CSU-LG – 9. WP Landesgruppensitzung: 7. 9. 1982

7. September 1982: Sitzung der Landesgruppe

ACSP, LG 1982: 12. Überschrift: »Protokoll der 33. Sitzung der CSU-Landesgruppe am 7. September 1982 in der Landesvertretung von Baden-Württemberg«. Zeit: 20.00–22.20 Uhr. Vorsitz: Zimmermann.

Anwesend: Althammer, Biehle, Bötsch, Brunner, Engelsberger, Faltlhauser, Fellner, Geiger, Gerlach, Götz, Handlos, Hartmann, Hinsken, Höffkes, Höpfinger, Graf Huyn, Jobst, Keller, Kiechle, Klein, Kraus, Kreile, Krone-Appuhn, Kunz, Linsmeier, Lintner, Müller, Niegel, Rainer, Regenspurger, Riedl, Rose, Rossmanith, Sauter, Seehofer, Spranger, Graf von Stauffenberg, Voigt, Waigel, Warnke, Wittmann, Zierer, Zimmermann.

Sitzungsverlauf: A. Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Zimmermann über die Kritik des CDU- Generalsekretärs Geißler an einem Schreiben des bayerischen Ministerpräsidenten Strauß an die CDU-Ministerpräsidenten, über gute Umfrageergebnisse für CDU/CSU, das absehbare Ende der sozial-liberalen Koalition und mögliche Neuwahlen. B. Erläuterungen des Parlamentarischen Geschäftsführers Bötsch über das Plenum der Woche und anstehende Termine. C. Allgemeine Aussprache.

[A.] TOP 1: Bericht des Vorsitzenden Dr. Zimmermann gedenkt zu Beginn der Sitzung des verstorbenen Mitarbeiters Hans Richarts. Dr. Zimmermann gratuliert den Kollegen Dr. Riedl, Dr. Kunz, Graf Huyn, Seehofer, Klein, Engelsberger, Brunner, Gerlach, Stücklen, Dr. Jobst und Höpfinger zu ihren Geburtstagen. Er beglückwünscht Graf Stauffenberg zur Geburt einer gesunden Tochter. Zur Lage berichtet Dr. Zimmermann, daß sich während der Sommerpause einiges getan habe. Die Koalition habe das Bild beherrscht. Die Union sei nicht wichtig gewesen. Er betont jedoch, daß manche differenzierten Töne innerhalb der Union nunmehr schnellstens verschwinden müßten. Auf das Interview des Generalsekretärs der CDU1 macht Dr. Zimmermann aufmerksam. Geißler habe darin den Brief von Franz Josef

Strauß vom 3. August 1982 an die Unionsministerpräsidenten kritisiert, obwohl sich Franz Josef Strauß in nichts von den Grundpositionen der Fraktion unterscheide. Diesen Brief habe PPP, ein der SPD nahestehender Dienst, veröffentlicht. Stoiber habe darauf eine öffentliche Richtigstellung vorgenommen. Die Ministerpräsidenten Stoltenberg2 und Albrecht3 haben während der Sommerpause leider nicht dazu beigetragen, die Führung des Oppositionsführers Kohl4 zu stärken. Dies sei den Ministerpräsidenten in den letzten Tagen auch deutlich gesagt worden.

1 Heiner Geißler, MdB. 2 , Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein (CDU). 3 Ernst Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen (CDU).

