Plenarprotokoll 13/69

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eutscher Bundesta g D

Stenographischer Bericht

69. Sitzung

Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Inhalt:

Erklärung zu den Menschenrechtsverlet- Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜND zungen der nigerianischen Militärregie- NIS 90/DIE GRÜNEN 6042 D rung 6031 A Jürgen Koppelin F.D.P 6045 A Absetzung des Punktes IV d von der Tages Dr. Ludwig Elm PDS 6047 C ordnung 6031 C Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 6049A Erweiterung und Abwicklung der Tages Dr. Ludwig Elm PDS (Erklärung nach § 30 ordnung 6031 D GO) 6050D Dr. SPD 6051 A Begrüßung des Außenministers der Schweiz 6095 D Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 6053 A Zur Geschäftsordnung Haushaltsgesetz 1996 Joachim Hörster CDU/CSU 6031 D (Drucksachen 13/2627, 13/2630) . . . . 6057 B SPD 6032 B Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE Tagesordnungspunkt II: GRÜNEN 6033 B a) Dritte Beratung des von der Bundesre- F.D.P.B 6034 B gierung eingebrachten Entwurfs eines Dr. PDS 6034 D Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- Tagesordnungspunkt I: haltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/2593, 13/ Fortsetzung der zweiten Beratung des 2601 bis 13/2626, 13/2627, 13/2630) . . 6057 C von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes über die b) Beschlußempfehlung und Bericht des Feststellung des Bundeshaushaltsplans Haushaltsausschusses zu der Unterrich- für das Haushaltsjahr 1996 (Haushalts- tung durch die Bundesregierung: Der gesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 13/2593) 6035 B (Drucksachen 13/2001, 13/2593, 13/2631) 6057 D Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . . . 6058 A Einzelplan 30 Hans-Peter Repnik CDU/CSU 6062 A Bundesministerium für Bildung, Wis- senschaft, Forschung und Technologie Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ (Drucksachen 13/2622, 13/2626) NEN 6067 B Dieter Schanz SPD 6035 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 6070D Steffen Kampeter CDU/CSU 6038 D Dr. PDS 6075 A

II Deutscher - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 6077 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Ingrid Matthäus-Maier SPD 6082 B Erste Beratung des vom Bundesrat ein- Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 6083 D gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung der Arbeitsbedingungen - Dr. F.D.P. . . . . 6086 C bei der Entsendung von Arbeitnehmern CDU/CSU . . . . 6087 D (Entsendegesetz) (Drucksache 13/2834) 6105 C Dr. Peter Glotz SPD 6090 A Zusatztagesordnungspunkt 3: Dr. Christa Luft PDS (Erklärung nach § 30 GO) 6091 B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Joachim Hörster CDU/CSU 6094 D Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Joseph Fischer (Frankfu rt) BÜNDNIS 90/ Rechts der Arbeitslosenhilfe (Arbeits- DIE GRÜNEN 6095 A losenhilfe-Reformgesetz) (Drucksache CDU/CSU 6095 C 13/2898) 6105 C Günter Verheugen SPD 6096 A Nächste Sitzung 6105 D Ulrich Irmer F.D.P 6096 C Dr. Winfried Wolf PDS 6097 A Anlage 1 Dr. , Bundesminister AA . 6097 D Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6107*A Joseph Fischer (Frankfu rt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (zur GO) 6098 D Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordne- Namentliche Abstimmung über das Haus- ten Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE haltsgesetz 1996 6091 D GRÜNEN) zur Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion der SPD zur Ergebnis 6092 B dritten Beratung des Entwurfs des Haus- haltsgesetzes 1996 (Drucksachen 13/2000, Namentliche Abstimmung über Druck 13/2593, 13/2627, 13/2630, [Drucksache sache 13/2972 6091 D 13/29721) 6107*B

Ergebnis 6101 C Anlage 3 Namentliche Abstimmung über Druck Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatz- sache 13/2922 6092 A tagesordnungspunkt 3 (Arbeitslosenhilfe Reformgesetz) 6107' C Ergebnis 6099 B Heinz Schemken CDU/CSU 6107*C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . 6108*C Tagesordnungspunkt IV: Adolf Ostertag SPD 6109* C Abschließende Beratungen ohne Aus- Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE sprache GRÜNEN 6111*B c) Zweite und dritte Beratung des vom Dr. F.D.P 6112*B Bundesrat eingebrachten Entwurfs Dr. Heidi Knake-Werner PDS 6113*A eines Gesetzes zur Änderung des Ge- setzes zur sozialen Absicherung des Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 6114*A Risikos der Pflegebedürftigkeit (Druck- sachen 13/2207, 13/2940) 6104 C Anlage 4 Petra Bläss PDS (Erklärung nach § 31 GO) 6104 C Amtliche Mitteilungen 6115* D Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6031

69. Sitzung

Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Beginn: 9.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Liebe Kolleginnen Interfraktionell ist vereinbart worden, den Gesetz- und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. entwurf des Bundesrates „Entsendegesetz" in erster Beratung ohne Aussprache an die Ausschüsse zu Ich möchte vor Eintritt in die Tagesordnung im überweisen. Namen aller Fraktionen und der Gruppe eine Erklä- rung für das Haus abgeben: Am 8. November 1995 Des weiteren ist vereinbart worden, den Tagesord- hat die Militärjunta in Nigeria die Todesurteile nungspunkt IV d - es handelt sich um die abschlie- gegen den nigerianischen Menschenrechtler Ken ßende Beratung eines Gesetzentwurfs der Fraktion Saro-Wiwa und acht weitere Vertreter der Ogoni- Bündnis 90/Die Grünen zum Pflegeversicherungsge- Minderheit bestätigt. Die Todesurteile, die von setz - abzusetzen. Sind Sie damit einverstanden? - einem Militärgericht verhängt worden waren, stellen Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. eine eklatante Verletzung der Menschenrechte dar. Ich sehe hier gerade, daß wir zunächst eine (Beifall im ganzen Hause) Geschäftsordnungsdebatte haben. Ich gehe von fol- gendem aus: Die Fraktionen der CDU/CSU und der Internationale Beobachter haben den Prozessen F.D.P. haben fristgerecht beantragt, die heutige die Rechtmäßigkeit abgesprochen und wiederholt Tagesordnung um die erste Beratung ihres Entwurfs auf den politischen Hintergrund der Verfahren hin- eines Arbeitslosenhilfe-Reformgesetzes zu erweitern. gewiesen. Gegen die Todesurteile haben neben der Der Gesetzentwurf soll nach den Abstimmungen Bundesregierung zahlreiche andere Regierungen zum Haushaltsgesetz 1996 mit einer Debattenzeit sowie Menschenrechtsorganisationen protestiert. Der von einer Stunde aufgerufen werden. Deutsche Bundestag hat sich bereits mit den Vorgän- Zu diesem Geschäftsordnungsantrag wird als gen in Nigeria beschäftigt. erster Herr Hörster sprechen. Die Todesurteile sind das neueste Glied in einer langen Kette von Menschenrechtsverletzungen der Joachim Hörster (CDU/CSU): Frau Präsidentin! nigerianischen Militärregierung. Seit der Annulie- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koali- rung der freien Präsidentschaftswahlen im Juni 1993 tionsfraktionen hätten sich gewünscht, daß der und der Machtübernahme durch das Militär wurden Gesetzentwurf zum Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz Oppositionspolitiker, Gewerkschaftsführer und Men- am gestrigen Donnerstag im Zusammenhang mit der schenrechtler zu Hunderten verhaftet, gefoltert und Beratung des Haushaltes des Bundesministeriums getötet. Es steht zu befürchten, daß die gegen Ken für Arbeit und Sozialordnung beraten worden wäre, Saro-Wiwa und weitere acht Menschenrechtler ver- weil dieses Reformgesetz zusammen mit dem Asyl- hängten Todesurteile binnen kürzester Zeit voll- bewerberleistungsgesetz eine zielgerichtete Neu- streckt werden. orientierung von Sozialleistungen ermöglichen soll. Dabei sollen auch Einsparungen in einer Größenord- Deshalb fordert der Deutsche Bundestag die - nige- nung von zirka 3,4 Milliarden DM erzielt werden, die rianische Militärregierung umgehend zur Rückkehr zum Haushalt für das Jahr 1996 gehören. zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf. Wir ver- urteilen die Todesurteile, verlangen deren unverzüg- Leider Gottes hat die Opposition ihr Einvernehmen liche Aufhebung und die Freilassung von Ken Saro- zu der Beratung dieses Gesetzentwurfs am gestrigen Wiwa und der mit der Todesstrafe bedrohten weite- Tag zusammen mit dem Haushalt verweigert, ren Vertreter des Ogoni-Volkes. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich danke Ihnen. so daß uns nichts anderes übrigbleibt, als diesen (Beifall im ganzen Hause) wichtigen Gesetzentwurf heute im Wege einer Geschäftsordnungsentscheidung auf die Tagesord- Ich komme jetzt zu den amtlichen Mitteilungen. nung aufzusetzen, damit 'er in die parlamentarischen 6032 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Joachim Hörster Beratungen eingeführt und ordentlich beraten wer- hier im Parlament eingebrachten Antrag auf Wegfall den und schließlich auch in Kraft treten kann. der sogenannten originären Arbeitslosenhilfe sach- lich geboten. Beide Male - sowohl beim Arbeitslo- Dieser Gesetzentwurf will vor allem erreichen, daß senbekämpfungsgesetz als auch beim geplanten die Langzeitarbeitslosigkeit durch arbeitsmarktpoliti- - Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe - handelt es sche Maßnahmen bekämpft werden kann und Lang- sich um schwerwiegende Eingriffe in das im Arbeits- zeitarbeitslose dem Arbeitsmarkt schneller wieder förderungsgesetz geregelte Recht der Arbeitslosen- zugeführt werden. Dazu sind verschiedene Maßnah- hilfe. Hier gibt es einen unmittelbaren Sachzusam- men in diesem Gesetzentwurf enthalten, wie zum menhang, den Sie künstlich aufgelöst haben. Beispiel die Zuweisung von Arbeitslosenhilfebe- ziehern in allgemeine Maßnahmen zur Arbeitsbe- Die Bundesregierung hat umgekehrt den geplan- schaffung, die Einführung von Trainingsmaßnahmen ten Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe mit dem für Arbeitslosenhilfebezieher zum Erwerb zusätz- sogenannten Asylbewerberleistungsgesetz gekop- licher beruflicher Qualifikationen, die Einführung pelt und argumentiert, hier gäbe es einen Zusam- einer Arbeitnehmerhilfe für Arbeitslosenhilfebe- menhang, weil es durch den geplanten Wegfall der zieher, die ihnen die Entscheidung für die Aufnahme originären Arbeitslosenhilfe zu erheblichen Mehrbe- auch einer schlechter entlohnten Arbeit erleichtern lastungen bei der Sozialhilfe käme. Zu diesen erheb- soll, und schließlich auch die Verlängerung der Mög- lichen Mehrbelastungen bei der Sozialhilfe kommt es lichkeit, einen bestehenden Anspruch auf Arbeits- aber auch beim Arbeitslosenbekämpfungsgesetz, losenhilfe im Anschluß an eine selbständige Tätigkeit und zwar in massivem Umfang. Das haben die Kom- oder an die Berücksichtigung von Einkommen und munen Ihnen vorgerechnet. Es hätte also, wenn Vermögen geltend zu machen. überhaupt, nur Sinn gemacht, die drei Themen in einem beratungsfähigen Gesetz zusammenzufassen. Ich finde, daß diese vorgeschlagenen Maßnahmen in die richtige Richtung gehen, notwendig sind und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- im Parlament rechtzeitig beraten und entschieden ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRUNEN) werden müssen. Deswegen ist es notwendig, die Das wäre ein normales Verfahren gewesen. Dinge heute im Anschluß an die Verabschiedung des Bundeshaushaltes für das Jahr 1996 zu beraten. Statt dessen haben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, eine geradezu chaotische Situation Ich bitte das Haus, dem Aufsetzungsantrag zuzu- heraufbeschworen. stimmen. (Dr. Peter Struck [SPD]: Wie immer bei die- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ser Regierung!) Die parlamentarische Anhörung zur originären Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zur Geschäftsord- nung Ottmar Schreiner. Arbeitslosenhilfe findet unter Federführung des gar nicht zuständigen Gesundheitsausschusses noch im November dieses Jahres statt, die parlamentarische Ottmar Schreiner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Anhörung zum Arbeitslosenbekämpfungsgesetz fin- Kolleginnen und Kollegen! Für eine Erweiterung der det unter Federführung des Arbeits- und Sozialaus- Tagesordnung um das Arbeitslosenbekämpfungsge- schusses im Dezember statt. setz - das wäre der richtige Name, um den Sachver- halt zu beschreiben - Ich sage Ihnen in aller Offenheit: Angesichts der außerordentlich dramatischen Arbeitsbelastung des (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Arbeits- und Sozialausschusses führt dieses chaoti- Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE sche Verfahren der Koalition zu einem Zustand, in GRÜNEN) dem ein ordnungsgemäßes Verfahren, eine ord- muß es schwerwiegende Gründe geben. Das gilt erst nungsgemäße Beratung der Gesetzentwürfe nicht recht für eine Beratung während der Haushaltswo- möglich ist. che. Denn bislang ist es guter parlamentarischer (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Brauch, sich ganz auf die Haushaltsberatungen zu ten der PDS) konzentrieren. Sie stürzen den Arbeits- und Sozialausschuß ins Im heutigen Fall sind schwerwiegende Gründe für blanke Chaos. eine Ausnahme nicht zu erkennen. Wir lehnen die Beratung deshalb ab. Das Gesetz soll schließlich erst Diese wirre Situation kann auch durch die Hals- zum 1. April nächsten Jahres in Kraft treten. Warum über-Kopf-Debatte heute nicht verbessert werden. Es angesichts dieser Datenlage der von der Koalition gibt keinen einzigen sachlichen Grund für eine Aus- vorgesehene Schweinsgalopp noch in dieser Haus- nahmeregelung. Im Gegenteil: Die Handlungsmög- haltswoche? Das gibt überhaupt keinen Sinn. Es gibt lichkeiten der Opposition werden ohne Grund keinen Eilbedarf, um die Beratung in diesem beschnitten. Schweinsgalopp durch das Parlament zu ziehen. Ich denke, der eigentliche Punkt, warum Sie die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Debatte in der Haushaltswoche geradezu verstecken ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wollen, liegt darin, daß Sie die sozialpolitische Groß- tat, vor allem die jährliche Herabstufung der Arbeits- Zweiter Punkt. Was die Verbindung betrifft, wäre losenhilfe um 5 Prozent, vor der Öffentlichkeit ver- eine Koppelung mit dem ebenfalls von der Koalition schleiern wollen. Das ist der eigentliche Grund, Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6033

Ottmar Schreiner warum Sie zu diesem merkwürdigen Manöver grei- nämlich auf Sozialkürzungen wie diese Arbeitslosen- fen. hilfereform zu verzichten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der - und der PDS) PDS) Das Mindeste wäre doch, einmal darüber nachzu- Nachdem der Kollege Hörster dazu ein paar Zah- denken und nicht in einem solchen Hoppla-hopp- len genannt hat, will ich denjenigen unter Ihnen, die Verfahren, wie das hier gewünscht ist, darüber hin- die Zahlen nicht kennen, zwei Zahlen zum Abschluß wegzugehen. Wenn die IG Metall über ihren Schat- nennen: 1994 betrug die durchschnittliche Arbeitslo- ten springen kann, dann sollten auch Sie es versu- senhilfe im Monat in Westdeutschland 1 008 DM. Die chen; denn so lang ist der Schatten, den Sie, meine durchschnittliche Arbeitslosenhilfe in Ostdeutsch- Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, land betrug im Monat 782 DM. werfen, auch nicht. Rechnen Sie mir bitte vor, wie Menschen mit die- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sem Einkommen im Monat über die Runden kom- sowie bei Abgeordneten der SPD und der men sollen! PDS) Sie sollten sich und uns nicht die Chance auf ein Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Schreiner, Sie „Bündnis für Arbeit" gleich wieder verscherzen. reden zur Geschäftsordnung. Zumindest sind Sie der Gewerkschaft eine wirklich öffentliche Debatte im angemessenen Rahmen schul- dig. Ottmar Schreiner (SPD): Sie wollen jetzt jährlich um 5 Prozent abstufen. Das ist eine sozialpolitische (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sauerei allerersten Grades, die Sie vor der Öffentlich- sowie bei Abgeordneten der SPD) keit kaschieren wollen. Das würde Ihnen gleichzeitig die Zeit geben, über eine andere Entscheidung ernsthaft zu diskutieren. (Beifall bei der SPD und der PDS) Sie, meine Damen und Herren von den Regie- rungsfraktionen, wollen mit Ihrer Arbeitslosenhilfe- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht reform für die Erwerbslosen eine Rutschbahn in den zur Geschäftsordnung Frau Annelie Buntenbach für Billiglohnsektor installieren, einen Automatismus an das Bündnis 90/Die Grünen. Absenkungen. Sie bieten den Menschen statt einer Perspektive Ernteeinsätze und sogenannte Trai- ningsmaßnahmen zur Überprüfung der Arbeitsbe- Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- reitschaft. NEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir lehnen die Aufsetzung des Tages- (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Die ordnungspunktes Arbeitslosenhilfereform für den Bundesregierung in den Ernteeinsatz!) heutigen Tag ab; nicht weil wir früher ins Wochen- Sie verschärfen die Kontrollen, statt die Angebote ende wollen, sondern weil die Debatte so zentral ist, zu erweitern. Dabei reden Sie aber ständig von all daß sie zu einem vernünftigen Zeitpunkt in der näch- den neuen Brücken, die Sie in den Arbeitsmarkt hin- sten Sitzungswoche geführt werden muß. einbauen wollen. Weil Sie aber nicht mehr aktive Arbeitsmarktpolitik anbieten wollen, bleibt dies alles Wir wissen doch alle aus Erfahrung, daß die Dis- pure Rhetorik, kussionen am Freitagnachmittag so spät, wie sie heute stattfinden werden, faktisch unter Ausschluß (Zuruf von der CDU/CSU: Zur Geschäfts- der Öffentlichkeit stattfinden. Das ist dem öffentli- ordnung!) chen Interesse und der Brisanz des vorliegenden Gesetzentwurfs überhaupt nicht angemessen. sozial und anrührend, wie das Herr Blüm meisterhaft beherrscht. Auch Minister Seehofer hat hier beachtli- Er hat für die Betroffenen und für die, die es noch che Qualitäten unter Beweis gestellt. treffen kann, große Bedeutung. Er hat für die Kom- munen Bedeutung, auf die durch Ihre Politik des Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Buntenbach, Sozialabbaus und der Verschiebung von Kostenstel- reden Sie zur Geschäftsordnung? len neue Belastungen und Anforderungen zukom- men. Er hat nicht zuletzt für die Gewerkschaften große Bedeutung. Annelle Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja. - Wenn man unter dem wallenden Mantel Wenn von diesem Redepult aus in der letzten Sit- der Sozialrhetorik die Härten einer unverantwortli- zungswoche immer wieder positiv auf die Initiative chen Sparmaßnahme gegenüber den Armsten ver- des IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel Bezug genom- stecken will, dann ist es auch besser, wenn niemand men worden ist, dann sollten Sie, Herr Blüm, doch mitbekommt, worum es in der Sache wirklich geht. wenigstens ernst nehmen, daß diese Initiative Dafür sind ohne Zweifel Debatten, versteckt in der „Bündnis für Arbeit" auch Ihnen etwas abverlangt, Vielfalt von Haushaltswochen oder spät an Freitag- 6034 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Annelie Buntenbach nachmittagen, bestens geeignet. Inzwischen glaube In der Debatte zum Einzelplan des Bundesmi- ich, daß dieses Vorgehen Methode hat. nisters für Arbeit und Sozialordnung am gestrigen Tage ist immer wieder darauf hingewiesen worden, In der vorigen Sitzungswoche war es das Asylbe- daß gerade der Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit werberleistungsgesetz, das Sie auf diese Weise recht einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Durch unauffällig durch die erste Lesung gebracht haben. den Gesetzentwurf zum Arbeitslosenhilfe-Reformge- Die Diskussion über die Arbeitslosenhilfereform setz will die Koalition durch verschiedene Maßnah- kann aber nicht am Rande des Plenargeschehens men den Menschen, die unter Arbeitslosigkeit lei- abgehandelt werden. Das, meine Damen und Herren den, Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Situation von den Regierungsfraktionen, sind Sie dem Parla- geben. Es geht um eine produktive Arbeitsförde- ment schuldig, rung, um die Erschließung zumutbarer Beschäfti- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gungsmöglichkeiten und gleichermaßen um eine Garantie des Rechtsanspruchs auf Arbeitslosenhilfe, denn Sie haben uns in dieser Sache schon einiges auch bei Übernahme zeitweiliger Beschäftigung. zugemutet. Im Juli, in der parlamentarischen Som- merpause, teilen Sie, Herr Blüm, Ihre Pläne der Gleichermaßen will der Gesetzentwurf den Bun- Presse mit. deshaushalt entlasten, und zwar in den Haushalts- jahren 1996 bis 1998 um jeweils 2,1 Milliarden DM. (Dr. [F.D.P.]: Zur Das brauchen wir auch dringend, meine Damen und Geschäftsordnung!) Herren. Dann dauert es fast vier Monate, bis wir eine bera- Die Regierungskoalition kommt ihrem Gestal- tungsfähige Vorlage im Parlament haben. Ein Haus- tungsauftrag nach, und Sie, Frau Kollegin Bunten- halt wird aufgestellt und verabschiedet, in dem Ein- bach, haben heute nachmittag hinreichend Gelegen- sparungen festgeschrieben sind, für die es überhaupt heit, hier ausführlich zu debattieren. Wir sind gerne noch keine gesetzliche Grundlage gibt. Das hätten bereit, die Debattenzeit noch zu verlängern. Der Tag Sie übrigens auch nicht mehr geheilt, wenn der hat 24 Stunden und endet nicht mittags um 14 Uhr. Gesetzentwurf gestern beim Abschluß der Haus- haltsplanberatung in erster Lesung zum ersten Mal (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) beraten worden wäre. Solch seltsames Vorgehen ent- spricht in keiner Weise der Bedeutung des Parla- ments. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Für die PDS spricht Dagmar Enkelmann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir werden die Aufsetzung dieses Tagesordnungs- Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): Frau Präsidentin! punktes für heute nachmittag ablehnen und fordern Meine Damen und Herren! Die PDS lehnt den eine angemessene Debatte in der nächsten Sitzungs- Antrag der Koalition ab. Ich denke, es darf schon woche. gefragt werden, aus welchem Grund dieser Gesetz- entwurf in einem solchen Affentempo hier durchge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zockt werden soll.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Für die F.D.P. die Kollege Schreiner, eigentlich paßt es aber doch Kollegin Ina Albowitz. ganz gut in die Haushaltsberatungen. Denn das, was hier Reform der Arbeitslosenhilfe genannt wird, ist letzten Endes Teil eines Haushaltssanierungspro- Ina Albowitz (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine sehr gramms, und zwar gerade zu Lasten der Nichtbesser- verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest: Sie verdienenden, Frau Kollegin Albowitz, ist Teil der haben gerade die großen Reformer des sozialen Rotstiftpolitik dieser Bundesregierung im Sozialbe- Umbaus gehört. reich, ist Teil des Sozialabbaus, der hier stattfindet. Meine Damen und Herren, die F.D.P.-Fraktion (Beifall bei der PDS) befürwortet die Aufsetzung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Rechtes der Arbeitslosen- Hier wurden ja in den letzten Tagen während der hilfe auf die heutige Tagesordnung. Dieser Gesetz- Haushaltsberatung wahre Krokodilstränen vergos- entwurf flankiert die Haushaltsberatungen, insbe- sen. Kanzler Kohl beispielsweise hat am Mittwoch sondere die zum Einzelplan des Bundesministers für gesagt, Arbeitslose hätten vor allem das Gefühl, Arbeit und Sozialordnung. Es besteht - das ist in die- nicht gebraucht zu werden. „Deshalb", so Kohl, sem Hause doch völlig unumstritten - dringender „werden wir die Wettbewerbsfähigkeit der Wirt- Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, der Tendenz schaft stärken. " Warum tun Sie es dann nicht? entgegenzuwirken, daß die Arbeitslosenhilfe zuneh- mend zu einer Dauerleistung wird, und dafür zu sor- Einer zusätzlichen Debatte über eine arbeitsplatz- gen, daß die Bezieher von Arbeitslosenhilfe bessere schaffende Steuer- und Investitionspolitik hätten wir Möglichkeiten erhalten, durch vorübergehende freudig zugestimmt. Nur: Sie zäumen das Pferd am Tätigkeiten bessere Aussichten zur Wiedereingliede- Schwanz auf. Sie halten sich schamlos an den rung in den Arbeitsprozeß zu bekommen. Schwächsten dieser Gesellschaft schadlos, bei denen ohnehin nicht mehr allzu viel zu holen ist. Da küm- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - mert Sie das Gefühl der Betroffenen offenkundig Zuruf von der SPD: Schafft Arbeit!) einen feuchten Kehricht. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6035

Dr. Dagmar Enkelmann Am Donnerstag war von Graf Lambsdorff hier mit Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion fast tränenerstickter Stimme zu hören, die Kürzung Bündnis 90/Die Grünen und ein Änderungsantrag der Arbeitslosenhilfe sei sicher „für manche bitter". der Gruppe der PDS vor. Dieses Mitgefühl kann ich dem Kollegen Lambsdorff allerdings nicht abnehmen. Auch Minister Blüm Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für sprach von menschlichen Schicksalen, die hinter den die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Zahlen der Arbeitslosenentwicklung stehen, und Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Wir können so sagte, man müsse den Betroffenen massive Hilfe verfahren. geben. Wie die aussieht, genau das werden wir wohl Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege heute nachmittag sehen: Leistungskürzung über die Dieter Schanz. Schmerzgrenze hinaus. (Unruhe) Warum gehen Sie nicht endlich an den Kragen - Ich bitte Sie, Platz zu nehmen, damit Herr Kollege derer, die sich mit Steuerhinterziehung und Subven- Schanz beginnen kann. - Ich bitte die Kollegen, ihre tionsbetrug eine goldene Nase machen? Gespräche draußen zu führen und den Saal zu ver- (Beifall bei der PDS) lassen. Wir möchten hier weitermachen. - Herr Schanz. Der Bundestag wird sicher dank Ihrer Mehrheit nachher den chaotischsten Haushalt aller Zeiten ver- abschieden. Die anschließende Debatte zur Arbeits- Dieter Schanz (SPD): Frau Präsidentin! Meine losenhilfereform macht dann auf das Dilemma auf- Damen und Herren! Die „" merksam. Sie kündigen hier Hilfe an, unter anderem vom 18. Oktober 1995 schrieb unter der Überschrift durch den verstärkten Einsatz von Arbeitsbeschaf- „Zukunft als Zauberwort der CDU - Rüttgers möchte fungsmaßnahmen. Aber im Haushalt 1996 sind keine Pakt mit den Kreativen", daß der CDU-Politiker für zusätzlichen Mittel dafür eingestellt. Damit werden seine von zahlreichen Delegierten als schwach emp- die Löcher im sozialen Netz immer größer. Es wird fundene Rede nur mäßigen Beifall erhielt. ein wahnsinniger Verdrängungswettbewerb stattfin- den. Die Kommunen werden immer stärker belastet. ( [CDU/CSU]: Ja, so ein Unsinn! Stimmt doch gar nicht! Ist eine Zei- Genau da machen wir nicht mit, und ich fordere tungsente! Typisch „Frankfu rter Rund- Sie deshalb auf: Lassen Sie das heute bleiben! schau" !) (Beifall bei der PDS) Das verwundert schon, ist aber auch erklärlich. Denn wer mit so viel Vorschußlorbeeren angetreten ist und Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wir kommen zur zum zweiten Mal einen Einzelplan für den Bereich Abstimmung. Wer stimmt für den Aufsetzungsantrag Forschung, Technologie und Bildung verantworten der Koalitionsfraktionen? - Wer stimmt dagegen? - muß, der die Erwartungen in keiner Weise erfüllt, hat Enthaltungen? - Damit ist der Aufsetzungsantrag mit selbstverständlich nichts im Rücken, und das hat er den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die auch gespürt. Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen (Beifall bei der SPD) und der PDS angenommen. Der Gesetzentwurf wird Wenn dann noch ein bißchen Sensibilität hinzu- als letzter Punkt der heutigen Tagesordnung aufge- kommt, was ich ihm gern unterstelle, wirkt man, so rufen. weiß man, selten überzeugend. Seine Truppen in Bonn haben ihn mal wieder im Regen stehenlassen. Wir setzen die Haushaltsberatungen - Punkt I - fort: Von der zugesagten Offensive für Bildung, Wissen- schaft, Forschung und Technologie ist auch im Bun- Zweite Beratung des von der Bundesregierung deshaushalt 1996 nichts zu spüren. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für (Beifall bei Abgeordneten der SPD) das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) Statt eines überproportionalen Wachstums, wie angekündigt, wird nicht einmal die Preissteigerungs- - Drucksachen 13/2000, 13/2593 - rate ausgeglichen. Entgegen dem Regierungsent- (Erste Beratung 50. Sitzung) wurf, der Ausgaben in Höhe von 15,62 Milliarden DM vorsah, hat die Koalition für diesen Geschäftsbe- Ich rufe den Einzelplan 30 auf: reich einen um 24,5 Millionen DM reduzierten Pla- Einzelplan 30 fond, d. h. einen solchen von rund 15,595 Milliarden DM, beschlossen. Meine Damen und Herren, ohne Bundesministerium für Bildung, Wissen- zusätzliche Mittel können aber neue Themen, kön- schaft, Forschung und Technologie nen Innovationen so gut wie nicht angestoßen wer- - Drucksachen 13/2622, 13/2626 - den. Berichterstattung: Forschungspolitik verkommt unter dieser Bundes- Abgeordnete Dieter Schanz regierung zu einer Politik der Mängelverwaltung Antje Hermenau und des Stopfens von Löchern. Steffen Kampeter Jürgen Koppelin (Beifall bei der SPD) 6036 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Dieter Schanz Spielraum für neue Maßnahmen, wie die überfällige Meine Damen und Herren, die Aufwendungen der Aufstiegsfortbildung und die notwendige Aufstok- Wirtschaft für Forschung und Entwicklung fallen kung beim Hochschulbau sowie die Förderung von drastisch. Hierfür tragen Sie Mitverantwortung, weil Wissenschaftsorganisationen, soll durch die vorgese- es der Bundesregierung insgesamt nicht gelingt, die hene volle Verzinsung der auf einen Schattenhaus- deutsche Wirtschaft davon zu überzeugen, daß sie- halt übertragenen BAföG-Darlehen gewonnen wer- auf diesem Feld mehr tun muß. Im Rahmen der Ver- den. Diese Pläne werden von den Ländern ebenso abschiedung des Haushalts 1995 habe ich Ihnen für wie von den Betroffenen abgelehnt. die SPD-Fraktion für die Bemühungen, die deutsche Industrie zu animieren, mehr für Forschung und Ent- Meine Damen und Herren, es ist wahr: Eine Indu- wicklung auszugeben, unsere volle Unterstützung strienation, zugegebenermaßen eine große Industrie- zugesagt. Dies gilt auch heute noch. nation, die über ausreichende Bodenschätze nicht verfügt, muß, wenn sie ökonomisch und ökologisch Ein Beispiel dafür sind die in den EVU angesam- überleben will, wenn sie sich weiterentwickeln will, melten Rücklagen, die nunmehr auch im Einsatz andere Ressourcen mobilisieren und einsetzen. etwa beim Rückbau der Reaktoren oder bei Markt- Wenn der Haushalt das Schicksalsbuch der Nation einführungsstrategien für alternative Energietechno- ist, so sind Forschung und Technologie, Innovation logie aktiviert werden müssen. Hier müssen die Rah- und Entwicklung neuer Produkte, sind Bildung und menbedingungen entsprechend den Erfordernissen Wissenschaft sowie qualifizierte Berufsausbildung der Modernisierung unserer Industriegesellschaft grundlegende Voraussetzungen für die Weiterent- gesetzt werden. wicklung des Forschungs- und Bildungsstandorts Deutschland. Es sind die Voraussetzungen für wirt- Aber auch durch gezielte Unterstützung von for- schaftliche und soziale Stabilität in unserem Lande. schungs- und technologieintensiven Unternehmen insbesondere in den neuen Ländern muß die Umset- (Beifall bei der SPD) zung neuer Produkte beschleunigt werden. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen bieten durch die Im Grunde genommen hängen die Bedeutung des schnelle Reaktion auf den Markt die Garantie für Standorts und seine Wettbewerbsfähigkeit an drei langfristige Erfolge. Bisher hat die Bundesregierung Fragen. Das ist einmal die Frage der Investitionskraft versäumt, mit entsprechenden Hilfen die nötige der Unternehmen, das ist zweitens die Frage von For- Unterstützung zu leisten. schung und Entwicklung, und es ist drittens die Frage von Bildung und Ausbildung. (Beifall bei der SPD)

Vor diesem Hintergrund, Herr Minister Rüttgers, Unseren diesbezüglichen Antrag im Haushaltsaus- will ich Ihnen nicht allein die Verantwortung und schuß zum Einzelplan 30 haben Sie abgelehnt. schon gar nicht die Schuld dafür zuweisen, daß in Gegen die Stimmen der gesamten Opposition hat die den zurückliegenden Jahren dieser Einzelplan die Koalition gegen die Aufstockung der Beteiligung am Ausgaben für Bildung und Forschung, im Vergleich Innovationsrisiko von technologieorientierten Unter- zu anderen Staatsausgaben und -aufgaben nicht mit nehmen gestimmt und den Ansatz auf einem Niveau gewachsen ist. Nicht zu Unrecht spricht man von der von 72,2 Millionen DM festgeschrieben. Wilms- und Riesenhuber-Delle, die für 1996, bezogen auf den Einzelplan 30, hochgerechnet ein Defizit von Abgelehnt haben sie auch unseren Antrag auf Ein- etwa 3,5 Milliarden DM ausmacht. stellung eines Lehrtitels zur Fortführung des Hoch- schulsonderprogramms I, obwohl alle Experten im Stellen wir uns einmal vor, stellen Sie sich einmal Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Fachaus- vor, Herr Rüttgers, was heute, da alle Welt erkannt schusses diese Notwendigkeit eindeutig unterstri- hat, daß Forschung und Entwicklung für eine Indu- chen haben. Der Auf- und Ausbau einer Forschungs- strienation von höchster Bedeutung sind, machbar landschaft, einer gesunden Hochschullandschaft in wäre, machbar auch für die Entwicklung einer funk- den neuen Ländern ist aber die Voraussetzung für tionierenden Forschungslandschaft in den neuen wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität. Dies miß- Bundesländern! achteten Sie auch, als Sie unseren Antrag für den Aus- und Neubau von Hochschulen ablehnten. (Beifall bei der SPD) Gefolgt sind Sie unserem Antrag, für 1996, aber Die Technologiebasis der deutschen Wirtschaft auch für die Folgejahre für die Ausbildungsplatzsi- erodiert. Im Kern besteht unsere Exportbasis aus cherung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Branchen und Produkten mit mittlerem Technologie- neuen Ländern Mittel in Höhe von 137 Millionen DM gehalt. Hier ziehen die Wettbewerber aus Asien und einzustellen. in Zukunft aus Osteuropa zunehmend nach, viel- leicht auch vorbei. Daß Sie, Herr Rüttgers, jetzt vom (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war Bundeskanzler anstelle des Wirtschaftsministers für doch nicht Ihre Idee!) die südostasiatischen Wachstumsregionen Verant- wortung übertragen bekommen haben, unterstreicht - Sehr wohl, Herr Kampeter. diese Feststellung. Ich wünsche Ihnen bei dieser Arbeit viel Erfolg; denn es stimmt: Dort liegt die Meine Fraktion und ich begrüßen diesen Sachver- Zukunft unserer Exporte, dort liegen die Zukunfts- halt; denn es kann nicht hingenommen werden, daß märkte. junge Menschen in den neuen Ländern nach Entlas- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6037

Dieter Schanz sung aus den Grundschulen etc. ohne Perspektive schung fällt, denn diese ist allzumal notwendig. Man ins Leben gehen. könnte diese frohe Botschaft nach draußen vertreten. Das ist aber nicht so. (Beifall bei der SPD) Die Koalition war sich nicht zu schade - im Gegen- - Dennoch, meine Damen und Herren von der Koali- satz zur Meinung Ihres Hauses, Herr Rüttgers -, in tion, Herr Rüttgers, sollten wir aus ordnungspoliti- diesem Punkte sogar einen Haushaltsvermerk zu schen Gründen sehr sorgfältig mit dieser Subventio- beschließen, welcher besagt, daß diese Mittel aus- nierung von Ausbildungsplätzen umgehen. schließlich zur Finanzierung eines Projekts, nämlich Wer beispielsweise das duale System in der beruf- des Strato-C2-Fliegers der Firma Grob, zur Verfü- lichen Bildung - hier geht es nicht nur um Handwerk gung gestellt werden. und Gewerbe - feiert, sollte immer wieder deutlich ( [SPD]: Da hört man genau hin! machen, daß es sich dabei nur um eine vorüberge- Rossmaniths Wahlkreis!) hende, aus der Not geborene Aufgabe handeln darf. Wenn nämlich Handwerksbetriebe und Unterneh- Dies ist vor dem Hintergrund der Tatsache gesche- men der gewerblichen Wirtschaft Ausbildungsplätze hen, daß wir im Mai dieses Jahres einen sehr kriti- nur deshalb zur Verfügung stellen, weil der Staat schen Bericht über Ablauf und Ergebnis dieser For- entsprechend hoch subventioniert, befinden wir uns schungslinie im Haushaltsausschuß diskutiert haben auf einem gefährlichen, ja, sehr gefährlichen Weg. mit der Maßgabe, strengste Kriterien anzuwenden, um hier endlich zu einem positiven Ergebnis zu kom- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje men. Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der SPD) Ich will nicht mißverstanden werden: Diese Auf- Dabei ist die Rolle der F.D.P. besonders bemerkens- gabe muß finanziert werden; denn die Leidtragen- wert, handelt es sich doch fast um eine direkte Sub- den wären die jungen Menschen in den neuen Län- vention. dern. Es darf aber keine Dauersubvention erfolgen, nur weil die Bundesregierung insgesamt auf diesem Auch an dieser Stelle möchte ich nicht mißverstan- Feld ihre großspurigen Versprechungen nicht einge- den werden. Ich weiß, daß es sich bei der genannten löst hat. Firma um ein hochinnovatives Unternehmen han- delt. Ich weiß auch, daß diese Forschungslinie, Abgelehnt haben Sie ebenfalls einen Titel, den wir würde sie zum Erfolg führen, für die Bundesrepublik unter der Überschrift „Starthilfe An-Institute neue Deutschland und für die Klimaforschung von großem Länder" beantragten. Jedem von uns ist klar, daß Wert wären, und ich bin mir auch darüber klar, daß über An-Institute der Hochschulen flächendeckend bei dieser Firma Arbeitsplätze gesichert werden müs- eher eine Forschungs- und Entwicklungslandschaft sen. Wenn das aber so ist, meine Damen und Herren, aufgebaut werden kann, als wenn man nur am warum dann in aller Heimlichkeit und Stille und Standort der Hochschulen entsprechend investiert. außerhalb einer öffentlichen Debatte? Warum so Gerade in Nordrhein-Westfalen, insbesondere in der klammheimlich? Gibt es da etwas zu verbergen? strukturschwachen Region des nördlichen Reviers, hat sich gezeigt, daß über An-Institute der Universi- Hinsichtlich des IPP Stellerator Experiments, täten Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund Ent- eines Forschungsprojekts der Max-Planck-Gesell- wicklungschancen für schwächere Regionen wach- schaft in Greifswald, habe ich im Haushaltsausschuß sen. Diese Erfahrung sollten wir, vor allem Sie, für auf einen entsprechenden Antrag zur Realisierung die neuen Länder nutzen. dieses Forschungsprojekts verzichtet, weil mir im Rahmen des Berichterstattergesprächs zugesichert Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund wurde, die Maßnahme könne, wenn die entspre- der Debatten der letzten Tage, in denen seitens der chenden Rahmenbedingungen gesetzt sind, aus dem Koalition wiederholt die interessanten Vorschläge laufenden Haushalt finanziert werden. Herr Minister, des IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel erwähnt wur- meine Damen und Herren, ich erinnere Sie daran, den, stimmt es fast traurig, daß die Koalition seit Jah- hier Wort zu halten, denn es ist wichtig für die For- ren dabei ist, den Haushaltstitel „Arbeit und Tech- schungslandschaft Ost. nik" zurückzufahren. Alle Appelle des DGB und der Einzelgewerkschaften, aber auch andere Wissen- Zum wiederholten Male haben wir uns bei den schaftseinrichtungen unter der Überschrift „For- Erörterungen zum Geschäftsbereich des Einzel- schung im Bereich einer sich ständig verändernden plans 30 mit der Etatisierung der globalen Minder- Arbeitswelt" auch unter der Überschrift „Flexibili- ausgabe beschäftigt. Für Haushälter ist es uner- sierung nicht behindern" haben die Koalition nicht träglich, hinzunehmen, daß ein Ministerium die daran gehindert, unseren Antrag auf entsprechende Möglichkeit hat, frei über 129 Millionen DM ohne Erhöhung abzulehnen. Herr Rüttgers behauptet eigentliche Haushaltskontrolle, die notwendig wäre, gerade zu diesem Forschungsfeld, es sei eine Spiel- zu operieren. wiese für irgendwelche Zurückgebliebene. Meine Damen und Herren, statt mit uns gegen die globale Minderausgabe zu stimmen, sattelt die Koali- Vor diesem Hintergrund empfinde ich es, meine tion noch 29 Millionen DM drauf. Ich halte das für Damen und Herren, geradezu als Bubenstück, daß einen Skandal. mir nichts, dir nichts rund 22 Millionen DM für die Klimaforschung zusätzlich bereitgestellt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Nun könnte man jubeln, wenn das Wort Klimafor ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 6038 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Dieter Schanz Ich frage meine Kollegen Mitberichterstatter, ob sie Erfolg zu wünschen; denn dieser Erfolg wäre unser das weiterhin so mittragen wollen. Wenn mein Kol- aller Erfolg. lege Karl Diller den Haushalt 1996 generell mit dem Etikett „ohne Klarheit und Wahrheit" versehen hat, (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Beifall so tut er recht damit, denn gerade dies ist ein klassi- bei der CDU/CSU und der F.D.P.) sches Beispiel für eine Haushaltsvernebelungsak- Die Präsenz Deutschlands auf den neu entstehen- tion. den Märkten Asiens, Lateinamerikas, Osteuropas (Beifall bei der SPD) und der GUS muß dringend verstärkt werden. Wir Nun wird sich sowohl der Fachausschuß als auch fordern die Unterstützung kleinerer und mittlerer der Haushaltsausschuß in Kürze mit dem Entwurf Unternehmen, damit eine handels- und kooperati- eines Gesetzes zur Förderung der beruflichen Auf- onsfördernde Infrastruktur in diesen neu entstehen- stiegsbildung auseinandersetzen. Meine Damen und den Märkten aufgebaut werden kann. Herr Rüttgers Herren, meine Fraktion begrüßt grundsätzlich diese hat die Zuständigkeit dafür anstelle des Wirtschafts- Absicht, nämlich die Förderung der beruflichen Auf- ministers erhalten - ich verstehe das sehr gut -; er stiegsfortbildung wiederherzustellen und einen muß schnell handeln. Wie auch mein Kollege Uwe Rechtsanspruch auf individuelle Förderung gesetz- Jens festgestellt und gefordert hat, brauchen wir eine lich zu verankern. Die berufliche Aufstiegsfortbil- Industriepolitik, die versucht, Wachstumshemmnisse dung ist ein überfälliger Beitrag zur Herstellung der abzubauen und Innovationskräfte freizusetzen. Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Der südostasiatische Markt wäre auch für die deut- Bildung. sche Forschungs- und Entwicklungslandschaft von Ich vermag nicht einzusehen, daß ein qualifizierter großem Interesse. Dazu gehört natürlich auch die Facharbeiter in dieser Gesellschaft nicht gleiche Auf- Koordination von Forschungs - und Entwicklungs- stiegschancen hat wie ein Abiturient oder Hoch- aktivitäten zwischen Unternehmen, Universitäten schulabsolvent. Auch der Zugang zur Hochschulbil- und sonstigen Forschungseinrichtungen. Über diese dung muß liberalisiert und für jede Frau und jeden verfügt die Bundesrepublik Deutschland. Ich erin- Mann offen gestaltet werden. Selbstverständlich sind nere hier nur an die Max-Planck-Gesellschaft, die Qualifizierungskriterien notwendig. Hierüber sollten Fraunhofer-Gesellschaft und die Deutsche For- wir sachgerecht diskutieren. Die deutsche Wirtschaft schungsgemeinschaft. Ich verweise auf ein beträcht- und die Gesellschaft schlechthin benötigen qualifi- liches Kapital. Die Politik, Herr Minister Rüttgers, hat zierte, bildungsorientierte Facharbeiter. Sie sind die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen. heute oftmals dringend notwendiger als Absolventen Sie müssen organisieren und koordinieren, initiieren, von Hochschulen. aber auch finanzieren. Damit ist es in Ihrem Hause nicht gut genug bestellt. Ich will nun der Debatte im Fachausschuß und im Haushaltsausschuß nicht vorgreifen und vorschnell (Beifall bei der SPD) bewerten. Kritisieren muß ich aber den vorgelegten Die Ausstattung des Einzelplans 30, der Finanzrah- Gesetzentwurf, denn er ist unzureichend; kritisieren men Ihres Hauses, reicht hierfür nicht aus. Sie wer- muß ich den Zeitdruck, unter dem wieder beraten den verstehen, daß wir dem Einzelplan 30 unsere und entschieden werden soll; und kritisieren muß ich Zustimmung nicht geben können. Wir hätten das die erkennbare Finanzierungslücke für diese Sach- gern getan, weil er, wie ich schon gesagt habe, von entscheidung. einem hohen Stellenwert für die Bundesrepublik (Beifall bei der SPD) Deutschland ist. Meine Damen und Herren, die Förderung der Aus- Herzlichen Dank. bildung von qualifzierten Fach- und Führungskräf- ten in mittleren Managementbereichen ist zur Siche- (Beifall bei der SPD) rung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wi rt -schaft dringend erforderlich. Dies nur wie bisher Als nächster unter der Überschrift „Meister-BAföG" zu subsumie- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: spricht zum Einzelplan 30 der Kollege Steffen Kam- ren reicht, wie Sie ja selbst sagen und wissen, nicht peter. aus. Die von meiner Fraktion eingebrachten Anträge Steffen Kampeter (CDU/CSU): Frau Präsidentin! zum Einzelplan 30 wurden, wie Sie wissen, ausrei- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor eini- chend begründet. Wenn der Zukunftsminister eine gen Tagen hat der Präsident der Deutschen For- Zukunft haben soll, hätten Sie diesen Anträgen schungsgemeinschaft, Professor Wolfgang Frühwald, zustimmen müssen; denn wir sind uns ja darin einig, auf einem Kongreß auf die rasch zunehmende daß die in diesem Ministerium zusammengefaßten Geschwindigkeit aller Lebensprozesse hingewiesen. Zielsetzungen und Aufgaben tatsächlich für den Ein heute geborenes Kind werde mit 75 Jahren, in Wirtschaftsstandort Deutschland von höchster Priori- der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts, zu den tät sind. Wenn ich das aus der Opposition heraus erfahrenen Menschen gezählt werden können. sage, will ich damit durchaus unterstreichen, daß die Aufgabe, die er zu erfüllen hat, eine sehr wichtige Wenn wir heute einmal zurückblicken, was in den und lohnende ist; denn sie liegt im Interesse unseres vergangenen 75 Jahren alles geschehen ist: Aufstieg Volkes, in unser aller Interesse. Ich komme deshalb und Fall des Nationalsozialismus, Aufstieg und Fall nicht umhin, Ihnen, Herr Rüttgers, bei Ihrer Aufgabe des Kommunismus, Weltkrieg, Völkermord, die Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6039 Steffen Kampeter Atombombe, der erste Mensch auf dem Mond, Ich erinnere an dieser Stelle auch daran, was in eine enorme Explosion von Wissenschaft, Technik den letzten Jahren an Anpassungslasten z. B. im Wis- und Verkehr; und in der gleichen Zeit, in der 1927 senschaftsbereich in den neuen Ländern passiert ist. Charles Lindbergh den Atlantik von New York Wir haben diesen Instituten viel zugemutet. Wir sind nach Paris überquerte, nämlich in 33 Stunden, auf großen Veränderungs- und Anpassungswillen fliegt heute ein Jet um die Welt, wird deutlich, gestoßen. Ich würde mir wünschen, daß sich manche welchen unvorstellbaren Wandel der Erfahrung wir andere Wissenschaftseinrichtungen in den anderen in den nächsten 75 Jahren in dieser Welt zu erwar- Bundesländern hiervon wenigstens ein Stückchen ten haben. abschneiden würden und bereit wären, die Lasten zu tragen, die viele Forschungs- und Wissenschaftsein- Damit wird auch deutlich, daß die Gestaltung der richtungen in den neuen Bundesländern in den ver- Zukunft, die emotional bei vielen Menschen in gangenen Jahren haben tragen müssen. Deutschland mit dem Weg und dem Wechsel ins 21. Jahrhundert verbunden ist, zu den wichtigsten Für den Etat 1996 gilt: Bildung, Wissenschaft, For- Anliegen der politischen Gegenwartsdiskussion schung und Technologie sind Kernanliegen unserer gehört. Die Union ist in Deutschland die politische Politik. Dabei wollen wir alle Kreativitätsreserven für Kraft, in der die Zukunftsgestaltung im Mittelpunkt die Zukunftsgestaltung mobilisieren. des politischen Handelns steht. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der SPD) Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, gefallen sich hingegen - das wird Dabei geht es sowohl darum, Bewährtes für das durch Ihr Verhalten bei den Haushaltsberatungen 21. Jahrhundert zu sichern, als auch darum, zugleich sehr, sehr deutlich - in der Rolle des Zukunftsverwei- auf die vielfältigen und neuen Fragen hinreichende gerers, des Verhinderers von technischem Fortschritt. Antworten zu entwickeln. Dies wird, um ein Beispiel zu nennen, deutlich durch die politischen Akzente (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: im Einzelplan 30, im Etat des Bundesministers für Bil- Das ist doch Quatsch!) dung, Wissenschaft, Forschung und Technologie oder neuerdings: des Zukunftsministers. Sie versagen vor der politischen Aufgabe, den Weg ins 21. Jahrhundert zu gestalten. Während der Bundeshaushalt insgesamt in den Etatberatungen um 1,4 Prozent sinkt, haben wir in Um noch einmal das Bild von dem heute neugebo- diesem Etat einen Aufwuchs um rund 2,9 Prozent für renen Kind zu verwenden: Wenn wir heute den Ein- das Jahr 1996. stieg in die Zukunftstechnologie nicht beherzt ange- hen, wird es dem Neugeborenen bei sozialdemokra- (Beifall bei der CDU/CSU) tischer Regierung, sagen wir einmal, im Jahre 2070, doch wie folgt ergehen: Es würde in einem Deutsch- Das ist ein politischer Beleg für die Bedeutung dieses land leben, welches im Weltvergleich eher einem Bereichs. Museum der Technik des 20. Jahrhunderts als einem leistungsfähigen Dienstleistungs- und Industriestaat Wenn Sie darüber hinaus noch in Betracht ziehen, des 21. Jahrhunderts gleicht. daß in den Beratungen des Haushaltsausschusses eine Vielzahl von anderen Etats mit guten Gründen (Beifall bei der CDU/CSU) Kürzungen haben hinnehmen müssen und der Zukunftsetat trotz erheblicher Umschichtungen im Da reicht es einfach nicht aus - wie es Herr Fischer Ergebnis noch einen Aufwuchs erfahren hat, wird vorgestern hier getan hat -, sich auf angebliches uns die Bedeutung dieser Entwicklungen angesichts nächtliches Surfen im Internet zu berufen. Denn der knappen haushaltspolitischen Jahre für das Jahr gerade die Grünen, zumeist gemeinsam mit Ihnen 1996 erst im vollen Umfang bewußt. von der SPD - darauf werde ich später noch einge- hen -, spielen doch die zentrale Rolle bei der Mit einem Gesamtausgabevolumen von knapp Zukunftsverweigerung in Deutschland. 15,7 Milliarden DM wird der in Zahlen geronnene Wille zu einer aktiven Zukunftsgestaltung deutlich. (Beifall bei der CDU/CSU - Lachen und Dies ist ein guter Beitrag für die Zukunft in unserem Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- Land. NIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU) Herr Kollege Schanz, Sie haben im Zusammen- hang mit der Entwicklung des zukunftswichtigen Natürlich konnten nicht alle Wünsche befriedigt Projekts Strato 2C vorhin von Heimlichkeiten im werden. Das kann aber auch nicht gewollt sein. Es Ausschuß gesprochen. Das empfinde ich als dreist. kann nicht Sinn und Aufgabe des Staates sein, Wunschlisten von Interessenten zu erfüllen. Ich gebe (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) eines zu bedenken: Gerade im Etat von Herrn Bun- desminister Rüttgers, wo es ein Herzensanliegen ist, Sie ziehen aus der Sitzung des Haushaltsausschusses Kreativität und Intelligenz zu fördern, sollte es gelin- aus. Wir erledigen ordnungsgemäß unsere Aufga- gen, mit kreativer und intelligenter Mittelbewirt- ben, für die wir vom Wähler beauftragt worden sind. schaftung zukünftige Aufgaben zu erledigen. Sie hätten in der Zeit, in der Sie sich draußen vor den 6040 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Steffen Kampeter Kameras der Presse vergnügt haben, im Haushalts- Anwendungen im Dienstleistungsbereich hoch ein- ausschuß jede Frage mit uns diskutieren können. geschätzt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Förderung der Biotechnologie stellt daher, wie Uns dann heute vorzuwerfen, wir hätten eine Ent- in den vergangenen Jahren, einen Schwerpunkt der scheidung heimlich getroffen, ist wirklich dreist und Forschungs- und Innovationspolitik ouch im Haus- empörend. halt 1996 dar. Es muß doch unsere Aufgabe sein, alles Verantwortbare zu leisten, um Unternehmen zu (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU ermutigen, bei uns zu investieren. Arbeitsplätze und der F.D.P.) müssen auch in diesem Bereich geschaffen werden, Ich möchte einige Beispiele aufzeigen, an Hand dürfen nicht verhindert werden. deren die Unterschiede zwischen Regierung und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Opposition, die Unterschiede zwischen Zukunftsge- und der F.D.P.) staltung und Zukunftsverweigerung, deutlich wer- den. Doch in den Haushaltsberatungen wollte die (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das ist Opposition, insbesondere Bündnis 90/Die Grünen, eine interessante Frage!) streichen. Trotz gelegentlicher rhetorischer Appelle - Herr (Abg. Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE Schanz hat ja auch gesagt, er sei im Prinzip für dieses GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischen- oder jenes Anliegen - haben Sie im Kern Ihre alte frage) Politik beibehalten. Chancen werden von Ihnen nicht erkannt oder, was noch schwerer wiegt, igno- - Ich komme auf Sie und die Haltung der Grünen zur riert. Risiken werden in der Regel heillos überschätzt. Gentechnologie ausführlich zu sprechen. Deshalb Während wir die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts bäte ich Sie, auf eine Zwischenfrage zu verzichten. gestalten wollen, beabsichtigen Sie mit Ihrer intellek- (Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- tuellen Vollkaskomentalität, den Jahrtausendwech- NEN]: Offensichtlich ist Ihr Wissen nicht so sel noch ein paar Jahre nach hinten zu verschieben. besonders toll!) Dies gilt zum Beispiel für die Gen- und Biotechno- logie, die in vielen Bereichen an der Schwelle zum Bei Ihnen zeichnen sich starke ideologische Bar rie- kommerziellen Durchbruch steht. Neues biotechno- ren ab. So hat Ihre für die Gentechnologie zustän- logisches Wissen wird im Rahmen des Umweltschut- dige Sprecherin in einem Interview die Gentechnik zes, in der Landwirtschaft, in der Pharmazie und in als „gefährlichen Unsinn" bezeichnet. Und auf die vielen anderen Bereichen eingesetzt. Stärken der Frage, ob geninduzierte Ertragssteigerungen bei deutschen Chemie bei neueren organischen Chemi- Lebensmitteln nicht einen Beitrag gegen den Hun- kalien, in der Pharmakologie und im Pflanzenschutz ger in der Welt leisten könnten, antwortete sie ableh- werden in den kommenden Jahren durch neue bio- nend. technologische Verfahren revolutioniert. Die Genthe- Meine sehr verehrten Damen und Herren, solche rapie weckt Hoffnungen auf substantiellen Fort- Stellungnahmen sind nicht nur Zukunftsverweige- schritt bei der Heilung von Krankheiten wie Krebs. rung, sondern zynisch. Mit ideologischer Verweige- Aus wissenschaftlichen Untersuchungen wird rung werden wir den Hunger in dieser Welt nicht stil- deutlich, daß unter den 30 wichtigsten Innovationen len können. Das geht nur im Wege technologischer bis zum Jahr 2000 die Hälfte ganz wesentlich mitbe- Innovationen. stimmt wird von der Biotechnologie. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Jörg Tauss [SPD]: Aber nicht von der Regierung!) Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- ler, die Unternehmerinnen und Unternehmer in Nach Schätzungen der OECD wird die Biotechnolo- der Gen- und Biotechnologie brauchen mehr als gie im 21. Jahrhundert eine ähnliche Bedeutung nur materielle Forschungsförderung. Sie brauchen gewinnen, wie sie heute die Informationstechnik rechtliche, administrative und moralische Unter- innehat. Gar nicht absehbar sind die neuen Märkte, stützung. die sich aus der Diffusion der Biotechnologie in Grenzbereichen wie Elektronikinformatik oder Mate- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Dann mal rialwissenschaft ergeben. los!) Die Wachstumsraten sind heute groß. Aber der Meine sehr verehrten Damen und Herren, was die Weltmarkt für Biotechnologie - für 1991 auf SPD darunter versteht, kann am rot-grünen hessi- 6 Milliarden US-Dollar geschätzt - wird weiter schen Beispiel gezeigt werden. Die Förderung eines wachsen. Für das Jahr 2000 wird von der Industrie Kongresses von Gentechnikgegnern durch die Lan- ein Weltumsatz von 150 Milliarden US-Dollar desregierung in Wiesbaden beweist, daß man Wis- erwartet. Damit ist dies einer der am schnellsten senschaftsgelder auch gezielt zur Verhinderung von wachsenden Märkte. Im engeren Bereich der Bio- Zukunftsgestaltung einsetzen kann. technologie sind in Deutschland zur Zeit 40 000 Menschen beschäftigt. Das Beschäftigungspotential (Beifall bei der CDU/CSU - Joachim Tappe muß auch wegen der zahlreichen beschriebenen [SPD]: Ach, du lieber Himmel!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6041

