HEFT 248 / 2002 42. JAHRGANG

• 42. Woche der Begegnung in Rolduc/NL • Wiederbewaffnungsdebatte und katholische Kritik • Islam – Naher Osten – arabische Welt

1 HEFT 248 – AUGUST 2002 AUFTRAG 42. JAHRGANG

INHALINHALINHALTTT editorial ...... 3 BLICK IN DIE GESCHICHTE DIE WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE IN DER ADENAUER- 42. WOCHE DER BEGEGNUNG: ÄRA UND DIE KATHOLISCHE KRITIK »CHRISTEN IN VERANTWORTUNG FÜR EUROPA ZWISCHEN Vorwort (Baldur Hermans) ...... 57 WÄHRUNGSUNION UND WERTEGEMEINSCHAFT« Die Wiederbewaffnungsdebatte – Kritik und Oppo- Programm-Auszug ...... 4 sition auf katholischer Seite (Arno Klönne) .... 58 Europa zwischen Währungsunion und Stellung der katholischen Kirche zum Ost-West- Wertegemeinschaft (Georg Kestel) ...... 5 Konflikt – katho. Unterstützung der Wiederbe- Tagungsort Rolduc (Richard Schmitt) ...... 9 waffnungspolitik Adenauers (Ernst Josef Nagel) ...... 60 ISLAM UND WESTLICHE WELT Diskussionsbericht (Vera Bücker) ...... 67 Teil 3: Islam und Christentum (Dieter Kilian) .... 11 Biographische Daten zum Diskussionsbericht...... 70 Terrorismus im Islam religiös nicht zu rechtfertigen...... 18 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Der Nahostkonflikt: Das Drama im Heiligen Land SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK (Erich Maria Fink)...... 73 Drohende Schatten über Mesopotamien Versöhnungsarbeit unter der Jugend leisten (bt) .. 76 (Volker W. Böhler) ...... 20 Arabischer Bericht über die menschliche Erklärung von pax christi: Kein Krieg gegen Entwicklung (bt) ...... 76 den Irak! ...... 30 Russland: Justizreform (bt) ...... 77 UNOMIG – eine friedenserhaltende Mission in Georgien (Walter Theis) ...... 31 Anti-Katholikenkampagne in Russland stößt auf Widerstand (KNA) ...... 77 BDKJ-Hauptversammlung – Sicherheitsethische und sicherheitspolitische Beschlüsse: Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag hat am 1. Juli 2002 Arbeit aufgenommen (DT) .... 78 Frieden fördern und gestalten ...... 34 Die Aufnahme des Gottesbezugs in die Die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland europäische Verfassung (PS/KNA) ...... 78 ist auszusetzen!...... 40 Freidenker-Vereinigungen ...... 79 Inneneinsatz der Streitkräfte: Bundeswehr und Terrorismusbekämpfung (Mattias G. Fischer) . 41 Humanisten-Verband: Günstige Prognose (KNA) .79 Söldnerfirmen im Aufwind (ds/IAP-Dienst) ...... 43 Polen: Kritische Sowjetarmee-Ausstellung (Joachim G. Görlich) ...... 80 „Kämpfen für die Menschenrechte“ (bt) ...... 44 Polens Postkommunisten prangern Diskriminierung Geheime Balkanarmee (bt) ...... 45 von Katholiken in Russland an (J. G. Görlich) ... 80 Friedensarbeit der Hilfswerke: Chancen und Die Legende von der Wehrungerechtigkeit (IAP) . 81 Grenzen (KNA) ...... 46 Bundestagswahl: Wenig über Werte (KNA) ...... 83 „Friedensarbeiter“ als Beruf – wenn es denn dem Frieden dient (KNA) ...... 46 ZdK-Erklärung zur Bundestagswahl (ZENIT) .... 84 Mit Leibwächtern auf den Richterstuhl UN-Bericht: Demokratie in Entwicklungsländern (Christoph Strack) ...... 47 stärker fördern (KNA) ...... 85 Forderung nach einer „Humanitären Meldestelle” „Geht zu allen Völkern“ – Der Auftrag der Kirche in bei der DBK (Klaus Liebetanz) ...... 48 der globalisierten Welt“ (Heinrich Dorndorf) ..... 86 Menschenrechte: Situation der Religionsfreiheit in ZUM BILD DES SOLDATEN der Welt etwas verbessert (ZENIT) ...... 88 Die Grenzen einer Wanderdokumentation Ukraine: Christ, Politik und Staatsgewalt. (Gerhard Arnold) ...... 49 Die neue Ukraine (Reinhard Kloss)...... 89 Eine nicht ganz unzeitgemäße Betrachtung – Gentechnik: Katholische Männer beklagen Gemeinschaft Muslimischer Soldaten (GMS)? männliche Dominanz (KNA) ...... 91 (Thomas R. Elßner) ...... 51 GKMD-Position: Was darf der Mensch? ...... 92 Philosophie der Menschenführung in militärischen Bereichen (Wolfgang Altendorf) ...... 52 KIRCHE UNTER SOLDATEN Die Erfolgsstory Gottes (Klaus Liebetanz) ...... 54 Bereich Ausland: El Paso,Tx, USA ...... 93

2 42. JAHRGANG AUFTRAG HEFT 248_– JAUGUST 2002

KLMD Kiel – (ehemals WB I): ...... 94 Aus dem Bundesvorstand der GKS ...... 106 GKS NS/Bremen– (ehemals WB II ) ...... 95 GKS-Akademie Oberst Helmut Korn – 9. Seminar Bereich Nordrhein-Westfalen – (ehemals WB III) 96 2003: »Soldat – Ehe – Familie –Partnerschaft« .. 108 GKS-Kreis Unna ...... 99 KAS Bonn: Betreuung der Soldaten und KLMD Koblenz ...... 99 ihrer Familien ...... 110 GKS Rhld-Pfalz/Hessen/Saarland – GKS – dokumentiert in Bw-Fachinformation ...... 111 (ehem. WB IV) ...... 100 GKS-Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler ...... 101 PERSONALIA ...... 53, 81, 110, 112–116 Militärbischof Mixa beim Wehrbeauftragten LESERBRIEF ...... 88 des Bundestages ...... 102 BUCHBESPRECHUNG ...... 72, 105, 114, 117 Standort Laupheim ...... 103 GKS Köln ...... 103 GEFUNDEN ...... 29 Leitender Katholischer Militärdekan Ausland ... 104 KURZ NOTIERT ...... 30 Ökumenischer Gottesdienst im Bendlerblock in Berlin ...... 106 AUTOREN ...... 119 editorial Liebe Lesergemeinde! ie Eingaben an den Wehrbeauftragten des Hinweise für das Einsenden von Fotos deutschen Bundestages, Wilfried Penner, sind im ersten Halbjahr 2002 gegenüber dem glei- In Heft 243 / April 2001 hatte die Redaktion „Tipps chen Zeitraum des Vorjahres um 43 Prozent für Presse-Beiträge“ gegeben (S. 103-104). Diese Tipps vonD 2.631 auf 3.750 alarmierend angestiegen. Nach An- scheinen bei den meisten Zusendern in Vergessenheit ge- gaben Penners spiegele sich in dieser Erhöhung die man- raten oder unbekannt zu sein. Fotos müssen eine be- gelhafte Planungssicherheit für den Einzelnen durch die stimmte Mindestgröße (15 x 10 cm), Qualität (Hochglanz- eingeleitete Bundeswehrreform sowie die Auslandsein- abzug) und bei digitalisierten Bildern auch Auflösung sätze mit ihren Belastungen für die Familien und Lebens- (300 dpi) haben, damit sie für den Druck geeignet sind. partner wider. So machten „den weitaus größten Teil des Fotos mit „Internet-Qualität“ entsprechen diesen Anfor- Zuwachses Eingaben von Berufs- und Zeitsoldaten derungen i.d.R. nicht. Ein den Bildschirm füllendes Bild (1.102) sowie von Soldaten aus dem Ausland (804) aus“. hat oft nur eine Auflösung von 72 dpi und schrumpft beim Übertrag in eine Druckvorlage auf etwa 4,5 x 3 cm Größe. Wen wundert’s, wenn man bedenkt, dass gerade die- Deshalb bittet die Redaktion gerade bei der Digitalisie- ser Personenkreis seit der Wiedervereinigung – innerhalb rung von Bildern darum, dass die erforderlichen Stan- von 12 Jahren – den dritten Umbau der Bundeswehr erle- dards eingehalten werden. ben muss. Sind diese Reformen doch stets verbunden mit Diese sind: einer erheblichen Reduzierung der Bundeswehr und ihrer • Mit einer Digitalkamera aufgenommene Fotos unbear- Finanzen, Standortschließungen – dies bedingt zusätzli- beitet übersenden (per Diskette, CD oder Email). che Versetzungen und Umzüge – und diesmal auch noch • Einscannen von Fotos mit 300 dpi-Auflösung, Größe 1:1 eine große Veränderung in der Streitkräfteorganisation. (keinesfalls unter 12 x 8 cm). Bei einer Bildschirmauf- Nach der Bundestagswahl kommt es deswegen darauf an, lösung von 72 dpi müsste ein 12 x 8 Foto mit einer Bild- dass die Bundeswehr ihre eingeleitete Reform schnell zu größe von ca. 56 x 42 cm gespeichert werden, damit es Ende führt, begleitet von rechtzeitiger Information des für den Druck geeignet ist! Personals über die geplanten Maßnahmen. Außerdem • Eingescannte Bilder als TIF-Datei (ggf. auch JPG-Format muss der Verteidigungshaushalt erhöht werden, um die in maximaler Qualität) speichern und übersenden. Defizite in der Ausbildung sowie Modernisierung und In- • Fotos nicht in Textdateien einbetten, sondern als Anhän- standhaltung des Materials beheben zu können. ge/eigene Bild-Dateien übersenden. Ihre Redaktion

Titelbild: Kirche und Moschee in Jerusalem. Im Vordergrund die Zwiebeltürme der russischen Maria-Magdalenen-Kirche in Gethsemane, dahinter der Felsendom, dazwischen die 400 Jahre alte türkische Stadtmauer.

3 42. WOCHE DER BEGEGNUNG »Christen in Verantwortung für Europa zwischen Währungsunion und Wertegemeinschaft«

42. Woche der Begegnung: Zentrales Treffen der in Räten und Verband organisierten Laien in der Katholischen Militärseelsorge vom 15. bis 20. September 2002 im Kongresszentrum Rolduc / Gemeinde Kerkrade/Provinz Limburg/Niederlande

Programm-Auszug 13.-15. September Vorkonferenz der Vorstände von Zentraler Versammlung (ZV) und Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS)

15.-17. September Zentrale Versammlung (ZV) 1. Trennung/Einsatz: Familie was nun? 2. Lebenskundlicher Unterricht – Sonntag, 15. September 2002 ein Auslaufmodell mit Zukunft? –16.00 Uhr Anreise und Empfang 3. Der Mensch – göttliches Ebenbild oder der Delegierten und Gäste wissenschaftliches Experimentierfeld 17.00 Uhr Eröffnungsgottesdienst in der Kirche 4. Vielfalt der Kath. Militärseelsorge – St. Mariä Himmelfahrt, Herzogenrath das Beispiel Niederlande 19.30 Uhr Begrüßung: Vorsitzender der ZV, Oberst 18.30 Uhr Heilige Messe mit Militärbischof Franz-Josef Pütz, und Eröffnung der Dr. Walter Mixa in der Klosterkirche Rolduc Beratungen durch Militärgeneralvikar anschl. Abend der Begegnung Prälat Walter Wakenhut anschl. Treffen der Delegierten aus den Bereichen Dienstag, 17. September 2002 der Katholischen Leitenden Militärdekane 08.30 Uhr Morgenlob 08.45 Uhr Berichte aus den Bezirken der Kath. Montag, 16. September 2002 Leitenden Militärdekane mit Aussprache 08.30 Uhr Morgenlob 11.00 Uhr Wahl eines Vertreters der ZV in das ZdK 08.45 Uhr Vortrag mit Aussprache: 11.20 Uhr Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse „Christen in Verantwortung für Europa – vom Vortag zwischen Währungsunion und Werte- 12.00 Uhr Wort des Vertreters des Priesterrates gemeinschaft“, Dr. Thomas Jansen, Brüssel Militärpfarrer Thomas Stolz, Calw 11.00 Uhr Informationen, Berichte, Wahlen, Beschlüsse – die Arbeit im ZdK, 14.00 Uhr Pressegespräch – die Nachbarschaftshilfe 2001/2002, 15.00 Uhr Bericht des Bundesvorsitzenden der GKS, – Vorbereitung der Wahl eines Vertreters Oberst Dipl.-Ing. Karl-Jürgen Klein, über der ZV in das ZdK, die Verbandsarbeit – Einbringen von Beschlussvorlagen 15.20 Uhr Bericht des Vorsitzenden der ZV, Oberst – Ökumenischer Kirchentag 2003 Berlin Franz-Josef Pütz, über die Arbeit im Vorstand – Jahr mit der Bibel 2003 15.40 Uhr Verabschiedung von Beschlussvorlagen 14.45 Uhr Wort des Katholischen Militärbischofs, 16.15 Uhr Wort des Katholischen Militärbischofs Bischof Dr. Walter Mixa zum Abschluss der ZV 15.45-18.00 Uhr Arbeitsgruppen 16.30Uhr Schlusswort des Vorsitzenden der ZV

4 AUFTRAG 248 KIRCHE UNTER SOLDATEN

ZV und Bundeskonferenz der GKS –16.00 Uhr Anreise weiterer Teilnehmer und Gäste Donnerstag, 19. September 2002 der GKS zur Bundeskonferenz 08.30 Uhr Heilige Messe in der Klosterkirche Rolduc 18.00 Uhr Pontifikalamt mit Militärbischof Dr. Walter Zelebrant MGV Prälat Walter Wakenhut Mixa in der Klosterkirche Rolduc 09.45 Uhr Vortrag und Aussprache: anschl. Empfang und Gästeabend des Katholischen „Europäische Wertestudie“ Militärbischofs aus Anlass der 42. Woche der Prof. DDr.Paul M. Zulehner, Wien Begegnung im Congres Centrum Rolduc 14.00-22.00 Uhr Kulturelles Programm EUREGIO Fahrt zum 3-Länder-Eck Maastricht –Aachen mit abschl. Abendessen in der Offizierheim- Bundeskonferenz der GKS gesellschaft „Gut Neuhaus“ Mittwoch, 18. September 2002 08.30 Uhr Heilige Messe in der Klosterkirche Rolduc Freitag, 20. September 2002 10.00 Uhr Eröffnung der Bundeskonferenz 08.30 Uhr Heilige Messe in der Klosterkirche Rolduc Wort des Militärgeneralvikars 09.15 Uhr Aussprache zur Zukunft der GKS diverse Berichte und Aussprache dazu 10.30 Uhr Beschlüsse und Verabschiedungen von 13.30 bis Mitgliederversammlung des Förderkreises Erklärungen, der GKS (FGKS) Die Arbeit der GKS im kommenden Jahr 15.20 Uhr Bericht zum Sachstand „Zukunft der GKS“ Unser Jahresthema, 16.00 bis Sachausschüsse präsentieren sich und ihre Geplante Veranstaltungen und Aktivitäten, aktuelle Arbeit Abschluss der Bundeskonferenz und 19.30 Uhr Treffen der Bereiche der GKS Schlusswort des Bundesvorsitzenden bei den Kath. Leitenden Militärdekanen 12.00 Uhr Mittagessen, anschl. Abreise

Europa zwischen Währungsunion und Wertegemeinschaft Zum Leitgedanken der Woche der Begegnung 2002

GEORG KESTEL

sterix und Obelix, das sind gemeinschaft voran zu bringen. Das tige europäische Haus auch betrach- im Grunde die wahren Thema der diesjährigen Woche der tet, es ist von seinen Fundamenten „AEuropäer!“ – Der so spricht, Begegnung ist deshalb mehr als ein bis zum Dach, von seinen Anfängen muss es wissen. Ist es doch der fran- Wortspiel. Es stellt die ernste Frage bis zur Gegenwart durchzogen von zösische Filmschauspieler Gérard nach dem, was Europa wirklich zu- den Spuren des christlichen Glau- Depardieu, der als Darsteller des sammenhält, und wie auf Dauer und bens. Dies festzustellen heißt nicht, schwergewichtigen Obelix zu Beginn mit Erfolg zusammenhält, was da zu- eine zugegebenermaßen manchmal des Jahres 2002 seinen zweiten Film sammenwächst. reichlich unreflektierte Redeweise vorstellte: „Mission Kleopatra“. Die vom „christlichen Abendland“ zu Comic-Figuren, so der Leinwand- 1. Christen bestimmen ihre pflegen. Oft wird dieses Prädikat nur Mime, strahlten gerade auch im Hin- Position einseitig verwendet, um seiner Klage blick auf den europäischen Eini- über den vermeintlich totalen Verlust gungsprozess eine gehörige Portion Ein umfassender und lang- christlicher Prinzipien im ehemals „Kraft und Humor“ aus. dauernder Prozess wie die europäi- quasi per Naturgesetz vom Glauben In der Tat könnten unsere Euro- sche Einigung stellt die Frage nach geprägten Europa Ausdruck zu geben. papolitiker solche Energien gut ge- dem spezifischen Beitrag der Chris- Notwendige Rückbesinnung muss brauchen, die auch mit Hinkelstei- ten in ihrer gleichzeitigen „Doppel- sich verbinden mit dem mutigen nen federleicht jonglieren sowie jene rolle“ als Glaubende der einen Kir- Blick nach vorn. Papst Johannes Riesenkräfte, die von Zaubertränken che und als Bürger der verschiede- Paul II. wies hier die Richtung, als er kommen. Denn es ist wahrlich keine nen Nationen. Es gibt keinen Grund, sich im Jahr 1988 vor dem Europäi- leichte Aufgabe, unser Europa auf dieser Frage auszuweichen, denn von schen Parlament klar gegen restaura- seinem Weg von der pragmatischen welcher gesellschaftlich-politischen tive Glaubenstendenzen aussprach: Wirtschafts- und Währungsunion zur Seite und aus welcher geschichtli- „Der religiöse Integralismus, der kei- wirklich zukunftstragenden Werte- chen Perspektive man das vielgestal- ne Unterscheidung zwischen der

AUFTRAG 248 5 42. WOCHE DER BEGEGNUNG

Sphäre des Glaubens und jener des zi- tungsmöglichkeit besteht. Gelegent- ihrem Leben zu bezeugen. Dann wer- vilen Lebens macht und in dieser Ge- lich werde das Prinzip der Laizität auf den reife kirchliche Gemeinden her- stalt heute noch in anderen Gegenden Kosten der katholischen Kirche wie anwachsen, die bereit und willens der Welt praktiziert wird, ist unverein- eine Mumie konserviert, „während ein sind, sich mit allen Kräften für die bar mit dem europäischen Geist, so selbstbewusster Islam sich anschickt, Neuevangelisierung einzusetzen.“5) wie ihn die christliche Botschaft ge- der Gesellschaft ganz neue und unbe- prägt hat“. queme Fragen zu stellen“3). 2. Christliche Bausteine am Doch wollen die Kirchen über- Der Bischof beurteilt die Situati- europäischen Haus haupt noch Teil des „christlichen on nüchtern, aber hoffnungsvoll dif- Abendlandes“ sein? Elisabeth Par- ferenziert: Europa sei paradoxer- „Welches Europa also sollen wir mentier, Professorin für Praktische weise ein „Morgenland“ für wissen- als katholische Christen nach den Theologie und Vorsitzende der Leu- schaftliche und ökonomische Innova- Maßstäben des Evangeliums erstre- enberger Kirchengemeinschaft, be- tion und zugleich ein demografisches ben?“, so fragt Bischof Kapellari und dauert für den evangelischen Bereich „Abendland“. Gott sei vor vielen Tü- nennt sechs Desiderate6): nicht, dass sich die Kirchen dem ren ein Fremder, und doch gebe es in • Ein befriedetes Europa, das mehr Geist der Säkularisierung angepasst Europa Frischzellen in Gesellschaft und mehr eine Kraft zum Frieden haben und nicht mehr über ein ein- und Kirche, neue Aufbrüche, die im gesamteuropäischen Raum bis heitliches Modell ihres Auftrages im noch viel mehr zusammenfinden zum Ural und Kleinasien werden werdenden Europa verfügen: „Nein, müssten. Hier gelte es, Allianzen zu soll. Diese Kraft für eine „Pax denn das gehört zu ihrem Wesen. Ge- schmieden in den Anliegen wie Men- Europae“ wird wesentlich von der rade die nostalgische, allumfassende schenrechte, Demokratie, soziale Ge- „Pax Christi“, vom Dienst der und einebnende Vision vom ‘christli- rechtigkeit, Lebensschutz, ökologi- Christen Europas an diesem Frie- chen Abendland’ wäre für sie nicht sche Verantwortung und Stärkung den abhängen. annehmbar. Aus Überzeugung fordern der Familie. Vor einer vorauseilen- • Ein Europa als ein Raum sozialer evangelische Kirchen eher eine Positi- den Resignation wird zu Recht ge- Gerechtigkeit, in dem auch die on der bewussten Marginalität, um warnt: „Die christlichen Kirchen und Kräfte für eine weltweite Solidari- besser ihre Solidarität mit Menschen Gemeinschaften in Europa haben trotz tät besonders mit Völkern in großer in Schwachheit und Unzulänglichkeit vieler Erosionen des so genannten ka- Not stärker werden. Dieser Friede zu bezeugen“.1) Das Ziel ist demnach tholischen und christlichen Milieus wird immer ein Werk der Gerech- nicht die „Verchristlichung der Ge- viel größere Ressourcen an Spirituali- tigkeit und eine Frucht der Barm- sellschaft“, sondern der „zeichen- tät, Solidarität und Barmherzigkeit herzigkeit sein. hafte Dienst von Christen in der Ge- als andere große Gemeinschaften auf • Ein Europa als ein Raum der Ach- sellschaft“. Gerade die Vielzahl der diesem Kontinent.“4) tung und Förderung menschlichen aus der Reformation erwachsenen Die Päpste, die nationalen Bi- Lebens von der Empfängnis bis kirchlichen Gemeinschaften seien schofskonferenzen sowie verschiede- zum Tod. Hier ist Widerstand zu durch die nicht einfachen Prozesse ne Laienorganisationen und Verbän- leisten gegenüber einer Zivilisation innerevangelischer Einheitsbestre- de haben seit dem Rundschreiben des Todes, die sich in Europa bungen vor idyllischen Visionen für Pauls VI. „Über die Evangelisierung bereits vielgestaltig ausgebreitet Europa gefeit. Sie brächten aber, so in der Welt von heute“ (Evangelii hat. Parmentier, ihre eigenen Erfahrun- Nuntiandi) von 1975 das Thema des • Ein Europa als ein Raum, in dem gen aus der Überwindung innerer politisch zusammenwachsenden Eu- der Auftrag Gottes ernst genommen und äußerer Grenzen als Positivum ropa sehr stark mit dem Anliegen der wird, die Umwelt als Mitwelt zu mit ein. „Das erst 30 Jahre alte Profil Neuevangelisierung in Verbindung verstehen und sorgsam zu pflegen. der Leuenberger Kirchen als evangeli- gebracht. Durch diese Verklamme- Es ist zu hoffen, dass die Krise ei- scher Predigt- und Abendmahls- rung haben sie darauf hingewiesen, ner übertechnisierten Landwirt- gemeinschaft könnte gerade als Ge- dass Europa seine Herkunft, seine schaft ein Umdenken und eine Um- meinschaft in der europäischen Welt Identität und auch seine Zukunft kehr hin zu einer ökosozialen Wirt- ein Zeichen einer möglichen und ge- nicht ohne den Bezug zu seinen schaft fördert. lungenen Versöhnung sein, die weit christlichen Wurzeln verstehen und • Ein Europa als Raum christlicher über friedliche Koexistenz oder bloß gestalten kann. Ökumene, die katholische Identität strukturelle Verbundenheit hinaus- So hat Papst Johannes Paul II. und katholisches Profil nicht aus- weist“.2) erst am 25. April 2002 bei der Audi- höhlt oder relativiert, aber offen ist Andere können diesem vom enz für die Teilnehmer eines vom Rat für die geistlichen Reichtümer an- Zweckoptimismus sicher nicht freien der Europäischen Bischofskonferen- derer Kirchen und christlicher Ge- Charme der Marginalität weniger ab- zen (CCEE) veranstalteten Symposi- meinschaften. gewinnen. Für Bischof Egon Kapel- ums gesagt: „Europa braucht drin- • Ein Europa als Raum befriedeter lari von Graz fördern die Christen das gend die Begegnung mit diesem Gott, Beziehungen des Christentums Projekt einer Erneuerung Europas der die Menschen liebt und in all ih- zum Judentum und zum Islam. dadurch am besten, dass sie sich ren Prüfungen und Schwierigkeiten Allerdings wird ein schwaches, sei- nicht an den Rand der Gesellschaft gegenwärtig ist. Damit dies gesche- ner selbst nicht gewisses Christen- drängen lassen, sondern am Bauplatz hen kann, müssen die Gläubigen un- tum von islamischen Kräften ge- Europa mitbauen, wo immer Gestal- bedingt bereit sein, den Glauben mit ring geachtet.

6 AUFTRAG 248 KIRCHE UNTER SOLDATEN

ZdK-Präsident Hans Joachim • Bei der Befolgung des Gebots der 3.2Der Europäische Meyer forderte in seiner Eröffnungs- nachhaltigen Entwicklung in allen Verfassungskonvent rede beim „Europäischen Kolloqui- Bereichen der Politik. Am 28. Februar 2002 tagte in um“ Anfang März 2002 in Berlin den Brüssel zum ersten Mal der 105-köp- Aufbau eines „Netzwerkes“ bzw. ei- 3. Schritte auf dem Weg fige „Konvent zur Zukunft Europas“, nes „Freundeskreises von europäi- zur Wertegemeinschaft dessen Bedeutung manche noch hö- schen Christen“, um aus unseren Er- her einschätzen als die Einführung fahrungen und Stärken heraus das Jeder Einsatz für den christli- des Euro als Gemeinschaftswährung. eine Europa kulturell, politisch, sozi- chen Geist in Gesellschaft und Poli- Nachdem viele das System der EU- al und religiös konstruktiv mitzuge- tik muss sich notgedrungen auf ganz Gipfeltreffen ihrer politischen Wirk- stalten. Der Rückzug aus diesen De- bestimmte konkrete Projekte einlas- samkeit nach als gescheitert anse- batten sei nichts anderes als ein Zu- sen. Dies bedeutet sowohl, Allianzen hen, soll jetzt ein unabhängiges Gre- rückweichen vor dem christlichen zu schmieden als auch Kontroversen mium Vorschläge einer Reform unter- Weltauftrag, den das II. Vatikanische auszuhalten; es geht nicht ohne breiten, über die dann abschließend Konzil formuliert hat, und damit Kompromisse und nicht ohne klare die EU-Regierungen entscheiden. letztlich unchristlich. Wer die EU- Zielvorstellung. Dabei ist nicht aus- Während die einen auf eine Stärkung Mitgliedschaft den Völkern und Nati- zuschließen, dass sich die einsatzbe- der Europäischen Union durch einen onen Mittel- und Osteuropas anbiete, reiten Kämpfer für eine bestimmte internationalen Verfassungsvertrag müsse unbedingt die Frage nach dem Idee vor Leuten aus dem eigenen La- hoffen, haben andere eher die Begren- leitenden Ethos beantworten, die ger des Vorwurfs der Nachgiebigkeit zung der zentralen Zuständigkeiten Frage also nach der moralischen und des Prinzipienverrats erwehren durch einen klar definierten Grundlage des europäischen Projek- müssen. Aber so ist es im Leben fast Kompetenzkatalog im Blick. tes. Wenn es in Zukunft um eine überall: Gerade anspruchsvolle Ziele Die Regierungen haben derweil Neuorientierung der Politik im erfordern die Tugenden der Geduld eine Liste von 60 Fragen zusammen- Spannungsdreieck von regionaler, und des forschen Zupackens in glei- gestellt, auf die der Konvent eine nationaler und europäischer Ebene cher Weise. Von drei Projekten und Antwort finden soll. Zu dieser Herku- gehe, so Prof. Meyer, dann müsse das Prozessen soll im Folgenden kurz die lesarbeit gehört, den Gedanken Eu- Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung Rede sein. ropas der Jugend näher zu bringen. kommen, und zwar nicht nur als Aber auch, die arg verschachtelten Leitbegriff in der Präambel der euro- 3.1Die europäische Grund- EU-Verträge zu vereinheitlichen und päischen Verträge, „es muss vielmehr rechte-Diskussion zu vereinfachen. Insgesamt ist nichts zum Bauprinzip der europäischen Im Dezember 2000 wurde in weniger geplant als eine General- Ordnung werden und durchgängig Nizza feierlich die Charta der Grund- revision von Zuständigkeiten, Insti- Anwendung finden“ 7). rechte der Europäischen Union ver- tutionen, Vertragssystemen und Ent- Thomas Jansen, Kabinettschef kündet, die allerdings noch nicht in scheidungsverfahren. Erwartet wer- des Präsidenten des Europäischen das Primärrecht der Europäischen den Vorschläge, wie die EU auch Wirtschafts- und Sozialausschusses Union übernommen worden ist. Ob- nach der Aufnahme von bis zu zehn und ZdK-Mitglied, sieht das Subsidi- wohl in dem Wortlaut der Bezug auf neuen Mitgliedern handlungsfähig aritätsprinzips vor allem wirksam bei Gott fehlt, hat Papst Johannes Paul II. bleiben kann. Der deutsche Bundes- Fragen und Problemen mit einer den Versuch gewürdigt, hier an der kanzler wünscht sich auf jeden Fall, grenzüberschreitenden, transnatio- Schwelle des dritten Jahrtausends dass am Ende der Konventsarbeit nalen Dimension, und unter diesen eine neue Synthese der Grundwerte „der Entwurf einer europäischen besonders bei jenen, die ethische zu schaffen, an denen sich das Zu- Verfassung steht“. Ein wesentliches Entscheidungen implizieren8): sammenleben der Völker Europas Element ist dabei die oben erwähnte • Bei den sozialen Fragen, die sich auszurichten habe9). Doch ist die Grundrechtecharta, die der erste im Zusammenhang mit der Europä- Charta noch weit von der Einsicht in Konvent unter Roman Herzog erar- isierung oder Globalisierung der die Bedeutung des Gottesbezugs für beitet hat. Wirtschaftsbeziehungen und Le- die menschliche Existenz entfernt, Das Ganze soll schnell gehen: bensbedingungen ergeben. die der evangelische Theologe Karl Der Auftrag an den Konvent ist auf • Bei den Problemen der Wissen- Barth vor Jahrzehnten so formulierte: ein Jahr beschränkt. Rund zwanzig schaft und Forschung, sofern sie in „Würde nennen wir den fallenden Ab- Mal wird er in diesem Zeitraum im neue Bereiche vorstoßen und dabei glanz der Ehre Gottes auf den Men- Europaparlament in Brüssel tagen. Risiken eingehen, die Menschen- schen“. Auch wird man heute nicht Im Jahr 2004 wird eine Regierungs- bild und Menschenrechte in Frage mehr so leicht und so zahlreich Poli- konferenz entscheiden, ob der Ab- stellen (Gentechnologie und Bio- tiker finden, die frei bekennen wie schlussbericht des Konvents als fer- medizin). einst : „Ich fühle tiger Rechtstext oder lediglich als • Bei der Behandlung von Flüchtlin- mich und meine Weltanschauung ge- eine Liste politischer Optionen ge- gen (Asylpolitik), der Integration prägt von den beiden Komponenten wertet wird. Dann werden die end- von zugewanderten Ausländern, der abendländischen Kultur, dem gültigen Reformbeschlüsse gefasst. dem generellen Umgang mit Min- Christentum und dem Humanismus Die Mühe wird sich sicher loh- derheiten. der griechisch-römischen Antike“. nen. Denn ein Verfassungsvertrag

AUFTRAG 248 7 42. WOCHE DER BEGEGNUNG könnte nach dem Euro-Bargeld ein In seinem Eröffnungsreferat un- „Die Solidarität ist das Herzstück weiterer Baustein für eine langsam terstrich ZdK-Präsident Hans Joa- der 50-jährigen Erfahrung der Ge- wachsende europäische Identität chim Meyer die Rolle, die Christen schichte der Europäischen Einigung“, werden. Diese will das in den ange- bei der Gründung der Europäischen so die Erklärung, „sie gründet für uns stammten Regionen verankerte Hei- Union gespielt haben. Jetzt komme als Christen in der Nächstenliebe und matgefühl der Bürger nicht verdrän- es darauf an, diesem Ursprungsethos, im universellen Charakter unseres gen. Vielmehr könnte eine neue Mi- das in den Werten des Evangeliums Glaubens“ 10). schung aus beiden Bezugspunkten wurzelt, auch in Zukunft gerecht zu Es ist gut, dass Christen sich gerade für Einwanderer aus nicht- werden. immer wieder auf ihr Selbstverständ- europäischen Kulturkreisen sogar In ihrer Abschlusserklärung de- nis besinnen und dem darin enthalte- ein überzeugenderer Identifikations- finiert die Versammlung eine doppel- nen Anspruch nicht ausweichen. Sie horizont sein als die einzelnen natio- te Herausforderung, vor der die EU können getrost auch beim Aufbau ei- nalen Identitäten jeweils für sich ge- heute stehe: Die Vertiefung der Ge- nes vereinten Europa ihre Stimme er- nommen. Vielleicht wird es ja einmal meinschaft sowie die Offenheit für heben. Denn auch bei diesem Vorha- so etwas geben wie einen europäi- die Erweiterung. „Als Christen kön- ben gilt, was über jedes Glaubens- schen Verfassungspatriotismus! nen wir uns nicht zufrieden geben mit engagement zu sagen ist: Der Geist Die katholische Kirche wird die einem vereinten Europa in einer zer- Gottes ist es, der jedes gute Men- Arbeit des Konvents konstruktiv be- rissenen Welt“, sagen die Delegier- schenwerk begleitet und im Letzten gleiten und an der europäischen ten, „wir wollen dem Risiko entge- erst zu dem Erfolg führt, den Gottes Verfassungsdiskussion aktiv mitwir- genwirken, dass sich unser Kontinent, Vorsehung ihm bestimmt hat. Es ist ken. In einer Erklärung vor dem letz- ermüdet durch die Geschichte, auf darum sicher nicht die schlechteste ten EU-Gipfel haben die Bischöfe sich selbst zurückzieht und sich darin Idee, als Christ und Europäer die der Kommission der Bischofskonfe- genügt, sich auf den Früchten seines hier beschriebenen Anliegen und renzen der Europäischen Gemein- Geistes und den Meriten seiner Ge- Vorhaben mit in das Gebet zu neh- schaft (COMECE) als Leitlinien für schichte auszuruhen“. men. Henri Boulad hat das „Gebet den Konvent schon die Grundsätze Weiter heißt es: „Unser Beitrag eines Europäers“ formuliert, in dem der Menschenwürde, Solidarität, zur Erweiterung der Union wird auch es heißt: Subsidiarität und Transparenz ge- darin bestehen, dass wir Begegnun- „Geist Gottes, bewahre mich vor nannt und die Rolle der Kirchen in gen der auf unserem Kontinent leben- Falschwahrheiten, die so zahlreich in Bildung, Kultur und Sozialarbeit be- digen katholischen, protestantischen, Umlauf sind, und vor meiner eigenen tont. Die COMECE bereitet derzeit anglikanischen und orthodoxen Tra- Blockade, wenn ich mich Selbstzwei- ihre genauere inhaltliche Position ditionen ermöglichen“. Europa muss feln hingebe und mit ihnen endlos zur Arbeit des Konvents vor. nach Auffassung der katholischen Vergangenes analysiere. Lass mich Laienvertreter insgesamt stärker dir besser helfen, mit allen meinen 3.3Das Europäische „Verantwortung übernehmen bei der Herzens- und Geisteskräften, Europa Kolloquium in Berlin Mitgestaltung einer menschenfreund- umzugestalten, damit es Jahr um Auch die katholischen Laien Eu- lichen Globalisierung durch die Ge- Jahr zuversichtlicher, menschlicher ropas wollen sich durch Veranstal- staltung einer neuen, von Werten ge- und göttlicher werden kann, denn je- tungen, Gespräche und Erklärungen tragenen Welt“. Wenn auch ein lu- der Einzelne ist vom Absoluten –Gott- an der Debatte über Werte und Ziele penreines „christliches Europa“ illu- gezeichnet, nur kann er es noch nicht der Europäischen Union beteiligen. sorisch sei, so könne doch der euro- glauben. Lass mich die Geistflamme, Zu diesem Zweck fand in Berlin An- päische Bauplan auf die histori- die in mir brennt, weitergeben, sie fang März 2002 auf Initiative des schen, kulturellen, spirituellen und speist sich aus dem endlosen Verlan- Zentralkomitees der deutschen auch religiösen Fundamente nicht gen nach der Vollendung.“11) Katholiken (ZdK) und der französi- verzichten. schen Partnerorganisation Semaines sociales de France ein Treffen von Anmerkungen: 120 Delegierten aus 20 Ländern statt. 1) Elisabeth Parmentier, Nein zum christli- 8) Thomas Jansen, Europa ad intra. Identi- chen Abendland, in: Rheinischer Merkur tät, Verfassung, Politik. Beitrag zum Eu- Nr. 8 vom 22.02.2002 (Merkur Spezial, ropäischen Kolloquium vom 28.02.– Seite 7). 02.03.2002 in Berlin. 2) Elisabeth Parmentier, a.a.O. 9) vgl. Peter J. Tettinger, Christliche Werte 3) Egon Kapellari, Allianzen schmieden, in der europäischen Grundrechtedis- in: Rheinischer Merkur Nr. 8 vom kussion. Reihe: Kirche und Gesellschaft, 22.02.2002 (Merkur Spezial, Seite 7). Nr. 287, hrsg. von der Katholischen 4) Egon Kapellari, a.a.O. Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle 5) Osservatore Romano (deutsch) Nr. 19 vom 10. Mai 2002, Seite 9. Mönchengladbach, Köln 2002. 6) Egon Kapellari, a.a.O. 10) Abschlusserklärung des Europäischen 7) Hans Joachim Meyer, Das II. Vatikani- Kolloquiums vom 28.02.– 02.03.2002 in sche Konzil als Basis für den Einsatz ka- Berlin. tholischer Laien für Europa. Eröffnungs- 11) Henri Boulad, Die tausend Gesichter des rede beim Europäischen Kolloquium Geistes, Otto Müller Verlag, Salzburg vom 28.02.–02.03.2002 in Berlin. 2001.

8 AUFTRAG 248 KIRCHE UNTER SOLDATEN ROLDUC Tagungsort der 42. Woche der Begegnung

RICHARD SCHMITT ie Woche der Begegnung wechselt mit ihrem Tagungsort tra- ditionell zwischen den Wehrbereichen und war in den Jahren Dnach der Wiedervereinigung vielfach in den neuen Bundes- ländern zu Gast. Höhepunkt dieser Reihe war im letzten Jahr die Ausrichtung in Berlin. Nun ist es an der Zeit auch den „Wehr“-Be- reich Ausland in die Liste der Tagungsorte aufzunehmen. Die Zentrale Versammlung und die Bundeskonferenz der GKS finden 2002 erstmals im Ausland statt. Gastgeber ist der für den Bereich Aus- sen hatte. Der Spanische Erbfolge- land zuständige Militärdekan Prälat Walter Theis, Leiter des Referats V im krieg brachte die südlichen Nieder- KMBA. Zuständiger Standortpfarrer vor Ort ist der Deutsche Katholische lande 1713/14 in den Besitz Öster- Militärgeistliche Brunssum, Pater Bernhard Bornefeld SSCC. reichs, das sie nach der Eroberung Das Ziel der diesjährigen Reise zur 42. Woche der Begegnung sind die durch französische Truppen 1801 an Niederlande. Tagungsort ist das Kongresszentrum Rolduc. Frankreich abtreten musste. Im Kö- Wer nun eine ausgedehnte Auslandsreise erwartet dem zeigt ein Blick auf nigreich der Vereinigten Niederlan- die Landkarte, dass (vorausgesetzt er findet einen Eintrag) davon nicht de, das 1814 nach Abzug der franzö- die Rede sein kann. In der Nähe von Aachen, unmittelbar hinter der sischen Truppen aus einem Zusam- deutsch-niederländischen Grenze (aus Herzogenrath kommend) liegt das menschluss der nördlichen und süd- Congres Centrum Rolduc in der Gemeinde Kerkrade/Provinz Limburg. Es lichen Niederlande entstand, wurde gehört zur Diözese Roermond und liegt in der Euregio Rhein-Maas. schließlich eine Provinz nach dem längst untergegangenen Herzogtum Das Kloster gen. Bereits drei Jahre später verließ Limburg benannt, die allerdings Ailbert infolge verschiedener Ausei- neun Jahre nach der Unabhängig- Die in ihrem mittelalterlichen nandersetzungen Klosterrath. Nach keitserklärung Belgiens (1830) in Bestand gut erhaltene romanische dem Fortgang Ailberts wurde der Ka- eine westlich der Maas gelegene bel- Kirche des ehemaligen Augustiner- noniker Richer aus dem bayerischen gische und östlich angrenzende nie- chorherrenstiftes Klosterrath, das Chorherrenstift Rottenbuch zum ers- derländische Provinz Limburg aufge- seit Mitte des 18. Jh. auch Rolduc ten Abt von Klosterrath berufen. In teilt wurde. oder Rolduque (nach dem französi- der Folgezeit avancierte Klosterrath Die Abtei von Klosterrath war im schen Wort Rode-le-Duc für das be- zu einem der bedeutendsten Zentren Jahre 1797 bereits säkularisiert und nachbarte Herzogenrath) genannt der Kanonikerreform zwischen Rhein 1894 endgültig aufgelöst worden. Ab wurde ist der Mittelpunkt des heuti- und Maas. 1136 ging die Schutzherr- 1831 wurden Kirche und Kloster gen Kongresszentrums Rolduc. schaft an die Limburger Grafen und zunächst als Kleinseminar des Bis- Die Gründung Klosterraths geht Herzöge über. Damit verband sich tums Lüttich genutzt. Doch nach der auf den Doorniker Kanoniker Ailbert das Schicksal des Klosters mit dem von König Willem I. bewirkten Lö- von Antoing zurück. Er ließ sich im des Herzogtums Limburg, das infolge sung der niederländischen Provinz Jahre 1104 am Rande einer Hoche- des Limburgischen Erbfolgekrieges Limburg aus dem belgischen Bistum bene über dem Wurmtal nordwest- nach der Schlacht von Worringen Lüttich diente Rolduc 1843 als Klein- lich von Aachen nieder und baute 1288 zunächst an Brabant, später an Seminar des Apostolischen Vikariats dort für sich und seine beiden Brüder Burgund, dann an das Haus Habs- Limburg und späteren Bistums Roer- Theyemo und Walger eine hölzerne burg und somit schließlich an Spani- mond, aber auch als katholisches Kapelle. Es waren jedoch vor allem en fiel. Der Westfälische Friede von Gymnasium mit Internat für die ka- die Grafen von Saffenberg, die zu- 1648 bedeutete für die ehemals lim- tholische Jugend der Niederlande. nächst das Land für Ailberts eremiti- burgischen Gebiete eine Aufteilung Die ehemalige Augustinerabtei sche Gründung bereitstellten und zwischen der Republik der Vereinig- von Klosterrath, die als größte erhal- den stetig wachsenden Konvent auch ten Niederlande im Norden, der zu- tene Klosteranlage der Niederlande weiterhin mit Grundbesitz ausstatte- nächst auch Rolduc angehörte, und gilt, liegt heute auf dem Gebiet der ten und damit maßgeblich an der den weiterhin spanisch beherrschten südlimburgischen Gemeinde Kerkra- Entstehung und dem Fortbestand der südlichen Niederlanden. Erst nach de in unmittelbarer Nähe der deutsch- Abtei beteiligt waren. längeren Verhandlungen konnte niederländischen Staatsgrenze, nur Mit der Weihe der Krypta 1108 Rolduc 1662 wieder in die Obhut wenige Kilometer nordwestlich von übernahm Graf Adalbert von Saffen- Spaniens zurückkehren, das den Ge- Aachen. Der weitläufige Komplex berg und sein Sohn Adolf die Vogtei neralstaaten im Austausch für die beherbergt neben privaten Wohnun- über das Kloster und seine Besitzun- Abtei andere Besitzungen zu überlas- gen in den einstigen Wirtschaftsge-

AUFTRAG 248 9 42. WOCHE DER BEGEGNUNG bäuden der Abtei auch das Städti- besiedeln und die dank der grenz- apostolischen Vikariates. 1853 wur- sche Gymnasium von Kerkrade und übergreifenden Kooperation zwi- de im Zuge einer Kirchenreform der ein Museum zur Geschichte des schen der Regio Aachen, der nieder- Niederlande daraus das Bistum Bergbaus sowie ein internationales ländischen Provinz Limburg, den Roermond wieder errichtet. Kongresszentrum und das Priesterse- beiden belgischen Provinzen Lim- Der heutige Bischof ist seit 25. minar des Bistums Roermond. burg und Lüttich sowie der Deutsch- September 1993 Monsignore Frans sprachigen Gemeinschaft Belgiens Jozef Marie Wirtz, geboren am 2. De- Die Euregio Rhein-Maas verstärkt ihre Ansprüche auf gleich- zember 1942. Das Bistum zählt offi- wertige Lebensverhältnisse im neuen ziell 1.082.000 Katholiken, was ei- Grenzen sind Narben der Ge- Europa der Regionen geltend ma- nem Anteil von ca. 95 % der Bevöl- schichte, die vor allem den Grenz- chen können. kerung der Provinz Limburg ent- regionen zahlreiche Nachteile brin- In diesem Sinne streben die poli- spricht und verfügt über 254 Pries- gen. In der Tat waren Grenzgebiete tischen Verantwortungsträger der ter. In Rolduc befindet sich das oft ein Spielball zwischen den Natio- EUREGIO MAAS-RHEIN eine akti- Priesterseminar des Bistums. nen. Dies gilt auch – oder gerade – ve Beteiligung der Bürger wie auch für die fünf Partnerregionen in der der gesellschaftlichen Gruppierun- Das Kongresszentrum EUREGIO MAAS-RHEIN, die – ge- gen an der grenzübergreifenden Ar- gen ihren Willen – oftmals ihre staat- beit an. Diese Bestrebungen und Be- Das Rolduc von heute ist ein mo- liche Zugehörigkeit wechselten. His- ziehungen werden von der gemeinsa- dernes Kongress- und Veranstal- torisch unverrückbare Fakten, die men Überzeugung getragen, dass der tungszentrum mit historischen Hin- der wirtschaftlichen, sozialen und Dialog zwischen benachbarten Regi- tergrund. Mehrere Jahre hat die um- auch kulturellen Entwicklung und onen, die allein durch Grenzen ge- fangreiche Restaurierung und Reno- Konsolidierung kaum förderlich sein trennt, jedoch vor die gleichen Pro- vierung gedauert, die Rolduc zu ei- konnten. bleme gestellt sind, zur europäischen nem sehenswerten monumentalen Besonders die kriegerisch-mör- Kooperation und Integration beitra- Klosterkomplex gemacht haben. derischen Auseinandersetzungen der gen kann und wird. Mit einer Unterbringungskapazi- ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in tät von 400 Gästen in 187 Einzel- Europa haben bewirkt, dass sich Die Gemeinde Kerkrade und Doppelzimmern, mit Konferenz- Wirtschaft, Verkehr, Kultur und Be- räumen von 12 bis 200 Personen so- siedlung von den Zentren zu den po- Die Gemeinde Kerkrade mit ih- wie einem Theatersaal ist das Kon- litischen Grenzen hin abschwächten. ren 51.000 Einwohnern war in der gresszentrum Rolduc eine der größ- Die Grenzlandschaften entwickelten Vergangenheit geprägt vom Kohle- ten Tagungsstätten der Provinz Lim- sich von daher nicht selten zu struk- bergbau. Wie im gesamten rheini- burg. turschwachen, unzureichend er- schen Revier wurde auch hier der Prachtvolle Gärten, ein großer schlossenen Gebieten. Ein Trend, Bergbau im Zuge eines umfassenden Wald mit vier Teichen, Sportplatz, der mitunter gar mit einem Identi- Strukturwandels vollständig einge- Tennisplatz u.v.a.m. geben Gelegen- tätsverlust der Bevölkerung einher- stellt, so dass der Schacht „Nulland“ heit zur Entspannung. ging. der letzte sichtbare Ausdruck dieser Stimmungsvolle Bars im Keller- Heute jedoch haben die Grenzen industriellen Vergangenheit ist. Mit gewölbe oder auf einer gemütlichen in Europa ihre nationalstaatliche einer großen Aktion „Aus Schwarz Terrasse geben den Rahmen zu Ge- Sperrwirkung früherer Zeiten weitge- mach Grün“ wurden die Bergbau- spräch und Begegnung. hend verloren. Geblieben sind aber gebiete rekultiviert und in attraktive Damit sind in Rolduc alle Vor- dennoch manche wirtschaftliche und Erholungsgebiete umgewandelt. Ei- aussetzungen gegeben für eine er- soziale Unterschiede, die dank einer nes der herausragenden Zukunfts- folgreiche Woche der Begegnung. ❏ Anfang der siebziger Jahre angelau- projekte ist das deutsch-nieder- fenen verstärkten euregionalen Koo- ländische Projekt eines peration abgebaut werden können European Science und Business und sollen. Parks auf der Grenze zu beiden Durch die verbesserte Integrati- Ländern. on unter euregionalen Partnern kön- nen diese Arbeitsgemeinschaften an Das Bistum Roermond den Grenzen aus einer drohenden in- dividuellen Isolation ausbrechen und 1559 wurde das erste Bis- gleichzeitig zu Brückenköpfen und tum Roermond als Teil der Kir- Impulssendern für eine beschleunig- chenprovinz Mechelen errichtet. te Einigung Europas werden. 1801 kam der größte Teil zu Erste Nutznießer der euregio- Lüttich. Die Teilung der Provinz nalen Zusammenarbeit sind die rund Limburg in einen belgischen 3,7 Millionen Menschen, die das Ge- und einen niederländischen Teil biet der EUREGIO MAAS-RHEIN führte 1839 zur Errichtung eines

10 AUFTRAG 248 ISLAM UND WESTLICHE WELT Islam und westliche Welt

AUFTRAG veröffentlicht einen vierteiligen Beitrag von Oberst a.D. Dieter bewaffnete Delegation am Hofe des Kilian, Militärattaché-Verwendungen in islamischen Staaten, zum Thema Groß-Khans auftaucht und sich als „Islam und westliche Welt“ (Teil 1 in AUFTRAG Nr. 246/Februar 2002, S. Verbündeter anbietet. Kein Wunder, 25 ff. „Annäherung und Konfrontation – die muslimische Welt im 21. dass der Plan scheitert. Jh.“; Teil 2 in AUFTRAG Nr. 247/April 2002, S. 14 ff. „Religiöse Grundla- Mit der Renaissance beginnt die gen und Rechtssystem“). In diesem Heft befasst sich der Autor mit dem dritte Periode, die des zaghaften schwierigen Verhältnis von Islam und Christentum zueinander. Die Serie Kontaktes. Nikolaus von Kues8) kann wird fortgesetzt im Heft 249 mit einem vierten Teil „Sicherheitspolitische als einer der Vorreiter angesehen Aspekte und Ausblick“ . werden. Dennoch bleiben die Fron- ten verhärtet. Auch Martin Luther zählt zu den Gegnern des Islam.9) Ne- ben der Furcht vor einer Invasion Teil 3: Islam und Christentum Mitteleuropas misstraut das Chris- tentum dem missionarischen Elan DIETER KILIAN des Islam. Zwar erhält die neue Wis- senschaft der Orientalistik Auftrieb, n dieser Darstellung werden nur er für das Christentum eine unbe- hatte doch bereits 1312 das Konzil einige Aspekte des schwierigen kannte Welt. Die Auseinanderset- von Vienne10) die Einrichtung von IVerhältnisses der beiden Weltre- zung mit der neuen Religion wird Arabisch-Lehrstühlen gefordert. ligionen mit ihren Missverständnis- lange Zeit allein auf schmaler theolo- Doch Jahrhunderte vergehen, ge- sen, Enttäuschungen, aber auch gischer Ebene primär von griechi- prägt von Kriegen, teilnahmslosem Hoffnungen aufgezeigt. Im Alltag, in schen und syrischen Theologen1) ge- Miteinander, aber auch Polemik und den Medien und der politischen Aus- führt. Sie betrachten den Islam noch Hetze. Das kulturelle, zum Teil ro- einandersetzung wird meist von als christliche Sekte, und ihre An- mantisch geprägte Interesse des eu- „dem Islam“ und „dem Christentum“ hänger als Häretiker2). Die Gründe ropäischen 18. und 19. Jh. am Is- gesprochen. Faktisch entsprechen für diese geistige Abstinenz sind lam11) ist nur ein Strohfeuer, bringt diese begrifflichen Einheiten den nicht eindeutig. Ein Grund dürfte jedoch keinen ernsthaften Dialog mit Religionen in keiner Weise und legen aber darin liegen, dass die christli- dem Islam. Mit dem Zerfall des letz- vielmehr den Grundstein für stereo- che Welt in dieser Zeit wegen des ten muslimischen Großreiches, dem type Verflachungen, durch die eine endlosen machtpolitischen und theo- Osmanischen Reich, am Ende des I. echte Auseinandersetzung unmöglich logischen Disputs zwischen Westrom Weltkrieges und der Protektorats- wird. Die meisten westlichen Länder und Ostrom keine uneingeschränkte politik der Kolonialmächte versinkt sind säkular. Die christlichen Kir- Handlungsfreiheit besitzt. der Islam in Agonie. Dies wird vom chen kränkeln, und ihr Einfluss auf Mit dem 12. Jahrhundert, der Westen als Beweis für die Überle- die Menschen schwindet. Doch die Zeit der Kreuzzüge, beginnt die zwei- Migration Millionen von Muslimen te Periode, die des distanzierten hat die Gesellschaften in den westli- Kennenlernens: Petrus Venerabilis3) Inhalt Teil 3: chen Ländern mit einem vitalen Is- lässt den Koran ins Lateinische über- lam konfrontiert, deren Glaubensbrü- setzen und eröffnet damit zum ersten Islam und Christentum der ihre Überzeugung demonstrativ Mal die Möglichkeit, sich direkt mit leben und die religiöse Komponente dem Islam auseinander zu setzen. Die geschichtliche Bürde reaktiviert haben In Deutschland ist Später befassen sich weitere Theolo- der Islam heute die drittgrößte Reli- gen4) mit dem Islam, wobei er erst- Die religiöse Kluft gionsgemeinschaft. Die Reaktion auf mals als eigenständige Religion an- diesen religiösen Pluralismus, der die gesehen wird. Papst Innozenz IV.5) Der einseitige Brückenbau Trennung von kirchlichem und säku- versucht, den sich ausbreitenden Is- larem Bereich durcheinander ge- lam durch ein Bündnis mit den Die muslimische Zurückhal- bracht hat, ist auf beiden Seiten diffus Nachfolgern Dschingis Khans6) ein- tung und schwankt zwischen kühler Ab- zudämmen. Er schickt den Franzis- schottung und tastender Annäherung. kaner Giovanni di Pian del Carpine7) Ein langer Weg im Jahre 1242 auf eine fünfjährige, Die neue Chance Die geschichtliche Bürde abenteuerliche Reise, um die Mongo- len zu einem Bündnis gegen den Is- Die Zeit von der Gründung des lam zu gewinnen. Es ist nicht über- Fazit und Ausblick Islam bis zum 12. Jahrhundert kann liefert, ob und mit welchem der Söh- man als Periode der Unwissenheit ne Dschingis Khans er zusammenge- Anmerkungen bezeichnen. Obwohl der Islam be- troffen ist, aber man stelle sich die reits im 8. Jh. Spanien erobert, bleibt Reaktion vor, als dessen kleine, un- Literatur

AUFTRAG 248 11 GESELLSCHAFT NAH UND FERN genheit der christlichen Religion ge- kennen und befolgen, allerdings be- Polytheisten („Götzendiener“) be- nommen, und so versanden die letz- darf er der Rechtleitung; diese ist nutzt, obwohl es für Letztere im Ara- ten Ansätze eines Miteinander. 1925 durch Koran und Beispiel (Hadith) bischen ein eigenes Wort gibt.21) Es richtet Papst Pius XI. in Rom zwar des Propheten Mohammed gegeben. gibt z.T. harte Anweisungen im Um- einen Lehrstuhl für Islamkunde ein, Der Muslim lehnt den Gedanken an gang mit Ungläubigen22) und die doch nur zur Unterstützung der Sündenfall, Erbsünde und die sich Warnung, Juden und Christen nicht Missionstätigkeit in muslimischen daraus ergebende Erlösungsnotwen- zu Freunden zu nehmen.23) Ländern, nicht aber zur Belebung digkeit ab.17) Damit gibt es – trotz Andererseits steht geschrieben, dass des Dialoges. Der französische Theo- oberflächlicher Ähnlichkeit – bereits die Christen den Muslimen am nächs- loge und Islamwissenschaftler Louis beim Menschenbild erhebliche Un- ten stehen, vor allem die Priester und Massignon12) ist der Erste, der im 20. terschiede, die Konsequenzen für das Mönche.24) Der Abfall vom Glauben Jh. für einen Dialog zwischen Chris- Gottesbildes haben. Die Ablehnung (Apostasie, arabisch: Irtidad) wird ten und Muslimen wirbt und diesen des Erlösungsgedankens führt zu ei- im Koran mehrfach als besonders in Frankreich umsetzt. nem völlig anderen Verständnis der verwerflich erwähnt25), dessen Be- Bedeutung Christi: für den Muslim strafung erst im Jenseits erfolge.26) Die religiöse Kluft ist Jesus, dessen Lehre später ver- Der Kreuzestod Christi, sowie fälscht worden sein soll, zwar vereh- die Auferstehung und Erlösung spie- Der Schöpfungsglaube ist allen rungswürdig, doch er ist nur einer len eine entscheidende Rolle in der drei Religionen gemeinsam: Gott13) der Propheten18), keinesfalls aber theologischen Auseinandersetzung. schuf den Menschen. Jedoch glauben Gottes Sohn. Vehement lehnt der Ko- Der Koran erwähnt die Kreuzigung Christen und Juden, der Mensch sei ran an mehreren Stellen die Dreifal- nur an einer Stelle.27) Die Formulie- als „Bild Gottes“ erschaffen, wohin- tigkeit Gottes ab19), verweist sie sogar rung ist aber nicht eindeutig, und so gegen im Islam die Mensch-Gott-Be- in die Nähe des Polytheismus. gibt es viele muslimische Theorien ziehung von einer Dienerschaft14) des Die Haltung des Islam gegenüber zu Kreuzestod und Auferstehung.28) Menschen ausgeht. Es gibt im Islam Christentum und Judentum ist zwie- Die These, Jesus habe die Kreuzi- keine Taufe; entweder man wird hin- spältig: alle drei bilden aus muslimi- gung überlebt, war erstmals von eingeboren15) oder tritt der „Umma“, scher Sicht die „Ahl al-Kitab“, die deutschen Theologen der rationalen der Gemeinschaft der Gläubigen, „Familie des Buches.“ Diese geistige Schule29) aufgestellt und später der bei, indem man das muslimische Nähe hatte aber bisher weder Aus- Ahmediyya-Sekte Ende des 19. Jh. Glaubensbekenntnis16) ablegt. Der wirkungen auf einen Abbau von weiterverbreitet worden.30) Vor allem Mensch kann den Willen Gottes er- Zwistigkeiten, noch auf eine Be- die Heilswirkung der Kreuzigung schleunigung des Dialo- wird durch die muslimischen Rechts- ges. Die Begriffe „Unglau- gelehrten abgelehnt, da der allmäch- be, Ungläubiger, ungläu- tige Gott keinen Helfer bei der Um- big“ werden im Koran setzung seines Heilsplanes brauche. häufig benutzt20), jedoch Sie sehen in der Kreuzigung die Nie- ohne Definition und in derlage der Mission Jesus. Die Vor- unterschiedlichem Kon- stellung, Gott lasse sich auf unvor- text. Der Terminus „Un- stellbare Weise erniedrigen, um eine gläubiger“ wird dabei Heilswirkung zu erzielen, ist dem bisweilen für Nicht-Musli- Muslim fremd: Allah ist stark, nicht me generell, manchmal für schwach. Die göttlichen Handlungen Atheisten, aber auch für enden mit dem Jüngsten Tag31), dem der Auferstehung. An diesem Tag wird jeder nach seinen Taten gerich- tet32), wobei die „Geretteten“ ins Pa- radies eingehen, während die „Ver- dammten“ in die Hölle absteigen. Die treibende Kraft im Dabei wird Gott als gnädiger Richter interreligiösen Dialog – denjenigen vergeben, die es verdie- insbesondere auch mit dem nen. Islam – ist Papst Johannes Zu den Gemeinsamkeiten zählt Paul II. Unterstützt wird er die Marienverehrung, die im musli- dabei vom Präsidenten des mischen Volksglauben eine bedeu- Päpstlichen Rates für den tende Rolle spielt. Eine eigene Sure Interreligiösen Dialog, des im Koran33) trägt ihren Namen. heute 69-jährigen Francis Maria, von Gott ausgewählt und frei Kardinal Arinze, der 1984 34) an die Spitze dieses Rates von Sünde, ist die Mutter Jesu , den berufen und 1985 von Jo- sie jungfräulich geboren hat – letztes hannes Paul II. zum Kardi- wird mit der Allmacht Allahs begrün- nal ernannt wurde. det –, aber sie ist nicht die Mutter (Foto Vatican 1985) Gottes.

12 AUFTRAG 248 ISLAM UND WESTLICHE WELT

Der einseitige verehren sie doch als Propheten, und trifft im März 2000 mit dem Kö- Brückenbau und sie ehren seine jungfräuliche nig von Jordanien, Abdullah, und Mutter Maria, ... Überdies erwarten dem Groß-Mufti von Jerusalem, sie den Tag des Gerichtes, an dem Zweiter Weltkrieg und Holocaust Gott alle Menschen auferweckt und Sheikh Akram Sabri, zusammen. 17 zwingen die christlichen Kirchen zur ihnen vergilt.“ Jahre nach dem ersten Synagogen- Aufgabe ihrer bisherigen Distanz. besuch eines Papstes 1984 schließ- Die Wende in Richtung auf einen Di- Die Konzilserklärung nimmt we- lich besucht er als erster Papst in der alog beginnt zunächst mit organisato- der zum Prophetentum Mohammeds, Geschichte am 6. Mai 2001 eine Mo- rischen Ansätzen innerhalb des Pro- noch zur Bedeutung des religiösen schee, die geschichtsträchtige Omay- testantismus35), und der Dialog Rechts, der Scharia, Stellung, weist yaden-Moschee in Damaskus. Bei Christentum – Judentum erhält neue aber auf den geschichtlichen Ballast diesem Besuch in Syrien richtet der Akzente. Im Jahre 1960 richtet Papst zwischen den beiden Religionen hin: Papst eine Ansprache an die „musli- Johannes XXIII. das „Sekretariat für „Da es jedoch im Lauf der Jahrhun- mischen Freunde“: die Einheit der Christen” (“Secreta- derte zu manchen Zwistigkeiten „Ich hoffe aufrichtig, dass unser riato per l’Unione dei Christiani”)36) und Feindschaften zwischen Chris- Treffen heute in der Omayyaden- ein, das 1988 in „Pästlichen Rat zur ten und Muslim kam, ermahnt die Moschee unsere Entschlossenheit Heilige Synode alle, das Vergan- zum Ausdruck bringt, den inter- Förderung der Einheit der Christen“ gene beiseite zu lassen, sich auf- („Pontificio Consiglio per la Promo- religiösen Dialog zwischen katholi- richtig um gegenseitiges Verstehen scher Kirche und Islam voranzu- zione dell’Unita dei Christiani”) um- zu bemühen und gemeinsam einzu- bringen. ... Es ist von Wichtigkeit, benannt wird. Doch erst das 2. Vati- treten für Schutz und Förderung der dass Muslime und Christen damit kanische Konzil bringt die Wende im sozialen Gerechtigkeit, der sittli- fortfahren, gemeinsam philosophi- Hinblick auf einen Dialog auch mit chen Güter und nicht zuletzt des sche und theologische Fragen zu nicht-christlichen Religionen. Auch Friedens und der Freiheit für alle erforschen ... .“ Menschen.“40) hier werden zuerst organisatorische Papst Johannes Paul II. spricht Grundlagen geschaffen: Papst Paul In dieser Betrachtung, die Ju- dabei von der „Menschheitsfami- VI. richtet 1964 das „Sekretariat für dentum und Islam als Religionen mit lie“43) und geht damit über den in der die Nicht-Christen“ („Segretariato einem gemeinsamen Ursprung be- Konzilserklärung benutzten Begriff per i Non Christiani”)37) ein, 1988 in zeichnet werden, greift die römische der „Völkergemeinschaft“ hinaus. „Päpstlichen Rat für den inter-religi- Kirche die muslimische Darstellung Auch die Friedensgebete der Religio- ösen Dialog“ („Pontificio Consiglio der „Familie des Buches“ auf. Sie er- nen von Assisi 1986 und 2002 gehen per il Dialogo Inter-Religioso“) klärt ausdrücklich, sie lehne nichts auf päpstliche Initiative zurück, umbenannt. von alledem ab, was in diesen Religi- wenngleich ihr Wert für einen breiten Die Konzilserklärung „Nostra onen wahr und heilig ist.41) Von kei- Dialog eher beschränkt sein dürfte. aetate“38) über das Verhältnis der rö- ner anderen Weltreligion gibt es bis Ergänzende Elemente des Dia- mischen Kirche zu den nicht-christ- heute eine solch weitreichende Er- logs sind – wenngleich nur auf die lichen Religionen wird dann zur Ini- klärung. In einem weiteren Bereich politische Ebene beschränkt – die tialzündung für die Eröffnung des Di- nähert sich die Kirche sehr vorsichtig diplomatischen Beziehungen zwi- aloges. Zum ersten Mal in ihrer Ge- muslimischer Terminologie. Das schen dem Heiligen Stuhl und den schichte nimmt die römische Kirche Konzil benutzt den Ausdruck muslimischen Ländern. Auch hier ist zum Islam als Religion Stellung: „Völkergemeinschaft“42). Alle Völker ein stetiger Ausbau der bilateralen „In unserer Zeit, da sich das Men- seien „eine einzige Gemeinschaft“, Beziehungen zu beobachten. Waren schengeschlecht von Tag zu Tag da sie „denselben Ursprung“ und es 1970 nur wenige44), so unterhält enger zusammenschließt und die „dasselbe Ziel“ hätten, nämlich Gott der Vatikan heute mit fast allen mus- Beziehungen unter den verschiede- selbst. Damit greift sie zumindest limischen Staaten diplomatische Be- nen Völkern sich mehren, erwägt vom Denkansatz her den muslimi- ziehungen45). Sogar die Arabische die Kirche mit umso größerer Auf- schen Begriff der „Umma“, der Ge- merksamkeit, in welchem Verhältnis Liga hat im Jahre 2000 ein Verbin- sie zu den nichtchristlichen Religio- meinschaft der Gläubigen, auf. dungsbüro beim Heiligen Stuhl ein- nen steht.“39) Die treibende Kraft und der un- gerichtet. ermüdliche Motor dieser Bewegung Zunehmend erkennt auch die Po- Nostra Aetate nennt zwar auch ist Papst Johannes Paul II. – kein litik, dass die Religionen einen gro- andere Religionen, aber im Zentrum Kirchenführer hat bisher mehr für ßen Beitrag zu Stabilität und Frieden stehen Judentum und Islam. Zu letz- den inter-religiösen Dialog getan als leisten können und korrigiert ihre terem führt die Erklärung unter Beto- er. Seine Reisen in muslimische Län- bisherige Distanz, spielte doch in der nung der Gemeinsamkeiten aus : der, so auch jene 96. Auslandsreise, Vergangenheit die religiöse Dimensi- „Mit Hochachtung betrachtet die die ihn in Mai 2002 nach Aserbai- on bei weltpolitischen Prognose- Kirche auch die Muslime, die den dschan führte, sind die einzige Mög- szenarien46) kaum eine Rolle. Und so alleinigen Gott anbeten, den le- lichkeit, die Annäherung dort öffent- lud der Generalsekretär der UN, Kofi bendigen und in sich seienden, Anan, im Herbst 2000 rund tausend barmherzigen und allmächtigen, lich zu machen, da sie trotz Zensur den Schöpfer Himmels und der eine große Medienwirksamkeit ha- Vertreter aller Weltreligionen erst- Erde, der zu den Menschen gespro- ben. Während des Besuches in Nige- malig zu „Jahrhundert-Weltfriedens- chen hat. ... Jesus, den sie aller- ria 1982 nennt der Papst den Koran gipfel religiöser und spiritueller Füh- dings nicht als Gott anerkennen, zum ersten Mal ein heiliges Buch rer“ ein.