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Brandt5 habe sich heute auf dem Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Nahrung, Genußmittel und Gaststätten geäußert. Dr. Zimmermann liest die dpa-Meldung vom Nachmittag vor. Brandt habe wiederum für ihn typische Formulierungen gewählt, alles etwas offenlassen, sich in keiner Position festlegen, jedoch auf die Zeit in der Opposition vorbereiten. Das »Hamburger Abendblatt« berichtet über ein

Umfrageergebnis von Infratest, bei einem Sample von 2 000 Befragungen. Danach liegen die SPD bei 29,5 %, die CDU/CSU bei 56 %, die FDP bei 6 % und die Grünen bei 8 %. Das Bundespresse- und Informationsamt habe sich zu dieser Umfrage über dpa geäußert. Aus dieser dpa-Meldung liest Dr. Zimmermann vor. Des weiteren liest er die dpa-Meldung vom Nachmittag über den Ablauf der SPD-Fraktionssitzung vor. Dr. Zimmermann sagt zu, die dpa-Meldungen der Landesgruppe zur Verfügung zu stellen. Zum Ablauf dieser Woche betont Dr. Zimmermann, daß der Bundeskanzler keine Vertrauensfrage stellen werde. Am Donnerstag werden zum Bericht zur Lage der Nation Kohl und er selbst sprechen. Es werde sich zeigen, wie der Bundeskanzler seine Rede aufbaue. Mehrere Gerüchte seien im Umlauf. Die demoskopischen Umfrageergebnisse in Bayern und in Hessen entsprechen etwa auch den bundesweiten. Das Ergebnis für Bayern dürfe man gar nicht laut sagen. Dies würde auf unsere Mitglieder und unsere Sympathisanten lähmend wirken. Eines haben jedoch die bayerischen und die hessischen Landtagswahlen für sich. Zwischen diesen Wahlen und dem Parteitag der FDP Anfang November in müssen Entschlüsse in getroffen werden. Inzwischen wisse man recht sicher, daß der Bundeskanzler so lange im Amt bleiben werde, solange es gehe. Der Handlungsspielraum der FDP werde jedoch von Tag zu Tag geringer. Die SPD wolle die FDP zum Mißtrauensvotum zwingen, um somit von vorneherein die Schuldzuweisung klarzustellen. Zwischen Genscher6 und Verheugen7 gebe es innerhalb der FDP nicht mehr zu überbrückende Differenzen. Die SPD wolle, wenn die Koalition breche, dies mit einer Strafaktion für die FDP verbinden. In dieser Woche werde in den Magazinen »Spiegel« und »Stern«

Genscher mit der Aussage zitiert, wenn die FDP in Hessen über 5 % komme, dann werde er springen, werde sie unter 5 % bleiben, dann werde er zurücktreten. Dies sei nach letzten Erkenntnissen alles falsch. Genscher selbst wolle wechseln. Völlig offen sei jedoch die Delegiertenzusammensetzung in Berlin. Die Frage, die in diesen Tagen immer wieder an die Union gestellt werde, heiße: »Wollt Ihr mit der FDP die Regierung fortsetzen?« Dr. Zimmermann betont nachhaltigst, daß die Union nicht 13 Jahre in der Opposition gewesen sei, um für 18 Monate den Bundeskanzler zu stellen. Alle Wirtschaftsprognosen gehen davon aus, daß die Arbeitslosenzahl auch 1983 und 1984 steigen werde. Das bedeute, daß eine von der Union geführte Bundesregierung mindestens eine volle Wahlperiode benötige, um eine Wende herbeiführen zu können. Die FDP habe aus bekannten Gründen Angst vor Neuwahlen. Die SPD weniger, denn sie bliebe eine große Partei, obwohl bei Neuwahlen die SPD sicherlich einen weiteren Rutsch nach links machen würde. Dr. Zimmermann betont abschließend, daß es einen fliegenden Wechsel der FDP ohne Neuwahlen in absehbarer Zeit nicht geben werde. Man werde während der Zwischenphase ein Regierungsprogramm vorlegen und sich dann der Wahl stellen, um mindestens vier Jahre, also eine volle Legislaturperiode, Zeit

4 , Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Bundesvorsitzender der CDU. 5 , Parteivorsitzender der SPD, MdB. 6 Hans-Dietrich Genscher, Bundesaußenminister, Vizekanzler, Bundesvorsitzender der FDP. 7 Günter Verheugen, Generalsekretär der FDP.

