Glaube Und Toleranz Freiheit Ist Die Freiheit Der Andersgläubigen
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Thema: Religionsfreiheit PARTEIGELDER WAHLREFORM Debatte über Regierungsbericht Die Staatsfinanzierung der NPD soll Der Deutsche Bundestag will die Zahl SEITE 1-3 beendet werden SEITE 5 der Mandate reduzieren SEITE 9 Berlin, Montag 30. April 2018 www.das-parlament.de 68. Jahrgang | Nr. 18-20 | Preis 1 € | A 5544 KOPF DER WOCHE Neuer Streit um das Kruzifix Kreuz, Kippa, Kopftuch Markus Söder Wieder einmal tobt in Bayern ein heftiger Kruzifix-Streit. Entfacht hat ihn ein hal- bes Jahr vor der Landtagswahl der neue Minis- RELIGION Bundestag debattiert über das Grundrecht auf Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit terpräsident Markus Söder (CSU). Unter seiner Führung ent- igentlich lautet eine Kritik, dass schied das Kabinett, die Bundesregierung in ihrem dass ab Juni im Ein- „Bericht zur Lage der Religions- gangsbereich aller und Weltanschauungsfreiheit“ Landesbehörden ein mit dem Scheinwerfer so gut Kreuz hängen soll. wie jede Weltregion ausleuchte, Und zwar laut Söder Ekaum aber die Lage in Deutschland selbst. nicht als Zeichen der In der Debatte am vergangenen Freitag christlichen Religion, kehrte sich dieses kritisierte Missverhältnis © picture-alliance/dpa sondern als „Be- um: Angesichts der jüngst bekannt geworde- kenntnis zur Identi- nen antisemitischen Übergriffe unter ande- tät“ und zur „kulturellen Prägung“ Bayerns. Das rem in Berlin rückte die Religionsfreiheit löste viel Kritik aus, bis hin zu den Kirchen. Zu- hierzulande in den Vordergrund. letzt wurde über Kruzifixe in den 1990er Jahren Unionsfraktionsvorsitzender Volker Kauder in Bayern diskutiert wegen der Pflicht, in Klas- (CDU) erinnerte an die deutsche histori- senzimmern ein Kreuz anzubringen. Dies wurde sche Erfahrung des „grässlichen“ 30-jähri- 1995 vom Bundesverfassungsgericht kassiert. gen Krieges, der vor vier Jahrhunderten ein Söder, der im Oktober um die absolute Mehrheit Drittel der Bevölkerung des damaligen Hei- der CSU kämpft und vor allem die Stammwähler ligen Römischen Reiches ausgelöscht habe. im Blick hat, hängte demonstrativ ein vom frü- Auch heute würden aus einer „Unbedingt- heren Münchner Erzbischof geweihtes Kreuz in heit religiöser Überzeugung“ Kriege wie in der Staatskanzlei auf. kru T Syrien oder im Irak entstehen. „Wenn Reli- gionsfreiheit nicht gewährleistet wird, ist Frieden in einer Gesellschaft nicht mög- ZAHL DER WOCHE lich.“ Ohne diese Freiheit würden die Kon- flikte im Orient nicht beendet werden kön- nen. Kauder bedauerte, „dass in der Region, 82,5 die die Wiege des Christentums war, Chris- tentum immer weniger stattfindet“. So wie Prozent der Mitglieder der Unionsfraktion Muslime hierzulande selbstverständlich die Koran, Tora und Bibel sind Heilige Schriften der „Buchreligionen“ Islam, Judentum und Christentum © picture-alliance/dpa im Bundestag sind katholisch oder evange- Möglichkeit hätten, Moscheen zu bauen lisch. Das ist nach Eigenangaben der höchs- und darin zu beten, so sei beispielsweise te Anteil von Christen im Bundestag. Am ebenso selbstverständlich zu verlangen Christen, um gegen andere Religionen auf- Christine Buchholz (Die Linke) verwies kann. „Wehret den Anfängen.