Erinnerung Erinnerunggestaltet ZukunftZukunft 25 CJahreJZ Gesellschaft für Christlic- h Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus-Kreis Die Arbeit der CJZ Main-Taunus-Kreis wird, wie die aller hessischen Gesellschaften für Christlich- Jüdische Zusammenarbeit, durch das Kultusministerium des Landes Hessen unterstützt.

Herausgeber: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus-Kreis e.V. Kontakt: Postfach 1472, 65704 Hofheim, Tel.: 0 69-15 34 26 56 Mail: [email protected] Homepage: www.cjz-main-taunus.de Bankverbindung: Frankfurter Volksbank, BLZ 501 900 00, Kto.-Nr. 4 102 000 671 Redaktion: Karin Hammer, Günter Pabst und Willi Schelwies Gestaltung: Marco Sgualdino ([email protected]) Illustrationen: Sabine Stephan ([email protected]) Druck: Druckhelden.de, Mellrichstadt Bildnachweis: Günter Pabst: Seite 20, 21, 22, 25, 26, 28, 40, 51 Willi Schelwies: Seite 24, 27, 34, 42, 58, 59 Stadtarchiv Hofheim: Seite 48, 49, 72, 74, 75, 81 Birgit Müller: Seite 54, 56, 57 Cornelia Sick: Seite 87 Copyright ©: Gesellschaft CJZ Main-Taunus-Kreis e.V. Schutzgebühr: 3,00 € Erinnerung gestaltet Zukunft Erinnerung gestaltet Zukunft

Nach dem Ende des Zweiten Stellvertretend für die vielen Weltkriegs wurde die Initiati- denken wir an den viel zu früh ve zur Gründung der Gesell- verstorbenen Initiator Pfarrer schaften für Christlich-Jüdische Rudolf Heine (+1.9.2011), Zusammenarbeit in Deutsch- der mit seinem Engagement land angeregt durch bereits die ersten Jahre entscheidend bestehende Gesellschaften in mitgeprägt hat. den USA, in Großbritannien, Dank auch allen Vorstandsmit- Frankreich und der Schweiz. gliedern und allen Mitgliedern, Die ersten Gesellschaften ent- die viele Aktivitäten initiiert, standen 1948/49 in München, vorbereitet und durchgeführt Wiesbaden, , Stutt- haben. gart und Berlin. Unsere Gesellschaft im Main- „Sachor – Gedenke – Der Zu- Taunus-Kreis wurde am kunft ein Gedächtnis“, so lau- 2. März 1987 gegründet. tet das Motto der diesjährigen Woche der Brüderlichkeit, die Unser Dank gilt allen Mitglie- in Kassel eröffnet wurde. dern, die seitdem unsere Ar- beit mitgetragen, gestaltet Der Aufruf „Erinnere dich!“, und unterstützt haben und es der in der Hebräischen Bibel bis heute tun. Ihr aktives und immer wieder anzutreffen ist, ideelles Engagement ist be- zielt nicht nur auf das Aneig- sonders wichtig, denn in den nen von Erinnerungen, son- Kommunen, Kirchengemein- dern auf ein ‚Zueignen seiner den und Institutionen des selbst’ in einer gemeinsamen Main-Taunus-Kreises präsen- Geschichte. So geht es am tieren sie unsere Arbeit und jüdischen Pessachfest um ein stellen die notwendigen Ver- „Gleichzeitigwerden“ der Gene- bindungen her. So konnte rationen, wie es der Religions- sich aus einzelnen Initiativen wissenschaftler Schalom Ben in den drei Jahrzehnten ein Chorin einmal ausgedrückt hat. Netzwerk entwickeln.

4 Die vielen Gespräche mit Zeit- Dazu gehört auch in unserer zeugen waren und sind des- Region die Initiative der Stol- halb ein wichtiges Element persteine, wenn Enkel und unserer Erinnerungsarbeit. Urenkel aus England und den Allerdings werden in Zukunft USA bei der Verlegung der immer weniger persönliche Steine zum Gedenken an die Begegnungen möglich sein, Angehörigen anwesend sind so dass wir uns neu ausrichten und sich für die Anteilnahme und für die junge Generation bedanken. neue Wege gehen müssen. In einer komplexer werdenden Die verwirrende Diskussion um Gesellschaft müssen sich auch die Beschneidung, der Angriff die Gesellschaften für die auf einen Rabbiner und seine Christlich-Jüdische Zusammen- Tochter in Berlin und der nicht arbeit den Herausforderungen endende Konflikt um stellen und das Erinnern und und Palästina, weisen darauf Gedenken immer wieder neu hin, dass der jüdisch-christliche formulieren, damit Erinnerung Dialog ständig herausgefordert Zukunft gestalten kann. ist, um für Frieden und Ge- rechtigkeit immer wieder neue Gemeinsam mit unseren Koope- Wege zu suchen. rationspartnern in Kommunen, Kirchengemeinden, Schulen und Gerda Eckhardt Vereinen ist uns das in Ansät- Thomas Hammer zen gelungen und wir wollen Günter Pabst diesen Weg einer sich vernet- Erich Rohan zenden Arbeit weitergehen. Willi Schelwies Dr. Dietmut Thilenius Die Erfahrungen der letzten (Vorstand) Jahre zeigen, dass auch nach sechs Jahrzehnten die Erinne- rungsarbeit immer wieder neue Impulse entwickelt.

5 Erinnerung Erinnerung gestaltet gestaltet Zukunft Am Sederabend, dem Auftakt Zugleich hält die Gesellschaft des Pessachfests, gedenkt man die Erinnerung an den Holo- des Auszugs der Israeliten aus caust wach: mit Gesprächen Ägypten. in Schulen, Gedenkveranstal- tungen und Ausstellungen. Man isst Mazzen und Bitter- kraut und trinkt vier Becher Deshalb möchte ich der CJZ Wein. Wer in der Gesellschaft zweifach für ihre Erinnerungs- für Christlich-Jüdische Zusam- arbeit danken: für die Erinne- menarbeit Mitglied ist, weiß rung an das Verbrechen der das. Schoa und für die Erinnerung an die jüdische Kultur. Die CJZ trägt dazu bei, das jüdische Erbe in unserer Ge- Die CJZ führt uns vor Augen, sellschaft lebendig zu halten. was wir verloren haben, und Reisen nach Israel, Synagogen- mahnt uns, das, was uns ge- Besuche, Konzert-Abende – blieben ist, zu bewahren. wer sich mit der jüdischen Kul- tur vertraut machen möchte, Mit freundlichen Grüßen hat hier die Gelegenheit. Michael Cyriax Landrat des Main-Taunus- Kreises

7 Wir freuen uns mit Ihnen, dass Das Verhältnis zwischen Juden die Idee christlich-jüdischer Ver- und Christen zu verbessern ständigung und Zusammenar- ist unsere wichtigste Aufgabe. beit seit nun schon 25 Jahren Dies geschieht durch inten- im Main-Taunus-Kreis zu Hause sive Beschäftigung mit den ist. gemeinsamen, aber auch den unterschiedlichen Traditionen, Ein 25-jähriges Bestehen ist ein mit den Belastungen aus der Meilenstein in der Geschichte Vergangenheit und den Pro- einer Organisation. blemen unserer Gegenwart. Gegründet 1988 hat es sich die Gesellschaft für Christlich- In den zurückliegenden Mona- Jüdische Zusammenarbeit im ten und Jahren häuften sich Main-Taunus-Kreis zur Aufga- Angriffe auf Menschen, die be gemacht, Wunden zu heilen nicht in das Weltbild Rechts- (soweit möglich), das Ver- extremer oder islamischer ständnis für das Judentum zu Antisemiten passen. fördern und allgemein zur Verbesserung der Beziehungen Ereignisse wie jüngst in Berlin, zwischen Juden und Christen wo ein Rabbiner vor den Au- beizutragen und gegen Rechts- gen seiner Tochter zusammen- extremismus und Antisemitis- geschlagen wurde, wo eine mus ihre Stimme zu erheben. Gruppe jüdischer Schülerin- nen auf offener Straße ange- Mit ihren zahlreichen Aktivi- pöbelt, einer jüdischen Fami- täten geben sie Anregungen lie von einem Taxifahrer die und Anstöße in Gedenkstun- Fahrt zur Synagoge verwei- den und Vorträgen zu theolo- gert und zuletzt der General- gischen, historischen und po- sekretär des Zentralrats der litischen Fragen. In Lesungen, Juden in Deutschland nach bei Ausstellungen, Zeitzeugen- dem Besuch einer Synagoge gesprächen und auf Studien- bedroht und beleidigt wurde, fahrten bieten sie Raum für zeigen einmal mehr, wie ge- Begegnungen und Gespräche walttätig die Rechtsextremis- an. ten und die muslimischen Antisemiten sind.

8 Die beschämenden Übergriffe Unser gemeinsames Ziel muss machen deutlich, wie wichtig es auch weiterhin sein, die auch in Gegenwart und Zu- Mechanismen der Intoleranz kunft die Arbeit der mehr als zu durchbrechen und nach 80 Gesellschaften für Christlich- Wegen der Toleranz zu suchen, Jüdische Zusammenarbeit ist. um Grundlagen für ein mensch- liches Mit- und Füreinander Bundespräsident Horst Köhler zu schaffen. hat in seinem Grußwort zur Eröffnung der zentralen Eröff- So verbinde ich mit meinen nungsfeier der Woche der Glückwünschen für das 25- Brüderlichkeit In Hamburg da- jährige Bestehen der Gesell- rauf hingewiesen, „dass die schaft für Christlich-Jüdische größten Feinde der Erinnerung Zusammenarbeit im Main- die Verdrängung und die Lüge Taunus-Kreis die Hoffnung, sind. Wir dürfen nicht zulassen, von ihr mögen auch in Zu- dass Holocaust-Leugner und kunft wichtige und weiter- Extremisten aller Art in unse- führende Impulse ausgehen, rem Land Beifall oder auch nur die das wechselseitige Ver- Verständnis finden. Wer gegen ständnis befördern helfen und Juden und andere Minderhei- damit einen wichtigen ökume- ten hetzt, wer Anderen die nischen Beitrag leisten. Menschenwürde abspricht, hat nichts aus der Geschichte ge- lernt. Treten wir solchen Leu- Rudolf W. Sirsch ten entschieden entgegen!“ Generalsekretär des Deutschen Koordinierungsrates (DKR) Wir haben unsere Stimme zu erheben, ob es um die Pius- bruderschaft oder die Karfrei- tagsliturgie, Judenmission oder Antisemitismus, Antizionismus und Rechtsradikalismus in Deutschland und anderswo geht.

9 Vom amerikanischen Schrift- Die Geschichte lässt sich nicht steller und Friedensnobelpreis- nachträglich „zurückdrehen“, träger Elie Wiesel – ein Über- denn Wegsehen oder Gleich- lebender des Holocausts – ist gültigkeit prägte auch die das Zitat überliefert: „Der Ge- Mehrheit der Bevölkerung, gensatz von Liebe ist nicht als am 09. November 1938 Hass, der Gegensatz von Hoff- die Pogromnacht mit gelenk- nung nicht Verzweiflung, der ten Gewaltmaßnahmen gegen Gegensatz von Erinnern nicht Juden stattfand und den Vergessen, sondern der Gegen- Übergang von der Diskrimi- satz ist jedes Mal die Gleich- nierung zur systematischen gültigkeit.“ Verfolgung einleitete.

Dieses Zitat zeigt sehr deut- Sicher ist es schwer, heute – lich auf, dass sowohl die Ver- vor allem als Vertreter einer gangenheit als auch oft die jüngeren Generation – über Gegenwart an der Gleichgül- die Zeit damals zu urteilen. tigkeit gegenüber anderen ge- Wir dürfen aber auch nicht um litten hat oder immer wieder „des lieben Friedens willen“ leidet. vermeiden, eine klare Position gegen Antisemitismus und Die Geschichte der deutschen Rassismus zu beziehen. Genau „Gesellschaften für Christlich- eine solche „Nicht-Haltung“ Jüdische Zusammenarbeit" ist mündete damals in Gewalt eng mit der Situation unmit- und Zerstörung. telbar nach Kriegsende und der Entstehung der Bundes- Der „liebe Frieden“ ist auch republik verknüpft, als am heute oft weit entfernt davon, 9. Juli 1948 in München die friedlich zu sein und überdeckt erste „Gesellschaft für Christ- oft genug die Verzweiflung lich-Jüdische Zusammenarbeit“ und die Not, die nach außen entstand. dann nicht so groß erscheint.

10 Dabei sind es oft nicht die Als eine von deutschlandweit großen Dinge, die großen 83 und hessenweit 15 Gesell- Taten, die von uns abverlangt schaften für Christlich-Jüdische werden. Manchmal ist es nur Zusammenarbeit sollten wir das Zuhören, das Verstehen gemeinsam auch gegen welt- wollen, das Lernen wollen, anschaulichen Fanatismus, reli- damit wir Menschen als Men- giöse Intoleranz, Rassendiskri- schen akzeptieren – und sie minierung, soziale Unter- nicht nur als ethnische Grup- drückung, politische Unduld- pen, Andersgläubige und An- samkeit und nationale Über- gehörige von Minderheiten heblichkeit unser Wort in die betrachten. Waagschale legen.

Deshalb sollten wir ein Zeichen In diesem Sinne möchte ich geben, aufeinander zuzuge- zum Jubiläum „25 Jahre Ge- hen, ein Zeichen dafür, dass sellschaft für Christlich-Jüdische es uns nicht gleichgültig ist, Zusammenarbeit im Main-Tau- was jetzt passiert, ein Zeichen nus-Kreis“ die herzlichsten setzen, aus der Geschichte Glückwünsche übersenden und gelernt zu haben, denn wenn mich für die konstruktive Zu- wir gegen Ungerechtigkeiten sammenarbeit mit der Kreis- auf allen Seiten weiter mit stadt bedanken. Gleichgültigkeit reagieren, dann kann – und wird – sich Geschichte wiederholen. Gisela Stang Bürgermeisterin von Hofheim am Taunus

11 Unsere Gesellschaft wird Das gelingt dann, wenn man immer mehr geprägt durch nicht übereinander, sondern Individualismus, mangelnde miteinander spricht. Das war Toleranz und Egoismus. und ist das Ziel der CJZ im Jeder beharrt auf seinem Main-Taunus-Kreis, die sich in Recht – gegebenenfalls mit großartiger und vielfältiger gerichtlicher Hilfe, Differenzen Weise darum kümmert, das in der Ehe führen immer häu- Verbindende im Glauben zwi- figer zu Scheidungen, Rück- schen Christentum und Juden- sicht und Respekt werden zu tum darzustellen und das Fremdwörtern. Trennende zu erläutern.

Dabei brauchen wir zum Zu- Für diese immerwährende sammenhalt unserer Gesell- Aufgabe wünsche ich weiter- schaft die Achtung und den hin Kraft und Ausdauer, vor Respekt voreinander, das Ver- allem Gottes Segen. ständnis für den Andersden- kenden, den Andersgläubigen. Mit allen guten Wünschen

Wolfgang Männer Kreistagsvorsitzender

12 Abel steh auf wie solltees muß ich neu nicht gespielt dein werden Hüter sein Abel steh auf Abel steh auf täglichwie mußTäglich soll es muß die neuneu gespieltsteh gespielt werdenAntwort auf werden von Hilde Domin täglich muß es neu gespielt werden damit wirtäglich muß es die Antwort vor noch voruns uns sein haben diesetäglich mußeinzig diedie Antwort Antwortwichtige muß ja sein könnennoch vorAntwort uns sein wenn du nicht aufstehst Abel die Antwortdies Ja wiemuß ichsoll die Antwort jabin sein hier können sich jediese einzig verändern wichtige Antwort sich je verändern wenn duwir nicht können alle Kirchenaufstehst schließen Abel und alle Gesetzbücherich abschaffen wir könnenwie alle sollin allen SprachendieKirchen derAntwort Erde schließen deinwenn duBruder nur aufstehst diese einzigund eswichtige rückgängig machst Antwort und alle Gesetzbücherdie erste falsche Antwort abschaffen Damit dieauf die Kinder einzige Frage Abels sich jeauf die verändern es ankommt steh auf in allensich nicht Sprachen damitmehr Kain sagt fürchten der Erde wir können alledamit er esKirchen sagen kann schließen Ich bin dein Hüter wennundweil alle K Gesetzbücheraindu nichtnurBruder aufstehstK ainabschaffen wird wie sollte ich nicht dein Hüter sein in allen SprachenTäglich steh auf der Erde Ich schreibedamit wir es vor uns haben dies und es rückgängigdies Ja ich bin hier machst wenn du nurich aufstehst ich ein deinKind Bruder Abels die erste falscheDamit die Kinder Abels Antwort und es rückgängigsich nicht mehr fürchten machst und fürchteweil Kain nicht mich Kain wird täglich aufdie die erste einzige falscheIch schreibe dies Antwort Frage ich ein Kind Abels vor derund fürchte Antwort mich täglich auf die voreinzige der Antwort Frage auf diedie Luft ines meiner Lungeankommt wird weniger die Luft in meinerauf diewie ich aufes dieL Antwortungeankommt warte wird weniger stehAbel steh auf auf wie ich aufsteh damitdie es anders Antwortauf anfängt warte damitzwischen K ainuns allen sagt damitDie FeuerKain die brennen sagt damitdas er Feuer esdas brennt sagen auf der Erde kann damit Abelersoll esdas Feuersteh vonsagen Abel seinauf kann Ich Undbin am Schwanz dein der Raketen Hüter damitIch bin essollen anders Bruderdiedein Feuer von Abel sein Hüteranfängt wie solltezwischen ich nicht uns dein allen Hüter sein TäglichBruder steh auf 25 Jahre Christlich-Jüdi- lang geübten Judenfeindschaft Angeregt durch die CJZ Hoch- sche Zusammenarbeit in den christlichen Kirchen taunus e.V., die schon am im Main-Taunus-Kreis durch die Gründung einer Ge- 10.11.1979 gegründet wurde 1988-2013 – ein kurzer sellschaft für christlich-jüdische und die sich zuvor auch für den Überblick Zusammenarbeit die Vision Main-Taunus-Kreis zuständig eines neuen Miteinanders fühlte, wurde am 2. März entgegen zu setzen“. 1988 in Hofheim im Rahmen Unterstützt wurden sie durch der „Woche der Brüderlichkeit“ Persönlichkeiten der amerika- die CJZ Main-Taunus-Kreis von nischen Besatzungsmacht im 30 Personen gegründet. Den Rahmen ihres Erziehungspro- Gründungsvorstand bildeten: gramms der Deutschen zur Demokratie, durch die bereits Pfarrer Rudolf Heine (ev.), entstandenen Nationalen Marion Wania (jüd.), Räte für Christlich-Jüdische Wolfgang Zink (jüd.), Zusammenarbeit in den USA, Hans Rachelmann (ev.), in Großbritannien, Frankreich Karl-Egon Keppeler (kath.), und der Schweiz und durch in Pfarrer Herbert Wolf (ev.) und der Nazizeit verfolgte Christen Ursula Scheinberger (kath.). und Christinnen, wie etwa Hilfestellung erhielt die CJZ Prälat Maas, Probst Grüber, durch den damaligen Landrat Frau Dr. Luckner und Prof. Dr. Dr. Bernward Löwenberg. Böhm. Günter Pabst Im Verlauf der nächsten Jahre Heute sind es über 80 Gesell- arbeiteten ferner im Vorstand Wie alles anfing… schaften in der Bundesrepublik, mit: die im Deutschen Koordinie- Die CJZ im Main-Taunus-Kreis rungsrat (DKR) zusammenge- Otmar Vorländer (Hofheim), ist gegenüber vielen anderen schlossen sind und sich „für die Susana Badian (Bad Soden), Gesellschaften noch eine „jun- Verständigung zwischen Chri- Rudolf Heine, Wolfgang Zink ge“ Organisation. Schon 1948 sten und Juden, den Kampf (Frankfurt), suchten engagierte Männer und gegen Antisemitismus und Miriam Zink (Frankfurt), Frauen die Zusammenarbeit, Rechtsradikalismus, sowie für Sybille Holland-Merten um dem „menschenverachten- ein friedliches Zusammenleben (Kelkheim), den Ungeist des Nationalsozi- der Völker und Religionen Carsten Wanke (Kelkheim), alismus und einer Jahrhunderte einsetzen“. Dr. Margret Leven (Kelkheim),

14 Hans Pirner (Kelkheim), Offene Hofheimer Liste), tere 175 Freundinnen, Freunde Margarete Lauck (Flörsheim), Klaus Hipper (DGB), und Interessierte den vier-fünf- Erich Rohan (Kriftel), Pfarrer Rolf Kaifer mal erscheinenden Informa- Joachim Janz (Hofheim), (Katholischer Bezirksdekan), tionsrundbrief, um über die Ingeborg Gerner-Eusterholz Pfarrer Klaus Spory (Dekan im Arbeit der CJZ informiert zu (Bad Soden), Evangelischen Dekanat Kronberg), werden und um das vielseitige Christoph Diringer Mathäus Lauck (CDU), Veranstaltungsangebot wahr- (Bad Homburg), Dr. Volker Klepp (FDP), nehmen zu können. und als kooptiertes Mitglied Horst Winterstein (SPD). Mathias Wolf (Eppstein). Immer wiederkehrende Veran- Aktivitäten staltungen sind die „Woche Unterstützung bei der Erledi- der Brüderlichkeit“ und das gung der geschäftsführenden Eine erste Herausforderung Gedenken an die Pogromnacht Aufgaben erhielt der Vorstand war für die CJZ die Beteiligung am 9. November in Hofheim. durch Helga Lades (Kelkheim) am „Hessentag 1988“ in Hof- Seminarfahrten zu heutigen und danach von Martina von heim und die Gedenkfeier zum und damaligen Stätten des zur Mühlen (Hattersheim). 50. Jahrestag der Pogromnacht jüdischen Lebens und regel- Ferner wurde dann zwei Jahre im November 1938. Die da- mäßige Studienfahrten nach nach der Gründung das in der maligen Chronisten vermerkten, Israel und Palästina. Satzung vorgeschriebene Ku- dass das erste Vereinsjahr mit Lesungen, Vorträge, Konzerte, ratorium gebildet. Seine Mit- einer fröhlichen Chanukka- Kulturabende, Ausstellungen glieder sollen die Arbeit der Feier endete. sowie Film- und Diavorträge Gesellschaft fördern und ihre Der CJZ gelang es, die Mit- dienen der Erfüllung des Ver- Zielsetzungen als eine gesamt- gliederzahlen stetig zu steigern einszweckes. Die CJZ Main- gesellschaftliche Aufgabe in und auch Kommunen des Taunus-Kreis setzt sich, wie den von ihnen repräsentierten Main-Taunus-Kreises und alle anderen Gesellschaften für Ämtern und Institutionen evangelische und katholische Christlich-Jüdische Zusammen- vertreten. Kirchengemeinden zur Mit- arbeit, ein für „die Verständi- gliedschaft zu bewegen. gung und Zusammenarbeit Dem ersten Kuratorium gehör- zwischen Christen und Juden, ten an: Heute hat die CJZ die Selbstbesinnung in den 132 Einzelmitglieder und christlichen Kirchen hinsichtlich Salomon Augapfel 26 Gruppenmitgliedschaften der in ihnen theologisch be- (Landesverband Jüdischer Ge- (7 Kommunen, der Landkreis gründeten und geschichtlich meinden in Hessen), und 18 Kirchengemeinden). verbreiteten Judenverachtung Brigitte Friedrich (Die Grünen / Darüber hinaus erhalten wei- und Judenfeindschaft, die Ent-

15 faltung freien, ungehinderten lauf der 25jährigen Geschichte von 20 Organisationen des jüdischen Lebens in Deutsch- abdecken, aufgeführt werden: Main-Taunus-Kreises zu den land und die Achtung der Themen Eigenständigkeit ethnischer „Fremdenfeindlichkeit, Rechts- Minderheiten sowie die Soli- 1989 radikalismus und Gewaltbereit- darität mit dem Staat Israel schaft militanter Jugendlicher“ als jüdischer Heimstätte.“ Vortrag von Prof. Dr. Uri Zilber- in Hattersheim. scheid, Bersheva zum Thema Die CJZ Main-Taunus-Kreis „Die politische Lage in Israel „wendet sich entschieden und im Nahen Osten“, sowie 1992 gegen alle Formen der Juden- eine Israelreise mit Besichti- feindschaft, religiösen Anti- gungen jüdischer, arabischer Woche der Brüderlichkeit mit judaismus, rassistischen und und christlicher Einrichtungen. Vorträgen, Gottesdienst, The- politischen Antisemitismus ater und Musik in vier Städten sowie Antizionismus, Rechts- des Main-Taunus-Kreises (Hof- extremismus und seine Men- 1990 heim, Bad Soden-Neuenhain, schenverachtung, die Diskri- Flörsheim und Hofheim-Marx- minierung von Einzelnen und „Lieder des Judentums und heim). Gruppen aus religiösen, welt- Israels“ mit Dany Bober anläss- anschaulichen, politischen, lich des Kreistadtsommerfesti- sozialen und ethnischen vals in Kooperation mit der 1993 Gründen“. Stadt Hofheim sowie eine Ta- Jährlich werden etwa 30 bis gesseminarfahrt nach Friedberg, Ausstellung „Kinderzeichnun- 40 und mehr Veranstaltungen Bad Nauheim, Griedel und gen aus dem Ghetto Theresi- unterschiedlichster Art orga- Münzenberg zum Thema enstadt“ in Zusammenarbeit nisiert. „Koscher leben am Beispiel mit dem Kunstverein Hofheim. Vorstandsvertreterinnen und der Wetterauer Juden“. Im Begleitprogramm zur Aus- -vertreter nehmen darüber stellung gab es einen Konzert- hinaus an vielfältigen Treffen abend mit Irith Gabriely und und Veranstaltungen anderer 1991 Peter Przystaniak „Jiddische Organisationen teil. Volksmusik“. Daniel Kempin Vortrag von Pfarrer Rudolf gestaltete den Chanukka- Stellvertretend sollen hier eini- Heine zum Thema “Schwierig- Abend in Hofheim-Marxheim. ge besondere Veranstaltungen, keiten des christlich-jüdischen die das gesamte Spektrum der Dialogs“ in Sulzbach und die Veranstaltungsformen im Ver- Vorbereitung eines Treffens

16 1994 geführt. Gestritten wurde da- 1997 rüber, ob darin eine Verbun- Vortrag von Ignaz Bubis, Frank- denheit oder eine Vereinnah- Vortrag von Dr. Christoph furt zum Thema „Deutscher mung zu sehen sei? Münz, Driedorf, zum Thema Jude – Jude in Deutschland“ Zwei Vorstandsmitglieder tra- „Über die Geburt des Anti- im Rahmen der „Woche der ten von ihren Ämtern zurück. semitismus im Christentum Brüderlichkeit“. Eine Koope- Abgeschlossen wurde die Kon- und seine Überwindung aus rationsveranstaltung mit dem troverse durch einen Vortrag christlichem Geist“ und ein Main-Taunus-Kreis sowie ein in Bad Soden-Neuenhain von Vortrag von Dr. Leo Kauffeldt, Vortrag von Dr. Susanna Keval, Landesrabbiner Dr. Henry G. Kelkheim zum Thema „Die Ju- Frankfurt zum Thema „Juden- Brandt, Dortmund, zum Thema den gibt es nicht! Unterschied- tum und Feminismus“ in „Von der Problematik christli- liche Denkrichtungen jüdischer Kooperation mit dem Verein chen Feierns jüdischer Feste“. Tradition“. „Frauen helfen Frauen“ und Er gab Orientierung, in wel- Das Projekt „Jiddische Lieder“ der Stadt Hofheim. chem Rahmen solche Feiern – Workshop und Konzert un- Bei den zahlreichen Veranstal- legitim sind und auch von ter der Leitung von Manfred tungen zum Gedenken an den jüdischer Seite befürwortet Lemm richtete sich an Jugend- 20. Juli 1944 sprach u.a. auch werden. liche und wurde in Koopera- Arno Lustiger, Frankfurt über tion mit der Kulturkreis GmbH den „Jüdischen Widerstand“. Schwalbach und der Landes- 1996 zentrale für politische Bildung in Hessen an der Albert-Ein- 1995 Vortrag von Erich Rohan zum stein-Schule Schwalbach or- Thema „Der biblische Ursprung ganisiert. Vortrag in Kriftel im Rahmen jüdischer Feste“ in Koopera- der Woche der Brüderlichkeit tion mit den evangelischen von Rabbiner Michael Gold- Kirchengemeinden von Flörs- 1998 berge, Düsseldorf, zum Thema heim, Weilbach, Wicker und „Befreiung und Freiheit aus der katholischen Gemeinde Vortrag in Schwalbach von biblischer Sicht“, sowie eine Flörsheim, Zweitägige Fahrt Prof. Dr. Micha Brumlik „Ju- Teilnahme am Simchat-Torah- zur Gedenkstätte Buchenwald. den in Deutschland“. Abendgottesdienst der Jüdi- In Hofheim wurde eine Cha- Festveranstaltung zum zehn- schen Gemeinde Wiesbaden. nukka-Feier von Petra Kunik, jährigen Jubiläum in Hofheim Intern wurde eine sehr kontro- Frankfurt gestaltet. mit einem Vortrag von Prof. verse Debatte um jüdische Dr. Martin Stöhr, Bad Vilbel Feste in christlichen Kirchen „Altes und Neues in der Begeg-