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zu haben. Patentlösungen könne in dieser Situation niemand anbieten. Es müsse aber betont werden, daß aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage dem Bundeskanzler eine starke Stellung eingeräumt werde. Die Opposition könne hier nur reagieren, könne aber selbst nicht aktiv werden. Auch die Gerüchte um eine Große Koalition, um eine Wahlrechtsänderung seien Vorschläge, um die FDP in der Koalition zu halten. Dr. Zimmermann erklärt, daß die Union schon einmal auf die Leimrute »Wahlrechtsänderung« getreten sei. Dr. Zimmermann betont jedoch, daß bei einer Änderung in Bonn die CSU kein Anhängsel der CDU sein werde, sondern Partner genauso wie dann ein eventueller Koalitionspartner FDP. In diesem Zusammenhang berichtet Dr. Zimmermann über eine Anekdote während der Adenauer8-Ära, bei der am Ende unser Kollege Niederalt9 noch Minister wurde. Dr. Zimmermann sagt abschließend, daß man nunmehr Ruhe bewahren müsse. Alle fünf Minuten werde ein neues Gerücht ausgestreut. Man dürfe nicht jedem nachlaufen. Dr. Zimmermann sagt, daß für die Landesgruppe und für die Union grausame Zeiten anbrechen werden, denn ohne tiefe Einschnitte werde eine Sanierung nicht möglich sein.

[B.] TOP 2: Plenum der Woche und Termine Dr. Bötsch berichtet über den Ablauf dieser Sitzungswoche. Die Fragestunde finde am Mittwoch von 12.00 bis 14.00 Uhr und am Donnerstag von 8.00 bis 9.00 Uhr statt. Am Mittwoch nachmittag gebe es wichtige Abstimmungen zu den Ergebnissen des Vermittlungsausschusses und über den Antrag der CDU/CSU-Fraktion bezüglich des Nachtragshaushalts. Am Donnerstag werde der Bericht zur Lage der Nation debattiert. Wie schon erwähnt, werden die Hauptreden der Union Kohl und Zimmermann halten. Am Freitag stehen die sogenannten Spargesetze in der ersten Lesung auf der Tagesordnung. Für die CSU-Landesgruppe werde Dr. Kreile sprechen. In der kommenden Sitzungswoche, so berichtet Dr. Bötsch, werde der Haushalt 1983 eingebracht. Die Einbringung sei für Mittwoch vormittag vorgesehen, am Nachmittag beginne dann die Aussprache, die bis Donnerstag abend dauern werde. Reden werden für die Union unter anderem Häfele10 und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dregger11.

[C.] TOP 3: Allgemeine Aussprache Biehle fragt die Führung der Landesgruppe, welchen Stellenwert nunmehr das Erdgasröhrengeschäft habe. Graf Huyn antwortet, daß in Berlin alle vier Arbeitsgruppen unter Leitung des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Wörner12 sich auch mit diesem Thema beschäftigt haben. Er kündigt an, daß morgen im Auswärtigen Ausschuß insbesondere über die Ausgestaltung der Verträge mit den privaten Firmen berichtet werde. Man

8 , 1949–1963 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (CDU). 9 Alois Niederalt, 1962–1966 Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder (CSU). 10 Hansjörg Häfele, MdB (CDU). 11 , MdB (CDU). 12 Manfred Wörner, MdB (CDU).