Steffen Kampeter Ich will an dieser Stelle aus einem Be richt der nach einer längeren Verlustphase erstmals wieder „Neuen Osnabrücker Zeitung" über diesen Kongreß Gewinne - ich behaupte: nicht zuletzt wegen unserer zitieren: Förderpolitik. Denn im Etat 1996 wachsen die Mittel für diesen Bereich überproportional. Zur freien gentechnik Landwirtschaft hat der - Kongreß „Gegen Gen" aufgerufen, der im Hessi- Europa darf sich aus dieser für die Innovationskraft schen stattfand. Vier Tage wurde diskutiert. wichtigen Technik nicht verdrängen lassen. Gründe für die Gentechnologie, so heißt es, seien irrational und unreflektie rt . Die Gentechnik führe (Joachim Tappe [SPD]: 13 Jahre lang ist ver- zu einer weiteren Verarmung an So rten, zu mehr drängt worden!) Chemieeinsatz und Bodenreaktionen. Es wird Wir brauchen die Anwendungen wie Multimedia, von einem nicht abschätzbaren Risiko gespro- Informationshighways und Kommunikationstechnik. chen. All diese modernen Anwendungen, die zukünftigen (Kristin Heyne [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Wachstumsmärkte der Welt, sind ohne eine moderne NEN]: Das sollten Sie sich hinter die Ohren Mikroelektronik nicht erschließbar. schreiben!) (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Donner- Wir haben gegen die Förderung dieses Kongresses wetter, Herr Kampeter!) protestiert. Die hessische Staatsministerin für Wis- Im Etat 1996 werden die Mittel für die Förderung senschaft und Kunst behauptet in einem Schreiben der Informationstechnik erstmals die Milliarden- an Bundesminister Rüttgers, dies sei ein Kongreß, grenze überschreiten. Damit wird wiederum deut- der sowohl Chancen als auch Risiken darstelle. lich: Wir reden nicht nur von Zukunft, Meine sehr verehrten Damen und Herren, von Risi- ken habe ich in diesem Be richt gelesen, aber wo hat (Zuruf von der SPD: Doch!) dieser Kongreß die Chancen der Gentechnik aufge- sondern wir gestalten sie ganz konkret. zeigt? (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ein weiteres Beispiel: Vor einigen Tagen hat beim Wenn solche Berichte deutlich machen, daß Chan- Deutschen Indust rie- und Handelstag ein achtzehn- cen offensichtlich irgendwo vergraben werden, die jähriger Unternehmer aus Ostwestfalen seine Unter- Risiken ideologisch überhöht werden, dann ist das nehmensgruppe vorgestellt, die im zweiten Ge- Zukunftsverweigerung. Das ist die Vernichtung von schäftsjahr dreistellige Millionenumsätze im Compu- möglichen Arbeitsplätzen in diesem Land, meine terbereich erwirtschaftet und über 200 Arbeitsplätze sehr verehrten Damen und Herren. geschaffen hat. Mit 18 Jahren, meine sehr verehrten (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Damen und Herren! ordneten der F.D.P.) Angesichts dieses ungewöhnlichen Erfolges hat So sieht es konkret aus, Herr Kollege Schanz, ein Kollege aus der Opposition - ich glaube, er war früher mal wirtschaftspolitischer Experte - sofort (Joachim Tappe [SPD]: So sieht es nicht aus! nach der Gefahr des Scheiterns gefragt. Das finde ich Das ist Unfug!) symptomatisch für das Verhalten der SPD zu wenn Sie sagen, Sie seien bereit, Forschung und Wis- Zukunftschancen. Da gibt es einen jungen Unterneh- senschaft in diesem Land zu unterstützen. Rhetori- mer, der 200 Arbeitsplätze - er hat mit 16 Jahren sche Bekenntnisse reichen nicht aus. Es geht um begonnen - geschaffen hat, der dreistellige Millio- konkrete Unterstützung. nenumsätze erzielt. Anstatt sich über diesen Erfolg zu freuen, wird nach der Angst vor dem Scheitern (Joachim Tappe [SPD]: Die haben Sie auch gefragt. Hätte sich dieser junge Mensch von dem noch nicht geboten!) Bedenkenträger aus der SPD beraten lassen, wäre Das Beispiel Transrapid zeigt ein weiteres, meine das Unternehmen heute überhaupt noch nicht sehr verehrten Damen und Herren. gegründet. (Zurufe von der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Ja, das tut Ihnen weh. Gerade diese Frage sollte Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie bei Ihnen auch wehtun, denn es ist ein weiteres wichti- allen Haushaltsberatungen wird natürlich über eine ges Beispiel, wo Sie technologischen Fortschritt, wo zu knappe Mittelzuweisung in verschiedenen Berei- Sie Arbeitsplätze in Deutschland blockieren. chen geklagt. Herr Kollege Schanz hat in dieses Kla- gelied auch eingestimmt. Ich teile diese Klage nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Knappe Mittel sind eine Aufforderung zur intelligen- ten Bewirtschaftung von Budgets. Jedes am Markt Lassen Sie mich zu einem weiteren Bereich kom- tätige Unternehmen weiß, daß, wenn Einnahmen men. Schon heute werden in Deutschland pro Jahr ausbleiben, für den dauerhaften Erhalt des Unter- mehr Computer als Autos verkauft. Die Mikroelek- nehmens deutliche Kostenreduzierungen erforder- tronik ist weltweit auf dem Vormarsch. Der Welt- lich sind. markt für Halbleiter wuchs 1994 um 28 Prozent auf 110 Milliarden Dollar. Die europäischen Hersteller (Jörg Tauss [SPD]: Ja, vor allem bei Bil- befinden sich ebenfalls im Aufwind und erzielen dung!) 6042 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Steffen Kampeter Die Kostensituation hat das Unternehmen selbst in geforderte Gleichbehandlung von akademischer und der Hand. Eigenverantwortliches, kreatives, ja intelli- beruflicher Bildung sein? gentes Handeln ist gefragt. Auf den hier zur Diskus- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- sion stehenden Bereich übertragen bedeutet dies, ordneten der F.D.P. - Jörg Tauss [SPD]: Es - daß bei konstanten oder langsam wachsenden Bud- ist doch eine Notlösung, was Sie jetzt gets neue Formen des Kostenmanagements gefun- machen müssen!) den werden müssen. Ich möchte mit einem Bild schließen. In diesen Ich möchte dies an einem Beispiel deutlich Tagen hat ein niederländischer Unternehmer das machen, nämlich an dem des schon angesprochenen Gelände des Reaktors von Kalkar gekauft, um dort Studenten-BAföG und der beruflichen Aufstiegsqua- Freizeitpark zu errichten. einen lifikation, des Meister-BAföG. Im Kern der Diskus- ( [CDU/CSU]: Das ist eine sion über die Studenten-BAföG-Reform steht die Schande!) Stärkung von Eigenverantwortung und damit der Grundgedanke, Ich freue mich über die in Kalkar dadurch geschaffe- nen Arbeitsplätze. Es ist sicherlich ein wirtschaftli- (Zuruf von der SPD: Soziale Ausgrenzung cher Impuls. Aber wir können nicht auf Dauer zum steht im Kern!) Prinzip erheben, daß wir technologische Hochent- wicklungen von Rot und Grün stoppen lassen und daß nach erfolgter Ausbildung und bei hohem Ein- daraus dann Freizeitparks machen. kommen aus einer akademischen Tätigkeit ein Teil (Christian Lenzer [CDU/CSU]: Acht Milliar- der Fördermittel in den BAföG-Topf zurückfließen den verpulvert!) soll. Damit sollen wichtige Strukturverbesserungen für die heutigen Studenten finanziert werden. Als Dann lese ich in der Zeitung auch noch „Achterbahn jemand, der selbst BAföG-Student war, finde ich statt Atommeiler" und daß dieser Unternehmer als dies gut. Das ist ein gelungener Generationenver- „König von Kalkar" charakterisiert wird. trag. Ehemalige Studenten leisten ihren Möglich- (Zuruf von der SPD: Das ist ein gelehriger keiten entsprechend einen Beitrag dazu, daß bei- Schüler des Kanzlers!) spielsweise im Jahr 1996 ein Anstieg der BAföG Leistungen um etwa 6 Prozent für die folgende Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Studentengeneration ermöglicht wird. Diese Sie uns gemeinsam darum ringen, daß wir hinrei- BAföG-Strukturreform, würde sie umgesetzt, be- chend Geld haben, um in Freizeitparks zu investie- ren, daß wir aber die technologische Zukunft unseres deutete innerhalb von zwei Jahren 12 Prozent Landes nicht verspielen. mehr BAföG bei gleichzeitig geringerer Belastung für die öffentlichen Haushalte. Dies nenne ich eine Wir stimmen dem Einzelplan 30 zu. innovative Finanzierung und eine, die die Eigen- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - verantwortung stärkt. Denn mit den zusätzlichen Karl Diller [SPD]: Was heutzutage alles im 266 Millionen DM können allein im Jahr 1996 wei- Haushaltsausschuß sitzt, mein Gott!) tere wichtige zentrale Aufgaben in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik finanziert werden, für die ohne BAföG-Reform kein Spielraum wäre. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht die Kollegin Elisabeth Altmann. (Tilo Braune [SPD]: Haushaltssanierung auf Kosten sozial Schwacher ist das!) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr Im engen fachlich-politischen Zusammenhang geehrte Damen und Herren! Wie Kollege Kampeter, hierzu steht das Vorhaben, die Meisterausbildung so versuchte neulich auch die „FAZ" in anschauli- finanziell zu unterstützen. Diese Unterstützung wird cher Sprache darzustellen, „die CDU sei jetzt vorge- von den Betroffenen zu Recht erwartet. Sie soll nach prescht und habe das Thema Zukunft besetzt". Ich den gleichen Strukturprinzipien wie die Studenten- habe mir darunter eine Art Pferderennen - atembe- förderung organisiert werden. In den Diskussionen raubendes Tempo, dampfende Nüstern - vorgestellt. mit dem Handwerk wurde nie bezweifelt, daß auch In dem einen Jahr Bundestag habe ich die CDU im hier ein Element der Eigenverantwortung enthalten Bereich Zukunft allerdings eher als Schildkröte denn sein muß. Das ist um so anerkennenswerter, als die als Rennpferd empfunden. finanziellen Belastungen beim Selbständigmachen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - eines Handwerkers erheblich höher sind als bei der Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Berufsaufnahme eines Akademikers. Der Bundesrat Kampeter macht noch keine CDU!) hat diesen Gesetzentwurf in seiner letzten Sitzung zwar grundsätzlich begrüßt - Rhetorik -, aber gleich- Der zweite Vergleich allerdings ist sehr treffend: zeitig jede Form der Finanzierung verweigert. Meine Da kommt die CDU/CSU, läßt sich behäbig auf dem sehr verehrten Damen und Herren, die politische Sessel der Zukunft nieder, besetzt das Thema und steht drei Jahre lang nicht mehr auf. Konsequenz heißt: Es gibt weiterhin - richtigerweise - viel Geld für die Studenten, aber kein Geld für die Jetzt möchte ich einmal fragen, ob der vorgelegte Handwerker. Soll etwa das die von Herrn Schanz Einzelplan 30 wirklich die Perspektive für das Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6043

Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) 21. Jahrhundert bietet, wie der Kollege Kampeter Hier drohen viele Arbeitsplätze verlorenzugehen. Es eben versuchte auszuführen. Zwei namhafte Fach- handelt sich immerhin um 5 800 qualifizierte Arbeits- leute teilen meine Zweifel. Dieter Simon, der ehema- plätze! lige Vorsitzende des Wissenschaftsrates, findet die Auch die Nachwuchsförderung muß der Bund wei-- Steigerungen des Haushaltsentwurfs - nämlich nicht terführen. 10 Prozent, nicht 5 Prozent, nicht 3 Prozent, sondern reichlich 1 Prozent - eher „dürftig". Karl-Heinz Hoff- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist doch mann, der jetzige Vorsitzende des Wissenschaftsra- eine originäre Aufgabe der Länder! Das war tes, fürchtet zu Recht, daß „Deutschland ... in eine Sondermaßnahme, die befristet war!) Sachen Bildung und Forschung zum Entwicklungs- land" wird. Es nützt nichts, wenn Mittel für Programme ausge- wiesen werden, die dann auf Grund der Vergabe- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das stimmt und Qualifikationskriterien nicht abgerufen werden doch alles gar nicht!) können. Das nützt doch nichts! Frauenförderung vor allem darf ja nicht nur auf dem Papier stehen, son- Zum ersten Schwerpunkt des Ministeriums: Bil- dern muß real praktiziert werden. dung. Meine Damen und Herren, schon trägt die Bundesrepublik laut der dritten OECD-Bildungsstati- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stik die Schlußlaterne bei den öffentlichen Bildungs- Wie sieht die Zukunft konkret für Empfänger und ausgaben. Der prozentuale Anteil liegt bei Empfängerinnen von BAföG aus? 8,5 Prozent der gesamten Staatsausgaben. Zum Ver- gleich: Die Schweiz gibt das Doppelte aus, die USA (Zuruf von der SPD: Düster!) 80 Prozent mehr. Was sagen Sie, Herr Minister, zu den bundesweiten Auftaktaktionen, auch heute in Bonn, die jetzt zum Wie sieht die Situation vor Ort aus? In den Hoch- „heißen Herbst" beginnen? Das BMBF bringt ein schulen drängeln sich die Studentinnen und Studen- ten; auf knapp 900 000 ausgewiesenen Studienplät- Rechenbeispiel: Bei elf Semestern Vollförderung müssen statt bisher 35 000 DM nun verzinst 70 000 zen müssen zirka 1,9 Millionen Studentinnen und Studenten Platz finden. Das heißt, jeder Stuhl ist dop- DM zurückgezahlt werden, also doppelt soviel. Die pelt besetzt! Professorenstellen und Studienplätze Studierendenvertretung der Uni Erlangen/Nürnberg spricht von einer „Ausgrenzung ... materiell werden gestrichen, Vorlesungsräume und Laborato- rien vergammeln, Bibliotheken verkümmern. schlechter gestellter Studenten" . Die Probleme der Bildungsfinanzierung werden hier auf die Schwäch- Minister Rüttgers sollte einmal den „Spiegel" sten abgewälzt. Zu Recht rufen unter diesen Umstän- lesen, wenn er darf, den die Studenten und Studentinnen zu dem eben genannten „heißen Herbst" auf. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Er darf vie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN les, was Sie nicht dürfen, zum Beispiel gut sowie bei Abgeordneten der SPD) regieren! - Dr. Peter Glotz [SPD]: Das darf der, das ist nachgewiesen!) Meine Erfahrungen vor Ort sind: Studenten, Stu- dentinnen, Professoren und Professorinnen sind oder an einem Regentag nach Greifswald fahren und guten Willens, Sparmaßnahmen mitzutragen. Ich sehen, wie es durch die Dächer der Uni tropft. Das ist warne Sie jedoch: Überspannen Sie den Bogen nicht. ja kein Einzelfall. Der Pfeil könnte sonst als Bumerang zu Ihnen zurückkehren. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es werden 80 Millionen DM mehr für Hochschulbau Das Meister-BAföG wird hochgelobt. Den Hand- ausgegeben!) lungsbedarf aber haben Sie, meine Damen und Her- ren von der Regierungsbank, durch die Novelle des Gerade in den neuen Bundesländern müßten Hoch- AFG selbst verursacht. Erst streichen Sie die Förde- schulgebäude renoviert werden. Die von Minister rung, die reichlicher war als die jetzt eingesetzten Rüttgers in Aussicht gestellten Mittel sind gerade Mittel, und dann weisen Sie ein Meister-BAföG aus, einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. das nicht ausreichend ist. Wir benötigen dringend Anmeldungen zu Meisterprüfungen! Hiermit werden Auch die vorgeschlagenen Leasing-Verfahren wir das nicht erreichen. Das ist eine Mängelverwal- kommen längerfristig teurer. beim Hochschulbau tung. Außerdem sagt ein Rechtsgutachten eindeutig, daß im Hochschulbau „Formen der Miete oder des Lea- Um Mängelverwaltung geht es auch bei der nach sings ohne Erwerbsabsicht unzulässig sind". Wer will wie vor schlechten Ausbildungsplatzsituation. Ich schon auf die Dauer mit einem geleasten Auto fah- habe dazu schon einmal gesagt: Wir müssen da ren, meine Herren? etwas tun; wir werden Vorschläge zur Umlagefinan- zierung bringen. Besonders Großbetriebe, die nicht In dieser angespannten Situation ist es dringend ausbilden, sollen in diesem Zusammenhang zahlen. nötig, die Hochschulsonderprogramme fortzuführen und zusammenzufassen. Nun möchte ich zum zweiten Schwerpunkt des Ministeriums kommen, zur Technologiepolitik. Die (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das haben Bundesregierung finanziert unserer Meinung nach wir schon beschlossen!) überholte Großforschungsanlagen ebenso wie Atom- 6044 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) technologie. Der Präsident des Nuclear Control Insti- Nicht nur wir, Bündnis 90/Die Grünen, bezweifeln tute in Washington, Paul Leventahl, stellt fest: Der dies. Gentechnologie führt nicht nur wirtschaftlich in Reaktor Garching, der FRM II, benötigt kein hoch- eine Sackgasse, wie Beispiele aus den USA ganz angereichertes Uran. Der FRM II unterminiert die deutlich zeigen. Weite Teile der Öffentlichkeit glau- Nichtverbreitungsanstrengungen. Trotzdem soll der ben nicht an Ihre Versprechungen, Gentechnologie - Forschungsreaktor München-Garching mit Investiti- könne den Welthunger beseitigen, Krebs heilen, viel- onsmitteln von 33 Millionen DM weiter gefördert leicht sogar gebratene Tauben züchten oder den werden. Goldesel hervorzaubern, der das Milliardenloch in Minister Waigels Haushalt stopft. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist eine technologische Spitzenleistung! Er ist des (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wie gut, wegen förderungswürdig!) daß Sie mit Finanzpolitik wenig zu tun Das ist ein Skandal! haben!) (Widerspruch bei der CDU/CSU und der Die wunderbare Arbeitsplatzvermehrung in Millio- F.D.P. - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das nenhöhe ist ebenfalls reines Wunschdenken. ist doch vernünftig! Ihr Beitrag ist ein Skan dal!) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie haben meiner Rede gar nicht zugehört!) - Wissenschaftler widersprechen Ihnen; Sie sollten da genau hinhören. Sie sprachen eben von der Krebsbekämpfung. Die Insgesamt wird die Nuklearforschung im Einzel- zwei führenden Gentechnikfirmen, die B ritish Bio- plan 30 mit 268 Millionen DM gefördert. Wir fordern, tech und die Cantab, haben klinische Mißerfolge bei dieses Geld statt dessen für arbeitsmarktpolitische der Entwicklung ihres heißersehnten Medikamentes, Maßnahmen einzusetzen. des Batismastat, gehabt. Das müßten eigentlich auch Sie wissen, wenn Sie in diesem Bereich so firm sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Und was wir Mit dem Argument der Arbeitsplätze kann man für die regenerativen Energien tun, ignorie ebenfalls nicht jede Risikotechnologie rechtfertigen. ren Sie bei dieser Aufzählung!) Wir wollen jedenfalls den Bereich Genomforschung und ähnliches streichen und das Geld für arbeits- Wenn der Staat die Wirtschaft mit Atomförderung marktpolitische Maßnahmen verwenden. in die technologische Sackgasse lockt, müßte viel Charakterstärke dazugehören, dem zu widerstehen. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Was soll Die Regierungen in Bonn und München hätten am denn das wieder?) Bauzaun von Wackersdorf weiterprügeln lassen, wäre nicht die Industrie ausgestiegen. Wir wollen Arbeitsplätze schaffen durch den ökologi- schen und sozialen Umbau. Darin müssen wir wett- (Zuruf von der CDU/CSU: Leider!) bewerbsfähig sein und Vorbild werden. An dieser - Sie sind einer der Ewiggestrigen. Sie haben das bis Herausforderung muß sich Forschungs- und Techno- heute noch nicht kapiert. logiepolitik orientieren. Das ist keine Zukunftsver- weigerung, wie Sie das eben nannten, sondern (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS Gestaltung einer lebenswerten Zukunft. SES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ebenso überholt sind Großprojekte wie der Trans- rapid zwischen Hamburg und . Solche Projekte Alternative Märkte müssen wir erschließen, zum verursachen Milliardenlöcher im Haushalt, zerstören Beispiel für Photovoltaik, also Sonnenstrom, Kraft- die Natur, und der verkehrspolitische Nutzen ist Wärme-Kopplung, sparsamen, effizienten Umgang höchst fragwürdig. Hinzu kommt, daß ernsthafte mit Materialien und Kreislaufwirtschaft. Interessenten für das Magnetbahnsystem nicht erkennbar sind. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist alles Dann zur Gentechnologie, Herr Kampeter: Jähr- sehr wichtig, reicht aber nicht aus!) lich werden mehr als 300 Millionen DM aus dem Das sind wichtige Pfeiler, und wir müssen darange- Bundeshaushalt der Gentechnologie in den Rachen hen. So bewahren wir unsere Lebensgrundlagen. gesteckt. Das ist unsere Zukunft, das steht an, und das müssen (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Mit Recht, wir vorantreiben. Erst eine sozial und ökologisch weil das eine gute Technologie ist, die für umgestellte Gesellschaft wird auch die Aufgaben der die Zukunft Arbeitsplätze sichert!) Zukunft kraftvoll bewältigen können.

- Ich habe dazu eine andere Meinung; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Zuruf von der CDU/CSU: Das glaube ich!) sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS) darauf komme ich noch zu sprechen. - Dazu betont die Bundesregierung, daß in den Forschungslabors und wissenschaftlichen Einrichtungen heute die Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt Arbeitsplätze der Zukunft entstehen. der Kollege Jürgen Koppelin. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6045

Jürgen Koppelin (F.D.P.): Frau Präsidentin! Liebe mehr Mittel für die Forschung und die Bildung gefor- Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltspolitik der dert. Freien Demokratischen Partei war beim Bundeshaus- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) haltsplan 1996 von zwei Schwerpunkten gekenn- zeichnet: zum einen die Staatsausgaben zu drosseln, Es ist erfreulich, daß es in den Koalitionsgesprä- auf der anderen Seite jedoch bewußt die Ausgaben chen gelungen ist - wir Freien Demokraten haben ja für Bildung und Forschung zu steigern. Koalitionsgespräche zu diesem Bereich verlangt -, mehr Mittel zu bekommen. Das Versprechen wurde (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - eingehalten. Das ist ein Erfolg der F.D.P.; das ist ein Dr. Peter Glotz [SPD]: Das letztere ist Ihnen Erfolg der Koalition insgesamt. aber nicht geglückt!) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Nur so war und ist es nach unserer Auffassung mög- lich, neue Arbeitsplätze zu schaffen oder Arbeits- Trotz der Erhöhung der Mittel für Forschung und plätze zu erhalten. Der Bundeshaushaltsplan 1996 Bildung bleibt Kreativität gefragt, damit mit dem vor- spiegelt das wider. Es ist erfreulich, daß die Mittel für handenen Geld mehr gemacht werden kann. Wissen- den Einzelplan für Bildung und Forschung gesteigert schaftliche Höchstleistungen, Spitzenforschung und werden konnten. Spitzentechnologie sichern auch unseren Wohlstand Der Kollege Schanz hat hier eine kritische Anmer- und unseren Sozialstaat. Deshalb bedauern wir kung zu einem Bereich im Haushaltsplan gemacht, Freien Demokraten, daß in vielen Bundesländern in den wir ebenfalls durchaus kritisch gesehen haben, letzter Zeit die Mittel für die Hochschulen und für die Forschung heruntergefahren worden sind. nämlich zum Bereich der globalen Minderausgabe. Herr Kollege Schanz, ich will Ihnen dazu nur folgen- (Jörg Tauss [SPD]: Gucken Sie sich mal die des sagen: Das ist sicher eine Sache, über die man Bundesanteile in den letzten 20 Jahren an!) diskutieren kann. - Herr Kollege, ich sage nur einen Satz zu Ihnen: Ich (Dieter Schanz [SPD]: Muß!) stelle auch bei diesen Haushaltsberatungen fest: Das einzige, was Sie können, ist krakeelen. Ich ahne Aber ich halte es da mit der Kollegin Ing rid Mat- thäus-Maier. Sie hat in einer Haushaltsdebatte fol- schon, warum Ihre Fraktion Sie hier nie ans Pult schickt. gendes gesagt - ich bitte die Sozialdemokraten, ein- mal zuzuhören, weil sie vorhin bei der Kritik an der (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aber das globalen Minderausgabe alle geklatscht haben -: war nun kein Krakeelen! Zu einem Parla- ment gehören Zwischenrufe, Herr Kollege! Ich glaube, über dieses Instrument der Haushalts- Das ist kein Krakeelen!) politik kann man streiten. - Doch, er macht es ja ständig. Wenn er einen Zwi- Das bestätige ich. schenruf machen würde, wäre es ja in Ordnung. Es ist sehr großflächig und überläßt seine Wir- Aber das geht jetzt alles von meiner Zeit ab. kung dem Haushaltsvollzug. Aber wenn man Wir wissen sehr wohl, daß die Mittel für den sich aus rein praktischen Gründen zur Anwen- Hoch- dung entschließt, dann steht dieses Instrument schulbau schon lange nicht mehr ausreichen. Ich kann auch die Polemik, die hier teilweise auftaucht - Koalition und Opposition gemeinsam und glei- chermaßen zur Verfügung. ich sage das an alle Seiten gerichtet -, nicht verste- hen, weil nach Auffassung der F.D.P. „Bildung und Dem kann ich mich anschließen. Forschung" ein Thema ist, bei dem wir in den Län- dern und im Bund wirklich alle zusammenstehen (Jörg Tauss [SPD]: Sie ist klug, nicht? So müßten. etwas vermißt ihr heute!) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Ingrid Matthäus-Maier hat vorhin kräftig geklatscht, Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Eine gute als der Kollege Schanz das kritisierte. Ich denke, man Anmerkung zur Rede von Herrn Kampeter!) kann sich auf diesem Weg einigen; das ist jedenfalls auch unsere Auffassung. Ich werde nachher etwas dazu sagen. Sie werden bei meinen Ausführungen auch feststellen, daß ich nicht (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aber besser die Bundesregierung, und das, was sie macht, pau- ist doch der andere Weg!) schal lobe, sondern daß ich durchaus bereit bin, auch - Ja, selbstverständlich; aber wir haben doch immer kritische Anmerkungen zu machen. mit der globalen Minderausgabe gearbeitet. Das (Jörg Tauss [SPD]: Aber Sie müssen dabei haben Sie doch ebenfalls getan. korrekt bleiben!) Wir Freien Demokraten haben jedenfalls alles Aber Sie müssen mir die Chance geben, indem Sie unternommen, damit der Rotstift bei diesem Haus- zumindest zuhören. haltsplan nicht angesetzt werden mußte. Es ist sehr richtig, was , unser Parteivorsit- Ich habe gerade gesagt, daß nach unserer Auffas- zender, nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden der sung die Mittel für den Hochschulbau zu knapp sind. F.D.P. gesagt hat: Forschung, Entwicklung und neue 1,9 Milliarden DM sind zu wenig, zumal wenn man Technologien sind immer Vorläufer für Beschäfti- feststellen muß, daß kaum neue Baumaßnahmen mit gungsverhältnisse von morgen. Deswegen haben wir diesem Geld gefördert werden. 6046 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Jürgen Koppelin Betrachtet man die unter dem Beg riff Hochschul- muß eingeräumt werden, daß auf diese Weise zusätz- bauförderung zusammengefaßten Maßnahmen, so liche Mittel für die Belange der Bildungspolitik frei- muß man sich doch oft wundern, was in Deutschland gemacht werden, die sonst nicht zur Verfügung stün- alles unter diesen Beg riff fällt und entsprechend den. Es muß allerdings auch gesagt werden: Aus der finanziert wird. Wir Freien Demokraten sind der Auf- Sicht der F.D.P. ist der gravierendste Nachteil des- fassung, daß zum Beispiel die Ausgaben für Universi- BAföG-Modells, daß hier nur ein Viertel der Studie- tätskliniken, medizinische Großgeräte oder Großge- renden zur Finanzierung allgemeiner Aufgaben des räte der Grundlagenforschung nicht der Hochschul- Bildungsbereichs herangezogen werden. bauförderung zugerechnet werden sollten. Statt des- sen sollten wir überlegen, ob wir nicht besonders (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bibliotheken, Laboratorien und Hörsäle in das Zen- Da dies erst nach Abschluß des Studiums in einer trum der Förderung stellen. Phase mit in der Regel überdurchschnittlichem Ein- Lassen Sie uns, Länder und Bund, gemeinsam - kommen geschieht, ist das zwar nicht unsozial, aber wohlgemerkt: gemeinsam - einen Vorstoß machen, nach unserer Auffassung ungerecht. daß wir hier reformieren und - auch im Sinne von Mein Freund und Fraktionskollege Karlheinz Gutt- Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit - für eine macher hat in der ersten Lesung etwas gesagt, was stärkere Übereinstimmung zwischen Titelbezeich- ich hier gern wiederholen will: „Dieses Modell ist ein nung und tatsächlicher Förderung sorgen. Modell der Gegenwart, nicht aber ein Modell der (Beifall bei der F.D.P. - Dr. Wolfgang Weng Zukunft." Nach Auffassung der F.D.P. muß ein [Gerlingen] [F.D.P.]: Das ist entscheidend!) BAföG-Modell für die Zukunft auch der Tatsache Rechnung tragen, daß es sich bei den Studierenden Die Hochschulbauförderung muß sich auf die nicht um Kinder, sondern um junge Erwachsene han- unmittelbaren Belange der Hochschulen und der delt. Studierenden konzentrieren. Die Freien Demokraten in Rheinland-Pfalz haben sich zum Hochschulbau (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das klingt Gedanken gemacht und sind zu dem Ergebnis aber dem Zukunftsminister in den Ohren!) gekommen, wir sollten in das Hochschulbau-Lea- - Er wird nachher etwas dazu sagen. singmodell einsteigen. Das halten wir durchaus für einen gangbaren Weg, um mehr für unsere Hoch- Man muß allerdings wissen: Hätten wir das schulen zu erreichen. BAföG-Modell abgelehnt, dann hätten wir damit einen Stillstand im Hochschulbau, bei den Hoch- (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ schulsonderprogrammen und auch im Bereich der NEN]: Das ist eine kurzfristige Lösung!) Forschung verursacht. Das war jedenfalls nach unse- Ich finde es erfreulich, daß der Wissenschaftsminister rer Auffassung nicht zu verantworten. von Rheinland-Pfalz in dieser Woche in einer Presse- konferenz die besonderen Vorteile eines Hochschul- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der bau-Leasingmodells vorgestellt hat. Wir Freien CDU/CSU) Demokraten haben sehr viel Sympathie dafür. Neben der Förderung der beruflichen und akade- (Beifall bei der F.D.P. - Dr. Wolfgang Weng mischen Bildung brauchen wir dringend die Einfüh- [Gerlingen] [F.D.P.]: Auch die SPD in Rhein rung des Meister-BAföG. Wir Freien Demokraten land-Pfalz!) sind für schulische, akademische und berufliche Bil- dung, die gleichwertig sein muß. - Auch die SPD in Rheinland-Pfalz. Das ist zu begrü- ßen. Deswegen sprach ich auch davon, daß wir ver- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Anders als suchen sollten, uns gemeinsam, Opposition und Koa- die SPD!) lition, an dieses Thema zu begeben. Eine Vielzahl selbständiger beruflicher Existenzen ist Der zweite Bereich mit Reformbedarf ist sicher nach unserer Auffassung Voraussetzung für die BAföG. Es war höchste Zeit, die Diskussion um die Sicherung und den Ausbau der Wettbewerbsfähig- Reform des BAföG zu eröffnen. Die F.D.P. hat sich keit unseres Landes. Kleine und mittelständische darauf konzentriert, daß ein tragfähiger Kompromiß Betriebe spielen bei der Schaffung neuer Ausbil- gefunden wurde. Wichtig war uns, Fehlentwicklun- dungsplätze und Arbeitsplätze eine wichtige Rolle. gen bei den Freibeträgen und bei den Bedarfssätzen (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- umgehend und unabhängig vom Fortgang des ten der CDU/CSU) BAföG-Reformprozesses zu beseitigen. Deswegen haben wir in den Beratungen des Haushaltsaus- In vielen Betrieben wird in den kommenden Jahren schusses dafür gesorgt, daß die für die Erhöhung der ein Generationswechsel stattfinden. Der Bedarf an Freibeträge und der Bedarfssätze um jeweils qualifizierten Nachfolgern ist dann vorhanden, und 6 Prozent notwendigen Mittel entsperrt wurden und dem müssen wir nachkommen. Meister-BAföG ist jetzt ohne Bedingungen zur Verfügung stehen. Das nach unserer Auffassung ein Signal an junge Men- bedeutet, die Studierenden erhalten ab Herbst 1996 schen, über die berufliche Ausbildung den Weg in 6 Prozent mehr. Dies wird etwa 30 Prozent der Stu- die Selbständigkeit zu suchen. dierenden betreffen. Die Länder verweigern sich nun. Meister-BAföG Ich will durchaus zugestehen, daß das jetzige darf jedoch nach unserer Auffassung nicht auf dem BAföG-Modell die F.D.P. nicht zufriedenstellt. Jedoch Altar eines Bund-Länder-Hickhacks geopfert wer- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6047

Jürgen Koppelin den. Wir Freien Demokraten sehen überhaupt nicht Das ist ein Erfolg der Koalition. Deswegen werden ein, warum die Länder hier eine Blockadepolitik wir dem Einzelplan des Bundesministers für Bildung betreiben. Natürlich sind die Mittel bei den Ländern und Forschung aus Überzeugung zustimmen. genauso knapp wie beim Bund. Aber wie will man Arbeitsplätze schaffen, wenn man nur davon redet, (Dr. Peter Glotz [SPD]: Da haben Sie die - aber nicht bereit ist, die entsprechenden Mittel zur Kurve gerade noch gekriegt, Herr Koppe- Verfügung zu stellen? Ich sehe ein, daß bei den Län- lin!) dern die Mittel knapp sind, beim Bund sind sie auch Ich danke Ihnen für Ihre Geduld. knapp, aber man muß hin und wieder den Knoten durchschlagen, um Erfolg zu haben, Arbeitsplätze zu (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- schaffen und nicht nur davon zu reden. ten der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt Professor Ludwig Elm. Es ist auch hier notwendig, daß wir gemeinsam, Bund und Länder, an die Sache herangehen. Dr. Ludwig Elm (PDS): Frau Präsidentin! Meine Wenn die Länder das Meister-BAföG blockieren Damen und Herren! Man braucht keine Lupe, um im und behaupten, dafür kein Geld zu haben, dann Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und müssen sie einmal überprüfen, ob wirklich alles aus Forschung die Schieflage des gesamten Bundeshaus- Landeshaushalten gefördert werden muß, was man halts zu erkennen. Im Gegenteil: Das sogenannte aus politischen Gründen gern fördern möchte, oder Zukunftsministerium gehört zu den auch in der ob man nicht andere Schwerpunkte setzt. Öffentlichkeit sichtbaren Spitzen des Eisbergs und (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: zeigt die Drift an, weg vom Konsens des Sozialstaats Vor allem Parteibuchpersonal!) hin zu einer Gesellschaft, die ihren Zusammenhang in einer konservativ nationalen Standort-Deutsch- - Kollege Weng, um es deutlich zu machen, nenne land-über-alles-Ideologie finden soll und die auf alles ich ein Beispiel aus Schleswig-Holstein. Was meinen pfeift, was in dieses Konzept nicht hineinpaßt. Sie, wofür da Geld zur Verfügung steht? Da stellt das Frauenministerium Unmengen Gelder zur Verfü- So betrachtet ist der Haushalt dieses Ministeriums gung, damit der Urschrei geübt und Trommelkurse ein rechtes Pfeifkonzert. Bundesregierung und Bil- usw. angeboten werden können. Mir wäre es lieber, dungsministerium pfeifen auf das Grundgesetz, zum das Geld würde in die Ausbildung junger Meister Beispiel auf Art . 12, auf das Recht, Beruf, Arbeits- investiert. Das wäre mir wichtiger. platz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. 100 000 Ostdeutsche haben ihren Arbeitsplatz in Forschung (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne und Entwicklung verloren. Seit Jahren fehlen in Ost- ten der CDU/CSU) deutschland 100 000 betriebliche Ausbildungsplätze. Mit dem Haushalt des Bundesministers für Bildung Die Verwirklichung von Rüttgers' BAföG-Plänen und Forschung haben die Koalitionsparteien bei den wird Zehntausende Studierwillige aus einkommens- Beratungen im Haushaltsausschuß Akzente gesetzt, schwächeren Schichten vom Studium fernhalten. damit die öffentliche Forschung nicht zurückgefah- Der vorliegende Haushaltsentwurf setzt sich in ren werden muß. Es muß jedoch auch bei der Indu- empörender Weise über geltendes Recht, nämlich strie angemahnt werden, daß sie in ihrem eigenen über das gültige Bundesausbildungsförderungsge- Verantwortungsbereich, in ihren Firmen, die notwen- setz hinweg. dige praktische Industrieforschung fördert und nicht (Beifall bei der PDS) zurückfährt. An die Stelle des geltenden Rechts wird unverfroren Die Forschungsmittel, die wir zur Verfügung stel- das Recht des aktuell Stärkeren, der Koalitionsmehr- len, sind von erheblicher Schubkraft für die heit gesetzt. Diese Koalition pfeift auf die Chancen- Zukunftsgestaltung. Forschung und Entwicklung gleichheit zwischen Ost und West und auf die Chan- sind Investitionen für die Zukunft. Das dafür zur Ver- cengleichheit der sozial Schwächeren beim Bil- fügung gestellte Geld ist Saat für Arbeitsplätze und dungserwerb. für die Zukunft. Achten wir darauf, daß wir gut säen und daß die aufgehende Saat zügig in marktfähige Allein in diesem Jahr überstieg die Zahl der Produkte umgesetzt wird. Bewerber für eine betriebliche Ausbildungsstelle in Ostdeutschland die Zahl der betrieblichen Ausbil- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der dungsplätze um zirka 100 000. Die Aufwendungen CDU/CSU) für Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland Dann können neue Arbeitsplätze geschaffen und bis- betragen 3 Prozent der Gesamtaufwendungen des herige gesichert werden. Bundes für Forschung und Entwicklung. Das war das Ziel der Arbeit der Koalition bei den Von 132 000 Beschäftigten im Bereich Forschung Beratungen zum Einzelplan des Bundesministers für und Entwicklung 1990 in Ostdeutschland sind etwas Bildung und Forschung. Ich habe schon dargelegt, mehr als 30 000 übriggeblieben. Durch das Aus- daß wir Freie Demokraten über den Erfolg, den wir laufen verschiedener Förderprogramme, so des als F.D.P. in diesem Bereich durch die Aufstockung Hochschulsonderprogramms Ost im Jahre 1996, und der Mittel haben erreichen können, sehr erfreut sind. von Förderprogrammen des Bundesministeriums für 6048 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Dr. Ludwig Elm Wirtschaft zur Forschungs- und Technologieförde- geworfen. Nunmehr soll es gelingen. Das gehört zum rung Ost werden solche zukunftswidrigen Ungleich- Zukunftskonzept der Union! heiten sogar vertieft und auf weite Sicht festgeschrie- ben. ( [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben Sie gefördert, Herr - Der „Zukunftsminister" macht mit seinem Haus- Professor?! Dafür haben Sie gesorgt, daß es halt Vorschläge, wie es in Zukunft noch ungerechter im Osten so viele aufmüpfige Studenten und kälter in Deutschland werden soll. Alle, auch die gibt, ja?! Solche Leute habe ich gerne!) sozial Schwächeren, sollen diesen Haushalt bezah- Der Haushalt zeichnet sich durch die Fortschrei- len, auch diejenigen, deren Kinder durch Lehrstel- bung der Lehrstellenmisere in Ostdeutschland aus, lenmangel, BAföG-Hürden usw. schon frühzeitig in indem ein notwendiges längerfristiges Gemein- das letzte Drittel der Gesellschaft mit den geringsten schaftsprogramm zur Schaffung von mindestens Bildungs- und - später - Berufschancen verwiesen 100 000 zusätzlichen betrieblichen Ausbildungsplät- werden. zen und seine anteilige Finanzierung verweigert Mit dem Entwurf zum Einzelplan 30 wird die Bun- werden. Der Haushalt zeichnet sich weiter aus: desregierung ihrer Verantwortung für die Förderung durch die Verweigerung, den Hochschulausbau in von Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technolo- dem vom Wissenschaftsrat geforderten Umfang von gie nicht gerecht. Der Haushaltsentwurf zeichnet 2,45 Milliarden DM mitzufinanzieren; durch die Wei- sich insbesondere durch die faktische Einführung gerung, sich an einem Sonderprogramm zur Förde- eines sozialen Numerus clausus für das Studium rung der Berufsschulen in den neuen Ländern zu aus. Studierwillige aus einkommensschwächeren beteiligen; durch ein fehlendes Konzept der Zusam- Schichten sollen durch die Zumutung einer Ver- menfassung und Weiterführung der bisherigen schuldung von zirka 70 000 DM vom Studium abge- Hochschulsonderprogramme einschließlich des Wis- schreckt werden. Der Bundesregierung kommt das senschaftler-Integrationsprogramms im Rahmen des zweifelhafte Verdienst zu, den Anteil der Studieren- Hochschulerneuerungsprogramms Ost; durch die den aus sogenannten sozial niedrigen Herkunfts- unzureichende Förderung von Forschung und Ent- gruppen von 23 Prozent im Jahr 1982 auf 14 Prozent wicklung in der mittelständischen Wirtschaft; durch im Jahr 1994 heruntergedrückt zu haben. Der Abbau die Untätigkeit angesichts des anhaltenden Zerfalls in dieser Richtung soll nun offenbar in drastisch der Industrieforschung Ost; durch Geringschätzung erhöhtem Tempo fortgesetzt werden. der Technikfolgenabschätzung, der Friedens- und Konfliktforschung, der FuE-Vorhaben, zu erneuerba- Vorgestern haben einige hundert Studenten in ren Energien, zur Ökologie- und Klimaforschung. Leipzig gegen die geplante Verzinsung des Darle- Diese Kritik enthält die Ansätze für unsere Forde- hensanteils des BaföG demonst riert. Gestern war in rungen. Ich nenne hier nur nochmals stichwortartig der „Frankfu rter Rundschau" zu lesen, in welchem die Hochschulfinanzierung, BAföG, ökologische For- Maße Eltern und lernwillige junge Leute hinsichtlich schung, Friedens- und Konfliktforschung, Berufsaus- der Ausbildungschancen und der überhaupt verblei- bildung Ost und Industrieforschung Ost. benden Möglichkeiten der Studienförderung verun- sichert sind. Wörtlich kann man da lesen: „Hoch- Einsparmöglichkeiten gibt es zunächst in diesem schulzugang ist längst wieder zu einem P rivileg Haushalt selbst. Dazu gehören Kürzungen bei unnüt- geworden, dessen Zuteilung von der sozialen Her- zen oder überhöhten Ausgaben für die selbstgefäl- kunft abhängt." Vielleicht kann Herr Kampeter das lige Eigenwerbung in der Öffentlichkeit, beim Trans- Leserforum der „Frankfurter Rundschau" das näch- rapid, bei der Atomforschung und bei der Raumfahrt. ste Mal mit dem BAföG bestreiten. Er müßte sich dann allerdings argumentativ noch etwas stärker Woher zusätzliche Mittel kommen können, sieht rüsten. Gegebenenfalls müßte auch die Redaktion man besonders eindrucksvoll, wenn man nicht nur Sicherheitsvorkehrungen für ihre Räume treffen, die absolute Höhe, sondern auch die kräftigen Stei- wenn das Konzept so, wie wir es hier gehört haben, gerungsraten der Ausgaben für militärische For- vertreten werden soll. schung und Entwicklung einbezieht. So steigen die Ausgaben für wehrtechnische Forschung und Tech- Es besitzt geradezu symbolischen Gehalt, wenn nologie von 467 Millionen DM im Jahre 1994 auf sich dem Bericht in der „Frankfurter Rundschau" ein 610 Millionen DM im Haushalt 1996 und bei der Beitrag über den Wiedereinzug des Korporations- wehrtechnischen Entwicklung und Erprobung von studententums am Beispiel von Halle und Bad Kösen 790 Millionen DM auf 1 130 Millionen DM im näch- anschließt. Die karrierebewußten, bierseligen, sich sten Jahr. Mit dem Großen Zapfenstreich und schla- schlagenden Männerbündler können als Kohls genden Verbindungen allein ist offenbar die neuer- und Rüttgers elitärer Vortrupp ins 21. Jahrhundert lich angestrebte Aufrüstung nicht zu bewältigen. gelten - (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Unsinn! Wer hat (Beifall bei der PDS) Ihnen solchen Unsinn aufgeschrieben?) ein Vortrupp, der die emanzipatorischen und alterna- Wir haben im zuständigen Ausschuß Nichtbefas- tiven Aufbrüche in diesem Säkulum vergessen sung mit diesem Haushaltsentwurf beantragt, da der machen soll. Vor 30 Jahren war ja der anachronisti- Minister sich mit seinem BAföG-Vorschlag außerhalb sche Aufbruch schon einmal mit großem Aufwand des geltenden Bundesausbildungsförderungsgeset- weit fortgeschritten, wurde aber noch einmal durch zes befindet. Wir haben allerdings - zusammen mit aufmüpfige Studenten jäh unterbrochen und zurück anderen Oppositionsparteien - den Lernprozeß Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6049

Dr. Ludwig Elm durchgemacht, daß angesichts der Ignoranz dieser Schwerpunkten umzustrukturieren. Das zeigt uns, Regierungsmehrheit mit konstruktiver Opposition daß wir hier auf dem richtigen Wege sind. nicht sehr viel zu gewinnen ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es bleibt die Aufgabe, die Positionen, die wir ver- - treten, und die Art und Weise, wie sie durch die Zum Stichwort Transrapid: Der Eiertanz, den die Mehrheit in Ausschüssen und im Plenum abge- Opposition in den letzten Monaten beim Thema schmettert werden, auch den Bürgern im Lande, ins- Transrapid vollführt hat, ist schlichtweg schlimm. besondere den Studenten und Wissenschaftlern, dar- Gerhard Schröder hat die Teststrecke im eigenen zustellen. Land, tritt sich aber selbst auf die Füße; er möchte springen und traut sich nicht. Herr Lafontaine sagt, Danke schön. der Transrapid sei ein viel zu kostspieliges Gerät, und Ihr Katastrophenkollege Müller sagt: Um Gottes (Beifall bei der PDS - Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann [F.D.P.]: Haben Sie schon einmal willen, das Ding ist viel zu laut, das funktioniert nicht. etwas von Mehrheiten gehört?) In einem waren sie sich stets einig: in der Verhin- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster Kol- derung der Spitzentechnologien. Das hat sie geeint. lege spricht Erich Maaß. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich denke dabei auch daran, welche Probleme Sie Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- mit dem Gentechnikgesetz gehabt haben. Endlich ist ren! Die letzten Ausführungen des Herrn Elm muß es uns gelungen, Herr Catenhusen, eine Novellie- ich doch noch kurz aufgreifen. Ich finde es einfach rung hinzubekommen. Wir hoffen, daß der Wissen- geschmacklos, daß er sich als ehemaliger SED-Spit- schaftsstandort Deutschland für die Gentechnologie zenfunktionär mit solchen Reden von diesem Platz jetzt endlich wieder interessant wird. aus an die deutsche Bevölkerung wendet. Das finde (Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ich unverschämt! NEN]: Wo sind die Unternehmen, die sich (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) jetzt hier ansiedeln?) Entschuldigung, das ist meine persönliche Meinung; Denken Sie bitte daran, wie Sie in diesem Bereich ich möchte das hier einmal zum Ausdruck bringen. alles verhindern wollten. Ich danke Jürgen Rüttgers und nenne nur das Stichwort „Bioregio". Hier kön- Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nen Sie unter Beweis stellen, ob Sie mitmachen, ob CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat vor zwei Jahren Sie zukunftsfähig sind. Wenn ich mir Ihre Reden ein 22-Punkte-Programm einstimmig beschlossen anhöre, habe ich manchmal den Eindruck, daß Sie und hier den Weg festgelegt, den wir in den näch- Ihre Zukunft schon hinter sich haben. sten Jahren in der Forschungs- und Technologiepoli- tik zur Sicherung des Standortes Bundesrepublik Meine Damen und Herren, wir haben noch weitere Deutschland beschreiten wollen. Wir haben eine Schulaufgaben zu machen. Wir müssen beispiels- ganze Reihe von Themen bereits abgearbeitet. Der weise das Thema Risikokapital aufgreifen. Wir Technologierat beim Bundeskanzler ist installiert haben das Stiftungsrecht novelliert; hier muß noch und funktioniert. einiges korrigiert werden. Ich spreche mich an dieser Stelle auch eindeutig für eine steuerliche FuE-Förde- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) rung und -Unterstützung aus. Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt: Wir (Jörg Tauss [SPD]: „Man müßte mal"!) haben den hohen Standard der Grundlagenfor- schung trotz vieler Unkenrufe erhalten. Es wäre viel- Wir brauchen auch wirtschaftliche Instrumenta- leicht vermessen, zu sagen, diese Bundesregierung rien, um die Markteinführung von innovativen Pro- nehme in Anspruch, die Zuständigkeit für Nobel- dukten tatsächlich erreichen zu können. preise zu haben. Aber ich darf Ihnen einmal deutlich sagen: Hätten wir nicht eine so exzellente Grundla- (Jörg Tauss [SPD]: „Man müßte mal"!) genforschung, dann hätten wir auch die Leistungen - Lieber Kollege Tauss, Sie nehmen langsam neuroti unserer Nobelpreisträger in diesem Lande nicht. Das sche Züge an mit Ihren Zwischenrufen hier im sollte uns und auch die Opposition dazu bewegen, Hause. Meine Güte! Bremsen Sie sich doch bitte mal! unsere Anstrengungen zu akzeptieren. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, wir brauchen in dieser Ein weiterer Punkt: Vor zwei Jahren hörte ich noch Republik Innovationen, die uns in die Lage verset- etliche Unkenrufe, als man gesagt hat, wir müßten zen, Produkte und Verfahren mit hoher Wertschöp- uns antizyklisch verhalten. Wir verhalten uns antizy- fung herzustellen bzw. in Gang zu setzen. Das kön- klisch. Wir haben in einer Zeit, in der die Haushalte nen wir nur mit Spitzentechnologien machen. Wer zusammengestrichen worden sind, Aufwächse im sich diesen Spitzentechnologien verweigert, verwei- Forschungshaushalt. Das muß man bitte auch einmal gert die Zukunft. honorieren und akzeptieren. Jürgen Rüttgers hat den Mut gehabt, den Forschungshaushalt in seinen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 6050 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Erich Maaß (Wilhelmshaven) Das ist bei Ihnen leider der Fall. - Doch! -: Wenn die Betriebsräte aus den Airbus Werken zu den Abgeordneten der CDU kommen, Warum passiert das? dann spricht aus ihnen die ganze Sorge über ihre (Zuruf der Abg. [SPD]) Situation. Sie sagen: Wir wissen ja, was unsere Vor- turner in Bonn auf diesem Gebiet teilweise sündigen.- - Frau Bulmahn, bitte Ruhe! Sie kennen mich doch Sie sprechen sich permanent gegen die Raumfahrt lange genug! - und gegen den Wehretat aus. Der Jäger 90 ist das (Heiterkeit) ideologische Teufelszeug. Ich verfolge diese Diskussion seit Jahrzehnten. Wenn (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Er ist zu Sie mit Ihrem ideologischen Tüttelütt immer versu- teuer!) chen, in der Öffentlichkeit Ängste zu schüren, wenn Sie Angst vor der eigenen Courage haben, wenn die - Liebe Frau Matthäus-Maier, ich finde es einfach Bedenkenträger bei Ihnen wie mit einer Monstranz eine politische Perversität, heute plötzlich zu sagen: vorwegmarschieren, dann können Sie damit doch Wir brauchen den Jäger 90, um ein staatliches keine Zukunft gestalten. Das ist doch das Problem Beschäftigungsprogramm aufzulegen, damit die bei Ihnen. Das müssen Sie doch erkennen. Vor lauter Arbeitsplätze vor Ort erhalten werden können. Risikobedenken vergessen und verschlafen Sie die (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das sage ich Zukunft! Das ist doch Ihr Problem. doch nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) So können wir doch nicht argumentieren, liebe Kolle- gen! Da sieht man doch den Frust in Ihren Reden. Lassen Sie mich bitte noch auf einige Punkte zu sprechen kommen. Die Leute, die sich vor zehn, fünf- Man sieht, daß Sie sich der Zukunft längst abge- wandt haben. Ich kann nur hoffen, daß Sie endlich zehn Jahren gegen den Chip ausgesprochen haben - das waren die Medien, das waren die Gewerkschaf- erkennen, daß Sie, wenn wir die Probleme des näch- ten, und viele sozialdemokratische Kollegen waren sten Jahrtausends bewerkstel ligen wollen, bitte auch auch dabei; „Jobkiller" etc. hieß es -, sind heute Ideen beitragen müssen, die in die Zukunft gerichtet auch diejenigen, die vorwegmarschieren und sagen: sind. Was Sie hier vorgetragen haben, sind Ideen von gestern; tut mir leid. Wir sind gegen Freilandversuche! Wissen Sie, wo wir sind? - Wir sind auf dem Level von Zaire. Das (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) muß man bitte zur Kenntnis nehmen. Die Zukunft auf diesem Sektor findet woanders statt. Wenn Sie Das Wort zu einer das weiter so betreiben, meine Damen und Herren, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: persönlichen Erklärung nach § 30 unserer Geschäfts- stellen Sie damit unter Beweis, daß Sie nicht mehr ordnung erhält Professor Elm. zukunftsfähig sind. Das ist das Bedauerliche in dieser Republik. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Ludwig Elm (PDS): Es kam der Einwand, daß ich nicht berechtigt sei, solche Ausführungen zu Meine Damen und Herren, ich komme aus Nieder- machen. Dazu möchte ich sagen, daß ich als Abge- sachsen, von der Küste, und bin ziemlich gebeutelt. ordneter das Rederecht in Anspruch nehme und Ich habe in den letzten Jahren gesehen, wie schwer zudem davon ausgehe, daß man als Mitglied einer sich unser Ministerpräsident Gerhard Schröder tut, Oppositionspartei nicht unbedingt Aussagen zu der immer noch als der große Medienstar öffentlich machen hat, die den Beifall der Regierungskoalition verkündet, was er alles an Leistungen vollbringt. finden. Dabei sollte es auch bleiben. (Zuruf von der SPD: Das tut Ihnen weh!) (Beifall bei der PDS) Liebe Freunde, erst hat er den Haushalt des Landes Ich habe im übrigen die Position vertreten, die in Niedersachsen kaputtgeritten - Niedersachsen ist meinem Wahlkreis und von Studenten in den ost- bankrott; das müssen wir bitte zur Kenntnis neh- deutschen Ländern - aber nicht nur do rt - in diesen men -, und jetzt kommt er mir vor wie Richard Kim- hochschulpolitischen Auseinandersetzungen erwar- ble auf der Flucht: Er will den Ort seiner Schandtaten tet wird. schnellstens verlassen. Und was macht er dann wei- ter, meine Damen und Herren? - Er kappt die Stellen Nun wurde ich hier zum Spitzenfunktionär beför- bei den Hochschulen radikal. Das bedeutet, er ampu- dert - und das mehrere Jahre nach dem Ende der tiert die Zukunft in Niedersachsen. Und so ein Mann DDR. Ich nehme das zur Kenntnis und verstehe es so, will hier in Bonn auftreten und die Forschungs- daß Sie, um das Feindbild hinlänglich aufrechtzuer- und Wirtschaftspolitik in dieser Republik insgesamt halten, das Bedürfnis haben, den Kreis von Spitzen- bestimmen! Ich kann nur mit vielen Kollegen aus der funktionären auszuweiten. Damit wollen Sie sicher- SPD hoffen, daß das nie eintreten wird. gehen, daß Ihr Bedarf an Feindbildern auch für den Einzug in das vielberufene 21. Jahrhundert unter (Beifall bei der CDU/CSU) Garantie noch ausreicht. Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt noch Im übrigen ist es nicht schwer, auf biographische einen letzten Punkt ansprechen - ich bin mir sicher, Daten im Handbuch des Deutschen Bundestages daß ich da viele Verbündete in Ihren Reihen haben zurückzugreifen; sie liegen ja vor. Ich darf Ihnen ver- werde. sichern, daß ich meine Biographie lückenlos darge- (Widerspruch bei der SPD) stellt habe. Das steht im Gegensatz zu den Bundes- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6051

Dr. Ludwig Elm tagshandbüchern der 50er Jahre. Wenn Sie noch Ich stelle fest, meine Damen und Herren: Der keine Gelegenheit hatten, hineinzusehen, empfehle Kanzler gebraucht seinen Zukunftsminister als ich vor allem den Unionsparteien, sich die Handbü- Zukunftssäusler. cher der 50er Jahre mit den Lücken in den Biogra- (Beifall bei der SPD) - phien und der Verlogenheit in bezug auf die Vergan- genheit als Lektüre vorzunehmen. Dann können wir Wenn gehandelt werden soll, nimmt er die Sache sel- auf die Diskussion über Vergangenheiten und den ber in die Hand. Das Mißverhältnis zwischen Reden Umgang verschiedener Parteien damit gern zurück- und Handeln in diesem Zukunftsministerium ist kommen. inzwischen peinlich geworden. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Sie ignorieren die Realität, Herr Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort in der Glotz!) Debatte hat jetzt der Kollege Peter Glotz. Dabei muß ausdrücklich bemerkt werden: Was Herr Rüttgers sagt, ist gelegentlich höchst vernünf- Dr. Peter Glotz (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr tig. verehrten Damen und Herren! Obwohl wir als Oppo- sition den Einzelplan 30 des Haushalts unbefriedi- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Er lobt gend finden, beginne ich diese Rede mit einem ununterbrochen unsere Leute! - Weitere Gefühl tiefer Befriedigung. Vor eineinhalb Jahren Zurufe von der CDU/CSU) haben der frühere schleswig-holsteinische Wi rt Ich zitiere zwei Sätze aus seiner Rede auf dem CDU- -schaftsminister Thomas und ich bei Econ eine neue Parteitag. Do rt heißt es: Gründerwelle gefordert. Zur selben Zeit verlangten Herbert Henzler und Lothar Späth eine neue Kultur Unsere Aufgabe ist es, der Bildungspolitik einen der Selbständigkeit. neuen Stellenwert zu geben. (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Den Thomas hat Das ist richtig. Frau Simonis entlassen!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Am Mittwoch hat der Bundeskanzler in seiner Herr Rüttgers hat sogar den Satz gesagt: Rede vor diesem Hohen Haus wörtlich gesagt, daß wir eine breite Gründungswelle brauchen, so wie wir Wir brauchen wieder mehr Investitionen in unser sie in den 50er Jahren erreicht haben, und eine neue Bildungssystem. Kultur der Selbständigkeit. Ich kann nur feststellen: Auch das ist richtig. Nur, sein Haushalt in Höhe von Die Behauptung, daß der Kanzler, den vorwitzige 16 Milliarden DM steigt, einschließlich des jetzt Kritiker inzwischen mit Buddha vergleichen, nicht beschlossenen Sonderprogramms für die Berufsbil- lernfähig sei, ist falsch. dung, um ganze 169 Millionen DM. Er spitzt den (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mund, aber pfeifen darf er nicht, meine Damen und Herren. Sagen tut er schon das Richtige. Jetzt geht es nur (Beifall bei der SPD) noch darum, daß auch noch das Richtige getan wird, meine Damen und Herren. Das ist, wenn Sie mir erlauben, das ins Medizinische zu wenden und es ganz liebenswürdig zu meinen, so (Beifall bei der SPD - Steffen Kampeter gefährlich wie Harnverhaltung. Wir machen uns Sor- [CDU/CSU]: Das kommt gerade von Ihnen!) gen um Herrn Rüttgers, meine Damen und Herren!