17 nung von Juden und Christen“. 2000 lach – Jiddische Lieder und Mit einem Fest in der Ev. Limes- Geschichten in Kooperation gemeinde Schwalbach wurde Gedenken an die Pogromnacht mit der Stadt Flörsheim. der 50. Gründungstag des 1938 an der ehemaligen Syna- Staates Israel gefeiert. Der Vor- goge in Hofheim mit einer trag von Dr. Kornelia Siedla- Ansprache des Landrates 2002 czek, Frankfurt, beschäftigte Berthold R. Gall und anschlies- sich mit dem Thema „Die Ju- sendem Theaterstück über Vortrags- und Gesprächsabend den und die katholische Kirche Leben und Werk der deutsch- mit Dr. Jair Bäuml in Schwal- – eine verhängnisvolle Ge- jüdischen Dichterin Gertrud bach zum Thema „Die Hoff- schichte? – Bestandsaufnahme Kolmar (Lilli Schwethelm, nung nicht verlieren – Jüdische und Auseinandersetzung mit theater mimikri Büdingen). und arabische Israelis auf der dem Vatikan-Dokument“. Fahrt durch den Main-Taunus- Suche nach einem gemeinsa- Eine Kooperationsveranstaltung Kreis auf Spuren des ehemali- men Weg“. Gottesdienstliche mit der Kath. Pfarrgemeinde gen jüdischen Lebens. Feier am Gründonnerstag mit St. Katharina, Bad Soden. Vortrag in Schwalbach im Rah- Seder-Elementen in der Ev. Li- men der Vortragsreihe „Bedeu- mesgemeinde Schwalbach. tende jüdische Gelehrte in Vortrag von Erich Rohan 1999 Frankfurt am Main“ von Prof. „Der Talmud – kein Buch mit Dr. Ludwig v. Friedeburg, sieben Siegeln“ in Kelkheim. Vortrag von Prof. Dr. Berndt Frankfurt „Max Horkheimer, Seit dem Jahr 2000 Mitarbeit Schaller, Göttingen zum The- Theodor W. Adorno und das beim Arbeitskreis „Kindheit ma „Das Verhältnis von Chri- Institut für Sozialforschung“. und Jugend im Nationalsozia- sten und Juden im Licht des lismus“ (hier arbeitet die CJZ Paulus-Wortes Römer 11,18“ mit der Stadt Schwalbach, in Hofheim. 2001 dem Sozial- und Jugendamt, Tagesseminarfahrt nach Köln der Stadtbücherei, dem Stadt- zum Besuch der Ausstellung Ausstellung „Stationen des archivar, der Leseförderung, den „Qumran – Die Schriftrollen Antijudaismus – Vom Kirchen- Kirchen, den Schulen und der vom Toten Meer“. Gesprächs- vater Cyprian bis Adolf Hitler“ Kulturkreis GmbH zusammen). abend mit Erich Rohan über in der Ev. Limesgemeinde Höhepunkt in diesem Jahr „Das Leid und Schicksal der Schwalbach mit einem Vortrag war die Aufführung der Oper Kinder im Holocaust“ in Ko- von Prof. Dr. Winfried Frey, „Brundibar“. Ehrengast war operation mit der Ev. Limes- Kriftel. Trude Simonsohn, Frankfurt.. gemeinde Schwalbach. Konzert der Klezmergruppe JONTEF „Klejne Mentsche-

18 2003 2005 2006

Studienfahrt nach Theresien- Studienreise nach Israel. Joachim Janz spricht im Flörs- stadt und Prag. Mittwochsgespräche in der heimer Kunstforum über „Ge- Tagesfahrt nach Kiedrich Ev. Johanneskirche Hofheim, schichte vor Ort: Spuren jüdi- „Auf den Spuren von Gerson u.a. über „Myriam-Maria – schen Lebens“ und Dr. Yair Stern, Kaufmann, Schriftsteller Eine Frau mit vielen Gesichtern“ Bäuml, Universität Haifa in der und Bürger von 1920 bis 1937 und Ev. Limesgemeinde Schwalbach in Kiedrich. „Grundlagen des Judentums über „Zionismus und Israel im Veranstaltungsreihe in Koope- – Eine Dialog-Bibelarbeit“ mit Jahre 2006 – zwischen Risiko ration mit der Stadt Hofheim, Prof. Ruth Lapide und Pfarrer und Hoffnung“. der Katholischen Erwachsenen- Andreas Heidrich, Ev. Kirche Im Anschluss an das „Öffent- bildung, dem Fritz-Bauer-In- Bad Soden. liche Gedenken zum 9. No- stitut und der Jugendbegeg- „Seines letzten Jidden letztes vember“ vor der ehemaligen nungsstätte Anne Frank zum Lied“ – Musikalische Lesung Synagoge in Hofheim gibt es Thema „40 Jahre Auschwitz der Texte von Jizchak Katzen- einen „Musikalisch-literarischen Prozesse“. elson in Zusammenarbeit mit Abend zum 9. November mit dem Arbeitskreis „Kindheit der Roman Kuperschmidt-Band“ und Jugend im Nationalsozia- im Stadtmuseum Hofheim. 2004 lismus. Zeitzeugengespräche in ver- Vortrag von Prof. Dr. Winfried schiedenen Schulen des Main- Mittwochsgespräch in der Ev. Frey zum Thema „Passions- Taunus-Kreises mit Erich Rohan. Johannesgemeinde Hofheim spiele, Passionsaltäre und Kooperation mit dem Jüdischen „Purim – Ein jüdisches Fest Judenhass im späten Mittel- Museum Frankfurt und ande- kurz nach Fasching“. alter“ in Kriftel. ren Organisationen bei den Fortsetzung der Veranstaltungs- Rahmenveranstaltungen zur reihe „40 Jahre Auschwitz Nach intensiver Recherchearbeit Ausstellung „Klezmerwelten“. Prozesse“. und mit finanzieller Unterstüt- Die CJZ organisierte mit der Öffentliche Führung auf dem zung von Sponsoren konnte Kulturkreis GmbH Schwalbach jüdischen Friedhof in Bad So- das Faltblatt „Spuren jüdischen im Stadtmuseum das Gesprächs- den (Dr. Dietmut Thilenius). Lebens im Main-Taunus-Kreis“ konzert „A Tickle in the Heart“. Vortrag von Landesrabbiner fertiggestellt werden. Das Dr. Henry Brandt in der Stadt- Informationsblatt stieß auf halle Hofheim zum Thema sehr großes Interesse. „Dabru-Emet – Redet Wahrheit“.

19 2007 Philosoph und Wissenschaftler“. Ökumene. Lesung mit Helga Zeitzeugengespräch mit Yaakov Flatauer in der Stadtbücherei Vortrag von Prof. Dr. theol. Hu- und Zippora Zur im Stadtmu- Schwalbach. Konzert der bert Frankemölle zum Thema seum Hofheim. „Klezmer Techter“ in Zusam- „Unbequeme Wahrheiten im Vortrag in der Thomasgemein- menarbeit mit dem Mehrgene- christlich-jüdischen Dialog“. de Hofheim-Marxheim von rationenhaus Eschborn. Dialog-Bibelarbeit mit Prof. Pfarrer Rudolf Heine „Jüdisches Ruth Lapide und Pfarrer Andre- Leben ohne Antisemitismus – as Heidrich in der Ev. Gemein- Zur Geschichte des Judentums 2010 de Bad Soden. „24-Stunden- in Indien“. Lesenacht zum Gedenken der In Kooperation mit dem Ar- Opfer des Nationalsozialismus“ beitskreis Städtepartnerschaft in Kooperation mit der Ev. Li- Olkusz-Schwalbach und dem mesgemeinde und dem Arbeits- Arbeitskreis Kindheit und Ju- kreis Kindheit und Jugend im gend im Nationalsozialismus Nationalsozialismus Schwal- wird in Schwalbach der Film bach. Vortrag von Bernd Vor- von Andrzej Wajda „Korczak“ laeufer-Germer „Spuren der gezeigt. Vergangenheit: Vernichtung durch Arbeit“ Konzentrationslager im Taunus 2009 in Kooperation mit dem Bil- Teilnahme an der Verleihung dungswerk Main-Taunus der Rabbiner Andrew Steiman des „Ignatz-Bubis-Preises für Kath. Erwachsenenbildung. spricht in der Stadthalle Hof- Verständigung“ an die Zeitzeu- heim über „60 Jahre christlich- gin Trude Simonsohn in der jüdischer Dialog – Rückblick Paulskirche. 2008 und Ausblick“. Vortrag und Im Rahmen der „Woche der Diskussion mit Prof. Dr. Gert Brüderlichkeit“ gestalten Doro- Festvortrag von Dr. Christine Krell und Andreas Zumach thee Reingardt und Georg Hohmann-Dennhardt aus An- „Israel – Palästina: ist Frieden Metz Vortrag und Konzert lass des 20jährigen Bestehens noch möglich?“ Eine Veran- „Biblische Frauengestalten im der CJZ im Main-Taunus-Kreis staltung in der Ev. Johannesge- Spiegel großer Komponisten in der Stadthalle Hofheim. meinde Hofheim in Zusammen- und Dichter“ in der Stadthalle Vortrag in der VHS Hofheim arbeit mit der Stadt Hofheim, Hofheim. „Erinnern und begeg- von Dr. Thomas Hammer der Friedensinitiative Main- nen“ Reise nach Auschwitz „Ernst Cassirer – ein großer Taunus und dem Zentrum mit Jugendlichen und Erwach-

20 senen in Kooperation mit dem „Gesichter und Biographien hias Hofmann spricht in der Jugendbildungswerk der Stadt hinter den Wallauer Stolper- Ev. Limesgemeinde über den Schwalbach. steinen – Eine Reise zurück in „Aufbruch in der arabischen Vortrag im Kath. Gemeinde- dunkle Zeiten“ organisiert. Welt“. haus Kriftel von Prof. Dr. Win- Prof. Ruth Lapide und Pfarrer Rabbiner Andrew Steiman fried Frey „Die Juden und das Andreas Heidrich gestalten führt in den Schabbat-Gottes- Geld – Zur Geschichte eines im Ev. Gemeindehaus Bad dienst bei der Henry-Budge- Vorurteils“. Soden das christlich-jüdische Stiftung ein. Konzert mit dem Chanukka-Feier im Kath. Ge- Bibelgespräch „Auf den Spu- Duo Dasch/Raue „Ess ist ge- meindehaus Kriftel. ren des verlorenen Sohnes“. wen a sumertog – Das Wilna- Studienreise nach Israel in Zu- er Ghetto im Spiegel seiner sammenarbeit mit der Ev. Kir- Lieder“ in Kooperation mit chengemeinde Bad Soden. 2012 dem Stadtmuseum Hofheim.

2011

Vortrag von Prof. Dr. Gert Krell „Schatten der Vergangenheit – Nazi-Deutschland, Holocaust und der Nahost-Konflikt“ in der Ev. Thomasgemeinde Hofheim-Marxheim. Dr. Helga Krohn stellt ihr neu- es Buch „Es war richtig zu- rückzukommen – Juden nach Besuch und Führung durch 1945 in Frankfurt am Main“ die neue Synagoge in Mainz. vor, eine Kooperationsveran- Konzert „Jiddisch zu Dritt“ staltung mit der Ev. Limesge- mit Hana Frejková, Marianna meinde Schwalbach und der Borecká und Slávek Brabec Kulturkreis GmbH Schwalbach. aus Prag in Kooperation mit Mit dem Heimat- und Ge- der Kulturkreis GmbH schichtsverein Wanaloha, Wal- Schwalbach. lau und in Kooperation mit Gerda Eckhardt organisiert dem Stadtmuseum Hofheim eine Studienreise nach Israel wurde die Veranstaltung und Palästina und Dr. Matt-

21 2013 Kooperationen

Ausstellung „Stationen des Aus grundsätzlichen Erwägun- Holocaust und des Rassismus gen heraus, aber auch unter heute“ mit Vorträgen, Gesprä- dem Gesichtspunkt knapper chen, Zeitzeugengespräch und finanzieller und personeller Erzählcafe in Kooperation mit Ressourcen, sucht die CJZ die der Ev. Kirchengemeinde Bad Zusammenarbeit mit Schulen, Soden. den Kirchengemeinden, Kom- munen und Einrichtungen, die sich ebenfalls mit der Erinne- rung, der Kultur und der Spu- rensuche jüdischen Lebens im Main-Taunus-Kreis beschäftigen.

Besonders langjährige Koope- rationen bestehen u.a. mit

der Stadt Hofheim,

der Stadt Hattersheim, Lesung mit Eva Szepsi „Ein Feier zum 25jährigen Jubiläum Mädchen allein auf der Flucht“. der CJZ im Main-Taunus-Kreis der Ev. Kirchengemeinde Eine Veranstaltung des Arbeits- in der Stadthalle Hofheim mit Bad Soden, kreises Kindheit und Jugend einem Vortrag von Prof. Dr. im Nationalsozialismus in Martin Stöhr und einem Kon- der Ev. Limesgemeinde Schwalbach. zert „Klezmer meets Jewish Schwalbach, Songs“ mit Irith Gabriely, Daniel Kempin und Peter der Ev. Johannesgemeinde Prsystaniak. Hofheim,

der Ev. Talkirchengemeinde Eppstein,

der Ev. Kirchengemeinde Oberhöchstadt,

22 der Ev. Paulusgemeinde Vorstand und Im 25jährigen Jubiläumsjahr Kelkheim, Kuratorium heute gehören dem Kuratorium an: der Kath. Pfarrgemeinde Im derzeitigen Vorstand Christiane Augsburger Kriftel, arbeiten mit: (Bürgermeisterin in Schwalbach), Christoph Diringer der Kath. Erwachsenenbildung, 1. Vorsitzender Pfarrer i. R. (Kath. Bezirksbüro Hochtaunus), Willi Schelwies (ev.) – im Dekan Dr. Martin Fedler-Raupp der Kulturkreis GmbH Vorstand seit 1996 und seit (Bad Soden), Schwalbach, 2001 Vorsitzender; Prof. Dr. Winfried Frey (Kriftel), Dr. Christine Hohmann- der Main-Taunus-Schule 2. Vorsitzende Gerda Dennhardt (Kelkheim), Hofheim, Eckhardt (ev.) – seit 2002; Joachim Janz (Hofheim), Daniel Kempin-Edelmann der Albert-Einstein-Schule Beisitzerin Dr. Dietmut (Frankfurt), Schwalbach, Thilenius (ev.) – seit 2002; Jochen Kilb (Kriftel), Irene Krell (Hofheim), dem Stadtmuseum Hofheim, Beisitzer Dr. Thomas Hammer Wolfgang Männer (kath.) – seit 2004; (Vorsitzender des Kreistages der Bürgervereinigung Main-Taunus-Kreis), Hofheimer Altstadt, Schatzmeister Günter Pabst (ev.) Gisela Stang – seit 2010 (Bürgermeisterin in Hofheim), der Henry-Budge-Stiftung Otmar Vorländer (Hofheim), Frankfurt sowie als Konsultatives Renate Wolf Ehrenmitglied Erich Rohan (Bürgermeisterin in Sulzbach) und dem Schwalbacher Arbeits- (jüd.) – seit 2010, zuvor von kreis Kindheit und Jugend im 1996 bis 2009 Beisitzer. Langjährige Mitglieder waren Nationalsozialismus. bis Ende 2012 Seit 2008 wird die Arbeit von Dekan Eberhard Kühn Die CJZ Main-Taunus-Kreis ist Karin Hammer unterstützt, die (Bad Soden) und Mitglied im Deutschen Koor- u. a. für die Protokolle, die Gerhard Kern (Hofheim) dinierungsrat und der neuge- Homepage, den Veranstaltungs- gründeten Arbeitsgemeinschaft kalender, die Rundbriefe und Zusammengestellt nach Materialien des der Gesellschaften für christ- die Pressearbeit zuständig ist. DKR, der Chronik von Margarete Lauck lich-jüdische Zusammenarbeit und Sybille Holland-Merten aus dem Jahr 1998 und den Jahresberichten der CJZ in Hessen. Main-Taunus-Kreis e.V. von 1988-2012.

23 Tätigkeitsbericht 2012 3 Einzelvorträge, Fr., 17.08.12 Dia- und Filmvorträge Ev. Limesgemeinde Schwalbach 1 Veranstaltungen zur „Wo- Aufbruch in der che der Brüderlichkeit“ Alle Veranstaltungen wurden arabischen Welt? in Zusammenarbeit mit der Mit Matthias Hofmann Fr., 09.03.12 jeweils gastgebenden Ge- In Zusammenarbeit mit der Ev. Bürgerhaus Schwalbach meinde angekündigt und Limesgemeinde Schwalbach Jiddisch zu Dritt durchgeführt. Konzert mit Hana Frejková Di., 02.10.12 (Gesang), Marianna Borecká, Sa., 24.03.12 Ev. Gemeindehaus Sulzbach Milan Potocek (Klarinette) und Gemeindezentrum Das Hohe Lied der Liebe Slávek Brabec (Akkordeon) St. Marien /St. Katharina Mit Dr. Dietmut Thilenius Bad Soden Auf den Spuren der Psalmen 2 Tagungen, Seminare, – Vortrag zum Konzert Studienfahrten Mit Prof. Ruth Lapide und Pfarrer Andreas Heidrich In Zusammenarbeit mit der Ev. Kirchengemeinde Bad Soden, der Kath. Kirchengemeinde St. Marien/St. Katharina Bad Soden und der Gesellschaft der Musikfreunde

Di., 03.04.12 Mi., 07.11.12 Kath. Gemeindehaus Kriftel Ev. Kirche Oberhöchststadt Herr, wie zahlreich sind Lernen von und mit meine Bedränger (Psalm 3, 2) Rabbinerin Klapheck 26.03.-02.04.12 Wer war schuldig am Tode – Studiennachmittag Studienreise nach Israel Jesu? In Kooperation mit dem Ev. Freut euch mit und Stimmen aus Dekanat Kronberg seid fröhlich in ihr alle, die ihr zwanzig Jahrhunderten sie liebt (Jesaia 6 Vers 10) Vortrag mit Prof. Dr. Winfried Frey

24 Mi., 15.02.12 Sa., 24.03.12 Ev. Gemeindehaus Bad Soden Gemeindezentrum Von Liebe, Lust und Leid – St. Marien /St. Katharina Christl.-jüdisches Bibelge- Bad Soden spräch Auf den Spuren der Psalmen Mit Prof. Ruth Lapide und – Vortrag zum Konzert Pfarrer Andreas Heidrich Mit Prof. Ruth Lapide und In Zusammenarbeit mit der Ev. Pfarrer Andreas Heidrich Kirchengemeinde Bad Soden In Zusammenarbeit mit der ev. Kirchengemeinde Bad Soden, der Kath. Kirchengemeinde Fr., 09.11.12 St. Marien/St. Katharina Bad Ehemalige Synagoge in Soden und der Gesellschaft Hofheim „Türmchen“ der Musikfreunde Öffentliches Gedenken des 9. November 1938 Do., 05.04.12 mit veranstaltet von der Stadt Ev. Limesgemeinde Schwalbach Hofheim, der Bürgervereini- Gründonnerstagsfeier gung Hofheimer Altstadt, dem mit Pfarrer Willi Schelwies Rat der christlichen Gemeinden, In Zusammenarbeit mit der Ev. Schülerinnen und Schülern Limesgemeinde Schwalbach der Main-Taunus-Schule So., 19.02.12 Synagoge Mainz Fr., 11.05.12 Besuch und Führung Budge-Stiftung Frankfurt 4 Kulturelle Veranstal- Einführung in den tungen/Gottesdienste Schabbat-Gottesdienst mit Besuch des Gottesdienstes So., 29.01.12 Mit Rabbiner Andrew Steiman Stadtbücherei Schwalbach Eine jüdische Zeitreise – Mi., 23.05.12 Konzert mit Dany Bober Stadtmuseum Hofheim in Zusammenarbeit mit dem Joseph und seine Brüder AK Kindheit und Jugend im Vortrag und Lieder Nationalsozialismus Mit Elijah Avital

25 So., 12.08.12 Di., 06.11.12 5 Interne Veranstaltungen Ev. Kirche Bad Soden Westendsynagoge Frankfurt Nicht du trägst die Wurzel, Besuch und Führung Do., 01.03.12 sondern die Wurzel trägt Mitgliederversammlung dich“ (Römer 9,18) - Fr., 09.11.12 in Kriftel Gottesdienst mit christlich- Stadtmuseum Hofheim jüdischer Dialogpredigt Ess is gewen a sumertog – Do., 15.11.12 Mit Prof. R. Lapide Das Wilnaer Ghetto im eine Sitzung des und Pfarrer A. Heidrich Spiegel seiner Lieder Kuratoriums in Kriftel In Zusammenarbeit mit der Ev. mit dem Duo Dasch/Raue Kirchengemeinde Bad Soden In Kooperation mit dem Stadtmuseum Hofheim 6 Jugendarbeit/Arbeit So., 09.09.12 mit jungen Erwachsenen Führung über den jüdischen Friedhof in Bad Soden zum Fr., 09.11.12: Tag des Offenen Denkmals In Hofheim waren an der Mit Dr. Dietmut Thilenius öffentlichen Gedenkveran- staltung am 9. November Schülerinnen und Schüler des Musikleistungskurses der Main-Taunus-Schule, Hofheim, mit musikalischen Beiträgen beteiligt.

So., 16.12.12 Ev. Gemeindehaus Bad Soden 7 Sonstige Aktivitäten Chanukka-Feier der eigenen Gesellschaft Mit Rabbiner Andrew Steiman und Roman Kuperschmidt Mitarbeit im ev. Arbeitskreis Di., 09.10.12 In Zusammenarbeit mit der Ev. für das christlich-jüdische Ev. Limesgemeinde Schwalbach Kirchengemeinde Bad Soden Gespräch Hessen-Nassau Lesung mit Michel Bergmann aus seinem neuen Roman Mitarbeit im Arbeitskreis „Machloikes“ KIRCHE UND SYNAGOGE In Zusammenarbeit mit der Ev. des Bistums Limburg Limesgemeinde und der Kulturkreis GmbH, Schwalbach

26 8 Teilnahme an DKR und 9 Öffentlichkeitsarbeit Ankündigung und Bericht- anderen Veranstaltungen erstattung unserer Veran- Grüße zu Rosch Haschana staltungen in regionalen Zei- Teilnahme an der Studienta- an alle jüdischen Mitglieder. tungen, örtlichen und kirchli- gung und Mitgliederver- chen Mitteilungsblättern und sammlung des DKR in Bonn. Versand von 5 Rundschreiben den Programmheften der KEB Bildungswerk Main-Taunus an Mitglieder und Freunde, bzw. der Evangelischen Fami- lien- und Erwachsenenbildung Städte und Gemeinden und die im Dekanat Kronberg. ev. und kath. Kirchengemein- den des Main-Taunus-Kreises, Bücherecke - eine die Mitglieder des Kuratoriums, nachahmenswerte Initiative die Hessischen Gesellschaften für CJZ, In der Stadtbücherei Schwal- bach, Marktplatz 15, gibt es den Deutschen Koordinierungs- ein Regal mit Büchern zum Teilnahme am Treffen der rat CJZ (DKR), Judentum, zum jüdisch-christ- hessischen Gesellschaften in lichen Gespräch, zum Thema Frankfurt. das Hessische Holocaust und ähnlichen Inhal- Kultusministerium ten, wie sie die CJZ Main-Tau- Teilnahme an allen Veranstal- nus-Kreis vertritt. Diese Bücher tungen und Sitzungen der und an die Presse. können kostenlos zu den Projektreihe Öffnungszeiten der Bücherei „Kindheit und Jugend im Plakataushang mit Ankün- und nach dem kostenlosen Nationalsozialismus“ digung unserer Veranstal- Erwerb einer Lesekarte aus- der Stadt Schwalbach a.Ts.. tungen in den ev. und kath. geliehen werden. Kirchengemeinden des Krei- Teilnahme am Verlegen von ses, je nach Anlass auch in Stolpersteinen in Kriftel. Rathäusern, Schulen, Biblio- theken und Buchhandlungen.

27 Neue Impulse Erst die Besinnung auf die für den Dialog Wurzeln im Judentum lassen nach Schuld und Verdrängung Willi Schelwies eine neue christliche Identität entstehen. Diese Erkenntnis Der Dialog zwischen Juden ist für mich nicht leicht, aber und Christen nach der Shoah notwendig, wenn mein Leben lässt uns erkennen, dass die vor Gott glaubwürdig und Geschichte des Christentums authentisch, bibelbezogen auch eine Geschichte der Ver- und verantwortlich sein soll. drängung der Mutterreligion Vor 22 Jahren im Dezember bzw. Schwesterreligion war 1991 hat die 7. Synode der und ist. Ecclesia versus Synago- Evangelischen Kirche Hessen- ge, Neuer versus Alter Bund, Nassau (EKHN) das Kirchen- Evangelium versus Gesetz, Lie- gesetz zur Änderung der Kir- besgebot versus Gesetze, Wah- chenordnung hinsichtlich des res Volk (das heißt die Kirche) Verhältnisses von Juden und versus Volk Israel, der Gott des Christen beschlossen: Andrew Steiman mit Willi Schelwies Neuen Testamentes versus der Gott des Alten Testamentes – „Aus Blindheit und Schuld zur das Alte ist durch Jesus vom Umkehr gerufen, bezeugt sie Neuen überholt und ersetzt (die Kirche) neu die bleibende worden. Selbst der Bruderrat Erwählung der Juden und der Bekennenden Kirche konn- Gottes Bund mit ihnen. Das te mit Bezug auf die Shoah Bekenntnis zu Jesus Christus noch 1948 sagen: schließt dieses Zeugnis mit ein.“

„Dass Gott nicht mit sich spotten lässt, ist die stumme Predigt des jüdischen Schick- sals, uns zur Warnung, den Juden zur Mahnung, ob sie sich nicht bekehren möchten zu dem, bei dem allein auch ihr Heil steht (nämlich Christus – der Verfasser).“

28 Ein wichtiger Schritt zur Neu- „In den vergangenen Jahren Auch in unserer Region haben besinnung in unserer Landes- hat sich ein dramatischer und wir viele positive Entwicklun- kirche war damit getan, gleich- unvorhersehbarer Wandel in den gen und Projekte erlebt, auf zeitig verbunden mit dem Auf- christlich-jüdischen Beziehungen die wir anlässlich unseres Jubi- trag, auch über die Konse- vollzogen ... läums blicken können. quenzen für die Gemeindepra- Eine wachsende Zahl kirchlicher Ich denke an die Lerntage zum xis nachzudenken. Ähnliche Gremien, unter ihnen sowohl Schabbat, an unsere Israelrei- Beschlüsse haben alle evan- römisch-katholische als auch pro- sen, an das Engagement von gelischen Landeskirchen und testantische, haben in öffentlichen Schülerinnen und Schülern in auch die römisch katholische Erklärungen ihre Reue über die Hofheim und Schwalbach, an Kirche gefasst. Misshandlung von Juden und die vertrauensvolle und kon- Insofern hat die jüdische Stel- Judentum zum Ausdruck struktive Zusammenarbeit von lungnahme in den USA zu gebracht. Juden und Nichtjuden in ge- Christen und Christentum meinsamen Projekten. unter dem Titel „Dabru Emet Diese Erklärungen haben zu- – Redet Wahrheit“ vom dem verdeutlicht, wie christliche Schon 1947 war der Interna- 10. September 2000 gute Lehre und Predigt reformiert tionale Rat der Juden und Gründe für ihre Vertrauens- werden können und müssen, Christen (ICCJ) im schweize- kundgabe zur jüdisch-christ- um den unverändert gültigen rischen Seelisberg zusammen- lichen Beziehung. Bund Gottes mit dem jüdischen gekommen, um die tiefe Hier heißt es: Volk anzuerkennen und den Trauer über die Shoah auszu- Beitrag des Judentums zur drücken. Damals entstanden Weltkultur und zum christlichen die sogenannten Seelisberger Glauben selbst zu würdigen“. Thesen.

