Dr. Rudolf Seiters Präsident Des Deutschen Roten Kreuzes/ Bundesminister A.D
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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0507/20050726.shtml Sendung vom 26.07.2005, 20.15 Uhr Dr. Rudolf Seiters Präsident des Deutschen Roten Kreuzes/ Bundesminister a.D. im Gespräch mit Werner Reuß Reuß: Verehrte Zuschauer, ganz herzlich willkommen zum alpha-forum. Unser heutiger Gast ist Dr. Rudolf Seiters, der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Davor war Rudolf Seiters von 1969 bis 2002, also 33 Jahre lang, Mitglied des Deutschen Bundestages. In der Regierung von Helmut Kohl war er u. a. Bundeskanzleramtsminister und später Bundesinnenminister. Rudolf Seiters gilt als einer der Architekten der deutschen Einheit. Ich freue mich, dass er heute hier ist: Ganz herzlich willkommen, Herr Präsident. Seiters: Danke schön. Reuß: Wenn man über Sie in Zeitungsartikeln, in Biographien, in Reportagen nachliest, dann gibt es vielerlei Attribute, mit denen Sie beschrieben werden. Eines taucht immer wieder auf, es lautet: "der stille Macher". Würden Sie dieser Bezeichnung zustimmen? Und wenn ja, gilt sie nur für Ihre Zeit als aktiver Politiker oder auch jetzt für Ihre Zeit als DRK-Präsident? Seiters: Ein bekannter Journalist hat einmal über mich geschrieben, ich sei jemand, der an einer Fernsehkamera auch vorbeigehen könne. Vielleicht bin ich hierbei auch ein Stück weit geprägt durch meine früheren Aufgaben als erster parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, wo ja die Hauptaufgabe darin lag, möglichst geräuschlos die Koalitionsmaschinerie und auch die Regierungsmaschinerie zu bedienen, im Hintergrund zu bleiben und dafür zu sorgen, dass keine Gefahren auftauchen. Und diese Aufgabe hat mich dann ja auch in Anspruch genommen im Kanzleramt, wo es darauf ankam, dass sich der Bundeskanzler auf einen funktionsfähigen Apparat verlassen konnte. Ich bin dann natürlich durch die deutsche Einheit und durch die Aufträge, die ich vom Bundeskanzler bekam - denn als Chef des Kanzleramts war ich nach dem Grundlagenvertrag auch Verhandlungspartner mit der DDR -, stärker in die Öffentlichkeit gerückt. Das hat manchmal schon auch Vorteile, aber es war nicht so, dass ich das gesucht hätte. Reuß: Wir kommen gleich noch einmal zur Politik, aber ich würde zunächst doch gerne ein wenig zu Ihrer aktuellen Funktion kommen. Sie sind Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Die Organisationen des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds sind, wenn ich mich nicht irre, in 180 Ländern tätig. Alleine in Deutschland hat das Deutsche Rote Kreuz 4,6 Millionen Mitglieder, 300000 ehrenamtliche Helfer und 95000 Mitarbeiter. In der Satzung des Deutschen Roten Kreuzes heißt es so schön: "Der Präsident ist der Repräsentant des Deutschen Roten Kreuzes. Er ist Vorsitzender der Bundesversammlung, des Präsidiums und des Kuratoriums." Was konkret sind die Aufgaben des ehrenamtlich tätigen Präsidenten? Seiters: Nun, zunächst ist es sicherlich so, dass ich als Präsident den Verband zu repräsentieren habe. Sie haben zu Recht gesagt: Wir haben 4,6 Millionen Mitglieder in 19 Landesverbänden und im Verband der Schwesternschaften. Wir haben über 500 Kreisverbände, 5000 Ortsgruppen; es gibt die Bereitschaften. Es gibt die Bergwacht, die Wasserwacht. Und wir haben ein sehr gutes Jugendrotkreuz. Es geht also auch darum, die Einheit des Roten Kreuzes nach außen zu vertreten: Es gibt nur ein nationales Deutsches Rotes Kreuz und das ist von der internationalen Staatengemeinschaft mit einem völkerrechtlichen Mandat versehen. Aus dieser Aufgabe heraus gilt es nicht nur zu repräsentieren, sondern z. B. auch die Einsätze im internationalen Bereich zu leiten. Das war bei der Flutkatastrophe in Südasien sehr wichtig, wo wir ja aufgrund einer sehr professionellen Mannschaft und internationaler Vernetzung tätig wurden. Dann geht es auch um viele gesetzgeberische Maßnahmen, auf die der Präsident als Gesprächspartner der Bundesregierung und der Fraktionen versucht Einfluss zu nehmen. Das letzte Stichwort hierbei war das Transfusionsgesetz, wo es um die Blutspendedienste ging. Von daher ist die Arbeit des Präsidenten zwar ehrenamtlich, aber sie nimmt einen ganz schön in Anspruch. Reuß: Das Deutsche Rote Kreuz ist weltweit tätig, ich glaube, derzeit in über 75 Ländern. Sie sind auch in Krisengebieten und in Kriegsgebieten tätig wie z. B. im Irak und in Afghanistan. Es geht dabei um Hilfe für Katastrophenopfer, um Nahrungsmittelhilfe usw. Es geht aber auch um Hilfe für Kriegs- und Bürgerkriegsopfer. Das heißt, das Helfen ist nicht immer ganz gefahrlos. Wie geht das Rote Kreuz denn mit den Gefahren für die Helfer um? Seiters: Im Grunde wird das Symbol des Roten Kreuzes, also das rote Kreuz auf weißem Grund, sehr wohl in der Welt geachtet: Das ist ja ein Symbol für Humanität, für