AUFTRAG 248 13 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Die muslimische Zurückhaltung auch – besonders bei uns – die Frage Dies sind ermutigende, sensatio- Vergleicht man die geschilderten der politischen Zuverlässigkeit mus- nelle Sätze. Doch leider bleiben auch Vorleistungen47) der römische Kirche limischer Bürger und ihre Absage zu sie innerhalb der muslimischen Welt und des ÖRK seit dem Ende des II. der von extremen Muslimen postu- ohne Wirkung, fallen wahrscheinlich lierten Errichtung eines islamischen staatlich-religiöser Zensur zum Op- Weltkrieges in Bezug auf die Dialog- 50) ansätze mit der Resonanz in der mus- Gottesstaates. Ähnliche Vorwürfe fer. Gleichwohl wirken vor diesem limischen Welt, so fällt das eklatante gab es allerdings auch gegenüber den Hintergrund Bezeichnungen wie Missverhältnis zu Lasten des Islam Katholiken im 19. Jh. (Ultramonta- „Schurkenstaat“ und „Achse des Bö- auf. Keine der vielen islamischen nismus). sen“ für den Iran als falsch und kon- Gruppierungen hat bisher auch nur Doch es gibt auch positive Signa- traproduktiv. Ist die Vergabe ethi- annähernd die gleiche Bereitschaft le. Zum einen sind es institutionali- scher Kategorien durch die Politik gezeigt, im Gegenteil: die Lage der sierte Kontakte, wie der Austausch ohnehin fragwürdig, so drückt sich christlichen Minderheiten in vielen zwischen der islamischen Fakultät darin zusätzlich ein, durch nichts le- muslimischen Staaten hat sich in den Ankara und der päpstlichen Univer- gitimiertes, arrogant klingendes poli- letzten dreißig Jahren zum Teil mas- sität Gregoriana, oder jene, die von tisches Unfehlbarkeitsdenken aus. siv verschlechtert, selbst in Ländern, der Al-Azhar Universität in Kairo in denen vormals ein, wenngleich la- und dem jordanischen Königshaus Ein langer Weg biles Zusammenleben herrschte.48) forciert werden. Im September 1998 In den meisten muslimischen erklärt der iranische Staatspräsident, Noch nie gab es in Europa und in Ländern findet die inter-religiöse Ayatollah Seyed Mohammed Deutschland so viel an Zusammenar- Chatami in einem Grundsatzartikel beit zwischen Christen und Musli- Diskussion nur in der abgeschotteten 51) Atmosphäre religiöser Fachkreise in der FAZ , keine Religion könne men.55) In vielen westlichen Ländern statt49). Die muslimische Öffentlich- in Anspruch nehmen, die absolute sind Dialogbreite und -tiefe fortge- keit jedoch bleibt ausgeschlossen Wahrheit zu kennen, eine sensatio- schritten, laufen parallel zur offiziel- und uninformiert. Die Ansätze von nelle Aussage, die an die Grenze des- len Ebene und haben die Gemeinde- muslimischer Seite gestalten sich sen geht, was einer der höchsten ebene bereits erfasst. Am 14. Mai wegen des religiösen Absolutheitsan- schiitischen Geistlichen, dem von 2001 verlieh die Katholisch-Theolo- den Schiiten sogar Unfehlbarkeit zu- gische Fakultät der Universität Tü- spruches, aber auch wegen der feh- 52) lenden zentralen Struktur und des geordnet wird, aussagen kann. bingen die theologische Ehrendok- nicht vorhandenen verbindlichen Chatami wird 1999 von Papst Johan- torwürde an den jordanischen Prin- Lehramtes schwierig. In vielen Fäl- nes Paul II. empfangen, und ein Jahr zen Hassan, bisher einmalig in der len müssen Muslime, die einem Dia- später, im Juli 2000 besucht er die Geschichte katholischer Hochschu- log aufgeschlossen gegenüberstehen, Goethe-Stadt Weimar und wirbt dort len. Trotz dieser Fortschritte – hierzu mit massivem Widerstand der eige- für einen Dialog der Kulturen: ist u.a. auch die höchstrichterliche nen Gläubigen fürchten. Ein Beispiel „Wir Muslime haben es leichter, Genehmigung des Schächtens von ist der offizielle Besuch des saudi- mit Ihnen als Christen zurechtzu- Tieren in diesem Jahr zu zählen – ge- kommen als Sie mit uns. Das liegt staltet sich der Dialog in Deutsch- schen Verteidigungsministers, Prinz daran, dass wir Jesus Christus als Sultan Bin Abdul Aziz Al-Saud, bei einen Propheten Gottes anerken- land zähflüssig. Zum einen fehlt eine Papst Johannes Paul II. am 12.Sep- nen ... Nach unserer Überzeugung autorisierte muslimische Repräsen- tember 1997. Der „L’Osservatore haben alle Religionen die gleiche tanz: der Zentralrat der Muslime in Romano“ berichtet darüber in der Wurzel; alle abrahamischen Religi- Deutschland (ZMD) vertritt zwar 19 onen besitzen eine einzige Sub- Dachorganisationen, aber nur etwa Rubrik „In Papstaudienz“. In der stanz. So wie wir unseren Prophe- saudischen Presse hingegen wird ten respektieren, respektieren wir 20 % der Muslime in Deutschland dieser Besuch mit keinem Wort er- auch Jesus Christus ... .“53) sind in ihm organisiert. Zum anderen wird die Begegnung auch dadurch wähnt, wahrscheinlich aus Sorge vor Im Weimar greift Chatami ein gehemmt, dass sich die Masse der der Reaktion der konservativen weiteres „heißes Eisen“ auf. Auf die Rechtsgelehrten. Frage nach der kritischen Exegese muslimischen Mitbürger aus der Ar- Die Anschläge des 11. Septem- des Koran, bisher von den meisten beiterschaft rekrutiert: Dialogfähig- bers 2001 und das Anwachsen des muslimischen Theologen als Tabu keit hängt nicht unwesentlich vom extremistischen Islam mit dem be- behandelt, sehen sie doch im Koran Bildungsniveau, sowie dem sozialen dingungslosen Kampf bis zum „heili- den „Originalton Gottes“, der kei- und ökonomischen Status ab. Doch ge Krieg“ stellen eine massive Stö- nerlei Interpretationsspielraum zu- auch das Ziel dieses Dialogs ist noch rung des Dialoges dar. Dies ist be- lässt, äußert sich Chatami wie folgt : nicht eindeutig bestimmt. Keines- dauerlich, führt es doch zu Ernüchte- „Ich glaube, man kann neuere Auf- falls ist damit die Schaffung einer rung und Stagnation. Damit wächst fassungen vom Koran und von der weltumfassenden Mischreligion56) auch bei uns der Widerstand derjeni- Religion haben. Wir haben im Lau- gemeint. Im Zeitalter der Globalisie- gen, die einem Dialog skeptisch und fe der Zeit beobachtet, dass bis- rung gibt es gemeinsame Interessen, weilen mildere, bisweilen auch ra- und der Dialog kann zur Förderung ablehnend gegenüberstehen. Ein dikalere Auffassungen und Ausle- noch schwelender Streitpunkt ist gungen entwickelt wurden.“54) von Weltgerechtigkeit und Weltfrie-

14 AUFTRAG 248 ISLAM UND WESTLICHE WELT den beitragen, bedeutet er doch Muslime in Europa ist diese Lage 2.Die Muslime müssen erkennen, Kenntnis, Respekt, Begegnung und einzigartig: zum ersten Mal leben sie, dass sie Kompromisse schließen praktische Hilfe für das Zusammen- nach Millionen zählend, in der Dias- müssen. In vielen muslimischen leben. Ein Problem wird dabei je- pora, außerhalb des „islamischen Staaten herrscht noch Unversöhn- doch ausgeklammert bleiben: das Hauses“ („Dar al-Islam“) und sind lichkeit und Reziprozität ist noch Spannungsverhältnis zwischen Dia- in einem, nach ihrer eigenen Defini- nicht einmal ansatzweise zu erken- log und Missionierung. Auch die tion, feindseligen Umfeld, dem nen; hier besteht großer Nachhol- Dialogbereitschaft von Kirche und „Haus des Krieges“ („Dar al-Harb“). bedarf. Für uns bedeutet dies, trotz Politik ist nicht widerspruchsfrei. Gelten im Koran Christen und Juden noch unterentwickelter Dialog- Die Erklärung der Kongregation für in muslimischen Ländern als „Schutz- bereitschaft das Zusammenleben die Glaubenslehre vom 6. August befohlene“ mit eingeschränkten mit den muslimischen Mitbürgern Rechten, so fühlen sich die Muslime in all seinen Facetten58) zu prakti- 2000 mit dem Titel „Dominus Jesus“ bei uns nun in dieser Rolle. Sie müs- zieren. Allerdings sollten wir – un- ist zwar ein Hindernis für einen kon- sen ihren Glauben in einer Umwelt ter Hinweis auf unser Entgegen- struktiven Dialog, sollte aber in ihrer leben, die von Lebensformen und ei- kommen – die Gegenseitigkeit stär- hemmenden Wirkung auch nicht nem Staatsverständnis geprägt ist, ker einfordern. überschätzt werden. Ähnlich verhält die den ihren teilweise konträr ge- es sich mit manchen westlichen Poli- genüberstehen und ihnen deshalb 3.Trotz Schneckentempos und vieler tikern, die zwischen Terror und Islam bedrohlich scheinen. Langfristig ist Rückschläge sollten wir nicht ver- nicht klar unterscheiden. es daher notwendig, den Islam ohne gessen, wie steinig der Dialog in- Aufgabe fundamentaler Grundsätze nerhalb der christlichen Welt war Die neue Chance mit der westlichen Lebens- und und ist. Geduld und Denken in Staatsordnung kompatibel zu ma- langfristigen Kategorien ist gefor- Die Europäische Union ist ge- chen. Hieran wird sich letztlich auch dert. Dialog vermeidet den Kampf wachsen, hat sich nach Süden und erweisen, wie reformfähig der Islam der Kulturen59), und garantiert auch nach Osten erweitert. Doch sei- ist, hat er sich doch bisher als wenig auch künftigen Generationen ein ne Quellen und Traditionen liegen flexibel erwiesen, den Wettbewerb friedvolles Miteinander; daher ist nicht allein im Christentum und dem mit der säkularen Welt aufzuneh- er auch innenpolitisch ein Muss. Humanismus der Antike. Auch Islam men. Jedoch liegt hierin eine große Wir sollten uns an den pragmati- und Judentum haben die europäische Chance, in Europa einen Islam zu schen Spruch Friedrichs des Gro- Identität über Jahrhunderte geprägt. entwickeln, der sich als „Dritter ßen erinnern: „Wenn die Türken Weg“ zwischen Fundamentalismus nach Berlin kommen, muss man ih- Doch diese Quellen wurden durch 60) Assimilation oder Vernichtung ge- und Absorption bewähren könnte. nen Moscheen bauen!“ Dialog ist löscht, mit der Folge, dass die euro- Heute erfahren und erleben Muslime Friedensarbeit und muss in den vor allem in Europa zum ersten Mal Völkern verwurzelt werden, um er- päisch-islamische Begegnung nega- in großer Zahl, mit welchen Ein- folgreich und lebensfähig zu blei- tiv geprägt ist. In drei Regionen Eu- schränkungen und unter welchen Be- ben. ropas hatte der Islam Fuß gefasst: in dingungen man als religiöse Minder- Spanien, auf Sizilien und auf dem heit in der Diaspora lebt. Davon kann 4.Sehr hilfreich wären auch Fort- Balkan. Die ersten beiden Ansätze langfristig eine Signalwirkung zu schritte der verfahrenen Lage im scheiterten. Nur auf dem Balkan hat- stärkerer Toleranz ausgehen, die sich Nahen Osten. Arabische Christen te das Zusammenleben der Religio- sogar positiv auf islamische Kern- stehen – religionsübergreifend – nen, wenn auch mit beträchtlichen länder auswirken könnte. unisono auf Seiten ihrer palästi- Schwierigkeiten57), Bestand. Doch es nensischen muslimischen Nach- blieb zerbrechlich, wie sich vor zehn Fazit und Ausblick barn. Jahren durch den Krieg im ehemali- gen Jugoslawien herausstellte. Die 1.Gemeinsamkeiten des Glaubens 5.Die römische Kirche ist der Vorrei- Weichen für einen neuen Versuch erleichtern den Beginn des Dia- ter des Dialoges mit dem Islam. des Zusammenlebens mit dem Islam logs. Wenn aber dieser Weg beibe- Der Zerfall des Kommunismus in sind bereits gestellt, jedoch ist im halten wird, führt er schnell in eine Osteuropa wurde auch durch einen Gegensatz zur Vergangenheit die Di- Sackgasse und damit zu Enttäu- Papst beeinflusst, der die kommu- mension beträchtlich gestiegen: seit schung und Stagnation. Jede Reli- nistische Weltanschauung aus ei- Mitte des 20. Jh. leben allein in gion muss wie ein Mosaik in ihrer genem Erleben kannte. So könnte Deutschland mehr als drei Millionen Ganzheit betrachtet werden. Ein auch der inter-konfessionelle Dia- Muslime, und europaweit sind es Heraustrennen und Interpretieren log einmal durch einen Papst aus mehr als 10 Millionen. Noch niemals einzelner Texte ist wenig hilfreich. der Dritten Welt einen weiteren, zuvor hatten die europäischen Staa- Christen und Muslime werden nur starken Anstoß erhalten. ten einen so hohen Anteil religiösen dann glaubwürdige Dialogpartner, Minderheiten. Dialog hat daher auch wenn sie sich auf ihren Glauben Anmerkungen: s.S. 16/17 eine wichtige Funktion für die inner- berufen und Trennendes nicht staatliche Stabilität. Auch für die überspielen. Literaturhinweise: s.S. 18

AUFTRAG 248 15 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Anmerkungen 1) Vor allem Johannes von Damaskus; auch 14) Abd: arabisch für Sklave, Diener. 28) Sie reichen von der Theorie, für Jesus sei Damascenus (ca. 650-750); aus arabi- 15) Koran, 3/60: „Abraham war weder Jude ein „Ersatzmann“ (z.B. Judas, Barnabas, scher, christlicher Familie in Damaskus, noch Christ; vielmehr war er lauteren Simon von Cyrene) am Kreuze gestorben, sowie Theodor Abu Kurra (auch : Qurra- Glaubens, ein Muslim.“ über die These, Jesus sei zwar gekreuzigt ca. 750-820). Ihre Abhandlungen in worden, aber aufgrund Gottes´ eigenen griechischer und arabischer Sprache 16) „Ich bekenne : es gibt keinen Gott außer Entschlusses, bis hin zu der Annahme, zählen zu den ältesten Auseinanderset- Gott und Mohammed ist sein Prophet.“ Jesus sei zwar gekreuzigt worden, aber zungen mit dem Islam. (in Richtung Mekka gewandt); u.a. Ko- nicht am Kreuze gestorben. Andere mus- ran, 64/13. 2) Hierzu gehört auch die Legende, Moham- limische Theologen vertreten die Auffas- med sei durch einen abtrünnigen Mönch 17) Eine gewisse Unklarheit der muslimi- sung, Kreuzigung und Heilsgedanke sei- namens Sergius maßgeblich beeinflusst schen Auffassung zur Erbsünde ergibt en erst später verfremdend, z.B. durch worden. sich allerdings daraus, dass nach einem Paulus, in die christliche Lehre einge- 3) Petrus Venerabilis (1094-1156); aus dem Hadith (Überlieferung) Mohammed ge- flossen. Hause von Montboissier – 9. Abt von sagt haben soll: „Jedes Kind, das gebo- 29) Karl Heinrich Georg Venturini (1768- Cluny. ren wird, wird vom Satan berührt. Und 1849), Karl Friedrich Bahrdt (1741- diese Berührung lässt es schreien, aus- 4) Vor allem: Raimund Lullus (*1232 in 1792) und auch Daniel Ernst Friedrich genommen Maryam(=Maria) und ihren Schleiermacher (1768-1834). Palma de Mallorca, †1316?) – Missions- Sohn.“ reisen und -tätigkeit in Arabien; gilt als 30) Der Gründer der Ahmediyya-Sekte der größte Missionar des Mittelalters im 18) Koran, 19/31 : Er (=Jesus) sprach : (auch:Qadianis), Hazrat Mirza Ghulam arabischen Bereich. Raimund Martini, „Siehe, ich bin Allahs Diener. Gegeben Ahmad of Qadian, schreibt 1899 ein OP (*ca.1220 in Katalonien, †1284) hat er mir das Buch und er machte mich Buch mit dem Titel „Jesus in India – gründet 1250 eine arabische Schule in zum Propheten.“ - Koran, 5/79 : „Nicht Jesus´escape from death on the cross Tunis. Ricoldo del Monte Croce, OP (ca. ist der Messias, der Sohn der Maria, et- and journey to India“. Danach sei Jesus 1243-1320); Missionar; schreibt „Cont- was andres als ein Gesandter.“ Vgl. zwar gekreuzigt worden, habe jedoch ra legem Sarracenorum” , die 1542 von auch: Koran, 57/27. überlebt und sei später, der Verfolgung Martin Luther ins Deutsche übersetzt 19) Die Trinitätslehre steht nach muslimi- entkommend, auf der Suche nach den wird, und Thomas von Aquin (ca. 1225– scher Auffassung im Gegensatz zum verlorenen zehn Stämmen Judas nach In- 1274); Kirchenlehrer. „Tawheed“, dem Monotheismus. Vgl. dien gegangen, wo er bereits in seiner 5) Papst Innozenz IV. (ca. 1198 -1254); von dazu Koran, 5/77: „Wahrlich, ungläubig Jugendzeit gewesen und mit dem Bud- 1243 bis 1254 auf dem Stuhle Petri. sind die, die da sprechen : Siehe, Allah dhismus in Berührung gekommen sein 6) Dschingis Khan (ca. 1162- 1227). Seine ist ein dritter von drei.“ – Koran, 17/111: soll. Dort sei er auch eines natürlichen Söhne, Tschagatai (†1242), Ögädäi „Und sprich : Gelobt sei Allah, der weder Todes gestorben und in Srinagar/ Kasch- (†1241), Tului und sein Enkel Orda Batu einen Sohn gezeugt noch einen Gefährten mir begraben. Die Ahmediyyas sind heu- Khan (†1255) erweitern das Reich bis im Regiment hat, noch einen Beschützer te aus der muslimischen Gemeinschaft 1260 noch beträchtlich. Wenn das Tref- aus Schwäche.“ – Koran, 18/3:“ Und um ausgeschlossen, da sie nicht Mohammed, fen überhaupt zustande gekommen ist, jene zu warnen, die da sprechen, Allah sondern ihren Glaubensgründer als den kann es nur mit Groß-Khan Orda Batu habe einen Sohn gezeugt.“; Koran, 23/ letzten der Propheten verehren. gewesen sein. 93: „Allah hat keine Kinder gezeugt, und 31) Koran, u.a. 1/3; 11/105 ff., 22/68; Sure 7) Giovanni di Pian del Carpine (1182- es ist kein Gott bei ihm.“ Vgl. ferner Ko- 75 – Die Auferstehung – Al-Qiyamat; 1252); die Reise führt ihn von Krakau ran, 9/31 und 16/53. 81/1 ff. über Kiew, die Wolga bis ans Kaspische 20) Kafir/Kafirun; abgeleitet vom Wort Kufr 32) Koran, u.a. 38/53; 50/19 f. Meer und von dort über den Aral See zum (=Unglaube). Insgesamt sind mehr als 33) Koran, Sure Nr. 19 „Maryam“ . Die Sure Karakorum-Gebirge. 340 Textstellen nachweisbar, die von Un- 3 „Familie Imran“ ist nach Marias Vater 8) Nikolaus von Kues (1401-1464); 1450 glaube/Ungläubigen bzw. ungläubig benannt. Dieser wird nur in den apokry- Kardinal; schreibt 1460/61 das Buch sprechen. Die Sure 109 trägt sogar die phen Schriften, nicht aber im Neuen Tes- „Cibratio Alkorani“ (Sichtung des Ko- Bezeichnung „Al-Kafirun“ (Die Ungläu- tament genannt. ran); siehe: Studienausgabe Prof. Dr. bigen). 34) Koran, u.a. 3/42 sowie 4/156; 23/52; Ludwig Hagemann 1989-91. 21) Schirk, arabisch für: Partnerschaft, Teil- 33/7. 9) vgl. Bobzin,H.- M. Luthers Beitrag zur habe, aber auch für Vielgötterei; siehe 35) Der Ökumenische Rat der Kirchen Kenntnis und Kritik des Islam in: Neue Koran, 4/51 und 9/ 4 ff., 17; 22/17: (ÖRK) 1948 in Amsterdam gegründet, Zeitschr. f. system. Theol. & Religions- „Siehe, die Gläubigen und die Juden und versteht sich als organisatorisches In- philos. Nr. 27-1985 S. 262 ff. die Sabier und die Christen und die Ma- strument des ökumenischen Dialogs und 10) Vienne a.d. Rhone; das Konzil dauert gier und die Polytheisten – Allah wird der interkonfessionellen Zusammenar- von Oktober 1311 bis Mai 1312. Im Zen- zwischen ihnen entscheiden am Tage der beit. Er umfasst 342 Mitgliedskirchen in trum steht die Auflösung des Templeror- Auferstehung.“ 120 Ländern mit etwa 400 Mio. Gläubi- dens, aber das Konzil beschäftigt sich 22) z.B. Koran, 2/187. gen. Die römisch-katholische Kirche ar- auch mit dem Islam; u.a. sollen an 5 Uni- 23) Koran, 4/143; 5/56 und 5/83. beitet seit dem 2. Vaticanum u.a. in Form versitäten je 2 Lehrstühle für orientali- einer Gemischten Arbeitsgruppe offiziell 24) Koran, 5/85. sche Sprachen eingerichtet werden. mit, gehört aber nicht dem ÖRK an. 11) u.a. Mozart: Entführung aus dem Serail 25) Koran, u.a. 2/214; 3/79; 4/136; 11/22; 36) Annuario Pontificio; der Niederländer (1782); Goethe: Westöstlicher Diwan 16/108. Johann Kardinal Willebrands (*1909) (1819). 26) Alle vier sunnitischen Rechtsschulen, wird der erste Präsident. Ihm folgt der 12) Massignon, Louis-Ferdinand Jules, Malakiten, Hanafiten, Schafiiten und spätere Kardinal Cassidy (*1924). Im (1883-1962); Studium in Paris, Kairo Hanbaliten, sowie die schiitische März 2001 übernimmt Walter Kardinal und Bagdad. Er gründet mit Hilfe des Rechtsschule der Dschafariten fordern Kasper (*1933), der vormalige Bischof französischen Klerus, vor allem Kardinal jedoch die Todesstrafe. von Rottenburg, dieses Amt. Liénarts von Lille, 1947 das „Comité 27) Koran, 4/156: „Siehe, wir haben den 37) ebd.; Paolo Kardinal Marella (1895- chrétien d´entente France-Islam“. Messias Jesus, den Sohn der Maria den 1984) wird der erste Präsident; ihm folgt 13) Das arabische Wort „Allah“ ist kein Gesandten Allahs, ermordet, doch ermor- 1973 Sergio Kardinal Pignedoli (1910- Gottesname, sondern bedeutet einfach deten sie ihn nicht und kreuzigten ihn 1980) und diesem Francis Kardinal „Gott“. nicht, sondern einen ihm ähnlichen.“ Arinze ( *1932). Im Oktober 1974 wird

16 AUFTRAG 248 ISLAM UND WESTLICHE WELT

zusätzlich die „Commissione per i Rap- Peter Scholl-Latour beschreibt die Kon- kanzler a.D. und Hans porti Religiosi con l´Islam” (heute: ferenz in seinem Buch „Allah ist mit den Küng). Vgl. dazu H. Küng/K.-J. Kuschel, „Commissione per i Rapporti Religiosi Standhaften“ sehr treffend (S. 71 ff.). „Erklärung zum Weltethos“. Die Dekla- con i Musulmani”) geschaffen, die dem 50) s. Artikel „Islamische Charta“ in: AUF- ration des Parlamentes der Weltreligio- Päpstlichen Rat für den Inter-religiösen TRAG Nr. 247/2002 – S. 22 f. nen, München 1993 (Serie Piper 1958) Dialog zuarbeitet. 51) F.A.Z. vom 26.9.1998. und H. Schmidt (Hrsg.), Allgemeine Er- 38) Konzilserklärung „Nostra aetate“ – 28. 52) Dieser Artikel wird die Grundlage für klärung der Menschenpflichten – Ein Oktober 1965 durch Papst Paul VI. Chatamis Aufruf zu einem „internationa- Vorschlag; München 1997 (Serie Piper 39) Beginn der Konzilserklärung Nostra len Jahr des Kulturdialogs“, der von der 2664). aetate, Nr. 1. UNO aufgegriffen und für das Jahr 2001 57) s. Andric, Ivo Nobelpreis 1961; *1892 40) ebd., Nr. 3. proklamiert wird. †1975 „Die Brücke über die Drina“ 41) ebd., Nr. 2. 53) Weimarer Gespräch am 12. Juli 2000: (1945). 42) ebd., Nr. 1. Präsident Seyed Mohammad Chatami mit 58) Dazu gehören z.B. inter-konfessionelle Bundespräsident Rau und den Professo- Kinder- und Jugendarbeit, Religions- 43) Ansprache am 6.Mai 2001 in der Omay- ren Josef van Ess und Hans Küng, unterricht, Hochschularbeit, Beratung yaden-Moschee in Damaskus als Gast Tübingen. bei gemischten Ehen, Betreuung musli- des Groß-Muftis von Syrien, Sheikh mischer Mitbürger in Krankenhäusern Kuftaro: „Ein besseres gegenseitiges 54) ebd. 55) Einige Beispiele: „Christlich-Islamische und Seniorenheimen, sowie der Bau von Verständnis wird auf praktischer Ebene Moscheen und muslimischen Friedhöfen. gewiss dazu führen, unsere beiden Reli- Gesellschaft“ (1982-Köln); „Gemein- gionen auf neue Art und Weise darzustel- schaft Christen und Muslime“ (1990 in 59) Der Direktor des Instituts für Strategi- len: Nicht als Gegner, wie es in der Ver- der Schweiz); „Children of Abraham sche Studien an der Harvard-University gangenheit allzu oft geschehen ist, son- Foundation for Religious and Cultural Samuel P. Huntington veröffentlicht dern als Partner für das Wohl der Coexistence“ (1991- Stockholm); „Three 1996 ein Buch mit dem Titel „Clash of Menschheitsfamilie.“ Faith Forum“ (1995 in Großbritannien); Civilizations“ . Danach würden die zen- Projektgruppe „Bedrohung Islam?“ der tralen Auseinandersetzungen im 21. Jh. 44) Ägypten, Indonesien, Iran, Irak, Kuwait, deutschen Kommission Justitia et Pax zwischen acht kulturell bzw. religiös de- Pakistan, Syrien und die Türkei. (1995); Friedensinitiative „Abraham“ finierten Zivilisationen verlaufen. 45) Ausgenommen sind lediglich : Sultanat (1998 in Sarajewo). 60) Die erste Moschee in Berlin wurde erst Oman, Emirat Qatar, die Vereinigten Ara- 56) Nicht zu verwechseln mit dem „Projekt 1866 gebaut, jedoch war bereits 1798 bischen Emirate und das Königreich Weltethos“ von Prof. Hans Küng, das der erste muslimische Friedhof einge- Saudi Arabien. In Abu Dhabi residiert durch eine Erklärung des Parlaments der richtet worden. In Deutschland gibt es der Apostolische Vikar für die Arabische Weltreligionen in Chicago 1993 bekannt mittlerweile etwa 2.000 Moscheen, je- Halbinsel, dessen religiöse Aktivitäten geworden ist. Hierzu zählt auch der Ent- doch sind die meisten baulich nicht als jedoch nur sehr restriktiv wahrgenom- wurf einer „Allgemeinen Erklärung der solche zu erkennen, da sie in Wohn- oder men werden können. In Malaysia ist Rom Menschenpflichten“ von 1997 (Bundes- Lagerhäusern untergebracht sind. nur mit einem Apostolischen Delegaten vertreten. 46) So ist in keiner der vielen Prognosen u.a. von H. Kahn (1922-83), W. Fucks (1902), dem Brandt- Palme-Report oder dem Global 2000-Report von Ex-US-Präsident Jimmy Carter z.B. die Revitali- sierung des Islam oder das konfliktverstärkende Aufeinanderprallen der Religionen auf dem Bal- kan erkannt worden. Fucks erwähnt z.B. die Weltreligionen nur im Zusammenhang mit ihrer Haltung zur Geburtenrate (siehe:„Formeln zur Macht“ - TB, 1967; S. 137). 47) Die protestantischen Kirchen haben ihr Verhält- nis zum Islam erst später revidiert. 1967 legt der ÖRK Dialogrichtlinien vor, 1976 folgt die ge- meinsame Erklärung des ÖRK und des Musli- mischen Weltkongresses in Chambésy/Schweiz, 1977 werden Empfehlungen für den christlich- islamischen Dialog herausgegeben, und 1982 findet das erste Gespräch des ÖRK mit dem Is- lamischen Weltkongress in Colombo statt. 48) Zur Lage der Christen in muslimischen Ländern siehe “AUFTRAG, Nr. 246/2002, S. 31 ff. 49) 1975/76 vereinbaren der Heilige Stuhl und Li- byen unter Oberst Ghaddafi aus unterschiedli- chen Interessen, den Dialog zwischen Muslimen und Christen zu forcieren. Zunächst nur als Diskussionsforum unter Theologen konzipiert, wird unter libyscher Regie in Tripolis daraus ein Medienzirkus mit etwa 1.000 Beteiligten. Der Delegationsleiter der Kurie, Sergio Kardinal Pignedoli (1910-1980), wird scharf angegriffen.

Kirche und Moschee in Jerusalem: im Vordergrund die Zwiebeltürme der russischen Maria-Magdalenen-Kirche in Gethsemane, dahinter der Felsendom, dazwischen die 400 Jahre alte türkische Stadtmauer.

AUFTRAG 248 17 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Terrorismus im Islam religiös nicht zu rechtfertigen und so ihre Aktionen damit zu recht- fertigen. Der echte Islam verurteilt Die islamischen Fundamentalisten sind keine echten Muslime die Terroristen , welche Verbrechen gegen die Menschheit begehen“. er Terroristen verteidigt, den muss“, so der libanesische Pro- darf sich nicht Muslim nen- fessor. Muslimische Weltliga Wnen. Das behauptet einer Dr. Sammak erklärte auch, dass zum Terrorismus der größten Vertreter des Islams für unmittelbar nach dem 11. September den Dialog mit dem Christentum: die USA verschiedene islamische ür die Tötung von Zivilisten „Osama Bin Laden und die Funda- Länder aufgefordert hätten, jene Fdurch Terrorakte kann es nach mentalisten, welche Terrorismus Koranschulen zu schließen, wo die Ansicht der Muslimischen Weltliga praktizieren, sind keine echten Mus- Doktrin des „Heiligen Kriegs“ ge- keine religiöse Rechtfertigung geben. lime. Sie manipulieren den Koran für lehrt werde. Pakistan gehorchte. In Dennoch wollte ihr Generalsekretär politische Zwecke. Sie manipulieren Somalia waren die Warlords zwar Abdullah bin Abdul Mohsin Al-Turki die Religion und repräsentieren die einverstanden, aber es sei nichts ge- am 18. Juni 2002 in einem Interview Gläubigen des Islam nicht“, so Dr. schehen. Der Sudan habe versucht, der Katholischen Nachrichten-Agen- Muhammed Sammak am 17. Mai gute Beziehungen zu den USA auf- tur (KNA) den palästinensischen Ter- 2002 in Rom. Sammak ist der Gene- recht zu erhalten, doch jene Schulen ror nicht schärfer verurteilen. Was in ralsekretär der Nationalen Kommis- wurden nicht geschlossen. In Ägyp- Palästina geschehe, „gibt dem Unter- sion für den islamisch-christlichen ten lehnte der Kultusminister die drückten und Leidenden das Recht, Dialog im Libanon. Er sprach am 17. Forderung der USA ab, weil dies die sich zu verteidigen“. Religiöse Mai 2002 auf dem vom Päpstlichen Souveränität und religiöse Tradition Rechtfertigungen von Selbstmordan- Institut für arabische und islamische des Landes in Gefahr bringe. Für schlägen seien aber auch im Islam Ausnahmen“ meinte Al-Turki, der Studien (PISAI) organisierten Kon- Sammak ist es das Problem der USA, sich für mehr Dialog der Religionen gress über die Position der „Muslimi- dass sie „in Nahost mit der Strategie aussprach. schen Welt nach dem 11. Septem- des Kalten Krieges operieren“. Die 1962 in Mekka gegründete ber“. – Das PISAI wurde 1926 ge- Die angeblich nicht vorhandene Liga zielt unter anderem auf die Ver- gründet. Sein Hauptsitz befindet sich Trennung zwischen Staat und Religi- breitung des Islam, den Aufbau isla- in Rom. Ziel ist die Spezialisierung on in islamischen Ländern ist laut mischer Massenmedien, die Verbrei- in arabischer Sprache und Literatur Sammak eine Simplifizierung. „Der tung der arabischen Sprache, Hilfen und des islamischen Glaubens. echte Islam gründet auf Brüderlich- beim Moscheebau und den religiösen „Das grausame Verbrechen des keit, Achtung der Menschenrechte Dialog. Der Zusammenschluss, der 11. September wurde von vielen isla- und der Lehren Gottes“. Beobachterstatus bei den Vereinten mischen Führern als ungerechtfertig- Er präzisierte ebenfalls, dass Nationen hat, gilt gemeinhin als von ter Terrorismus verurteilt. Sie haben „Osama Bin Laden nichts mit der pa- Saudi-Arabien dominiert. Der Sitz es als unmenschlich definiert und ge- lästinensischen Frage zu tun [hat], des Generalsekretariats ist in Mekka. gen den Islam gerichtet. Deshalb die schon seit 50 Jahren andauert. Al-Turki war früher Direktor einer glaube ich, dass die amerikanische Die Terroristen versuchen, die paläs- Islamischen Universität in Riad und Einstellung zum Islam revidiert wer- tinensische Frage zu manipulieren, saudisches Regierungsmitglied. Im Gegensatz zum Terror in Pa- lästina verurteilte Al-Turki die Literatur zu S. 11-17 Terroranschläge vom 11. September Hazrat Mirza Ghulam Ahmad – Jesus in scharf. Was in New York und Was- Anmerkung: Die Nummerierung der India – Neuauflage 1978 durch Ahmad- Suren des Koran weist z.T. Unter- diyyas Muslim Foreign Missions Depart- hington passiert sei, „ist ungerecht, schiede zwischen der dt. Überset- ment – published The London Mosque illegitim, verstößt gegen den Glau- zung von A. Schimmel und der arabi- 16 Southfields London SW 18. ben, gegen die ganze islamische schen Koranausgabe auf. Khoury, Hagemann, Heine – Islam-Lexikon – Welt“. Auch im Nahen Osten hätten 3 Bd. – Verlag Herder Freiburg 1991. „im Allgemeinen“ beide Seiten un- Abu Ameenah Bilal Philips – The Fund- Kuschel, Karl-Josef – Weltreligionen und amentals of Tawheed (Islamic Mono- abhängig von ihrer Religion die glei- Weltethos im Zeitalter der Globalisie- che Menschenwürde. Wer bei Unter- theism) – Tawheed Publications Riyadh rung 2001. 1990. Lexikon für Theologie und Kirche – Verlag drückung und Ungerechtigkeit mit- Annuario Pontificio – Libreria Editrice Herder Freiburg 1961. wirke bleibe aber nicht unbeteiligt“. Vaticana – 1970, 1980, 1990, 2000 & Qur-an, The Holy – Arabic Edition & English Der Generalsekretär wörtlich: 2001. Transl. & Commentary – King Fahd Holy „Selbstverständlich heißen wir Ter- Ata ur-Rahman, Muhammad – Jesus – A Pro- Qur-an Printing Complex – revised & ror nicht gut. Aber was bleibt der phet of Islam – MWH London Publisher edited by Islamic Researches IFTA Call schwachen Partei übrig?“ ISBN 0 906 194 08 3 – 2nd Edition and Guidance – o. J. Al-Turki sprach sich dafür aus, 1979. Schimmel, Annemarie – Der Koran — dt. den kulturellen und religiösen Dialog Brissaud, Alain – Islam und Christentum Ausgabe Philip Reclam jun. Stuttgart (Originaltitel: Islam et chretienté. Treize 1970. zu verstärken. Dafür sollten Mecha- siècles de cohabitation) – Albatros Ver- Schirrmacher, Christine – The Crucifixion of nismen und Strukturen entwickelt lag Düsseldorf 2002. Jesus in View of Muslim Theology 1997. werden. Die islamische Gemein-

18 AUFTRAG 248 ISLAM UND WESTLICHE WELT schaft sei bereit, zu kooperieren und den Städten und Gemeinden, dass sie Bischofskonferenzen setzen auf Missverständnisse abzubauen. Gera- den muslimischen Minderheiten als Dialog mit „Euro-Islam“ de Deutschland könne dabei eine „herausragende Multiplikatoren“ große Rolle spielen. In Europa gibt dienen könnten. Oft sei es Pfarrern ehr Dialog zwischen den christ- es nach Ansicht des Generalsekre- oder anderen Kirchenvertretern ge- Mlichen Kirchen und dem Islam tärs eine wachsende Akzeptanz der lungen, den kulturellen und religiö- in Europa haben die Generalsekretä- islamischen Minderheit. Die hier le- sen Konflikten das „Gift“ zu entzie- re der 34 europäischen katholischen benden Muslime bemühten sich be- hen und pragmatische Lösungen vor- Bischofskonferenzen bei einer Ta- wusst um die Integration. Zugleich zuschlagen. Nach Ansicht der Gieße- gung in Istanbul gefordert. Die Be- gebe es in aller Welt wachsendes In- ner Wissenschaftler bietet sich den deutung der zweiten und dritten Ge- teresse am wahren Islam, „aber der Kirchen in diesen lokalen Auseinan- neration der muslimischen Immig- Weg ist noch sehr lang“. Auch nach dersetzungen zugleich die Chance, ranten in Westeuropa sei gerade für dem 11. September sei die Situation im interreligiösen Dialog eine Gespräche zwischen den beiden der Muslime nicht schlechter gewor- „Orientierungsrolle“ für die Gesell- Glaubensgemeinschaften wichtig, den so der Generalsekretär. schaft zu übernehmen und damit ihr heißt es in einer vom „Rat der Euro- Auf die Frage, wie er die Ausein- eigenes Profil zu schärfen. Der theo- päischen Bischofskonferenzen“ andersetzung der in Deutschland le- logisch-spirituelle Austausch und (CCEE) am 18. Juni 2002 zum Ab- benden Muslime mit Pluralismus die Verständigung im täglichen Zu- schluss des Treffens herausgegebe- und Menschenrechten bewerte, sammenleben zwischen Christen und nen Erklärung. Es gebe Anzeichen, meinte Al-Turki: „Wir unterstützen Muslimen gingen dann Hand in dass sich so etwas wie ein „Europäi- das voll und ganz.“ Die Muslime hät- Hand. scher Islam“ herausbilde. Insbeson- ten das herrschende System zu befol- Die Forscher sind sich sicher, dere auf dem Niveau der Universitä- gen, „ohne dass es ihre persönlichen dass die Zahl der Moscheen in der ten geben es bereits sehr positive Er- und religiösen Freiheiten ein- Bundesrepublik weiter ansteigen fahrungen des Dialogs, wird in der schränkt“. wird. Deshalb halten sie es für drin- Erklärung betont. gend erforderlich, schon im Vorfeld Das äußerst komplexe Spektrum Moschee-Bau: Studie zur der Planungen alle Beteiligten an ei- des Islam in Europa, einschließlich der Türkei, stand im Mittelpunkt Konfliktvermeidung nen Runden Tisch zu holen und dabei auch nicht vor strittigen The- des 30. Treffens der Generalsekre- errorzentralen“ und „Brutstätten men zurück zu schrecken. Muslimi- täre. Die Veranstaltung fand erst- „Tdes Fundamentalismus“, so sche Vereine, kommunale Behörden mals in Istanbul statt und war vom hieß es in den aufgewühlten Tagen und Kirchenvertreter müssten mit CCEE organisiert worden. Die Teil- nehmer des Treffens wurden auch nach dem 11. September über so „großer Offenheit“ über alle Pläne vom Ökumenischen Patriarchen informieren. Oftmals versäumten es manche Moschee in Deutschland. Bartholomaios I. an dessen Amtssitz, Rund 2.000 dieser muslimischen gerade die muslimischen Bauherren, dem Istanbuler Phanar, empfangen. Gebetsstätten gibt es, die von den Anwohner in ihre Vorhaben einzube- Das Ehrenoberhaupt der Welt- rund drei Millionen Muslimen seit ziehen und über ihre religiösen Vor- orthodoxie habe „seine tiefe Über- den 60er Jahren zwischen Hamburg stellungen aufzuklären. Wenig hilf- einstimmung mit Papst Johannes und München errichtet wurden. Bau reich sei es beispielsweise, wenn der Paul II. in einer Palette von Themen“ und Gestaltung haben in der Vergan- Name einer Moschee als „Kampfan- bekundet, so die CCEE-Erklärung. genheit zu bisweilen heftigen Konf- sage“ an die christliche Kultur miss- So hielten er und der Papst den Pro- likten geführt. Wie groß dürfen die verstanden werden könne. zess der Ökumene für irreversibel. Gebäude, wie hoch die Minarette und Mit ihrer von der Herbert- Weiter habe Bartholomaios I. die ge- wie laut der Gebetsruf sein? Wird Quandt-Stiftung geförderten Studie meinsame Anstrengung von Papst durch die Bauten möglicherweise der wollen die Experten Schritte aufzei- und Ökumenischem Patriarchat für religiöse Fundamentalismus unter- gen, wie Religionsfreiheit konkret die Umwelt hervorgehoben, wie sie in stützt? Vorbehalte gab und gibt es umsetzbar ist. Einen Zweifel an dem der am 10. Juni in Venedig unter- viele. Im Mai 2002 hat eine Gruppe Recht auf die Errichtung von musli- zeichneten „Erklärung von Venedig um den Gießener Politikwissen- mischen Glaubensstätten gebe es zur Bewahrung der Schöpfung“ zum schaftler Claus Leggewie die Ausein- nicht mehr. Nur noch über die Frage Ausdruck komme. andersetzungen um Moschee-Bauten des Wie und Wo müsse gestritten Die Generalsekretäre der europäi- untersucht und Vorschläge zur Kon- werden. Manchmal, sind sie sich si- schen Bischofskonferenzen waren auch fliktvermeidung erarbeitet. cher, zähle dabei nicht nur das Er- Gäste des armenisch-apostolischen Eine der zentralen Forderungen gebnis, sondern auch der Weg. Oft Patriarchen Mesrob II. Mutafyan und der Studie: Die christlichen Kirchen sei ein „klärendes Gewitter“ notwen- des syrisch-orthodoxen Patriarchalvi- sollten ihre Erfahrungen im inter- dig, ohne das plurale Gesellschaften kars Metropolit Yusuf Cetin. Mesrob religiösen Dialog nutzen und als lo- nicht existieren könnten, heißt es in habe dabei die Notwendigkeit einer kale Vermittler die unterschiedli- der Studie. Sie trägt den Titel „Der Vertiefung des synodalen Prinzips chen Interessen auszubalancieren Weg zur Moschee – eine Handrei- ebenso wie des Primatsgedankens als versuchen. Wie kaum eine andere chung für die Praxis“ und ist über die wesentliche Schritte zur Einheit der Institution verfügten die Kirchen in Bad Homburg ansässige Herbert- Kirche betont, heißt es. über so viel moralische Autorität in Quandt-Stiftung erhältlich. (KNA) (PS nach ZENIT und KNA)

AUFTRAG 248 19 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK Drohende Schatten über Mesopotamien US-Administration geprägt war und Ist ein Angriff auf den Irak im Rahmen des negative Auswirkungen auf die Zu- sammenarbeit mit den Irakern hatte, „Krieges gegen den Terror“ gerechtfertigt? gab im Dezember 1998 schließlich den Anlass, die UN-Inspekteure des VOLKER W. B ÖHLER Landes zu verweisen. Mit den Luft- angriffen der Operation DESERT Im Visier Erinnern wir uns: Ende Februar FOX folgte die Reaktion der Ameri- 1991 hatte der irakische Diktator kaner und Briten prompt und heftig. Lange schon vor dem 11. Sep- Saddam Hussein die „Mutter aller Volker Perthes, ein ausgewiese- tember 2001 war klar, dass die neue Schlachten“ kläglich verloren, das ner Nahost-Experte und Mitarbeiter US-Administration unter George W. befreite Kuwait ging wieder als der Stiftung „Wissenschaft und Poli- Bush den Irak ins Visier genommen „Familienbesitz“ an den Emir Ahmed tik“, kommt zu dem Ergebnis, dass hatte, galt es doch, Versäumnisse der Al Sabah zurück, und der Irak wurde das Sanktionsregime mit dem Waf- Bush-Senior-Administration aus dem einem rigiden UN-Sanktionsregime fenembargo und der mandadierten 2. Golfkrieg endlich ins Reine zu unterworfen, dessen wichtigste Be- Abrüstung den Irak militärisch er- bringen. So war es auch nicht ver- stimmungen waren heblich geschwächt hat.4) Die Zerstö- wunderlich, dass – nach dem Hin- – ein weltweites Im- und Export- rung der für eine atomare Nutzung auswurf der UN-Waffeninspektoren verbot, nötigen Stoffe war 1998 abgeschlos- Ende 1998 – die nunmehr entstande- – das Verkaufsverbot irakischen Erd- sen; der Bestand biologischer und ne 3-jährige Überwachungslücke öls, chemischer Waffen sowie deren Grund für neue Befürchtungen liefer- – die Seeblokade zur Absicherung Fabrikationsstätten und Vorprodukte te, Saddam Hussein könnte wieder des Embargos, waren weitgehend reduziert und zer- an der Herstellung oder dem Erwerb – die Sperrung aller Auslands- stört worden. Von über 800 SCUD- von Massenvernichtungswaffen ar- guthaben. Raketen waren nach Schätzung der beiten. Der Bundesnachrichten- Die Einrichtung zweier Flug- UN-Waffeninspekteure 1999 noch dienst (BND) ging sogar davon aus, verbotszonen im Norden und Süden sieben, andere Quellen nannten 25 dass der Irak bereits in drei bis sechs des Landes ist umstritten. Diese Zo- Flugkörper, im Arsenal des Dikta- Jahren zur Produktion von Atomwaf- nen, die immerhin 60% des tors. Eine fliegende Luftwaffe existie- fen fähig sein könnte.1) irakischen Luftraumes einnehmen, re nicht mehr. Artillerie und Panzer werden seitens des Irak nicht aner- zählten allenfalls noch ein Viertel kannt und führen bis zum heutigen des Vorkriegsbestandes. Inhalt Tage immer wieder zu Zwischenfäl- Im Visier len.2) Folgen der UN-Sanktionen Die UN-Abrüstungs- Die UN-Abrüstungskommission Großbritannien und die Verei- kommission (UNSCOM) und (UNSCOM) und die mögliche nigten Staaten blockierten im UN-Si- die mögliche Bedrohung Bedrohung cherheitsrat jede Humanisierung des Folgen der UN-Sanktionen Sanktionsregimes, sieht man von der Es besteht kein Zweifel, dass die später eingeräumten Ausnahme „Oil Die neue US-Administration Waffenkontrolleure der UNSCOM for food“ ab. Die Einstellung der Zu- Die Lage nach dem 11. Sep- seit Ende des Krieges häufig behin- sammenarbeit mit den Vereinten Na- tember 2001 dert und getäuscht wurden, hielt sich tionen durch Saddam Hussein Ende doch der Kooperationswille der Ira- 1998 trug natürlich nicht zur Ent- Die „Achse des Bösen“ ker in Grenzen. Dennoch muss fest- schärfung der Lage bei. Fest steht Reaktionen gestellt werden, dass die Waffen- aber, dass der UN-Koordinator des Die politische Diskussion in inspekteure bis zu ihrem Hinauswurf Programmes „Oil for food“, Dennis Ende 1998 acht Jahre hindurch ihrer Halliday, 1998 von seinem Amt aus Deutschland Aufgabe nachgingen und durchaus Protest gegen die „Genozid-Folgen“ Wechselbeziehungen zum respektable Ergebnisse vorweisen der Sanktionen zurücktrat. Sein Palästina-Konflikt konnten. So stellte eine der Schlüs- Nachfolger, der deutsche Diplomat Graf Sponeck, tat dies knapp ein Jahr Zwischenfazit selfiguren der UNSCOM, der Ameri- kaner Scott Ritter, fest, „dass der später aus dem gleichen Grunde.5) Ein mögliches Szenario Irak schon seit 1997 keinerlei Graf Sponeck schätzt, dass zwischen Folgen Massenvernichtungsmittel mehr be- 1990 und 1999 eine halbe Million sitze“, eine Feststellung, die Ritters Kinder als Folge der Sanktionen an Friedensethische Fragen Vorgesetzter, der australische Diplo- Unterernährung und Krankheiten ge- Schlussbetrachtungen mat Richard Butler, sicherlich nicht storben sind.6) Hierzu stellt Peter 3) Quellen und Anmerkungen teilte. Butler‘s Agieren, das von ei- Scholl-Latour fest: „Unter den dra- ner engen Zusammenarbeit mit der konischen Sanktionen, die die Ver-

20 AUFTRAG 248 KRIEG GEGEN DEN TERROR einten Nationen seit zehn Jahren ver- Saudi-Arabien, dessen Sicherheit ja schläge vom 11. September 2001 in hängt haben, ist die einst blühende bislang vom „Kauf“ amerikanischer New York und Washington. Eine Republik Irak zum Armenhaus des Verteidigung abhing, ging vorsichtig weltweite „Allianz gegen den Terror“ Orients geworden. 7) auf Distanz. Im arabischen Lager war hatte sich formiert. Die Terror- Je halsstarriger sich die USA und spätestens jetzt klar geworden, dass organisation Al Qaida und das ihr England gegen eine Lockerung der mit dem neuen amerikanischen Prä- Gastrecht gewährende Taliban-Re- Sanktionen sperrten, desto löchriger sidenten nicht zu spaßen war. gime zerfielen im Bombenhagel der wurden diese, nicht zum Wohle der amerikanischen Luftangriffe, als der Not leidenden Bevölkerung, sondern Die Lage nach dem Präsident am Thanksgiving Tag bei der verbrecherischen Clique um 11. September 2001 einem Truppenbesuch in Fort Camp- Saddam. Für die arabischen und bell den Soldaten der 101. Luftlande- muslimischen Bundesstaaten waren Noch standen die Vereinigten division verkündete: „Es gibt andere die Sanktionen ohnehin „nur“ ein Staaten unter dem unmittelbaren Terroristen, die Amerika und seine Racheakt der Siegermacht. Bei aller Schock der verbrecherischen An- Freunde bedrohen, und es gibt Län- Feindschaft zum Regime ist die Ge- meinschaft der Gläubigen, die Umma, stärker als das von den „Un- gläubigen“ veranlasste Sanktions- regime. Blut ist eben dicker als Was- ser. Sieht man von den unmenschli- chen Folgen für die Schwachen ab, so haben die Sanktionen bis heute nichts bewirkt. Saddam sitzt immer noch fest im Sattel. Das haben Frankreich, Russland und China bereits seit längerem erkannt.

Die neue US-Administration Die neue US-Administration un- ter George W. Bush war seit dem Ja- nuar 2001 im Amt. In ihrem Leitarti- kel vom 17. Februar 2001 gratulierte die „Washington Post“ dem neuen Präsidenten zu einem „guten Start im Irak“.8) Anlass für die Gratulation wa- ren amerikanisch-britische Luftan- griffe am 16. Februar 2001 nahe Bagdad, wohlgemerkt außerhalb der Flugverbotszonen im Norden und Sü- den des Irak. Außenminister Colin Powell nutzte wenig später während seiner ersten Nahost-Reise die Gele- genheit, um nachdrücklich auf die Gefährlichkeit Saddams und seines Regimes hinzuweisen: „Unsere arabi- schen Freunde müssten die Gefahr er- kennen, die vom irakischen System ausgeht. Wir müssen sicherstellen, dass er (Saddam) nicht in diese Rich- tung gehen kann, und alles tun, um ihn zu beschränken, zu kontrollieren 9) Von den „arabischen Freunden“ der Anti-Irak-Allianz des Jahre 1991, der selbst ein als „Schurken- staat“ eingestufter Staat wie Syrien angehörte, war allerdings nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Selbst

Karte mit freundlicher Genehmigung des Siedler Verlags aus: Peter Scholl-Latour „Lügen im Heiligen Land“, Berlin1998.

AUFTRAG 248 21 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK der, die sie unterstützen. Wir werden zurückgezogen hatte. Damit war ei- 379 Milliarden US-Dollar für das US als Nation nicht sicher sein, bis alle ner der entscheidenden Rechtferti- Fiscal Year 2003 plant Bush, die fi- diese Bedrohungen beseitigt worden gungsgründe für einen Militärschlag nanziellen Voraussetzungen für den sind. Wir werden das Böse in den entfallen, und der Aspekt einer Be- „Krieg gegen den Terror“ zu schaf- kommenden Jahren in der ganzen drohung durch Massenvernichtungs- fen.“Was immer nötig ist, was immer Welt bekämpfen, und wir werden sie- waffen rückte wieder in den Vorder- es kostet, die geduldige und ent- gen“.10) Wenige Tage zuvor hatte grund. Condolezza Rice beeilte sich, schlossene Nation wird den ersten Bush in seiner ersten Rede vor der klarzustellen, dass eine bewiesene Krieg des 21. Jahrhunderts gewin- UN-Vollversammlung die Nationen Verbindung Irak – Al Qaida nicht im nen.“15) gewarnt: „... diese Terroristen sind Vordergrund der Überlegungen des auf der Suche nach Massenvernich- Weißen Hauses stünde: „Schließlich Die „Achse des Bösen“ tungswaffen, um ihren Hass in einen wissen wir nicht erst seit dem 11. Holocaust umzusetzen. Und sowie sie September, dass der Irak gefährlich Am 29. Januar 2002 hielt Präsi- dazu in der Lage sein werden, wer- ist.“13) dent Bush seine erste Rede zur Lage den sie chemische, biologische und Auch im Hinblick auf die mut- der Nation vor dem Repräsentanten- atomare Waffen einsetzen. Diese Be- maßliche Herstellung oder den Er- haus, und es überraschte kaum, dass drohung darf niemand ignorieren werb von Massenvernichtungswaffen er diese Rede schwerpunktmäßig ...“11) Es war unschwer erkennbar, bleibt die Beweislage dünn. Sie stützt dem „Krieg gegen den Terror“ wid- dass diese Warnung weniger an die sich u.a. auf die Aussagen fragwürdi- mete. Es war kaum ein Zufall, dass Adresse der Steinzeit-Islamisten der ger Überläufer oder die Erkenntnisse sich Bush an Reminiszensen aus dem Taliban und ihrer Kamikaze-Freunde befreundeter Dienste, die eine eigene zweiten Weltkrieg anlehnte, als er aus der Al Qaida ging. Ende Novem- Interessenlage an der Darstellung ei- von der „Axis of Evil“, der Achse des ber 2001 wurde Bush deutlicher. Er ner Bedrohung durch den Irak ha- Bösen, sprach: „.. zweitens müssen forderte die Wiederzulassung der ben. Die Tatsache, dass die verbre- wir Terroristen und Regime daran UN-Waffeninspekteure, um zu be- cherischen Anthrax-Briefattacken hindern, in den Besitz chemischer, weisen, dass der Irak Massenver- dem Irak nicht angelastet werden biologischer und nuklearer Waffen nichtungswaffen entwickele. Befragt, konnten, die Milzbrandviren aus US- zu kommen und die USA und die welche Folgen eine Weigerung des Beständen und die Attentäter aller Welt zu bedrohen. ... Nord-Korea ist irakischen Diktators haben werde, Wahrscheinlichkeit nach aus dem ei- ein Regime, das sich mit Raketen drohte Bush: „Er wird es herausfin- genen Land stammten, trug auch und Massenvernichtungswaffen rüs- den“12) Die Falken um Bush began- nicht gerade zu einer soliden Beweis- tet, während es sein Volk verhungern nen, sich zu formieren. Sicherheits- lage gegen den Irak bei. Dieser Sach- lässt. Der Iran bemüht sich aggressiv beraterin Condolezza Rice nannte verhalt wird sich nicht gravierend um solche Waffen und exportiert Ter- Saddam eine „Bedrohung, weil er verändern, bis Inspektionen vor Ort ror, während ein paar Nichtgewählte fest entschlossen sei, Massenver- das Gegenteil beweisen. die Hoffnung des iranischen Volkes nichtungsmittel in seinen Besitz zu Im Januar 2002 werden die Kon- auf Freiheit unterdrücken. Der Irak bringen“ und Verteidigungsminister turen für die zweite Phase des Kamp- brüstet sich mit seiner Feindschaft Donald Rumsfeld sprach von einer fes gegen den Terrorismus schärfer. gegenüber Amerika und unterstützt „langjährigen Verbindung der Al Die Regierungshardliner Donald den Terror. ... Staaten wie diese und Qaida und dem Irak“. Die Beweis- Rumsfeld, Paul Wolfowitz, Dick ihre terroristischen Verbündeten bil- führung allerdings blieben sie schul- Cheney und Condolezza Rice werden den eine Achse des Bösen und zielen dig. Es war offensichtlich, dass ein durch ein hochrangiges Team unter darauf ab, den Weltfrieden zu bedro- Geheimdienst, der im Kosovo-Konf- dem Sicherheitsexperten Richard hen. ... Die USA werden es den ge- likt nach einem alten Stadtplan irr- Perle, dem u.a. Henry Kissinger und fährlichsten Regimen der Welt nicht tümlich die Zieldaten für die James Schlesinger angehören, ermu- erlauben, uns mit den zerstöreri- Bombardierung der chinesischen tigt, den Irak als nächstes Ziel ins Vi- schsten Waffen der Welt zu bedrohen Botschaft – man hielt sie für eine sier zu nehmen. Kissinger formuliert ...16) Waffenfabrik – lieferte und nicht in neben Diplomatie und freiwilliger Der Präsident ließ offen, wie das der Lage war, vor den Anschlägen Einsicht eine dritte Option, die er Zusammenspiel dieser „Achse des des 11. September 2001 zu warnen, wohl auch präferiert: „Wir konzent- Bösen“ ablief. Es schien auch so, Mängel in seiner Effizienz vermuten rieren uns auf den Sturz Saddam dass der Iran und Nord-Korea eher lässt. Husseins, um das regionale Kräfte- als rhetorisches Beiwerk dienten, ge- Bagdad hat bislang jede Verbin- verhältnis zu verändern. Damit wür- meint war in erster Linie der Irak, der dung zur Terrororganisation Al Qaida den wir die amerikanische Ent- in der Prioritätenliste des „Krieges abgestritten, wenn auch der paranoi- schlossenheit unterstreichen, die gegen den Terror“ ganz nach oben de Diktator die Anschläge in New Stabilität in der Region, unsere Inter- rückte. Nord-Korea spielt in der York und Washington lauthals be- essen und unsere Freunde zu vertei- „Achse“ als nicht-muslimischer grüßte. Das angebliche Treffen eines digen. Das wäre auch eine deutliche Staat eher eine Alibirolle. Unschwer irakischen Agenten mit dem Flug- Botschaft an andere Schurkenstaa- hätte man aus der Reihe der zeugentführer Mohamed Al Atta in ten.“14) „Schurkenstaaten“ auch einen weite- Prag erwies sich als Luftblase, nach- Mit einer Erhöhung des Vertei- ren muslimischen Staat auswählen dem Tschechien seine Behauptung digungsetats um 50 Milliarden auf können. Es galt aber, einen Auf-

22 AUFTRAG 248 KRIEG GEGEN DEN TERROR schrei im muslimischen Lager, vor Die Rolle der NATO, die ja und Saudi-Arabien schlug auf beiden allen Dingen bei den gemäßigten ara- immerhin gemäß Artikel 5 ihres Ver- Seiten eher in Hass um. Einerseits bischen Staaten, zu vermeiden, und trages den Bündnisfall erklärt hatte, wurde in den USA sehr wohl regist- die Administration entschied sich für wird sehr treffend in einer Karikatur riert, dass 15 der 19 Attentäter des einen kommunistisch-konfuziani- der „Welt“ dargestellt: Bush steht 11. September aus Saudi-Arabien schen Bösewicht. bis an die Zähne bewaffnet vor einer kamen und das Königreich bei der Zielscheibe mit dem Porträt Saddams Finanzierung islamistischer Extre- Reaktionen und erklärt den europäischen NATO- misten seit langem in vorderster Rei- Freunden das weitere Vorgehen: he stand. Im rigoros muslimisch-or- Die Europäer reagierten teils em- „Schlage die übliche Rollenvertei- thodoxen Staat selbst regte sich mas- pört, teils erschreckt. Schwedens lung vor: Ich schieße und ihr applau- siver Widerstand gegen die enge Außenministerin Anna Lindh nannte diert bei den Treffern!“23) Zweckehe der Prinzen mit den „gott- bereits wenige Tage vor Bush‘s Rede Die Reaktionen der UN werden losen Kafirun“.25) Eine Umfrage der die Nahostpolitik des US-Präsiden- stark von der halsstarrigen Haltung Tageszeitung „Watan“ ergab, dass ten „wahnsinnig“, „dumm“ und „äu- des Irak in der Frage der Waffen- 60% der Saudis die Amerikaner has- ßerst gefährlich“ und sah sich wohl inspektionen beeinflusst. Kofi Annan sen. Der Hauptgrund dafür liegt vor in ihrer harschen Kritik bestätigt.17) hat den irakischen Diktator als lis- allen Dingen in der als eindeutig Bundeskanzler Schröder und seine tenreichen, kaum vertrauenswürdi- empfundenen Palästina-Politik der rot-grüne Regierung nahmen von der gen Autokraten kennen gelernt. Das USA; ein möglicher Angriff gegen „uneingeschränkten Solidarität“ unter dem Eindruck der Kriegs- den Intim-Feind Irak war eigentlich graduierlich Abstand, wobei die Kri- drohung der USA gemachte Angebot, nicht mehr als das fehlende i-Tüpfel- tik der grünen Juniorpartner deutlich den Dialog mit der UNO ohne Vorbe- chen, immerhin gehören die Iraker heftiger ausfiel als die des Kanzlers. dingungen wieder aufzunehmen, mag zur Umma, der Gemeinschaft der Der Staatsminister im Auswärtigen der US-Regierung ungelegen kom- Gläubigen. Saudi-Arabische Intel- Amt, Ludger Volmer, sprach davon, men, darf aber nicht ignoriert wer- lektuelle bezeichneten nicht ohne dass „alte Rechnungen zu beglei- den. Auch wenn es Saddam in erster Spott die Haltung der US-Regierung chen“ seien und dafür das Terror-Ar- Linie um Lockerungen des Sank- zur israelischen Militäroffensive in den Besetzten Gebieten als „Schan- gument herhalten müsse.18) Schröder tionsregimes geht, so ist hier – bei al- de“ und erklärten: „Wir betrachten ließ immerhin verlauten, dass ler Vorsicht – eine neue Chance für die USA und ihre derzeitige Regie- Deutschland „zu Risiken, nicht aber die Diplomatie. Voraussetzung ist rung als Förderer des internationalen zu Abenteuern bereit“ sei. Beim allerdings die Umsetzung aller rele- Terrorismus und – zusammen mit Is- Treffen der EU-Außenminister im vanten Resolutionen des Sicherheits- rael – als Achse des Terrorismus und spanischen Cáceres entlud sich der rates, was den irakischen Außen- des Bösen in der Welt“.26) Will die Zorn der Europäer. Außenminister minister Nadi Sabri, mehr an die saudische Monarchie überleben, so Fischer gab sich staatsmännisch: Adresse der USA als der UN gedacht, muss sie auf die Stimmung im Land „Die Achse des Bösen ist nicht die veranlasste, daran zu erinnern, dass Rücksicht nehmen; andererseits aber Art, wie wir unsere Politik anle- die UN-Sicherheitsresolution 687 19) ist sich das Regime sehr wohl gen“. Deutlicher wurde der EU- vom April 1991 forderte, der Nahe darüber im Klaren, dass es der ame- Außenkommissar Chris Patten: „Es Osten müsse frei von Massenvernich- rikanischen Militärhilfe bedarf, um sei sehr gefährlich, absolute und tungswaffen werden. Der Irak verfüge zu überleben. So ist es derzeit höchst zugleich stark vereinfachte Positio- über keine solche Waffen, sie seien fraglich, ob die Amerikaner ihre nen zu beziehen, die Strategie der unter UN-Aufsicht vernichtet wor- saudischen Stützpunkte für einen USA bei der Bekämpfung des Terrors den, während Israel über Nuklear- groß angelegten Militärschlag gegen sei mehr Rhetorik als Substanz“.20) waffen verfüge. Den USA warf Sabri den Irak nutzen können. Kein Wun- Pattan fügte hinzu: „Selbst die größte vor, sie messe mit zweierlei Maß.24) der, dass sich die Bush-Administrati- Supermacht der Welt kann nicht al- Die Drohung oder Warnung des ira- on nach Stützpunkten in den Emira- les im Alleingang entscheiden“.21) kischen Vizepräsidenten Taha Jassin ten umsieht, aber auch dort ist die Die Briten mochten der europäischen Ramadan, die USA würden im Falle Stimmung nicht amerika-freundlich. Kritik nicht zustimmen; als treuer der Fortsetzung ihrer Politk mit ei- So zeigten denn auch die meisten Vasall ist Großbritannien derzeit die nem „sehr viel schlimmeren“ Ereig- arabischen Staatschefs Vizepräsident einzige europäische Macht, die die nis als dem 11. September konfron- Dick Cheney die kalte Schulter, als Politik der US-Administration vorbe- tiert werden, hat eben nicht zu einer er während seiner März-Reise durch haltlos unterstützt. Margaret That- Entspannung der Lage beigetragen. neun arabische Staaten und die Tür- cher gratulierte der Supermacht USA Fairerweise aber muss man feststel- kei um Unterstützung für die geplan- zu ihrer „beispiellosen Überlegen- len, dass Brachialrhetorik nicht aus- te Militäraktion warb. Selbst das heit“ und empfahl, alle „Energien in schließlich die Sprache der Iraker Emirat Kuwait, das seine Befreiung Militäraktionen zu investieren und ist. aus den Klauen Saddams den Ameri- die „Sozialarbeit“ anderen zu über- Die Reaktionen im arabisch- kanern verdankte, winkte ab. Der lassen“.22) Die Kritik der Europäer muslimischen Lager waren eindeutig bislang eher im terroristischen Lager wurde in den USA nicht zur Kenntnis und für die mühsam geschmiedete gesehene Jemen ist nach dem ver- genommen und war den nationalen Anti-Terror-Allianz verheerend. Die heerenden Anschlag auf die USS- Medien kaum eine Erwähnung wert. „Hass-Liebe“ zwischen den USA Cole im Hafen von Aden bemüht,

AUFTRAG 248 23 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK sich als Verbündeter im Kampf ge- Selbstverteidigung ausschloss. Zwei- nach dem 11. September 2001 in Pa- gen den Terror zu empfehlen.27) Auch felsohne ist die präventive Selbstver- lästina und in Israel eine massive Zu- wenn die Türkei, der im Falle eines teidigung nicht durch Artikel 51 der nahme von Gewalt und Gegengewalt Angriffs auf den Irak eine Schlüssel- UN-Charta gedeckt, bestenfalls die zu beobachten, die in den vergange- rolle zukommt, sich gegen einen präemptive Verteidigung, bei der ein nen Monaten furiose Züge annahm. Feldzug gegen den Irak ausgespro- bewaffneter Angriff unmittelbar an- Selbstmordattentäter, beflügelt durch chen hat, so kann man davon ausge- gelaufen ist, sich aber noch nicht das verheißene Märtyrertum einer hen, dass sie letzten Endes doch zu- entwickelt hat.30) pervertierten, islamistischen Theolo- stimmen wird, freilich gegen die US- In Deutschland geriet Bundes- gie, überzogen mit ihren Mordakti- Zusicherung, dass es nach dem Sieg kanzler Schröder mit seiner vollmun- onen das ganze Land. Jassir Arafat‘s über den Diktator keinen Kurden- digen „uneingeschränkten Solidari- Maßnahmen, die Anschläge zu ver- staat im Norden des Irak geben wird. tät“ in Schwierigkeiten. Er erwarte hindern, waren eher zögerlich. Auch das im 2. Golfkrieg auf der keinen Angriff der USA auf den Irak Ministerpräsident Ariel Sharon „falschen Seite“ gestandene Jorda- und gehe davon aus, dass die europä- wehrte sich in bekannter Art und nien, das sich seither, nach Überwin- ischen Verbündeten bei einem US- Weise: Massive Vergeltung, „außer- dung der Boykott-Maßnahmen für Vorgehen konsultiert werden wür- gerichtliche Tötungen“ oder Liqui- sein unbotmäßiges Verhalten, „mus- den, ließ der Bundeskanzler am Ran- dierungen verdächtiger palästinensi- tergültig“ verhielt, sieht einer ameri- de einer Sitzung des SPD-Präsidiums scher Funktionäre, Zerstörung der kanischen Militäraktion gegen den am 18. Februar in Fürth verlauten.31) gesamten Infrastruktur der Autono- Irak mit großem Unbehagen entge- Außenminister Joschka Fischer miebehörde, Isolierung, Belagerung gen. Gleiches trifft für Ägypten zu. warnte noch zwei Tage vorher beim und Hausarrest Arafats in Ramallah, Syrien wiederum ist, auch wenn Treffen der EU-Außenminister in Androhung des Zwangsexils und Ein- immer noch als Erzfeind angesehen, Brüssel: „Die internationale Koaliti- marsch in alle größeren Städte der ein von Saddam Hussein umworbe- on gegen den Terror ist für sich allein Autonomie. Ein Gefühl für die Ver- ner Partner; die Chancen einer An- kein Freibrief für eine Invasion in hältnismäßigkeit der Mittel scheint näherung, die für den „Schurken- irgendein Land“, und im „Spiegel“ Sharon, je stärker sich die Hassspira- staat“ Syrien fatal wäre, müssen äußerte sich Fischer: „Mir hat man le drehte, völlig abhanden gekommen allerdings derzeit als gering einge- bis jetzt keine Beweise präsentiert, zu sein, wie die Vorgänge bei der schätzt werden. dass der Terror des Osama Bin Laden Zerstörung des Flüchtlingslagers Die ablehnende Haltung der Ara- mit dem Regime im Irak zu tun Jenin und die Belagerung eines zen- ber wurde folgerichtig auf der Konfe- 32) renz der Arabischen Liga Ende März hat“. Fischers Äußerungen stießen tralen Heiligtums der Christenheit, in Beirut bestätigt, nachdem der auf heftige Kritik der Opposition, der Geburtskirche, erahnen lassen. Mann aus Tikrit seinen Annexions- und Wahlkampftöne waren unschwer Neben den Militäraktionen forcierte gelüsten auf das Emirat Kuwait bei allen Beteiligten erkennbar. Sharon den völkerrechtswidrigen vorerst abgeschworen hatte.28) An- Währendessen werden die Auf- Siedlungsbau in den Besetzten Ge- sonsten befasste sich der Gipfel marschpläne der USA konkreter: Be- bieten und konnte sich bis März die- schwerpunktmäßig mit der Lage in richten der britischen Zeitung „Gu- sen Jahres einer stillen Duldung Palästina, wobei der Friedensplan ardian“ zufolge sähen die Planungen durch die Regierung Bush sicher des saudischen Kronprinzen Abdal- des US-Generalstabes vor, dass sein. Als die Situation um die Oster- lah – trotz syrischen Störfeuers – den 200.000 Mann Bodentruppen von zeit und den Wochen danach völlig Schwerpunkt der Abschlusserklä- Kuwait aus auf irakisches Territori- außer Kontrolle geriet und die pro- rung bildete. Insgesamt gesehen war um eindringen sollen.33) westlichen arabischen Staaten immer Beirut wohl ein „Sieg“ der gemäßig- Bei einem Treffen mit Intellektu- mehr auf Distanz zu Bush‘s „Anti- ten arabischen Staaten. ellen am 13. März schließlich rückte Terrorkrieg“ gingen, sah sich der Schröder von seiner „uneinge- Präsident genötigt, eine Kehrt- Die politische Diskussion schränkten Solidarität“ ab: Deutsch- wendung seiner Politik vorzuneh- in Deutschland land werde einen Einsatz nur unter- men. Wiederholt forderte er den so- stützen, wenn er durch ein UN-Man- fortigen Rückzug der israelischen Unbeeindruckt von den interna- dat gedeckt sei.34) Wie sich diese Armee aus den Autonomie-Gebieten tionalen Bedenken verstärkten die Aussage mit der gleichzeitigen Versi- und verlangte von Arafat, der „die USA ihre Drohkulisse. Bereits wäh- cherung, Deutschland werde im Falle Hoffnung seines Volkes betrogen“ rend der Münchner Konferenz für eines solchen Einsatzes seine in und die Lage „zum großen Teil selbst Sicherheitspolitik Anfang Februar Kuwait stationierten ABC-Abwehr- verschuldet habe“, eine sofortige und 2002 wurde der stellvertretende truppen nicht abziehen, vereinbaren wirksame Waffenruhe.36) In einer ge- Verteidigungsminister Paul Wolfo- lässt, bleibt des Kanzlers Geheim- meinsamen Pressekonferenz mit dem witz deutlich: „Wer den Terrorismus nis.35) britischen Premier Tony Blair fügte toleriert und nicht handelt, wird Kon- er hinzu: „Ich erwarte nicht, dass sie sequenzen spüren“.29) Wolfowitz be- Wechselbeziehungen zum (Sharon und Arafat) mich ignorie- fand sich ganz auf der Linie seines Palästina-Konflikt ren“.37) Sharon zeigte sich trotz aller Chefs Cheney, der im Rahmen des Appelle Bush‘s, der EU und der UN Rechtes auf Selbstverteidigung we- Im Windschatten des „Krieges uneinsichtig, auch wenn er nach Zer- der präemptive noch präventive gegen den Terror“ in der Welt war schlagung der terroristischen Infra-

24 AUFTRAG 248 KRIEG GEGEN DEN TERROR struktur seine Truppen so schnell wie So haben die turbulenten Wo- – Das Problem eines islamistisch ge- möglich in die Pufferzonen an den chen um und nach Ostern eine Lö- prägten oder arabisch-säkularen Grenzen zu Israel zurückziehen wer- sung des Palästina-Konfliktes in wei- Terrorismus ist nicht mit Bomben de“.38) Unter diesen Voraussetzungen te Ferne gerückt, und der Nahost- zu lösen. war die geplante Nahost-Reise Friedensplan des saudischen Kron- – Im Falle eines Angriffs auf den Irak Außenminister Powell‘s unter keinen prinzen Abdallah, der übrigens fehlt ein tragfähiges Modell für die günstigen Stern gestellt. Sharon ver- nichts Neues darstellte, war in der Zeit danach. sprach vor seiner Wahl seinen Tragik der Geschehnisse völlig un- – Durch die derzeitige US-Politik Landsleuten mehr Sicherheit; seit tergegangen. Immerhin ist auch in sind in der UN, der EU und den Beginn der Al Aksa-Intifada kamen der Bush-Administration die Ein- arabischen Staaten empfindliche bis Anfang April 1228 Palästinenser sicht gereift, dass nur ein palästi- Irritationen entstanden. und 420 Israelis ums Leben.39) Es nensischer Staat die heiße Phase des – Die Rolle der NATO wurde margi- kam, wie es kommen musste, Bush‘s Konflikts beenden kann. nalisiert. „nachdrückliche“ Forderungen nach Dem US-Präsidenten aber bleibt – Der ehemals breite Konsens der Rückzug der israelischen Armee wa- der Vorwurf nicht erspart, mit seinem Anti-Terror-Allianz ist gefährdet. ren eher Wortgetöse – schließlich diffusen Kurs in seiner Nahost-Poli- – Die einzigen Befürworter der ame- galt es, auf die im November stattfin- tik bei den eher gemäßigten Arabern rikanischen Angriffspläne sind dende Wahl im Kongress Rücksicht an Glaubwürdigkeit verloren zu ha- Großbritannien und Israel. zu nehmen. Powell‘s Reise war ein ben. Der Allianz gegen den weltwei- – Saddam Hussein ist ein schwer kal- Misserfolg, der das Ansehen des ten Terrorismus hat der Präsident im- kulierbarer Gegner, dennoch wird er Außenministers erheblich schädigte. mensen Schaden zugefügt. Man sollte es nicht wagen – für den Fall, dass So blieb denn die Insubordination sich aber nicht täuschen lassen; es er biologische und chemische Waf- des israelischen Premiers ohne Fol- scheint, dass Bush von all dem nicht fen sowie Trägermittel besitzt –, die- gen. Bush sah das seinerseits nicht sonderlich beeindruckt ist und sei- se gegen andere Staaten einzusetzen so. Sein Außenminister habe der Re- nen „Krieg gegen den Terrorismus“ (auch nicht gegen Israel). gion, die „am Siedepunkt gewesen konsequent weiterplanen und durch- – George W. Bush ist – gestützt auf sei, den Weg zum Frieden“ gewie- 40) führen wird. seine militärische Überlegenheit sen. Tags zuvor kritisierte Powell und überzeugt von der Unfehlbar- beide Seiten für das Scheitern seiner keit seines Handels – ein Präsi- Mission mit deutlichen Worten. Der Zwischenfazit dent, der im Falle des Irak vieles zu Widerspruch in Bush‘s Politik, vielleicht auch die Zwänge, in denen Aus dem bisher Gesagten ergibt riskieren bereit ist; für Ratschläge er steckt, wurde besonders sichtbar, sich folgendes Zwischenfazit: seiner europäischen und arabi- als er Sharon als einen „Mann des – Die Irak-Sanktionen haben mehr schen Freunde (falls es letztere Friedens“ pries.41) Immerhin war der geschadet als genutzt; der Diktator überhaupt gibt) ist er unempfän- Präsident von jüdischen Organisatio- sitzt fest im Sattel. glich. nen und Politikern der Demokraten – Der Irak ist militärisch gesehen ein aufgrund seiner mehrfach ausgespro- Schwächling, besitzt aber vermut- Ein mögliches Szenario chenen Rückzugsforderung scharf lich die „A-Bombe des Kleinen angegriffen und des Verrates an Isra- Mannes“ (chemische, vielleicht Auch wenn der kuriose Plan, das el bezichtigt worden.42) auch biologische Kampfstoffe); er „Office of Strategic Influence“ dafür Den Medien blieb der Zugang zu verfügt über annähernd keine einzusetzen, die öffentliche Meinung den Brennpunkten der Operation Trägermittel. im eigenen Land und in den Ländern SCHUTZWALL weitgehend versagt. – Eine Verbindung zu einem welt- der Anti-Terror-Allianz im Sinne ei- Einer UN-Kommission zur Untersu- weiten Terrornetz, insbesondere ner positiven Stimmung für den Krieg chung der Ereignisse in Jenin wurde der Al Qaida, ist nicht bewiesen. gegen den Irak zu manipulieren, die Einreise verweigert, sodass sich – Eine Wiederaufnahme der Waffen- wieder aufgegeben wurde, so ist seit Kofi Annan gezwungen sah, die Kom- inspektionen ist dringend erforder- Wochen längst erkennbar, dass eine mission aufzulösen. Die angesehene lich, um Klarheit über das Ausmaß mediale, psychologische Kriegsvor- israelische Zeitung „Haaratz“ bringt einer möglichen Bedrohung zu er- bereitung längst stattfindet.45) Fast die Wiedererlangung der Bewe- halten. täglich werden neue „Erkenntnisse“ gungsfreiheit Arafats mit der Verhin- – Israel verfolgt im Schatten des über den „Bösewicht“ im Zweistrom- derung der Untersuchung in Verbin- weltweiten „Anti-Terror-Krieges“ land wohl dosiert gestreut. dung.43) Während seines Besuches in der USA seinen eigenen lokalen Es steht auch kaum in Frage, Washington in der zweiten Maiwoche „Anti-Terror-Krieg“ und findet dass im Norden, der sich dem Zugriff bedankte sich Sharon immerhin bei dabei weitgehende Duldung durch des Diktators weitgehend entziehen Bush und Powell dafür, dass sie die die USA; am Sturz Saddams hat es konnte, und wo sich die Kurden- Entsendung einer Untersuchungs- verständlicherweise besonderes Emire Massud Barzani und Jalal kommission mitverhindert hätten.44) Interesse. Talabani um die Macht streiten, Wiederum war eine einstimmig be- – Die Rolle der USA im gesamten Agenten der CIA wieder aktiv gewor- schlossene Resolution des Weltsi- Nahost-Konflikt wird im arabi- den sind. Erinnern wir uns: Im cherheitsrates in fragranter Art und schen Lager nicht als die eines ehr- Schatten der Kurdenhilfe PROVIDE Weise verletzt worden. lichen Maklers gesehen. COMFORT und NORTHERN

AUFTRAG 248 25 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

SHIELD schürte die CIA den Auf- zerstreut. Im Persischen Golf wird deten aufrufen.53) Der religiös moti- stand gegen Saddam und erlebte eine große Invasionsflotte, die über vierte Terrorismus, aber auch ein sä- 1996 ein Debakel, das die „New York ein Minimum von sechs Flugzeugträ- kularer arabischer Terrorismus wer- Harold Tribune“ mit dem Schweine- gern und amphibische Einheiten ver- den weltweit zunehmen. Europa wird bucht-Desaster während der Kuba- fügt, zusammengezogen. Nach einem aufgrund seiner geographischen Krise verglich.46) Wechselnde Loya- wochenlangen Luftbombardement, Nachbarschaft zu den Ursprungslän- litäten und Verrat führten schließlich bei dem rund 1.000 Kampfflugzeuge dern des Terrorismus stärker betrof- dazu, dass Barzani sich mit Saddam auch wesentliche Teile der zivilen fen sein als die USA. arrangierte und die Republikanische Infrastruktur zerstören werden, be- In der säkularen Türkei werden Garde im August überraschend in ginnt die Bodeninvasion im Süden. radikale islamische Kräfte an Boden Arbil einrückte, wo sie die CIA-Kol- Der gebirgsreiche Norden eignet gewinnen. Die Gefahr einer Ab- laborateure seines Rivalen Talabani sich nicht für eine größere Operation wendung von Europa wächst. an Ort und Stelle füsilierte. Der grö- aus der Türkei. Der Vorstoß aus dem Der Irak könnte in einen kurdi- ßere Teil dieser Hilfstruppe wurde Süden könnte teils aus Kuwait, teils schen Nordteil, einen mittleren durch die US-Air Force ausgeflogen, in amphibischen Operationen im Rumpf-Irak und einen shiitischen und Präsident Clinton nahm den Shatt Al Arab in Richtung Basra – Südteil fragmentieren. Dies würde shiitischen Süden des Landes (!) un- Naseriyah – Nadshaf – Bagdad erfol- zwangsläufig im Norden die Türkei, ter Cruise Misslile Feuer. gen. Die Stärke der Bodentruppen Syrien und den Iran auf den Plan ru- Als weiterer „Key Player“ der läge eher unter 200.000 Mann. Die fen, die einen Kurden-Staat unter al- Amerikaner fühlt sich der Präsident Briten könnten sich mit 25.000 len Umständen verhindern wollen. des oppositionellen Irakischen Nati- Mann an den Operationen beteili- Käme es nicht zu einer Staatsgrün- onalkongresses (INC), Ahmed Chalabi, gen.49) Rebellionen der Kurden im dung oder einer weitreichenden Au- der noch Anfang März des Jahres Norden und der Shiiten im Süden des tonomie, so fühlten sich die Kurden vollmundig verkündete: „Es kann Landes, durch Spezialeinheiten und wieder einmal betrogen. Die Folgen losgehen, sobald die USA wollen“.47) CIA-Agenten vorbereitet und mit wären ein kurdischer Daueraufruhr Auch der shiitische Süden verfügt Waffen versorgt, begleiten den An- in der Region. Ein shiitischer auto- über einschlägige Erfahrungen: Von griff. nomer Süden würde sich stark an den Nachbarn jenseits von Euphrat und Bush Senior 1991 zum Aufstand er- Anfang März dementierte Außen- Tigris, den Iran, anlehnen. Dies hätte muntert, wurde die shiitische Rebel- minister Powell eine Angriffsabsicht: unweigerlich Auswirkungen auf das lion, ohne dass die Amerikaner ein- „Es gebe keine (Kriegs-)Pläne zum Verhältnis zu den sunnitischen gegriffen hätten, von Saddams Trup- Abzeichnen, weil es keine Pläne auf Nachbarn im Südwesten, Saudi-Ara- pen im Blut ertränkt. Ob es zu einer dem Tisch des Präsidenten gibt, und bien, Kuwait und den Emiraten. Ei- erfolgreichen Palastrevolte innerhalb ich weiß auch nichts von Plänen, die gentliche Nutznießer einer Auflösung des Offizierkorps der irakischen auf seinem Tisch liegen, wenn Blair 50) des Irak aber wären letztlich der Iran Streitkräfte kommen könnte, muss ihn besucht“. Allerdings wünsche und Syrien, die nach der US-Definiti- angezweifelt werden. die US-Regierung einen Regime- on zur „Achse des Bösen“ bezie- So ist es eher unwahrscheinlich, wechsel und prüfe, ob dies mit Hilfe hungsweise den „Schurkenstaaten“ dass die irakische Opposition – dem der oppositionellen Kräfte möglich gehören. Afghanistan-Krieg ähnlich – die Rol- sei. Hinzu fügte der Außenminister: Im Falle eines Angriffs können le einer Art Nordallianz übernehmen „Schließlich und endlich muss sich gravierende politische Verwerfungen könnte. Beide Seiten haben hinsicht- der Präsident auch Optionen offen für die gesamte Region nicht ausge- lich der Verlässlichkeit ihrer Partner halten, allein zu agieren“.51) Powell schlossen werden. Dies könnte gelernt. Aufstände, die den Krieg selbst scheint wohl von einer Irak- schlimmstenfalls den Zusammen- flankierend begleiten, sind denkbar, Offensive wenig zu halten, während bruch der „prowestlichen“ Regime die Hauptlast aber werden US-Trup- Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz und in Saudi-Arabien, in Kuwait, in pen zu tragen haben. Rice als Befürworter eines Angriffes Jordanien und in Ägypten zur Folge Die rahmenpolitischen Bedin- gelten. Im Aufbau der Drohkulisse haben. Selbst das syrische Regime gungen für einen Irak-Angriff sind scheut sich Amerikas treuer Vasall, des säkularen Präsidenten Bashar Al heute aber weit ungünstiger als der britische Verteidigungsminister Assad wäre nicht sicher, böte sich 1990. Saudi-Arabien, Kuwait und Geoff Hoon, nicht, dem Irak „im Not- doch den Muslim-Brüdern endlich die Golfkooperationsstaaten Qatar fall“ mit dem Einsatz von Atomwaf- die Gelegenheit, die Massaker von und Bahrain gelten als unsichere fen zu drohen.52) Hama zu rächen.54) Die Risiken für Kantonisten. Die Türkei hat eben- ein gesichertes Existenzrechtes des falls Bauchschmerzen, könnte doch Folgen Staates Israel wären schwer ab- am Ende im Norden des Irak ein schätzbar. Es könnte nicht ausge- Kurden-Staat entstehen. Einen An- Im Falle eines amerikanisch-bri- schlossen werden, dass radikal-isla- lass für die Eröffnung des Angriffes tischen Angriffs auf den Irak wird die mische Regime „Öl als Waffe“ be- zu finden oder, wenn nicht, zu fingie- Anti-Terror-Allianz endgültig zerbre- nutzen. Die Folgen für die westlichen ren, dürfte nicht allzu schwer sein.48) chen. Im arabisch-muslimischen La- Industrienationen wären katastro- Denkbar wäre folgendes Szena- ger werden islamistisch geprägte phal. Muslimische Minderheiten in rio: Die Bedenken der Türkei und Gruppen zum Dschihad gegen den Europa und den USA könnten sich des Emirats Kuwait werden „massiv“ „Großen Satan“ und seine Verbün- zunehmend radikalisieren.