29 Im Sommer 2009 wurden die 1. Religiöse, rassische 2. Den interreligiösen Dialog ‚Berliner Thesen’ im Sinne und alle anderen Formen mit Juden zu fördern einer Neuverpflichtung und von Antisemitismus Neuausrichtung formuliert. zu bekämpfen Indem wir Dialog als etwas Einige dieser als Aufruf formu- begreifen, das Vertrauen und lierten Thesen scheinen mir Indem wir Jesu grundlegende die Gleichberechtigung aller so wegweisend, dass ich sie in Identität als Jude seiner Zeit Teilnehmenden voraussetzt, Auszügen aufgreifen möchte. anerkennen und seine Lehren und jegliche Absicht ablehnen, (vollständiger Text siehe innerhalb des Kontexts des andere davon zu überzeugen, www.iccj.org) Judentums des ersten Jahr- den jeweils eigenen Glauben hunderts interpretieren... anzunehmen... Sie beginnen mit dem Auf- Indem wir betonen, dass die ruf an Christen und christli- neuere Forschung sowohl che Gemeinden. über die Gemeinsamkeit als 3. Ein theologisches Ver- auch über die allmähliche ständnis des Judentums Wir verpflichten uns auf die Trennung von Christentum zu entwickeln, das dessen folgenden Ziele und laden alle und Judentum entscheidend eigenständige Integrität Christen und christlichen Ge- ist für unser grundlegendes bekräftigt meinden ein, sich uns in dem Verständnis des jüdisch-christ- fortdauernden Bestreben an- lichen Verhältnisses... Indem wir alle Lehren aus- zuschließen, alle Spuren der Indem wir uns gegen christli- schließen, denen zufolge die Verachtung gegenüber Juden che Fehldeutungen biblischer Christen die Juden als ein Volk zu beseitigen und die Bande Texte über Juden und Juden- im Bundesverhältnis mit Gott mit den jüdischen Gemeinden tum wenden, die Zerrbilder abgelöst haben. weltweit zu fördern. oder Feindseligkeit hervorru- fen. .... Indem wir die gemeinsame Indem wir den ungeheuren Sendung von Juden und religiösen Reichtum der jüdi- Christen zur Vorbereitung der schen Überlieferung hervor- Welt auf das Reich Gottes heben, insbesondere durch oder das kommende Zeitalter das Studium seiner maßgeb- hervorheben.... lichen Texte. Indem wir organisierten Be- mühungen zur Bekehrung von Juden entgegentreten

30 4. Für den Frieden 5. Die Bemühungen vieler zu beten christlicher Gemeinden im späten 20. Jahrhundert an- Indem wir zu einem volleren Indem wir auf bessere Bezie- zuerkennen, ihre Einstel- Verständnis der tiefen Bindung hungen zwischen Juden, lungen gegenüber Juden des Judentums an das Land Christen und Muslimen im Na- zu reformieren Israel als einer grundlegenden hen Osten und in der übrigen religiösen Perspektive sowie Welt hinarbeiten. Indem wir durch verstärkten der Verbindung vieler jüdischer intensiven Dialog mit Christen Menschen zum Staat Israel Ein Aufruf an Juden und diese Reformen kennenlernen. als einer Frage des physischen jüdische Gemeinden wie kulturellen Überlebens Indem wir das Neue Testament gelangen... Wir verpflichten uns auf die sowohl als heiligen Text des Indem wir die Politik der isra- folgenden Ziele und laden Christentums als auch als Lite- elischen und palästinensischen alle Juden und jüdischen Ge- ratur studieren, die weitgehend Regierungs- und gesellschaft- meinden ein, sich uns in dem von Juden in einem der früh- lichen Institutionen kritisieren, fortdauernden Bemühen an- rabbinischen Literatur ähnlichen wenn eine solche Kritik mora- zuschließen, alle Spuren der historisch-kulturellen Kontext lisch berechtigt ist und zu- Feindseligkeit und Zerrbilder verfasst wurde, und so einen gleich die tiefe Bindung beider gegenüber Christen zu besei- Einblick in die Entwicklung Gemeinschaften an das Land tigen und die Bande mit den des Judentums in den frühen anerkennen. christlichen Kirchen weltweit Jahrhunderten unserer Zeit- zu fördern. rechnung bieten. Indem wir Angriffe gegen den Zionismus kritisieren, wo sie zum Ausdruck von Antisemi- tismus werden....

Indem wir die Sicherheit und den Wohlstand christlicher Gemeinden in Israel wie in Palästina fördern.

31 6. Jüdische Texte und jüdi- 8. Den Staat Israel darin zu 9. Interreligiöse und inter- sche Liturgie im Licht ermutigen, darauf hinzu kulturelle Erziehung zu dieser christlichen Refor- arbeiten, die in seinen fördern men neu zu überdenken Gründungsdokumenten formulierten Ideale zu Indem wir negative Bilder Indem wir problematische verwirklichen – eine Auf- Anderer bekämpfen und die Texte in ihren historischen gabe, die Israel mit vielen grundlegende Wahrheit lehren, Kontext hineinstellen, insbe- Völkern der Welt teilt dass jeder Mensch nach dem sondere Texte aus Zeiten, in Bilde Gottes geschaffen ist... denen Juden eine ohnmächtige, Indem wir religiösen und eth- verfolgte und gedemütigte nischen Minderheiten, ein- Indem wir zum wechselseiti- Minderheit waren... schließlich der Christen, die in- gen Studium religiöser Texte nerhalb des jüdischen Staates ermutigen, so dass Juden, 7. Zwischen fairer Kritik leben, gleiche Rechte garan- Christen, Muslime und Mit- an Israel und Antisemi- tieren. glieder anderer religiöser tismus zu unterscheiden Gruppen von- und miteinan- Indem wir eine gerechte und der lernen können... Indem wir biblische Beispiele friedvolle Lösung des israelisch- gerechter Kritik als Ausdruck palästinensischen Konflikts von Loyalität und Liebe ver- erreichen. stehen und fördern. Ein Aufruf an christliche wie Indem wir Christen helfen, zu jüdische Gemeinden und an verstehen, dass – neben reli- Andere giösem Glauben und religiö- ser Praxis – gemeinschaftliche Wir verpflichten uns auf die Identität und Verbundenheit folgenden Ziele und laden miteinander ein wesentlicher Juden, Christen und Muslime Teil jüdischen Selbstverständ- gemeinsam mit allen Men- nisses sind und somit die Ver- schen des Glaubens und guten pflichtung gegenüber dem Willens ein, einander stets zu Überleben und der Sicherheit respektieren und die Unter- des Staates Israel den meisten schiede und die Würde des Juden von großer Bedeutung jeweils Anderen zu achten. erscheinen lassen.

32 10. Interreligiöse Freundschaft 11. Den Dialog mit politischen 12. Mit all jenen Verbindung und Zusammenarbeit und wirtschaftlichen zu suchen, deren Arbeit sowie soziale Gerechtig- Institutionen zu verstärken auf die Forderungen der keit in der globalen Verantwortung für die Gesellschaft zu fördern Indem wir mit politischen und Umwelt antwortet ..... wirtschaftlichen Institutionen Indem wir uns an der Einzig- zusammenarbeiten, wo immer Indem wir die gemeinsame artigkeit jedes Menschen es möglich ist, um interreli- jüdische und christliche bibli- erfreuen und jedes Menschen giöse Verständigung zu för- sche Verpflichtung gegenüber politisches, wirtschaftliches dern. .... der Schöpfung und die Ver- und soziales Wohlergehen antwortung anerkennen, sie fördern. im öffentlichen Diskurs und Handeln zum Tragen zu brin- Indem wir Mitglieder von gen. .... Glaubenstraditionen, die in eine neue Heimat emigriert Ein umfassender Aufruf an sind, wo sie zur religiösen uns alle, die wir uns dem Minderheit geworden sind, jüdisch-christlichen Dialog als gleichberechtigte Bürger verbunden wissen. anerkennen. Seit 1947 haben viele an die- Indem wir nach gleichen Rech- sem Prozess mitgearbeitet und ten für alle Menschen streben, werden es weiter tun, so auch ungeachtet ihrer Religion, unsere Gesellschaft im Main- ihres Geschlechts oder ihrer Taunus-Kreis. Von Anfang an sexuellen Orientierung.... waren auch viele nicht kon- fessionell gebundene Mitglie- der engagiert. Wir fühlen uns gemeinsam diesem Auftrag auch in Zukunft verpflichtet.

33 Und – wie weiter? ten beschrieben, sondern diese bare Grenzen gesetzt worden auch mit den anfänglichen zu sein, die die Verständigung Gespräch mit Erich Rohan Vorstellungen und Zielen ver- erschwert haben. glichen. Es geht nicht nur um die Be- Woran denken Sie da? rechtigung der Inhalte einzel- ner Aktivitäten, sondern deren Es hat sich bei einem Teil der mögliche Eingliederung in das Theologen beider christlicher nicht immer ideale Verhältnis Religionen die Unterscheidung zwischen Christen und Juden. von Jesus als Mensch und Je- sus als auferstandenem Messi- Wie sehen Sie das as und Gottessohn eingebür- Verhältnis zwischen gert. Dem gegenüber hat die Christen und Juden? Betonung der neu formulier- ten Karfreitagsfürbitte des Es ist notwendig, die geschicht- Vatikans (für den „außeror- lichen Ursprünge der ganzen dentlichen“ Ritus) für die Problematik zu zeigen, auch Juden einen herben Rückschlag wenn diese durch viele unge- bedeutet, wenn es dort heißt: rechte Behauptungen schwer belastet wurden. „Lasst uns auch beten für die Wie sehen Sie die Arbeit Es waren nicht immer nur neue Juden, dass unser Gott und der CJZ in den vergangenen positive Aspekte, die das Ver- Herr ihre Herzen erleuchte, da- 25 Jahren? hältnis beider christlicher Reli- mit sie Jesus Christus als Retter gionen und der jüdischen aller Menschen erkennen.“ Das 25 jährige Jubiläum der verbessert haben. Positiv sind Gesellschaft für Christlich- die in eine neue Richtung den- Diese Formulierung geht aus Jüdische Zusammenarbeit im kenden christlichen Theologen, meiner Sicht hinter die Ergeb- MTK ist eine gute Gelegen- die die tiefgreifenden Berüh- nisse des 2. Vatikanischen heit, die Tätigkeit der letzten rungsstellen beider Religionen Konzils zurück. 15 Jahre zu überblicken und aufgezeigt haben, insbeson- Nach diesem Satz fragen sich zu bilanzieren. dere die Sicht des Juden Jesus. auch wenig informierte Juden, In der Broschüre, die wir an- Negative Seiten sind in den ob die Rettung der Juden ver- lässlich des 10-jährigen Jubi- letzten 15 Jahren aber auch gangener Jahrhunderte unbe- läums herausgegeben haben, dazu gekommen. dingt erst in deren „Blut“ (Tod wurden nicht nur die Aktivitä- Hier scheinen unüberschreit- und Leiden) enden musste.

34 Das endete schließlich in der Man muss einfach zur Kennt- ert und wirtschaftspolitisch zu Shoah mit der Ermordung hun- nis nehmen, dass über allen physischer Verfolgung aus- derttausender Kleinkinder. Diskussionen zum christlich- genutzt. Nicht zu verstehen ist auch die jüdischen Gespräch für einen Annäherung der katholischen Laien die Frage beantwortet Was können wir dagegen tun? Kirche an die den Holocaust werden muss, wo und wann leugnende Pius Bruderschaft der christliche Antijudaismus Nur zwei Faktoren können für in dem Bestreben, diese in die anfing. die Zukunft den Anti-Judais- Einheit der katholischen Kirche mus und den daraus entstan- einzubinden. Im Neuen Testament sind ge- denen Antisemitismus erfolg- nügend Argumente, die die reich bekämpfen: Juden können dem christolo- Grundlage eines sehr positiven Die Kirchen und die Schulen gischen Inhalt der Karfreitags- Verhältnisses bilden könnten müssen in viel konsequenterer bitte nicht zustimmen, da diese und mit denen sich auch un- Weise sich dieses Problems an- zum Missionieren auffordert. sere jetzige Gesellschaft be- nehmen – auch wenn diese Wenn einer der höchsten schäftigt (z. B. Römer 9-11). Versuche vielen Schülern auf katholischen Würdenträger Bis zum Ende des 19. Jahrhun- die Nerven gehen. Es reicht diesen Satz als integralen Be- derts und auch noch in der nicht, falls tatsächlich eine Ver- standteil der Liturgie ansieht, ersten Hälfte des 20. Jahrhun- besserung des Verhältnisses und dies im vollen Bewusst- derts, wurden aber meistens erreicht werden soll, mit einigen sein der missionarischen Tiefe, nur die kritischen und die ne- Seiten in den Schulbüchern auf dann kann das aus der Sicht gativen Seiten aus der hebräi- diese Thematik hinzuweisen. der Juden nicht respektiert schen Bibel angewandt. Man werden. sollte ruhigen Gewissens akzep- Als Resümee können wir fest- tieren, dass schon zu Zeiten halten, dass es uns gelungen Wo sehen Sie die Wurzeln der Kirchenväter der Antijuda- ist durch breit gestreute Auf- des Antijudaismus? ismus begann. klärung einen größeren Kreis Mit der immer stärker wer- interessierter Personen zu in- Trotz der Fülle der Problematik denden Kirche und sehr viel formieren und dadurch für ein muss erwähnt werden, dass später mit der Verbreitung besseres Miteinander zu sorgen. die Gesellschaft für Christlich- durch die Schulen wurde die Ich wünsche der Gesellschaft Jüdische Zusammenarbeit im Abneigung der Christen gegen- für Christlich-Jüdische Zusam- Main-Taunus-Kreis mit einer über den Juden noch ausge- menarbeit noch viele Jahre Fülle von Programminhalten prägter. Die Begründungen der erfolgreichen aufkläreri- sich der Thematik seit Jahren dieses Verhaltens wurden mei- schen Arbeit. angenommen hat. stens theologisch untermau-

35 Juden und Christen am ihnen als ‚Ketzerei des eigenen rabilis (Abt von Cluny) und Tisch des Herrn?* Glaubens’ vorgehalten. Peter von Blois (Archidiakon Die Eucharistie, bei den Protes- von London; beide 12. Jhd.) Prof. Dr. Winfried Frey tanten späterer Jahrhunderte und weiter bis weit in die Neu- die Feier des Abendmahls, zeit.1 Die Juden wurden so Gemeinsame Mähler, zumal wurde durch Tradition und immer wieder neu zu Feinden ritualisierte, galten und gelten Lehre als ein zentraler Bestand- Christi und der Christenheit als sozial und mental verbin- teil des christlichen Gottes- gestempelt – mit den bekann- dend, zumindest als Konflikte dienstes bestätigt. Damit ten Folgen bis ins 21. Jahr- mildernd. Aber gerade rituali- wurde auch festgestellt, dass hundert.2 sierte Mähler, wenn sie tradi- nicht an der Eucharistie, nicht tionell mit der Gruppeniden- am Abendmahl teilzunehmen Die erste und dauernde Folge tität verbunden sind, können widerchristlich sei und zum der Abgrenzung war das Ver- auch trennend, ja ausgren- Ausschluss aus der Gemein- bot gemeinsamer Mähler von zend wirken. (Ein klassisches schaft der Gläubigen führe. Christen und Juden, zu finden Beispiel für beide Aspekte ist in einer Bestimmung des spa- der Bericht vom Festmahl Die Juden aber feierten im nischen Konzils von Elvira Josephs mit seinen Brüdern in Altertum und im Mittelalter (um 306) ebenso wie in Äuße- Ägypten, Genesis 43, 16-35). und feiern bis heute Jahr um rungen des katholischen Kon- Jahr ihr Pessachfest als Erinne- troverstheologen Johannes Eck Zwar galt das Pessachfest der rung an die Befreiung und an von 15423 und seines Antago- Juden vor unserer Zeitrech- den Auszug aus Ägypten; sie nisten Martin Luther 15434. nung den Christen lange Zeit handelten also nach Auffassung Dieses Verbot wurde immer als eine Vorausdeutung des vieler christlicher Theologen weiter differenziert und ver- Abendmahls, der Eucharistie, bewusst häretisch, ja gottlos. schärft bis hin zum Verbot für aber eben nur als solche, nicht Diese Auffassung passte in die Juden, an christlichen als ein religiöses Mahl mit ei- das von christlicher Seite ent- Fasttagen Fleisch zu essen.5 gener Bedeutung und Berech- wickelte System der Antago- tigung. Das Festhalten der nismen von Christentum und Ein weiterer Komplex ist das Juden an ihren Traditionen Judentum. Verächtlichmachen jüdischer nach Christi Tod und Aufer- Beispiele dafür findet man Speisegebräuche, auch dieser stehung, ‚obwohl sie es doch bei Origenes (3. Jhd.), zieht sich durch fast die ge- eigentlich besser hätten wis- bei Ambrosius (4. Jhd.), samte Geschichte des Christen- sen müssen’, so die einhellige bei Hieronymus (4./5. Jhd.), tums und wirkt bis heute auch Meinung antiker und mittel- aber auch bei mittelalterlichen bei nichtchristlichen Juden- alterlicher Theologen, wurde Theologen wie Petrus Vene- hassern nach. Er dringt auch

36 schnell aus den Sphären theo- Populärer noch wurden diese In einem gereimten Spruch- logischer Kontroversen in Diskriminierungen durch Auto- gedicht „Die Wahrsagebeeren“ volkssprachliche polemische ren, die sie in grobianisch-vul- (~1480), das dann auch um Texte und trägt so zur Verbrei- gärer Verzerrung in Flugblät- 1510 im „Dyl Vlenspiegel“ tung und Verstärkung antijü- tern auf dem Markt feilboten verändert wieder aufgenom- discher Vorurteile auch in oder als Fastnachtspiele in men und so für Jahrhunderte breiten Schichten bei, verstärkt den Wirtshäusern aufführten. bekannt gehalten wird, ver- natürlich durch die rasche höhnt er die Juden, die sich in Verbreitung des Buchdrucks, Einen Autor und einen Teil ihrer (natürlich ‚närrischen’) der die Publikation kleinerer, seines Werkes will ich als Bei- Messiashoffnung auf der daher billiger Schmähschriften spiel dafür kurz vorstellen.6 Frankfurter Messe Globuli ermöglichte. Der Nürnberger Barbier, Wund- menschlichen Kotes als ‚Wahr- arzt, Meistersinger, Spruch- sagebeeren’ verkaufen lassen Eine nicht unwichtige Rolle dichter und Fastnachtspiel- und dann in der Synagoge in spielen dabei im 16. und bis autor Hans Folz7 hat gegen einem von Folz als kaum er- weit ins 18. Jahrhundert hin- Ende des 15. Jahrhunderts in trägliche Parodie der christ- ein jüdische Konvertiten wie mehreren Fastnachtspielen und lichen Messfeier gestalteten Johannes Pfefferkorn, Anthoni- Spruchdichtungen die antijü- ‚Gottesdienst’ erkennen müs- us Margaritha (beide 16. Jhd.) dische Vertreibungspolitik des sen, dass sie nicht mit Gott, und Dietrich Schwab (17. Jhd.). Nürnberger Rates propagan- sondern mit menschlichem Sie alle – unter dem Druck distisch unterstützt. Kot kommuniziert haben. ständiger Beobachtung ihrer misstrauischen neuen Glau- ‚Die Juden’ sind dabei allesamt Über die Schmähung jüdischer bensgenossen – schildern als arrogant, aggressiv und Riten in ihrer Wirkung noch scheinbar authentisch jüdische tölpelhaft dargestellt, werden weiter hinausgehend und Speisegebräuche, aber häufig aber schließlich auf burlesk- zum Teil bis heute geglaubt8 so, als wären diese nur Trave- obszöne Weise ‚besiegt’ und sind die erfundenen Geschich- stien christlicher Gebräuche, manche zur Taufe bewegt. ten von ‚jüdischem Ritualmord’ und die Juden, die sich so Und die freuen sich dann vor und, damit eng zusammen- ‚komisch’ verhielten, seien nur allem, da es sie schon lange hängend, ‚jüdischem Hostien- leeren, wahnhaften Regeln „nach sweinem fleich gedürst“, frevel’. Über diese habe ich vor unterworfen, die sie ohne auf die „guten würst“ der Gesellschaft für Christlich- Sinn und Verstand befolgten. (im Fastnachtspiel „Kaiser Jüdische Zusammenarbeit im Constantinus“ 1474/1475). Main-Taunus-Kreis schon mehr- fach referiert, kann mich also hier kurz fassen.9

37 Beide Traditionen antijüdischer findet sie noch immer Anhän- kreislauf in der christlichen Polemik haben einen Bezug ger, auch unter frommen Gesellschaft, der ‚die Juden’ zur Passion Christi und zu Christen! durch ihren Geldhandel deren ritueller Wiederholung/ Schaden zufügten.12 Erinnerung in der Feier der Ein Beispiel aus der protestan- Messe und des Abendmahls. tischen Sphäre des 16. Jahr- Auch die Hostienfrevel-Ge- Unterstellt die Ritualmordbe- hunderts stammt aus der schichten werden über die Jahr- schuldigung den Juden eine Sammlung „Wendunmuth“ hunderte gelesen, geglaubt, permanente Bereitschaft, ihren Hans Wilhelm Kirchhofs als geistliche Spiele aufge- ‚Gottesmord’ an Jesus jeder- (~1525 bis 1602), eines hes- führt. Das Beispiel Deggen- zeit zu wiederholen (weshalb sischen Autors, der zur Unter- dorf ist hier wichtig, weil die es angeblich immer Knaben haltung und Belehrung der Verehrung der angeblich von sind, die sie sich für ihre adeligen und bürgerlichen Eli- Juden geschändeten Hostie Morde aussuchen!), so ist die ten schrieb.11 Auch er tradiert und die zugehörige Wallfahrt Hostienfrevellüge die den Juden die alten Vorurteile gegen Ju- erst 1992 vom Regensburger unterschwellig zugeschriebene den: Halsstarrigkeit, Ketzerei, Bischof – gegen erheblichen Bereitschaft, an die Realpräsenz Materialismus, Wucher, Hass Widerstand in der Stadt Deg- Christi in der konsekrierten auf Christus und die Christen. gendorf und in der Umgebung! Hostie zu glauben, da sie sie – abgeschafft wurde.13 ja sonst nicht aus altem Hass Da darf natürlich die Blutbe- martern könnten – und das schuldigung („ein Knäblein Wir sind am Ende: wiederum soll skeptischen muß es sein“) nicht fehlen Immer wieder haben Christen Christen gegenüber die (Buch V, 132), aber sie wird gegenüber den Juden die Wahrheit der Lehre bekräfti- eben nicht mehr als Nachah- grundlegenden Gebote miss- gen. mung der Passion Jesu ge- achtet, die in der Bergpredigt schildert, sondern in verque- überliefert sind. Der Evangelist Die Ritualmordlüge als Blut- rer Weise als Möglichkeit der beendet seinen Bericht mit beschuldigung in der Folge Juden, sich eine Art Sterbe- dem Gleichnis vom Hausbau: des Passionsberichtes des sakrament und Vorsorgever- Matthäus (Mt 27, 25)10 hat sicherung zu verschaffen, falls „Wer aber meine Worte hört schon im Spätmittelalter weit- der ersehnte Messias doch und nicht danach handelt, ist gehend die Verbindung zur schon in Jesus erschienen sein wie ein unvernünftiger Mann, Passion verloren und ist zum sollte. Das Blut wird in dieser der sein Haus auf Sand baute.“ Verdacht einer Art rituellen Geschichte (und in der ange- (Mt 7, 26) Kannibalismus ‚der’ Juden hängten ‚Moral’) gleichsam mutiert und in dieser Gestalt zur Metapher für den Geld-

38 Wenn es einmal so weit sein sollte, dass die Christen ihr Haus auf den Fels der Berg- predigt bauen, dann endlich können Juden und Christen 3 10 Johannes Eck: „Ains Judenbüchlins verle- Frau Ruth Lapide könnte berichten, wie viel friedlich Seite an Seite am gung.“ Ingolstadt 1542, Kap. 23. Mühe es ihren Mann gekostet hat, die Szene Tisch des Herrn sitzen, ohne 4 aus dem Oberammergauer Passionsspiel Martin Luther: entfernen zu lassen! – Zur Wirkung des voreinander wie Ägypter und „Von den Juden und ihren Lügen“, 1543. Vorwurfs im 20. Jahrhundert vgl. die schöne Hebräer ein Grauen zu emp- In: Martin Luther, Weimarer Ausgabe 43, S. 528. Studie von Zsolt Keller: „Der Blutruf (Mt 27,25), Eine schweizerische finden. 5 Wirkungsgeschichte 1900-1950.“ Schreckenberg II, S. 390. Göttingen 2006.

6 11 Andere findet man in meinem Aufsatz: H. W. Kirchhof: „Wendunmuth“, hg. von „Synagoga dialogo exclusa, Über das Hermann Oesterley, Tübingen 1869, Scheitern des jüdisch-christlichen Dialogs Neudruck Hildesheim 1980. von Anfang an“, in der Festschrift für den früheren Krifteler evangelischen Pfarrer 12 Werner Licharz: Eine bis heute nicht ganz aufgeklärte Affäre 1 „Den Menschen zugewandt leben“, um einen ermordeten jungen Mann im *Stark verkürzte Fassung eines Vortrages, hg. von Ulrich Lilienthal und Lothar Stiem, damals preußischen Konitz (heute Chojnice), den ich am 1. April 2009 in Kriftel vor der Osnabrück 1999, S. 39-51. die bis zu Debatten im Reichstag führte, ist Gesellschaft für Christlich-Jüdische als Teil dieser Tradition interpretiert bei Zusammenarbeit gehalten habe. – Eine aus- 7 Helmut Walser Smith: „Die Geschichte des führliche erste englische Fassung in: Über ihn zuletzt Caroline Huey: Schlachters, Mord und Antisemitismus in „Food in the Middle Ages, A Book of Essays“, „Hans Folz and Print Culture in Late Medieval einer deutschen Kleinstadt.“ Göttingen ed. Melitta Weiss Adamson. New York and , The Creation of Popular Discourse.“ 2002. London 1995, p. 113-145. Farnham (GB) und Burlington (USA) 2012, Diese und weitere Beispiele v.a. Kap. 5: “Folz and Anti-Jewishness”. 13 bei Heinz Schreckenberg: Die gesamte Geschichte der ‚Deggendorfer „Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und 8 Gnad’ ist aufgearbeitet in der vorbildlichen ihr literarisches und historisches Umfeld.“ Vgl. das schon ältere, aber immer noch Dissertation von Manfred Eder (heute Drei Bände, in verschiedenen Auflagen, aktuelle Buch von Henryk M. Broder: Professor für Kirchengeschichte an der Frankfurt am Main u. a., 1990-1999. „Der Ewige Antisemit, Über Sinn und Universität Osnabrück): „Die ‚Deggendorfer – Vgl. auch, immer noch lehrreich, Rosemary Funktion eines beständigen Gefühls“. Gnad’, Entstehung und Entwicklung einer Ruether: Frankfurt am Main 1986, Hostienwallfahrt im Kontext von Theologie „Nächstenliebe und Brudermord, Die theo- und das jüngst erschienene von Timan Tarach: und Geschichte.“ Deggendorf 1992, 775 logischen Wurzeln des Antisemitismus.“ „Der ewige Sündenbock, Heiliger Krieg, die Seiten; hier ist zu verweisen auf das Kapitel München 1978, und für die Zeit des ‚Protokolle der Weisen von Zion’ und die „Die Diskussion im 20. Jahrhundert“, S. Nationalsozialismus das siebenbändige Werk Verlogenheit der sogenannten Linken im 657-698. von Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder: Nahostkonflikt.“ „Juden-Christen-Deutsche, 1933-1945.“ Freiburg, Zürich 2010. Stuttgart 1990-2007. 9 2 Wer nachlesen will, kann das in Aufsätzen tun, Die hinter dieser Dichotomisierung liegen- die ich 1993 (zu Endingen), 1998 (zu Deg- den ethnologischen Mechanismen sind gendorf), 2003 (zu Bacharach) und 2008 (zu beschrieben bei Klaus E. Müller: Rinn in Tirol) publiziert habe. „Das magische Universum der Identität, Nähere Angaben sind zu finden unter http:/ Elementarformen sozialen Verhaltens.“ / www.uni-frankfurt.de/fb/fb10/IDLD/ Frankfurt; New York 1987. ADL/mitglieder/frey/publikationen.uhtml.

39 Gottesdienste mit Die Reihe begann zunächst christlich-jüdischen an einem Israel-Sonntag als Dialogpredigten in der dem klassischen Termin, den evangelischen Kirche die evangelischen Landeskir- Bad Soden – chen in Deutschland nach 1945 ein persönlicher zu einem Tag christlichen Ge- Erfahrungsbericht aus denkens festgelegt haben. jahrelanger Praxis Ziel dieses christlichen Israel- Sonntags ist es, an die bleiben- Pfr. Andreas Heidrich, de Verbundenheit von Christen und Juden und die Erwählung Die Genese einer Tradition des jüdischen Volkes durch den einen Gott von Juden und Seit einigen Jahren gibt es in Christen zu erinnern und bei- der evangelischen Kirche Bad des wachzuhalten. Klar war Soden am Taunus christlich- stets, dass es bei diesen Dia- jüdische Dialogpredigten. logpredigten um den gleich- Das heißt, dass ein jüdischer berechtigten Austausch aus Prof. Ruth Lapide mit Andreas Heidrich Prediger oder eine jüdische christlicher und jüdischer Per- Predigerin mit dem evangeli- spektive auf die gemeinsame schen Pfarrer Andreas Heidrich Hebräische Bibel bzw. das eine Dialogpredigt führt, also christliche Alte Testament ein Bibelgespräch über einen oder das christliche Neue oder mehrere biblische Texte. Testament geht.

