17. Juni 1969: Fraktionssitzung
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SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 17. 06. 1969 [90] 17. Juni 1969: Fraktionssitzung AdsD, SPD-BT-Fraktion 5. WP, 134 Überschrift: »Protokoll der Fraktionssitzung vom 17. Juni 1969«. Dauer: 11.25–13.13 Uhr. Anwesend: 149. Vorsitz: Franke. Bundesregierung: Brandt, Leber, Schiller, Schmid, Strobel, Wehner. PStS: Arndt, Börner, Jahn. Protokoll: Löwke. Datum der Nieder- schrift: 19. 6. 1969. Sitzungsverlauf: A. Vorbereitung der Plenarsitzungen a) 2. und 3. Lesung Gemeindefinanzreform und der drei Ausführungsgesetze zur Fi- nanzverfassungsreform b) Wirtschaftspolitische Debatte (Jahreswirtschaftsbericht) c) Große Anfrage Saar d) Parlamentsreform e) Sonstige TO-Punkte und Ablauf der Plenarsitzungen B. Verschiedenes Egon Franke gratuliert zu Beginn der Fraktionssitzung Lucie Kurlbaum-Beyer zu Ihrem Geburtstag am gleichen Tag und überreicht einen Blumenstrauß. Er gratuliert ferner Martin Schmidt, der am Tag vorher und Franz Höhne, der vier Tage vorher Ge- burtstag hatte. Er begrüßt Heinrich Hamacher, der nach langer Krankheit zum ersten Mal wieder an einer Fraktionssitzung teilnimmt. Egon Franke gibt den Wunsch des Fraktionsvorstandes bekannt, wegen des Zeitdrucks1 auf eine Informationsstunde zu verzichten2. Die Fraktion erklärt sich einverstanden. Willy Brandt gibt bekannt, daß er als Außenminister in die Debatte über die Lage der Nation eingreifen werde, falls es im Plenum nur bei einer Runde bleiben werde. Die Fraktion unterstützt seinen Wunsch. Zu Tagesordnungspunkt 1:3 Alfons Bayerl berichtet, wir hätten uns bei der Gemeindefinanzreform gegenüber der CDU/CSU weitgehend durchgesetzt. Es ging um drei Fragen: 1. die Erhöhung der Progression auf 80 000 / 160 000, 2. das Hebesatzrecht der Gemeinden und 3. Bewertung der Gewerbesteuerumlage. Die CDU habe sich wegen der Progressionsstufe loyal an die Koalitionsabsprache gehalten und werde auch keinen Gruppenantrag einbringen. Bei den Hebesätzen sei Einigung erzielt worden, sie erst 1973 einzuführen und jetzt die Bundesregierung durch einen Entschließungsantrag zu beauftragen, die entsprechenden Vorarbeiten einzuleiten. Zu den drei Ausführungsgesetzen gab es keine parteipolitisch kontroverse Situation. Es sei eine einheitliche Regelung der Gemeinschaftsaufgaben in 1 Die Fraktionssitzung fand in der Plenarsitzungspause statt. Am Vormittag hatte Bundeskanzler Kiesinger den Bericht zur Lage der Nation gegeben. Die Debatte folgte um 15.00 Uhr. BT STEN. BER. 70, S. 13246–13289. 2 Korrigiert aus »bestimmen«. 3 TO liegt dem Protokoll bei. »Nächste Termine« (Di., 24. Juni, 9.30 Uhr Vorstand, 16.00 Uhr Frakti- on) wurde nicht behandelt. Copyright © 2016 KGParl Berlin 1 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 17. 06. 