26 AUFTRAG 248 KRIEG GEGEN DEN TERROR

Wenn aus diesem Horrorszenario Aggression dient. ... Jeder Einsatz Land, klar: „Waffen und blutige At- auch nur Teilstücke zuträfen, so militärischer Potentiale darf im Sin- tentate werden niemals ein geeigne- stellt sich die Frage, ob ein Angriff ne einer „Ultima Ratio“ nur bei klar tes Mittel sein, um politische Bot- auf den Irak nicht kontraproduktiv ist gegebenen politischen Zielen und schaften zukommen zu lassen. Die und die Risiken nicht höher sind als zwar zur Wiederherstellung des wah- Logik der Vergeltung ist ebenfalls ein vermeintlicher Erfolg im „Anti- ren Friedens in möglichst enger Be- nicht geeignet, um den Weg zum Terror-Krieg“. grenzung und unter Wahrung eines Frieden zu ebnen“.61) hinreichenden Schutzes der unschul- Fazit: Ein Angriff auf den Irak ist Friedensethische Fragen digen Zivilbevölkerung erfolgen unmoralisch und derzeit durch nichts ...“58) Eine gemeinsame Erklärung zu rechtfertigen. Nach dem Entschluss der deut- der Militärbischöfe beider großen schen Regierung, Soldaten nach Af- Kirchen in Deutschland erinnerte Schlussbetrachtungen ghanistan zu entsenden, sah sich der nach der Zustimmung des Bundesta- Vorsitzende der Deutschen Bischofs- ges zum Einsatz der Bundeswehr im Mit den Anschlägen vom 11. konferenz, Kardinal Karl Lehmann, „Anti-Terror-Krieg“: „Die Anwen- September 2001 wurde die Super- Mitte November 2001 veranlasst, dung militärischer Gewalt muss auf macht USA erstmals auf eigenem nochmals an die friedensethischen ein unvermeidbares Maß begrenzt kontinentalen Territorium getroffen Kriterien der Kirche zu erinnern.55) bleiben. Sie ist ohnehin allein nicht und gedemütigt. Auch wenn Präsi- Danach bleibt militärische Gewalt in der Lage, die Menschen von der dent Bush einen weltweiten „Krieg immer ein Übel, selbst wenn sie völ- Fessel des Terrorismus zu befreien. gegen den Terror“ zum Wohle der kerrechtlich legitimiert ist. Als „Ulti- Politische Lösungen müssen im Mit- Staatengemeinschaft propagiert, so ma Ratio“ aber ist ein militärischer telpunkt stehen. Alle - Politik, Mili- geht es Washington doch in erster Li- Einsatz im Rahmen eines Gesamt- tär, Medien, Öffentlichkeit - werden nie um die Abwendung von Gefahren konzeptes zu rechtfertigen. Der darauf achten, dass die militärischen im eigenen Land und die Sicherung Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Maßnahmen ausschließlich der Wie- eigener weltweiter Interessen. der Mittel und die Schonung der Zi- derherstellung eines gerechten Frie- „America first“ ist die Devise, und vilbevölkerung sind oberstes Gebot. dens dienen. Es darf von keiner be- die Grundzüge einer Bush-Doktrin Lehmann erklärte weiter: „Außer- teiligten Seite um Vergeltung und werden immer deutlicher erkennbar: dem muss eine hinreichende Aus- Machtgewinn gehen, sondern um den Offensive Verteidigung, Vernichtung sicht bestehen, dass die mit dem Ein- Aufbau einer friedlichen, internatio- terroristischer Strukturen und ihrer satz verfolgten politischen Ziele auch nalen Ordnung, den Schutz der Men- Unterstützer, Isolierung, Brandmar- tatsächlich erreicht werden kön- schenrechte und einen von wechsel- kung und gegebenenfalls Kampf ge- nen“.56) So warnte der Kardinal seitigem Respekt getragenen Dialog gen „Rogue States“, die so genann- davor, dass weder die Öffentlichkeit der Kulturen und Religionen“.59) ten „Schurkenstaaten“.62) Es versteht noch der „derzeit einen In seiner Botschaft zum Welt- sich von selbst, dass die Beurteilung, ausreichenden Überblick über die friedenstag 2002 bejahte der Heilige wer in diese Negativliste aufgenom- Gefahren möglicher Weiterungen Vater ausdrücklich das Recht auf men wird, alleinige Sache der Verei- und Eskalationen der Militäreinsätze Verteidigung gegen den Terrorismus. nigten Staaten ist. Von Freunden und gewinnen könne“.57) Um es anders „Es ist ein Recht, das sich wie jedes Verbündeten wird Gehorsam erwar- auszudrücken: Die Informationspoli- andere bei der Wahl sowohl der Ziele tet; es gibt nur zwei Positionen: Wer tik der USA lässt die Partner über wie auch der Mittel an moralische nicht für die Vereinigten Staaten ist, ihre Absichten im Unklaren. Man und rechtliche Regeln halten muss ist eben gegen sie. Herbert Kremp muss sich daran erinnern, dass die ...“60) fasst die sich abzeichnende Außen- Erklärung des Kardinals unter dem Bei all dem Gesagten bestehen politik folgendermaßen zusammen: Eindruck der Entsendung deutscher Zweifel, ob ein möglicher Angriff der „Als globale Strategie antwortet die Truppen nach Afghanistan zustande Amerikaner und Briten auf den Irak Bush-Doktrin auf eine reale Welt- kam. Um wie viel mehr trifft sie in ih- die Kriterien friedensethischer Maß- gefahr. Sie enthält zwangsläufig pro- ren Kernaussagen auf einen mögli- stäbe auch nur annähernd erfüllt, vokative Elemente. Sie diktiert einen chen Irak-Angriff zu. ganz davon abgesehen, dass ein sol- Verhaltenskodex am Rande der Un- Seit dem 11. September 2001 cher Angriff nicht durch das vorhan- terwerfung. Sie steht unter Hegemo- war ausgerechnet der katholische dene UN-Mandat gedeckt ist und die nie-Verdacht“.63) Militärbischof, Dr. Walter Mixa, als Voraussetzungen für Artikel 51 der Im Falle des Irak gibt es keine unbequemer Mahner immer wieder UN-Charta nicht gegeben sind. eindeutige Beweislage für Verbin- in Erscheinung getreten: „Der Ein- Gibt es vielleicht doch alte offe- dungen zum Terrornetz der Al Qaida, satz militärischer Mittel droht, selbst ne Rechnungen? Soll eine Pauschal- und die von dort angeblich ausgehen- wenn er kurzfristig erfolgreich zu vergeltung für den 11. September de Bedrohung durch Massenver- sein scheint, zu einer Spirale der Ge- 2001 gegen einen aus der „Achse nichtungswaffen scheint aufgeblasen walt zu führen, die einen gerechten des Bösen“ erfolgen? In seiner An- und konstruiert. Es ist nicht einmal Frieden letztlich unmöglich macht. sprache an das Diplomatische Korps im Ansatz erkennbar, wie der Irak Dies gilt zumal dann, wenn der anlässlich des Neujahrempfanges nach einem Sturz des Diktators in die Streitkräfteeinsatz nicht der unmit- stellte Johannes Paul II., sicherlich Gemeinschaft „zivilisierter“ Staaten telbaren Abwehr einer gewaltsamen nicht nur mit Blick auf das Heilige zurückgeführt werden soll. Ob die

AUFTRAG 248 27 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Symbolfigur des von Washington ge- ten am Horn von Afrika übernommen Der Kampf gegen den Terroris- förderten Irakischen National Kon- hat, sind wir auch auf längere Zeit im mus ist nicht mit Bomben zu gewin- gresses (INC), der Prophetennachfol- Golf von Aden und dem Arabischen nen; er muss an der Wurzel des ger Prinz Sharif Ali Bin Al Hussein, Meer gebunden und wohl oder übel Übels beginnen. Dazu muss der Wes- ein geeigneter Kandidat für die stärker Bestandteil amerikanischer ten sich von seinem Überlegenheits- Nachfolge ist, ist schwer zu sagen. Planungen als uns lieb ist. Es war wahn freimachen; er muss akzeptie- Eines aber ist historisch belegt: Beim auch kaum ein Zufall, dass deutsche ren, dass andere Kulturkreise nicht Machtwechsel im Irak flossen immer ABC-Abwehrtruppen zusammen mit nach seinem Modell leben wollen. Er Ströme von Blut. amerikanischen Einheiten in Kuwait muss dafür Sorge tragen, dass Globa- Bei dieser Gemengenlage ist ein unmittelbar vor der Haustür des Irak lisierung nicht zu Lasten der Schwa- Krieg gegen den Irak weder völker- „übten“. Es bedarf schon einiger Na- chen geschieht und diese am Wohl- rechtlich noch friedensethisch zu ivität zu glauben, man könne daraus stand – besser gesagt, einem men- rechtfertigen. Er ist weit vom Grund- keine Schlüsse ziehen. Die Tatsache, schenwürdigen Leben – Anteil ha- satz der „Ultima Ratio“ entfernt. dass der ABC-Panzer „Fuchs“ und ben. Für die spezielle Variante eines Dies haben auch die europäischen entsprechendes Schlüsselpersonal Staaten mit Ausnahme Großbritanni- dort auf unbestimmte Zeit stationiert islamistisch geprägten oder isla- ens erkannt. Es besteht offensicht- bleiben, spricht dafür, dass deren misch-säkularen Terrorismus stellt lich unter diesen Voraussetzungen Nutzung auch fest eingeplant ist. der Nahost-Konflikt eine wesentliche keine Neigung, einen „zeitlich unli- Kommt es zu einer „offensiven Ursache dar. Seiner Lösung sollte mitierten anti-terroristischen Wan- Verteidigung“(!), so steht Deutsch- durch die USA und durch die Euro- derkrieg“, der heute in Afghanistan, land in einem Dilemma. Kann man päer höchste Priorität eingeräumt morgen im Irak und übermorgen in unsere, wenn auch bescheidene werden, da sich danach einiges von irgendeinem „Schurkenstaat“ statt- Anti-Terror-Truppe abziehen? Kann selbst erübrigt. findet, mitzumachen.64) man gar die Nutzung der in Deutsch- Schließlich muss zwischen den Der Schlüssel zur Lösung des land gelegenen Basen der US-Streit- Kulturen ein Dialog einsetzen, der Irak-Problems liegt vermutlich in der kräfte für einen Irak-Angriff in Frage auf gleicher Augenhöhe stattfindet Wiederaufnahme der Waffeninspek- stellen? Muss man den Export von und von Vertrauen geprägt ist. tionen und in deren Folge einer Auf- Rüstungsgütern und „Dual Use“-Ar- Unilateralismus und Drohgebärden hebung des unseligen Sanktions- tikeln für alle am Konflikt beteiligten sind für diesen Dialog wenig hilf- regimes. Dazu muss man notgedrun- Staaten einstellen? Oder muss man, reich, und Verunglimpfungen wie gen mit dem Diktator verhandeln, wie ein forscher Oppositionspolitiker „Achse des Bösen“ und „Schurken- und es wäre ja nicht das erste Mal, es fordert, die Strategie der USA be- staaten“ werden ihn nicht in Gang dass die USA mit Diktatoren verhan- grüßen?65) bringen. delt haben. Auch scheint mir eine wesentliche Grundlage im Umgang mit arabischen Potentaten bislang Quellen und Anmerkungen nicht genügend beachtet worden zu 1) Roland Nelles, Saddams langer Arm, Die 8) Uwe Schmitt, Der Angreifer, Die Welt, sein: Man muss Saddam die Möglich- Welt, 24. Februar 2001, S. 3. 19. Februar 2001, S. 2. keit zur Gesichtswahrung geben, und 2) Gegen den ausdrücklichen Willen des 9) pb/DW, Powell wirbt für die Irak-Politik dies geht nicht unter der derzeitigen UN-Generalsekretärs Perez de Cuellar der USA, 26. Februar 2001, S. 7. Drohkulisse der Bush-Administrati- installiert der Weltsicherheitsrat auf 10) DW/rid, Afghanistan ist erst der Anfang, Druck der USA nördlich des 36. Breiten- Die Welt, 23. November 2001, S. 7. on. Im Hinblick auf Russland und grades zum Schutze der Kurdischen Min- China wäre es wünschenswert, wenn 11) AFP, Gute Terroristen gibt es nicht, Die derheit eine Schutzzone. Südlich des 32. Welt, 12. November 2001, S. 6. sich diese zusammen mit Europa Breitengrades war aufgrund der UN-Re- solution 688 bereits vorher eine Flug- 12) AFP, Bush droht Saddam Hussein mit ei- stärker als bislang einbringen wür- nem Angriff, Die Welt, 28. November den. Seit Mai gibt es Anzeichen, dass verbotszone zum Schutze der shiitischen Minderheit eingerichtet worden. Tatsa- 2001, S. 6. der Irak zur Wiederaufnahme der che ist, dass die Shiiten mit ca. 60% 13) Thomas Speckmann, Die Mutter aller Waffeninspektionen bereit ist, und Bevölkerungsanteil keine Minderheit Schlachten, Teil II, Rheinischer Merkur, diese Signale gilt es – trotz schlech- darstellen und über das ganze Land, 2. Mai 2002, S. 5. ter Erfahrungen in der Vergangenheit wenn auch mit einem Schwerpunkt im 14) Henry Kissinger, Jetzt rückt der Irak ins – konsequent aufzunehmen. Süden des Landes, leben. Visier der USA, Welt am Sonntag, 20. Ja- 3) Birgit Cerha, Botschaft unter Palmen, nuar 2002, S. 8. Sollte es zu einem Waffengang 15) DW, Bush erhöht Wehr-Etat um 50 Milli- der USA gegen den Irak kommen, so Rheinischer Merkur, Nr.30 – 2000, S.7. 4) Volker Perthes und Jochen Buchsteiner, arden, Die Welt, 25. Januar 2002, S. 1. muss Bundeskanzler Schröders „un- Wie gefährlich ist Saddam Hussein wirk- 16) George W. Bush/dpa, Die Rede im Wort- eingeschränkte Solidarität“ auf den lich?, Frankfurter Allgemeine Sonntags- laut, Die Welt, 31. Januar 2002, S. 6. Prüfstand, denn mit den im Rahmen zeitung, 24. Februar 2002, S. 3. 17) Andreas Middel, Schwedens Außenmini- von ENDURING FREEDOM am 5) Birgit Cerha, Botschaft unter Palmen, sterin beleidigt die USA, Die Welt, 29. Horn von Afrika und im Emirat Rheinischer Merkur, Nr. 30 – 2000, S. 7. Januar 2002, S. 6. Kuwait eingesetzten Truppen sind 6) Karl Wendl, Interview mit Hans von 18) Peter Dausend, Grüne wollen ein „Aben- Sponeck, 500.000 Kinder wurden Opfer teuer Irak“ nicht unterstützen, Die Welt, wir möglicherweise schon stärker in- der Sanktionen, Welt am Sonntag, 6. Au- 5. Februar 2000, S. 6. volviert als wir ahnen. Nachdem gust 2000, S. 32. 19) Andreas Middel, Fischer kritisiert Au- Deutschland im Mai die Führung 7) Peter Scholl-Latour, Der Verlorene Sieg, ßenpolitik von Bush, Die Welt, 10. Feb- über 106 Schiffe und 45.000 Solda- Welt am Sonntag, 6. August 2000, S. 32 ruar 2002, S. 6.

28 AUFTRAG 248 KRIEG GEGEN DEN TERROR

20) ebd. 37) WS, Israel setzt Offensive fort - trotz braucht. Ayatollah Khomeni bezeichnete Warnung der USA, Die Welt, 7. April während der iranischen Revolution die 21) Andreas Middel, EU geht auf Distanz zu 2002, S. 1. den USA, Die Welt, 10. Februar 2002, USA als den „Großen Satan“. S. 6. 38) rid/DW, Sharon widersetzt sich Appellen 54) 1982 ließ der Vater des heutigen Präsi- von UNO und USA, Die Welt, 9. April denten, Hafiz Al Assad, die terroristi- 22) Uwe Schmitt, Die USA nehmen keine 2002, S.7. Notiz von der Kritik Europas, Die Welt, schen Ihwan Muslimin, die Muslim Brü- 39) ebd. 12. Februar 2002, S. 5. der, in ihrer Hochburg Hama massakrie- 40) Uwe Schmitt, Bush stellt sich hinter ren. Konservative Schätzungen gehen 23) HS 02, Karikatur, Die Welt, 5. Februar Ariel Sharon, Die Welt, 20. April 2002, von mehr als 10 000 Toten aus. 2002, S. 6. S.6. 55) Karl Lehmann, Erklärung zur Entsen- 24) Ansgar Graw, Iraks Außenminister: USA 41) ebd. dung von Soldaten der Bundeswehr nach messen mit zweierlei Maß, Die Welt, 16. Afghanistan (Bischöfe besorgt wegen Februar 2002, S. 4. 42) ebd. 43) dpa, Sharons Schachzug: Ramallah ge- Militäreinsatz), Die Tagespost, 10. No- 25) Kafir, MZ Kafirun = Ungläubige, arabi- vember 2001, S. 4. sches Schimpfwort für Nicht-Muslime. gen Dschenin, Die Welt, 30. April 2002 , S. 5. 56) ebd. 26) Evangelos Antonaros, Es kriselt in der 44) Uwe Schmitt, Bush sieht eine Zukunft für 57) ebd. Zweckehe zwischen Riad und Washing- Arafat, Die Welt, 8. Mai 2002, S. 5. ton, Die Welt, 26. April 2002, S. 7. 58) rk., Fragen zum Afghanistan-Einsatz, Die 45) Office of Strategic Influence = Behörde Tagespost, 17. November 2001, S. 2. 27) Thomas Kielinger und Uwe Schmitt, USA für Strategische Beeinflussung, Unter- bitten Blair angeblich um 25.000 Mann 59) Hartmut Löwe und Walter Mixa, Erklä- behörde des Pentagon, die im Rahmen gegen den Irak/Cheneys Gastgeber, Die rung zum Bundeswehreinsatz im Afgha- der Psychologischen Kriegsführung die Welt, 11. März 2002, S. 7. nistan-Konflikt (keine leichte Situation öffentliche Meinung beeinflussen soll. für unser Land), Die Tagespost, 20. No- 28) Geburtsort Saddam Husseins am Tigris. 46) Peter Scholl-Latour, Lügen im Heiligen vember 2002, S. 2. 29) Michael Stürmer, Nicht ob, sondern Land, Siedler Verlag, 1998, Berlin, 1. 60) Johannes Paul II., Kein Friede ohne Ge- wann, Die Welt, 5. Februar 2002, S. 8. Auflage, S. 65. rechtigkeit, Keine Gerechtigkeit ohne 30) Thomas Elßner, Im Einklang mit der 47) Severin Weiland, Wie die USA Saddams Vergebung, Botschaft zur Feier des Welt- Charta, Die Tagespost, 6. Oktober 2001, Sturz planen, Spiegel Online, 8. März friedenstages am 1. Januar 2002, Die S. 3. 2002. Tagespost, 13. Dezember 2001, S. 5. 31) hl/DW, Union greift Fischer wegen Irak- 48) Friedrich Mielke, Der Irak im Visier der 61) Johannes Paul II., Finsternis kann nur Warnung scharf an, Die Welt, 19. Febru- Amerikaner, Schleswig-Holsteinische durch das Licht vertrieben werden – ar 2002, S. 5. Landeszeitung, 13. März 2002, S. 2. Hass lässt sich nur durch Liebe überwin- 32) F.A.Z., Bush droht Isolation, Frankfurter 49) Thomas Kielinger und Uwe Schmitt, USA den, L’Osservatore Romano, deutsche Allgemeine Zeitung, 17. Februar 2002, bitten Blair angeblich um 25 000 Mann Ausgabe, 25. Januar 2002, Dokumenta- S. 1. gegen den Irak, Die Welt, 11. März 2002, tion, S. 7. 33) DW, USA planen Irak-Invasion mit 200 S. 7. 62) Zur Kategorie der „Schurkenstaaten“ ge- 000 Soldaten, Die Welt, 15. Februar 50) Holger Kulick, Opposition setzt auf hörten bislang Libyen, der Sudan, Syri- 2002, S.1. Krieg im eigenen Land, Spiegel Online, en, der Iran, der Irak und Nord-Korea. 34) ped/AFP, Schröder: Kein Irak-Angriff 7. März 2002. 63) Herbert Kremp, Die Bush-Doktrin ohne UN-Mandat, Die Welt, 16. März 51) ebd. kommt, Die Welt, 27. Februar 2002, S. 9. 2002. 52) AFP, Minister: Notfalls Einsatz von 64) Herbert Kremp, Amerika überschätzt 35) ebd. Atomwaffen gegen den Irak, Die Welt, seinen Krieg, Die Welt, 8. Februar 2002, 36) dpa/afp, Nahost: Die USA stellen sich 22. März 2002, S. 7. S. 9. der Herausforderung, Schleswig-Holst- 53) Dschihad wird hier im Sinne des „Heili- 65) Peter Dausend, CDU-Außenpolitiker for- einische Landeszeitung, 5. April 2002, gen Krieges“ gegen die USA und die ge- dern engeren Schulterschluss mit USA, S. 5. samte westliche Werteordnung ge- Die Welt, 28. März 2002, S. 2.

GEFUNDEN: Islamgeistliche: Selbstmordattentate höchste Form des Martyriums elbstmordattentate sind nach Auffassung irakischer Islamgeistlicher „eine der Shöchsten Formen des Martyriums“. Dies gelte auch für die Anschläge palästinensi- scher Kämpfer gegen "zionistische Verbrecher und Usurpatoren", heißt es in einem von der irakischen Nachrichtenagentur INA zitierten islamischen Richtspruch (Fatwa) vom 16. April 2002. Die irakischen Ulemas erteilten demnach Selbstmordattentaten ihren Segen und forderten alle islamischen Geistlichen auf, Richtsprüche zur Unterstützung des Heiligen Krieges (Dschihad) zu erlassen. Ende März hatte die höchste religiöse Autorität des sunnitischen Islams, Scheich Mo- hammed Sayyed Tantawi von der Al-Azhar-Hochschule in Kairo, erklärt, solche Attentä- ter seien als Märtyrer zu bezeichnen, auch wenn bei Anschlägen etwa in jüdischen Siedlungen Frauen und Kinder getötet würden. Im Mai 2001 hatte der als moderat gel- tende Scheich noch in einer Fatwa definiert, dass nur Selbstmordattentäter, die gegen Kämpfer vorgingen, als Märtyrer verehrt werden dürften. Dafür war er in der islami- schen Weit kritisiert worden. (KNA)

AUFTRAG 248 29 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

ERKLÄRUNG DES GESCHÄFTSFÜHRENDEN VORSTANDES VON PAX CHRISTI

• Die Bundesregierung sollte in Kein Krieg gegen den Irak! diesem Sinne Initiativen ergrei- Die Europareise Ende Mai 2002 von US-Präsident George W. Bush hat fen, um der UNO ein Verhand- gezeigt, dass die Amerikaner in nächster Zeit keine militärische Kon- lungsmandat für den Irak zu er- frontation mit dem Irak planen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass teilen. Washington eine Änderung der politischen Verhältnisse in Bagdad an- pax christi ist der Auffassung, dass strebt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die nachfolgende Pax Christi Er- die realen Probleme in der Golf- klärung einzuordnen. region politisch gelöst werden müs- sen. Ein Einsatz der UNO könnte eit Wochen verunsichern Mit- hältnismäßige Gewalt, die unab- Bemühungen fördern, die demo- glieder der US-amerikanischen sehbar viele zivile Opfer fordert, kratischen und friedenswilligen SRegierung auch die deutsche unverantwortliche Risiken birgt Kräfte im Irak zu stärken. Öffentlichkeit: mit widersprüchli- und oftmals verdeckten Interessen • Die Bundesregierung muss die chen und teilweise bedrohlichen An- folgt. ABC-Spürpanzer-Einheiten der kündigungen, wie die Bekämpfung ••• Die Bundesregierung muss sich Bundeswehr aus Kuwait abzie- des internationalen Terrors fortge- stattdessen verstärkt für die Zu- hen. setzt werden solle. Vor allem der Irak lassung neutraler Waffeninspek- pax christi sieht in dieser Maßnah- erscheint im Visier der US-Regie- toren im Irak einsetzen. me ein konsequentes Zeichen der rung. Zuletzt bei der Trauerfeier für pax christi sieht die Gefahr, die Deeskalation in der Krisenregion, die Opfer des 11. September in New durch Massenvernichtungswaffen das die Glaubwürdigkeit eines po- York hat George W. Bush sein Volk auf und Fernlenkraketen in der Hand litischen Engagements zur Lösung einen Krieg gegen dieses Land einge- eines undemokratischen Regimes des Konflikts deutlich erhöht und schworen, erneut mit dem ungeheuer- in dieser krisenhaften Region das deutsch-amerikanische Ver- lichen Begriff von der „Achse des Bö- droht. Diese Gefahr wird aber nicht hältnis nicht beschädigt. sen“; gleichzeitig wird den Verbünde- durch Militärschläge gebannt, son- • Auch weiteren Überlegungen ten immer wieder versichert, es gebe dern am ehesten durch eine akzep- und Planungen eines Krieges ge- keine konkreten Vorbereitungen für tierte, weil international verantwor- gen Somalia muss die Bundesre- kriegerische Angriffe. tete Rüstungskontrolle – und lang- gierung eine deutliche Absage er- In dieser gefährlichen Situation fristig durch eine weltweite Äch- teilen. appelliert pax christi an die Bundes- tung aller ABC-Waffen. pax christi warnt davor, allein den regierung, allen Überlegungen zu ei- • Die Bundesregierung muss sich Nachweis möglicher Verbindungen ner kriegerischen Auseinanderset- für eine gezielte Aufhebung des von Staaten zu Terrororganisatio- zung mit dem Irak entgegenzuwirken. Embargos gegen den Irak ein- nen als Legitimation weiterer krie- Insbesondere fordert pax christi von setzen. gerischer Angriffe zu benutzen. der deutschen Regierung: pax christi sieht die verheerenden • Die Bundesregierung darf den Folgen dieses Embargos für die Zi- Weitere Kriege werden den Ter- Vereinigten Staaten keinerlei Be- vilbevölkerung, das in der Konse- rorismus nicht stoppen können. Sie reitschaft signalisieren, Kriegs- quenz Saddam Husseins Position bedeuten mehr Gewalt und den handlungen gegen den Irak zu eher gestärkt hat. Es muss jetzt da- Nährboden für immer neuen Terror. unterstützen. Vielmehr muss sie rum gehen, Maßnahmen zu erwir- Das Gebot der Stunde ist es, politi- alles in ihrer Macht Stehende ken, die das Leben der irakischen sche Maßnahmen zur Bekämpfung tun, um weitere Kriege zu ver- Bevölkerung erleichtern. So kön- des Terrorismus zu ergreifen. Hier hindern, die mit Terrorbekämp- nen Hass und Feindseligkeit ge- muss Deutschland eine führende fung begründet werden. genüber der westlichen Welt abge- Rolle übernehmen. pax christi verurteilt solche unver- baut werden. Bad Vilbel, den 20. März 2002

KURZ NOTIERT: Militärschlag gegen Irak im Oktober? In Washington und London geht man in Parlamentarier-Kreisen davon aus, dass ein neuer Irak-Feld- zug in der Zeit Oktober 2002 bis Frühjahr 2003 stattfinden könnte. Die Operation zur Absetzung Saddam Husseins würde rund 250.000 US-Soldaten erfordern. Es gebe Befürchtungen, heißt es, dass der Irak zur Abwehr eines Angriffs chemische und biologische Waffen einsetzen werde. Angeb- lich erwarten die USA auf einem informellen Treffen der NATO-Verteidigungsminister am 24./25.09. Zusagen der Allianzpartner für eine gemeinsame Militäraktion. Von Deutschland erwarten die Ame- rikaner nach einem „Spiegel“-Bericht keine Bodentruppen, aber logistische und finanzielle Unterstüt- zung wie beim Golfkrieg 1991. – Außenminister Colin Powell gehört zu den Kritikern der Planung.

30 AUFTRAG 248 UN-FRIEDENSMISSION UNOMIG – eine friedenserhaltende Mission in Georgien

WALTER THEIS

eit 1994 beteiligt sich die Bundeswehr an der „Golf Nine, this is Four Seven; where is your loca- friedenserhaltenden Mission der Vereinten Natio- tion.“ Der deutsche Hauptmann Günter Neuroth, Snen in Georgien, genannt UNITED NATIONS OBSERVER Teamleader des Golf Teams im Gali-Sector beantwortet MISSION IN GEORGIA (UNOMIG). Die in dieser Mission ein- den Funkspruch: „This is Golf Nine, I am on patrol, still gesetzten Soldaten sind ein Teil eines 108-köpfigen in- mobil in the Golf Area.“ ternationalen Kontingentes aus insgesamt 23 Nationen, Zusammen mit dem Patrouillen-Team ist in den darunter Deutschland mit zz. elf Soldaten. Ihr Auftrag ist Tagen vor Weihnachten 2001 eine Besuchergruppe des die Grenzzone zwischen Georgien und dem von Zentrums für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr Georgien abgefallenen Abchasien zu überwachen, um (ZVBw) an Bord der beiden Nyalas (größere gepanzerte bewaffnete Auseinandersetzungen zu vermeiden. und minensichere Geländefahrzeuge südafrikanischer Produktion). Die Gruppe setzt sich zusammen aus dem Kommandeur des ZVBw, Brigadegeneral Hans Hüb- ner, der wehrübenden Truppenpsychologin des ZVBw, Oberstleutnant Dietlinde Riedel, dem Projektoffizier, Hauptmann Günther Beck, der selbst schon als Obser- ver in Georgien Dienst getan hat und die Besuchsreise optimal organisiert hat, und mir, dem Vertreter der Mi- litärseelsorge. Vor Weihnachten sollten die elf deutschen Solda- ten, unter der Leitung von Oberstabsarzt Sven Jeremias als Senior Medical Officer (SMO) und Dienstältester Deutscher Offizier (DDO), die in Georgien für sechs Monate über die Feiertage ihre Aufträge als Militärbe- obachter und als Truppenärzte und Sanitätspersonal im Rahmen von UNOMIG durchführen, besucht werden. Neben den Grüßen und guten Wünschen hat die Dele- ABCHASIEN: Die blutigen militärischen Auseinander- gation auch 23 Kisten mit Weihnachtsgeschenken aus setzungen nach der Unabhängigkeitserklärung von der Heimat im Reisegepäck. 1992 endeten am 30.09.1993 mit einer Niederlage Nun geht es über die Straßen und Wege, die diese der Georgier. Den Waffenstillstand vom 14.05.1994 Bezeichnung auf weite Strecken nicht verdient haben, überwachen seit Juni eine GUS-Friedenstruppe, der durch Georgien und durch die von Georgien abgefalle- ausschließlich Russen (rd. 1.500 Mann) angehören, ne „Republik Abchasien“. Aufgerissene Asphalt- und 108 UN-Militärbeobachter (UNOMIG). Verhand- decken, eingerahmt von riesigen Wassertümpeln, sind lungen zur Beilegung des Konflikts blieben bisher er- die Ursachen, dass man im Inneren des Fahrzeuges hin gebnislos. Rund 250.000 Georgier, die während des und hier geschüttelt wird. Bürgerkriegs aus Abchasien geflüchtet waren, konn- Das Ziel der täglichen Patrouillen-Fahrten sind Pa- ten noch immer nicht in ihre Heimat zurückkehren. trouillen-Punkte, die jeweils täglich vom „Team Lea- Bei einem von der georgischen Regierung nicht aner- der“ festgelegt und bei der Morgenlage bekannt gege- kannten und als rechtswidrig bezeichneten Referen- ben werden. Mit guten Wünschen und dem Hinweis, dum am 03.10.1999 (Stimmbeteiligung über 87 %) trotz aller Routine vorsichtig zu sein, entlässt der Sec- stimmen 97 % der Teilnehmer für die Unabhängigkeit tor-Commander die Teams, die ihren Namen vom von Georgien und für eine neue Verfassung, in der NATO Alphabet abgeleitet haben. Abchasien zu einem „souveränem, demokratischem Für das Golf-Team stehen Patrouillenpunkte an, und internationalem Recht entsprechenden Staat“ er- die Gelegenheit bieten, bei abchasischen Zivil- und klärt wird. Bei den zugleich stattfindenden Präsident- Militärbehörden und bei der örtlichen Bevölkerung In- schaftswahlen wird Wladislaw Ardsinba mit 99 % der formationen zu erfragen, die das Lagebild vor Ort Stimmen ohne Gegenkandidaten im Amt bestätigt. jeweils ergänzen sollen. Die sieben UN-Mitarbeiter, die am 13. 10. entführt Gelegentlich brauchbare Hinweise, was die Lage in wurden, werden bis zum 15.10. nach Verhandlungen ihrem Verantwortungsbereich betrifft, erhält man von des georgischen Verteidigungsministers David offiziellen georgischen Amtsträgern. Die Befragung der Tewsadse mit den Geiselnehmern freigelassen. Fünf Bevölkerung lässt deren Bedürfnisse, Erwartungen und am 01.06. 2000 entführte UN-Mitarbeiter kommen Mentalität erkennen. bis zum 05.06. wieder frei. Am 08.10.2001 wird ein „Wie denn die Stromversorgung derzeit ist?“ wird UN-Patrouillenhubschrauber über Rebellengebiet ab- beantwortet, „ja es gibt Strom, aber unregelmäßig vier geschossen. Unter den UN-Angehörigen, die dabei Stunden am Tag.“ – „Ob es zu Überfällen oder Ausrau- ihr Leben verlieren, ist der deutsche Oberstabsarzt bungen gekommen ist?“ – „Nein, eigentlich nicht; der Dieter Eißling. (aus: DER FISCHER WELTALMANACH 2001) Raubversuch vor acht Tagen ist glimpflich verlaufen. Im

AUFTRAG 248 31 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK FRIEDENSMISSION IN GEORGIEN

Zerfall der Sowjetunion erlebt und erfahren musste. Die Hoff- verursacht und durch die nung habe ihn aufrecht erhalten. Und Folgen der Unabhängig- wie im eigenen Leben, so sei es auch keit der ehemaligen Sowjet- in der Schicksalsgemeinschaft des Republiken wie z.B. deutschen Volkes gewesen: Hoff- Georgien Elend, Hass, Bür- nung habe letztlich nach vielen, oft gerkriege und Zerstörung aussichtslosen Jahren zur Wieder- in friedliche und durchaus vereinigung in Deutschland geführt. ertragreiche Gebiete ge- Damit sind wir wieder bei bracht hat. Man muss sich Gorbatschow und Schewardnadse, doch nur einmal umsehen. den „Übeltätern“, die anderen helfen Nichts ist bisher besser ge- und das eigene Volk dabei vergessen. worden, alles ist schwieri- Die gewohnte Lethargie, verbun- ger.“ den mit der Erwartungshaltung an Es ist bei der Fahrt andere, bekommt wieder ihre Recht- Der Kommandeur des Zentrums für Verifikationsauf- durch Städte wie Suchumi fertigung. Wie kann da geholfen wer- gaben der Bundeswehr (ZVBw) BrigGen Hans Hübner und Zugdidi durchaus er- den? Die Truppenpsychologin OTL (l.) und Militärdekan Walter Theis, KMBA, besuchen ahnbar, welchen Charme Dietlinde Riedel, bestätigt uns aus den Kommandeur der UN Observer Mission, den pa- kistanischen Generalmajor Anis A. Bajwa (r.) im und Wohlstand trotz des ihrer Sicht ein Verhaltensmuster: Hauptquartier der UNOMIG. heutigen Niedergangs, der „Wer von sich nichts fordert und nicht Zerstörung und trotz des gefordert wird, der fordert von ande- Zerfalls diese Städte noch ren“. ausstrahlen. Damals, als Außer den Erfahrungen auf die wohlhabenden Bürger Patrouillenfahrten, galt unser Inter- der Sowjetunion und der esse vor allem der Begegnung mit Satellitenstaaten hier noch Verantwortungsträgern für die Missi- Ferien machten, konnte on und mit den deutschen Angehöri- man es sich hier gut sein gen, um Einblicke in ihre Lebensum- lassen. stände, Erfahrungen, Probleme und Aber bei der Frage, von internationalen Einbindungen, sowie welchen Hoffnungen für in deren Arbeitsbedingungen zu er- die Zukunft die Bevölke- halten. rung heute getragen wird, Über allen Begegnungen lag der gibt es die Antwort: „Ei- Schatten des Abschusses eines UN- gentlich keine, da uns ja Hubschraubers am 8. Oktober 2001 niemand hilft“. Auf Selbst- während einer Hubschrauberpatrou- hilfe und Eigeninitiative ille im Kondori Tal. Neben anderen BrigGen Hans Hübner begleitet den Führer des Golf angesprochen, äußern die UN-Angehörigen und einheimischen Teams Hptm Günter Neuroth auf einer Patrouillen- Befragten Unverständnis; Übersetzern verlor der deutsche Ober- fahrt und verschafft sich einen Überblick über den dafür sei die UN da. Diese stabsarzt Dieter Eißing sein Leben. Gali-Sektor. Im Hintergrund die schneebedeckten müsse erst einmal Voraus- Die Anwesenheit des Sonderbe- Hänge des Kaukasus-Gebirges, das Höhen von über 5.000 m erreicht. setzungen für ein geordne- auftragten des Generalsekretärs der tes und gesichertes Vereinten Nationen für UNOMIG, Alltagsleben schaffen. Sie Dieter Boden, im Hauptquartier im Übrigen muss man sehen, wie man selbst würden sich dann organisie- Suchumi gab Gelegenheit zu Begeg- über die Runden kommt. Jetzt in der ren. nung und Gedankenaustausch. Erntezeit von Mandarinen und Hasel- Dies gibt dem Patrouillenführer Das Problem, das ihn umtrieb, nüssen will natürlich jeder seinen Teil Anlass, den Auftrag von UNOMIG war und ist der Abschuss im Kondori davon abhaben, das ist eben so hier.“ zum wiederholten Mal zu erläutern, Tal und die politischen Hintergründe. Von der eigenen Regierung in der eine andere Zielsetzung hat. Ob Wurden Informationen von georgi- Tiflis fühlt man sich im Stich gelas- man es diesmal verstehen kann oder scher und abchasischer Seite so über- sen „Die wissen nur, was ihnen selbst verstehen will? mittelt, dass beide Seiten von Rebel- gut tut“. Auf den Präsidenten General Hübner versucht in die lentätigkeiten vor Ort wussten und die Schewardnadse ist keiner gut zu apathischen Augen einen Hoffnungs- Lage zum eigenen Vorteil und zur Be- sprechen. „Die Deutschen reden na- schimmer zu bringen: „Die Hoffnung lastung des Gegners, aber zum unver- türlich gut von ihm reden, schließlich lebt von vorne“. Er erzählt den auf- antwortbaren Schaden der Angehöri- verdanken sie ihm die Wiedervereini- merksamen Zuhörern, dass er selbst gen der UNO zugespitzt haben? gung, zusammen mit jenem unseligen Vertreibung und Flüchtlingsschick- Verdachtsmomente in dieser Präsidenten Gorbatschow, der den sal als Kriegskind am eigenen Leib Richtung sind sicher nicht zu überse-

32 AUFTRAG 248 UN-FRIEDENSMISSION hen, vor Spekulationen muss man Eindruck, dass auch die sich jedoch hüten. Unausdenkbar Rahmenbedingungen für die wäre es für das gegenseitige Vertrau- Arbeit stimmen. Da die UN en derer, die gemeinsam in dieser ge- sich nicht um die Unterbrin- orgischen Region eine Grundlage für gung ihrer Angehörigen die Zukunft legen wollen, wenn die- kümmert, haben diese selbst ser Verdacht sich zur Gewissheit er- diesen nicht unerheblichen härten sollte. Teil ihres sechsmonatigen Beim Besuch des Kommandeurs Aufenthalts in Georgien zu der UN Observer Mission, dem pa- organisieren. Bei georgi- kistanischen Generalmajor Anis A. schen Familien haben sie Bajwa, waren es die militärischen sich eingemietet. Traditio- und die einsatzbezogenen Umstände, nell übergibt man diese die ihn und seinen Stab in Suchumi Quartiere an die nachfolgen- den Kontingentangehörigen. umtrieben. Fragen wie: „War diese So spricht man mittlerweile Hubschrauberpatrouille im Hinblick Humanitäre Hilfe spielt bei der Erfüllung von davon, dass man im „Deut- militärischen Friedensaufträgen für den Ethos des auf die vorausgegangenen Beobach- schen Haus“ im „Schweizer Soldaten eine wichtige Rolle. BrigGen Hübner tungen von Rebellen nötig?“, beweg- Haus“ oder „Schwedischen besucht einen von UNOMIG betreuten Kindergarten. ten auch ihn. Zwar gaben die abcha- Haus“ (Fotos W. Theis) sischen Stellen Entwarnung und da- wohnt. Die Herzlichkeit zwi- mit grünes Licht. Ungewissheit und schen Soldaten und den Vermutungen bleiben auch hier. „Gasteltern“ ist unübersehbar. Der gemeinsame Auftrag, das Natürlich stellte sich für die Für mich, als den begleitenden tägliche Miteinander in der nicht deutsche Delegation auch die Frage Militärgeistlichen war es eine Selbst- immer risikolosen Erfüllung dieses nach der Motivation der Soldaten, die verständlichkeit, bei einer solchen Auftrags, schafft Nähe und Vertraut- am UN-Einsatz teilnehmen. Die Ant- Besuchsreise den deutschen Ange- heit sowie gegenseitiges Verständnis. wort auf diese Frage sieht der pakis- hörigen von UNOMIG adventlich- Dadurch wird, trotz der Verschieden- tanische General für seine pakistani- vorweihnachtliche Gottesdienste an- heit der Religionen, die jeweilige re- schen Kameraden so: „Es ist der Wil- zubieten. An zwei Standorten bot sich ligiöse Identität gewahrt. Neugierde le der Staatengemeinschaft der Verein- diese Möglichkeit an, in Gali und in wird geweckt, wie der jeweils andere ten Nationen, mit militärischen Kräf- Zugdidi: seine Religiosität im gottesdienstli- ten, wenn auch unbewaffnet, Sicher- Der 3. Adventssonntag war zu- chen Vollzug realisiert, ohne diesen heit für die geplagte Bevölkerung zu gleich das Ende des Fastenmonats anderen dabei stören zu wollen. schaffen. Natürlich sucht man auch Ramadan. Die moslemischen Ange- Ein Erlebnis, das Hoffnung ge- internationale Erfahrungen zu gewin- hörigen der UN-Mission versammel- ben kann in einer Situation, die gera- nen.“ Für unsere deutschen Ohren ten sich mit ihrem moslemischen Be- de auch auf diesem Gebiet der kul- klang ein drittes Motiv ungewohnt: fehlshaber in Gali. Mit einem turell-religiösen Differenzen zwi- „Für die Ehre meines Vaterlandes ein- Gebetsgottesdienst am Vormittag im schen den beiden Religionen viele zustehen und die Professionalität mei- umgestalteten Briefingraum wurde Fragen und Spannungen bietet. – ner Streitkräfte im internationalen Be- die „Heilige Zeit“ beendet. Selbst- Ähnliches erlebten wir beim Gottes- reich einbringen zu dürfen.“ verständlich wurden wir zu dieser dienst in Zugdidi. Diese bringen die Soldaten, und Form islamischer Gottesverehrung Wenn vom Einsatz unserer deut- als Gäste eingeladen, was wir dank- nicht zuletzt unsere deutschen Solda- schen Soldaten bei uns in der Heimat bar annahmen. Bei der anschließen- ten, in ihren Funktionen als Observer kaum geredet und ihr Engagement den geselligen, fast ausgelassen Fei- und als Sanitätspersonal für alle An- er nach dem Gottesdienst durften wir und ihre Leistungen, aber auch ihr gehörigen der UN Mission in der Tat ebenso Gäste dieser moslemischen Risiko daher kaum bewertet wird, ein. Kein ungefährlicher Job, der Gemeinschaft sein. sollte das Schweigen darüber aus aber mit Sachverstand, Sensibilität, Es war schon eine Art von Betrof- dem gegebenen Anlass unserer Be- Engagement und internationaler Of- fenheit, die man spürte, als dann am suchsreise mit diesem Beitrag unter- fenheit nicht nur erledigt, sondern Abend dieses Tages im selben Raum brochen werden. Es geschieht aus Tag für Tag gelebt wird. unser christlicher Gottesdienst statt- Respekt und Dankbarkeit vor dem Englisch ist zur zweiten Mutter- fand. Dazu hatten wir wiederum die Dienst der Soldaten und in Würdi- sprache geworden; da spielt die nati- moslemischen Soldaten eingeladen. gung des Verzichtes, den die Ange- onale Herkunft eine nur untergeord- Ich hatte dabei den Eindruck, dass hörigen dieser Soldaten über eine nete Rolle, nur die gemeinsame Auf- diese Einladung nicht nur aus Grün- lange Zeit so selbstverständlich tra- gabe zählt und die dabei erlebte ge- den der Höflichkeit angenommen gen, der aber zu bestimmten Zeiten genseitige Verlässlichkeit, die letzt- wurde. Denn mit großem Interesse wie Weihnachten und dem Jahres- lich über den Erfolg entscheidet. verfolgten unsere Gäste unseren Got- beginn besonders schmerzlich emp- Als Außenstehender hat man den tesdienst. funden wird. ❏

AUFTRAG 248 33 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK POSITION DES BDKJ 2002 Sicherheitsethische und sicherheitspolitische Beschlüsse der Hauptversammlung 2002 des BDKJ

ei der Hauptversammlung vom 25.-28. April 2002 Mann und eine Frau ab hauptamtlichen und ehrenamtli- in Altenberg verabschiedete der Bund der Deut- cher Bundesvorsitzenden sowie einen Präses. Bschen Katholischen Jugend (BDKJ) u.a. zwei Be- Erbe stammt aus dem schleswig-holsteinischen Bad schlüsse, die sich mit friedensethisch und sicherheits- Schwartau. Von 1992 bis 1995 war er BDKJ-Vorsitzender politisch relevanten Themen befassen. So sprach er sich für in dem Bundesland, von 1995 bis 1999 ehrenamtlicher die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und die Ein- Diözesanvorsitzender im Erzbistum Hamburg. 1999 über- führung einer Freiwilligenarmee aus. Die Delegierten nahm er neben Hagmans den hauptamtlichen Vorsitz des stimmten einer Erklärung zu, dass nach Ende des Ost- Jugenddachverbandes. West-Konflikts die Begründung für größere Streitkräfte hin- fällig sei. Zudem stelle die allgemeine Wehrpflicht einen zu „Wahlalter auf 16 heruntersetzen“ starken Eingriff in die Lebensplanung junger Männer dar. Der BDKJ forderte auch eine Absenkung des Wahlal- In dem Beschluss „Frieden fördern und gestalten“ fordert ters auf 16 Jahre. In diesem Alter seien die Jugendlichen der BDKJ die Stärkung einer vorbeugenden Friedens- und bereits zu einer eigenen Wahlentscheidung fähig, heißt es Sicherheitspolitik. Dazu sei der Ausbau internationaler in einem Beschluss. Weiter seien Ausbildungs- und Qua- Sicherheitsstrukturen notwendig. Der Einsatz militärischer lifizierungsmaßnahmen nötig, um Jugendlichen eine Pers- Mittel sei nur in absoluten Ausnahmefällen gerechtfertigt pektive auf dem Arbeitsmarkt zu bieten. Der Verband und an enge Bedingungen gebunden. Beide Beschlüsse – sprach sich zudem für einen tragfähigen Generationen- „Friedensethische und sicherheitspolitische Grundlagen vertrag sowie ein „Bündnis für Bildung“ aller beteiligten des BDKJ“ und zur „Allgemeinen Wehrpflicht“ – werden Institutionen und Verantwortlichen aus. Ganztagsschulen nachstehend unkommentiert veröffentlicht. befürwortet der BDKJ als eine Wahlmöglichkeit unter vie- len. Auch über das Modell der Ganztagsschule hinaus sei Knuth Erbe als BDKJ-Bundesvorsitzender bestätigt eine Diskussion über Betreuungsangebote im Nach- Knuth Erbe (32), Diplomsoziologe, bleibt hauptamt- mittagsbereich dringend erforderlich. lich Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Ka- tholischen Jugend (BDKJ). Erbe wurde im Rahmen der BDKJ stellt Demokratieförderpreis ein am Sonntag beendeten Hauptversammlung in Odenthal- Der Verband beschloss, seinen Demokratieförder- Altenberg mit 78 von 86 Stimmen in seinem Amt bestä- preis einzustellen. Die Auszeichnung zur Förderung eines tigt. Er hatte als Einziger für den Posten kandidiert. innerkirchlichen Demokratisierungsprozesses habe sich Das Amt des Bundespräses bleibt vakant, nachdem nicht etablieren können, sagte Erbe. So sei der erstmals Rolf-Peter Cremer nicht wieder zur Wahl angetreten war 1997 verliehene Preis in der Öffentlichkeit kaum wahrge- und es mit dem designierten Nachfolger Meinungsver- nommen worden. Von Anfang an habe Unklarheit über schiedenheiten über die Ausgestaltung der Rolle gegeben Entscheidungsträger und Verbandsanbindung des Preises hatte; Cremer will die Aufgabe bis zur im November ge- geherrscht, so Erbe. In den vergangenen Jahren waren das planten Wahl eines Nachfolgers kommissarisch wahrneh- Frauenforum der Diözese Augsburg, Hans Joachim Meyer men. Wie in den Jahren zuvor konnte auch für das Amt vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) so- eines ehrenamtlichen Bundesvorsitzenden kein Kandidat wie Maria Elisabeth Thoma vom Sozialdienst katholischer gefunden werden. Die Amtszeit der zweiten hauptamtli- Frauen (SkF) ausgezeichnet worden. – Der BDKJ hat als chen Bundesvorsitzenden Gaby Hagmans endet im nächs- Dachverband von 16 katholischen Kinder- und Jugend- ten Jahr. Beim BDKJ gibt es im Vorstand jeweils einen verbänden rund 650.000 Mitglieder. (PS/KNA)

-BESCHLUSS: Frieden fördern und gestalten Friedensethische und sicherheitspolitische Grundlagen des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Einleitung von politischen Entwicklungen nach- wendiger, da 1998 in Europa ein haltig auf die Zukunftschancen und Krieg ausgetragen wurde, der in sei- Frieden fördern und gestalten ist Lebensbedingungen von Kindern und ner friedensethischen Beurteilung Herausforderung und Aufgabe katho- Jugendlichen auswirken. Beispielhaft Anlass für das Positionspapier ist. lischer Jugendverbände. Im Interes- dafür steht der Prozess der Erweite- Der Krieg im ehemaligen Jugoslawi- se von Kindern, Jugendlichen und rung, Vertiefung und Integration in en, die Lähmung der Vereinten Nati- jungen Erwachsenen wollen sie dafür Europa. Mit ihm ist die Hoffnung ver- onen und das Vorgehen der NATO einen friedensethisch und sicher- bunden, dass tiefgreifende Verände- unter Einschluss der Bundesrepublik heitspolitisch begründeten Beitrag rungen in Europa durch Kooperation Deutschland machten es notwendig, leisten. Dies geschieht zu einem und Interessenausgleich erfolgen. neue und grundsätzliche Positionen Zeitpunkt, an dem sich eine Vielzahl Diese Hoffnung ist um so not- für eine zukünftige Friedens- und

34 AUFTRAG 248 POSITION DES BDKJ 2002

Sicherheitspolitik aus Sicht der ka- des Menschen aber auch seine Mit- sicht bewirkt gleichzeitig einen tholischen Jugendverbände zu entwi- verantwortung begründet, muss für immer größeren Konkurrenzdruck, ckeln. Die Terroranschläge in den eine politische Weltordnung einste- der in allen Lebensbereichen spür- USA am 11. September 2001 und die hen, in der die universalen Men- bar wird. Folgen und Auswirkungen anschließenden militärische Aktio- schenrechte gültig sind. treffen in erster Linie die Länder der nen haben mit erschreckender Deut- Für Christinnen und Christen ist Dritten Welt und ökonomisch be- lichkeit gezeigt, wie weit eine globale der Einsatz von Gewalt zur Lösung nachteiligte Gruppen auch bei uns. Friedensordnung noch entfernt und politischer Probleme und zur Über- Die Verantwortung für die daraus re- wie dringend ihr Aufbau ist windung von Konflikten kein an- sultierenden Gefährdungen tragen Der Beschluss steht in der Tradi- wendbares Mittel. Gewalt erzeugt vornehmlich die hochindustrialisier- tion der Arbeit katholischer Jugend- immer Gegengewalt. Aus menschli- ten Staaten des Nordens. In der Be- verbände, sich mit Fragen der Frie- cher Hilflosigkeit in einer Situation, schreibung von „neuen Bedrohungen densethik, der Sicherheitspolitik und in der Menschen leiden, vertrieben aus dem Süden“ setzen sie anstelle der Wehrform zu befassen. oder getötet werden, können sich des überwundenen Ost-West-Gegen- Christinnen und Christen genötigt satzes als neues Feindbild „Dritte Theologische Orientierung sehen, militärische Mittel als äußers- Welt“ oder den „Islam“ . Dagegen tes Mittel neben den ununterbroche- werden entsprechende Abwehrstrate- Der Auftrag, Frieden zu stiften nen diplomatischen Beziehungen gien entwickelt, die zum Beispiel da- und Frieden zu erhalten, gehört zu einzusetzen, damit Menschen nicht rin bestehen können, sich gegen Zu- den grundlegenden Aufgaben von weiter Opfer von Gewalt werden. wanderung abzuschotten. Christinnen und Christen. Er ist be- Dabei darf die Entscheidung für Zunehmend gerät in den Blick, gründet im Lebensbeispiel Jesu den Einsatz von Gewalt nicht leicht- dass Gefährdungen des Weltfriedens Christi. Er hat Gewaltlosigkeit nicht fertig getroffen werden. in dem ungezügelten Raubbau an nur gepredigt, sondern gelebt. Jesus Um diesem Dilemma, das im den natürlichen Lebensgrundlagen Christus ist der Botschafter für den Ernstfall nie eindeutig auflösbar ist, liegen. Gefährdungen und Zerstörun- Frieden, den Gott schafft (vgl. Eph zu entgehen, muss aus christlicher gen der natürlichen Lebensgrund- 2,14). Dieser Friede ermutigt Christ- Sicht alles getan werden, Konflikte lagen gelten heute schon als Ursache innen und Christen darin, Botschaf- politisch zu entschärfen und zu lö- für Kriege, weil ökonomische Inter- terinnen und Botschafter des Frie- sen. Dabei kommt dem zivilen Unge- essen weltweit agierender Konzerne dens zu sein. Gottes Friede ist der horsam und Strategie der Verweige- weiterhin vorrangig zu Lasten der umfassende Friede, der im bibli- rung nicht erst im Extremfall, son- Ökologie gehen. schen Verständnis des „Schalom“ dern schon im Sinne einer Prävention begründet ist. Schalom ist nur denk- vorrangige Bedeutung zu. Weltweit agierende kriminelle und bar in der Beziehung zu Gott, dem ei- terroristische Gruppierungen gentlichen Garant für Frieden, Leben Analysen und Entwicklungen Die Zukunft von Frieden und Si- und Heil. Der Prophet Micha hat die- cherheit ist nicht mehr ausschließ- sen endzeitlichen Schalom in einem Weltfriede und Globalisierung zu lich von Staaten und ihren Regierun- Bild beschrieben: „Und sie werden Beginn des 21. Jahrhunderts gen abhängig. Neue Akteure, wie ihre Schwerter umschmieden zu Mit dem Ende des Ost-West- weltweit operierende kriminelle Ver- Pflugscharen und ihre Speere zu Konfliktes haben sich die Perspekti- einigungen, werden eine größere Be- Winzermessern.“ (Mi 4,3). Dies ist ven der Wahrnehmung drängender deutung erhalten. Bedrohungen erge- ein biblisches Bild, das Grundlage Friedensaufgaben verschoben. An- ben sich dabei durch eine Auswei- ist, wenn Christinnen und Christen stelle der existenzgefährdenden Be- tung der internationalen Kriminalität vom Frieden sprechen. drohungen zwischen den ehemaligen (z.B. dem Drogenschmuggel), der Christlich begründetes und ge- Blöcken und ihren militärischen Proliferation von Waffen, insbeson- leitetes Handeln für Frieden, Ge- Konfrontationen gerade in den Län- dere von Massenvernichtungsmit- rechtigkeit und Bewahrung der na- dern des Südens steht jetzt eine Viel- teln, der Kriminalität im Bereich der türlichen Lebensgrundlagen steht in zahl von Konflikten, welche die Situ- Informationstechnik sowie durch die einem unauflöslichen Spannungs- ation komplexer und unübersichtli- Ausweitung religiösen Fundamenta- bogen zwischen dem „schon“ und cher machen. lismus. „noch nicht“. Anders als der verhei- Neben den positiven Folgen der Der weltweit agierende Terroris- ßene Friede Gottes, den Christinnen Globalisierung, wie der immer stär- mus als besondere Form privat orga- und Christen als zugesagte Heilsbot- ker werdenden Vernetzung und dem nisierter Gewalt mit politischer Ziel- schaft deuten können, ist der auf Er- Austausch von Informationen und setzung stellt die Staatengemein- den erreichte Friede nie vollkom- der immer stärkeren Anerkennung schaft vor neue Herausforderungen. men. Er bleibt eine Aufgabe, um die der universalen Menschenrechte be- Die Ursachen für den Terrorismus dauerhaft gerungen werden muss. steht die Gefahr, dass sich der Blick sind vielfältig. Eine der Ursachen ist, Der Mensch, geschaffen von Gott zu stark auf die Verbesserung der dass in den weltweiten Prozessen der „nach seinem Bild und Gleichnis“, Rahmenbedingungen weltweiten Globalisierung die strukturellen Un- welches die unveräußerliche Würde Wettbewerbs verengt. Diese Welt- gerechtigkeiten zwischen den Staa- AUFTRAG 248 35 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK POSITION DES BDKJ 2002 ten instrumentalisiert werden und tärische Risiken, wie sie sich infolge vom Frieden machen es notwendig, damit den Nährboden für fundamen- sozialer Verwerfungen, Massen- die Lehrtradition, mit der die Kirche talistische Bestrebungen bilden. An- migration, Unterdrückung von ethni- hoffte, den Krieg zu humanisieren, dere Gründe liegen in historischen schen Minderheiten oder als Folge abzulösen. Dringlich ist, eine Lehre Erfahrungen, wie z.B. dem Kolonia- von Kriegen in der Auseinanderset- der Bedingungen und Voraussetzun- lismus oder den Ängsten vor einer zung um Ressourcen und natürliche gen eines „gerechten Friedens“ fort- Überfremdung durch eine westliche Lebensgrundlagen ergeben. laufend theologisch zu begründen. Modernisierung. Leitbild der kirchlichen Lehre ist der Der weltweit operierende Terro- Unsere Visionen „gerechte Friede“, welcher die Logik rismus als Form der privatisierten der Gewalt durchbricht und die Ge- Gewalt lässt sich nur schwer in den Im Interesse der nachwachsen- wöhnung an das Mittel der Gewaltan- Kategorien der Völkerrechts fassen. den Generation, der Kinder und der wendung verhindert. Seine Bekämpfung unterliegt aber Jugendlichen und für ihre Zukunfts- Die Förderung und Sicherung den gleichen Prinzipien, die generell chancen wollen die katholischen des politischen Friedens fällt zu für die Vermeidung von gewaltsamen Jugendverbände Chancen und Visio- allererst in den Kompetenzbereich Konflikten gelten. nen für die Überwindung jeder Form und in die Verantwortung der Politik des Krieges formulieren. Ihre Hoff- der Staaten. Diese sind den ethi- Zusammenleben in einer Welt mit nung bezieht sich auf eine Welt, in schen Grundsätzen verantwortlichen vielen Kulturen der es keine Waffen mehr gibt und in politischen Handelns und Entschei- Ein Zusammenrücken der Welt der Frieden mehr ist als nur die dens verpflichtet. Die Schaffung ei- durch Medien und reale Kontakte be- zeitweise Abwesenheit des Krieges, ner politischen Friedensordnung ist deutet auch eine Konfrontation ver- eine Welt, in der Kinder und Jugend- aber auch die Aufgabe aller Kräfte schiedener Kulturen und Religionen. liche in allen Ländern ohne Furcht der Zivilgesellschaft. Nichtkennen und Nichtverstehen des vor Krieg leben können. Die bibli- anderen sowie Gegensätze in Welt- sche Friedensvision sowie Jesu Le- Prävention vor Intervention anschauung und politischer Ausrich- ben und Forderungen des Gewaltver- tung führen zu einem Konflikt- zichtes und der Feindesliebe bleiben Entwicklung einer gerechten potenzial, das über den Einzelnen hi- dabei das Leitbild, wenn sie in der Wirtschafts- und Sozialordnung nausgeht und immer wieder in Kriege aktuellen politischen Situation eine Die Herausforderungen der Glo- zwischen Gruppen oder Staaten ver- Vision entwickeln, wie dafür eine balisierung, die alle ökonomischen, schiedener Kultur und Religion Friedens- und Sicherheitspolitik aus- politischen, sozialen, ökologischen münden. sehen muss. Dabei geht die Vision und kulturellen Felder immer mehr nicht vom Ende der Konflikte aus. durchdringen, machen es notwendig, Sicherheit und Stabilität in Europa Vielmehr sollen Wege aufgezeigt umfassende politische Antworten zu Mit dem Ende des Ost-West- werden, wie Konflikte zukünftig ohne formulieren. Es bedarf auch einer Konfliktes, der Herstellung der staat- Gewalt ausgeglichen und zivil gere- neuen und gerechten Weltwirt- lichen Einheit Deutschlands sowie gelt werden können. schafts- und Sozialordnung, um ge- den daraus resultierenden Prozessen Aus der Perspektive des Evange- walttätige Konflikte zu vermeiden. der Erweiterung und Vertiefung der liums ist es möglich, Kriterien und Eine neue Weltwirtschafts- und Europäischen Union sind hoffnungs- Bedingungen für einen „politischen Sozialordnung kann nur dann er- volle Aufbrüche verbunden. Dabei Frieden“ zu konkretisieren. In einem reicht werden, wenn die Verdichtung kann mit der Europäischen Union dynamischen Prozess ist der „politi- der internationalen Zusammenarbeit eine Staatengemeinschaft aufgebaut sche Friede“ für die katholischen durch internationale Institutionen werden, die sich in den letzten Jah- Jugendverbände an einem sechs- mit verbindlichen Kooperationsre- ren von wirtschaftlichen Zusammen- fachen Ziel ausgerichtet: gleiche geln vereinbart wird. Dazu sind Ver- schlüssen zu einer Gemeinschaft des Chancen für die Entwicklung aller änderungen auf drei Ebenen notwen- Friedens und des Rechts entwickelt gesellschaftlichen und nationalen dig, die sich wechselseitig bedingen: hat. Gruppen, gleiche Chancen zur • eine durchgreifende sozioökono- Trotz dieser positiver Entwick- menschlichen Entfaltung von Frauen mische und politische Struktur- lungen bei der Kooperation und Inte- und Männern, soziale und internatio- reform in den Entwicklungs- und gration in Europa bleiben Friedens- nale Gerechtigkeit herzustellen, To- Transformationsländern, gefährdungen bestehen. Die Konflik- leranz und Akzeptanz unter den ver- • die Herstellung fairer weltwirt- te im ehemaligen Jugoslawien haben schiedenen Religionen und Kulturen schaftlicher Rahmenbedingungen, gezeigt, wie brüchig der Friede auch zu fördern, eine Völkergemeinschaft die den Entwicklungs- und Trans- in Europa sein kann. Dies gilt vor al- ohne Krieg und Gewalt aufzubauen formationsländern bessere Start- lem für die Staaten, die nicht am Pro- und dem Schutz der natürlichen chancen eröffnen und ihnen größe- zess der europäischen Integration be- Lebensgrundlagen Geltung zu ver- re Handlungsspielräume für eine teiligt sind. Zentrale Ursache für schaffen. ökologisch-soziale Entwicklung in friedensgefährdende Entwicklungen Visionen und Optionen aus der den eigenen Regionen ermögli- sind dabei insbesondere nicht-mili- Perspektive der biblischen Botschaft chen, 36 AUFTRAG 248 POSITION DES BDKJ 2002

• eine wesentliche und grundlegende zivilgesellschaftlichen Elemente ist die Zivilbevölkerung zu schützen. Veränderung in den Interessen-, Be- besonders die Aus- und Fortbildung Dazu gehören u.a. Wirtschaftsboy- wusstseins- und Konsumstrukturen der Verantwortlichen zu fördern, die kotte und der zeitweise Ausschluss in den Industrienationen, die bisher von internationalen Organisationen aus internationalen Gremien. Die die Weltwirtschaft dominieren. bzw. den nationalen Regierungen Entscheidung über die Durchführung und Nicht-Regierungsorganisationen der Sanktionen muss den dafür zu- Damit eine Weltwirtschafts- und übernommen werden kann. ständigen internationalen Organisati- Sozialordnung sich gerecht entwi- onen vorbehalten werden. ckeln kann, müssen demokratische Völkerrecht Kontrollmechanismen unter Beteili- Das grundlegend gewandelte Förderung eines Miteinanders gung möglichst vieler ebenso weiter- sicherheitspolitische Umfeld macht der Kulturen entwickelt werden. Dazu muss die Strukturanpassungen sowohl für in- Die Herausforderung einer Ge- Souveränität der Staaten angemessen ternationale Organisationen und de- sellschaft, in der unterschiedliche erhalten bleiben. Das Prinzip der ren regionale Abmachungen als auch Kulturen und Religionen aufeinan- Subsidiarität bleibt wirksam. der europäischen und nationalen dertreffen, werden größer und mün- Sicherheitsstrukturen erforderlich. den immer öfter in nicht nur lokale Konfliktprävention Die Errichtung des Internationalen Konflikte und Krieg ein. Gefragt ist Die neuen Herausforderungen der Strafgerichtshofs ist ein großer ein Miteinander, in dem die einzel- sich wandelnden friedens- und Schritt in diese Richtung. Jetzt muss nen Religionen und Kulturen ihr sicherheitspolitischen Rahmenbedin- darauf hingearbeitet werden, dass Recht und ihre Freiheit haben, so- gungen machen es notwendig, Frie- alle Staaten sich seiner Gerichtsbar- lange sie sich an den allgemeinen dens- und Sicherheitspolitik neu aus- keit unterwerfen. Völkermord, Ver- Menschenrechten orientieren und zurichten. Ziel einer solchen Neu- brechen gegen die Menschlichkeit nicht selber zu Unfreiheit, Ungerech- ausrichtung ist es, einer Politik den und sexuelle Gewalt als Mittel der tigkeit und Unterdrückung beitragen. Vorrang zu geben, die durch Kon- Kriegsführung sind sanktionsfähige Toleranz und Akzeptanz sind die flikterkennung und Anwendung von Tatbestände, die international ver- Wege, ein friedliches Miteinander zu vertrauensbildenden Maßnahmen folgt werden müssen und nicht durch fördern. Voraussetzung dazu sind die frühzeitig die Eskalation von Konflik- Hinweis auf die nationale Souveräni- Begegnung, das gegenseitige Ken- ten in und zwischen den Staaten zu tät der Strafverfolgung entzogen wer- nenlernen und Vertrautmachen, die verhindern sucht. Die Prävention setzt den dürfen. Auseinandersetzung mit Unterschie- dort an, wo Konfliktursachen auszu- Bislang sind die inneren Belange den und Schwierigkeiten und die Su- räumen sind: wirtschaftliche Not, so- der Staaten, sofern sie nicht im Rah- che nach einer gemeinsamen Basis ziale, kulturelle, religiöse und men von internationalen Verträgen an Werten. Die Frage der Werte- geschlechtertypische Ungerechtigkei- geregelt sind, völkerrechtlich der vermittlung gerade an Kindern und ten und Unterdrückung von Minder- Einwirkung von außen entzogen. Da Jugendlichen ist dabei ein Ansatz, heiten und politisch Andersdenken- mit dem traditionellen Hinweis auf eine zukünftige Generation als einer den. Es ist die vorrangige Aufgabe der die Souveränität der Staaten häufig „Generation des Friedens“ zu er- Politik, Konfliktursachen frühzeitig zu ein Blankoscheck für alle möglichen zeihen. bekämpfen, sozialen Ausgleich und Willkürakte im Inneren verbunden Gerechtigkeit herzustellen und in der sind, ist eine Weiterentwicklung in Europäische Union (EU) Nachsorge von Konflikten verletzte dieser Auffassung festzustellen. Zu- Die notwendige Entwicklung ei- Rechte wieder herzustellen, um so nehmend setzt sich die Auffassung ner „europäischen Sicherheits- und den Einsatz von Gewalt überflüssig zu durch, dass die Menschenrechte, wie Verteidigungsidentität“ als Teil des machen. Zukünftige Friedens- und in der Allgemeinen Menschenrechts- europäischen Prozesses der Erweite- Sicherheitspolitik muss das Ziel ver- erklärung und den VN-Konventionen rung und Vertiefung darf nicht dazu folgen, im Zusammenwirken staatli- definiert, universal sind, demzufolge führen, dass Europa selbst militäri- cher und nichtstaatlicher Akteure ei- die Menschenrechtssituation in ei- sche Großmacht in dem Sinne wird, ner „Strategie der Prävention“ den nem Land nicht zu dessen „inneren dass neben der NATO ein weiteres Vorrang vor einer „Strategie der Inter- Angelegenheiten“ zu zählen ist. Das Militärbündnis entsteht. Vorrangig vention“ einzuräumen. Völkerrecht muss deshalb an dieser sind europäische sicherheitspoliti- Zu einer langfristigen zivilen Stelle weiterentwickelt werden, da sche Interessen durch die Stärkung Konfliktprävention gehört insbeson- eine Vielzahl von Konfliktursachen der in der VN und der OSZE vorhan- dere die Stärkung von zivilgesell- innerhalb von Staaten zu finden sind. denen Strukturen zu gewährleisten schaftlichen Strukturen in den kon- Der Verstoß gegen die völker- und nicht durch eigene und zusätzli- fliktgefährdeten Ländern. Diese be- rechtlichen Regelungen darf nicht che Militärpolitik zu unterlaufen. Ein inhaltet die Förderung von demokra- weiterhin folgenlos bleiben. Viel- eigenständiger europäischer Sicher- tischen Elementen wie den Aufbau mehr sind die unterschiedlichen For- heits- und Verteidigungsbeitrag muss von Parteien, Gewerkschaften, unab- men der Sanktionen mit dem Ziel sich in die Strukturen von VN und hängigen Medien und einer eigen- weiterzuentwickeln, die politisch OSZE integrieren und diese unter- ständigen Justiz. Zur Stärkung dieser Verantwortlichen zu isolieren und stützen. AUFTRAG 248 37 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK POSITION DES BDKJ 2002

