frage 11: die von den Abkommen erfaßten Versicherten bei Erstreckung des nationalsozialistischen Einflußbe- Es ist nicht richtig, daß die Bundesanstalt für reichs auf ihr jeweiliges Heimatgebiet (spätestens Arbeit von den für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 1941) das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben genehmigten Mitteln 600 bis 700 Millionen DM mußten. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6965*

Anlage 6 Größere Waldbrände in Nordzypern haben im Juli 1995 ca. 3 000 ha Wald und Busch völlig vernichtet Antwort und zahlreiche Häuser in mehreren Dörfern beschä- digt bzw. zerstört. Eine exakte Darstellung der tat- des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Fra- sächlichen Schäden seitens der türkisch-zyprischen gen des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- Stellen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 13/3473 Fragen 15 nicht. und 16): Die Türkei hat der völkerrechtlich nicht aner- Worauf ist es zurückzuführen, daß es nach der 1989 erfolgten kannten „Türkischen Republik von Nordzypern" Zusage des Bundeskanzlers für ein Rentenabkommen zugun- rasche und umfassende Unterstützung bei der sten von deutschsprachigen Juden aus Osteuropa, die heute in Beseitigung der Schäden und Wiederaufforstung Israel oder in den USA leben, noch sechs Jahre dauerte, bis im zugesagt (7 Millionen Setzlinge sowie technische Februar bzw. März 1995 entsprechende Verträge mit Israel und den Vereinigten Staaten von Amerika unterzeichnet werden Hilfe). Die Bepflanzung soll Mitte 1997 abgeschlos- konnten? sen werden.

Hat die israelische Regierung gegenüber der Bundesregie- Eine Bitte an die Bundesregierung um Hilfe rung zu dem Umstand Stellung genommen, daß der Gesetzent- erfolgte nicht. wurf der Bundesregierung zu dem Zusatzabkommen vom 12. Februar 1995 zum Abkommen vom 17. Dezember 1973 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (Drucksache 13/1809) und der Gesetz- entwurf der Bundesregierung zu dem Zweiten Zusatzabkom- men vom 6. März 1995 zum Abkommen vom 7. Januar 1976 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit und zu der Zweiten Anlage 8 Zusatzvereinbarung vom 6. März 1995 zur Vereinbarung vom 21. Juni 1978 zur Durchführung des Abkommens (Drucksache 13/1811) bis heute nicht ratifiziert wurden, und wie hat die Bun- Antwort desregierung ggf. darauf reagiert? des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fra- gen des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) Zu Frage 15: (Drucksache 13/3473 Fragen 26 und 27):

Vor einer Aufnahme von Verhandlungen mit Israel Hat die Bundesregierung - unabhängig von der Zuständigkeit und den USA mußten zunächst die im wesentlichen der Länder - sichergestellt, daß bei bundesweiten Giftgasan- durch die deutsche Einheit erforderlichen Umgestal- schlägen flächendeckend Gegenmittel zur Verfügung stehen? tungen des deutschen Rentenrechts, insbesondere Trifft es zu, daß vom Bund Medizin und Verbandsstoffe der des Fremdenrentenrechts, des Auslandsrentenrechts Hilfshospitäler im Wert von ca. 140 Millionen DM verschenkt und des Vertriebenenrechts abgewartet werden. Erst worden sind, um jährlich ca. 300 000 DM Bevorratungskosten zu danach konnten die Verhandlungen aufgenommen sparen, während gleichzeitig die Bundesländer ohne entspre- chenden Vorrat für die Bewältigung von Friedenskatastrophen und Ende 1994 abgeschlossen werden. zuständig sind?

Zu Frage 16: Zu Frage 26:

Eine Stellungnahme der israelischen Regierung Nein. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung liegt nicht vor. sicherzustellen, daß den Ländern die erforderlichen Sachmittel zur Bewältigung von Aufgaben zur Verfü- gung stehen, für die sie nach dem Grundgesetz allein zuständig sind.