1969 allen drei Gesetzen angestrebt worden, der Wissenschaftsausschuß habe sich jedoch auf die Formulierung der Bundesregierung geeinigt. Mit einer einheitlichen Regelung kä- men wir auch dem Bundesrat etwas entgegen. Heinz Westphal stellt fest, der Haushaltsausschuß habe offenbar über eine andere Un- terlage beraten als der Finanzausschuß. Er meint, es gehe zu weit, auch noch die Ratio- nalisierungsinvestitionen in die zu 50 / 50-Aufteilung der Bund- und Länderzuwendun- gen aufzunehmen. Alfons Bayerl sagt, die sei Sache des Wirtschaftsausschusses; der Finanzausschuß habe dazu nichts beschlossen. Karl Ravens empfiehlt, die Vorlage so durchlaufen zu lassen, wie sie der Wirtschafts- ausschuß verabschiedet hat. Heinz Westphal gibt zu bedenken, es gehe hier um den Anteil des Bundes und der Länder bei den Förderungsmaßnahmen. Das Gesetz gelte für die ganze Bundesrepu- blik, es gehe zu weit, parallel zum zweiten Steueränderungsgesetz bestimmte Regionen herauszuheben. Karl Ravens glaubt nicht, daß es zu weit gehe. Es werde lediglich der Rahmen des Auf- gabenkatalogs abgesteckt. Über Art und Umfang der Hilfen werde nichts ausgesagt. Egon Franke stellt fest, die Empfehlung laute, Annahme der unterbreiteten Vorlagen. Als Sprecher für die drei Sachgebiete seien Martin Schmidt, Rolf Meinecke und Hans- Jürgen Junghans vorgesehen. Egon Franke bittet Hermann Schmitt-Vockenhausen, seine abweichende Meinung zur Gemeindefinanzreform vorzutragen. Hermann Schmitt-Vockenhausen sagt, die Erhöhung im Progressionsbereich führe zu einer gewissen Verzerrung, zu einer Benachteilung vor allem der kleinen Gemeinden bis 5 000 Einwohner. Er habe Verständnis, daß die Partei vor allem die großen Städte be- rücksichtigen wolle; er habe auf der anderen Seite die Belange von 23 000 Gemeinden, vor allem kleineren, zu vertreten. Er bittet darum, daß später bei Vorliegen der ersten Er- gebnisse auch die Belange der kleineren Gemeinden stärker berücksichtigt würden. Alfons Bayerl meint, der von der CDU/CSU vorbereitete Entschließungsantrag werde dem Anliegen von Hermann Schmitt-Vockenhausen Rechnung tragen. Die Bundesre- gierung werde darin aufgefordert, weitere Statistiken vorzulegen und zu prüfen, ob man ab 1972 so stark in die Progression einsteigen solle. Hermann Schmitt-Vockenhausen wäre dankbar, wenn wir den Entschließungsantrag mit unterzeichnen würden, damit im Land nicht der Eindruck entstehe, lediglich die CDU kümmere sich um die kleinen Gemeinden. Egon Franke rät und Alfons Bayerl und Hermann Schmitt-Vockenhausen stimmen zu, daß der Versuch einer Mitunterzeichnung des CDU/CSU-Entschließungsantrags gemacht werden soll. Die Fraktion entscheidet, daß Alfons Bayerl zur Gemeindefinanzreform und Martin Schmidt, Rolf Meinecke und Hans-Jürgen Junghans zu den drei Ausführungsgesetzen im Plenum sprechen werden. Zu Tagesordnungspunkt 2: Karl Ravens bittet zunächst um möglichst volle Besetzung im Plenum, weil anzuneh- men sei, daß FDP und CDU/CSU die Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht benutzen würden, um gegen die Wirtschaftspolitik Karl Schillers vorzugehen.4 Die FDP werde 4 Zur Beratung des »Jahresgutachtens 1968 zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick- lung« (BT ANL. 125, Drs. V/3550), des »Jahreswirtschaftsberichts 1969« (BT ANL. 127, Drs. V/3786) Copyright © 2016 KGParl Berlin 2 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 17. 06. 