Prävention vor Intervention be- Nationen (VN) in der Wahrnehmung hende Raketenabwehr-Verträge zu deutet für die Europäische Union ihrer Aufgaben zu stärken und dafür unterlaufen, abzulehnen. Weltraum- auch und gerade, dass Austausch und die notwendigen Instrumente bereit- gestützte Raketenabwehrsysteme de- Kooperation von Kindern und Jugend- zuhalten. Eine Reform der VN ist von montieren die bisherigen Abkommen lichen der Mitgliedstaaten unterein- elementarer Bedeutung, um ihre und gefährden die gesamte Rüs- ander und mit denen anderer Staaten Handlungsfähigkeit zu stärken. Dazu tungskontrollpolitik. weiter und stärker gefördert werden. gehört insbesondere die Bereitstel- Konventionelle Rüstung, Land- lung der finanziellen Mittel und die minen und Kleinwaffen sind wegen Organisation für Sicherheit und Akzeptanz der VN als globale Instanz ihrer unterschiedslosen Wirkung zu Zusammenarbeit in Europa für die Friedenssicherung. einer Geißel der Zivilbevölkerung, (OSZE) Eine Reform und Stärkung der insbesondere in den von Bürgerkrie- Die VN bedürfen der Ergänzung VN muss alle ihre Einrichtungen um- gen geschundenen Staaten, gewor- durch regionale Organisationen, um fassen. Dazu gehören insbesondere den. Nur eine Kombination von Rüs- eine effektive Friedens- und Sicher- die Einrichtungen, die präventive tungskontrolle, Rüstungsexportver- heitspolitik durchzuführen. Für den Aufgaben haben. Besondere Bedeu- boten und Entwicklungszusammen- europäischen Raum hat sich dafür tung hat aber eine Reform des Si- arbeit kann verhindern, dass Waffen die OSZE für eine verbesserte cherheitsrates der VN, der zentralen dieser Art weiterhin gegen Zivilbe- Krisenprävention erfolgreich etab- Einrichtung der Konfliktprävention. völkerung eingesetzt werden. Staa- liert. Die Chance der OSZE liegt in Deutschland soll keinen eigenen ten, die derartige Waffen einsetzen, der Integration aller Staaten der Sitz, sondern vielmehr eine europäi- sind durch zielgerichtete internatio- nördlichen Hemisphäre und ihrer sche Präsenz anstreben. Die Struktur nale Boykotte zu sanktionieren. eindeutigen präventiven Ausrich- des Sicherheitsrates muss so weiter- Abbau von Rüstungsexporten tung. Dem Grundsatz folgend entwickelt werden, dass das Veto- Ein Risiko für den Frieden ent- „OSZE-first“ gilt es deshalb durch Recht von Mitgliedern des Sicher- steht durch die Verbreitung von eine verbesserte Organisationsstruk- heitsrates abgeschafft werden kann, Rüstungsgütern. Daran ist auch die tur der Option für die OSZE Nach- um dadurch zu verhindern, dass ein- Bundesrepublik Deutschland an ent- druck zu verleihen und sie als inte- zelne Großmächte die Politik der scheidender Stelle beteiligt. Der Weg gralen Bestandteil der Friedens- und Vereinten Nationen dominieren kön- zu einer Konversion der Rüstungs- Sicherheitspolitik stärker zu veran- nen. Die Entscheidung über Maß- industrie in die zivile Produktion kern. Ein frühzeitiges Erkennen, nahmen wie Sanktionen oder militä- führt auch über eine immer restrikti- rechtzeitiges diplomatisches Gegen- rische Interventionen muss einem vere Handhabung eines Ausfuhrver- steuern und Regelung der friedlichen besonders hohen Abstimmungsquo- botes von Waffen. Der Handel mit Konfliktbeilegung durch Entschei- rum unterliegen. Rüstungsgütern aus der deutschen dungen von Schiedsgerichtshöfen Die Entscheidung über die Produktion darf nur mit Bündnis- sind wirksame Instrumente, die es Durchführung von militärischen Ein- partnern erfolgen. Aber auch dazu ist auszubauen und zu stärken gilt. sätzen kann nur dem Sicherheitsrat die Beachtung der jeweiligen Men- der VN zukommen. Deren Durchfüh- schenrechtssituation als Kriterium North Atlantic Treaty rung kann dann auch regionalen notwendig. Die Produktion und der Organization (NATO) Sicherheitsstrukturen übertragen Verkauf von Massenvernichtungs- Die NATO hat die Sicherheit ih- werden und muss von den VN über- mitteln und Landminen müssen in je- rer Mitgliedsstaaten gegen Angriffe wacht werden. Im Rahmen der Euro- dem Fall untersagt und durch Ver- von außen zu sichern. Dieses ist ihre päischen Union sollte die Bundes- einbarungen auch international un- bleibende Aufgabe, solange Risiken republik Deutschland ständige Kräf- terbunden werden. Für Rüstungsex- gegenüber diesen Mitgliedstaaten te für die Friedensmissionen der VN porte dürfen in keinem Fall Hermes- bestehen. Die NATO darf sich nicht bereit halten und dem Generalsekre- Bürgschaften oder sonstige staatliche zu einer unabhängigen Parallelstruk- tär der VN zur Verfügung stellen. Unterstützungen gewährt werden. tur gegenüber den VN und anderen kooperativen Sicherheitsstrukturen Instrumente einer Friedens- Zivile Konfliktbearbeitung entwickeln. Sollten die sicherheits- und Sicherheitspolitik durch Mediation politischen Risiken der Mitglieds- Neue Formen der zivilen Kon- staaten sich weiter verringern, muss Abrüstung fliktbearbeitung müssen ausgebaut langfristig eine Überprüfung der Not- Weltweite und vollständige Ab- und in die Strukturen und die Arbeit wendigkeit der NATO eingeleitet rüstung aller Massenvernichtungs- der VN integriert werden. Einsätze werden. mittel durch vertraglich vereinbarte im Rahmen eines zivilen Friedens- Rüstungskontrolle muss auch nach dienstes (ZFD) z.B. durch ausgebil- Vereinte Nationen dem Ende des Ost-West-Konfliktes dete Mediatorinnen und Mediatoren Eine wirksame und nachhaltige fortgeführt werden. Weil das Prinzip in Konfliktgebieten bieten die Chan- friedensfördernde Politik der inter- der nuklearen Abschreckung zu ce, einen Annäherungsprozess der nationalen Staatengemeinschaft überwinden ist, sind alle Rüstungs- Konfliktparteien wieder in Gang zu muss darauf abzielen, die Vereinten vorhaben, die darauf abzielen, beste- bringen, zu führen und letztendlich 38 AUFTRAG 248 POSITION DES BDKJ 2002 zu einer dauerhaften Befriedung bei- und finanzielle Ausstattung sowie Sicherheit in der Form darstellen, zutragen. Zum Ausbau der zivilen eine stärkere institutionalisierte Ab- dass damit ein größerer Verlust an Konfliktbearbeitung bedarf es um- sicherung der (inter)-nationalen Zu- Menschenleben und mehr Leid fangreicher finanzieller Ressourcen. sammenarbeit. verursacht wird, als ursprünglich Eine Sicherheitspolitik wird einer zu verhindern die Absicht gewesen friedensethischen Aufgabe nur ge- Militärische Intervention aus war. recht, wenn die zivilen Konfliktbear- Gründen der Humanität Aus friedensethischer Perspekti- beitung einem militärischen Einsatz Von besonderer friedensethi- ve steht die intervenierende Macht in vorgezogen werden. scher und völkerrechtlicher Tragwei- der Pflicht, unverzüglich nach der te sind jedoch Grenzsituationen, in Beendigung Folgen und Auswirkun- Einsatz von Streitkräften denen sich alle Formen der zivilen gen für die notleidende Bevölkerung Seit dem Ende der Ost-West- Konfliktbeilegung, Sanktionen wie rasch und umfassend zu lindern. Konfrontation hat sich das Einsatz- Wirtschafts- und Handelsboykotte, Dabei ist darauf zu achten, dass Wie- spektrum von Streitkräften vermehrt außenpolitische Isolierung und Em- deraufbau und humanitäre Hilfe zur und erheblich verändert. Das gilt bargos als wirkungslos erwiesen ha- Befriedung und Stabilität beitragen. auch für die Bundeswehr. ben. Militärische Interventionen Bedingungen für eine vertretbare Es lässt sich feststellen, dass den müssen immer der absolute Ausnah- militärische Intervention müssen völ- Streitkräften Aufgaben übertragen mefall bleiben. Es darf sich kein po- kerrechtlich verankert werden, um zu werden, die in unterschiedlicher Man- litischer Automatismus entwickeln, verhindern, dass Staaten oder datierung in vielen Fällen polizei- an dessen Ende ein militärischer Staatenbündnisse den Einsatz militä- ähnlichen Charakter haben. Streit- Einsatz steht. rischer Mittel selbst legitimieren. kräfte unterstützen durch ihren ge- Eine Intervention verbietet sich in jedem Fall, sofern nicht nachfol- wünschten und erbetenen Anwesen- Deutsche Streitkräfte heit Konsolidierungs- und Friedens- gend genannte Bedingungen erfüllt sind: Durch die in seiner Geschichte prozesse in Staaten, welche aus eige- begründete Verantwortung, seine ge- – Die Entscheidung über eine Inter- ner Kraft dazu nicht in der Lage sind. ografische Lage in Europa und seiner vention zugunsten der Nothilfe für In solchen Fällen kann militäri- wirtschaftlichen Stellung entspre- sche Präsenz auch Teil einer präven- Gruppen der Bevölkerung der chend besteht in Deutschland ein be- tiven Strategie zur Konfliktvermei- Staaten, die unter den Folgen sonderes Interesse an einer dauer- dung oder -eindämmung darstellen. schwerwiegender Menschenrechts- haften Friedensordnung, die jede Streitkräfte brauchen dafür die not- verletzungen zu leiden haben, Form von Instabilität für sich und wendige Ausbildung, die erheblich muss den VN vorbehalten bleiben. seine Nachbarn ausschließt. Als mehr zivile Konfliktlösungen umfas- Dabei muss es sich um eine außer- sen muss als bisher. Es ist dabei aber gewöhnliche und sehr ernste Not- Sicherheitsvorsorge und um einen auch zu überprüfen, ob nicht solche situation in einem Staat oder zwi- Rückfall in militärische Gewaltan- präventiven Maßnahmen stärker von schen Staaten handeln, dessen wendung zur Durchsetzung von Inte- Polizeikräften übernommen werden Machthabern auf andere Art und ressen zu verhindern, ist dafür durch können, die dafür die entsprechende Weise als mit militärischen Mitteln die Bundesrepublik Deutschland Ausrüstung benötigen. nicht Einhalt geboten werden auch ein militärischer Beitrag zu Der Einsatz von Streitkräfte kann kann. leisten, weil dies nicht nur Aufgabe nicht die Antwort auf alle entstehen- – Die intervenierende Macht darf anderer Staaten sein kann. den Konflikte sein. Abzulehnen ist kein besonderes Eigeninteresse an Die notwendig gewordene kon- eine Friedens- und Sicherheits- der Situation haben. Der Schutz zeptionelle Neuausrichtung der deut- politik, die sich auf militärische Mit- der Menschenrechte muss das Ziel schen Streitkräfte folgt einerseits den tel verlässt. Dieses entspricht nicht sein und es dürfen keine verdeck- neuen potenziellen Friedens- und einem präventiven Friedens- und ten politischen oder wirtschaftli- Sicherheitsrisiken, sie macht aber Sicherheitskonzept. chen Gründe hinzukommen. Eine andererseits den schnelleren Einsatz Intervention aus humanitären der Bundeswehr wahrscheinlich. Es Terror und Kriminalität Gründen muss auf dieses spezifi- besteht die Gefahr, dass die deutsche Als Antwort auf international sche Ziel begrenzt sein und darf Politik in einen schnellen Automatis- agierende terroristische und krimi- allenfalls geringfügige Auswirkun- mus von militärischen Einsätzen ge- nelle Gruppierungen müssen Polizei gen auf die Autorität des Staates rät. Um dies zu verhindern, bedarf es und Nachrichten-/Geheimdienste so- haben, gegen den sich die Inter- konzeptioneller und rechtlicher wohl auf nationaler, als auch auf in- vention richtet. Dabei muss die Schranken. Ein Einsatz der Bundes- ternationaler Ebene eng und partner- Anwendung der Gewalt verhältnis- wehr unter dem Mandat der VN soll- schaftlich kooperieren, um terroristi- mäßig und im Interesse des Schut- te zukünftig von einer breiten Mehr- sche und kriminelle Strukturen und zes der Bevölkerung stehen. heit im Deutschen Bundestag getra- Aktivitäten frühzeitig aufzudecken – Die Intervention selbst darf keine gen werden. Über die konkreten und zu bekämpfen. Dazu notwendig Bedrohung des internationalen Einsätze ist mit 2/3 Mehrheit zu ent- ist eine bedarfsgerecht personelle Friedens und der internationalen scheiden. ❏ AUFTRAG 248 39 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK POSITION DES BDKJ 2002

-BESCHLUSS: Die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland ist auszusetzen! Die BDKJ-Hauptversammlung tritt dafür ein, die allgemeine Wehrpflicht umgehend auszusetzen. er BDKJ fordert die Ausset- Kriegsdienstverweigerer aus Gewis- schaft. Geeignete Auswahl- und zung der Wehrpflicht primär sensgründen (Artikel 4 Abs. 3 GG) Rekrutierungsmechanismen für frei- Dim Interessen von jungen Zivildienst leisten als junge Männer willig dienende Soldatinnen und Sol- Männern und damit aus jugend- den Grundwehrdienst leisten, lässt daten müssen dafür Sorge tragen, politischen Gründen. Die allgemeine sich die allgemeine Wehrpflicht dass Streitkräfte weiterhin in der Ge- Wehrpflicht stellt einen zeitlich be- auch unter diesem Aspekt nicht mehr sellschaft integriert bleiben und das grenzten drastischen Einschnitt in aufrecht erhalten. Es ist wesentlich Maß an zusätzlicher Kontrolle ge- verfassungsmäßig garantierte Frei- für die Akzeptanz der allgemeinen währleistet bleibt. Zu den Bedingun- heits- und Grundrechte junger Män- Wehrpflicht, dass die Mehrheit der gen für eine Verankerung der Streit- ner dar. Wenn überhaupt, kann eine jungen Wehrpflichten Dienst in den kräfte in die Gesellschaft gehören, solche Einschränkung der Grund- Streitkräften selbst leistet. Zwischen- dass die Soldatinnen und Soldaten rechte nur dadurch legitimiert wer- zeitlich verhält es sich jedoch so, aus allen sozialen Schichten, Regio- den, dass ein höheres Gemeinwohl- dass die vorgesehene Ausnahme, den nen und Berufsfeldern kommen. Auf interesse, wie beispielsweise sicher- Kriegsdienst mit der Waffe zu ver- die Verankerung in die freiheitlich heitspolitische Interessen, darüber weigern, die Regel geworden ist. Die demokratische Grundordnung der steht, das ohne die Wehrpflicht nicht Wehrgerechtigkeit ist damit nicht Bundesrepublik Deutschland ist ver- zu erfüllen wäre. mehr gegeben.*) Die Fortsetzung der stärkt zu achten. Freiwillig dienende Deutschland ist mit dem Ende Wehrpflicht ist alleine vor diesem Soldatinnen und Soldaten haben die der Ost-West-Konfrontation nicht Hintergrund aus jugendpolitischen gleichen staatsbürgerlichen Rechte mehr unmittelbar und existenzge- Gründen nicht haltbar. Außerdem wie andere Staatsbürger. Erfolgrei- fährdend in seiner Sicherheit be- wird die allgemeine Wehrpflicht che Integration setzt mit voraus, dass droht. Der Fall der bündnisbezo- häufig damit begründet, dass nur die Übernahme für ehrenamtliche, genen Landesverteidigung, der lange über die Verweigerung des Kriegs- soziale und politische Verantwortung die Begründung für größere Streit- dienstes der Zivildienst in seiner außerhalb des Dienstes in der Bun- kräfte darstellte, kann als unwahr- sozialstaatlichen Bedeutung aufrecht deswehr gefördert und unterstützt scheinlich gelten. Einsätze außer- erhalten werden könne. Dieses Argu- wird. halb der bündnisbezogenen Landes- ment ist prinzipiell nicht akzeptabel, Die Grundsätze der Inneren Füh- verteidigung, welche zunehmend das da damit letztlich die Wehrpflicht rung, der Rechtsanspruch auf unge- Aufgabenspektrum der Bundeswehr mit sozialpolitischen Notwendigkei- hinderte Seelsorge und einen zeitge- bestimmen, sind mit der allgemeinen ten begründet würde. Zudem können mäßen Führungsstil in Einsätzen Wehrpflicht unvereinbar. Der Zuge- durch die Umschichtung der frei- außerhalb der Landesverteidigung winn an Sicherheit vor unmittelbarer werdenden finanziellen Mittel bei ei- und im Zusammenwirken mit ande- militärischer Bedrohung macht nem Wegfall des Zivildienstes im er- ren Streitkräften, müssen gültig blei- Strukturanpassungen auch für die forderlichen Umfang professionelle ben. Die Gewissensfreiheit für frei- Streitkräfte erforderlich. Dabei darf Arbeitsplätze im sozialen Bereich ge- willig dienende Soldatinnen und Sol- die Wehrform als Rekrutierungsin- schaffen werden. Die allgemeine daten umfasst das Recht auf Kriegs- strument für das militärische Perso- Wehrpflicht wird deshalb begründet, dienstverweigerung in jeder Situati- nal den fortschreitenden Abbau des weil nur über die Verweigerung des on. Mit Blick auf die ethisch bedeut- Streitkräfteumfanges nicht verhin- Kriegsdienstes der Zivildienst in sei- same Tragweite des soldatischen dern. ner sozialstaatlichen Bedeutung auf- Dienstes ist dem Recht auf Kriegs- Durch die vorgenommenen Struk- recht erhalten werden kann. dienstverweigerung für freiwillig die- turanpassungen der Bundeswehr Das Leitbild von dem/der nende Soldatinnen und Soldaten in wurde der Umfang der Streitkräfte „Staatsbürgerin und Staatsbürger in gesetzlichen Regelungen Rechnung deutlich verkleinert. Betroffen war Uniform“ und die Konzeption der In- zu tragen. davon in erster Linie der Bedarf an neren Führung bleiben als wehrform- wehrpflichtigen Soldaten. Zwischen- unabhängige Bestimmungsgrößen zeitlich werden deshalb weniger jun- unverzichtbare Bestandteile in der *) Anmerkung der Redaktion: Zum Thema Wehrgerechtigkeit siehe Seite ... „Die Le- ge Wehrpflichtige benötigt, als die Konzeption einer Freiwilligenarmee. gende von der Wehrungerechtigkeit“) wehrdienstfähigen jungen Männern Sie bilden unter dem „Primat der Po- eines Geburtsjahrganges ausmachen. litik“ den Kerngedanken der Integra- Weil zwischenzeitlich mehr junge tion von Streitkräften in einer demo- Männer über die Anerkennung als kratischen und pluralen Gesell-

40 AUFTRAG 248 BW UND TERRORISMUSBEKÄMPFUNG

ZUR DISKUSSION ÜBER DEN INNENEINSATZ DER STREITKRÄFTE: Bundeswehr und Terrorismusbekämpfung

MATTIAS G. FISCHER ngesichts einer veränderten überhaupt keine Notwendigkeit das Absatz 3 bestimmt darüber hinaus, allgemeinen Sicherheitslage Einsatzspektrum der Armee zu er- dass auch die Bundesregierung die Aseit den Terroranschlägen in weitern –, setzen sich die CSU und Streitkräfte zur Unterstützung der den USA vom 11. September 2001 Teile der CDU dafür ein, das Grund- Polizei einsetzen darf, wenn die Na- wird immer wieder über neue Ein- gesetz der veränderten Sicherheits- turkatastrophe oder der Unglücksfall satzmöglichkeiten der Bundeswehr lage anzupassen. ein Gebiet gefährdet, das über die auch im Innern nachgedacht. Dabei Grenzen eines Bundeslandes hinaus- geht es vor allem darum, ob und in- Verfassungsrechtliche Vorgaben reicht. wieweit den Streitkräften der Schutz Ob diese Regelungen den Ein- ziviler Objekte oder die Abwehr von Wie die rechtspolitische Frage satz der Bundeswehr auch zur Terro- Angriffen, die von Terroristen mittels einer Grundgesetzänderung zu be- rismusbekämpfung gestatten, hängt chemischer und biologischer Kampf- antworten ist, hängt nicht nur davon zunächst davon ab, was unter einem stoffe begangen werden könnten, ab, welche Verwendungsmöglichkei- „besonders schweren Unglücksfall“ übertragen werden sollte. Entspre- ten man der Bundeswehr eröffnen zu verstehen ist. Man könnte zu- chende Überlegungen gab es in den will. Zunächst einmal muss Gewiss- nächst daran denken, dass hierunter Reihen der Unionsparteien schon in heit darüber bestehen, inwieweit das nur Schadensereignisse fallen, die den siebziger und neunziger Jahren. Verfassungsrecht den Inneneinsatz auf menschlichem oder technischem So forderte etwa Wolfgang Schäuble der Bundeswehr schon heute zulässt. Versagen beruhen – beispielsweise 1993, die Armee notfalls „auch bei Wer den Verlauf der bisherigen De- die durch menschliche Unachtsam- größeren Sicherheitsbedrohungen im batte verfolgt kann erkennen, dass keit herbeigeführte große Explosion Innern“ einzusetzen, und verwies ex- gerade in diesem Punkt kaum Klar- in einer Chemiefabrik. Bei näherer plizit auf die wachsende Gefahr des heit besteht. Betrachtung ist allerdings kein internationalen Terrorismus. Ein Jahr Gelegentlich stößt man sogar auf Grund ersichtlich, nicht auch in ver- später stellte Jürgen Rüttgers, da- die Ansicht, die Bundeswehr müsse brecherischer Absicht herbeigeführ- mals parlamentarischer Geschäfts- auf die Aufgabe beschränkt bleiben, te Katastrophen, also auch Terrorak- führer der CDU/CSU-Bundestags- die äußere Sicherheit zu schützen. So te größeren Ausmaßes, als besonders fraktion, ähnliche Überlegungen an. vertretbar diese Auffassung im Sinne schwere Unglücksfälle anzusehen, Und im Jahr 1999 warb der Rechts- einer Meinungsäußerung auch sein wenn man die möglichen Folgen der- professor und CDU-Bundestagsab- mag – das Grundgesetz teilt sie nicht. artiger Ereignisse bedenkt. geordnete Rupert Scholz – er war von Vielmehr lässt bereits das geltende Das Grundgesetz lässt es folglich 1988 bis 1989 Bundesverteidigungs- Verfassungsrecht auch jenseits zu, die Bundeswehr dann, wenn ein minister – dafür, die tatsächlichen zwischensstaatlicher Konfliktsituati- Terroranschlag unmittelbar bevor- und rechtlichen Möglichkeiten zu onen den Einsatz der Streitkräfte im steht oder bereits stattgefunden hat, schaffen, um die Bundeswehr auch Innern ausdrücklich zu, und zwar in etwa zum Aufspüren und Neutralisie- im Inland zur Terrorismusbekäm- zwei Fällen: zur Katastrophenhilfe ren biologischer und chemischer pfung einsetzen zu können. SPD, und beim so genannten inneren Not- Waffen einzusetzen. Nur die Streit- Grüne und FDP wiesen diese Vorstö- stand. kräfte verfügen über das erforderli- ße damals strikt zurück. che Personal, Gerät und Know-how, Heute wird das Thema differen- Katastrophenhilfe durch das zur Abwehr terroristischer, mit zierter diskutiert. Nach den Terror- die Bundeswehr B- und C-Kampfstoffen durchgeführ- anschlägen vom 11. September be- ter Anschläge erforderlich wäre. tonte selbst Bundesinnenminister Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 des Otto Schily im Deutschen Bundestag, Grundgesetzes, der die Rechts- und Realer Unglücksfall in Zukunft werde „ein Ineinander- Amtshilfe regelt, ermöglicht es, die großen Ausmaßes greifen von militärischen und poli- Streitkräfte „bei einer Naturkatastro- zeilichen Operationen notwendig phe oder bei einem besonders schwe- Derartige militärische Einsätze sein“ und schloss nicht aus, dass der ren Unglücksfall“ hilfsweise zur Un- stoßen allerdings in zweierlei Hin- Bundeswehr neue Aufgaben im terstützung der Polizei einzusetzen. sicht auf verfassungsrechtliche Gren- Innern zu übertragen seien. Unter- Man spricht insoweit vom so genann- zen: Zum einen muss es sich um schiedliche Ansichten bestehen nun ten Katastrophennotstand bezie- Schadensereignisse größeren Aus- vor allem darüber, ob hierzu das hungsweise zivilen Notstand. Ist das maßes handeln. Es ist also derzeit Grundgesetz geändert werden sollte. Schadensereignis räumlich auf ein nicht möglich, Einheiten der ABC- Während SPD und Grüne eine Ände- Bundesland beschränkt, so können Abwehr im Falle einzelner vermeint- rung der Verfassung durchweg ableh- die zuständigen Landesorgane die lich oder tatsächlich mit Milzbrand- nen – die Grünen sehen im Übrigen Bundeswehr anfordern. Artikel 35 Erregern kontaminierter Briefe ein-

AUFTRAG 248 41 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK BW UND TERRORISMUSBEKÄMPFUNG zusetzen, wie dies in Deutschland im ordnung des Bundes oder eines Lan- Kein Einsatz als Vorsorge vergangenen Herbst teilweise gefor- des“. Diese Formulierung zeigt, dass dert wurde. der Verfassungsgeber Szenarien im Zusammenfassend ist festzustel- Zum anderen macht es die Blick hatte, die eine Gefährdung der len, dass dem Einsatz der Streitkräfte grundgesetzliche Beschränkung ei- territorialen Integrität und Hand- zum Objektschutz heute enge verfas- nes Hilfseinsatzes der Bundeswehr lungsfreiheit nach außen oder/und sungsrechtliche Grenzen gesetzt auf den „Unglücksfall“ erforderlich, der rechtsstaatlichen Herrschafts- sind. Zwar wäre es zulässig, bei ei- dass bereits ein Schaden eingetreten ordnung Deutschlands bedeuten, wie nem unmittelbar bevorstehenden ter- ist oder zumindest unmittelbar be- sie beispielsweise bei einem Bürger- roristischen Angriff etwa die Luftwaf- vorsteht. Eine bloße Gefährdung oder krieg oder Umsturzversuch mit mili- fe einzusetzen. Demgegenüber ge- eine „nur“ veränderte allgemeine tärischer Gewalt denkbar wären. stattet das Grundgesetz den rein vor- Sicherheitslage genügt nicht. Die Streitkräfte dürfen dann, wie sorglichen Schutz von Einrichtun- Infolgedessen wäre derzeit auch es in Artikel 87a Absatz 4 Grundge- gen, die für die Sicherheit oder – wie in der Tschechischen Republik setz weiter heißt, „zur Unterstützung Funktionsfähigkeit des Staates von und in Frankreich geschehen – die der Polizei und des Bundesgrenz- besonderer Bedeutung sind, oder die Aufstellung von Luftabwehrraketen schutzes beim Schutze von zivilen regelmäßige Kontrolle des Luftrau- zum Schutz von Atomkraftwerken Objekten und bei der Bekämpfung mes durch die Luftwaffe bisher nicht. oder ein sonstiger Einsatz von Bun- organisierter und militärisch bewaff- Nach dieser Verortung der ver- deswehreinheiten zur Sicherung ein- neter Aufständischer“ im Innern ein- fassungsrechtlichen Grenzen eines zelner ziviler Objekte – beispiels- gesetzt werden, wenn Polizei und Einsatzes der Streitkräfte im Innern weise von Talsperren oder Flughäfen Bundesgrenzschutz nicht mehr in der stellt sich die Frage, ob und inwie- – verfassungswidrig. Das gilt natür- Lage sind, die Gefahr zu bekämpfen. weit eine Grundgesetzänderung lich erst recht für den Fall, dass Ein- Nach der herkömmlichen Lesart des zwecks Erweiterung der Einsatzmög- heiten der Streitkräfte aus Kapazi- Grundgesetzes begründen terroristi- lichkeiten aus der sicherheitspoliti- tätsgründen, weil die Personaldecke sche Angriffe noch keinen Ausnah- schen Perspektive sinnvoll ist. Dabei bei Polizei und Bundesgrenzschutz mezustand. Auch wenn Terroran- dürfen auch die tatsächlichen perso- nicht ausreicht, gewissermaßen als schläge in der Regel politisch moti- nellen und technischen Gegebenhei- allgemeine Risikoreserve für Groß- viert sind – eine wirkliche Gefahr für ten nicht außer Acht bleiben; schon einsätze eingesetzt werden sollen. die Verfassungsordnung bergen sie jetzt steht die Bundeswehr an den Derartige Verwendungen, etwa wohl nicht. Grenzen ihrer Einsatzkraft. Unter ein Tätigwerden der Bundeswehr bei Wenn man allerdings bedenkt, Berücksichtigung des bisherigen der Bekämpfung gewaltsamer Mas- dass Terroristen zunehmend militäri- Einsatzprofils der Armee ist aller- sendemonstrationen, wären nach gel- sche Strategien anwenden und es seit dings kein Grund dafür ersichtlich, tendem Verfassungsrecht ebenfalls dem Zusammenbruch des Ostblocks warum die Streitkräfte nicht präven- unzulässig. Bei dem häufig diskutier- keine Utopie mehr ist, dass sich Ter- tiv zum Schutz wichtiger Infrastruk- ten Szenario, dass ein mit Terroristen roristen in den Besitz von Massen- tureinrichtungen, etwa zur Sicherung besetztes Passagierflugzeug gezielt vernichtungswaffen bringen, so kann von Atomkraftwerken durch die ein Kernkraftwerk ansteuert, um es eine Existenzgefährdung des Staates, Flugabwehr, eingesetzt werden soll- zu zerstören, wird man hingegen von sollte es tatsächlich zu derartigen ten. Die Bundeswehr würde insoweit einem Fall im Sinne des Artikel 35 Anschlägen kommen, nicht mehr im Rahmen ihrer klassischen Auf- Grundgesetzes ausgehen können: ausgeschlossen werden. Das gilt gabenfelder tätig werden. Entspre- Ein von der Bundesregierung ange- gleichfalls für die bereits angespro- chendes gilt für Einsätze gegen biolo- ordneter Einsatz der Luftwaffe zur chenen Attentate auf Atomkraftwer- gische und chemische Kampfstoffe. Abwehr eines solchen Vorhabens ke. wäre damit durchaus verfassungs- Insoweit läge also nicht nur ein Neuen Strategien des Terrors gemäß. Fall des Katastrophennotstandes, begegnen sondern auch eine Notstandslage im Bestimmung über Sinne von Artikel 87a Absatz 4 Jenseits des eher theoretischen den inneren Notstand Grundgesetz vor, so dass der Innen- Problems, ob eine Differenzierung einsatz der Bundeswehr dann bereits von innerer und äußerer Sicherheit Die Bestimmung über den so ge- nach geltendem Verfassungsrecht heute noch sinnvoll ist steht jeden- nannten inneren Notstand (Ausnah- zulässig wäre. Ein von den Bestim- falls außer Frage, dass Terroristen mezustand) in Artikel 87a Absatz 4, mungen über den inneren Notstand zunehmend militärische Strategien die nach überaus heftigen Diskussio- gedeckter Einsatz der Streitkräfte er- anwenden. Sollte denkbaren militä- nen und außerparlamentarischen fordert allerdings eine „drohende risch-terroristischen Bedrohungen Widerständen im Jahr 1968 in das Gefahr“ (Artikel 87a Absatz 4). Auch der inneren Sicherheit nicht auch mit Grundgesetz eingefügt wurde, er- insoweit macht eine allgemein verän- militärischen Mitteln begegnet wer- laubt unter bestimmten Vorausset- derte Sicherheitslage, hervorgerufen den können? Die Polizei ist bei der- zungen den Inneneinsatz der Bun- durch den Terrorismus des globalen artigen Bedrohungslagen überfordert deswehr zur „Abwehr einer drohen- Zeitalters, also noch keineswegs den und es wäre mit Blick auf die bei den den Gefahr für den Bestand oder die Inneneinsatz der Bundeswehr mög- Streitkräften vorhandenen Ressour- freiheitliche demokratische Grund- lich. cen auch kaum vertretbar – ge-

42 AUFTRAG 248 BW UND TERRORISMUSBEKÄMPFUNG schweige denn finanzierbar –, hier stattung von Polizei und Bundes- rung vielmehr an der demokratischen polizeiliche Parallelstrukturen aufzu- grenzschutz dürfen nicht dazu füh- Gesinnung –, so wenig erhöhen die bauen. Im Übrigen sei daran erin- ren, die Bundeswehr im Sinne einer hier für sinnvoll erachteten Grundge- nert, dass die Bundeswehr schon allgemeinen Personalreserve als setzänderungen zur Erweiterung des heute den Auftrag hat, „Terroristen „Notpolizei“ einsetzen zu wollen. Einsatzrahmens der Bundeswehr im zu bekämpfen“, wie es in dem Be- Innern die Gefahr eines Militärput- schluss des Deutschen Bundestages Vertrauen des Volkes sches oder einer Diktatur. Das ändert vom 16. November 2001 zur Beteili- nichts daran, dass ein Inneneinsatz gung bewaffneter deutscher Streit- Schließlich ist zu erörtern, ob der Bundeswehr Ultima ratio bleiben kräfte an der Operation Enduring rechtspolitische Erwägungen einer muss und das Gebot, zwischen Streit- Freedom, dem gegenwärtigen Kriegs- sicherheitspolitisch sinnvollen Än- kräften und Polizei in organisatori- einsatz in Afghanistan, heißt. derung des Verfassungsrechtes ent- scher Hinsicht strikt zu trennen, Das immer wieder anzutreffende gegenstehen. In einem verbreiteten, auch weiterhin nicht zur Disposition Argument, die Streitkräfte seien für über die Bundes- und Landeszentra- stehen darf. „neue“ Aufgaben im Innern über- len für politische Bildung vertriebe- Die „neuen“ Aufgaben der haupt nicht gerüstet beziehungsweise nen Kommentar zum Grundgesetz Streitkräfte sind staatsorganisations- ausgebildet, überzeugt vor diesem findet sich die Formulierung, bereits rechtlich fest zu umreißen und unter Hintergrund kaum. Eine andere Fra- die heutigen Regelungen über den Beachtung des Bundesstaatsprinzips ge ist es demgegenüber, ob der Ein- zulässigen Einsatz der Bundeswehr minuziös in die Kompetenzenkata- satzrahmen der Bundeswehr über im Innern beschwörten „die Gefahr loge der Verfassung einzubauen. ihre spezifisch militärischen Aufga- eines Staatsstreiches unter dem Vor- Es ist die historisch erste Aufga- ben hinaus in Bereiche hinein erwei- wand innerer Unruhen herauf“. Ge- be des Staates, für die Sicherheit sei- tert werden sollte, die bisher der Po- genüber derartigen Befürchtungen ner Bürger zu sorgen. Die neuen Be- lizei und dem Bundesgrenzschutz hat Dieter Wellershoff, ehemaliger drohungen durch den internationalen vorbehalten sind. Gegen einen Ar- Generalinspekteur der Bundeswehr, Terrorismus erfordern nicht nur um- mee-Einsatz bei der Bekämpfung ge- die richtigen Worte gefunden: „Die fassende sicherheitspolitische Dis- waltsamer Massendemonstrationen Bundeswehr hat das Vertrauen des kussionen, sondern vor allem ent- oder der organisierten Kriminalität Volkes. Hört dies bei der Übertra- schlossenes Handeln. Hier ist auch sprechen schon praktische Überle- gung von Sicherungsaufgaben im In- der Verfassungsgeber gefragt. ❏ gungen: Es fehlt den Soldaten an der land auf?“ hierfür erforderlichen Ausbildung, So wenig der Untergang der Wei- (Der Beitrag wurde mit freundlicher ganz zu schweigen von dem Gedan- marer Republik entgegen einem ver- Genehmigung der Konrad-Adenauer- ken, Wehrpflichtige zu derartigen breiteten Fehlurteil auf Verfassungs- Stiftung der Pubikation „Die Politi- Einsätzen heranzuziehen. Etwaige mängel zurückgeführt werden kann – sche Meinung Nr. 390/Mai 2002/47. Notstände bei der personellen Aus- es fehlte weiten Teilen der Bevölke- Jg, S. 51-55, entnommen.)

UN-Generalsekretär Kofi Annan Söldnerfirmen im Aufwind hatte Mitte der 90er Jahre bei der Flucht von einer Million ruandischer rivate Söldnerfirmen für Kri- Auf dem schwarzen Kontinent, Hutu in den Kongo mit dem Gedan- sen- bzw. Friedenseinsätze? wo die UN-Blauhelmeinsätze kläg- ken gespielt, Söldnerfirmen einzuset- PDiese Option scheint durchaus lich versagen, existieren ca. 90 zen, um in den Flüchtlingslagern die denkbar zu sein. Nach dem Ende Söldnerfirmen. Jüngst hat der briti- Zivilisten von den bewaffneten der Kalten Krieges verzeichnet die- schen Außenminister Jack Straw dem Kämpfern zu trennen. Aber die Welt se Firmenbranche jährliche Umsatz- Unterhaus verkündet, dass nach dem war damals für private Friedens- steigerungen von ca. acht Prozent. Kalten Krieg in einer Welt voller missionen nicht bereit. Heute wäre Die britische Firma „Sandline Inter- kleiner, schwacher Staaten Söldner- „unter gewissen Bedingungen“ ein national“ mit Sitz in Bermuda und firmen durchaus eine legitime Rolle solcher Einsatz für den Weltfrieden die südafrikanische Söldnerfirma spielen könnten. Straws Gedanken schon eher denkbar. Er besitzt dis- „Executive Outcomes“ sind die be- führten zunächst zu einem Aufschrei krete Vorzüge. Allerdings steht der- kanntesten Privatfirmen, die gegen der Entrüstung. Aber angesichts ei- artigen Einsätzen das Völkerrecht Höchstgebot zur Kriegsführung be- ner allgemeinen globalen Privatisie- entgegen. Schließlich darf auch das reit sind. Das Pentagon hat bei- rungeinst staatlicher Zuständigkeiten Gewinnstreben solcher Firmen nicht spielsweise Ausbildungsunterstüt- wird die Kritik schwächer. Längst verkannt werden. zung für afrikanische Armeen an werden Söldnerfirmen in den Dro- „Executive Outcomes“ hatte für private Firmen vergeben. So auch an genkriegen in Kolumbien oder bei die Sicherung der Ölfelder und den das Unternehmen „Military Profes- Diamanten- und Ölfirmen als Schutz- Kampf gegen die Unita-Rebellen in sional Resources Incorporated“, das truppen eingesetzt. Sie sind eine bil- Angola ca. 60 Millionen Dollar und bereits 1994 die Armee Kroatiens lige, risikoarme, wenig auffällige und eine Gewinnbeteiligung an den Bo- auf westlichen Militärstandard ge- diskrete Alternative zum Kriegsein- denschätzen erhalten. trimmt hat. satz nationaler Streitkräfte. (ds/aus: IAP 5/02)

AUFTRAG 248 43 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK „Kämpfen für die Menschenrechte“ Der Kosovo- Konflikt im Spiegel der Friedensethik

Eine im Juni erschienene Edition enthält wesentliche Stellungnahmen der ab 1991 und in Ruanda 1994. Für christlichen Kirchen zum Kosovo-Konflikt. Damit werden Probleme solda- den Balkan sei nur an die in diesem tischen Dienens angesprochen, die in einer friedlosen Welt einen immer Zusammenhang besonders hervorste- noch zeitlosen Stellenwert besitzen. chenden Ortsnamen Sarajewo, Sre- asis für die Menschenrechte Der Kampf für die Menschen- brenica und Vukovar sowie in Ruan- sind die Charta der Vereinten rechte und ihre Einhaltung in da an die geschätzten 800 000 syste- BNationen (VN) vom 26. Juni Deutschland und weltweit wurde matisch ermordeten Tutsis und 1945 und die Allgemeine Erklärung bereits während der Ost-West-Ausei- Hutus erinnert. „Vor diesem Hinter- der Menschenrechte vom 10. Dezem- nandersetzung auch von den christli- grund mit seinen speziellen Betrof- ber 1948 der VN. chen Kirchen mit unterschiedlichen fenheiten und Erschütterungen in Im Grundgesetz (GG) für die Ansätzen und kontrovers geführt. der breiten Öffentlichkeit sind die Bundesrepublik Deutschland heißt Dabei wurde vielfach der Militär- politischen Reaktionen auf den Ko- es im ersten Absatz der Präambel: dienst sehr negativ betrachtet. Die sovo-Konflikt (ab 1998 – die Red.) „Im Bewusstsein seiner Verantwor- katholische Kirche sieht das etwas überhaupt erst verständlich. Auch tung vor Gott und den Menschen, anders. In der Pastoralkonstitution die Kirchen waren von den Massen- von dem Willen beseelt, als gleich- über die Kirche in der Welt von heu- vertreibungen aufgewühlt... So hat berechtigtes Glied in einem verein- te des II. Vatikanischen Konzils Gau- das evangelische ‘Deutsche Allge- ten Europa dem Frieden der Welt zu dium et Spes (GS) von 1965, Nr. 79 meine Sonntagsblatt’, früher eine dienen, hat sich das Deutsche Volk heißt es weit blickend: „Wer als Sol- konsequent pazifistische Kirchen- kraft seiner verfassungsgebenden dat im Dienst des Vaterlandes steht, zeitung, seit 1998 eindeutig für mili- Gewalt dieses Grundgesetz gege- betrachte sich als Diener der Sicher- tärische Schläge gegen das Milose- ben.“ heit und Freiheit der Völker. Indem er vic-Regime plädiert“, schreiben die Bereits im ersten Abschnitt des diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er Autoren in ihrer Einführung. GG über die Grundrechte werden im wahrhaft zur Festigung des Friedens Der vorliegende Band schließt Artikel 1 die Menschenrechte garan- bei.“ Dies unter den grundsätzlichen sich an die Ausgabe „Spurensuche tiert: Vorgaben der Ächtung jeglichen Frieden: Friedensethische und frie- „(1)Die Würde des Menschen ist un- Krieges und dass eine von allen aner- denspolitische Erklärungen der antastbar. Sie zu achten und zu kannte öffentliche Weltautorität – christlichen Kirchen seit dem zwei- schützen ist Verpflichtung aller heute die VN mit dem Sicherheitsrat ten Golfkrieg“ von Ortwin Buch- staatlichen Gewalt. – über die wirksame Macht verfüge, bender und Gerhard Kupper (Bonn (2) Das Deutsche Volk bekennt sich um für alle Sicherheit, Wahrung der 1996) an. So wird ein eindrucksvol- darum zu unverletzlichen und un- Gerechtigkeit und Achtung der ler und aussagekräftiger Querschnitt veräußerlichen Menschenrechten Rechte zu gewährleisten. Gleichzei- aus der gesamten Vielfalt der öffent- als Grundlage jeder menschlichen tig wird jedoch auch auf das Recht lichen kirchlichen Äußerungen zum Gemeinschaft , des Friedens und der Staaten verwiesen, wenn alle Kosovo-Krieg der katholischen und der Gerechtigkeit in der Welt.“ friedlichen Möglichkeiten erschöpft evangelischen Kirche sowie aus der Damit wird die weltweite Ach- sind, militärische Mittel zur Verteidi- Ökumene dargeboten. Ergänzt wird tung der Menschenwürde und –rech- gung einzusetzen. Gleichzeitig wer- dieses durch drei Interviews mit te für alle Menschen und Organisati- den die internationalen Gremien – dem damaligen Diözesanbischof onen in Deutschland bindend und mehrfach durch GS zur gemeinsamen Dr. Hermann Josef Spital und Prä- verpflichtend. „Zum Wesen dieses Sicherung des Friedens in der Welt sident der deutschen Sektion von Friedens gehört eine freiheitliche aufgefordert. Pax Christi, Gesellschaftsordnung... Wie Frieden In der Einführung zu ihrem Buch – dem Auslandsbischof der Evange- ist Sicherheit jedoch kein statischer „Kämpfen für die Menschenrechte“ lischen Kirche in Deutschland, Bi- Idealzustand, sondern das Ergebnis bemerken die beiden Herausgeber, schof Dr. h.c. Rolf Koppe und eines fortwährendes politischen Pro- Ortwin Buchbender und Gerhard – dem ehemaligen Soldaten, General zesses, der sich vor den Erfahrungen Arnold, dass die optimistische Auf- a.D. Klaus Naumann, während des der Geschichte an der Erkenntnis fassung, nach der Auflösung des Ost- Kosovo-Konflikts und in der ersten orientiert, dass die eigene Sicherheit West-Konflikts würde eine Neue Ära Phase der NATO-Luftoperation immer auch die Sicherheit der ande- des Friedens beginnen, sich als trü- Vorsitzender des NATO-Militär- ren sein muss“, schreibt der Kom- gerisch erwiesen habe. Zwei Ereig- ausschusses in Brüssel. mandeur der Akademie der Bundes- nisse hätten die Wahrnehmung für Im Buch „Kämpfen für die Men- wehr für Information und Kommuni- staatlich gebilligte(n) Massenmorde/ schenrechte“ folgt der Einführung kation, Oberst Dr. Rolf P. Zimmer- Völkermord, Vertreibungen und sys- ein Abschnitt zu der völkerrechtli- mann, in seinem Vorwort zu dem tematischen Terror gegen die Zivil- chen Diskussion über die NATO- Buch „Kämpfen für die Menschen- bevölkerung besonders geschärft: die Luftangriffe gegen die Bundesrepu- rechte“. Vorgänge in Bosnien-Herzegowina blik Jugoslawien im Jahr 1998/1999.

44 AUFTRAG 248 BALKAN ...

Dabei wird zunächst die Diskussion dergegeben. Dem schließen sich dann und ein Abkürzungsverzeichnis. über Völkerrechtsfragen der humani- die ausgewählten Dokumente an. Hervorzuheben sind auch die um- tären Intervention in den 90er-Jah- Im vierten Abschnitt des Buches fangreichen Quellenangaben. ren sowohl im Auftrag oder mit Billi- kommen unter dem Leitwort Die Edition „Kämpfen für die gung des VN-Sicherheitsrats als auch „Friedensethik in der Bewährung“ Menschenrechte“ legt mit 113 ohne VN-Mandat dargestellt. Daran die Positionen aus der evangelischen Quellentexten aus dem gesamten Be- schließt sich ein Kapitel um die Zu- Kirche zum Ausdruck. Er fängt an reich der Ökumene eine in dieser lässigkeit der NATO-Operation nach mit den öffentlichen Stellungnahmen Form erstmalige Bestandsaufnahme dem 11. Juni 1998 an, indem einer- vor Beginn der Luftangriffe, wird friedensethischer Positionen vor. seits die Kritiker ihre Gründe darle- fortgesetzt mit Äußerungen nach Be- Diese Materialsammlung kann mit gen und andrerseits die Begrün- ginn der Luftangriffe und mündet in Gewinn von Theologen, Politologen, dungs- und Rechtfertigungsmöglich- die kirchliche Nacharbeit nach Ende Politikern, Lehrern, Journalisten, keiten der NATO-Luftangriffe erör- der NATO-Luftoperation. Im vierten Studenten und Soldaten als Informa- tert werden. Der II. Abschnitt endet Kapitel dieses Abschnitts werden die tions- und Orientierungshilfe bei der mit Aussagen zu der völkerrechtli- ethischen Argumentationsmuster in ethischen Bewertung – auch zukünf- chen Position der evangelischen Kir- den kirchlichen Erklärungen darge- tiger – militärpolitischer Entschei- che. legt. Das fünfte Kapitel befasst sich dungen im Spannungsfeld von Krise Darauf folgend unter dem Thema mit der evangelischen Militärseelsor- und Krieg genutzt werden. Das Buch „Kultur des Friedens“ werden die ge, an das sich der Dokumententeil ist für jeden der sich mit dieser Pro- Positionen der katholischen Kirche anschließt. blematik beschäftigt sehr lesenswert. erläutert. Dabei geht es zunächst um Das Interview mit dem Auslands- (bt) die Rahmenbedingungen. Im nächs- bischof der Evangelischen Kirche ten Kapitel werden anhand ausge- Deutschlands, Dr. h.c. Rolf Koppe Ortwin Buchbender/Gerhard Arnold wählter Dokumente die Verlautba- leitet den fünften Abschnitt ein, der (Hrsg.): Kämpfen für die Menschen- rungen, Stellungnahmen und Positio- die Dokumente der Ökumene bein- rechte. Der Kosovo-Konflikt im Spie- nen aus dem Bereich der katholischen haltet. Im sechsten Abschnitt kommt gel der Friedensethik – Nomos Ver- Weltkirche behandelt. Unter der die Stimme des Soldaten zu Gehör in lagsgesellschaft, Baden-Baden 2002, Überschrift „Die Stimme des Theolo- Form des Interviews mit General a.D. 398 Seiten (Schriften der Akademie gen“ wird das o.a. Interview mit Bi- Klaus Naumann. Den Abschluss des der Bundeswehr für Information und schof Dr. Hermann Josef Spital wie- Werks bilden die Literaturangaben Kommunikation, Bd. 25).

Die Führer der kommenden isla- Geheime Balkanarmee mischen Balkan-Armee sind erfahren und arbeiten absolut konspirativ. Die ie westlichen Geheimdienste Handfeuerwaffen und einige können Trainingsorte und Nachschubwege sind alarmiert: Auf dem Bal- auch Panzerfäuste sowie Raketen- sind gut getarnt und weitgehend un- Dkan entsteht eine muslimi- werfer bedienen. Besonders geeigne- bekannt. Verstecke für alle logisti- sche Armee unterstützt durch Terror- te Leute werden zum Flugtraining schen und operativen Planungen er- Experten von al Quaida und Hisbol- nach Tschechien und Bulgarien ge- geben sich aus hunderten neuer Mo- lah. Das Ganze wird personell und fi- schickt. scheen, die von reichen Saudis in nanziell von mehreren islamischen Ausgewählte junge Islamisten den genannten Staaten bzw. Landes- Staaten getragen. aus der Region erhalten mit 17 Jah- teilen finanziert wurden. Die meist Nach einem Bericht der Rheini- ren in einer geheimen halbmilitä- von saudischen Imams unter Auf- schen Post vom 01.07.2002 sollen rischen Organisation dreimal wö- sicht des Geheimdienstes Riads ge- bereits über 10.000 islamische chentlich eine militärischen Ausbil- leiteten Moscheen locken die 15 und Kämpfer in Mazedonien, im Kosovo, dung, geleitet von iranischen und 16 Jahre alten Muslime mit kulturel- in Bosnien und Albanien für den irakischen Offizieren sowie al Quai- len Angeboten an. Ziel ist es, diese „Dschihad“ (Heiligen Krieg) gegen da-Terroristen aus Afghanistan, die Jugendlichen in eine Religions- den Westen und insbesondere gegen dort gegen US-Truppen im Einsatz schule einzugliedern. In diesen so die USA bereitstehen. Unterstützt waren. Ausbildungsgebiete sind das genannten „Medresses“ soll nach werden die Aktivitäten durch die is- Guerrillatraining für den Häuser- afghanischem Vorbild nicht nur der lamischen Staaten, Iran, Irak und kampf, die Herstellung von Bomben Koran gelehrt und gedeutet, sondern Saudiarabien. Geheimdienstexperten und Minen sowie der Nachtkampf. gleichzeitig auch militärisch ausge- Teherans und Riads sowie Vertreter Nach zweimonatiger Ausbildung be- bildet werden. der aus Afghanistan geflüchteten kommen die irregulären Kämpfer Der Aufbau dieser islamischen Bin-Laden-Truppe al Quaida und der eine festen Sold von 500 bis 700 US- Armee in Südosteuropa ist langfristig pro-iranischen südlibanesischen Dollar. Gegen Ende des Trainings angelegt und wird sorgfältig vom isla- Hisbollah-Miliz sind für die Logistik werden den Teilnehmern Uniformen mischen Logistik-Zentrum der irani- zu ständig, rekrutieren die jungen und persönliche Waffen ausgehän- schen Botschaft im Kosovo auch mit Muslime und bilden sie aus. Ausge- digt, die zu Hause versteckt werden dem Blick auf Zentraleuropa geplant rüstet werden sie mit modernen sollen. und organisiert. (bt)

AUFTRAG 248 45 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

FRIEDENSARBEIT DER HILFSWERKE: Chancen und Grenzen der Unabhängigkeit von Indonesien Wahlbeobachter entsandt. ie katholischen Hilfswerke die bedingungslose Armutsbekämp- Ähnliche Projekte sind in naher Misereor, Adveniat und missio fung und der Aufbau von sozial ge- Zukunft allerdings noch nicht zu er- Dsind seit einiger Zeit dabei, rechten Strukturen. Als neutrale warten, wie Bröckelmann-Simon ge- trotz ihrer spezifischen Ausrich- Partner von internationalen Einrich- genüber KNA erläuterte. Während tungen bestimmte Zukunftsfragen ge- tungen sollten die Werke ihren Bei- sich bei Misereor bereits seit zwei meinsam anzugehen. In der Katholi- trag zur Vermittlung und Versöhnung Jahren eine Arbeitsgruppe aus- schen Akademie des Bistums Essen leisten. – Eine Vernetzung der Arbeit schließlich mit Konfliktprävention „Die Wolfsburg“ veranstalteten die müsse Länder bezogen angelegt sein, und Krisenbewältigung befasse, sei drei Werke am 9./10. Juli eine Fach- empfahl Bröckelmann-Simon. In die- bei Adveniat und missio zunächst ein tagung zum Thema „Die Kirche als sem Zusammenhang verwies er auf Klärungsprozess darüber notwendig, Anwältin des Friedens“. Auf der bereits stattgefundene gemeinsame wie viel Raum sie der Friedensarbeit Grundlage des Bischofswortes „Ge- Projekte von Misereor und missio, geben wollten. Um dieser Arbeit ein rechter Friede“ ging es den Teilneh- etwa während des Unabhängigkeits- größeres politisches Gewicht zu ver- mern darum, Möglichkeiten und kampfes in Ost-Timor. Beide Werke leihen, müssten auch Allianzen im Grenzen kirchlichen Handelns in re- hätten im Sommer 1999 zur damali- außerkirchlichen Bereich eingegan- gionalen und globalen Konflikten gen Volksabstimmung über die Frage gen werden, fügte er hinzu. (KNA) auszuloten. Friedensarbeit und Konfliktprä- vention sind für Misereor-Geschäfts- führer Martin Bröckelmann-Simon „Friedensarbeiter“ als Beruf – eine Querschnittsaufgabe, bei der die Hilfswerke stärker aufeinander zuge- wenn es denn dem Frieden dient hen sollten. Friedensförderung müs- se als eine der größten Herausforde- rungen der heutigen Zeit vernetzt ge- Seit 1997 hundert Fachkräfte für zivile Konfliktbearbeitung ausgebildet schehen, erklärte auch der Präsident Aus Mitteln des BMZ Zuschüsse von 10 Mio EUR für das Jahr 2001 von missio-Aachen, Franziskaner- pater Hermann Schalück. Eine sol- VON KNA-MITARBEITERIN HILDE REGENITER che Vernetzung sei besonders in der Bildungsarbeit in Gemeinden und lbanische und serbische Rund- fessionellen Ausbildung zur Frie- Verbänden sinnvoll. Allerdings sollte funkredakteure sitzen am Tisch. densfachkraft“, die das Forum Zivi- nach Meinung Schalücks das Zusam- AGemeinsam beraten sie, wie ler Friedensdienste (forumZFD) als menwirken nicht so weit gehen, auch man im Radio über das Leben von Dachverband von 40 Friedensinitia- eine gemeinsame Öffentlichkeitsar- Frauen in den serbischen Enklaven tiven seit 1997 anbietet. Den Grund- beit zu betreiben. Der stellvertreten- im Kosovo berichten kann. Dass Ko- stein für diesen Zivilen Friedens- de Adveniat-Geschäftsführer Micha- sovo-Albaner und Serben überhaupt dienst hatten 1997 Politiker wie el Sommer erinnerte daran, dass die miteinander sprechen – keine Selbst- Hildegard Hamm-Brücher (FDP), Zusammenarbeit der Hilfswerke eine verständlichkeit nach einem blutigen Rita Süssmuth (CDU) und Hans-Jo- Unterstützung der Ortskirchen im Krieg mit vielen Ressentiments auf chen Vogel (SPD), aber auch der Falle von kriegerischen, interreligiö- beiden Seiten. Dass sie dann auch Journalist Franz Alt und der frühere sen und ethnischen Konflikten vorse- noch konstruktiv zusammenarbeiten Trierer Bischof Hermann Josef-Spi- he. Die Kirche sei in vielen dieser wollen – ein kleines Wunder. Denn tal, mit ihrer so genannten „Berliner Länder die einzige Vertrauensinstanz der Hass sitzt tief. Erklärung“ gelegt. Sie forderten da- und daher besonders gefordert, zur Dagmar Blickwede hat als Frie- mals einen „in der Gesellschaft ver- Lösung und Aufarbeitung von Krisen densarbeiterin im Praktikum in der ankerten, gesetzlich abgesicherten, beizutragen. kosovarischen Stadt Prizrin erlebt, staatlich geförderten und internatio- Im Verlauf ihres Treffens einig- wie ein solch zaghaftes Wieder-Auf- nal eingebundenen Zivilen Friedens- ten sich die Teilnehmer auf eine ge- einanderzugehen gelingen kann. dienst“. 1999 erhielt das forumZFD meinsame Erklärung, in der eine Während ihrer viermonatigen Aus- erstmals Mittel aus dem Entwick- stärkere Zusammenarbeit in der bildung in Ziviler Konfliktbearbei- lungsministerium (BMZ). Für das Friedensarbeit vereinbart ist. Die tung arbeitete sie drei Wochen in Jahr 2001 waren es zehn Millionen Hilfswerke sollten die Ausbildung lo- dem Radio-Projekt der katholischen Euro. kaler Friedenskräfte fördern, die Friedensorganisation Pax Christi mit. Bei weitem nicht genug, bemän- Ortskirchen als Lobby in Deutsch- Hier erfuhr sie in der Praxis, was sie gelt die stellvertretende Geschäfts- land unterstützen, die Zusammenar- zuvor mit ihren neun Kurskollegen in führerin Britta Hohmann. Der Bedarf beit mit den evangelischen Kirchen Seminaren, Diskussionen und Refe- an Friedensarbeitern sei hoch, die und anderen Organisationen intensi- raten erarbeitet hatte. Zahl der Förderungsanträge beim vieren sowie für den interreligiösen Die 33-Jährige ist eine von mitt- BMZ ebenfalls. Derzeit könne nur ei- Dialog eintreten. Vorrangiges Ziel sei lerweile 100 Absolventen der „pro- Fortsetzung auf Seite 47 u.

46 AUFTRAG 248 ZIVILER FRIEDENSDIENST

internationale Missionen. Dieser Ruf Mit Leibwächtern auf den Richterstuhl kommt von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der Or- Internationale Friedenskräfte sollen künftig besser betreut werden ganisation für Sicherheit und Zusam- menarbeit in Europa. Deshalb ist das CHRISTOPH STRACK Projekt beim Außenministerium an- gegliedert, das im Bereich der huma- n der ersten Etage malerten und hatte Ingo Risch, der als Richter bis nitären (Not-)Hilfe weiter an Bedeu- dübelten noch die Handwerker, Ende März eineinhalb Jahre im Rah- tung gewinnt und dessen Etat im Jahr Iein Stockwerk höher lobte Ludger men der Friedensmission der Verein- 2003 übrigens um über vier Prozent Volmer, Staatsminister im Auswärti- ten Nationen im Kosovo tätig war. Er steigen soll. gen Amt, das Zentrum für Internatio- wohnte bei der Bundeswehr. Meist Wenn das Zentrum für internati- nale Friedenseinsätze in hohen Tö- wurde der 55 Jahre alte Richter von onale Friedenseinsätze dann so rich- nen. Kurz vor Ende der Legislaturpe- drei Leibwächtern begleitet, ging es tig etabliert ist, kann sich Deutsch- riode bedeutet das Zentrum für inter- doch um Kriegsverbrechen wie um land mit bis zu dreitausend Fachkräf- nationale Friedenseinsätze (zif) die organisierte Kriminalität. „Das war ten an internationalen Einsätzen zur Realisierung eines rot-grünen Pro- Neuland“ – so oder so: Risch, mitt- Friedenssicherung in Krisenregionen jekts, das weltweit vorbildhaft sein lerweile wieder Vorsitzender Richter beteiligen. Bislang stehen gut 700 kann. Denn wer für Deutschland im am Landgericht Duisburg, hatte als Deutsche für die Zusammenarbeit Rahmen internationaler Missionen in erster Deutscher im Ausland solche etwa im Rahmen der Vereinten Nati- Krisengebiete geht und bei Demo- richterlichen Funktionen. Rückbli- onen bereit. kratisierung und Friedenssicherung ckend nennt er es absolut notwendig, Wahlhilfe im Kosovo, Verwal- hilft, soll künftig besser vorbereitet solche Einsätze umfassend vor- und tungsaufbau in Afghanistan - Volmer und betreut werden. Winrich Kühne, auch nachzubereiten, „damit man im wünscht sich für diese Jobs freiwilli- Geschäftsführer des Instituts, kennt Nachhinein nicht so allein gelassen ge Hilfskräfte aus der gesamten Brei- die Situation jener, die als Juristen, wird“. te der Gesellschaft. Sie werden dann Wahlbeobachter oder Sicherheits- „Warum wird man eigentlich un- bei der Bundeswehr oder in Polizei- fachleute in Krisenregionen gehen, vorbereitet in solche Einsätze ge- schulen in vierzehn Tagen ausgebil- um beim Aufbau stabiler Strukturen schickt?“ fragte auch Kühne. Er will det, weswegen Volmer bei der Eröff- zu helfen. Anfang der neunziger Jah- das ändern. Dabei liegt ein Engage- nung des Zentrums erst der Bundes- re begleitete Kühne den Wandel in ment wie das von Risch oder ein Pro- wehr und Polizeitrainern und dann Südafrika. „Wenige Häuser neben jekt wie das Zentrum für internatio- erst dem Bundesministerium für die uns wurde das ANC-Hauptquartier nale Friedenseinsätze im Schnittfeld bisherige Zusammenarbeit dankte. in die Luft gesprengt, mehrmals von Außen- und Entwicklungspoli- Das neue Institut, meinte der Staats- nachts wurde unser Hotel evakuiert“, tik. Vor kurzem wurde in Bonn die minister, sei ein „wirklicher Durch- erinnerte er sich. Es war, ohne große hundertste Fachkraft für zivile bruch in der Unterstützung der zivi- Vorbereitung, so etwas wie der Konfliktbearbeitung“ gefeiert, deren len Krisenprävention“. Ein wenig ist Sprung ins kalte Wasser. Trotzdem Ausbildung mittlerweile vom um jede es auch sein eigenes Projekt, seitdem spürte Kühne, Krisenprävention sei Mark kämpfenden Entwicklungs- die Bundesregierung 1999 das Ge- das richtige Konzept, um Konflikten ministerium (BMZ) finanziert wird. samtkonzept der „Krisenprävention, zu begegnen. Wesentliches Kriterium des Zen- Konfliktlösung und Friedenskonso- Einen der heikelsten Jobs unter trums für internationale Friedensein- lidierung“ formuliert hatte. den bislang eingesetzten Deutschen sätze ist dagegen die Einbindung in (aus: DT 79/29.06.2002)

Fortsetzung von Seite 46 In der Weiterbildung stehen voraussetzung: die Bereitschaft, an Theorie und Praxis in einem sinnvol- sich selbst und am eigenen Konflikt- ner von vier Bewerbern für die zwei len Verhältnis, meint Blickwede: verhalten zu arbeiten. Jawad Siyam Mal jährlich stattfindende Qualifizie- „Erst bekomme ich eine Erklärung aus Jerusalem, ein weiterer frisch ge- rungsmaßnahme ausgewählt werden. zu gewaltfreier Kommunikation. Im backener Friedensfachmann, fügt Daher fordert das forumZFD eine anschließenden Rollenspiel erfahre hinzu: „Die Fähigkeit, die Bedürfnis- schrittweise Aufstockung der Mittel ich selbst, was das eigentlich bedeu- se anderer wahrzunehmen.“ Er selbst auf 55 bis 60 Millionen Euro bis zum tet.“ Voneinander lernen sei versucht als Palästinenser, Kinder im Jahr 2006. Dann könnten etwa 500 ebenfalls ein wichtiges Prinzip für Zentrum des Nahost-Konflikts zum Friedensleute ausgebildet werden – Friedenslehrlinge. Blickwede etwa Frieden mit den Israelis zu erziehen. ein Minimum, um die Wirksamkeit hat für ihre Kollegen ein Seminar Ein Tropfen auf den heißen Stein? der Einsätze überprüfen zu können. über Presse- und Öffentlichkeitsar- „Der Frieden ist der Ernstfall, in dem Chancen bei einer Bewerbung beit gehalten. Teamarbeit, die Analy- wir uns alle zu bewähren haben“ hat, wer mindestens 25 Jahre alt ist, se interkultureller Zusammenhänge, steht auf der Homepage des seine Beweggründe überzeugend Mediation – die Teilnehmer sollen forumZFD – ein Zitat des ehemaligen darlegen kann und bereits über Be- im Kurs das Handwerkszeug für den Bundespräsidenten Gustav Heine- rufserfahrung verfügt. Einsatz vor Ort bekommen. Grund- mann. (KNA)

AUFTRAG 248 47 SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Forderung nach einer „Humanitären Meldestelle” 4.Welche Reaktion hat es von Seiten der damaligen Bundesregierung bei der Deutschen Bischofskonferenz gegeben? 5 Welche Konsequenzen hat die DBK aus ihrem Verhalten bezüg- KLAUS LIEBETANZ lich des Völkermordes in Ruanda gezogen, um einer zukünftigen Zielsetzung einer teilweise tagelang in kirchlichen Ne- ähnlichen Katastrophe besser zu Humanitären Meldestelle benräumen mitanhören, wie ihren begegnen? Gemeindemitgliedern Kopf und Glie- Die Einrichtung einer „Humani- der zerschlagen wurden. Schlussfolgerung tären Meldestelle“ soll ausschließ- Nur einzelne weiße Missionare lich dazu dienen, rasch und verzugs- traten anschließend an die Öffent- Die Einrichtung einer Humanitä- los, zuverlässige und möglichst um- lichkeit. Viele von ihnen waren zu ren Meldestelle bei der DBK könnte fassende Informationen über einen geschockt, um noch zu reagieren. dazu beitragen, dass eine rechtzeitig beginnenden Völkermord oder ähn- Bei der DBK gab es keine systemati- erkannte menschliche Katastrophe lich gravierende Ereignisse zu erhal- sche Aufbereitung der ersten Mel- größeren Ausmaßes verhindert oder ten. Damit kann die Deutsche dungen und Zeugenaussagen, um wenigstens gemindert werden kann, Bischofskonferenz (DBK) bei der sich ein Gesamtbild des Völkermor- weil Priester und Ordensleute häufig Bundesregierung und/oder anderen des in Ruanda zu machen. Dadurch die letzten Zeugen vor Ort sind. Wem geeigneten Stellen intervenieren, um ist eine entschlossene, rechtzeitige nutzt z.B. das Kommissariat der den Fortgang eines Völkermordes Intervention bei der Bundesregie- Deutschen Bischöfe bei der Bundes- oder vergleichbare Ereignisse aufzu- rung unterblieben. Die Bundesregie- regierung in Berlin, wenn es im Fall halten oder wenigstens zu mindern. rung ihrerseits war über die Vorgän- eines Völkermordes oder einer ähnli- Die Bundesrepublik Deutschland hat ge in Ruanda wenig informiert. So chen humanitären Katastrophe nicht die Völkermordkonvention der Ver- fand am 18. Mai 1994, sieben Wo- in der Lage ist, beweiskräftige Infor- einten Nationen 1955 ratifiziert. Sie chen nach Beginn des Mordens und mationen vorzulegen. Vage Vermu- hat sich damit verpflichtet einzugrei- auf dem Höhepunkt des Völkermords tungen und unbewiesene Einzel- fen, wenn eindeutige Beweise für ei- in Ruanda, eine Sitzung des Auswär- meldungen werden das Auswärtige nen Völkermord vorliegen. Da die tigen Ausschusses statt, auf der mit Amt nicht überzeugen. Dort ist man Kirche vor Ort mit den Menschen keinem Wort auf den seinerzeit aku- froh, wenn die Bundesregierung ihre auch in den abgelegenen Gebieten ten und laufenden Völkermord einge- Verpflichtung aus der Völkermord- zusammenlebt, ist sie noch eher in gangen wurde (vgl. AUFTRAG 247, konvention nicht einhalten muss der Lage eine realistische Beurtei- S. 6 f. “Deutscher Bundestag im Glas- (vgl. AUFTRAG 247, a.a.O.). Nach lung der Situation vorzunehmen als haus – Kein Grund zu moralischer dem hervorragenden, jedoch mehr die in „Ghettos“ lebenden Diploma- Überheblichkeit”). theoretisierenden Wort der deut- ten, die sich ihrem Auftrag gemäß schen Bischöfe „Gerechter Friede“ zunächst um ihre eigenen dort leben- Fragen an die DBK wäre es durchaus angebracht, wenn den Staatsbürger zu kümmern haben. Acht Jahre nach dem schreckli- die DBK mehr „Bodenhaftung“ hätte chen Völkermord im überwiegend (vgl. AUFTRAG 244, S. 51 ff., „Ge- Begründung für die Notwendig- katholischen Ruanda ist es an der danken zur Krisenprävention – eine keit der Humanitären Meldstelle Zeit, dass sich auch die DBK ernst- kritisch-positive Betrachtung“). Die haft mit der Frage beschäftigt, wie bisherigen ersten Bemühungen der In der Zeit vom 6. April bis zum der Völkermord an 850.000 meist Deutschen Kommission „Justitia et 31. Juni 1994 wurden in Ruanda ca. Frauen, Kindern und älteren Men- Pax“ in einzelnen ausgewählten Län- 850.000 unschuldige Frauen, Kinder schen fast ausschließlich in Kirchen dern ein Frühwarnsystem zu instal- und ältere Menschen zumeist in Got- hätte verhindert oder wenigstens ab- lieren sind sicher hilfreich, sie erset- teshäusern in einer der deutschen gekürzt werden können. Dazu könn- zen jedoch nicht eine generelle „Hu- Katholischen Kirche sehr verbunde- ten folgende Fragen hilfreich sein: manitäre Meldestelle“, da Völker- nen Partnerkirche regelrecht abge- 1.Wann hat die DBK zum ersten Mal mord oder ähnliche humanitäre Ka- schlachtet, ohne dass verantwortli- vom o.a. Völkermord in Ruanda er- tastrophen jederzeit an vielen ande- che Vertreter der deutschen Katholi- fahren? ren Orten der Welt geschehen kön- schen Kirche rechtzeitig davon 2.Wann wurde die Bundesregierung nen. Mit der Aufstellung einer „Hu- Kenntnis erhielten und ihren gesam- als Unterzeichnerstaat der Völker- manitären Meldestelle“ bei der DBK ten Einfluss hätten geltend machen mordkonvention zum ersten Mal würde die Kirche einen weiteren gu- können, um diese unglaubliche Bar- über den Völkermord in Ruanda ten Dienst an der Menschheit leisten, barei an Glaubensschwestern und durch die DBK informiert? die Pastoralkonstitution „Gaudium et -brüdern zu verhindern. Ruanda hat 3.Wann hat die DBK der Bundesre- spes“ mit zusätzlichem Leben erfül- 60% Katholiken und 15%Protestan- gierung nachvollziehbare Beweise len und als praxisnaher Anwalt der ten. Viele Missionare, darunter ca. (z.B. durch glaubwürdige Zeugen- unschuldig zum Tode Verurteilten 50 Weiße Väter, wurden bei den o.a. aussagen) für den Völkermord in auftreten, so wie das jetzt schon beim Massakern verschont und mussten Ruanda vorgelegt? ungeborenen Leben geschieht. ❏

48 AUFTRAG 248 ZUM BILD DES SOLDATEN Die Grenzen einer Wanderdokumentation Die Wehrmachtsstellung in neuer Präsentation Was gibt es zu sehen? Vor allem Dokumente, die sieben Themen zu- GERHARD ARNOLD geordnet wurden: 1.Krieg und Recht. Kein Krieg im ie neue Wehrmachtsausstellung zieht erneut große Besucher- herkömmlichen Sinne scharen an. Am 28. November des letzten Jahres öffnete sie nach 2.Völkermord Deiner weitgehenden Neubearbeitung in Berlin wieder ihre Pforten. 3.Repressalien und Geisel- Der Name wurde nur unwesentlich geändert. Jetzt heißt sie: VERBRECHEN erschießungen DER WEHRMACHT. DIMENSIONEN DES VERNICHTUNGSKRIEGES 1941-1944. 4.Sowjetische Kriegsgefangene 5.Ernährungskrieg Zur Erinnerung Bekannte Fakten 6.Partisanenkrieg Die alte Ausstellung des Ham- Ob die alte und jetzt neue Wehr- 7.Deportationen und Zwangsarbeit burger Instituts für Sozialforschung, machtsausstellung überhaupt nötig von Hannes Heer verantwortet, hat ist, darf man bezweifeln. Wer sachli- Der Besucher braucht also viel vier Jahre lang von 1995 bis zum Ab- che Information suchte, konnte aus Geduld und viel Zeit, wenn er die bruch im November 1999 für sehr der Fachliteratur seit den 70er Jah- Dokumente zu den einzelnen The- emotionale Kontroversen gesorgt. ren wissen, dass Hitler den Russ- men lesen will, Befehle, Vollzugs- Das lag weniger an den erst später im landfeldzug als einen Weltanschau- meldungen usw. Fotos wurden nur Einzelnen kritisierten Mängeln vor ungskrieg konzipiert hat. Die Wehr- spärlich eingesetzt. Man kann davon allem im Umgang mit den vielen Fo- macht sollte mithelfen, die „slawi- ausgehen, dass die kleine Zahl der tos, sondern an der Präsentation. Die schen Untermenschen“ zu unterjo- jetzt gezeigten Bilder wissenschaft- alte Ausstellung wollte emotionali- chen, die Juden in den besetzten Ge- lich korrekt ist, was die Zuordnung sieren, sie wollte – wenngleich von von Bild, Bildunterschrift und histo- den Ausstellungsmachern bestritten bieten zu vernichten, die Bevölke- rung praktisch zu Sklaven der „ari- rischen Zusammenhang angeht. Die – die Wehrmacht pauschal als ver- Themen der neuen Ausstellung sind schen Herrenmenschen“ zu machen. brecherische Organisation vorführen. also die gleichen wie bei der alten. Die Arbeitskraft der unterworfenen Sie wollte auch, wenngleich nie zuge- Sie decken die Dimensionen der ver- geben, den Soldatenberuf zumindest Völker sollte rücksichtlos und bar je- brecherischen Kriegführung ab, die in Deutschland diskreditieren. Ver- der Menschlichkeit ausgebeutet, die Hitler der Wehrmacht beim Krieg im mutlich ist dies sogar die Hauptab- Kriegsgefangenen, wo als notwendig Osten und auf dem Balkan auferlegt sicht gewesen. Insofern hatte die alte erachtet, schutzlos dem Tod überant- hat. Doch handelt es sich um Verbre- Ausstellung Propaganda-Charakter wortet werden. Wehrmachtsverbände chen der Wehrmacht als ganzer, zu und war unseriös. Es war überfällig, sollten mit den SS-Einsatzgruppen der immerhin rund acht Millionen dass sie Ende 1999 abgesetzt wurde. zusammenarbeiten, um die barbari- Soldaten an der Ostfront gehört ha- Philipp Jan Reemtsma gebührt des- schen Pläne des sog. Führers umzu- ben? Das ist die entscheidende Frage. halb in dieser Hinsicht Respekt. setzen. Ein furchtbares Kapitel der deutschen Geschichte, dem allein im Die gleichen alten Die bisherige Kritik Gebiet der früheren Sowjetunion und neuen Fragen rund 26 Mio. Menschen zum Opfer Wer an der alten Ausstellung Wie viele Wehrmachtsangehörige gefallen sind. 1. Kritik übte, tat dies in der Regel, ab- waren an verbrecherischen Taten gesehen von den Ewiggestrigen, 1941 bis 1944 beteiligt? Die Aus- Die neue Präsentation nicht aus emotionaler Abwehr gegen- stellung verzichtet auf jede Quanti- über der furchtbaren historischen Ist die neue Ausstellung seriöser fizierung. Wenn es keine verlässli- Wahrheit. Es geschah wegen der als die alte? Um es in einem Satz zu chen Zahlen gibt, dann darf man emotionalisierenden Grundanlage, sagen: Ja und nein. Der Besucher be- auch keine nennen. Aber die Frage die nichts davon wusste, dass die tritt einen Raum in Weiß. Eigentlich nach den Zahlen ist nicht unwich- Wehrmachtssoldaten zunächst Opfer kein Ausstellungsraum. Es gibt keine von Hitlers barbarischer Kriegs- tig. Angenommen, es wären Exponate zu sehen, die in die Augen 200.000 Soldaten gewesen, die un- führung im Osten und auf dem Bal- stechen, sondern Stellwände mit Do- kan waren, bevor sie, in Teilen, zu mittelbar und wissentlich an der kumenten. Die Wehrmachtsausstel- Tätern wurden. Das Ganze aber unter Vorbereitung, direkten Unterstüt- Rahmenbedingungen, von denen lung ist an die Grenzen einer übli- zung oder Ausführung verbrecheri- sich heute kein Nachgeborener eine chen Ausstellung angekommen. Sie scher Befehle beteiligt gewesen halbwegs realistische Vorstellung wurde zur Wanderdokumentation, waren, dann wären etwa 2,5 Pro- machen kann: Hunger und Kälte, Er- museumsdidaktisch eine kühne Ent- zent der Wehrmachtsangehörigen schöpfung und Gefahr, Angst und scheidung. Von der ursprünglichen im Osten direkt in den verbrecheri- Verzweiflung, massenhaftes Sterben Masse der Fotos, die den Besucher schen Auftrag Hitlers verstrickt ge- in den eigenen Reihen, Bedrohung emotional erdrückten, mit Grausen wesen. Stehen diese Soldaten stell- durch die Partisanen und existentiel- erfüllten und wohl erdrücken sollten, vertretend für die Wehrmacht als ler Kampf ums Überleben. sind nur wenige geblieben. ganze? AUFTRAG 248 49 ZUM BILD DES SOLDATEN 2. Eine eigene kleine Abteilung der über die Gefährdung der Truppen- nerhalb weniger Stunden beginnen neuen Wehrmachtsausstellung moral durch die Judenerschießun- konnte? In einem Land mit 7,9 widmet sich der wichtigen Frage gen 1941 und 1942 schreiben und Mio. Einwohnern wurden in etwa nach den Handlungsspielräumen auf Abhilfe drängen. acht Wochen 800.000 Menschen des Einzelnen. An einem interes- Wie hätte ich mich verhalten? Wer ermordet. Über 100.000 Ruander, santen und zuverlässig dokumen- dieser Frage standhält, ist davor durchwegs Hutus des Mehrheits- tierten Beispiel eines einzigen Ba- gefeit, sich in selbstgerechter Pose volkes, sitzen als mutmaßliche Tä- taillons wird gezeigt, dass die Ver- anklagend vor die damaligen „ar- ter in Untersuchungshaft. Im Wo- weigerung eines Erschießungs- men Teufel“ zu stellen, die ganz chendurchschnitt wurden 100.000 befehls zu keinen Zwangsmaßnah- überwiegend meinten, sie müssten Menschen massakriert, meist mit men gegen den Befehlsempfänger für Führer, Volk und Vaterland die Macheten erschlagen; zigtausende führte. Ein anderes Bataillons- ihnen auferlegten Torturen durch- wurden an Händen und Füßen ge- mitglied befolgte den verbrecheri- stehen. Ihr Glaube an die Mission bunden und dann ertränkt. Es war schen Befehl ohne Zögern. Solche Deutschlands im Osten Europas ein Blutrausch unvorstellbaren Beispiele sind bekannt. Bereits war falsch, ihr Vertrauen in den Ausmaßes, ein reiner Bürgerkrieg, Christopher R. Browning hat in sei- Führer war falsch. Viele haben erst natürlich mit Vorgeschichte, ausge- nem wichtigen Buch über „das Re- nach dem Krieg erfahren, dass sie führt von Milizen, die zuvor gewor- serve-Polizeibataillon 101“ ge- von einem verbrecherischen Re- ben worden waren. Wie ist das zeigt, dass Polizisten dieses Batail- gime missbraucht worden sind und möglich? Der Firnis menschlicher lons, die sich weigerten, an Er- dass sie in schwer entwirrbarem Zivilität scheint dünner zu sein als schießungen teilzunehmen, in der Maß ein Rädlein im Getriebe des wir Zeitgenossen vielfach meinen. Regel nicht bestraft wurden. Doch Unrechtsregimes waren. Über die- Er scheint schneller und einfacher welche Schlussfolgerung soll aus se Dimension des Vernichtungs- abzukratzen zu sein als wir möch- diesem Befund gezogen werden? krieges sagt auch die neue Ausstel- ten. Darüber sagt die neue Wehr- Dass alle Soldaten, die verbreche- lung nichts. machtsausstellung nichts. Sie steht rische Befehle ausführten Feiglinge 3. Sie hat darauf verzichtet, und das in der Gefahr, dass sie die Verbre- und Versager gewesen sind? Wer so ist der Hauptvorwurf auch an die chen beim Russlandfeldzug und in denkt, reagiert überheblich. Sinn- neue, die verbrecherische Krieg- Südosteuropa auf ein deutsches voller wäre die Frage: Wie hätte ich führung von Wehrmachtsteilen und Problem reduziert, von der Sorge mich mit meiner mir bekannten be- einzelnen Soldaten im Osten und geleitet, irgendjemand könnte sie sonderen Charakterstruktur ver- durch Vergleiche verniedlichen. halten? Wie hätte ich mich verhal- auf dem Balkan einzuordnen in ten in der allgemeinen psychischen eine historische Anthropologie. Doch damit sorgt auch die neu prä- und körperlichen Ausnahmesitua- Wozu sind Menschen in Extrem- sentierte Ausstellung dafür, dass tion, die ich nicht selber geschaf- situationen fähig? der Blick für die furchtbare Wirk- fen habe, sondern die der Krieg mir Die Geschichte der Unmenschlich- lichkeit von Massker und Völker- aufgezwungen hat? Vielleicht sind keit ist bekanntermaßen nicht am mord in der Gegenwart verschleiert gerade ein paar Kameraden, gute 8. Mai 1945 zum Stillstand gekom- wird. Freunde, von Partisanen gefangen men. Wie ist es möglich gewesen, Christopher R. Browning gab sei- genommen und bestialisch ermor- dass militärische Befehlshaber und nem schon genannten Buch über das det worden. Ihre Leichen hat man ihre Stäbe und im Vollzug ihrer Be- Polizeireservebataillon 101 den bei einem Vorstoß gefunden. Der fehle normale Soldaten auch Haupttitel „Ganz normale Männer“. Hass auf den Feind, der auch gna- anderwärts Verbrechen größeren Er wollte damit zum Ausdruck brin- denlos und bestialisch war – das ist Ausmaßes begangen haben? Der gen, dass nicht ganz besonders keine Aufrechnung, nur eine Fest- Bürgerkrieg in Algerien von 1956 schlimme Bestien eines speziellen stellung – kann schnell Sicherun- bis 1962 war unvorstellbar grau- Volkes, der Deutschen also, zu Ver- gen durchbrennen lassen. Was hat sam. Erst jetzt beginnt in Frank- brechen wie in Russland fähig gewe- dieser Krieg unter den heute un- reich langsam die Aufarbeitung. sen sind. Er wollte zeigen, dass es vorstellbaren und zermürbenden Die verdrängte Erinnerung an die- ganz normale Männer waren und er Bedingungen gerade an der Ost- sen Krieg hat übrigens dazu ge- ruft damit zunächst bei den briti- front aus vielen Soldaten gemacht! führt, dass mancher französischer schen Lesern, für die das Buch ur- Viele haben versagt, viele haben Generalstabsoffizier sich über die sprünglich geschrieben ist, die be- Sadismus gezeigt, völlige Gefühllo- erste Wehrmachtsausstellung ab- klemmende Einsicht wach, dass sigkeit im Umgang mit dem Feind. lehnend geäußert hat („Wenn wir Menschen in Extremsituationen of- Nicht wenige sind darüber erschro- damit anfangen würden ...“). Fran- fenbar zu schlimmsten Untaten fähig cken und manche haben es in den zösische Soldaten eines demokrati- sind. Feldpostbriefen auch geschrieben. schen Landes haben in Algerien Die neue Wehrmachtsaus- Auch die Zahl derjenigen Soldaten versagt, genauso amerikanische stellung stößt zu dieser Sicht der ist unbekannt, die angewidert und Soldaten in Vietnam. Wie ist es Dinge nicht vor. Vielleicht wird es empört waren, als sie von den möglich gewesen, dass in Ruanda noch eine dritte Ausstellungsvariante Judenerschießungen gehört haben. im April 1994 das größte Massen- geben, die diese wichtige Dimension Es gibt Regimentsberichte, die verbrechen der Nachkriegszeit in- berücksichtigt. ❏