Während dieses Predigtgesprä- Nach und nach kamen in der ches oder auch im Anschluss christlich-jüdischen Predigt- an den jeweiligen Gottesdienst praxis in Bad Soden weitere besteht für die Gottesdienst- Sonntage hinzu bis dann auch besucher die Gelegenheit, beim ein gemeinsames christlich- Predigt-Nachgespräch Nachfra- jüdisches Predigtgespräch am gen zum besseren Verständnis Gründonnerstagabend oder zu stellen oder auch eigene am 4. Advent möglich wurde. Gedanken als Ergänzung oder In drei Abschnitten möchte Kritik einzubringen. ich nun als evangelischer Theologe und Gemeindepfarrer

40 die grundlegenden Erfahrungen nung eher ein Schattendasein Begleitung gebetet wird. Dass beschreiben, weil sie ein leben- führen und auf wenige Stellen die anwesende christliche Ge- diges Beispiel christlich-jüdi- beschränkt sind, die oftmals meinde diesen Psalm dann in schen Miteinanders im Main- noch nach dem überholten der Übersetzung Martin Luthers Taunus-Kreis sind und sich dem Modell Altes Testament = Ver- im Wechsel betete, machte Anliegen der Gesellschaft für heißung und Neues Testament allen bewußt, dass der christ- Christlich-Jüdische Zusammen- = Erfüllung gelesen und ge- liche Glaube von seinen jüdi- arbeit im Main-Taunus-Kreis predigt werden. schen Wurzeln her lebt. verpflichtet wissen. Zudem hat Besonders eindrücklich war für die CJZ Main-Taunus diese So legte ich mit Rabbiner Stei- mich und die anwesende Dialogpredigten auch finanziell man im Rahmen eines Gottes- Gottesdienstgemeinde die stets mit unterstützt, wofür an dienstes zu einer Ausstellungs- Tatsache, dass hier ein jüdi- dieser Stelle herzlich Dank zu eröffnung zu den zehn Gebo- scher Rabbiner mit Kippa und sagen ist. ten Abschnitte aus Psalm 119 Tallit (Gebetsschal) und ein aus, einem der schönsten Tora- evangelischer Pfarrer im Talar 1. Die Hebräische Bibel als die Psalmen der Hebräischen Bibel. im Altarraum einer Kirche lebendige und facetten- Der in der dem christlich-jüdi- predigten, einander zuhörten reiche Quelle christlich- schen Gespräch verpflichteten und einander und der ganzen jüdischer Predigten und Budge-Stiftung in Frankfurt/ Gemeinde halfen, die Worte christlicher Liturgie – auch Main als Altenseelsorger tätige der Bibel besser zu verstehen. in Hebräisch – zu Gehör Rabbiner Steiman verstand es, Ein wunderbares Bild der Be- bringen in anschaulicher Weise die le- gegnung nach so vielen Jahr- bendige Beziehung jüdischer hunderten der „Ver-gegnung“ In den von mir mit Frau Prof. Menschen zu den ihnen von (Martin Buber) zwischen Ruth Lapide, Frau Petra Kunick Gott geschenkten Geboten Christen und Juden. und Rabbiner Andrew Steiman darzustellen, die christliche gestalteten Gottesdiensten Theologen viel zu lange und Als die jüdische Künstlerin und standen häufig Texte der He- mit verhängnisvollen Folgen als Schriftstellerin Petra Kunik aus bräischen Bibel im Zentrum, „Gesetzlichkeit“ abwerteten. Frankfurt/Main bei einem Got- häufig Psalmen, die wegen tesdienst zum Israel-Sonntag der besonderen Bildhaftigkeit Wer dann einen Rabbiner wie 2008 zu Gast war, betonte ihrer Sprache gut geeignet Steiman Teile des 119. Psalms sie in ihrer Predigt die Verant- sind. Dies auch deshalb, weil auf Hebräisch lesen hört, be- wortlichkeit des Menschen die alttestamentlichen Texte – kommt ein Gespür dafür, dass als besonders begabtem Ge- leider – in der derzeit gültigen hier vom Herzen her und mit schöpf Gottes und erinnerte evangelischen Perikopenord- Freude für Gottes Leitung und dazu an den entsprechenden

41 Auftrag an den Menschen im Die deutschen Übersetzer 2. Schöpfungsbericht des 1. Mo- schließlich schöpfen wie aus sebuches: Pfützen, die von diesen Brun- nen auf den Boden plätschern. „Ihr sollt die Erde bebauen In diesem Bild wird klar, dass und bewahren.“ es ohne die Hebräische Bibel (1.Mose 2,15). kein christliches Neues Testa- ment gegeben hätte und so Frau Kunik gehört zum Reform- die Rückbesinnung auf den zweig der Frankfurter jüdischen Reichtum dieses Teiles der Gemeinde und erzählte davon christlichen Bibel eine Aufgabe auch im Predigt-Nachgespräch auch für kommende Generatio- in eingängigen Bildern. „Wir nen bleibt. Zugleich wird die verstehen die jüdische Religion Problematik jeder Bibelüber- nicht als Museum, sondern als setzung deutlich, die gerade lebendige Quelle, von der auch in der christlichen Aneignung neue Ströme ausgehen können“ der Hebräischen Bibel – leider fasste sie die Reformbemühun- – immer wieder zu Fehlüber- gen ihrer Kehala Chadascha, setzungen mit fatalen Folgen also ihrer neuen Gemeinde, geführt hat. zusammen. Bewegend ist auch das Hören Prof. Ruth Lapide zitiert bei des Aaronitischen Segens den mit ihr gestalteten Gottes- (4.Mose 6,24-28) am Ende diensten immer wieder gerne eines solchen dialogischen jene Worte Martin Luthers, in Gottesdienstes, zunächst auf denen dieser die Hebräische hebräisch von der oder dem Bibel als die eigentliche Quelle jüdischen Gastpredigerin oder beschreibt, von der die Grie- -prediger gesprochen, dann chen – also das Neue Testa- von mir als christlichem Pfar- ment – wie von einer Quelle rer auf deutsch gesagt, weil und dann die Lateinischen, also dieser zu dem Segen in der die lateinischen Bibelüberset- evangelischen Liturgie gewor- zungen wie aus Brunnen ge- den ist, seine jüdische Verwur- trunken, also diese nur unvoll- zelung aber viel zu lange ver- kommen weitergegeben haben. schwiegen wurde.

42 Nun kann er ganz neu die senden Gottesdienstgemeinde eine Dialogpredigt im Anschluß Verbundenheit christlicher darzustellen. an einen musikalischen Gottes- Gemeinde mit dem jüdischen dienst, in dem eine Solistin Volk im Lob des gemeinsamen An einem 4. Advent gestal- Arien aus der Johannespassion einen Gottes ausdrücken, so teten Frau Prof. Ruth Lapide Johann Sebastian Bachs vor- wie jedes Amen und jedes und ich einen Gottesdienst trug. Hallelujah als hebräische Wor- unter dem Motto „Bereitet te in der christlichen Liturgie dem HERRN den Weg“, ein Ausgangspunkt der Dialog- genau daran erinnern. Wort aus Jesaja 40,3, das von predigt waren die von Frau Johannes dem Täufer als Ruf Lapide vorgetragenen „Nacht- 2. Die Facetten des Kirchen- zur Umkehr im Neuen Testa- gedanken des Hohepriesters jahres in ihrer jüdischen ment erzählt wird. In der Kaiphas“, die ihn in seiner Verwurzelung entdecken Dialogpredigt über die in der Zerrissenheit zwischen Sym- Kirche ausgestellten Holz- pathie für Jesus und seiner Häufig bleiben christlich-jüdi- Krippenfiguren kamen in einer Verantwortung für die öffent- sche Begegnungen auf Ge- auch für Kinder ansprechen- liche Ruhe in Jerusalem cha- denktage an die Vernichtung den und verstehbaren Weise rakterisieren. Für viele Teilneh- des europäischen Judentums die jüdische Prägung des als mende war genau das eine am 27. Januar oder auf das Jehoschua geborenen Jesus zu Neuentdeckung: Dass die Gedenken an die Gewaltex- Wort, der von seiner Mutter Kreuzigung Jesu als ein kom- zesse im Kontext der „Reichs- Mirjam in der alten judäischen plexer Vorgang zu sehen ist, kristallnacht“ am 9./10. No- und schon für den jüdischen bei dem die daran Beteiligten vember 1938 beschränkt. König David bedeutsamen nicht einfach in Schwarz-Weiß- Stadt Bethlehem geboren Schemata einzusortieren sind Für Prof. Ruth Lapide und wurde. und schon gar nicht einseitig mich war es eine spannende „den Juden“ die Schuld an und anregende Erweiterung Das Motiv der drei Weisen Jesu Tod in die Schuhe gescho- dieser üblichen Gedenktage, wurde als solches erklärt, das ben werden kann. an „klassischen“ christlichen sich an Psalm 72,10+11 an- Feiertagen oder Fest-und Ein- lehnt, so dass auch hier wie- kehrzeiten die jüdische Verwur- der die tiefe Verwurzelung zelung christlicher Feiertage von Vorstellungen des Neuen und Festzeiten zu entdecken Testaments in der Hebräischen und in Dialogpredigten, ange- Bibel verdeutlicht wurde. reichert von Rückfragen und In der Passionszeit gestalteten Anregungen aus der anwe- Frau Prof. Ruth Lapide und ich

43 An einem Gründonnerstag- Auch das christliche Pfingst- abend eine christlich-jüdische fest lädt zum Bedenken sei- Dialogpredigt zu gestalten, ner jüdischen Wurzeln ein: trägt in sich die große Chance, Geht es doch auf das jüdi- die Verwurzelung des christ- sche Wochenfest Schawuot lichen Abendmahls im jüdi- zurück, an dem in jüdischen schen Pessachmahl zu vermit- Gottesdiensten der Gabe der teln. Genau dies versuchten Tora am Sinai durch Gott an Frau Lapide und ich und erleb- Israel gedacht wird. Indem ten dankbare Gottesdienst- Prof. Ruth Lapide und ich die besucher, unter ihnen viele Geschichte von der Ausgies- Konfirmandinnen und Konfir- sung des Heiligen Geistes manden, für die das Abend- (Apostelgeschichte 2,1-13) in mahl „auf einmal geerdet, diesem Kontext verständlich weil rückgebunden an seinen machten, wurde für die Got- menschlichen Ursprung“ und tesdienstgemeinde deutlich, damit besser verstehbar wur- dass die Be-Geisterung der de, wie das ein Besucher im ersten Christen keineswegs Nachgespräch ausdrückte. ihre Loslösung von der Bindung an die lebensfördernden Ge- Es war bewegend, am Vor- bote und lebensschützenden abend des Karfreitags, der tra- Verbote der Tora Israels be- ditionell in früheren Zeiten deutet. schlimme antijüdische Predig- ten über die Juden als angeb- Dies wurde untermauert mit liche „Gottesmörder“ hervor- dem Verweis auf Jesus, den brachte, ein Zeichen christlich- seine Jünger als „Rabbi“ an- jüdischer Verbundenheit im redeten (vgl Mt 26,49; Mk Vertrauen auf den einen Gott 9,5; Joh 1,38) und der selbst zu setzen, der weder Jesus in der Bergpredigt die bleiben- noch die anderen jüdischen de Bedeutung der Tora für Opfer von Verfolgung, Hetze seine Bewegung so ausdrückt: und Vernichtung allein gelas- sen hat.

44 „Ihr sollt nicht meinen, dass ich mit großer gegenseitiger Wert- gekommen bin, das Gesetz/die schätzung und gewachsenen Weisung oder die Propheten Freundschaften zwischen Ju- aufzulösen; ich bin nicht gekom- den und Christen gestalten: men aufzulösen, sondern zu Den anderen in seiner Anders- erfüllen“ artigkeit anerkennen und (Matthäus 5,17 ). schätzen und zugleich das Ge- meinsame im Dienst für Gott 3. Das Ziel christlich-jüdischer und an den Menschen zu Dialogpredigten: Keine entdecken. Vermischung, sondern ein lebendiges christlich-jüdi- So können Christen und Juden sches Gespräch mit dem auch im 21.Jahrhundert ge- Akzeptieren von Konsens meinsam auf die eine Bibel hö- und Dissens ren, den einen Gott vor der einen Welt bezeugen und da- Zum Abschluß meiner persön- bei bewußt machen, dass es lichen Schilderung möchte ich nur diesen einen Gott gibt, einen Satz der jüdischen Theo- aber viele Wege zu ihm führen. login Prof. Ruth Lapide zitieren, den sie bei einem der von uns beiden gestalteten Dialogpre- digten gesagt hat:

„Wir brauchen und wir wollen keinen Synkretismus. Wir brau- chen und wollen einen offenen Dialog mit gegenseitigem Fragen und Antworten“.

Hierin sehe ich den wesentli- chen Kern gelungener christlich- jüdischer Dialogpredigten, wie wir sie in der evangelischen Kirchengemeinde Bad Soden am Taunus seit einigen Jahren

45 Hofheimer Schattenseiten Vergessen. Erinnern. Erzählen.

Dr. Jutta Pauli 30.1.1933 Wochen. Bereits sechs Mona- Der Anfang vom Ende te später ist ganz Deutschland Welche Bilder entstehen in Ih- gleichgeschaltet. Was überall rem Kopf, wenn Sie „NS-Zeit“ Der braune Schatten, der im Ja- in Deutschland geschieht, ge- oder „Hitler-Zeit“ hören? nuar 1933 über ganz Deutsch- schieht auch in Hofheim: Falls Sie nicht zu den Jahrgän- land fällt, hatte sich bereits Die Begeisterung für den Füh- gen gehören, die diese Zeit Jahre vorher angekündigt: rer ist groß, die Mehrheit der miterlebt haben, basieren ihre Die Weltwirtschaftskrise hält Bevölkerung passt sich an, Bilder auf Gelesenem, Gehör- die Menschen seit mehr als wenige leisten Widerstand. tem und nicht zuletzt auf Ge- drei Jahren in Atem. Die demokratischen Stimmen sehenem. Gesehenes kann ein der Vernunft gehen im Sieg- Film sein oder Bilder im Fami- Während die einen von den heil-Gebrüll unter. lienalbum, aber auch eine „Goldenen Zwanzigern“ Ausstellung im Museum. schwärmen, quälen Armut und Der Führer kommt gleich Verzweiflung einen großen Teil nach dem lieben Gott In der Abteilung „Stadtge- der Bevölkerung. schichte“ im Hofheimer Stadt- Die Gegner der Weimarer Re- Für die Präsentation, zuge- museum ist seit dem 2. Dezem- publik gewinnen die Ober- schnitten auf Hofheim, machen ber 2012 eine Ausstellungsse- hand: Die Nationalsozialisti- wir uns die fundamentale Wir- quenz zur NS-Zeit in Hofheim sche Deutsche Arbeiterpartei kung von Bildern zunutze: Die zu sehen. Neben vielen licht- (NSDAP) steigt zur Massenbe- in Dunkelbraun-Grau-Schwarz- vollen Themen und lebendigen wegung auf und die Ernen- tönen gehaltene Inszenierung Geschichten zu Hofheim und nung des Parteipolitikers Adolf zur NS-Zeit ist in eine Winter- seinen Einwohnern ist dies ein Hitler zum Reichskanzler am landschaft mit kahlen Bäumen düsteres Kapitel der Geschich- 30. Januar 1933 nährt die eingebettet. te, eines, das für jede Stadt Hoffnung der Menschen auf und jede Gemeinde im ehe- nationale Geschlossenheit und „Lachender Hitlerjunge mit maligen Deutschen Reich in wirtschaftlichen Aufschwung. Apfel“ oder „Adolf als Pimpf“, der Zeit zwischen 1933 und eines der letzten Ölgemälde 1945 zutrifft. Die staatlichen Machtmittel von Ottilie W. Roederstein aus erlauben die Errichtung einer dem Jahr 1937, zieht den Be- Diktatur innerhalb nur weniger sucher förmlich an.

46 Zur kompletten Uniform der 12. November 1933: lung von Eltern, Verwandten Hitlerjugend fehlt die Armbin- Reichstagswahl: von 3.821 und Nachbarn stehen auf der de mit Parteiabzeichen, das Wählern stimmen 3.577 für Tagesordnung. Koppelschloss ist eher unty- die NSDAP. pisch. Der unbekümmerte Welten liegen zwischen diesem Junge – gerade hat er in einen Über diese Fakten und Daten kräftigen, gepflegten Hitler- saftigen Apfel gebissen – , blickt der Pimpf hinweg in eine jungen und den Bildern des sucht den direkten Blickkon- glänzende Zukunft. Sein Zweiten Weltkriegs, der bald takt zum Betrachter. deutschnationaler Tugendhim- entzündet sein wird, und den mel spiegelt sich in der Kom- Bildern des Schreckens. Das Bild hängt in einer beeng- plexität des Bildinhalts: ten Inszenierung, die einen Und die Erwachsenen? spärlich möblierten Raum an- Die Kinder, Jungen wie Mäd- deutet mit Volksempfänger, chen, sind stolz auf ihre Uni- Schon im Jahr 1933 muss je- Garderobe mit SA-Arbeitshemd form, die das Gemeinschafts- dem klar sein, dass ein Fest- und Feuerwehrhelm. Ein Zim- gefühl stärkt und Disziplin und halten an der offenen Gegner- mer wie dieses könnte überall Ordnung vorspiegelt. Diese schaft zum neuen Regime die in Deutschland in den 1930er Generation von Kindern und Freiheit oder sogar das Leben Jahren bewohnt worden sein. Jugendlichen lässt sich von den kosten kann. Politische Gegner Allerdings sind hier drei für Nationalsozialisten beeindruk- gelten als Staatsfeinde. Hofheim wesentliche Daten ken, sie wird pro forma ernst Kirchlicher Widerstand formiert in den Fußboden eingelassen: genommen und planmäßig sich angesichts der Rechts- mit Nazi-Ideologie vergiftet. brüche und Gewalttaten des 31. März 1933: nationalsozialistischen Staates Verleihung der Ehrenbürger- Der Führer kommt gleich nach erst allmählich. würde für Reichskanzler dem lieben Gott. Politische Er- Adolf Hitler ziehung beginnt in der Schule Wer nicht auffallen will, und setzt sich in den Jugend- schweigt und verschließt Au- 1. Juni 1933: bewegungen Hitler-Jugend gen und Ohren, so wie Emma Die „Judengasse“ heißt ab und Bund Deutscher Mädel Kopp auf dem zweiten Bild sofort „Webergasse“ fort. Geländespiele und Zelt- von Roederstein aus dem Jahr lager ebenso wie die Bespitze- 1926.

47 „Lebensweisheit“ oder „Drei Ihre Namen und die Erinne- weltabgewandte Frauen“ ist rung an sie dürfen nicht im der Titel des Bildes. Das Bild- Dunkel der Geschichte ver- nis der Jüdin Emma Kopp, schwinden. Diese zentrale Freundin, Schülerin und Botschaft soll in den Herzen Nachbarin von Roederstein, und den Köpfen der Besucher wird erst sichtbar, wenn der Raum greifen. Besucher in die Nähe des in den Fußboden eingelassenen Stolpersteins tritt.

Die Wucht des Eindrucks der Augen, Ohren und Mund verschließenden Frau soll den Besucher ins Herz treffen. Sie symbolisiert die schweigende Mehrheit der Bevölkerung, die nicht einmal dann aufbe- gehrt, als spätestens im Juni und August 1942 unmittelba- re Nachbarn verschwinden:

Alle jüdischen Mitbürger aus Hofheim, Wallau und Dieden- bergen, die sich nicht recht- zeitig in Sicherheit gebracht haben, werden verhaftet und deportiert. Die wenigsten überleben KZ und Arbeitslager.

O. W. Roederstein: Lebensweisheit oder Drei weltabgewandte Frauen. Tempera auf Leinwand, 1926

48 Für anregende Gespräche und wichtige Hinweise danke ich Roswitha Schlecker, Stadtarchiv Hofheim.

Anna Schmidt, Hofheim 1933 bis 1945. Sieben Gemeinden im Nationalsozialismus. Beitr. Kultur- und Stadtgeschichte 12 (Hofheim 2005).

Zeitzeugengespräch „Vergiftet mit Nazi-Ideologie“. Wiesbadener Kurier 10. März 2010

f Leinwand, 1926 O. W. Roederstein: Lachender Hitlerjunge mit Apfel. Öl auf Leinwand, 1937

49 Papa, feiern denn Er setzte den Hohepriester Jahres 165 v.d.Z. eingeweiht die Christen auch Jason ein, der ein Freund der wurde. Weihnachten? griechischen Kultur war. Eines Tages kamen Soldaten Da die Besatzer den Tempel- Eine kleine Einführung des Königs in das Dorf Modi’in. leuchter mit sich genommen in das Chanukka-Fest Dort zwangen sie den Gemein- hatten, fertigten sie eine ein- devorsteher Mattitjahu, grie- fache Menora an und zünde- Daniel Kempin chischen Göttern zu opfern. ten sie sogleich an, obwohl Der weigerte sich jedoch. Als das hierfür benötigte kosche- ein Jude bereit war, das Opfer re Öl eigentlich nur für einen … Gut, ich gebe zu, dieser zu bringen, zog Mattitjahu Tag ausreichte. Doch durch Titel ist leicht verwirrend und sein Schwert und tötete ihn. ein Wunder brannte es acht provokativ. Und doch ist Cha- Tage lang, bis neues Öl ver- nukka wahrscheinlich das pro- Das war das Signal: fügbar war. blematischste Fest, das wir Ju- Seine Söhne stürzten sich auf den feiern. Zumal schon seit die syrische Besatzung, töteten Man kann auch in wenigen Jahrhunderten eigentlich nicht viele und verjagten die Übri- Worten das Fest über die geklärt ist, was genau wir da gen. Sie selbst flohen in die Bräuche erläutern. Zum Bei- feiern! Berge, sammelten Aufständi- spiel anhand der Chanukka- sche und setzten von dort die Feier, die ich seit vielen Jahren, Zunächst einmal sind die histo- Kämpfe fort. Nach dem Tod zusammen mit Herrn Erich rischen Hintergründe, so wie des Vaters wurde sein Sohn Rohan, immer wieder für die es seit Jahrhunderten tradiert Jehuda – mit dem Beinamen Gesellschaft für Christlich-Jü- wird, schnell erzählt: Makkabi – sein Nachfolger dische Zusammenarbeit im Vor 2200 Jahren wurde das und Anführer des Aufstandes. Main-Taunus-Kreis musikalisch Land Israel von einer syrischen und inhaltlich anleite: Familie beherrscht, den Seleu- Als Antiochus erneut Solda- kiden. König Antiochus IV ver- ten schickte, zogen ihnen die In Erinnerung an die Tempel- hielt sich wie ein Tyrann. Makkabäer – wie sie sich fort- weihe zünden wir die Kerzen an nannten – entgegen und der Chanukkia mit all ihren Er verbot jüdische Gottesdienste, schlugen sie. Sie zogen nach Segnungen und Gesängen drohte jedem, der den Schab- Jerusalem, betraten den Tem- („hanerot halalu“ und „ma’os bat hielt, mit dem Tod und pel und reinigten ihn von zur“) an. (Während der acht verbrannte Thorarollen. Götzenstatuen. Jehudas An- Tage wird im jüdischen Haus- hänger bauten einen neuen halt jeweils eine zusätzliche Altar, der am 25. Kislew des Kerze an dem speziellen neun-

50 armigen Chanukka-Leuchter Während der erste Name eine angezündet.) Dann singen wir spirituelle Dimension birgt besondere Chanukka-Lieder, (die Wiedereinweihung des essen Sufganiot (in Öl gebak- Tempels) nimmt der zweite kene Pfannkuchen oder Krap- Name eher Bezug auf das fen) und spielen das Drejdl- Ausruhen von den Kämpfen. Spiel (ein Kreiselspiel), das mit Und genau in dieser Span- seinen 4 Buchstaben ebenfalls nung zwischen militärischem an das Öl-Wunder erinnert. Sieg und Vergeistigung liegt Durch das Kerzen-Licht, die das Fest. Musik, die Erläuterungen und Gespräche entsteht eine sehr Die Folgegeschichte der Makka- spezifische Atmosphäre. bäer macht das deutlich. Sie, Gerade diese Feier in der CJZ die als Fundamentalisten jeg- hat das Potenzial zu einer ech- liche Abweichung von der ten, vertrauensvollen Begeg- „Norm“ verschmähten, sie, nung! die das hellenistische Juden- tum als Assimilation abtaten Was also soll an Chanukka und bekämpften, ohne den problematisch, was so verwir- spezifisch jüdischen Reichtum rend sein? der jüdisch-hellenistischen Phi- Zunächst ist der Name im losophie goutieren zu können: wörtlichen Sinne doppeldeutig: „Chanuka“ heißt übersetzt „Einweihung“, gemeint ist al- so die Wiedereinweihung des Tempels. Gleichzeitig wird der Name als „chanu ka“ gelesen.

Da jeder hebräische Buchsta- be auch einen Zahlenwert hat und das Verb chana „lagern“ bedeutet – heißt die Übertra- gung also: „Sie ruhten am fünfundzwanzigsten (des Monats Kislew).“ Chanukka 2012

51 Gerade sie hielten sich in der Hier wird nicht nur Vergangen- Chanukka war z.B. kein Fest, Folgezeit nicht an die Thora, heit vergegenwärtigt sondern an dem es Geschenke gab – missachteten die thoragebo- religiöse Tradition im Sinne der durch den Druck der christ- tene Trennung von Politik und Aufklärung säkular-national lichen Umwelt wurde es in Religion, indem sie als Priester umgedeutet! Europa und den Vereinigten auch das Königtum und die Staaten zu einem Geschenk- Heerführerschaft an sich rissen, Ein weiterer verwirrender fest. Und in der neuzeitlichen sich mit den Römern verbün- Punkt: Angesichts dessen, dass Assimilation gab und gibt es deten, politische Zweckehen Chanukka immer in der „dunk- Juden, die an „Weihnukka“ eingingen etc. len“ Jahreszeit gefeiert wird, Tannenbäume schmücken. um die Zeit der Tag-und-Nacht- Diese nennen sie „Chanukke- Diese Peinlichkeit ist ein zentra- Gleiche herum, liegt es in der Busch“… ler Grund, warum der Talmud Adventszeit und zumindest na- sich auf die spirituelle Dimen- he am christlichen Weihnachts- Zuweilen konnte es deshalb zu sion konzentriert, an die Legen- fest. folgender Begegnung kommen: de des Ölwunders erinnert "Aber Papa", fragte der kleine und den militärischen Sieg Bei beiden Festen spielt das jüdische Junge verstört, "feiern praktisch ausklammert. Licht eine zentrale Rolle. die Christen denn auch Weih- Erst mit der Entstehung des Hinzu kommt, dass es vor nachten?" Zionismus vor ca. 130 Jahren 2000 Jahren genau zu dieser Dieser Witz stammt aus der wurde die kämpferische Per- Zeit ein römisches Fest zu Ehren Zeit der Weimarer Republik, spektive wieder relevant. So von Saturn gab, an dem man als die assimilierten Juden in heißt es etwa in einem bekann- sich gegenseitig mit Kerzen Deutschland stark in die christ- ten Chanukkalied: beschenkte! lichen Bräuche eingebunden Angesichts der übermächtigen waren. „Damals in jener Zeit kämpf- Weihnachtsvorbereitungen der ten und befreiten uns die Mehrheitsgesellschaft hat man Das also ist das Verwirrende, Makkabäer. Aber in unseren im Judentum das eigentlich ist ein Grund, warum Chanuk- Tagen muss das ganze jüdi- weniger „gewichtige“ Fest ka ein Fest mit fragwürdiger sche Volk aufstehen und sich deutlich aufgewertet. Herkunft und schwierigem selbst befreien.“ Aussagegehalt ist: Das Fest, das an den Sieg über die assi- milatorischen Tendenzen in der hellenistischen Zeit erinnert, ist voll von der Übernahme nicht- jüdischer Bräuche!