Solidarität, für Unparteilichkeit, für Unabhängigkeit. Das ist für uns eine sehr wichtige Ausgangsposition. Sie haben Recht, im Irak hatten und haben wir eine Situation, wo die Sicherheit unserer Helferinnen und Helfer nicht gewährleistet ist. Vor zwei Jahren gab es den Anschlag auf die Büros des Internationalen Roten Kreuzes in Bagdad und Basra. Wir mussten daraufhin unsere Helfer zurückziehen. Aber wir versorgen nach wie vor über eine Luftbrücke von Amman nach Bagdad und Basra 60 Krankenhäuser im Irak: Wir machen das vor Ort mit der Hilfe des Roten Halbmondes. Auch dies ist mit Gefahren verbunden. Wir bedauern dies sehr, aber wir hoffen natürlich, dass irgendwann dort doch wieder die Situation eintritt, in der das Rote Kreuz als internationale Organisation sozusagen mit offenem Visier auftreten kann. Es gab in diesem Zusammenhang ja den sehr gut gemeinten Vorschlag des damaligen amerikanischen Außenministers Powell, der uns anempfohlen hat, uns unter militärischen Schutz zu stellen. Wenn wir das getan hätten, dann hätten wir allerdings eines der wichtigsten Prinzipien des Roten Kreuzes verletzt, nämlich das Prinzip, dass wir keine Partei sind, keine Kriegs- und auch keine Bürgerkriegspartei. Wir kümmern uns um die Opfer, ganz gleich, auf welcher Seite die Opfer entstehen. Wir sind nicht bewaffnet, wir sind ausschließlich dazu da, um zu helfen. Und deswegen sind wir diesem Rat auch nicht gefolgt. Reuß: Sie haben es schon gesagt, aber ich würde das gerne mit einem Zitat von Ihnen selbst noch einmal unterstreichen: "Wir sind nicht Partei, sondern ausschließlich dazu da, um den Opfern zu helfen, ganz gleich, auf welcher Seite sie stehen." Nun müssen Sie ja als DRK-Präsident dennoch auch Interessen vertreten: die Interessen von Opfern und auch die Interessen des Roten Kreuzes. Wenn Sie Ihre Tätigkeiten vergleichen, Ihre frühere Tätigkeit in der Partei, in der Fraktion, in der Bundesregierung und Ihre Tätigkeit heute als Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, können Sie dann sagen, dass es da auch Gemeinsamkeiten gibt? Und wo gibt es Trennendes? Seiters: In der Zielsetzung wichtiger Aufgaben gibt es natürlich Gemeinsamkeiten: die Wahrung des internationalen Völkerrechts, Wahrung und Sicherung der Menschenrechte, Einsatz für eine friedliche Zusammenarbeit unter dem Stichwort "Entwicklungshilfe" usw. Aber die konkreten Zwänge für eine Bundesregierung sind oftmals eben doch andere: Als Bundesregierung muss man sich bei kriegerischen Auseinandersetzungen entscheiden, bei welcher Kriegspartei man Partner sein will. Und man muss auch oftmals militärisch tätig werden. Wir hingegen dürfen das als Rot-Kreuz-Organisation nicht. Wir sind auf der anderen Seite aber auch diejenigen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten allen Menschen zu helfen verpflichtet sind, dies auch aufgrund eines völkerrechtlichen Mandates. Wir sind auch diejenigen, die unsere kritischen Anmerkungen zu machen haben für den Fall, dass es Menschenrechtsverletzungen gibt. Die unterschiedliche Position des Roten Kreuzes und der amerikanischen Regierung in Sachen Guantanamo und bei der Aufdeckung der Geschehnisse in den Foltergefängnissen des Irak ist ja für alle sichtbar geworden. Das ist die eine Seite. Und die andere Seite ergibt sich z. B. in der Frage der Entwicklungshilfe, wo wir nachdrücklich beklagen, dass wir von dem Ziel der Vereinten Nationen, in absehbarer Zeit die Armut so zu bekämpfen, dass sie um 50 Prozent absinkt, weit, weit entfernt sind. Wir erreichen das weder in Afrika noch in Asien. Nur fünf Staaten auf der Welt geben 0,7 Prozent oder mehr ihres Bruttosozialprodukts für die Entwicklungshilfe aus! Alle anderen Staaten tun sich außerordentlich schwer, diese eigentlich vereinbarten 0,5 Prozent zu erreichen; auch wir hier in Deutschland. Reuß: Ich mache hier eine kleine Zäsur und möchte unseren Zuschauern den Menschen Rudolf Seiters näher vorstellen. Sie sind am 13. Oktober 1937 geboren, also noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges. Bei Ende des Zweiten Weltkriegs waren Sie knapp acht Jahre alt. Wie haben Sie denn Ihre Kindheit erlebt in dieser Zeit? Haben Sie eigene Erinnerungen an den Krieg? Seiters: Wir lebten in dem kleinen Ort Bohmte bei Osnabrück und sind nicht so direkt betroffen worden, wie das in den großen Städten der Fall gewesen ist. Dennoch gab es immer wieder Fliegerangriffe und wir haben dann die Nächte im Keller verbracht. Wir haben als Kinder die Dramatik der damaligen Zeit vielleicht gar nicht so mitbekommen, wie das möglicherweise für meine älteren Geschwister der Fall gewesen ist. Mein ältester Bruder war ja auch noch als Fähnrich selbst im Krieg für eineinhalb Jahre. Ich kann mich aber auch ganz deutlich an den Tag erinnern, an dem die Engländer in unser Dorf einzogen. Die Häuser waren alle mit weißen Fahnen ausgestattet. Am Vorabend war jedoch noch eine Truppe