50 AUFTRAG 248 ZUM BILD DES SOLDATEN

SACHAUSSCHUSS „SICHERHEIT UND FRIEDEN“

Eine nicht ganz unzeitgemäße Betrachtung – nen muslimischen Jugendlichen nicht unerhebliche gesellschaftliche Gemeinschaft Muslimischer Soldaten (GMS)? Aufstiegschancen bedeuten können. Kurzum: Soldatsein muslimischer THOMAS R. ELß NER Jugendlicher in der Bundeswehr als Stärkung des eigenen gesellschaftli- Am 18. Januar 2002 traf sich im Albertinum zu Bonn der Sachausschuss chen Selbstbewusstseins und wirksa- „Sicherheit und Frieden“ der Gemeinschaft der Katholischen Soldaten me Integration mit nachhaltiger und (GKS) zu einer Arbeitstagung mit dem Schwerpunktthema „Islam“. Dabei anhaltender Wirkung. ging es neben Fragen nach der geschichtlichen Entstehung und Ausbrei- Wie sieht es aber dann mit struk- tung vor allem auch um die normativen religiösen Grundlagen der Musli- turierter seelsorglicher Begleitung me. In diesem Zusammenhang äußerte der Verfasser folgende Überle- von Bundeswehrsoldaten muslimi- gung: schen Glaubens aus, vor allem wenn eider haben erst wieder die zurzeit mehr als 3,2 Millionen Musli- sie sich in Auslandseinsätzen befin- dramatischen Ereignisse des me in der Bundesrepublik leben. den? 11. Septembers 2001 in New Dieser Quelle ist ebenfalls zu ent- Von daher kann es insgesamt L nicht ganz überraschen, wenn in der York, Washington und Pennsylvania nehmen, dass 500.000 Muslime ei- und die sich daran anschließenden nen deutschen Pass besitzen. Zudem „Islamischen Charta“ unter „20. nicht weniger dramatischen Entwick- diskutiert man beispielsweise zur Eine würdige Lebensweise mitten in lungen sowie die daraus resultieren- Zeit besonders in muslimischen der Gesellschaft“ u.a. die „Beschäf- den, aber in ruhigeren Bahnen ver- Kreisen in Deutschland die Voraus- tigung muslimischer Militärbetreu- laufenden Diskurse auch in weiten setzungen und Bedingungen eines so er“ gleichsam gefordert wird. Der Kreisen Europas unbeabsichtigter- genannten Euro-Islams3). Dabei darf weltanschaulich neutrale Staat wird weise nachhaltig in Erinnerung geru- auch nicht vergessen werden, dass es sich dem auf Dauer auch nicht ver- fen, dass die Integration der Muslime außerdem einige von ihrer Abstam- schließen. Sollte es dann aber musli- aus unterschiedlichen Gründen bis- mung her Deutsche gibt, die zum Is- mische Militärbetreuer in der Bun- her noch nicht wirklich gelungen ist, lam konvertiert sind und somit eben- deswehr geben, wird dies letztlich man bestenfalls erst am Anfang einer falls in Erinnerung rufen, dass sich auch Auswirkungen auf den Lebens- Entwicklung steht, die tatsächlich der Islam nicht ethnisch oder regio- kundlichen Unterricht (LKU), auf den Namen Integration verdient. nal eingrenzen lässt und dass dies Unteroffiziers- und Offiziersarbeit- Freilich wird es nicht unwesentlich letztlich seinem Selbstverständnis gemeinschaften und nicht zuletzt auf darauf ankommen, sich darüber klar auch widerspricht. die Gelöbnisgottesdienste beider zu werden, worin realistischerweise Wenn nun aber jemand die deut- christlichen Konfessionen haben. das Ziel von Integration wird beste- sche Staatsbürgerschaft erworben hat Als Gegenargument wird meis- hen können und worin nicht. Eines bzw. sie bereits von Geburt an be- tens nicht unberechtigt angeführt: dürfte vielleicht jetzt schon deutlich sitzt, ergeben sich daraus bekannter- Solange muslimischen Gruppen und sein, dass „der Islam“ eine wachsen- maßen grundsätzlich auch Pflichten Organisationen der Status einer Kör- de Religion in Europa ist. Nach einer wie z.B. die Wehrpflicht für männli- perschaft öffentlichen Rechts nicht Statistik des Zentralinstituts Islam- che Jungendliche beim Erreichen zuerkannt worden ist, solange wird es Archiv, welches sich in Soest befin- des 18. Lebensjahres. Wie wird es in auch keine strukturierte muslimische det, wurden in Europa Ende Juli ein paar Jahren aussehen, wenn Militärseelsorge mit muslimischen 2001 nicht nur 51 Millionen Musli- vielleicht männliche Jugendliche Militärbetreuern als staatliche Beam- me gezählt, sondern es wird zudem muslimischen Glaubens in nennens- te auf Zeit in der Bundeswehr geben. prognostiziert, dass „der Islam“ im werterer Zahl zur Bundwehr einberu- Dieses Argument ist ein juridisches, Jahre 2014, also in 12 Jahren, die fen werden, ja mehr noch, wenn sie und wenn man so will, von zeitlich zweitstärkste Religion in Europa sein vielleicht ob mit oder ohne Wehr- begrenzter Haltbarkeit. Es entbindet wird. Untermauert wird dies mit dem pflicht die Bundeswehr für sich ent- jedoch keinesfalls von bereits viel- Faktum, dass in Belgien, Frankreich, decken, um Zeit- und/oder Berufs- leicht jetzt schon anzustellenden Italien und Spanien „der Islam“ soldat zu werden. Dieser Weg kann Überlegungen auch auf Seiten der schon den so genannten Protestantis- für männliche Jugendliche muslimi- Gemeinschaft Katholischer Soldaten mus als zweitstärkste Religion abge- schen Glaubens insofern attraktiv (GKS), sich auf die Begegnung mit löst habe1). Zwar zeichnet sich diese sein, als sie über diesen Weg viel- Soldaten muslimischen Glaubens Entwicklung so in Deutschland (noch) leicht die gesellschaftliche Anerken- und muslimischen Militärbetreuern nicht ab, aber aus dem Vorwort der nung im gewissen Grade tatsächlich vorzubereiten. Denn in dem Augen- „Islamischen Charta“2), welche vom auch erfahren, die ihnen in anderen blick, indem einer muslimischen Zentralrat der Muslime in Deutsch- Bereichen meist vorenthalten bleibt. Gruppierung der Status einer Kör- land e.V. am 20. Februar 2002 unter- Außerdem hält die Bundeswehr nach perschaft öffentlichen Rechts verlie- zeichnet und herausgegeben worden wie vor nicht unattraktive Karriere- hen wird, hat sich jenes juridische ist, darf entnommen werden, dass chancen bereit, die zugleich für ei- Argument grundsätzlich eo ipso erle- AUFTRAG 248 51 ZUM BILD DES SOLDATEN digt. Sollte es aber trotzdem so sein, muntert. „Wo dies möglich ist, sollte Ein konstruktiver Dialog spart not- dass zwar keine muslimische Organi- über den Dialog hinaus Zusammen- wendige sachliche Streitpunkte nicht sation den Status einer Körperschaft arbeit gesucht werden, ohne Berüh- aus, sondern spricht sie offen und ge- öffentlichen Rechts erhält, aber eine rungsangst und ohne Unterschei- prägt von der Achtung vor dem Dia- dauerhafte bzw. eine ständige nen- dungsangst“ (Gerechter Friede Nr. logpartner an. nenswerte Anzahl Soldaten muslimi- 189). Besondere Bedeutung kann ei- Bevor es aber soweit in der Bun- schen Glaubens in der Bundeswehr nem solchen Dialog und einer sol- deswehr ist, gilt es vorher, sich ihren Dienst verrichtet, so stünde es chen Zusammenarbeit dann zukom- grundsätzlich auf eine dauerhafte ihnen dennoch wohl grundsätzlich men, wenn Auslandseinsätze der Zeit mit Soldaten muslimischen frei, gewissermaßen eine „Gemein- Bundeswehr dort stattfinden, wo sich Glaubens und gegebenenfalls mit schaft Muslimischer Soldaten“ ein nicht unerheblicher Teil der Be- muslimischen Militärbetreuern vor- (GMS) im Sinne einer Dachorganisa- völkerung zum islamischen Glauben zubereiten. Dabei muss man nicht tion für ihre entsprechenden Interes- bekennt. am Punkte Null beginnen. Vereinzel- sen zu gründen. Eine nun nicht ganz Insgesamt wäre aber nichts fata- te Erfahrungen gibt es ja bereits; unwesentliche Aufgabe könnte es ler, als wenn Soldaten christlichen denn so grundsätzlich neu ist das dann aber wiederum für die Gemein- und muslimischen Glaubens in der Phänomen von Soldaten muslimi- schaft der Katholischen Soldaten Bundeswehr ein Bild der Dialog- schen Glaubens in der Bundeswehr (GKS) sein, von sich aus von Beginn unfähigkeit oder Dialogverweigerung ja nicht. Wie sieht es übrigens mit an den Dialog mit dieser „Gemein- abgäben, sodass sich außerdem die entsprechenden Erfahrungen in der schaft Muslimischer Soldaten“ nicht wenigen religiös indifferenten französischen, belgischen oder briti- (GMS) zu suchen, deren Mitglieder ja Soldaten in der Bundeswehr in der schen Armee aus? Ziel sollte es zu- die eigenen Kameraden sind, und ih- vielleicht vorhandenen festen Über- mindest sein, dass in der Bundes- nen vielleicht sogar mit erfahrungs- zeugung noch einmal umso mehr be- wehr eine „Gemeinschaft Muslimi- erprobten Ratschlägen beim Aufbau stätigt sähen, dass letztlich Christen- scher Soldaten“ einen wirklichen einer GMS behutsam zur Seite zu ste- tum und Islam „ihrem Wesen nach und vorbereiteten Dialogpartner in hen. intolerant und friedensunfähig“ sei- der „Gemeinschaft Katholischer Sol- Im Hirtenwort der katholischen en“ (Gerechter Friede Nr. 192). Dies daten“ von Anfang an findet. ❏ Bischöfe „Gerechter Friede“ vom 27. bedeutet christlicherseits nicht, September 2000 wird zum inter- „christliche Maßstäbe zurückzustel- 1) Vgl. Die Tagespost, Samstag 18.08. 2001, S. 4. religiösen Dialog und zur Begegnung len, um Konflikten aus dem Weg zu- 2) Siehe: http://www.islam.de. zwischen den Religionen deutlich er- gehen“ (Gerechter Friede Nr. 189). 3) ebd.

zu gewähren, wie er heute wohl im Philosophie der Menschenführung besten friedlich geordnetem Sinne interpretiert wird. in militärischen Bereichen In einem demokratischen Land, wie dem unseren, behält der Soldat WOLFGANG ALTENDORF zudem ihm zugesprochene humani- n sicherlich keiner humanitären in die Gemeinschaft der Gruppe, täre Würden. Er ist volljährig, er- Gemeinschaft werden derart hohe des Zuges, der Kompanie, des Ba- wachsen also und von da „ebenbür- IAnsprüche an den umfassenden taillons, des Regiments zu integrie- tig“ im Rahmen der notwendige Begriff „Menschenführung“ gestellt; ren, sie jenen Bedingungen zuzuord- Hierarchie eines militärischen Ver- weder in der Arbeitswelt noch in an- nen, wie sie die Eigentümlichkeit bandes. Dem entgegen steht die Zu- deren menschlichen Gemeinschaf- des Auftrags erfüllbar machen. ordnung in sich vom zivilen Leben ten vollzieht sich das Miteinander Die Konfrontation ist unmittel- stark unterscheidenden Notwendig- derart unabdingbar und gleichzeitig bar, zumeist über 24 Stunden am keiten, wie etwa die Unterordnung umfassend, wie in der militärischen. Tag, und sie gewichtet die Verant- unter den Befehl. Denn die militäri- Die Wehrpflicht zudem mischt die wortung von daher weitaus umfas- sche Gemeinschaft spiegelt notwen- unterschiedlichsten Charaktere in sender, als in den übrigen gesell- digerweise die Möglichkeit von Auf- eine Zugehörigkeit, die im Ernstfall schaftlichen Bereichen einer demo- trägen wider, wie sie (auch überra- an letzte Dinge rührt. Während sich kratisch funktionierenden Gemein- schend) in der Weltpolitik auftau- ein Betrieb die Mitarbeiter nach ih- schaft. Zwar fußen die Kriterien auf chen können. Die stetige Bereit- rer Qualifikation sorgfältig aus- einer Jahrhunderte dauernden Tra- schaft derartige Aufträge „aus dem wählt, werden die „Leitenden“ beim dition, doch gerade diese Tradition Stand heraus“ zu übernehmen, cha- Militär mit allen charakterlich und lehrt die Veränderlichkeit, wie sie rakterisiert den „Alltag“ etwa in der mentalen Unterschiedlichkeiten – die Politik in ihrer epochegestalten- Kaserne. Gerade einberufene Bür- dies bei jedem neuen Jahrgang – den Fluktuation hervorbringt. Dabei ger zudem sind fachlich nicht für konfrontiert. Ihre Aufgabe ist es, blieb der Zielauftrag unverändert, das, was sie schon vom ersten Tag derart verschiedenen Temperamente nämlich der Gesellschaft Sicherheit Fortsetzung auf Seite 53 u.

52 AUFTRAG 248 ZUM BILD DES SOLDATEN

PERSONALIA Hohe Auszeichnungen für katholische Soldaten Stabsfeldwebel Konrad Becker rend eines Festaktes im Bundes- (45) vom Wehrbereichskommando II ministerium der Verteidigung in in Mainz und Oberstabsfeldwebel Berlin (Bendlerblock) ausgehän- Alois Schmidt (50) vom VBK 71 digt. Erfurt haben von Bundespräsident Konrad Becker (Foto l. mit Johannes Rau den Verdienstorden BMVg Rudolf Schaping nach der der Bundesrepublik Deutschland Ordensverleihung) hat sich hohe verliehen bekommen. – Die Aus- Verdienste in der katholischen Kir- zeichnung wurde beiden von Bun- che und in der Katholischen Militär- desverteidigungsminister Rudolf seelsorge erworben. Seit vielen Jah- Scharping am 17. April 2002 wäh- ren ist er Vorsitzender des Seel- sorgebezirksrates beim Katholischen Standortpfarrer Mainz. Jahrelang war er auch Vorsitzender der Ge- tralen Versammlung der katholi- meinschaft Katholischer Soldaten schen Soldaten und als Mitglied in (GKS) in Mainz. Weiterhin enga- deren Vorstand tätig. Zurzeit enga- giert sich der zweifache Familienva- giert er sich als Vorsitzender der ter bei der Leprahilfe in Bingen und Gemeinschaft Katholischer Soldaten zudem als Vorsitzender des Förder- (GKS) im Bereich Ost (ehem. Wehr- vereins des Malteser Hospizdienstes bereich VII). in Bingen. (M. Beyel, KMBA; Fotos BMVg u. KMBA) Alois Schmidt (Foto r.)wurde für sein vielfältiges soziales Engage- ment im Inland wie auch im Aus- land (Ungarn) ausgezeichnet. In der Katholischen Militärseelsorge war Schmidt viele Jahre in Sachaus- schüssen des Vorstandes der Zen- Fortsetzung von Seite 52 an vorstellen – Soldat – kompetent. Die Geschichte der Armeen in Sie ähneln hier dem „Eingeschul- aller Welt, die Versuche menschli- ten“ – und werden, wie dieser, che Schwächen in notwendige zumeist vor dem, was sie erwartet, Schlagkraft effektiv einzuformen, unsicher. Gerade diese Anfangs- zeitigten viel beschriebene Aus- phase ist die schwierigste in der Pa- wüchse inhuman-seelischer wie kör- lette notwendig verschieden anzu- perlicher Misshandlung, im Jargon setzender Menschenführung. Die „Schleiferei“, um dieses Ziel auf ge- Hans-Georg Marohl (79) – zur unterschiedlichsten Eindrücke, wie radem, dabei psychologisch äußerst Gründergeneration des Königsteiner (zumeist) fremde Gegend, neue Um- fragwürdigem Weg zu erreichen. Offizierkreises (KOK) gehörender gebung, entschieden veränderte Le- Derartige „Holzhammermethoden“ Oberst a.D., bis Anfang der 90-er bensgewohnheiten (Schlafen, Essen gehören bei modernen Armeen zum Jahre Vertreter der GKS in der in Gemeinschaft), müssen verkraf- Glück der Vergangenheit an. Die GKMD (Gemeinschaft der katholi- schen Männer Deutschlands) und tet, akzeptiert werden. nötige Intelligenz zur Bedienung für diese Mitglied im ZdK – wurde Für den Ausbilder kommt zu- häufig elektronisch justierter Waf- vom Katholischen Militärbischof für sätzlich die Gefahr einer Überforde- fen, erhöhte die qualitative Voraus- die Deutsche Bundeswehr, Dr. Wal- rung. Viele der jungen Leute sind setzung in allen Dienstgraden, das ter Mixa, wegen seiner Verdienste kaum Härte gewöhnt, müssen an die intelligente Niveau, das sich ebenso um die Laienarbeit in der Militär- Anforderungen der unvermeidlicher günstig auf die Menschenführung seelsorge mit der Ehrenmedaille des Konfrontation mit „außerzivilisato- auswirkte. Und gerade von da, von Militärbischofs ausgezeichnet. Die- rischen“ Einsatzkriterien erst ge- einer strikt der puren Notwendigkeit se wurde ihm am 29. Mai 2002 im wöhnt werden, sich damit günsti- angepassten Führung, können güns- Katholischen Militärbischofsamt in genfalls identifizieren. Das provo- tige Nachwirkungen auf demokrati- Berlin von Militärgeneralvikar Prä- ziert Krisensituationen, die mit den sche Ordnungsprinzipien, auch lat Walter Wakenhut im Rahmen der Mitteln bloßer Befehlsgewalt eher nach Abschluss der Dienstzeit, er- jährlichen Mitgliederversammlung verstärkt werden. wartet werden. ❏ der KAS überreicht. (PS)

AUFTRAG 248 53 ZUM BILD DES SOLDATEN Die Erfolgsstory Gottes Der nachkonziliare Glaube der Kirche und der Beitrag der Bundeswehr auf dem Weg zur Vollendung der Welt

KLAUS LIEBETANZ Gaubenszweifel fasst. Wörtlich heißt es in dieser ab: „Hüten wir uns davor, berufliche Konzilsschrift in Ziffer 45 „Wi r und soziale Tätigkeit hier und religiö- Zu Beginn jeden Kirchenjahres schreiten der Vollendung der ses Leben dort verkehrterweise werden wir mit folgenden Aussagen menschlichen Geschichte entgegen, zueinander in Gegensatz zu bringen. des Propheten Jesaja konfrontiert: die mit dem Plan der göttlichen Ein Christ, der seine irdischen Pflich- „Am Ende der Tage wird es gesche- Liebe zusammenfällt. Alles in ten vernachlässigt, versäumt damit hen: Dann schmieden sie Pflugscha- Christus zu erneuern, was im Him- seine Pflichten gegenüber dem Nächs- ren aus ihren Schwertern und Winzer- mel und auf Erden ist“ (Eph 1.10). ten, ja gegen Gott selbst und bringt messer aus ihren Lanzen. Man zieht 2.Bei meiner Tätigkeit als „Fachbe- sein ewiges Heil in Gefahr“. Die Spal- nicht mehr das Schwert, Volk gegen rater für Katastrophenmanage- tung zwischen dem Glauben, den Volk, und übt nicht mehr für den ment“ erkenne ich – trotz intensi- man bekennt, und dem täglichen Le- Krieg“ (Jes 2,4-5) oder „Jeder Stiefel, ver Beschäftigung mit dem Völker- ben vieler sei zu den größten Verir- der dröhnend daherstapft, jeder Man- mord in Ruanda und Srebrenica rungen unserer Zeit zu rechnen (GS tel, der mit Blut befleckt ist, wird ver- und nach Durchsicht von 50 Meter 43). Des Weiteren sollen die Chris- brannt, wird ein Fraß des Feuers. Akten über weltweite humanitäre ten in der politischen Gemeinschaft Denn uns ist ein Kind geboren, ein Katastrophen während meiner Be- jene Berufung beachten, die ihnen Sohn ist uns geschenkt. Die Herr- schäftigung im Auswärtigen Amt – ganz besonders zu Eigen ist. Sie sol- schaft liegt auf seinen Schultern; man deutliche Anzeichen auf dem Weg len beispielgebend dafür sein, wie nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber, zur gottgewollten Vollendung der man aus Gewissensverantwortung Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst Welt. Bei der täglichen Zeitungs- handelt und sich für das Gemeinwohl des Friedens“ (Jes 9,4-5). Diese Le- lektüre werde ich auf jeder Seite in einsetzt (GS 75). Damit kommt den sungen werden durch den Zusatz: dieser Auffassung bestätigt. Die Laien (Nicht-Klerikern), den Fach- „Wort des lebendigen Gottes“ feier- Vollendung der Welt scheint mir leuten und Akteuren in dieser Welt, lich bekräftigt. Diese Prophetenworte dabei keine Aufgabe von Jahrzehn- eine herausragende Bedeutung beim werden von nicht wenigen Gläubigen ten, sondern eher von weiteren Aufbau und der Vollendung der Welt als eine symbolische Beschreibung Jahrhunderten zu sein. Ferner sehe zu. Sie sollen Arme und Füße Jesu des himmlischen Jenseits gesehen. ich die Kirche erst am Anfang ei- Christi sein, wie dies im Pavillon der Nach deren Meinung hätte die Pro- nes sich entwickelnden Christen- Kirche anlässlich der EXPO 2000 phetie jedoch nichts mit unserer rea- tums. Ich rechne also nicht so bildhaft dargestellt wurde. Gott als len Welt zu tun. Man brauche doch schnell mit dem Weltuntergang ein „Deus ex machina“ (ständig von bloß die tägliche Zeitung aufzuschla- und/oder der Zerstörung der oben korrigierend in die Welt ein- gen, um auf jeder Seite die Worte des Lebensgrundlagen durch ökologi- greifend) gilt nicht mehr als Alibi für Propheten widerlegt zu bekommen. sches und militärisches Fehlver- Nichtstun. Ferner fordert das Konzil Der Mensch sei und bliebe unvoll- halten der Menschen, wie es gele- eine internationale Autorität (Verein- kommen und deshalb würde es auch gentlich von jüngeren Gesprächs- te Nationen), die mit ausreichenden immer große Ungerechtigkeit und partnern befürchtet wird. Dies wür- Machtmitteln ausgestattet ist, um den Kriege geben. So oder ähnlich lauten de der Zusage Gottes an die Men- Krieg, eine der schlimmsten Geiseln die Argumente. Dieser auf den ersten schen widersprechen (vgl. Kol der Menschheit, als Fortsetzung der Blick plausibel erscheinenden Auf- 1.13-20). politischen Auseinandersetzung ab- fassung kann ich mich nicht an- zuschaffen. Es nimmt somit bereits schließen, weil sie erstens dem „neu- Der entwickelte Glaube der 1963 die Grundgedanken der „Agen- en“ Glauben der Kirche und zwei- Kirche – Der Aufbau und die da for Peace“ der Vereinten Nationen tens weil sie auch meiner persönli- Vollendung der Welt von 1991 voraus. In diesem Zusam- chen Erfahrung widerspricht. menhang wird die Aufgabe der Sol- 1.Mit der Pastoralkonstitution „Gau- Mit der bedeutenden Konzil- daten bis zur Erreichung dieses Ziels dium et spes“ (GS) des II. Vatikani- schrift über „Die Kirche in der Welt wie folgt definiert: „Wer als Soldat im schen Konzils (1963-65) über die von heute“, besser bekannt unter Dienst des Vaterlandes steht, betrach- „Kirche in der Welt von heute“ dem Namen „Gaudium et spes“ (GS) te sich als Diener der Sicherheit und verabschiedet sich die Weltkirche (Freude und Hoffnung), manifestiert Freiheit der Völker. Indem er diese vom Mittelalter und entzieht damit sich ein neuer Geist in der Kirche. Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahr- endgültig den Boden für eine Lehre Sie soll zum Sauerteig und gleichsam haft zur Festigung des Friedens bei“ der „Jenseitsvertröstung“. Das zur Seele der menschlichen Gesell- (GS 79). Des Weiteren werden alle Konzil hat damit nicht einen neuen schaft werden (GS Nr. 40). Ferner Gläubigen aufgefordert, sich an in- Glauben konstituiert, sondern die lehnt das Konzil die bloße individu- ternationalen Institutionen zu beteili- theologische Entwicklung der letz- elle Frömmigkeit und Privatisierung gen, was den Katholiken per se ge- ten Jahrhunderte zusammenge- des Glaubens mit folgenden Worten mäß sei und das Bewusstsein wahr-

54 AUFTRAG 248 ZUM BILD DES SOLDATEN haft weltweiter Solidarität und Ver- Menschenrechte und eine verant- Entwicklungsländern fundamenta- antwortung fördere (GS 90). Ab- wortliche ökologische Entwicklung le Menschenrechte noch mit Füßen schließend werden in dieser Konsti- einsetzen. Zahlreiche Aktivisten getreten werden. Es wird den tution alle Christen aufgefordert, im sterben jährlich für ihre Ziele, wer- Machthabern aber immer schwieri- Geiste Christi am Aufbau und der den gefoltert und/oder landen in ger Menschenrechtsverletzungen Vollendung der Welt mitzuwirken. den Gefängnissen von Unrechts- zu kaschieren, da es immer weni- Es nimmt nicht wunder, dass die staaten. Diesen NGO’s kommt bei ger Staaten gibt, die sich von der Christen in den Entwicklungsländern der Entwicklung der Welt eine be- Außenwelt total abschirmen kön- diese befreiende Botschaft des Kon- sondere Bedeutung zu, weil sie nen. Die weltweite Medienpräsenz zil am ehesten begriffen und prakti- weitgehend unabhängig von staatli- ist dabei von größter Bedeutung. ziert haben. chen Interessen agieren. Die NGO „Reporter ohne Grenzen“ • Trotz großer Rückschläge in eini- berichten jährlich von ca. 20-30 Bewusst Zeichen der Hoffnung gen vom Bürgerkrieg heimgesuch- getöteten Journalisten, die in Aus- wahrnehmen ten afrikanischen Staaten hat sich übung ihrer Berichterstattung li- in den letzten 50 Jahren die quidiert wurden. Im historischen Vergleich lassen Lebenssituation der meisten Men- • Seit dem II. Vatikanischen Konzil sich die Zeichen der Zeit besser er- schen in den Entwicklungsländern hat sich in überwiegend katholi- kennen. Zur Veranschaulichung sol- nachweislich verbessert. Die Le- schen Entwicklungsländern die len einige wichtige von den zahlrei- benserwartung, das Gesundheits- Menschenrechtlage deutlich ver- chen Beispielen für den Fortschritt in wesen und die Bildungsmöglich- bessert. Der Glaube wurde zur Deutschland und in der Welt aufge- keiten konnten deutlich gesteigert Triebfeder der Demokratisierung. zählt werden: werden. Dies gilt besonders für die Man denke nur an die Rosenkranz- • Aus der bitteren Erfahrung des 1. asiatischen und südamerikani- Revolution auf den Philippinen und 2. Weltkriegs hat sich nicht schen Länder. Nicht zu leugnen ist, und den Sieg des katholischen zuletzt mit tatkräftiger Unterstüt- dass viele Entwicklungsländer Menschenrechtlers und Friedens- zung christlicher Politiker die Eu- auch heute noch einen großen nobelpreisträgers Kim Dae Jung in ropäische Union entwickelt. Die Nachholbedarf haben. Südkorea. In Südamerika wurden Länder Europas werden zuneh- • Die Vereinten Nationen haben auf alle Militärdiktaturen abgelöst; mend strukturell daran gehindert, dem Milleniumsgipfel beschlossen, auch in diesen Ländern bleibt noch gegeneinander Krieg zu führen. die Weltarmut in den nächsten 15 Vieles zu tun. • Die Bundeswehr trägt in vorbildli- Jahren zu halbieren. Vor hundert cher Weise zur Friedenskonsolidie- Jahren wäre wohl niemand auf den Die Anemonen und rung in der Konfliktfolgezeit auf Gedanken gekommen, so etwas zu die Vollendung der Welt dem Balkan und in Afghanistan bei verlangen. Der VN-Generalsekre- und hilft damit der Zivilbevölke- tär hat dabei die Pflicht, in zeitli- Die Vollendung der Welt ist ei- rung. Im Gegensatz dazu sorgte die chem Abstand qualifizierte Zwi- nem Anemonenfeld im Wald zu ver- nationalsozialistisch geführte Wehr- schenberichte zu geben, wobei die gleichen. Sie geschieht täglich fast macht dafür, dass die besetzten quantifizierbaren Indikatoren be- unbemerkt und ist nicht aufzuhalten. Länder systematisch und ohne kannt sind. Bei der Überwachung Jesus Christus bringt viele ähnliche Rücksicht auf die Zivilbevölkerung der Erreichung dieses ehrgeizigen Beispiele aus der Natur. Im Frühjahr ausgeplündert und schließlich auf Zieles werden die zahlreichen nati- gehört es zu den besonderen Freu- höheren Befehl beim Rückzug in onalen und internationalen Nicht- den, das Wachsen und Ausbreiten „verbrannte Erde“ verwandelt wur- regierungsorganisationen eine der Anemonen im Wald zu beobach- den. Während die Wehrmacht in wichtige Rolle spielen. Schließlich ten. Mit beginnendem Vorfrühling den besetzten Gebieten, vornehm- wollen die Politiker wieder gewählt sind nur Einzelne dieser Buschwind- lich in Weißrussland und in der werden. Die zunehmende Demo- röschen zu erkennen. Mit der kräfti- Ukraine sich dazu missbrauchen kratisierung in der Welt wird zum ger werdenden Sonne bilden sich ließ sicherzustellen, dass SS- und Motor der Entwicklung. langsam ganze Inseln dieser Sternen- Polizeieinheiten Minderheiten wie • Die Entwicklung der Menschen- blumen auf dem Waldboden aus. Juden, Zigeuner und andere Volks- rechte hat seit der französischen Kälteeinbrüche können das Wachs- gruppen der Vernichtung zuführ- Revolution in Europa eine rasante tum verzögern, aber nicht endgültig ten, verwendet die Bundeswehr Entwicklung genommen. Man ver- verhindern. Schließlich wird der gan- heute auf dem Balkan jeden 3. Sol- gleiche nur die Situation eines ze Waldboden mit dieser zauberhaf- daten für die Sicherung von Min- Leibeigenen mit den Rechten eines ten Blütenpracht bedeckt. derheiten, wie Serben, Sinti, Roma Bürgers im 21. Jh. Auch in den und andere Ethnien. Entwicklungsländern werden Män- „Anemonen“ in der Zeitung – Ferner haben sich in den letzten 50 ner und Frauen zunehmend ihrer Jahren weltweit ca. 45.000 größere Menschenrechte bewusst. Hier Beim täglichen Lesen der Zei- Nichtregierungsorganisationen spielen die NGO’s und die Welt- tung findet man fast auf jeder Seite (NGO’s) entwickelt, die sich nicht öffentlichkeit eine herausragende eine oder mehrere „Anemonen“, so selten im Gegensatz zu ihren Re- Rolle. Gleichfalls darf dabei nicht zum Beispiel heute am 26. März gierungen für humanitäre Hilfe, übersehen werden, dass in vielen 2002:

AUFTRAG 248 55 ZUM BILD DES SOLDATEN

• „Black is beautiful“ – Denzel Was- Fachberater für Katastrophenmana- naus leisten die christlichen Hilfs- hington erhält 38 Jahre nach gement hatte ich ständig engen Kon- organisationen wie Caritas, Diakonie, Sidney Poitier (Lilien auf dem takt zu den großen deutschen Hilfs- Johanniter, Malteser sowie Tausende Feld) wieder als Farbiger den Oscar organisationen, was u.a. damit zu tun von kleineren Organisationen und als bester Hauptdarsteller. Er be- hat, dass ich für das Deutsche Rote Aktivitäten eine gute Aufbauarbeit ginnt seine Dankesrede mit den Kreuz, das Technische Hilfswerk, weltweit, dabei nicht zu vergessen Worten: „Gott ist groß. Gepriesen die Johanniter und für die Malteser die religiösen Orden und gleich gear- sei der Herr“. das jeweils an die Organisation adap- tete Glaubensgemeinschaften. • „Wut als Antriebskraft“ – 6,85 Mio tierte „Taschenbuch für den Aus- Mit diesem Beitrag soll nur auf- Euro für Böhmhilfe. Gespräche mit landseinsatz“ geschrieben habe. gezeigt werden, dass auch außerhalb Weggefährten und Filmeinspie- Dabei habe ich erfahren, dass die der Kirche große vorbildliche An- lungen geben einen Eindruck über meisten ehrenamtlichen Helfer, die strengungen unternommen werden, die Arbeit der Organisation und u.U. bereit sind, erhebliche Risiken die dem Aufbau der Welt dienen. Der über den Menschen Karlheiz und große Einschränkungen auf sich Hl. Geist wirkt auch in Nichtchris- Böhm, der sein Leben seit mehr als zu nehmen, um Menschen in Not zu ten, der offiziellen Kirche Fern- 20 Jahren in den Dienst Äthiopiens helfen, mit Religion und „Gott“ herz- stehenden, in Agnostikern und sogar stellt: „Ich habe immer eine Wut lich wenig zu tun haben. Ich hatte in erklärten Atheisten. Um mit dem über die ungeheure Diskrepanz z.B. große Schwierigkeiten in die Ta- Hl. Augustinus zu sprechen: „Viele, zwischen Reichtum und Armut ver- schenbücher ein Kapitel einzufügen, die sich in der Kirche wähnen, sind spürt“. Insgesamt flossen nach An- dass mit „Gebete/Meditation im Ein- gaben seiner Organisation „Men- außerhalb derselben, und viele die satz“ (Ein Angebot) überschrieben scheinbar außerhalb stehen, befinden schen für Menschen“ etwa 185 war. Mio. Euro nach Äthiopien. Darüber sich in ihr.“ (vgl. dazu die dogmati- Ein anderes Beispiel: Seit mei- sche Konstitution über die Kirche hinaus gelang es Böhm nach Ab- nem Ausscheiden aus dem Arbeits- sprache mit den örtlichen Religi- „Lumen gentium“ Nr. 16 des II. stab Humanitäre Hilfe im Auswärti- Vatikanums) onsführern die grausame genitale gen Amt im Jahr 1995 habe ich mich Verstümmelung von jungen Mäd- aus nahe liegenden Gründen beson- Überlegungen zum Zeitfaktor chen in den von ihm betreuten Re- ders intensiv für die Erhöhung des gionen zu unterbinden. völlig unzureichenden Haushaltstitel An der Frage, wann die Welt eine • „Nigerianerin entgeht Steinigung“ für humanitäre Soforthilfe eingesetzt. – Die zum Tode durch Steinigung Fehlende Geldmittel verhindern gewisse Stufe der Vollendung er- verurteilte Nigerianerin Safyiatu nachweislich das Retten von Men- reicht hätte, scheiden sich seit Hussaini ist gestern in einem welt- schenleben. Dabei hatte ich intensi- mindestens 2.000 Jahren die Geister. weit beachteten Prozess im Beru- ven Kontakt mit einflussreichen Selbst im Neuen Testament gibt es fungsverfahren freigesprochen wor- CDU-Abgeordneten und legte ihnen darüber gegensätzliche Auffassun- den. Die Verurteilung hatte Protes- als intimer Kenner der Fakten be- gen. Es würde den Rahmen dieses te von Frauenorganisationen ausge- weiskräftige Unterlagen vor. Der kleinen Beitrages sprengen, zu dieser löst. Die mittelalterliche Ausle- „Lebensretter“-Haushaltstitel wurde spannenden Frage einen Geschichts- gung der „Scharia“ kommt zuneh- jedoch weiter abgesenkt. Erst im Jahr abriss zu geben. Es soll daher erst mend in die Kritik der Welt- 2000 wandte ich mich an die konfes- mit der jüngsten Geschichte begon- öffentlichkeit und kann sich auf sionslose SPD-Abgeordnete Uta nen werden. Nach dem 1. und 2. Dauer nicht halten. Titze-Stecher (Fürstenfeldbruck). Weltkrieg gingen viele Menschen • „Schulbesuch wieder möglich“– Dieser menschenfreundlichen und davon aus, dass mit der Gründung Kabul. Etwa eineinhalb Millionen engagierten Haushaltsexpertin ge- der Vereinten Nationen, die Zeit der afghanische Mädchen und Jungen lang es trotz erheblicher Widerstän- Kriege endgültig überwunden sei dürfen landesweit wieder zur Schu- de im Sparhaushalt, den Titel Huma- und nur noch die Zusammenarbeit le gehen. nitäre Hilfe im Auswärtigen Amt in- der Völker zum Wohle aller Men- Es gibt noch mehr „Anemonen“ nerhalb von zwei Jahren von 58 Mio. schen im Vordergrund stehen würde, in dieser Zeitung. Sie verstecken sich auf insgesamt 103 Mio. DM (52,5 so wie es in der UNO-Charta veran- teilweise unter Negativmeldungen, Mio. Euro) zu steigern. Sie vertritt kert ist. Diese Annahme hat getro- weil Aufklärung und öffentliche Be- ernsthaft – also nicht nur in Sonn- gen. Zahllose Stellvertreterkriege kanntgabe in der Regel Besserung tagsreden – die Auffassung, dass GG wurden geführt. Was die Fehlein- zur Folge hat. Auch die heutige Art. 1(1) „Die Würde des Menschen schätzung der Zeit anbelangt soll der Zeitungsausgabe enthält wieder zahl- ist unantastbar“ auch für Afrikaner Vollständigkeit halber erwähnt wer- reiche Berichte über menschliches gilt. Mit diesen beiden Beispielen den, dass Nikita Chruschtschow, der Fehlverhalten, was in der Regel am soll nicht geschmälert werden, dass ehemalige Generalsekretär der ehesten unsere Aufmerksamkeit an- KPdSU, Anfang der Sechziger Jahre zieht und Vorurteile verfestigt. „Bad von den gläubigen Katholiken jähr- verkündete, dass die Sowjetunion news are good news!”“ lich in den großen Spendenaktionen wie Adveniat, Misereor, Missio, Ren- bereits im Jahr 1980 den Zustand ovabis und den Sternsingern fast eine des Kommunismus erreichen werde. Nichtchristen mit Christen halbe Milliarde DM (250 Mio. Euro) Auch diese Prognose ging gründlich vereint aufgebracht werden – und das daneben. Nach dem Fall der Berliner Während meiner Tätigkeit als teilweise seit 40 Jahren. Darüber hi- Mauer und nach dem Ende des Ost-

56 AUFTRAG 248 ZUM BILD DES SOLDATEN

West-Konflikt verbreitete sich die folgreichste Krisenprävention dar- senheit und Freude durchzuführen, Meinung, eine lange Zeit des Frie- stellt. Die Entstehung der Bundes- auch wenn die Früchte ihres mühe- dens sei angebrochen. Ein bedeuten- republik Deutschland ist dafür das vollen und teilweise gefährlichen der Berater des Präsidenten der Ver- beste Beispiel. Dienstes erst in Jahrzehnten geern- einigten Staaten, Francis Fukuyama, tet werden, so wie sie jetzt Früchte sprach sogar vom „Ende der Ge- Vorurteile durch den Glauben ernten, die von anderen vor Jahr- schichte“. Die „Agenda for Peace“ überwinden zehnten mit großen Anstrengungen der Vereinten Nationen von 1991 gesät wurden. geht auf diesen Irrtum ein und analy- Gelegentlich hört man von aus 2.Die katholische Militärseelsorge siert, wie kaum je zuvor, die neue dem Balkan zurückkehrenden Bun- sollte sich neben der Einzelseel- und alte Lage der Welt und schlägt deswehrsoldaten: „Unsere Einsatz ist sorge, wo sie sich um die persönli- realistische Schritte vor, die Geisel völlig sinnlos! Wenn wir uns eines Ta- chen Belange der Soldaten küm- des Krieges einzudämmen und ges zurückziehen, dann schlagen sich mert, auch auf die Sinnhaftigkeit schließlich ganz verschwinden zu die verschiedenen Ethnien wieder die des soldatischen Tuns in der lassen, ohne einen Zeitrahmen fest- Köpfe ein. Die Bewohner des Balkans Friedenskonsolidierung hinweisen, zulegen. In diese Überlegungen sind haben über Jahrhunderte Krieg um so zur Motivation beizutragen. die Gedanken von über fünfzig Staa- gegeneinander geführt und werden 3.Es wäre sinnvoll und wünschens- ten eingegangen. Der deutsche An- das weiterhin so tun. Die sind eben wert, wenn sich noch mehr Mitglie- teil mit der langjährigen Erfahrung so.“ Gerade wir Deutschen sollten der der GKS und der kath. Militär- vom „Wandel durch Annäherung“ ist mit solchen Vorurteilen vorsichtig seelsorge mit der Pastoralkonsti- deutlich zu erkennen. sein. Nicht wenige Deutsche haben tution „Gaudium et spes“ und der in ihren Köpfen Jahrzehnte ge- „Agenda for peace“ der Vereinten In größeren Zeitabständen braucht, um von einem faschistisch Nationen vertraut machten. Beide denken geprägten Obrigkeitsstaat zu einer Dokumente haben eine herraus- entwickelten Demokratie zu gelan- ragende Bedeutung für das 21. Jh. Im Auswärtigen Amt habe ich gen, die dem Frieden in der Welt die- und darüber hinaus. wie bereits erwähnt eine große An- nen will (Präambel GG). 4.Die Deutsche Bischofskonferenz zahl von Akten humanitärer Kata- hat einen Vorschlag des Katholi- strophen studiert und dabei die Ein- Langfristige Abschaffung des schen Militärbischofsamts befür- schätzung der jeweiligen Hilfsorga- Krieges wortet, eine personelle Verstärkung nisation und der entsprechenden der Militärseelsorge – vornehmlich Botschaft zu den Ursachen in über Die Vereinten Nationen sind gut Pastoral- und Gemeindereferenten hundert Konflikten kennen gelernt. beraten, die internationale Friedens- – vorzunehmen, damit Priester ver- Dieser kleine Einblick in einen Aus- truppe in absehbarer Zeit nicht völlig stärkt die Soldaten in den Aus- schnitt der Hauptursachen für Pro- vom Balken abzuziehen. Noch hat landseinsatz begleiten können. bleme in Welt hat genügt, um zu er- sich keine stabile Zivilgesellschaft Den Militärpfarrern kommt in die- kennen, dass die wesentlichen Ursa- entwickelt. Es ist sicher nicht über- sem Zusammenhang eine besonde- chen der Konflikte nicht in Jahrzehn- mäßig optimistisch, wenn man davon re – wie es sogar im Weißbuch ten, sondern eher in Jahrhunderten ausgeht, dass Kriege zur Lösung von 1994 heißt – eine unverzichtbare gelöst werden können. Vgl. hierzu in zwischenstaatlichen und innerstaatli- Aufgabe zu: Sie haben die Soldaten AUFTRAG 244/Juli 2001, S. 51 ff., chen Problemen in den nächsten geistlich vorzubereiten und sie in den Beitrag „Gedanken zur Krisen- zwei- bis dreihundert Jahren durch Gefahr zu begleiten, ihnen wo not- prävention – eine kritisch-positive intelligentere Formen der Konflikt- wendig beizustehen und Trost zu Betrachtung“. Man muss sich daran bearbeitung abgelöst werden, so wie spenden. Einerseits sollte den Sol- gewöhnen, in ganz anderen Zeit- das jetzt schon in großen Teilen Eu- daten in Gottesdiensten, wo mög- dimensionen zu denken, um nicht die ropas und Amerikas der Fall ist. lich in Eucharistiefeiern, angebo- Übersicht zu verlieren. Unterschied- Dabei kommt der Demokratisierung ten werden, sich mit der Energie- liche Entwicklungsstufen sollten von Staaten eine bedeutende Rolle quelle des Friedens zu verbinden. nicht ignoriert werden, Wunschden- zu, weil rechtsstaatliche Demokrati- Andererseits werden die Militär- ken darf nicht zu falschen Schlüssen en erfahrungsgemäß keine Kriege pfarrer durch persönliches Beispiel führen. In dieser Frage scheint auch miteinander führen. Die Zonen des und durch Nähe zu den Soldaten – ein wesentlicher Unterschied zwi- Friedens müssen ständig erweitert wie es jetzt schon in bewunderns- schen einigen Auffassungen der werden. werter Weise geschieht – auch kon- Befürworter der Bundeswehr und der fessionell nicht gebundene Solda- „Friedensbewegung“ zu liegen. Die Schlussfolgerung für die GKS ten für den wahren Friedensdienst Konzentration auf Probleme, die in und die katholische gewinnen. einer bestimmten Zeit gelöst werden Militärseelsorge 5. Der Hl. Geist ist es, der die Vollen- können, sollte im Vordergrund ste- dung der Welt betreibt. Sie ist des- hen. Dazu gehört in jedem Fall die 1.Die Mitglieder der Gemeinschaft halb nicht aufzuhalten. Das sollte „Friedenskonsolidierung in der Katholischer Soldaten (GKS) soll- allen am Friedensprozess Beteilig- Konfliktfolgezeit“, welche im derzei- ten sich nicht davon abbringen las- ten die notwendige Gelassenheit tigen Weltalter nachweislich die er- sen, ihren Dienst mit großer Gelas- und innere Sicherheit geben. ❏

AUFTRAG 248 57 BLICK IN DIE GESCHICHTE Die Wiederbewaffnungsdebatte in der Adenauer-Ära und die katholische Kritik Kritik und Zustimmung im katholischen Spektrum von Verbänden und Amtskirche

Vorwort welchen Argumenten theologischer, moralischer und BALDUR HERMANS politischer Art seinerzeit die Debatte pro und contra iederbewaffnung – das war ein Reizwort in geführt wurde, sollte in einer historischen Fach- der noch jungen Bundesrepublik Deutsch- tagung am 25. März 1998 geklärt werden. Da der so Wland mit spalterischer Kraft bis in die kirchli- genannte „Essener Kreis“ im Bund der Deutschen Ka- chen Gemeinschaften hinein. Heute mutet die Dis- tholischen Jugend eine besonders engagierte Rolle in kussion jener Zeit bereits eher befremdlich an, auch der damaligen Auseinandersetzung einnahm, waren wenn im Bogenschlag zu unserer Zeit Elemente der vor allem auch Zeitzeugen jener Jahre wichtige Ge- damaligen Argumentationen pro und contra nach- sprächspartner während der Fachtagung. klingen bei der Diskussion um den Zivildienst im Ver- Die Tagung ergab zudem, dass es bereits drin- hältnis zur Wehrpflicht, um die Neuorientierung der gender Initiative bedarf, das Quellengut jener Zeit zu NATO mit möglicherweise erheblichen Konsequenzen sichern und die Generation der Beteiligten und Ver- für die Auftragsbestimmung der Bundeswehr, bei der antwortlichen auf ihr Zeitzeugnis hin zu befragen. Kritik an deutschen Rüstungsexporten, nicht zuletzt Und was sich noch ergab, war die Erkenntnis, dass es bei der „Entsorgung“ von DDR-Kriegsgerät, das oft in der jungen Generation an einem brennenden und nicht in den Hochöfen, sondern auf den Kampfplät- kämpferischen Interesse für die politischen Grundfra- zen Asiens und Afrikas gelandet ist. gen unserer Zeit fehlt. Ob und mit welchem denkba- Aber alle aktuelle öffentliche Diskussion um ren „Erfolg“ sei dahin gestellt, denn auch das ju- Friedensbewahrung und Friedenssicherung heute gendliche Protestpotential der 50er- und der späten stellt sich im Vergleich zur Wiederbewaffnungsde- 60er-Jahre wurde letztlich vom gesellschaftlichen batte der 50er-Jahre fast harmlos dar. „Establishment“ bewältigt – aber doch nicht ganz Wie intensiv, mit welchem Hintergrund und mit ohne Veränderungsprozesse!

Die Wiederbewaffnungsdebatte – auch im Katholizismus der Weimarer Kritik und Opposition auf katholischer Seite Republik nicht die Mehrheit dar. Aber sie hatten bis 1933 ihren Status ARNO KLÖNNE in und ihren Anteil an der katholi- schen Öffentlichkeit und waren nicht Sechs Thesen zen der Wiederbewaffnungspolitik, „diskriminiert“, was sich etwa an der ähnlich die Katholischen Männer- Stellung des „Friedensbundes Deut- n der katholischen Jugendzeitung werke, die KAB und Kolping. Im scher Katholiken“ ablesen lässt. „Die Wacht“ stand im Frühjahr Laufe der Auseinandersetzung um Warum war dies nach 1945 und I1950 zu lesen: „Sollen wir mor- einen westdeutschen „Wehrbeitrag“ – auf die konkrete historische Ent- gen wieder mit Gewehr in Vorhalte zu wurden die anfänglich durchaus be- scheidungslage hin – ab etwa 1952 Füßen brüllender Sklavenhalter im achtlichen Gegentendenzen im Ka- so ganz anders? Und um welche Mo- Dreck hocken? Deutschlands Jugend tholizismus rasch schwächer. Mitte tive, Argumente, Perspektiven ging sagt in ihrer überwiegenden Mehr- der fünfziger Jahre war diese katholi- es der minderheitlichen und dann heit: Nein! Wenn man uns in den sche Opposition zur Wiederbewaff- peripher werdenden katholischen Sumpf stoßen will, hört jede Höflich- nungspolitik auf eine Randgruppen- Opposition gegen die Wiederbewaff- keit auf. Wer von Remilitarisierung position oder gar Außenseiterexis- nung in der Bundesrepublik? spricht, verdient Kinnhaken.“ tenz zurückgedrängt. Dieser histori- Diese Meinungsäußerung ent- sche Sachverhalt bedarf der Erklä- Thesen sprach einer um diese Zeit im deut- rung. schen Katholizismus, insbesondere Zuvor ein weiter zurückgreifen- 1.Soweit zwischen 1950 und 1956, seiner jungen männlichen Genera- der Hinweis: Die katholischen Pazi- also ab dem Weg in die Wiederbe- tion, weit verbreiteten Stimmung. fisten, Antimilitaristen, Kritiker der waffnung“, katholischerseits Kritik Schon wenige Jahre später war der nationalen militärischen Machtpoli- und Opposition auftraten, waren Bund der Deutschen Katholischen tik allgemein und der deutschen sie in ihren Inhalten sehr hetero- Jugend eine der zuverlässigsten Stüt- „Wehrtradition“ speziell stellten gen, etwa: prinzipielle Verneinung

58 AUFTRAG 248 WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

von Krieg und Kriegsdienst, „ur- lands nach einer Wiedervereini- tigsten Instrument der Ausgren- christlich“ begründet (z.B. Reinhold gung? Oder die „Entnationalisie- zung von Kritikern; z.B. der „Fall Schneider, Johannes Fleischer); rung“ der Politik, der Übergang Reinhold Schneider“: der damals Warnung vor dem Wiederaufleben zum supranationalen Gewalt- prominenteste katholische Literat der spezifischen preußisch-deut- monopol? Die denkbaren Alterna- wurde binnen kurzer Zeit zur „Un- schen Militarismustradition (z.B. tiven ließen sich vermehren ... person“ gemacht. in der Zeitschrift „Besinnung“, z.T. Ging es um prinzipiellen Pazifis- auch in den „Frankfurter Heften“); mus? Oder um Opposition speziell 5.Die katholischen Bischöfe setzten Wiederanknüpfung an die Kriegs- gegen den deutschen Militarismus sich ab 1952 eindeutig für den und Militärkritik des „Friedens- bzw. dessen Wiederkehr? Das westdeutschen „Wehrbeitrag“ ein – bundes“ aus den Weimarer Zeiten Spektrum der Politikbilder war anders als die evangelischen Kir- (z.B. Nikolaus Ehlen, Josef Rüther, hier sehr weit angelegt. Hinzu ka- chenleitungen. Das Gewicht der Josef Emonds); konkrete histo- men Mentalitätsunterschiede bei episkopalen Stellungnahme war risch-situative Kritik an der Wie- den beteiligten Generationen. Die bei den katholischen Verbänden in derbewaffnung unter innen- und katholischen „Altpazifisten“ auf Sachen Politik weitaus höher, als außenpolitischen Aspekten (z.B. der einen Seite; die durch es bis 1933 gewesen war. Unter einige ZentrumspolitikerInnen, Kriegserfahrungen grundskeptisch den besonderen Umständen des insbesondere , der gewordenen ehemaligen jungen NS-Staates waren fast alle katholi- Windthorstbund, auch Autoren der Soldaten auf der anderen Seite ... schen Verbände – anders als vor „Werkhefte katholischer Laien“, 1933 „amtskirchlich“ transfor- hier mit Kritik an der „Kriegs- 3.Ein Teil der spezifisch katholi- miert. Diese Struktur dauerte nach theologie“ verbunden); auf der schen Opposition gegen den 1945 weiter an. Der BDKJ ist ein Kriegserfahrung 1935-45 und der „Wehrbeitrag“ war in sich relativiert wichtiges Beispiel dafür. Dies ließ Kritik an der damaligen „amts- durch die besonderen historisch- „politischen“ Minderheiten kaum katholischen“ Loyalität beruhende politischen Umstände der west- einen Raum. Die enge Verbindung Opposition (z.B. literarisch Hein- deutschen Wiederbewaffnung. Von mit der CDU/CSU als führender rich Böll, gefühlsmäßig manche Wiederkehr „preußischer“ Ambiti- Regierungspartei kam hinzu. katholische Jugendgruppe); Oppo- onen konnte kaum die Rede sein, sition gegen die Wiederbewaff- wenn es um einen „Wehrbeitrag“ in 6.Historisch und mentalitätsge- nung, weil sie den Kalten Krieg der Adenauerschen westeuropä- schichtlich war m.E. für die anheize, explosiven Antikommu- isch-atlantischen Einbindung ging. Schwäche der „innerkatholischen“ nismus fördere und die deutsche Das Recht auf Kriegsdienstverwei- Pazifisten und Wiederbewaffnungs- Wiedervereinigung vereitele (dies gerung (das sich gegen Widerstän- gegner nach 1945 entscheidend: u.a. zu finden im „Arbeitskreis ka- de, aber immerhin auch dank ka- Für alle kirchlich stark gebunde- tholischer Jugend gegen die tholischer Einflüsse durchsetzte) nen Katholiken gab es ein „unbe- Wiederaufrüstungspolitik“, in kam traditionell-katholischen Vor- wältigtes“ Kapitel der Geschichte „Glaube und Vernunft“ – Ludwig behalten entgegen. Und: Erstmals der katholischen Kirche in Zimmerer, Essen); Kritik an der in der Geschichte der deutschen Deutschland. Völlig eindeutig hat- Wiederbewaffnung als Ausdruck Politik seit 1871 war der Katholi- ten die deutschen Bischöfe zur Zeit der „Adenauerpolitik“ generell – zismus Hauptteilhaber der politi- des NS-Regimes zur „eifrigen und alternativ dazu die Forderung schen Macht ... Pflichterfüllung“ im Hitlerdeut- nach dem Gespräch mit dem Os- schen Militär- und Kriegsdienst ten“ (z.B. Joseph Wirth, Wilhelm 4.Die katholische Opposition gegen aufgerufen. Die Traditionslinie ei- Elfes). die westdeutsche Wiederbewaff- nes katholischen Pazifismus bzw. Dieser oppositionelle Komplex war nung brach sich nicht zuletzt an einer katholischen Militärkritik in sich widersprüchlich, und zum der kommunistischen Politik – und war in Deutschland damit kirchen- Teil enthielt er kaum vereinbare an der demagogischen Verwertung amtlich gebrochen – und dies in Motive, was auch heißt: Er war nur derselben durch die Befürworter Zeiten einer nationalsozialisti- wenig „politikfähig“. des „Wehrbeitrags“. Die Politik in schen Militär- und Kriegspolitik. der DDR lief früh auf Militarisie- Diesen Vorgang „aufzuarbeiten“, 2.In den politischen Konsequenzen rung im dortigen Kontext hinaus. hätte nach 1945 bedeutet: Die einer Ablehnung des „Wehrbei- Das legitimierte wiederum die kirchlichen Autoritäten hätten im trags“ aufseiten der katholischen westdeutsche Wiederaufrüstung. Hinblick auf die jüngste deutsche Oppositionskreise zeichnete sich In der aufgeheizten Stimmung des Vergangenheit prinzipiell in Frage keine vereinheitlichende Perspek- Kalten Krieges konnten Oppositio- gestellt werden müssen ... tive ab. War die absolute Verwei- nelle in Westdeutschland nur zu Diejenigen, die dies taten, gerieten gerung gegenüber jedwedem Mili- leicht als „Freunde der Kommunis- unter den damals bestehenden Be- tär anzuzielen? Oder eine „kon- ten“ diffamiert werden. Inner- dingungen an der Rand der Kir- trollierte“ Bewaffnung Deutsch- katholisch wurde dies zum wich- che.

AUFTRAG 248 59 BLICK IN DIE GESCHICHTE Stellung der katholischen Kirche zum Ost-West-Konflikt – katholische Unterstützung der Wiederbewaffnungspolitik Adenauers

ERNST JOSEF NAGEL

atürlich kann man Argumente vate der SPD vor 1933. Katholiken Feindschaft gegenüber dem Sozialis- pro und contra in der Wieder- hingegen bekannten sich in ungleich mus sowie die Furcht vor grundlegen- Nbewaffnungsfrage analytisch stärkerem Maße zur Bundesrepublik, den Neuerungen in Wirtschaft und voneinander trennen. In der Wirk- zumal als die Verhältnisse in der Gesellschaft ... Konsequentes demo- lichkeit aber sind es zwei hochkom- DDR bekannter wurden und sich of- kratisches Denken ist ihr fremd. Sie plizierte Begründungswelten, die fensichtlich negativ stabilisierten (5/ denkt in den Kategorien des Stände- sich hier gegenüberstehen und deren 36). staates der veralteten katholischen eine man ohne das Spiegelbild der Diese Spannung, so scheint mir, Soziallehre, ... wie sie heute in Spani- anderen kaum versteht. trennte nicht nur die kirchliche, son- en begriffen wird.“ (Zit. n. 16/302) Anselm Doering-Manteuffel dern in ganz ähnlicher Form auch Adenauer rückt so in die Nähe von schreibt unter dem Titel „Die Kirchen die politische Szene. Jedenfalls äh- Franco. und die EVG“ den Satz, der m.E. neln sich die Argumente, die etwa Dass diese Einstellung Schuma- zum hermeneutischen Schlüssel die- von Kirchenpräsident Niemöller und chers in der Kirche sehr wohl wahr- ser Jahre werden kann: „Die Haltung vom SPD-Vorsitzenden Schumacher genommen wurde, zeigt das Gemein- der beiden Kirchen in der Bundes- kamen, in auffälliger Weise. same Hirtenwort der Bischöfe vom republik in der Frage der politischen In der Kürze der hier gegebenen 14. Juli 1949 zur ersten Bundestags- und militärischen Westintegration Zeit möchte ich auf vier Differenz- wahl: Der Text erinnert an manch war ... im Anfang ein direktes Spie- punkte aufmerksam machen: unerfüllte Wünsche der katholischen gelbild ihrer Einstellung gegenüber 1.Die Bundesrepublik ist klerikalis- Kirche im Hinblick auf die Konfessi- dem neugegründeten Staat“ – gegen- tisch-katholisch. onsschule. Die liberalistischen und über der Bundesrepublik Deutsch- 2.Aus dieser klerikalistischen Sicht sozialistischen Hintermänner tragen land (6/317).1) Die heikle Westinte- ist die Einheit ganz Deutschlands Schuld daran. In diesem Zusammen- gration, verbunden mit deutschen unerwünscht. hang steht auch folgende Klage: „Wir Verteidigungskräften, korrelierte 3.Die einseitige Betonung der Frei- müssen noch auf einen Angriff hin- demnach mit der Bejahung bzw. der heit unter Vernachlässigung der so- weisen, der von sozialistischer Seite Ablehnung des „Provisoriums“ zialen Gerechtigkeit führt zu einem gegen die Kirche und gegen die Bi- Bundesrepublik und der Aussicht kapitalistischen Modell europäi- schöfe erfolgt ist. Man hat sich nicht auf eine schnelle Umwandlung in ei- scher Einigung und transatlanti- gescheut, die Tatsache, dass die Bi- nen vereinigten deutschen Staat. scher Komplizenschaft. schöfe pflichtgemäß zu wesentlichen Wie wörtlich der provisorische Cha- 4.Gesamtdeutsche Interessen kön- Fragen des öffentlichen Lebens vom rakter der Bundesrepublik um 1949 nen auch vom besetzten West- Standpunkt unseres Glaubens aus genommen wurde, erhellt der Vor- deutschland aus wirksamer vertre- Stellung genommen haben, zum An- schlag, den Carlo Schmid (16/354) ten werden, als Adenauer es will lass zu nehmen, die Kirche mit einer zur provisorischen Bundeshauptstadt und tut. fünften Besatzungsmacht zu verglei- genüsslich in seinen Erinnerungen chen.“ (10/59) Letzteres, so die Fuß- erwähnt: „Ich ... meinte, um klarzu- 1. Die Bundesrepublik, ein note von Heinz Hürten, war ein Aus- machen, wie ernst es uns mit dem pro- klerikalistisch-katholischer Staat spruch Kurt Schumachers: Die ka- visorischen Charakter der Bundes- tholische Kirche war fünfte Besat- republik war, sollten wir in einer Schumacher äußerte sich zwar zungsmacht. Barackenstadt an der Demarkations- bisweilen positiv, doch in der Regel Ganz ähnlich distanziert sich linie tagen. Ich wurde ausgelacht.“2) sehr geharnischt speziell gegen die Martin Niemöller von der Bundes- Geradezu im Kontrast hierzu katholische Kirche (2/63). Schon republik. Bekannt ist sein Spruch stand wenigstens beim hohen Klerus seine Ablehnung des Schuman-Plans den er um 1950 ab der Synode in nicht so sehr das Provisorium, son- verdeutlicht die Richtung: Der Lund tat, „die Bundesrepublik sei ein dern die Bundesrepublik als wenigs- Montanvertrag umfasse nicht Euro- Kind, das im Vatikan gezeugt und in tens vorläufiges Definitivum im Vor- pa, vielmehr nur den Teil Europas, Washington geboren wurde“ (3/256). dergrund. Im Gegensatz dazu distan- der „die Brutstätte des Kapitalismus, Niemöller war gewiss kein Philo- zierten sich erhebliche Teile der des Klerikalismus und der Kartelle kommunist, vielmehr ein – sagen wir evangelischen Tradition von der ist“ (zit. n. 1,I/423). deutscher Patriot. Nur so ist jene Si- Bundesrepublik und legten den Ak- Die Verbindung von Klerikalis- tuation verständlich, die sein Bio- zent auf die Wiedervereinigung. Dies mus und Kapitalismus im Zusam- graph wie folgt darstellt: „Als er er- fiel ihnen umso leichter, als die pro- menhang mit der Politik der Bundes- klärte, ihm wäre ein vereintes testantischen Stammlande – Bran- regierung gehört zu Schumachers Deutschland unter kommunistischer denburg, Thüringen, Sachsen – in Alltagsvokabular. Er sah die CDU Herrschaft immer noch lieber als ein der SBZ lagen. Und nebenbei: Dies als eine reine Interessenvertretung, auf Dauer geteiltes Vaterland, glaub- waren auch die großen Wählerreser- „die nicht viel mehr verbindet als ihre ten viele, er habe den Verstand verlo-

60 AUFTRAG 248 WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE ren.“ (3/57f) Bischöfe jedenfalls wie hung haben starke Spuren hinterlas- nicht absichern können. Dibelius oder Lilje konnten Niemöl- sen. Die Niederlage bringt das Gefühl Allemal und unabhängig davon ler in seiner Ablehnung der Bundes- zur Verzweiflung. Da gibt es nichts zu bestand zwischen Rom und Adenau- republik nicht folgen. Niemöllers machen, da gibt es von dem preußi- er große Übereinstimmung über den Spruch jedoch verdeutlicht, wie sehr schen oder verpreußten Bevölkerungs- wahren Charakter des Stalinsystems. er die Bundesrepublik Adenauers teil nichts zu hoffen (sic). Das sind Adenauer: „Meine Überzeugung, dass ablehnte. Sie war nicht weniger ab- Barbaren. Sie haben nichts gelernt Stalin von jeher die Absicht gehabt stoßend als ein kommunistisches und nichts begriffen. In den Gegen- hatte, Westdeutschland möglichst Deutschland. den Westdeutschlands oder unzerstört in seine Hände zu bekom- Damit ging Niemöller über die Süddeutschlands, wo das Christen- men, hatte sich immer mehr gefestigt Vorbehalte Schumachers hinaus. tum tief eingedrungen ist, ist jedoch ...“ (1/348) Darum seine Sorge, dass Schumacher hat Grotewohl nie ver- der Geist nicht derselbe. Mit diesen die 60.000 kasernierten VOPOS ziehen, die SPD in die SED3) geführt Bevölkerungen und mit ihren christli- nach dem Vorbild von Korea die zu haben. Schumacher war sich der chen Elementen muss man arbeiten Bundesrepublik erfolgreich „befrei- Gefahr des Kommunismus sehr wohl ...’“ (398) en“ könnten5). „Ich war fest über- bewusst und wollte in dieser Hin- D’Ormesson fügt dem seine Ein- zeugt, dass Stalin für Westdeutsch- sicht keinerlei Risiko eingehen. Und schätzung der vatikanischen Sicht land das gleiche Vorgehen plante wie in dieser Frage bestand auch zwi- hinzu: Im Vatikan hege man „keiner- in Korea.“ (1/349) Diese Sicht ent- schen ihm und Carlo Schmid volle lei Illusion über den wirklichen Geis- spricht den Vorstellungen der päpst- Übereinstimmung: „Ich hatte keine teszustand der Deutschen. Das beweist lichen Weihnachsbotschaften und Illusionen: Die Unterhändler der wiederum, dass man im Vatikan sich der auch in der deutschen Bevölke- Sowjetzone würden die Annahme ihrer bewusst bleibt, welche verhängnisvolle rung vorherrschenden Angst vor volksdemokratischen Rezepte zur Be- Gefahr für Deutschland und den Frie- „dem Russen“. dingung einer jeden ‘gesamtdeut- den die Wiederherstellung der völli- Zugleich aber setzt auch Ade- schen’ Einigung machen. Und diese gen deutschen Einheit bedeuten wür- nauer auf einen möglichen deutsch- Rezepte schienen mir nach den Erfah- de. Es ist aber zu bemerken, dass man landpolitischen „Deal“ der Groß- rungen, die man in der Ostzone ge- seit einiger Zeit dem Heiligen Stuhl mächte. Nur gelänge er aus einer Po- macht hatte nicht annehmbar zu den Ruf angehängt hat, er betreibe sition gleicher Stärke eher als auf der sein.“ (16/287) die Rückkehr zur deutschen Einheit ja Basis einseitiger Wehrlosigkeit: sogar dass er diese offen verlange. „Man darf niemals den Glauben da- 2. Aus klerikalistischer Sicht ist Mehrere Indizien führen mich dazu, ran verlieren, dass es doch möglich die Einheit ganz Deutschlands zu glauben, dass diese Einschätzung sein wird und sein muss, Schwierig- unerwünscht ein wenig zu summarisch ist.“ Der keiten zwischen den einzelnen Län- Botschafter verspricht, am Ball zu dern auf friedlichem Wege beizule- In seinen „Erinnerungen“ zitiert bleiben. gen. Aber ich war und bin fest davon Carlo Schmid4) einen Bericht des Carlo Schmid hat dieses Doku- überzeugt, dass die Neigung, Mei- französischen Vatikanbotschafters ment drei Männern gezeigt: Schuma- nungsverschiedenheiten auf friedli- Wladimir d’Ormesson vom 19. Sep- cher, Adenauer und von Brentano. chem Wege zu bereinigen ... wesent- tember 1948. Adressat war der loth- Er wollte keine „Kulturkampfatmos- lich stärker ist, wenn jeder der Betei- ringische Katholik Außenminister phäre erzeugen“. Mir geht es nun ligten weiß, dass ein Krieg auch für Schuman, Gegenstand bildete ein nicht darum, den historischen Gehalt ihn ein ungeheures Risiko in sich Gespräch mit Msgr. Tardini über das des Berichts zu prüfen. Hat Tardini birgt.“ (1/356) konfessionelle Schulwesen und die dies wirklich gesagt, und wie reprä- Geltung des Reichskonkordats in der sentativ ist es für die damalige Posi- 3. Die Betonung der Freiheit französisch besetzten Zone. Tardini tion des Vatikans? Dies will ich nicht unter Vernachlässigung der warnte davor, in Deutschland nach klären. Vielmehr verdeutlicht mir sozialen Gerechtigkeit führt zu französischem Modell die laizisti- der Bericht die Position von Zeitge- sche Schule einzuführen. Die Bevöl- nossen wie Schumacher oder Nie- einem kapitalistischen Modell kerung würde sich dem entgegenstel- möller in der Wiederaufrüstungs- europäischer Einigung und len. Dies könne nicht im Interesse debatte. Und auch für Adenauer transatlantischer Komplizen- Frankreichs liegen. musste es klar sein: Wenn wirklich schaft Das nun untermauert Tardini mit freie Wahlen in Thüringen oder folgendem Argument: Man könne Sachsen stattfänden, hätte die SPD Auch in einer dritten Hinsicht „ausschließlich auf die katholischen die Nase vorn. Dass dort einmal ähnelten sich die Positionen Nie- Kreise die einzige vernünftige Hoff- CDU-Ministerpräsidenten regieren möllers und Schumachers: „Der nung gründen, dass in Deutschland würden, war um 1950 unvorstellbar. Schreck über die Atomwaffen saß uns Friede herrscht. ‘Der ganze Rest’, Und mit einer gesamtdeutschen seit 1945 in den Knochen, kommen- sagte mir mit einer ganz besonderen SPD-Regierung hätte die katholische tierte (Niemöller). In jenen Jahren Heftigkeit Monsignore Tardini, ‘ist Kirche ihre Vorstellungen über kam ich zu der Überzeugung – und nationalistischer und sogar nazisti- Staat-Kirche-Beziehungen – vor al- bin bis heute dabei geblieben – dass, scher als je. Täuschen Sie sich darin lem die Konfessionsschule, damals nach Hitler, Truman der größte Mas- nicht. Zehn Jahre hitlerischer Erzie- eines ihrer ernstesten Anliegen – senmörder aller Zeiten war.“ (3/259)