1969 wahrscheinlich die Unmöglichkeit einer wirtschaftlichen Vorausrechnung herausstellen und die CDU (Gewandt) könnte zum Ausdruck bringen, Schillers Wirtschaftspolitik laufe auf eine verkappte Sozialisierung heraus. Unsere Absicht sei, von den Auseinander- setzungen um Zahlen wegzukommen und stattdessen die Gelegenheit wahrzunehmen, die Grundlagen unserer Wirtschaftspolitik auf den verschiedensten Gebieten aufzuzei- gen. Wir wollten auf jeden Fall nicht in eine neue Währungsdebatte hineinkommen. Für den nächsten Tag sei eine genaue Vorbesprechung der Debatte bei Anwesenheit von Karl Schiller, Alex Möller und den vorgeschlagenen Sprechern der Fraktion vorgesehen. Der Arbeitskreis schlage als Redner die Genossen Möller, Ravens, Apel, Lenders und für den regionalpolitischen Teil Junghans vor. Egon Franke stellt fest, daß die Fraktion den Bericht über die Vorbereitung der Debat- te zur Kenntnis nimmt und in der Praxis wie von Karl Ravens vorgeschlagen verfahren wird. Zu Tagesordnungspunkt 3: Alwin Kulawig sagt, in der Debatte solle die nach wie vor prekäre wirtschaftliche Lage der Saar aufgezeigt werden.5 Es müßten, wie es auch in der Antwort der Bundesregie- rung stehe, gezielte Strukturverbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden, um die ein- seitige Wirtschaftsstruktur an der Saar zu beseitigen. Es soll herausgestellt werden, daß die Landesregierung es bisher versäumt habe, einen Landesentwicklungsplan vorzule- gen. Es soll noch einmal auf den Beschluß der Bundesregierung vom 11. Februar6 dieses Jahres über den Bau des Kanals7 hingewiesen werden. Der Bundesfinanzminister8 habe bisher die haushaltsmäßigen Voraussetzungen für den Bau des ersten Teils des Kanals nicht geschaffen. Im Bereich der von Karl Schiller vorgeschlagenen flankierenden Maß- nahmen fehle bisher die Quantifizierung durch eine Bereitstellung der Mittel. In diesem Jahr ständen 20 Mio. DM zur Verfügung, es sollten jedoch jährlich 50 Mio. DM in die mittelfristige Finanzplanung hineingeschrieben werden, damit bis 1980 50 000 zusätzli- che Arbeitsplätze bereitgestellt werden könnten. Es sei ferner notwendig, entsprechend den von Georg Leber entwickelten Vorstellungen, die großen Straßen des Saarlandes an das deutsche und europäische Fernstraßennetz mit zeitlichem Vorrang stärker als bisher anzubinden. Auch hier fehle die finanzielle Voraussetzung. Die saarländischen Genos- sen würden einen Entschließungsantrag einbringen, der in vier Punkten ihre Vorstel- lungen enthalte. (siehe Anlage 2)9 Adolf Müller-Emmert weist darauf hin, daß die Probleme der Westpfalz mit denen des Saarlandes eng verbunden seien. Er bittet die Fraktion zu überlegen, ob nicht die West- pfalz mit in die Debatte aufgenommen und ob nicht Karl Schiller ebenfalls dazu Stel- lung nehmen solle. und der »Verordnung über die Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen durch Bund und Länder im Haushaltsjahr 1969« (BT ANL. 132, Drs. V/4358) vgl. BT STEN. BER. 70, S. 13412–13449. 5 Zur Großen Anfrage betr. wirtschaftliche Gesundung des Saarlandes (BT ANL. 123, Drs. V/3278) u. Antwort des Wirtschaftsministers (BT ANL. 131, Drs. V/4268) vgl. BT STEN. BER. 70, S. 13378– 13403. 6 Korrigiert aus »12.« 7 Die Entscheidung des Kabinetts am 11. Februar 1969 für einen Anschluß der Saar an das europäische Wasserstraßennetz war allerdings nicht gleichbedeutend mit einer Entscheidung für den Bau des ge- samten Saar-Pfalz-Kanals. Die genaue Streckenführung wurde nicht beschlossen, man einigte sich le- diglich auf den Bau eines ersten Kanalabschnitts, der für jede Streckenführung nötig war. Vgl.