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solle es bei den allgemeinen Äußerungen belassen. Einen neuen Aspekt erhalte das gesamte Erdgasröhrengeschäft durch den Einsatz von Zwangsarbeitern beim Bau der Leitungen. Man müsse diese Diskussion, so betont Graf Huyn, in den Vordergrund stellen. Im übrigen müsse eine allgemeine Diskussion über Geschäfte mit dem Ostblock begonnen werden. Dr. Zimmermann stimmt Graf Huyn zu. Die Sklavenarbeit sei ein neuer Aspekt. Dies müsse parlamentarisch aufgearbeitet werden. Dr. Riedl gibt einen Bericht über die Sitzung der Haushaltsgruppe in Berlin. Sechs Punkte seien angesprochen worden; die Berlinsituation, der Nachtragshaushalt 1982, der Haushaltsentwurf 1983, die Arbeitsmarktlage, die Verzögerung der Besoldungserhöhung für Beamte und der Zukunftsaspekt bezüglich der Maßnahmen, die am Punkt X ergriffen werden müßten. Zu Berlin haben die Berliner Senatoren Kunz13 und Pieroth14 und der 15 Fraktionsvorsitzende Diepgen berichtet. 2 500 Arbeitsplätze seien bei der AEG auf jeden Fall verloren. Bei der AEG in Berlin seien viele Fehler im Management gemacht worden. 5 bis 6 Mrd. DM müßten investiert werden, um AEG Berlin etwa auf den technischen Stand von Siemens zu bringen. Des weiteren wurde über die Privatisierung des Bundeskonzerns Vibag gesprochen. Das Unternehmen Ford sei interessiert. Darüber hinaus sei natürlich über die Berlinhilfe diskutiert worden. Dr. Riedl macht darauf aufmerksam, daß hier ein Konflikt zwischen Berlinhilfe und Zonenrandförderung entstehen könnte. Er bittet die Zonenrandförderungsspezialisten darauf zu achten. Zum Nachtragshaushalt 1982 werde der Antrag, so berichtet Dr. Riedl, von der Koalition abgelehnt. Er betont jedoch, daß in dieser Woche die Minister Lahnstein16, Lambsdorff17 und Westphal18 in den Haushaltsausschuß geladen seien. Der Haushalt 1983 enthalte Risiken in Höhe von 10 Mrd. DM, 3 bis 4 Mrd. DM Steuermindereinnahmen, 4 Mrd. DM für die Bundesanstalt für Arbeit und 1 Mrd. DM Sonstiges. Diese Zahlen werden inzwischen von der Koalition nicht mehr bestritten. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit Stingl19 habe über die Arbeitsmarktlage berichtet. Dabei seien die Zahlen unseres Kollegen Friedmann20, die er bei der Haushaltsdebatte im Januar vorgetragen habe, voll bestätigt worden. Dr. Riedl berichtet, daß bei der Verabschiedung des Haushalts 1983 der Bundesanstalt im Verwaltungsrat unter anderem die Vertreter einiger Unionsländer gefehlt haben. Nur dadurch sei dieser Haushalt angenommen worden. Präsident Stingl bat, alles zu versuchen, um bei seiner Nachfolge den Kollegen Sund21 zu verhindern. Zur Verschiebung der Besoldungserhöhung für Beamte berichtet Dr. Riedl, daß man Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst einerseits und Beamte andererseits ungleich behandle. Dies müsse zurückgewiesen werden. Eine große Last liege hier bei

13 Gerhard Kunz, Berliner Senator für Finanzen (CDU). 14 , Berliner Senator für Wirtschaft und Verkehr (CDU). 15 , Vorsitzender der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. 16 , Bundesminister der Finanzen (SPD). 17 , Bundesminister für Wirtschaft (FDP). 18 , Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (SPD). 19 (CSU). 20 , MdB (CDU). 21 Olaf Sund, Präsident des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen (SPD).

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den Ländern. Man müsse in dieser Frage glaubwürdig bleiben. Die Bundestagsfraktion könne nicht nein sagen, und im Bundesrat werde dann der Sache zugestimmt. Dr. Waigel gibt einen ergänzenden Bericht zur Situation der AEG. Er betont, daß vor einer endgültigen Stellungnahme erst das Gutachten der Treuhand abgewartet werden müsse. Trotz wiederholter Aufforderung sei dieses Gutachten der Fraktion vom Bundesministerium für Wirtschaft nicht vorgelegt worden. Solange man aber nicht über diese Information verfüge, könne man dazu auch nicht Stellung nehmen. Die Situation der AEG-Werke in Berlin sei verheerend. Beispielsweise sei der