AUFTRAG 248 61 BLICK IN DIE GESCHICHTE

Die USA und deren Pläne waren für Hier verbindet sich die Kritik an Programm von 1925, wenn nicht gar Niemöller wie für Schumacher stets der Bundesrepublik mit Schuma- schon im Erfurter Programm von mit Argwohn zu behandeln. Bei sei- chers Vorbehalt gegen westlich-kapi- 1891 angezeigt. Dort aber war sie ge- ner Ablehnung des Deutschland- talistische Staaten. Bei der Debatte rade verbunden mit der Entkonfes- vertrags urteilt Schumacher vor der um die Petersberger Abkommen am sionalisierung der Schule und mit United Press, dies sei „eine plumpe 22.11.1949 fiel Schumachers Wort der Verdrängung der Kirche aus der Siegesfeier der alliierten-klerikalen vom „Bundeskanzler der Alliierten“ Öffentlichkeit (2/63), Schumachers Koalition über das deutsche Volk“. (16/453f). Es führte zu einem regel- Ziel war ein „sozialistisches Euro- „Wer diesem Generalvertrag zu- rechten Aufruhr im Bundestag, zur pa“, das mit dem christlichen Euro- stimmt, hört auf, ein guter Deutscher Aussperrung Schumachers, dann pa eines Pius XII. unvereinbar blieb. zu sein.“ (1,I/533) Bei der Unter- aber doch zu einer schriftlichen Ent- Es fällt leicht, sich vorzustellen, wo- zeichnung des Deutschlandvertrags schuldigung, die Adenauer annahm. hin die Neigung der Katholiken am 26. Mai 1952 war denn auch kein Den Streitpunkt bildete für Schu- trieb. SPD-Repräsentant im Bundesrats- macher, dass Deutschland mit den Das Petersberger Abkommen er- saal zugegen. westlichen Alliierten einen Vertrag möglichte 1949 den Zutritt zum Eu- Hier schlug Schumachers gebro- erst eingehen könne, wenn die De- roparat8), die Integration der Bundes- chene Erinnerung an seinen ersten montage definitiv gestoppt wäre. Die republik in das freie Europa. Doch USA-Besuch durch: Im August 1947 Bundesrepublik dürfe zu keinerlei Schumacher lehnte ab. Sein Argu- hatte Schumacher die USA besucht, Vorleistungen bereit sein. Hier wird ment war die Saarfrage. Der Beitritt doch den SPD-Plänen schenkten sei- bereits deutlich, wie sehr Schuma- „bedeute die völkerrechtliche Aner- ne Gesprächspartner damals wenig cher überzeugt war, deutsche Inter- kennung der einseitigen machtpoli- Beachtung. Carlo Schmid kommen- essen sozusagen im Clinch gegenü- tischen Separation dieses Gebietes tiert dies so: „Diese Enttäuschung ber den Siegermächten durchzuset- vom deutschen Staatskörper durch wirkte lange nach. Sie war einer der zen zu können. Frankreich. Die Zustimmung zum Gründe, warum er nur selten bereit Noch tiefgreifender als die natio- Eintritt der Bundesrepublik in den war, Ratschlägen aus den Vereinigten nale Komponente war die Differenz Europarat käme einer Billigung die- Staaten zu folgen.“ (16/300).6) bei der europäischen Einigung. Im ses Gewaltaktes gleich ...“ Auch kön- deutschen Katholizismus loderte die Bis zu seinem Tod am 22. August ne Adenauer die Abtrennung der 1952 hat Schumacher seinen Arg- Begeisterung für Europa. Gerade die Ostgebiete dann nicht mehr als Un- wohn gegen die westlichen Staaten Aussöhnung mit Frankreich wurde nicht verhehlen können. Auch zum Zenit der Zukunftshoffnung. Die recht anprangern. Ein weiteres, m.E. Frankreich unter dem dann auch völkerverbindende Brücke zu den das entscheidende Argument gegen noch katholischen Außenminister Katholiken der westlichen Länder, das Petersberger Abkommen bildete Schuman verdiente höchste Vorsicht. besonders zu Frankreich, manifes- die Idee hinter dem wirklichen Darum seine Ablehnung des Schu- tierte sich bereits auf dem Kölner Straßburg: Es sei nicht mehr die so- man- wie des Plevenplans: „Durch Dombaufest August 1948: Der Pari- ziale Gerechtigkeit, sondern „eher den Schuman-Plan werde die Wirt- ser Kardinal Suhard richtete einen Ausfluss von Traditionen der europäi- schaftskraft Deutschlands, durch den brüderlichen Brief an Kardinal schen Schwerindustrie“. Ein anderes, Vertrag über die Europäische Frings. Zur Versöhnung der Deut- ein nationales Argument ergab der Verteidigungsgemeinschaft das Men- schen mit ihren Kriegsgegnern rief SPD-Parteitag im Mai 1950 in Ham- schenpotential Deutschlands in den der Bischof von Roermond auf. Die- burg: Die sicherheitspolitischen Ent- Dienst einer französischen Diplomatie ser Impuls zeigte sich sehr stark bei scheidungen würden nicht mehr von gestellt.“ (16/482) Ganz anders erin- Pax Christi und in der für den Deutschen für Deutschland gefällt. nert Felix von Eckhardt die Position deutsch-französischen Austausch en- Sie fielen transatlantisch, d.h. wir Adenauers: Dieser habe ihm immer gagierten Zeitschrift „Dokumente“. blieben dabei wehrlos dem Willen wieder gesagt „Der Gedanke Schu- Im Hintergrund steht bei den anderer anheim gestellt. Daher die mans sei es gewesen, das alte Miss- Katholiken der Aufbau eines „christ- Entscheidung gegen einen deutschen trauen zwischen Frankreich und lichen Abendlands“ ohne präzise in- Beitritt zum Europarat (16/457f). Deutschland dadurch zu beseitigen, haltliche Füllung. Doch umso leich- dass man gemeinsam über die Roh- ter war diese Europaidee politisch 4. Gesamtdeutsche Interessen materialien – Kohle und Stahl – ver- auf der emotionalen Schiene ver- können auch vom besetzten füge, die für jede Rüstung unentbehr- wendbar (11/88f). Hier traf sich die Westdeutschland aus wirksamer lich seien Damit sei jeder Gedanke an deutsche Grundsehnsucht mit dem vertreten werden, als Adenauer heimliche Rüstungen erledigt ... Acht von Pius XII. nicht endenden Aufruf Monate dauerten die Verhandlungen, in all seinen Weihnachtsbotschaften: es will und tut dann konnte der Vertrag unterzeich- Das friedliche Europa der Zukunft Carlo Schmid schreibt: „Kurt net und schließlich im Januar 1952 musste von Christen geprägt sein – Schumachers Beurteilung der politi- ratifiziert werden.“ (7/183) Die Frage Atheisten, vor allem solche Moskau- schen Problematik des Jahrs 1947 war, ob der deutsche Katholizismus er Prägung, fanden in ihm keinen lässt sich in den folgenden Sätzen zu- eher den Aussöhnungsgesten Ade- Platz. sammenfassen: Die Sowjetunion ist nauers und Schumans oder den Schumacher war keineswegs ge- der Hauptfeind eines demokratischen dunklen Warnungen Schumachers gen eine europäische Einigung,7) Sie Deutschlands; sie will Deutschland folgen würde. war bereits im Heidelberger SPD- unter ihre Kontrolle bringen, um die

62 AUFTRAG 248 WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE alles beherrschende Macht in Europa nicht in die Hände der Sowjets fällt. so unmöglich wie ohne die Ein- zu werden. Damit verträgt sich nicht, In einer deutschen Armee sah er kei- beziehung der Bundesrepublik. Dar- dass die Staaten Europas enge Bin- ne Chance: Als Wiedergutmachung um solle die SPD dem Bestreben der dungen mit den USA eingehen.“ (16/ sollten unsere Truppen für die USA Westalliierten nach einem festen 302) Diese Argumentation ist auf ei- sterben. Und deutsche Offiziere wür- Weststaat folgen. Am schärfsten ge- nen ersten Blick nur schwer ver- den mit ihren Truppen überlaufen, gen Schumacher trat Ernst Reuter ständlich, zumal Schumacher stets „da sie eine zwecklose Vernichtung (Berlin) auf (16/320): Reuter plä- äußerst negativ zur These von einer ihrer Truppen zur Deckung des alli- dierte für einen starken Staat im frei- deutschen Brücke zwischen Ost und ierten Rückzugs nicht verantworten en Teil Deutschlands, das auf die West stand: „ hörte könnten“ (16/413ff). Das war gar SBZ wie ein Magnet wirken würde: nie auf, vor der Auffassung zu war- nicht so anders bei Adenauer. Doch „Über kurz oder lang werde dies die nen, Deutschland habe die Funktion für Schumacher stand fest: Alle Russen zwingen, ihre der Wiederher- der Brücke und des Vermittlers zwi- Wünsche Deutschlands müssten vor stellung der Einheit eines demokrati- schen ‘russischem Sozialismus’ und der Aufrüstung erfüllt sein. Deutsch- schen Deutschlands widerstrebende ‘westlichem Kapitalismus’ wahrzu- land dürfe keinerlei Vorleistungen Politik zu revidieren. Von dieser Ge- nehmen.“ (16/303) Ebensowenig war erbringen (16/422). Darin unter- wissheit aus leistete Ernst Reuter der Schumacher für deutsche Neutrali- schied er sich von Adenauer. Politik Kurt Schumachers erbittert tät, einer These, der Carlo Schmid zu Auswirkungen dieser Forderung Widerstand, soweit sich dieser der Beginn der Nachkriegszeit noch an- „keine Vorleistungen“ zeigten sich Umwandlung der drei Westzonen in gehangen hatte, von der er sich aber bei der Unterzeichnung des Montan- einen westdeutschen Staat widersetz- bereits 1946 trennte – bezeichnen- Vertrags (18.04.1951) Schumacher te.“ (16/323) Und Reuter hatte star- derweise schon 1946 mit dem Argu- sah darin den endgültigen Verzicht ken Einfluss auf die Militär- ment, dann müssten die Weststaaten auf das Saarland. Anders Adenauer: befehlshaber, besonders auf General allzu stark aufrüsten, um Deutsch- Mit der ihm eigenen Zähigkeit9) be- Clay. Darum blieb Schumachers land verteidigen zu können. Dazu gab er sich auf den Weg hartnäckiger Einfluss auf die Alliierten wiederum wären sie wohl kaum bereit, also Verhandlungen. Und mit der Unter- begrenzt. bliebe als Alternative nur, dass sie zeichnung des Saarstatuts am 23. Carlo Schmid sekundierte uns Stalin überlassen (16/417). Dies Oktober 1954 in Paris hatte er er- Schumacher in diesem Punkt: „Je aber konnte man nicht wollen. reicht, was alle in Deutschland woll- weniger die durch die widersprechen- Schumacher argumentierte also ten: Die Saarbevölkerung stimmte den Interessen der Besatzungsmächte – im Gegensatz zu anderen FDP – mit 67,7 % dafür, das zehnte deut- geschaffenen Tatbestände konsoli- und SPD-Politikern nicht neutralis- sche Bundesland zu werden (16/ diert werden, desto wahrscheinlicher tisch. Er war jedoch fest überzeugt, 559).10) sei, dass die Verhältnisse einen durch die Lage Deutschlands an der Adenauers Ausdauer-Politik wur- Zwang auf die Besatzungsmächte Blockgrenze ein Faustpfand zu besit- de mehrheitsfähig, erschien realisti- ausüben werden, in Viererverhand- zen, mit dem man erheblichen Druck scher als die Alles-oder-Nichts-Posi- lungen über Deutschland einzutre- auch auf die USA ausüben könnte. tion Schumachers. Einer der frühen ten.“ (16/328) Vierer-Konferenzen McCloy wandte sich warnend gegen Erfolge Adenauers – immer im Geleit waren die große Hoffnung. Dass an Schumachers These: „Wir bekommen mit McCloy – war, dass sich die ihrem Ende freie gesamtdeutsche sowieso alles. (Die Westalliierten) Westalliierten auf der Außenminis- Wahlen stünden, schien machbar. müssen uns gegen den Osten verteidi- terkonferenz 1950 in New York ver- Die Vorbehalte der Sowjetunion, gen, sonst werden wir kommunis- pflichteten: „Sie werden jeglichen aber auch Frankreichs gegen ein tisch.“ (zit n. 16/482) McCloy ver- Angriff gegen die Bundesrepublik freies, dann auch noch bewaffnetes wies warnend auf isolationistische oder Berlin, von welcher Seite er auch Gesamtdeutschland schienen über- Strebungen im amerikanischen Se- kommt, als einen gegen sich selbst ge- windbar. nat, vor allem auf eine nicht unwich- richteten Angriff behandeln.“ (1/364) Sobald die Währungsreform am tige Gruppe um Senator Taft, die nur Interessant ist dabei auch, dass die 20. August 1948 geschehen war, er- auf einen Anlass warte, um ihre Vor- Schumachersche Ablehnung der Po- öffneten die Alliierten den stellungen mehrheitsfähig zu ma- litik Adenauers in dieser Härte in Minsterpräsidenten11) – die Partei- chen. Erler hielt diese Gefahr 1952 der SPD selbst auf Widerstand stieß. führer wurden nicht eingeladen – bis für nicht gegeben. Generell gab es Konflikte zwi- zum 1. September 1948 eine verfas- Doch Schumacher wie auch ex- schen Schumacher und den SPD-Mi- sunggebende Versammlung zur Er- plizit Erler sahen mehr Chancen für nisterpräsidenten. Diese wollten ei- richtung eines westdeutschen Staat eine selbstbewusste deutsche Au- nen schwachen Bund. Vor allem einzuberufen. Sie wollten einen „der ßenpolitik. Im Vorfeld der Brüsseler Wilhelm Högner (Bayern) entfrem- Substanz nach ‘richtigen’ westdeut- NATO-Ministertagung von Dezember dete sich in dieser Frage von schen Staat“ (16/330). General Clay 1950 fordert Schumacher, die USA Schumacher. Schumacher fand Wi- beklagte sich (16/331), die Deut- müssten 60 Divisionen in Deutsch- derspruch etwa von Wilhelm Kaisen schen wollten keine Verantwortung land und zwar an der Elbe aufstellen, (Bremen): Wir sollten erst das eige- übernehmen und sich auf die sonst würden die USA uns nicht ver- ne Haus bestellen und das in enger Besatzer verlassen – gerade auch teidigen, vielmehr das Ruhrgebiet Anlehnung an die Westmächte. was Berlin angeht. Dies sei für beim Rückzug vernichten, damit es Europapolitik sei ohne Westbindung Deutschland gefährlich. Im Juli

AUFTRAG 248 63 BLICK IN DIE GESCHICHTE

1948 trafen sich die Ministerpräsi- Erler – müsse deutsche Politik der eller Anhänger der Außenpolitik der denten auf dem „Rittersturz“ bei Welt vermitteln. Nötig seien deut- Bundesregierung (9/315) war.“ Doch Koblenz. Die Parteivorsitzenden wa- sche Einheit und Einheit ganz Euro- Wehner wie auch Ollenhauer hielten ren als Gäste eingeladen. Man konn- pas (16/460). In seinen Erinnerun- sich mit Kritik zurück, da sie „bereits te sich für den Weststaat nicht er- gen merkt Carlo Schmid (492) hier damit rechneten, dass Schumacher wärmen. Die Alliierten nahmen sich erstmals an, er habe im Schuman- die Forderung nach einer Vier-Mäch- die Ministerpräsidenten einzeln vor. Plan viele Vorteile gesehen. Und te-Konferenz aufgreifen wolle, um die Bei Reuter hatten sie den besten Er- nach seiner Rede im Bundestag, in selbstverständlich unvermeidliche Ab- folg. Er war es auch, der bei einem der er die Montan-Union für die lehnung durch die Alliierten gegen erneuten Treffen der Ministerpräsi- SPD-Fraktion abgelehnt hatte, Bundeskanzler Adenauer auszuspie- denten den Ausschlag gab: Ein west- schreibt er: „Ich gestehe, dass mir bei len“ (9/318). McCloy beruhigt Was- deutscher Staat sei schon wegen diesen Ausführungen nicht ganz wohl hington, die Kritik bei der SPD werde Berlins unbedingt erforderlich. war.“ (1 6/519)12) „nur jenes Maß erreichen, das not- Reuter überzeugte die Ministerpräsi- Nur einen Monat später, im Juni wendig sei, um einen Fall gegen Ade- denten. Carlo Schmid widersprach 1950, kam es dann zur Koreakrise. nauer zu konstruieren“. So wurde bis vergebens. Die Außenminister der westlichen in die SPD-Spitze hinein klar, dass Von März 1948 bis April 1949 Drei trafen sich im September 1950 Schumachers Kurs die eigenen Kräf- lag Schumacher krank im Bett. Tref- in New York. Dort betonte McCloy te überschätzt hatte, um an der effek- fen in seinem Krankenzimmer erga- starke US-Truppen seien in Deutsch- tiven Gestaltung eines dauerhaft ben, es solle kein deutscher West- land notwendig. Dazu sei dann auch friedlichen Nachkriegseuropas eine staat gegründet werden, der nun ein deutscher Beitrag erforderlich, Spur zu ziehen. auch deutscherseits die Spaltung wenngleich nicht in der Form einer Schumachers Position Ende verewigte. Der Akzent sollte auf Eu- eigenen nationalen Armee. Dies tat 1950 war nicht mehrheitsfähig. Doch ropa außerhalb Deutschlands liegen. er auf dem Hintergrund eines Memo- ebenso wenig blieb Adenauer in der „Auf dem Düsseldorfer Parteitag randums, das er von Adenauer erhal- eigenen Regierung ohne Wider- 1948 warnte (Schumacher) vor einer ten hatte. trat zu- spruch. Im Gegenteil, nach Auffas- Europapolitik, die zu einem Ost- rück und gründete die GVP. sung von Carlo Schmid war der Wi- block und einem Westblock führen Schumacher erklärte zu den New derstand von Minister Kaiser damals könnte.“ (16/305) Yorker-Beschlüssen, er stimme zu, stärker als der der SPD. Adenauers Diese Hoffnung verblieb, wenn- wenn die Alliierten das gleiche Risi- Westpolitik schien sich von der Wie- gleich die Hochkommissare im Juni ko tragen würden wie wir; wenn star- dervereinigung wegzubewegen. So 1949 die westdeutschen Politiker ke US-Einheiten, 60 Divisionen „an suchte Kaiser verzweifelt nach einem über die Ergebnisse, besser die Er- der Elbe“ stünden. Damit reagierte anderen Konzept. Deutschland sollte gebnislosigkeit der Pariser Vierer- er mit Adenauer gegen mögliche US- als Brücke zum Osten dienen, was Konferenz, unterrichteten. Man war Ideen, Europa sei am Rhein zu ver- praktisch die Neutralisierung forder- zur eigentlichen Deutschlandfrage teidigen (16/498ff). te. Dieses vereinte Deutschland kön- gar nicht vorgedrungen. Schumacher Am 24. Oktober 1950 folgte ne sowjetischen Avancen widerste- äußerte sich danach in aller Deut- dann der Pleven-Plan. In einer Re- hen. Ökonomisch jedoch sollte es im lichkeit: „Es sei ausschließlich Schuld gierungserklärung vierzehn Tage Westen integriert sein und auch den der Sowjets, dass es nicht zu einer Ei- später vor dem Bundestag plädierte militärischen Schutz des Westens nigung über Deutschland gekommen Adenauer für Annahme. Schumacher behalten. Kaiser glaubte, die Gunst ist. Ihre Parole von der Einheit reagierte u.a durch kritische Anmer- der Stunde sei so zu nutzen. Es kam Deutschlands, die sie anstrebten, sei kungen zu den Alliierten: Deutsche zu harten Kontroversen mit Adenau- eine Schwindelparole. Die Deutschen Soldaten dienten deren Interessen. er. sollten begreifen, dass aus einer mit Frankreich wolle nur ein sicheres Auf diesem Hintergrund muss Hilfe der Russen zustande gekomme- Glacis im Kampfgebiet zwischen man die Diskussion im deutschen nen Vereinigung Deutschlands nichts Elbe und Rhein. Ähnlich vertrete die Katholizismus sehen, beispielsweise anderes herauskommen kann als eine USA nur eigene Interessen. Deutsch- im immer wieder verwendeten das ganze Deutschland umfassende land brauche die waffentechnische Weberschen Begriffspaar „Gesin- russische Provinz’.“ (16/403) Überlegenheit der Angelsachsen: nungsethik vs. Verantwortungsethik“ Dennoch wurde der Versuch wei- „Ein Kampf ohne Aussicht sei ein (5/42). So kam es, dass Kaiser in der ter betrieben, die Siegermächte zu Kampf ohne Sinn.“ Dies traf CDU nicht mehrheitsfähig wurde einer für die deutsche Einheit favo- sicherlich zu; nur, welcher US-Präsi- und dass es selbst in dem hoch in- rablen Lösung zu bewegen. Knapp dent würde 60 Divisionen eigener dustrialisierten Bundesland Nord- ein Jahr später, im Mai 1950, ging es Soldaten an die Elbe entsenden, rhein-Westfalen der SPD in den um den Schuman-Plan. Schumacher wenn die Deutschen ihre und nur 50er-Jahren nicht gelungen (war), in begründete seine Ablehnung mit ihre nationalen Interessen verträten? Landtagswahlkreisen mit mehr als dem Argument, die Mächte hinter In diesem Zusammenhang er- 40 % Katholiken ein Direktmandat dem Europarat hätten bewiesen, dass wähnt Hermann Graml Herbert zu erringen“ (2/68). Die Position sie die deutsche Frage nicht als Wehner, der „wie so viele unter Schu- Adenauers schien an der Basis über- „Menschheitsfrage“ ernst nehmen. machers starrer Obstruktionspolitik zeugender zu wirken. Diese Vision – so auch immer wieder leidende Sozialdemokraten ein parti- *

64 AUFTRAG 248 WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

Wenn ich nun die vier Punkte deutsche Armee zu konzipieren, auszustatten. Adenauer lehnte die- noch mit der Urteilsbildung unter die preußischem Militarismus sen Vorschlag ab. Zu deutscher Ein- den deutschen Katholiken in Bezie- ebenso entging wie der bedin- heit führe kein Weg außer über die hung setzen darf, so ergibt sich fol- gungslosen Bindung der Wehr- Stärke Gesamteuropas, von dem aus gendes Bild: macht an den Befehl des Führers. auch eine Neuordnung Osteuropas 1.Sahen die Katholiken in den anti- Die Bundeswehr sollte nicht ermöglicht würde! Dies war klerikalen Attacken der Gegner ei- wieder Staat im Staate sein, son- sicherlich auch taktisch gegen ner Westintegration einen Angriff dern der Freiheit und Demokratie Heinemann und Niemöller gedacht. auf sich selbst. Schumacher wie der Bundesrepublik dienen. Tatsächlich aber gewann Adenauer Niemöller oder der Abgang Heine- 4.Fand die Opposition zur Westbin- damit auch die mehrheitlich evange- manns haben das katholische La- dung der Bundesrepublik kaum lischen Vertriebenen. ger konsolidiert. Zustimmung, wenn man politisch Die CDU festigte sich interkon- 2.Wuchs spätestens seit der Berlin- und realistisch die Chancen deut- fessionell. Heinemann verwandelte blockade 1948 das Bewusstsein, scher Sicherheitspolitik einschätz- die Notgemeinschaft im November dass der Bedrohung aus Moskau te. Adenauers zähe Verhandlungs- 1952 in die „Gesamtdeutsche Volks- nur im Verbund mit den West- politik erhielt viel Glaubwürdig- partei“. Ihre Ziele blieben die der mächten begegnet werden konnte. keit, jedenfalls mehr als die großen Notgemeinschaft: keine Westbin- Zu einer negativen Einschätzung Töne Schumachers oder Erlers. dung, Neutralität, Aussöhnung. Stalinscher Politik trug wesentlich Erler (52) wendet sich gegen die Heinemann wollte die GVP als die die Kirchenpolitik im Ostblock bei UN-Untersuchungskommission, evangelische Partei profilieren: Die – seien es die Verfolgungen von Po- die in Gesamtdeutschland feststel- Rede war nur noch von der katholi- len bis Ungarn13), sei es die 1946 len soll, ob Bedingungen für wirk- schen CDU, vom katholischen Kanz- erzwungene Eingliederung der lich freie Wahlen bestehen: „Die ler deren Ziel das einheitlich-katho- unierten Kirche der West-Ukraine Aufgabe ist nicht die Untersu- lische Westeuropa sei. Hilfe erhielt in die Orthodoxie. chung, sondern die Schaffung der die GVP von der Bekennenden Kir- 3.Glaubte man, das Konzept einer Voraussetzungen für freie Wahlen che, jetzt den „Bruderräten“ von „sozialen Marktwirtschaft“, wie es in allen vier Zonen.“ Welches Martin Niemöller. Das Organ „Stim- Müller-Armack entwickelte und Deutschland hätte Stalin oder auch me der Gemeinde“ unter Pfarrer Minister Ehrhard propagierte, sei nur Frankreich zwingen können? Mochalski titelte: „Die Wehrmacht nicht nur von den gegebenen Mög- Adenauers Politik war umsichtiger des Herrn Frings.“ Für die zweite lichkeiten die relativ beste. Die und hatte ja Erfolge. Wenn es ernst Bundestagswahl vom 17. Juni 1953 Versuche vor allem der Walberber- wurde wie in Berlin oder in Korea, erwartete Pfarrer Mochalski einen ger Dominikaner um PP. Siemer erfuhr man, auf wen Deutschland „Erdrutsch“. Der aber blieb aus. Die und Welty, einen „christlichen So- angewiesen war. CDU gewann 14 % hinzu, erstaun- zialismus“ zu entwerfen, blieben licherweise auch in mehrheitlich bald nur noch in kleinen oppositio- Erlauben Sie mir abschließend evangelischen Gebieten. Die GVP nellen Kreisen lebendig. Die noch – auch in gewisser Weise als endete bei 1,1 %! Dies war eine Be- Gerechtigkeitsvorstellungen Schu- Bestätigung eine Begebenheit, die stätigung der katholischen Ver- machers, einschließlich der Verge- sich im Vorfeld der Bundestagswahl bandsentwicklung zur Frage wie ein sellschaftung der Schlüsselindus- 1953 abspielte, zu schildern. Im No- Sieg für beide Amtskirchen – auch trien, jedenfalls kamen gegen das vember 1951 gründen Heinemann, für Bischöfe wie Dibelius oder Lilje Eigentumsrecht in der katholi- Niemöller und Helene Wessel (Zen- in der EKD. So war die Ratifizierung schen Soziallehre nicht an. Ins trum) die „Notgemeinschaft für den der Verträge gesichert. Doch – so Zentrum rückte die Bewahrung der Frieden Europas“, eine Sammlungs- schließt Doering-Manteuffel 1985 - bedrohten Freiheit. „Frieden um bewegung gegen militärische und „national-neutralistische Feindschaft jeden Preis“14) fand keine Zustim- sonstige Westintegration, pro deut- gegenüber der Bundesrepublik und mung, die Freiheit durfte jedenfalls sche Einheit, pro Neutralität und die nicht selten gesinnungsethisch nicht der Preis des Friedens sein. Aussöhnung mit dem Osten. Adenau- motivierte Aversion gegen die Grund- Verantwortungsethik verlangte – er war besorgt, dass die CDU in der prinzipien der westdeutschen Sicher- dies war immer wieder der Aufruf öffentlichen Wahrnehmung als ka- heitspolitik sind bei einzelnen Grup- der Weihnachtsbotschaften: Vertei- tholische Partei erscheinen könne. pen bis heute erhalten geblieben und digung der Freiheit als Recht und So kam es im März 1952 in Siegen nach wie vor virulent.“ (6/335) 1985 als Pflicht, der sich niemand ent- zur Gründung des „Evangelischen war noch die Zeit der Friedensbewe- ziehen darf, auch nicht der Staat, Arbeitskreises“ in der CDU. Initiator gung, eines Eppler, der 1951 als As- dessen Freiheit momentan nicht war Herrman Ehlers, der immer sistent für Gustav Heinemann in die bedroht ist. Weltweite Solidarität schon Niemöller und Heinemann GVP eingetreten war. aller demokratischen Staaten in ei- deftigen Widerstand entgegengesetzt Glücklicherweise haben wir heu- nem System, das man später „kol- hatte. Die Schlussrede hielt Adenau- te das vereinte Deutschland. Und lektive Sicherheit“ nennen wird, er. Eine knappe Woche zuvor hatte aus heutiger Distanz steht es uns gut sei das Gebot der Stunde. Um die- Stalin in der ersten Note dieses Jah- an, uns in die damalige Lage zurück- ser Freiheit willen verlegte der res den Vorschlag unterbreitet, zuversetzen und an uns selbst die BDKJ dann auch nach Elmstein Deutschland zu neutralisieren und Frage zu richten, welche Fehler wir 1952 alle Energie darauf, eine mit einer gesamtdeutschen Armee wohl damals gemacht hätten.

AUFTRAG 248 65 BLICK IN DIE GESCHICHTE Anmerkungen Literatur 1) Die Zitation ist wie folgt zu lesen erste 8) Mit der ersten Revision des Besatzungs- 1) Konrad Adenauer, Erinnerungen, Band I: Zahl = Titel im Literaturverzeichnis; statuts vom März 1951 wird die Bundes- 1945-1953, Stuttgarter 1987, Band II: zweite Zahl ist die Seitenangabe. republik Vollmitglied des Europarats. 1953-1955, Stuttgart 1966 2) Aus dem gleichen Grund war Carlo Der Preis war: Die Bundesrepublik 2) Jürgen Aretz, Katholizismus und deut- Schmid gegen die Einrichtung des Amtes musste die Auslandsschulden des Deut- sche Sozialdemokratie 1949-1963, in: eines Bundespräsidenten. Der Bundes- schen Reiches übernehmen. Der Gewinn Langner 61-81 tagspräsident sei Repräsentanz genug bestand u.a. darin, dass die Bundes- 3) James Bentley, Martin Niemöller, Eine (16/382). Doch auch dafür fand er keine republik nun erstmals einen „regulären Biographie, München 1985 Mehrheit. Auswärtigen Dienst“ (1/464) aufbauen 3) 1946 gegründet. Bei der Wahl 1949 ei- durfte, wenngleich sich die Alliierten 4) Anselm Doering-Manteuffel, Katholizis- nigte man sich auf „Einheitslisten“: 25 Eingriffsrechte vorbehielten, falls die mus und Wiederbewaffnung: Die Haltung % SED, je 15 % CDU und LDP. Doch Entwicklung in der Bundesrepublik der deutschen Katholiken gegenüber der über die Verbände (10 % FDGB, 5 % demokratieabgewandte Wege einschlug, Wehrfrage 1948-1955, Mainz 1981 FDJ ... erhielt die SED 55 % der Manda- 9) Carlo Schmid (490f) berichtet, in 5) Anselm Doering-Manteuffel, Friedens- te (1/28 f). Deutschland herrsche Anfang der 50er- diskussion und innerkatholisches Selbst- 4) Carlo Schmid, Erinnerungen, Bern-Mün- Jahre die Meinung vor, die UNO wäre verständnis: ein Rückblick auf die Wehr- chen-Wien 1979 imstande „jeden potentiellen Angreifer debatte 1950-1952, in: Wilhelm Korff 5) Adenauer hatte nie Angst, die Rote Armee entsprechend rasch und wirksam zur (Hrsg.), Den Frieden sichern, Düsseldorf würde angreifen (1/353). Im Gegenteil, Ordnung zu rufen“. Die SPD war zu kei- 1982, 32-47 Stalin würde diese zurückziehen und der ner militärischen Beteiligung bereit, so- 6) Anselm Doering-Manteuffel, Die Kirche auf 120.000 Mann geplanten VOPO den lange die Einheit Deutschlands nicht und die EVG. Zu den Rückwirkungen der Eingriff überlassen. Dagegen stand Ade- hergestellt wäre. Die USA und England Wehrdebatte im westdeutschen Protes- nauers Forderung nach einer freiwilligen, wollten aus der militärischen Verantwor- tantismus und Katholizismus auf die po- gut bewaffneten Bundespolizei von bis zu tung für ein fremdes Land heraus. Sie litische Zusammenarbeit der Konfessio- 150.000 Mann (1/351). Eine Aufrüstung verlangten deutsche Streitkräfte und nen, in: Militärgeschichtliches For- der Bundesrepublik lehnte Adenauer lan- zugleich, dass Deutschland sich mit sei- schungsamt (Hrsg.), Die Europäische ge Zeit ab (1/354) – so auch im Adenau- ner vorläufigen Teilung abfinde. Ihnen Verteidigungsgemeinschaft. Stand und er-Memorandum für Außenministerkon- war klar, dass Stalin keine deutsche Ein- Probleme der Forschung, Boppard 1985, ferenz in New York (1/358). heit zu akzeptablen Bedingungen erlau- 317-335 6) Dabei waren Adenauers frühe Erinnerun- ben würde (16/494). Zu allem Überfluss 7) Felix von Eckardt, Ein unordentliches gen an die Alliierten alles andere als po- schloss de Gaulle mit Stalin einen Leben, Düsseldorf 1967 sitiv. Als die Briten ihn nach dem Wahl- Freundschaftsvertrag ab. Dies war das sieg Labours aus dem Amt des OB von Umfeld, im dem die für Deutschland 8) , Soll Deutschland rüsten? Die Köln trieben, bestellten sie ihn ein, boten bestmögliche Politik konzipiert werden SPD zum Wehrbeitrag, o.O., o.J. ihm nicht einmal einen Stuhl an. Als musste. 9) Hermann Graml, Die Legende von der Adenauer sich unaufgefordert setzen 10) Von 1951 bis 1952 stieg die Zustim- verpassten Gelegenheit. Zur sowjeti- wollte, wurde ihm befohlen, stehen zu mung zu Adenauers Politik von 30 auf schen Notenkampagne des Jahres 1952, bleiben. Er mäkelt über die Gründungs- 52 %. (1/108) in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte zeit der Bi-Zone Ende 1946: „Es wurde 29 (1981), 307-341 11) Wie wenig Kompetenzen die Minister- uns sehr viel Demokratie gepredigt, aber 10) Heinz Hürten (Hrsg.), Katholizismus, es wurde wenig demokratisch gehan- präsidenten für eine Bundesregierung staatliche Neuordnung und Demokratie: delt.“ (1,105) Zur gleichen Zeit kritisiert vorsahen, zeigt u.a. die Herrenchiem- 1945-1962, Paderborn 1991 er die Sowjetpolitik der Westmächte: seer Expertentagung (10.-23.08.1941: „Die Politik der Westalliierten uns ge- Bundeseigene Stäbe sollten nur für die 11) Heinz Hürten, Zur Haltung des deut- genüber zeigte leider deutlich, dass sie Außenpolitik, für die Post und für das schen Katholizismus gegenüber der Si- das Ziel der Sowjetunion noch nicht voll Eisenbahnwesen entstehen (16/334). cherheits- und Bündnispolitik der Bun- erkannt hatten. Die Vereinigten Staaten Auch die Finanzaufteilung zwischen desrepublik Deutschland 1948-1960, von Amerika befanden sich im alleinigen Bund und Ländern verlief ausgesprochen in: Langner 83-102 Besitz der Atombombe, und hier sahen kontrovers. Doch um allen Deutschen in 12) Albrecht Langner (Hrsg.), Katholizismus sie in kurzsichtiger Weise eine absolute etwa gleiche Lebenschancen zu sichern, im politischen System der Bundes- Garantie ihrer Überlegenheit gegenüber siegte die Bundesfraktion. republik 1949-1963, Paderborn 1978 einer eventuellen, von Sowjetrussland 12) Dies entsprach jedoch dem Selbstver- 13) Rudolf Morsey, Katholizismus und her drohenden Gefahr.“ (1/95 und mehr- ständnis Schmids: Sozialdemokrat ist Unionsparteien in der Ära Adenauer, in: mals: 106/410) Häufig kritisiert er den man „dadurch, dass man jedes Mal, Langner 33-59 schieren Unsinn der bedingungslosen wenn die Partei vor eine Entscheidung Kapitulation (1/183) und der sinnlosen gestellt wird, sich an eine persönliche 14) Peter Nellen, Reden und Aufsätze, hrsg. Demontage, die häufig nur betrieben Entscheidung wagt und dann für die Ent- v. Heinz Robert Schlette, Düsseldorf wurde, um deutsche Industriekonkurrenz scheidung einsteht, für die sich die Partei 1980 auszuschalten. So wurde die Kamm- ausgesprochen hat.“ (16/460) 15) Josef Rommerskirchen, Den Frieden si- fabrik Kolibiri von einem britischen Offi- 13) Am zweiten Weihnachtstag nach der be- chern: die Kirche in den Auseinanderset- zier demontiert, der in England eine glei- zungen um den Verteidigungsbeitrag in che Fabrik betrieb (1/185). rühmten Weihnachtsbotschaft 1948 wur- de Kardinal Mindszenty festgenommen. den 50er-Jahren, in: Kehret um und 7) Auch hinsichtlich der europäischen Eini- Seinen Leidensweg verfolgte die West- glaubt – erneuert die Welt: 87. Deut- gung bestanden um die Jahreswende presse mit Hingabe und Anteilnahme. scher Katholikentag vom 1. September 1946/1947 in der SPD noch weitgehen- bis 5. September 1982 in Düsseldorf, de Hoffnungen: „In der ersten Phase die- 14) Erst recht konnte man sich in den frühen Paderborn 1982, 165-176 ser Überlegungen war ich irrigerweise 50ern nicht mit den „Rückversicherern“ (1/453) abfinden, die aber ein deutliches 16) Carlo Schmid, Erinnerungen, Bern-Mün- noch der Meinung, dass wenigstens ein chen-Wien 1979 Teil der späteren Satelliten der Sowjet- Licht warfen auf die Stimmung in der Be- union noch für Europa gewonnen werden völkerung der Bundesrepublik: Man fühl- 17) Franz Josef Strauß, Die Erinnerungen, könnte.“ (16/417) te sich dem Osten wehrlos ausgesetzt. Berlin 1989

66 AUFTRAG 248 WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE Diskussionsbericht VERA BÜCKER er Zeitzeuge Hans Schroer*) in deutscher Haft gewesen war, zum erhalten. Auch einzelne Geistliche berichtete, dass er als Diöze- Weißen Sonntag 1948 einzuladen. hätten ihre Kriegserlebnisse glorifi- Dsanleiter der katholischen Ju- Ohne sie davon zu unterrichten, sei- ziert. So erzählte ein Zeitzeuge von gend des Erzbistums Köln in den en auch die Bischöfe von Münster einem Jugendseelsorger, der ihn in 30er-Jahren viel mit dem Oberhau- und Köln eingeladen worden. Bei sein Zimmer mitgenommen, die Uni- sener Kaplan Rossaint zusammen- dem Treffen habe Bischof Théas eine form angezogen und ihm seine Orden gearbeitet habe. Noch 1934 hätten große Friedensansprache gehalten gezeigt habe. Auch ein Regens im sie in Mülheim eine Tagung mit dem und zum ersten großen Pax-Christi- Priesterseminar habe immer wieder Thema „Das Vierte Reich“ abgehal- Kongress nach Lourdes eingeladen. gern über seine Kriegserlebnisse ge- ten, worin sich ihre Überzeugung von Viele Jugendliche der Diözese Müns- sprochen. Diese persönliche Erleb- der zeitlichen Begrenztheit des Drit- ter seien daraufhin im Sommer 1948, niswelt sahen die Zeitzeugen in ei- ten Reiches niedergeschlagen habe. kurz nach der Währungsreform, der nem Spannungsverhältnis zu den Sechs Wochen vor Kriegsbeginn Einladung gefolgt. kirchlichen Ausführungen zu Krieg 1939 sei er bei einem Bataillon in Bis Anfang der 50er-Jahre habe und Frieden, wie sie Papst Pius XII. Köln Soldat geworden und dies bis es bei den offiziellen Organen der äußerte. zu seiner Entlassung aus russischer katholischen Jugend kaum Tenden- Auch Josef Orgass, damals im Kriegsgefangenschaft 1949 geblie- zen gegeben, die die Wiederaufrüs- Kolpingwerk tätig, bestätigte, dass ben. Im August 1944 sei er in Gefan- tung stärkten. So habe im Januar die weltpolitische Entwicklung einen genschaft geraten und durch insge- 1949 im „Fährmann“ ein Artikel allmählichen Meinungsumschwung samt 14 Lager gegangen. Als katholi- „Kriegsgeschrei“ den „Rheinischen eingeleitet habe. Er sei durch die scher Jugendführer habe er zu den Merkur“ wegen dessen Befürwortung persönlichen Erfahrungen von ehe- wenigen Offizieren gehört, die keine der Wiederbewaffnung angegriffen maligen russischen Kriegsgefange- Nationalsozialisten gewesen seien, und ihm Wecken der schlummern- nen gestützt worden, die die Bedro- und sei von daher früh ins Gespräch den Militaristen und Blasen auf der hung aus dem Osten für eine eher mit den sowjetischen Politoffizieren Kriegstrompete vorgeworfen. Die große Gefahr gehalten hätten. So hät- gekommen. Auf Lehrgängen, die er Elmsteiner Erklärung des BDKJ ten auch ihm sowjetische Politoffi- seit 1946 besucht habe, hätten sie führte Harry Neyer daher zu einem ziere gesagt, dass es nur noch eine deutlich gemacht, dass die Sowjet- großen Teil auf Rommerskirchen zu- Frage der Zeit sei, bis sie die Welt- union, nachdem sie Polen und die rück. Sie habe innerverbandlich Dis- herrschaft hätten. Doch erst die ge- DDR ihrem Einflussgebiet einver- kussionen ausgelöst, in der änderte weltpolitische Lage habe den leibt habe, darauf ziele, in den 50er- besonders die „Schar“ in Opposition Befürwortern der Wiederbewaffnung Jahren am Atlantik zu stehen. Daher zum neuen Kurs geraten sei. Doch die Argumente geliefert, um sich ge- würden die Sowjets die Antikriegs- hätte die politische Großwetterlage gen die heimgekehrten Soldaten und bewegung in der Bundesrepublik mit den Stimmungsumschwung unter- ihre „Ohne-uns-Bewegung“ durch- allen Mitteln unterstützen. Nach sei- stützt. Besorgt seien die militärische zusetzen. Ein weiteres Argument, so ner Entlassung habe er diese Erfah- Ausbildung der Volkspolizei der Hans Schroer, sei gewesen, dass die rungen auf Konferenzen, in der Ju- DDR seit 1948, die Einbeziehung Deutschen sich nicht ohne eigenes gendarbeit und beim Verbandsorgan der ostmitteleuropäischen Staaten in Engagement von amerikanischen des BDKJ „Der Jungführer“ weiter- das sowjetische System, die Berliner oder französischen Soldaten verteidi- gegeben. Damit wirkte Schroer im Blockade sowie die zunehmenden gen lassen könnten. Sinne der Adenauerschen Wieder- Kontaktschwierigkeiten mit den Bei der Einführung der Wieder- bewaffnungspolitik am Stimmungs- Menschen in der SBZ und 1950 der bewaffnung habe es Kommissionen umschwung zugunsten einer Wieder- Koreakrieg registriert worden. für Kriegsdienstverweigerer gege- bewaffnung mit und unterstützte den Den Kurswechsel befürwortete ben. Als Bürgervertreter war Hans Kurs des Vorsitzenden Josef Rom- ebenfalls Kardinal Joseph Frings, Schroer in Köln daran beteiligt. Die merskirchen. der auf dem Diözesankatholikentag Kommision habe nur diejenigen als Unmittelbar nach dem Krieg sei im Juli 1950 in Köln sich gegen den Wehrdienstverweigerer anerkannt, der Gedanke „nie wieder Krieg“ in Pazifismus aussprach und damit de die durch schreckliche Erlebnisse der katholischen Jugend weit ver- Diskussion als Vorsitzender der Bi- bei der Vertreibung aus dem Osten breitet gewesen, verbunden mit dem schofskonferenz im Laienkatholizis- oder in langjähriger russischer Ge- Bestreben nach einer Aussöhnung mus beeinflusste. Bei Bischöfen wie fangenschaft psychisch belastet wa- mit den ehemaligen Kriegsgegnern. Lorenz Jäger von Paderborn habe ren. Der damalige Jugendführer der Diö- eine hohe Wertschätzung des Solda- Die Vertreibung habe freilich zese Münster, Harry Neyer, berich- ten weiterhin vorgeherrscht; so hät- nicht unbedingt im Sinne des Pazi- tete, dass der Wallfahrtsleiter von ten „alte Kameraden“ anders als an- fismus gewirkt. So habe nach dem Kevelaer versucht habe, den Bischof dere keine Schwierigkeiten gehabt, Bericht von Herrn Orgass – im von Lourdes, Pierre M. Théas, der bei ihm einen Gesprächstermin zu Essener Kolpinghaus ein Flücht- *) Biographische Daten zu den fett gedruckten Namen im Anschluss an diesen Beitrag. lingsvertreter die Meinung geäußert,

AUFTRAG 248 67 BLICK IN DIE GESCHICHTE dass die Amerikaner, wenn sie klug Aspekt des fortgesetzten Antikom- mit dem Ergebnis durchgeführt, dass wären, den Deutschen Waffen gä- munismus dürfte gewesen sein, dass 92 % ihn ablehnten Zwei Jahre spä- ben, damit sie die Russen hinter den die Katholiken sich nicht als Verlie- ter habe die Zeitschrift Adenauer so Ural jagen würden. rer des Krieges verstanden, sondern bedingungslos unterstützt, dass sie Die Frage der deutschen Einheit zumindest auf der weltanschaulichen als sein Sprachrohr gelten konnte. trat, so die Zeitzeugen übereinstim- Ebene als heimliche Sieger. Daher Die katholischen Sozialverbände mend, hinter dem Gefühl der Bedro- konnten sie das alte Motiv des Anti- hätten so als erste die Opposition ge- hung durch den Bolschewismus zu- christen im Kommunismus ungebro- gen die Wiederbewaffnung aufgege- rück. Sie galt – in Übereinstimmung chen weitertragen. Die deutschen ben. In der DPSG-Zeitschrift sei das mit der Regierung Adenauer – als Katholiken konnten sich durch die Thema Wiederbewaffnung erst im langfristiges Ziel, das erst einmal in Unterstützung von Pius XII. mit sei- Februar 1952 aufgetaucht, zwei Jah- den Hintergrund geriet. Die Gegner ner deutlichen Zurückweisung der re nachdem Churchill – im August der Wiederbewaffnung argumentier- Kollektivschuldanklage, die die ka- 1950 – die Beteiligung Deutschlands ten damit, dass eine Integration tholische Jugend teilweise stark be- an einer europäischen Armee gefor- westdeutscher Truppen in die Euro- schäftigt habe, bestätigt sehen. dert und Adenauer die Notwendig- päische Verteidigungsgemeinschaft Die Zeitzeugen hatten unter- keit eine Woche später in einem (EVG) die Wiedervereinigung un- schiedliche Erinnerungen an das ka- amerikanischen Zeitungsinterview möglich machen würde. Die Befür- tholische Verhältnis zum Militär. Ne- anerkannt hatte. worter hielten dagegen, dass die ben positive Erinnerungen seien ge- Hans Sobek berichtete, dass im westliche Freiheit ein höheres Gut rade im katholisch geprägten rheini- BDKJ die Frage der Wiederbewaff- als die Einheit sei. Das Misstrauen schen Teil des Ruhrgebietes Einstel- nung kaum kontrovers diskutiert gegenüber der Sowjetunion war so lungen getreten, die das preußische worden sei. Der oppositionelle Esse- ausgeprägt, das auch die verschiede- Militär nur als Karikatur vermittel- ner Kreis habe in seiner Zeit als De- nen sowjetischen Neutralisierungs- ten. Sie repräsentierten zwei idealty- kanats- und Stadtjugendführer in Es- angebote der 50er-Jahre zumindest pische Strömungen im Katholizis- sen, 1953-1958, quantitativ keine im BDKJ keine Resonanz mehr ge- mus: Die eine war antimilitärisch, Rolle gespielt Die Schar, aus der funden hätten. weil sie antipreußisch war; die ande- sich der Essener Kreis teilweise rek- Im Antibolschewismus wie auch re, für die Lorenz Jäger als Beispiel rutierte, sei im Führerring des BDKJ in verklärenden Erinnerungen an gelten mag, identifizierte sich mit nie vertreten gewesen. Das Wie der den Krieg wurden kritisch Kontinui- dem preußischdeutschen Militär, Wiederaufrüstung sei wohl diskutiert täten der Mentalität gesehen. Es weil sie auf den Kulturkampf nach worden. Dabei hätten Nebenkriegs- wurde die Frage aufgeworfen, ob der seiner Beendigung seit ca. 1900 mit schauplätze eine große Rolle ge- Antibolschewismus nahtlos an den dem Bestreben geantwortet hatte spielt, die sich aus der Essener Kom- nationalsozialistischen Antikommu- dazuzugehören, um nicht weiter Bür- munalpolitik ergeben hätten. 1955, nismus anknüpfen konnte. Der Krieg ger zweiter Klasse zu sein. Die am 23. Februar, bei einer Kundge- gegen die Sowjetunion hatte der Kir- Wiederbewaffnung bot nun dem bung des DGB in der Essener Gruga che die Trennung zwischen National- deutschen Katholizismus die einma- unter der Überschrift „Wiederauf- sozialismus und Wehrmacht einer- lige Chance dazuzugehören, ohne die rüstung oder gewerkschaftliches Ak- seits und die Akzeptanz des Krieges als fremd empfundene preußische tionsprogramm“ habe Theo Pirker, andererseits erleichtert, denn nun Tradition übernehmen zu müssen, seinerzeit Leiter des Wirtschaftswis- habe in ihren Augen die Wehrmacht sondern erstmalig selbst den Geist senschaftlichen Instituts des Deut- nicht nur gegen ein fremdes Land ge- des deutschen Militärs beeinflussen schen Gewerkschaftsbundes, gespro- kämpft, sondern auch gegen eine an- zu können. chen. Der BDKJ habe gemeinsam dere unchristliche Ideologie zur Ver- Trotz der offiziellen Unterstüt- mit der Evangelischen Arbeiter- teidigung des christlichen Abendlan- zung der Wiederbewaffnung durch jugend zu einem Boykott der Veran- des. Hieran konnte man anknüpfen; den BDKJ seien, so die Zeitzeugen, staltung aufgerufen (s. Kasten gegen- die Erfahrung des Zusammenbru- die jungen Kapläne und die Jugend über). ches und der NS-Gräuel schienen stärker gegen sie eingestellt gewe- Das „Essener Tageblatt“ habe dagegen zu verblassen. Mit einem sen. In der DPSG beispielsweise sei diesen Aufruf in seiner Ausgabe vom persönlichen Erlebnis bestätigte in Düsseldorf über die Frage des 24.02.1955 als „eine entschlossene Herr Orgass die neue Qualität des Wehrbeitrages nicht gesprochen Antwort“ bezeichnet. Er habe sicher- Krieges durch den Angriff auf die worden. Größere Unterstützung habe lich dazu geführt, dass an der Ta- Sowjetunion. Er berichtete von ei- sie bei den Sozialverbänden gefun- gung statt der erwarteten mehreren nem Gespräch zwischen Soldaten, den, denn diese hätten sich stärker Tausend nur ca. 600 Personen teil- das er als Hitlerjunge zufällig gehört mit dem Antimarxismus identifiziert, genommen hätten. habe. Sie sagten, dass es mit ihrer da er ihnen durch Schulungs- und Die Essener Jesuiten, besonders Versetzung an die Ostfront anders Bildungsveranstaltungen vertraut ge- Pater Schröder, hätten den katholi- würde, denn bisher hätten sie es ja wesen sei. Sie seien auch stärker in schen Boykott besonders gefördert. mit Kulturvölkern zu tun gehabt. die Meinung der Amtskirche einge- Das deute darauf hin, dass es sich Auch Betstunden für die Bekehrung bunden gewesen. Doch 1950 hätte auch um einen Nebenkriegsschau- Russland hätten das Gefühl der An- die Zeitschrift „Mann in der Zeit“ platz eines anderen Konfliktfeldes dersartigkeit verstärkt. Ein weiterer eine Leserumfrage zum Wehrbeitrag der Katholiken mit dem DGB gehan-

68 AUFTRAG 248 WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE delt habe. In den Tagen vor Fraktion in Verbindung, der DGB-Kundgebung habe Aufruf des die ihm aus der Fraktion der Führungsrat der deut- Bundes der Deutschen Katholischen Jugend Peter Nellen für das The- und des Ortsausschusses der schen katholischen Jugend ma „Inneres Gefüge – Bür- öffentlich erklärt, dass er Evangelischen Arbeiterjugend in Essen ger in Uniform“ vermittel- prüfen lassen müsse, ob Der Ortsausschuss Essen des Deutschen Gewerk- te. Seine Kernthese sei ge- angesichts der einseitigen schaftsbundes führt am Mittwoch, dem 23. Februar wesen: „Verteidigt Eure Stellungnahmen des DGB 1955, eine Jugendkundgebung durch, die unter dem Freiheit nach innen und den Mitgliedern der ka- Thema „Wiederaufrüstung oder gewerkschaftliches Ak- nach außen dann gibt es nie tholischen Jugend ein Ver- tionsprogramm“ steht. Wir rufen die uns angeschlosse- wieder Kommiss“. bleib im DGB zuzumuten ne Jugend auf, dieser Kundgebung fernzubleiben. Nach Die innere Ausgestal- sei. Auch habe Pater unserer Auffassung gehört die Behandlung der Wieder- tung der Bundeswehr habe Schröder in zeitlicher Nähe aufrüstung allein in die Zuständigkeit des vom Volke ge- somit, anders als ihre Grün- wählten Parlaments. Die Gegenüberstellung von Wie- dung, das Interesse des zu der DGB-Veranstaltung deraufrüstung und gewerkschaftlichem Aktionspro- BDKJ gefunden. Bis in die einen Vortrag in den Städti- gramm, wie sie im Thema vorgesehen ist, kann nach gesetzlichen Maßnahmen schen Werken Essen zum Lage der Dinge nicht zu einer Klärung, sondern nur zu hinein habe der BDKJ auf Thema „Christ und Gewerk- weiterer Verwirrung führen. Aus diesen Gründen for- Bundes- und Landesebene schaft“ gehalten und ver- dern wir die uns angeschlossene Jugend auf, an dieser mitgearbeitet. sucht, eine Art christlicher Veranstaltung nicht teilzunehmen. Die Innere Führung, so Betriebskerne als Vorläufer Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Essen, in der weiteren Diskussion, der späteren wiedergegrün- sei in der Bundeswehr deten Christlichen Gewerk- mit den Gliederungen: Katholische Jung-Männergemeinschaft (Stamm) durchaus nicht unumstrit- schaften ins Leben zu rufen. Deutsche Kolpingfamilie, Bezirksverband Essen ten gewesen. So habe in Im BDKJ habe insge- Jugend der Katholischen Arbeiterbewegung den 60er-Jahren ein Gut- samt die Frage der Wieder- Christliche Arbeiterjugend (CAJ) achten gefordert, die Inne- bewaffnung keine sehr gro- Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) re Führung „fortzuschrei- ße Rolle gespielt. Andere Bund Neudeutschland (ND) ben“, was, wie jeder Insi- Themen wie die Jugendpä- Jung-KKV, Bezirk Ruhr der gewusst habe, ihre Be- dagogik, die Jugendsozial- Bund der Katholischen Kaufmann-Jugend seitigung bedeutet hätte. arbeit, die Betreuung der Deutsche Jugendkraft (DJK) Das von Verteidigungs- Flüchtlinge oder die auf- Katholische Frauenjugend minister Schröder in Auf- kommende Internationali- Stamm Christlicher Arbeiterjugend trag gegebene Gutachten sierung wären auf viel mehr Pfadfinderinnen St. Georg (PSG) habe eindeutig gefordert, Interesse gestoßen. Das Heliand-Bund der Deutschen Mädchen an Höheren den Wehrbeauftragten ab- Jahresthema „Christen in Schulen zuschaffen. Inzwischen aller Welt“, zu dessen Zen- DJK-Frauensportgemeinschaft hatte die Regierung ge- tralveranstaltung im Esse- Aktion junges Schlesien wechselt – zur soziallibera- ner Saalbau KoreanerInnen, len Koalition. Der neue JapanerInnen und andere geladen Verteidigungsminister gewesen seien, hätten die Arbeit im „Sehr geehrter Herr Sobek! Helmut Schmidt habe sich dem aus Führerring viel mehr beschäftigt als Ihr an Herrn Karst gerichteter Brief der SPD-Fraktion an ihn herangetra- konkrete politische Fragen wie die vom 4.7. ist der zuständigen Stelle genen Wunsch widersetzt, die für des Hauses zur Beantwortung über- Wiederbewaffnung. Erst als sie ent- das Gutachten verantwortlichen Ge- geben worden. Zu meinem großen neräle zu entlassen. Schmidt habe schieden war, sei Interesse an der Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, die Reformideen dann in einer Form Frage entstanden, wie sich das inne- dass die Gestellung eines Referen- aufgegriffen, an deren Ende die re Gefüge der neuen Armee gestalten ten für den 17. Juli leider nicht Gründung der Bundeswehruniversi- würde. Am 04.07.1955 habe Sobek möglich ist. Infolge der außeror- täten gestanden habe. an das im Juni 1955 installierte Ver- dentlichen Inanspruchnahme kann Die Möglichkeit der Wehrdienst- teidigungsministerium einen Brief in diesen Wochen eine Anforderung verweigerung sei in den 50er-Jahren mit der Bitte geschrieben, einen Re- leider nicht berücksichtigt werden, in katholischen Kreisen als notwen- ferenten für einen Führerschaftstag zumal die infrage kommenden Her- diger Schutz des irrenden Gewissens des BDKJ zu stellen. Thema dieses ren auf längere Zeit hin vergeben diskutiert woden. Ihre Beratung hät- Tages, der zeitlich bewusst in die sind. Ich bitte Sie um Verständnis ten anfangs Studentengemeinden Nähe des 20. Juli gelegt worden sei für die Situation. und Pax Christi übernommen. Die sei das innere Gefüge einer aufzu- Hochachtungsvoll Annahme sei selbstverständlich ge- bauenden Bundeswehr gewesen. Am i.A. Heusinger wesen, dass Kriegsdienstverweigerer 13.07.1955 habe er Antwort vom ein irrendes Gewissen hätten. späteren ersten Generalinspekteur Daraufhin setzte sich Sobek mit Dahinter habe in der deutschen Kir- der Bundeswehr, Heusinger, be- einer ihm aus der Jugendarbeit be- che bei vielen die – falsche – Vor- kommen: kannten Referentin der CDU/CSU- stellung gestanden, das Zweite Vati-

AUFTRAG 248 69 BLICK IN DIE GESCHICHTE kanische Konzil habe die Kriegs- nungsinitiativen seien vor allem in- Dementsprechend habe die Wieder- dienstverweigerung als mögliche Al- ternationale Friedenswallfahrten ge- bewaffnungsdebatte bei Pax Christi ternative gewertet. Die Beratungs- wesen. Sowohl in Deutschland wie nicht stattgefunden. Erst in den stellen sind in den meisten deut- in Frankreich habe Pax Christi sein 60er-Jahren seien friedenspolitische schen Diözesen in die Jugendämter unpolitisches Selbstbild betont. Themen aufgegriffen worden. ❏ integriert worden. In der Bundesrepublik hätten die Pazifisten somit lange Zeit in der katholischen Kirche einen schweren Stand gehabt. Viele Dis- kussionsteilnehmer meinten, dass auch der Friedensbund Deutscher Katholiken in der Weimarer Zeit diskriminiert worden sei, wenn man im Blick habe, wie der Kölner Kar- dinal und sein Generalvikar mit dem Generalsekretär des Friedens- bundes umgegangen sei. Der Domi- nikaner Franziskus Stratmann habe es wohl leichter gehabt, weil er seinen Orden im Rücken gehabt habe. Nach 1945 sei aus dem Frie- densbund nur noch eine Gebets- gemeinschaft geworden, die nicht mehr politisch gedacht habe. Aus ihm sei Pax Christi hervorgegangen mit dem Selbstverständnis als Ge- betsgemeinschaft. Die Versöh- Aufstellung der Bundeswehr 1956 in Andernach. Bundeskanzler Konrad Adenauer spricht zu den ersten freiwilligen Soldaten. (Archivfoto)

Biographische Daten zum Diskussionsbericht Churchill, Winston Leonard pas; 1951-55 erneut Premierminis- militärischer Berater Adenauers füh- Spencer ter; erhielt 1953 den Nobelpreis für rend am Aufbau der Bundeswehr be- 1874-1965; Offizier im Buren- Literatur. teiligt; seit 1952 Leiter der Militäri- krieg; 1900 Eintritt in die Politik als schen Abteilung der „Dienststelle Mitglied der Konservativen, wech- Frings, Joseph Blank“ (dem späteren Verteidigungs- selte 1904 zu den Liberalen und 1887-1978; Dr. theol.; 20 Jahre ministerium); 1957 erster Generalin- kehrte 1924 zu den Konservativen Pfarrer in Köln, 1937 Regens am spekteur der Streitkräfte; 1961-64 zurück; bekleidete von 1906-29 ver- Priesterseminar Bensberg; 1942 zum als erster Deutscher Vorsitzender des schiedene Regierungsämter: u.a. Bischof geweiht; 1942-69 Erzbischof Militärausschusses der NATO). Handels- und Innenminister, Erster von Köln, 1945-1965 Vorsitzender Lord der Admiralität, Kriegs- und der Deutschen Bischofskonferenz; Jaeger Lorenz Kolonialminister und von 1924-29 1946 zum Kardinal ernannt. Als 1892-1975; 1926-39 Religions- Schatzkanzler; in den 30er-Jahren in Wortführer des deutschen Katholi- lehrer in Herne und Dortmund; Ob- innerparteiIicher Opposition; durch zismus nahm er Einfluss auf die Poli- mann der katholischen Religionsleh- den Verlauf der ersten Kriegsmonate tik und rief bedeutende katholische rer an den Höheren Schulen Westfa- radikale Wende in der britischen Po- Hilfswerke ins Leben: 1959 Misere- litik. Als Premierminister von 1940- or, 1961 Adveniat. Frings war maß- lens; Divisionspfarrer im Zweiten 45 verkörperte Churchill britischen geblich am Zweiten Vatikanischen Weltkrieg; 1941-73 Erzbischof von Widerstandsgeist und Durchhalte- Konzil beteiligt, dessen Präsidium er Paderborn, 1965 zum Kardinal er- willen, legte mit Roosevelt und angehörte. nannt. Dem ökumenischen Gedan- Stalin die Neuordnung für die Nach- ken verpflichtet, gründete er 1957 kriegsära fest und versuchte vergeb- Heusinger, Adolf das Johann-Adam-Möhler-Institut lich, die aggressive Expansionspoli- 1897-1982; Berufssoldat seit für Ökumenik in Paderborn; regte in tik der UdSSR einzudämmen. Nach 1915; 1931 Hauptmann im General- der Vorbereitungsphase des Zweiten der Wahlniederlage 1945 Oppositi- stab, 1940 Generalleutnant und Chef Vatikanums die Einrichtung des onsführer im Unterhaus; prägte im der Operationsabteilung des Heeres; Päpstlichen Rates für die Förderung sich verschärfenden Ost-West-Konf- nach dem Attentat auf Hitler vorü- der Einheit der Christen an (bis likt („Kalter Krieg“) den Begriff des bergehend in Haft; am Widerstand 1988 Sekretariat für die Einheit der „Eisernen Vorhangs“ inmitten Euro- war er nicht beteiligt. Seit 1950 als Christen).

70 AUFTRAG 248 WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

Nellen, Peter Vollversammlung des Zentralkomi- ses; 1982-92 im Vorstand der Stif- 1912-1969; seit 1940 Ober- tees deutscher Katholiken (ZdK), tung Bundeskanzler Adenauer-Haus schullehrer, Soldat im Zweiten Welt- Mitarbeit in der Kommission 8 „Pas- Rhöndorf. krieg 1946 Regierungsrat und Dezer- torale Grundfragen“. nent für Volkshochschulwesen, Ju- Rossaint, Joseph Cornelius gendpflege und Sport im Regierungs- Papst Pius XII. 1902-1991; Dr. theol., Priester präsidium Münster; trat der CDU bei 1876-1958; bürgerlicher Name: des Erzbistums Köln; trat 1928 dem und war seit 1949 Mitglied des Bun- Eugenio Pacelli; trat nach seiner Friedensbund Deutscher Katholiken destages; 1960 wechselte er wegen Priesterweihe 1899 in den Dienst der und der Zentrumspartei bei; 1927-32 wehrpolitischer Konflikte mit seiner Kurie; 1917-25 Nuntius für Bayern, Kaplan in Oberhausen, danach in Partei zur SPD und wurde 1965 für 1920-29 Nuntius für das Deutsche Düsseldorf; engagierte sich stark in diese in den Bundestag gewählt. Reich. Das Reichskonkordat (1933) der Jugendarbeit und -seelsorge, und die Konkordate mit Bayern, insbesondere im katholischen Jung- Neyer, Harry Preußen und Baden tragen maßgeb- männerverband, und kümmerte sich *l930 in Düsseldorf; seit 1947 lich seine Handschrift; seit 1929 um arbeitslose Jugendliche; galt als Mitglied der Deutschen Pfadfinder- Kardinal, seit 1930 Staatssekretär einer der „roten“ Kapläne im Ruhr- schaft Sankt Georg (DPSG); Redak- unter Papst Pius XI., seit 1939 gebiet. Nach einer gemeinsamen teur; 1960-65 Chefredakteur der Papst; bemühte sich um Friedens- Flugblattaktion mit dem Kommunis- Zeitschrift „Fährmann“ in Freiburg; initiativen und humanitäre Hilfs- tischen Jugendverband gegen die 1965-71 Bundesvorsitzender der programme während des Krieges; wiedereingeführte Wehrpflicht wur- DPSG, 1969-71 stellv. Bundesvor- verkündete 1950 das Dogma der de er 1936 verhaftet und zu elf Jah- sitzender des Bundes der Deutschen Himmelfahrt Marias. Pius XII. äu- ren Zuchthaus verurteilt. Infolge Katholischen Jugend (BDKJ); lang- ßerte sich zu fast allen grundsätzli- grundsätzlicher Differenzen mit der jähriger Vorsitzender des BDKJ-Aus- chen Fragen der Kirche und der Ge- Kölner Kirchenleitung übte er nach schusses für Friedensdienste (zu- sellschaft. dem Krieg sein Priesteramt nicht nächst Landesverteidigung); acht mehr aus, starb aber versöhnt mit der Jahre Mitglied im Beirat für Fragen Pirker, Theo Kirche; 1947 Mitbegründer der Ver- der Inneren Führung beim Verteidi- 1922-1995; Soziologe; Redak- einigung der Verfolgten des Nazi- gungsministerium; 1971-95 tätig bei teur der katholischen Zeitschrift regimes, wurde 1961 ihr Vorsitzen- der durch die Deutsche Bischofskon- „Ende und Anfang“, Mitarbeit an der der, 1971 ihr Präsident. ferenz und das Zentralkomitee der Zeitschrift „Sozialistische Politik“; deutschen Katholiken (ZdK) getra- in den 60er-Jahren Lehrauftrag in Schmidt, Helmut genen Kommission „Justitia et pax“, Dakka (Ost-Pakistan); Promotion in *1918 in Hamburg; Diplom- zuletzt als Geschäftsführer und ver- Heidelberg, 1972 auf den Lehrstuhl Volkswirt; 1953-62 und 1965-87 für antwortlicher Redakteur der Kom- für industriesoziologische Forschung die SPD Mitglied des Bundestages, missionspublikationen; engagiert in an der Freien Universität Berlin be- während der Großen Koalition 1966- verschiedenen Friedens- und Ent- rufen. 69 Vorsitzender der SPD-Bundes- wicklungsprojekten. tagsfraktion; 1968-83 stellv. Vorsit- Rommerskirchen, Josef zender seiner Partei. Er wandte ich Orgass,Josef *l916 in Odenkirchen; Ausbil- in den 50er-Jahren entschieden ge- *1927 in Essen; Soldat, Ende dung im Verlags- und Zeitschriften- gen die atomare Bewaffnung der 1945 aus russischer Kriegsgefangen- wesen; Mitglied des Bundes Neu- Bundeswehr, in der er als Verteidi- schaft entlassen; 1954-58 Landes- deutschland (ND) und der Sturm- gungsminister von 1969-72 Reformen geschäftsführer des Kolpingwerkes schar, Sekretär des Reichsobmanns durchführte; 1972-74 Wirtschafts- in Nordrhein-Westfalen, danach des Katholischen Jungmännerver- (für sechs Monate) und Finanz- Diözesanreferent des Kolpingwerkes bandes, Albert Steiner 1937-47 minister; nach dem Rücktritt – Diözesanverband Essen; 1963-92 Reichsarbeits- und Wehrdienst, Brandts im Mai 1974 zum Bundes- Diözesanreferent im Bistum Essen, Kriegsgefangenschaft; 1947 Mitbe- kanzler gewählt. Seine größten Her- Leiter der Abteilung Männer im De- gründer des Bundes der Deutschen ausforderungen waren innenpolitisch zernat für pastorale Dienste (Seelsor- Katholischen Jugend (BDKJ), bis die Bekämpfung des RAF-Terroris- geamt), verantwortlich für den Öf- 1952 BDKJ-Bundesführer; 1949 mus, außenpolitisch die Durchset- fentlichen Dienst und für die berufs- Mitbegründer des Deutschen Bun- zung des NATO-Doppelbeschlusses ethische Bildungsarbeit, Geschäfts- desjugendringes (DBJR), bis 1952 angesichts der Hochrüstung der führer der Arbeitsgemeinschaft ka- dessen Vorsitzender; seit 1952 UdSSR. Nach dem Bruch der sozial- tholischer Mannesorganisationen im Referatsleiter der Bundeszentrale für liberalen Koalition wurde Schmidt Bistum Essen, Vertreter des Dezer- politische Bildung in Bonn, 1977-81 durch ein konstruktives Misstrauens- nenten; Vorstandsmitglied der Ge- Direktor dieser Institution; 1960-76 votum des Bundestages am 1. Okto- meinschaft der katholischer Männer CDU-Abgeordneter im Bundestag, ber 1982 als Bundeskanzler abge- Deutschlands; 1980-90 Mitglied der Mitglied des Verteidigungsausschus- löst.

AUFTRAG 248 71 BLICK IN DIE GESCHICHTE

Schröder, Gerhard Familienbundes der Deutschen Ka- Friedensfrage, empfindet seine 1910-1989; Rechtsanwalt in tholiken; Mitbegründer der Zeit- „Hinwendung zum Pazifismus wie Berlin, 1934 zum Dr. jur. promo- schrift „Neue Gespräche“; widmet eine Konversion“; 1933 von der Ge- viert; Mitglied der NSDAP, wandte sich lokalgeschichtlichen Forschun- stapo verhaftet und für mehrere Mo- sich jedoch später angesichts der na- gen und Studien. nate inhaftiert; nach Rom versetzt, tionalsozialistischen Kirchenpolitik dort Beichtvater an Santa Maria der „Bekennenden Kirche“ zu; 1945 Sobek, Hanns Maggiore; geht im Herbst 1938 nach Mitbegründer der CDU, 1955-1978 * 1928 in Essen; Anfang 1945 Holland und arbeitet im Komitee von Vorsitzender des Evangelischen zum Reichsarbeitsdienst eingezogen; Utrecht mit, das sich um die Opfer Arbeitskreises der CDU/CSU, 1969- seit 1953 Lehrer an der Volksschule des Nationalsozialismus sorgt. Vor 73 stellv. Bundesvorsitzender der (später: Grundschule); 1963-90 Rek- dem Einmarsch der deutschen Trup- Union; 1949-1980 Mitglied des Bun- tor der Stiftsschule in Essen; Mitglied pen flieht er nach Flandern und fin- destages, leitete 16 Jahre drei wich- der Katholischen Jungmännerge- det Unterschlupf im Kloster der Do- tige Ministerien: 1953-1961 Innen- meinschaft (später: Katholische Junge minikanerinnen in Lint; 1947 Rück- minister, 1961-1966 Außenminister, Gemeinde – KJG); 1952-58 Stadt- kehr nach Deutschland, lässt sich im 1966-69 Verteidigungsminister in jugendführer des Bundes der Deut- Kloster Walberberg nieder; widmet der Großen Koalition. Bei der Wahl schen Katholischen Jugend (BDKJ) seine ganze Kraft schriftstellerischer zum Bundespräsidenten 1969 unter- in Essen, 1959-62 hauptamtlicher Arbeit und intensiver Predigt- und Vortragstätigkeit; seit 1965 Seelsor- lag er Gustav Heinemann; leitete Diözesanjugendführer des BDKJ im ger bei den Dominikanerinnen in 1969-80 den Auswärtigen Ausschuss neu gegründeten Bistum Essen, Hochdahl, Rheinland. des Bundestages. zugleich Referent im Bischöflichen Jugendamt; 1959 Mitbegründer von Théas, Pierre Marie Schröder, P. Paul SJ Pax Christi im Bistum Essen; gehörte Bischof von Lourdes/Tarbes, 1910- 1996; geboren in Watten- viele Jahre dem Katholikenausschuss Frankreich; Initiator der internatio- scheid-Sevinghausen; Jesuit (SJ) in der Stadt Essen an, 1995-98 als nalen katholischen Friedensbewe- 1940 Priesterweihe in Valkenburg, Vorsitzender. Kommunalpolitische gung Pax Christi (PC). Die Idee der Niederlande; wirkte sei 1947 in Es- Tätigkeit: 1961-94 Ratsmitglied der Versöhnung der verfeindeten Länder sen als Männer- und Betriebsseelsor- Stadt Essen für de CDU, langjähriger entstand, als Théas 1943/44 im ger und als Leiter des Betriebs- Vorsitzender des Sportausschusses, Staatsgefängnis von Compiègne in- seminars; stand in inhaltlicher Op- 1984-94 Bürgermeister. haftiert war, nachdem er in einer position zu den Sozialauffassungen Predigt den Abtransport von Juden von Oswald von Nell-Breuning SJ; Stratmann, P. Franziskus OP angeprangert hatte. Gegründet wurde geistlicher Begleiter der „Töchter 1883-1971; Jurastudium in Lau- PC durch einen von ihm angeregten vom Herzen Mariä“; seit 1977 Seel- sanne; 1905 Eintritt in den Domini- Gebetsaufruf für den Frieden und zur sorger am St. Elisabeth-Kranken- kanerorden, 1912 Priesterweihe in Versöhnung mit Deutschland, den 40 haus in Hattingen-Niederwenigern. Köln; Lehrer am ordenseigenen französische Bischöfe der Résistance Gymnasium in Vechta; seit 1914 am 10. März 1945 unterzeichneten. Schroer, Hans Studentenseelsorger in Berlin; Mitar- Die deutsche Sektion wurde am 3. * 1913 in Mülheim/Ruhr; jour- beit im Friedensbund der Deutschen April 1948 in Kevelaer ins Leben ge- nalistische Tätigkeit bei der „Mül- Katholiken, wird eine der führenden rufen. PC war in den Anfängen spiri- heimer Zeitung“, 1936 entlassen Persönlichkeiten dieser Bewegung; tuell, später auch zunehmend poli- aufgrund seines ehrenamtlichen En- zahlreiche Vorträge und Artikel zur tisch ausgerichtet. ❏ gagements als Pfarrjugend- und Be- zirks-Sturmscharführer; widmete BUCHBESPRECHUNG: sich fortan beruflich der Jugendar- Jürgen Kleindienst Hrsg.: Zwischen Kai- tag“, der die Weltwirtschaftskrise einläutet. beit und -bildung; Mitarbeit im Ju- ser und Hitler. Kindheit in Deutschland Schiefertafel und Griffel sind ebenso Thema gendhaus Düsseldorf, 1937 der erste 1914–1933. 47 Geschichten und Berich- der Erzählungen wie die Suche der Kinder hauptamtliche Diözesanführer der te von Zeitzeugen. – Berlin: JKL Publi- nach dem Nachrichtensprecher im Radio. katholischen Jugend im Erzbistum kation 2002, Reihe ZEITGUT, Bd 15; Angesichts der leeren Staatskasse, einer ka- 345 Seiten m. vielen Abb., Chronologie, tastrophalen Versorgungslage und des wach- Köln; 1939-50 Soldat und Kriegsge- Ortsregister, geb. senden Arbeitslosenheeres fallen Hitlers fangenschaft; seit 1950 Religions- In der Reihe ZEITGUT erzählen Zeitzeugen Heilsversprechungen auf fruchtbaren Boden. lehrer an Berufsschulen; 1959-79 ihre persönliche Geschichte, die damit einen Anfang 1933 wird die erste deutsche Repub- Diözesanreferent im Bistum Essen, lebendigen Einblick in die faszinierende lik abgeschafft, Deutschland wir zur Diktatur jüngste Geschichte eines ganzes Volkes ist. und steuert auf den nächsten Weltkrieg zu. zuletzt Leiter der Abteilung Ehe und Das vorliegende Buch gibt einen Einblick, „Ich erinnere mich noch genau an den Tag, Familie im Dezernat für pastorale wie Kinder ihre Zeit erfahren, wie sie aus der als in den Hamburger Straßen nur noch rote Dienste (Seelsorgeamt). Schroer war Ferne den Ersten Weltkrieg erleben, wie eine Fahnen mit dem Hakenkreuz zu sehen waren. Vorsitzender der Bundesarbeitsge- neue Zeit hereinbricht. Hunger, Steckrüben, Zu Hause ... hörten wir im Radio Marschmu- Quäker-Speisung, Inflation und neues, stabi- sik und Berichte über den neuen Reichskanz- meinschaft der Katholischen Fami- les Geld. Es folgen Aufschwung, die goldene ler. Es war der Tag nach meinem zehnten Ge- lienbildung und Vizepräsident des Zwanziger, Völkerbund und „Schwarzer Frei- burtstag, der 30. Januar 1933.“ (PS)

72 AUFTRAG 248 NAHER OSTEN

DER NAHOSTKONFLIKT Das Drama im Heiligen Land

er Nahostkonflikt beschäftigt die Welt mehr denn je. Wie können ist, hat aus christlicher Sicht durch- wir aus christlicher Sicht die Eskalation der Gewalt im Heiligen aus heilsgeschichtlichen Charakter. DLand bewerten? Ein heikles Thema. Die katholische Kirche hat in Im Folgenden versuchen wir uns einem Fünf-Punkte-Programm ihre Forderungen an beide Konfliktpartei- an einen Gegenstand heranzutasten, en zum Ausdruck gebracht. Lässt sich die gegenwärtige Zuspitzung des der sehr schnell missverstanden wer- Konflikts nicht als heilsgeschichtlichen Prozess der Läuterung Israels ver- den kann. Es geht darum, die Welt stehen? Es geht um die Frage der Erwählung des Volkes Gottes, aus dem vor einer neuen Welle des Antisemi- der Erlöser hervorgegangen ist. Der Beitrag ist mit freundlicher Genehmi- tismus zu bewahren. Das christliche gung der Redaktion der Monatszeitschrift „Kirche heute“, Nr. 5/Mai Verständnis von göttlicher Erwäh- 2002, entnommen. lung kann dazu eine Hilfe bieten. ERICH MARIA FINK Der Anspruch Israels Historische Stunde für Israel teiligten abgegeben wurden. Der Is- auf das Heilige Land lam hat einen Umwandlungsprozess Für Israel ist eine historische eingeläutet. Wichtige religiöse Füh- Auf der einen Seite steht Israel Stunde angebrochen. Der Nahost- rer haben sich nun eindeutig von al- mit seinem Anspruch auf das Heilige Land. Dabei versteht Israel die konflikt hat Dimensionen angenom- len fundamentalistischen Gruppen Staatsgründung nach dem Zweiten men, welche die unmittelbar betrof- distanziert, die im Namen der Religi- Weltkrieg nicht nur als unabdingba- fenen Parteien weit übersteigen. Die on Gewalt anwenden und rechtferti- re und berechtigte Antwort der inter- ganze Menschheitsfamilie sieht sich gen und die Religion für ihre fragli- nationalen Staatengemeinschaft auf herausgefordert. Sowohl den Palästi- chen politischen Ziele missbrau- den Holocaust. Es beruft sich dar- nensern als auch dem Volk Israel gilt chen. Der Islam gelangt dann zu ei- über hinaus wesentlich auf die Land- die internationale Aufmerksamkeit nem neuen Selbstverständnis, wenn verheißung Gottes, wie sie im Alten Es wird über die berechtigten An- er die Jahrhunderte alte Tradition Testament formuliert ist. Dabei ha- sprüche beider Seiten nachgedacht, des „heiligen Krieges“ überwindet ben sich unter den Verantwortlichen aber auch an beiden Seiten Kritik ge- und sich in den internationalen Kon- zwei Richtungen herausgebildet. übt. Und gerade die Reflexion über sens der Menschen- und Völkerrech- Die orthodoxen Juden deuten die konkrete Situation im Nahen Os- te insbesondere im Hinblick auf die diese Zusage im streng religiösen ten führt zu einem tieferen Verständ- Gewissens- und Religionsfreiheit in- Sinn. Sie glauben an einen persönli- nis der allgemein gültigen Prinzipi- tegriert. Man muss der islamischen chen überzeitlichen Gott, der damals en, die menschliches Zusammenle- Welt Zeit für diese Neubesinnung ge- wie heute das auserwählte Volk Isra- ben in Gerechtigkeit und Frieden ga- ben, darf aber auch nicht müde wer- el sein Eigen nennt. Auf dieser Linie rantieren. den bei jeder Gelegenheit immer wenden sie die Jahrtausende alten Die kritische Auseinanderset- wieder neu an die allgemein gültigen Worte Gottes unmittelbar auf den zung mit den Palästinensern zwingt Prinzipien zu appellieren. – Dieses Kampf gegen das palästinensische die internationale Staatengemein- Thema soll hier nicht weiter vertieft Volk an. schaft zu einer einmütigen Verurtei- werden. Vielmehr richtet sich unsere Die andere Richtung begründet lung jeder Art des Terrorismus, ins- Aufmerksamkeit nun auf Israel, das den besonderen Status Israels ohne besondere wenn er sich auf religiöses auf ähnliche Weise zur Entscheidung Rückbindung an einen überzeitli- Gedankengut abstützt. Die Selbst- gerufen ist, wie unter anderen Vor- chen und persönlich ansprechbaren mordattentate sind ein durch nichts zeichen der weltweite Islam. Gott. Sie hat eine zwar religiös moti- zu rechtfertigendes Phänomen, das Die wachsende Kritik am Ver- vierte, aber letztlich politische Ideo- die islamische Welt noch lange be- halten Israels gegenüber den Palästi- logie geschaffen, die in einem ge- schäftigen wird. Dabei haben die nensern und an seiner Ignoranz ge- schichtsphilosophischen Ansatz ver- wurzelt ist. Aus dem Lauf der Ge- Terrorakte vom 11. September 2001 genüber den Forderungen der Völ- schichte leitet diese Ideologie das zu einer echten Gewissenserfor- kerfamilie lässt immer deutlicher Recht Israels auf das Heilige Land schung in der islamischen Welt ge- werden, dass für das auserwählte ab. Es handelt sich um einen Natio- führt. Der Islam als Ganzes beginnt Volk Israel eine geschichtliche Stun- nalismus, der mit einem Rückgriff zu verstehen, dass er sein Selbstver- de der Läuterung begonnen hat. Ent- auf eine über allem stehende Ge- ständnis als Religionsgemeinschaft weder reinigt Israel sein Selbstver- schichtsmächtigkeit eine in die isra- läutern und neu finden muss. Erste ständnis, oder es ist in seiner Exis- elische Seele eingewurzelte Sendung Anzeichen dafür sind die Erklärun- tenz ernsthaft bedroht. Der Umden- für die übrige Welt abzulesen ver- gen, die am 24. Januar beim kungsprozess, zu dem Israel durch sucht. Hier ist unter anderem der zio- Friedensgebet in Assisi von allen Be- die Zuspitzung der Lage gezwungen nistische Ansatz anzusiedeln.