Aber auch da scheint der Bundeskanzler auf dem (Beifall bei Abgeordneten der SPD) richtigen Weg zu sein. Dem „Spiegel" vom Gelegentlich ärgern wir uns aber auch über ihn. Er 30. Oktober konnten wir entnehmen, daß er jungen ist, wenn wir hier über unseren Etat diskutieren, Leuten die Entscheidung zur Selbständigkeit leicht- höchst sachlich. Dann allerdings gibt er Interviews, machen will. - die beispielsweise mit dem schönen Satz enden - muß sich das einmal richtig reintun, um in der (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wann zitie man ren Sie eigentlich Herrn Scharping?) Sprache unserer Kinder zu reden -: Unter ist die SPD endgültig von Er will seinen Reden auf dem CDU-Parteitag und einer Volkspartei zu einer Widerstandsgruppe hier im Parlament offensichtlich Taten folgen lassen. verkommen. - Dann allerdings schreibt der „Spiegel" wörtlich: Meine Damen und Herren, ich würde mir wünschen, Doch die wichtigen Dinge überläßt Kohl schon daß Herr Rüttgers die Bissigkeiten, die er sich als längst nicht mehr den zuständigen Ministern, er Funktionär der Jungen Union und als Geschäftsfüh- beauftragte Sieghard Nehring, seinen Abtei- rer angeeignet hat, nicht nur bei Parteipolemik, son- lungsleiter für Wirtschaft im Kanzleramt, eine dern auch im Kabinett im Kampf um seinen Haushalt Arbeitsgruppe zusammenzustellen und Ideen für anwenden würde. ein günstiges Umfeld für Existenzgründer zu ent- wickeln. (Beifall bei der SPD und der PDS) 6052 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Dr. Peter Glotz Herr Rüttgers, beißen Sie doch einmal Herrn Rex- daß Sie mit dieser Absicht im Bundesrat scheitern rodt! Der kann durch Narben nur farbiger werden. werden und daß wir auch dazu beitragen werden, daß Sie dort damit scheitern. Ein zweiter Punkt: Herr Rüttgers, Sie haben den Bundeskanzler genötigt, in seiner Regierungserklä- (Beifall bei der SPD) rung eine zentrale bundesweite Akademie der Wis- senschaften zu fordern. Sie sind jetzt ein Jahr im Es darf aber nicht so weit kommen, daß notwen- Amt. Seitdem hat weder das Parlament noch die dige Mittel für den Hochschulbau, die Max-Planck- Öffentlichkeit ein Sterbenswörtchen über diese Aka- Gesellschaft oder die Deutsche Forschungsgemein- demie der Wissenschaften gehört. Wenn Sie zu der schaft gestrichen werden müssen, weil Sie im Bun- Erkenntnis gekommen sein sollten, daß das, was Sie desrat mit der Art Ihrer Geldbeschaffung in die Sack- gefordert haben, falsch war, dann sollten Sie es die- gasse laufen. Ich wiederhole deshalb mein Angebot, sem Parlament sagen, es aber nicht foppen, indem in das Problem so schnell wie möglich in einem hoch- einer Regierungserklärung hochoffiziell etwas gefor- rangigen Gespräch, an dem auch die A- und B-Län- dert wird, was dann hinterher plötzlich vergessen der beteiligt sind, aufzugreifen. Ich warne Sie: Der wird, was dann - gluck, gluck, gluck - im Abwasser Versuch, die hochkomplizierten Probleme der Finan- verschwindet. Das geht nicht! zierung unseres Bildungswesens im Vermittlungs- ausschuß zu lösen, muß scheitern, Herr Kollege Rütt- (Beifall bei der SPD) gers. Und das ist nicht das einzige, meine Damen und (Beifall bei der SPD) Herren. Ich stelle fest, daß in der Regierungserklä- rung die sinnvolle Idee enthalten war, marktwirt- Es wäre verantwortungslos, wenn Sie die notwendi- schaftliche Anreize zur Umsetzung von Schlüssel- gen Leistungen für die Max-Planck-Gesellschaft, um technologien in Produkte und Verfahren zu entwik- dieses Beispiel herauszugreifen, oder den Hoch- keln. - Nichts dergleichen hat stattgefunden. Ich schulbau mit Luftbuchungen decken würden, die stelle fest, daß in der Regierungserklärung die konti- Ihnen spätestens bei Vorlage eines zustimmungsbe- nuierliche Förderung der Industrieforschung in den dürftigen BAföG-Gesetzes im Bundesrat platzen neuen Ländern versprochen worden ist. - Nichts der- müßten. Suchen Sie Kooperation mit uns, statt auf gleichen hat stattgefunden. Sie gehen diesmal im einem chancenlosen Konzept sitzenzubleiben! Etat von 18 Millionen auf 16 Millionen DM zurück. Ich stelle weiter fest, daß die Bundesregierung - ich (Beifall bei der SPD) zitiere den „General-Anzeiger" vom 24. März 1995 - Meine sehr verehrten Damen und Herren, in ihren bis zur Sommerpause einen Regierungsbericht Info 2000 vorlegen wollte. - Nichts dergleichen hat statt- Koalitionsvereinbarungen haben die Union und die gefunden. Nach einem Jahr Tätigkeit, Herr Kollege F.D.P. eine „Offensive für Bildung, Wissenschaft, For- Rüttgers, erweisen Sie sich weniger als Bildungs- schung und Kultur" versprochen. Über nicht weniger und Forschungs- denn als Ankündigungsminister. als „die Zukunft Deutschlands" sollte dieser Feldzug entscheiden, und der auserkorene Feldherr sollte (Beifall bei der SPD) fortan „Zukunftsminister" heißen. Ein Jahr später fragen wir: Wo sind die identifizierten Zukunftsthe- Inzwischen muß ich immer, wenn ich Jürgen Rütt- men? Wo sind die vielbeschworenen Visionen? gers sehe, an den Schweizer Dichter Fried rich Dür- renmatt denken. Der hat gesagt: (Jörg Tauss [SPD]: Nirgends!) Das Gute im Menschen ist, daß er über Einsichten verfügt. Wo ist zum Beispiel das deutsche Pendant zum „Zero Emission Car", zum „Clean Car", das in Kalifornien Und dann hat er hinzugefügt: ab 1998 angeboten werden muß?

Und das Schlechte an ihm ist, daß er nicht danach (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das gucken handelt. wir uns noch mal genau an!) Er muß Sie gekannt haben, Herr Rüttgers. Dort hat man konkret etwas gemacht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Schon wahr: Beim Thema Zukunft geht es nicht Auf einem Gebiet sind Sie allerdings zugegebener- nur um Geld; es geht auch um faszinierende Kon- maßen aktiv geworden. Sie wissen natürlich, daß Sie zepte, um langfristige Perspektiven, um ansta- scheitern müßten, wenn Sie nicht neue Akzente in chelnde Szenarios. Der amerikanische Vizepräsident und mit dem Haushalt setzen könnten. Sie wissen Al Gore hat mit seinem Feldzug für eine moderne auch - und haben es offensichtlich akzeptiert -, daß Informationsgesellschaft gezeigt, wie man Begeiste- der Bundesfinanzminister eine Verschiebung der rung und Investitionen mobilisieren kann. In der Prioritiäten zugunsten von Bildung nicht zuläßt. heutigen Zwischenbilanz muß ich feststellen, daß es Also haben Sie das Konzept entwickelt, sich das dem Zukunftsminister dieser Regierung bisher Geld, das Sie aus anderen Etats nicht bekommen sowohl an Realisierungsstärke als auch an Vermitt- können, bei den einkommensschwächsten Studie- lungskompetenz gebricht. renden zu holen, indem Sie diese zwingen, ihre Dar- lehen zu verzinsen. Ich habe Ihnen schon in der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ersten Lesung zu diesem Haushalt gesagt - und das ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN nach eingehenden Gesprächen mit den Ländern -, und der PDS) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6053

Dr. Peter Glotz Deutschland bräuchte einen, der die Rolle von Al Frau Matthäus-Maier, das ist nach Adam Riese - Gore in unserem Land spielen könnte. Sie sind es nicht nach Gesamtschule - eine Steigerung um offensichtlich nicht, Herr Rüttgers. 2,9 Prozent,

(Beifall bei der SPD - Steffen Kampeter (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - [CDU/CSU]: Das war dürr und matt!) (Vorsitz: Vizepräsident ) und das bei einem Haushalt, der um 1,4 Prozent Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt zurückgeht. Das zeigt, daß man etwas bewegen der Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers. kann. Nun muß ich fairerweise allerdings auch benen- Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister für Bildung, nen, was der Kollege Glotz an Richtigem gesagt hat. Wissenschaft, Forschung und Technologie: Frau Prä- In der Öffentlichkeit macht er das nicht so wie im sidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst Ausschuß; im Ausschuß haben Sie, Kollege Glotz, möchte ich mich beim Herrn Kollegen Glotz für das das ein bißchen klarer gesagt. Im Ausschuß hat Herr Dürrenmatt-Zitat bedanken: Ich wußte nicht, daß Glotz - weil das so spannend ist, möchte ich es dem schon Dürrenmatt über mich geschrieben hat. Sie Hohen Hause mitteilen - gesagt, daß ich mit diesem geben mir ganz sicher die Fundstelle; das interessiert Haushalt die Schwerpunkte richtig gesetzt habe. mich doch. Insofern, lieber Herr Glotz, bedanke ich mich für die Zustimmung und den Konsens. Das ist wichtig. Auch Nun verhält es sich ja so, daß diese Haushaltsde- ich finde, daß wir die bildungs- und forschungspoliti- batte den Zweck hat, daß die Opposition auch sagen schen Schwerpunkte richtig gesetzt haben. kann, was sie an der Regierung nicht gut findet und Nun haben Sie gerade hier gefragt, Herr Glotz: Wo was im Haushalt nicht in Ordnung ist. Daß natürlich ist das Konzept? Nun ist das in dieser Beziehung so dann in dem einen oder anderen Fall über das Ziel wie mit dem Rechnen: Man kann nur zu richtigen hinausgeschossen wird, das gehört zum Ritual; das Ergebnissen kommen, wenn man es kann. Wenn ist normal. Nun will ich zunächst einmal feststellen: man Konzepte sehen will, kann man sie nur wahr- Derjenige, der jetzt behaupten würde, daß alles, was nehmen, wenn man die Augen aufmacht. Deshalb die Opposition in dieser Woche gesagt hat, falsch ist, will ich jetzt einfach einmal ein paar Punkte nennen. der würde die Unwahrheit sagen. Wer aber das Ich bitte die anderen Kollegen um Verständnis; das Gegenteil behauptet, der sagt allerdings auch die wird vielleicht jetzt ein bißchen schnell und ein biß- Unwahrheit. chen langweilig. Ich will einfach, damit Herr Glotz (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU noch einmal die Chance hat, das wahrzunehmen, die und der F.D.P.) Punkte vom letzten Jahr hintereinander schnell nen- nen. Deshalb will ich mich einfach auf das beziehen, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Besser in was Herr Glotz und die anderen Redner jetzt gesagt die Richtung der SPD! Der hat es nötig!) haben. Ich will zunächst einmal feststellen: Er hat sowohl im zuständigen Fachausschuß wie jetzt eben - Mir wäre lieber, Kollege Steffen Kampeter, wenn hier sowohl etwas Richtiges als auch etwas Falsches wir jetzt erlebt hätten, daß zum Beispiel Herr Schar- gesagt. Ich will einmal mit dem Fehler anfangen; das ping, der am Dienstag immer gesagt hat, es finde scheint ein Problem der Rechenfähigkeit zu sein. Der keine Zukunftspolitik statt, hier wäre. Er könnte viel Kollege Glotz hat moniert, wir hätten zuwenig Geld lernen, nicht nur für die Republik, sondern auch für und wären nicht bereit, unsere Vorstellungen zu seine Zukunft. finanzieren. - Lieber Herr Glotz, das ist falsch; egal, wie Sie rechnen: Es ist falsch. 15,7 Milliarden DM (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: stehen im Haushalt 1996 für das BMBF zur Verfü- Der sitzt schon in der dritten Reihe!) gung. Das sind im Vergleich zum bereinigten Haus- Es weiß ja auch jeder. Er hat es im Moment ein biß- halt 1995 - man kann ja nicht Äpfel mit Birnen ver- chen schwer. gleichen - nun einmal 456 Millionen DM mehr. Herr Glotz, noch einmal ganz schnell und hinter- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Zum berei einander: nigten Haushalt! Aber wenn wir das machen!) 900 Millionen DM Innovationskapital für kleine Technologieunternehmen mobilisiert. - Entschuldigen Sie mal, Frau Matthäus-Maier. Wenn in einer Sache bestimmte Aufgaben nicht Weichen für mittelständische Unternehmen im mehr drin sind, die im vorigen Haushalt enthalten Bereich der Produktion gestellt mit dem Konzept waren, dann kann man das anhand dieser Basis nicht „Produktion 2000", 450 Millionen DM. mehr vergleichen. Das muß ich dann eben ganz kon- Für 600 000 junge Leute eine sichere Lehrstelle kret benennen, und das sind dann 456 Millionen und 14 500 außerbetriebliche Ausbildungsplätze in DM. den neuen Ländern geschaffen. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wenn das Neue Verfahren zur Entwicklung von Zukunftsbe- der Herr Waigel hört!) rufen eingeführt. 6054 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers 1,6 Milliarden DM für die Hochschulerneuerung ich jetzt einmal bei meinen nächsten Ausführungen im Zusammenhang mit einer 10prozentigen BAföG deutlich machen. Erhöhung durch den Vorschlag zur Reform der Aus- bildungsförderung freigemacht. (Jörg Tauss [SPD]: Sollte das Ziel haben!) - - Lieber Herr Tauss, der Kollege Maaß hat gesagt: Es 5 Prozent Steigerung in diesem und in den näch- gibt Sachen, die tun wirklich weh. Ihre Zwischenrufe sten Jahren für die Spitzenorganisationen DFG und tun weh, und zwar körperlich. Max-Planck-Gesellschaft. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Finden Rat für Forschung, Technologie und Innovation Sie?) beim Bundeskanzler installiert. - Ja, passen Sie einmal auf! Weil ich weiß, daß Sie Förderung der Informations- und Kommunikati- das nicht zum erstenmal machen, weil das jetzt bei onstechnik auf Milliardenhöhe gesteigert. Ihnen wieder weitergeht. Hochgeschwindigkeitsnetz für die Universitäten in Herr Tauss - damit die Öffentlichkeit das einmal Gang gesetzt. weiß und vielleicht die Kollegen, die das noch nicht wissen - ist der Vorsitzende des virtuellen Ortsver- Deutschland auf den Weg in die Biotechnologie eins der SPD. gebracht. (Jörg Tauss [SPD]: Das ist falsch!) (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Auf den Weg!) - Im Internet ist nachzulesen: Virtueller Ortsverein unter Mitwirkung von Herrn Tauss. Das nenne ich, Biologische Sicherheitsforschung ausgebaut, Hu- damit man weiß, wes Geistes Kinder das sind. Es ist mangenomforschung mit 200 Millionen DM einge- natürlich völlig klar: Wenn der Partei die reellen Mit- setzt glieder weglaufen, dann gründet man einen virtuel- len Ortsverein. (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist alles richtig!) (Zuruf von der SPD: Das ist der Rat des Zukunftsministers!) und den Wettbewerb um die besten Bioregionen mit 150 Millionen DM angefangen. Das zweite ist: Daß das bei dem Vorsitzenden Schar- ping so passiert ist, ist auch klar. Das haben wir Initiative für ein neues Mobilitätskonzept, für die gerade gelesen: Nur noch 3 Prozent der Parteitagsde- Entkopplung von Verkehrs- und Wirtschaftswachs- legierten glauben, daß er 1998 noch Kanzlerkandidat tum gestartet. ist. Kostenorientierten Ausbau des Forschungszen- (Dr. Peter Glotz [SPD]: Sie sind schon wie- trums CERN mit einer Einsparung von 1,4 Mil liarden der dabei, Parteipolemik zu betreiben!) DM erreicht. So ein Mann ist natürlich ein virtueller Kanzlerkandi- Europäische Raumfahrt mit Planungssicherheit bis dat. Das ist völlig klar. zum Jahr 2004 in Gang gesetzt. Jetzt wollen wir uns einmal über die Programmatik (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Schneller, unterhalten. Hier steht etwas Schönes drin - ich habe Herr Rüttgers!) das einmal ausdrucken lassen -: Internet, das Ange- bot: SPD, virtueller Ortsverein. Sie wissen, das Asien-Pazifik-Konzept für Bildung und Forschung kommt so nacheinander heraus. Da steht erstens vorgelegt. drin: Wer sind wir? Zweitens: Was wollen wir? Jetzt geht mir die Luft aus, weil ich es einfach nicht (Heiterkeit bei der CDU/CSU) mehr vortragen kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der Haus- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) haltsdebatte verstehe ich, warum die SPD solche Fra- gen im Internet stellt: Wer sind wir, was wollen wir? Nur, ich frage mich: Was soll man eigentlich in einem einzigen Jahr noch alles machen, damit Herr (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Glotz überhaupt etwas wahrnehmen kann? Wir waren bei dem Zukunftsthema: Deutschland (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) für das 21. Jahrhundert fit machen. In Zeiten von Da ich mir das gedacht habe, lieber Herr Glotz, Computernetzen und von offenen Grenzen ist es so, und da das jetzt ein bißchen schnell und vielleicht daß Arbeitsplätze zu einem hochmobilen Gut wer- auch ein bißchen holzschnittartig war, was ich ja den. Jetzt entscheiden die weichen Standortfakto- zugebe, habe ich das Ganze im Ministerium noch ren, wo Arbeitsplätze hingehen: Ausbildung, Wissen, schriftlich. Wenn Sie das nachlesen wollen, können Innovationsfähigkeit und natürlich die Bereitschaft Sie das alles haben. zu unternehmerischem Risiko. Deshalb interessiert mich die Frage sehr - nicht nur heute, aber ich will Meine Damen und Herren, die Politik für Bildung, das in dieser Haushaltsdebatte einmal besonders in Wissenschaft und Forschung hat das Ziel, Deutsch- den Mittelpunkt stellen -: Wie schaffen wir durch land für das 21. Jahrhundert fit zu machen. Das will Innovation neue Arbeitsplätze? Das ist das erste. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6055

Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers Jeder von uns weiß, daß die meisten neuen die so mit den Arbeitsplätzen umgehen, müssen Arbeitsplätze im Mittelstand entstehen und die we rt weg. llsten natürlich im Bereich der technologieorien--vo tierten Unternehmen. Deshalb haben unsere eben (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) angesprochenen Programme für Beteiligungskapital Im Bereich des Umweltschutzes waren 1990 in bei technologieorientierten Unternehmen minde- Deutschland 680 000 Menschen beschäftigt. Nach stens 10 000 neue Arbeitsplätze in Deutschland unseren aktuellsten Prognosen können es im Jahr geschaffen. 2000 mehr als 1,1 Millionen sein. Durch das Meister-BAföG kommen insgesamt bis (Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zu 60 000 weitere Arbeitsplätze hinzu. Die Informati- NEN]: Illusion!) onstechnologie eröffnet die Chance auf rund 800 000 Telearbeitsplätze im Jahr 2000 in Deutschland. Allein Auch in diesem Bereich wollen wir unsere Position im Mobilfunksektor stieg die Anzahl der Beschäftig- ausbauen, müssen wir stark bleiben. ten in Deutschland nach der Liberalisierung von Nur, mit Vollkaskomentalität und garantierter 1 600 im Jahre 1990 auf 22 000 im Jahre 1994. Die Gewinnausschüttung sind solche Zukunftschancen internationale Konferenz zu diesen Telearbeitsplät- nicht zu halten. Deshalb ist es wichtig, daß sich auch zen in den USA hat gezeigt, daß wir jetzt auch noch die alten Denkschemata auflösen. Ich freue mich die Arbeitsorganisation ändern müssen, daher über das, was Herr Zwickel angekündigt hat. (Jörg Tauss [SPD]: Abgelehnt habt ihr das!) Übrigens steht ja in der Bibel: Im Himmel ist mehr Freude über einen bekehrten Sünder als über damit dieser positive Trend weiter gestärkt werden 99 Gerechte. kann. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU - Im Bereich der Biotechnologie gibt es in Deutsch- Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Diese Arro- land 40 000 Arbeitsplätze. Es könnten heute schon ganz ist unangebracht!) 150 000 Arbeitsplätze, das heißt 110 000 mehr sein, - Das hat mit Arroganz überhaupt nichts zu tun. Frau wenn nicht professionelle und politisch motivierte Bedenkenträger Verunsicherungen verbreitet und Matthäus-Maier, wenn ich mich über das Angebot ein innovationsfeindliches Klima geschaffen hätten. von Herrn Zwickel freue, vergesse ich nicht, welche Rolle Herr Zwickel bei den Tarifauseinandersetzun- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gen in diesem Jahr gespielt hat. Wir könnten nämlich insgesamt schon erheblich weiter sein. Eben ist behauptet worden, eigentlich seien alle der Auffassung, daß das mit der Biotechnologie wei- (Zustimmung bei der F.D.P.) tergehen müsse. In einem will ich übrigens dem Kol- Wenn Sie das interessiert, will ich noch etwas kon- legen Kiper - ein aufrechter Kämpfer gegen die Bio- kret zu dem Angebot von Herrn Zwickel sagen, auch technologie - recht geben: Seine Ablehnung ist nicht im Hinblick auf die Debatte, die gestern hier statt- mehr technologisch begründet, sondern jetzt hat er gefunden hat und in der über ein Treffen von Mini- wirtschaftspolitische Bedenken, wie man seinen stern berichtet worden ist - Stichwort Wirtschaftska- Anfragen entnehmen kann. binett -, bei dem Planungen für ein neues Wachs- Aber damit wir uns einmal darüber im klaren sind, tumsprogramm erörtert wurden. Ich nehme das, was worüber wir reden: Im Zusammenhang mit der hessi- Herr Zwickel gesagt hat, sehr ernst, und finde, daß schen Landesregierung muß man nicht nur auf den wir dies nicht nur positiv kommentieren, sondern von Steffen Kampeter angesprochenen Kongreß hin- auch aufnehmen sollten. Ich finde es gut, daß er weisen. Auch in der Debatte im hessischen Landtag bereit ist, die Einkommenssteigerungen 1997 am hat die zuständige Ministerin gesagt: Mit uns findet Ausgleich der Preissteigerungen zu orientieren. Ich das alles nicht statt. Wir diskutieren weiter über die finde es gut, daß Einstiegstarife möglich sein werden. Risiken, nicht über die Chancen. - Wenn das so Die Frage, wie geregelt wird, daß die Metallunter- bleibt, dann aber nicht mit öffentlichem Geld des nehmen auf betriebsbedingte Kündigungen verzich- Bundes zur Forschungsförderung in Hessen. ten, stellt sich nicht an die Regierung, sondern an die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Tarifparteien und die Unternehmen. Damit wir weiter klar sehen: Ein Artikel von heute (Zustimmung bei der CDU/CSU) über die Grünen in Rheinland-Pfalz: „Nein zur Gen- Ob es möglich ist, nach dem Modell der Ausbil- technologie ". Das werden wir bis zum März diskutie- dungszusagen in den Kanzlerrunden verbindlich ren. Denn diejenigen, die in Rheinland-Pfalz Arbeits- zuzusagen, für 300 000 Arbeitsplätze zu schaffen, ist plätze verhindern wollen, dürfen do rt nicht in die eine Frage, die es meiner Ansicht nach wert ist, in Regierung. diesen Runden besprochen zu werden. Das gilt (Beifall bei der CDU/CSU) genauso für das Bestreben, in den nächsten Jahren 5 Prozent mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu Schließlich ein Informationsbrief der Sozialdemo- stellen. Dazu hat es bereits Verabredungen für 1995 kraten aus Schleswig-Holstein von Frauke Wallhorn: und 1996 gegeben. „CDU ignoriert Risiken bei der Gentechnologie". Horribile dictu, da könnte irgend jemand Gentechno- Allerdings werden wir kritisch miteinander disku- logie in Schleswig-Holstein anwenden. Die Leute, tieren müssen, was Herr Zwickel zum Umbau unse- 6056 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers res Sozialsystems gesagt hat. Es kann natürlich auch Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht aber nicht im Interesse der Gewerkschaften sein, daß das, nicht nur um die Neuordnung der Ausbildungsförde- was man an einer anderen Stelle im „Bündnis für rung. Es geht in dem Zusammenhang auch um die Arbeit" macht, durch zu hohe Arbeitskosten und Modernisierung des Hochschulwesens. Lohnzusatzkosten wieder konterkariert wird. - Das ist ein konkretes Angebot zu Gesprächen. Vizepräsident Hans Klein: Herr Bundesminister, Verzeihung, aber Sie sind ein riesiges Stück über (Peter Dreßen [SPD]: Was sollen sie denn Ihre Redezeit hinaus. verdienen? - Hans Georg Wagner [SPD]: Nichts!) Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister für Bildung, Deshalb sage ich im Hinblick auf das, was heute in Wissenschaft, Forschung und Technologie: Ich werde den Zeitungen steht: Zumindest mit mir hat es keine mich bemühen, ganz schnell zum Ende zu kommen, Vereinbarung gegeben, in den nächsten Wochen bis Herr Präsident. zum Januar etwa darüber zu sprechen, daß die Hür- (Karl Diller [SPD]: Am besten tritt er zurück! den im Hinblick auf das Gespräch mit den Gewerk- - Weitere Zurufe von der SPD) schaften höher gelegt werden und Themen, von denen wir bereits wissen, daß das Gespräch nicht - Das mag Ihnen unangenehm sein, und deshalb will möglich ist, in den Vordergrund gestellt werden. Ich ich die zwei, drei Sätze noch sagen. Das ist schon zumindest halte eine solche Strategie für falsch und wichtig. werde mich an ihr auch nicht beteiligen. Es geht nicht nur um die Umstellung der Ausbil- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch dungsförderung, sondern auch um mehr Chancen für etwas zu der Frage der Weichenstellungen in der Bil- unsere Hochschulen. Dann müssen wir den Studen- dungspolitik sagen. Wir wissen, daß wir in den näch- tinnen und Studenten auch die Wahrheit sagen. Vor sten Jahren das Tor zur Informationsgesellschaft allen Dingen dürfen wir sie nicht für Kampagnen durchschreiten werden. Wir wissen, daß das Wissen instrumentalisieren. das Kapital der Informationsgesellschaft ist und daß Gestern hat der „fzs" - das ist der Freie Zusam- wir dafür ein leistungsfähiges und ausgewogenes menschluß von Studentinnen und Studenten in den Bildungssystem brauchen. „Studentlnnenschaften" - in Bonn eine Pressekonfe- renz zum sogenannten heißen Herbst gegeben. Was mich wirklich erschreckt hat, war die Debatte Dabei hat ein Mitglied des „fzs"-Vorstandes erklärt - im Bundesrat und die Haltung der SPD zum Meister liebe Kolleginnen und Kollegen, nun hören Sie in der vergangenen Woche. Ich finde, daß ein BAföG genau zu -, den Studierenden sei von der SPD signa- solches Verhalten im Bundesrat Bände spricht. Da lisiert worden, daß der „fzs" mit seinen Aktionen gibt es junge Menschen, die auf Meister-BAföG hof- jetzt fortfahren müsse, damit die SPD nicht umfalle. fen und wollen, daß es zum 1. Januar 1996 in Kraft tritt. Und dann kommen plötzlich die SPD-Bundes- (Widerspruch von der SPD) länder und sagen, es habe mit Bildungspolitik über- haupt nichts zu tun, es gehe um Arbeitsmarktpolitik, Mit solchen Tricks Stimmung zu machen, das finde sie könnten sich finanziell nicht beteiligen. Was ich abstoßend. Das ist der Versuch, junge Leute zu waren das denn alles für Reden zur Gleichrangigkeit instrumentalisieren, statt ihnen Zukunftschancen zu von beruflicher und akademischer Bildung? Sprüche eröffnen. waren das, ausschließlich Sprüche, wenn man nicht (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - bereit ist, sich daran zu beteiligen. Zurufe von der SPD: Oh!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Entschuldigen Sie, ich habe das nicht gesagt. Ein Vorstandsmitglied des „fzs" hat gesagt, die SPD- Weil die Gleichrangigkeit von beruflicher und aka- Fraktion falle um, wenn man die Aktionen nicht wei- demischer Ausbildung so wichtig ist, sage ich noch terführe. eins: Wer als Arbeiterkind auf die SPD setzt, ist in sei- nen Ausbildungschancen verlassen. (Anhaltende Zurufe von der SPD: Blödsinn! Aufhören!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Zurufe von der SPD: Oh! - Peter Dreßen - Ja, das tut weh. Ich weiß das. Aber die Wahrheit tut [SPD]: Klassenkampf!) meistens weh. Die Bundesregierung bleibt bei ihrem Konzept. Der heiße Herbst, der angekündigt worden ist, Wir werden es auch durchsetzen, wenn es sein muß, wird wohl mehr ein milder Winter werden, nachdem im Vermittlungsausschuß. sich noch nicht einmal 1 Prozent der 1,9 Millionen Studentinnen und Studenten an diesen Veranstal- Genauso ist das auch mit den Hochschulen. Wir tungen beteiligt haben. haben es mit dem Vorschlag zur Reform der Ausbil- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen dungsförderung geschafft, die Hochschuldebatte mehr Geld für die Hochschulen. Wir werden sie wieder in Bewegung zu setzen. Die Opposition hat angesichts der konkreten Lage aber von versucht, ein paar Modelle vorzulegen. Das Problem nicht bekommen können. all dieser Modelle ist: Milliardendefizite. Man kann halt nicht rechnen. (Zuruf von der SPD: Schlimm genug!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6057

Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers Deshalb müssen wir versuchen, uns im Bereich des Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion des Bildungsetats selbst zu helfen. Wir können die alt- Bündnisses 90/Die Grünen vor. backenen sozialistischen Rezepte, wie wir sie von der Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kom- SPD bekommen, eben men deshalb gleich zur Abstimmung, und zwar- (Zurufe von der SPD: Oh!) zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ nicht übernehmen. Sie funktionieren nach dem 2869. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer Motto: Im Parteihaus Benzingutscheine verteilen und stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - an der Tankstelle kein Benzin und lange Warte- Der Änderungsantrag ist abgelehnt. schlangen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ 2870? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ände- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie- rungsantrag ist abgelehnt. rung versteht sich als Pa rtner eines Zukunftsbündnis- ses mit den Menschen in unserem Land. Wir werden Wer stimmt für das Haushaltsgesetz 1996 ein- mit dieser Politik auch im kommenden Jahr weiter- schließlich des Gesamtplans in der Ausschußf as machen. Wir wollen ein Zukunftsbündnis von Wis- sung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der senschaft und Wirtschaft, das die Innovationsdyna- Stimme? - Das Haushaltsgesetz 1996 ist damit in mik in Deutschland stärkt. Ich freue mich darüber, zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitions- daß auch die Gewerkschaften in diesen Zukunftsdia- fraktionen gegen die Stimmen der Opposition ange- log mit uns eingetreten sind. Wir sind auf einem nommen. guten Weg für Innovationen, für mehr Arbeitsplätze, für Zukunft in Deutschland. Ich rufe die Tagesordnungspunkte II a und II b auf: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - , a) Dritte Beratung des von der Bundesregierung Zuruf von der SPD: Wir sind erlöst!) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 Vizepräsident Hans Klein: Ich schließe die Aus- sprache. (Haushaltsgesetz 1996) - Drucksachen 13/2000, 13/2593, 13/2601 bis Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar 13/2626, 13/2627, 13/2630 - zunächst zu den Änderungsanträgen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. Wer stimmt für den b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Änderungsantrag auf Drucksache 13/2911? - Wer Berichts des Haushaltsausschusses (8. Aus- stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - schuß) zu der Unterrichtung durch die Bun- Entschuldigung, das Stimmverhalten der PDS ist hier desregierung leider nicht erkennbar. - Sie waren dafür. Der Ände- Der Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 rungsantrag ist abgelehnt. - Drucksachen 13/2001, 13/2593, 13/2631 - Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa- Berichterstattung: che 13/2923? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Abgeordnete Dietrich Austermann Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der Antrag- Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) steller und der Gruppe der PDS bei Enthaltung der Fraktion der SPD mit den Stimmen der Koalitions- Zum Haushaltsgesetz liegen zwei Entschließungs- fraktionen abgelehnt. anträge der Fraktion der SPD und je ein Entschlie- ßungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Wer stimmt für den Änderungsantrag der Gruppe Grünen und der Gruppe der PDS vor. Zur Be- der PDS auf Drucksache 13/2958? - Wer stimmt schlußempfehlung des Haushaltsausschusses zum dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Finanzplan wurde von der Gruppe der PDS ein Ent- Änderungsantrag ist abgelehnt. schließungs- und ein Änderungsantrag eingebracht. Wer stimmt für den Einzelplan 30 in der Ausschuß- Der gemeinsame Entschließungsantrag der Frak- fassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen der Stimme? - Der Einzelplan 30 ist mit den Stimmen auf Drucksache 13/2921 (neu) wurde zurückgezo- der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gen. Opposition angenommen. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über das Haushaltsgesetz und zwei Ent- Ich rufe auf: schließungsanträge namentlich abstimmen werden. Haushaltsgesetz 1996 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind - Drucksachen 13/2627, 13/2630 - für die gemeinsame Aussprache zweieinhalb Stun- den vorgesehen. - Dagegen erhebt sich kein Wider- Berichterstattung: spruch. Dann ist das so beschlossen. Abgeordnete Dietrich Austermann Michael von Schmude Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wo rt Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) dem Kollegen Helmut Wieczorek. 6058 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Helmut Wieczorek (Duisburg) (SPD): Herr Präsi- tionen eingebracht wurden, nicht reduziert. Sie hat dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! sich im Gegenteil von 450 Anträgen auf über 600 Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende einer erhöht. Dieses - ich will einmal sagen - Übersteuern arbeitsreichen Beratungswoche haben wir heute in der Berichterstatter durch die Arbeitsgruppen - dritter Lesung über den Bundeshaushalt 1996 zu ent- schmälert die Reputation der Berichterstatter inner- scheiden. Das ist für den Haushaltsausschußvorsit- halb der eigenen Fraktion und muß demotivierend zenden eine Gelegenheit, dem Plenum zu berichten wirken. Insgesamt ist dies der Sache nicht dienlich. und auch seine Meinung zu dem vorliegenden Ich hielte es für sehr viel vorteilhafter, wenn die Frak- Gesetzeswerk deutlich zu machen. tionen die Weichen vor den Berichterstattergesprä- chen stellten. Damit Sie die Inhalte und Akzente meiner folgen- den Ausführungen richtig einordnen und bewerten In diesem Zusammenhang möchte ich mir noch können, erlauben Sie mir den Hinweis, daß ich einmal den Appell erlauben, in Zukunft im Ausschuß meine Aufgabe als Ausschußvorsitzender darin sehe, wieder wirkliche Beratungen zu ermöglichen, bei neutral den Ablauf der Sitzungen zu steuern und als denen jeder das Gefühl hat, sachlich begründete Bindeglied oder Klammer zwischen Koalition und Veränderungen vornehmen zu können. Im Augen- Opposition zu fungieren, um zielgerichtet nach blick scheint es mir nach wie vor durch die starren gemeinsamem Dialog zu vertretbaren Ergebnissen Festlegungen in den Koalitionsabsprachen Ein- zu kommen. schränkungen zu geben, die die Bewegungsfreiheit (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Wir bestätigen, der einzelnen Kolleginnen und Kollegen stark beein- daß du das machst!) trächtigen. Diese administrative Neutralität kann jedoch nicht (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: mit politischer Indifferenz im Sinne von Parteilosig- Wir haben es auch unter uns schwer!) keit gleichgesetzt werden. Haben Sie deshalb Ver- ständnis dafür, daß ich aus meinem Herzen im fol- - Ich glaube, daß Sie es unter sich schwer haben, Kol- genden keine Mördergrube mache. lege Weng; man merkt das regelmäßig. Darum will ich Ihren Zwischenruf ausdrücklich bestätigen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jürgen Kop Meine Damen und Herren, der Beratungsablauf pelin [F.D.P.]) gestaltete sich auch in diesem Jahr, obwohl ein Die Beratungen des zweiten Bundeshaushaltes engerer Zeitrahmen vorgegeben war, sehr zügig, bis innerhalb weniger Monate stellt an alle Ausschuß- die Einzelplanberatungen durch einen bemerkens- mitglieder hohe Anforderungen. Denn, wie wir alle werten Vorgang jäh in Gefahr gerieten, zur Makula- wissen, gehen den Sitzungen im Ausschuß vielerlei tur zu werden. Zeit und arbeitsintensive Vorberatungen auf Bericht- erstatterebene voraus. Ich stelle mit großer Befriedi- Ich darf zurückblenden: Der Bundesminister der gung fest, daß sich alle Berichterstatter ihrer Auf- Finanzen hat am 29. September 1996 vor der eigenen gabe mit großem Einsatzwillen und zwischenzeitlich Fraktion und vor der Presse als Hiobsbotschaft Steu- immer mehr erworbenem Fachwissen gestellt haben ermindereinnahmen für den Bund in Höhe von und die vielfältigen Diskussionen im Ausschuß in fai- 10 Milliarden DM für die Haushalte 1995 und 1996 in rer und sachlicher Weise geführt haben. Aussicht gestellt. Letztlich hat sich allerdings eine Größenordnung von 20 Milliarden DM für den Bund (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) allein im Jahre 1996 herausgestellt.

Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang beson- Herr Minister, ich kritisiere nicht, daß Sie zu die- ders den Obleuten Adolf Roth, Karl Di ller, Oswald sem Zeitpunkt das Ergebnis noch nicht veröffentlich- Metzger, Dr. Wolfgang Weng, Frau Dr. Luft sowie ter Daten des Arbeitskreises Steuerschätzung vor- meinem Stellvertreter Kurt J. Rossmanith und dem weggenommen haben. Ich halte es aber für skanda- Vertreter der CSU, Bartholomäus Kalb. lös, daß der Finanzminister eine formelle Information (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und des Haushaltsausschusses über die neuesten Eckda- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ten für nicht erforderlich hielt und erst auf Antrag des Obmanns der SPD-Fraktion den Ausschußmit- Mein Dank gilt allerdings auch den Mitarbeitern gliedern mündlich Rede und Antwort stand. des Sekretariates, die uns in hervorragender Weise zugearbeitet haben. (Beifall bei der SPD - Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Das hat er zuvor schon hier im (Beifall im ganzen Hause) Deutschen Bundestag gemacht!) In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, unse- rem Kollegen Dr. Schnell zum Geburtstag zu gratu- Die Aussagen, die dann kamen, waren global und lieren. Er wird heute 42 Jahre alt. Er ist trotz seines unpräzise. Geburtstages hier. (Beifall) Daß sich der zuständige beamtete Staatssekretär im Vorfeld sogar weigerte, den Berichterstattern zum Zu meinem Bedauern hat sich die Flut der Ände- Einzelplan 32 und 60, die genau dafür zuständig rungsanträge, die noch nach Abschluß der Berichter- waren, Auskunft auf deren konkrete Fragen zu stattergespräche durch die Arbeitsgruppen der Frak geben - denn das ist ihr Recht -, halte ich für eine Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6059

Helmut Wieczorek (Duisburg) Mißachtung des Parlaments. Wir müssen diesen Vor- die Bundesregierung, sondern ausschließlich das gang rügen. Parlament. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Meine Damen und Herren, wenn man alle Vor- GRÜNEN und der PDS) gänge Revue passieren läßt, die sich in der Zeit vom 29. September bis zum 19. Oktober abgespielt Nach der offiziellen Bekanntgabe des Steuerschät- haben, dann drängt sich einfach die Frage auf: Wie zungsergebnisses am 19. Oktober 1995 stellte sich ehrlich sind eigentlich die Informationen der Regie- zwar der Bundesfinanzminister noch vor der Bereini- rung an das Parlament? gungssitzung erneut den Fragen der Ausschußmit- glieder, konnte die gesamte Opposition aber auf der (Zuruf von der SPD: Das ist wahr!) Grundlage der hinlänglich bekannten Tischvorlage - Gelegentlich muß man nämlich nicht nur die So lidi- ich stehe hier als Ausschußvorsitzender; darum tät, sondern gar die Redlichkeit in Zweifel ziehen. möchte ich diese Bezeichnung wählen - nicht von der Seriosität seiner Deckungsvorschläge überzeu- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gen. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Es gab keine Nachfragen!) Denn, Herr Minister, unredlich handeln Sie auch dann schon, wenn Sie das Instrument der gobalen Auf der Grundlage einer somit insgesamt unsoliden Minderausgabe, das eigentlich als parlamentarischer und unredlichen Regierungsvorlage weiterzuberaten Rettungsanker für unvorhergesehene Entwicklungen verbot sich von selbst. im Staatshaushalt vorgesehen war, als ein Regie- rungsinstrument einsetzen, das künstlich einen (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Haushaltsausgleich vorgaukelt und dem Parlament GRÜNEN und der PDS) die Möglichkeit anderweitiger Korrekturen nimmt. Die Opposition zog daraus den konsequenten Bei diesem Haushalt war wieder bereits im Regie- Schluß, an der von der Koalition weitergeführten rungsentwurf im Einzelplan 30 eine globale Minder- Ausschußberatung nicht weiter teilzunehmen, um ausgabe vorgesehen. Herr Rüttgers, ich habe eben somit ein Signal zu setzen. Ihre Rede sehr aufmerksam verfolgt. Daß Sie es sich (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Das war gefallen lassen, daß in diesem Einzelplan falsch und ein einmaliger Vorgang!) 100 Millionen DM globale Minderausgabe angesetzt werden, kann keiner nachvollziehen, der sich mit Herr Minister, es liegt in der Natur eines auf Schät- Haushaltstechnik und mit Haushaltsabsichten zungen beruhenden Haushaltsentwurfes, daß dieser beschäftigt. keine Punktlandung garantieren kann. Abweichun- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gen aber in einer Größenordnung von 2,5 bis DIE GRÜNEN) 3 Prozent, die den BMF zu drastischen Maßnahmen wie einer Haushaltssperre veranlassen, um die pla- Hier, meine Damen und Herren von allen Seiten fondierte Neuverschuldung in 1995 von knapp des Parlamentes, gibt es den Versuch der Regierung, 49 Milliarden DM zu halten, erlauben es, eine kriti- die Budgethoheit des Parlaments ganz eindeutig zu sche Hinterfragung vorzunehmen. unterminieren und bestehende Grundsätze der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit in Frage Völlig zu Recht wurde im Haushaltsausschuß die zu stellen. Ein solches Vorgehen, Herr Bundeskanz- Frage gestellt, welchen Sinn eigentlich ins einzelne ler, ist unredlich; denn es verstößt gegen den Geist gehende, dem haushaltspolitischen Konsolidierungs- der Haushaltsordnung. wunsch folgende Detailberatungen von Tausenden von Titeln noch haben sollen, wenn deren Geschäfts- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- grundlage durch plötzlich auftretende Minderein- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nahmen in Höhe von 20 Milliarden DM weggewischt Meine Damen und Herren, Redlichkeit in der Poli- wird. tik ist die Voraussetzung für Glaubwürdigkeit der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Aussage und Glaubwürdigkeit der Person. Wenn DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der man die Debatte in dieser Woche nochmals an sich PDS) vorüberziehen läßt, dann wird sehr deutlich, daß alle Kolleginnen und Kollegen versucht haben, hier vor Als konkrete Forderung aus diesem bemerkens- der Öffentlichkeit eine gute Figur zu machen und werten Vorgang könnte sich ergeben, daß der ihre Politik gut zu verkaufen. Ich glaube, den mei- Arbeitskreis Steuerschätzung zukünftig seine Daten sten ist das auch gelungen. und Fakten noch vor Beginn der Beratungen dem Haushaltsausschuß vorzulegen hat, um zumindest Solche Debatten aber, wie wir sie in dieser Woche diesem Expertengremium von Anfang an die Chance hier führen, sind eigentlich die Ausnahme. Ich ver- eines fundierten Nachsteuerns und Rettens zu folge mit großer Sorge die zunehmende Politikver- geben. drossenheit der Menschen in unserem Lande, insbe- (Beifall des Abg. Karl Diller [SPD]) sondere der jungen Menschen. Die Bürgerinnen und Bürger reagieren sehr empfindlich und haben ein Denn Herr dieses Verfahrens ist zu diesem Zeitpunkt viel besseres Erinnerungsvermögen, als die Politiker - darauf lege ich großen Wert - nicht der BMF oder oft glauben. Gerade in Zusammenhang beispiels- 6060 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Helmut Wieczorek (Duisburg) weise mit der Zusammenführung der beiden deut- sätze den Menschen vorzugaukeln, wir müßten nur schen Staaten sind in der Rückschau die Aussagen den Gürtel ein wenig enger schnallen und alles der Politik und die Wirklichkeit oft meilenweit aus- würde besser? Sie und wir wissen doch ganz genau, einander gewesen. Nehmen wir nur einmal das daß das System unserer Finanzverteilung und der Thema der Staatsverschuldung und ihrer Ursachen. Aufbringung unserer Finanzmittel für den Staat, der- Verharmlosend wurden die Wirtschaftskraft und das nur eine Relaisstation für Finanztransfers sein darf, in Vermögen der ehemaligen DDR so dargestellt, als ob erheblicher Weise in Unordnung gekommen ist und die Staatsverschuldung im Übergang von der Plan- die Aufgabenverteilung zwischen den Gebietskör- wirtschaft zur Marktwirtschaft kurzfristig durch Rea- perschaften sowie die damit verbundene Finanzver- lisierung des volkseigenen Vermögens der DDR wie- teilung nicht mehr stimmen. Wissen wir nicht alle der ausgeglichen werden könnte. ganz genau, daß die Struktur unserer Finanzen und auch unserer Finanzverfassung nicht für das neue, (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wohl wahr!) große Deutschland gemacht sind? Trauen wir uns Zur nächsten Fehldarstellung - oder sollte man fra- eigentlich noch zu, wirkliche Reformen, auch eine gen: War es eine bewußte Unredlichkeit? - kam es, Finanzreform, anzugehen? als die Regierung erklärte, die Finanzierung der Ich habe das Gefühl, die Regierung bastelt weiter, deutschen Einheit werde durch das Wirtschafts- wurstelt sich so durch und hofft, daß das dann irgend wachstum ermöglicht. Ich nenne ferner die Fiktion, jemand vernünftig regeln wird. So werden wir aber die Bundesrepublik sei das einzige Land in Europa, nicht die Voraussetzungen für blühende Landschaf- das die Kriterien des Vertrages von Maastricht aus ten in Ost und West im nächsten Jahrhundert schaf- eigener Kraft erfüllen könnte, und die Volkswirt- fen. schaft sei so stark, weil möglicherweise der Staat die Voraussetzungen geschaffen habe, wobei natürlich (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ verschwiegen wird, daß die Staatsverschuldung der DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Bundesrepublik Deutschland viel später begonnen PDS) hat als die aller anderen Staaten Europas und daß wir uns durch zwei Währungsreformen als Staat ent- Was mir weiter große Sorgen macht, ist die zuneh- schuldet haben und die Lasten zweier Weltkriege auf mende Sprachlosigkeit der einzelnen unterschiedli- den Bürger in direkter Form abgewälzt haben, was chen Kräfte untereinander. Ich meine nicht, daß wir andere Staaten in dieser Form nicht gemacht haben, etwa nicht mehr miteinander reden können. die sie in ihren Staatshaushalten mitschleppen muß- Geschwafelt wird meiner Ansicht nach genug. ten. (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Da hat er recht!) Ist es redlich, Herr Minister, zu sagen: Wir wollen eine Unternehmensteuerreform, und dabei den Ein- Aber wirkliche Ansätze zu Veränderungen, die eine druck zu erwecken, daß wir uns dies finanziell erlau- Seite erdacht hat oder bei denen einzelne Kollegen ben können? Stöhnen wir nicht gleichzeitig darüber, das ihnen zustehende Recht praktiziert haben, daß wir die Aufgaben, die wir uns vorgenommen eigene Gedanken zu haben und zu veröffentlichen, haben, als Staat nicht erfüllen können? werden sofort mit populistischen Totschlagargumen- ten vom Tisch gewischt. Dabei sind wir oft weder Wenn Sie von Investitionshemmnissen reden, bereit noch in der Lage, zuzuhören und in eine Dis- frage ich Sie: Ist es redlich, die Kosten der Einheit kussion zum Wohle der Menschen einzutreten. Statt über die sozialen Sicherungssysteme, die sich in der dessen führen wir oft nur aus populistischen Grün- Tat in den Lohnnebenkosten bei den Unternehmen den Diskussionen unter dem Motto: Ich muß die widerspiegeln, erwirtschaften zu wollen? öffentliche Meinung beeinflussen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Die hingehaltenen Mikrophone von Journalisten DIE GRÜNEN) führen gelegentlich zu spontanen Äußerungen, die Herr Waigel, ist es wirklich redlich, einem überzo- unter Umständen eine gutgemeinte und Sachlichkeit genen Außenwert der D-Mark das Wort zu reden, erheischende Stellungnahme ausschließen. Ich wohl wissend, daß man nur mit den Gefühlen der denke im Moment nicht nur an die Ministerpräsiden- Menschen spielt und in Wirklichkeit die Rationalisie- ten, die, wenn sie sich über die Diäten des Bundesta- rungsanstrengungen der Wi rtschaft zunichte macht? ges unterhalten, immer den Eindruck erwecken, Wir wissen doch ganz genau - zumindest sollten es selbst glaubwürdig und ehrlich sein zu wollen, alle wissen -, daß die Exportpreise sofort wieder in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Schieflage geraten, wenn die Überbewertung der D- ten der PDS) Mark fortgesetzt wird. und im Rahmen der Diskussion unsere Überlegun- Zu politischer Redlichkeit gehört, sich nicht nur gen als verfassungswidrig und deutlich überzogen das auszusuchen, was man gerade für die eigene bezeichnen, obwohl ihre eigenen Gehälter an das politische Argumentation braucht, sondern auch das öffentliche Besoldungsrecht gekoppelt und deutlich zumindest zu erwähnen, was insgesamt in einen sol- höher sind als die von Bundestagsabgeordneten. chen Themenkreis gehört. (Beifall bei der SPD) Ist es wirklich redlich, Herr Finanzminister, unab- hängig von der augenblicklich akuten, hier ausrei- Was mir in diesem Zusammenhang Sorge macht - chend diskutierten Veränderung der Einnahmean das sage ich sehr offen -, ist die Unehrlichkeit - oder Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6061

Helmut Wieczorek (Duisburg) sollte man vielleicht besser sagen: die Verlogenheit? -, noch keine gehört habe, ist die: Auf welche Weise mit der man hier miteinander umgeht. wollen wir den technischen Produktivitätsfortschritt mit anderen Aufgaben zur Beschäftigung von Men- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne schen kompensieren und bewältigen? ten der CDU/CSU und der F.D.P.) - Auch meine ganz p rivate Meinung in diesem Ob solche Fragen mit dem Instrumenta rium der Zusammenhang ist sehr schnell dargestellt. Ich Bundesanstalt für Arbeit und der dieser Institution glaube, wenn wir die Rentenformel von 1997 an als zugrunde liegenden Grundphilosophie gelöst wer- Bezugsgröße wählen und sie auch in Zukunft weiter den können, wage ich zu bezweifeln. Müssen wir schreiben würden, wäre die Debatte um unsere Diä- nicht auch zur Kenntnis nehmen, daß das Heil nicht ten sehr schnell ausgestanden, ohne daß wir dann nur im zweiten Arbeitsmarkt liegen kann und daß noch deutlichere Abstriche machen müßten als bis- auch die Flucht in die Dienstleistungsgesellschaft her. nur sehr begrenzt möglich ist? Die Frage, wie weit Kritiker unseres Systems das Der Dienstleistende erbringt eine volkswirtschaft- System des eigenen Vorteils wegen kritisieren, lich zwar berechenbare, aber nicht unbedingt ver- möchte ich nicht untersuchen, sondern nur der Voll- mehrbare Wertschöpfung. Wenn wir nicht in dem pri- ständigkeit halber ansprechen. Denn unredlich han- mären Wertschöpfungsbereich die Voraussetzungen delt auch ein Journalist, der politische Zusammen- schaffen, werden uns auch die Mittel für den dienen- hänge genau kennt und trotzdem reißerische Über- den Bereich und damit den ergänzenden Bereich schriften wählt, um einen Artikel zu verkaufen, und nicht zur Verfügung stehen. sich dann bei Ossi an der Bar damit entschuldigt, er Darum müssen wir in der Politik die Voraussetzun- habe nur so gehandelt, weil auch die anderen das so gen dafür schaffen, daß wir den Wertschöpfungsan- machten. teil der Arbeit deutlich erhöhen, wobei Aus- und (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Weiterbildung ein zentrales Anliegen bleiben und die Motivation der für dieses Ziel arbeitenden Men- Ich ermahne Sie, zu logischen und ehrlichen schen gesteigert werden muß. Schlußfolgerungen zurückzukehren, die sich aus der Ableitung der Grunddaten ergeben, anstatt wie jetzt Unser Ziel muß es sein, mit einer aktiven Arbeits- populistisch die politische Meinung und leider auch marktpolitik Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzie- die politische Entscheidung nach der veröffentlichten ren. Meinung zu richten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) darüber unterhalten und vielleicht auch klar werden, wieweit wir wirklich in unserem Denken im System Arbeitslosigkeit und der Bezug von Arbeitslosenun- noch reformfähig sind. Mir macht es große Sorgen, terstützung darf nicht die Regel sein, sondern muß daß wir eine Generation von Schnellschußpolitikern die Ausnahme bleiben. Wir müssen uns ein neues auf allen Seiten des Parlamentes haben, die jeden gesellschaftliches Klima zugunsten von Innovation Gedanken, egal mit wieviel Aufwand er erarbeitet und technischem Fortschritt schaffen. und formuliert wurde, sofort erfassen können, um ihn abzulehnen, weil er nicht in das eigene vorgefaßte Eine moderne Wirtschaftspolitik heißt auch Flexibi- Bild, das selten vorurteilsfrei ist, paßt. lisierung der Wirtschaft und Entlastung des Faktors Arbeit von Steuern und Abgaben. Dabei wollen wir Sicherlich haben wir nicht mehr die großen The- Sozialdemokraten keinesfalls unserer Verpflichtung men, die sich aus der Blockbildung der Welt ergeben zum Sozialstaat untreu werden. Im Gegenteil: Der haben und die es mit der Aussöh- Standort Deutschland ist mit Lohnverzicht allein, so nung nach Westen und mit der Aussöh- wie die Bundesregierung es gern darstellt, nicht zu nung nach Osten ermöglicht haben, die Parlamenta- sichern. rier auf große Politikfelder zu führen und in der Sach- auseinandersetzung auch den persönlichen Erfolg zu (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ermöglichen. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben heute andere Probleme in unserem Gedrückte Arbeitskosten können gefährdete Lande, die jedoch von uns genauso große Phantasie Arbeitsplätze nur für eine Weile über die Runden ret- und Innovation erfordern und die nicht mit dem ten. Gute Wirtschaftspolitik sorgt statt dessen von Computer im Abgeordnetenbüro zu lösen sind, bei vornherein dafür, daß neue, sichere und gutbezahlte denen auch nicht die Mitarbeiter und die parlamen- Arbeitsplätze geschaffen werden. Das kann sowohl tarischen Hilfskräfte die Fragen und Antworten durch die Stärkung von Forschung, Bildung und Wis- bestimmen können. senschaft geschehen, aber ebenso durch eine innova- tive Industriepolitik, die neue Zukunftsmärkte Wir sind alle persönlich gefragt und herausgefor- erschließt. dert, wenn es darum geht, mit den Herausforderun- gen unserer Zeit fertig zu werden. Die Massenar- Die Mittelstandspolitik muß sicherlich künftig ein beitslosigkeit ist die Ursache für die Probleme im größeres Gewicht haben, weil der wirtschaftliche Staat und die Ursache für die Einschränkung des Mittelstand und das Handwerk der Motor für finanziellen Spielraums zur Politikgestaltung. Die Beschäftigung, Innovation und technischen Fort- Frage, auf die ich noch keine Antwort weiß und auch schritt sind. 6062 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Helmut Wieczorek (Duisburg) Ich hoffe sehr, daß wir alle gemeinsam die Kraft tik zugrunde gerichteten Länder Bremen und Saar- finden und es uns gelingt, die Gestaltung des Haus- land bekommen aus diesen Zuweisungen jährlich haltes wieder enger in den parlamentarischen Raum rund 3,4 Milliarden DM Nothilfe. Was uns besorgt, zu ziehen, nicht nur im Hinblick auf die Finanzsituation in Nie- dersachsen, sondern im Hinblick auf das, was mögli-- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) cherweise auf den Bund zukommt: Der nächste Aspi- daß wir der Regierung den ihr zukommenden Platz rant für solch ein Nothilfeverfahren, Niedersachsen, im Beratungsverfahren und in unserem Selbstbe- steht bereits vor der Tür. wußtsein zuweisen können, der ihr zukommt. Die (Bundesminister Dr. Theodor Waigel [CDU/ Haushälter und wir alle müssen wieder lernen, ein CSU]: Das kommt überhaupt nicht in distanzierteres Verhältnis zur Regierung zu bekom- Frage!) men, sich nicht als Erfüllungsgehilfe, aber auch nicht als Bremsklotz der Regierungspolitik zu erweisen. - Sehr verehrter Herr Finanzminister, Sie sagen, es Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, nicht mit der kommt überhaupt nicht in Frage, drum sage ich, es Elle der Mittelmäßigkeit beurteilt zu werden, son- besorgt mich. dern selbstbewußt und ohne Arroganz unsere Aufga- (Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] ben zu erfüllen. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich danke Ihnen sehr. Ein Blick, Kollege Fischer, in die „FAZ" von dieser (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ Woche begründet diese Sorge. Ich darf zitieren. In DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der der „FAZ" steht, als Ministerpräsident Schröder im CDU/CSU und der PDS) Jahre 1990 die CDU/F.D.P.-Regierung mit einer rot- grünen Koalition abgelöst habe, habe das Land in 40 Jahren knapp 40 Milliarden DM Schulden ange- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Hans häuft. Ende des kommenden Jahres, also innerhalb Peter Repnik, Sie haben das Wort. von nur 6 Jahren, werde sich dieser Betrag um 20 Milliarden DM erhöht haben. Innerhalb von 6 Jahren - eine verhängnisvolle Entwicklung! Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haus- (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ver- halt des Bundes für 1996, den wir heute beschließen heerend! - Weitere Zurufe von der CDU/ werden, setzt ein Stabilitätssignal. Mit den Eckdaten CSU) dieses Budgets tun wir alles, um die Maastricht-Kri- Und es ist keine kurzfristige, nicht vorhersehbare terien einzuhalten. Wir erfüllen von unserer Seite die Entwicklung. Ein renommiertes Wirtschaftsfor- schärfsten, die präzisesten Stabilitätskriterien, die je schungsinstitut hat folgendes festgestellt: Nieder- von der Politik, von der Wirtschaft und von der Natio- sachsen hat seit 1990 den höchsten Personalzuwachs nalökonomie definiert worden sind. im öffentlichen Dienst, die höchste Neuverschuldung Verehrter Herr Kollege Wieczorek, ich möchte und die niedrigste Investitionsquote aller Länder. mich ausdrücklich für meine Fraktion für Ihr Mitwir- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: ken an dem Zustandekommen dieses Haushalts als Beschäftigen Sie sich doch einmal mit Vorsitzender des Ausschusses bedanken. Ich Ihrem Problem!) bedanke mich auch für die außerordentlich sachli- che und seriöse Rede, die Sie hier gehalten haben. Mehreinnahmen von 10 Milliarden DM in diesem Es wäre schön, wenn Sie beispielgebend für Ihre Bereich, Rücklagen, Ersparnisse der vorherigen Fraktion bei zukünftigen Haushaltsberatungen Regierung von 1,5 Milliarden DM, wurden hier ver- wären. braucht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was hätten wir alles mit diesen Geldern im Hinblick (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - auf Zukunftsprojekte anfangen können! Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ob der Wai gel das so sieht!) In dem Haushalt 1996, den wir heute verabschie- den, sind wieder 44 Milliarden DM aufzufangen. Ich Meine Damen und Herren, in diesem Haushalt weiß sehr wohl, daß das eine große Aufgabe ist. Min- mußten enorme Veränderungen berücksichtigt wer- dereinnahmen aus dem Jahressteuergesetz, die wir den. Im laufenden Jahr 1995 muß schon der neue gewollt haben, reduzierte Einnahmeerwartungen, Finanzausgleich mit erheblichen Belastungen für Wegfall des Kohlepfennigs, Arbeitsmarkt und Bun- den Bund verkraftet werden. Das sind Zuweisungen deseisenbahnvermögen sind die Stichworte. Daß und Steuerverzichte in Höhe von gut 44 Milliarden diese Integration gelang, ist eine Leistung, auf die DM. Ausfälle aus dem föderalen Konsolidierungspro- die Haushälter der Koalition und der Finanzminister gramm, aus Steuererleichterungsmaßnahmen, die wahrlich stolz sein können. diese Koalition beschlossen hat, schlagen sich hier bereits nieder. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, politi- sches Gestalten mit vollen Kassen wäre schön. Nur, Ganz nebenbei darf ich vielleicht der SPD eine jetzt ist verantwortliches Gestalten mit knappen Mit- Information vermitteln. Die von der SPD-Finanzpoli teln nötig. Dieser Haushalt ist der Beleg für die Mög- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6063