Krankenstand dort um rd. 30 % höher gewesen als in allen anderen AEG- Niederlassungen. Bezüglich der Bürgschaft des Bundes und der Rückfallbürgschaft durch die Länder gebe es noch schwere Interessenkonflikte unter anderem auch zwischen dem Bund und den privaten Banken. Dr. Waigel betont, daß in dieser Situation die Union weder heute noch morgen gefragt sei. Er habe Verständnis für die betroffenen Kollegen, wenn sie sich ein wenig anders äußern, als dies die Gesamtfraktion tue. In die gesamte Diskussion müsse man auch die Frage nach der Haftung stellen, sicher nicht im juristischen, aber im moralischen Sinne. Die Union habe die Aufgabe, darauf zu achten, daß die Lösungen nicht zu Lasten der mittelständischen Wirtschaft getroffen werden. Dr. Warnke dankt Dr. Waigel. Dr. Warnke geht auf die nicht getätigten Pensionsrückstellungen ein. Er betont, daß hier der Pensionssicherungsverein rund

4 Milliarden DM aufbringen müsse. Dies sei eine ungeheure Belastung für alle anderen Mitglieder. Zum Problem Grenzland betont Dr. Warnke, daß man sich hier nicht gegeneinander ausspielen lasse. Man hoffe auch auf die Solidarität der Berliner. Biehle geht auf die Zonenrandförderung ein. Es gebe oftmals Schwierigkeiten an der Grenze zwischen den Gebieten mit und ohne Zonenrandförderung. Scheinfirmen seien nicht selten. Engelsberger geht auf das Problem AEG ein. Nach seinen Informationen könne die AEG nicht mehr gerettet werden. Der Konkurs stehe unmittelbar bevor. Er könne in diesem Zusammenhang die Stellungnahme der CSA22 und der CDA23 nicht verstehen. Er bittet, doch objektiver zu berichten. Dr. Zimmermann wirft ein, daß in dieser Angelegenheit der Wirtschaftsrat der CDU die wohl dümmste Erklärung abgegeben habe. Lintner antwortet Biehle, daß eine Grenze immer Probleme bringe, ganz gleich wo sie gezogen werde. Regenspurger sagt zu den Sonderopfern der Beamten im öffentlichen Dienst, daß dies für die Union eine große Bewährungsprobe sei. Die Stimmung im öffentlichen Dienst sei wie folgt: Erst wenn alle, Angestellte, Arbeiter und Beamte, betroffen seien, stimme man einer Verschiebung der Besoldungsanpassung zu. Die Beamten allein seien zu Sonderopfern nicht bereit. Er macht auf eine Presseerklärung des Beamtenbundes aufmerksam, worin gesagt wurde, daß für Beamte nur noch die Union wählbar sei. Dr. Zimmermann betont, daß bei knapper Kasse des Staates auch seine Diener sparen müssen. Er betont jedoch, daß dann alle zum Sparen herangezogen werden müssen, also auch Arbeiter und Angestellte.

22 Christlich-Soziale Arbeitnehmerschaft. 23 Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft.

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Kiechle berichtet von Gesprächen mit Beamten in seinem Wahlkreis. Er habe den Eindruck gewonnen, daß der öffentliche Dienst durchaus bereit sei, ein Opfer zu bringen. Man zeige aber für ein Sonderopfer der Beamten allein keine Bereitschaft. Handlos berichtet über Briefe von Beamtenvertretern, in denen von lächerlichen