52 Im „schlimmsten“ Fall sieht es Heilige Nacht – dann also so aus: Neben einem Erich Mühsam (1878-1934) – keltischen – Tannenbaum entzündet man – einem römi- Geboren ward zu Bethlehem schen Brauch zufolge – Kerzen, Geborenein Kindlein aus demward Stamme Sem. zu Bethlehem was einem etruskischen Göt- Und ist es auch schon lange her, zenritual entspricht. Und das einseit's Kindleinin der Krippe lag, aus dem Stamme Sem. alles für ein jüdisches Symbol so freun sich doch die Menschen sehr – den Tempel – welches heute bis auf den heutigen Tag. ebenfalls sehr umstritten ist. UndMinister istund Agrarier es auch, schon lange her, Bourgeois und Proletarier - Aber genau darin liegt der Reiz es feiert jeder Arier des Festes, genau deshalb ist seit'szu gleicher in Zeit der und überall Krippe lag, es schön, die Kerzen voller die Christgeburt im Rindviehstall. Selbstbewusstsein in der Öf- so(Das freun Volk allein, demsich es geschah, doch die Menschen sehr fentlichkeit auf Marktplätzen das feiert lieber Chanukka.) zahlreicher Städte oder eben bei der Gesellschaft für Christ- bis auf den heutigen Tag. lich-Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus-Kreis zu zün- den! Minister und Agrarier,

Der CJZ im Main-Taunus-Kreis danke ich von Herzen für ihre Bourgeois und Proletarier – engagierte und kreative Arbeit und wünsche ihr zu unserem es feiert jeder Arier 25-jährigen Bestehen ein herz- liches ??!??? – masal tow! zu gleicher Zeit und überall die Christgeburt im Rindviehstall. (Das Volk allein, dem es geschah, das feiert lieber Chanukah.) 53 Bericht über eine Ge- Es war schließlich eine Gruppe denkstättenfahrt nach aus 21 Personen, zwei Beglei- Polen im Oktober 2010 tern und 19 Teilnehmern zwi- schen 15 und 80 Jahren (Schü- Irene Krell ler und Schülerinnen, berufs- tätige Erwachsene mittleren „Erinnern und begegnen: Alters und zwei Senioren, da- Generationen gemeinsam auf runter der Großvater des jüng- den Spuren der Geschichte in sten Teilnehmers), die sich der Krakau und Auschwitz“ Herausforderung stellten, sich von dem vergangenen jüdi- So hieß 2010 eine Ausschrei- schen Leben in Krakau und bung des Jugendbildungswer- vor allem vom Vernichtungs- kes in Schwalbach/Taunus und lager Auschwitz vor Ort ein der Gesellschaft für Christlich- Bild zu machen, sich dem Jüdische Zusammenarbeit im Unfassbaren, dem Holocaust, Main-Taunus-Kreis e.V. für eine anzunähern, sich an den Mas- Gedenkstättenfahrt nach Po- senmord durch die National- Kleidung und Fotos von Opfern der Willkür len. (Beide Institutionen sind sozialisten und seine Millionen vertreten im Schwalbacher Opfer zu erinnern. Arbeitskreis „Kindheit und Ju- gend im Nationalsozialismus“, Die inhaltliche Vorbereitung der vor elf Jahren gegründet und Organisation des Projek- wurde mit dem Ziel, „die noch tes durch das Leitungsteam, gar nicht so lange zurücklie- dem Jugendbildungsreferenten gende Geschichte lebendig und einer Geschichtslehrerin werden zu lassen, damit zum des örtlichen Gymnasiums als Erinnern und Gedenken beizu- Mitglied der CJZ, erstreckte tragen und zu Wachsamkeit sich über ein Jahr und geschah und persönlichem Engagement in Kooperation mit der Inter- aufzurufen,“ wie es in einer nationalen Jugendbegegnungs- Presse-Information der Stadt stätte (IJBS) O´swiecim¸ , der Schwalbach vom 14. Dezem- pädagogischen Abteilung des ber 2010 heißt.) Staatlichen Museums Au- schwitz-Birkenau und dem Pädagogischen Zentrum Frank-

54 furt/M. des Fritz-Bauer-Insti- der Auseinandersetzung mit der Auschwitz-Birkenau in tuts und des Jüdischen Muse- Plakat- und Textsammlung „Die O´swiecim,¸ wie der offizielle ums in Frankfurt. Gegenwart von Auschwitz“ Titel heißt. fanden sich die Mitglieder in Die Generationen übergreifen- Kleingruppen zusammen und Wir hatten zwei kundige und de Gruppe etablierte sich in entwickelten Themen und engagierte Führerinnen, hör- einem Treffen zum gegensei- mögliche Fragestellungen für ten einen Vortrag in der tigen Kennenlernen. Viele be- eigene Recherchen vor Ort. Kunstabteilung, nahmen teil wegte die Frage: Wie sollen wir an einem Zeitzeugengespräch mit dem, was auf uns zukom- Krakau war unser erstes Ziel. mit Kazimierz Smolen, einem men würde, mit dem Thema, Nach einem Rundgang durch ehemaligen Häftling und dem seinen Fakten und unseren die heutige Stadt war der späteren Leiter der Gedenk- Gefühlen, mit uns – jung und Schwerpunkt eine Führung stätte Auschwitz I, arbeiteten alt – umgehen? durch das ehemalige jüdische mit Dokumenten im Archiv des Viertel Kazimierz mit dem Be- Museums und mit Literatur in Eine erste Runde über die ei- such zweier Synagogen und der Bibliothek der IJBS, be- genen Motivationen zur Teil- des alten jüdischen Friedhofs, schäftigten uns in einem ange- nahme gab einen tiefen Ein- eine Führung durch das ehe- leiteten Workshop mit der blick in die unterschiedlichen malige Krakauer Ghetto und Vernichtung der europäischen Beweggründe. Insbesondere die Gedenkstätte Apotheke Sinti und Roma und schauten die sichtlich emotionale Aus- „Zum Adler“, ferner ein Be- uns in kleinen Gruppen einige sage eines erwachsenen Teil- such der Fabrik Oskar Schind- der „nationalen“ Ausstellungen nehmers mit jüdischem Fami- lers. Am Abend vorher hatten in den ehemaligen Baracken lienhintergrund stellte eine wir gemeinsam den Film an. Auch vom heutigen Städt- sehr persönliche und offene „Schindlers Liste“ als Vorbe- chen O´swiecim¸ konnten wir Gesprächssituation her, die reitung gesehen. in einem Rundgang mit Besuch für den Austausch über viele der Synagoge und des jüdi- unserer gemeinsamen Erfah- Ausgehend von unserem schen Friedhofs einen Eindruck rungen während der einwö- Standort in der Internationalen gewinnen. chigen Reise typisch und hilf- Begegnungsstätte in O´swiecim¸ reich werden sollte. verbrachten wir anschließend Diese Aufzählung hört sich vier Tage in der Gedenkstätte ganz sachlich und geordnet Ein danach folgender Tages- Auschwitz I (ehemaliges an, so wie das Programm der workshop diente dem inhalt- Stammlager) und Auschwitz II Fahrt es auch vorsieht. lichen Einstieg der Teilnehmer (Vernichtungslager Birkenau), in das Thema. Ausgehend von also im Staatlichen Museum

55 Unsere Gedanken und Gefüh- Nach einem letzten Aufenthalt von meiner Familie und von le über die vielen Eindrücke, auf dem weiten Gelände des denen, die mit uns zusam- unsere Betroffenheit und unse- Vernichtungslagers und der men waren, wusste, was Au- re Trauer, das nicht begreifen Möglichkeit, alleine, zu zweit schwitz ist und dass so eine können an einem Ort, an dem oder in kleinen Gruppen einen Sache existiert, so ein geo- eineinhalb Millionen Menschen Ort, einen Platz aufzusuchen, graphischer Punkt existiert.“ getötet wurden, der heute der einen besonders berührt „Museum“ heißt und als hatte, wollten wir gemeinsam Wir kannten – auch vor der Gedenkstätte von vielen Men- Abschied nehmen von Au- Fahrt – das Wort Auschwitz, schen besucht wird, spiegelt schwitz. Wir trafen uns vor dem hatten mehr oder auch weni- sie nicht wider. Mahnmal, das in allen Sprachen ger Kenntnisse über diese der Opfer und Toten ihrer ge- „Sache“, den Holocaust. Der All das hatte Platz in der all- denkt. Im Kreis stehend, uns Flyer sagt auch: „Aber wer abendlichen Auswertung des an den Händen fassend hör- kann sich wirklich (heute) eine Erfahrenen in der Gruppe, im ten wir noch einmal den Text Vorstellung davon machen?“ Nachdenken und im Austausch von Arieh Ben-Menachem, Wir verließen Auschwitz mit über Gesehenes und Erlebtes. der uns schon von der Aus- dem Gefühl, durch die Anwe- Das unterschiedliche Alter der schreibung der Fahrt auf dem senheit und Recherche vor drei Generationen spielte da- Flyer bekannt war: „Das Wort Ort, die direkte Konfron- bei keine Rolle. Auschwitz kannte keiner. tation und aktive Aus- Keiner aus unserem Waggon, einandersetzung

56 mit dem Schicksal der Opfer, Die Eröffnung der Ausstellung ben“ zu lesen und Fragen aus von denen sehr viele für uns „Fragmente von Auschwitz“ dem Publikum zu beantworten. ein Gesicht bekommen hatten, im Bürgerhaus Schwalbach „Die Wahrheit erben“, das wenigstens eine Ahnung von fand statt im Januar 2011, als hieß für unsere Reise nach Po- den Dimensionen des Massen- Beitrag zum Tag der Befreiung len, den Spuren der Schreckens- mordes zu haben. Und wir wa- von Auschwitz, dem 27. Januar, herrschaft der Nazis zu be- ren dankbar für die hilfreiche, der in Deutschland seit 1996 gegnen, sich gedanklich und Generationen übergreifende, und international seit 2005 emotional auf sie einzulassen gegenseitige Unterstützung. offizieller Gedenktag aller Op- und diese Erfahrung später Diese Reise-Erfahrungen soll- fer des Nationalsozialismus ist. weiterzugeben. Einen Besuch in ten – das war vorgesehen als der Gedenkstätte Auschwitz fester Bestandteil des Projekts Wir durften dazu einen beson- kann man nicht vergessen. – ihren Ausdruck in einer Aus- deren Gast willkommen heißen: stellung finden, die unsere Die 85-jährige Cellistin Anita persönlichen Texte und Fotos, Lasker-Wallfisch, eine der letz- ausgewählte historische Do- ten Überlebenden des Mäd- kumente, Quellen und Litera- chenorchesters von Auschwitz, turauszüge, strukturiert war unserer Einladung gefolgt und professionell auf- und kam eigens aus London, bereitet zusammen- um aus ihren Lebenserinnerun- stellte. gen „Ihr sollt die Wahrheit er-

57 Israelreisen der # CJZ Main-Taunus

Gerda Eckhardt

„Freut euch mit Jerusalem und palästinensischen Konfliktes“ seid fröhlich in ihr alle, die ihr zur Sprache, die uns verwirr- sie liebt.“ Jesaia 6 Vers 10 ten und belasteten. Wir lern- Dieser Vers stand als Motto ten, dass die innenpolitische über der CJZ-Reise nach Israel Lage des Landes so vielfältig mit Schwerpunkt Jerusalem im ist, dass man als Außenstehen- Frühjahr 2012. Naiv, blauäugig, der kaum durchblickt und oft schwärmerisch angesichts der mit mehr Fragen als Antwor- komplizierten, teilweise depri- ten zurückkehrt. Fragen zum mierenden politischen Lage Beispiel, warum die vielen im Land? Friedensaktivitäten auf beiden Seiten bisher nicht zu mehr Seit 1995 bieten wir Studien- Sicherheit und Akzeptanz des oben: Reisegruppe und Begegnungsreisen nach jeweils anderen geführt haben. S. 59: Menora in Jerusalem Israel und Palästina an. Wir finden dort landschaftliche, Einige Teilnehmer haben das religiöse, archäologische, kul- Land mit uns mehrfach besucht, turelle und historische Vielfalt eine Gruppe aus dem Jahr 2005 auf engem Raum, dazu Begeg- trifft sich noch heute alle 4 nungen mit Bürgern und Bür- bis 6 Wochen. Wir lesen die gerinnen des jungen Staates, Informationen aus und über mit Überlebenden des Holo- Israel sehr aufmerksam und caust, mit Frauen und Männern kritisch. Wir wissen, dass un- der 2. und 3. Generation und sere Sicht nur begrenzt sein nicht zuletzt mit Palästinense- kann. Es bleibt die Hoffnung rinnen und Palästinensern, die auf Annäherung und gegen- wir auf jeder Reise in Bet Jalla seitiges Verständnis. Und es und Talitha Kumi trafen. bleiben auch die faszinieren- den Eindrücke, die Schönheit Da kamen die unterschiedlichen und die Besonderheiten des Sichtweisen des „israelisch- kleinen Landes.

58 Reisebericht einer Teilneh- ven Bewässerungssystem eine Miteinander. Was ich jedoch merin der Israelreise vom hohe landwirtschaftliche Nut- gelernt habe ist, dass sich die 26.03. bis 02.04.12 zung erzielen. Situation wesentlich vielschich- tiger und auch komplexer dar- Magdalena Feldhoffer Neugierig war ich vor allem stellt als es mir durch die west- auf die kulturell und historisch lichen Medien vermittelt wird. Als ich meinen Freunden erzähl- interessanten Orte in und um Für mich persönlich war und te, dass ich eine Woche nach Jerusalem. Unsere sehr sym- Israel in Urlaub fahren möch- pathische, äußerst kompeten- te, haben die meisten mit „Es te und belesene Reiseführerin ist doch viel zu gefährlich. Hast mit ihrem fast unerschöpflichen Du denn keine Angst?“ reagiert. Wissen hat uns auf sehr inte- Um es gleich vorweg zu neh- ressante und unterhaltsame men, ich hatte während mei- Weise die Vielfalt und die Zu- nes Aufenthalts sowohl in der sammenhänge der Kultur und Westbank als auch in Jerusa- Geschichte vermittelt. lem nie ein Gefühl der Bedro- hung oder Angst. Auch die Gespannt war ich vor allem wenigen Soldaten, die an darauf, wie sich die politische zentralen, touristisch stark Situation darstellt. Wir hatten frequentierten Orten präsent glücklicherweise die Möglich- waren, fielen kaum auf und keit sowohl mit einem palä- waren bei Kontaktaufnahme stinensischen Bewohner der uns gegenüber freundlich. Westbank als auch mit einem Rabbiner, der in den Siedlun- ist diese eine Woche in Israel Schön fand ich die abwechs- gen lebt, zu sprechen. Beide eine Bereicherung, weil ich in lungsreiche Landschaft mit den haben sehr offen über ihre dieser Woche zumindest einen Hügeln, Tälern und Wäldern. Sicht der Situation und ihre kleinen Einblick in die Geschich- Ebenso die Wüste, die wir Willen zu einem Miteinander te, Kultur, Wirtschaft und Po- aufgrund des Regens in den anstatt eines Gegeneinander, litik bekommen habe. Zusätz- Wochen davor blühend erle- aber auch über das tief verwur- lich ist das doch recht einsei- ben konnten. Beeindruckt hat zelte gegenseitige Misstrauen tige Bild vom Land und Staat mich, wie die Menschen den gesprochen. Obwohl ich beide Israel, das ich vor meiner Rei- kargen Böden trotzen und aus Ansichten nachvollziehen kann, se hatte, für mich nun zumin- den angelegten Terrassen mit sehe ich noch einen sehr lan- dest etwas differenzierter einem effizienten und effekti- gen, mühsamen Weg für ein geworden.

59 Auf der Suche nach Jüdischen Gemeinden im Main-Taunus-Kreis

Der am 23. Januar 2005 verstorbene Redakteur des Höchster Kreisblatts Jürgen Dehl hat diesen Artikel an- lässlich des 10-jährigen Jubiläums der CJZ für die damalige Festschrift verfasst.

Ulrike Milas-Quirin (Hattersheim), Roswitha Schlecker (Hofheim), Dr. Dietmut Thilenius (Bad Soden), Rudolf Eckl (Wallau) ergänzen die jeweiligen Orts- chroniken für diese Ausgabe der Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum der CJZ.

60 Flörsheim Vielleicht gibt es einen gewis- Vielleicht gelingt es, einmal sen Zusammenhang mit der aus dem Staub der Jahrhunder- Der 27. November 1095, ein Ersterwähnung eines Juden in te Genaueres über das Alter verhängnisvoller Tag für die Flörsheim aus dem Jahre 1290. der Gemeinde herauszulesen Judenheit Mitteleuropas. Das Die sozialpsychologischen und oder die Lage des alten, des Konzil in Clermont neigte sich mentalitätsgeschichtlichen Aus- ersten, Friedhofs zu finden. dem Ende zu. Papst Urban II wirkungen waren katastrophal. 1447 wird im Gerichtsbuch (1088-1099) rief zur Waffen- Die antijüdische Gesetzgebung eingetragen: „Claus Mülich hilfe für die Christen im Vor- der Kirche schien den Christen hat ein Gang gegangen ein deren Orient auf. Muslime be- erst jetzt bewußt geworden Zweitel Wingert an dem Jud- drohten deren Existenz. Der zu sein. Trefflich ließen sich din Kerchhof und sein gewest Nachfolger Petris unterschied damit Vorurteile nähren. dem Hein Fluden.“ Von da an klar zwischen Gläubigen und Obendrein wurde der Katalog geistert dieser Friedhof mehr- Ungläubigen. Als Lohn ver- antijüdischer Gesetze Schlag fach durch die Urkunden. Der sprach er den Teilnehmern die- um Schlag erweitert. Friedhof ist Juden ein heiliger ses ersten Kreuzzuges Nachlaß Ort. Man entsinne sich an aller kirchlichen Bußen. Juden sahen sich verstärkt als verschiedene Auseinanderset- eine vom Leiden geprägte zungen, die es in jüngerer Wanderprediger verbreiteten Schicksalsgemeinschaft. Mehr Zeit gab, als in Deutschland die Kunde, groß war die Re- und mehr wurden Juden abge- Friedhöfe bebaut werden soll- sonanz. Fanatisierte, ungeord- sondert, ins Abseits gedrängt. ten. Unzerstörbar sollte das nete Haufen zogen los und Lebten viele zuvor quasi Haus- „Haus der Ewigkeit“ (Beth übten das Töten vor der eige- tür an Haustür mit Christen, Olam) sein. Ruhe sollte der nen Haustür an den „Ungläu- wurde das bald unmöglich. Mensch hier finden bis zum bigen“ im eigenen Land. Sondersteuern. Kleiderordnung Jüngsten Tag. Wer sich nicht taufen ließ und andere diskriminierende oder flüchten konnte, wurde Aktionen gehörten zur Tages- Im 16. Jahrhundert duldete erschlagen. Allein in Mainz, ordnung, hinterließen im Kurmainz keine Juden. Wohin eine Jüdische Gemeinde ist Durchschnittsmenschen die Menschen verschwunden dort seit 900 nachweisbar, Spuren. sind, was aus dem ersten Fried- brachten die Kreuzritter 1014 hof wurde, weiß niemand. Juden um. Die Flörsheimer Gemeinde Diesem Pogrom folgten ande- dürfte die älteste im gesamten Während des Dreißigjährigen re. Die Überlebenden aus den Rhein-Main-Gebiet gewesen Krieges lebten wieder Juden Städten suchten in kleinen Ge- sein. Groß war sie nie. in Flörsheim. Bettelarm wand- meinden ein Unterkommen. ten sie sich 1624, 1625 und

61 1627 an das Mainzer Domka- beteiligten sich, wird um die Es handelte sich um einen pitel und baten darum, man Erlaubnis gebeten, einen Be- Acker von fünf Ruten. Dafür möge ihnen das Schutzgeld gräbnisplatz einrichten zu mußten drei Gulden und 15 erlassen. In friedlichen Zeiten dürfen. Unmöglich sei es, die Albus gezahlt werden. 15 Al- würden sie es gerne wieder vielen Toten nach Mainz zu bus Zinsen bekam jährlich die zahlen. Durch diese ersten Ein- schaffen. Der Bitte wird statt- Gemeinde Flörsheim. 1785 kam gaben werden erstmals Namen gegeben. Zugewiesen wird es zwischen den Flörsheimern bezeugt: Jeekus (Jakob), Mi- ein Gelände „über der Bach, und den Hochheimern zum chael, Nathan und Henlein, bei den Eichbäumen gelegen.“ Streit, der Ende des 19. Jahr- die Frau des kranken Nathan. Im Anhang des Memorbuches hunderts erneut aufflammte. 1639 leben wieder neun jüdi- von 1852 (das alte wurde bei Die Auseinandersetzung end- sche Familien in dem Fischer- einem Feuer in der Synagoge ete damit, daß die kleine jü- und Bauernort. vernichtet) wird der Stifter des dische Gemeinde Hochheims Friedhofes genannt: 1909 eine eigene Begräbnis- Sie betrieben Klein- und Vieh- stätte einrichtete. handel. Einer lieferte, wie es „Man soll gedenken zur Ewig- Bis 1672 waren die Gottes- aus Abrechnungen siehtbar keit seiner Seele dem Herrn dienste in einem Privathaus. wird, 1664 für den Bau der aus Dresden, Rabbi oder Mei- Es gehörte Leser, der sich mit Kirche Nägel und Stricke. ster Abraham, der Sohn von einem Gesuch an das Dom- Diese ersten Juden nach der Abraham Lazarus Löwi in kapitel wandte. Lesers Haus Vertreibung fanden den alten Flörsheim am Main, daß er sich war abgebrannt, er wollte ein Friedhof nicht mehr vor. Sie ein starke Mühe und Arbeit neues erwerben. Gleichzeitig mußten ihre Toten in Mainz geben von wegen Gerechtig- bat Leser um Befreiung von bestatten. Und zwar im „Ju- keit den Gemeindejudenbe- der Judenschule (Synagoge]. densand“ außerhalb der Stadt gräbnis zu kaufen und gleich Daraufhin erwarb die Ge- am Hang oberhalb der Mom- bar bezahlt. meinde am 11. Oktober 1710 bacher Straße. 1666 hielt der Flörsheim im Jahre Tebeth und ein Grundstück. 1718 konnte Schwarze Tod reiche Ernte in kleinen Judenjahr (die Tausen- am Shabbat Nachamu (Juli) Flörsheim. Erneut bitten die der werden dabei weggelassen) die Synagoge eingeweiht wer- Juden um Nachlaß des Schutz- 471, nach dem Christjahr 1679, den. Die Flörsheimer unter- geldes, da sie weder handeln Monat Februar.“ standen dem Rabbiner von und wandeln könnten und im Erstanden wurde das Grund- Bingen. Ein Name ist überlie- Ort quasi eingeschlossen seien. stück von „Andreas Klein hin- fert: Rabbi Afron Theomim terlassener Witwe“ und „auf (1721-1768), ein gebürtiger In einer anderen Eingabe, ewige Zeiten“. Frankfurter. Bescheiden feierte auch die Hochheimer Juden die Jüdische Gemeinde 1918

62 das 200. Jubiläum ihrer Syna- vertretung eingefunden. Unter diesem Bericht wird an- goge. Wieder einmal wütete Ferner Vertreter der katholi- gemerkt: „Der Vorstand der Krieg und deshalb schien den schen und evangelischen Kir- isr. Gemeinde teilt uns mit: Juden eine große Feier nicht chengemeinde, Hr. Rektor Bretz Da wir von jeder äußeren angebracht. als Vertreter der Lehrerschaft Feier in Anbetracht der schwe- und Herr Wachtmeister Zerfaß ren Zeit absehen, haben wir Die „Flörsheimer Zeitung“ für die Gemeindebeamten. dem Herrn Bürgermeister berichtete am 20. Juli 1918: Außerdem füllten verschiedene Lauck 300 Mark für die hiesi- „Die Bewohner der oberen hies. Einwohner das festlich gen Armen überwiesen.“ Hauptstraße, die Nachbar- geschmückte Gotteshaus. Einige Tage später bedankt sich häuser des Gotteshaus hatten Nach der Verlesung der hl. die Jüdische Gemeinde mit Flaggenschmuck angelegt. So Schrift und eines Segensspru- einer Anzeige in der „Flörs- wie unsre hiesigen israeliti- ches für die Gemeinde Flörs- heimer Zeitung“ für die ge- schen Mitbürger allezeit Leid heim, den der Wiesbadener schmückten Häuser. und Freud in unsrer Gemein- Kantor Herr Kapell mit präch- de mitgetragen haben, wie tiger Stimme hebräisch vor- Die Heimatzeitung hatte ei- sie bei unseren kirchlichen trug, begann die Festpredigt nen illustren Mitarbeiter: Ja- Festen und Prozessionen stets Sr. Ehrwürden des Herrn kob Altmaier (1889-1963), der würdig ihren reichen Teil zur Bezirksrabbiners Dr. Kober, sich „Gänsekippelschorsch“ Verschönerung mitgetragen, Wiesbaden. nannte. Er entstammte einer wie unsre hiesigen jüdischen alten Flörsheimer Familie. Einwohner immer mit Rat und Er hatte seinen tief durchdach- Am 14. September 1840 gibt Tat und hohem Opfersinn am ten Worten die Bibelverse Maier anläßlich der Geburt Wohlergehen unserer Gemein- unterlegt: „Die Blumen ver- seiner Tochter Fanny bekannt, de gearbeitet, die Anerkennung dorren, das Gras welkt, das daß er fortan Altmaier heiße. und die Liebe Flörsheims hat Wort Gottes besteht ewig!“ Die Familie spielt bald eine sich heute sichtbar gezeigt.“ ( ... ) „Mögen die hohen Wor- wichtige Rolle in Flörsheim. te bestehen bleiben, möge in Um neun Uhr hatten sich in allen kommenden Geschlech- Israel Altmaier ist Mitbegrün- der hiesigen Synagoge als Ver- tern der Geist der Gemeinsam- der des Männergesangvereins treter der Gemeinde und des keit wie wir ihn heute sehen, „Sängerbund“. Er wanderte Kgl. Landratsamtes Herr Bür- weiter blühen zum Wohle nach USA aus, wo er mit 90 germeister Lauck, Herr Beige- Flörsheims und zum Heil aller Jahren starb. Sein Neffe Josef ordneter Reimer sowie die Einwohner. Das walte Gott!“ feierte 1928 seine 50jährige Mitglieder des Gemeindevor- Mitgliedschaft im Verein. Er standes und der Gemeinde- war Gemeindeältester der Jü-

63 dischen Gemeinde und ehren- 1954 ernannte ihn Flörsheim meinde Flörsheim hat im Jahre amtlicher Chasan (Kantor). zum Ehrenbürger. Altmaier 1946 ihn wieder hergerichtet; Sein Sohn Martin, in Auschwitz pflegte persönliche wie politi- den Toten, die fern der Heimat ermordet, folgte ihm in die- sche Kontakte in aller Welt. starben, zur Ehre und zum sem Amt. Er war mit dem serbischen Kö- Andenken, den Lebenden zur nig Alexander, 1934 ermordet, Mahnung, den Vertriebenen Jakob Altmaier besuchte die befreundet, kannte die ame- zum Trost und Allen zum höhere Schule in Höchst und rikanischen Präsidenten Eisen- Frieden! Die Gemeinde Flörs- absolvierte anschließend eine hower und Kennedy. Auch mit heim am Main.“ Die anrühren- kaufmännische Lehre in Frank- den Päpsten Pius XII. und Jo- den Worte verhinderten nicht, furt. Schon früh widmete er hannes XXIII. traf er zusammen. daß 1993 der Friedhof erneut sich dem Journalismus und Am 8. Februar 1963 starb er geschändet wurde. schrieb für die „Frankfurter in seinem Büro im Bundeshaus. Volksstimme“. Mit eigenwilli- Sein Grab ist auf dem Flörs- Augenscheinlich treibt in man- ger Treue hing er an der „Flörs- heimer jüdischen Friedhof. chen Köpfen noch ein Denken heimer Zeitung", Selbst wäh- sein Unwesen, das Berthold rend seines Militärdienstes im Im Hause des Künstlers Tho- Auerbach (1812-1882) als Ersten Weltkrieg schickte er mas Reinelt fand sich eine alte Kurgast 1842 in Weilbach er- als „Gänsekippelschorsch“ Mikwe (Ritualbad], die von lebte und in seinem "Tagebuch Beiträge. dem Künstler restauriert wur- aus Weilbach" festhielt. "Es ist Später war er Korrespondent de. 1947 errichtete die Stadt nun auch im Dorfe bekannt, der „Frankfurter Zeitung“ und auf dem Friedhof ein Mahn- daß ich ein Jude, d. h. im Ju- des „Vorwärts“. Zudem ist er mal mit hebräischer Inschrift: denthum geboren bin; die Mitarbeiter englischer, fran- „Hier ruhen die Angehörigen Tochter meines Nachbars sag- zösischer und serbischer Blät- der jüdischen Religionsge- te mir ganz ehrlich: „Ei, ich hab' ter gewesen. Als überzeugter meinschaft von Flörsheim, ja gehört, sie sind ja kein Herr, Sozialist nahm er am Spani- Hochheim, Eddersheim und sie sind ja ein Judd.“ ( ... ) schen Bürgerkrieg teil. Wäh- Weilbach. Ihre letzten Frauen, „Einige Bauern behandeln mich rend des Dritten Reiches lebte Männer und Kinder wurden minder freundlich ( ... ) seitdem er in Frankreich und Kairo. unter der Herrschaft der Ge- sie wissen, daß ich ein Jude bin 1949 kehrte er nach Deutsch- walt um ihres Glaubens und ...“ Kurgast Auerbach wurde land zurück. Im Wahlkreis ihrer Rasse willen geächtet, einige Jahre später zum „Erfin- Hanau Gelnhausen – für die verfolgt, beraubt und vertrie- der“ des deutschen Heimat- hiesige Gegend mochte er ben, ihr Gotteshaus zerstört romans. Seine „Schwarzwäl- nicht antreten – wurde er in und dieser 600jährige Gottes- der Dorfgeschichten“ werden den Bundestag gewählt. acker geschändet. Die Ge- heute noch bei Reclam verlegt.

64 Namentlich taucht in der Hof- heimer Kellereirechnung ein „Freigam" (Ephraim?) aus Hat- tersheim schon 1653 auf. Er wird auch 1655 und später dort genannt und als Krämer des Ortes bezeichnet. Möglich, daß der Anonyme mit „Frei- gam" identisch ist. Zwei jüdi- sche Einwohner gab es 1663, 1729 lebten drei jüdische Fa- milien im Ort und 1735 ent- Hattersheim richteten sieben Familien Schutz- geld. Schon 1705 soll es eine Drei Gulden mußte er für die Der Mann hätte als Jude we- Synagoge gegeben haben. „Befreiung“ von „Hut“ und der das Feld hüten dürfen (Hut) "Wacht" zahlen. Säuberlich hielt noch offiziell Feuerwehr oder Offenbar lebten die Hatters- es der Schreiber in der Liste Polizist (Wacht) spielen dürfen. heimer Juden vom Viehhandel, „Einnahm geldt: In gemein“ Er ist seines Glaubens und sei- spätere Dokumente legen das aus dem Jahre 1659 fest. Doch ner Abstammung wegen ein nahe. Protokolliert wurden nur Christen haben in dieser weitgehend rechtloser Mensch zwischen April 1788 und März frühen Buchhaltung einen gewesen, der keinerlei öffent- 1789 insgesamt 48 Viehverkäu- Namen, bei diesem Einzahler liche Aufgaben übernehmen fe. Nur bei sechs dieser Geschäf- reichte der Vermerk „Vom Ju- durfte. te war kein Jude beteiligt. den“. Befreiung?