“ Eine men- wenigsten Kirchenmitglieder gibt es in der „dass die Christen ihre Kirchen in der Tür- zustacheln und vergreife sich damit am auf die Kriminalstatistik, nach der die schenrechtsbasierte Politik beginne vor der EDITORIAL Linksfraktion mit 8,7 Prozent. kei bauen können“. Grundsatz der Religionsfreiheit. Der Sozial- Mehrzahl antisemitischer Straftaten in eigenen Haustür. Beim Blick auf die Lage demokrat kritisierte außerdem die Entschei- Deutschland von rechts kommt. „Wir ver- hierzulande habe der Bericht aber noch Verfolgung Volker Münz (AfD) sagte, dass dung der bayerischen Landesregierung, Kru- wahren uns dagegen, wenn Muslime unter Defizite. Gehring kritisierte zudem, dass Glaube und ZITAT DER WOCHE die Unterdrückung von religiösen Minder- zifixe in Amtsgebäuden aufzuhängen. „Lei- den Generalverdacht des Antisemitismus die bayerische Landesregierung die Religi- heiten überwiegend in jenen Ländern zu der geht es hier nicht um gestellt werden.“ Die Religi- on instrumentalisiere: Sie mache das beklagen sei, in denen der Islam die vor- Religion, sondern um ons- und Weltanschauungs- Kreuz „zum Gegenstand eines billigen Toleranz »Das Kreuz ist herrschende Religion sei. „Das liegt daran, Wahlkampf“. Dies sei eine freiheit gelte für alle, es ge- Wahlkampfmanövers“. Bei „Söder und dass der Islam im Unterschied zum Chris- Vereinnahmung von Religi- »Dort, wo man be dabei auch keine Rang- Seehofer ist unsere Verfassung offenbar in VON JÖRG BIALLAS kein Identitäts- tentum keine Trennung von Staat und Reli- on für politische Ziele. nicht beten folge. „Wir wollen, dass je- schlechten Händen“. Wer hierzulande das gion kennt.“ Münz kritisierte, das die im Be- „Finger weg davon!“ de und jeder in diesem Christentum überhöhe, könne nicht Es gibt viele Gründe darüber nachzudenken, zeichen eines richt benannte eingeschränkte Staatlichkeit Auch Stefan Ruppert (FDP) kann, kann Land ohne bedroht zu wer- glaubwürdig gegen Christenverfolgung in wie es um die Religionsfreiheit bestellt ist. als eine Ursache religiöser Verfolgung auch ging mit dem bayerischen man in der den Kippa, Kopftuch oder anderen Ländern eintreten. Denn leider ist es in vielen Nationen keines- Landes.« Deutschland betreffe. So würden christliche Ministerpräsidenten Mar- Kreuz tragen kann.“ Buch- wegs selbstverständlich, dass eine Weltan- Flüchtlinge in Asylheimen schikaniert, jüdi- kus Söder (CSU) ins Ge- Regel auch holz kritisierte die Bundes- Beauftragter Mit Koalitionsmehrheit wurde schauung toleriert wird, wenn sie vom in der Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg, sche Kinder durch muslimische Mitschüler richt: Es sei bemerkenswert, nicht wählen.« regierung dafür, die Men- ein Entschließungsantrag der Fraktionen jeweiligen Region vorherrschenden Glauben zur Entscheidung des bayerischen Kabinetts, gemobbt. Die Bundesregierung habe eine wenn dieser sage, dass das schenrechte nicht konse- von Union und SPD angenommen, die abweicht. Wer einen anderen Gott verehrt, in allen Landesbehörden ab Juni Kreuze an- „zunehmend importierte Judenfeindschaft“ Kreuz kein religiöses Sym- Stefan Ruppert (FDP) quent zur Basis ihrer Au- Fraktionen AfD und Bündnis 90/Die Grü- wird verfolgt, gefoltert, getötet. Viele Tausende zubringen