960 Millionen DM gesprochen werde. Dies sei eine Unverschämtheit. Des weiteren geht er auf die TA-Luft24 ein. Es sei gerade für ihn in seinem Wahlkreis ungeheuer wichtig, daß man diese Diskussion nunmehr aufnehme. Das Waldsterben sei katastrophal. In dieser Frage sei für ihn nichts kompromißfähig. Dr. Zimmermann betont, daß in dieser Frage zum jetzigen Zeitpunkt alles gesagt sei. Er verweist auf den Briefwechsel von Franz Josef Strauß mit Weinzierl25 und die dazu herausgegebene Dokumentation des Ministers Dick26. Dies sei eine gute Argumentationshilfe, um über den Wahltermin in Bayern hinweg zu kommen. Kiechle betont, daß das Waldsterben ungeheure Ausmaße angenommen habe. Leider habe man aber die Ursache für dieses Waldsterben noch nicht erkannt. Alle seriösen Wissenschaftler sagen, daß das Schwefeldioxyd sicherlich mitverantwortlich sei. Jedoch gebe es noch eine ganze Reihe anderer Faktoren. Er macht darauf aufmerksam, daß man das gesamte Problem etwas weiter fächern soll. Man sollte ebenfalls die Gebäude und das Wasser miteinbeziehen. Er warnt jedoch in diesem Zusammenhang vor einem sogenannten Waldpfennig. Gerlach macht den Vorschlag, dieses Thema nach dem 10. Oktober 1982 zu diskutieren. Fellner betont, daß in diesem Zusammenhang sicher emotional diskutiert werde. Man dürfe aber diese Seite nicht außer acht lassen. Spranger sagt, daß, solange keine klare Ursachenanalyse vorhanden sei, man es schwer habe, über bestimmte Maßnahmen zu diskutieren. Er stimmt aber dem Vorschlag von Gerlach zu. Handlos berichtet, daß praktische Forstleute ihm gesagt hätten, daß das Waldsterben ursächlich durch den zu hohen Schwefeldioxydgehalt in der Luft verursacht werde. Man dürfe in dieser Frage nicht mehr akademisch diskutieren. Die Wälder über 800 Meter seien inzwischen verloren. Es gehe jetzt nur noch darum den noch bestehenden Waldbestand zu retten. Dr. Zimmermann bittet Höpfinger über die Klausurtagung der Arbeitnehmergruppe in Darmstadt vom 29. bis 30. August 1982 zu berichten. Höpfinger berichtet, daß man insgesamt vier Problemkreise besprochen habe, die Arbeitsmarktsituation, die neue Situation an der Spitze des DGBs, die Rentenreform 1984 und die Protestmaßnahmen des VDK27. Zur Arbeitsmarktsituation stellte Professor Oppenländer28 vom ifo Institut in München düstere Prognosen. Die stille Reserve an Arbeitskräften werde 1987 bei rund 3 Millionen liegen. Dabei sei unterstellt, daß beispielsweise der Anteil der Ausländer konstant bleibe, daß von der politischen Seite auf den Arbeitsmarkt keine Veränderungen vorgenommen werden und daß eine wirtschaftliche Besserung eintrete.

24 Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft. 25 Hubert Weinzierl, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern. 26 Alfred Dick, Bayerischer Staatsminister für Umweltfragen (CSU). 27 Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands. 28 Karl Heinrich Oppenländer, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München.