65 Im 18. Jahrhundert glich die erst einmal abgelehnt. Erteilt nachbarliche Synagoge. Karte Deutschlands einem wurde die Genehmigung erst Durch einen Juristenstreich Flickenteppich. Landes- und 1765, doch sollten die Okrif- hatten sie 1779 ihre Synago- Hoheitsgrenzen gab es an jeder teler für dieses Recht fünf ge verloren. Als sich 1788 die zweiten Ecke. In Eddersheim Reichstaler zahlen. Die Juden- Gelegenheit bot, griffen die lebten 1694 vier jüdische Fa- schaft Okriftel hatte nicht Hofheimer Juden zu. Sie er- milien, die zur Gemeinde Flörs- mehr viel von dieser dubiosen warben ein Wohnhaus und heim gehörten.So gehörte der Gnade. 1775 gab es noch gestalteten es zur Synagoge. heutige Stadtteil Okriftel im vier jüdische Familien im Ort, Das vorläufige Problem im 18. Jahrhundert zu Ysenburg, 1781 nur noch zwei. Hintergrund: In beiden Ort- die Dörfer Eddersheim und schaften lebten nur acht reli- Hattersheim waren kurmain- 1788 wandte sich der Hatters- gionsmündige Männer. zisch. Den Okrifteler Juden heimer Abraham Moyses im schaffte das besondere Proble- Namen der Schutzjuden an Schließlich verpflichteten die me. Die ersten jüdischen Okrif- die Mainzer Landesregierung. Hofheimer zwei Männer aus teler werden 1733 und 1753 Seit über 80 Jahren sei es den Diedenbergen, um den Minjan erwähnt. Sie sollen die Hatters- Juden Hattersheims erlaubt, aufzufüllen, die Hattershei- heimer Synagoge besucht ha- eine Synagoge zu unterhalten. mer zwei aus Okriftel. Daß ben. Mit welchem Kniff diese Dafür würde auch eine jährliche eine Gemeinde Beter tatsäch- Menschen das am Shabbat Abgabe geleistet. Nun wolle lich hinzukauft um ein religiö- geschafft haben, ohne gegen die Hofheimer Judenschaft ses Gebot zu erfüllen, ist da- ein fundamentales Gebot zu erreichen, daß die Hattershei- mals so selten nicht gewesen. verstoßen, ist nicht überliefert. mer nach Hofheim in die Sy- Die Hattersheimer Juden des nagoge sollten, denn ohne 18. Jahrhunderts sind alles An der Grenze mußten Juden die Hofheimer würde es in andere als reiche Leute gewe- Leibzoll entrichten. Am Shab- Hattersheim keinen Minjan sen. Doch 1795 scheinen sie bat jedoch darf ein Jude kein mehr geben. Abraham Moy- einen Tiefpunkt durchschrit- Geld bei sich tragen. Dieses ses erwähnte auch, daß die ten zu haben. Der Amtsvogt Problem führte 1761 zu einer Hattersheimer Synagoge die berichtete dem Oberamt über Eingabe der Okrifteler Juden- älteste im Amt sei. die Synagoge, daß sie ein al- schaft an die Obrigkeit. Nun tes Häuschen in einem elenden gäbe es zehn religionsmündi- Augenscheinlich waren die Winkel bei einer Witwe sei. ge Männer (Minjan), somit Juden beider Ortschaften sehr Außerdem gäbe es in Hatters- könne man eigene Gottes- auf Eigenständigkeit bedacht. heim nur noch drei religions- dienste in einem Privathaus Die Hofheimer besuchten näm- mündige Männer, in Hofheim halten. Das Gesuch wurde lich bloß notgedrungen die seien es sieben.

66 Schon 1841 wird im Brand- Am 18. Mai 1943 teilt der Land- Die Frankfurter Historikerin An- kataster ein anderes Bild der rat des Main-Taunus-Kreises na Schmidt hat deren Schick- Synagoge geschildert. Das dem Hattersheimer Bürger- sal im Auftrag des Magistrats Gebäude, ein Fachwerkbau meister mit: „Nach heutiger untersucht. In ihrem Buch (Hat- (18 mal 9 Fuß) sei in gutem telefonischer Mitteilung der tersheim, Eddersheim, Okriftel Zustand. Zwei Jahre später Geheimen Staatspolizei in im Nationalsozialismus – Dik- wird ergänzt, Ziegeln würden Frankfurt ist die Jüdin S. M., tatur, Widerstand, Verfolgung das einstöckige Gebäude be- geborene D., geboren am 16. 1933-1945) hat sie 2008 die decken. Grund und Boden März 1874, wohnhaft dort- Ausgrenzung und Verfolgung waren der Gemeinde von Da- selbst, verhaftet worden. sowie die Zerstörung der Exis- vid Oppenheimer geschenkt Mit ihrer Rückkehr ist voraus- tenzgrundlagen der jüdischen worden. Ein Plan vom Mai sichtlich nicht mehr zu rech- Bevölkerung beschrieben. 1900, erstellt für das Nach- nen. Das Erforderliche ist zu barhaus wegen geplanter veranlassen.“ Handschriftlich Berichte über behördliche Umbauarbeiten, gibt genaue steht unter dem Getippten: Schikanen, über die Übergriffe Auskunft über die Lage der „1. Die Wohnung wurde von der Reichspogromnacht – be- Synagoge. der M. bei ihrem Weggang sonders in Okriftel und Hatters- abgeschlossen und die Schlüs- heim – sowie über die Vertrei- Die kleine Gemeinde nutzte sel mitgenommen.“ Und: „2. bung, Verschleppung und das Gebäude noch bis etwa Zu den Akten.“ Am 30. De- Ermordung der jüdischen Fami- 1909. Die 1905 eingeweihte zember 1943 unterrichtet der lien aus allen drei Stadtteilen Höchster Synagoge scheint den Landrat den Bürgermeister sind darin dokumentiert. Hattersheimer Juden offenbar über den Fortgang der Dinge: anziehender gewesen zu sein. "Nach Mitteilung des Konzen- Die Biografien der Opfer sind 1917 wird das Gebäude ver- trationslagers Auschwitz ist die mittlerweile auf der städtischen kauft. 1954 wurde es abge- Jüdin S. M. am 12. September Homepage zusammengefasst. brochen. Aus der Zeit brauner 1943 dortselbst verstorben Barbarei erhielten sich zwei (sic!)." Eine 2008 gegründete „Arbeits- grauenerregende Dokumente, gemeinschaft Opfergedenken“ die schlaglichtartig Auskunft * Für Sophie Maas, wie für 57 hat sich zur Aufgabe gestellt, über die bürokratisch gesteu- weitere Hattersheimer Juden die Erinnerung an die Opfer erte Mordmaschinerie geben. sind zwischen 2010 und 2012 des Nationalsozialismus, über in der Mainstadt nach der Idee die Verlegung der letzten Stol- des Künstlers Gunter Demnig persteine im Jahr 2013 hinaus, Stolpersteine verlegt worden. wach zu halten.

67 Durch den freien Zugang zu den unterschiedlichsten Be- rufen konnten die Mitglieder der kleinen Jüdischen Ge- meinde endlich bescheidenen Wohlstand erlangen. Groß ist die Jüdische Gemeinde Hoch- heims nie gewesen. Nicht viel Licht fällt auf ihre Anfänge. Möglich, daß im 17. und 18. Jahrhundert schon vereinzelt Menschen jüdischen Glaubens in der Wein- und Handels- stadt lebten. Doch historische Helle kehrt erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein.

Umgang mit Juden hatten die Hochheimer Christen dennoch schon von altersher durch den Hochheimer Markt. Er lockte Viehhändler und Krämer aus Hochheim allen Himmelsrichtungen an.

Sie kämpften für ihre Eigen- Der Heimatforscher Franz ständigkeit, um ihr täglich Luschberger schrieb ein Buch Brot und um ein erträgliches über die Jüdische Gemeinde Verhältnis mit ihren christli- Hochheims und über die Rol- chen Nachbarn. Das mit der le, die Juden auf dem Markt Eigenständigkeit schafften sie. spielten. Das sympathische Auch der Verkehr mit Christen, und sehr persönliche Werk trotz aller möglichen Ressen- (ISBN: 3-9801970-0-X) kann timents, hatte erträgliche For- nur empfohlen werden. Es ist men. Die Armut war erst nach bislang die einzige Gesamtschau der völligen Gleichstellung einer Jüdischen Gemeinde im 1869 besiegt. Kreis.

68 Aus diesem Grund sei hier nicht ten diesbezüglich Bedenken, Über den damaligen Rathaus- näher auf Hochheim eingegan- weil wir ja als Ordensleute chef gibt es noch einige Berich- gen. Es waren Christen, die selbst gefährdet waren und te in dieser Richtung. über Juden verfügten und zu schon als Judenfreundlichge- Pogromen aufriefen. Auch die sinnte bei den Nazis angege- Das führte dazu, daß es Peter Nazis hatten christliche Prä- ben waren. Hirschmann selbst an den gung und entwickelten ihre Kragen ging. Am 9. Februar antisemitische "Weltanschau- Doch Bürgermeister Hirsch- 1945 wurde gegen Hirschmann ung" aus kirchlichem Antisemi- mann sagt, wir sollten die ein Parteigerichtsverfahren tismus. Doch manchmal gab Leute ruhig aufnehmen und eingeleitet. Er widersetze sich es in der schlimmen braunen äußerte nochmals die Bitte parteilichen Anordnungen. Zeit auch Menschen, die aus- für die Betreffenden gut zu scherten und wenigstens die sorgen betr. Unterkunft und Auch „Gefährdung der Kampf- schlimmsten Auswüchse zu Essen. Wir richteten sofort führung“ wurde dem Hoch- mildern versuchten. einige Zimmer her und ließen heimer vorgeworfen. Der den bedrängten Familien Kreisleiter schrieb zur gleichen Entpuppte sich der Sodener gute Pflege und Betreuung Zeit an den Landrat, man sol- Bürgermeister während des zuteil werden.“ le den Bürgermeister „wegen Novemberpogroms 1938 als verantwortungslosem Verhal- Rabauke und Mordbrenner Hirschmann soll bei Auswan- ten sofort auf disziplinarischem erster Güte, so handelte sein derungen geholfen haben. Wege zur Rechenschaft ziehen Hochheimer Amtskollege Pe- Auch wird berichtet, daß er mit dem Ziele, die Enthebung ter Hirschmann (1888-1954) Hochheimer Juden aus Kon- von dem Amt des Bürgermei- überraschend anders. zentrationslagern frei bekam. sters herbeizuführen.“ Peter Als 1937 einer Bauersfrau Hirschmann sei „schon jahre- Luschberger zitiert in seinem Schutzhaft drohte, bewahrte lang untragbar für die NSDAP“ Buch die Ordensfrau Florimun- der Bürgermeister sie davor. Und weiter: „Er verstößt fort- da vom Hochheimer Kranken- Die Frau sang in der Öffent- gesetzt gegen die primitivsten haus. Wie die Schwester er- lichkeit ein Lied, das sie das Gesetze der Einordnung und klärt, rief Hirschmann bei den Leben hätte kosten können. Unterordnung sowie gegen Nonnen an und bat, „die Aus dem Text: die weltanschaulichen Belan- schwer bedrängten Judenfa- ge der Partei.“ milien, denen die Nazis Hab „Lieber ein Kaiser von Gottes und Gut zerschlagen hatten, Gnaden, / als den Hitler von in unserem Krankenhaus Auf- Berchtesgaden.“ nahme zu gewähren. Wir hat-

69 Hofheim

Wer bei dem Wort „Abtriebs- recht“ an die Alpen und an Alm-Abtrieb denkt, liegt so falsch nicht. Rechtshistoriker erläutern diesen Begriff mit „Vorkaufsrecht“, doch das geht an der Sache vorbei. „Abtriebsrecht“ bedeutete, daß ein Christ einen jüdischen Nachbarn nicht dulden mußte. Kaufte ein Jude ein Haus, was manchmal möglich gewesen ist, dann konnte ein Christ die- ses Haus noch 30 Jahre nach dem Kauf an sich bringen. Zahlte er die Kaufsumme, mus- ste der Jude verschwinden.

Auf diese Weise verloren die Hofheimer Juden 1779 ihre Synagoge. Ein kleines Schild unter dem offiziellen Straßen- hinweis „Webergasse“ erinnert heute dankenswerter Weise daran, daß hier einst die Juden- gasse gewesen ist. In dieser Gasse hatte die Jüdische Ge- meinde einen Stall zur Syna- goge umgestaltet, der seit 1649 in jüdischem Besitz war.

Ein christlicher Nachbar regte sich auf. Das Judengeschrei „störe die Messe in der nahen

70 Kirche und behindere auch den turm, habe seit dem Mittel- Er beraubt sich seiner Einnah- Unterricht in der christlichen alter als Synagoge gedient. mequelle. In der zweiten Hälf- Schule“. Außerdem leide er Das kann erst nach 1795 ge- te des 15. Jahrhunderts sind unterm „Unflat“ des jüdischen schehen sein, was Colmar Juden offenbar gänzlich aus Haushalts. Der Mann stand mit eindeutig belegt. Hofheim verschwunden. Es seiner Beschwerde alleine da. gibt dafür einige Erklärungs- Jedenfalls muß festgehalten ansätze, aber keine wirkliche Weder Pfarrer noch Lehrer, werden, daß der ehemalige Erklärung. Wer nun Geldge- noch andere christliche Nach- Büttelturm das einzig erhalte- schäfte tätigt, wendet sich an barn fühlten sich in irgendei- ne Synagogengebäude im „der Judde von Eppstein“ ner Weise von den Juden be- Main-Taunus-Kreis ist. (1483) oder an „Abraham einträchtigt. Selbst Amtsvogt In der ersten Hälfte des 15. der Judde von Cronberg“. Bender setzte sich bei der kur- Jahrhunderts ist der jüdische mainzischen Regierung für die Bevölkerungsanteil in Hofheim Nach dem Dreißigjährigen Juden ein. Vergeblich. Keiner erstaunlich groß. Etwa 300 Krieg, von 1653 an, werden scherte sich in Mainz auch um Menschen dürften hier gelebt in der Kellereirechnung des die Behauptung, daß die Juden haben, 50 davon waren jüdi- Amtes Hofheim wieder Juden wesentlich mehr als 30 Jahre schen Glaubens. Urkundlich erwähnt. Sie handeln mit Vieh, das Gebäude besaßen. erwähnt wird 1426 eine Jüdin, Altwaren und ziehen hausie- deren Namen mit „Marone“ rend durch die Gegend. Dem Nachbarn wurde das wiedergegeben ist. Abgedrängt Auch völlig mittellose Men- Gebäude zugesprochen. Er von der weltlichen und religiö- schen sind darunter, die von ließ es sofort abreißen. Die sen Obrigkeit konnten Juden der Gemeinde ernährt werden Hofheimer Juden – einzelne keine „ehrbaren“ Gewerbe mußten. lebten auch in Eppstein und ausüben. Es ist also nicht wun- Vockenhausen mußten nach derlich, wenn die Hofheimer Durch die enorme Steuer- und Hattersheim (siehe dort) in Juden zu Beginn des 15. Jahr- Gebührenlast auf der einen Sei- die Synagoge. hunderts Geldgeschäfte, die te und die beschränkten Ein- den Christen verboten waren, nahmemöglichkeiten auf der 1788 konnten die Hofheimer betrieben. anderen, gab es in Deutsch- wieder eine eigene Synagoge land ein Heer völlig verarmter einrichten. Wo sie stand, ist Daraus großen Wohlstand zu Juden, das sich beständig ver- bislang ungeklärt. Vehement schließen, ist gewiß leichtfertig. größerte. Für 1780 wird ange- widerspricht der Heimatforscher Wer mit Kaviar handelt, kann nommen, daß etwa 90 Prozent Ulrich Colmar der Behauptung, nicht täglich Kaviar essen. aller Juden sogenannte "Bet- das „Türmchen“, der Büttel- teljuden" waren.

71 Der in Frankfurt tagende Ober- Ende des 19. Jahrhunderts rheinische Kreis versuchte und zu Beginn unseres Jahr- 1788 das Problem mit einer hunderts ist in Frankfurt die Polizeiverordnung zu lösen. Zahl jüdischer Stiftungen für Das heißt, man wollte, daß mildtätige und kulturelle diese Menschen vier Wochen Zwecke schwindelerregend nach der öffentlichen Verkün- hoch. dung der Verordnung einfach verschwinden. Zwei dieser Stiftungen haben Die ansässigen „Schutzjuden" mit der Taunusstadt zu tun. sollten die „Betteljuden" we- In Hofheim gab es das Rapha- der „beherbergen noch ihnen el-Jeanette-Ettlingersche Kin- das Geringste reichen, sondern derheim in der Kapellenstraße ihren „Da-seyn“ jedesmal ab 12. Die Stiftung wurde 1910 sofort der Obrigkeit des Orts ins Leben gerufen. melden, damit sie zu Verhaft gezogen werden können." Warum es bei der Jette Sa- muel Leibnickschen Stiftung heißt „Brautlegate für arbeits- unfähige Israeliten; Bewerber Türmchen mit Davidstern (1935) aus Hofheim a.Ts. haben den Vorzug“, bedarf der Klärung. Sie zogen von Gemeinde zu Gegründet wurde diese Stif- Gemeinde und mußten sich tung um 1922. Wie seinerzeit durchfüttern lassen. Manche in der lsraelitischen Wochen- Umherziehenden schlossen zeitung zu lesen war. Leider sich dubiosen Gauklergruppen konnte auch über die Stifter oder Räuberbanden an. Die nichts näheres herausgefunden Behörden versuchten das mit werden. barbarischen Mitteln in den Griff zu bekommen.

72 Orte der Erinnerung – in 700 Orten in Deutschland, Für die wissenschaftliche Un- STOLPERSTEINE* dem angrenzenden Ausland terstützung und Erarbeitung in Hofheim und der Ukraine der Biografien der Holocaust- (Stand Ende 2011). Opfer konnte die Historikerin Roswitha Schlecker Anna Schmidt aus Frankfurt Im Jahr 2005 stellte die Frak- gewonnen werden. Die ersten *„Stolpersteine“ sind Pflaster- tion der GOHL in der Stadt- Sitzungen des Arbeitskreises steine mit einer Kantenlänge verordnetenversammlung prägten Diskussionen über das von zehn Zentimetern, auf Hofheim den Antrag, Orte Für und Wider gegenüber dem deren Oberseite sich eine des Leidens und der Unter- Projekt STOLPERSTEINE und Messingplatte befindet, auf drückung durch die National- die Erarbeitung anderer Mög- der in wenigen Worten die sozialisten in der Stadt auf lichkeiten des Gedenkens, z.B. Lebensgeschichte des Opfers Dauer sichtbar zu machen. Einrichtung einer Gedenkstätte niedergeschrieben ist. Die Stei- Eine Möglichkeit, die in Be- an der ehemaligen Synagoge ne werden vor den letzten tracht gezogen wurde, war (Türmchen) in Hofheim. frei gewählten Wohnungen die Verlegung von STOLPER- niveaugleich in den Gehweg STEINEN für die verfolgten, Ende Dezember 2006 einigten eingelassen. vertriebenen und ermordeten sich die Teilnehmer auf einen jüdischen Einwohner der von allen Fraktionen getrage- Im Jahr 1995 verlegte der Stadt und ihrer Stadtteile. nen Antrag: Der Magistrat ist Künstler Gunter Demnig erst- mit der Verlegung zu beauf- mals in Köln – damals noch Der Arbeitskreis „Museum im tragen. Im Februar 2007 erfolg- ohne offizielle Genehmigung Freien/Orte der Erinnerung“ te der einstimmige Beschluss – zum Gedenken an die Op- wurde ins Leben gerufen, um der Stadtverordnetenversamm- fer des Nationalsozialismus Vorschläge zu erarbeiten. Zu lung: „Hofheimer Bürgerinnen STOLPERSTEINE, um an diese den Teilnehmern gehörten und Bürgern soll es möglich auch namentlich zu erinnern. damals wie heute: sein, sich dem Projekt STOL- Bürgermeisterin Gisela Stang, PERSTEINE anzuschließen und 1997 folgte in Salzburg eine Vertreter der Fraktionen, Mit- entsprechende Steine zu kau- erste genehmigte Verlegung glieder der Gesellschaft für fen. Die Koordination über- im „öffentlichen Raum“ (Geh- Christlich-Jüdische Zusammen- nimmt das Stadtarchiv.“ weg). Aus einer ursprünglichen arbeit, die Leiterin des Stadt- Kunstaktion wurde im Laufe museums, die Stadtarchivarin, der Jahre eine europaweite historisch interessierte Mit- Bewegung. Inzwischen liegen bürger und Vertreter der ört- mehr als 32.000 Gedenksteine lichen Geschichtsvereine.

73 Über Pressemitteilungen konn- 1. Verlegung am 22.04.2008 2. Verlegung am 16.02.2009 ten in kurzer Zeit die Paten (88) für insgesamt 89 Steine Familie Oppenheimer Familie Allmeier gewonnen werden. Burgstraße 6a Neugasse 43 Einige Personen übernahmen 5 Steine 6 Steine mehrere Patenschaften, ande- re teilten sich einen Stein. Familie Nachmann Familie Weiss Zu den vorbereitenden Maß- Bärengasse 5 Elisabethenstraße 32 nahmen gehörten: 3 Steine (ehem. Nr. 16) 4 Steine Erstellung der Biografien, Familie Rosenthal Ermittlung der ehemaligen Brühlstraße 3 Familie Strahlheim Wohnorte und Überprüfung, 4 Steine Am alten Bach da sich aufgrund der Einge- Emma Kopp (ehem. Mühlgasse 2) meindungen Straßennamen Roedersteinweg 4 4 Steine und Hausnummern geändert 1 Stein hatten, sowie Gespräche mit Familie Karl Kahn den jetzigen Hausbesitzern. Korrektur und Wiederver- Lorsbacher Straße 34 legung am 10.05.2010 3 Steine Drei Monate vor der ersten Verlegung besuchte Gunter Familie Louis Kahn Demnig das Stadtmuseum Schulstraße 35 Hofheim und stellte in einem (Marxheim) Vortrag die Entstehung seines 2 Steine Projektes vor. Schließlich er- folgte am 22.04.2008 in der Innenstadt von Hofheim die erste Verlegung.

Die ersten in Hofheim verlegten Stolpersteine (22.04.2008)

74 3. Verlegung am 13.10.2009 4. Verlegung am 10.05.2010 Diedenbergen und Wallau Langenhain und Wallau Gunter Demnig bei der Verlegung der ersten Familie Eduard Kahn Lina Beer Hofheimer Stolpersteine am 22.04.2008 Casteller Straße 70 Am Jagdhaus 17 (Diedenbergen) (Langenhain) 2 Steine 1 Stein

Familie Gustav Kahn Familie Thalheimer Marxheimer Straße 9 Wiesbadener Straße 8 (Diedenbergen) (Wallau) 6 Steine 5 Steine

Familie Josef Kahn Familie Aron Hintergasse 22 Bachgasse 4 (Diedenbergen) (Wallau) 5 Steine 13 Steine

Familie Simon Familie Falk Wildsachsener Straße 1 Taunusstraße 25 (Diedenbergen) (Wallau) 4 Steine 5 Steine

Familie Cohn Die sechs Steine der fünften Biografische Informationen Wildsachsener Straße 2 und letzten Verlegung in und Abbildungen zu den ver- (Diedenbergen) Hofheim: legten Steinen sind der Inter- 4 Steine netseite der Stadt Hofheim Eduard Wieseneck, www.hofheim.de/Stadtportrait/ Familie Leopold Ferdinand Schwarz, Stolpersteine Langenhainer Straße 14 Familie Lipmann (4 Steine). zu entnehmen oder über das (Wallau) Stadtarchiv Hofheim, 3 Steine Chinonplatz 2, 65719 Hofheim, Familie Levi Tel.: 0 61 92/96 65 50, Bleichstraße 12 gegen einen Unkostenbeitrag (Wallau) zu beziehen. 3 Steine

75 Niederhofheim

Ihr Anschlag war gar schnell gemacht. Sie wählten sich zum Führer Ihn, der 's geplant und ausge- dacht, Vincenz, den Volksaufrührer. Ein böser Schalk, ein schlim- mer Gast, So schlechte gibt’s nur wenig. Uns ward er eine große Last, Doch ihnen ward er König. (Aus dem „Vintz-Hanß-Lied“ s. S. 77) Flüchtlinge aus Frankfurt, so wird mit gutem Grund vermu- tet, mehrten zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Zahl der Mitglieder der Jüdischen Ge- meinde beträchtlich. In der Freien Reichsstadt kam es um 1610 – damals lebten hier 2200 Juden bei einer Gesamt- bevölkerung von etwa 20 000 – zu sozialen Unruhen.

Wirtschaftliche Engpässe und Seligmann Baer Teuerungen leerten die Beutel und erhitzten die Gemüter. Die Schuld für die engen Ver- hältnisse wurde den regieren- den Patrizierfamilien angelastet. Die jüdischen Kaufleute, un- liebsame Konkurrenz der christ- lichen Zünfte, waren erst in

76 zweiter Linie Zielscheibe der nem brutalen Streich hoffte und marschierte am 14. Au- Unzufriedenen. er sich seiner jüdischen Gläu- gust 1614 zum Judenviertel. biger entledigen zu können. Plündernd und mordend zog Als im Juni 1612 Erzherzog die Horde durch das Judenvier- Matthias in Frankfurt zum Rö- Das finstere Duo fand in den tel. Wer überlebte, flüchtete. mischen Kaiser gekrönt wurde, Zünften und anderswo im warfen die Zunftvorsteher der Handumdrehen Spießgesel- Die neuen Herren der Freien Stadtregierung Versäumnisse len. Nun hieß es lautstark, die Reichsstadt merkten bald, wie vor. Üblicherweise wurden Juden seien an allem Schuld. sehr sie sich übernommen hat- bei Krönungen die städtischen Unnütz und verderblich für ten. Fettmilch stand ziemlich Privilegien neu ausgehandelt. die Stadt wären sie. Ihre Zin- isoliert da. Advokat Weitz, Dabei waren auch Änderun- sen seien Wucher, man müsse finanziell wieder gestärkt, hat- gen und Verbesserungen mög- sie vertreiben. Der Magistrat te sich unmittelbar nach dem lich. Der Magistrat hatte aber berief sich auf Stättigkeit Überfall auf das Judenviertel nur sich selbst privilegieren (Anmerkung: Seit dem 14. abgesetzt. Die anderen Maro- lassen und die Interessen der Jahrhundert Bezeichnung für deure erfreuten sich der Beu- Bürgerschaft schlichtweg das Aufenthaltsrecht in be- te und kümmerten sich nicht mißachtet. Mit dem Kaiser stimmten Städten; die Frank- um die Geschicke der Stadt. oder seinen Hofschranzen furter Stättigkeitsordnung ist Kaiser Matthias setzte die streiten ging nicht. Matthias mit dem Jahre 1366 datiert) Mittel der Diplomatie ein. Er war sofort nach seiner Krö- und kaiserliche Privilegien. wollte schließlich Frankfurt nung abgereist. Also blieben sämtliche Privilegien entzie- einzig die Patrizier als Gegen- Fettmilch, Weitz und die hen. Das stärkte die Stellung stand des Unmuts. Doch die Zünfte ließen sich nicht dar- des alten Rates und ließ die hielten die Bürger hin. auf ein. Sie setzten in Um- Herrschaft der Aufständischen lauf, Juden hätten von der in sich zusammenbrechen. Das Ergebnis: Stadtregierung Geld bekom- Die Auseinandersetzung radi- men, damit diese es an Chri- Fettmilch und andere Rädels- kalisierte sich. Vinzenz Fett- sten zu Wucherzinsen verlei- führer wurden festgenom- milch, ein Lebkuchenbäcker, hen. 1614 kam es zum Auf- men. Nach dem eingangs nutzte die Gunst der Stunde, stand. Zuvor hatten schon zitierten "Vintz-Hanß-Lied", um sich an die Macht zu viele Patrizier aus Angst die einer jüdisch-deutschen Dich- schwingen. Im Advokaten Stadt verlassen. Die Wut der tung des 17. Jahrhunderts, Weitz fand er einen trüben Zünfte entlud sich an den faßte man einige Aufrührer in Bundesgenossen. Schulden Juden. Fettmilch trommelte Höchst und Rüsselsheim. Der plagten den Juristen. Mit ei- seine Spießgesellen zusammen Lebkuchenbäcker und ein Teil