durch eine „verantwortungslose Asyl- und bol, sondern ein Identitäts- ßenpolitik zu machen. Wer nen stimmten dagegen, FDP und Die Linke solcher Opfer sind jedes Jahr zu beklagen. Zuwanderungspolitik“ begünstigt. symbol sei. Söder stelle das sich die Religionsfreiheit enthielten sich. Union und SPD fordern die Deshalb ist es richtig, dass der Deutsche Bun- Lars Castellucci (SPD) wies darauf hin, dass Kreuz „in den Dienst seiner politischen auf die Fahne schreibe und „gleichzeitig Bundesregierung unter anderem auf, die destag regelmäßig über dieses Thema debat- es nicht darum gehe, Religionen oder Welt- Agenda“. Den Christen habe er damit einen Waffen an Saudi-Arabien liefert, macht Rolle von Religion in der Entwicklungszu- tiert. Wenn im Namen des Glaubens Unrecht IN DIESER WOCHE anschauungen zu schützen, sondern den in- Bärendienst erwiesen. Ruppert betonte mit sich absolut unglaubwürdig“. sammenarbeit zu akzentuieren. Bereits Mitte begangen wird, darf das den Volksvertretern in dividuellen Menschen mit seinem Bekennt- Blick auf den Bericht der Bundesregierung Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) er- April hat die Bundesregierung zudem be- einer von Aufklärung geprägten Demokratie INNENPOLITIK nis oder Nichtbekenntnis, seiner Freiheit außerdem den Zusammenhang von Religi- innerte an die historische Erfahrung in schlossen, den CDU-Bundestagsabgeordne- nicht egal sein. Zumal es auch hierzulande im- Korruption Bundesamt für Migration zur und auch Freiheit von Religion. „Wir onsfreiheit und demokratischen Grundwer- Deutschland, dass Hass auf eine Religion ten Markus Grübel in das neugeschaffene mer noch Defizite bei der Toleranz gegenüber und Flüchtlinge im Visier Seite 6 müssen die ausgrenzenden Debatten been- ten: „Dort wo man nicht beten kann, kann Ausdruck einer Denkweise sei, die in Ge- Amt eines Beauftragter für weltweite Religi- Andersgläubigen gibt. den.“ Die AfD benutze die Verfolgung von man in der Regel auch nicht wählen.“ walt gegen jedwede Minderheit münden onsfreiheit zu berufen. Alexander Heinrich T Da ist zunächst ein latent vorhandener Antise- WIRTSCHAFT UND FINANZEN mitismus, dessen offensichtlicher und zugleich Abgaben AfD will Kalte Progression bei widerlichster Auswuchs offene Gewalt gegen- Einkommensteuer abschaffen Seite 8 über Juden ist. Zu behaupten, für derartige At- tacken seien ausschließlich arabischstämmige EUROPA UND DIE WELT Zuwanderer verantwortlich, ist ein politisch Israel Bundestag debattiert über die Freiheit ist die Freiheit der Andersgläubigen gefärbtes Argument wider besseres Wissen. Staatsgründung vor 70 Jahren Seite 10 BERICHT Auch ein schwacher Staat oder fehlende Staatlichkeit können Ursachen für religiöse Verfolgung sein In diesem Land, in Ost wie West, hat es immer einen von Antisemitismus geprägten gesell- KEHRSEITE ie Regel ist einfach und verständ- dung mit der Schwächung von Staatlichkeit – licher Art, die alle Bereiche des privaten und gläubige, als ‚Apostaten‘ gebrandmarkte schaftlichen Bodensatz gegeben. Judenfeind- Berufliche Bildung Parlament spricht lich, sie schafft eine für die dama- insbesondere im Nahen und Mittleren Osten öffentlichen Lebens durchdringen könnten: Menschen ebenso wie für Konvertiten.“ lichkeit sickert so in