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Oppenländer sagte in diesem Zusammenhang, daß man natürlich bei diesen Zahlen Arbeitszeitverkürzungen nicht vom Tisch reden könne. Es gehe aber im Prinzip nur um die Lebensarbeitszeit. Das Gespräch mit dem stellvertretenden Vorsitzenden im DGB-Vorstand Fehrenbach29 zeigte, daß sich die Einarbeitungszeit der neuen DGB-Spitze als äußerst schwierig erweise. Innerhalb der Einzelgewerkschaften sei ein Erwartungshorizont vorhanden, der momentan noch nicht erfüllt werden könne. Die Belastung »Neue Heimat« sei zu groß. Zur Tarifrunde 1983 betont Fehrenbach, daß dies wohl eine der härtesten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden würde. Nach zwei Jahren Rückgang der Realeinkommen in den Arbeitnehmerhaushalten könne man das in 1983 nicht noch einmal hinnehmen. Höpfinger erwähnt, daß in diesem Zusammenhang auch angeregt worden sei, daß der DGB nicht nur Prüfsteine vor den Wahlen versende, sondern nachher dazu auch eine Bilanz erstelle. Fehrenbach sagte dies zu. Fehrenbach kündigte weiter an, daß die Gewerkschaften wohl eine neue Mitbestimmungsdiskussion beginnen werden. Zum Verhältnis zu den Grünen betonte er, daß die Grünen in den Gewerkschaften wenig Erfolg haben werden. Zur Rentenreform 1984 berichtet Höpfinger, daß nunmehr auch die CSU genauso wie die CDU eine Kommission eingesetzt habe. Die Leitlinie sei für beide Kommissionen die Erhaltung der Leistungsbezogenheit und das Versicherungsprinzip. Es werde aber sehr schwierig, einen vernünftigen Kompromiß zu finden. Der Verband der Kriegsopfer werde im Herbst überall Protestkundgebungen durchführen. Der Verband wendet sich gegen die einseitigen Belastungen. Höpfinger kündigte an, daß er ein Argumentationspapier an die Mitglieder der CSU- Landesgruppe senden werde, um bei den Diskussionen im Wahlkreis gerüstet zu sein. Dr. Zimmermann erklärt ganz allgemein, daß zur Zeit die Gefahr sehr groß sei, daß sich bestimmte Gruppen zu bestimmten Problemen äußern und Vorschläge zur Lösung machen. Er betont jedoch ausdrücklich und nachhaltigst, daß nunmehr nicht die Zeit dafür sei. Es sei nicht die Zeit, um bestimmte Pläne auf den Tisch zu legen, die nur den Ehrgeiz anderer Gruppen erzeugen, damit auch diese Pläne und Vorschläge erarbeiten. Die Probleme von morgen seien durch solche Vorschläge nicht mehr zu lösen. Alle Gruppen müssen beschnitten werden, nach dem Motto, wenn alle schreien, höre das Geschrei schnell wieder auf. Dies sei die einzige Möglichkeit, um überhaupt die Chance zu haben, den Bundeshaushalt in mittelfristiger Sicht wieder in Ordnung zu bringen. Die Erklärung von Vogt30 in Darmstadt zu den einzelnen Problemen sei deshalb zur Unzeit erfolgt, beispielsweise die Bewertungen zur Arbeitszeitverkürzung. Dies sei Tarifsache. Die Politiker haben allerdings nicht die Aufgabe, die Tarifpartner zu ermutigen, diesen Weg zu bestreiten. Dr. Zimmermann betont, daß er nicht dreizehn

Jahre in der Opposition gewesen sei, um dann vielleicht für 1 ½ Jahre Minister zu werden. Wer draußen im Wahlkreis unterwegs sei, spüre, daß das Problembewußtsein von Tag zu Tag wachse. Es sei Bereitschaft vorhanden, Opfer zu bringen. Es dürfe aber in dieser Situation keiner Gruppe eine Sonderstellung zukommen. Im Bonner Theater seien nicht wir die Aktiven. Wir seien lediglich Objekt und nicht Subjekt. Dr. Zimmermann betont nochmals, daß der Kreis der Landesgruppe bei allen Entscheidungen immer mitsprechen werde. Der Fahrplan müsse transparent sein, sonst brauche die Union überhaupt nicht anzufangen. Die Schulden können allenfalls

29 Gustav Fehrenbach (CDU). 30 Wolfgang Vogt, MdB (CDU).

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begrenzt, kaum zurückgeführt werden. Die Arbeitslosen werden trotz wirtschaftlicher Erholung weiter hoch bleiben. Das seien Ausgangsdaten, die nicht schlechter sein könnten, deshalb sei es wenig nützlich, daß nunmehr einzelne Gruppen bestimmte Forderungen erheben. Dr. Zimmermann beendet die Sitzung um 22.20 Uhr.

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