77 seiner Mitläufer wurden hin- Beschränkung nur 14 Famili- Sommeraufenthalten in Soden gerichtet. Unter dem Schutz en leben. Dennoch bauten die eine Synagoge. kaiserlicher Truppen wurden Flörsheimer eine Synagoge, die Vertriebenen in einem die sie 1718 einweihten. Mit einem Freiherren von feierlichen Zug wieder nach Wohl 1669 errichteten die Rothschild im Rücken ließ sich Frankfurt geholt. Die Stadt Niederhofheimer ihre Syna- die kleine jüdische Gruppe in mußte ihnen den Schaden goge auf einem Grundstück Soden zu hochfliegenden Plä- ersetzen. der Ortsherrschaft. Sie erin- nen verleiten. Ein Prachtbau nert – sofern sich das auf in bester Lage sollte es wer- Am 3. Januar 1617 bestätigte dem einzig existenten Foto den. Doch die Behörden ge- der Kaiser die in 118 Artikeln erkennen läßt – in überra- nehmigten bloß ein Häuschen neu formulierte „Judenstät- schender Weise an einen ba- in der Altstadt, das sich von tigkeit'' und stabilisierte damit rocken, christlichen Sakralbau. anderen Häusern nicht unter- die Rechtssituation der Frank- scheiden sollte. furter Juden bis zum Ende des Der verhältnismäßig schnelle Alten Reiches. Dennoch: Der Niedergang der Gemeinde Eingefügt sei noch, daß eine Schock saß tief. Viele blieben läßt sich mit der leider nur Synagoge kein Gotteshaus in ihren Zufluchtsorten, auch tröpfchenweise überlieferten und kein heiliger Ort im christ- die nach Niederhofheim Ge- Geschichte des Gebäudes lichen Sinne ist. Das griechi- flüchteten blieben. Sie mochten schildern. 1853 ist die Syna- sche Wort geht auf Bet Hak- nicht an den "hellen Tag" des goge baufällig. Der Gemein- nesset, Haus der Versamm- "Vintz-Hanß-Liedes" glauben. de fehlt das Geld für Reno- lung, zurück. Somit ist die vierungen. Nur noch 16 jüdi- Synagoge Ort des Gebetes, Die Gemeinde zählte in der sche Familien leben Mitte des des Lehrens und Lernens, der Mitte des 18. Jahrhunderts 19. Jahrhunderts in Niederhof- Gastlichkeit und Gerichtsort. 50 Familien, von denen ein- heim. Deshalb dürfte es für zelne in Ober- und Unterlie- die geschrumpfte Gemeinde Somit kann jeder Ort an dem derbach wohnten. Die Dörf- ein schwerer Schlag gewesen ein Thoraschrein steht, ein Ewi- ler der Umgebung nannten sein, als sich 1848 die Sodener ges Licht (Ner Tarnid) brennt Niederhofheim deswegen von ihnen trennten und ihre und sich ein Minjan (zehn re- auch "Judenhofheim". Neben eigene Synagoge errichteten. ligionsmündige Männer) trifft, Flörsheim war hier die einzige Das ging auf den Frankfurter zur Synagoge werden. Gemeinde im heutigen Kreis- Handelsmann und Bankier, Heilige Orte gibt es im Ju- gebiet, die als reich und groß Amschel Mayer Freiherr von dentum nur drei: der ehema- galt. Das heißt, in Flörsheim Rothschild (1773-1855), zu- lige Tempel zu Jerusalem, die durften durch kurmainzische rück. Der vermißte bei seinen Friedhöfe (deswegen war das

78 Anlegen eines Friedhofes die 1825 bewarb sich ein Russe Jahrhundert durch Vokalisation wichtigste Aufgabe einer jü- in Niederhofheim als Religi- (Punktation der Konsonant- dischen Gemeinde) und das onslehrer. Der Mann bekam schrift), Akzentuation, Eintei- Land Israel. keine Chance, weil er Aus- lung in Verse und Abschnitte länder war. 1844 griffen die festgelegt ist] arbeitete eng Rabbiner, Lehrer oder Vorbe- Niederhofheimer zu, wissend, mit der berühmten hebräi- ter sind eigentlich nicht von- daß sie ein gelehrtes Juwel schen Druckerei des Wolf nöten. Jeder Religionsmündige ergatterten: Seligmann Baer. Heidenheim in Rödelheim zu- kann diese Aufgaben über- Kurz zuvor hatte eine andere sammen. Einige Publikationen nehmen. Dennoch erlangten Gemeinde Baer abgelehnt. Baers wurden dort veröffent- im 19. Jahrhundert Religions- Der sei viel zu jung und außer- licht. lehrer und Vorbeter wesentli- dem habe er wohl nicht die che Bedeutung, was vielleicht nötige Kraft zum Vorsingen. Baer war Ehrendoktor der mit einer Säkularisierung des Sechs Jahre, bis 1850, blieb Universität Leipzig und korre- Alltags zusammen hängen Baer in Niederhofheim. spondierendes Mitglied der mag. Trotzdem: Das Volk des deutschmorgenländischen Buches will sicherstellen, daß Seligmann Baer stammte aus Gesellschaft. Der preußische auch die Kinder und Kindes- Biebrich. Dort wurde er am König zahlte ihm eine Jahres- kinder fähig sind, die Heilige 18. September 1825 als Sohn rente. 1882 ernannte ihn sei- Schrift im Original zu lesen. des Schutzjuden Löb Baer ge- ne Heimatstadt Biebrich zum Außerdem soll der Lehrer die boren. In seiner Jugend stu- Ehrenbürger. Dort war er von Grundlagen der Religion ver- dierte er bei zwei Rabbinern 1856 bis zu seinem Tode am mitteln und dazu gehören bei- Bibel und Talmud. Der Herzog 27. September 1897 Religions- spielsweise eine Vielzahl von Nassau stattete ihn mit lehrer und Vorsänger. Segenssprüche, die jede Le- einem Stipendium aus, damit bensäußerung begleiten. der Biebricher profane Spra- Die schwache Finanzlage der chen studieren konnte. 1843 Niederhofheimer Gemeinde Dadurch wird verständlich, bestand Seligmann Baer sein wirkte sich auf das Anstellen warum es in Niederhofheim – Lehrerexamen. der Religionslehrer aus. Einen wie auch anderswo – immer In seiner Freizeit widmete eigenen Religionslehrer hatten wieder ein merkwürdiges sich Baer einer umfassenden die Niederhofheimer seit 1857 Gerangel um diesen Posten wissenschaftlichen Betätigung. nicht. Die Kinder wurden von gibt. Der große Kenner der Massora Kronbergern beziehungsweise (die traditionelle Gestalt des von Königsteinern unterrichtet. Bibeltextes, die von Gelehrten Dennoch war der Unterricht (Massoreten) vom 7. bis 10. äußerst umfangreich, wie ein

79 Dokument aus dem gleichen warden (Niederlande) zugeteilt. der Geburt starben seine Jahr deutlich macht: sonntags, Doch der ging nach einem Kinder. Ein Rabbiner gab den 13 Uhr, Religion; Monat schon wieder. Rat, das Paar solle wegziehen. 14 Uhr, Thoraübersetzung; Niederhofheim bekam zu- Die Eheleute nahmen die Emp- 15 Uhr, hebräische Sprache; nächst den Lehrer Kohn aus fehlung ernst und zogen nach 16 bis 17 Uhr, Biblische Ge- Heddernheim, dann Mann- Niederhofheim. Ein Sohn kam schichte; heimer aus Okriftel. Am 31. zur Welt und blieb am Leben. mittwochs, 13 Uhr, Religion; Mai 1873 gab es für Höchst, Als die Juden bürgerliche Na- 14 Uhr, Gebetsübersetzung; Soden und Niederhofheim men annehmen mußten, 15 Uhr, biblische Geschichte; einen gemeinsamen Lehrer: nannte sich das Paar aus 16 bis 17 Uhr, Leseübung und Samuel J. Jakob, dem aber Dankbarkeit Niederhofheim. Segenssprüche. bereits am 15. Oktober Ema- nuel Wormser aus Bad Hom- Besagtes Kind ist vermutlich Finanzielle Nöte plagten auch burg folgte. Deutlich wird Salomon Niederhofheim die Israelitische Kultusgemein- erneut: Schuld an der Misere (1786-1849). Sein Sohn Ben- de in Höchst. Betuchte Mit- war das liebe Geld. Wormser jamin Niederhofheim sollte glieder waren weggezogen bekam jährlich 250 Gulden. einer der populärsten Männer und so konnte man neun Mo- Nicht viel. Darum wollte der in den Frankfurter Gemeinden nate lang keinen Religionsleh- Nassauische Kultusfonds eine werden. Er war Vorsteher der rer finanzieren. Der Höchster zusätzliche Unterstützung Kippe [eine Bruderschaft] und Gemeindevorstand sah eine zahlen. als Mohel [Beschneider] tätig. Rettung: Zwei nicht sehr be- Durch Wegzug, man kann es Benjamin Niederhofheim be- mittelte Gemeinden sollten sicher Landflucht nennen, de- saß die größte Privatbibliothek sich zusammenschließen. Die zimierte sich die Zahl der Nie- Frankfurts, er war von be- Höchster dachten an die Nie- derhofheimer Gemeindeglie- deutsamer talmudischer derhofheimer Jüdische Gemein- der beständig. Im Dorf gab es Gelehrsamkeit. de als Filialgemeinde. Ein ent- 1885 nur noch ein schulpflich- sprechender Antrag wurde am tiges jüdisches Kind. 25. Juli 1869 geschrieben und an Bezirksrabbiner Dr. Samuel Legendenhaft ausgeschmückt Süskind nach Wiesbaden ge- ist, wie es zum jüdischen Fa- schickt. Der Bezirksrabbiner miliennamen Niederhofheim war gegen den Höchster kam. Im 18. Jahrhundert soll Wunsch. Der Israelitischen Kul- ein Frankfurter jüdisches Ehe- tusgemeinde in Höchst wurde paar von Seltsamem heimge- Salomon Turksmar aus Leeu- sucht worden sein. Kurz nach

80 An der Feldstraße, unmittelbar Zwei der Steine tragen die in der Nähe der Kulturscheune, Sterbedaten 1850 und 1862. gab es einen uralten Sammel- Von 1873 an hatten die Ju- friedhof für die Gemeinden den von Hattersheim, Höchst, Höchst, Soden, Hofheim, Hat- Hofheim, Okriftel und Soden tersheim und Okriftel, angelegt eine eigene Begräbnisstätte in möglicherweise bereits um Soden. 1908 löst sich die Jü- 1322. Im Jahre 1683 verfaß- dische Gemeinde Niederhof- ten Juden aus Königstein und heim auf. Die Synagoge wird Niederhofheim gemeinsam mit später, womöglich in der In- den beiden Höchstern Seligman flationszeit, an die Niederhof- und Jakob ein Bittgesuch. Sie heimer Mühle verkauft. wollten in Höchst einen Fried- Abgerissen wird das Gebäude hof anlegen. Der Wunsch wurde erst 1962/63. Die letzte Fa- abgeschlagen, denn in Höchst milie jüdischen Glaubens ver- sei dafür kein Platz. Warum ließ 1935 das Dorf. man diese Stadt für den Fried- Rechts die Wand der 1963 abge- hof auserkoren hat, bleibt unklar. rissenen ehemaligen Niederhof- Obendrein wird der Niederhof- heimer Synagoge heimer Friedhof 1675, also fünf Jahre vor dem Gesuch, erst- mals erwähnt. 1864 war auf dem alten Friedhof die letzte Beerdigung. Das 2238 Qua- dratmeter große Gelände wurde 1873 geschlossen und nach 1933 planiert. Heute ist dort ein Bolzplatz. Die Gemein- de legte 1873 einen neuen Friedhof am Dorfausgang an. Er war einzig für Niederhof- heimer bestimmt. Heute gibt es dort nur noch acht Grab- steine, die mit ihrem ursprüng- lichen Standort offenbar nichts mehr zu tun haben.

81 Bislang konnte kein Nachweis erbracht werden, daß Juden im 17. und 18. Jahrhundert in Sulzbach lebten. Im Gerichts- protokoll heißt es: „Das Ge- läut betr. Georg Petermann ist gedungen. Abends um 8 Uhr, so dann morgens um 4 Uhr von Michaelis biß auf den alten Peterstag zu läuten und bekommt dißfalls fünf Gulden und von denen Juden drey Schapfen Oehl.“ Ein anderer Eintrag vom 20. Januar 1721 reglementiert jüdische Einwoh- ner: „Die Juden sollen auf Sonn- und Feyertäg bei einem halben Gulden Straff nicht ausm Dorff gehn, auch auf diese Tag kein Holz hauen, Bad Soden deßgleichen bei einem Gulden Straff bey der Nacht onbe- 1657 wird der erste Jude in sichtigt kein Vieh schlachten.“ Soden erwähnt. Fünf sind es 1699. Schon am 29. August 1745 lebten sieben jüdische 1712 fixiert das Sulzbacher Familien in der späteren Kur- Obergericht, welche Sonder- stadt. Schon 1762 gab es eine abgaben für die Gemeinde – Synagoge, die wurde jedoch neben den üblichen Steuern – um 1780 geschlossen, weil es Juden zu leisten haben. Das keinen Minjan mehr gab. Die Sulzbacher Obergericht war Sodener mußten ins reichsrit- auch für Soden zuständig. terliche, somit ausländische Ob jedoch jüdische Anwoh- Niederhofheim, zur Synagoge ner in Sulzbach oder Soden gehen. 1786 bis 1789 lebten damit gemeint sind, muß vor- sechs, völlig verarmte jüdische läufig unklar bleiben. Familien in Soden. Weil sie das

82 Schutzgeld nicht mehr zahlen bekannt. Am 20. Januar 1828 richtet werden. Ursprünglich konnten, sollten sie ausge- ließ er sich protestantisch tau- sollte alles etwas prächtiger wiesen werden. fen. Dadurch wurde es ihm und in schönerer Lage sein. möglich, Abgeordneter der Doch mußte man sich mit Die Situation änderte sich, als Frankfurter Gesetzgebenden einem Haus in der Neugasse man in nassauischer Zeit die Versammlung zu werden. begnügen. Auch durfte sich Bedeutung der Salzquellen – das Gebäude in keiner Weise bekannt waren sie schon seit Für seine Verdienste um Bad von anderen abheben. dem 13. Jahrhundert – ent- Soden wurde Stiebel zum deckte. Einen Großteil seiner Herzoglich Nassauischen Ge- Da es offiziell keine Gemeinde Popularität im 19. Jahrhundert heimen Hofrat ernannt. Der in Soden gab, war das Grund- verdankt der Ort dem Arzt Mediziner sorgte unter ande- stück auf den Namen Lazarus Dr. Salomon Friedrich Stiebel rem für das Einfassen der Quel- Meyer eingetragen. (1792-1868). Er entstammte len und war Kurarzt. 1840 er- Legende wurde der letzte der einer alten jüdischen Familie schien sein Buch „Soden und Frankfurter Rothschilds: aus Frankfurt. seine Heilquellen“. Soden wur- Wilhelm Carl, genannt Baron de mehr und mehr als Ort Willi. Zur Welt kam er am 10. Einziges Buch bis zu seinem der Ruhe und Erholung ent- Mai 1805 in Neapel. Im Ge- achten Lebensjahr: die He- deckt. gensatz zu seinem Vater Carl bräische Bibel. Erst in der Schu- Die Stille, die Quellen, die bäu- Mayer von Rothschild (ur- le lernte der Junge richtig erliche Idylle zogen vor allem sprünglich einer der berühm- Deutsch. Seine außergewöhn- die Frankfurter an. ten „Fünf Frankfurter“, dann liche Begabung blieb nicht nach Neapel ausgewandert), verborgen. Er wurde aufs Gym- Auch Amschel Meyer Freiherr war Baron Willi an allem Jü- nasium geschickt und studier- von Rothschild (1773-1848) dischen interessiert. Der Vater te später in Heidelberg und weilte mehrere Sommer in engagierte einen getauften Göttingen. Zunächst Philolo- Soden. Er vermißte dort aller- Rabbiner – eine mehr als gie, dann Medizin. dings eine Synagoge. Die So- abenteuerliche Gestalt – da- dener Juden wandten sich an mit der Sohn Hebräisch lerne. Stiebel war Leiter des Israeli- die Behörden und stießen zu- Der Getaufte machte seinen tischen Krankenhauses in nächst auf blanke Ablehnung. Schüler zum orthodoxen Ju- Frankfurt und Mitbegründer Für ‚Kurfremde’ sei keine den. der Senckenbergischen Natur- Synagoge nötig. Darob erschrocken, schickte forschenden Gesellschaft im der Vater den Filius nach Frank- Jahre 1817. Wissenschaftliche Nach 1840 konnte eine be- furt zum kinderlosen Onkel Publikationen machten ihn scheidene Synagoge einge- Amschel von Rothschild (1773-

83 1855). Zu ändern war nichts Das Geld floß unter dem Dr. Markus Max Isserlin mehr. Zeitlebens blieb Baron Stichwort "Ein Wohltäter aus (1874-1965). Er war Mitbe- Willi ein Mensch von extre- Hessen-Nassau" nach Jerusa- gründer des Inhalatoriums, mer Frömmigkeit, die durch- lem. Als Willi von Rothschild Vorstand des Ärztevereins, aus skurrile Züge hatte. entdeckte, daß immer der Vorsitzender der Jüdischen Bankgeschäfte waren das, was gleiche Ort im Absender stand, Gemeinde und im Gemeinde- Baron Willi am wenigsten in- verfügte er, man solle die rat der Zivilgemeinde. Der teressierte. Gelder unter wechselnden Mediziner entstammte einer Deshalb ist es für ihn wohl ein Ortsangaben verschicken, da- ruhmreichen Rabbinerdyna- ziemliches Unglück gewesen, mit die Anonymität gewahrt stie. als er mit 58 Jahren Alleinin- bliebe. Um 1880 entschied Auf dem 1873 eingerichteten haber des Frankfurter Bank- Baron Willi in Soden eine Jüdischen Friedhof erinnert ein hauses M.A. von Rothschild Kuranstalt für arme Israeliten Grabstein aus vergänglichem & Söhne wurde. zu gründen. Sandstein an des Arztes Vater, der 1911 in Soden starb: Lapidar merkt der Chronist Das Haus in der Dachberg- „Raw Israel Jehoshua Ben ha Paul Arnsberg an: „In dieser straße wurde 1888 eröffnet. Raw Rabbi Jona Isserlin aus Zeit sank die Geschäftsbedeu- Der von unzähligen hochver- Sluzk." Bedeutsamster Vor- tung ( ... ) beträchtlich.“ ehrte Baron Willi starb am fahre der Isserlins: Moses ben Öffentliche Funktionen waren 15. Januar 1901. Über 20000 Israel (lsserles, Isserlin) genannt dem Frommen ebenso zuwider Menschen begleiteten den Ramo (1525-1575) aus Kra- wie das Wirtschaftsleben. Sarg. Im Memorbuch der kau, der wiederum mit den Statt dessen unterhielt er ein Frankfurter Gemeinde wurde zeitgenössischen Autoritäten eigenes Sekretariat, das Almo- eingetragen: „Das ganze Haus Rabbi Meir Katzenelnbogen senwünsche aus der gesamten Israel beweint den Brand, den (1480-1565) aus Padua und jüdischen Welt bearbeitete. der Ewige entfacht hat. Rabbi Salorno Luria (1510- Damit das Geld an die richti- Er wurde genannt mit dem 1573) aus Lublin verwandt war. gen Stellen kam, hatte das Namen Baron Wilhelm von Sekretariat weltweit Kontroll- Rothschild, dessen Andenken Nicht zuletzt durch das Auf- organisationen. Doch die letz- als Gerechter gesegnet sei.“ treten Martin Luthers (1483- ten Entscheidungen lagen bei 1546) war das Judentum in Baron Willi. Herzenssache war Die Kuranstalt für arme Isra- eine Krise geraten. Des Refor- ihm die Unterstützung der eliten hatte einen Arzt, der mators Erscheinen wurde dank- Armen im Heiligen Land, ob- auch für die Zivilgemeinde bar begrüßt, manche billigten gleich er den Zionismus ab- Soden eine bedeutsame Per- ihm gar messianische und lehnte. sönlichkeit gewesen ist: eschatologische Attribute zu.

84 Die Ernüchterung ließ nicht Rabbiner Joseph ben Ephrairn Taufe nicht leicht fiel. Unter- auf sich warten. Die Juden ge- Caro (1488-1576) aus Toledo schwellig scheint Abraham rieten zwischen die brutalen gab mit seinem Werk „Schul- Mendelssohn Bartholdy zu Mühlsteine des Streits der ran Aruch“ (Gedeckter Tisch) fürchten, der Sohn könne diese Konfessionen. Als Luther seine neue Impulse. Der Krakauer Entscheidung für das Christen- Hoffnung aufgeben mußte, Moses ben Isserlin schrieb tum nicht völlig akzeptieren. Juden für seine Lehre zu ge- dazu Ergänzungen und Kom- winnen, formulierte er 1543 mentare, die er „ha- Mappa" Bitterkeit muß den Mann er- eine Schmähschrift, die schon (Das Tischtuch) nannte. füllt haben: Der sonst so ge- die Sprache des „Stürmers“ Damit war allerdings ein libe- treue und aufrichtig liebende der Nazis spricht: „ ... dispu- rales Streben für Juden unter- Sohn gibt keine konkrete Ant- tire nicht viel mit den Juden bunden. wort, er weicht aus. von den Artickeln unsers Glau- Schwester Rebekka (1811- bens; sie sind von Jugent auf Ein anderer ruhmreicher Nach- 1858) unterschreibt zwei Brie- also erzogen mit Gift und komme, Moses Mendelssohn fe an ihren Bruder gar mit: Grol wider unsern Herrn.“ (1729-1786) – seine Mutter „Deine Schwester Rebekka war eine Isserlin – beschritt Mendelssohn, meden (grie- Der Theologe fordert eine rund 200 Jahre später einen chisch „nie“) Bartholdy.“ „scharfe Barmherzigkeit“ und entgegengesetzten Weg. Er Zurück nach Soden. Dies mit was er darunter verstand, läßt wollte das Judentum öffnen. der Anmerkung, daß nicht schaudern. Synagogen sollen Sein Sohn Abraham (1776- nur die beiden arbeitsreichen niedergebrannt und jüdische 1835) zog daraus und aus öf- Sommer 1844 und 1845 den Häuser abgerissen werden. fentlichem Druck Konsequen- Ort mit dem Komponistenna- Gebetbücher und Talmud, so zen: Er ließ sich und seine Kin- men verbindet. Auch entfern- Luther, müßten ebenfalls der taufen. Moses’ Enkel, te Verwandte des Genialen Flammen anheim gegeben Felix Mendelssohn Bartholdy sind in späterer Zeit für Soden werden. Rabbiner dürften nicht (1809-1847), ist sich seiner tätig gewesen. In den berühm- mehr unterrichten und ja, auch Abstammung bewußt gewe- ten Sodener Sommern schrieb Zwangsarbeit steht in Luthers sen. Mendelssohn unter anderem „Barmherzigkeits-Katalog“. Den kaschierenden Namens- an seinem Oratorium „Elias", Ein falscher Messias sorgte zusatz „Bartholdy“ ließ er im sein B-Dur-Streichquartett zur gleichen Zeit für weitere Ausland weg. Am 8. Juli 1829 vollendete er hier ebenso wie Unruhe in der Judenheit. schrieb Abraham seinem Sohn das berühmteste aller Violin- deswegen nach London. Der konzerte der Romantik, jenes bisher kaum beachtete Brief in e-Moll, Opus 64. offenbart, daß dem Vater die

85 Im Dritten Reich endete auch Nach dem Zweiten Weltkrieg * Als Soden im 19. Jahrhundert in der Kurstadt jüdisches Leben. standen einige Sodener wegen Badeort wurde, gab es eine Im Main- Taunus-Kreis gibt es des Treibens vor Gericht. Dr. Zuwanderung von Juden. Die kaum vergleichbare Exzesse, Markus Max lsserlin flüchtete Genehmigung der 1. Synago- wie sie sich in Soden beim mit seiner Frau über Frankreich ge in Soden war außer Kraft Novemberpogrom 1938 ab- nach England. Dort lebte sein getreten, als es weniger als spielten. Sohn seit 1933; denn als Jude 10 jüdische Männer in Soden durfte er bereits damals schon gab. Die Kuranstalt für arme Isra- nicht mehr promovieren. eliten wurde zertrümmert und Von 1834 -1849 kämpften So- anschließend niedergebrannt. Verdienste um Soden erwarb dener Juden in vielen Schreiben Die Patienten aus den Betten sich auch Familie Reiss. Kom- an die Regierung um die Wie- gerissen und vertrieben. Sie merzienrat Ennoch Christoph derzulassung einer Synagoge fanden zunächst Aufnahme bei Reiss (1802-1885) besuchte in Soden und die Trennung der Pfarrer Wilhelm Dapper, der Soden des öfteren im Sommer. Sodener Juden von den Nieder- sie gemeinsam mit Dr. Markus 1839 ließ er sich am Ort sei- hofheimern. Es gab dann die Max lsserlin zum Bahnhof ner Sommerfrische ein Haus Auflage, dass die Synagoge brachte. Das Haus des Arztes bauen. Reiss trat zum evan- sich von normalem Wohnraum wurde angezündet, dann aber gelischen Glauben über und äußerlich nicht abheben durf- gelöscht, weil man um die heiratete eine Nichtjüdin. Sein te. In der Neugasse in einem Nachbarhäuser fürchtete. Sohn Justizrat Paul Emil Reiss Doppelhaus wurde die Syna- (1846-1926) stiftete 1908 die goge in der linken Hälfte mit Völlig zertrümmert wurde das Orgel in der evangelischen Frauenempore eingerichtet un- Innere der Synagoge, Kultge- Kirche. Dr. Adolf Reiss (1877- ter Weglassung der Zwischen- genstände auf die Straße ge- 1964) engagierte sich in der decke. worfen. Im Haus eines Juden Fürsorge und im Kinderschutz. Das Rundfenster durfte von gab es ein wüstes Saufgelage. Reiss selbst war ledig. Nach sei- der Straße aus nicht sichtbar Einer der Mordbrenner: der nem Tode vermachte er das sein; es kam auf die entgegen Sodener Bürgermeister. Die „Haus Dr. Reiss“ der Stadt gesetzte Hausseite. Parteiorgane achteten damals Bad Soden. Es gab einen gemeinsamen noch auf den Schein, einige Eingang mit der Familie, der Rädelsführer mußten sich ver- die rechte Haushälfte vermie- antworten. tet wurde.

86 Die nachbarliche Beziehung jüdische Gemeinde in Wiesba- war gut. Dieses Leben unter den Eigentümerin dieses wie einem Dach verhinderte die durch Wunder erhaltenen Niederbrennung am 10.11.1938, Friedhofes; die Pflege obliegt zumal die resolute Mutter auf der Stadt Bad Soden. 1986 der anderen Seite sich nicht wurde in einem Staatsvertrag von der SA einschüchtern ließ. zwischen dem Land Hessen Der Mob konnte nur Synago- und dem Landesverband der geninventar auf der Straße jüdischen Gemeinden der verbrennen. Friedhof zum gemeinsamen Kulturerbe erklärt. Die Stadt hat das Doppelhaus nach einigen Jahren gekauft Den Schlüssel zum Friedhof und nicht erhalten. 1986 wur- kann man sich bei der Stadt de stattdessen eine Senioren- auf dem Bürgerbüro ausleihen. wohnanlage gebaut. Führungen erfolgen am Tag des offenen Denkmals am 2. Der jüdische Sammelfriedhof in Sonntag im September und Bad Soden wurde nach 1939 auf Wunsch durch Frau Dr. Dr. Dietmut Thilenius im Gespräch mit Pfarrer Andreas Heidrich im Ev. Gemeindehaus in Bad nicht mehr belegt. Dietmut Thilenius. Soden anlässlich der Ausstellung „Stationen des Holocaust und Rassismus heute“ (2013). Das Land dazu wurde 1870 Die 1. Stolpersteinverlegung erworben und lag damals aus- erfolgte in Bad Soden am serhalb der Gemeinde Soden. 30.08.2011 vor dem Haus Mit nur 13 Meter Breite und der Villa Aurora, Alleestr. 24, 150 Meter Länge sind die ins- mit den Namen von Rosa und gesamt 288 Gräber nach Süd- Markus Grünebaum, die dort osten in Richtung Jerusalem gelebt hatten und in die Ver- hingeordnet. Bestattet wurden nichtung deportiert wurden. Juden aus Höchst, In England lebende Nachkom- Unterliederbach, Hattersheim, men haben diese Gedenkstein- Okriftel, Hofheim und Soden verlegung ermöglicht und waren und 56 Kurgäste. Am 10.11. zur Erinnerungsfeier gekommen. 1938 wurde die Leichenhalle Auf diesen zwei Stolpersteinen zertrümmert, auch etliche steht unter Anpassung ins Eng- Grabsteine. 1960 wurde die lische der Name Grunebaum.

87 Die Geschichte der Jüdischen Gemeinde ist eine Geschichte armer Leute, wie es überall im heutigen Landkreis der Fall ist. Mühsam ernährten sich Juden von Vieh- und Kramhandel. Symptomatisch ist, was David Baruch in seinem 76. Lebens- jahr geschah. Der betagte Mann lebte mit seinen beiden Kindern zusammen.