Hans-Peter Repnik lichkeit und die Kunst solch verantwortlichen Gestal- Ich möchte ein drittes Beispiel herausgreifen. Sie tens. schreiben auf Seite 8: Die SPD - das kann ich Ihnen nicht ersparen - hat Durch eine gerechtere Finanzierung der aktiven dies immer noch nicht begriffen. Ich nehme mir nur Arbeitsmarktpolitik sollen die Sozialversiche- einmal den Entschließungsantrag vor, den die SPD rungsbeiträge gesenkt, Arbeitnehmer und Unter- hier zur Beratung vorgelegt hat, und lenke Ihre nehmer entlastet und dadurch die Wettbewerbs- geschätzte Aufmerksamkeit, Frau Matthäus-Maier, fähigkeit verbessert werden. auf einige wenige Punkte. Insoweit werde ich auch Sie bleiben auch hier die Antwort schuldig, wie Sie begründen, weshalb wir diesen Entschließungsan- diese Senkung vornehmen wollen und wer sie finan- trag ablehnen müssen. Auf Seite 5 dieses Entschlie- zieren soll. ßungsantrages sprechen Sie davon, daß Ihnen eine (Widerspruch von der SPD) Konsolidierungsperspektive fehle, und sagen gleich- zeitig auf Seite 6: „Nicht alles, was wünschenswert Vielmehr machen Sie eine ganz einfache Milchmäd- ist, ist finanzierbar". chenrechnung auf, (Zuruf von der SPD: Das ist doch richtig!) (Zuruf von der CDU/CSU: Wie immer!) indem Sie sagen: Wir nehmen das aus dem Topf der - Ja, da stimme ich Ihnen zu. Nur, ich habe den Solidarversicherung heraus und finanzieren es über Antrag sorgfältig gelesen und die Beratungen in die- die Steuern. Das heißt, die Staatsquote bleibt erhalten, ser Woche ebenfalls sorgfältig verfolgt. Sie haben in die Steuern können nicht gesenkt werden, und wir keinem einzigen Punkt seriöse Einsparungsvor- haben nicht die dringend benötigte Entlastung für die schläge vorgelegt. Gleichzeitig fordern Sie im selben Arbeitnehmer und die Unternehmer. Ein Verschiebe- Antrag, in dem Sie die Staatsverschuldung geißeln, bahnhof ohne ein konkretes positives Ergebnis! auf der Seite 1 Mehrausgaben beim sozialen Woh- (Beifall bei der CDU/CSU) nungsbau, im Forschungsbereich, beim Wohngeld, beim Erziehungsgeld, beim Wehrsold, beim BAföG, Wenn ich bei der Seite 8 Ihres Entschließungsan- bei der beruflichen Bildung usw. Das alles sind trages bin, dann will ich einen letzten Grund von vie- zusätzliche Forderungen, ohne daß Sie dafür eine len, die ich hinzufügen könnte, dafür liefern, wes- Deckung vorgelegt hätten. halb dieser Antrag von uns abgelehnt werden muß. Sie schreiben völlig zu Recht: (Ina Albowitz [F.D.P.]: Vollkaskomentalität!) Bemühungen um einen deutlichen Anstieg der Schon deshalb ist Ihr Antrag nicht zustimmungsfä- Beschäftigung ist Vorrang einzuräumen. hig. Dem stimmen wir zu. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.- Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sagen Sie Ein wesentliches Element dazu ist die Stärkung doch einmal, welche kostenwirksamen der Kaufkraft der unteren Einkommensschichten Anträge wir hier gestellt haben!) durch Entlastung bei Steuern und Abgaben. Verehrte Frau Kollegin Matthäus-Maier, ich (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja! Bravo! komme auf Seite 6 Ihres Antrages zurück, um einen Müssen Sie auch zustimmen!) anderen Widerspruch deutlich zu machen. Sie sagen: Verehrte Frau Matthäus-Maier, die Beratungen Wir brauchen einen modernen, innovativen zum Jahressteuergesetz 1996 liegen wenige Wochen Staat, der sich auf die wesentlichen Aufgaben zurück. konzentriert. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Die waren sehr erfolgreich für uns!) Prima gebrüllt, eine ganz hervorragende Geschichte, der wir zustimmen! Nehme ich dann aber das Papier Die Koalition hat im Zusammenhang mit dem Jahres- zur Hand, das Sie eine Woche früher in Ihrer Frak- steuergesetz 1996 vorgeschlagen, eine Entlastung in tion beraten und verabschiedet haben, dann lese ich der Größenordnung von 23 Milliarden DM vorzuneh- dort auf Seite 2: men. Und was hat die SPD mit ihrer Mehrheit im Bundesrat gemacht, Der Trugschluß konservativer und wirtschaftsli- beraler Ideologien liegt in dem Glauben, sie (Zuruf von der CDU/CSU: Abgelehnt!) könnten die Gesellschaft dadurch stärken, daß und was haben Sie im Vermittlungsverfahren sie den Staat und seine Gestaltungsfähigkeit gemacht? Sie haben gesagt: Wir sind nicht in der schwächen. Lage, diese Steuerermäßigung weiterzugeben, weil das und Niedersachsen nicht in der Lage Ja, was wollen Sie nun eigentlich? Wollen Sie weni- sind, die Steuerausfälle in ihren Haushalten zu ver- ger Staat, wollen Sie einen schlankeren Staat, oder kraften. Aus 23 Milliarden DM Steuererleichterun- haben Sie die Sorge, daß mit solchen Maßnahmen gen wurden 19 Milliarden DM. 4 Milliarden DM einmal mehr Ihre Politik konterkariert wird? haben Sie den Bürgern vorenthalten! (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gute Frage!) Auch deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. 6064 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Hans-Peter Repnik Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kol- Die Rede ist von Gerhard Schröder. Dies ist sozialde- lege Wieczorek - ich stimme ihm ausdrücklich zu - mokratisch verantwortete Finanzpolitik. hat auch in dieser Debatte Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit eingefordert. Nur, verehrter Kol- (Ina Albowitz [F.D.P.]: Die Überschrift ist lege Wieczorek, was Sie von der Regierung und von besonders schön: „Der Blender"!) - der Mehrheit der Koalition hier eingefordert haben, - Ja, ein schöner Titel: „Der Blender". Ich empfehle gilt natürlich auch für die SPD. Sie haben nirgendwo Ihnen allen, das zu lesen. eine vernünftige Deckung angeboten. Haushaltsklar- heit und Haushaltswahrheit fehlen bei der Opposi- (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Der tion. Sie haben eine Bringschuld, die Sie nicht einge- kommt doch wieder, wenn seine Resoziali- löst haben. sierung abgeschlossen ist! - Weitere Zurufe von der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Weshalb sage ich dies alles? - Frau Kollegin Mat- Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sprüche thäus-Maier, ich weiß, daß es Ihnen wehtut. Das ist in Programmen und in Anträgen sind das eine; die gut so, das ist ja auch beabsichtigt. Ich will damit verhängnisvollen Folgen Ihrer Politik do rt, wo Sie auch der Öffentlichkeit demonst rieren, daß das, was Verantwortung tragen, sind das andere. Sie in Papieren auf Parteitagen möglicherweise ver- abschieden, das eine ist, und daß dort, wo Sie kon- (Karl Diller [SPD]: Gucken Sie sich mal krete finanzpolitische Verantwortung tragen, die Herrn Waigel an!) Kehrseite dieser Medaille zu erkennen ist. Genauso, - Hören Sie mir bitte zu! - Sprüche in Programmen wie es in Niedersachsen läuft, lief es von 1969 bis sind das eine; verantwortliche Politik dort, wo Sie 1982 unter SPD-Kanzlern in der bundespolitischen Verantwortung tragen, ist das andere. Verantwor- Verantwortung. tung tragen Sie zum Beispiel - ich kann es Ihnen Meine sehr verehrten Damen und Herren, hinter nicht ersparen, noch einmal auf Niedersachsen hin- uns liegen schon Jahre sparsamster Haushaltspolitik. zuweisen - in Hannover, dem Sitz des früheren Chef- ökonomen der SPD. Dieser hat in einem Interview (Lachen bei der SPD - Zurufe von der SPD) einen Ausspruch getan, den ich gern zitieren Theo Waigel hat überzeugend darauf hingewie- möchte; er könnte von Theo Waigel stammen, unse- sen: Wenn nicht in den ersten sieben Jahren, von rem Finanzminister. 1982 bis 1989, unter und Gerhard Stol- (Zuruf des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgit tenberg die maroden Staatsfinanzen von den SPD- ter] [SPD]) Kanzlern und -Finanzministern saniert worden wären, - Nein. Ich werde auf den Widerspruch aufmerksam (Lachen bei der SPD) machen, Kollege Schmidt. hätten wir die große Leistung der Wiedervereinigung Ministerpräsident Schröder hat gesagt: „Vor uns nie finanzieren können. stehen Jahre des eisernen Sparens. " (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das ist ein Blender!) Die D-Mark wäre nicht so stabil, wie sie es jetzt trotz Allerdings - das unterscheidet ihn von dieser Bun- der Integration der ruinierten DDR ist. Dies muß doch desregierung, dem Bundeskanzler und unserem deutlich gesagt werden. Finanzminister -, hinter ihm und seiner Regierung liegen Jahre der Verschwendung. Wenn Sie es mir und dem Finanzminister nicht glauben, dann lesen Sie die Stellungnahmen des (Zuruf der Abg. Ingrid Matthäus-Maier Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und [SPD]) der OECD. Sie alle haben dieser Bundesregierung, auch diesem Finanzminister, eine herausragende Die „FAZ" hat ihn in der Ausgabe vom letzten Mon- Qualität bescheinigt - ohne ideologische, parteipoliti- tag wie folgt zitiert: sche Verblendung. Dies sind die Fakten. Weil in der Vergangenheit gelegentlich die Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Augen zugedrückt wurden, war man großzügig. Kollege Verheugen, der im Moment nicht da ist, Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich emp- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es ist ganz fehle Ihnen die Lektüre des Sonderdrucks aus gut, daß er nicht da ist!) „Impulse" 11/95. Ich möchte drei oder vier Sätze dar- aus zitieren. Hier steht: hat in seiner Rede am Dienstag dieser Woche mit Blick auf den Bundeskanzler vom Kanzler der höch- So sieht die Bilanz eines Verlierers aus: sten Steuern gesprochen. Hören Sie bitte zu! (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist die Wahrheit! - Weiterer Zuruf von der SPD: Zu Er leistet sich einen der teuersten Verwaltungs- Recht!) apparate in der Republik. Seit seinem Amtsantritt macht seine Landesregierung mehr Schulden als Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir jedes andere westliche Bundesland. Im nächsten haben es hier mit dem Kanzler der Einheit zu tun. Jahr droht seinem Land die Zahlungsunfähigkeit. Ihm ist es trotz einer in den letzten fünf Jahren erfolg- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6065

Hans-Peter Repnik ten Transferleistung von West nach Ost in Höhe von Mit Ihrem Entschließungsantrag flüchten Sie sich rund 1 Billion DM - das sind 1 000 Milliarden DM - erneut in persönliche Angriffe und Verfahrenstricks. gelungen, die Staatsquote für das nächste Jahr nied- riger zu halten, als sie bei der Abdankung des (Klaus Lennartz [SPD]: Das wollen wir Kanzlers war. Sie wird im nächsten dahingestellt sein lassen, wer hier T ricks - Jahr niedriger sein als unter Helmut Schmidt, obwohl anwendet!) wir die Lasten der Wiedervereinigung zu tragen Leider ist der Kollege Struck nicht da. Ich hätte ihn haben. Dies sind die Fakten. gern persönlich angesprochen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ich Ich muß Ihnen von der Opposition entgegenhalten: vertrete ihn!) Sie haben weder in den vergangenen Jahren noch in - Richten Sie es ihm bitte aus, Herr Schmidt. den letzten Wochen einen konkreten Beitrag zu die- ser Stabilitätspolitik geleistet. Im Gegenteil: Sie scha- Wenn es noch eines Beweises für die Nervosität den nur, indem Sie mit hektischen Ablenkungsmanö- und das schlechte Gewissen der SPD bedurft hätte, vern Unruhe schaffen. ihre unsachliche Kritik, Ihr dann hat das Verhalten des Kollegen Struck während kleinkariertes Beleidigtsein in der letzten Sitzungs- der Rede des Bundeskanzlers am Mittwoch dieser woche und Ihr merkwürdiger Auszug aus der Aus- Woche den Beweis dafür geliefert. schußsitzung (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie wollten nicht arbeiten!) Es war hoch spannend, wie der Bundeskanzler in seinem Debattenbeitrag selbst Ihre Fraktion in den haben das Vertrauen in die Arbeit des Parlaments Bann gezogen hat. beschädigt. (Lachen bei der SPD - Zuruf von der SPD: (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das Glauben Sie das wirklich?) haben Sie doch gar nicht zu kommentie ren!) Als alle Argumente nichts mehr nützten, haben Sie Sie haben zudem keine politische Alte rnative aufge- für Unruhe gesorgt. Dies ist Ihre Politik der Verwei- zeigt. gerung. Herr Kollege • Wieczorek, ich würde gerne eine (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ihrer Bemerkungen korrigieren. Sie haben beklagt, Jürgen Koppelin [F.D.P.]) daß der Finanzminister, nachdem die neuesten Zah- Meine sehr verehrten Damen und Herren, Tatsa- len aus jener Schätzung, die ja nicht von ihm stammt, che - und damit konkret zu Ihrem Entschließungsan- sondern von einem Arbeitskreis, an dem auch die trag - ist: Der Haushalt war zum Zeitpunkt der neuen Länder beteiligt sind, vorgelegen haben, nicht sofort Steuerschätzung bereits im parlamentarischen Bera- den Haushaltsausschuß unterrichtet hat. tungsverfahren. Damit war der Haushaltsausschuß, Ich möchte darauf hinweisen, daß Theo Waigel wie der Vorsitzende zu Recht in seiner Rede gesagt sofort, nachdem diese Zahlen vorlagen, im Plenum hat, Herr des Verfahrens. Er hat von diesem Recht des Deutschen Bundestages einen Bericht abgege- Gebrauch gemacht und hat unter dem Vorsitz des ben hat. Anschließend ist er zur Jahrestagung nach von uns sehr geschätzten Kollegen Wieczorek auch Washington geflogen und direkt danach hat er sich getagt, beraten und beschlossen. mit seinen Zahlen und Unterlagen dem Haushalts- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Er hat ausschuß gestellt. gesagt: Skandal! - Bundesminister (Karl Diller [SPD]: Weil er zitiert wurde!) Dr. Theodor Waigel: Skandal! - Klaus Len- nartz [SPD]: Herr Waigel, ein bißchen mehr Ich bitte, dies zu würdigen und hier keine falschen Contenance! - Karl Diller [SPD]: Bei Waigel Verdächtigungen auszusprechen. liegen die Nerven wieder blank!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Ihr Auszug aus dem Ausschuß, meine sehr verehr- Täuschungsmanöver lenken. In dramatischen Auftrit- ten Damen und Herren von der Opposition, und Ihre ten - es war zettelschwenkend von einem „Wisch" Debattenbeiträge in dieser Woche die Rede; Sie haben es diplomatischer ausgedrückt; Sie sprachen von einer Tischvorlage - sind Sie auch (Klaus Lennartz [SPD]: Waren berechtigt! - hier im Plenum dieses Parlamentes leichtfertig mit Gegenruf des Abg. Steffen Kampeter [CDU/ der Wahrheit umgegangen. In den Beratungen des CSU]: Sie waren doch gar nicht dabei, Herr Haushaltsausschusses wurden am Haushaltsentwurf Lennartz!) der Bundesregierung Änderungen in einer Größen- waren nichts als eine Flucht aus der politischen Ver- ordnung von zweistelligen Milliardenbeträgen vor- antwortung. Enthaltung nach Enthaltung - das ist genommen. In rund 1 000 einzelnen Fällen wurde keine Politik. Kehren Sie zur sachlichen, konstrukti- abgesenkt, aufgestockt, neu eingestellt oder gestri- chen. Dies ist durch die Anträge belegt. Adolf Roth ven Politik zurück. hat vor sich einen Ordner mit diesen Anträgen lie- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gen. Für die Abstimmungen waren diese Anträge die 6066 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Hans-Peter Repnik Grundlage. Von daher ist Ihnen nichts vorenthalten Bundesparteitag für Papiere beraten. Auf Seite 10 worden. eines dieser Papiere steht: (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Das sind Eine Unternehmensteuerreform muß günstige allein die vom letzten Jahr! - Karl Diller Rahmenbedingungen für Innovationen und Inve-- [SPD]: Quatsch! Das ist schlicht unwahr, stitionen schaffen. was Sie hier sagen!) Richtig, kann ich nur sagen. Das ist eine prima Aus- Ich sage für meine Fraktion: An der Beteiligung des sage, die wir mit unterstützen. Finanzministers beim Abschluß des parlamentari- (Zuruf von der CDU/CSU: Aber Sie tun schen Haushaltsverfahrens gibt es nichts zu bean- nichts!) standen. Wir weisen den Antrag der Opposition als haltlos und unbegründet zurück. Theo Waigel hat Für mich ist interessant, daß dieses Papier, nachweis- unser uneingeschränktes Vertrauen. lich des Vorspanns, wesentlich von Damen und Her- ren, die im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Verantwortung tragen, geschrieben wurde. Auch sie haben daran mitgewirkt. Ich möchte Sie gerne noch an einem anderen Vor- gang, der vermutlich nicht jedem in diesem Hohen Das Vermittlungsverfahren liegt wenige Wochen Hause aufgefallen ist, schmunzelnd teilhaben lassen. zurück. Die Koalition hat in diesem Vermittlungsver- Es lag ein Entschließungsantrag vom 7. November fahren die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, 1995 betreffend eine Mißbilligung vor; das war am einer Unternehmensteuer, die mittelstandsfreundli- Dienstag dieser Woche. Dieser Entschließungsantrag che Absenkung der Gewerbeertragsteuer, einer war von Rudolf Scharping und Fraktion, von Joseph Unternehmensteuer, gefordert. Durch Ihre Blockade- Fischer, Kerstin Müller und Fraktion unterzeichnet. politik im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß ist dies nicht zustande gekommen; wertvolle Monate (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: sind verstrichen. Die beiden streiten doch dauernd!) (Ina Albowitz [F.D.P.]: So ist es!) Heute liegt uns ein Entschließungsantrag mit Datum vom 9. November 1995, also zwei Tage später und Ich kann nur hoffen, daß Sie in den letzten Wochen nach den Reden des Finanzministers und des Bun- hier dazugelernt haben. deskanzlers, vor, der inhaltlich gleich ist. Dieser Ent- schließungsantrag ist von Rudolf Scharping und (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das sind die „Refor- Fraktion unterschrieben. mer" ! Verhinderer!) Ich würde mich freuen. (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Keine Sorge! Wir sind trotz Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich dem gegen Waigel! - Heiterkeit und Beifall möchte Sie einladen. Wenn das, was Sie in Mann- beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei heim beschließen wollen, umgesetzt werden soll: Sie der SPD) haben bereits heute nachmittag oder nächste Woche die Möglichkeit dazu. - Herr Fischer, Ihre persönliche Unterschrift und die von Frau Müller fehlen. Ich kann daraus nur den (Karl Diller [SPD]: Kommen Sie mal beim Schluß ziehen, daß Herr Waigel und Bundeskanzler Parteitag vorbei!) Kohl Sie in den vergangenen zwei Tagen überzeugt haben; Sie wissen, das parlamentarische Beratungsverfah- ren würde es zulassen, daß wir das ursprünglich avi- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sierte Ziel der Abschaffung der Gewerbekapital- und der F.D.P.) steuer und einer mittelstandsfreundlichen Ausgestal- tung der Gewerbeertragsteuer zum 1. Januar 1996 sonst hätten Sie Ihre Unterschrift nicht zurückgezo- realisieren und • gleichzeitig den Kommunen eine gen. Daraus schlußfolgere ich, daß Theo Waigel auch berechenbare Zukunftssicherung für ihre Finanzen das Vertrauen Ihrer Fraktion hat. Ich bin sicher, daß geben könnten. der Kollege Metzger dies gleich begründen wird. (Joachim Poß [SPD]: Nach Verankerung der (Joseph Fischer [Frankfurt]) [BÜNDNIS 90/ Gewerbesteuer in Art. 106 des Grundgeset- DIE GRÜNEN]: Wenn das Herr Stoiber hört, zes! Es gibt Voraussetzungen, die Sie ken- ist das ein Rücktrittsgrund!) nen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ver- Wir laden Sie ein. halten der SPD, das wir in den letzten Wochen erle- ben mußten, ist für uns keine neue Erfahrung. Ähnli- Vizepräsident Hans Klein: Ihre Redezeit, Herr Kol- ches haben wir bei den Beratungen zum Jahressteu- lege, ist ein gutes Stück überschritten. ergesetz 1996 erlebt. Was wollen Sie eigentlich? Frau Kollegin Matthäus-Maier, ich bin beim Jahressteuer- gesetz und beim Verfahren. Ich habe mir einmal Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Ich möchte, wenn angeschaut, was Sie auf dem vor Ihnen liegenden Sie gestatten, noch eine halbe Minute sprechen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6067

Vizepräsident Hans Klein: Ich gestatte es schon. Repnik, vorab eine Bemerkung: Loch für Loch wurde Aber die anschließenden Kollegen? in dieser Woche in dieser Debatte bestätigt, was zum Auszug der Opposition in der vorletzten Sitzungswo- che geführt hat. Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Wir laden Sie ein, - in der nächsten Woche zu Gesprächen zusammenzu- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihr wollt kommen, nicht anständig arbeiten; das ist es!) (Zuruf von der SPD: In Mannheim!) Dieser Finanzminister, der „Herr der Schröpfung", um diese Unternehmensteuerreform jetzt noch, in wie es heute der „Kölner Stadt-Anzeiger" schreibt, diesem Jahr, abzuschließen. der im nächsten Jahr die Steuer- und Abgabenquote nicht reduziert, der versucht, den Haushalt auf dem (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Papier mit Luftbuchungen zu sanieren, sollte daraus, ordneten der F.D.P. - Zuruf von der SPD: Da daß wir den SPD-Antrag nicht mit unterschreiben, müssen Sie nach Mannheim kommen!) nicht ableiten, daß wir sein Vorgehen nicht mißbilli- Abschließend, meine Damen und Herren: Ich bin gen. Man soll aber andererseits nicht glauben, daß nicht so zuversichtlich, daß die guten Noten, die die- die grüne Fraktion gemeinsam mit der Sozialdemo- ses Papier jetzt bekommen hat, auch Bestand haben kratie diesen Mißbilligungsantrag hätte einbringen werden. müssen, da die Sozialdemokratie in dieser Woche nicht den Mut hatte, selbst für die Anträge zu stim- men, zu denen sie ansonsten im politischen Alltag in Herr Kollege, bitte. Vizepräsident Hans Klein: dieser Republik steht,

Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Die Fraktion hat (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mir noch eine Minute Redezeit zugestanden, Herr sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Präsident. der F.D.P. - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Mutlos!) Vizepräsident Hans Klein: Das ist mir neu. Das ist beispielsweise in bezug auf die Gemeinschaftsauf- gar nicht möglich, weil die gesamte Fraktion noch gabe Ost, den Eurofighter, die MEKO-Fregatten. das an Redezeit „einholen" muß, was Minister Rütt- Man sollte sich nicht wundern, wenn wir unsere gers überzogen hat. Unterschrift zurückziehen. Soviel dazu. (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Ich möchte auf Grund der Eingangsrede des Kolle- DIE GRÜNEN]: Das ist typisch! So geht ihr gen Wieczorek als Obmann unserer Fraktion ihm für auch mit dem Haushalt um - wie mit der seine Arbeit im Ausschuß danken, Redezeit! - Gegenruf der Abg. Ina Albowitz [F.D.P.]: Ordentlich!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auch den Obleuten der anderen Fraktionen. Ich (CDU/CSU): Gut. Dann komme Hans-Peter Repnik möchte ein Beispiel anführen: Trotz der Hektik der ich zum Schluß. vorletzten Sitzungswoche mit dem Auszug der Oppo- Dieser Haushalt gibt Antwort auf viele uns sition hat Kollege Wieczorek dafür gesorgt, daß die gestellte Zukunftsfragen. Er ist seriös; er ist stabili- traditionelle Abschlußfeier des Haushaltsausschus- tätsgerecht, er ist inflationshemmend, ses zustande kam. Auch die Opposition hat mitgefei- ert. Dies vielleicht als Beispiel dafür, daß Kollegialität (Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt ist aber im Haushaltsausschuß auch solche Strapazen über- Schluß!) steht. er ist international beispielhaft. Deshalb stimmen wir ihm zu. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der CDU/CSU: Helmut, wir dan- (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und ken dir!) der F.D.P.) Nun aber zum Inhalt. Wir sind in einer Situation, in der es überhaupt nicht weiterführt, wenn die Diskus- Vizepräsident Hans Klein: Macht uns doch bitte sion auf dem Niveau läuft, um das sich Herr Kollege das Leben hier oben angesichts des gewaltigen Zeit- Repnik heute wieder bemüht hat. Er hält der Opposi- drucks, unter dem das ganze Haus steht, nicht tion vor, wie die Finanzsituation in Niedersachsen schwer! Wenn ein Minister seine Redezeit deutlich und in den Ländern aussieht. Wer selber die Hosen überzieht und nicht reagiert und wenn auch der voll hat, braucht doch nicht auf andere Leute mit vol- nächste Kollege überzieht, dann muß ich sagen: Das len Hosen zu verweisen. geht auf Kosten der folgenden Kollegen, die spre- chen wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ich erteile das Wort dem Kollegen Oswald Metz- bei der SPD und der PDS) ger. Die gesellschaftspolitische Situation ist nun einmal so, daß wir eine Strukturkrise der öffentlichen Haus- Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): halte in Deutschland haben, vom Bund angefangen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege über die Bundesländer bis zu den Gemeinden. 6068 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Oswald Metzger Wenn einem nicht mehr dazu einfällt, als sich haben, was dazu führt, daß die Einnahmen der Bun- gegenseitig irgendwelche Vorhaltungen zu machen, desanstalt für Arbeit geringer als erwartet ausfallen, dann können wir einpacken. Kreativität ist gefragt. daß die Arbeitslosenhilfezahlungen im Bereich der Insofern gab es in dieser Woche wenigstens eine Bot- Versorgung der von Arbeitslosigkeit Betroffenen schaft hier im Haus: Der IG Metall-Chef Zwickel noch mehr steigen werden, als es die Koalition im erzielte mit seinem Vorschlag zumindest eine Rahmen dieser Haushaltsberatungen eingeräumt gewisse Resonanz, wobei es von Resonanz bis zur hat. tatsächlichen Wirkung ein weiter Weg ist. Wie wollen Sie angesichts einer solchen Vorbela- Ich möchte ein paar strukturelle Bereiche skizzie- stung tatsächlich seriös glauben, daß dieser Haushalt ren, die in unserem Entschließungsantrag auftau- in dem Rahmen bleibt, wie Sie sich ihn vorstellen? chen. Dort, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie werden nächstes Jahr, weil die Kommunal- und bemühen wir uns tatsächlich nicht nur - was wir Länderhaushalte ihre bisherigen Soll-Verschul- auch hätten tun können - um Politlyrik, darum, pro- dungsansätze überschreiten, die in der Finanzpla- grammatische Schwerpunkte aufzulisten, ohne ange- nung der Landesfinanzminister und vieler kommuna- sichts der Deckungslücken im Bundeshaushalt ler Kämmerer enthalten sind, eine Überziehung in eigene Streichungsvorschläge zu machen. Vielmehr der Fremdfinanzierung erhalten, die das Maastricht- benennen wir auch Bereiche, in denen Kürzungen Kriterium, die 60-Prozent-Marge, bei der die Ver- vorgeschlagen werden. schuldungssituation aller öffentlichen Haushalte eine Insofern sind wir die einzige Fraktion in diesem Rolle spielt, wahrscheinlich übersteigen wird. Haus, die heute, zumindest nach unseren Vorstellun- (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Deshalb gen, ein relativ schlüssiges Deckungskonzept vor- haben wir ja den Solidaritätspakt!) schlägt. Es muß uns erst einmal jemand nachma- chen, daß eine Fraktion in einem Gesamtvolumen - Herr Kollege Roth, der Einwand ist richtig. Wir von 8 Milliarden DM den Abbau von Steuervergün- brauchen einen Solidaritätspakt. Sie merken ja, ich stigungen und von Subventionen vorschlägt und bemühe mich um eine differenzie rte Argumentation. damit die eigenen Maßnahmen im Bereich Arbeits- Natürlich sitzen alle Gebietskörperschaften, was die marktpolitik und Verkürzung der Arbeitslosenhilfe Finanzsituation betrifft, im gleichen Boot. Deshalb sauber gegenfinanziert. nützt es überhaupt nichts, wenn wir eine Debatte auf dem Niveau führen, wie wir es jetzt in den letzten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Tagen hier gehabt haben. Solche Haushaltsdebatten Zu den strukturellen Problemen dieses Bundes- langweilen mich als grünen Haushälter angesichts haushalts. Wir haben eine Steuer- und Abgaben- der Herausforderungen, denen sich unsere Gesell- quote, die im nächsten Jahr, Herr Finanzminister, schaft ausgesetzt sieht. eben nicht sinkt. Vielmehr ist das in sich zusammen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gebrochen, was Sie im September noch jubelnd ver- kündet haben: Das Jahr 1996 wird das Jahr der Steu- In jedem Kommunalparlament irgendwo in der ober- ersenkungen sein, und damit wird der Wachstumslo- schwäbischen Provinz wird inzwischen quer durch komotive, vor allem dem Bereich Kaufkraftnachfrage die Fraktionen seriöser als hier über Ausgabendiszi- zusätzlich Geld zugeführt. plinierung und die Notwendigkeit geredet, Schwer- punkte auf das zu legen, was zukunftsfähig ist. Wir haben nächstes Jahr durch die Pflegeversiche- rung und durch die Erhöhung der Sozialversiche- Die Schwerpunkte der Investitionen der öffentli- rungsbeiträge in der Rentenversicherung tatsächlich chen Haushalte müssen aus betriebswirtschaftlicher die Situation, daß der Kaufkraftzufluß an die Bevöl- Sicht gesetzt werden. Wir müssen die Energiewende kerung praktisch ein Nullsummenspiel ergibt. Die finanzieren, zum Beispiel - ganz banal gesprochen - grüne Bundestagsfraktion hat Ihnen aber schon Energiesparinvestitionen für öffentliche Gebäude lange vor dem September vorgehalten, daß die Rech- fördern oder Anreize dafür geben, daß die Bevölke- nung mit der Steuerentlastung nicht aufgeht. Das ist rung vorsorgende Investitionen tätigt, um künftige der eine Punkt, wo Sie im nächsten Jahr auf das Prin- Kosten zu vermeiden. Von der Kraft-Wärme-Kopp- zip Hoffnung setzen müssen, weil Sie das wahr- lung beispielsweise - das wissen Sie genau - würden scheinlich nicht realisieren können, was Sie sich im die mittelständischen Bet riebe der Installationswirt- Bereich Wachstum erhoffen. schaft profitieren. Sie zu fördern würde Arbeitsplätze schaffen. Das wäre nicht nur ökologisch, sondern Sie wissen, daß die OECD und die Wirtschaftsfor- auch ökonomisch sinnvoll. schungsinstitute die Wachstumsraten im Bereich der Konjunktur inzwischen deutlich nach unten reduziert (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben. Ihre Finanzplanung geht von viel zu optimi- stischen Erwartungen aus. Deshalb ist es aus Sicht Ähnlich ist es, wenn Sie eine Verkehrswende des Novembers 1995 absolut ausgeschlossen, daß Sie angehen: Was nützen uns die schönsten Autobah- im Bereich der Steuereinnahmen wesentlich günsti- nen, die schönsten Umgehungsstraßen, wenn damit ger fahren als dieses Jahr. Es fehlen die Rahmenbe- nur mehr individueller Verkehr, ein höherer CO2- dingungen dafür. Ausstoß, mehr Staus, ein größeres Chaos produziert werden und mehr Verkehrsopfer zu beklagen sind, Sie brauchen sich nur die Daten auf dem Arbeits- während sinnvolle Investitionen in das Schienennetz markt anschauen. Die Zahl der Arbeitslosen wird dieser Republik verabsäumt werden? Sie fördern lie- eine Größenordnung von 3,5 Millionen oder mehr ber eine Paralleltechnologie wie den Transrapid, die Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6069

Oswald Metzger Investitionen in Höhe von -zig Milliarden bindet, blik in den letzten Jahren systematisch ihre tatsäch- statt sinnvollerweise ein Programm zur Förderung lich bezahlten Ertragsteuern reduzieren konnten. des öffentlichen Personennahverkehrs aufzustellen. Auf Grund der weltweiten Verflechtung mittels Hol- dings und Beteiligungsgesellschaften ist es ihnen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möglich, ihre Erträge im Ausland, wo die Ertragsteu-- sowie der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann ern niedriger sind, zu versteuern. Dieses Problem [PDS] - Roland Sauer [Stuttgart] [CDU/ führt dazu, daß selbst in Zeiten, in denen die Wi rt CSU]: Wieso sind Sie denn zu Hause für die -schaft floriert, Erträge der Großbetriebe am deut- Straßen?) schen Fiskus vorbeifließen. Dieses Problem müssen Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, daß wir angehen. Das erkennen auch wir als Grüne. ein struktureller Mangel in dieser Gesellschaft auch in der zu hohen Steuer- und Abgabenquote liegt. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dann müssen Dies führt dazu, daß auch der Durchschnittsbürger in Sie unseren Vorschlägen zustimmen! - die Schattenwirtschaft gedrängt wird. Extrem viele Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Sie Umsätze und damit potentielle Steuereinnahmen sind schon weiter als die SPD!) gehen am Staat vorbei, weil jeder Mensch - aus mir durchaus nachvollziehbaren Gründen - versucht, Seriöse Wirtschafts- und Finanzpolitik verlangt sol- seine persönliche Steuerlast zu minimieren. che Erkenntnisse.

Also hilft doch nur eines: Machen wir Ernst mit der Diese baren Selbstverständlichkeiten - sie sind für Ankündigung - diese Aufforderung geht auch an manche im Raum wahrscheinlich nur deshalb inter- den kleinen Koalitionspartner F.D.P. -, Steuervergün- essant, weil sie ein Grüner sagt - spreche ich an, weil stigungen und Subventionen abzubauen, um die wir Sparpotentiale realisieren und ein Umsteuern in nominelle Steuerbelastung tatsächlich reduzieren zu dieser Gesellschaft erreichen wollen, das auf eine können. Nur so kann die Steuerbelastung eines nachhaltige Finanz- und Haushaltspolitik hinaus- Systems, das heute nur die Begüterten dieser Gesell- läuft. schaft überdurchschnittlich begünstigt, in das rich- tige Lot gebracht werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]) sowie bei Abgeordneten der PDS) Ich fühle mich nicht als häushälterischer Erbsen- Gehen wir diese Herkulesaufgabe einmal an, Kol- zähler, wie viele der Kolleginnen und Kollegen, lege Weng, Kollegin Albowitz! Ihr wirtschaftspoliti- manchmal auch der eigenen Fraktion, Haushälter scher Sprecher Lambsdorff hat - nachdem er jetzt bezeichnen, zwei Wochen zum Stillhalten vergattert war, weil die F.D.P. entgegen ihrer ursprünglichen Forderung (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Man muß beim Haushaltssicherungsgesetz eingeknickt ist - sich auch in Details auskennen!) diese Woche das gleiche gefordert. Wir müssen dieser Situation Rechnung tragen und sondern mir geht es darum, tatsächlich die Schief- die nominelle Steuerbelastung zurückfahren, aber lage der öffentlichen Haushalte strukturell in eine um den Preis des Abbaus von Steuervergünstigun- andere Situation zu bringen. Wir brauchen Investi- gen und Subventionen. tionsspielräume. Es geht natürlich auch um folgendes, Herr Finanz- Wir müssen noch an einen anderen Bereich den- minister: Eine Regierung, die mit einer so knappen ken, nämlich den Ausgabenbereich des Staates. Der Mehrheit regiert, kann es sich offensichtlich nicht lei- Staat soll tun, was des Staates ist, aber nicht alles an sten und hat nicht die Kraft dazu, tatsächlich die Axt sich ziehen, weil der Staat nicht alles besser macht. an liebgewonnene Gewohnheiten zu legen. Wir müs- sen diese Kraft aber aufbringen, weil wir sonst das (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Umsteuern nicht schaffen. SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und Genau das gleiche Problem gibt es im Bereich der der F.D.P.) Unternehmensteuern. Die Bundesrepublik Deutsch- land hat die höchsten nominalen Steuerquoten für - Der Beifall kommt zu früh. Da sind Sie zu kurz gesprungen. Kapitalgesellschaften: im Westen - wo noch die Gewerbekapitalsteuer erhoben wird - von mehr als als solche kein All- 60 Prozent, Allerdings ist Privatisierung heilmittel, wie viele Beispiele zeigen. Wenn Sie nach (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Dann dem Motto verfahren: Die guten Risiken des Staates schaffen wir sie ab!) werden privatisiert und die schlechten bleiben beim Staat hängen, verschlechtern Sie natürlich insgesamt im Osten noch von knapp 60 Prozent. Damit liegen die fiskalischen Rahmenbedingungen für den öffent- wir knapp vor Japan. Ich weiß, Herr Schäuble, daß lichen Haushalt. ich Ihnen das nicht zu sagen brauche. Ich sage das auch in Richtung der Sozialdemokraten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dieses Maß der nominalen Steuerbelastung hat sowie bei Abgeordneten der SPD und des dazu geführt, daß die großen Konzerne dieser Repu Abg. Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]) 6070 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Oswald Metzger Die Haushälter wissen, daß das keine seriöse und dern in den nächsten Jahren dauerhaft die politische nachhaltige Haushaltspolitik wäre. Debatte bestimmen wird. (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das dürfen Sie nicht statisch sehen! - Zuruf sowie bei Abgeordneten der SPD und der - von der SPD) PDS) Hier fiel gerade das Stichwort Tafelsilber. Herr Deshalb noch einmal mein Appell an alle in diesem Finanzminister, schauen Sie sich doch an, wie die Haus: Wer glaubt, vor dem Hintergrund der Ver- Finanzplanung in den nächsten Jahren aussieht. Sie knappung der öffentlichen Mittel parteipolitisches sind im September bei der Finanzplanung mit dem Kapital aus der Debatte schlagen zu können, der Anspruch angetreten, die Staatsquote zurückzufüh- täuscht sich. Jeder von uns in diesem Haus trägt, mit ren. Das Ziel ist okay. Das werden Sie aber auf Grund wenigen Ausnahmen, irgendwo auf Bundesländer- der Ausgangssituation mit der reduzierten Steuer- ebene Regierungsverantwortung; im kommunalen schätzung jetzt nicht erreichen, weil die Finanzpla- Bereich tun dies ohnehin ganz viele. Alle stehen vor nung Makulatur ist. Sie glauben doch selber nicht, der gleichen Aufgabe, und niemand ist bereit, um daß Sie im Jahr 1999 mit 29 Milliarden DM Neuver- des Populismus willen tatsächlich entsprechende schuldung auskommen, wie es jetzt in der Finanzpla- Antworten zu geben. nung steht. Wenn wir finanzpolitisch redlich argumentieren wollen, wie es der Haushaltsausschußvorsitzende Für das Jahr 1996 haben Sie nach den Verände- Helmut Wieczorek gesagt hat, müssen wir uns an rungen, die der Regierungsentwurf seit September dem Punkt selbst ein Stück weit zurücknehmen und erfahren hat, allein rund 10 Milliarden DM Einmaler- ein Stück Gemeinsamkeit in der Finanzpolitik als löse. Stichwort: Verscherbelung des Tafelsilbers. Basis der Lebensqualität einer Gesellschaft an den Diese Einnahmen können Sie ab 1997 nicht wieder- Tag legen. holen. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Gemein- (Uta Titze-Stecher [SPD]: Die machen alles!) samkeit mit euch kostet immer nur Geld!) Sie werden auch nicht jedes Jahr, weil das ein reiner Diese Gemeinsamkeit fordere ich ein. Sie verlangt Buchungstrick ist, durch das Vorziehen der Mineral- aber, daß sich natürlich auch die Regierungskoalition ölsteuer 2,6 Milliarden DM auf der Habenseite des ein Stück weit zurücknimmt. Deshalb hätte ich es gut Bundeshaushalts einstellen können. gefunden, wenn sich die Haushälter der Koalitions- fraktionen in der vorletzten Woche eben nicht zu (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Da Jasagern entwickelt hätten, die innerhalb von weni- haben Sie recht!) gen Tagen die unse riösen Deckungsvorschläge des Finanzministers durchgewinkt hätten, Hier fehlen Ihnen dann im Prinzip schon runde 13 Milliarden DM als Ausgangsbasis. Wenn Sie dann (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir haben wirklich Ihre Nettoneuverschuldung ab 1997 unter ordentlich beraten und unsere Pflicht 50 Milliarden DM fahren müßten, müßten Sie im erfüllt, ganz im Gegensatz zu Ihnen!) Saldo nach meiner Rechnung schon über 20 Mil- liarden DM als Einnahmeverbesserung des Bundes sondern gesagt hätten: Wir wollen ausreichende erzielen. Das werden Sie nach menschlichem Ermes- Beratungszeit. Eigentlich wäre die Zeit reif für eine sen nie und nimmer schaffen, weil auch das Steuer- Ergänzungsvorlage der Regierung. - Wir hätten dann recht selbst im nächsten Jahr ein großes Risiko birgt. eine seriöse Diskussion unter Beteiligung der Oppo- Das wissen Sie so gut wie ich. sition gehabt und hätten vielleicht ein Ergebnis erreicht, das besser aussähe als das, was wir heute Durch das Auslaufen der hohen Sonderabschrei- haben. bungen für den Osten ist möglicherweise zu erwar- Vielen Dank. ten, daß es ähnlich wie beim Auslaufen von Abschreibungsregelungen, zum Beispiel beim Kauf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von Altbauwohnungen, nächstes Jahr eine A rt bei der SPD und der PDS) Finish-Effekt gibt, daß Leute sich noch versorgen und ihre veranlagte Einkommensteuer und Körper- Das Wort hat Kollege schaftsteuer in den Keller fährt. Vizepräsident Hans Klein: Dr. Wolfgang Weng. Vor dem Hintergrund, daß bisher nur ein Drittel der Steuerrückgänge konjunkturbedingt ist und die Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) (F.D.P.): Herr Präsi- Wachstumserwartungen inzwischen nach unten kor- dent! Meine Damen und Herren! Die Äußerungen rigiert wurden, ist möglicherweise im nächsten Jahr des Kollegen Metzger sind in einigen Punkten sicher der Anteil der konjunkturell bedingten Steueraus- interessant und richtig. Aber an einer Stelle hat er fälle höher als dieses Jahr. Der Basiseffekt der Steu- sich ganz eklatant selber widersprochen. Das macht erabzüge durch die Sonderabschreibungen Ost dann immer deutlich, daß es sehr leicht ist, aus der kommt dazu. Dann können wir hier gemeinsam das Oppositionsrolle heraus große Worte zu führen. Herr Kreuz schlagen, weil viele im Haus dann erst begrei- Kollege Metzger, eingangs Ihrer Rede haben Sie fen, daß die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte gesagt, über das, was in den Bundesländern los sei, kein Einmaleffekt und kein Zweimaleffekt ist, son sollten wir hier überhaupt nicht reden. Ausgangs Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6071

Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) haben Sie gesagt, überall sei irgend jemand mit in Boden verliert, dann kann die Koalition ruhig und der Verantwortung, und deswegen müsse über alles gelassen sein. gesprochen werden. Dies paßt natürlich nicht zusam- men. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Ingrid Matthäus-Maier [SPD] Die „Leon-- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) berger Kreiszeitung"!) Wir haben durch die Mehrheitsverhältnisse im Bun- Ich meine, ein Herausforderer, der sitzen bleibt, hat desrat, durch die Mehrheitsverhältnisse im Vermitt- versagt. lungsausschuß und durch die Pflicht des Bundes, bankrotte Länder zu sanieren, nämlich genau die (Lachen bei der SPD - Peter Dreßen [SPD]: Situation, daß schon über alles gesprochen werden Keiner klatscht!) muß, was in den einzelnen Gebietskörperschaften vor sich geht. Deswegen gibt es einen Stabilitätspakt Haushaltsdebatte als Stunde der Opposition? Hier aller Gebietskörperschaften. hat sich wieder einmal gezeigt, daß die SPD nicht einmal diese Rolle spielen kann. Der SPD muß man vorhalten, daß sie, als Kollege Repnik von „sparsamster Haushaltspolitik" gespro- (Ina Albowitz [F.D.P.]: Die können über- chen hat, furchtbar gelacht hat. Meine Damen und haupt keine Rolle!) Herren, die gleiche SPD hat an anderer Stelle immer Die Grünen wenigstens haben beg riffen, daß der vom „Kaputtsparen" geredet. gemeinsame Auszug aller Oppositionsgruppierun- (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Genau!) gen aus dem Haushaltsausschuß ein Schlag ins Was- ser war, Entweder war es zuviel, oder es war zuwenig, aber es kann nicht beides gewesen sein. Sie machen sich (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) mit solchem Verhalten lächerlich. und sind in der Plenarberatung in der zweiten (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Lesung in dieser Woche zur Sacharbeit zurückge- ten der CDU/CSU) kehrt. Bei der dritten Lesung des Bundeshaushalts läßt (Karl Diller [SPD]: Herr Weng, wo ist denn man natürlich auch die abgelaufene Woche einmal Graf Lambsdorff? Ist der wieder in der Toi- Revue passieren. Ich habe vor allem die Medien im lette eingesperrt worden? - Ina Albowitz Laufe dieser Woche sehr aufmerksam verfolgt, weil [F.D.P.]: Er ist immer bei uns!) das, was sie darstellen, nachher die Öffentlichkeit zur Kenntnis erhält. Erwartungsgemäß hat die Strate- Die Oppositionsfraktion SPD dagegen hat sich gie der SPD-Oppositionsfraktion und ihres Vorsitzen- darin gefallen, sich zu allen Sachanträgen der den vom Mittwoch bei der Debatte über den Kanzler- Stimme zu enthalten und selbst keine Anträge zu haushalt interessante Medienreaktionen ausgelöst. stellen. Sie hat auch keine Alternativen aufgezeigt. Natürlich haben wie immer die SPD-nahen Bericht- Zwischen Grün-Rot und Knallrot eingekeilt, fällt der erstatter einen großen Erfolg gefeiert, die eher kon- SPD nichts mehr ein. servativen von einem Schlag ins Wasser geredet. Das (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- kennen wir schon. Für mich war aber interessant, wo ten der CDU/CSU - Peter Dreßen [SPD]: Ist und wie politisch neutrale Journalisten die Tatsache das das Niveau der F.D.P. im Jahre 1996?) bewertet haben, daß Herr Scharping versucht hat, den Bundeskanzler auszusitzen - nach meinem Wer sich an den Beratungen nicht beteiligt, kann Gefühl übrigens nicht intelligent. tatsächlich gleich zu Hause bleiben und das Opposi- tionsfeld räumen. Die SPD hat es freiwillig den Grü- (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Auch das ist nen überlassen. richtig!) (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr wahr!) Ich zitiere Gunter Hartwig aus der „Leonberger Kreiszeitung": Deren Oppositionsrolle bedeutet natürlich keine Regierungsfähigkeit. Zu Unterschiedliches und zu (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr Gegensätzliches ist aus den grünen Reihen vorgetra- neutral! - Peter Dreßen [SPD]: Eine füh gen worden. Die Positionen gehen wild durcheinan- rende Zeitung!) der. Kohl bot Grundsätzliches zu Europa, etwas Lyrik Auch geschickte Verschleierung, Herr Kollege zur Wirtschaftspolitik und zum Schluß Bissiges. Metzger, kann nicht verdecken, daß man immer nur Scharping antwortete mit bekannten Vorwürfen weitere Belastung der Bürger mit zusätzlichen Abga- und bohrender Klage über die Bilanz, zumindest ben und Steuern im Auge hat. Wenn die Deckungs- verlor Scharping nicht weiter an Boden. vorschläge, mit denen die Grünen ihre Mehrausga- (Heiterkeit bei der F.D.P.) ben bestreiten wollten - auf sie hat Herr Metzger vor- hin wieder hingewiesen, aber geschickt getarnt -, Meine Damen und Herren, wenn der Erfolg des auf sogenannten Einnahmeverbesserungen beruhen, Herausforderers sein soll, daß er nicht weiter an dann wird hier genau das gemacht, was wir nicht 6072 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) wollen: Es werden bekannte sozialistische Rezepte das heißt, wieder hinterherkeucht. Dafür kann es herausgezogen. kein Lob geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Meine Damen und Herren, Haushaltsrecht ist Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Königsrecht des Parlaments. - NEN]: Über Sozialismus weiß ich besser Bescheid als Sie!) (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hat man bei Ihnen aber nicht gemerkt!) Nicht Ausgaben sparen, sondern immer höhere Bela- stung der Bürger, das ist Forderung der Grünen. Das Gesetz zum Bundeshaushalt ist ein wichtiges Gesetz. Ich habe keinen Zweifel, daß die Koalition (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Sehr wahr!) diesen Haushalt heute in dritter Lesung mit klarer Übrigens darf sich die Oppositionsrolle bei der Mehrheit verabschieden wird. Debatte über den Bundeshaushalt nicht in Klagen (Zuruf von der SPD: Natürlich! Sie machen und Fragen erschöpfen. Wenn die Haushaltsdebatte ja alles mit! - Karl Diller [SPD]: Den Grafen Stunde der Opposition und der Herausforderung sperren Sie wieder in der Toilette ein!) durch die Opposition sein soll, dann müßten von do rt vorwärtsgerichtete Vorschläge kommen. Es ist aber Eine funktionierende Koalition beweist sich aller- in dieser Woche sehr deutlich geworden, daß sich die dings auch dadurch, daß sie weniger wichtige Vorha- SPD am hintersten Ende des Fortschrittes bewegt. ben geschlossen bewältigt. Deswegen darf die Hän- Sie keucht hinterher. Sie wird ja selbst durch die Vor- gepartie in Sachen Flexibilisierung beim Laden- schläge der erzkonservativen IG Metall überholt. schluß nicht fortgesetzt werden. (Zuruf des Abg. Peter Dreßen [SPD]) (Beifall bei der F.D.P. - Peter Dreßen [SPD]: Sie sind doch auf dem Bauch damit gelan- Die SPD entlarvt sich selbst, Herr Gewerkschafts- det! - Gegenruf der Abg. Ina Albowitz funktionär, an vielen Stellen mit ihrem Parteitagsan- [F.D.P.]: Warten wir einmal ab!) trag, der in dieser Woche hier kursierte. - Die sehr unterschiedlichen Äußerungen von der Lassen Sie mich ein kleines Beispiel nennen, weil linken Seite des Hauses lasse ich dahingestellt. Das kleine Beispiele oft für die große Dimension stehen. kennen wir schon. Seit langem hat die F.D.P. gefordert, auch den Privat- haushalt als einen ganz normalen Arbeitsplatz zu Hier braucht es eine schnelle Entscheidung der ermöglichen. Unionsfraktionen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne (Beifall bei der F.D.P.) ten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren Kollegen von der Union, Hierzu hat Frau Matthäus-Maier auf der Suche nach wir alle blicken auf die anstehenden Wahlen im Kampfbegriffen die diffamierende Bezeichnung März, darunter auch die Landtagswahl in Baden „Dienstmädchenprivileg" erfunden. Württemberg. Dort stellt sich eine große Koalition nach vier Jahren kleiner Politik den Wählern. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Frechheit!) (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nein! Sie Jetzt schreibt die SPD in ihren Parteitagsantrag - stellt sich nicht den Wählern!) wörtlich -: Bei uns gibt es die Sorge, Herr Kollege Repnik, daß Es sind Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eine Hängepartie in Sachen Ladenschluß von eini- bei Dienstleistungen für p rivate Haushalte gut gen Politikern aus Ihren Reihen zu einer Doppelstra- bezahlte und sozial abgesicherte Arbeitsplätze tegie Anlaß sein könnte. Während in Bonn der entstehen. gemeinsame Kompromiß, den auch viele von Ihnen (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das ist ver wollen, auf die lange Bank geschoben wird, wirbt nünftig! - Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: man vor Ort um Stimmen aus dem Einzelhandel Weiterlesen! Wie heißt der nächste Satz?) gegen die F.D.P. Genau dies haben wir immer gefordert. Die Bezah- Jeder weiß, daß bei einem laufenden politischen lung wird sicherlich wie überall am Markt zwischen Vorhaben immer viel Unruhe gegeben ist, daß aber Angebot und Nachfrage durch die Tarifparteien ent- nach Abschluß dieser Vorhaben üblicherweise alle schieden, und sie wird durch die Tarifparteien gere- Betroffenen sehen, daß das Ganze doch in Ordnung gelt. Die soziale Absicherung muß bei einem ordent- war und daß es Besserung gibt, und sie ihre Chancen lichen Arbeitsverhältnis wohl selbstverständlich sein. erkennen, und dann wieder Ruhe einkehrt. Deswe- gen ist ein solches offenes Verfahren niemals wün- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - schenswert. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sonst ist es nämlich keins! - Karl Diller [SPD]: Feigling, Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren Kolle- lies den nächsten Satz!) gen von der Union: Es war Ihr baden-württembergi- scher CDU-Kollege Haungs, der als erster öffentlich Die totale Umkehr der SPD in Richtung Vernunft den Durchbruch verkündet hat. wäre zu loben. Aber das Ganze wird kaschiert, weil man nämlich über die Frage der steuerlichen Absetz- (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Jawohl, das wer- barkeit dieser Aufwendungen keinen Ton verliert, den wir auch immer erzählen!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6073

Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Es war der baden-württembergische Vorsitzende Erhöhung der Verschuldung die Rahmendaten einar- Ihrer Fraktion, Dr. Schäuble, der bei dem gefunde- beiten. Das wird nicht einfach sein. nen Kompromiß die Feder geführt hat. (Karl Diller [SPD]: Aha! Schlampiger Daß der Herr Bundeskanzler, der dieses Thema Finanzminister!) mehrfach als nicht ganz so wichtig bezeichnet hat, - bei dieser Koalitionsberatung dabei war, zeigt auch Bei Ihrem geplanten und mit Blick auf die europäi- unter dem Aspekt dessen, was vor zwei Jahren in sche Währungsunion auch notwendigen nationalen gleicher Sache gewesen ist, daß er dieser Sache und Stabilitätspakt unterstützt die F.D.P. Sie vorbehaltlos, diesem Verfahren doch ein besonderes Gewicht bei- und die Opposition wird sich hier nicht verweigern mißt. können. Da ist das vom grünen Kollegen Metzger hier Gesagte sehr viel vernünftiger als das Geschrei (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Jetzt lupft der SPD. er sich über die 5 Prozent!) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Unions- Der Haushaltsvollzug im kommenden Jahr fraktion, Sie sind jetzt in der Pflicht. Zeigen Sie Ihre braucht Ihre ganze Kraft, Herr Minister Waigel. Mit Handlungsfähigkeit bei diesem uralten Thema jetzt der Durchführung der geplanten Privatisierungen schnell! sind Sie persönlich im Wort. Hierbei haben Sie uns an Ihrer Seite. (Beifall bei der F.D.P.) Wir brauchen Sie, und Sie brauchen uns. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da kommt die grüne Kröte! - Albe rt Schmidt [Hitz- Meine Damen und Herren, beim Stichwort Koali- hofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wol- tionen habe ich immer die Karikatur aus einer Zeit- len Sie ihn küssen?) schrift vor Augen, in der am Brunnenrand ein dicker häßlicher grüner Frosch mit dem Gesicht von Joseph Zusätzlich haben Sie erklärt, 1998 einen ersten Fischer neben einer Goldkugel sitzt, Schritt bei der Rückführung des Solidarzuschlags zu machen. Richten Sie sich ruhig schon einmal auf ( [SPD]: Vorsicht! Vorsicht! Da 1997 ein! Denn wenn dem Herrn Bundeskanzler das wäre ich als F.D.P.-Mann ganz vorsichtig!) ständige Drängeln der Freien Demokraten zu dieser und zwei Frauen bewegen sich auf diesen Brunnen Steuersenkung lästig wird, wird er Ihnen sicherlich hin, eine Frau im roten und eine Frau im schwarzen raten, diesen ersten Schritt schon für 1997 zu planen. Kleid. Wenn dies politisch gewünscht wird, wird das auch möglich sein. Jedes Kind weiß: Nur im Märchen wird der grüne Frosch zum Prinzen, wenn er geküßt wird. Das hat (Beifall bei der F.D.P. - Joseph Fischer die SPD in den Bundesländern, in denen sie mit den [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Grünen koaliert, schon bitter erfahren müssen. Ich bin der Froschkönig, und er ist die Prin- zessin? - Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Er (Zustimmung bei der F.D.P. und der CDU/ ist die Kugel!) CSU - Freimut Duve [SPD]: Ein sehr gefähr liches Bild für einen F.D.P.-Politiker!) Darf ich Sie, Herr Minister Waigel, gerade weil ich in dieser Woche die Medien sehr sorgfältig verfolgt Deswegen mein Rat an die Union: Lassen Sie den habe, heute hier auch als Vorsitzenden der CSU häßlichen grünen Frosch ungeküßt! Halten Sie sich ansprechen: Ein Mitglied des Bundeskabinetts, das lieber an die goldene Kugel, die F.D.P.: klein, aber Ihrer Partei angehört, hat in dieser Woche öffentlich wertvoll! in Deutschlands auflagenstärkster Zeitung die Ein- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne führung des Mehrheitswahlrechts gefordert. ten der CDU/CSU - Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ PDS - Karl Diller [SPD]: Wo seid ihr denn DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) noch vertreten?) Das bedeutet bekanntlich eine Wahlrechtsmanipula- Herr Bundesfinanzminister, Sie haben in dieser tion zugunsten der Großparteien. Woche darauf hingewiesen, daß die Dauer Ihrer Amtszeit die des Kollegen Stoltenberg überschritten Ich weiß nicht, ob ein Minister besonders gut bera- hat. Heute nochmals herzlichen Glückwunsch dazu! ten ist, gerade in der Woche, in der es mit dem Haus- halt auch um sein Ministergehalt geht und er hier die (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Zustimmung der F.D.P. braucht, an einer solchen ten der CDU/CSU) Stelle dem Partner den parlamentarischen Tod zu Aber Sie sind noch lange nicht aus der Pflicht, und wünschen. das nächste Spiel ist bekanntlich das schwerste. (Karl Diller [SPD]: Herr Waigel, das ist das (Freimut Duve [SPD]: Das kann man wohl Drohen eines zahnlosen Tigers!) sagen!) Ich stelle mir umgekehrt Ihr Gesicht vor, Herr Mi- Im nächsten Jahr bleibt viel zu tun: Sie müssen den nister Waigel, wenn Frau Leutheusser-Schnarrenber- Finanzplan in Ordnung bringen, das heißt, ohne ger in der „Bild-Zeitung" den Vorschlag gemacht 6074 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) hätte, Parteien nicht im Bundestag zuzulassen, die Auch wenn die Sacharbeit zwangsläufig unter dem nur in einem einzigen Bundesland kandidieren. Zeitdruck etwas gelitten hat, wenn diese noch mehr durch das Verhalten der Opposition, sich zu verwei- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der gern, gelitten hat: Wir haben ein gutes Stück Arbeit PDS) geleistet. - Da wären Sie und Ihre Freunde sicherlich beleidigt, obwohl auch für eine solche Regelung eine gewisse Ich habe an dieser Stelle Beifall erwartet. Logik sprechen könnte. (Zuruf von der PDS: Merkt bloß keiner! - Partnerschaftliche Zusammenarbeit in einer Koali- Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) tion ist auch eine Frage der Atmosphäre. Sagen Sie Deswegen nehme ich einen kleinen Schluck Wasser. Herrn Spranger, er solle sich lieber um die Entwick- Ich glaube auch, daß das ein richtiger Moment ist. lung in fernen Ländern kümmern, anstatt hier in Man kann sich ja nicht selber übertrieben loben, Deutschland Keile in die Koalition zu treiben. aber wenn man es selber nicht macht - das sagt der (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Joseph Finanzminister immer -, dann macht es am Ende gar Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ keiner. Deswegen muß an dieser Stelle Entsprechen- NEN]) des in das Protokoll. Vielen Dank. Ich mache jetzt trotzdem mit meinen Ausführungen weiter; sonst Herr Minister Waigel, die SPD stellt einen Mißbilli- kommt hier durchgängig 20 Minuten Applaus. Das gungsantrag. Der Redner Ihrer Fraktion hat richtig können wir auch nicht haben. dargelegt, daß hier der Falsche getroffen wird. Des- wegen wird dieser Mißbilligungsantrag, der eigent- Meine Damen und Herren, in schwieriger Haus- lich gegenstandslos ist, von uns selbstverständlich haltssituation haben die Freien Demokraten Schwer- abgelehnt. punkte gesetzt, die in Deutschland zur Standortver- besserung und damit auch zur Verbesserung auf (Ina Albowitz [F.D.P.]: Mit Abscheu und dem Arbeitsmarkt beitragen sollen. Arbeitsplätze im Empörung! - Karl Diller [SPD]: Ihre Kollegin Hochtechnologiebereich zum Beispiel entstehen nur Albowitz hat das unseriös genannt!) bei konkreten Projekten, wie etwa dem Transrapid. Ihr Haus hat auf unseren Wunsch Daten geliefert, Sie entstehen nicht durch blumige Worte, wie wir sie die in der Situation einer entstandenen Haushalts- von der Opposition hören, die sich, wenn es ernst lücke eine Lösungsmöglichkeit boten. Diese gaben wird, immer verweigert. Nur hochqualifizierte Pro- uns die Chance, mit den einzelnen Positionen, die, duktion in Deutschland - das wird Ihnen am Partei- auf einem Blatt zusammengefaßt, zu dem Gesamter- tag Herr Schröder, der etwas dazugelernt hat, aber gebnis führten, prompt in das Parteiloch fiel, erzählen - kann die Voraussetzungen für die Lebensqualität der Bürger, (Ina Albowitz [F.D.P.]: Wir haben uns sach für Arbeitsplätze und vor allem auch für zusätzliche kundig gemacht!) Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich schaffen. den Haushalt so zu verabschieden, wie wir es in (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- zweiter Lesung getan haben und heute in dritter ten der CDU/CSU) Lesung auch tun wollen. Die Verantwortung hierfür trägt die Mehrheit dieses Parlamentes, und die Mehr- Bei Verbesserungen des Standorts, wenn es darum heit des Haushaltsausschusses, nachher in der geht, die Gewerbekapitalsteuer aufzuheben, die Abstimmung. Verantwortung tragen nicht Sie, der Gewerbesteuer zu senken, verweigert sich die SPD. Sie uns durch die Lieferung von Material geholfen Bei der Forderung nach massiver Erhöhung der Erb- haben und zur Seite getreten sind. Der Entschlie- schaftsteuer - wenn Menschen sparen und ihr ßungsantrag ist ohne jede Substanz. Erspartes dann nicht selbst verbrauchen, sondern (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) weitergeben wollen - zeigt s ch das wahre Gesicht der Sozialdemokraten: abkassieren, immer nur Meine Damen und Herren, als Vertreter meiner abkassieren! Fraktion habe ich nach der umfangreichen, in die- sem Jahr zum zweitenmal geleisteten Arbeit, den (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Mitarbeitern von Bundestag, Ministerien und Rech- nungshof, den Kollegen im Ausschuß, vor allem Mit der Förderung von Mittelstand und Kultur, mit natürlich dem Obmann Kollegen Adolf Roth von der Signalen in der Umweltpolitik, auch mit einem Brem- Union und dem Ausschußvorsitzenden zu danken. sen bei Verteidigungsausgaben haben wir von der Dem Ausschußvorsitzenden Helmut Wieczorek F.D.P. Schwerpunkte bei der Parlamentsarbeit danke ich zusätzlich für die nichtparteipolitischen gesetzt. Wo Erhöhungen der Ausgaben notwendig Äußerungen, die er hier gemacht hat. Es fällt immer waren, haben wir darauf geachtet, daß Investitionen etwas schwer, bei dem bunten Gemisch von partei- berücksichtigt wurden. Unser Augenmerk liegt auf politischen und allgemeinen Äußerungen an der Rückführung der Verschuldung, vor allem mit Blick richtigen Stelle zu applaudieren. Der Schlußapplaus auf die Zukunftschancen der heranwachsenden unserer Fraktion betraf nur den Teil, der nicht partei- Generation. Unser Augenmerk liegt auf Wahrung politisch war. Ich bitte das dem Kollegen Wieczorek der Stabilität unserer Währung in Deutschland wie mitzuteilen, falls er wieder auftaucht. auch zukünftig in Europa. Wir wollen, daß sich spar- same Bürger auf staatliche Solidität verlassen kön- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) nen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6075

Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Der Haushalt 1996 flankie rt die von der Bundesre- Drittens sagen wir nein, weil auch mit diesem Etat- gierung angekündigte Initiative zur Schaffung weite- entwurf keinerlei Zukunftsvorsorge getroffen wird. rer zusätzlicher Arbeitsplätze. Hierauf, auf die Ver- Sie laborieren doch noch immer an den Auswirkun- ringerung der Arbeitslosigkeit, richtet sich all unser gen Ihrer fehlerhaften Politik von gestern. Bemühen. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der Die Bundestagsfraktion der F.D.P. stimmt dem Bun- F.D.P.) deshaushalt für das Jahr 1996 auch in dritter und letzter Lesung zu. - Jawohl, das sind Folgen Ihrer Politik in den 80er Jahren. Darauf komme ich noch zurück. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Die Krebsgeschwüre am Körper dieser Gesell- DIE GRÜNEN]: Heilig's Blechle!) schaft, nämlich Massenarbeitslosigkeit, Ausbil- dungsnotstand, Hochschulmisere, Altersarmut - ins- - Joseph Fischer, Frankfurt , ist völlig überrascht. besondere bei Frauen - und Defizite an bezahlbaren (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Wohnungen, wuchern nach wie vor. Allein in Berlin - DIE GRÜNEN]: Herr Weng ist der Meister wenn ich Ihnen das sagen darf; do rt gibt es ja einen der leisen Töne und der kleinen Erbsen!) Regierenden Bürgermeister von der CDU - gibt es ein Manko von 200 000 Wohnungen für Menschen mit mittlerem und niedrigem Einkommen. Ich frage Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Professor Sie: Wie wollen Sie diesen Menschen die Zukunfts- Luft, Sie haben das Wort. angst nehmen? Ob Sie das nun mit oder ohne Euro- geld machen, spielt für sie keine Rolle. (PDS): Herr Präsident! Verehrte Dr. Christa Luft Ein Wort an meine Ausschußkolleginnen und -kol- Kolleginnen und Kollegen! Aus dem Debattenverlauf legen von der Koalition. Sie haben die Opposition in dieser Woche ist unmißverständlich klargeworden, und damit auch die PDS-Vertreter dafür gerügt, daß daß wir von der Partei des Demokratischen Sozialis- sie die Ausschußberatungen verlassen haben. mus den Haushalt 1996, wie er vorgelegt worden ist, in Gänze ablehnen, und dies nicht, weil Opposition (Roland Sauer [Stuttgart] [CDU/CSU]: Ist gemeinhin so verfährt oder weil wir nicht den einen doch egal, ob Sie dabei oder weg sind!) oder den anderen Ausgaben- oder Einnahmenände- rungsantrag hätten mittragen können. Aber ich frage Sie: Welche Basis hatten Sie denn eigentlich für eine weitere Sachmitarbeit gelegt, Wir lehnen dieses Papier erstens ab, weil es sich Herr Weng und Herr Roth? Wochenlang haben Sie inzwischen um Makulatur handelt, weil dieses Opus jede Erbse aus einem Oppositionsantrag dreimal mit einem spitzen Bleistift zurechtgerechnet worden gezählt und dann doch weggeworfen. ist, weil es Haushaltsrisiken in Fülle enthält und weil die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes unverant- (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: wortlich hinters Licht geführt werden. Ein Mißbilli- Die guten ins Töpfchen!) gungsantrag gegenüber dem Finanzminister ist wohl Als dann aber der Finanzminister plötzlich innerhalb das Gelindeste, was man in dieser Debatte fordern von Minuten einen unverdaulichen, 20 Milliarden kann. DM schweren Gesteinsbrocken präsentierte, waren (Beifall bei der PDS) Sie nicht einmal schockiert, sondern sie wiegelten Zweitens lehnen wir diese Vorlage ab, weil aus ab. Dies trifft meiner Meinung nach vor allen Dingen jedem Einzelplan und aus dem Gesamtpaket eine für die Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. zu, kurzatmige Politik lugt. Sie hangeln sich doch, Herr die immer heimlich die Faust in der Tasche machen, Finanzminister - er ist im Moment nicht da -, aber sie öffentlich nicht auf den Tisch hauen. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Stimmt doch (Beifall bei der PDS) gar nicht!) Das sind schon böse Erfahrungen, die man macht. von Jahr zu Jahr. Die optimistischen Daten, die Sie in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung gegeben haben, Der Ausschußvorsitzende hat in den oft hochschla- sind im Haushaltsvollzug nie eingehalten worden. genden Wellen - zumindest in der letzten Phase Vor drei Jahren haben Sie für das kommende Jahr schlugen sie besonders hoch - äußerlich wie ein Fels 1996 eine Neuverschuldung von nur 22 Milliarden in der Brandung gewirkt, und er war um Begrenzung DM versprochen. Inzwischen wird sie dreimal so der atmosphärischen Schäden sehr bemüht. Dafür hoch sein. Sie nennen das eine Punktlandung. gebührt ihm der Respekt, den ich ihm namens der PDS-Vertreterinnen und -Vertreter im Haushaltsaus- Für 1999 haben Sie den Bürgerinnen und Bürgern schuß gern zolle. nun 29 Milliarden DM Neuverschuldung verspro- chen. Ob Ende des Jahrhunderts eine Multiplikation (Beifall bei der PDS) mit dem Faktor drei ausreichend sein wird, das wage Wie aber können Sie, verehrte Kolleginnen und ich sehr zu bezweifeln. Das wird wahrscheinlich wie- Kollegen von der Koalition, dem Finanzminister den der eine Landung auf dem Punkt; aber ich fürchte, plötzlichen Steueroffenbarungseid so widerspruchs- dieser Punkt wird die Größe eines Bombentrichters los abnehmen? haben. (Beifall bei der PDS) (Unruhe bei der CDU/CSU) 6076 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Dr. Christa Luft - Hören Sie doch einmal zu. Das ist es doch, was in haben das öffentliche Vermögen in Ihrer Regierungs- diesem Parlament wenigstens möglich sein sollte. zeit so gut wie verschwinden lassen. Jeder sollte unabhängig von der politischen Farbe seiner Partei seine Meinung sagen können. ( Vo rs it z : Vizepräsident Hans-Ulrich Klose) - (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne Schuldenberge türmen sich auf. Obwohl Sie ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) besonders in den 80er Jahren munter privatisiert haben, ist die öffentliche Verschuldung laufend Sie können sich doch nicht mit den honorigen Leu- gestiegen. Das nenne ich eine Versündigung an den ten herausreden, die die Steuerschätzungen zu ver- Kindern und Enkeln, denen Sie die Erblast verfehlter antworten haben. Soll der Finanzminister doch in Finanz- und Wirtschaftspolitik hinterlassen. den erlauchten Kreis dieser Schätzer auch Experten aufnehmen, die nicht blind den Selbstheilungskräf- (Beifall bei der PDS - Wolfgang Zöller ten des Marktes frönen. Aber eine Kontraposition, [CDU/CSU]: Sie und Erblasten!) ein rechtzeitiger Widerspruch ist ihm und offenbar auch Ihnen von der Koalition nicht genehm. Sie sind nicht einmal dem Rat Ihrer Großmütter gefolgt, die sicherlich wie auch meine gesagt haben: (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Es kam nicht nur von den Steuerschätzern, son- (Beifall bei der PDS - Wolfgang Zöller dern auch von der Regierung bis kurz vor Tores- [CDU/CSU]: Wenn Sie das gemacht hätten, schluß nichts als Gesundbeterei. Ich könnte Ihnen wären Sie nicht hier! - die Antworten zitieren, die uns Herr Minister Rexrodt [CDU/CSU]: Spare in der Not, dann hast du auf Kleine Anfragen gegeben hat, in denen es immer Zeit dazu!) hieß, die Bundesrepublik erfreue sich eines expansi- ven Wachstumskurses. Das war noch bis Ende Sep- Sie haben in den 80er Jahren konjunkturell gün- tember schriftlich von Ihnen zu bekommen. stige Entwicklungen gehabt. Sie haben die 80er Jahre nicht genutzt. Herr Buwitt, Sie müssen das Der Finanzminister sonnte sich gar bis Anfang zugeben. Oktober - vor allem im Ausland - im Glorienschein (Zurufe von der CDU/CSU) des erfolgreichen Haushaltssanierers. Ich frage Sie: Was hat Trickserei auf der Einnahmenseite mit Haus- - Ich rede nicht von der Zeit ab 1989. Ich rede von haltssanierung zu tun? den Jahren davor. - Sie haben die 80er Jahre nicht Von der sozialen und fiskalischen Wahnsinnsidee, genutzt, um auch nur eine einzige Mark, die Sie aus 44 000 Wohnungen innerhalb eines Jahres privatisie- Privatisierungserlösen erhalten haben, zu nehmen, ren zu wollen, war hier schon die Rede. Aber wir wol- um die nationale Bürde abzubauen. len doch nicht übersehen, daß das Wohnungen Ich komme zu den haushaltspolitischen Inkonse- waren, die mit öffentlichen Geldern gebaut wurden, quenzen der Regierung und der Koalitionsabgeord- und zwar für sozial Schwache. Jetzt sollen Private neten. Sie sagen: Das Haushaltsgesetz schreibt vor, daran verdienen. Das nenne ich ein Vergehen am das, was für das kommende Jahr an Ausgaben vor- Steuerzahler. auszusehen ist, muß auch etatisiert werden. Das (Beifall bei der PDS) haben Sie bei den Diäten getan. Sie stilisieren die Privatisierung von Bundesver- Darf ich das Faktum, daß Sie im Etat 1996 für die mögen zu einer ordnungspolitischen Tugend. Es ist Beseitigung der Strafelemente im Rentenrecht und nichts dagegen zu sagen, daß man die Privatisierung für die Behebung der Überführungslücken im Ren- do , wo sie vernünftig ist, machen muß. Aber Sie sti- rt tenüberleitungsgesetz keine einzige Mark bisher lisieren sie zu einer ordnungspolitischen Tugend. vorgesehen haben, als Signal dafür nehmen, daß Sie Wenn Sie wenigstens zugeben würden, daß Sie sich entgegen ihren öffentlichen Ankündigungen keinen mit Ihrer Politik in ein Finanzloch manövriert haben Handlungsbedarf mehr sehen? und jetzt nach jedem Strohhalm greifen, ob er sich eignet oder nicht. Dann, meine Damen und Herren von der Koalition Sie schlachten die Henne, nur um an das Ei zu und von der Regierung, müssen Sie das aber der kommen, bevor es gelegt wurde. Das muß man ein- Öffentlichkeit auch ganz deutlich mitteilen. mal öffentlich sagen. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der PDS) Noch ein Faktum. Sie haben gestern, vorgestern Für einen kurzfristigen Einmaleffekt opfern Sie einen und auch heute den IG Metall-Chef Zwickel für dauerhaften Vorteil, nämlich die Quelle, mit der die seine Vorschläge, die er unterbreitet hat, gelobt. öffentliche Hand ihren grundgesetzlichen Pflichten Dann kann ich aber nicht verstehen, wie Sie heute zum Leistungsangebot für die Allgemeinheit zu gün- nachmittag noch über die Reform - oder besser stigen Bedingungen nachkommen kann. gesagt: über die Kürzung - der Arbeitslosenhilfe reden wollen. Sie schaffen ja damit vom Parlament Was werden Sie, Herr Roth, Herr Weng und Herr aus schon wieder Fakten, bevor Sie überhaupt mit Finanzminister Waigel, künftigen Generationen noch Herrn Zwickel über sein Angebot diskutiert haben. an öffentlichem Vermögen und damit an Rückhalt Das ist doch unredlich! und als Sicherheitspolster hinterlassen? Sie haben das in Ihrer Regierungszeit noch vorgefunden. Sie (Beifall bei der PDS) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6077

Dr. Christa Luit Wir sind in einem Punkt mit den Koalitions- und Gehen Sie endlich mit dem DDR-Vermögen, das mit den Oppositionsparteien kaum auseinander. Wir dem Bund gehört, so um, daß es Nutzen abwirft und meinen auch, die Nettokreditaufnahme hat einen nicht weiter vor sich hinmodert wie große Teile des Pegel erreicht, dessen Überschreitung einen nicht Auslandsvermögens. kaltlassen darf; dies aber nicht wegen der rechtzeiti- - (Beifall bei der PDS) gen Erreichung der Maastricht-Kriterien, wie es des Finanzministers Ehrgeiz ist, sondern um den gegen- Setzen Sie eine Expertenkommission ein, die das Für wärtigen Lohnsteuerzahlern und den künftigen und Wider der Besteuerung spekulativer Börsenum- Generationen nicht den Atem abzuschnüren und um sätze kritisch durchleuchtet, anstatt diese Idee von endlich wieder die finanzpolitischen Spielräume für vornherein in den Papierkorb zu werfen. Warum soziale Projekte auszudehnen. ergreift der Finanzminister, der sich international auf jeder Bühne gerne feiern läßt, nicht die Initiative, um Wir haben uns daher - ich hoffe, das haben Sie dieses Thema ebenfalls auf die internationale Bühne bemerkt - in der zweiten Lesung auf die arbeits- zu bringen? marktpolitischen, bildungspolitischen und woh- (Beifall bei der PDS) nungspolitischen Anträge konzentriert, die nach unseren Vorstellungen gegenfinanzierbar sind. Wenn die Bundesrepublik Deutschland, wenn die Natürlich sind unsere gesellschaftspolitischen Bundesregierung, wenn die Koalitionsabgeordneten Schwerpunkte andere als Ihre, aber den Populismus endlich das gleiche Tempo wie bei der Änderung von Vorwurf können Sie sich endlich ersparen. Gesetzen zur Absenkung sozialer Leistungen auch bei der Mittelumschichtung bzw. der Schaffung (Beifall bei der PDS) gesetzlicher Grundlagen für die Erhöhung der Steu- In der energischen Rückführung der öffentlichen ereinnahmen an den Tag legen würden, dann könn- Schuldenlast, dieser ungeheuren Bürde, sollten alle ten bereits im Laufe des Jahres 1996 erhebliche Parteien eine Aufgabe von nationalem Rang sehen. beschäftigungspolitische Wirkungen erzielt werden. Diese Lösung läßt sich allerdings nicht herbeiführen, Ich danke Ihnen. indem man nur weiter Tafelsilber verkauft oder indem man sich kaputtspart. Sie müssen endlich dort (Beifall bei der PDS) anpacken, wo die Chancen für die Überwindung der Misere liegen. Agieren Sie doch in der Regierung Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Für die Bundes- nicht weiter auf Nebenschauplätzen: Ladenschlußge- regierung hat jetzt Herr Minister Dr. Waigel das setz, die Kürzung der Arbeitslosenhilfe, jetzt das Wort . Neueste: die Schaffung von 500 000 Arbeitsplätzen über subventionierte Dienstleistungschecks für Leih- kräfte in privaten Haushalten. Das führt doch aus der Dr. Theodor Waigel, Bundesminister der Finanzen: Sackgasse nicht heraus. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Dienstag hatten wir noch die Hoffnung, die Opposi- Wenn dieses Hecheln von Jahr zu Jahr nicht anhal- tion werde sich auf ihre gesamtstaatliche Verantwor- ten soll, dann müssen Sie sich bequemen, endlich tung besinnen und zu einer sachorientierten Diskus- Einnahmequellen zu nutzen, die Sie bisher geschont sion zurückkehren. oder arrogant verweigert haben. Bekämpfen Sie die Steuerhinterziehung! Allein eine 10prozentige Ein- (Zuruf von der SPD: Fängt er schon wieder dämmung dieses Betrugs könnte noch im Jahre 1996 an!) 15 Milliarden DM zusätzliche Einnahmen bringen. Im Lichte des Leitantrags für Ihren Parteitag waren Eine solche 10prozentige Kürzung werden Sie sich ja wir immerhin mit bescheidenen Hoffnungen davon wohl wenigstens zutrauen. ausgegangen, bei dieser Debatte konstruktive Vor- (Beifall bei der PDS) schläge von der Opposition zu hören. Dies wäre übrigens auch ein Arbeitsbeschaffungs- Diese Haushaltswoche hat statt dessen einmal programm für Tausende von Finanzbeamten. mehr bestätigt: Sie haben kein Konzept, sondern nur Polemik angeboten. Verlängern Sie die Verjährungsfristen für Finanz- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) delikte im gewerblichen Bereich, beispielsweise auf 15 Jahre. Holen Sie die zweistelligen Milliardenbe- Sie erweisen sich als unfähig, dringende Zukunfts- träge zurück, um die westdeutsche Geldinstitute den probleme des Standorts Deutschland mit einer Bund und damit den west- und ostdeutschen Steuer- modernen Wirtschafts- und Finanzpolitik anzugehen. zahler beim Verkauf der DDR-Banken geprellt Die Diskussion in dieser Woche hat wieder einmal haben. bewiesen: Zur Finanzpolitik dieser Koalition gibt es (Beifall bei der PDS) keine Alternative. Die altbundesdeutschen Geldinstitute haben die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) DDR-Schulden, von denen man abschätzig sagt, sie seien ja nur in Aluchips gemacht, inzwischen versil- Zu Ihnen, Herr Wieczorek, auch als Vorsitzender bert und vergoldet. des Haushaltsausschusses: Ich habe am 29. Sep- tember keine neuen Eckdaten, sondern Annahmen (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja zum und Schätzungen von mir gegeben. Der SPD und Totlachen!) Ihnen standen die gleichen Informationen zur Verfü- 6078 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Bundesminister Dr. Theodor Waigel gung. Sie wissen, daß es ein sehr offener, transparen- nicht zu weit! Sie wissen sehr wohl, daß das sonst für ter Prozeß ist, wie sich die Steuereinnahmen von Sie und für mich erhebliche Probleme mit sich brin- Monat zu Monat entwickeln. gen könnte. (Zuruf von der F.D.P.: Sehr wahr!) (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Nichts von der Beratung des Haushaltsausschusses Herr Kollege Weng, Sie haben mich zum Thema ist durch diese neue Einschätzung überflüssig Mehrheitswahlrecht ganz persönlich angesprochen. geworden. Sie tun manchmal so, als hätten Sie Ich will dem Thema auch hier nicht ausweichen. Es wochenlang vergeblich über die anderen Dinge ist ein Vorschlag, den der SPD-Abgeordnete Penner beraten. Nichts ist davon überflüssig oder Makulatur gemacht hat. geworden. (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr gut! - Dr. Was nun meine Tischvorlage anbelangt, so kann Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Nomen ich nur sagen: Wenn Sie künftig so etwas nicht mehr est omen!) wollen, dann machen wir das nicht mehr. Es gab bloß bei Ihnen keine Nachfragen zu den Themen, die wir 1966 hat einen solchen Vorschlag angesprochen haben, zusammen mit anderen gemacht. Unser Bedarf an Diskussion zu diesem Thema ist seitdem erschöpft. (Karl Diller [SPD]: Falsch!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) weil Sie das Spektakel wollten und nicht die Diskus- Ich hoffe, daß wir alle uns darüber im klaren sind. sion, nicht die Information, nicht die Aufklärung. Völlig unverständlich und widersprüchlich sind die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Ausführungen des SPD-Fraktions- und -Parteivorsit- Zuruf von der SPD: Das ist unwahr!) zenden Scharping, was Maastricht und die Kriterien Herr Kollege Wieczorek, Sie haben sehr oft das anbelangt. Wir sind seit Monaten mit unseren Part- Wort „unredlich" verwandt. Ich weiß nicht, ob Sie nern im Gespräch. Ich habe am 30. September beim schon 1981 dem Haushaltsausschuß angehörten. informellen Ecofin in Valencia noch einmal einen Vorschlag gemacht, wie sich die Länder, die die (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ja!) dritte Stufe erreichen, dann finanzpolitisch verhalten - Dann müßten Sie sich noch sehr genau daran erin- sollten, um auf die Dauer ein Funktionieren einer nern, daß Sie damals ohne Ergänzungsvorlage nur Wirtschafts- und Währungsunion erreichen zu kön- durch eine mündliche Unterrichtung den Haushalt in nen. der Bereinigungssitzung entsprechend angepaßt Diese Vorschläge von uns sind auf großes Interesse haben. und auf Zustimmung der Partner gestoßen. Sie ent- (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das halten keine Vertragsänderung und keine Nachver- hat auch wehgetan!) handlungen, damit darüber Klarheit besteht. Ein SPD-Abgeordneter im Europäischen Parlament hat War dies dann unredlich? zu Recht festgestellt: Mit der Kritik am Vertrag ste- (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ja!) hen die Vertragstreue der Bundesrepublik und die Verläßlichkeit der deutschen Sozialdemokraten auf - Ach so, das war unredlich. Warum haben Sie sich dem Spiel. denn damals nicht geäußert, daß dies unredlich ist? Wenn 1981 etwas unredlich war, dann mußte man Ich darf die Kernelemente unseres Vorschlags noch sich damals schon dazu äußern. Dann hat man auch einmal nennen: 3 Prozent Defizit sind die absolute das Recht, das gleiche ein paar Jahre später zu Obergrenze, auch in wi rtschaftlich ungünstigen Zei- sagen. Aber Sie dürfen nicht jetzt damit kommen, ten. 1 Prozent Defizit ist das mittelfristige Ziel für die wenn Sie damals geschwiegen haben. wirtschaftliche Normallage. Abweichungen davon sind nur mit Zustimmung der Partner und in extre- (Beifall bei der CDU/CSU) men Ausnahme- und Notfällen möglich. Die Teilneh- Trotzdem, Kollege Wieczorek, möchte ich als Bun- mer der dritten Stufe gründen einen Stabilitätsrat, desfinanzminister Ihnen für Ihre faire, überparteili- der über die Koordination der nationalen Finanzpoli- che und kluge Leitung des Haushaltsausschusses tiken berät. danken. Beim Überschreiten des 3-Prozent-Defizits - das ist Herr Kollege Metzger, Sie haben recht: Wir haben auch wichtig - treten automatisch Sanktionen in noch weiteren Konsolidierungsbedarf. Die Konsoli- Kraft. Der betroffene Mitgliedstaat in der dritten dierung ist nicht zu Ende, sondern sie muß fortge- Stufe hat - das ist ein Vorschlag - pro angefangenen setzt werden. Sie beginnt aber auch nicht erst; denn Punkt Defizitüberschreitung 0,25 Prozent seines zwei Drittel der Lasten der deutschen Einheit sind Bruttoinlandsprodukts als Stabilitätseinlage abzu- über Umschichtungen und über Einsparungen bisher führen. Werden die 3 Prozent wieder unterschritten, schon finanziert worden. Aber der Prozeß muß wei- wird die Einlage zurückgezahlt. Ist das Defizitziel tergehen. nach zwei Jahren weiterhin verfehlt, wird die Stabili- tätseinlage in eine Geldbuße umgewandelt und in (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) den EU-Haushalt eingestellt. Allerdings, Herr Kollege Metzger: Treiben Sie Ihre Das sind, so meine ich, wirksame und schnell wir- Annäherung an die Finanzpolitik der Regierung kende Mechanismen, mit denen die Eingangskrite- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6079

Bundesminister Dr. Theodor Waigel rien nicht verändert, erschwert oder erleichtert wer- Was haben Sie in den letzten Jahren nicht alles für den, sondern mit denen sehr wohl weiterführende, „Löcher" beschworen und sind selber hineingefal- auf Dauer ausgerichtete Merkmale und Möglichkei- len! ten angeboten werden, die die Länder, die die dritte (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der Stufe erreichen, unter sich vereinbaren sollten. F.D.P.) Wir haben diese Fragen bilateral mit allen unseren Seit 1989 haben wir in jedem Jahr die veran- Partnern und natürlich auch im Rat besprochen, und schlagte Neuverschuldung unterschritten: 1989 um wir werden das weiter tun. Unser Ziel ist es, ein rund 9 Milliarden DM, 1990 um rund 20 Milliarden hohes Maß an Gemeinsamkeit zu erreichen. Unser DM, 1991 um rund 10 Milliarden DM, 1992 um rund Ziel ist es, damit Akzeptanz in allen Ländern, auch 2 Milliarden DM, 1993 um rund 1,5 Milliarden DM bei uns, zu erreichen. Und unser Ziel ist es, damit und 1994 um rund 19 Milliarden DM. Seit 1989 hat Akzeptanz auf den Finanzmärkten zu erreichen - das der Bund also 60 Milliarden DM weniger Schulden ist auch erfolgreich -, um Turbulenzen auszuschlie- gemacht als geplant. ßen, die sonst denkbar wären. (Zuruf von der F.D.P.: Sehr gut!) Meine Damen und Herren, die Erfahrungen von Die Ausgaben des Haushalts 1996 sinken im Ver- 40 Jahren zeigen: Die harte Mark hat dazu beigetra- gen, Investitionen und Innovationen immer wieder gleich zum Haushalt 1995, bereinigt um die System- umstellung beim Kindergeld. Hier schlägt sich das anzukurbeln, Importpreise günstig zu halten. Davon Ergebnis unserer Sparanstrengungen in Mark und haben wir letztlich profitiert. Pfennig nieder. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sie, Frau Matthäus-Maier, wollen eine Hochrech- nung auf das Ist-Ergebnis des Jahres 1995 mit dem Wenn man mir vorwirft, wenn ich auf die harten Kri- Ausgaben-Soll für 1996 vergleichen. Das ist absolut terien und ihre strikte Einhaltung hinweise, ich hätte unzulässig; denn dann hätten wir Monat für Monat Deutschland damit volkswirtschaftlichen Schaden eine andere Steigerungsrate. Das Ergebnis der Ein- zugefügt, sparungsbemühungen wird eindeutig durch den (Zuruf von der F.D.P.: Unglaublich!) Vergleich von Soll zu Soll dokumentiert. Wenn Sie, Frau Kollegin, anschließend wieder mit dann, meine Damen und Herren, stellt sich die altbekannten Themen Ihre Philippika anstimmen, Frage: Will jemand eine Aufweichung? Will jemand dann gönne ich Ihnen das heuer. Das dürfen Sie tun. eine weichere Mark? Meint jemand, mit Subven- Sobald die Resozialisierungsphase des Ministerpräsi- tionswettlauf und Abwertungswettlauf könnten wir denten Schröder in der SPD abgeschlossen ist, wer- die Fragen der Zukunft lösen? - Doch ganz sicher den wieder die Troikaner kommen. Dann müssen Sie nicht. in das zweite Glied zurücktreten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, nun noch einige Meine Damen und Herren, auch wenn wir die Anmerkungen zum Haushalt 1996. Die Einbezie- geplanten mit den tatsächlichen Ausgaben seit 1989 hung der Steuerausfälle in den Haushalt 1996 ist vergleichen, zeigt sich ein günstiges Bild: 1989 nach einem absolut normalen und durch die Bundes- betrug die Minderausgabe 1,5 Milliarden DM, 1990 haushaltsordnung jederzeit gedeckten Verfahren in 16 Milliarden DM und 1991 8,5 Milliarden DM. 1992 der Souveränität des Haushaltsausschusses abgelau- gab es Mehrausgaben in Höhe von 2 Milliarden DM. fen. 1993 gab es eine Minderausgabe von 0,5 Milliarden DM und 1994 von 9 Milliarden DM. Die Minderaus- Ich habe zu den lange anstehenden Privatisierun- gaben in den Jahren von 1990 bis 1994 betragen ins- gen schon Stellung bezogen. Ich erinnere nur daran, gesamt rund 34 Milliarden DM. daß der Bericht zur Privatisierung der Postbank im Haushaltsausschuß vorlag. Meine Damen und Herren, das Investitionsvolu- men übersteigt um etwa 5,5 Milliarden DM klar die Ein Ergänzungshaushalt ist weder notwendig noch Investitionen des Jahres 1994. Der Anteil der Investi- geboten. Gerade die Bereinigungsvorlage dient tionen an den Gesamtausgaben wird auch 1996 mit dazu, Verzögerungen bei der Haushaltsaufstellung 14,8 Prozent deutlich über dem Stand des Jahres zu vermeiden. Jede Verzögerung stört das Vertrauen 1989 mit 13,5 Prozent liegen. Wir haben also eine der Märkte, behindert die Kapitalbildung und damit hohe Investitionsquote, und das ist für das Wachstum die Investitionen in Ost und West. in Deutschland gut.

Ihnen von der Opposition ist es doch nicht darum (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gegangen, ein anderes Haushaltsverfahren zu errei- Auch weiterhin fließt ein überproportionaler Teil chen. Was Sie wollen, ist Unruhe. Was Sie wollen, ist der Investitionsausgaben in die neuen Länder. Unsicherheit. Was Sie wollen, ist, aus der Unsicher- heit Kapital zu schlagen. Damit, meine Damen und Meine Damen und Herren, noch ein Wo rt zu den Herren, haben Sie bei uns aber keinen Erfolg! Subventionen. Der Konsolidierungskurs des Bundes wird auch bei den Subventionen und Finanzhilfen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) fortgesetzt. Zwar steigen die Finanzhilfen im Jahre 6080 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Bundesminister Dr. Theodor Waigel 1996 wegen der Kohleverstromung gegenüber 1995 der Sozialstaat Deutschland, und er geht auf unsere an. Bereits jetzt hätten wir ohne die Übernahme der Leistungen zurück. Kohlelasten in den Bundeshaushalt insgesamt einen Rückgang bei den Subventionen zu registrieren, der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) insbesondere in den alten Ländern sehr deutlich aus- fiele. Ein Wort zur Steuerschätzung. In der Wochenzeit- schrift „Die Woche" hat sich der beteiligte Steuer- Die Erfolge des Subventionsabbaus lassen sich schätzer des Ifo-Institutes Josef Körner zu Prognose- leicht an einer Relation ablesen: Während die fehlern geäußert. Zur Erhellung darf ich Ihnen vorle- Summe der Finanzhilfen und Steuervergünstigungen sen: des Bundes 1980 noch 1,7 Prozent des Bruttosozial- produktes ausmachten, betrug dieser Anteil im Jahre 26 Milliarden DM sind viel Geld, aber nur 1989 1,3 Prozent und liegt 1996 bei rund 1,2 Prozent. 3 Prozent des Steueraufkommens. Eine Fehler- Er würde noch um 0,2 Prozent sinken, wenn wir die marge von 2 Prozent ist normal. Verstromungshilfen herausrechneten. Und weiter: Es bleibt dabei: Der Subventionsabbau muß voran- gebracht werden. Prognosen bei Einkommen- und Körperschaft- steuer sind dagegen recht schwierig ... (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) Auf die Frage: „Was kann man verbessern?" gibt Steuergelder dürfen nicht dafür verwendet werden, Körner eine klare Antwort: „Unsere Arbeit gerechter überkommene wirtschaftliche Strukturen auf Dauer beurteilen. " zu subventionieren und damit den Strukturwandel hin zu einer modernen, international konkurrenzfähi- Wenn Ihnen etwas nicht paßt, dann fragen Sie ein- gen Wirtschaft zu bremsen. mal, warum uns die Mehrheit der Ländervertreter nicht etwas anderes gesagt hat. Mich hier der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Unwahrheit und der Falschinformation zu zeihen, dort mitzuwirken und dies zu akzeptieren, ist unred- Zu dem Punkt haben Sie doch in den letzten Jahren lich, Herr Kollege Wieczorek. überhaupt nichts beigetragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, in verschiedenen Debattenbeiträgen ist behauptet worden, die Haupt- Noch ein Wo rt zu den DDR-Banken; dieses Thema last der Konsolidierung im Bundeshaushalt fiele auf haben Sie, Frau Luft, noch einmal aufgegriffen. die neuen Länder. Zunächst einmal: Rund ein Drittel Bereits unter der Regierung Modrow, der Sie ja ange- der Zinslasten, die wir 1996 zu bewältigen haben, hörten, sind bindende Vereinbarungen über die sind Zinserstattungen für den Erblastentilgungs- Rechtsnachfolge der DDR-Banken nach bestem Wis- fonds und den Fonds „Deutsche Einheit". Sie stehen sen und Gewissen und unter Berücksichtigung aller damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wie- verfügbaren Daten getroffen worden. Nach dem dervereinigung. 3. Oktober haben wir uns intensiv bemüht, schnell ein für den Wiederaufbau unbedingt notwendiges, 1996 werden rund 97 Milliarden DM aus dem Bun- funktionierendes Bankensystem aufzubauen. deshaushalt nach Ostdeutschland fließen. Zusätzlich trägt der Bund im Rahmen des neu geregelten Wir haben hier keiner Frage auszuweichen, und Finanzausgleichs mit rund 36 Milliarden DM zur wir tun dies auch nicht. Aber das ist die alte Sicherung der Finanzausstattung der neuen Länder Methode, wie in der letzten Legislaturperiode, näm- bei. Mit diesen rund 133 Milliarden DM liegen wir lich sehr schnell etwas zu unterstellen und jemanden deutlich über dem Transferniveau der Jahre 1991 bis zu diffamieren. Das werden wir nicht zulassen. 1994. Das gilt auch für den Nettotransfer. Auf eines bin ich sehr stolz: Wir haben der Regie- Meine Damen und Herren, auf Grund der erfreuli- rung Modrow und Luft die 15 Milliarden DM, die sie chen wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen damals haben wollte und die sie in den Orkus Ländern werden die Aufwendungen zum Beispiel im geschmissen hätte, Gott sei Dank nicht gegeben. Das Bereich des Arbeitsmarktes zurückgehen, und das ist war eine wichtige und richtige Entscheidung. positiv. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Noch ein Wort zum Sozialbudget. Wenn man immer wieder von Sozialabbau, Kahlschlag und ähn- Wir haben um jede Mark gekämpft. Im deutsch- lichen Dingen spricht, so muß ich sagen, daß zwi- russischen Überleitungsabkommen konnte der Auf- schen 1990 und 1995 die Sozialausgaben des Bundes wand für den frühzeitigen Abzug der russischen von 103 Milliarden DM auf 175 Milliarden DM stie- Truppen auf 17 Milliarden begrenzt werden. Meine gen. Ihr Anteil am Bundeshaushalt stieg von 27 auf Damen und Herren, wenn man sich heute, nach fünf fast 37 Prozent. Die gesamten Sozialausgaben in Jahren, die Situation im Kaukasus vor Augen führt, Deutschland stiegen gleichzeitig von knapp muß man sagen: Ein solches Ergebnis hätten wir nie 800 Milliarden DM auf über 1 100 Milliarden DM, wieder erzielt. Heute sagen die Gesprächspartner das heißt, von 29 auf 31 Prozent des Bruttosozialpro- von damals: Wenn wir eine Null drangehängt hätten, duktes. Dies ist und bleibt ein Sozialstaat, nämlich hättet ihr es auch in zehn Jahren bezahlt. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6081

Bundesminister Dr. Theodor Waigel Wir sind mit dem Geld des deutschen Steuerzah- internationale Organisationen, 66 Milliarden DM an lers auch bei der Wiedervereinigung sehr gewissen- Entwicklungsländer. haft und sehr sparsam umgegangen. Das ist eine stolze Bilanz. Wir haben sie gemeistert (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und verfügen neben Luxemburg heute über die- besten finanzpolitischen Kennziffern in Europa, und Acht Milliarden DM Nachforderungen der russi- auf diese Leistung sind wir stolz. schen Seite für die freigemachten Liegenschaften haben wir in Sawidowo damals abgewehrt. Für die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) deutschen Transfer-Rubel-Guthaben konnte bislang Nur, auch jenseits von Angebot und Nachfrage in schwierigen und langwierigen Verhandlungen muß man einmal fragen: Was steht auf der Sollseite, immerhin ein Gegenwert von über 1 Milliarde DM und was steht auf der Habenseite? Auf der Haben- hereingeholt werden. An Auslandsforderungen der seite dieser Bilanz steht die deutsche Einheit, stehen ehemaligen DDR in westlichen Währungen wurden Freiheit und Demokratie unseres Vaterlandes. Auf bisher rund 3,5 Milliarden DM eingezogen bzw. der Habenseite steht der Aufbau einer leistungsfähi- sichergestellt. gen Wirtschaft und Infrastruktur in den neuen Bun- Zu den Defiziten und zu den Schulden: In der Zeit desländern, und auf der Habenseite steht das Ende der sozialdemokratischen Finanzminister hat sich die des Eisernen Vorhangs - eine Jahrhundertchance für Frieden, Freiheit und Wohlstand in ganz Europa. Schuldenquote des Bundes von 7 Prozent auf 19 Prozent mehr als verdoppelt. Seit 1982 ist sie um Das ist in Ihren Diskussionsbeiträgen nicht einmal 2,5 Prozentpunkte gestiegen. in Ansätzen zum Ausdruck gekommen, nämlich das, worauf wir eigentlich im ganzen deutschen Volk, bei 1989 hatte der Staatssektor einen leichten Über- allen demokratischen Kräften, stolz sein dürfen. schuß; es gab insgesamt eine Nettotilgung. Ohne die Wiedervereinigung - Gott sei Dank kam sie - hätten (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wir die Bundesschuldenquote deutlich zurückge- führt. Trotz der Einheit erfüllen wir heute die Defizit- Noch ein Wort zur Steuerquote: Sie beträgt im Jahr kriterien von Maastricht. 1995 24,5 Prozent. Weiß eigentlich die SPD noch, wie die Steuerquote in sozialdemokratischer Zeit war? In allen gebräuchlichen Statistiken der internatio- 1977 lag die Steuerquote bei sage und schreibe nalen Institutionen stehen wir hervorragend da. Wir 26,5 Prozent. brauchen uns überhaupt nicht selbst zu beweihräu- Meine Damen und Herren, Sie kennen doch die chern. Das kann man nachlesen, wenn man die Struktur ganz genau; Sie wissen, daß heutzutage Dokumente zu Rate zieht. Sie können sie weder zwei Drittel des Lohnsteueraufkommens vom oberen bezweifeln, noch können Sie sie fälschen. Das sagen Viertel der Lohnsteuerpflichtigen getragen werden. die OECD, der IWF und die Europäische Kommis- Hier handelt es sich doch nicht mehr um die Arbeiter sion. im klassischen Sinne. Es sind dabei vielmehr die von Wenn Sie noch einmal die 2 000 Milliarden DM Ihnen so oft geschmähten „Besserverdienenden", die Schulden ansprechen, dann gebietet es schon ein leitenden Angestellten oder auch die ehemals Selb- Mindestmaß an Anstand, ihre Verteilung darzustel- ständigen, die heute als Geschäftsführer von GmbHs len. fungieren und die seit dem Körperschaftsteuergesetz (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Ja!) 1977 nun Lohnsteuer zahlen. 300 Milliarden DM Schulden hat diese Koalition von Klar ist doch auch, daß die Unternehmen in Ost ihren Vorgängern übernommen. 700 Milliarden DM und West, die wir zu Investitionen im Osten ermutigt Schulden gehen auf das Konto von Ländern und haben und denen wir die Voraussetzungen dafür Gemeinden. 450 Milliarden DM Schulden gehen geschaffen haben, heute nicht die entsprechende direkt auf das Konto von 40 Jahren Sozialismus, im Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuer zahlen Erblastentilgungsfonds und im Fonds „Deutsche Ein- können. heit". Wir haben gerade auch in unserer Steuerpolitik, beim Jahressteuergesetz die unteren Einkommens- Daß die PDS hierherkommt und diese Schulden schichten und die Familien überproportional im kritisiert, das ist eine intellektuelle Unredlichkeit Sinne einer vernünftigen sozialen Symmetrie entla- ganz besonderer Art. stet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So ist das! ordneten der F.D.P.) - Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) Was haben wir in den letzten vier Jahren finanzpoli- Wenn Sie, Herr Kollege Poß, und Ihre Freunde die tisch bewegt? Der Bund hat 500 Milliarden DM für Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform den Aufbau der neuen Bundesländer ausgegeben. durch Rückführung der degressiven Abschreibung An die GUS-Staaten gingen 100 Milliarden DM, um für bewegliche Wirtschaftsgüter kritisieren, so dort Stabilität und Demokratie herbeizuführen, möchte ich an Ihr Modell für eine Reform der Unter- 45 Milliarden DM an die mittel- und osteuropäi- nehmensteuern aus dem Jahr 1992 erinnern. schen Staaten, um ihnen die Chance zu geben, wie- der nach Europa zurückzukommen und an der Inte- In diesem Modell haben Sie selber eine Rückfüh- gration Europas teilzunehmen, 30 Milliarden DM an rung der Abschreibung von 30 auf 25 Prozent vorge- 6082 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 Bundesminister Dr. Theodor Waigel sehen. Es ist schon eine merkwürdige Sinneswand- Meine Damen und Herren, das sind, wohlgemerkt, lung, die hier stattfindet. Wenn wir etwas tun, dann alles Kommentare seriöser Wirtschaftsjou rnalisten. wird das abgelehnt, was man 1992 selber noch für So wie die Kommentatoren recht haben, Herr Waigel, richtig empfunden hat. so mißbilligen wir ausdrücklich Ihr Vorgehen im Zusammenhang mit diesen Haushaltsberatungen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Jeder frühere Finanzminister, der einen solchen Konjunktur und Finanzmärkte, das alles hat auch Schlamassel zu verantworten gehabt hätte, wäre von mit Vertrauen zu tun. Vertrauen ist für die Politik not- seinen eigenen Leuten zum Rücktritt gezwungen wendig. Es ist notwendig, daß Bürger Vertrauen in worden. die Politik und in die Politiker haben. (Beifall bei der SPD) Die Akzeptanz zeigt sich oft in ganz nüchternen Die Waigelschen Fehlleistungen in der Finanzpoli- Zahlen. In meinem Wahlkreis Neu-Ulm bin ich mit tik sind doch schon sprichwörtlich: erst der Waigel- 58,6 Prozent gegenüber 27,1 Prozent der SPD sche Steuerbuckel, dann die Waigelschen Haushalts- gewählt worden. Als Spitzenkandidat der CSU löcher und schließlich der dürftige Waigel-Wisch, mit haben wir vor einem Jahr in Bayern 51,2 Prozent dem binnen 24 Stunden ein 20-Milliarden-DM-Loch erreicht, die SPD 29,6. Auf einem Parteitag vor weni- zugekleistert werden soll. Herr Waigel, was wollen gen Wochen bin ich in geheimer Wahl mit Sie diesem Parlament eigentlich sonst noch zumu- 95,1 Prozent gewählt worden. ten? (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU/ Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]) CSU: Bringen Sie einmal Ihre Lösungen! - Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Ich empfehle es zur Nachahmung. Es muß nicht [CDU/CSU]: Was sind Ihre Vorschläge?) sein, aber wir wüßten immerhin endlich, lieber Wolf- gang Schäuble, wie wir hier wieder dran sind. Ich Der Vorgang ist in seiner Größenordnung in die- jedenfalls - dafür bin ich dankbar - besitze das Ver- sem Parlament einmalig. trauen der CDU/CSU-Fraktion Daß der Bundesfinanzminister nicht den für einen (Beifall bei der CDU/CSU) solchen Fall rechtlich sauberen Weg nach der Bun- deshaushaltsordnung wählt, nämlich Aussetzung der und das Vertrauen der Koalition. Das haben die Spre- Beratungen im Haushaltsausschuß, cher der F.D.P. zum Ausdruck gebracht. Dafür bin ich ihnen dankbar. (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Das könnte Ihnen so passen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vorlage eines Ergänzungshaushalts und erst dann Ich besitze außerdem das Vertrauen des Bundes- die abschließende Beratung, ist eine schwere Miß- kanzlers. achtung des Parlaments. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Mit diesem Vertrauen und mit genügend Selbstver- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN trauen werde ich die Finanzpolitik dieser Bundesre- und der PDS) gierung fortsetzen. Da werden Sie doch nicht ernsthaft erwarten, daß Ich danke Ihnen. sich die Opposition an einer solchen Mißachtung beteiligt. Das forsche Auftreten der Koalitionshaus- (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ hälter in dieser Woche soll doch nur verdecken, daß CSU und der F.D.P.) sie zu unmündigen Statisten degradiert wurden und nun auch noch den Kakao trinken müssen, durch Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die den sie Herr Waigel gezogen hat. Kollegin Ingrid Matthäus-Maier, SPD. (Beifall bei der SPD) Daß Herr Minister Waigel Zahlen schönrechnet (SPD): Herr Präsident! Ingrid Matthäus-Maier und Luftbuchungen vornimmt, ist ja nicht neu. Wenn Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr man Sie dafür kritisiert, sagen Sie immer, Sie hätten Bundesfinanzminister tut Kritik der Opposition gerne sich geirrt. Aber diesmal ist es nun wirklich zu dreist. als unbeachtlich ab. Deswegen möchte ich einmal einige Zeitungskommentare zu seinem Haushalt und Nur ein Beispiel: Sie hatten im Haushaltsentwurf seiner Finanzpolitik zitieren. Dort heißt es: „Waigel vorgesehen, den Zuschuß an die Bundesanstalt für als Zahlenfriseur", „Flickschusterei aus Theo Wai- Arbeit von 8 Milliarden DM auf Null herunterzufah- gels Trickkiste", „Loch für Loch", „handstreichartig ren. Noch in der Haushaltsdebatte im September die- nachgeschobene Etatkorrekturen", „haushaltspoli- ses Jahres habe ich Sie von dieser Stelle aus tisches Schindluder", „erfüllt nicht einmal die Anfor- gewarnt, daß bei der Bundesanstalt für Arbeit ein derung an einen Dorfkämmerer", „durchlaviert", Deckungsloch von 3 bis 5 Milliarden DM drohe. „Luftnummern", „Notreparatur", „Haushaltsentwurf Wörtlich sagte ich hier im September: nach der bekannten Formel Pi mal Daumen" und „Muster ohne Wert". Sich mit geschönten Arbeitslosenzahlen reichzu- rechnen, hilft weder den Arbeitslosen noch dem (Beifall bei der SPD) Bundeshaushalt. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6083

Ingrid Matthäus-Maier Minister Waigel zeigte sich empört und sagte, das war, unter dieser Bundesregierung zu einem Notna- sei das übliche Gemeckere der Opposition. Aber gel für Arbeitslosigkeit geworden ist. siehe da, in dem berüchtigten Waigel-Wisch tauchte auf einmal, 24 Stunden vor Abschluß der Haushalts- (Beifall bei der SPD) - beratungen, ein Zuschußbedarf der Bundesanstalt Daß Sie immer wieder versuchen, Lasten auf Län- für Arbeit in Höhe von 4,3 Milliarden DM auf. der und Gemeinden abzuschieben, hat heute mor- ( [SPD]: Hört! Hört!) gen in einer sehr polemischen Rede Herr Rüttgers klargemacht. Er sagt: Das Meister-BAföG wird ein- Dies ist ein besonders eindeutiges Beispiel: Ich sagte geführt. Das ist auch richtig so, denn Sie haben erst vor sieben Wochen, 3 bis 5 Milliarden DM fehlten, den Vorläufer beim Arbeitsförderungsgesetz abge- Sie sagen, nein, es sei alles paletti, und schließlich schafft. fehlen Ihnen 4,3 Milliarden DM. Sie sind ganz (Beifall bei Abgeordneten der SPD) schnell von Ihrer Schönrednerei eingeholt worden, Herr Waigel. Aber daß Sie dann nebenbei die Kosten des Meister- (Beifall bei der SPD) BAföG zu einem Drittel auf die Länder schieben, obwohl Sie vorher im Arbeitsförderungsgesetz als Es gibt weitere Beispiele zur Genüge: Nicht nur, Bund alles alleine bezahlt haben, paßt zu Ihrer alten daß Sie sich bei der Finanzierung der deutschen Ein- Strategie: weiterschieben nach unten auf Länder und heit um dreistellige Milliardenbeträge geirrt haben, Gemeinden. Sie haben auch bei den Schulden und den Zinszah- lungen immer wieder falsche Zahlen genannt. Sie (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Oswald haben geleugnet, daß die Staatsschulden allein in Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) diesem Jahr oberhalb der 2-Billionen-DM-Grenze liegen, davon liegen 1,4 Billionen DM beim Bund. Vizepräsident Dr. : Frau Kollegin Ich kann nur sagen: Wer mit seinen Zahlen immer Matthäus-Maier, gestatten Sie eine Zwischenfrage? wieder so danebenliegt wie dieser Finanzminister, der kann entweder nicht rechnen oder er täuscht die Öffentlichkeit. Ich fürchte, bei diesem Finanzminister Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Bitte schön. kommt beides zusammen. Das ist schädlich für die- ses Land. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Bitte sehr. (Beifall bei der SPD)

Das Vertuschen und Schönreden geht auch heute Alois Graf von Waldburg-Zeil (CDU/CSU): Frau weiter. „Der Haushalt 1996 steht bisher auf recht Kollegin, ich kann nicht ganz verstehen, wie Sie tönernen Füßen", schreibt der „General-Anzeiger" gerade argumentiert haben. heute. Graf Lambsdorff sagt Ihnen voraus, daß Sie im nächsten Jahr einen Nachtragshaushalt brauchen (Zurufe von der SPD: Das liegt an Ihnen!) werden. Und er hat recht; denn 10 Milliarden DM hängen bei Ihrer Rechnung doch völlig in der Luft. Sie billigen vollauf, daß beim Studenten-BAföG die Länder ihr Drittel zahlen, aber bei denjenigen, die Dafür nur zwei Beispiele. Das erste Beispiel: Bei das Meister-BAföG bekommen sollen, sollen sich die Ihren nicht berücksichtigten Haushaltsrisiken muß Länder nach Ihrer Meinung nicht beteiligen. Worin ich ausdrücklich die Altschulden der ostdeutschen liegt der Sinn? Kommunen nennen, die diesen von dem damaligen SED-Regime willkürlich angehängt worden sind. Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Ich billige das eine (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: nicht, sondern mißbillige ausdrücklich, daß die Rege- Sie wollen, daß der Bund sie übernimmt?) lung, die es schon gab, beendet wurde. Sie tun so, als Wollen Sie, gerade angesichts ohnehin dramatischer hätten Sie eine tolle Geschichte aus der Kiste gezo- Kürzungen der Leistungen für die neuen Bundeslän- gen. Es gab in früheren Jahren bereits eine finan- der, die ostdeutschen Kommunen auf den 8 Milliar- zielle Hilfe des Staates für Gesellen, die sich selb- den DM Altschulden allein sitzenlassen? ständig machen wollen. (Beifall bei der SPD) (Peter Dreßen [SPD]: Sozialliberale Koali tion!) Ein zweites Beispiel: die angebliche Einsparung bei der Arbeitslosenhilfe in Höhe von 3,4 Mil liarden Das hat der Bund völlig alleine bezahlt. Wenn Sie das DM. Diese Streichung ist zum einen eine Demüti- jetzt ändern und nebenbei den Gemeinden Millio- gung für Zehntausende von Langzeitarbeitslosen, nenverpflichtungen in die Tasche schieben, machen die oft jahrelang erwerbstätig waren und Beiträge wir das nicht mit. Das ist unredlich. Das zahlt bitte gezahlt haben, weiter der Bund. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) zum anderen ist es kein Sparvorschlag, sondern ein Meine Damen und Herren, da ich gerade bei den Verschiebebahnhof zu Lasten der Gemeinden. Es ist Ländern und Gemeinden bin, ein Wo rt zur Gewerbe- doch unhaltbar, daß die Sozialhilfe, die ursprünglich kapitalsteuer. Herr Waigel und Herr Repnik, ich einmal als Überbrückungshilfe für Notfälle gedacht wundere mich wirklich, warum die Gewerbekapital- 6084 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 Ingrid Matthäus-Maier steuer nun Ihr Steckenpferd ist, das Sie jeden Tag ganz genau wissen, kommen Sie mit dem Käse an, dreimal hier vortragen. man könne nur Soll-Zahlen mit Soll-Zahlen und nicht mit Ist-Zahlen vergleichen. (Zuruf von der CDU/CSU: Weil es notwen dig ist!) Ich gebe Ihnen einmal einen guten Rat: - Ist Ihnen eigentlich nicht klar, daß die Lohnsteuer (Zurufe von der CDU/CSU) aus allen Nähten platzt, daß die Mehrwertsteuer aus allen Nähten platzt, daß also die Masse der Lohn- Schauen Sie auf Seite 46 Ihres Finanzplans. Do rt ver- steuerzahler und der Verbraucher unter immer gleicht dieser Finanzminister Ist-Zahlen mit Soll-Zah- höheren Steuern stöhnt, daß sich aber der Anteil der len. Genau das tun wir auch. Unternehmensteuern am Steuerkuchen über die letz- ten Jahre drastisch verringert hat? Wir haben also (Beifall bei Abgeordneten der SPD) weiß Gott andere Aufgaben. Lassen Sie deswegen das Märchen, daß Sie 1996 Aber wenn man sich schon mit der Gewerbekapi- weniger ausgeben als 1995! talsteuer beschäftigt - sie ist international zweifellos (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne keine besonders glückliche Steuer -, dann haben Sie ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) hier doch eine Bringschuld, Herr Waigel. Wer an die Gewerbekapitalsteuer herangeht, läuft Gefahr, daß Zusammen mit dem Haushalt 1996 beraten wir auch der Rest, die Gewerbeertragsteuer, in Karls- heute auch die mittelfristige Finanzplanung bis ruhe fällt, weil sie dann keine Realsteuer mehr ist. 1999, einen Finanzplan, der in seiner Grundstruktur völlig überholt ist. Was in der Debatte bisher ganz (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Grober untergegangen ist, sind die mittelfristigen Auswir- Unfug!) kungen, die sich aus dem finanzpolitischen Chaos Das ist auch Ihr Ziel, denn in Ihrer Koalitionsverein- dieser Wochen ergeben. barung steht ausdrücklich: Abschaffung der Gewer- Drei Beispiele. Die konjunkturbedingten Steuer- besteuer. ausfälle werden als Basiseffekt auch in den kommen- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der den Jahren weiterwirken. Damit sind die Annahmen CDU/CSU) der mittelfristigen Finanzplanung falsch. Deswegen sagen wir Ihnen ganz deutlich: Mit uns (Beifall bei der SPD) werden Sie eine wie auch immer gea rtete Regelung nur bekommen, wenn die Gewerbeertragsteuer für Zweitens. In der Finanzplanung sind die Ansätze die Gemeinden gesichert ist und wenn sie zweifels- für die Bundesanstalt für Arbeit für 1997 - man höre frei in der Verfassung niedergelegt ist. Da stehen wir und staune - auf Null gesetzt. Das ist doch völlig an der Seite der Städte und Gemeinden, meine unrealistisch. Wollen Sie denn die Fehlprognose Damen und Herren. Ihres Jahreswirtschaftsberichts von diesem Februar noch einmal fortschreiben? Do rt gingen Sie von (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen in diesem ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jahr von 350 000 aus. Tatsächlich, wie jedermann nachlesen kann, steigen die Arbeitslosenzahlen im Auch in dieser Woche hört das Täuschen und Jahresdurchschnitt sogar noch an, wie die neuesten Tricksen nicht auf. Sie beharren auf der Behauptung, Zahlen zeigen. Also auch an dieser Stelle ist Ihre die Ausgaben würden im Jahr 1996 gegenüber 1995 Finanzplanung reine Makulatur. sinken. Das ist schlicht und einfach die Unwahrheit. Wenn man die Ausgaben 1995 und 1996 um die Drittes Beispiel. Sie haben im Bundeshaushalt Umstellung des Kindergeldes bereinigt und gleich- 1996 rund 16 Milliarden DM an Einmalzahlungen zeitig berücksichtigt, daß Herr Waigel schon offiziell vorgesehen: Vorziehung der Mineralölsteuerzahlung verkündet hat, er werde im Jahr 1995 10 Mil liarden und ganz überwiegend Privatisierung. Ich frage Sie, DM weniger ausgeben, meine Damen und Herren: Wie soll das denn eigent- lich weitergehen? Haben Sie denn die Absicht, auch (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Werfen in den Folgejahren einmal eben zwischen Mittwoch Sie ihm das vor? Kritisieren Sie das etwa? - mittag und Donnerstag mittag den Verkauf einer Dankward Buwitt [CDU/CSU]: Sie tricksen ganzen Stadt mit 48 000 Wohnungen zum Stopfen doch hier!) Ihrer Haushaltslöcher zu beschließen? so stellt sich heraus, daß die Ausgaben 1995 etwa Nicht nur, daß diese Regierung unseren Kindern 448 Milliarden DM betragen, die Ausgaben 1996 einen riesigen mit der bekannten demgegenüber 451,3 Milliarden DM. Schuldenberg Zinsfalle hinterläßt, gleichzeitig verringert sie auch (Dankward Buwitt [CDU/CSU]: So eine noch zu Lasten der kommenden Generationen das dümmliche Rechnung! - Hans-Peter Repnik öffentliche Vermögen immer weiter. Diese doppelte [CDU/CSU]: Sollen wir jetzt sparen oder Erblast, höhere Schulden und geringeres Vermögen Geld ausgeben? - Adolf Roth [Gießen] zu Lasten unserer Kinder und Enkel, ist einfach [CDU/CSU]: Was sollen wir denn machen?) unverantwortlich. Da können Sie sich drehen und wenden, wie Sie (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wollen, Ihre Ausgaben steigen in 1996. Da Sie das DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6085