AUFTRAG 248 73 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Das also durchaus verschieden nach Sicherheit, aber dem Anschein bestimmt ist und über die Grenzen begründete Festhalten am Vorrecht nach ebenso mit dem politischen des auserwählten Volkes Israel hin- Israels auf den Besitz des Heiligen Kalkül, den gegenwärtigen Krieg für ausgetragen werden muss. Für die Landes ist letztlich das einzige Mo- einen neuen Vorstoß in die palästi- „Endzeit“ aber erwartet Paulus für ment das beide Richtungen im kultu- nensischen Gebiete auszunützen. das Volk Israel eine neue Aufgabe. rellen Pluralismus des modernen Is- Er hat die sichere Hoffnung dass Is- raels zusammenhält und vereint. Der Anspruch der rael den Herrn erkennen und ein be- Hervorzuheben ist gleichzeitig, dass Völkergemeinschaft sonderes Werkzeug zum endgültigen viele Israelis einen religiös verbräm- Aufbau des Reiches Gottes werden ten Anspruch auf das ganze Heilige Auf der anderen Seite steht die wird. Land nicht teilen. Neben fanatischen Völkerfamilie mit ihrer historischen Wir brauchen uns darüber keine Siedlern gibt es die vielen Israelis, Errungenschaft der allgemeinen Gedanken machen, wie und wann die nichts anderes wollen, als in Si- Menschenrechtserklärung. Es ist of- sich diese Verheißung erfüllen wird. cherheit zu leben, und deshalb jede fensichtlich, dass das Selbstver- Doch muss das Festhalten an der Bemühung um Frieden gutheißen, ständnis Israels mit dem Verständnis Erwählung des Volkes Israel unser die zu einem gerechten und würde- der allgemeinen Menschenrechte in Verhältnis zu ihm prägen. vollen Zusammenleben von Israelis Konflikt geraten musste. Gerade die Als Christen verteidigen wir den und Palästinensern führt. laufende Auseinandersetzung macht besonderen Status Israels aus einem Trotzdem verbirgt sich im An- den tiefen Mangel offenbar, den die zweifachen Grund. Zum einen möch- spruch Israels auf das Heilige Land israelische Politik seit einem halben ten wir der göttlichen Berufung Isra- auch heute noch der biblische Jahrhundert aufweist. Will Israel in els gerecht werden, zum anderen Erwählungsgedanke. In ihm lebt die der internationalen Staatengemein- geht es um die Kirche selbst. Denn Überzeugung, dass Israel ein Erbe schaft als Partner seinen Fortbestand die Erwählung des Volkes Israel ist trägt, das es vom Rest der Mensch- sichern, so muss es sich mit einem das Fundament für die Erwählung heit unterscheidet. Dies prägt ohne neuen Selbstverständnis in die allge- des neuen Gottesvolkes, der Kirche. Zweifel das politische Ringen im mein gültigen Regeln der Menschen- Wie Gott seinen Plan dem Stammva- heutigen Staat Israel. Sei es die rechte einfügen. Bisher jedoch zeigt ter des auserwählten Volkes Israel Siedlungspolitik, sei es das Für und das Verhalten Israels den Palästinen- geoffenbart hat, so ist dieser Plan in Wider zu einem echten Friedens- sern gegenüber, dass es die eigenen Jesus Christus zur Vollendung ge- prozess, sei es die Diskussion um die Ziele über die Rechte des palästinen- langt. Gott hatte Abraham verheißen, Hauptstadt Jerusalem, immer äußert sischen Volkes stellt. Daraus erge- dass durch ihn alle Völker der Erde sich dabei ein Selbstverständnis der ben sich echte Menschenrechtsver- Segen erlangen werden. Christus ist Israelis, das ohne Rückgriff auf die letzungen, ja ein im Widerspruch zu nicht um seiner selbst willen erschie- biblische Verwurzelung und die Ein- den Menschrechten stehender politi- nen, sondern damit die Welt durch heit von Nation, Religion und Politik scher Status dieser Bevölkerung. ihn gerettet werde. In der Nachfolge nicht zu verstehen ist. Beides stellt letztlich die Ursache für Christi versteht sich in gleicher Wei- Diese Verbindung führte in den die Gewaltspirale im Heiligen Land se auch die Kirche, das Volk Gottes, vergangenen Jahrzehnten auch zu ei- dar und kann von der internationalen in dem die Erwählung Israels auf be- ner dezidierten Akzentsetzung in der Staatengemeinschaft nicht länger zu- sondere Weise weiterlebt. Das II. Va- israelischen Armee. Weithin wurden gelassen werden. tikanische Konzil hat sich zum Ziel die israelischen Soldatinnen und Sol- gesetzt, dieses Selbstverständnis neu daten in einem Geist gedrillt, der in Das christliche Verständnis herauszuarbeiten. Ein Ergebnis ist der aktuellen Tötungsmaschinerie der Erwählung Israels die bekannte Formulierung: Die Kir- seinen Ausdruck findet. Die erschre- che ist „Sakrament, das heißt Zei- ckende Bereitschaft zu töten, wie wir Als Christen sind wir davon chen und Werkzeug für die innigste sie heute beim israelischen Militär überzeugt, dass das Volk Israel am Vereinigung mit Gott wie für die Ein- beobachten, ist das Ergebnis einer Beginn seiner Geschichte von Gott heit der ganzen Menschheit“ (LG 1). langen geistigen und gesellschafts- auserwählt und berufen worden ist. Der entscheidende Gedanke dabei politischen Entwicklung. Leider hat Gleichzeitig glauben wir, dass Gott ist, dass die Christen nicht in erster sie bei den Verantwortlichen der in- seinem Wort treu bleibt und die be- Linie um ihrer selbst willen berufen ternationalen Organisationen bis sondere Erwählung dieses Volkes nie sind, sondern dafür, dass sie in der dato wenig Kritik hervorgerufen. Was zurücknimmt. So gesehen stellt Israel Hand Gottes ein Werkzeug bilden, diese Bereitschaft betrifft, um einer auch heute gegenüber allen anderen durch das die ganze Welt Erlösung ideologischen Zielsetzung willen zu Völkern etwas Besonderes dar. Dass und Heil empfangen soll. töten, so ist dieser Geist seinem We- die Israeliten als ganzes Volk den Er- sen nach jedenfalls als fundamenta- löser nicht erkannt und angenommen Die Läuterung des Selbstver- listisch zu bezeichnen. Denn offen- haben, ändert daran nichts. Der hei- ständnisses Israels sichtlich geht es längst nicht mehr lige Paulus sieht darin den geheim- nur um Selbstverteidigung. Vergel- nisvollen Plan Gottes, nach dem die Ist Israel bereit, einen eigenen tung mischt sich mit dem Bedürfnis Frohe Botschaft für alle Menschen Staat der Palästinenser mit allen in-

74 AUFTRAG 248 NAHER OSTEN ternational garantierten Rechten auf gen Landes wäre nicht ein Zeichen nis für seinen Glauben an einen per- dem Gebiet des historischen Heili- der Schwäche Israels, nicht Aus- sönlichen Gott, der den Lauf der Ge- gen Landes als Partner anzuerken- druck seines Versagens, nicht ein schichte in seiner Hand hält. nen? Ist Israel bereit, die heiligen Aufgeben einer göttlichen Verhei- Stätten als Erbe der ganzen Mensch- ßung, sondern ein bleibendes und Forderungen der Kirche heit zu schützen und die damit ver- sichtbares Zeugnis für seine Pro- bundenen Rechte und Ansprüche der existenz unter den Völkern, sein Im Sinn des bisher Dargelegten Anhänger aller drei monotheisti- „Dasein“ für die anderen, seine Be- hat die katholische Kirche in knap- schen Religionen zu achten? Das reitschaft, der Staatengemeinschaft per Form eine Stellungnahme zum sind zwei entscheidende Fragen, die zu dienen. Nahostkonftikt vorgelegt, die in der sich aus der jetzigen Situation erge- Es wäre auch ein Dienst am Ver- Öffentlichkeit bislang wenig Beach- ben und die gleichzeitig die Erwar- ständnis der christlichen Erwählung tung gefunden hat. Es handelt sich tung der Völkergemeinschaft Israel die durch das Verhalten des auser- um Anforderungen in lediglich fünf gegenüber zum Ausdruck bringen. wählten Volkes Israel verdunkelt Sätzen (siehe Kasten). Die Kirche ist Israel hätte jetzt die historische wird. Gleichzeitig würde sich Israel davon überzeugt, dass darin alles Chance, sich von einem Notwendige zur Lösung selbstbezogenen Erwählungs- des Nahostkonflikts ent- verständnis zu trennen und Fünf Forderungen der halten ist. Gleichzeitig sich zu einem neuen Sen- katholischen Kirche zur stellt es in den Augen der dungsbewusstsein im ur- Kirche den einzig mög- sprünglichen Sinn seiner Be- Beilegung des Nahostkonflikts lichen Weg aus dieser rufung hin zu entwickeln, 1. Unmissverständliche Verurteilung des weltpolitischen Tragödie nämlich ein Segen für alle Terrorismus, egal woher er kommt. dar. Noch nie hat der Papst Völker zu werden. Würde während seines Pontifikats sich Israel vor den Augen 2. Missbilligung ungerechter und demüti- die ihm zur Verfügung ste- der ganzen Welt bereit er- gender Verhältnisse die dem palästi- henden politischen Hebel klären, um der allgemeinen nensischen Volk aufgezwungen wer- so eingesetzt wie in diesem Menschenrechte willen, so- den, sowie der Repressalien und der Fall. Nicht nur der OSZE wohl den Palästinensern als Rache, welche Frustration und Hass nur und anderen internationa- auch den Anhängern anderer noch mehr schüren. len Einrichtungen wurde Religionen entgegenzukom- das Fünf-Punkte-Pro- men, so würde es nichts von 3. Beachtung der UNO-Resolutionen von gramm übermittelt, Auch seinem einzigartigen Erbe Seiten aller Beteiligten. wurden die Botschafter al- verlieren. Vielmehr würde es ler involvierten Länder 4. Verhältnismäßigkeit bei der Anwen- Zeugnis dafür ablegen dass einberufen und mit dem die Menschenrechte als Er- dung legitimer Verteidigungsmittel. Lösungsvorschlag konfron- rungenschaft der Mensch- 5. Pflicht der Konflikparteien, die Heiligen tiert Dabei brachte der heitsfamilie Frucht der jü- Stätten zu schützen, die eine funda- Papst deutlich zum Aus- disch-christlichen Offenba- mentale Bedeutung für alle drei mono- druck, dass jetzt kein poli- rung sind. Benötigt der heu- theistischen Religionen besitzen und tischer oder religiöser tige Angriff auf das Leben Führer mehr schweigen ein Kulturerbe der ganzen Menschheit nicht mehr denn je diese oder untätig bleiben dürfe Grundlage, um die funda- darstellen. Alle Menschen guten Wil- mentalen Rechte eines jeden lens sollten es als ihre Menschen zu sicheren? Kann es sich selbst dem Verständnis von Erwäh- Pflicht betrachten, mit der Kirche Israel, das von Gott als Werkzeug lung annähern, das Christus als Erlö- an einem Strang zu ziehen und die- und Wegbereiter einer friedlichen ser aller Menschen in die Welt ge- sen Forderungen Nachdruck zu ver- Koexistenz aller Völker auf der bracht hat. Ist vielleicht die gegen- leihen. Es darf nicht passieren, dass Grundlage der Menschenrechte be- wärtige weltpolitische Herausforde- sie wie eine diplomatische Margina- rufen worden ist, leisten, auf Dauer rung an Israel ein Ruf Gottes, der Is- lie behandelt und totgeschwiegen durch sein eigenes Verhalten ein rael für eine neue Aufgabe in der werden. Natürlich bieten sie keine „Gegenzeugnis“ zu dieser für die Zu- Menschheitsfamilie und im Reich fertige Lösung, sondern stellen Prin- kunft der Menschheit unentbehrli- Gottes vorbereiten und formen will? zipien dar, nach denen jedes politi- chen Basis zu geben? Israel kann gestärkt aus dem sche Vorgehen zu bewerten und ein- Was würde es bedeuten, wenn Is- Nahostkonflikt hervorgehen wenn es zuordnen ist. Es gilt jede Gelegen- rael ganz bewusst und entschieden im Vertrauen auf Gott die Forderun- heit zu nutzen, um diese fünf Punkte diesen Schritt vollziehen würde? Die gen der Gerechtigkeit erfüllt, die sich zur Sprache zu bringen und auf ak- Existenz eines eigenen Palästinen- aus dem derzeitigen Stand der Dinge tuelle Fragen und Ereignisse anzu- serstaates auf dem Boden des Heili- ergeben. Es wäre zugleich ein Zeug- wenden. ❏

AUFTRAG 248 75 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

NAHER OSTEN: etwa der diplomatisch-politischen, Versöhnungsarbeit unter der Jugend leisten der wirtschaftlichen aber auch der gesellschaftlichen, miteinander ge- nter der jungen Generation liebt zu machen. Dies diene nicht der sprochen werde über die Zeit, wenn Versöhnungsarbeit zu leis- Versöhnung und dem Frieden – „ja Frieden Wirklichkeit im Heiligen „Uten – das können die diese Haltung spaltet“, betonte Abt Land sein werde. Christen durch Christi Auftrag die Lindemann. Es gehe jetzt darum in Im Zusammenhang mit den Vergebung zu verkünden, am bes- die Zukunft zu blicken und zu lernen, christlichen Friedensappellen wür- ten“. Dies erklärte Abt Benedikt einander zu vergeben. Besonders den zum Beispiel Gebetstreffen Lindemann OSB der Benediktiner- wichtig sei es, die Kinder und Ju- durch die Franziskaner oder den La- abtei Hagia Maria Sion auf dem gendlichen zu unterstützen und ih- teinischen Patriarchen von der Be- Jerusalemer Zionsberg im Juli gegen- nen eine gute Erziehung und Ausbil- völkerung als moralische Unterstüt- über der Zeitung Die Tagespost. dung zu ermöglichen. „Ihre verletz- zung empfunden.Die Menschen sei- Es sei zwischen Palästinensern ten Seelen kennen nur Krieg und en von der zögerlichen Haltung der und Israelis in der Vergangenheit so Terror und haben die andere Seite USA und der Europäischen Union viel Leid geschehen, dass es um ein nur als Feind wahrgenommen“. Des- enttäuscht. Deswegen seien die Aufrechnen der Gewalt nicht gehe. wegen sei die Versöhnungsarbeit die Friedensappelle von Papst Johannes Die Frage, wer zuerst angefangen vornehmste Aufgabe neben dem Ge- Paul II. und die Anwesenheit auslän- habe, sei in der jetzigen Situation so bet um den Frieden. discher Christen beispielsweise in überflüssig, wie die Frage nach dem Zur allgemeinen Lage äußerte den Ordensgemeinschaften ein nicht Huhn und dem Ei. „Was soll es, der Benediktinerabt, der seit April zu unterschätzendes Signal, das immer nur in die Vergangenheit zu 2002 auch Mitglied im Ad-hoc-Ko- dankbar zu Kenntnis genommen wer- schauen? Es ist auf beiden Seiten so mitee für den Frieden des Lateini- de. Allerdings werde der Lateinische viel Leid geschehen“, unterstrich der schen Patriarchen von Jerusalem ist, Patriarch Michel Sabbah wegen seiner Ordensobere in einem Interview zur in den letzten Wochen sei es relativ palästinensischen Abstammung oft aktuellen Lage in Jerusalem. Beide ruhig gewesen. Dennoch gebe es und bewusst missverstanden. Aber Parteien versuchten die Ausländer auch Terroranschläge, ohne dass sie man müsse ihn ernst nehmen, wenn er auf ihre Seite zu ziehen und er habe in den Medien veröffentlicht würden, sage: „Vor allem bin ich Christ und oft Besucher erlebt, die entweder ra- wenn dabei nicht mehrere Menschen Patriarch – das ist meine erste Aufga- dikal pro-palästinensisch oder pro- gestorben seien. In Israel wolle man be – und ich bin da, um mich für den israelisch waren. Deswegen ärgerten damit wohl vermeiden, dass die Bür- Frieden einzusetzen.“ Nach Meinung ihn ausländische christliche Bericht- ger noch nervöser würden, vermutet von Abt Benedikt Lindemann wird erstatter, die nur einseitig Stellung Lindemann OSB. Hoffen lässt, dass der Patriarch oft äußerst ungerecht bezögen, um sich hier oder dort be- derzeit auf verschiedenen Ebenen, und tendenziös kritisiert. (bt)

Arabischer Bericht über die menschliche Entwicklung ie Lebenssituation der 280 en unter 14 Jahre alt, was weit über se heute mit weniger als zwei Dollar Millionen Menschen in den dem Weltdurchschnitt liege.Wegen am Tag auskommen. Bei einem D22 Mitgliedsstaaten der Ara- der fehlenden Chancen zu Hause durchschnittlichen Wachstum von bischen Liga in den letzten 20 Jahren wolle die Hälfte aller Jugendlichen 0,5 Prozent im Jahr werde sich daran ist in einem von den Vereinten Natio- auswandern. 65 Prozent der erwach- nicht viel ändern, stellt der Arabi- nen in Auftrag gegebenen und vor senen Araber sind Analphabeten, sche Bericht zur menschlichen Ent- kurzem in Kairo veröffentlichten Be- davon zwei Drittel Frauen, und zehn wicklung fest. Dabei gebe es von richt mit wenig hoffnungsvollen Er- Millionen Kinder besuchten keine Land zu Land krasse Unterschiede. gebnissen untersucht worden. Schule. Moderne Informationstech- Nach den Kriterien der UNO liege Die unabhängigen arabischen nologie sei nur wenig verbreitet. Es Kuwait direkt hinter Kanada in der Sozialwissenschaftler stellten dabei gebe nur 0,6 Prozent Internet-Nut- Spitzengruppe, wogegen Dschibuti fest, dass sich die Lebenserwartung zer und 1,2 Prozent Computer-Be- kurz über Sierra Leone das Schluss- in den vergangenen drei Jahre- sitzer. licht bilde. zehnten um 15 Jahre erhöht habe, Es werde befürchtet, dass die Der Wassermangel stelle ein während die Kindersterblichkeits- wirtschaftliche Lage mit der Bevöl- weiteres Risiko dar. So zählten 15 rate um zwei Drittel gefallen sei, wie kerungsentwicklung nicht mithalten arabische Staaten zu den 22 Län- es in der Rheinischen Post vom 3. könne. So lag das Bruttosozialpro- dern, die nach den Weltbank-Kate- Juli 2002 hieß. Gleichzeitig wird dukt aller Staaten der Arabischen gorien unterhalb der Wasserarmuts- damit gerechnet, dass sich bis 2022 Liga 1999 bei 531,2 Milliarden Dol- grenze vegetierten; d.h. deren Ein- die Bevölkerungszahl auf 560 Milli- lar, während Spanien es zur gleichen wohner verfügten jährlich über weni- onen verdoppeln werde. 38 Prozent Zeit auf 595,9 Milliarden Dollar ger als 1000 Kubikmeter Wasser. der Bevölkerung dieser Länder sei- brachte. Ein Fünftel der Araber müs- Fortsetzung auf Seite 77 u.

76 AUFTRAG 248 RUSSLAND

RUSSLAND: Bisher ordneten die Staatsanwälte zen. In 99,6 Prozent der Fälle ende- die Verhaftungen an. Die Rechtsan- ten die Prozesse mit Schuldsprüchen. Justizreform wälte dürften jetzt bereits vor dem Eine weitere rechtliche Revoluti- ersten Verhör ihre Klienten beraten. on zielt auf die russische Verkehrs- er Europarat in Straßburg hat Die Strafrechtsreform erfordert zu polizei GAI. Nach dem geänderten als Voraussetzung für die den vorhandenen 160.000 weitere Ordnungswidrigkeitenkatalog dürfen DJustizreform in Russland den 3.000 Richter. sich die Beamten nicht mehr beste- neuen Strafkodex gebilligt. Damit Das bisher seit 1961 gültige sow- chen lassen. Bisher konnte man sich konnten nach neunjähriger Verzöge- jetische Strafrecht hatte praktisch als bei angeblichen oder echten Ver- rungstaktik durch den Gesetzgeber oberstes Ziel, die Ansprüche der dik- kehrsverstößen gegen ein Beste- und die Justiz in dem postkommunis- tatorischen Sowjetunion gegenüber chungsgeld von umgerechnet drei bis tischen Staat die Grundsätze der den Rechten der Bürger durchzuset- fünf Euro „freikaufen“. (bt) westlichen Welt in der Rechtspre- chung am 1. Juli 2002 in Kraft tre- ten, wie die Rheinische Post einen Tag später berichtete. Staatpräsident Anti-Katholikenkampagne in Russland Putin hatte zu seinem Amtsantritt eine Neuordnung des Rechtswesens stößt auf Widerstand angekündigt. Damit sollten die Rech- ie Kampfansage des orthodoxen Moskauer Patriarchats an die te der Verdächtigten und Angeklag- katholische Kirche in Russland zeigt bisher nur mäßigen Erfolg. An ten gestärkt und die Staatswillkür zu- Dden Kundgebungen am orthodoxen Palmsonntag (28. April) betei- rückgedrängt werden. ligten sich vergleichsweise wenige Menschen. Nicht mehr als 55.000 Per- Die Oberstaatanwaltschaft in sonen landesweit haben einen Protest gegen die „katholische Expansion“ Moskau rechnet damit, dass auf unterschrieben. Inzwischen mehren sich sogar Stimmen, die das geltende Grundlage des neuen Strafgesetzbu- Religionsgesetz von 1997 für verfassungswidrig halten. ches die Zahl der Verfahren um 25 bis 50 Prozent abnehmen werden. Bemerkenswert ist in diesem Grund der in der Verfassung veran- „Wir werden bis Ende 2002 etwa Kontext das Antwortschreiben des kerten Trennung von Staat und (or- 100 000 Menschen aus der Untersu- Gouverneurs für die Region Saratow, thodoxer) Kirche müssten die Behör- chungshaft entlassen“, verspricht D. A. Ajazkow, auf eine Eingabe des den zum Beispiel Eingaben gegen die Justizminister Jurij Tschajka. Damit dortigen katholischen Bischofs Erteilung von Visa für katholische könnten endlich in den durchschnitt- Clemens Pickel, den Katholiken Geistliche oder gegen die Genehmi- lich zu 150 Prozent belegten Unter- während der orthodoxen Kundgebun- gung katholischer Kirchbauten igno- suchungsgefängnissen halbwegs nor- gen am 28. April Schutz zu gewäh- rieren. Sie kommen de facto aller- male Bedingungen geschaffen wer- ren. Ajazkow teilt darin dem Bischof dings vor und werden auch bearbei- den. Die Dauer der Untersuchungs- mit, er habe dem örtlichen Vorsitzen- tet. Die Doppelgleisigkeit der amtli- haft werde bis auf wenige Ausnah- den der „Russischen Volkspartei“ chen Einstellung erschwert die Stel- men auf zwei Monate beschränkt und als Veranstalter der Kundgebung lung des katholischen Episkopats. müsse durch Richter auf Basis be- klar gemacht, dass der Katholizismus Untergeordnete Behörden agieren gründeter Haftanträge der Ermitt- im Gebiet Saratow als „traditionelle ohne Anweisung von „oben“ offen- lungsbehörden genehmigt werden. Religion“ anerkannt sei. Die „tradi- sichtlich nach eigenem Gutdünken – tionelle religiöse Lebensweise Russ- so geschehen in diesem Jahr bei der lands“ sei der interkonfessionelle Ausweisung des italienischen Pries- Fortsetzung von Seite 76 Frieden, so der Gouverneur. Er be- ters Stefano Caprio wie des polni- Auf dem Gebiet der Politik bemän- tont unter Hinweis auf die Verfas- schen Bischofs Jerzy Mazur von gelten die Wissenschaftler das enorme sung, dass die Behörden im Gebiet Irkutsk. Defizit an „demokratischer und effizi- von Saratow „ihre Beziehungen zu Inzwischen hat auch die Presse enter Regierungsführung“. Fast nir- den religiösen Vereinigungen auf der einen Brief von Intellektuellen veröf- gendwo gebe es geordnete Verfahren strikten Einhaltung der Gesetze auf- fentlicht, die eine „organisierte Kam- über die Wahl von Regierungen, ihre bauen“. Ajazkow gehört auch der pagne gegen die katholische Kirche“ Überwachung und Absetzung. ersten Parlamentskammer, dem Fö- erkennen. Sie appellieren besorgt Der Bericht schließt mit der derationsrat, an. auch an das Ausland, für den Schutz Feststellung, die arabische Welt sei Offiziell wird über die „Kampag- der Religionsfreiheit in Russland ein- heute vor die Wahl gestellt, ob ihre ne gegen die Katholiken“ geschwie- zutreten. Generalstaatsanwalt Wladi- Entwicklung weiter von Trägheit ge- gen. Mit großer Mehrheit hat es die mir Ustinow will alle Möglichkeiten kennzeichnet sei und den großen He- Duma abgelehnt, das Thema auf die zum Durchgreifen gegen politischen rausforderungen durch wenig erfolg- Tagesordnung zu setzen. Verschiede- und religiösen Extremismus ausnut- reiche Politik begegnet werde oder ne Eingaben an Präsident Wladimir zen. Für die Orthodoxie bedeutet das ob es eine Art arabischer Renais- Putin blieben bisher ohne Reaktion. Zurückhaltung und Wohlverhalten. sance gebe, in der die menschliche Dem Kreml ist nicht an einer Belas- Patriarch Alexij II. signalisierte Entwicklung tatkräftig angegangen tung der „konstruktiven“ Beziehun- bereits ein Einschwenken auf den werde. (bt) gen zum Heiligen Stuhl gelegen. Auf Regierungskurs. (KNA - ID Nr. 24 )

AUFTRAG 248 77 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag nationalen Gerichte existieren oder diese den Fall nicht aufgreifen wol- len. Entsprechende Verbrechen kön- hat am 1. Juli 2002 Arbeit aufgenommen nen dem Gericht entweder von ein- zelnen Regierungen, von Sicher- Ein langer Traum wird endlich wahr heitsrat der Vereinten Nationen oder aber vom Ankläger selbst zur Beur- ehr als ein halbes Jahrhun- George W. Bush erfährt dabei auch teilung vorgelegt werden. Entschei- dert nach Ende des Zweiten Unterstützung von vielen Demokra- dend ist dabei, dass das Verbrechen MWeltkrieges wird ein Wunsch- ten. Kofi Annan versucht, diese Be- in einem der am Gerichtshof – der traum der internationalen Staatenge- denken indes zu zerstreuen: Der Ge- kein Tribunal der Vereinten Natio- meinschaft wahr: Am 1. Juli 2002 ist richtshof wird nur in den, Fällen ein- nen, sondern der Vertragsstaaten ist das Statut des Internationalen Straf- schreiten, in denen das betroffene – teilnehmenden Länder begangen gerichtshofes in Kraft getreten. Ab Land entweder nicht in der, Lage worden sein, muss. diesem Zeitpunkt können Kriegsver- oder nicht willens ist, eine Verfol- Menschenrechtsorganisationen brechen, Völkermord und Verbre- gung einzuleiten“. Länder mit, einem werten das In-Kraft-Treten des Rö- chen gegen die Menschlichkeit stär- funktionierenden Gerichtssystem mer Vertrags als Meilenstein. ... Der ker als je zuvor juristisch geahndet hätten hingegen nichts zu befürch- Internationale Strafgerichtshof hat werden. Entsprechende Vergehen – ten. „Ich denke nicht, dass der Ge- wichtige Vorläufer: Die Verbrechen es muss sich dabei um systematische richtshof Amok laufen wird“, betonte während des Zweiten Weltkrieges und verbreitete Verbrechen handeln der Generalsekretär. und der Nazi-Zeit wurden während – können ab diesem Zeitpunkt vor Damit ist die Funktionsweise des der Nürnberger Strafprozesse aufge- den ständigen Internationalen Straf- Gerichtshofes umschrieben, der sei- rollt – beziehungsweise auf japani- gerichtshof getragen werden – soweit nen Sitz in Den Haag hat, nur wenige scher Seite auch in Tokio. Im Gegen- sie in den Ländern begangen wur- Schritte vom dortigen Jugoslawien- satz zu diesen beiden Tribunalen den, die das Statut ratifiziert haben. tribunal entfernt: Seine achtzehn schließt aber das Statut des neuen Das Statut konnte in Kraft treten, noch zu wählenden Richter werden Gerichtshofes die Todesstrafe aus- nachdem insgesamt bisher 66 Staa- nur einschreiten, wenn im Her- drücklich aus. ten bei den Vereinten Nationen ihre kunftsland des oder der Täter keine (aus: DT/kgm Nr.45/13.04.2002) Ratifikationen für das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs eingereicht haben. Insgesamt waren sechzig Ratifikationen erforderlich. Das Statut zur Errichtung des Ge- Die Aufnahme des Gottesbezugs in die richtshofes war 1998 am Tiber aus- gehandelt und von 120 Staaten ver- abschiedet worden. Weitere neun europäische Verfassung Staaten stimmten später zu, darunter die Vereinigten Staaten, deren Präsi- Lehmann und Kock fordern Rol- Charta trage im Grundsatz dem christ- dent Clinton es am 31. Dezember le der Religion zu würdigen lichen Menschenbild Rechnung. 2000 unterzeichnete – dem letzten Zudem müsse die Verfassung Tag seiner Amtszeit. Kofi Annan, der ie Kirchen in Deutschland ha- eine Verpflichtung der Mitgliedsstaa- Generalsekretär der Vereinten Natio- ben die Aufnahme eines ten enthalten, den Status der Kirchen nen hatte damals in Rom davon ge- DGottesbezuges und eines Be- und religiöser Vereinigungen nach sprochen, ein lang gehegter Traum kenntnisses zu den religiösen Wur- den nationalen Rechtsvorschritten zu werde nun Wirklichkeit. zeln in die künftige europäische Ver- achten und nicht zu beeinträchtigen. Allerdings wurde das Statut bis- fassung gefordert. Zugleich verlang- Das Selbstbestimmungsrecht der lang nur von etwa einem Drittel der ten sie in einem 28. Juni in Bonn und Kirchen müsse auch auf europäi- Mitgliedsländer der Vereinten Natio- Hannover veröffentlichten Brief die scher Ebene gewährleistet werden, nen auch ratifiziert. Andere haben Verankerung der Grundrechte-Char- diesen Schritt noch nicht vollzogen heißt es weiter in dem Schreiben. Im ta in den neuen Verfassungstext. Das darunter die Vereinigten Staaten, Verfassungstext soll nach dem Wil- Russland, China, Japan, Indien, Isra- Schreiben des Vorsitzenden der len der Kirchen ausdrücklich die el und viele islamische Staaten. In Deutschen Bischofskonferenz, Kardi- „besondere Rolle und positive Be- Washington wird das Statut vom nal Karl Lehmann, und des Vorsitzen- deutung von Kirche und Religion für Weißen Haus blockiert, weil be- den des Rats der Evangelischen Kir- die Integration Europas“ gewürdigt fürchtet wird, dass amerikanische che in Deutschland (EKD), Präses werden. Schließlich leisteten die Kir- Soldaten vor den Gerichthof gestellt Manfred Kock, richtet sich an die chen einen wichtigen Beitrag zur In- oder politisch motivierte Verfahren deutschen Mitglieder des europäi- tegration auch für die zukünftigen gegen die Vereinigten Staaten ge- schen Konvents. Lehmann und Kock Mitgliedsstaaten. Darüber hinaus führt werden könnten. Präsident unterstreichen, die Grundrechte- sprachen sich Lehmann und Kock für

78 AUFTRAG 248 FREIDENKER die Entwicklung einer sozialen Iden- seiner Einschätzung ist sich das Gre- dervorlage würde jedoch „nur in un- tität der Europäischen Union aus. mium jedoch darin einig, dass die fruchtbare Diskussionen“ führen, er- Eigenverantwortung und Solidarität EU nicht in die kirchenrechtlichen klärte Glotz. In Polen und Italien sei müssten dabei „gerecht austariert“ Regelungen der einzelnen Mitglieds- die Anrufung Gottes in der Verfas- werden. staaten eingreifen darf, wie Glotz am sung zwar etwas Verständliches, Europapolitiker von Union und 23. Juli in Berlin in einem Interview Franzosen würde dies wegen der SPD begrüßten die Stellungnahme der Katholischen Nachrichten-Agen- strikten Trennung von Kirche und der Kirchen, warnten aber zugleich tur (KNA) sagte. Im Grundgesetz und Staat „nie akzeptieren“. Glotz erklär- vor zu großen Erwartungen. in Verfassungen anderer europäi- te zugleich, er werde sich für einen scher Länder wird ausdrücklich auf Erhalt von Rechten der Kirchen zu EU-Konvent will eigenständige Gott Bezug genommen. Dies haben eigenständigen Regelungen einset- Staat-Kirchen-Regelungen die Kirchen auch für die EU-Verfas- zen. Europa dürfe „da nicht hinein- sung gefordert. pfuschen“. Darauf müsse bei der Der Vertreter der Bundesregie- Glotz sagte, der Konvent wolle endgültigen Formulierung des Ver- rung im Konvent zur Reform der Eu- die bereits verabschiedete Grund- fassungsvertrags genau geachtet wer- ropäischen Union (EU), Peter Glotz, rechte-Charta nicht wieder auf die den. Die 105 Delegierten des Kon- sieht allerdings keine Chancen für Tagesordnung setzen. In der Charta vents wollen bis Mitte 2003 Vor- die Aufnahme eines Gottesbezugs in wird nur an das spirituelle und religi- schläge zur Reform der EU vorlegen. die geplante EU-Verfassung. Nach öse Erbe Europas erinnert. Ihre Wie- (PS/KNA)

FREIDENKER-VEREINIGUNGEN

Humanisten-Verband: Günstige Prognose öffentlich geförderten sozialen Ange- Mehr als zehn Jahre nach der „Wende“ von 1989 haben sich nicht nur boten an. So ist der HVD in Berlin die Hoffnungen der Kirchen auf ein Wiederaufblühen im Osten Deutsch- Träger von bald elf Kindertagesstät- lands zerschlagen. Auch die traditionellen „kirchenkritischen Organisati- ten und „Jugendfeiern“ in der Tradi- tion der „Jugendweihe“. Zudem bie- onen“ konnten nach Erkenntnissen der Evangelischen Zentralstelle für tet er in den Schulen einen Lebens- Weltanschauungsfragen (EZW) davon kaum profitieren, obwohl sich die kundeunterricht, an dem derzeit rund Mehrheit der Bevölkerung in den neuen Bundesländern als atheistisch 30.000 Jugendliche teilnehmen. versteht. Eine Ausnahme macht der Humanistische Verband Deutsch- Ähnliches strebt der HVD auch in lands (HVD), wie aus einer Studie des EZW-Mitarbeiters Andreas Fincke Brandenburg an. Der Status einer hervorgeht. Körperschaft öffentlichen Rechts ie zumeist vor einem Jahrhun- fahrungen mit den Kirchen, schreibt wurde dem Berliner HVD-Landes- dert gegründeten und bis zur Fincke in seiner Broschüre „Freiden- verband mit Verweis auf die nach DVerfolgung im Dritten Reich ker – Freigeister – Freireligiöse“, die Auffassung des Verwaltungsgerichts öffentlich durchaus beachteten Frei- bei der EZW in Berlin (www.ezw- zu geringe Mitgliederzahl von derzeit denker-Organisationen sind „politisch berlin.de) erschienen ist. 1.400 bislang aber verweigert. einflusslos“ geworden, so die Bilanz Zu einer anderen Prognose Bei einer Fortführung seines Finckes. Die bis zu 60 Gruppierun- kommt Fincke, der auch Pfarrer und Kurses könnte der Humanistische gen zählten häufig nur wenige hun- Sektenbeauftragter der evangelischen Verband nach Einschätzung Finckes dert Mitglieder, seien überaltert und Kirchenprovinz Sachsen ist, für den wie ähnliche Organisationen in den untereinander zerstritten. Alle kirchen- 1993 von Mitgliedern von Freiden- Niederlanden zu einem „bedeuten- kritischen Organisationen zusammen ker-Verbänden in mehreren Bundes- den weltanschaulichen Faktor“ wer- verzeichneten derzeit nur noch weni- ländern gegründeten Humanisti- den. Dort seien humanistische Bera- ger als 100.000 Anhänger. In der schen Verband Deutschland (HVD). ter gleichberechtigt neben kirchli- Weimarer Zeit seien es dagegen rund Dieser Dachverband habe nach eige- chen Seelsorgern in Kranken- 600.000 gewesen. Die Ursache des nen Angaben derzeit zwar bundes- häusern, Gefängnissen und beim Mi- Niedergangs sieht Fincke darin, dass weit nur 10.000 Mitglieder. Durch litär tätig. Der HVD habe vor allem die traditionellen Freidenker-Vereini- seine sozialen Angebote könnte er dann Chancen, das von ihm erhoffte gungen weitgehend in antikirchlicher sich jedoch zu einem „ernst zu neh- „Sammelbecken aller weltlich-huma- Polemik verharrten. Damit seien die menden Konkurrenten“ für die Kir- nistischen Kräfte“ zu werden, wenn „praktischen Atheisten“ in Ost- chen entwickeln, prognostiziert er den überwiegend kirchenfern sozi- deutschland kaum ansprechbar. Sie Fincke. Bei weitgehendem Verzicht alisierten Akademikern in den neuen hätten oft bereits seit mehreren Ge- auf plumpe Verunglimpfung von Re- Bundesländern eine neue geistige nerationen keinerlei – also auch kei- ligionen strebe der HVD den Aufbau Heimat bieten könne. ne schlechten – Kontakte zu und Er- einer kirchenähnlichen Struktur mit (KNA - ID Nr. 14 / 03.04.02)

AUFTRAG 248 79 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

POLEN: Kritische Sowjetarmee-Ausstellung

JOACHIM GEORG GÖRLICH nen, deren vorherige deutschen oder polnischen Besitzer enteignet worden bwohl Polen Verbündeter der land, so habe man in Polen Jagd auf waren. Ein Großteil der polnischen UdSSR war, benahm sich die Uhren und Pretiosen gemacht. Es Lebensmittelindustrie sorgte gratis OSowjetarmee in Polen nicht wurden Brücken, ganze Eisenbahn- nur für die Versorgung der Sowjet- selten genau so schlimm, wie nach strecken, Fabriken und E-Werke de- armee und einige Lodzer Textilfabri- der Besetzung Deutschlands. Zu die- montiert, in die Sowjetunion abtrans- ken stellten zum Nulltarif Uniformen ser Feststellung kommt in Polen eine portiert. Den polnischen Menschen für diese her. Die Kommunen waren geplante Ausstellung, die sich mit Fahrräder konfisziert, ebenso Kunst- gehalten Gas, Strom und Wasser der Sowjetarmee in Polen ab 1944 werke und komplette Wohnungsein- gratis zu liefern. befasst. „’Mögen dich die Deutschen richtungen. Wie es heißt, wird in der Ausstel- besetzen und die Russen dich Schon der exilpolnische Schrift- lung auch darauf hingewiesen wer- danach befreien’, wünschte man in steller Roman Orwid-Bulicz hatte in den, dass zum Kriegsende Hunderte den Jahren 1944-45 seinen ärgsten seinem Buch „Wenn morgen der von Sowjets mit ihren Familien zu Feinden“, schreibt dazu das postkom- Krieg beginnt“ (London, 1960) den Polen umgeschult wurden,die man munistische Magazin „Wprost“, das Sowjets vorgehalten dass von ihnen später zynisch als „Popen“ bezeich- von einer „Befreiungsbesatzung“ reihenweise polnische Mädchen und nete. Sie atheisierten und sowjeti- spricht. Die Sowjetarmee habe hinter Frauen vergewaltigt wurden. sierten dann als polnische Offiziere, sich eine Spur von „Gewalt, Mord, „Wprost“ bestätigt dies heute und Generale und Admirale Polens Raub und Volksangst“ hinterlassen. schreibt, dass es in Lodz wegen der Streitkräfte. Oder sie sorgten in der Sie habe auch an der physischen Li- Vergewaltigung und Ermordung ei- Militärjustiz dafür, dass nichtkommu- quidierung nationalpolnischer Ein- ner Studentin zu Demonstationen der nistisch Offiziere gesäubert, ja sogar heiten der „Heimatarmee“ (AK) mit- polnischen Bevölkerung gegen die physisch liquidiert wurden. gewirkt. Ja, es seien auch Juden er- neuen Besatzer kam. Als dann zu Beginn der 90-er schossen worden, die gerade sich aus Sehr arg war es mit der Hygiene Jahre die Sowjetarmee abzog, ließ sie ihren Verstecken wagten,in denen sie in der Sowjetarmee bestellt gewesen. einen Schuldenberg, ganze Landstri- die NS-Ära überlebt hatten. In der Regel wusste ein einfacher che verseuchter Erde und marode Ganze Stadtteile seien von der Rotarmist nicht, was er mit einem Geisterstädte oder nur Stadtteile zu- sowjetischen Soldateska niederge- Spülklo anfangen sollte. Und wegen rück. So habe sich kaum eine fremde brannt worden, wie im schlesischen der Vergewaltigungen stieg die Zahl Armee in Polen benommen, vor allen Liegnitz das kulturhistorische Zen- der Syphiliserkrankungen unter den Dingen nicht eine verbündete. trum, im oberschlesischen Oppeln Polen nach 1946 rapide. Die Sowjet- Fazit: Nur auf Bajonetten konnte der kulturhistorische Ring (Markt) armee zahlte keinen Rubel für Trans- der atheistische Kommunismus nebst usw. Es gab organisierte und nicht porte auf den polnischen Staatsbah- Kirchenkampf Jahrzehnte bestritten organisierte Horden. Wie in Deutsch- nen. Sie besaß eigene Staatsdomä- werden. ❏

wehren müsste. Und dieses „Wehren“ Polens Postkommunisten prangern sehe denn so aus: „Visumkonfiszie- rung und Annullierung von Aufent- Diskriminierung von Katholiken in Russland an haltsgenehmigungen, was katholi- sche Priester anbelangt, Stopp des JOACHIM GEORG GÖRLICH Kirchenbaus, Organisierung ständi- ger antikatholischer Demos, Illegali- ür Polens Postkommunisten ist Jerzy Mezur, wurde sozusagen nach sierung von vier katholischen Bistü- die Diskriminierung der katho- Polen ausgewiesen. Hier seien „anti- mern, und am besten alle Tätigkeit Flischen Kirche in Russland un- westliche Parlamentskräfte“ der rus- der Kirche untersagen. Den das ist erträglich. „Der Konflikt ist zwar sischen Orthodoxie zur Hilfe geeilt, das Rezept für eine Visionskatas- nicht neu, jetzt zieht aber die Ortho- um neue Strukturen zu schaffen. Die trophe des neuen Russlands in der doxe Kirche den russischen Staat mit ansonsten für eine russland- Welt“. Das kenne man nur von den hinein“, kritisiert ihr Flaggschiff freundliche Politik plädierende Illus- chinesischen Kommunisten. „Warum „Polityka“, und fügt hinzu, dass eine trierte brandmarkt, dass in Russland schweigt dazu der Kreml? Regiert „neue Phase der Schikanen gegen gegenüber den Katholiken die „alte das neue Russland bereits der Vete- die katholische Geistlichkeit began- Platte von der Kolonisierung durch ran der UdSSR, Patriarch Alexy nen hat.“ So sei dem Geistlichen den Westen und seine V. Kolonne, III.?“ Stefano Caprio die Einreise verwahrt der römisch-katholischen Kirche, Für unerträglich hält diesen Zu- worden und der Bischof von Irkutzk, abgespielt wird,“ gegen die man sich stand auch das zweite Flaggschiff

80 AUFTRAG 248 WEHR(UN)GERECHTIGKEIT

„Wprost“ (Chefredakteur und Her- ausgeber ist der letzte Vize-KP-Chef PERSONALIA Polens, Marek Król). Die Illustrierte Umtriebe“ mit seiner NS-geschä- fragt, ob die Orthodoxie in Russland MAG. JOACHIM GEORG GÖRLICH, digten Ehefrau aus Oberschlesien wieder Staatsreligion werden soll und Haan bei Düsseldorf, hat die Wür- nach Deutschland ausgebürgert. brandmarkt die permanenten (orga- de eines Ehrenbürgers der heute Die EVP-Parteien im Europa-Parla- nisierten) Demos vor der Päpstlichen polnischen Stadt Oberglogau/ ment haben ihn wegen „besonderer Nuntiatur in Moskau. Gleichzeitig Glogówek sowie die Medaille „für Verdienste um die Einigung Euro- kritisiert „Wprost“ das „Finanz- besondere Verdienste um die Stadt pas, insbesondere wegen seiner imperium“ der orthodoxen Kirche in und Großgemeinde Glogówek“ er- Verdienste um die deutsch-polni- Russland, deren Vertreter sie als halten. Görlich, der als Publizist schen Beziehungen“, mit der „Oligarchie in der Soutanne“ be- und Komponist arbeitet, ist in Europamedaille ausgezeichnet. zeichnet. Die neueste Parole in Russ- Oberglogau geboren. Er wurde (aus: GKP-Informationen land laute: „Der Katholik, Dein 1959 wegen „staatsfeindlicher VII/VIII 2002) Feind!“ ❏

Grafiken und Schaubilder wie dieses (DER SPIEGEL) wurden in letzter Zeit mehrfach in den Medien gezeigt. Sie suggerieren ein Bild der „Wehrungerechtigkeit“. Die Tatsachen (Ausschöpfung eines Geburtsjahrgangs) sprechen eine andere Sprache.

Die Legende von der Wehrungerechtigkeit

n der neuerlichen Debatte um die Ein Beispiel ist die Grafik aus Wehrpflichtige (= 28 %) für die Frage Wehrpflicht oder Freiwilli- dem SPIEGEL 15/2002, die zeigt, Bundeswehr und den Grundwehr- Igenarmee stützen sich die Vertre- dass von 303.765 wehrdienstfähigen dienst verfügbar sind. Diese 117.800 ter einer Freiwilligenarmee im We- Männern des Geburtsjahrgangs 1980 sind der eigentliche und einzige rich- sentlichen auf zwei Hauptargumente: „nur“ 70.655 zum Wehrdienst her- tige Maßstab für die Frage der Wehr- Zum ersten wird auf die Aus- angezogen werden. Das sind etwa 23 gerechtigkeit. Da der Bedarf der landseinsätze der Bundeswehr ver- Prozent, auf den ersten Blick ein in Bundeswehr (Grundwehrdienstleis- wiesen, die zur Hauptaufgabe gewor- der Tat erschreckend geringer An- tende und für freiwillig zusätzlichen den seien und für die Wehrpflichti- teil. Wehrdienstleistende) 101.500 Wehr- gen nicht herangezogen werden kön- Ähnliche grafische Darstellun- pflichtige beträgt, werden von diesen nen. Fazit: wir brauchen eine Frei- gen sind in letzter Zeit auch im Fern- 117.800 – nach Adam Riese – nur willigenarmee. sehen aufgetaucht. Die genannten etwa 13 Prozent nicht benötigt. Der Zum zweiten wird behauptet, Zahlen sind zwar nicht falsch, sie Grad der „Wehrgerechtigkeit“ liegt dass mittlerweile nur noch etwa 20 stellen aber nur eine Teilwahrheit damit bei 87 Prozent. dar. Eine genauere Darstellung der Prozent der Wehrpflichtigen eines Nun ist bei diesem Modell Zahlen für die einzelnen Verwendun- Geburtsjahrganges zum Wehrdienst (BMVg) die Zahl der Kriegsdienst- herangezogen werden. Dies zeige, gen eines Geburtsjahrganges führt zu einem völlig anderen Bild. verweigerer nur mit 159.600 (38 Pro- dass Wehrpflichtige eigentlich kaum zent) angesetzt. Diese Zahl ist aber - mehr gebraucht werden. Noch wich- Modelljahrgang 420.000 auch im Schnitt über mehrere Jahre tiger: Das damit erreichte Ausmaß längst überschritten. Sie lag 2001 „Wehrungerechtigkeit“ verstoße ek- Die durchschnittliche Jahrgangs- erstmals über 180.000 (182.400, s. latant gegen das im Grundgesetz ver- stärke der Geburtsjahrgänge 1983 Grafik IAP 04/02). ankerte Gleichheitsgebot, das auch bis 1985, die derzeit zur Bundeswehr Legt man bei der Modellberech- vom Bundesverfassungsgericht als eingezogen werden, liegt bei 420.000 nung 180.0000 Kriegsdienstverwei- Verpflichtung und Messlatte betont jungen Männern. gerer zu Grunde, so ergibt sich, dass wurde. Die Grafik zeigt (nach den Zah- der Bedarf der Bundeswehr schon Auch in einem Teil der Medien len des BMVg) – die Schichtung und nicht mehr zu decken ist. Damit ist wird mit dieser angeblichen „Wehr- Ausschöpfung dieses Modelljahr- das Bild der „Wehrungerechtigkeit“, ungerechtigkeit“ zu Gunsten der Ab- gangs. mit dem in der laufenden Debatte schaffung der Wehrpflicht argumen- Die Zahlen zeigen, dass vom Mo- operiert wird, endgültig ad absurdum tiert. delljahrgang 420.000 nur 117.800 geführt.

AUFTRAG 248 81

Wie steht es um die GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Keinen Dienst leisten – aus vie- Prozentsätze - die Zahl der Nicht- Bedarfsdeckung bei 180.000 KDV lerlei Gründen – ca. 161.000 Ange- wehrdienstfähigen sowie der Wehr- hörige eines Geburtsjahrganges (29 dienstausnahmen ansteigen. Bei den – Bedarf Bundeswehr ca. 101.500 Prozent). Kriegsdienstverweigerern ist davon – Für den Grundwehrdienst Die „Gerechtigkeitsdebatte“ muss auszugehen, dass sich der prozentua- verfügbar ca. 97.400 daher bei der Dienstgerechtigkeit le Anteil und damit die absolute Zahl allgemein und beim Ausmaß der pro Jahrgang weiter erhöhen. So Nichtdienstleister ansetzen. muss beim zahlenmäßig stärksten „Dienstgerechtigkeit“? Die entscheidende Frage dabei Jahrgang, dem Geburtsjahrgang ist, warum von rund 180.000 Kriegs- 1988 mit einer Stärke von 453.800, Die Zahlen für den Modell- dienstverweigerern derzeit nur rund mit mindestens 200.000 Kriegs- jahrgang 420.000 zeigen auch, dass 143.000 Ersatzdienst leisten, obwohl dienstverweigerern gerechnet wer- die weit wichtigere Frage, die nach 188.000 Ersatzdienstplätze zur Ver- den. Dies muss den Blick auch der der Dienstgerechtigkeit ist. Hier fügung stehen. Politik – vor allem auf die Frage der zeigt sich, dass von den 420.000 An- Dienstgerechtigkeit bei den Kriegs- gehörigen eines Geburtsjahrgangs Hohe „Wehrgerechtigkeit“ dienstverweigerern und damit auf folgende Dienste geleistet werden: dank KDV Aufgabenstellung, Organisation und • 126.000 Bundeswehr zahlenmäßigen Umfang des Ersatz- • 12.600 Polizei, BGS und Entwick- Zu betonen ist allerdings auch, dienstes lenken. lungshilfe dass sich der heute sehr hohe Grad Für die „Wehrgerechtigkeit“ • ca. 143.000 Ersatzdienst an Wehrgerechtigkeit, ebenso wie entsteht auch bei dieser hohen Jahr– der Grad der Dienstgerechtigkeit vor gangsstärke kein Problem. Im Ge- Insgesamt leisten somit ca. allem aus der hohen Zahl der Kriegs- genteil: der Bedarf von ca. 90.000 293.000 junge Männer (69 Prozent) dienstverweigerer ergibt. Auch wenn bis 100.000 kann bei rund 102.000 eines Geburtsjahrgangs einen der an- es vom Grundsatz her bedenklich ist verbliebenen verfügbaren Wehr- geführten Dienste. Diese Zahlen sind und die Wehrpflicht als Grundpflicht pflichtigen gerade noch gedeckt wer- als Maßstab für die Beurteilung der (gegenüber dem Ersatzdienst als den. „Dienstgerechtigkeit“ heranzuzie- Ausnahme) längst in Frage steht, die Der Anstieg der Jahrgangs- hen. Politik kann zufrieden sein. Sie hat stärken ist aber ohnehin nur eine Anders ausgedrückt, es leisten: einen hohen Grad an „Wehrgerech- Zwischenphase. Ab 2008 sinken die • 126.500 (31 Prozent) junge Män- tigkeit“ und den für unverzichtbar Jahrgangsstärken deutlich. Ab 2010 ner Dienst bei der Bundeswehr, gehaltenen Ersatzdienst als Faktor – in nur acht Jahren – wird sich die • 139.100 (33 Prozent) der jungen der Kostendämmung im Sozial- und Frage stellen, ob und wie bei gleicher Männer Dienst bei der Bundes- Gesundheitswesen. Und um die oder höherer Quote der Kriegsdienst- wehr, der Polizei, dem BGS oder „Dienstgerechtigkeit“ insgesamt ist verweigerung der Bedarf der Bundes- bei der Entwicklungshilfe. es so bestellt, dass sie bislang nie- wehr noch gedeckt werden kann. • 298.700 (71 Prozent) leisten mand zum Problem erklärt. Unterstellt man, dass die Bun- Dienst bei den genannten Instituti- deswehr nicht verringert wird, die onen plus beim Ersatzdienst. Problem bei stärkeren Anteile der nicht Gemusterten und Geburtsjahrgängen? nicht Wehrdienstfähigen sowie der externe Bedarf in der absoluten Zahl In der Argumentati- etwa gleich bleiben und der Anteil on gegen die Wehrpflicht der KDV moderat auf etwa 42 Pro- wird auch darauf verwie- zent steigt, so ergibt sich, dass beim sen, dass bei den stärke- Geburtsjahrgang 1994 für die Einbe- ren Geburtsjahrgängen, rufung in 2012 nur noch knapp die ab 2005 zum Dienst 84.000 Wehrpflichtige zur Verfü- anstehen (s. Grafik) die gung stehen. Schere zwischen Jahr- Schon in der nächsten Legisla- gangsstärke und Bedarf turperiode wird dies vorbedacht wer- der Bundeswehr sich den müssen. Spätestens in der über- noch weiter öffnet und nächsten Legislaturperiode können die Lage damit – angeb- konkrete Maßnahmen zur personel- lich – vollends untragbar len Bedarfssicherung der Bundes- wird. wehr erforderlich werden. Auch hier ist eine Alles in allem ergibt sich: Man genauere Betrachtung er- mag manche Gründe für den Verzicht forderlich. Der Bedarf auf die Wehrpflicht und den Über- der Bundeswehr wird gang zur Freiwilligenarmee diskutie- nicht ansteigen. Wohl ren, die behauptete „Wehrungerech- aber wird in etwa ent- tigkeit“ kann als Grund nicht heran- sprechend der bisherigen gezogen werden. (aus: IAP 5/02)

82 AUFTRAG 248 BUNDESTAGSWAHL 22. SEPT. 2002

BUNDESTAGSWAHL AM 22. SEPTEMBER 2002 Wenig über Werte KNA-Analyse der Wahlprogramme der Parteien sich ex negativo: Keine der übrigen rundwerte sind out. Diesen Eindruck gewinnt zumindest, wer Parteien stehe so sehr für Politik- nach solchen in den Wahlprogrammen der Parteien sucht. Aus wechsel wie die PDS. Sie opponiert Gdrückliche Passagen, gar ganze Kapitel über das, was die Par- gegen Krieg, gesellschaftliche Er- teien für grundsätzlich gesellschaftlich erstrebenswert halten, gibt es starrung und soziale Kälte. Im Um- nicht. Das Interesse scheint gering, Rechenschaft über die Orientie- kehrschluss heißen die obersten rungsmaßstäbe des konkreten politischen Handelns und Entscheidens Werte Frieden, Gerechtigkeit, Ar- abzulegen. Wer obendrein Visionen erwartet, befindet sich im falschen beit. Als Partner im Kampf gegen Zeitalter. So bleibt dem Wähler nur, Werte und Normen zwischen den „Neoliberalismus“ und „Vorherr- Zeilen zu suchen. schaft des Großkapitals“ fassen die demokratischen Sozialisten die „Be- Bei der SPD ist der praktische fang ihres „Regierungsprogramms“ - troffenen“ auf – in Gewerkschaften, Nutzen Programm: Die Kanzler-Par- Werte als Thema zur Abgrenzung von Kirchen, Verbänden und Initiativen. tei lädt alle Gesellschaftskräfte ein, Rot-Grün. Dazu zähle „das christli- Wünschenswert sei eine „Gesell- „mit uns an der Verwirklichung un- che Menschenbild“ und – in einem schaft, in der die freie Entwicklung serer pragmatischen Vision für ein Atemzug – „die Liebe zu unserem des Einzelnen zur Bedingung der modernes und gerechtes Deutsch- Land“. Denn Heimat gebe Halt, freien Entwicklung aller wird“. land mitzuwirken“. Es gehe um „so- menschliche Bindungen und Zusam- zialen Zusammenhalt“ und eine „hu- mengehörigkeitsgefühl. Prüfstein Gentechnik: mane Gesellschaft“. Chancengleich- Die Union setzt in ihrem Pro- SPD und FDP lassen sich aus- heit, Gerechtigkeit und Solidarität gramm stärker als alle anderen auf führlich über die notwendige Förde- sind Begriffe, die sich im bewusst Gefühl und Wärme. Der Einzelne rung dieser „Schlüsseltechnologie“ unideologisch und nüchtern gehalte- dürfe in der Massengesellschaft nicht aus. Ethische Aspekte tauchen bei nen „Regierungsprogramm“ der SPD verloren gehen, sein Glück hänge der FDP gar nicht auf, bei den Sozi- wiederholen. Traditionell sozialde- von Werten „jenseits des Euro“ ab. aldemokraten heißt es am Schluss mokratische Ideen bleiben außen Scheu vor dem Begriff „Leistung“ knapp: „Forschung im Dienste der vor. Eine Option für eine bestimmte haben die Christdemokraten dabei Menschen beachtet die moralische Gesellschaftsschicht vermeidet das nicht. Dieser wird als Wert gehandelt und ethische Grenze.“ Eine ethische Programm. Als hohen Wert bezeich- und taucht beim Thema Soziales – Debatte sei daher begrüßenswert. net die SPD-Schrift stabilen Wohl- gerne gepaart mit dem Wort Union, Bündnisgrüne und PDS stand als Garant für soziale Sicher- „Pflicht“ – auf. warnen dagegen ausführlich vor den heit. Die FDP bleibt sich treu. Ihr ethischen Gefahren der Biotechnik. Die Bündnisgrünen verwenden oberster Wert lautet Freiheit. Die Sie verweisen auf Lebensschutz, in ihrem Wahlprogramm an wenigen wird im „Bürgerprogramm 2002“ er- Menschenwürde, das Recht auf Stellen das Wort „Grundwert“: Der läutert wie eh und je: Der Staat sei Selbstbestimmung der Frau, auf mo- Begriff gilt zuvorderst der Ökologie, nicht „Vormund“, sondern „Wäch- ralische Grundwerte. realisiert nach dem entwicklungs- ter“ über die Fairness mündiger Bür- politischen Leitbild der „Nachhaltig- ger. Entsprechend wollen die vor ei- Familie und Lebenspartnerschaften keit“. Grundwert Nummer zwei sind nigen Jahren als Besserverdiener- In einem sind sich alle Parteien Gerechtigkeit und Solidarität, wobei Partei getauften Liberalen Ort für auffallend einig: Die Familie und der kleine Koalitionspartner vor al- alle sein, die sich für ihre Gemeinde, das, was bei der FDP „andere Ver- lem für „sozial Schwache“ Partei er- ihr Land, ihr Volk einsetzen, „statt antwortungsgemeinschaften“ heißt, greifen will. Gerecht soll es zwischen immer gleich nach dem Staat zu ru- seien für den gesellschaftlichen Zu- Jung und Alt, Männern und Frauen fen“. Die FDP wünscht sich Men- sammenhalt entscheidend. Strittig sowie auf der internationalen Globa- schen mit „mehr Selbstverantwor- bleibt dabei, welche Lebensform wel- lisierungsbühne zugehen. Ein weite- tung, mehr Veränderungsbereit- chen Rechtsstatus haben soll. Ein- rer Wert findet sich im Programm der schaft, mehr Mut“. Unter der Katego- helligkeit auch beim Ehrenamt. ehemals pazifistischen Partei ver- rie „Tugend“ firmiert hier die „klas- Bürgerschaftliches Engagement er- schämt am Schluss: „Frieden fördern sische soziale Marktwirtschaft“, die heben alle Parteien zum hohen Wert. bleibt Kern der Politik“, heißt es durch den „marktlichen Preismecha- Übereinstimmung ebenso beim The- nach vier Jahren Regierung und nismus“ verwirklicht werden soll. Im ma Bildung und Erziehung: Es gehe mehreren Beschlüssen zu Auslands- Zusammenhang mit der liberalen nicht nur um Wissen, sondern auch einsätzen der Bundeswehr. Tradition der Freiheitsrechte werden um die Vermittlung „unserer Werte“ „Deutschland braucht jetzt eine „Toleranz und Weltoffenheit“ be- an die Jugend, heißt es so oder so Regierung, die Werte verkörpert“, schworen. ähnlich in dem Wahlpapieren. schreiben CDU und CSU am An- Die Partei des Ostens definiert (KNA - ID Nr. 29 / 17. Juli 2002)

AUFTRAG 248 83 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

ZENTRALKOMITEE DER DEUTSCHEN KATHOLIKEN (ZDK) Erklärung zur Bundestagswahl ropäische Union, so betont das ZdK, Umfassender Katalog zu Fragen der Weltordnung, der Rechte, der Werte sei nicht nur eine Wirtschafts-, son- or der Bundespressekonferenz in Berlin haben der Präsident des dern vor allem eine Wertegemein- Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Dr. Hans schaft. Besonders fordert das ZdK Joachim Meyer und die ZdK-Sprecherin für Politische Grundfra- eine eigenständige europäische Si- V cherheits- und Verteidigungspolitik. gen, Karin Kortmann MdB, am 28. Juni die politische Erklärung des ZdK aus Anlass der Wahlen zum 15. Deutschen Bundestag vorgestellt. Wirtschafts- und Sozialpolitik Neuer gesellschaftlicher tionen weltweit sowie zwischen der Neben dem Schuldenabbau und Konsens jetzigen und den nachfolgenden Ge- einer Reform des Gesundheitswesen Nachdrücklich warnt das ZdK in nerationen anstreben. Die Herausfor- bleibt die Arbeitsmarktpolitik für die dieser Erklärung vor überzogener derung bestehe darin, zu klären, wie nächsten Jahre die zentrale Heraus- Kritik und Erwartungshaltung an Po- unter den heutigen Bedingungen ein forderung. Besonders weist die Er- litik und staatlichem Handeln. Poli- friedliches, gerechtes, leistungsfähi- klärung auf das Problem der Lang- tik werde durch die Vorstellung, alle ges und menschliches Zusammenle- zeitarbeitslosen hin. Hier wird mehr Probleme ließen sich lösen, wenn nur ben organisiert werden könne, ohne Gestaltungsspielraum für die Kom- die „richtige“ Politik gemacht werde, dass dadurch kommenden Generatio- munen gefordert. unmöglich. Geboten sei vielmehr nen Lasten aufgebürdet würden. eine realistische Einschätzung der An einigen Politikfeldern führt Bildung und Erziehung Möglichkeiten und Grenzen politi- die ZdK-Erklärung die Grundforde- Gute Schule hängt nach Über- schen Handelns. Deshalb plädiert rungen aus. zeugung des ZdK vor allem von Men- das Zentralkomitee für einen neuen schen ab. „Wenn Deutschland die gesellschaftlichen Konsens, in dem Friedenspolitik Defizite im Bildungsbereich ausglei- die Aufgabenverteilung zwischen Für die Friedens-, Sicherheits- chen will, braucht es dafür mehr Per- Staat, Markt, Zivilgesellschaft und und Außenpolitik fordert das ZdK sonal, mehr Aufwand für qualifizierte der je eigenen Verantwortung für die eine Politikkonzeption, die einem ge- Aus- und Fortbildung sowie mehr Lebensgestaltung klar geregelt wird. rechten Frieden dient. Ein gerechter Mittel für die Modernisierung von Friede entstehe, wo die tiefgreifen- Schule und Hochschule“, heißt es Wettstreit und Kompromiss den Ursachen des Krieges angegan- dazu wörtlich in der Erklärung. Darüber hinaus sieht das ZdK in gen würden. Das Gebot der Stunde Deutschland zur Zeit einen Mangel sei Gewaltvorbeugung verbunden mit Familienpolitik an politischem Streit um die richti- mehr Zugangs- und Verteilungs- Zentrale Forderungen an die Fa- gen Ideen und eine Dominanz parti- gerechtigkeit. So fordert das ZdK milienpolitik richten sich insbeson- kularer Interessen. Wo der demokra- konkret die Einhaltung der Selbst- dere auf „spürbare Umverteilungen tische Streit fehle, werde das Ge- verpflichtung der Industrienationen, der Lasten zu Gunsten von Eltern – meinwesen beschädigt, der notwen- 0,7 % des jährlichen Bruttosozial- insbesondere in der Altersversorgung dige Ideenwettbewerb finde nicht produktes für Entwicklungszusam- ...“ und eine Neuregelung des Fa- statt und folglich bliebe politische menarbeit aufzubringen und die Rea- milienlastenausgleichs, „damit die Innovation aus. Zudem hält das ZdK lisierung des Ziels, die Armut in der Erziehung von mehreren Kindern fest, dass die Werteordnung des Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, nicht zu einem Armutsrisiko wird“. Grundgesetzes einen festen Bezugs- sowie die Einführung eines internati- Darüber hinaus erinnert das ZdK an punkt für die notwendige Findung onalen Insolvenzverfahrens. seine Forderung nach Schaffung von von Kompromissen darstelle. Darüber hinaus setzt sich das günstigen Rahmenbedingungen für ZdK für eine wirksame Kontrolle der das gleichberechtigte Miteinander Nachhaltigkeit als Kleinwaffenproduktion und des -ex- der Eheleute als Voraussetzung und ethisches Kriterium portes ein. Teil einer ganzheitlichen Familien- Durchgehendes ethisches Prin- politik. Konsequent lehnt es daher zip für das politische Handeln muss Europapolitik alle Überlegungen ab „ehebezogene“ nach Auffassung des ZdK das Prinzip In der Europapolitik bekennt Leistungen zu Gunsten „familienbe- der Nachhaltigkeit sein. Nachhaltige sich das ZdK zur EU-Erweiterung als zogener“ zurückzufahren. Politik suche eine Balance des Gan- einer moralischen und politischen zen und habe bei Entscheidungen die Verpflichtung. Hierzu bedarf es nach Zuwanderung, Integration langfristigen Folgen im Blick. Nach- seiner Auffassung einer Neubestim- Im Bereich der Zuwanderung haltige Politik müsse Gerechtigkeit mung des der Integration zugrunde- und Integration lenkt die ZdK-Erklä- innerhalb der jetzt lebenden Genera- liegenden Gesamtkonzeptes. Die Eu- rung den Blick in besonderer Weise

84 AUFTRAG 248 BUNDESTAGSWAHL 22. SEPT. 2002 auf die Problematik der illegal in Lebensrecht Dritter eingreift, ist sie Deutschland lebenden Ausländer. nach Auffassung des ZdK ethisch Abschließend ruft der Text zur Auch ohne Aufenthaltsrecht oder nicht zu rechtfertigen. Daher spricht Wahlbeteiligung auf. Der Text fasst Duldung müssten Menschen, die in es sich in seiner Erklärung gegen zentrale Anliegen und Forderungen der Illegalität leben, die ihnen zur Si- sogenannte verbrauchende Embryo- der gesellschaftspolitischen Arbeit cherung eines sozialen Mindest- nenforschung und gegen Klonierung des ZdK aus der zurückliegenden standards zustehenden Rechte wahr- menschlicher Embryonen aus. Es Zeit zusammen. Er bietet für die Ka- nehmen können. Das betreffe ins- fordert die Erarbeitung eines Fort- tholiken in Deutschland eine Ver- besondere den Schulbesuch der Kin- planzungsmedizingesetzes, welches gewisserung, nach welchen ethi- der, den Zugang zu medizinischer den neuen Entwicklungen Rech- schen Kriterien und nach welchen Versorgung und die Durchsetzung nung trägt und nicht hinter das inhaltlichen Gesichtspunkten die zur von Lohnansprüchen. Schutzniveau des geltenden Embry- Wahl stehenden Kandidaten in der onenschutzgesetzes zurückfällt. Vorwahlzeit befragt und die persönli- Lebensschutz Darüber hinaus lehnt das ZdK we- chen Wahlentscheidungen getroffen Besondere Herausforderungen gen der Gefahr der Selektion die Zu- werden können. Der Wortlaut der Er- sieht das ZdK beim Schutz des lassung der Präimplantationsdiag- klärung ist auf der Homepage des menschlichen Lebens angesichts der nostik in Deutschland ab. ZdK unter www.zdk.de/Erklärungen Fortschritte in der biomedizinischen Nicht zuletzt fordert es dringend einzusehen. Forschung. Wo solche Forschung in politische Initiativen zur Vermei- (ZENIT.org 02070209) die Rechte Dritter oder gar in das dung sogenannter Spätabtreibungen.

