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WIRTSCHAFT

Text, daß ihre Kredite eine „hinrei- chend rückläufige“ Tendenz zeigen. Derart hoch verschuldete Länder würden die als Stabilitätsgemeinschaft angelegte WWU schnell zur Inflations- „Gelder sperren“ gemeinschaft machen. „Dann“, fürch- tet ein Waigel-Beamter, „fliegt die Sa- FDP-Fraktionschef über das -Geld che auseinander.“ Einen Einstieg durch die Hintertür für Italiener, Bel- gier oder Spanier können sich Kohl SPIEGEL: Die Zweifel an der Stabili- SPIEGEL: Reichen denn dafür Selbst- und Waigel nicht leisten: 1998 ist tät der künftigen Europa-Währung verpflichtungen der EU-Staaten Wahljahr. „Die Populisten“, sagt Kohl, wachsen. Ist die geplante Abschaf- aus? „gucken aus allen Löchern.“ fung der Mark zum 1. Januar 1999 Solms: Nein, das reicht nicht aus. Waigels Parlamentarischer Staatsse- noch realistisch? Die FDP fordert eine Zusatzverein- kretär erinnert sich Solms: Wir Deutsche sollten keines- barung zum Maastricht-Vertrag, die nur zu gut, wie der CSU-Abweichler in falls den Vertrag von Maastricht in rechtsverbindlich ist. Diese Zusatz- Europa-Fragen, Peter Gauweiler, mit Frage stellen. Allerdings müssen wir vereinbarung sollte die Verbindlich- dem Spruch vom Esperanto-Geld der im eigenen Land für die Akzeptanz keit der Konvergenzkriterien, also Europäischen Währungsunion Aufse- der Währungsunion erst noch wer- zum Beispiel eine niedrige Staatsver- hen erregte. Damit könne jeder Dem- ben. Deshalb ist für mich auch klar: schuldung und eine minimale Inflati- agoge „den Nerv der Leute treffen“, Die Stabilität der künftigen europäi- on, über den Starttag der Währungs- meint Faltlhauser. „Davor haben die schen Währung hat absoluten Vor- union hinaus verlängern. Alle Staa- Leute Angst.“ rang. Der ehrgeizige Zeitplan schafft ten, die an der Währungsunion teil- Schon schießt sich SPD-Populist den notwendigen Druck, die Stabili- nehmen, sollten diese Vereinbarung Gerhard Schröder auf das Ziel ein: tätskriterien zu erfüllen. unterzeichnen. Ohne England und Italien sei die Wäh- SPIEGEL: Die Stabili- SPIEGEL: Auch nach rungsunion „uninteressant“. Niemand tätskriterien, zum Inkrafttreten der in Deutschland habe die Legitimation, Beispiel das festge- Währungsunion wäre meint Schröder, „die D-Mark auf dem legte Höchstmaß an eine exzessive Schul- europäischen Altar zu opfern“. Staatsverschuldung, denpolitik kaum zu Naheliegend ist deshalb eine Zwi- erfüllen derzeit nur verhindern. Was tun? schenlösung, wie sie derzeit diskutiert Deutschland und Solms: Die bisher im wird: Genau nach Fahrplan beschlie- Luxemburg. Stirbt Vertrag festgeschrie- ßen Ende 1997 Franzosen und Deut- die Währungsunion benen Sanktionsme- sche, Iren und Österreicher oder wer mangels Mitglieder? chanismen müssen dann auch immer die Klub-Bedingun- Solms: Erst zur Jah- ergänzt werden. Wir gen erfüllen mag, die Währungsunion reswende 1997/98 brauchen schärfe- zu starten – mit den Nachzüglern, aber wird durch die euro- re Instrumente, die ein oder zwei Jahre später als geplant. päischen Staats- und auch exekutierbar Problemlos sind allerdings auch die Regierungschefs ent- sind, um Haushalts- Übungen auf der Zeitschiene nicht: schieden, wer dabei disziplin notfalls zu Wird das feste Datum des 1. Januar ist und wer nicht. erzwingen. Die Ge- 1999 zur Disposition gestellt, gerät die Eine Währungs- meinschaft muß bei-

gesamte Architektur der Wirtschafts- union nur zwischen M. DARCHINGER spielsweise das Recht und Währungsunion des Maastrichter Deutschland und Lu- Liberaler Solms haben, Fördermittel Vertrages ins Wanken. xemburg wäre, auch aus ihren Fonds zu In Artikel 109 j/4 des Vertrages wenn der Vertragstext sie zwingend sperren, wenn permanent gegen die heißt es lapidar, daß für alle Mitglieds- vorschreibt, nicht ausreichend. Oh- Grundsätze einer soliden Finanzpoli- länder, die dann die Kriterien erfüllen, ne Frankreich macht das Unterneh- tik verstoßen wird. die dritte Stufe „am 1. Januar 1999 be- men für mich keinen Sinn. SPIEGEL: Eine gemeinsame Wäh- ginnt“. Das sollte jene „Unumkehrbar- SPIEGEL: Der Wunsch, die Ein- rung, aber jedes Land will seine Haus- keit“ (Bundeskanzler Helmut Kohl) stiegskriterien zu senken, ist bei vie- haltspläne selbständig aufstellen. der Entwicklung zur Wirtschafts- und len Europäern groß. Wie soll sich Kann das funktionieren? Währungsunion garantieren, auf die Deutschland wehren? Solms: Es ist das große Defizit des Kohl bisher besonderen Wert legte. Solms: Wir müssen darauf bestehen, Maastrichter Vertragswerkes, daß Und warum auf Belgien und Italien daß die Stabilitätskriterien vollstän- die Politische Union nicht in gleichem warten, aber nicht auf Portugal? dig erfüllt werden. Eine Uminter- Maße vereinbart werden konnte wie „Dann aber sind wir beim Sankt-Nim- pretation können wir nicht zulassen. die Währungsunion. Die Budget- merleins-Tag“, so ein Brüsseler Wäh- Im Gegenteil: Wir müssen mit unse- Aufstellung mit all ihrer Detailarbeit rungsplaner, „und damit am Ende des ren Partnern in der EU darüber re- wird auch künftig in der Verantwor- Währungstraums.“ Schon die Diskussi- den, wie wir den Kriterien, die in tung der nationalen Parlamente lie- on über den Beginn der Währungsuni- Maastricht nur für den Beginn gen, aber die Gemeinschaft muß den on, das ist die Bilanz der vergangenen der Währungsunion festgeschrieben Rahmen setzen, in dem die Staaten zwei Wochen, hat die Qualität des wurden, auch danach Gültigkeit ver- ihre Einnahmen und Ausgaben pla- Maastrichter Vertrages verändert. schaffen. Die neue Währung wird nen. Eine funktionstüchtige Wäh- Er habe „schreckliche Angst davor“, nur dann stabil sein, wenn die klar rungsunion benötigt eine regelmäßig sagte etwa der niederländische Zentral- definierten Stabilitätsmerkmale auf und verpflichtend abgestimmte Fi- bankchef Wim Duisenberg vorige Wo- Dauer gelten. nanzpolitik. che, „daß Aufschub Abschaffung be- deute“.

DER SPIEGEL 40/1995 119