Ingrid Matthäus-Maier Schließlich: Der Bundeshaushalt 1995 schrammt Der Bundeskanzler sagte dieser Tage, es müsse mit knapp 3 Prozent Haushaltsdefizit und der 1996 eine Gründerwelle her. Da hat er recht. Aber wäh- mit knapp unter 60 Prozent beim Schuldenstand nur rend er von Gründerwelle redet, findet eine Pleite- ganz knapp an den Kriterien von Maastricht vorbei. welle statt. 22 000 Pleiten in diesem Jahr sind ein- Im Klartext: Bei der chaotischen Finanzpolitik dieser trauriger Nachkriegsrekord. Die Negativrekorde Bundesregierung ist auch noch zu befürchten, daß häufen sich doch. Die Regierung Kohl ist die Regie- wir die Stabilitätskriterien bald selber nicht mehr rung mit der höchsten Zahl an Pleiten, mit der höch- erfüllen, die für einen Beitritt zur Wirtschafts- und sten Steuer- und Abgabenbelastung, mit dem höch- Währungsunion erforderlich sind. sten Schuldenberg, mit der höchsten Zinsbelastung und mit der höchsten Arbeitslosigkeit seit Bestehen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne dieser Republik. Ich füge hinzu, Herr Bundeskanzler: ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie sind auch die Regierung mit der höchsten Armut. Da Sie es nicht lassen können, hier immer Helmut Schmidt und seine Schulden zu zitieren, schreibe ich (Widerspruch bei der CDU/CSU und der Ihnen noch einmal ins Stammbuch, Herr Waigel: Als F.D.P.) Helmut Schmidt im Oktober 1982 durch Vertrauens- bruch gestürzt wurde, Wir leben in einem reichen Land; aber nicht alle in diesem reichen Land sind reich. Wir haben nämlich (Lachen bei der CDU/CSU) eine doppelte Entwicklung: Noch nie waren die Ver- betrugen die Schulden des Bundes und seiner mögen in diesem Lande so hoch wie heute. Aber es Nebenhaushalte 390 Milliarden DM. Heute betragen gilt auch: Noch nie gab es soviel Arme in diesem die Schulden des Bundes unter Finanzminister Wai- Lande. gel inklusive aller Nebenhaushalte 1,4 Billionen DM, (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der das sind 1 400 Milliarden DM. Sie haben in der Zeit CDU/CSU - Dr. Wolfgang Weng [Gerlin- der Regierung Kohl 1 Billion DM Schulden oben- gen] [F.D.P.]: Geistige Armut auf der Oppo- draufgepackt. Dann lassen Sie endlich Helmut sitionsbank!) Schmidt in Ruhe! Es ist schlimm, was Sie hier machen. So richtig es ist, den Wohlstand zu wahren und zu (Beifall bei der SPD) mehren, so wichtig ist es, dafür zu sorgen, daß dieje- Im Haushalt 1996 werden 92 Milliarden DM allein nigen, die im Schatten leben, daß die eine Million an Zinszahlungen ausgewiesen. Das bedeutet, daß Kinder, die in Armut aufwachsen, wie uns allen die die Handlungsspielräume für die öffentliche Hand Kirchen sagen, endlich ausreichend gefördert wer- dramatisch eng geworden sind. Um so wichtiger ist, den, um aus diesem Teufelskreis herauszukommen. daß man die Schwerpunkte richtig setzt. Das ist aber Wer in dieser Situation bei Langzeitarbeitslosen leider nicht der Fall. kürzt und gleichzeitig die Vermögensteuer abschaf- fen will, der hat jedes Gefühl für soziale Gerechtig- Ich nehme nur drei einfache Zahlen. Der Verteidi- keit verloren. gungshaushalt steigt um 378 Millionen DM, der Etat des Zukunftsministers steigt dagegen nur um (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- 169 Millionen DM, und der Haushalt des Umweltmi- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nisters sinkt sogar um über 45 Millionen DM. Wer seine Koalitionsvereinbarung vom letzten Herbst mit Unsere konkreten Einsparvorschläge liegen auf der Überschrift „Das vereinte Deutschland zukunfts- dem Tisch. fähig machen" versieht, muß sich schon den Vorwurf des Etikettenschwindels gefallen lassen, wenn er (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: einen solchen rückwärtsgewandten Haushalt vor- Wo?) legt. - Kommt, kommt! - Sie haben sie beim Jahressteuer- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne gesetz und im Haushaltsausschuß abgelehnt. Wir ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) beharren selbstverständlich darauf, daß bei den rund Für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt- 450 Millionen DM für Öffentlichkeitsarbeit dieser schaft in der Welt brauchen wir dringend neue Inve- Regierung kräftig gekürzt wird, daß ebenso bei den stitionen im Bereich Forschung, Technologie, Markt- über 2 Milliarden DM für Kernenergie gekürzt wird. einführungshilfen für neue Produkte, zusätzliche Daß bei einem 48-Milliarden-DM-Verteidigungs- Anstrengungen im Hightech-Bereich und keine haushalt noch Luft ist, ist auch selbstverständlich. Es Absenkung der Studienförderung. Wer angesichts ist außerdem nicht in Ordnung, daß Sie 54 Staats- einer solchen internationalen Herausforderung beim sekretäre beschäftigen. Das ist Verschleuderung der Verteidigungshaushalt doppelt so viel drauflegt wie Steuergelder der Bürger. beim Zukunftsetat und auch noch die Ausgaben im Umwelthaushalt senkt, der mag vielleicht einen Par- (Beifall bei der SPD) teitag nach dem Motto „Der Weg ins 21. Jahrhun- dert" abhalten; aber in Wahrheit verschläft er die Hat Ihnen der Rechnungshof nicht gerade beschei- Zukunft unseres Landes. nigt, daß Sie bei der Abwicklung der Altkredite der ehemaligen DDR Milliarden D-Mark verschleudert (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne haben? Herr Schily und Herr Beucher haben es ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ihnen vorgeführt: Hätten Sie im Jahre 1990 auf uns 6086 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Ingrid Matthäus-Maier gehört und die Altkredite vernünftig abgewickelt, Meine Damen und Herren, wer wie Sie eine solche hätten Sie heute Milliarden mehr zur Verfügung. gesetzliche Regelung mit Händen und Füßen vertei- digt, gleichzeitig aber dem Lohnsteuerzahler jeden (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Tag tiefer in die Tasche greift, der hat jeden Sinn für - ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN die Wirklichkeit verloren. und der PDS - Widerspruch bei der CDU/ CSU) (Beifall bei der SPD) Ein anderes Beispiel: Die Bundesregierung zeigt, Auch unsere Forderung, die Steuerhinterziehung wie man aus 300 Millionen DM mickrige 15 315 DM endlich aktiv zu bekämpfen, bleibt auf der Tagesord- macht. Ganz einfach: Die Bundeswehr bestellt ein nung. Herr Waigel wird sich wundern: Es ist nicht 300 Millionen DM teures Landesystem namens mehr nur die Frau Matthäus-Maier, die sagt, daß die SETAC für die Luftwaffe. Es stellt sich heraus, daß es Zinsbesteuerung verfassungswidrig sei - darauf will nicht funktioniert; das kann ja passieren. Aber statt er nicht hören; das muß er auch nicht. Der Präsident dieses System zu stoppen, machen Sie weiter, bis Sie des Bundesfinanzhofs hat in der vorigen Woche es zum Schluß als Schrott für genau 15 315 DM ver- gesagt, daß er die Zinsbesteuerung für verfassungs- kaufen. Nein, meine Damen und Herren, so darf man widrig halte, weil es nicht angehen könne, daß der mit Steuergeldern des Bürgers nicht umgehen. ehrliche Steuerzahler der Dumme sei. Deshalb schließen Sie endlich das Steuerschlupfloch nach (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Luxemburg! ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Unsere Einsparvorschläge bei den Steuersubven- tionen haben wir alle aufgeschrieben. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Matthäus- Maier, gestatten Sie dem Kollegen Lambsdorff eine (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wo?) Zwischenfrage? - Bei den Veräußerungsgewinnen, beim Betriebsaus- gabenabzug für steuerfreie Schachteldividenden, bei Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Bitte schön. den Verlusten ausländischer Bet riebsstätten, bei der Abzinsung von Rückstellungen und bei der Absetz- barkeit von Betriebs-Pkw. Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.): Frau Matthäus- Maier, darf ich Sie nach den beiden Fällen, die Sie Allein diese Vorschläge erbringen zusammen jähr- eben zitiert haben, fragen? lich mehrere Milliarden DM. Also, stellen Sie sich nicht hin, und sagen Sie nicht, wir hätten keine Vor- Erstens. Sie haben den Bundesfinanzhof mit die- schläge. Geben Sie lieber endlich offen zu, daß Sie sem in der Tat unglaublichen Absetzungsvorschlag diese alle abblocken. für soundso viele Autos zitiert. Müssen wir Ihrer Dar- stellung entnehmen, daß der Bundesfinanzhof das Im übrigen bin ich ganz sicher - das sehe ich sehr gutgeheißen hat, oder hat es der Bundesfinanzhof gelassen -: Bei der Finanznot dieses Finanzministers nicht gutgeheißen, womit die Rechtsgrundlage wohl werden Sie einen Teil unserer Vorschläge überneh- einigermaßen in Ordnung wäre? men müssen. Das haben Sie auch in der Vergangen- heit gemacht. Ich erinnere nur an das Beispiel der Zweitens. Sie haben eben den Präsidenten des steuerlichen Absetzbarkeit von Schmiergeldern. Bundesfinanzhofs zitiert. Sind auch Sie seiner Mei- Das wurde jahrelang von Ihnen abgelehnt; es gab nung, daß an die Stelle der derzeitigen Regelung ein riesiges Gezeter hier im Bundestag. Dann haben eine Abgeltungssteuer bei der Zinsbesteuerung tre- Sie Gott sei Dank nach heftiger Kritik der Opposition ten muß? uns im Jahressteuergesetz zugestimmt. (SPD): Zur zweiten Frage Das gleiche werden Sie zum Beispiel bei der Ingrid Matthäus-Maier sage ich eindeutig: nein. Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Betriebs-Pkws machen müssen. Meine Damen und Zur ersten Frage sage ich: Ich habe hier doch vor- Herren, manche Leute wissen nicht, wovon ich rede. getragen, daß es geltendes Recht ist - wie war das so schön? -, daß ein Werbefachmann, der repräsentative (Zuruf von der CDU/CSU: Sie wissen es sel Gefährte braucht, drei Porsche, einen Simca, einen ber nicht!) Innocenti und noch einen Mercedes absetzen kann. Ich nenne einmal ein Beispiel: Es ist doch wirklich (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: nicht einzusehen, daß es, wie der Bundesfinanzhof in Das entscheidet das Finanzamt, nicht das einem Urteil bestätigt hat, in diesem Lande möglich Gesetz!) ist, die Anschaffung von drei Porsche, einem Simca, einem Innocenti und einem Mercedes von der Steuer Ich weiß gar nicht, was man alles auf einmal mit die- abzusetzen, und zwar durch einen Werbefachmann, sen Autos macht. - Das ist geltendes Recht. Der Bun- der angab, für seinen Beruf über repräsentative desfinanzhof hat natürlich geltendes Recht beschlos- Gefährte verfügen zu müssen. sen. Was soll er denn sonst tun? (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Aber daß Sie sich weigern, mit uns zusammen eine Das entscheidet doch das Finanzamt!) Obergrenze bei der steuerlichen Absetzbarkeit ein- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6087 Ingrid Matthäus-Maier zuführen, das ist der eigentliche Skandal, Graf einen Großteil der Entlastungen durch das Jahres- Lambsdorff. steuergesetz auf, was ich ausdrücklich bedauere. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Unser Vorschlag: Senken Sie die Beiträge zur ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Arbeitslosenversicherung um rund ein Drittel! Das - und der PDS) kommt den Arbeitgebern zugute, weil die Lohnne- Meine Damen und Herren, die wichtigste Konso- benkosten sinken; das kommt den Arbeitnehmern lidierungsaufgabe liegt aber an anderer Stelle: zugute, weil sie mehr Geld in der Tasche haben. Heben Sie statt dessen die Energiepreise maßvoll Solange Sie nicht ernsthaft an die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit herangehen, werden Sie die öffent- an! Das ist ein aufkommensneutrales Modell. Unser Vorschlag ist ein gutes Beispiel für den Dreiklang lichen Haushalte nicht in den Griff bekommen. Auf 140 Milliarden DM belaufen sich die Kosten der von Modernisierung der Wirtschaft, ökologischer Arbeitslosigkeit 1994. Deswegen ist die aktive Erneuerung der Industriegesellschaft Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht nur ein Gebot (Zuruf von der CDU/CSU: Und Steuererhö- der Mitmenschlichkeit, sondern auch finanzwirt- hungen!) schaftlich unumgänglich. und sozialer Verantwortung. Dieser Weg führt ins (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nächste Jahrhundert, nicht das, was Sie vorschlagen. Die Philosophie der Bundesregierung ist, die Lei- (Beifall bei der SPD) stungen für die Leistungsempfänger immer weiter zu kürzen. Die Philosophie der SPD ist aber, aus Lei- Ich fasse zusammen. Die Fehlleistungen von stungsempfängern Beitragszahler zu machen. Das ist Finanzminister Waigel untergraben das Vertrauen der bessere Weg. von Wirtschaft und Bürgern. Schönrechnen und Luft- buchungen kennzeichnen seinen Bundeshaushalt. (Beifall bei der SPD) Eine dramatisch hohe Steuer- und Abgabenbela- Patentlösungen gibt es dafür nicht, aber wir haben stung lähmt den Leistungswillen. viele konkrete Einzelvorschläge gemacht. Zum Bei- (Zuruf von der CDU/CSU: Das wird durch spiel: erstens ein Arbeits- und Strukturförderungs- häufiges Wiederholen nicht richtiger, was gesetz, mit dem endlich Arbeit statt Arbeitslosigkeit Sie da sagen!) bezahlt werden soll. Schuldenberge, Zinsfalle und falsche Schwerpunkt- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) setzungen dieser Bundesregierung verbauen eine Zweitens: eine Teilzeitarbeitsoffensive, die aber aktive Politik für mehr Arbeitsplätze. nicht zu noch mehr ungesicherten Beschäftigungs- Die Bundesregierung redet - wie Rudolf Scharping verhältnissen führen darf. Wir dürfen doch alle gesagt hat - nach dem Motto der drei M, nämlich gemeinsam nicht länger zusehen, daß in Deutsch- „Man müßte mal" . Wir fordern Sie auf: Handeln Sie land mittlerweile fast 5 Millionen 580-DM-Beschäfti- endlich! Da Sie es immer noch nicht tun, lehnen wir gungsverhältnisse ohne soziale Absicherung existie- Ihren Bundeshaushalt ab. ren. Sogar die christlichen Arbeitnehmer, die CDA, sagen doch, daß das Thema Ladenschluß und die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Einschränkung der 580-DM-Jobs nicht voneinander ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN getrennt werden dürfen. und der PDS) (Zustimmung bei der SPD) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Drittens: ein wirksames Entsendegesetz. Wir kön- Wort dem Abgeordneten Diet rich Austermann. nen doch nicht zulassen, daß Zigtausende Bauarbei- ter in Deutschland arbeitslos sind, weil polnische oder portugiesische Arbeiter für 5 oder 6 oder 7 DM Dietrich Austermann (CDU/CSU): Herr Präsident! die Stunde deren Arbeitsplatz einnehmen. Tun Sie Meine Damen und Herren! In unserer Fraktion über- endlich etwas und lassen Sie die arbeitslosen Bauar- setzen wir die drei M etwas anders: „Matthäus-Maier beiter nicht im Regen stehen! mault". (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) ten der PDS) Das zeigt eigentlich deutlich, was Sie die letzten Viertens: ein Arbeitszeitgesetz, das Überstunden 25 Minuten gemacht haben. zugunsten neuer Arbeitsplätze reduziert. Ich habe gerade unter das Pult geguckt, deswegen (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard meine Irritation. Nachdem Sie a lles wiederholt Hirsch) haben, was Sie jedes Jahr vortragen - wie ich gleich kurz belegen werde -, habe ich gedacht, do rt läge Mein letzter Punkt: Wir brauchen eine Senkung der Teil, der den Jäger 90 bet rifft. Aber er war nicht der Lohnnebenkosten. Durch die verfehlte Politik dort, Sie haben ihn offensichtlich vergessen. der Bundesregierung zur Finanzierung der deut- schen Einheit vorwiegend über die Sozialversiche- (Zustimmung bei der CDU/CSU - Zuruf von rungen sind die Lohnnebenkosten dramatisch ange- der CDU/CSU: Und das Dienstmädchen stiegen. Der Anstieg frißt im nächsten Jahr sogar fehlt auch noch!) 6088 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Dietrich Austermann Sie haben Ihre Rede damit begonnen, daß Sie Zei- haupt nichts in Deutschland, was der Bürger in posi- tungsausschnitte über die Arbeit des Bundesfinanz- tiver Hinsicht an Auswirkungen spüren würde. ministers zitiert haben. Es wäre ja einmal interessant, Wir haben die Ausgaben um 10,7 Milliarden DM die Zeitungsausschnitte zu zitieren, die die Presse gekürzt und die Einnahmen um 10 Milliarden DM zur Zeit über den Zustand der SPD verbreitet. erhöht. Das ergibt 20 Milliarden DM. Wir haben also (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Oh ja, unsere Haushaltsarbeit ernst genommen. Die SPD lesen Sie einmal vor!) stand vor der Tür, gab Interviews, lamentierte über die schwierige Situation und forderte Vertagung. Das Das war die Situation vor dem Abschluß der Haus- ist das Grundproblem der SPD, daß sie nicht mehr haltsberatungen und vor allen Dingen vor der dritten entscheidungs-, sondern nur noch vertagungsfähig Lesung, die wir heute haben. Nun fragt man sich: ist. Was hat sie denn eigentlich gesagt? Worin hat sich das unterschieden? Was wissen die Bürger heute, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wenn sie sich überlegen: Der Bundeshaushalt wird Wir haben darüber hinaus eine ganze Reihe von beschlossen, was bedeutet das für mich persönlich? Entscheidungen getroffen, die positiv in die Zukunft Dann schaut man sich einmal ein paar Zitate an. gerichtet sind: zusätzliche Hilfen im Bereich des Matthäus-Maier am 1. Dezember 1993: „Der Etat Wohnungsbaus und der Rentenversicherung, 1994 hält keine drei Monate." Ebenfalls im Dezem- Finanzbeiträge für Seeschiffahrt und Straßenbau. ber 1993: „Die Finanzpolitik der Bundesrepublik wird immer mehr zum Jahrmarkt der Chaoten. " Hel- Ich möchte noch einmal das Thema Steuerschät- mut Wieczorek in ähnlicher Weise 1992: „Der Bun- zung aufnehmen. Wenn einzelne Ministerpräsiden- desfinanzminister hat die Bundesrepublik in eine ten aus einzelnen Bundesländern dem Bundesfinanz- ausweglose Schuldenfalle geführt." Auch noch 1992: minister vorwerfen, er habe sie hier nicht richtig Matthäus-Maier fordert die Ablösung von Waigel. An informiert, kann ich nur fragen: Hat denn Frau Simo- anderer Stelle heißt es: „Die SPD beantragt bei der nis keine Oberfinanzdirektion? Führt denn ihr Bundestagspräsidentin die Absetzung der Endbera- Finanzminister keine Steuerstatistik? Warum, so fragt tung des Haushaltstorsos. " Das war am 13. November das renommierte Kieler Wirtschaftsinstitut, sind ihr 1992. nicht die hohen Steuererstattungen angesichts beträchtlicher Vorauszahlungen aufgefallen? Warum Es wiederholt sich alles. Sie haben nichts einzu- ist das nicht richtig gewertet und nach Bonn weiter- bringen. Sie wiederholen den gleichen Klamauk, den gemeldet worden? Sie in den letzten Jahren gemacht haben. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU) Hat auch Ministerpräsident Eichel keine Oberfi- Ich brauche als Gegenäußerung gewissermaßen nanzdirektion? Hat er keine eigenen Steuerschätzer? nur eine einzige Stimme zu zitieren. Das ist der Wir wissen doch alle, daß die Zahl der roten Steuer- OECD-Bericht, der deutliche Kritik an der Blockade- schätzer in dem verantwortlichen Gremium inzwi- haltung der Opposition übt. Da werden ausdrücklich schen größer ist als die der schwarzen. Sind denn da die beeindruckenden Erfolge bei der Konsolidierung nur Schlafmützen oder Leute, die von dem Thema gelobt. Dem ist, der Finanzen der Bundesrepublik überhaupt keine Ahnung haben? glaube ich, nicht viel hinzuzufügen. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CDU]: Wahr- Wir haben in den letzten Wochen - das ging scheinlich!) immerhin über drei Monate - den Haushalt gründ- lich beraten, zum Teil auch gründlich umgekrempelt. Die Haushaltsberatungen haben einen interessan- Man kann heute den Bürgern sagen, daß sie sich auf ten Einblick in die bundesstaatliche Realität die Finanz- und Haushaltspolitik dieser Bundesregie- gebracht. Das zeigt sich, wenn man sich fragt: Was rung verlassen können und daß nach der Diskussion wird in Bonn gefordert, und was passiert in den Län- um ein angebliches 20-Milliarden-DM-Loch heute dern, insbesondere in den SPD-regierten Ländern? klar ist - das werden wir mit unserer Abstimmung Da fordern Länder Zuschüsse des Bundes, sind aber deutlich machen -: Die Regierung ist handlungsfä- nicht in der Lage, diese auszugeben, weil die Des- hig. Sie hat die Finanzen im Griff. Die Neuverschul- organisation der Verwaltung einen zügigen Vollzug dung liegt nicht über der mittelfristigen Finanzpla- hindert. Da wird darüber diskutiert, ob man Lehrer nung. Wir werden unserer haushaltspolitischen Ver- als Beamte oder als Angestellte braucht. Entschei- antwortung gerecht. Wir haben dabei Entscheidun- dend ist, glaube ich, die Frage, ob diejenigen ihren gen getroffen, die durchaus in die Zukunft gerichtet erzieherischen Auftrag wahrnehmen. Nicht bezopfte sind, haben die neue Steuerschätzung aufgefangen Beamte müssen weg, sondern bezopfte Gesetze und und zusätzliche Milliardenbeträge zum Abbau der Verwaltungen mit ihrer Blockade in den Ländern Arbeitslosigkeit bereitgestellt. sowie Medusenhäupter von Staatskanzleien in Kiel, Wiesbaden, Hannover und anderswo, die Entschei- Dazu kommt von Ihnen kein Wort wie auch kein dungsausführung ständig verhindern. konkreter Antrag zu diesem Thema. Das, was heute als Entschließungsantrag vorgelegt wird, ist noch In den Ländern, in denen die SPD regiert, wird nicht einmal gute Lyrik, sondern das ist eine Fülle nicht gehandelt. Es mangelt am Vollzug. Es werden von Textseiten ohne eine einzige konkrete Zahl. Man schöne Reden gehalten, vielleicht auch über den könnte den Entschließungsantrag annehmen oder Handlungsbedarf in Sachen innere Sicherheit, und ablehnen - wenn man ihn beschließt, geschieht über- dann läßt man „Chaostage" zu. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6089

Dietrich Austermann Es paßt dazu, daß Sie in dieser Position auch hier „Kiel" und „glaubwürdige Politik" sind übrigens heute Unterschiedliches vortragen. Da beklagt Frau wichtige Stichworte: Da sich Frau Simonis seit dem Matthäus-Maier wieder einmal, der Verteidigungs- Thema Parlamentsreform als erste Adresse in Sachen etat sei zu hoch, obwohl wir ihn gekürzt haben. Ihre politische Moral empfohlen hat, muß gestattet sein, Ministerpräsidenten aber kommen und fordern, wir hier einige Fragen zu stellen, die die politische- müßten in Sachen DASA kräftige Anstrengungen Moral betreffen. unternehmen und Investitionen unterstützen. Was Vorausgeschickt sei, daß es in Kiel einen zweiten sollen wir denn? Wer redet denn da offensichtlich Untersuchungsausschuß gibt, der sich mit den nicht miteinander? Machenschaften eines Herrn Pfeiffer, mehr noch Ich glaube, die SPD hatte gut daran getan, daß sich aber mit einer Geldsammelstelle eines Herrn Jansen ihre Genossen bei dieser desolaten Position in den befaßt. Bundesländern an den Beratungen nicht beteiligt (Jörg Tauss [SPD]: Mit Barschel auch!) haben. Das ist schon eine merkwürdige Arbeitstei- lung: In Bonn fordert man mehr Geld für die For- Ein paar Hauptbetroffene der Vergangenheit sind schung, und in Geesthacht können sich die nord- - wohl wegen der Ein-Stimmen-Mehrheit im Land- deutschen Mitgliedsländer nicht über den mickrigen tag - immer noch oder wieder in öffentlicher Funk- Eigenanteil der Bundesländer einigen. tion. Das kann nur mit Duldung der Ministerpräsi- dentin geschehen sein. In Bonn werden Milliarden für die Bahn gefordert, in den Ländern werden die Planfeststellungsverfah- Ich frage deshalb: Was waren die Gründe, warum ren verschleppt. Wissmann soll mehr Geld für den ein gewisser Genosse Pelny, früher Verfassungs- Straßenbau geben, aber außer Autofahrerschikanen schutzvize, bereits am 14. Juni 1987, lange vor fällt der SPD nichts ein. Sie wollen die Biotechnolo- Bekanntwerden der Kieler Affäre, vom Simonis-Vor- gie fördern - selbst Herr Fischer hat sich vorgestern ganger angeworben wurde? so geäußert -, und die rot-grüne Landesregierung in (Unruhe bei der SPD) Hessen muß sich anmahnen lassen, daß sie nicht ständig Gegenkongresse zu Bundesveranstaltungen Was sind die Gründe, warum Pelny zunächst über durchführt. die Staatskanzlei unter Engholm - die Älteren wer- den ihn noch kennen - und jetzt als Staatssekretär im In Bonn wird die zu hohe Steuer- und Abgabenlast Justizministerium weiter beschäftigt wird? kritisiert, und im Vermittlungsausschuß fordert die SPD die Verdoppelung des Solidarzuschlags. Forde- Was sind die Gründe, weshalb Simonis ihn und rungen werden dort erzwungen. Am Rentenreform- den Justizminister und am Pflegepaket haben die Länderfürsten mitge- (Zurufe von der SPD) wirkt, und Frau Matthäus-Maier beklagt heute, daß die Lohnnebenkosten zu hoch seien. - ich weiß, daß das weh tut - als Hauptbetroffene des zweiten Untersuchungsausschusses nicht abberuft? Auch beim Entsendegesetz ist das so. Sie fordern Ist es politisch-moralisch sauber, daß Simonis seit hier das Entsendegesetz für die Bauarbeiter, und 1993 einen von einem Genossen geleiteten Parla- eine Tür weiter, im Bundesrat, wird das Ganze von mentsausschuß runtermacht? der SPD-Mehrheit abgelehnt. (Zuruf von der SPD: Zur Sache!) (Jörg Tauss [SPD]: Sie haben einen Wahr nehmungsverlust! Das ist Ihr Problem!) Weder Pelny noch Klingner, noch Nilius, noch Frau Schröder, die Ex-Freundin von Herrn Pfeiffer, Der Parteivorsitzende der SPD muß sich einmal mit wären in den Kieler Funktionen, die sie innehaben, den Fraktionsvorsitzenden der SPD unterhalten, wenn es nicht Grund gäbe, sie zu versorgen. Ent- damit nicht ständig solche Pleiten passieren: Chaos spricht es politischer Moral, wenn Simonis versucht, in der Berliner SPD, rot-grüner Streit in Düsseldorf, in bezug auf CDU-Mitglieder den Unschuldsbeweis grüne Selbstbedienung in Wiesbaden, rote Pleite in umzudrehen? Ist es politisch-moralisch vertretbar, Hannover, in Brandenburg ist die Haushaltslage daß sie im Interesse ihrer Partei versuchte, Ausschuß- düster, und Sie kommen hierher und wollen kritisie- mitglieder unter Druck zu setzen? Ist es politisch- ren, daß wir die falsche Politik machen. moralisch vertretbar, daß sie versuchte, Zeugen zu beeinflussen? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) (Widerspruch bei der SPD) Da ist es eigentlich nur logisch, wenn die Opposition Ich glaube, daß diese Fragen hier gestellt werden am 25. Oktober die Mitarbeit am Haushalt eingestellt müssen, weil in Kürze der Bundesetat, über den wir und heute keinen konkreten Finanzantrag vorgelegt heute diskutieren, im Bundesrat zur Diskussion hat. gestellt wird (Zurufe von der SPD) Auch in Sachen Technologiepolitik ist das so. Die Grünen nehmen die typische Radio-Eriwan-Position und dann wieder einzelne Positionen - - ein: Im Prinzip vielleicht, aber nicht hier - oder noch nicht. Da sind sich die grünen Technologiestänkerer Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege mit den roten Technikfolgenabschätzern in Bonn und Austermann, darf ich Sie einen Augenblick unterbre- Kiel einig. chen? - Meine verehrten Kollegen, so lange dauert 6090 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch es ja nicht mehr bis zur namentlichen Abstimmung. Deswegen ist es so, daß Frau Simonis im Amt ist, Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Würde des weil ihr Vorgänger Wahlbetrug begangen hat. Ich Hauses dadurch wahren würden, daß Sie dem Red- glaube, die Rückschlüsse, die daraus gezogen wer- ner etwas mehr Aufmerksamkeit widmen. den müssen, sind richtig. - Herr Kollege Austermann, gestatten Sie eine Zwi- (Beifall bei der CDU/CSU - Unruhe bei der schenfrage des Kollegen Glotz? SPD) Es täte der politischen Moral gut, wenn die Dame Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ja, bitte. einen ihrer großen Hüte nähme oder zumindest öfter schwiege.

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Bitte schön, (Zurufe von der SPD: Pfui! - Gegenrufe von Herr Glotz. der CDU/CSU: Die Wahrheit tut weh!) Ich glaube, daß es richtig ist, daß wir uns mit dieser Dr. Peter Glotz (SPD): Herr Kollege, abgesehen Frage auseinandersetzen. Ich verstehe Ihre Aufre- davon, daß Sie jetzt nicht über den Haushalt, son- gung nicht. Kein einziger von den hier anwesenden dern über die schleswig-holsteinische Landespolitik Genossen ist von dem, was ich angesprochen habe, geredet haben: Darf ich Sie fragen, ob Sie sich im betroffen, außer dem Kollegen Gansel, und der nur klaren sind, daß Sie die Ehre eines Politikers und in positiver Hinsicht. Aber diejenigen, die tagein, Staatssekretärs mit nichts anderem als mit nachge- tagaus großformatige Interviews geben, die politi- plapperten Informationen aus der Presse in den sche Moral vor sich hertragen und in Wirklichkeit Schmutz ziehen? das Gegenteil tun, müssen deutlich beim Namen genannt werden. (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der F.D.P.)

Dietrich Austermann (CDU/CSU): Herr Glotz, Ich möchte abschließend zur Haushaltssituation wenn Sie über den Sachverhalt informiert wären - ein paar Worte sagen. deswegen wäre es gut, wenn Sie mir bei diesem (Lachen bei der SPD) Thema zuhörten -, dann wüßten Sie, daß es Mei- nungs- und Positionsunterschiede do rt gab, wo es Es ist bei Ihnen wie immer so: Theoretisch weiß man, um die Frage der Glaubwürdigkeit bei diesem wo es langgeht, praktisch erweist man sich als unge- Staatssekretär und bei unserem Kollegen Gansel eignet. Jetzt wird der Versuch unternommen, die geht. Ich möchte Ihnen gerne die Frage zurückge- positiven Entscheidungen zum Januar 1996 auf die ben: Wessen Glaubwürdigkeit zu diesem Thema eigenen Fahnen zu heften. Wir können heute den zählt für Sie höher? Ich glaube schon, daß man diese Bürgern sagen: Zum 1. Januar 1996 werden Kinder- Frage kritisch stellen muß. Sie hätten sie mit Sicher- geld und Kinderfreibetrag netto um 7,6 Milliarden heit gestellt, wenn sich das gleiche unter einer unse- DM erhöht. Das Jahressteuergesetz läßt den Bürgern rer Landesregierungen zugetragen hätte. Es ist rich- 27 Milliarden DM mehr Kaufkraft von ihrem Einkom- tig, daß man die Frage stellt, ob Menschen, die durch men, vor allem den Beziehern kleiner Einkommen. ihre eigene Tätigkeit dermaßen ins Zwielicht geraten 1,5 Millionen Menschen werden von der Steuerlast sind, noch in der Regierungsverantwortung belassen befreit. Das Wohneigentum wird neu gefördert. Der werden können. Wir sind der Meinung, hier muß Strompreis sinkt um 9 Prozent. Ein Facharbeiter mit dringend eine Änderung erfolgen. 4 700 DM brutto im Monat, verheiratet, zwei Kinder, wird ab 1. Januar 1996 monatlich um 211 DM entla- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge stet. Hinzu kommt die Einsparung bei der Stromrech- ordneten der F.D.P.) nung. Ich will das gerne noch fortsetzen, weil Sie wissen, Das ist das, was Sie einen „unsoliden Haushalt" daß 1988 die Regierung in Kiel wegen der Vorkomm- nennen. Das ist das, was wir unter verantwortlicher nisse gewechselt hat, die von Ihnen damals mit fal- Haushaltspolitik im Interesse der Bürger verstehen: schen Behauptungen der Öffentlichkeit zugespielt Entlastung von Steuern und Abgaben. worden sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Widerspruch bei der SPD) Selbst wenn man einbezieht, daß sich der Rentenbei- Frau Simonis ist nicht durch eine Wahl der Bürger ins trag um 0,3 Prozent für den Arbeitnehmer erhöht, Amt gekommen. Ihr Amt basiert auf dem notwendi- bleibt eine deutliche Nettoentlastung im zweistelli- gen Rücktritt von Engholm, der 1987 die politische gen Milliardenbereich. Die SPD kommt bei Entschei- Kultur erfunden haben wollte und 1994 zur Atom- dungen immer Jahre zu spät. Die Standortdebatte lobby übertrat. Dieser wiederum hat sein Wissen von hat sie drei Jahre lang verschlafen, den Machenschaften eines Herrn Pfeiffer gezielt dazu genutzt, die gesamte CDU im Lande in Mißkre- (Jörg Tauss [SPD]: 13 Jahre haben Sie selbst verschlafen!) dit zu bringen und den Wahlausgang zu beeinflus- sen. beschließt dann allmählich mit, behauptet, aus- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) schließlich die eigenen Vorstellungen durchgesetzt Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6091

Dietrich Austermann zu haben, da man schon immer gleiches wollte, und überflüssig geworden? Das ist gegen das Grundge- will dann anschließend die Konsequenzen, in diesem setz! Falle die Lohnsteuerauswirkungen, nicht mehr mit- tragen. Nach diesem Thema wird nun auch beim Jahressteuergesetz verfahren. Wir werden das nicht Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Kollegin,- zulassen. Wir informieren die Bürger über die Politik, ich muß Sie unterbrechen. Sie sprechen zur Sache, die wir machen. können aber nur eine Erklärung abgeben, die sich auf Ihre Person bezieht. Dies sind die guten Nachrichten vom Bundeshaus- halt: Die Ausgaben gehen erstmals seit 40 Jahren zurück. Der Privatisierungsschub wird vorbereitet. Dr. Christa Luft (PDS): Ja. - Zweitens. Die Regie- Ein neuer Familienleistungsausgleich wird einge- rung, der ich angehört habe, die Modrow-Regierung, führt. Der Aufbau Ost genießt weiter Priorität. Die hat nachweislich keinen Verkauf von DDR-Banken Stabilitätskriterien für Maastricht sind erfüllt. Mit uns an westdeutsche Kreditinstitute vorbereitet bzw. gibt es kein Tutti-Frutti-Geld. Neue Wege auf dem betrieben. Wenn Sie, Herr Bundesfinanzminister, der Arbeitsmarkt werden beschritten. Es wird mehr Geld Öffentlichkeit hier das Gegenteil suggerieren wollen, für Forschung ausgegeben. Die Zuschüsse für Ren- so ist dies eine Irreführung. Sie müssen dann schon ten- und Arbeitslosenversicherung werden gestei- Roß und Reiter benennen und sagen, an wen Sie die- gert. Der Umbau des Sozialstaats wird in Ang riff ses adressieren. Die nachfolgende Regierung war im genommen. Die Zinsen sinken weiter. Die Steuern übrigen eine CDU-geführte Regierung, also eine werden gesenkt. Regierung, mit der Sie sehr gute Kontakte gehabt haben. Wenn es Unredlichkeiten gegeben hätte, so Dies sind alles Daten, die uns dazu veranlassen, hätten Sie dies mit Ihren politischen Freunden unmit- dem Haushalt auch in dritter Lesung zuzustimmen telbar und mit Leichtigkeit korrigieren können. und dem Finanzminister und der Regierung das Ver- trauen auszusprechen. Danke schön. Herzlichen Dank. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne- ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge GRÜNEN) ordneten der F.D.P.)

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zu einer Erklä- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich schließe die rung nach § 30 der Geschäftsordnung erteile ich nun Aussprache. der Abgeordneten Luft das Wo rt . - Frau Kollegin, Sie Wir kommen zur Schlußabstimmung über das wissen, daß sich eine Erklärung nach § 30 nur auf Haushaltsgesetz 1996 auf den Drucksachen 13/2000, eine Äußerung beziehen kann, die sich während der 13/2593, 13/2601 bis 13/2626, 13/2627 und 13/2630. Debatte auf Sie selbst bezogen hat. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Dr. Christa Luft (PDS): Ja, ich weiß. - Herr Präsi- Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und dent! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. bedaure, daß ich erst jetzt das Wort bekomme. Ich - Sind alle Urnen besetzt? - Dann eröffne ich die hatte mich unmittelbar nach der Rede des Finanzmi- Abstimmung. gemeldet. Ich möchte zwei Bemerkungen nisters Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das machen, weil er sich in seiner Rede auf mich bezo- seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht gen hat. der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Erstens. Mit meiner Forderung an den Bundesfi- Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das nanzminister oder an die Regierung überhaupt, die Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später zweistelligen Milliardenbeträge zurückzuholen, um bekanntgegeben. ) die die DDR-Kreditinstitute zu billig verkauft worden sind, habe ich mich auf einen Bericht des Bundes- (Unruhe) rechnungshofes vom 27. September 1995 bezogen. - Ich bitte Sie, Ihre Plätze wieder einzunehmen. Das ist nichts, was ich mir ausgedacht habe. Der Bun- desfinanzminister hat nach meinem Empfinden die Wir setzen die Abstimmungen fo rt und kommen Fakten und auch die Verdachtsmomente, die es in zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf diesem Bericht gibt, nicht explizit entkräftet. Sein Drucksache 13/2972. Die Fraktion der SPD verlangt Staatssekretär Faltlhauser hat auf zwischenzeitlich namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe- ergangene Anfragen nach dem Verkaufserlös rinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze gepaßt. Er hat diese Angabe nicht gemacht. Ich einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der finde, der Steuerzahler hat schon einen Anspruch Fall. Ich eröffne die Abstimmung. darauf, solche Informationen zu bekommen. Ich darf die Damen und Herren Geschäftsführer Im übrigen muß ich sagen: Sie wischen Belege bitten, zu mir zu kommen. des Bundesrechnungshofes vom Tisch, Sie fechten Urteile des Bundesverfassungsgerichtes an. Ich frage mich: Sind denn diese Institutionen aus Ihrer Sicht *) Seite 6092 B 6092 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Sind Mitglieder im Saal, die ihre Stimme noch Eva-Maria Kors nicht abgegeben haben? - Das ist nicht der Fall. Heinz Dieter Eßmann Hartmut Koschyk Dann schließe ich die Abstimmung. Manfred Koslowski Thomas Kossendey Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu Rudolf Kraus beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen Dr. Wolfgang Krause (Dessau) später bekanntgegeben. *) Andreas Krautscheid Dr. Karl H. Fell Arnulf Kriedner Wir setzen die Abstimmungen fo rt und kommen Heinz-Jürgen Kronberg jetzt zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Dirk Fischer (Hamburg) Dr.-Ing. Paul Krüger auf Drucksache 13/2922. Die Fraktion der SPD ver- (Unna) Reiner Krziskewitz (Hamburg) Dr. Hermann Kues langt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Dr. Gerhard Friedrich Plätze einzunehmen. Ist das geschehen? - Das ist der Erich G. Fritz Dr. Karl A. Lamers Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Hans-Joachim Fuchtel (Heidelberg) Michaela Geiger Dr. Ist ein Mitglied im Hause, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist erkennbar nicht der Dr. Heiner Geißler Fall. Michael Glos Herbert Lattmann Wilma Glücklich Dr. Paul Laufs Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift- Dr. Reinhard Göhner Karl-Josef Laumann führer, mit der Auszählung zu beginnen. Auch dieses Peter Götz Werner Lensing Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben** ) Dr. Wolfgang Götzer Christian Lenzer Joachim Gres Peter Letzgus (Große Unruhe) Kurt-Dieter G rill Editha Limbach Wolfgang Gröbl Walter Link (Diepholz) - Darf ich Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen. Hermann Gröhe Ansonsten werde ich die Sitzung unterbrechen. Claus-Peter Grotz Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und Horst Günther (Duisburg) Dr. Manfred Lischewski Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Carl-Detlev Freiherr von Wolfgang Lohmann Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf über Hammerstein (Lüdenscheid) die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Julius Louven Haushaltsjahr 1996, Drucksachen 13/2000, 13/2593, (Großhennersdorf) Sigrun Löwisch 13/2601 bis 13/2626, 13/2627 und 13/2630, bekannt. Rainer Haungs Dr. Michael Luther Abgegebene Stimmen: 650. Mit Ja haben gestimmt: Otto Hauser (Esslingen) Erich Maaß (Wilhelmshaven) 337. Hansgeorg Hauser Dr. Dietrich Mahlo (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Rednitzhembach) Klaus-Jürgen Hedrich Günter Marten Mit Nein haben gestimmt: 313. Keine Enthaltung. Manfred Heise Dr. Martin Mayer Dr. Renate Hellwig (Siegertsbrunn) *) Seite 6101C Ernst Hinsken Wolfgang Meckelburg * *) Seite 6099 B Rudolf Meinl Josef Hollerith Dr. Endgültiges Ergebnis Dr. Norbert Blüm Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Siegfried Hornung Abgegebene Stimmen: 649; Dr. Maria Böhmer Joachim Hörster Rudolf Meyer (Winsen) davon Hubert Hüppe ja: 337 Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Peter Jacoby Meinolf Michels nein: 312 Susanne Jaffke Dr. Gerd Müller Dr. Wolfgang Bötsch Georg Janovsky Elmar Müller (Kirchheim) Klaus Brähmig Helmut Jawurek Engelbert Nelle Rudolf Braun (Auerbach) Ja Dr. Dionys Jobst (Bremen) Dr.-Ing. Rainer Jork Johannes Nitsch Michael Jung (Limburg) Dr. Rolf Olderog CDU/CSU Klaus Bühler (Bruchsal) Dr. Egon Jüttner Friedhelm Ost Hartmut Büttner Dr. Harald Kahl (Schönebeck) Bartholomäus Kalb Norbert Otto (Erfu rt) Dankward Buwitt Steffen Kampeter Dr. Gerhard Päselt (Emstek) Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Peter Paziorek Jürgen Augustinowitz Hans-Wilhelm Pesch Dietrich Austermann (Nordstrand) Irmgard Karwatzki Ulrich Petzold Heinz-Günter Bargfrede Peter Keller Angelika Pfeiffer Dr. Dr. Gero Pfennig Albert Deß Dr. Bernd Klaußner Dr. Friedbert Pflüger Hans Klein (München) Dr. Sabine Bergmann-Pohl Ulrich Klinkert Dr. Winfried Pinger Hans-Dirk Bierling Werner Dörflinger Dr. Helmut Kohl Dr. Joseph- Hansjürgen Doss Hans-Ulrich Köhler Dr. Hermann Pohler Dr. (Hainspitz) Dr. Maria Eichhorn Manfred Kolbe Marlies Pretzlaff Norbert Königshofen Dr. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6093 Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Dr. Bernd Protzner Carl-Dieter Spranger Lisa Peters Karl Hermann Haack Dieter Pützhofen Wolfgang Steiger Dr. Günter Rexrodt (Eitertal) Dr. Klaus Röhl Hans-Joachim Hacker Hans Raidel Dr. Wolfgang Freiherr von Helmut Schäfer (Mainz) Klaus Hagemann Dr. Stetten Cornelia Schmalz-Jacobsen Manfred Hampel Rolf Rau Dr. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Christel Hanewinckel Helmut Rauber Andreas Storm Dr. Hermann Otto Solms Alfred Hartenbach Peter Harald Rauen Dr. Dr. Liesel Hartenstein Otto Regenspurger Michael Stübgen Carl-Ludwig Thiele Klaus Hasenfratz Christa Reichard (Dresden) Egon Susset Dr. Dieter Thomae Dr. Ingomar Hauchler Klaus Dieter Reichardt Dr. Rita Süssmuth Jürgen Türk Dieter Heistermann (Mannheim) Michael Teiser Dr. Wolfgang Weng Reinhold Hemker Dr. Bertold Reinartz Dr. Susanne Tiemann (Gerlingen) Rolf Hempelmann Erika Reinhardt Dr. Klaus Töpfer Dr. Barbara Hendricks Hans-Peter Repnik Gottfried Tröger Monika Heubaum Roland Richter Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Nein Uwe Hiksch Roland Richwien Reinhold Hiller (Lübeck) Dr. Norbert Rieder Dr. Horst Waffenschmidt Gerd Höfer Dr. (München) Dr. Theodor Waigel SPD Jelena Hoffmann (Chemnitz) Alois Graf von Waldburg-Zeil Frank Hofmann (Volkach) Dr. Dr. Jürgen Warnke Ingrid Holzhüter Hannelore Rönsch Kersten Wetzel Erwin Horn (Wiesbaden) Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Robert Antretter Eike Hovermann Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Hermann Bachmaier Lothar Ibrügger Dr. Klaus Rose Bernd Wilz Wolfgang Ilte Kurt J. Rossmanith Willy Wimmer (Neuss) Barbara Imhof Adolf Roth (Gießen) Brunhilde Irber Norbert Röttgen Simon Wittmann Ingrid Becker-Inglau Gabriele Iwersen Dr. Christian Ruck (Tännesberg) Wolfgang Behrendt Renate Jäger Volker Rühe Dagmar Wöhrl Hans Berger Jann-Peter Janssen Dr. Jürgen Rüttgers Michael Wonneberger Hans-Werner Bertl Ilse Janz Roland Sauer (Stuttga rt) Elke Wülfing Friedhelm Julius Beucher Dr. Uwe Jens Ortrun Schätzle Peter Ku rt Würzbach Volker Jung (Düsseldorf) Dr. Wolfgang Schäuble Lilo Blunck Sabine Kaspereit Hartmut Schauerte Wolfgang Zeitlmann Dr. Ulrich Böhme (Unna) Susanne Kastner Heinz Schemken Benno Zierer Arne Börnsen (Ritterhude) Ernst Kastning Karl-Heinz Scherhag Wolfgang Zöller Anni Brandt-Elsweier Hans-Peter Kemper Gerhard Scheu Tilo Braune Klaus Kirschner Norbert Schindler Dr. Marianne Klappert Dietmar Schlee F.D.P. Edelgard Bulmahn Siegrun Klemmer Ulrich Schmalz Ursula Burchardt Hans-Ulrich Klose Ina Albowitz Hans Martin Bury Dr. Hans-Hinrich Knaape Christian Schmidt (Fürth) Dr. Gisela Babel Hans Büttner (Ingolstadt) Dr.-Ing. Joachim Schmidt Hildebrecht Braun Marion Caspers-Merk Fritz Rudolf Körper. (Halsbrücke) (Augsburg) Wolf-Michael Catenhusen Nicolette Kressl Andreas Schmidt (Mülheim) Günther Bredehorn Peter Conradi Volker Kröning Hans-Otto Schmiedeberg Jörg van Essen Dr. Herta Däubler-Gmelin Thomas Krüger Hans Peter Schmitz Dr. Christel Deichmann Horst Kubatschka (Baesweiler) Gisela Frick Karl Diller Eckart Kuhlwein Michael von Schmude Paul K. Friedhoff Peter Dreßen Konrad Kunick Birgit Schnieber-Jastram Rudolf Dreßler Christine Kurzhals Dr. Freimut Duve Dr. Uwe Küster Dr. Hans-Dietrich Genscher Ludwig Eich Werner Labsch Reinhard Freiherr von Dr. Wolfgang Gerhardt Peter Enders Brigitte Lange Schorlemer Joachim Günther (Plauen) Detlev von Larcher Dr. Erika Schuchardt Dr. Petra Ernstberger Waltraud Lehn Dr. Annette Faße Robert Leidinger Dr. Ulrich Heinrich Elke Ferner Klaus Lennartz (Schwäbisch Gmünd) Walter Hirche Lothar Fischer (Homburg) Dr. Elke Leonhard Gerhard Schulz (Leipzig) Dr. Burkhard Hirsch Klaus Lohmann (Witten) Frederick Schulze Birgit Homburger Iris Follak Christa Lörcher Diethard Schütze (Berlin) Dr. Norbert Formanski Erika Lotz Clemens Schwalbe Ulrich Inner Dr. Dr. Christian Schwarz- Dr. Klaus Kinkel (Köln) Dieter Maaß (Herne) Schilling Detlef Kleinert (Hannover) Katrin Fuchs (Verl) Winfried Mante Wilhelm-Josef Sebastian Roland Kohn Arne Fuhrmann Dorle Marx Dr. Heinrich L. Kolb Monika Ganseforth Ulrike Mascher Wilfried Seibel Jürgen Koppelin Norbert Gansel Heinz-Georg Seiffert Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Konrad Gilges Ingrid Matthäus-Maier Rudolf Seiters Dr. Otto Graf Lambsdorff • Iris Gleicke Heide Mattischeck Heinz Lanfermann Günter Gloser Bernd Siebert Sabine Leutheusser- Dr. Peter Glotz Ulrike Mehl Jürgen Sikora Schnarrenberger Günter Graf (Friesoythe) Uwe Lühr Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Bärbel Sothmann Günther Friedrich Nolting Dieter Grasedieck Ursula Mogg Margarete Späte Dr. Achim Großmann Siegmar Mosdorf 6094 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Michael Müller (Düsseldorf) Jörg Tauss Albert Schmidt (Hitzhofen) Dr. Jutta Müller (Völklingen) Dr. Bodo Teichmann Wolfgang Schmitt Dr. Christian Müller (Zittau) Jella Teuchner (Langenfeld) Dr. Uwe-Jens Heuer Kurt Neumann (Berlin) Dr. Gerald Thalheim Ursula Schönberger Dr. Barbara Höll Volker Neumann (Bramsche) Werner Schulz (Berlin) Dr. Willibald Jacob Gerhard Neumann (Gotha) Dietmar Thieser Rainder Steenblock Dr. Edith Niehuis Franz Thönnes Christian Sterzing Gerhard Jüttemann Dr. Rolf Niese Uta Titze-Stecher Manfred Such Dr. Heidi Knake-Werner Günter Oesinghaus Adelheid Tröscher Ludger Volmer Rolf Köhne Leyla Onur Hans-Eberhard Urbaniak Helmut Wilhelm (Amberg) Rolf Kutzmutz Manfred Opel Siegfried Vergin Margareta Wolf (Frankfurt) Andrea Lederer Adolf Ostertag Günter Verheugen Dr. Christa Luft Kurt Palis (Pforzheim) Heidemarie Lüth Albrecht Papenroth Karsten D. Voigt (Frankfurt) PDS Dr. Günther Maleuda Dr. Willfried Penner Josef Vosen Manfred Müller (Berlin) Dr. Hans Georg Wagner Wolfgang Bierstedt Rosel Neuhäuser Georg Pfannenstein Hans Wallow Petra Bläss Christina Schenk Dr. Eckhart Pick Dr. Konstanze Wegner Maritta Böttcher Steffen Tippach Joachim Poß Wolfgang Weiermann Eva Bulling-Schröter Klaus-Jürgen Warnick Rudolf Purps Reinhard Weis (Stendal) Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Winfried Wolf Karin Rehbock-Zureich Matthias Weisheit Dr. Dagmar Enkelmann Margot von Renesse Gunter Weißgerber Renate Rennebach (Wiesloch) Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Otto Reschke Jochen Welt Bernd Reuter Hildegard Wester (Unruhe) Dr. Edelbert Richter Lydia Westrich - Darf ich einen Augenblick um Ihre Aufmerksam- Günter Rixe Inge Wettig-Danielmeier Reinhold Robbe Dr. Norbert Wieczorek keit bitten. Wir haben eine etwas veränderte Gerhard Rübenkönig Helmut Wieczorek (Duisburg) Geschäftslage. Dr. Hansjörg Schäfer Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Schanz Dieter Wiefelspütz Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag Rudolf Scharping Berthold Wittich der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache Bernd Scheelen Dr. 13/2971. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Frak- Dr. Verena Wohlleben tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen Siegfried Scheffler Hanna Wolf (München) auf Drucksache 13/2983 vor. Das ist der hier verteilte Horst Schild Heidi Wright neue Antrag, der sich auf die Mißbilligung von Wela- Otto Schily jati bezieht. Dieter Schloten Dr. Christoph Zöpel Günter Schluckebier Peter Zumkley Weiter gibt es einen Entschließungsantrag der Horst Schmidbauer Koalitionsfraktionen auf Drucksache 13/2984. (Nürnberg) (Meschede) BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN (Karl Diller [SPD]: Der ist noch nicht ver- Wilhelm Schmidt (Salzgitter) teilt!) Regina Schmidt-Zadel Gila Altmann (Aurich) Heinz Schmitt (Berg) Elisabeth Altmann - Gemach. Ich weiß das, Herr Diller. Deshalb bitte ich Dr. Emil Schnell (Pommelsbrunn) auch um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit. - Dieser Walter Schöler (Köln) Ottmar Schreiner Antrag ist noch nicht verteilt. Ich möchte daher den Gisela Schröter Kollegen Hörster bitten, ihn zu verlesen; denn sonst Dr. Mathias Schube rt Annelie Buntenbach müßten wir die Sitzung unterbrechen, bis er verteilt Richard Schuhmann Amke Dietert-Scheuer werden kann. Ich schlage Ihnen also vor, daß der (Delitzsch) Dr. Uschi Eid Antrag zunächst einmal verlesen wird. Brigitte Schulte (Hameln) (Berlin) Reinhard Schultz Joseph Fischer (Frankfurt) (Everswinkel) Gerald Häfner Joachim Hörster (CDU/CSU): Herr Präsident! Der Volkmar Schultz (Köln) Antje Hermenau Antrag der Koalitionsfraktionen steht im Zusammen- Ilse Schumann Kristin Heyne hang mit dem Änderungsantrag der Fraktion des Dr. R. Werner Schuster Ulrike Höfken Bündnisses 90/Die Grünen zu ihrem eigenen Ent- Dietmar Schütz (Oldenburg) Michaele Hustedt Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Manuel Kiper schließungsantrag. Unser Antrag lautet: Ernst Schwanhold Monika Knoche Der Bundestag wolle beschließen: Bodo Seidenthal Dr. Angelika Köster-Loßack Lisa Seuster Die Äußerungen aus Teheran zur Ermordung von Horst Sielaff Yitzhak Rabin sind völlig unakzeptabel. Erika Simm Dr. Helmut Lippelt Johannes Singer Oswald Metzger Der Deutsche Bundestag erwartet von der Bun- Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Kerstin Müller (Köln) desregierung, daß sie im Vorfeld der Islam-Konfe- Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Cem Özdemir renz auf eine eindeutige Erklärung durch die ira- Wolfgang Spanier Gerd Poppe nische Regierung drängt. Dr. Dietrich Sperling Simone Probst Jörg-Otto Spiller Dr. Jürgen Rochlitz (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Antje-Marie Steen Halo Saibold Christine Scheel Meine Kolle- Dr. Peter Struck Irmingard Schewe-Gerigk Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Joachim Tappe Rezzo Schlauch gen, es liegen also zwei Anträge vor. Wir haben unter Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6095