Den Schutzbrief hatte man ihm 1771 erteilt. Am 23. Februar 1807 berichtet der Massen- heimer Schultheiß dem Herzog- lichen Amt Wallau, daß David Baruch von 1803 bis 1806 kein Schutzgeld gezahlt hat. es 23 Menschen, in Brecken- Dadurch hatte David Baruch heim 38, in Langenhain 11 und einen enormen Schuldenberg in Diedenbergen ebenfalls 11. von 100 Gulden und 40 Kreu- So ist es einleuchtend, daß zern auf seinem Haupt ange- Wallau Breckenheim von 1782 bis zur sammelt. Unbekannt ist, wie Mitte des 19. Jahrhunderts eine der Fall ausging. Die Mitglieder der Jüdischen eigene Gemeinde mit eigener Gemeinde lebten in Brecken- Synagoge hatte. Fehlendes Geld ist wohl auch heim, Delkenheim, Dieden- der Grund gewesen, warum bergen, Langenhain, Massen- Dieser Gemeinde waren die die Massenheimer sich von den heim und Nordenstadt. Ortschaften Langenhain, Me- Wallauern trennen wollten. denbach und Wildsachsen Die Synagoge, untergebracht Eine Erhebung aus dem Jahre angeschlossen. Auch in Mas- in einem Privathaus, war zu 1782 zeigt, daß in den ange- senheim gab es 1832 Bestre- klein geworden. Baruch Lekus schlossenen Kommunen teil- bungen, sich von Wallau zu aus Massenheim drängte 1832 weise mehr Juden lebten als trennen, was jedoch nicht zum Umbauen und Vergrößern. in Massenheim. Dort waren geschah. Der Wallauer Gemeindevor-

88 steher Gumbel Elias sah die Schließlich wurde ein Umbau merkwürdige Wesen rief ihm Notwendigkeit ein. Allein es genehmigt und 1886 ausge- hinterher, daß er zu Hause auf fehlte das Geld. Wenigstens führt. seinem Tisch einen schwarzen für den Religionsunterricht Fleck finden würde, der nie- fand die Gemeinde eine Lösung. Von 1839 bis 1881 ist der Wal- mals zu entfernen sei. Als der 1857 bat die Gemeinde, den lauer David Falk (1815-1885) Entsetzte endlich seine Woh- Unterricht für jüdische Kinder Religionslehrer gewesen. Bei nung erreicht hatte, war ihm in den Schulsaal verlegen zu seinem zweiten Besuch 1. Juli ein gesundes Töchterchen ge- dürfen. Das wurde erlaubt. 1859, begutachtet Oberrabbi- boren worden und auf dem ner Süskind Falks Leistung Tisch war tatsächlich ein ma- Ein Jahr später ist der Wies- und ist mit ihm durchaus zu- gischer schwarzer Flecken. badener Oberrabbiner Dr. Sa- frieden. Hingegen bekommt muel Süßkind auf einer Inspek- der Gemeindevorsteher ein Ein eigenartiges Dokument tionsreise. Sein Urteil über ziemlich schlechtes Zeugnis gibt Auskunft über Dinge. die Wallau und Breckenheim ist ausgestellt. Unzufrieden ist nur selten niedergeschrieben vernichtend und trostlos zu- Süskind auch mit der „ganzen werden. Es gibt Auskunft über gleich. Die Synagoge sei nichts Gemeinde, die überhaupt auf den alltäglichen Antisemitis- als eine „gemietete Stube.“ keiner hohen Stufe der Bil- mus des 19. und beginnenden Sie befände sich „in aller und dung steht.“ 20. Jahrhunderts. Leider bleibt jeder Beziehung in einem er- unklar, wann Johann Philipp bärmlichen Zustand. Daß in Um Lehrer David Falk rankt Schleicher (1854-1945) seine solchen ungünstigen Locali- sich eine Legende. Zu später sehr persönliche und aus heu- täten Andachtslosigkeit und Stunde wanderte er von Lan- tiger Sicht naive „Chronik von infolge dessen Unordnungen genhain durch den Wald heim- Wallau/Ts“ niederschrieb. aller Art an der Tagesordnung wärts. lm „Wallauer jungen Offenbar ist das in größeren sind, ist kaum zu verwundern.“ Stück“, damals standen dort Zeitspannen geschehen. große Eichen, nahm Falk einen Schleicher berichtet (weitge- 1885 wollte die Regierung Lichtschein wahr. Ein kleines, hend in der Originalschreib- das baufällige Häuschen so- graues Männchen winkte ihn weise wiedergegeben): „Als gar schließen und empfahl, herbei. Der Zwerg zeigte auf Kinder haben wir die Juden was Leute am Grünen Tisch Goldstücke. Er wollte des belauscht und beobachtet, an rasch empfehlen, man solle es Lehrers Kind, das ihm gerade ihren Festen oder Sabathen, abreißen. Der Kultusvorsteher geboren würde, damit abkau- in ihren eigenartigen religiö- erklärte, daß die Gemeinde- fen. David Falk ging auf den sen Gebräuchen, besonders glieder für einen Neubau kein Handel nicht ein und rannte interessirte uns der Gesang, Geld aufbringen könnten. schlotternd nach Hause. Das oder das Quern, wie es ge-

89 nannt wurde. Wenn sie langen Nach der abenteuerlichen Über die Art des Umgangs gibt Tag (Versöhnungsfest) feierten, Schilderung jüdischer Bräuche eine andere Schilderung – sahen wir neugierig durch die fährt Schleicher fort: „Durch selbst dem Chronisten scheint Ritzen am alten Hofthor, wenn ihren Handel und das öfter das zu viel, er macht am Ende sie mit ihren weißen Kitteln vorkommende unehrliche einen matten Versuch des und Mützen in den Hof her- wucherische Übervortheilen Distanzierens – Auskunft. unter kommen, um gegen mancher ehrlichen einfältigen Johann Philipp Schleicher be- Abend nach dem Erscheinen Leute, waren sie im allgemei- richtet von einem Mediziner der Sterne zu sehen, die Be- nen unbeliebt und wurden da- Dr. Schmidt. „Eines Tages kam endigung deß Fasttages, denn rum auch viel verspottet und er nach Massenheim ( ... ) da es gab nichts zu essen. Oder gehänselt, wenn vielleicht die jüdische Gemeinde einen bei einem andern Fest, wo sie auch manchmal mit Unrecht. ziemlich weiten Leichentrans- mit Ruthen kamen. In meinen jungen Jahren und port zu ihrem Begräbnisplatz Das Haimansfest, wie wirs früher, als auch das Pasquillen hatte und ihre Leichen mit nannten. Es wurde uns erzählt schreiben und anderer Unfug Fuhrwerk hinfahren ließ, hatte sie sagten dabei, indem sie noch viel gang und gebe war, sie sich damals ( ... ) einen neu- mit Ruthen schlugen: schlagt hatten einige Übermüthige en Todenwagen angeschafft. Haiman todt, laßt Matachai- ungezogene junge Leute, ein um leben. Besonders beim Spottgedicht in Knittelversen, Der Jude Gumbrich von dort, Passah, oder Osterfest, wo es im hiesigen Dialeckt über ein- fragte nun Dr. Schmidt: „Nuh den Matzen gab (ungesäuert zelne Judenfamilien hier und Herr Dockter, hawese auch Brod) fiel auch für uns etwas auch außerhalb gemacht...“ schon unsern neue Todewage ab; wurde eingetauscht gegen gesehn und gefällt er ihne?“ Eier. Um uns Kinder abzu- Der Autor zitiert einen Vers: „Ja sagte Schmidt lakonisch, schrecken wurde manchmal „der Douvitt wohnt dort unne, er gefällt mir ganz gut, nur erzählt, die Juden schabten ihre is Lehrer von der Schoul hot einen Fehler hat er.“ „Nuh un Toden und dieses Schabsal stets zu krawelire, mitd’m der is?“ „Es ist schad, daß er werde unter den Teig gemengt. Maier un em Schmoul, sowenig gebraucht wird.“ Wir ließen uns aber nicht ab- D’r Gumbrich ist vo Massem Doch nichts für ungut, wir schrecken und knupperten (Massenheim) ’s’is aach e ahler wollens jetzt genug sein lassen." diesen ganz gern." Judd. Er sitzt in seinem Sessel unn kozt sich bahl kaput.“ Ein Denken wie dieses, über Jahrhunderte in menschliche Köpfe geklopft, trägt barbari- sche Früchte.

90 Ein Zeitsprung: 3. November Unter denen, die selbst mit Schwarzschild ist in Wallau ein 1949, aus einem Urteil des Hand anlegten beim Aufladen alter jüdischer Name mit unter- Landgerichts Wiesbaden: "ln den und beim Transport, befand schiedlichen Familienzweigen. Mittagsstunden drangen einige sich der Angeklagte S., der seit Drei Angehörige der Familie von auswärts kommende Mai 1933 der NSDAP angehör- waren im Ersten Weltkrieg an Männer in die Synagoge ein, te und in der SA den Dienst- der Front. Einige Berühmtheit demolierten die Einrichtungs- rang eines Oberscharführers erlangte Ludwig Schwarzschild, und Kultgegenstände und hatte. Nachdem der Leichen- der 1915 zur Marine eingezo- warfen sie aus dem Gebäude wagen den Weg von der Sy- gen wurde und der einzige jü- in den Hof. nagoge zum Sportplatz das dische U-Bootfahrer gewesen zweite Mal zurückgelegt hatte, ist. Sein Kapitän Paul König Nach Einbruch der Dunkelheit wurde er ebenfalls in das berichtet über die Fahrten der fanden sich eine Menge Wal- Feuer geworfen und verbrannt.“ „U-Deutschland“ im Ersten lauer Bürger bei der Synago- Weltkrieg in seinen Lebenser- ge ein, luden den größten Teil Nach mühsam errungener und innerungen. Ludwig Schwarz- der auf dem Hof liegenden verordneter Emanzipation hoff- schild konnte 1933 Deutschland Gegenstände auf den Leichen- ten deutsche Juden nach der verlassen. Über Frankreich und wagen der jüdischen Kultus- gesetzlichen Gleichstellung Kolumbien reiste er in die Ver- gemeinde und fuhren ihn zwei- auf die menschliche, gesell- einigten Staaten. mal vollbeladen zum Sportplatz, schaftliche Gleichstellung. wo die Sachen verbrannt Überproportional war der An- Der Wallauer Friedhof dürfte wurden." Hier wird geschildert teil jüdischer Freiwilliger im in den ersten Jahren des 17. durch welche Straßen der Wa- Ersten Weltkrieg. Ein Gedenk- Jahrhunderts angelegt worden gen zwei Mal gezogen wurde. stein auf dem Jüdischen Fried- sein. Aus dieser Zeit sind noch Und weiter: „Beide Male be- hof gibt davon traurige Kunde. Grabsteine erhalten. teiligte sich an dem Aufladen Erinnert wird an die Gefalle- Der erste Jude wird 1536 in sowie an dem Transport durch nen 1914-1918 der Jüdischen Wallau erwähnt. Um 1842 die Straßen Wallaus und an Gemeinde: wurde der Friedhof erweitert. der Verbrennungsaktion eine Siegmund Thalheimer, Leopold Vielzahl von Personen. Levi, Julius Schwarzschild, Karl Mai, Bernhard Weis, Berthold Weis und Friedrich Weis.

91 Wallauer Stolpersteine – Bericht über eine Gedenkveranstaltung

Rudolf Eckl

Der Wallauer Verein für Hei- So wurden das Haus und seine matgeschichte Wanaloha, die Bewohner lebendig, begleitet evangelische Kirchengemeinde mit historischem Bildmaterial Wallau und der Verein für aus dem Wanaloha Archiv, auf- christlich-jüdische Zusammen- bereitet von Dipl. Ing. Jürgen arbeit hatten zu der Gedenk- Eckhardt. Er präsentierte auch veranstaltung „Gesichter und die Wallauer Synagoge in einer Biographien hinter den Wallau- Computersimulation. er Stolpersteinen“ eingeladen Am Beispiel der jüdischen Fa- und rund 8o Besucher füllten milie Löwenstein, die zunächst das evangelische Gemeinde- im Anwesen Wiesbadener haus in Wallau. Straße 8 gewohnt und einen Fruchthandel geführt hatte, be- Am Beispiel des Anwesens richtete Rudolf Eckl über die Wiesbadener Straße 8, vor dem persönliche und wirtschaftliche auch Stolpersteine verlegt Situation von Juden in der worden waren und das auch Zeit von der Machtergreifung das „Judenhaus“ genannt der Nationalsozialisten in den wurde, zeichnete Rudolf Eckl Jahren 1933 bis 1936. die Geschichte und Entwick- lung dieses Wallauer Anwesens und seiner Bewohner bis in die 20er Jahre nach.

92 Im weiteren Verlauf berichte- Die Schilderungen beschreiben ten Erwin Born und Rudolf die Zeit von der Reichspogrom- Eckl von weiteren Biographien nacht am 09.11.1938 und und Schicksalen der Wallauer reichen bis zur Deportation der jüdischen Familien, für die vor Wallauer jüdischen Familien deren Wohnhäusern insge- aus dem Haus Wiesbadener samt 29 Stolpersteine verlegt Straße 8 („Judenhaus“) im worden sind und an die erin- Jahre 1942. Eine besondere nert werden soll. Authentizität bekamen die Vorträge durch Berichte des Dies sind die anwesenden Zeitzeugen Wil- Familie Thalheimer helm Kahl und Lesungen von (Wiesbadener Str.8), Stefanie Born-Tresbach und Familie Falk (Taunusstr. 25), Rüdiger Kern aus Briefen emi- Familie Levi (Bleichstr.12), grierter jüdischer Familien an Familie Leopold Wallauer Freunde. Die vorge- (Langenhainer Str. 14) tragenen Zeitzeugenberichte und die von Gertrud Schulz sowie von Familie Aaron (Bachgasse 4). Familie Raab, zeigten eben- falls in ergreifender Weise die alltäglichen Lebenssituationen, in denen es neben den lebens- verachtenden Repressionen des Naziregimes dennoch viel- fältige freundschaftliche Hilfe- stellungen für die jüdischen Familien von Nachbarn und Mitbürgern gab.

93 Stolpersteine in Kriftel – Konzentrationslagern ermordet Kurz zuvor wurde Siegfried Familie Nassauer wurde. Nassauer, dem schon 1935 die Weiterführung seiner Metz- Dr. Thomas Hammer Siegfried Nassauer wurde in gerei verboten worden war, Hattersheim am 1.4.1877 ins Lager Sachsenhausen ein- Vor dem einstigen Wohnge- geboren. Er war Metzgermei- geliefert. Dies aufgrund eines bäude der Familie Nassauer in ster. Seine Frau Emma, geb. Erlasses zur „Vorbeugenden der Krifteler Goethestraße wur- Adler, stammte aus Kelster- Verbrechensbekämpfung“ den am 26. Oktober 2011 bach und wurde am 2.3.1876 des Reichsministers Wilhelm drei Stolpersteine verlegt. geboren. Wann genau das Paar Frick vom 14.12.1937, der Stolpersteine, das sind kleine nach Kriftel gekommen ist, der Kriminalpolizei, der Arbeits- Gedenktafeln aus Messing, lässt sich heute nicht mehr verwaltung und der Fürsorge die in den Bürgersteig einge- feststellen. eine neue Möglichkeit schuf lassen werden, als Erinnerung sogenannte „Asoziale“ loszu- an die Opfer des Nationalso- Jedenfalls wohnte die Familie werden. zialismus, zu denen auch Sieg- Nassauer in der Goethestraße 6 fried, Emma und Manfred (damals Bismarckstraße 6), Insgesamt 11000 „Arbeits- Nassauer zählten. Die Arbeit wo Siegfried Nassauer eine scheue“ wurden von Polizei, wurde eigenhändig von dem Metzgerei betrieb. SS und SA festgenommen. Künstler Günter Demnig, Darunter befand sich auch dem Erfinder dieser Form des Der Sohn Manfred wurde am Siegfried Nassauer. Er wurde Gedenkens, ausgeführt. 19.11.1912 in Kriftel geboren. am 18.6.1938 ins Konzentra- Er sei, so wird es in der von tionslager Sachsenhausen ein- Die Familie Nassauer, über de- Prof. Rainer Koch verfassten geliefert, wo er vermutlich zur ren Schicksal insbesondere Ortschronik berichtet (R. Koch: Arbeit im Steinbruch gezwun- die Nachforschungen von Kriftel, eine Chronik, S. 107) gen wurde. Ein Jahr und weni- Rainer Taranczewski informie- in der Pogromnacht (Nacht ge Monate später, am 8. Au- ren (R. Taranczewski, Siegfried, vom 9. auf den 10. November gust 1939 war er tot. Emma und Manfred Nassauer, 1938) brutal zusammenge- Eine jüdische Familie in Kriftel schlagen worden – ein junger Man muss wohl davon aus- in der Zeit des Nationalsozia- Mann, der wenige Jahre zuvor gehen, dass die Familie Nas- lismus) war zur Zeit des Na- noch als „Kerbebursch“ durch sauer spätestens seit 1938, tionalsozialismus die einzige Kriftels Straßen gezogen war. vermutlich aber schon früher, jüdische Familie, die in Kriftel Das Haus der Familie wurde in denn nach der Schließung lebte, und es war die einzige der Pogromnacht beschädigt. seines Geschäftes war Sieg- Krifteler Familie, die in den fried Nassauer wohl arbeitslos,

94 in großen wirtschaftlichen Sohn Manfred Nassauer wurde Schwierigkeiten lebte. Im Juni Anfang 1942 zum Arbeitsein- 1941 stellten Manfred und satz verpflichtet. Am 10. Juni Emma Nassauer beim Ameri- 1942 wurde er in das Konzen- kanischen Konsulat in Stuttgart trationslager Majdanek depor- Auswanderungsanträge. Ihr tiert, wo er noch im gleichen Versuch auszuwandern schei- Jahr verstarb. terte jedoch. Nach dem Aus- wanderungsverbot am 23.10. Bürgermeister Christian Seitz 1941 war eine Emigration nicht betonte in seiner Ansprache mehr möglich. anlässlich der Verlegung der Stolpersteine u. a.: „Die für die Emma Nassauer wurde am Familie gesetzten Stolpersteine 28. August 1942 in das für werden nun künftig im Alltag seine unvorstellbaren hygieni- und bei Spaziergängen dafür schen Zustände berüchtigte sorgen, dass man sich an die Konzentrationslager Theresi- extrem leidvollen Erfahrungen enstadt gebracht. Die Fahrt- jüdischer Mitbürgerinnen und kosten von Frankfurt nach Mitbürger in der Zeit der Na- Theresienstadt mussten die tionalsozialisten, wie sie auch Deportierten selbst aufbrin- Siegfried, Emma und Manfred gen. Nach zwei Jahren, am Nassauer getroffen haben, 7.5.1944, verstarb sie hier erinnert, und dass die Opfer und wurde eingeäschert. Ihre nicht in Vergessenheit gera- Asche wurde in eine Pappurne ten.“ gefüllt, im dortigen Krema- torium eingelagert und Ende Günter Demnig machte deut- November 1944, als die Natio- lich, die Steine seien nicht da- nalsozialisten begannen, die zu da, um über sie zu fallen, Spuren ihrer Verbrechen zu be- sondern um mit dem Kopf seitigen, in die Ohre geworfen. und mit dem Herzen über sie zu stolpern. Wer zu ihnen he- rabblicke, verbeuge sich dabei zugleich vor den Opfern.

95 Aufstrebende Gemeinde im Main-Taunus-Kreis Verkehrsgünstige Lage mit Anschluss an die BAB 66 Eigener Bahnanschluss an den RMV und das regionale Busnetz Hervorragende Sportstätten, Sport- und Kulturzentrum „Liederbachhalle“ Verschwistert mit Villebon sur Yvette/Frankreich, Verwood, Distrikt Dorset/England, Saldus/Lettland und Pietrowice Wielkie/Polen, Partnerschaft mit Frauenwald am Rennsteig www.Liederbach-Taunus.de Villebon-Platz 9 -11, 65835 Liederbach am Taunus, Telefon: 069/3 00 98 -0 Stadt Eschborn V des Klimasunddochdurchallemodernen Südhang desT sanfte undmalerischeHügellandschaftam ...weil unsereStadteingebettetistindie Angebote zuerholsamen Stundeneinladen richtungen undunterschiedlichen kulturel ...weil einegroßeA polen angebunden. erk ehrsmittel andieumliegendenMetro mit optimalerV Internationales Büro-undHandelszentrum für dieZukunft.Heimat20000Menschen. Weitere Informationen: Rathaus, Gagernring6, 65779Kelkheim (Taunus) Telefon 06190 8030, [email protected] www.kelkheim.de aunus, mitdenV Hier lebtmangerne... Kelkheim (Taunus) Eine moderne,jungeStadtvollerPläne usw ahl anFreiz erkehrsanbindung. orzügen eitein- le - . www .eschborn.de Tradition & Moderne Kultur . Gesundheit . Vielfalt

Bad Soden am Taunus mit seinen zahlreichen Quellen begrüßt seine Gäste als Gesundheitsoase im Grünen vor den Toren der Metropole Frankfurt am Main. Die liebens- und lebenswerte Stadt verbindet gekonnt und geschmackvoll Tradition und Moderne. Mit hervorragenden Kliniken, Fachärzten und zahlreichen ambulanten medizinischen und pflegerischen Pra- xen verfügt Bad Soden am Taunus über fortschrittliche medizinische Einrichtungen aller Fachrichtungen. Einkaufspassagen mit attraktiven Geschäften und Boutiquen sorgen für ein angenehmes und individuelles Einkaufserlebnis. Spaziergänger und Wanderer tauchen ein in die unberührte Natur des Altenhainer Tals oder in das Blüten- meer der Neuenhainer Obstwiesen und genießen die Möglichkeit zum Relaxen und Regenerieren. Das Som- mernachtsfest, die Sodener Weintage sowie die sommerlichen Sonntags- und Jazzkonzerte sind Highlights der mulitikulturellen Vielfalt für Jung und Alt. Die zahlreichen Bars, Bistros, Cafés sowie das breite Angebot an internationaler und einheimischer Küche runden den erlebnisreichen Aufenthalt ab.

Herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahren CJZ im Main-Taunus-Kreis!

Werden Sie Teil eines ganz besonderen Kunstwerks – besuchen Sie die begehbare Stelenskulptur El Lissitzky-Allee im Schwalbacher Abschnitt des Regionalparks RheinMain. Wer war El Lissitzky? Lasar M. Lissitzky (1890 - 1941) studierte von 1909 bis 1914 Architektur und Ingenieurwissenschaften an der TH Darmstadt. Er war Maler, Grafiker und Architekt und gilt als Wegbereiter des Konstruktivismus und der modernen Typographie. Traditionsbewusst und modern Leben im Obstgarten

Eine Gemeinde mitten im Ballungs- Das Leben im „Obstgarten des Vor- raum Rhein-Main: Kriftel hat seine dertaunus“ ist geprägt von regen Traditionen erhalten und sich zu einer gesellschaftlichen und kulturellen lebendigen, modernen Gemeinde Aktivitäten, hervorragenden Sport- entwickelt, ohne Profil einzubüßen. stätten und Freizeitanlagen, sowie Das gibt Kriftel einen unverwechsel- einem lückenlosen Angebot an schu- baren, liebenswerten Charakter. lischen Einrichtungen.

Kriftel – zentral und lebendig

Auskünfte

Gemeindevorstand der Gemeinde Kriftel Frankfurter Straße 33-37 I 65830 Kriftel Tel. 06192 4004-0 I Fax 06192 45514 [email protected] Kriftel www.kriftel.de Obstgarten des Vordertaunus zentral naturnah wirtschaftsstark Der Main-Taunus-Kreis

. . . ist ein Ort für Verständigung Als Mitglied der CJZ Main-Taunus und Austausch der Kulturen und unterstützt die Stadt Hattersheim am Religionen. Main die Ziele der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Wir gratulieren der im Main-Taunus-Kreis e. V. Gesellschaft für Christlich-Jüdi- In der Dokumentation von 2008 und mit der Verlegung von Stolpersteinen sche Zusam- für die Opfer des Nationalsozialismus menarbeit seit 2010 werden die Spuren jüdischen für 25 Jahre Lebens in der Mainstadt dokumentiert. verdienst- volles En- gagement.

Adresse Main-Taunus-Kreis Der Kreisausschuss Am Kreishaus 1-5 65719 Hofheim

Telefon 06192 201-0 Telefax 06192 201-2136 E-Mail [email protected] Internet Die Dokumentation ist für 10 Euro www.mtk.org bei der Stadt Hattersheim erhältlich.

www.hattersheim.de main-taunus-kreis Herzlichen Dank sagt die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus-Kreis den Sponsoren dieser Broschüre:

Christiane Augsburger Stadt Hattersheim Josef und Magdalena Noll Schwalbach Hofheim Friedemann u. Barbara Gemeinnützige Stiftung Kelkheim Gundula Lohmann-Pabst und Taunus Sparkasse Günter Pabst Stadt Hofheim Bad Homburg Schwalbach Almuth Hoffmann Ev. Kirchengemeinde Irmgard und Dr. Mark Pilz Frankfurt Bad Soden Hofheim Sybille Holland-Merten Evangelisches Dekanat Dr. Jürgen und Lieselotte Reden Hofheim Kronberg Hofheim Ev. Johannesgemeinde Stadt Bad Soden Herbert Reibling Hofheim Eschborn Dr. Gerd Bährecke Sigrid Junker Hattersheim Erich und Gertrud Rohan Bad Soden Kriftel Kath. Erwachsenenbildung Stadt Kelkheim Bildungswerk Dr. Dorothea und Dr. Detlef Röhl Main-Taunus Jochen Kilb Bad Soden Kriftel Richard Joel Byer Brigitte Säuberlich Bad SodenDanke.Thorsten Kiwitz Schwalbach Hofheim Hilde Cohn Willi und Iso Schelwies Bad Soden Dr. Johannes Kohl Schwalbach Königstein Irmhild Colmar Maria Schickling Brensbach Dr. Gert und Irene Krell Bad Soden Hofheim Michael Cyriax Stadt Schwalbach Hofheim Gemeinde Kriftel Evangelische Limesgemeinde Gerda und Martin Eckhardt Stadt Liederbach Schwalbach Schwalbach Margit Lindenberg Coletta und Dr. Joachim Sierck Stadt Eschborn Hofheim Bad Soden Nancy Faeser, MdL Katholisches Dekanat Helmut Sinn Schwalbach Katholischer Bezirk Main-Taunus Sulzbach Uta Frey Landkreis Main-Taunus Dr. Willi Stammberger Kriftel Hofheim Dr. Gerhard Nebel Mark Gomer Hofheim Gemeinde Sulzbach Hofheim Ev. Kirchengemeinde sowie den Spenderinnen/Spendern, Prof. Dr. Josef Hainz Neuenhain die nicht genannt werden wollen. Kelkheim

101 Literaturauswahl:

Thea Altaras Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen, Königstein 2007

Chr. Browning Ganz normale Männer, Reinbeck 1998

Micha Brumlik Kurze Geschichte – Judentum, Berlin 2009

Bundeszentrale für politische Bildung Jüdisches Leben in Deutschland, Nr. 307, Bonn 2010

Saul Friedländer Das Dritte Reich und die Juden 1933 -1939, München 1998

Saul Friedländer Die Jahre der Verfolgung 1939 -1945, München 2006

Ev. Kirche in Deutschland Gelobtes Land? Eine Orientierungshilfe – Land und Staat Israel in der Diskussion, Gütersloh 2012

Elisa Klapheck So bin ich Rabbinerin geworden, Freiburg 2012

Alfred J. Kolatch Jüdische Welt verstehen – 600 Fragen und Antworten, Wiesbaden 2011

Victor Klemperer Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten, Tagebücher 1933-1945, Berlin 1995

Israel M. Lau Wie Juden leben - Glaube, Alltag, Feste, Gütersloh 1988

Peter Longerich „Davon haben wir nichts gewusst“, München 2006

Arno Lustiger Sing mit Schmerz und Zorn – Ein Leben für den Widerstand, Berlin 2004

Simon Sebag Montefiore Jerusalem, Frankfurt 2011

Peter v. d. Osten-Sacken Martin Luther und die Juden, Stuttgart 2002

Marcel Reich-Ranicki Mein Leben, München 1999

Anna Schmidt Hofheim 1933-1945, Stadtmuseum Hofheim 2005

Anna Schmidt Hattersheim, Eddersheim, Okriftel im Nationalsozialismus, Magistrat der Stadt Hattersheim 2008

Peter Steinbach Der 20. Juli 1944 – Gesichter des Widerstandes, Berlin 2004

Leo Trepp Die Juden, Wiesbaden 2006

Verein. Ev.-Luth. Kirche Deutschland Was jeder vom Judentum wissen muss, Gütersloh 2005

Klaus Wengst Freut euch, ihr Völker mit Gottes Volk – ein Gang durch den Römerbrief, Stuttgart 2008

Pädagogisches Zentrum Frankfurt, Web-Portal „Vor dem Holocaust“, Fotos zum Jüdischen Alltagsleben in Hessen Fritz-Bauer-Institut www.vor-dem-holocaust.de und Jüdisches Museum

102 Inhalt

Grußworte 4-12

25 Jahre CJZ im MTK 1988-2013 ein kurzer Überblick Günter Pabst 14-23

Tätigkeitsbericht 2012 Karin Hammer 24-27

Neue Impulse für den Dialog Willi Schelwies 28-33

Und wie weiter? – Ein Gespräch Erich Rohan 34-35

Juden und Christen am Tisch des Herrn? Prof. Dr. Winfried Frey 36-39

Gottesdienste mit christlich-jüdischen Dialogpredigten Andreas Heidrich 40-45

Hofheimer Schattenseiten – Vergessen.Erinnern.Erzählen. Dr. Jutta Pauli 46-49

Eine kleine Einführung in das Chanukka-Fest Daniel Kempin 50-53

Bericht über eine Gedenkstättenfahrt nach Polen Irene Krell 54-57

Israelreisen der CJZ Main-Taunus Gerda Eckhardt 58

Israelreise vom 26.03. bis 02.04.12 Magdalena Feldhoffer 59

Auf der Suche nach jüdischen Gemeinden im MTK Jürgen Dehl 60-91

Ergänzungen:

Hattersheim Ulrike Milas-Quirin 67

Hofheim Roswitha Schlecker 73-75

Bad Soden Dr. Dietmut Thilenius 86-87

Wallau Rudolf Eckl 92-93

Stolpersteine in Kriftel Dr. Thomas Hammer 94-95

Anzeigen 96-100

Danksagung 101

Literaturauswahl 102 Gesellschaft für Christlic- h Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus-Kreis