Zu Frage 27:

Anlage 7 Es trifft zu, daß das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesministe- Antwort rium der Finanzen und dem Auswärtigen Amt die vom Bund nach § 14 des Zivilschutzgesetzes ange- des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage der legten Sanitätsmaterialvorräte, zu denen Arzneimit- Abgeordneten Dr. Elke Leonhard (SPD) (Drucksache tel, Verbandsstoffe und Ausrüstungsgegenstände 13/3473 Frage 25): für Hilfskrankenhäuser gehören, in den letzten Jah- ren im Rahmen zahlreicher humanitärer Hilfsak- Welche ökologischen und ökonomischen Folgen bewirkten tionen, in ausländische Notstandsgebiete abgege- nach Kenntnis der Bundesregierung die verheerenden Wald- ben hat. brände in Nordzypern im Verlaufe des Jahres 1995, und welche Maßnahmen auf nationaler bzw. internationaler Ebene sind Die Hilfsgüter hatten im Zeitpunkt der Abgabe nur nach Ansicht der Bundesregierung geboten, um die zypriotische Bevölkerung bei der Überwindung der Folgen der Naturkata- noch einen Zeitwert, der lediglich einem Bruchteil strophe zu unterstützen? ihres seinerzeitigen Beschaffungswertes entsprach. 6966' Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996

Soweit es sich um Arzneimittel handelte, hätte das Anlage 10 Gros der Pharmaka aus arzneimittelrechtlichen Gründen in den nächsten drei bis fünf Jahren ohne- Antwort hin zu Lasten des Bundeshaushalts entsorgt werden müssen. Die in der Frage bezifferte Kostenrelation des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fra- zwischen Beschaffungs- und Vorhaltekosten trifft gen des Abgeordneten Thomas Krüger (SPD) daher nicht zu. (Drucksache 13/3473 Fragen 29 und 30):

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die mit der be- Die Abgabe war auch zivilschutzpolitisch nicht zu antragten Unterstützung des „Instituts für Kulturpolitik" der beanstanden, da nach der neuen Zivilschutzkonzep- Kulturpolitischen Gesellschaft aus Ausgleichsmitteln verbun- tion des Bundes künftig dene Bereitschaft zur Übersiedelung dieses Bundesverbandes und des Fonds Soziokultur von Hagen nach Bonn in das „Haus der Kultur" u. a. durch die dadurch möglichen Synergieeffekte - keine neuen Hilfskrankenhäuser mehr gebaut, und Kooperationen (z. B. mit dem Fonds Darstellende Künste) ein wichtiger Beitrag wäre, um in der ehemaligen Bundeshaupt- stadt einen kulturpolitischen Schwerpunkt zu schaffen, und wel- - die vorhandenen Hilfskrankenhäuser in Schutz- che Maßnahmen sind geplant, dieses „besonders bedeutsame" räume umgewidmet, Projekt der Kulturpolitischen Gesellschaft aus Ausgleichsmit- teln zu unterstützen? - Sanitätsmaterialien nicht mehr bevorratet und Hält die Bundesregierung die aktuellen Planungen der Frak- tionen des Bonner Stadtrates hinsichtlich der Vergabe der Aus- - die noch vorhandenen Sanitätsmateriallager auf- gleichsmittel ggf. auf die Förderung des „Instituts für Kulturpoli- tik" und die damit verbundene Ansiedlung „neuer Funktionen gelöst werden. und Institutionen von nationaler und internationaler Bedeutung im politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Bereich", die Die Länder hatten Gelegenheit, Arzneimittel, Ver- das Berlin/Bonn-Gesetz vorsieht, zugunsten örtlicher Einrich- tungen zu verzichten, für vereinbar mit dem Reglement des bandsstoffe und sonstiges Sanitätsmaterial aus den Bonn-Ausgleichs, und welche Maßnahmen wird sie angesichts Bundesbeständen zu übernehmen. Sie haben davon der Tatsache, daß der Haushaltsausschuß des Deutschen Bun- keinen Gebrauch gemacht. destages im September 1994 den Mietsubventionen für die Kul- turpolitische Gesellschaft, den Fonds Soziokultur und das noch einzurichtende Institut für Kulturpolitik in Höhe von ca. 80 000 DM p. a. bereits zugestimmt hat, ergreifen, um sicherzustellen, daß das Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesell- schaft unmittelbar durch Inanspruchnahme von Ausgleichsmit- teln finanziert wird?