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch den Fraktionen verabredet, daß über diese beiden indem er sagt, daß dieses Verhalten nicht nur nicht Anträge eine gemeinsame Runde stattfindet. Danach akzeptabel ist, sondern daß Herr Welajati in diesem wird getrennt über die Anträge abgestimmt. Sind Sie Lande nicht erwünscht ist und demnach ausgeladen damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen wird. Uns geht es hier nicht um einen parteipoliti- - Widerspruch. Dann verfahren wir so. schen Vorteil, sondern uns geht es darum, daß wir auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen, Ich erteile dem Abgeordneten Joseph Fischer das unserer Israel-Politik, die von allen gemeinsam getra- Wort. gen wird, aber auch der Verpflichtung für Menschen- rechte, der Unterstützung für den Friedensprozeß im Nahen Osten ein deutliches Signal setzen. Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Her- Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen ren! Meine Fraktion hat gemeinsam mit der Fraktion der Regierungsfraktionen, auffordern, diesem Antrag der Sozialdemokraten aus aktuellem Grunde folgen- zuzustimmen oder - das wäre uns noch lieber - den den Änderungsantrag gestellt: Bundesaußenminister zu veranlassen, eine solche Erklärung hier und heute abzugeben. Die Bundesregierung wird aufgefordert, den ira- nischen Außenminister Welajati von der bevor- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, stehenden Islam-Konferenz auszuladen. bei der SPD und der PDS sowie bei Abge- ordneten der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile nun Der Vertreter eines Regimes, dessen Präsident das Wort dem Abgeordneten Rudolf Seiters. den Mord am israelischen Ministerpräsidenten Rabin als „Strafe Gottes" rechtfertigt, ist in unse- Rudolf Seiters (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine rem Lande nicht willkommen. Damen und Herren! Ich brauche die Worte der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Trauer und des Entsetzens über die Ermordung des bei der SPD und der PDS) israelischen Ministerpräsidenten, die dieses Haus vor einigen Tagen übereinstimmend und gemeinsam Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister, geäußert hat, nicht zu wiederholen. Wir sind uns meine Damen und Herren, am vergangenen Samstag einig in der Bewertung der Vorgänge. Jedermann in wurde der israelische Ministerpräsident Yitzhak der Welt muß wissen, daß die Bundesregierung, der Rabin ermordet. Wir alle waren entsetzt, tief erschüt- Deutsche Bundestag, Deutschland den Friedenspro- tert. Die Bundestagspräsidentin, der Bundespräsi- zeß im Nahen Osten nachdrücklich unterstützt und dent und der Bundeskanzler haben dieses Entsetzen damit auch die Politik von Ministerpräsident Rabin zum Ausdruck gebracht, mit der Billigung des und Außenminister Peres. gesamten Hauses, aller Fraktionen und - so nehme Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat unmittelbar ich an - auch der Gruppe der PDS. nach den abstoßenden Äußerungen aus Teheran zur Ich möchte mich ausdrücklich bei Ihnen, Herr Bun- Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten deskanzler, und beim Bundespräsidenten nochmals erklärt: Diese Äußerungen sind völlig inakzeptabel. für die Gelegenheit bedanken, daß ich mit nach Jeru- Wir sagen dies auch heute. Wir erwarten von der salem fahren konnte. Aber ich möchte Sie auffor- Bundesregierung, daß sie im Vorfeld der Islam-Kon- dern, zu bedenken: Es kann doch nicht sein, daß wir, ferenz auf eine eindeutige Erklärung durch die irani- die Bundesrepublik Deutschland in dieser Woche sche Regierung drängt. Gastgeber des Außenministers eines Regimes sind - (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) auch wenn wir wissen, daß man mit mörderischen Regimen gelegentlich Gespräche führen muß, wenn In diesem Sinne erbitten wir einen Beschluß des man auf Veränderung setzt -, das den Mord am Deutschen Bundestages. Wir erwarten im übrigen israelischen Ministerpräsidenten und damit auch an auch, daß die Bundesregierung im Lichte der irani- dem, wofür er stand, nämlich für Frieden und Aus- schen Reaktion gegebenenfalls in neue Überlegun- söhnung zwischen Israelis und Palästinensern, nicht gen eintritt. nur gerechtfertigt, sondern mit seinen höchsten (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Repräsentanten nachgerade gebilligt, ja sogar beju- belt hat. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Meine verehr- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ten Kollegen! Der Außenminister der Schweiz, Herr bei der SPD und der PDS sowie bei Abge Cotti, ist als Gast von Außenminister Kinkel und ordneten der CDU/CSU) Bundesminister Rüttgers hier anwesend. Er hat auf der Tribüne Platz genommen. Herr Minister, ich Herr Bundeskanzler, uns wäre es am liebsten, der möchte Sie als unseren guten Nachbarn herzlich Bundesaußenminister würde hierher kommen und begrüßen und freue mich, daß Sie hier sind. eine Abstimmung überflüssig machen, (Beifall) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wir fahren fort. Ich erteile nun das Wo rt dem Abge- der PDS) ordneten Günter Verheugen. 6096 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Günter Verheugen (SPD): Herr Präsident! Meine Signal der deutschen Demokratie für Menschen- sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Zeiten, rechte und Menschenwürde zu setzen. in denen kritischer Dialog, ein diplomatisches Ge- spräch richtig ist, und es gibt Zeiten, in denen deut- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE liche Signale vonnöten sind. GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord-- neten der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile nun neten der CDU/CSU) dem Abgeordneten Ulrich Irmer das Wort. Und dies ist die Zeit, in der ein deutliches Signal gebraucht wird. Eine Woche nach der Beisetzung des Ulrich Irmer (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen israelischen Ministerpräsidenten den iranischen und Herren! Ich will nicht verhehlen, daß dem Außenminister in Bonn zu empfangen ist von unse- Antrag, der jetzt von Bündnis 90/Die Grünen und rem Selbstverständnis her nicht möglich, SPD eingebracht wird, viel Sympathie entgegen- schlägt. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der neten der CDU/CSU) CDU/CSU sowie bei der SPD) weil er dann auch hier die Politik einer Regierung Auch ich halte die Vokabel im Antrag der Koalition vertreten wird, deren Präsident den Mord am israeli- nicht für ausreichend, wenn es dort heißt, diese schen Ministerpräsidenten ja nicht nur gerechtfer- Erklärungen von iranischer Seite seien „unakzepta- tigt, sondern mit dieser Rechtfertigung geradezu bel" . Das sind sie natürlich. Sie sind aber darüber dazu aufgerufen hat, Terrorismus in der Welt zu ver- hinaus menschenverachtend. Sie sind verwerflich. breiten. (Beifall im ganzen Hause) (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Ich bitte um Verständnis dafür, daß der Text in der GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord Hektik dieses Vorgangs sehr schnell gezimmert wer- neten der CDU/CSU) den mußte. Sie alle kennen das. Wer wird der nächste sein, der sich unter Berufung (Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auf das, was der iranische Präsident gesagt hat, näm- NEN]: Das ist doch ein Herumgeeiere! - lich diese Ermordung sei eine „Strafe Gottes" gewe- Weitere Zurufe von der SPD und dem sen, als Werkzeug Gottes mißversteht und den näch- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sten, Herr Bundeskanzler, aus dem Kreis der Regie- rungschefs oder Staatsoberhäupter ermordet? Wer Nehmen Sie es bitte hin, daß ich hier für meine Frak- wird der nächste sein, der das tut? - Das muß man tion erkläre: Das, was von iranischer Seite zum Tode überlegen. von Yitzhak Rabin gesagt worden ist, ist menschen- verachtend und verwerflich. Deshalb muß der iranischen Regierung, die von (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ unseren amerikanischen Freunden, wie Sie wissen, DIE GRÜNEN) nachdrücklich und öffentlich mit der Förderung des Staatsterrorismus in der ganzen Welt in Beziehung - Ich habe gesagt, es gibt viel Sympathie für die gebracht wird, ein klares und deutliches Stoppsignal Reaktion, die uns hier vorgeschlagen wird, nämlich gesetzt werden. jetzt zu sagen: Wir laden Herrn Welajati aus.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Meine Damen und Herren, leider - gerade dieser GRÜNEN, der PDS sowie bei Abgeordneten Vorgang zeigt es - ist die Welt nicht so, wie wir sie der CDU/CSU) gerne hätten, wie wir sie uns wünschen und erträu- men. Der iranische Außenminister kann hier nicht erschei- nen, als wäre nichts geschehen. Es reicht nicht aus, (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Herr Kollege Seiters, die Bundesregierung aufzufor- DIE GRÜNEN) dern, sie möge die iranische Regierung zu einer - Ich weiß, Herr Duve, daß wir uns hier auf einem Erklärung drängen. Was geschieht, wenn diese schmalen Grat bewegen. Ich halte aber daran fest: Erklärung nicht kommt? - Nein, Herr Seiters, die Wir melden uns aus der Politik ab, wenn wir nicht Erklärung ist bereits da, von der höchsten Autorität den Versuch machen, selbst mit den Schlimmsten zu jenes Landes. reden. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- GRÜNEN und der PDS) NIS 90/DIE GRÜNEN) Diese Erklärung reicht aus, um ein klares Nein zu Die Bundesregierung hat bereits im Vorfeld klarge- sagen. stellt - sie wird das erneut tun -, was wir von diesen Äußerungen halten, wie entsetzlich, wie schrecklich, Ich bitte Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Ver- wie furchtbar wir dies finden. Aber ich meine, daß ständigen wir uns darauf, hier ein gemeinsames die Chance eröffnet werden sollte, den Iranern noch Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6097

Ulrich Irmer einmal klarzumachen, wie empört die Weltöffentlich- das Verhältnis der Bundesregierung zu Kuba und keit ist. zum Iran zu vergleichen. Egal, was Sie über Kuba sagen mögen: Der Unterschied zwischen Iran und (Siegfried Scheffler [SPD]: Unglaublich, Kuba ist der, daß in dem einen Land, Herr Joschka diese Regierung! - Weitere Zurufe von der Fischer, die Menschenrechte flächendeckend ver-- SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) letzt werden und es in dem anderen vielleicht punk- Ich halte daran fest: Die Islam-Konferenz, die näch- tuell passiert. ste Woche hier stattfindet, Drittens. Die PDS hat in diesem Bundestag einen (Freimut Duve [SPD]: Wird dadurch beschä Antrag eingebracht, der sich gegen privilegierte digt!) Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Iran richtet, und dies begrün- kann nicht aussparen, daß es im Islam eben nicht nur det - denn dies bringt diese privilegierten Beziehun- friedliche Gesprächspartner, sondern auch blutrün- gen zum Ausdruck - mit der Vergabe neuer Hermes- stige Verbrecher und Terroristen gibt. Das müssen Kredite an den Iran. Wir halten diesen Antrag auf- wir einfach zur Kenntnis nehmen. Deshalb bitte ich recht, gerade in diesem Zusammenhang. noch einmal darum, jetzt nicht mit moralischen Fin- gern auf diejenigen zu zeigen, die Ihrem Antrag Viertens. Der CDU-Antrag, der jetzt vorgelegt wor- nicht von vornherein in dieser Weise zustimmen. den ist, ist heuchlerisch und pharisäerhaft. Mit ihm soll ein Nebelschleier gelegt werden. Ich bitte Sie (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der noch einmal, den Text, der jetzt schriftlich vorliegt, CDU/CSU - Freimut Duve [SPD]: Das ist exakt zu lesen. Dort steht, es werde „im Vorfeld der eine hochpolitische Frage, Herr Irmer! - Islam-Konferenz auf eine eindeutige Erklärung" Dieter Wiefelspütz [SPD]: Der Bundeskanz gedrängt. Das heißt, wenn sie vorgelegt werden ler und der Bundesaußenminister sind würde, dann würde die Einladung trotzdem aufrecht- sprachlos! Unglaublich!) erhalten werden, während der Antrag, der von Grü- nen und SPD vorgelegt worden ist, fordert, diese Ein- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile nun ladung generell zurückzuziehen. dem Abgeordneten Dr. Winfried Wolf das Wo rt . Eine kleine Anmerkung am Schluß: Es gab bei der kurzen Absprache in der PDS einzelne Meinungen, Dr. Winfried Wolf (PDS): Sehr geehrter Herr Präsi- die dahin gingen, daß auch die Unterstützung des dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Diskus- Antrags von Grünen und SPD falsch verstanden wer- sion zum Thema Iran und Welajati kommt etwas den könnte, als gegen das iranische Volk gerichtet. überraschend. Die Äußerungen von Welajati zu der Ich möchte klar sagen: Damit hat es nichts zu tun. Es Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten hat mit dem Verhältnis unseres Landes zur Regie- sind empörend. Aber es ist weit mehr über den Iran rung des Iran zu tun. und Welajati bekannt, und deshalb müßte zu diesem Thema weit mehr gesagt werden. Ich werde hierzu Danke schön. vier Punkte nennen. (Beifall bei der PDS) Erstens. Die iranische Regierung hat den Charak- ter einer systematisch die Menschenrechte im Iran verletztenden Regierung. Diese Regierung prakti- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile nun ziert Menschenrechtsverletzung flächendeckend dem Bundesminister Dr. Klaus Kinkel das Wort. und seit mehr als einem Jahrzehnt - dies ist doku- mentiert auf Hunderten von Seiten, von Amnesty Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister des Auswärtigen: International und einer ganzen Reihe anderer promi- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun- nenter Menschenrechtsorganisationen -; dies hat desregierung verfolgt im Rahmen der EU gegenüber unter anderem kulminiert in dem systematisch auf- dem Iran eine Politik des kritischen Dialogs. rechterhaltenen Mordaufruf gegen Salman Rushdie. Dieses Land unterdrückt vor allem die Rechte der (Zuruf von der SPD: Ja, das kennen wir!) schwächsten Menschen im Iran, der Kinder - auch sie werden zum Tode verurteilt - und der Frauen. Dieser Dialog bezieht ausdrücklich und nachdrück- lich die Themen mit ein, die Anlaß nicht nur zur Zweitens. Die Bundesregierung betreibt seit vielen Sorge, sondern zu massivster Kritik geben. - Ich Jahren eine systematische Sympathiewerbung für habe mich in meiner Zeit als Staatssekretär im Justiz- das verbrecherische Regime in Teheran. ministerium, in meiner Zeit als Justizminister und auch in meiner Zeit als Außenminister seit Jahren in (Zuruf von der CDU/CSU: Frechheit! Neh dieser Beziehung eingesetzt. - Hierzu zählen insbe- men Sie das zurück!) sondere die Lage der Menschenrechte, terroristische Die Bundesregierung hat während des ersten Golf- Bestrebungen, die Fatwa gegen Salman Rushdie - kriegs in den 80er Jahren beide Seiten wirtschaftlich, ich habe ihn empfangen und dafür gesorgt, daß er in mit Krediten und zum Teil militärisch unterstützt. Brüssel empfangen wird - und die Ablehnung des Nahost-Friedensprozesses. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung die Einladung an Welajati ausgesprochen und damit (Freimut Duve [SPD]: Sie haben gar nicht eine empörende Provokation begangen. Ich bitte Sie, gemerkt, um was es geht!) 6098 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Ich habe - im Gegensatz zu anderen - im Rahmen Regierung die Chance einer Korrektur gegeben dieses kritischen Dialogs in zahlreichen Gesprächen wird. mit der iranischen Regierung den Einfluß geltend gemacht, den wir hatten. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- ten der CDU/CSU) - Der Europäische Rat hat sich im Dezember 1992 diese Politik des kritischen Dialogs gegenüber dem Iran förmlich zu eigen gemacht. Diese Politik des kri- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Meine verehr- tischen Dialogs ist ein schwieriger Weg, der nicht ten Damen und Herren Kollegen, es liegen keine sofort zu Erfolgen führen kann. Das wissen alle. Aber weiteren Wortmeldungen zu diesem Thema vor; wir diese Politik hat auch Erfolge erzielt, und die sind hatten das verabredet. unter anderem unserer deutschen Politik zuzuschrei- Wir haben eine etwas ungewöhnliche Geschäfts- ben. lage. Darum müssen wir in der Reihenfolge etwas Der Iran hat das Chemiewaffenübereinkommen ungewöhnlich verfahren. Der Änderungsantrag der gezeichnet. Der Iran hat die Verlängerung des Nicht- Fraktionen der SPD und der Grünen ist zweifellos verbreitungsvertrags unterzeichnet. Es gibt Verbes- der weitergehende. Es ist ein Änderungsantrag zu serungen in der Lage der Bahai im Iran. Es gibt nicht dem Entschließungsantrag. Wenn er angenommen unerhebliche Fortschritte, gerade in den letzten würde, wäre der Antrag der Koalition, der kein Tagen, im Fall Salman Rushdie, die ich jetzt im ein- Änderungsantrag ist, überflüssig. zelnen aus für Sie nachvollziehbaren Gründen leider nicht darlegen kann. Und wir haben erstmals einen Also stimmen wir zuerst über den Änderungsan- trag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/ offiziellen Menschenrechtsdialog mit dem Iran zustande gebracht, Die Grünen ab. Dann stimmen wir nicht über den Entschließungsantrag insgesamt ab, sondern über (Zurufe von der SPD: Das hat man ge den Antrag der Koalition. merkt!) Wenn diese beiden Abstimmungen erledigt sind, mit Erfolgen in Einzelfällen. fahren wir in der normalen Reihenfolge fo rt und stim- men über den Änderungsantrag der Fraktion Bünd- (Dr. Winfried Wolf [PDS]: Der Dialog wurde nis 90/Die Grünen ab. doch abgebrochen!) Herr Kollege Fischer zur Geschäftsordnung. Eine Politik der Isolierung wäre falsch. Es ist bes- ser, mit dem Iran zu sprechen als über ihn und im Gespräch zu versuchen, dieses Land in die Pflichten Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE eines Mitglieds der Staatengemeinschaft einzubin- GRÜNEN): Herr Präsident! Wir haben uns vorhin den. außerhalb der üblichen Regularien interfraktionell verständigt, daß der Antrag der Koalitionsfraktionen, (Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Unsinn!) obwohl noch nicht schriftlich vorgelegt, als Entschlie- Die Äußerungen des iranischen Präsidenten Raf- ßungsantrag auf die Tagesordnung gesetzt wird. sandschani zur Ermordung von Ministerpräsident Rabin sind nicht hinnehmbar, Wenn es keinen Widerspruch seitens der Mehrheit des Hauses gibt, bitte ich darum, unseren Ände- (Freimut Duve [SPD]: Von hinnehmbar rungsantrag ebenfalls als Entschließungsantrag zur kann doch gar keine Rede sein!) Abstimmung zu stellen; denn, wenn er Änderungs- antrag zu unserem Antrag bliebe - gegen den die in gar keiner Weise akzeptabel. Ich habe dies in Mehrheit aus ganz anderen Gründen stimmen einem scharfen B rief würde -, wäre er obsolet. (Zurufe von der SPD: Oh!) Da ich von der CDU/CSU-Fraktion signalisiert dem iranischen Außenminister gegenüber zum Aus- bekommen habe, daß sie dem zustimmt - ich nehme druck gebracht, und es hat ein massives Gespräch an, die F.D.P. auch -, mit dem iranischen Botschafter in Bonn stattgefun- (Jörg van Essen [F.D.P.]: Ja!) den. Ziel der bevorstehenden Konferenz „Europa und bitte ich, diesen Änderungsantrag zum Entschlie- die islamische Welt" ist, den Dialog zwischen zwei ßungsantrag zu erheben und über ihn als solchen der wichtigsten Kulturkreise zu fördern und zu ver- abzustimmen. tiefen. (Freimut Duve [SPD]: Den beschädigen Sie Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Wenn es kei- durch diese Haltung!) nen Widerspruch dagegen gibt, dann hätte ich geschäftsordnungsmäßig keine Bedenken. - Ich - Hören Sie erst einmal zu. stelle fest, daß es zu diesem Vorschlag keinen Wider- spruch gibt. Dann verfahren wir so. Ich werde mich nachdrücklich dafür einsetzen, daß dem entsprochen wird, was der Antrag der Koaliti- Ich lasse über den Entschließungsantrag der Frak- onsfraktionen wünscht. Lassen Sie uns die Reaktion tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen abwarten. Ich wünsche mir, daß der iranischen auf Drucksache 13/2983 abstimmen. Wer diesem Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6099

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Iris Follak Klaus Lohmann (Witten) - Gegenprobe! - Norbert Formanski Christa Lörcher Dagmar Freitag Erika Lotz (Zurufe von der SPD: Minderheit! - Beifall Anke Fuchs (Köln) Dr. Christine Lucyga bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Katrin Fuchs (Verl) Dieter Maaß (Herne) NEN und der PDS) Arne Fuhrmann Winfried Mante Monika Ganseforth Dorle Marx Es besteht im Präsidium keine Einigkeit. Norbert Gansel Ulrike Mascher Konrad Gilges Christoph Matschie (Zurufe von der SPD: Was?) Iris Gleicke Ingrid Matthäus-Maier Günter Gloser Heide Mattischeck Wir stimmen durch Hammelsprung ab. Ich bitte Sie, Dr. Peter Glotz Markus Meckel den Saal zu verlassen. Günter Graf (Friesoythe) Ulrike Mehl Angelika Graf (Rosenheim) Angelika Mertens (Otto Schily [SPD]: Es ist eindeutig die Dieter Grasedieck Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Mehrheit gewesen! So etwas!) Achim Großmann Ursula Mogg Karl Hermann Haack Siegmar Mosdorf Ich bitte die Schriftführer, die Türen zu besetzen. (Extertal) Michael Müller (Düsseldorf) Haben die Schriftführer Ihre Plätze an den Türen Hans-Joachim Hacker Jutta Müller (Völklingen) Klaus Hagemann Christian Müller (Zittau) eingenommen? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich Manfred Hampel Kurt Neumann (Berlin) die Abstimmung. - Christel Hanewinckel Volker Neumann (Bramsche) Alfred Hartenbach Gerhard Neumann (Gotha) Darf ich die Kollegen am Eingang bitten, die Plätze Dr. Liesel Hartenstein Dr. Edith Niehuis einzunehmen, damit wir die Prozedur beschleuni- Klaus Hasenfratz Dr. Rolf Niese gen? Dr. Ingomar Hauchler Günter Oesinghaus Dieter Heistermann Leyla Onur Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über den Reinhold Hemker Manfred Opel Antrag auf Drucksache 13/2983 der Fraktion SPD der Rolf Hempelmann Adolf Ostertag Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bekannt. Für den Dr. Barbara Hendricks Kurt Palis Antrag haben 268 Abgeordnete gestimmt. mit Nein Monika Heubaum Albrecht Papenroth haben 225 gestimmt. Es gab 5 Enthaltungen. Uwe Hiksch Dr. Winfried Penner Reinhold Hiller (Lübeck) Dr. Martin Pfaff (Lebhafter Beifall bei der SPD, dem BÜND Stephan Hilsberg Georg Pfannenstein NIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Gerd Höfer Dr. Eckhart Pick Jelena Hoffmann (Chemnitz) Joachim Poß Ich stelle fest, daß der Antrag damit angenommen Frank Hofmann (Volkach) Rudolf Purps ist, so daß sich eine Abstimmung über den Antrag Ingrid Holzhüter Karin Rehbock-Zureich der Koalition erübrigt. Erwin Horn Margot von Renesse Eike Hovermann Renate Rennebach Jetzt gebe ich das von den Schriftführerinnen und Lothar Ibrügger Otto Reschke Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Wolfgang Ilte Bernd Reuter Abstimmung über den Entschließungsantrag der Barbara Imhof Dr. Edelbert Richter Brunhilde Irber Günter Rixe Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Haushalts- Gabriele Iwersen Reinhold Robbe gesetzes 1996 auf Drucksache 13/2922 bekannt. Renate Jäger Gerhard Rübenkönig Abgegebene Stimmen: 648. Mit Ja haben gestimmt: Jann-Peter Janssen Dr. Hansjörg Schäfer 283, mit Nein: 365. Ilse Janz Dieter Schanz Dr. Uwe Jens Rudolf Scharping Endgültiges Ergebnis Lilo Blunck Volker Jung (Düsseldorf) Bernd Scheelen Dr. Ulrich Böhme (Unna) Sabine Kaspereit Dr. Hermann Scheer Abgegebene Stimmen: 647; Arne Börnsen (Ritterhude) Susanne Kastner Siegfried Scheffler davon Anni Brandt-Elsweier Ernst Kastning Horst Schild ja: 282 Tilo Braune Hans-Peter Kemper Otto Schily Dr. Eberhard Brecht Klaus Kirschner Dieter Schloten nein: 365 Edelgard Bulmahn Marianne Klappert Günter Schluckebier Ursula Burchardt Siegrun Klemmer Horst Schmidbauer- Hans Martin Bury Hans-Ulrich Klose (Nürnberg) Ja Hans Büttner (Ingolstadt) Dr. Hans-Hinrich Knaape Ursula Schmidt (Aachen) Marion Caspers-Merk Walter Kolbow Dagmar Schmidt (Meschede) Wolf-Michael Catenhusen Fritz Rudolf Körper Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD Peter Conradi Nicolette Kressl Regina Schmidt-Zadel Dr. Herta Däubler-Gmelin Volker Kröning Heinz Schmitt (Berg) Brigitte Adler Christel Deichmann Thomas Krüger Dr. Emil Schnell Gerd Andres Karl Diller Horst Kubatschka Walter Schöler Robert Antretter Peter Dreßen Eckart Kuhlwein Ottmar Schreiner Hermann Bachmaier Rudolf Dreßler Konrad Kunick Gisela Schröter Ernst Bahr Freimut Duve Christine Kurzhals Dr. Mathias Schube rt Doris Barnett Ludwig Eich Dr. Uwe Küster Schuhmann Richard Klaus Barthel Peter Enders Werner Labsch (Delitzsch) Ingrid Becker-Inglau Gernot Erler Brigitte Lange Brigitte Schulte (Hameln) Wolfgang Behrendt Petra Ernstberger Detlev von Larcher Reinhard Schultz Hans Berger Annette Faße Waltraud Lehn (Everswinkel) Hans-Werner Bertl Elke Ferner Robert Leidinger Volkmar Schultz (Köln) Friedhelm Julius Beucher Lothar Fischer (Homburg) Klaus Lennartz Ilse Schumann Rudolf Bindig Gabriele Fograscher Dr. Elke Leonhard Dr. R. Werner Schuster 6100 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Dietmar Schütz (Oldenburg) Maritta Böttcher Maria Eichhorn Manfred Kolbe Dr. Angelica Schwall-Düren Eva Bulling-Schröter Wolfgang Engelmann Norbert Königshofen Ernst Schwanhold Heinrich Graf von Einsiedel Rainer Eppelmann Eva-Maria Kors Bodo Seidenthal Dr. Dagmar Enkelmann Heinz Dieter Eßmann Hartmut Koschyk Lisa Seuster Dr. Ruth Fuchs Horst Eylmann Manfred Koslowski Horst Sielaff Dr. Gregor Gysi Anke Eymer Thomas Kossendey Erika Simm Dr. Uwe-Jens Heuer Ilse Falk Rudolf Kraus Johannes Singer Dr. Barbara Höll Dr. Kurt Faltlhauser Wolfgang Krause (Dessau) Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Willibald Jacob Jochen Feilcke Andreas Krautscheid Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Ulla Jelpke Dr. Karl H. Fell Arnulf Kriedner Wieland Sorge Gerhard Jüttemann Ulf Fink Heinz-Jürgen Kronberg Wolfgang Spanier Dr. Heidi Knake-Werner Dirk Fischer (Hamburg) Dr.-Ing. Paul Krüger Dr. Dietrich Sperling Rolf Köhne Leni Fischer (Unna) Reiner Krziskewitz Jörg-Otto Spiller Rolf Kutzmutz Klaus Francke (Hamburg) Dr. Hermann Kues Antje-Marie Steen Andrea Lederer Herbert Frankenhauser Werner Kuhn Ludwig Stiegler Dr. Christa Luft Dr. Gerhard Friedrich Karl Lamers Dr. Peter Struck Heidemarie Lüth Erich G. Fritz Dr. Karl A. Lamers Joachim Tappe Dr. Günther Maleuda Hans-Joachim Fuchtel (Heidelberg) Jörg Tauss Manfred Müller (Berlin) Michaela Geiger Dr. Norbert Lammert Dr. Bodo Teichmann Rosel Neuhäuser Norbert Geis Helmut Lamp Jella Teuchner Christina Schenk Dr. Heiner Geißler Armin Laschet Dr. Gerald Thalheim Steffen Tippach Michael Glos Herbert Lattmann Wolfgang Thierse Klaus-Jürgen Warnick Wilma Glücklich Dr. Paul Laufs Dietmar Thieser Dr. Winfried Wolf Dr. Reinhard Göhner Karl-Josef Laumann Franz Thönnes Gerhard Zwerenz Peter Götz Werner Lensing Uta Titze-Stecher Dr. Wolfgang Götzer Christian Lenzer Adelheid Tröscher Joachim Gres Peter Letzgus Hans-Eberhard Urbaniak Nein Kurt-Dieter Grill Editha Limbach Siegfried Vergin Wolfgang Gröbl Walter Link (Diepholz) Günter Verheugen Hermann Gröhe Eduard Lintner Ute Vogt (Pforzheim) CDU/CSU Claus-Peter Grotz Dr. Klaus W. Lippold Karsten D. Voigt (Frankfurt) Manfred Grund (Offenbach) Josef Vosen Ulrich Adam Horst Günther (Duisburg) Dr. Manfred Lischewski Hans Georg Wagner Peter Altmaier Carl-Detlev Freiherr von Wolfgang Lohmann Hans Wallow Anneliese Augustin Hammerstein (Lüdenscheid) Dr. Konstanze Wegner Jürgen Augustinowitz Gottfried Haschke Julius Louven Wolfgang Weiermann Dietrich Austermann (Großhennersdorf) Sigrun Löwisch Reinhard Weis (Stendal) Heinz-Günter Bargfrede Gerda Hasselfeldt Heinrich Lummer Matthias Weisheit Franz Peter Basten Rainer Haungs Dr. Michael Luther Gunter Weißgerber Dr. Wolf Bauer Otto Hauser (Esslingen) Erich Maaß (Wilhelmshaven) Gert Weisskirchen (Wiesloch) Brigitte Baumeister Hansgeorg Hauser Dr. Dietrich Mahlo Jochen Welt Meinrad Belle (Rednitzhembach) Erwin Marschewski Hildegard Wester Dr. Sabine Bergmann-Pohl Klaus-Jürgen Hedrich Günter Marten Lydia Westrich Hans-Dirk Bierling Manfred Heise Dr. Martin Mayer Inge Wettig-Danielmeier Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Renate Hellwig (Siegertsbrunn) Dr. Norbert Wieczorek Renate Blank Ernst Hinsken Wolfgang Meckelburg Helmut Wieczorek (Duisburg) Dr. Heribert Blens Peter Hintze Rudolf Meinl Heidemarie Wieczorek-Zeul Peter Bleser Josef Hollerith Dr. Michael Meister Dieter Wiefelspütz Dr. Norbert Blüm Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Angela Merkel Berthold Wittich Friedrich Bohl Siegfried Hornung Friedrich Merz Dr. Wolfgang Wodarg Dr. Maria Böhmer Joachim Hörster Rudolf Meyer (Winsen) Verena Wohlleben Jochen Borchert Hubert Hüppe Hans Michelbach Hanna Wolf (München) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Peter Jacoby Meinolf Michels Heidi Wright Wolfgang Bosbach Susanne Jaffke Dr. Gerd Müller Uta Zapf Dr. Wolfgang Bötsch Georg Janovsky Elmar Müller (Kirchheim) Dr. Christoph Zöpel Klaus Brähmig Helmut Jawurek Engelbert Nelle Peter Zumkley Rudolf Braun (Auerbach) Dr. Dionys Jobst Bernd Neumann (Bremen) Paul Breuer Dr.-Ing. Rainer Jork Johannes Nitsch Monika Brudlewsky Michael Jung (Limburg) Claudia Nolte BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Georg Brunnhuber Ulrich Junghanns Dr. Rolf Olderog Klaus Bühler (Bruchsal) Dr. Egon Jüttner Friedhelm Ost Gerald Häfner Hartmut Büttner Dr. Harald Kahl Eduard Oswald Michaele Hustedt (Schönebeck) Bartholomäus Kalb Norbert Otto (Erfurt) Dr. Helmut Lippelt Dankward Buwitt Steffen Kampeter Dr. Gerhard Päselt Gerd Poppe Manfred Carstens (Emstek) Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Peter Paziorek Dr. Jürgen Rochlitz Peter Harry Carstensen Manfred Kanther Hans-Wilhelm Pesch Halo Saibold (Nordstrand) Irmgard Karwatzki Ulrich Petzold Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Dehnel Volker Kauder Anton Pfeifer Werner Schulz (Berlin) Hubert Deittert Peter Keller Angelika Pfeiffer Rainder Steenblock Gertrud Dempwolf Eckart von Klaeden Dr. Gero Pfennig Helmut Wilhelm (Amberg) Albert Deß Dr. Bernd Klaußner Dr. Friedbert Pflüger Renate Diemers Hans Klein (München) Beatrix Philipp PDS Wilhelm Dietzel Ulrich Klinkert Dr. Winfried Pinger Werner Dörflinger Dr. Helmut Kohl Ronald Pofalla Wolfgang Bierstedt Hansjörgen Doss Hans-Ulrich Köhler Dr. Hermann Pohler Petra Bläss Dr. Alfred Dregger (Hainspitz) Ruprecht Polenz Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6101

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Marlies Pretzlaff Carl-Dieter Spranger F.D.P. Detlef Kleinert (Hannover) Dr. Albert Probst Wolfgang Steiger Roland Kohn Dr. Bernd Protzner Erika Steinbach Ina Albowitz Dr. Heinrich L. Kolb Dieter Pützhofen Dr. Wolfgang Freiherr von Dr. Gisela Babel Jürgen Koppelin Thomas Rachel Stetten Hildebrecht Braun Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Hans Raidel Dr. Gerhard Stoltenberg (Augsburg) Heinz Lanfermann Dr. Peter Ramsauer Andreas Storm Günther Bredehorn Sabine Leutheusser Rolf Rau Max Straubinger Jörg van Essen Schnarrenberger Helmut Rauber Michael Stübgen Dr. Olaf Feldmann Uwe Lühr Peter Harald Rauen Egon Susset Gisela Frick Günther Friedrich Nolting Otto Regenspurger Horst Friedrich Dr. Rita Süssmuth Lisa Peters Christa Reichard (Dresden) Rainer Funke Michael Teiser Dr. Günter Rexrodt Klaus Dieter Reichardt Dr. Susanne Tiemann Hans-Dietrich Genscher (Mannheim) Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Klaus Röhl Dr. Klaus Töpfer Helmut Schäfer (Mainz) Dr. Bertold Reinartz Gottfried Tröger Joachim Günther (Plauen) Cornelia Schmalz-Jacobsen Erika Reinhardt Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Hans-Peter Repnik Gunnar Uldall Dr. Helmut Haussmann Dr. Hermann Otto Sohns Roland Richter Dr. Horst Waffenschmidt Ulrich Heinrich Roland Richwien Dr. Theodor Waigel Walter Hirche Dr. Max Stadler Dr. Norbert Rieder Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Burkhard Hirsch Carl-Ludwig Thiele Dr. Erich Riedl (München) Dr. Jürgen Warnke Birgit Homburger Dr. Dieter Thomae Klaus Riegert Kersten Wetzel Dr. Werner Hoyer Jürgen Türk Dr. Heinz Riesenhuber Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Ulrich Irmer Dr. Wolfgang Weng Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Gert Willner Dr. Klaus Kinkel (Gerlingen) Dr. Klaus Rose Bernd Wilz Damit ist der Antrag abgelehnt. Kurt J. Rossmanith Willy Wimmer (Neuss) Adolf Roth (Gießen) Matthias Wissmann Dann gebe ich das von den Schriftführerinnen und Norbert Röttgen Simon Wittmann Dr. Christian Ruck Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen (Tännesberg) Abstimmung über den Entschließungsantrag der Volker Rühe Dagmar Wöhrl Dr. Jürgen Rüttgers Michael Wonneberger Fraktion der SPD auf Drucksache 13/2972 bekannt. Roland Sauer (Stuttga rt) Elke Wülfing Abgegebene Stimmen: 671. Mit Ja haben gestimmt: Ortrun Schätzle Peter Kurt Würzbach 247, mit Nein: 399, Enthaltungen: 25. Dr. Wolfgang Schäuble Cornelia Yzer Hartmut Schauerte Endgültiges Ergebnis Christel Deichmann Wolfgang Zeitlmann Heinz Schemken Karl Diller Benno Zierer Karl-Heinz Scherhag Abgegebene Stimmen: 649; Peter Dreßen Wolfgang Zöller Gerhard Scheu davon Rudolf Dreßler Norbert Schindler ja: 246 Freimut Duve Dietmar Schlee Ludwig Eich BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Ulrich Schmalz nein: 378 Peter Enders Bernd Schmidbauer enthalten: 25 Gernot Erler Gila Altmann (Aurich) Christian Schmidt (Fürth) Petra Ernstberger Elisabeth Altmann Dr.-Ing. Joachim Schmidt Annette Faße (Pommelsbrunn) (Halsbrücke) Ja Elke Ferner Volker Beck (Köln) Andreas Schmidt (Mülheim) Lothar Fischer (Homburg) Angelika Beer Hans-Otto Schmiedeberg Gabriele Fograscher Hans Peter Schmitz Matthias Berninger SPD Iris Follak (Baesweiler) Annelie Buntenbach Norbert Formanski Michael von Schmude Amke Dietert-Scheuer Brigitte Adler Dagmar Freitag Birgit Schnieber-Jastram Dr. Uschi Eid Gerd Andres Anke Fuchs (Köln) Dr. Andreas Schockenhoff Andrea Fischer (Berlin) Robert Antretter Katrin Fuchs (Verl) Dr. Rupert Scholz Joseph Fischer (Frankfurt) Hermann Bachmaier Arne Fuhrmann Reinhard Freiherr von Antje Hermenau Ernst Bahr Monika Ganseforth Schorlemer Kristin Heyne Doris Barnett Norbert Gansel Dr. Erika Schuchardt Ulrike Höfken Klaus Barthel Konrad Gilges Wolfgang Schulhoff Dr. Manuel Kiper Ingrid Becker-Inglau Iris Gleicke - Dr. Dieter Schulte Monika Knoche Wolfgang Behrendt Günter Gloser (Schwäbisch Gmünd) Dr. Angelika Köster-Loßack Hans Berger Dr. Peter Glotz Gerhard Schulz (Leipzig) Steffi Lemke Hans-Werner Bertl Günter Graf (Friesoythe) Frederick Schulze Vera Lengsfeld Friedhelm Julius Beucher Angelika Graf (Rosenheim) Diethard Schütze (Berlin) Oswald Metzger Rudolf Bindig Dieter Grasedieck Clemens Schwalbe Kerstin Müller (Köln) Lilo Blunck Achim Großmann Dr. Christian Schwarz- Winfried Nachtwei Dr. Ulrich Böhme (Unna) Karl Hermann Haack Schilling Cem Özdemir Arne Börnsen (Ritterhude) (Extertal) Wilhelm-Josef Sebastian Simone Probst Anni Brandt-Elsweier Hans-Joachim Hacker Horst Seehofer Christine Scheel Tilo Braune Klaus Hagemann Wilfried Seibel Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Eberhard Brecht Manfred Hampel Heinz-Georg Seiffert Rezzo Schlauch Edelgard Bulmahn Christel Hanewinckel Rudolf Seiters Wolfgang Schmitt Ursula Burchardt Alfred Hartenbach Johannes Selle (Langenfeld) Hans Martin Bury Dr. Liesel Hartenstein Bernd Siebert Ursula Schönberger Hans Büttner (Ingolstadt) Klaus Hasenfratz Jürgen Sikora Christian Sterzing Marion Caspers-Merk Dr. Ingomar Hauchler Johannes Singhammer Manfred Such Wolf-Michael Catenhusen Dieter Heistermann Bärbel Sothmann Ludger Volmer Peter Conradi Reinhold Hemker Margarete Späte Margareta Wolf (Frankfurt) Dr. Herta Däubler-Gmelin Rolf Hempelmann 6102 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Dr. Barbara Hendricks Albrecht Papenroth Ute Vogt (Pforzheim) Hubert Deittert Monika Heubaum Dr. Winfried Penner Karsten D. Voigt (Frankfurt) Gertrud Dempwolf Uwe Hiksch Dr. Martin Pfaff Josef Vosen Albert Deß Reinhold Hiller (Lübeck) Georg Pfannenstein Hans Georg Wagner Renate Diemers Gerd Höfer Dr. Eckhart Pick Hans Wallow Wilhelm Dietzel Jelena Hoffmann (Chemnitz) Joachim Poß Dr. Konstanze Wegner Werner Dörflinger Frank Hofmann (Volkach) Rudolf Purps Wolfgang Weiermann Hansjürgen Doss Ingrid Holzhüter Karin Rehbock-Zureich Reinhard Weis (Stendal) Dr. Alfred Dregger Erwin Horn Margot von Renesse Matthias Weisheit Maria Eichhorn Eike Hovermann Renate Rennebach Gunter Weißgerber Wolfgang Engelmann Lothar Ibrügger Otto Reschke Gert Weisskirchen (Wiesloch) Rainer Eppelmann Wollgang Ilte Bernd Reuter Jochen Welt Heinz Dieter Eßmann Barbara Imhof Dr. Edelbert Richter Hildegard Wester Horst Eylmann Brunhilde Irber Günter Rixe Lydia Westrich Anke Eymer Gabriele Iwersen Reinhold Robbe Inge Wettig-Danielmeier Ilse Falk Renate Jäger Gerhard Rübenkönig Dr. Norbert Wieczorek Dr. Kurt Faltlhauser Jann-Peter Janssen Dr. Hansjörg Schäfer Helmut Wieczorek (Duisburg) Jochen Feilcke Ilse Janz Dieter Schanz Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Karl H. Fell Dr. Uwe Jens Rudolf Scharping Dieter Wiefelspütz Ulf Fink Volker Jung (Düsseldorf) Bernd Scheelen Berthold Wittich Dirk Fischer (Hamburg) Sabine Kaspereit Dr. Hermann Scheer Dr. Wolfgang Wodarg Leni Fischer (Unna) Susanne Kastner Siegfried Scheffler Verena Wohlleben Klaus Francke (Hamburg) Ernst Kastning Horst Schild Hanna Wolf (München) Herbert Frankenhauser Hans-Peter Kemper Otto Schily Heidi Wright Dr. Gerhard Friedrich Klaus Kirschner Dieter Schloten Uta Zapf Erich G. Fritz Marianne Klappert Günter Schluckebier Dr. Christoph Zöpel Hans-Joachim Fuchtel Siegrun Klemmer Horst Schmidbauer Peter Zumkley Michaela Geiger Hans-Ulrich Klose (Nürnberg) Norbert Geis Dr. Hans-Hin rich Knaape Ursula Schmidt (Aachen) Dr. Heiner Geißler Walter Kolbow Dagmar Schmidt (Meschede) PDS Michael Glos Fritz Rudolf Körper Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Wilma Glücklich Nicolette Kressl Regina Schmidt-Zadel Eva Bulling-Schröter Dr. Reinhard Göhner Volker Kröning Heinz Schmitt (Berg) Rolf Kutzmutz Peter Götz Thomas Krüger Dr. Emil Schnell Dr. Wolfgang Götzer Walter Schöler Horst Kubatschka Joachim Gres Ottmar Schreiner Eckart Kuhlwein Kurt-Dieter Grill Gisela Schröter Nein Konrad Kunick Wolfgang Gröbl Christine Kurzhals Dr. Mathias Schubert Hermann Gröhe Dr. Uwe Küster Schuhmann Richard CDU/CSU Claus-Peter Grotz Werner Labsch (Delitzsch) Manfred Grund Brigitte Lange Brigitte Schulte (Hameln) Ulrich Adam Horst Günther (Duisburg) Detlev von Larcher Reinhard Schultz Peter Altmaier Carl-Detlev Freiherr von Waltraud Lehn (Everswinkel) Anneliese Augustin Hammerstein Robert Leidinger Volkmar Schultz (Köln) Jürgen Augustinowitz Gottfried Haschke Klaus Lennartz Ilse Schumann Dietrich Austermann (Großhennersdorf) Dr. Elke Leonhard Dr. R. Werner Schuster Heinz-Günter Bargfrede Gerda Hasselfeldt Klaus Lohmann (Witten) Dietmar Schütz (Oldenburg) Franz Peter Basten Rainer Haungs Christa Lörcher Dr. Angelica Schwall-Düren Erika Lotz Ernst Schwanhold Dr. Wolf Bauer Otto Hauser (Esslingen) Dr. Christine Lucyga Bodo Seidenthal Brigitte Baumeister Hansgeorg Hauser Dieter Maaß (Herne) Lisa Seuster Meinrad Belle (Rednitzhembach) Winfried Mante Horst Sielaff Hans-Dirk Bierling Klaus-Jürgen Hedrich Dorle Marx Erika Simm Dr. Joseph-Theodor Blank Manfred Heise Ulrike Mascher Johannes Singer Renate Blank Dr. Renate Hellwig Christoph Matschie Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Heribert Blens Ernst Hinsken Ingrid Matthäus-Maier Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Peter Bleser Peter Hintze Heide Mattischeck Wieland Sorge Dr. Norbert Blüm Josef Hollerith Markus Meckel Wolfgang Spanier Friedrich Bohl Dr. Karl-Heinz Hornhues Ulrike Mehl Dr. Dietrich Sperling Dr. Maria Böhmer Siegfried Hornung Angelika Mertens Jörg-Otto Spiller Jochen Borchert Joachim Hörster Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Antje-Marie Steen Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Hubert Hüppe Ursula Mogg Ludwig Stiegler Wolfgang Bosbach Peter Jacoby Siegmar Mosdorf Dr. Peter Struck Dr. Wolfgang Bötsch Susanne Jaffke Michael Müller (Düsseldorf) Joachim Tappe Klaus Brähmig Georg Janovsky Jutta Müller (Völklingen) Jörg Tauss Rudolf Braun (Auerbach) Helmut Jawurek Christian Müller (Zittau) Dr. Bodo Teichmann Paul Breuer Dr. Dionys Jobst Kurt Neumann (Berlin) Jella Teuchner Monika Brudlewsky Dr.-Ing. Rainer Jork Volker Neumann (Bramsche) Dr. Gerald Thalheim Georg Brunnhuber Michael Jung (Limburg) Gerhard Neumann (Gotha) Wolfgang Thierse Klaus Bühler (Bruchsal) Ulrich Junghanns Dr. Edith Niehuis Dietmar Thieser Hartmut Büttner Dr. Egon Jüttner Dr. Rolf Niese Franz Thönnes (Schönebeck) Dr. Harald Kahl Günter Oesinghaus Uta Titze-Stecher Dankward Buwitt Bartholomäus Kalb Leyla Onur Adelheid Tröscher Manfred Carstens (Emstek) Steffen Kampeter Manfred Opel Hans-Eberhard Urbaniak Peter Harry Carstensen Dr.-Ing. Dietmar Kansy Adolf Ostertag Siegfried Vergin (Nordstrand) Manfred Kanther Kurt Palis Günter Verheugen Wolfgang Dehnel Irmgard Karwatzki Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6103 Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Volker Kauder Ulrich Petzold Dr. Christian Schwarz- Dr. Helmut Lippelt Peter Keller Anton Pfeifer Schilling Oswald Metzger Eckart von Klaeden Angelika Pfeiffer Wilhelm-Josef Sebastian Kerstin Müller (Köln) Dr. Bernd Klaußner Dr. Gero Pfennig Horst Seehofer Winfried Nachtwei Hans Klein (München) Dr. Friedbert Pflüger Wilfried Seibel Cern Özdemir Ulrich Klinkert Beatrix Philipp Heinz-Georg Seiffert Gerd Poppe Dr. Helmut Kohl Dr. Winfried Pinger Rudolf Seiters Simone Probst Hans-Ulrich Köhler Ronald Pofalla Johannes Selle Dr. Jürgen Rochlitz (Hainspitz) Dr. Hermann Pohler Bernd Siebert Halo Saibold Manfred Kolbe Ruprecht Polenz Jürgen Sikora Christine Scheel Norbert Königshofen Marlies Pretzlaff Johannes Singhammer Irmingard Schewe-Gerigk Eva-Maria Kors Dr. Albert Probst Bärbel Sothmann Rezzo Schlauch Hartmut Koschyk Dr. Bernd Protzner Margarete Späte Albert Schmidt (Hitzhofen) Manfred Koslowski Dieter Pützhofen Carl-Dieter Spranger Wolfgang Schmitt Thomas Kossendey Thomas Rachel Wolfgang Steiger (Langenfeld) Rudolf Kraus Hans Raidel Erika Steinbach Ursula Schönberger Wolfgang Krause (Dessau) Dr. Peter Ramsauer Dr. Wolfgang Freiherr von Werner Schulz (Berlin) Andreas Krautscheid Rolf Rau Stetten Rainder Steenblock Arnulf Kriedner Helmut Rauber Dr. Gerhard Stoltenberg Christian Sterzing Heinz-Jürgen Kronberg Peter Harald Rauen Andreas Storm Manfred Such Dr.-Ing. Paul Krüger Otto Regenspurger Max Straubinger Ludger Volmer Reiner Krziskewitz Christa Reichard (Dresden) Michael Stübgen Helmut Wilhelm (Amberg) Dr. Hermann Kues Klaus Dieter Reichardt Egon Susset Margareta Wolf (Frankfurt) Werner Kuhn (Mannheim) Dr. Rita Süssmuth Karl Lamers Dr. Bertold Reinartz Michael Teiser Dr. Karl A. Lamers Erika Reinhardt Dr. Susanne Tiemann F.D.P. (Heidelberg) Hans-Peter Repnik Dr. Klaus Töpfer Dr. Norbert Lammert Roland Richter Gottfried Tröger Ina Albowitz Helmut Lamp Roland Richwien Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Dr. Gisela Babel Armin Laschet Dr. Norbe rt Rieder Gunnar Uldall Hildebrecht Braun Herbert Lattmann Dr. Erich Riedl (München) Dr. Horst Waffenschmidt (Augsburg) Dr. Paul Laufs Klaus Riegert Dr. Theodor Waigel Günther Bredehorn Karl -Josef Laumann Dr. Heinz Riesenhuber Alois Graf von Waldburg-Zeil Jörg van Essen Werner Lensing Hannelore Rönsch Dr. Jürgen Warnke Dr. Olaf Feldmann Christian Lenzer (Wiesbaden) Kersten Wetzel Gisela Frick Peter Letzgus Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Paul K. Friedhoff Editha Limbach Dr. Klaus Rose Gert Willner Horst Friedrich Walter Link (Diepholz) Kurt J. Rossmanith Bernd Wilz Rainer Funke Eduard Lintner Adolf Roth (Gießen) Willy Wimmer (Neuss) Hans-Dietrich Genscher Dr. Klaus W. Lippold Norbert Röttgen Matthias Wissmann Dr. Wolfgang Gerhardt (Offenbach) Dr. Christian Ruck Simon Wittmann Joachim Günther (Plauen) Dr. Manfred Lischewski Volker Rühe (Tännesberg) Dr. Karlheinz Guttmacher Wolfgang Lohmann Dr. Jürgen Rüttgers Dagmar Wöhrl Dr. Helmut Haussmann (Lüdenscheid) Roland Sauer (Stuttgart) Michael Wonneberger Ulrich Heinrich Julius Louven Ortrun Schätzle Elke Wülfing Walter Hirche Sigrun Löwisch Dr. Wolfgang Schäuble Peter Kurt Würzbach Dr. Burkhard Hirsch Heinrich Lummer Hartmut Schauerte Cornelia Yzer Birgit Homburger Dr. Michael Luther Heinz Schemken Wolfgang Zeitlmann Dr. Werner Hoyer Erich Maaß (Wilhelmshaven) Karl-Heinz Scherhag Benno Zierer Ulrich Irmer Dr. Dietrich Mahlo Gerhard Scheu Wolfgang Zöller Dr. Klaus Kinkel Erwin Marschewski Norbert Schindler Detlef Kleinert (Hannover) Günter Marten Dietmar Schlee Roland Kohn Dr. Martin Mayer Ulrich Schmalz BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Dr. Heinrich L. Kolb (Siegertsbrunn) Bernd Schmidbauer Jürgen Koppelin Wolfgang Meckelburg Christian Schmidt (Fürth) Gila Altmann (Aurich) Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Rudolf Meinl Dr.-Ing. Joachim Schmidt Elisabeth Altmann Dr. Otto Graf Lambsdorff- Dr. Michael Meister (Halsbrücke) (Pommelsbrunn) Heinz Lanfermann Dr. Angela Merkel Andreas Schmidt (Mülheim) Volker Beck (Köln) Sabine Leutheusser Friedrich Merz Hans-Otto Schmiedeberg Angelika Beer Schnarrenberger Rudolf Meyer (Winsen) Hans Peter Schmitz Matthias Berninger Uwe Lühr Hans Michelbach (Baesweiler) Annelie Buntenbach Günther Friedrich Nolting Meinolf Michels Michael von Schmude Amke Dietert-Scheuer Dr. Rainer Ortleb Dr. Gerd Müller Birgit Schnieber-Jastram Dr. Uschi Eid Lisa Peters Elmar Müller (Kirchheim) Dr. Andreas Schockenhoff Andrea Fischer (Berlin) Dr. Günter Rexrodt Engelbert Nelle Dr. Rupert Scholz Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Klaus Röhl Bernd Neumann (Bremen) Reinhard Freiherr von Gerald Häfner Helmut Schäfer (Mainz) Johannes Nitsch Schorlemer Antje Hermenau Cornelia Schmalz-Jacobsen Claudia Nolte Dr. Erika Schuchardt Kristin Heyne Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Rolf Olderog Wolfgang Schulhoff Ulrike Höfken Dr. Hermann Otto Solms Friedhelm Ost Dr. Dieter Schulte Michaele Hustedt Dr. Max Stadler Eduard Oswald (Schwäbisch Gmünd) Dr. Manuel Kiper Carl-Ludwig Thiele Norbert Otto (Erfurt) Gerhard Schulz (Leipzig) Monika Knoche Dr. Dieter Thomae Dr. Gerhard Päselt Frederick Schulze Dr. Angelika Köster-Loßack Jürgen Türk Dr. Peter Paziorek Diethard Schütze (Berlin) Steffi Lemke Dr. Wolfgang Weng Hans-Wilhelm Pesch Clemens Schwalbe Vera Lengsfeld (Gerlingen) 6104 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Enthalten Ulla Jelpke - Ich stelle fest, daß dieser Entschließungsantrag mit Gerhard Jüttemann den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Dr. Heidi Knake-Werner Gruppe der PDS abgelehnt worden ist. PDS Rolf Köhne Andrea Lederer Wolfgang Bierstedt Dr. Christa Luft Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV c auf: Petra Bläss Heidemarie Lüth Maritta Böttcher Dr. Günther Maleuda Heinrich Graf von Einsiedel Manfred Müller (Berlin) Abschließende Beratungen ohne Aussprache Dr. Dagmar Enkelmann Rosel Neuhäuser Dr. Ruth Fuchs Christina Schenk Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat Dr. Gregor Gysi Steffen Tippach eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dr. Uwe-Jens Heuer Klaus-Jürgen Warnick Änderung des Gesetzes zur sozialen Absiche- Dr. Barbara Höll Dr. Winfried Wolf rung des Risikos der Pflegebedürftigkeit Dr. Willibald Jacob Gerhard Zwerenz - Drucksache 13/2207 - Damit ist auch dieser Entschließungsantrag abge- lehnt. (Erste Beratung 55. Sitzung)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schusses für Arbeit und Sozialordnung auf Drucksache 13/2971. Wer für den Entschlie- (11. Ausschuß) ßungsantrag - ursprünglich Änderungsantrag - stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen- - Drucksache 13/2940 - probe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß Berichterstattung: dieser Antrag mit den Stimmen der Koalition und der Abgeordneter Karl-Josef Laumann Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. abgelehnt worden ist. Das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung hat Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- die Kollegin Bläss. ßungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/2975. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen- probe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß Petra Bläss (PDS): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der unbestritten notwendig geworde- dieser Antrag mit den Stimmen der Koalition, der nen Neufassung des Art. 51 des Pflege-Versiche Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Gruppe der PDS rungsgesetzes kann ich in der zur Beschlußfassung vorliegenden Form nicht zustimmen. abgelehnt worden ist. Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen Selbstverständlich begrüße ich, daß Menschen zur Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses mit Behinderungen, die nach dem Pflege-Versiche- zum Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 auf den rungsgesetz keinen oder einen geringeren Drucksachen 13/2001, 13/2593 und 13/2631. Dazu Anspruch auf Leistungen gegenüber vorherigen liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der PDS auf Regelungen nach SGB V und BSHG haben, durch Drucksache 13/2950 vor, über den wir zuerst abstim- diese Klarstellung keine Leistungseinbußen hinneh- men. Wer dem Änderungsantrag der Gruppe der men müssen. Das darf aber nicht darüber hinweg- PDS auf Drucksache 13/2950 zustimmen will, den täuschen, daß Art. 51 seinem Namen, nämlich bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Bestand zu schützen, nicht gerecht wird. Denn für Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser einen nicht unerheblichen Betroffenenkreis - für Antrag mit den Stimmen der Koalition und einzelnen diejenigen, die Geld- und Sachleistungen kombi- niert erhalten - werden reale Leistungseinbußen Stimmen aus der Fraktion der SPD bei Stimmenthal- - tungen im übrigen gegen die Stimmen der PDS festgeschrieben. abgelehnt worden ist. Das bedeutet, daß von der vorgesehenen Besitz- Dann stimmen wir über die Beschlußempfehlung standsregelung nur die Menschen profitieren, die des Haushaltsausschusses ab. Wer der Beschlußem- bisher nur Pflegegeld und keine weiteren Leistun- pfehlung des Haushaltsausschusses zum Finanzplan gen erhielten und auch jetzt nur ein Pflegegeld des Bundes zustimmt, den bitte ich um das Handzei- benötigen oder beanspruchen. Alle diejenigen, die chen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich vor dem 1. April 1995 neben dem Pflegegeld wei- stelle fest, daß dieser Finanzplan mit den Stimmen tere Leistungen erhielten, haben bedeutende Nach- der Koalition gegen die Stimmen der Opposition teile. Insbesondere die behinderten Menschen, die angenommen worden ist. sich ihre Pflege nach dem Arbeitgebermodell selbst organisieren, werden damit einen Verlust Dann kommen wir zur Abstimmung über den Ent- von zirka 400 bis 715 DM monatlich in Kauf neh- schließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksa- men müssen. che 13/2974. Wer für diesen Entschließungsantrag der Gruppe der PDS stimmt, den bitte ich um das Andere schon vorgesehene Einschränkungen sind Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? noch offen. Noch nicht klar ist, wie sich die Sozialhil- Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6105

Petra Bläss feträger in bezug auf die neue Fassung des § 69 c Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf: Abs. 4 BSHG verhalten werden. Hier ist festgelegt: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- Leistungen nach § 69b Abs. 1 werden insoweit brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anglei- nicht gewährt, als der Pflegebedürftige in der chung der Arbeitsbedingungen bei der Ent- Lage ist, entsprechende Leistungen nach ande- sendung von Arbeitnehmern (Entsendegesetz) ren Rechtsvorschriften in Anspruch zu nehmen. - Drucksache 13/2834 — Überweisungsvorschlag: Auf jeden Fall aber kann das Arbeitgebermodell Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) einer selbstorganisierten Pflege in der bisherigen Rechtsausschuß Form nicht weitergeführt werden. Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Hinzu kommt, daß über die Regelungen in Abs. 3 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union der Besitzstandsschutz an die Einkommensgrenzen zum 31. März 1995 gebunden ist. Damit fallen Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. jetzt noch geschützte Leistungsempfängerinnen und Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzent- -empfänger bei entsprechenden Einkommenserhö- wurf auf Drucksache 13/2834 federführend an den Aus- hungen heraus. Das heißt, hier ist der Besitzstands- schuß für Arbeit und Sozialordnung, mitberatend an schutz zeitlich begrenzt. den Rechtsausschuß, an den Ausschuß für Wirtschaft, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Der neugefaßte Art. 51 sichert zwar, daß sich die Forsten, an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen Sozialhilfeträger nicht ganz aus der Leistungserbrin- und Städtebau und an den Ausschuß für die Angele- gung „Hilfe zur Pflege" zurückziehen können. Ein- genheiten der Europäischen Union zu überweisen. Gibt schnitte sind jedoch einkalkuliert. es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Da die ebenfalls zur Abstimmung vorgelegte Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Änderung des Art. 52 - die Möglichkeit, Investitions- hilfen für die neuen Bundesländer mit Verwahrkon- Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf: ten ins nächste Jahr zu übertragen - zu begrüßen ist, Erste Beratung des von den Fraktionen der werde ich mich bei der Gesamtabstimmung der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs Stimme enthalten. Ich gehe davon aus, daß meine eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Ar- Kolleginnen und Kollegen aus der PDS meinem beitslosenhilfe (Arbeitslosenhilfe-Reformge- Abstimmungsverhalten folgen werden. setz - AlhiRG) Ich danke. - Drucksache 13/2898 — (Beifall bei der PDS) Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Wirtschaft Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Wir kommen Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den Abstimmungen. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Gesundheit Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzent- Ich stelle fest, daß darüber Einverständnis besteht, wurf in der Ausschußfassung bei Stimmenthaltung daß sämtliche Reden zu Protokoll gegeben werden. *) der Gruppe der PDS in zweiter Beratung angenom- Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf auf men worden ist. Drucksache 13/2898 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und mit- Wir kommen zur beratend an den Innenausschuß, an den Ausschuß für Wirtschaft, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirt- dritten Beratung schaft und Forsten, an den Ausschuß für Raumord- und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die nung, Bauwesen und Städtebau, an den Ausschuß für dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- Gesundheit und an den Haushaltsausschuß zur Mit- ben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle beratung und gemäß § 96 GO zu überweisen. - Ich fest, daß der Gesetzentwurf mit derselben Mehrheit sehe und höre dazu keine anderweitigen Vorschläge. Dann ist die Überweisung so beschlossen. wie in der zweiten Beratung angenommen worden ist. Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- Ich gebe bekannt, daß der Abgeordnete Oswald destages auf Mittwoch, den 22. November 1995, Metzger zu dem Antrag der SPD auf Drucksache 13 Uhr ein. 13/2984 eine schriftliche Erklärung zu Protokoll Die Sitzung ist geschlossen. gegeben hat. - Ich sehe und höre keinen Wider- spruch. *) (Schluß der Sitzung: 15.33 Uhr)

*) Anlage 2 *) Anlage 3

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6107*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Anlage 3

Liste der entschuldigten Abgeordneten Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 3 entschuldigt bis (Arbeitslosenhilfe-Reformgestz - AlhiRG) Abgeordnete(r) einschließlich

Beck (Bremen), BÜNDNIS 10. 11. 95 Heinz Schemken (CDU/CSU): In den vergangenen Marieluise 90/DIE Jahren ist die Zahl der Arbeitslosenhilfebezieher und GRÜNEN die Bezugsdauer erheblich angestiegen. Der mit der Dauer der Arbeitslosigkeit regelmäßig zunehmende Dr. Dobberthien, SPD 10. 11. 95 Verlust von beruflicher Qualifikation erschwert die Marliese Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in das Arbeitsleben. Es hat sich ein Sockel von Arbeits- Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 10. 11.95 losenhilfebeziehern gebildet, der die Arbeitslosen- Meißner, Herbe rt SPD 10. 11. 95 hilfe nicht nur vorübergehend, sondern immer häufi- ger mehr als zehn Jahre in Anspruch nimmt. Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 10. 11. 95 Im geltenden Recht gewährleisten Arbeitslosen- Nickels, Christa BÜNDNIS 10. 11. 95 geld und Arbeitslosenhilfe den Schutz vor den finan- 90/DIE ziellen Folgen der Arbeitslosigkeit. GRÜNEN Der vorliegende Gesetzentwuf zur Reform des Odendahl, Doris SPD 10. 11. 95 Rechts der Arbeitslosenhilfe enthält die im wesent- lichen notwendigen strukturellen Änderungen: Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 10. 11.95 90/DIE Erstens. Der Anspruch auf die Arbeitslosenhilfe GRÜNEN setzt voraus, daß der Arbeitslose ein Jahr gearbeitet und im Anschluß daran Arbeitslosengeld bezogen Schwanitz, Rolf SPD 10. 11. 95 hat. Arbeitslose, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, haben den Anspruch auf Sozialhilfe. Diese Steindor, Marina 10. 11. 95 BÜNDNIS unterschiedliche Behandlung muß bei einer Lang- 90/DIE zeitarbeitslosigkeit mehr oder weniger als Zufall GRÜNEN gesehen werden. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Terborg, Margitta SPD 10. 11. 95 sind deshalb stärker aufeinander abzustimmen und systemgerechter abzugrenzen. Dieses Ziel könnte Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 10. 11. 95 durch eine Befristung der Arbeitslosenhilfe erreicht werden. Der Entwurf sieht dies eben nicht vor. Er beruht vielmehr auf der Abwägung, daß es besser ist, durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen langjähri- gen Arbeitslosen, die auch einen Verlust von berufli- cher Qualifikation haben, einen Einstieg ins Berufs- Anlage 2 leben zu ermöglichen. Da die Nachfrage nach Arbeitsplätzen das Ange- Erklärung nach § 31 GO bot weit übersteigt, kann dieses Ziel erreicht werden: des Abgeordneten Oswald Metzger durch eine Verbesserung der bestehenen Beschäfti- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gungsmöglichkeiten in Maßnahmen der Arbeitsbe- zur Abstimmung über den Entschließungsantrag schaffung und produktiven Arbeitsförderung, durch der Fraktion der SPD zur dritten Beratung Erschließen neuer Beschäftigungsmöglichkeiten, die des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1996 gegenwärtig z. B. vielfach durch ausländische Sai- - Drucksachen 13/2000, 13/2593, 13/2627, 13/2630 - sonarbeitnehmer genutzt werden, dabei mit einer (Drucksache 13/2972) finanziellen Anreizleistung, durch das Angebot von Tätigkeiten und Maßnahmen, die zur Wiedereinglie- derung oder Verbesserung der Vermittlungsaussich- Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ten beitragen und dies durch finanzielle Absicherung Unserer Fraktion ist beim Mißbilligungsantrag der und Weiterzahlung der Arbeitslosenhilfe, durch die SPD auf Drucksache 13/2972 ein Abstimmungsfehler Beseitigung von bestehenden Hindernissen für den unterlaufen, den ich als Haushaltsobmann auf meine Versuch von Arbeitlosen, ihren Lebensunterhalt Kappe nehme. durch eine selbständige Erwerbstätigkeit zu bestrei- ten. Wir haben versehentlich mit Nein gestimmt, obwohl ich in meiner Rede die Zustimmung ange- Zweitens. Mit dem geltenden Recht können diese kündigt hatte. Ansätze nicht verwirklicht werden. 6108* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Es ist verwaltungsaufwendig und wegen des wei- Birgit Schnieber-Jastram (CDU/CSU): Eines, ten Beurteilungsspielraums in der Höhe des Arbeits- glaube ich, ist in diesem Hause unstrittig: Die Sozial- losengeldes nicht hilfreich. versicherungssysteme Arbeitslosenversicherung, Ar- beitslosenhilfe und Sozialhilfe müssen effektiver als Der Entwurf sieht deshalb vor, daß die Neufestset- bisher miteinander kooperieren und aufeinander ab- zung und Anpassung an die Entwicklung der Brutto- gestimmt werden. Aber diese Forderung ist nur sinn- arbeitsentgelte jährlich erfolgt und an die Stelle der voll, wenn eine Reform der einzelnen Systeme - eben individuellen Neufestsetzung ein pauschaler Ansatz auch der Arbeitslosenhilfe - akzeptiert wird. Man tritt. muß den Mund nicht nur spitzen, sondern auch pfei- fen. Drittens. Da die Nachfrage nach Arbeitsplätzen das Angebot übersteigt, kann die Arbeitsbereitschaft Die Voraussetzungen des Bezuges dieser Soziallei- von Arbeitslosenhilfebeziehern vielfach nicht über- stung haben sich geändert: Arbeitslosenhilfe ist lei- prüft werden. der nicht mehr nur eine Übergangsleistung bei einem kurzfristigen Verlust des Arbeitsplatzes, son- Arbeitslosenhilfe können deshalb auch Personen dern sie wird mehr und mehr zu einer Dauerleistung. beziehen, die keine Arbeit suchen. Sie nehmen die Über die Ursachen dieser Entwicklung kann man Arbeitslosenhilfe mißbräuchlich in Anspruch. sich streiten, das Faktum jedoch bleibt bestehen: Die Viertens. Die Arbeitslosenhilfe ist eine aus Steuer- Zahl der Langzeitarbeitslosen und ihr Verbleib in der mitteln des Bundes finanzierte staatliche Fürsorgelei- Arbeitslosenhilfe nehmen zu. stung. Der Arbeitslose erhält sie, soweit er seinen Wie soll die Sozialpolitik auf diese Entwicklung Lebensunterhalt nicht auf andere Weise bestreiten reagieren? Soll weiterhin ein reines Versorgungs- kann. system aufrecht erhalten werden, oder können den Die Arbeitslosenhilfe soll deshalb ruhen, wenn Langzeitarbeitslosen, denen in ihrer Gesamtheit hier der Arbeitslose voraussichtlich die Voraussetzungen niemand den Arbeitswillen abspricht, nicht auch Per- einer Rente wegen Alters erfüllt, diese aber nicht spektiven auf eine Beschäftigung eröffnet werden? beantragt. Ich denke, das wäre ein vernünftiger Weg. Fünftens. Das geltende Recht bietet dem Ehegat- Ich möchte einige Punkte des Gesetzentwurfes der ten des Arbeitslosenhilfebeziehers vielfach keinen Koalition besonders hervorheben: So sollen in Anreiz, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, weil das Zukunft mit geringen Ausnahmen nur noch Lang- Einkommen bei der Arbeitslosenhilfe angerechnet zeitarbeitslose in die Allgemeinen Maßnahmen zur wird. Arbeitsbeschaffung zugewiesen werden können. Außerdem werden Trainingsmaßnahmen für Arbeits- Wie in der Sozialhilfe soll deshalb durch einen lose eingeführt, die ihnen nicht nur bei der Bewer- zusätzlichen Freibetrag ein entsprechender finanziel- bung helfen sollen sondern unter Umständen auch ler Anreiz für den Ehegatten geschaffen werden. ihre Eignung und Begabung für eine neue Tätigkeit aufzeigen, insgesamt ihre „Professionalität" verbes- Sechstens. Der vorliegende Entwurf setzt bei der sern sollen. Reform der Arbeitslosenhilfe folgende Schwer- punkte: Erhöhung des Anteils von Arbeitslosenhilfe- Eine weitere geplante Maßnahme, die ich für sinn- beziehern an Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung voll halte, sind Zuschüsse an jüngere Arbeitslosen- und der produktiven Arbeitsförderung - §§ 242s, hilfeempfänger, die sich für befristete und nicht 249h AFG -, Einführung von Trainingsmaßnahmen gerade hoch dotierte Beschäftigungen zur Verfügung für Arbeitslosenhilfebezieher unter Weiterzahlung stellen. Wer etwa bei der Ernte mitarbeitet, erhält der Arbeitslosenhilfe, Erschließung zumutbarer Be- 25 DM täglich als Zuschlag zu seinem Entgelt. schäftigungsmöglichkeiten durch Einführung einer Arbeitnehmerhilfe - über 60 Prozent der Arbeits- Wenn man bedenkt, daß ein beträchtlicher Anteil losenhilfeempfänger sind unter 45 Jahre alt - Verlän- der Arbeitslosenhilfebezieher zu einer solchen Tätig- gerung der Fristen, innerhalb deren ein Arbeitsloser keit in der Lage ist, ist dieses Angebot - ich möchte eine selbständige Tätigkeit ohne Nachteile bei der die Freiwilligkeit unterstreichen wünschenswert und Arbeitslosenhilfe ausüben kann, Verlängerung der erfreulich. Wer in diesem Zusammenhang von Fristen, innerhalb deren ein Arbeitsloser sein Recht „Arbeitsdienst" redet, zeigt nicht nur sein histori- auf Arbeitslosenhilfe nicht verliert, wenn er wegen sches Unverständnis, sondern offenbart auch natio- der Berücksichtigung von Einkommen und Vermö- nalen Hochmut nach dem Motto: „Ein Deutscher gen nicht bedürftig war, pauschalierende und weni- bückt sich nicht vor einer Erdbeere." Hunderttau- ger verwaltungsaufwendige jährliche Anpassung sende ausländischer Arbeitnehmer kennen diese des für die Arbeitslosenhilfe maßgeblichen Arbeits- Scheu nicht und sind sich für Erntearbeiten in entgelts, Begrenzung der Arbeitslosenhilfe bis zu Deutschland nicht zu schade. dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslose frühestens eine Altersrente beanspruchen kann. Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang an einen Satz von Willy Brandt erinnern, der zutref- Natürlich wird durch diese Gesetzgebung auch der fend bemerkte, daß das Sozialstaatsangebot „nicht Bundeshaushalt entlastet; dies ist erforderlich, um nur Pflichten des Gemeinwesens gegenüber dem Spielräume für arbeitsmarkt- und wirtschaftspoliti- Bürger, sondern auch soziale Verpflichtungen der sche Maßnahmen zu schaffen. Bürger im Verhältnis zum Staat" beinhaltet. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6109*

Liebe Kollegen von der SPD, ich interpretiere in Abschließend möchte ich den Kollegen von der dem heutigen Zusammenhang die Worte ihres Ex SPD, deren Kriegsgeheul von sozialem Kahlschlag Vorsitzenden so: Wer Hilfe vom Gemeinwesen erhält, und „menschlicher Sauerei" (Ottmar Schreiner) in der soll sich nach seinen Möglichkeiten auch bemü- den letzten Wochen wieder lauter geworden ist, in hen, diese Hilfe nicht mehr oder in geringerem Erinnerung rufen: Es sind eure Engel, die den Teufel- Umfang zu benötigen. an die Wand malen. Unter Ihrer Ägide wurden die ersten einschneidenden Kürzungen bei der Arbeits- Nur für den Fall, daß Sie mir vorwerfen sollten, ich losenhilfe geplant, nämlich eine Senkung der würde Sie auf alte Kamellen von vorgestern fest- Arbeitslosenhilfe und eine Verschärfung der Zumut- nageln, möchte ich auf Äußerungen des Hambur- barkeitskriterien. Damals, im März 1981, titelte der ger Bürgermeisters, Ihres Parteifreundes Henning „Spiegel" sogar: „Sozialleistungen werden einge- Voscherau, hinweisen. Der forde rte in einem Inter- sammelt". Ihr Parteifreund Hans Matthöfer erklärte, view vor knapp einer Woche die Abschaffung „von einer Phase des Ausbaus sozialer Leistungen" „überkommener Zumutbarkeitsgrenzen" und er- sei nun - 1981 - „in eine Phase gesunden Abwägens klärte, es könne nicht Sache des einzelnen sein, sich von sozialer Sicherung und Eigenverantwortung zwischen Arbeit und „einem Einkommen aus der überzugehen". Tasche des Steuerzahlers" zu entscheiden. Ist das, liebe Kollegen von der SPD, ein Anschlag auf den Was damals richtig war, ist auch heute gültig. Inso- Sozialstaat? fern sollten auch die Kollegen von der SPD den vor- liegenden Entwurf, der jene Forderung des Abwä- Ich habe die meines Erachtens positiven Aspekte gens erfüllt, als das sehen, was er ist: Eine Siche- des vorliegenden Gesetzentwurfes hervorgehoben rungsmaßnahme im Sozialstaat. und möchte nun einige Sätze zu einer Neuregelung sagen, der ich - und auch einige meiner Fraktions- kollegen - nicht ganz ohne Bedenken zustimmen Adolf Ostertag (SPD): Heute vor einer Woche hat kann: Geplant ist, die Minderung der beruflichen der Bundesarbeitsminister auf dem Gewerkschafts- Qualifikation dadurch auszugleichen, daß das tag der IG Metall das „Bündnis für Arbeit" als „be- Bemessungsentgelt um fünf Prozent gekürzt wird, deutsamen Beitrag" bezeichnet und angeboten: bis der durchschnittliche Tariflohn der untersten Gruppe erreicht ist. Tatsächlich ist eine Kürzung der Laßt uns auf dem Boden der Vorschläge von Klaus Arbeitslosenhilfe, die ja im Vergleich zum Arbeits- Zwickel, nicht auf der Höhe abstrakter Diskussio- losengeld bereits reduziert ist, nicht unproblema- nen, sondern im Rahmen ganz konkreter Projekte tisch. Dies gilt um so mehr, wenn es sich um eine zusammenarbeiten, wo es geht. pauschale Kürzung handelt. Das individue lle Schick- Vorgestern hat der Kanzler auch lobende Worte sal verliert an Bedeutung, die eigenen Anstrengun- gefunden. gen, der Notlage zu entkommen, können nicht gewürdigt werden. Ich bezweifle aber, ob Sie dieses Angebot der IG Metall wirklich gelesen haben und auch ernst neh- Dies begründet auch mein Bedenken gegen die men. Wörtlich heißt es da: „Dieses Bündnis verpflich- Vorlage. Die Kürzung der Arbeitslosenhilfe nach drei tet die Bundesregierung, die Arbeitgeber und auch Jahren wegen der Abnahme beruflicher Qualifika- uns zur Einhaltung ... Wenn die Bundesregierung tion ist ja bekanntlich geltendes Recht; die Durchset- verbindlich erklärt, bei der Novellierung des Arbeits- zung wurde wiederholt vom Bundesrechnungshof förderungsgesetzes auf die Kürzung des Arbeitslo- angemahnt. Es ist aber wichtig, daß ältere Arbeits- sengeldes und der Arbeitslosenhilfe zu verzichten lose, die nur noch geringe Vermittlungschancen und die Sozialhilfekriterien nicht zu verschlechtern", haben, nicht das Gefühl bekommen, bestraft zu wer- nur dann wird es ein „Bündnis für Arbeit" geben. den. Gerade sie müssen im Gegenteil eine besondere Förderung erfahren. Einen Tag nach diesem Angebot hat das Kabinett unter Leitung des Bundesarbeitsministers den Andererseits war eine Regelung, die alle Gesetzentwurf mit dem irreführenden Etikett Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hatte, „Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe" - besser: nur sehr schwer in die Praxis umzusetzen. Bereits bei „Arbeitslosenbekämpfungsgesetz" - beschlossen. der alten Regelung endete die Neufestlegung der Darin stehen genau die Verschlechterungen, die Arbeitslosenhilfe häufig vor dem Sozialgericht. Ein- das angebotene „Bündnis für Arbeit" unmöglich deutige gesetzliche Regelungen sind hier wohl tat- machen. Herr Bundesarbeitsminister, was ist mit den sächlich nötig, um Rechtsklarheit zu erhalten und „ganz konkreten Projekten" ? Gehört dieser Entwurf Ungerechtigkeiten vorzubeugen. dazu? Wie gesagt, nicht allen Einzelpunkten der Novel- Meine Damen und Herren, dieses Beispiel zeigt lierung stimme ich aus vollem Herzen zu. Ich ak- erneut, wie diese Regierung schönfärberisch redet zeptiere die aus meiner Sicht problematischen und gleichzeitig eiskalt ihre Politik des sozialen Aus- Abschnitte als Notwendigkeit, auf die nicht nur der grenzens weite rtreibt. Sparzwang hinweist. Auch eine Anpassung an den geänderten Charakter der Arbeitslosenhilfe als Sie bekämpfen doch die Arbeitslosen statt die Mas- „Massenleistung" macht eine Reform in der vorge- senarbeitslosigkeit. Sie wälzen die sozialen Risiken schlagenen Art nötig. Insofern kann ich den Gesetz- einseitig auf die Beitragszahler ab; Sie ruinieren die entwurf der Koalition als Gesamtpaket mit gutem Finanzen der Gemeinden in unverantwo rtlicher Gewissen als gelungen bezeichnen. Weise. 6110* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Damit hat diese Regierung den Konsens, der für werden. In erster Linie geht es aber darum, die einen Sozialstaat unerläßlich ist, längst verlassen. Arbeitsbereitschaft zu testen. Bei einer Verweige- rung gibt's Sperrzeit. Damit können die Empfänger Und jetzt kommt gleich ein dreifacher Salto zur von Arbeitslosenhilfe aus dem Leistungsbezug weiteren Demontage der Arbeitsmarktpolitik: gedrängt werden. Von den Kosten für diese Trai-- Erstens. Mit den aktuellen Änderungen im Bereich ningsmaßnahmen verabschiedet sich der Bund, den des Asylbewerberleistungsgesetzes werden 35 000 Beitragszahlern werden sie aufgehalst. Personen aus der originären Arbeitslosenhilfe in die Viertens. Ältere Arbeitslose sollen gezwungen Sozialhilfe abgeschoben, und die Arbeitslosigkeit werden, zum frühestmöglichen Termin Rente wegen wird weiter kommunalisiert und statistisch verklei- Alters zu beantragen. Dies würde bei den Betroffe- nert. Der Bund stiehlt sich aus seiner Verantwortung. nen zu niedrigeren Renten führen, da sich der Zeit- Zweitens. Mit den angekündigten Veränderungen raum der Beitragszahlung verkürzt. Falls sich die im AFG, die den wohlklingenden Namen „Arbeits- Bundesregierung mit den von ihr geplanten Abschlä- förderungs-Reformgesetz" erhalten sollen, wird das gen durchsetzt, würden die Renten noch weiter Instrumentarium der aktiven Arbeitsmarktpolitik gekürzt. weiter demontiert. Es wird eine Pseudoreform wer- den, die wieder der Finanzminister diktiert. Fünftens. Die Bundesregierung will das für die Berechnung der Arbeitslosenhilfe maßgebliche Drittens. Auch mit dem sogenannten Arbeitslosen- Arbeitsentgelt jährlich pauschal um 5 Prozent sen- hilfe„reform"gesetz, das wir heute beraten müssen, ken. Als Untergrenze sollen 50 Prozent der Bezugs- setzt diese Bundesregierung ihre Strategie des größe nach § 18 SGB IV festgelegt werden. In West- Sozialabbaus und der Ausgrenzung konsequent fo rt. deutschland sind das zur Zeit 2 030 DM, in Ost- Die Arbeitslosenhilfe soll weiter auf das Sozialhilfeni- deutschland 1 645 DM brutto monatlich. veau gedrückt werden. Die Ausgliederung aus dem AFG ist der erste Schritt zur generellen Abschaffung. Arbeitslosenhilfeempfänger und -empfängerinnen im Westen würden danach wöchentlich 215 DM, im Für viele Arbeitslose und ihre Familien werden Osten 174 DM (Leistungsklasse C) erhalten. diese gesetzgeberischen Untaten zum Salto mortale. Als Konsequenz ist einmal eine deutlich stärkere Mit Ihren Vorschlägen zur Arbeitslosenhilfe wird Belastung der Sozialhilfe zu erwarten und zum ande- sich die finanzielle und soziale Lage der Arbeitslosen ren ein verstärkter Druck auf die Arbeitslosen, verschärfen, von dem psychischen Druck einmal gering entlohnte Arbeit zu akzeptieren. ganz zu schweigen. Sechstens. Eingeführt werden soll eine sogenannte Erstens. Sie behaupten, mit den vorgeschlagenen „Arbeitnehmerhilfe" in Höhe von 25 DM täglich. Regelungen eine bessere Integration der Arbeitslo- Dadurch leistet die Bundesregierung einem staatlich senhilfempfänger zu ermöglichen. geförderten Niedriglohnsektor Vorschub. Der Druck In Wahrheit geht es Ihnen nur um Kostenverschie- auf Arbeitslose, niedrig bezahlte Beschäftigung - bung. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund möglicherweise unter Ta rif - anzunehmen, wird spricht von „Flickschusterei zu Lasten der Kommu- erhöht. nen". Die Stadt Frankfurt wird Verfassungsbe- Die Tatsache, daß jede Arbeit angenommen wer- schwerde gegen das Gesetz einlegen. Das wurde mit den muß, führt zu einer Dequalifizierung und zu den CDU-Stimmen beschlossen. Durch den Gesetz- einer Fehlsteuerung von Arbeitskräften. entwurf wollen Sie den Bund in Milliardenhöhe ent- lasten auf Kosten der Arbeitslosenhilfeempfänger, Zusammenfassend heißt das: Diese Bundesregie- der Sozialhilfeempfänger sowie der beitragsfinan- rung zieht sich mit diesem Gesetzentwurf immer wei- zierten Arbeitsmarktpolitik. ter von einer sinnvollen Arbeitsmarktpolitik zurück. Die Erwerbslosen werden mehr und mehr zum Sün- Zweitens. Sie wollen den Anteil von Arbeitslosen- denbock der Nation gemacht. hilfebeziehern in Maßnahmen der Arbeitsbeschaf- fung und der produktiven Arbeitsförderung erhöhen. Die Folgen sind eine weitere Verarmung der In diese Maßnahmen dürfen allerdings nur noch Arbeitslosen und eine weiter um sich greifende Kom- Bezieher von Arbeitslosenhilfe einbezogen werden. munalisierung der Massenarbeitslosigkeit. Konkret in Zahlen heißt das: Auf Kosten der Beitragszahler Diese Maßnahmen werden aus Beitragsmitteln und Kommunen will der Bund seinen Haushalt um finanziert. Der Bund entlastet sich somit, indem er insgesamt 3,4 Milliarden DM im Jahr 1996 bezie- sich bei den Beitragszahlern „bedient". Darüber hin- hungsweise 3,8 Milliarden DM in den folgenden aus bringt dies auch arbeitsmarktpolitisch nichts, da Jahren entlasten. erst nach einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit die Teilnahme an einer derartigen Maßnahme möglich Diese Politik steht im krassen Widerspruch zu den ist. Statt zügiger Eingliederung von Arbeitslosen in ständigen Versprechungen des Bundesarbeitsmini- den Arbeitsmarkt wird ein Abgleiten von Arbeitslo- sters, die Beitragszahler zu entlasten. Seit 13 Jahren sengeldempfängern in die Arbeitslosenhilfe pro könnte diese Regierung was tun - sie redet aber nur grammiert. und macht das Gegenteil. Drittens. Mit den vorgesehenen Trainingsmaßnah- Ihre Vorschläge zur Arbeitslosenhilfe werden von men bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosenhilfe allen gesellschaftlich wichtigen Gruppen, den Kir- sollen die Wiedereingliederungschancen verbessert chen, den Gewerkschaften, dem Städte- und Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6111*

Gemeindebund, vielen Arbeitgebern und auch vom die Zugangsvoraussetzung für Arbeitsbeschaffungs- Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit abge- maßnahmen von sechs auf zwölf Monate erhöhen, lehnt. produzieren Sie neue Langzeitarbeitslose. Wenn Sie nicht wirklich neue Maßnahmen ergreifen, mehr Deshalb fordere ich auch namens der SPD-Bundes- Angebote an aktiver Arbeitsmarktpolitik machen,- tagsfraktion die Bundesregierung nachdrücklich auf, führt das zu einem Verdrängungswettbewerb zwi- den Entwurf zurückzuziehen und auch die originäre schen denjenigen, die unsere Unterstützung drin- Arbeitslosenhilfe beizubehalten. gend brauchen. Meine Damen und Herren, wir brauchen ein „Bündnis für Arbeit" und ein „Bündnis gegen Dem Bundeshaushalt für 1996, der heute von Arbeitslosigkeit". Im Gegensatz zur Bundesregie- Ihnen hier verabschiedet worden ist, liegt die so- rung wollen wir Sozialdemokraten, daß die Mittel für genannte Arbeitslosenhilfereform schon zugrunde, die Arbeitsmarktpolitik produktiv eingesetzt werden obwohl wir den Gesetzentwurf der Regierung heute und ein einheitliches AFG erhalten bleibt. Ich ver- zum ersten Mal im Parlament beraten. Das macht weise auf unseren Entwurf eines Arbeits- und Struk- deutlich, worum es eigentlich geht: nicht um sinn- turförderungsgesetzes, das wir am 22. Juni des Jah- volle Sozial- und Arbeitspolitik im Konzept, sondern res erstmals beraten haben. um das Verschieben von Kostenstellen weg vom Bun- deshaushalt. Belastet werden sozial Schwache, die Unsere Vorstellungen decken sich mit den Forde- wirklich keine Mark entbehren können, nämlich die rungen der Gewerkschaften, Sozialverbände, Kir- betroffenen Arbeitslosenhilfebezieher und -bezieher- chen und Wissenschaftlern. innen, belastet wird die Arbeitslosenversicherung und auch die Rentenversicherung, belastet werden Meine Damen und Herren, zu Recht wird Klaus die Kommunen. Zwickel jetzt viel gelobt. Vorgestern hat der Kanzler aufgefordert, den IG-Metall-Vorsitzenden vollständig Die Kommunen müssen bluten: durch die Abschaf- zu zitieren. Ich empfehle dem Kanzler, das Grund- fung der originären Arbeitslosenhilfe, mit der die satzreferat vollständig zu lesen. Leute gleich an die Sozialhilfe durchgereicht werden , mit der Steigerung der ergänzenden Sozialhilfe, mit Da steht auch: der Produktion neuer Langzeitarbeitsloser. Dieses Bundeskanzler Helmut Kohl hat in seiner Regie- Faktum können Sie auch nicht dadurch verdecken, rungserklärung von 1994 davon gesprochen, in daß Sie völlig sachfremd einen Teil Ihrer gesetzlichen der laufenden Legislaturperiode drei Millionen Änderungen ins Asylbewerberleistungsgesetz abge- zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Weder schoben haben. Für so dumm können Sie den Deut- drei Millionen Arbeitsplätze noch blühende schen Städtetag doch nicht ernstlich halten! Ich Landschaften wurden bislang geschaffen. hoffe, daß Sie mit dem Versuch gründlich auf die Nase fallen, in Ihrem ausländerfeindlichen Asylbe- Bundeskanzler Kohl verspricht vieles, hält jedoch werberleistungsgesetz eine Rechnung aufzumachen, wenig. die den Kommunen die neuen Belastungen als finan- Ich fürchte, das bleibt auch so. zielle Erleichterungen verkaufen soll und die Haus- haltsdruck gegen politischen Anstand ausspielen will. Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wenn sich eine unbefangene Zuhörerin - Die durchschnittliche Arbeitslosenhilfe reicht sollte es sie denn an einem Freitag nachmittag um schon jetzt kaum zum Leben. Viele - fast ein Viertel - diese Uhrzeit noch geben - diese Debatte anhört, beziehen weniger als 600 DM im Monat. Sie leben in muß sie glauben, daß hier von ganz unterschied- oder am Rande der Armut. lichen Gesetzen die Rede ist. Der Kollege Schreiner spricht - und da hat er meine volle Zustimmung - Genau diese Verarmung wollen Sie jetzt noch vom Arbeitslosenbekämpfungsgesetz. CDU und FDP beschleunigen: Sie konstruieren eine Rutschbahn in behaupten, es ginge um Hilfen für Langzeitarbeits- Armut und Billiglohnsektor. Die jetztige ist Ihnen, lose, darum, den Ausgegrenzten und sozial meine Damen und Herren von den Regierungsfrak- Schwachen dieser Gesellschaft die Hand zu reichen. tionen, offensichtlich noch nicht steil genug - Schade, daß das nichts als blanke Rhetorik ist. Sie, 5 Prozent jährlich sollen die Bemessungsentgelte meine Damen und Herren von den Regierungsfrak- automatisch abgesenkt werden. Den Vorwurf tionen, tun genau das Gegenteil von dem, was Sie „Marktwert", Herr Minister, werden Sie sich damit hier behaupten. Was Sie hier vorlegen, ist und bleibt nicht mehr einhandeln; denn mit Markt hat ein soziale Demontage. Absenkungsautomatismus nichts mehr zu schaffen. Allerdings hat er auch nichts mehr zu tun mit einer Kern des Gesetzentwurfs ist die Verschärfung von Versicherungsleistung, die die Arbeitslosenhilfe bis- Kontrollen gegenüber den Erwerbslosen, das weitere her gewesen ist. Denn zum Wesen der Erwerbslosig- Abdrängen der Betroffenen in Armut und Billiglohn keit, dem Risiko, gegen das die Arbeitnehmerinnen sektor. Die versprochenen zusätzlichen Maßnahmen und Arbeitnehmer sich versichern, gehört doch für Langzeitarbeitslose sind eben keine zusätzlichen gerade, die eigene Arbeitskraft nicht verkaufen zu - dafür haben Sie der Bundesanstalt ja auch gar kein können, zur Zeit nicht gebraucht zu werden und Geld zur Verfügung gestellt -, sondern gehen zu „überschüssig" zu sein. Die Ausgrenzung von Milli- Lasten anderer Erwerbsloser. Wenn Sie, meine onen Menschen aus der Erwerbsarbeit zur Waffe zu Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, machen und gegen die Betroffenen zu wenden ist 6112* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 schon abenteuerlich. Mit dieser automatischen Bezieher von Arbeitslosenhilfe erhalten ihr Geld Abwertung hebeln Sie den Charakter der Arbeitslo- auf der Grundlage ihres letzten Nettogehaltes. Sie senhilfe als Versicherungsleistung, auf die Anspruch bekommen es zur Hälfte unbegrenzt - was einmalig besteht, weiter aus und verändern ihren Charakter ist, wenn Sie einmal europäische Nachbarländer zum hin zur Sozialhilfe. Vergleich heranziehen - und erleben jährlich die Anpassung an die Steigerungen der Bruttoentgelte. Sie verschärfen den Druck auf die Arbeitslosen- hilfebezieher, jede Arbeit unter jeder Bedingung Schon nach geltendem Recht ist die Bemessungs- anzunehmen. Perspektiven bieten Sie ihnen keine, grundlage nicht statisch, über alle Jahre hinweg auf sondern hier wird lediglich die Situation der derselben Höhe. Auch heute werden in einem Zeit- Schwäche ausgenutzt, um das Angebot an Billig- raum von drei Jahren die Beträge „unter Berücksich- lohnarbeitskräften zu vergrößern. Das gilt für die tigung aller Umstände des Einzelfalles" neu festge- Ernteeinsätze genauso wie für die Trainingsmaß- setzt. In die Praxis ist diese Vorschrift aber kaum nahmen für ALH-Bezieher, die der Gesetzentwurf umgesetzt worden. Jetzt soll die Bemessungsgrund- vorsieht. Bei entsprechender Ausgestaltung könnte lage - kurz: der letzte Lohn - jährlich um 5 Prozent ja z. B. ein Bewerbungstraining zumindest eine sinn- gekürzt werden, herunter bis zum niedrigsten Tarif- volle Förderung im Einzelfall darstellen. Aber darum lohn der entsprechenden Branche. Daß also jemand, geht es nicht, das steht erfrischend offen in der der 600 DM Arbeitslosenhilfe bekommt, diese Begründung. Die Trainingsmaßnahmen dienen der gekürzt bekommt, wie gestern Redner von der SPD Einsparung von Haushaltsmitteln, sie sollen die behauptet haben, stimmt nicht. Im Grunde ist es Arbeitsbereitschaft überprüfen und Leistungsmiß- doch schwierig zu begründen, warum jemand, der brauch feststellen. Sie sind also vor allem Instrument seit längerem aus dem Arbeitsprozeß herausgefallen der Kontrolle und eine Schikane gegen Erwerbslose, ist, immer noch fiktiv auf der selben Lohnstufe die keineswegs ein Instrument zur Integration in den Unterstützungsleistung erhalten soll. Es zeigt sich Arbeitsmarkt. eben, daß das Fürsorgesystem des Bundes - nichts anderes ist ja das Arbeitslosenhilferecht -, orientiert Und hier, so muß ich sagen, macht mir eines am einmal verdienten Lohn, in innere Widersprüche wirklich Sorgen: Der ganze Gesetzentwurf spricht gerät. immer wieder von Mißbrauchsvermeidung, von schärferen Kontrollen gegenüber den Erwerbslosen. Der Absenkung auf der einen Seite stehen nun Das gilt genauso für die entsprechenden Passagen aber auch verstärkte Hilfen auf der anderen gegen- im Asylbewerberleistungsgesetz. Sie erwecken in über. Eine Verbesserung sehe ich darin, daß den der Öffentlichkeit den Eindruck, als wollten die Empfängern von Arbeitslosenhilfe Trainingsmaßnah- Menschen die Allgemeinheit betrügen, als wollten men angeboten werden können, daß das Instrument sie nicht arbeiten, als bräuchten sie, wie Herr der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ihnen mehr als Schäuble das am Mittwoch in der Haushaltsbera- jetzt zugedacht wird. Damit entwickelt sich die tung wieder gesagt hat, Anreize zur Arbeit. Ange- Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu einem Angebot sichts von zirka 6 Millionen fehlenden Erwerbsar- gerade für den Personenkreis, der länger arbeitslos beitsplätzen ist diese Unterstellung doch offensicht- ist. Daß die in solchen Maßnahmen Beschäftigten lich absurd. Sie öffnen Tür und Tor für eine Miß- dann gleich wieder Ansprüche erwerben und unter brauchskampagne, die jetzt schon in Teilen der Umständen wieder Arbeitslosengeld bekommen Presse begonnen hat. Das bedeutet Stammtischneid können, gehört zu den Fragwürdigkeiten dieses auf das angeblich goldene Leben der ALH-Bezie- Instruments. Es macht aber durchaus Sinn aus sozial- her, auf die, die auf unsere Kosten leben. Für die politischer Sicht, AB-Maßnahmen auf Arbeitslosen- Betroffenen heißt das neben der schweren Bela- hilfeempfänger zu konzentrieren. stung, aus dem Erwerbsleben ausgegrenzt zu sein, Bedenken habe ich bei dieser Operation eher, was außerdem noch Diffamierung und Entmutigung. die Finanzierung angeht. Sparen tut der Finanzmini- Für das gesellschaftliche Klima ist das ein weiterer ster, zahlen müssen die Beitragszahler. Denn AB- Schritt hin zu Entsolidarisierung und Ellbogenge- Maßnahmen werden von den Beiträgen der Arbeit- sellschaft. Wir werden alles tun, um solchen Diffa- geber und Arbeitnehmer gezahlt. Die über diesen mierungen entgegenzutreten. Weg erzielten Einsparungen sind also keine Kür- zungen am Unterhalt der Arbeitslosenhilfeempfän- Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Die Gesetzesänderungen ger, im Gegenteil eher eine Verstärkung der Hilfen, im Arbeitsförderungsgesetz, die wir heute beschlie- sie gehen aber zu Lasten der Lohnzusatzkosten. Das ßen, sind Teil der Haushaltsgesetzgebung. Sie betref- widerspricht ganz klar den Absichten der Koalition, fen die Arbeitslosenhilfeempfänger. Da durch die die Lohnzusatzkosten zu senken - was auch in der vorgesehenen Änderungen 1,3 Milliarden DM ge- Koalitionsvereinbarung steht. spart werden sollen, ist schnell erklärlich, daß diese Also, Herr Minister Blüm, von dieser Bürde hat Sie Sparvorschläge in der öffentlichen Diskussion sehr das vorliegende Gesetz nicht befreit. Aus dieser Ver- polemisch erörtert werden. Manchem Sozialpolitiker antwortung können wir Sie auch nicht entlassen. Set- fällt es schwer, die von Finanzen diktierte Sozialpoli- zen Sie Ihre Hoffnungen nicht auf Theo Waigel, brin- tik hier im Bundestag zu verteidigen. Allemal ist es gen Sie selbst Sparvorschläge ein, die dem Ziel leichter, mit grünem Feldgetöse oder kirchlicher Be- „Senkung der Lohnnebenkosten" dienen. rufsentrüstung vom Leder zu ziehen, als sich die Mühe zu machen, die Vorschriften genauer anzuse- Jede Veränderung im Bereich der Arbeitslosenhilfe hen und zu bewerten. wird von den Kommunen besonders kritisch beäugt. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6113*

Sie sorgen sich um zusätzliche Belastungen in der warum Sie nicht längst mehr getan haben, sondern Sozialhilfe. Diese Befürchtungen entzünden sich zur warten, bis die Zahl der Langzeitarbeitslosen auf fast Zeit insbesondere an der Absenkung der Bemes- eine Million angewachsen ist. Und auch das Son- sungsgrundlage der Arbeitslosenhilfe sowie an der derprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit haben Streichung der originären Arbeitslosenhilfe, die an Sie ja nicht freiwillig wiederaufgelegt. Jetzt sollen anderer Stelle im Asylbewerberleistungsgesetz vor- Arbeitslosenhilfebezieher verstärkt in § 240h-Maß- gesehen ist. nahmen. Wie soll das gehen, wenn doch heute schon klar ist, daß z. B. die Mittel für die BVS für 1996 Ich möchte feststellen, daß ich diese Befürchtun- gesenkt sind und dort 25 000 bis 28 000 Stellen zur gen diesmal für unbegründet halte. Geringfügigen Disposition stehen? Mehrbelastungen durch die Reform der Arbeitslosen- hilfe stehen deutliche Entlastungen der Kommunen Aber in diesem Gesetz geht es ja im Kern auch um durch die Novellierung des Sozialhilfegesetzes und etwas ganz anderes: Dieses Gesetz ist ein rüdes Spar- des Asylbewerberleistungsgesetzes gegenüber. Vor- programm auf Kosten der Arbeitslosenhilfebezieher/ aussetzung ist allerdings, daß die Länder diesen Ent- Innen. Um 5 % soll ihre Arbeitslosenhilfe jährlich lastungen im Bundesrat auch zustimmen. Daher soll- runtergestuft werden. Ihr Qualifizierungsgerede soll ten die Städte und Gemeinden ihr Klagelied weniger ja nur den Rauchvorhang für diese Ihre eigentliche an den Bund als vielmehr an ihre jeweiligen Landes- Absicht abgeben, Ihre Absicht nämlich: ausgerech- regierungen richten. Diese stehen für die kommuna- net die Leistungen für Langzeitarbeitslose zu kürzen, len Haushalte nämlich in erster Linie in der Verant- um Ihren Chaoshaushalt zu sanieren. wortung. Sie wollen weg von der Arbeitslosenhilfe als Dau- Meine Damen und Herren, bei näherer Betrach- erleistung, einer Leistung, die Arbeitslose auch für tung halte ich die hier zu beschließende Gesetzes- den Fall des dauerhaften Verlustes der Beschäfti- änderung für sozial vertretbar. Der Absenkung auf gung sozial sichern soll. der einen Seite stehen verstärkte Hilfen auf der Und weil Sie davon weg wollen, Herr Blüm, gehen anderen gegenüber. Die Belastung der Beitragzahler Sie landauf, landab mit Ihrem arbeitslosen Diplom- bleibt bedenklich. Ingenieur hausieren. Selbst die IG-Metall-Delegier- ten haben Sie damit veralbert. Das kommt gar nicht Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Freitag nachmit- gut an; da helfen Ihnen auch 40 Jahre als Metaller tag - der übliche Zeitpunkt, dieselbe bekannte nichts. Runde, gemütlich eigentlich, wenn da nicht diese Zurück zu Ihrem Diplom-Ingenieur also, der nach Themen wären. Woche für Woche werden unter die- einem Einkommen von 8 000 DM nunmehr seit sen Bedingungen - unter faktischem Ausschluß der 20 Jahren eine üppige Arbeitslosenhilfe kassiert und Öffentlichkeit - Beschlüsse gefaßt, die das Sozial- sich in der sozialen Hängematte ausruht. Für dieses system fortgesetzt aushöhlen. Nun das neueste Ela- so trefflich demagogisch einzusetzende Einzelbei- borat aus dem Hause Blüm: Arbeitslosenhilfe-Re- spiel sollen nun 950 000 Arbeitslosenhilfeempfänger formgesetz. Ein Blick in die Zielsetzung legt die Ver- bestraft werden. Das ist soziale Brunnenvergiftung mutung nahe: Der Arbeitsminister hat es geschafft, übelster Art. So schafft man ein gesellschaftliches endlich ist der Kreis quadriert. Klima, in dem ein angeblich seriöses Wochenjournal Da heißt es, Fallzahlen und Bezugsdauer der mit Stories „Zum süßen Leben der Sozialschmarot- Arbeitslosenhilfe seien „erheblich gestiegen", mit zer" aufmacht und vor allem kritisiert, „daß „der Dauer der Arbeitslosigkeit entstehe ein regel- 90 Prozent der Bundesbürger das soziale Netz ... in mäßiger Verlust an beruflicher Qualifikation", und Anspruch nehmen". Haben wir uns also schon so das erschwere die Wiedereingliederung; deshalb ver- weit von der Sozialen Marktwirtschaft verabschiedet, bessere die Bundesregierung die bestehenden Mög- daß diejenigen zu Schmarotzern erklärt werden, die lichkeiten, schaffe zusätzliche, verbessere die Ver- den Sozialstaat beim Wo rt nehmen? Und Sie machen mittlungsaussichten, erleichtere die Selbständigkeit da noch mit! usw. usw. Wie sieht es wirklich aus? Die maximale Arbeitslo- So viele Wohltaten! Und das Tollste: Diese Aktivi- senhilfe beträgt 1995 im günstigsten Fall - verheira- täten für Arbeitslose kosten nicht nur nichts, sie ent- tet, ein Kind - 2 740 DM im Monat. Den Anteil derje- lasten den Bundeshaushalt auch noch um 2,1 Mil- nigen, die Arbeitslosenhilfe in dieser Höhe bekom- liarden DM. Fürwahr, ein Glanzstück - ein Glanz- men, weiß nicht mal Ihre eigene Statistik auszuwei- stück nicht der arbeitsmarktpolitischen Intelligenz sen, so klein ist er. Aber wir brauchen gar nicht so der Bundesregierung, sondern ein Glanzstück ihrer hoch zu gehen. Nehmen wir nur diejenigen, die demagogischen Entsorgungssprache: Die Sorgen der Arbeitslosenhilfe nach einem Bruttogehalt oberhalb Menschen werden durch Sprachregelungen besei- der Bezugsgröße der Sozialversicherung - 4 060 DM tigt. in 1995 - erhalten. Im Februar 1995 waren das 14 Prozent, im günstigsten Fall sind das 1 557 DM im Gestern, Herr Minister, haben Sie uns dafür wieder Monat; davon kann eine dreiköpfige Familie nach- ein bemerkenswertes Beispiel geliefert. Sie fragten weislich nicht leben. Diese Familie „entlasten" Sie uns, was wir denn dagegen hätten, wenn endlich mit Ihren Kürzungsabsichten nun noch um 67 DM im auch mal die Langzeitarbeitslosen von der Arbeits- Monat. Aber 86 Prozent bekommen eben noch weni- förderung profitierten. Sie wissen natürlich, daß wir ger Geld. Im August 1995 erhielten 75 Prozent der dagegen gar nichts haben, uns allerdings fragen, Männer und 93 Prozent der Frauen in der Bundesre- 6114* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 publik Beträge noch unterhalb der Sozialhilfe- Unser Reformvorschlag zur Verbesserung der Lage schwelle. Jede Kürzung der Arbeitslosenhilfe erhöht der Arbeitslosen enthält folgende Maßnahmen. die Sozialhilfeausgaben und damit die Belastung der Kommunen in unverantwo rtlicher Weise. Erstens. Wir konzentrieren die Mittel für Arbeits- beschaffungsmaßnahmen auf langzeitarbeitslose Be- Selbst die an sich gute Idee der verstärkten zieher von Arbeitslosenhilfe. Das sind Personen, die Arbeitsförderung für Arbeitslosenhilfebezieher ist ja es nachweislich schwerer als andere haben, aus eige- nichts anderes als eine Kostenabwälzung auf die nen Kräften in den regulären Arbeitsmarkt zurückzu- Bundesanstalt. Wann begreifen Sie endlich, daß sich kommen, und denen wir deshalb besonders helfen fehlende Jobs nicht durch höheren Druck auf müssen. Künftig werden in ABM in der Regel nur Arbeitslose schaffen lassen? noch Arbeitslose gefördert, die 12 Monate arbeitslos waren. Diese Maßnahme fördert die Benachteiligten Lassen Sie mich mit einem Zitat aus den keinerlei und verbessert die Chancen der beruflichen Integra- Sympathien für die PDS verdächtigen „Lübecker tion. Nachrichten" vom 4. November schließen: Zweitens. Wir werden Arbeitslosenhilfebeziehern Um 3,4 Milliarden Mark kürzt das Kabinett bei der Arbeitstrainingsmaßnahmen anbieten. Dadurch soll Arbeitslosenhilfe, der zungenfertige Blüm aber die Eignung des Arbeitslosen für bestimmte Tätig- münzt das ganz als Anstrengung für mehr Beschäfti- keiten festgestellt, der Erwerb zusätzlicher Qualifika- gung um - fürwahr ein echter Verpackungskünstler. tionen gefördert und Unterstützung bei Bewerbun- Ich hoffe nur, die Betroffenen lassen sich nicht län- gen geleistet werden. Der Arbeitslose erhält wäh- ger einpacken. rend der Trainingsmaßnahmen weiterhin Arbeits- losenhilfe.

Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Drittens. Wir werden jüngeren Arbeitslosenhilfe- Sozialordnung: Zur Zeit gibt es in Deutschland mehr beziehern eine Arbeitnehmerhilfe anbieten, um als 900 000 Bezieher von Arbeitslosenhilfe. Ihre Zahl ihnen die Aufnahme einer befristeten Beschäftigung, nimmt ebenso zu wie die Bezugsdauer der Leistung. insbesondere im Bereich der Saisonarbeiten, zu Tatsache ist auch: Mit jedem Jahr der Arbeitslosig- ermöglichen. Seit einigen Jahren besteht die para- keit nimmt die berufliche Qualifikation des Arbeits- doxe Situation, daß derartige Tätigkeiten trotz hoher losenhilfebeziehers ab. Das erschwert eine Wieder- Arbeitslosigkeit im Inland von einer großen Zahl aus- eingliederung in das Arbeitsleben. ländischer Arbeitnehmer verrichtet werden. So wer- den zur Zeit jährlich etwa 150 000 Arbeitserlaubnisse Ein weiterer Punkt, der uns zum Handeln veran- an ausländische Arbeitnehmer erteilt. laßt hat: Die unterschiedliche Behandlung von Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfebeziehern nach Es ist vor diesem Hintergrund nicht einzusehen, langjähriger Arbeitslosigkeit ist unverständlich und weshalb nicht auch jüngere inländische Arbeitslose mutet willkürlich an. Wer einmal, wenn auch nur derartige Saisonarbeiten durchführen können. Die kurze Zeit, erwerbstätig war, bezieht den Rest seines Bundesanstalt für Arbeit zahlt daher künftig als Lebens Arbeitslosenhilfe. Der Arbeitslose, der nicht Arbeitsanreiz zusätzlich zum Arbeitslohn 25 DM pro mit dem Erwerbsleben in Kontakt war, bekommt im Tag - und zwar ohne Anrechnung auf die Arbeits- gleichen Fall Sozialhilfe. losenhilfe. Darum wollen und müssen wir das Recht der Viertens. Wir erleichtern Arbeitslosenhilfebezieh- Arbeitslosenhilfe reformieren. Um was geht es uns ern die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätig- bei der Reform? Drei Gesichtspunkte stehen im Vor- keit. Nach der bisherigen Rechtslage gilt: Der dergrund. Arbeitslose, der bei dem Versuch gescheitert ist, sei- nen Lebensunterhalt länger als ein Jahr aus einer Erstens. Wir wollen Arbeitslosenhilfebeziehern, selbständigen Erwerbstätigkeit zu bestreiten, hat und zwar insbesondere den Langzeitarbeitslosen, keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Unser Brücken aus der Arbeitslosigkeit in den ersten Gesetzentwurf sieht vor: Arbeitslosenhilfebezieher Arbeitsmarkt bauen. Sie sollen vom Leistungsbezug sollen eine selbständige Tätigkeit aufnehmen und unabhängig werden. fast drei Jahre ausüben können, ohne das Recht auf Zweitens. Wir wollen den Anreiz zur Aufnahme erneute Inanspruchnahme der Leistung zu verlieren. einer Beschäftigung verbessern. Fünftens. Wir wollen die Subsidiarität der bedürf- Drittens. Wir wollen Arbeitslosenhilfe und Sozial- tigkeitsabhängigen Arbeitslosenhilfe stärken. Der hilfe stärker aufeinander abstimmen. Anspruch auf Arbeitslosenhilfe soll begrenzt werden, wenn der Arbeitslose eine Altersrente beanspruchen Wir wollen vor allem durch Arbeitsmarktmaßnah- könnte oder wenn er die Voraussetzungen für eine men die Qualifikation der Arbeitslosenhilfebezieher solche Altersrente in absehbarer Zeit erfüllt. Denn erhalten und verbessern. Sie sollen fit für den allge- die aus Steuermitteln des Bundes finanzierte Arbeits- meinen Arbeitsmarkt gemacht werden. Wir müssen losenhilfe ist eine gegenüber der Versicherungsrente die Zugbrücken zur Festung der Arbeitswelt herun- nachrangige Fürsorgeleistung. Es ist nicht einzuse- terlassen. Wir müssen eine intelligente Arbeitsmarkt- hen, weshalb jemand, der Anspruch auf eine Versi- politik betreiben, die den Übergang in den allgemei- cherungsleistung hat, statt dessen die ihr gegenüber nen Arbeitsmarkt auch tatsächlich ermöglicht. subsidiäre Arbeitslosenhilfe beanspruchen kann. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995 6115*

Lassen Sie mich schließlich auf die geplanten Die Entlastung wird - anders als die Opposition Änderungen bei der Bemessung der Arbeitslosen- glauben machen will - nur zu einem geringeren Teil hilfe eingehen. Dazu hat es in den letzten Wochen ja durch eine Begrenzung von Leistungen erzielt: viel Kritik und noch mehr Polemik gegeben - auch in Gerade einmal 300 Millionen DM werden durch die- diesem Hohen Hause. geplante Änderung bei der Neubemessung der Arbeitslosenhilfe eingespart. Das sind noch nicht ein- Worum geht es eigentlich? Das Bemessungsentgelt mal 10 Prozent der Mittel zur Verbesserung der Ein- für die Arbeitslosenhilfe soll entsprechend der Dyna- gliederung von Langzeitarbeitslosen in den allgemei- misierung der Bruttoarbeitsentgelte steigen. Gleich- nen Arbeitsmarkt, wie wir sie im Arbeitslosenhilfe- zeitig soll der Qualifikationsverlust, der mit der Reformgesetz und Asylbewerberleistungsgesetz be- zunehmenden Dauer der Arbeitslosigkeit unbestreit- reitstellen. 600 Millionen DM werden durch die Strei- bar verbunden ist, jedes Jahr durch einen pauscha- chung der originären Arbeitslosenhilfe eingespart. lierten Abschlag vom Bemessungsentgelt in Höhe Der überwiegende Teil der Entlastung wird durch von 5 Prozent berücksichtigt werden. Da die Dynami- strukturelle Änderungen der Arbeitslosenhilfe er- sierung in der Regel zu einer Erhöhung der Brutto- reicht werden, bei denen die Wiedereingliederung arbeitsentgelte führt, wird die reale Minderung des der Arbeitslosenhilfebezieher in den allgemeinen neuen Bemessungsentgelts tatsächlich geringer sein Arbeitsmarkt im Vordergrund steht. als 5 Prozent.

An zwei Gesichtspunkte möchte ich in diesem Deshalb appelliere ich an Sie: Lesen Sie den Ent- Zusammenhang nochmals erinnern, um insbeson- wurf zum Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz aufmerk- dere der Gedächtnisschwäche der Opposition auf die sam. Sie werden dann feststellen, daß dieses weniger Beine zu helfen: Das neue Bemessungsentgelt darf ein Spargesetz als ein konstruktiver Beitrag zur Ver- eine Grenze nicht unterschreiten, die sich an der besserung der Lage von Langzeitarbeitslosen ist. untersten Tariflohngruppe orientiert, denn unter der Lassen Sie uns darüber unvoreingenommen diskutie- ren. niedrigsten Tarifgruppe kann niemand Geld verdie- nen. Die Arbeitslosenhilfe im Anschluß an Arbeits- losengeld wird weiterhin unbefristet gezahlt. Eine Befristung der Arbeitslosenhilfe ist - anders als Sie, Herr Scharping, vorgestern wahrheitswidrig behaup- tet haben - vom Tisch. Anlage 4 Unser Vorschlag ist im übrigen keine revolutionäre Neuerung. Denn bereits das geltende Recht sieht vor, Amtliche Mitteilungen daß die Entwicklung der beruflichen Leistungsfähig- Der Bundesrat hat in seiner 690. Sitzung am 3. November keit alle drei Jahre berücksichtigt wird. Wir machen 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: lediglich das geltende Recht praktikabel. Die bishe- rige Regelung ist schwer handhabbar. Sie kann zu - Viertes Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozial willkürlichen Ergebnissen führen und ist in der Ver- gesetzbuch (4. SGB V-Änderungsgesetz - 4. SGB V-ÄndG) gangenheit so gut wie nie umgesetzt worden. Das - Gesetz zu der Vereinbarung vom 21. Juni 1994 zur Durch- hat auch der Bundesrechnungshof beanstandet. führung des Abkommens vom 5. März 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Chile über Rentenversicherung Wer, wie die Opposition, unsere Reformvorschläge - Gesetz zu dem Abkommen vom 15. März 1994 zwischen der als „Etikettenschwindel", als „Bestrafung der Ar- Bundesrepublik Deutschland und der Republik Litauen beitslosen" oder als „p rimitive Konfliktstrategie auf über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder dem Rücken der Arbeitnehmer" bezeichnet, der hat schweren Unglücksfällen gar nicht beg riffen, um was es eigentlich geht. Wir - Gesetz zu dem Vertrag vom 2. April 1993 zwischen der Bun- finanzieren nicht Arbeitlosigkeit, wir finanzieren desrepublik Deutschland und der Republik Belarus über die Rückkehrhilfen in den regulären Arbeitsmarkt. Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen Wenn es gelingt, die Arbeitslosen wieder in Arbeit - Gesetz zu dem Vertrag vom 12. November 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland zu bringen, dann wird dadurch automatisch Geld über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von gespart. So erzielen wir durch die Maßnahmen zur Kapitalanlagen Rückkehr der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt - Gesetz zu dem Vertrag vom 24. September 1992 zwischen einen Einspareffekt von 1,5 Milliarden DM im der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika über die ge- Bundeshaushalt. Die Leistungsempfänger verlieren genseitige Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen dadurch keine einzige Mark. Sie stehen sich sogar - Gesetz zu dem Vertrag vom 20. April 1993 zwischen der besser, weil sie eine neue Arbeit erhalten oder weil Bundesrepublik Deutschland und der Republik Lettland sie in ABM ein höheres Entgelt bekommen. über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Das Gesamtpaket zur Reform der Arbeitslosenhilfe - Gesetz zu dem Vertrag vom 26. Juni 1991 zwischen der Bun- wird 1996 zu einer Entlastung des Bundeshaushalts desrepublik Deutschland und der Mongolischen Volks- republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz in Höhe von 3,4 Milliarden DM führen. Davon ent- von Kapitalanlagen fallen 2,1 Milliarden DM auf das Arbeitslosenhilfe - Gesetz zu dem Vertrag vom 15. Februar 1993 zwischen der Reformgesetz, 1,3 Milliarden DM auf die im Asylbe- Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine über die För- werberleistungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen. derung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen 6116* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1995

Die Gruppe der PDS hat mit Schreiben vom 8. November Drucksache 13/2306, Nr. 2.11 1995 folgende Vorlagen zurückgezogen: Drucksache 13/2306, Nr. 2.12 Drucksache 13/2306, Nr. 2.21 - Antrag: Überarbeitung der Eckpunkte zur Regulierung der Drucksache 13/2306, Nr. 2.28 Telekommunikation - Drucksache 13/1224 - Drucksache 13/2306, Nr. 2.46 - Antrag: Erstattung eines Berichtes der Bundesregierung Drucksache 13/2306, Nr. 2.47 zur „Lage der Nation" und zur Durchsetzung des Drucksache 13/2306, Nr. 2.56 Einigungsvertrages anläßlich des fünften Jahres- Drucksache 13/2306, Nr. 2.59 tages der staatlichen Vereingung am 3. Oktober Drucksache 13/2306, Nr. 2.70 1995 - Drucksache 13/2227 - Drucksache 13/2306, Nr. 2.75 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß Drucksache 13/2306, Nr. 2.84 der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung Drucksache 13/2306, Nr. 2.92 von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen Drucksache 13/2306, Nr. 2.93 absieht: Drucksache 13/2306, Nr. 2.104 Drucksache 13/2306, Nr. 2.105 Innenausschuß Drucksachen 13/1360, 13/1616 Nr. 2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/1442, Nr. 2.1 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Drucksache 13/1799, Nr. 2.5 bis 2.8 Union Drucksachen 13/1070, 13/1233 Nr. 1.4 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/2306, Nr. 1.13 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitge- Drucksache 13/2306, Nr. 2.18 teilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zu Kenntnis Ausschuß für Post und Telekommunikation genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Drucksache 13/2306, Nr. 2.20 Innenausschuß Drucksache 13/2306, Nr. 2.23 Drucksache 13/2306, Nr. 2.31 Drucksache 13/1614, Nr. 1.6 Drucksache 13/2306, Nr. 2.83 Drucksache 13/1614, Nr. 1.8 Drucksache 13/2306, Nr. 2.101 Drucksache 13/2306, Nr. 2.33 Drucksache 13/2306, Nr. 2.85 Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Haushaltsausschuß Drucksache 13/1614, Nr. 1.1 Drucksache 13/2306, Nr. 2.37 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1338, Nr. 1.2 Drucksache 13/1614, Nr. 1.4, 13/2306 (Berichtigung) Drucksache 13/1614, Nr. 1.5 Drucksache 13/2306, Nr. 1.10 Drucksache 13/1898, Nr. 1.1 Drucksache 13/2306, Nr. 2.2 Drucksache 13/1898, Nr. 1.2 Drucksache 13/2306, Nr. 2.3 Drucksache 13/2306, Nr. 1.2 Drucksache 13/2306, Nr. 2.6 Drucksache 13/2306, Nr. 2.74 Drucksache 13/2306, Nr. 2.7 Drucksache 13/2306, Nr. 2.102