Anlage 9 Zu Frage 29:

Antwort Das Berlin/Bonn-Gesetz vom 26. April 1994 legt fest, daß „der Erhalt und die Förderung politischer des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Funktionen ... im Politikbereich Kultur" in Bonn Frage des Abgeordneten Jürgen Koppelin (F.D.P.) erfolgen soll. Dies soll u. a. durch die Ansiedlung (Drucksache 13/3473 Frage 28): neuer Institutionen und Funktionen im Kulturbereich geschehen. Deshalb ist auch die Kulturpolitische Wie viele Arbeitsgruppen, Kommissionen oder Ausschüsse Gesellschaft von der Bundesregierung frühzeitig in gibt es im Bundesministerium des Innern und beim Bundes- die Überlegungen und Planungen zur Einrichtung grenzschutz, die sich unmittelbar mit Themen und Problemen des „Hauses der Kultur" in Bonn einbezogen wor- den Bundesgrenzschutz betreffend beschäftigen? den.

Zur Aufbereitung der Fragestellungen, die der Zu Frage 30: Bundesminister des Innern in seinem Bericht vom 11. Mai 1995 an den Bundestagsinnenausschuß „Zur Nach einem Beschluß des für die Durchführung Situation des BGS" aufgezeigt hat, ist im BMI eine des Bonn-Ausgleichs gebildeten Koordinierungsaus- Projektgruppe gebildet worden. Diese hat sich mit schusses umfaßt der Bonn-Ausgleich im Politikbe- etwa 40 Projekten zu befassen, die den gesamten reich Kultur auch die Aufgabe, eine Abwanderung Rahmen des erforderlichen Anpassungsbedarfs im von Institutionen und den damit verbundenen BGS abdecken. Für komplexe Untersuchungsberei- Arbeitsplatzverlusten zu verhindern. Eine Abwä- che sind unter Beteiligung des nachgeordneten BGS- gung zwischen der Verhinderung der Abwanderung Bereichs insgesamt 20 Arbeitsgruppen eingerichtet aus Bonn und dem Zuzug nach Bonn ist, insbeson- worden, von denen einige ihre Arbeiten bereits dere soweit es um die Unterbringung im „Haus der abgeschlossen haben. Kultur" geht, im Einzelfall vorzunehmen.

Im übrigen ist es auch im nachgeordneten Bereich Das zwischen der Stadt Bonn, den betroffenen des BMI ständige Praxis, Fragen und Probleme kom- Landkreisen und Bundesländern und dem Bund ver- plexerer Natur durch Arbeitsgruppen zu lösen; wie einbarte Verfahren für die Festlegung der Aus- viele z. Z. in den einzelnen Präsidien eingerichtet gleichsprojekte sieht vor, daß die Stadt Bonn nur die sind, kann in der Kürze der zur Verfügung stehenden Ausgleichsprojekte dem Bund zur weiteren Abstim- Zeit nicht beantwortet werden. mung vorlegt, die innerhalb der Region beschlossen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6967*

worden sind. Hinsichtlich des Instituts für Kulturpoli- Beschluß des Haushaltsausschusses des Deutschen tik - wie auch hinsichtlich anderer Projekte - ist die- Bundestages vom September 1995, rd. 5,9 Millionen ser Abwägungs- und Abstimmungsprozeß innerhalb DM für das „Haus der Kultur" zu bewilligen, lag - der Stadt Bonn noch nicht abgeschlossen. Im Hin- nach dem damaligen Stand der Überlegungen - eine blick auf das einvernehmlich abgestimmte Verfahren Liste mehrerer Verbände aus Bonn und von außer- ist die Bundesregierung nicht befugt, in den Abstim- halb Bonns zugrunde, die ihr Interesse an einem Ein- mungsprozeß der Stadt Bonn einzugreifen. Dem zug in das „Haus der Kultur" bekundet haben.