UN-BERICHT: Demokratie in Entwicklungsländern stärker fördern ie Demokratie ist weltweit auf net knapp sieben Milliarden Euro Schweden, Kanada und Belgien. Der dem Vormarsch. Das geht aus leisteten. Index erfasst die Lebenserwartung, Ddem am 23. Juli 2002 in Bonn In den Demokratien der Indus- Einschulungs-, Alphabetisierungs- vorgestellten UN-Bericht über die trieländer engagieren sich die Men- und Einkommensrate von in diesem menschliche Entwicklung 2002 her- schen laut UNDP politisch mittler- Jahr 173 Ländern. Die USA und vor. Mittlerweile würden in 140 der weile lieber in NRO als in Parteien. Deutschland behielten mit Platz 6 weltweit knapp 200 Länder Wahlen So hätten die etablierten politischen und Platz 17 ihre Einstufungen vom mit mehreren Parteien durchgeführt, Parteien in Frankreich, Norwegen, Vorjahr. Alle 24 Länder, die im Be- heißt es in der Studie. Davon seien Italien und den USA nur noch halb so richt am schlechtesten abschneiden, allerdings nur 82 Staaten wirklich viele Mitglieder wie vor 20 Jahren. liegen in Afrika südlich der Sahara. demokratisch. In 106 Ländern wer- Um die Entwicklungsziele vom Den letzten Platz belegt wie 2001 Si- den laut UN-Entwicklungsprogramm New Yorker Millenniumsgipfel zu er- erra Leone. (UNDP) nach wie vor bürgerliche reichen, muss laut UNDP die staatli- Die Studie verzeichnet für die und politische Freiheiten einge- che Entwicklungshilfe von durch- 90-er Jahre einen Anstieg der Zahl schränkt. Dabei sei die Demokratie schnittlich 0,25 Prozent des Brutto- der Bürgerkriege im Vergleich zu für die Entwicklung eines Landes sozialprodukts der jeweiligen Indus- Kriegen zwischen Staaten. 220.000 genauso wichtig wie Gesundheit, Bil- trieländer verdoppelt werden. Im Menschen starben bei zwischenstaat- lichen Konflikten im Vergleich zu dung und Einkommen. Jahr 2000 hatten 146 Staaten be- 3,6 Millionen bei innerstaatlichen Eine größere Teilnahme der Be- schlossen, die Zahl der weltweit 800 Unruhen. Zudem wuchs die Zahl der völkerung an politischen Entschei- Millionen Hungernden bis 2015 zu Flüchtlinge und Binnenvertriebenen dungsprozessen wie in der weltweit halbieren. Beim derzeitigen Tempo um die Hälfte. UNDP kritisiert, dass größten Demokratie Indien kann dem wäre der Hunger auf der Welt erst in immer öfter nationale Streitkräfte in Bericht zufolge Hungersnöte verhin- 130 Jahren besiegt, heißt es im innerstaatliche Konflikte eingriffen. dern. Darum müsse die Förderung Entwicklungsbericht. Darin wird ge- Die Organisation fordert eine strikte von „democratic governance“ zentra- fordert, den armen Ländern freien Trennung von Polizei und Militär, les Anliegen von Entwicklungspolitik Marktzugang zu gewähren und ihnen damit Zivilpersonen Menschen- werden. Laut Studie kommt Nicht- ihre Schulden zu erlassen. rechtsverletzungen durch Regierun- regierungsorganisationen (NRO) eine gen ahnden könnten. Den Angaben Schlüsselrolle in der Demokratieför- Sierra Leone ärmstes Land zufolge töteten im Verlauf des 20. derung in Dritt-Welt-Ländern zu. So Spitzenreiter in der UN-Welt- Jahrhunderts Regierungen 170 Milli- gab es im Jahr 2000 rund 37.000 rangliste für menschliche Entwick- onen ihrer Bürger. Das seien weit NRO auf der Welt, die Entwick- lung (HDI) ist wie auch im vergange- mehr, als bei Kriegen zwischen Staa- lungshilfe im Umfang von umgerech- nen Jahr Norwegen, gefolgt von ten gestorben seien. (KNA)

AUFTRAG 248 85 GESELLSCHAFT NAH UND FERN „Geht zu allen Völkern“ – Der Auftrag der Kirche in der globalisierten Welt“ Jubiläumskongress „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“

HEINRICH DORNDORF or 50 Jahren hatte Pater sierten Welt“. „Wie können wir heu- ten haben. Wenn es möglich ist in Werenfried van Straaten, be- te Salz der Erde sein, in unserer Kir- Rom eine Moschee zu bauen, sollte Vkannt unter dem Namen che, wo doch der Anteil der Katholi- es möglich sein eine Kirche in Mek- „Speckpater“, zum ersten Mal einen ken in Deutschland nur noch 34% ka zu bauen“. Kongress veranstaltet, um mit Vertre- beträgt?“, war seine Frage. Multi-re- Ein besonderes Problem ist das tern aus vielen Ländern die Lage der ligiös und multi-kulturell als kleins- der Christen im Heiligen Land. Sie verfolgten Kirche in Osteuropa zu ter gemeinsamer Nenner? – Nur an leiden besonders im Konflikt zwi- beraten. Es ging vor allem darum, ein höheres Wesen zu glauben sei zu schen Palästinensern und Juden. Der wie dieses katholische Hilfswerk, das wenig, denn dies wäre Selbsttäu- Berater des Päpstlichen Rates für 1947 von ihm gegründet worden war schung und Verleugnung unseres den Interreligiösen Dialog Prof. Dr. und heute in 16 Ländern mit nationa- Glaubens. So empfiehlt der Bischof Ghaleb Bader – in Jordanien gebo- len Sekreteriaten vertreten ist, weiter (besonders jungen Leuten) das Lukas ren, Priester des Lateinischen Patri- wirken kann. Am diesjährigen Jubi- Evangelium zu lesen. Hier fänden wir archats von Jerusalem, lehrt heute läumskongress vom 28. bis 30. Juni das Fundament unseres Lebens. Das Rechtswissenschaften an der Univer- nahmen für die Gemeinschaft Katho- christliche Menschenbild sei in der sität Bethlehem – fand keine Ant- lischer Soldaten der Bundesvor- Genesis Lesung zu finden: Gott schuf wort, wie der Konflikt zu lösen sei. sitzende Oberst Karl-Jürgen Klein den Menschen als Mann und Frau, Nur der Friede sei dazu in der Lage, und Hptm a.D. Heinrich Dorndorf als sein Ebenbild. Diese Aussage ste- aber wie?. Lebten im 19.Jh. noch teil he im Gegensatz zu anderen Kultu- 65.000 Christen in Jerusalem, so sei- „‘Geht zu allen Völkern’ – Der ren. en es heute nur noch 5.000-6.000 Auftrag der Kirche in der globali- bei abnehmende Tendenz. Da Chris- sierten Welt“, so lautete das Thema Spannungen zwischen ten keine Zukunft sähen, wanderten dieses Kongresses, ausgehend vom Islam und Christentum sie aus. Pfingstthema. In den Grussworten – In der weiteren Diskussion wur- u.a. von Kardinal Karl Ratzinger, Die Rede von Bischof Mixa zog de deutlich, dass es sehr unter- Kardinal Karl Lehmann und dem sich wie ein roter Faden durch den schiedliche Auffassungen, im Hin- hessischen Ministerpräsidenten gesamten Kongress. Immer wieder blick auf Demokratie in islamischen Roland Koch – kam immer wieder wurden die Differenzen gerade zwi- Staaten gibt, denn eigentlich sei der zum Ausdruck, dass dieses Hilfswerk schen Christentum und Islam deut- Islam mit der Demokratie nicht ver- heute wie damals notwendig sei. lich. Der Dialog mit dem Islam müsse einbar. 50 % des islamischen Volkes Der Eichstätter Diözesanbischof ehrlich sein und zur Wahrhaftigkeit (Frauen) seien von der Mitwirkung und Militärbischof Dr. Walter Mixa führen. Voraussetzung allerdings ausgeschlossen. „So ist auch nach hielt einen beachtenswerten Er- nach Prof. Dr. Andreas Laun, Weih- Auffassung des Islams Gott der Ein- öffnungsvortrag zum Thema: „Salz bischof von Salzburg,: „Ich möchte same, der Herr der Schöpfung, der der Erde – die Kirche in der globali- Fragen stellen und ehrliche Antwor- Gesetzgeber und Richter“, so der Benediktinerpater Anselm Günthör. Werde z.B. in Saudi-Arabien für Christen keine Religionsfreiheit ge- währt, so gebe es in Jordanien drei Christen mit Ministerposten in der Regierung und im Parlament neun christliche von 81 Abgeordneten. „Kirche in Not“ ist in erster Li- nie pastoral tätig, gibt aber auch praktische Hilfen. So gibt es finanzi- elle Unterstützung für koptische

Der Vorsitzende der deutsche Sektion des internationalen katholischen Hilfs- werks Kirche in Not/Ostpriesterhilfe, Hans Graf Huyn im Gespräch mit dem Bundesvorsitzenden der GKS, Oberst Karl-Jürgen Klein (r.) und dem Verfasser des Beitrags, Hptm a.D. Heinrich Dorn- dorf (l.). (Foto Th. Pinzka)

86 AUFTRAG 248 KIRCHE IN GLOBALISIERTER WELT

Der Gründer des Hilfswerkes, der nie- derländische Prämonstratenserpater Werenfried van Straaten, und Hans-Pe- ter Röthling, Präsident des internat. kath. Hilfswerks KINOPH. (Foto H. Dorndorf)

Christen in Ägypten, Nahrungsmittel und Medikamente für Kriegs- flüchtlinge im Sudan. Mit Unterstüt- zung von „Kirche in Not“ hat Pater Hans Stapel OFM ein Projekt für Drogenabhängige in Brasilien aufge- baut, Jazenda da Esperanca“ (Bau- ernhöfe der Hoffnung). Auf diesen Bauernhöfen leben ca. 800 Jugendli- che, die dort praktische Lebenshilfe erhalten, um später ein Leben ohne Drogen, ohne Alkohol meistem zu können. Wichtig dabei ist Zusam- menarbeit mit den Eltern. Die Er- folgsquote ist hoch, denn ca. 87 % dynamik entwickelt. Priester würden, Protesten gegen die Katholiken, so schaffen den Ausstieg. Das Projekt von Ausnahmen abgesehen, kaum auch die Ausweisung des Bischofs macht Schule. Es liegen Anfragen verfolgt, und wenn, mit dem Ziel sie von Irkutsk, Jerzy Mazur; dies be- aus Russland und den Philippinen zur „offiziellen staatlichen Kirche“ deute, dass Ostsibirien faktisch ohne vor. – In Deutschland wurde 1998 zu zwingen, z.B.mit Hilfe von Prosti- Bischof ist. Sollte es keine Änderung, die Fazenda Gut Neuhof als Pilotpro- tuierten, die in die Gefängnisse ein- bzw. eine weitere Verschlechterung jekt anerkannt. In Markee bei Nauen geschleust würden, um einen Priester seitens der Orthodoxie geben, so er- ist das Zentrum für Jungen und junge zu verführen, und ihn dann zu dis- warte Deutschland eine neue Aus- Männer, in Riewend zwischen Nauen kreditieren, wenn er ihr „Angebot“ reisewelle. und Brandenburg liegt das Zentrum ablehne. Der Kongress wurde mit der für Mädchen und junge Frauen. Bischof Joseph Werth SJ, Bi- Eucharistiefeier beendet, an der schof von Novosibirsk, berichtete von auch der erkrankte Gründer des Weltweite Verfolgung den Problemen der katholischen Kir- Hilfswerks, Pater Werenfried van von Christen che mit der Orthodoxie. Nach elf Jah- Straaten, als Konzelebrant mitwirkte. ren der Freiheit setze eine neue Wel- Mit seinem alten „Sammlerhut“ führ- Die weltweite Verfolgung von le der Verfolgung ein. Der Staat un- te er am Schluss des Gottesdienstes Christen war ein weiterer Punkt der terstütze die Orthodoxie gegen die die Kollekte durch. Mit einem Wort Tagung. Der Vorsitzende der Interna- katholische Kirche, wenn auch das von Pater Werenfried soll dieser Be- tionalen Gesellschaft für Menschen- Volk, die Basis, anders reagiere. richt enden: „Die Geschichte von rechte, Karl Hafen, berichtete über Nach der Erklärung der Administra- Kirche in Not/Ostpriesterhilfe be- Verfolgung, Bedrängung bis hin zur turen Novosibirsk und Irkutsk zu Di- weist, dass der Glaube auch heute Hinrichtung von Konvertiten in Sau- özesen durch den Vatikan, kam es zu noch Berge versetzen kann“. di-Arabien, die sogar von Familien- mitgliedern vorgenommen würden. Er wies auch auf die Radikalisierung Großer Spendenzuwachs bei „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“ der Weltreligionen hin, es sei z.B. auf den Molukken geplant „christen- irche in Not/Ostpriesterhilfe“ schäftsführer der deutschen Sektion freie Zonen“ zu schaffen. „Khat im Jahr 2001 das höchste des Werkes, Klaus Wundlechner, be- Der polnische China-Experte, Spendenaufkommen in seiner Ge- kannt. Prof. Roman Malek, betonte, dass die schichte erzielt. Das hatte die deut- Das Werk päpstlichen Rechts Verfolgung in China in den letzten 30 sche Sektion des Werkes im April unterstützt die katholische Kirche Jahren zwar abgenommen, jedoch in 2002 mitgeteilt. Mit 79,15 Millionen nach eigenen Angaben in mehr als den letzten 5-6 Jahren wieder zuge- Euro lag der Spendeneingang dem- 130 Ländern bei der Erfüllung ihrer nommen habe. Als Folge der Ein- nach um etwa 18,8 Prozent höher als seelsorgerischen Aufgaben. Schwer- kindfamilie lebten ca. 100 Millionen ein Jahr zuvor. Auch in Deutschland punkte der Hilfe sind die Länder, in Menschen in China, ohne registriert konnte das Hilfswerk den Angaben denen die Kirche bedroht oder ver- zu sein. Kinder würden ausgesetzt, zufolge eine um 6,2 Prozent auf jetzt folgt wird, außerdem die Staaten Ost- Frauen vom Süden zum Norden ent- fast 12,7 Millionen Euro gestiegene mittel- und Osteuropas, in denen die führt, dies sei die weitaus größere Spendensumme verbuchen. Zu die- kirchliche Infrastruktur nach der Verfolgung. Die katholische Kirche sem Ergebnis hätten etwa 65.000 Wende neu aufgebaut werden muss. habe in China eine gewisse Eigen- Spender beigetragen, gab der Ge- (KINOPH)

AUFTRAG 248 87 GESELLSCHAFT NAH UND FERN MENSCHENRECHTE: Situation der Religionsfreiheit in der Welt akte von Extremisten auf Minderhei- ten nehmen zu und der öffentliche etwas verbessert Kult wird mehr und mehr einge- schränkt. “Kirche in Not“ liefert die Daten m Allgemeinen ist weltweit eine Verbesserung im Dialog und der Sensi- Bereich Örtlicher Konflikte bilität für die Achtung und Toleranz der Religion festzustellen. Dennoch gibt es Länder, in denen die Intoleranz vorherrscht. Das geht aus dem Bürgerkrieg in Ländern wie Ko- I lumbien, Sudan oder Ruanda heißt Bericht 2002 von „Kirche in Not“ hervor, der Ende Juni 2002 in Rom ein- gereicht worden ist. nicht selten auch Anschläge auf Mis- sionare oder gar Massaker an Mit- In Ländern wie dem Sudan oder es praktisch unmöglich, neue Kir- gliedern verschiedener Religionsge- Jemen kann der Übertritt zum Katho- chen zu bauen. meinschaften. lizismus das Leben kosten. In Län- dern wie China und Vietnam wird die „Kommunistischer“ Bereich Bereich der politisch-sozialen Missionstätigkeit der Kirche streng In China, Vietnam, Nordkorea Einschränkungen kontrolliert und im Falle der und angeblich auch in Kuba, den Freie Kultausübung wird in etli- Gesetzesmissachtung mit harten letzten schal gewordenen Bollwerken chen Ländern der Erde nicht selten Strafen geahndet. In Indien und In- des Kommunismus, wird der Kult un- durch administrative Einschränkung donesien verhindern islamistische ter strengsten Kontrollen vom Staat behindert, wobei hier oft die traditio- Terrororganisationen das Bekenntnis toleriert, der dennoch nicht selten in nellen Großreligionen oder Konfessi- des eigenen Glaubens, und in Russ- sehr prekären Entscheidungsan- onen des jeweiligen Landes am Wer- land und der Ukraine wird in admi- gelegenheiten interveniert wie zum ke sind und Druck auf die Regierun- nistrativer Hinsicht nichtorthodoxen Beispiel bei Ernennung von Bischö- gen ausüben wie in Russland, der christlichen Konfessionen das Leben fen oder bezüglich der Aufnahmen Ukraine oder ehemaligen islami- erheblich erschwert. Auch zu Beginn von Seminaristen. Diskriminiert wer- schen Sowjetrepubliken, aber auch des dritten Jahrtausends ist die Reli- den hier in politischer und sozialer in sogenannten „laizistischen“ isla- gionsfreiheit in der Welt immer noch Hinsicht durch die alles beherr- mischen Nationen wie der Türkei mit vielen Fragezeichen und Schat- schende kommunistische Partei alle, und dem Irak. Insgesamt jedoch lässt tenseiten behaftet: Verfolgungen, die sich zu einer nicht vom Staat kon- sich eine geringfügige Verbesserung Massaker und Unterdrückung sind trollierten Religion bekennen wie der Lage feststellen. Prof. Luca leider immer noch an der Tagesord- zum Beispiel zur katholischen Kir- Diotallevi von der Universität Rom nung und widersetzen sich diesem che. wies auf vier positive Anzeichen hin: Grundrecht des Menschen. Der Be- Zunahme der Länder, in denen Ge- richt führt fünf Kategorien der Län- Buddhistisch-Hinduistischer setze zum Schutz der religiösen Viel- der mit Einschränkung der Religi- Bereich falt eingeführt werden, Zunahme der onsfreiheit an, in denen in unter- Die Ausbreitung religiösen Fana- Bekehrungen, größerer Pluralismus schiedlicher Form und Intensität die tismus in Ländern wie Indien, Sri innerhalb der Religionen und höhere religiöse Freiheit eingeschränkt Lanka und Nepal erschwert den reli- Sensibilität und mehr Beziehungen wird. giösen Minderheiten das gesell- der Religionen für- und untereinan- schaftliche Zusammenleben. Gewalt- der. (ZENIT.org) Islamischer Bereich Extremfälle wie der Sudan, Je- men und Saudi-Arabien sind unver- LESERBRIEF: ändert geblieben, wo außer dem Is- lam jegliches andere Bekenntnis und ... nichtislamischer Kult strengstens Im Urlaub denke ich an Sie und den AUFTRAG! Die Nr. 247 habe ich verboten sind. Wer nicht dazu ge- dabei. Ich freue mich über jede neue Nr. des AUFTRAG. Sie machen hört, (die nichtislamischen Gastar- Ihre Sache großartig wie ein Profi! AUFTRAG schafft und hält im beiter) ist ein Mensch zweiter Klasse Grunde die einzige Verbindung zu Bundeswehr und Militärseelsorge! und darf nicht einmal auf islami- Ich möchte AUFTRAG nicht missen und sage Ihnen Dank für die Zu- schem Territorium (dort) bestattet sendung. Ihnen weiterhin Erfolg und Freude bei der Redaktion von werden. Proselytismus ist strengstens AUFTRAG. untersagt, selbst den angesehenen Alles Gute und freundliche Grüße nichtislamischen Religionsgemein- P. Reinhold Porten, schaften im Iran. Aber selbst in Oblatenkloster Ägypten, wo offiziell keine Ein- Maria Engelport, schränkungen auferlegt werden, ist 56251 Treis-Karden

88 AUFTRAG 248 KIRCHE UND STAATSGEWALT

UKRAINE: Christ, Politik und Staatsgewalt

ie Würde der Person in Uniform“ hatte sich satoren aus Deutschland eingeladen eine Konferenz zum Thema gestellt, die – den ehemaligen Leitenden Polizeiseelsorger, „Dvom 5. – 7. Juni 2002 in Lviv/Ukraine Prälat Siegfried Schindele, Augsburg (ehem. Lemberg) stattfand. Es war die vierte inner- – als Vertreter der Gemeinschaft Katholischer halb einer Reihe von internationalen Konferenzen zur Soldaten, Oberstleutnant i.G. Reinhard Kloss, Themenreihe „Christ und Politik“, die im Liver Institut Vorsitzender des Internat. Sachausschusses (IS). für Innere Angelegenheiten und in den Räumen der Zum Abschluss der Beratungen wurde in einer Resolu- Lviver Theologischen Akademie stattfand. Teilnehmer tion die Notwendigkeit festgestellt, die Kirche an der waren Offiziere der ukrainischen Streitkräfte und der Lösung folgender Fragen zu beteiligen: Polizei, Professoren, Dozenten und Studenten staatli- • Fragen zum Bild, zum Selbstverständnis und zur cher Akademien, Abgeordnete des Obersten Rates, Würde der Soldaten und Polizisten, zur Erfüllung Kirchenvertreter und Mitglieder der Internationalen ihrer Dienspflichten und über ihren Status in der Katholischen Männerbewegung UNUM OMNES, an ukrainischen Gesellschaft; ihrer Spitze der Präsident Heinz-Josef Nüchel, der • Fragen zur seelsorglichen Betreuung von Militär zugleich Präsident der Gemeinschaft der katholischer und Polizei; Männer Deutschlands ist. • Vorbereitung eines Gesetzes zur Einführung einer Nachdem in den vorausgegangenen Jahren das Ver- Militär- und Polizeiseelsorge. hältnis bzw. die Beziehungen der Kirche (vorwiegend Die diesjährige Konferenz wird, wie es im Protokoll der Ukrainisch Griechisch-Katholischen Kirche) zur heißt, „als erster Schritt auf dem Weg einer Wiederge- Gesellschaft (1999), zu den politischen Parteien burt der christlichen Tradition für die ukrainische Ar- (2000) und zu staatlichen Organen (2002) untersucht mee im neuen demokratischen Staat unter Berück- worden waren, stand diesmal das Verhältnis der Kir- sichtigung der aktuellen Bedingungen und der Erfah- che zu den Uniformträgern (Polizei und Militär) im rungen der ausländischen Gäste“ betrachtet. GKS- Mittelpunkt. Mitglied Reinhard Kloss gibt im Folgenden seine Ein- Über UNUM OMNES hatten die ukrainischen Organi- drücke wieder. (PS)

Die neue Ukraine Das Laienapostolat als Transformator zur Wiederbelebung christlicher schung, dass auch beim diesjährigen Thema, „Die Würde des Menschen in Traditionen in Armee und Gesellschaft Uniform“ der Andrang groß war. In Zusammenarbeit mit der REINHARD KLOSS Lemberger theologischen Akademie, dem Innenministerium und dem as Land im Südwesten Ost- In diesem Spannungsfeld bewe- Militärgymnasium erstreckten sich europas, mit über 50 Millio- gend, hat sich der „St. Wolodymyr themenbezogene Veranstaltungen Dnen Einwohnern, erklärte sich Fonds“, eine griechisch-katholische über acht Monate. Sie beinhalteten 1991 unabhängig und wurde Grün- Laienorganisation, zum Ziel gesetzt, Vorlesungen an Schulen und Univer- dungsmitglied der GUS. In der Reali- mit Unterstützung der Kirche, den sitäten und endeten mit einer 3- tät befindet sich das Land immer Transformationsprozess in eine de- tägigen Konferenz in Lviv (Lemberg), noch auf dem Weg in die demokrati- mokratische Zukunft zu forcieren. die unter Beteiligung von Vertretern sche Unabhängigkeit. Dieser Weg ist Der St. Wolodymyr Fonds ist aus den USA, Österreich, Kroatien gekennzeichnet durch den Konflikt eine Einrichtung, die Impulse für und der Bundesrepublik Deutsch- zwischen der neuen Demokratiebe- den Dialog zwischen Kirche und land durchgeführt wurde. wegung und der alten Nomenklatura, Staat geben will. Neben Aufgaben Die Arbeit im Verlauf der Konfe- die teilweise immer noch Schlüssel- der Familienförderung veranstaltete renz zeichnete sich durch eine große stellen des Staates besetzt und des- der Fonds so bereits zum 4. Mal seine Offenheit aus, in der über alles ge- sen Entwicklung damit maßgeblich internationale Konferenz „Christ und sprochen wurde. Bereits in seinem mit beeinflusst. Politik“. Grußwort stellte der ukrainische Die Bevölkerung, die zu ca. Bereits die ersten drei Veranstal- Militärbischof, Bischof von Ssokal, 72 % aus Ukrainern und 21 % aus tungen „Christ und gesellschaftliche Mychajil Koltun, die derzeit im Lan- Russen besteht, lebt derzeit im Span- Organisationen“, „Christ und politi- de herrschenden Probleme deutlich nungsfeld der Kulturen, welche den sche Parteien“ und „Christ und heraus. Osten und den Westen teilt und ist Staatsorgane“ fanden große Resonanz Obwohl ein Militärseelsorgever- geprägt von der Jahrzehnte dauern- bei höchsten Würdenträgern und der trag existiert, wird er in der Praxis ig- den Sowjetherrschaft. Presse. So war es keine Überra- noriert. Ein Problem zwischen Theo-

AUFTRAG 248 89 GESELLSCHAFT NAH UND FERN rie und Praxis, welches sich auch in die Hoffnung äußerte, dass diese sorger) und Oberstleutnant i.G. anderen Bereichen durch den gesam- Konferenz für seine Arbeit Zeichen Reinhard Kloss (Vorsitzender des In- ten Alltag des Staates hinzieht. setzen würde. Die erstellten Doku- ternationalen Sachausschusses der Die Vergangenheit ist noch zu mente und Vorträge würden die Hier- GKS) sehr groß. präsent. Der Bürger merkt es daran, archien durchwandern und die Not- So berichtete Prälat Schindele dass z.B. noch häufig, für neue De- wendigkeit der Militärseelsorge un- von seiner Arbeit als Polizeiseelsor- mokratien zu häufig, die russische termauern. ger und der Stellung des deutschen Sprache gesprochen wird und be- Sein Ziel, den Staat zu stärken Polizisten in der Gesellschaft. Insbe- wusst auf die eigene Sprache, das und sich wieder der europäischen sondere der uns allen bekannte Slo- Ukrainisch, verzichtet wird. Kultur zu nähern, um die Zusammen- gan „Die Polizei dein Freund und Der Militärgeistliche merkt es arbeit mit anderen Ländern zu er- Helfer“ wurde als wünschenswertes daran, dass es ihm nicht gelingt, den möglichen, erscheint nur dann reali- Zukunftsziel einer demokratisch le- Soldaten als einen Menschen zu ver- sierbar, wenn es gelingt, im Soldaten gitimierten ukrainischen Polizei auf- mitteln, der seine Pflicht ausübt. Der den Mensch in Uniform zu sehen, der genommen. Der Weg dahin erscheint Soldat wird immer noch als Instru- mit gleichen Rechten und Pflichten jedoch noch weit, da die heutige Poli- ment eines Machtapparates gesehen, auszustatten ist. Der Uniformträger zei der Ukraine, schlecht bezahlt, der als Staat im Staate neben der Be- ist in die Gesellschaft zu integrieren. häufig auf „Alternativfinanzierung“ völkerung steht und dem deshalb, Diese vom Militärbischof darge- angewiesen, als ehemaliges Macht- aus Sicht der Bevölkerung, auch heu- stellten Probleme und Hoffnungen instrument des Staates in den Augen te nicht alle Rechte, die der zogen sich im Verlauf der Konferenz des Bürgers immer noch einen „Normalbürger“ besitzt, zugestanden durch die Beiträge aller Dozenten, Sonderstatus innehat und diesen werden müssen. die das Thema aus theologischer, po- häufig auch noch ausübt. Die Kirche, die gerne Vermittler litischer oder aus Sicht des Organisa- Ebenso aufmerksam wurden die zwischen Staat, Bevölkerung und Mi- tionskomitees beleuchteten. beiden Vorträge des deutschen Offi- litär wäre, kämpft jedoch auch um Der Staat befindet sich noch in ziers zu den Themen „Staatsbürger in Anerkennung innerhalb des Militärs. einer Periode der Selbstfindung, in Uniform – Die Integration des Solda- Ein Verständnis für die Notwendig- einer Phase des Übergangs in der die ten in die demokratische Gesell- keit der Militärseelsorge und der Kir- Kirche helfen kann und helfen will. schaft“ und „Die Lehre der katholi- che, wie es in der Bundeswehr Das Problem liegt jedoch häufig schen Kirche über den Dienst des insbesondere nach Beginn der Ein- nicht in der Institutionalisierung be- Soldaten“ verfolgt und ausgewertet. sätze gewachsen ist, existiert in der stimmter Strukturen, sondern in der So fanden sich in fast allen, im Ukraine derzeit noch nicht. Das Akzeptanz dieser Gegebenheiten und Rahmen einer Pressekonferenz vor- Recht auf Religionsausübung ist bedarf daher der ständigen, immer getragenen Abschlussstatements, zwar verbrieft, wird jedoch noch wiederkehrenden Beeinflussung der Aussagen aus den Vorträgen wieder, nicht überall anerkannt. Bevölkerung und der Nomenklatura. die aufgenommen wurden und deren Wenn überhaupt, so gehen Initi- Unter diesen Rahmenbedingun- Ideen sich bereits im ausgesproche- ativen von der Westukraine aus und gen war das Interesse an den Vorträ- nen Gedankengut wiederfanden. der russisch-orthodoxe Ostteil des gen der deutschen Delegation, die Insbesondere die Situation des Landes zieht nur langsam nach. aus Heinz Josef Nüchel (Präsident deutschen Soldaten, der heute in Der Militärbischof der Ukraine von Unum Omnes), Prälat Siegfried Deutschland ein Staatsbürger in Uni- sprach für alle, als er abschließend Schindele (ehemaliger Polizeiseel- form ist, der sich in die soziale Ord- nung der Gesellschaft ohne Sonder- rechte eingeordnet hat, dort akzep- tiert wird und dabei unter Wahrung der Menschenwürde die Werte er- lebt, die er unter Einsatz seines Le- bens verteidigen soll, wurde als Ziel akzeptiert, welches es zu erreichen gilt. Für die deutschen Teilnehmer der Konferenz tat sich im Verlauf des 8-tägigen Aufenthaltes eine Welt auf, die in ihrer Entwicklung vergleichs- weise weit zurück ist, jedoch zumin-

Bischof Julian Woronowsky mit seinem Generalvikar, dem Militärpfarrer, Dol- metschern, Ihor Matuschewski, Vorsit- zender des St. Wolodymyr Fonds, und der deutschen Delegation in einer gera- de renovierten Militärkirche in Drohobytsch, die zur sowjetischen Zeit als Offiziercasino genutzt wurde

90 AUFTRAG 248 dest in ihren westlichen Regionen bekannt war, leisten Großes auf dem GENTECHNIK: bemüht ist, den Anschluss an Europa Weg in die Zukunft. Sie reißen mit, zu finden. finden Verbündete in allen Berufen, Katholische Männer Neben einer, heute bei uns nicht die den Mut haben mit der Vergan- mehr gekannten Gastfreundschaft er- genheit zu brechen und dies auch of- lebten die deutschen Teilnehmer der fen zu bekennen. So betonte der beklagen männliche Konferenz aber auch eine für West- Kommandeur der Kadettenakademie europäer fremde Welt. So wurden in seinem Schlusswort den Wunsch Dominanz Geschichtsbücher lebendig und Be- und die Notwendigkeit für sein Land richte von Betroffenen prägten sich so handeln zu können, wie die Bun- ie dominierende Stellung von in die Herzen ein. desrepublik Deutschland nach der Männern in der Gentechnik Einzelne Schicksale, wie das der Wiedervereinigung. Er griff dabei Dhat die Gemeinschaft der Ka- 99jährigen Deutschen, Frau Rott, die eine Antwort auf, die im Verlauf der tholischen Männer Deutschlands 1945 letztmalig einem deutschen Tagung auf eine Frage gegeben wur- (GKMD) kritisiert. Die eher sach-, Staatsbürger begegnete und bei un- de, in der OTL i.G. Kloss den Weg in ziel- und lösungsorientierte Struktur serem Besuch, mit Tränen in den Au- die Armee der Einheit beschrieb und von Männern habe in Wissenschaft gen, Prälat Schindele (s. Foto u.) das dabei deutlich machte, dass die ho- und Medizin bei allen Erfolgen zu ei- „Vater unser“ der damaligen Zeit auf hen Dienstgrade der NVA entlassen ner funktionalen und zweckhaften Deutsch vorbetete, öffneten den und durch Offiziere der Bundeswehr Betrachtung von Mensch und Natur Blick in eine Vergangenheit, die man ersetzt wurden. Er forderte Gleiches geführt, heißt es in einem von der nur aus Büchern kennt. Trotz vieler für sein Land, für die Staatsorgane, GKMD am 8. Mai 2002 in Fulda vor- Schicksalsschläge, die sie auch nach die noch, von der alten Nomenklatu- gelegten Positionspapier zur Bioethik Sibirien führten, hat diese Frau den ra durchsetzt, die falschen Männer in (Wortlaut s.S. 92). Eine solche Sicht- Glauben an Gott nicht verloren und Schlüsselfunktionen halten. Ein mu- weise könne aber das Wesen des ist dank dessen daran nicht zerbro- tiges Wort, welches von der Presse Menschen nicht angemessen erfas- chen. aufgegriffen wurde und auf dessen sen. Männer sollten Frauen die Fe- Gerade der Glaube, der lange Wirkung noch gewartet werden kann. derführung bei der Bewertung von Zeit nur im Untergrund praktiziert Der Willen zur Rückkehr in den Gentechnik und Fortpflanzungsmedi- werden konnte, ist heute häufig die europäischen Kulturkreis, zu christ- zin überlassen, so die GKMD, weil Antriebfeder auf dem Weg in eine lich abendländischen Werten ist er- Frauen die besondere Last der an- demokratische Zukunft geworden. kennbar, mutige, anpackende Män- gewandten Verfahren am eigenen Mutige Männer, wie Bischof ner und Frauen, die dieses forcieren, Leib zu tragen hätten. Woronowsky der Diözese Sambir- hat das Land. Die GKMD warnt davor, das gel- Drohobytsch, der jahrelang nur im Wir können Sie nur dazu ermuti- tende Embryonenschutzgesetz zu un- Untergrund agieren konnte, tagsüber, gen, ihnen Glück auf diesem steini- terhöhlen, und lehnt eine Forschung als werktätiger Hilfsarbeiter getarnt, gen Weg wünschen und sie wo immer an embryonalen Stammzellen strikt am Band arbeiten musste und nur möglich durch Information und Kom- ab. Ethisch nicht zu rechtfertigen ist wenigen Eingeweihten als Bischof munikation unterstützen. ❏ für die GKMD die Präimplantations- diagnostik (PID). Sie verändere die Einstellung zu chronisch kranken und behinderten Menschen und füh- re faktisch in die Selektion. Aus- drücklich wird in dem Positions- papier ein „Gen-Diagnostik-Schutz- gesetz“ verlangt. Ein solches Gesetz solle möglichen Missbrauch verhin- dern. Die GKMD legte das Papier zum Abschluss ihrer diesjährigen Haupttagung vor. Die Tagung hatte das Thema „Ethik im Zeitalter der Biotechnik – Eine Herausforderung für die katholische Männerarbeit“. (KNA)

Prälat Siegfried Schindele im Gespräch mit der 99-jährigen Deutschen Rott

AUFTRAG 248 91 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Was darf der Mensch? Positionspapier der Gemeinschaft der katholischen Männer Deutschlands (GKMD) zur Gentechnik und Bioethik Nach Auffassung der GKMD wirft die aktuelle Entwicklung in der Gentechnologie und Bio- medizin fundamentale ethische Fragen auf, die das Grundverständnis von Leben und Würde des Menschen berühren. Wir sind der grundsätzlichen Auffassung, dass Leben immer von Gott geschenkt und uns Menschen anvertraut ist. Diese Verantwortung schließt alle Mitgeschöpfe ein und bezieht sich in besonderer Weise auf den Menschen, der als Ebenbild Gottes unverfügbar ist. Die dem Menschen verliehene Freiheit und Mitverantwortung für die Schöpfung findet ih- ren Ausdruck auch in wissenschaftlicher Forschung und ihrer praktischen Anwendung. Beiden sind jedoch Grenzen gesetzt, insbesondere die Anerkennung der Würde des Menschen in allen seinen Lebensphasen. Diese Grenzen gelten aktuell genau so in der Gentechnik, Gendiagnostik und Fortpflan- zungsmedizin und für deren Möglichkeiten, gezielt in menschliches Leben – besonders auch in das ungeborene – einzugreifen.

1. Im Hinblick auf die dominierende Stellung der Männer in Wissenschaft und Technik stellen wir fest: • Die eher sach-, ziel- und lösungsorientierte Struktur von Männern hat in Wissenschaft und Medizin – bei allen Erfolgen – zu einer überwiegend funktionalen und zweckhaften Betrachtung von Mensch und Natur geführt. Diese eindimensionale, distanzierte Sichtweise kann das Wesen des Menschen nicht angemessen erfassen. • Das Bewusstsein für die Endlichkeit des Lebens und die Grenzen der Machbarkeit werden oft ver- drängt durch eine nahezu bedingungslose Fortschrittsgläubigkeit. • In der Bewertung von Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin sollten Männer den Frauen die Feder- führung überlassen, weil diese die besondere Last der angewandten Verfahren am eigenen Leib zu tra- gen haben. • Männer werden im Zusammenhang der Fortpflanzungsmedizin leicht auf Samenspender reduziert und damit instrumentalisiert. Wir fordern dazu auf, die Sexualität von Mann und Frau ganzheitlich zu se- hen.

2. Zu Gentechnik und Bioethik vertreten wir darüber hinaus folgende Standpunkte: • Das in Deutschland geltende Embryonenschutzgesetz, das jegliches Experiment mit dem Keim ab Verschmelzung von Ei und Samenzelle untersagt, darf nicht unterhöhlt werden. • Das Klonen von Menschen – sollte es machbar sein – führt dazu, dass die eine Generation der nach- folgenden diktiert, wer und wie sie zu sein hat. Daher muss es ausnahmslos verboten bleiben. • Dringend erforderlich ist ein Gen-Diagnostik-Schutzgesetz, das einen möglichen Missbrauch verhin- dert. Die Anwendung von Gentests muss immer auf freiwilliger Basis erfolgen. Das Recht auf Nicht- wissen muss gewährt und gewahrt werden. • Die Präimplantationsdiagnostik (PID) bewertet den Menschen nach Gesundheit, Funktionstüchtigkeit und Zweck. Sie führt faktisch in die Selektion und verändert die Einstellung zu chronisch kranken und behinderten Menschen. Deshalb ist sie ethisch nicht zu rechtfertigen. • Die Forschung an adulten Stammzellen ist ethisch unbedenklich. Forschung an embryonalen Stamm- zellen lehnen wir aber als Verstoß gegen den unbedingten Schutz des Lebens strikt ab. Fulda, den 8. Mai 2002

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BEREICH AUSLAND: EL PASO,TX, USA Lumen Christi in der Wüste Die am geweihten Feuer entzündete vortrug, wurde zur textlichen Gestal- Osterkerze hielt der katholische Militär- tung einer optischen Darstellung, die pfarrer des Standortes El Paso Norbert jedem renommierten Filmemacher Achcenich zum „Lumen Christi” dem alles abverlangt hätte, diese Szene in Himmel in der Morgendämmerung der einem Film festzuhalten. Mit der Osternacht entgegen; neben ihm der evangelische Amtsbruder Dr. Günter Auferstehung setzte sich auch der Riedner. katholische Militärgeistliche in sei- ner Predigt auseinander. Er sagte, treut werden, eine Ersatzkerze zur „nach dem Motto, jeder Tropfen Verfügung. Pfarrer Achcenich, der höhlt den Stein“, müsse jede Aufer- am Vorabend, in der 90 Meilen von stehungsfeier immer wieder deutli- El Paso entfernten Air Force Base, cher machen, dass mit dem Tod nicht die Osterfeier mit den deutschen Fa- alles aus sei. milien zelebrierte, brachte die Kerze Vorbei soll es nun auch nicht mit s war noch recht kühl, als die mit. Damit retteten die Kameraden den wieder aufgelebten traditionellen Familien, der in El Paso statio- aus Alamogordo, New Mexico, die Auferstehungsfeiern in der Wüste Enierten Soldaten, sich zur Auf- Osterfeier unter dem sternklaren sein. Die Militärgemeinden wollen erstehungsfeier in der Wüste, östlich Wüstenhimmel von Texas. keine vier Jahre mehr darauf verzich- von El Paso trafen. Da, wo sonst Ko- Morgens um fünf war die Welt ten, das Taufwasser, wie an diesem joten, Klapperschlangen, Skorpione, auch in El Paso an diesem Oster- Ostermorgen, in der Wüste zu wei- Wüstenhasen und Roadrunner sich morgen noch in Ordnung. Es war ein hen. – Übrigens, Johannes der Täufer immer noch heimisch fühlen, hatten Morgen mit einem von Sternen über- hatte in der Nähe des 30. Breitengra- der kath. Militärseelsorger Norbert säten Himmel. Als hätte der Schöpfer des mit dem Wasser des Jordans un- Achcenich und der ev. Militärpfarrer die Kulisse zu der Feier besonders ter ähnlichen klimatischen Bedin- Dr. Günter Riedner, zur Osterfeier ein- dafür geschaffen. Die Anwesenden gungen wie in der Wüste bei El Paso geladen. 1997 fand die bis dahin tra- rückten dicht an das Osterfeuer her- Menschen getauft. El Paso liegt am ditionelle Auferstehungsfeier letzt- an, denn zu dieser frühen Stunde ist Rio Grande und zufällig nahe am mals dort statt, und man war allseits es in der Wüstenlandschaft, wo am selben Breitengrad, nur auf der ande- neugierig auf die Eindrücke der Tage 25 Grad zu erwarten sind, noch ren Seite der Erdkugel. wieder aufgenommenen Feier. empfindlich kalt. Das „Lumen Chris- Die erste Überraschung erlebten ti“ und „Deo gratias“ erklang zur Weißer Sonntag in Fort Bliss die beiden Militärpfarrer, als sie fest- Kerzenweihe. Als zum „Alleluja“ die stellten, dass in ganz El Paso keine Sonne mit ihren prächtigen Farben is auf den letzten Platz war die Osterkerze aufzutreiben war. Gott sei über den Hueco Mountains aufging BChapel 5 in Fort Bliss, anlässlich gedankt, hatte man im Standort und die Landschaft erhellte, bot sich einer Erstkommunionfeier besetzt. Holloman Air Force Base, deren den Gläubigen ein überwältigendes Die Kirche wurde von den Amerika- deutsche Soldaten auch von den Stimmungsbild. Das Evangelium von nern 1964 der katholischen und der Militärseelsorgern aus El Paso be- der Auferstehung, das Dr. Riedner evangelischen Militärseelsorge zur Verfügung gestellt. In den vergange- nen Jahren empfing eine große An- zahl Kinder des deutschen Soldaten- kontingents in diesem Gotteshaus die Erstkommunion. Für Pfarrer Norbert Achcenich, dem für Fort Bliss zustän- digen katholischen Militärgeistli- chen, war es erstmals nach seinem Dienstantritt, dass er Kindern am Standort El Paso die Erstkommunion spendete. Fünf Monate bereitete er die bei- den 9-jährigen, auf den großen Au- genblick ihres neuen christlichen Lebensabschnittes vor. Am ersten Sonntag nach Ostern, war endlich der Tag gekommen. – Aufregend war die erste Beichte für Bianca Grove und Zur gemeinsamen Feier der Osterliturgie hatten sich die Familien der evangelischen und der katholischen deutschen Militärgemeinden in der Wüste östlich von El Paso Alexander Zink, die beide Schüler versammelt, um in der Morgendämmerung die Auferstehung Christi zu feiern. der deutschen Schule in Fort Bliss (Foto T. Bucher) sind. – Mit klaren Kinderstimmen,

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„Wir glauben“ – „Ja, das wollen wir“, antworteten Bianca und Alexander, auf die Fragen, die Militärpfarrer Norbert Achcenich den Erstkommunionkindern bei der Erneuerung ihres Taufversprechens stellte. Hatten doch bei der Taufe die Paten diese Fragen stellvertre- tend für die Täuflinge beantwortet. An diesem Erstkommuniontag be- kannten sie sich nun selbst mit fester Stimme zu ihrem „Taufbund“. beantworteten sie bei der Erstkommunionfeier die Fragen des Priesters zur Festigkeit ihres Glaubens. Der Herzschlag der jungen Menschen, lag beachtlich über der normalen Frequenz, als sie zum ersten Mal die Hostie aus der Hand des Priesters empfangen durften. Man sah in strahlende Kindergesichter, als im Anschluss an die Messe, die Gratulationen zur Erstkommunion erfolgten. Sichtlich stolz waren auch die Eltern, OStabsArzt Dr. Andreas und Heide Grove sowie Dipl.-Ing. Axel und Angelika Zink bei der Entgegennahme der Glückwünsche, die Verwandte, Freun- de und die vielen an der Feier teilnehmenden Gläubigen über- brachten. (Text u. Fotos Engelbert Morawietz)

KLMD KIEL – (EHEMALS WB I): Neuer Rekord bei der Kieler Woche it einer noch nie dagewesenen Anzahl von Besuchern tag im Juni 2002 einen internationalen Schiffs- konnte der Katholische Leitende Militärdekan Kiel, gottesdienst feiern. Der Kommandant der polnischen MPrälat Peter Rafoth, am ersten „Kieler-Woche“-Sonn- Fregatte „General Kazimierez Pulaski“, hatte sein Schiff hierfür zur Verfügung gestellt. Mehr als 200 Besucher waren der Einladung zum Gottesdienst ge- folgt. Darunter viele Freunde der Katholischen Mili- tärseelsorge aus Kiel, Soldaten aus Polen, Litauen, Kroatien und natürlich aus Deutschland. Die Landeshauptstadt Kiel war durch die stellvertreten- de Stadtpräsidentin Vernea Schattke sowie durch Vertreter der SPD- und SUK-Fraktionen vertreten. Als Konzelebranten wirkten P. Dr. Arian Wygra (Po- len), Pfr. Roland sowie Militärpfarrer Georg Kauf- mann aus Plön und Diakon Kamp aus Tarp mit. In seiner Predigt ging der Leitende Militärdekan auf den kommenden Festtag des Hl. Johannes des Täufers ein. Er zog eine Parallelle zur Geburt Jesu, die vor einem halben Jahr gefeiert wurde. Kurz vorher fand die Wintersonnenwende statt. Mit der Geburt Jesu werden die Tage länger, er führt uns Fortsetzung auf Seite 95 Das obere Foto zeigt die Gottesdiensteilnehmer unter ei- nem auf dem Schiffsdeck gespannten Sonnensegel. Die Zelebranten des internationalen Militärgottesdiens- tes (mittleres Foto v.r.) Militärpfarrer Georg Kaufmann aus Plön, Diakon Kamp aus Tarp, der KLMD Kiel Prälat Peter Rafoth und der polnische Militärpfarrer Dr. Arian Wygra. An den Gottesdienst schloss sich noch ein Empfang an, zu dem der Kommandant des Schiffes und Prälat Rafoth eingeladen hatten. Umrahmt und mitgestaltet wurde dieser Gottesdienst von den Fahrdorfern Shantysängern (mittleres Foto im Hintergrund) und von der Bläser- gruppe des Marinemusikkorps Ostsee. Prälat Rafoth bedankt sich beim Kommandanten der polnischen Fregatte „General Kazimierez Pulaski“ und überreicht das Große Kreuz der Militärseelsorge für das Schiff. (Text u. Fotos Franz-Josef Hosse)

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BEREICHSKONFERENZ DER GKS NIEDERSACHSEN/BREMEN – (ehemals WB II ) Führungswechsel – Landeskunde – Palmsonntag ei der Wehrbereichskonferenz Vorstand der GKS im in der Kolpingbildungsstätte Bereich Niedersach- „Weberhaus“ in Nieheim (22.– sen/Bremen (v.l.): B Hptm a.D. Lothar 24. März) übergab Hptm Peter Muermans den Vorsitzend der GKS Fischer (GeschFhr), im Bereich Niedersachsen/Bremen Hptm Volker Engel- mann (neuer Vors.), an seinen Nachfolger Hptm Volker Hptm Peter Muermans Engelmann. Hptm Muermans wird an (alter Vors.), Militär- die Führungsakademie nach Ham- pfarrer Otto Gäng burg versetzt. Als stellvertretender (Geistl. Beirat der Vorsitzender rückte OStFw a.D. Hans GKS), OStFw a.D. Jürgen Lang nach und zum weiteren Hans Jürgen Lang stellvertretenden Vorsitzender wurde (stellv. Vors.). HptFw Andreas Lohe gewählt. Doch bevor Peter Muermans sein Amt an Volker Engelmann übergeben konn- nalen Brigade Süd te, war er noch für den Ablauf der eingesetzt. Er zeigte Frühjahrskonferenz verantwortlich. das Spannungsfeld Im „Arbeitsteil“ berichtete zwischen den Religionen, Traditio- in die Bischofsstadt. Abends fand Muermans und der stellv. Bundes- nen, Kulturen, der Politik und der man sich zum geselligen Beisam- vorsitzende OStFw a.D. Hans-Jür- geschichtlichen Entwicklung der mensein zusammen. In gemütlicher gen Matthias über die Bundesvor- Ethnien auf. Anhand von Erlebnis- Runde bedankte sich Peter Muer- standssitzung der GKS. Die Dele- sen schilderte er, wie sensibel der mans bei OStFw a.D. Matthias für gierten trugen aus ihren Kreisen vor Umgang mit den Ehtnien sein kann das jahrelange Engagement als der und die Damen berichteten über und wie schnell sie sich übervorteilt „2. Mann“ der GKS im Wehrbereich das Frauenwochenende in Goslar. sehen. Er sagte, die Familie im Koso- II. Hans Jürgen Matthias ist ein Es wurden Erfahrungen ausge- vo seien wie ein kleines Unterneh- pasionierter Freizeitfahrradfahrer, tauscht und Termine für gemeinsa- men zu betrachten. Die Familie kön- und so überreichte ihm der scheiden- me Veranstaltungen für das Jahr ne ein ganzes Dorf umfassen. So ver- de Vorsitzende zum Dank für seine 2003 festgelegt. diene nicht der Einzelne das Geld für Arbeit, einen Satz Radwanderkarten. Der Sonnabendvormittag stand sich, sondern immer für die ganze Den Sonntag gestaltete unser unter dem Thema: „Die Bedeutung Familie oder das Dorf. Wir Zuhörer Geistlicher Beirat, Militärpfarrer des Islams für Einsätze der Bundes- erkannten wie wichtig eine „Landes- Otto Gäng. Mit einer Palmprozession wehr“. Zu diesem Thema referierte kundliche Beratergruppe“ ist, damit zogen wir in die Kappelle ein. Die Major d.R. Joachim Engel aus seinen den Soldaten vor Ort beim Umgang Heilige Messe wurde wegen der vie- praktischen Einsatzerfahrungen. En- mit den Menschen nicht ungewollt len Kinder von Militärpfarrer Otto gel ist Dozent am Zentrum für Inne- Fehler unterlaufen, die die Volks- Gäng kindgerecht gestaltet. Seine re Führung und war mehrfach bei der gruppen als Erniedrigung, Benach- Predigt stand unter dem Thema: Es „Landeskundlichen Beratergruppe“ teiligung oder dergleichen ausffassen gibt keinen Weg zurück. Die Kollek- im Kosovo beim Stab der Multinatio- könnten. te wurde dem Jahresprojekt „Nach- In bewährter Weise bastelte Frau barschaftshilfe“ zur Verfügung ge- Gisela Fischer mit den Damen Oster- stellt. gestecke. Die Kinder bereiteten tra- In der Kolpingbildungsstätte ditionelle Palmstöcke für den Palm- „Weberhaus“ waren wir gut unterge- sonntagsgottesdienst vor. bracht und der Küche des Hauses Der Samstagnachmittag wurde kann man nur ein ganz großes Lob nach eigenem Ermessen gestaltet. aussprechen. Mit dem Mittagessen Die meisten Familien nutzten die am Sonntag endete die Frühjahres- Nähe Paderborns für einen Ausflug konferenz. (Hans Jürgen Lang)

Fortsetzung von Seite 94 zum Licht. Dass mit der Geburt Jo- er ist nicht das Licht, sondern der hannes des Täufers die Tage kürzer Wegbereiter. Er lebte als Asket in und das Licht weniger werden soll der Wüste und mit der kommenden nicht bedeuten, dass Johannes uns Sonnenwende würden wir wieder das ins Dunkel führt. Er sagt von sich Licht erfahren: Jesus Christus, so der selber, dass er nicht der Messias sei; Grundgedanke der Predigt.

AUFTRAG 248 95 KIRCHE UNTER SOLDATEN

BEREICH NORDRHEIN-WESTFALEN – (EHEMALS WB III) „Nur gemeinsam geht es weiter“ Arbeitskonferenz I/2002 des Katholischen Leitenden Militärdekan Köln-Wahn: Diskussionen über neue Strukturplanungen Schwerpunkt der Beratungen s war eine äußerst befriedi- In seinem Bericht richtete der plant. Vom 8. bis 10. November 2002 gende Arbeitskonferenz. Moderator der Arbeitskonferenz, soll ein Seminar auf Bundesebene „EIch brauche Ihre Mitarbeit, Hptm Peter Lorber (Köln-Wahn) mit- von neu gewählten Funktionsträgern Ihre Meinungen, Ihren Einsatz und unter einen kritischen Blick auf die in GKS-Kreise in Köln durchgeführt Ihr motiviertes Engagement, denn Stellung, die Qualität, den Sinn und werden. nur gemeinsam können wir die Ka- den Standpunkt der Laienarbeit im Es folgte der ausführliche Be- tholische Militärseelsorge in unse- Bereich der Katholischen Militär- richt des Leitenden Militärdekans rem Bereich lebendig und aktiv hal- seelsorge. „Wir sind bereit, zu arbei- zur Lage der Militärseelsorge. Dabei ten.“ Mit diesen Worten verabschie- ten und unsere Aufgaben zu erfül- ging Monsignore Rainer Schadt be- dete sich der Katholische Leitende len.“ Allerdings, so der Moderator, sonders auf die personelle Situation Militärdekan KölnWahn, Monsignore entstünde oft der Eindruck, dass die der ihm zur Verfügung stehenden Rainer Schadt von den angereisten Laienarbeit und die Gremien durch Militärpfarrer und Pfarrhelfer in sei- Delegierten aus den Seelsorgebezirks- die militärischen Vorgesetzten und nem Bereich ein. In dieser Hinsicht räten (SBR) und der Gemeinschaft durch das Katholische Militärbi- sei derzeit ein „raues Fahrwasser“ zu Katholischer Soldaten (GKS). Voraus- schofsamt nicht immer im erforderli- befahren. „Wir kommen an funda- gegangen war eine Arbeitskonferenz chen Maß „ernst genommen wird“. mentale Grenzen und müssen unsere des ehemaligen Wehrbereich III, die Nach einer ausführlichen Dis- Arbeit in allen ihren Facetten quali- als Familienwochenende im Hein- kussion dieser Thematik, in der tativ massiv beschränken, wenn noch rich-Lübke-Haus der Katholischen Militärdekan Schadt dieser Meinung mehr Auslandseinsätze auf unseren Arbeiterbewegung in Möhnesee- aus Sicht der Militärseelsorge ener- Bereich zukommen. Es ist zwar noch Günne durchgeführt worden war. gisch entgegentrat, erstattete der Saft auf der Maschine, aber wir müs- Nach der Begrüßung und einem Vorsitzende der GKS in Nordrhein- sen den mitunter stotternden Motor ersten Meinungsaustausch am Abend Westfalen, OStFw Johann-A. durch erhöhten Einsatz und unver- des Anreisetages wurde der Samstag Schacherl (Köln) seinen Bericht. drossener Weiterarbeit – hier vor al- mit einem gemeinsamen Gottesdienst Auch an der GKS wäre die Einnahme lem auch durch die Einbindung der eröffnet, bevor die Delegierten in der neuen Strukturen nicht spurlos Laien in den Standorten – am Laufen ihre Arbeit einstiegen. Die Kinder vorbeigegangen, sei es durch Stand- halten.“ Ein von ihm „geschnürtes und die mit angereisten Ehefrauen ortauflösungen oder -reduzierungen Personalpaket“ zur Deckung von wurden derweil durch das Team um bedingt oder durch Versetzungen von schon feststehenden Vakanzen über den Kölner Pfarrhelfer Heinz-Willi Vorsitzenden und besonders aktiven längere Zeiträume nach Ausscheiden Jung ausgezeichnet betreut. Basteln, Mitarbeitern aus den GKS-Kreisen. von Militärpfarrern durch Ablauf der Malen und Spielen standen ebenso Im Weiteren gab er die wichtigsten Verpflichtungszeit und bei geplan- auf dem Programm wie ein Ausflug Termine der kommenden Wochen ten, mehrmonatigen Auslandsein- zu einem „Schaf-Hof“, um die Auf- und Monate auf der Ebene Nord- sätzen liege dem Katholischen zucht und den Weg der Wolle vom rhein-Westfalens bekannt. So ist die Militärbischofsamt zur Entscheidung Tier bis zum Endprodukt hautnah zu Konferenz der GKS NRW vom 5.-7. vor. erleben. Darüber hinaus fand ein Juli in Mülheim und jeweils eine Nachdem das Vorstandsmitglied „Shopping-Ausflug“ in das benach- Familienwerkwoche in Herbst diesen der Zentralen Versammlung, Hptm barte Städtchen Soest vor allem bei Jahres in Roding-Strahlfeld und eine Hermann Webels (KölnWahn), aus den Damen viel Anklang. im Frühjahr 2003 in Weißenstadt ge- seiner Arbeit berichtet und das ge- plante Programm der Zentralen Ver- sammlung während der kommenden „Woche der Begegnung“ vom 15. bis 20. September 2002 in Rolduc/Nie- derlande erläutert hatte (OStFw Schacherl tat dies auch für die Bun-

Das Leitungsteam der gemeinsamen Arbeitskonferenz beim KLMD Köln- Wahn und der Bereichskonferenz der GKS in NRW (v.l.) OStFw Johann-A. Schacherl, LKMDMsgr. Rainer Schadt und Moderator der AK, Hptm Peter Lorber

96 AUFTRAG 248 AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN deskonferenz der GKS) folgte die Militärpfarrer und zwei Pastoral- Wahl der Delegierten und Ersatz- referenten, umfassen. Diese sollen kandidaten für die Teilnahme an der nach wie vor von einer ganzen Rei- „Woche der Begegnung“. he von Standortpfarrern im Neben- Am Nachmittag der Arbeits- amt unterstützt werden. konferenz bildete die Umsetzung der Diese Planungen wurden von Strukturreform der Katholischen Mi- den Delegierten intensiv beleuch- litärseelsorge – und hier speziell im tet, hinterfragt sowie durchaus Bereich des ehemaligen Wehrbe- kontrovers und kritisch diskutiert. reich III – das Schwerpunktthema. In diesem Zusammenhang wurde Militärdekan Schadt trug den derzei- erneut ausgiebig über den Wert tigen Planungsstand im Hinblick auf und die Anerkennung der Laien- die organisatorischen Veränderun- arbeit gesprochen, besonders unter gen, die Schwerpunkte und die kon- dem Aspekt, dass künftig auch die kreten pastoralen Inhalte vor. Kon- Berufsbilder des „Ständigen Dia- kret erläuterte er, dass es vorgesehen kons“ und des/der „Gemeinde- sei, die Katholische Militärseelsorge referenten/in“ in der Katholischen in sieben Dekanaten nahezu analog Militärseelsorge eingerichtet wer- zu den früheren Wehrbereiche aufzu- den könnten. teilen, an deren Spitze jeweils ein Zum Abschluss dieses The- Leitender Militärdekan stehe. Die menkomplexes richtete Militär- Dekanate würden wiederum in kleine dekan Schadt die Bitte an die Dele- (S), große (L) und extra große (XL) gierten, sich in den Laiengremien Seelsorgebezirke (SB) in unter- zu diesen Planungen auszutau- schiedlicher Anzahl aufgegliedert. schen und bat um konkrete Rück- Für das „Dekanat West“ (ehem. äußerungen. Hierzu bot er an, an Wehrbereich III) bedeute dies, dass einer Sitzung in jedem Seelsorge- ein SB S (ausgestattet mit einem bezirksrat teilzunehmen, um diese Mutprobe und zugleich ein toller Spaß Militärpfarrer), zwei SB L (zwei Pläne auch an der „Basis“ vorzutra- für Stadtkinder, Toben im Heuschober Militärpfarrer oder je ein Militär- gen, zu diskutieren und die Meinun- eines Bauernhofes pfarrer/ein Pastoralreferent) und gen der gewählten Räte mit in den zwei SB XL (3 Militärpfarrer oder Entscheidungsprozess über Festle- der mit einbezog, standen abschlie- zwei Militärpfarrer/ein Pastoralrefe- gung der künftigen Strukturen der ßend die Berichte aus den Standorten rent) eingerichtet würden. Hinzu Katholischen Militärseelsorge mit und den GKS-Kreisen auf dem Pro- komme ein weiterer SB L im Zusam- einfließen zu lassen. gramm, in denen die bunte Vielfalt menwirken mit dem Dekanat Nord- Nach einem Familiengottes- der Aktivitäten, Projekte, Aktionen west (ehemals Wehrbereich II). Die dienst am Sonntag in der Hauskapel- und vieles andere mehr aus den Personaldecke würde somit 13 le, in den Dekan Schadt besonders Standorten zur Sprache kamen. Dienstposten, aufgeteilt auf elf die sehr zahlreich anwesenden Kin- (Text und Fotos Wilfried Puth)

„Wir arbeiten guten Mutes weiter“ gen Klein sowie den neuen Bundes- geschäftsführer der GKS, Oberst a.D. Konferenz der GKS NRW ein toller Erfolg – Auch künftig viel zu tun Dr. Klaus Achmann, willkommen heißen. ch möchte Ihnen Mut machen dass alle Verantwortlichen ihren Teil Nach dem traditionellen Entzün- für die vor uns liegenden Auf- dazu beitragen müssten, um die GKS den einer Kerze und dem gemeinsam „Igaben in der GKS Nordrhein- in den „Köpfen und Herzen der gesprochenen Gebet der GKS, einer Westfalen. Diese Arbeit birgt viel Soldat(inn)en und ihren Familien kurzen Vorstellungsrunde und der Be- Freude, Zuversicht und Zufrieden- präsent zu halten kanntgabe der Tagesordnung gratu- heit in sich, vor allem dann, wenn Aus fast allen GKS-Kreisen in lierten alle Anwesenden zunächst junge Menschen zur Mitarbeit in die- NRW (dem früheren Wehrbereich III) Christa Schacherl, der Ehefrau des ser unverzichtbaren Gemeinschaft waren die Delegierten mit ihren Fa- Vorsitzenden, zu ihrem Geburtstag. gewonnen werden können. Deshalb milien zur „Wolfsburg“, der Katholi- Oberstleutnant Artur Ernst überreich- arbeiten wir unverdrossen weiter an schen Akademie der Diözese Essen, te ihr stellvertretend für alle Teilneh- unseren Zielen.“ Mit diesen Worten nach Mülheim gekommen. Neben ih- mer einen Blumenstrauß und drückte eröffnete der Vorsitzende der GKS nen konnte der Bereichsvorsitzende dabei den Dank an sie und in diesem NRW, OStFw Johann-A. Schacherl, den Katholischen Leitenden Militär- Sinne auch an alle Ehefrauen und die Jahreskonferenz dieses Bereiches dekan (KLMD) Köln-Wahn, Monsig- Familien aus, die oft auf ihre Ehe- vom 5.–7. Juli 2002 in Mühlheim/ nore Rainer Schadt, den Bundesvor- männer und Väter während deren Ar- Ruhr. Er machte aber auch deutlich, sitzenden der GKS, Oberst Karl-Jür- beit für die GKS verzichten müssten.

AUFTRAG 248 97 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Der nächste Morgen begann nach das vom Bereich NRW organisierte Soldaten betreffende Meinungs- dem Frühstück mit dem Morgenlob werde. bildung in der Bundeshauptstadt in der Hauskapelle. Danach verab- Nach einer kurzen Vorstellung Berlin aktiv mitwirken und somit die schiedeten sich die Nicht-Delegier- der „Wolfsburg“ durch deren Ge- Öffentlichkeit auf die Arbeit und die ten (Ehefrauen und Kinder) aus der schäftsführer Carsten Ossig folgte Ziele der GKS aufmerksam machen Runde, um den Tag unter der Lei- eine „Power-Point-Präsentation“ des könne. tung von Gerd Kleineickenscheid Geschäftsführers der GKS NRW, In einem kurzen Statement zur und Stephanie Schacherl im Zoo in OStFw Hubert Berners (in Personal- Lage der GKS auf Bundesebene be- Duisburg zu verbringen. union auch Schatzmeister der tonte Bundesvorsitzender Oberst In seinem Rechenschaftsbericht FGKS). Hierin stellte er eine neue Karl-Jürgen Klein, dass vor allem ging Schacherl zunächst auf die Situ- Software als Hilfe zur Bearbeitung durch persönliches Ansprechen von ation in seinem Zuständigkeits- von Abrechnungen von GKS-Veran- geeignet erscheinenden Soldaten/ bereich ein. „Es ist nicht zu verken- staltungen ebenso anschaulich wie innen neue Mitarbeiter/innen für die nen, dass nicht an allen Standorten übersichtlich dar und ging besonders GKS gewonnen werden könnten. Er etwas in Richtung GKS läuft. Das auf die einzureichenden Teilnehmer- setze sich auch weiterhin dafür ein, liegt nicht allein in der Neuaus- listen und weitere Formulare des dass mindestens die Hälfte der finan- richtung der Streitkräfte und der Handbuches ein. Die Software ist ab ziellen Mittel der GKS den Intensiv- Umstrukturierung der Truppe begrün- sofort bei ihm abrufbar. formen der Glaubensvermittlung, wie det, sondern auch die zunehmend In diesem Zusammenhang mach- etwa Familienwochenenden und mangelnde Bereitschaft zur Übernah- te der Bundesgeschäftsführer der -werkwochen zur Verfügung stehen me von Ehrenämtern vor allem bei GKS, Oberst a. D. Dr. Klaus Ach- müssen. Daher unterstütze er auch jüngeren Kameraden ist deutlich mann, deutlich, dass es ohnehin ge- weiterhin zentrale und standortüber- spürbar. Es ist daher ernsthaft zu plant sei, das Handbuch der GKS in greifende Veranstaltungen auf den überlegen, ob nicht Abhilfe geschaffen einer überarbeiteten, gestrafften Ebenen der Bereiche. werden kann, wenn noch mehr Mit- Form elektronisch zu erfassen und Am Nachmittag gab Militärdekan glieder aus dem Kreis der Reservisten möglicherweise schon Ende Jahres Rainer Schadt einen aktuellen Über- oder Soldaten „außer Dienst“ zur als CD-ROM zur Verfügung zu stel- blick zum Sachstand der Diskussio- Mitarbeit gewonnen werden könn- len. Gleichzeitig warb er um Mitar- nen zur Umstrukturierung der Katho- ten“, so der Vorsitzende, der auch beit bei diesem großen und wichtigen lischen Militärseelsorge. Er legte mitteilte, dass in NRW derzeit 11 Projekt. „Wir können durch diese Wert darauf, dass es sich derzeit GKS-Kreise, 6 Ansprechpartner und Maßnahme jährlich mehr als 10.000 noch um Planungen handele und 1 Einzelmitglied aktiv in den Stand- Euro sparen, Geld das für andere endgültige Entscheidungen noch orten für die GKS ehrenamtlich tätig Aufgaben der GKS sinnvoll verwen- nicht in allen Bereichen getroffen seien. Er informierte weiterhin über det werden kann“, so Dr. Achmann, worden seien. Er stellte weiterhin die Schwerpunkte der Vorstandsar- der auch über seine gewonnenen Er- heraus, dass die Schwerpunkte der beit im zurückliegenden Jahr, die fahrungen aus der persönlichen Prä- Arbeit vor allem in der Einsatzbe- jährlich stattfindenden Familien- senz der GKS beim KMBA (seit An- gleitung, der Familienpastoral an den werkwochen und kündigte an, dass fang Mai betreibt die GKS ein Büro Standorten sowie im Lebenskund- vom 8. bis 10. November 2002 ein bei der Kurie) berichtete. Dabei lichen Unterricht zu sehen seien. Er Seminar für neue Funktionsträger in machte er deutlich, dass die GKS im dankte bei dieser Gelegenheit allen der GKS in Köln stattfinden werde, Hinblick auf eine die katholischen ehrenamtlichen Mitarbeitern der GKS, ohne die „das Schiff Gemeinde nicht zu steuern sei.“ Es schlossen sich die Berichte aus den Standorten und den GKS-Kreisen in NRW an, in denen neben verschiedenen perso- nellen Veränderungen vorwiegend Fortsetzung auf Seite 99 u.

Delegierte, ihre Familien und die Gäste der Bereichskonferenz NRW präsentie- ren sich zum Erinnerungsfoto auf der Jugendstiel-Treppe der Wolfburg: Bild- mitte zwischen den Kindern sitzend der KLMD Msgr. Rainer Schadt, links hinter ihm hockend der GKS-Vorsitzende NRW Johann-A. Schacherl, vor der Terrassen- tür in der Bildmitte der Bundesvorsitzen- de Oberst Karl-Jürgen Klein und vor dem Fenster links von der Tür der Bundesgeschäftsführer Oberst a.D. Dr. Klaus Achmann.

98 AUFTRAG 248 AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN GKS-KREIS UNNA: Glaube – Sitz im Leben ine Veranstaltungsreihe unter ganz wesentliche Motive, die Ge- dem Thema „Glaube – Sitz im meinschaft im Glauben in der Kirche Hauptfeldwebel Ralf Eisenhardt bei der Moderation von Partnerinterviews der Leben“ begann im Rahmen ei- erneut aufzunehmen. Mit der kleinen E Teilnehmer am Familienwochenende, im nes Familienwochenendes des GKS- Medaille der GKS wurde der stellv. Hintergrund Militärpfarrer Rainer Kreises Unna. Den Auftakt begleite- Vorsitzende des GKS-Kreises Unna, Brouwers. (Foto F.-J. Johland) ten Militärpfarrer Rainer Brouwers Oberstabsfeldwebel und Kreisvorsitzender Hauptfeldwe- Franz-Josef Johland bel Ralf Eisenhardt unter dem The- vom Vorsitzenden der ma „Die Entwicklung der Religiosi- GKS in Nordrhein- tät – religiöse Kindeserziehung“. Die Westfalen ausgezeich- Teilnehmer eines Familienwochen- net. Eisenhardt, der endes vom 3. bis 5. Mai 2002 mach- stellvertretend die Eh- ten die Erfahrung, dass religiöse Le- rung vornahm betonte bensläufe zeitlich oftmals parallel den besonderen Ver- verlaufen. Rückschlüsse zogen sie dienst Johlands für die daraus auf das Interesse an Glaube Gründung und den und Kirche in der Bundeswehr als Aufbau des GKS-Krei- auch in den Familien. „Wir haben ses und das unermüd- eindeutig erkannt, dass ganz junge liche praktische Enga- Soldaten in der Bundeswehr durch gement. die Militärseelsorge wieder einen (Ralf Eisenhardt) Weg zur Kirche finden können,“ so Pfarrer Brouwers. Das Interesse an Kirche nimmt in der Jugend etwas KLMD KOBLENZ ab, dadurch geht der Glaube aber nicht verloren. Elterlicher Zwang nutzt nicht und zerstört zudem die fa- Ehemalige zeigten Solidarität mit der Militärseelsorge miliäre Atmosphäre unnötig, ist eine hre Verbundenheit mit der Mili- Militärseelsorger zum Einsatz ge- weitere wichtige Erkenntnis der tärseelsorge zeigten die ehemali- schieht. Mit großem Interesse und in Intensivmaßnahme. Die Militärseel- Igen Militärgeistlichen und Pfarr- einer sich an den Vortrag anschlie- sorge und Familiengründung sind helfer aus dem Zuständigkeitsbereich ßenden Diskussion brachten sich die des Katholischen Leitenden Militär- ehemaligen Militärseelsorger mit ih- dekans Koblenz, (ehemals Wehrbe- ren Anfragen ein. Fortsetzung von Seite 98 reich IV), die der Einladung von Die Mittagszeit wurde für einen die Aktivitäten und durchgeführten Militärdekan Msgr. Carl Ursprung in kleinen Stadtbummel durch die Maßnahmen dargestellt und bespro- den Erbacher Hof nach Mainz gefolgt Mainzer Altstadt und einen Besuch chen wurden. waren. Ganz besonders freute man im altehrwürdigen Mainzer Dom ge- Mit einem Familiengottesdienst sich darüber, dass Weihbischof Ger- nutzt. Nachmittags setzte man sich in der Hauskapelle erlebte die Kon- hard Pieschl, Bistum Limburg, ehe- noch mal zusammen um über die ferenz einen weiteren Höhepunkt. mals Katholischer Standortpfarrer Neustrukturierung der Bundeswehr Die Kollekte wird dem von der GKS Diez/Lahn, sich für diesen Tag in sei- und Militärseelsorge durch Militär- unterstützten Projekt der RENOVA- nem engen Terminkalender Zeit dekan Ursprung zu erfahren. Den BIS-Nachbarschaftshilfe zur Verfü- nahm, um mit ihnen diesen Tag zu Abschluss des Tages bildete eine gung gestellt, Nach einer abschlie- begehen. Militärdekan Joachim sehr lebhafte und kontroverse Dis- ßenden Gesprächsrunde mit der Klä- Simon, Katholischer Standortpfarrer kussion über Bundeswehreinsätze im rung noch offener Fragen, fuhren die München, kam auf Einladung von Allgemeinen. Hierbei kam zum Aus- Delegierten und ihre Familien nach Militärdekan Ursprung und referierte druck, dass sich die Anwesenden in einem gemeinsamen Mittagessen ge- über seine Begleitung während des voller Solidarität mit der Militärseel- stärkt an Leib und Seele in ihre Einsatzes deutscher Soldaten in Af- sorge und den aktiven Militärseel- Standorte zurück. „Es war eine gute ghanistan. In sehr anschaulicher sorgern befinden. Gleichzeitig äußer- Konferenz mit greifbaren, vernünfti- Weise wurden die Teilnehmer über ten sie jedoch auch ihre Sorge über gen und durchführbaren Ergebnis- die Situation in Afghanistan unter- politische Entwicklungen, hier habe sen. Wir sind in der GKS in Nord- richtet. Besonders betone Militär- die Militärseelsorge auch den Auf- rhein-Westfalen weiterhin auf einem dekan Simon, der auch schon die Sol- trag sich gesellschaftspolitisch ein- guten Weg. Dafür sei allen, die daran daten im ehemaligen Jugoslawien be- zubringen. Für die meisten der Teil- aktiv mitgearbeitet haben und künf- gleitet hatte, dass die Soldaten in sol- nehmer stand beim Abschied fest, tig mitarbeiten auf das Herzlichste chen Einsätzen ein regelrechtes Be- dass sie sich den Termin zum Ehe- gedankt,“ so schloss Bereichsvor- dürfnis nach Seelsorge haben. Auch maligentreffen 2003 wieder freihal- sitzender Schacherl. (Wilfried Puth) legte er dar wie die Vorbereitung der ten werden. (Jürgen Strohe)

AUFTRAG 248 99 KIRCHE UNTER SOLDATEN

BEREICHSKONFERENZ DER GKS RHEINLAND-PFALZ/HESSEN/SAARLAND – (EHEMALS WB IV) Wünschenswerter Aufbruch – möglicher Neubeginn om 26. bis 28. April fand in Lorscheid (Nähe Trier) in der VFamilienferienstätte „Friedrich Spee“ die Konferenz der GKS als Fa- milienwochende des ehemaligen Wehrbereichs (WB) IV statt. Musste eine ähnliche Veranstaltung im De- zember 2001 mangels Masse abge- sagt werden, so war dieses Wochen- ende komplett ausgebucht. In einem herrlichen Tal gelegen waren die Fa- milien im Haupt- und Nebengebäude sowie in Einzelhäusern unterge- bracht. Hervorzuheben ist dass der Anteil der aktiven Soldaten gegenü- ber den Pensionären deutlich über- wog. Schon am Vorabend traf sich der Vorstand, um über die Lage im ehe- maligen WB IV zu sprechen, zumal der 1. Vorsitzende Hptm Günter Neuroth über eine lange Zeit seiner Die Teilnehmer des Familienwochenendes anlässlich der GKS-Bereichskonferenz in dienstlich bedingten Abwesenheit bergmännischer Bekleidung nach dem Besuch eines Dachschieferbergwerkes diese Funktion nicht wahrnehmen (Foto H. Dorndorf) konnte. Der Freitagabend war durch eine zusuchen, mit ihnen zu reden, zu • Vorsitzender lange Vorstellungsrunde geprägt, da spielen, um sie so letztendlich wieder HBtsm Joachim Riederle, sich viele Familien nicht kannten. in die Gesellschaft zu integrieren. • Stellvertreter Am Samstagvormittag wurde das Der Nachmittag und der Abend Hptm Günter Neuroth und zwischen Fell und Thomm gelegene diente der eigentliche Wehrbereichs- StFw Hans-Joachim Oster. Besucherbergwerk „Barbara-Hoff- konferenz. Da seit Bestehen des Vor- • Geschäftsführer nung“ besichtigt. Es besteht aus zwei stands (1995) keine Neuwahlen Hptm a.D. Heinrich Dorndorf. übereinander liegenden Dachschie- stattfanden, sollte dieses Mal gewählt Der neue Vorsitzende wird dem ferbergwerken aus der Wende vom werden. Der bisherige 1. Vorsitzende Katholischen Leitenden Militärde- 19. zum 20. Jh. Lebensgroße Figuren stellte sich nicht mehr zur Wahl und kan Koblenz, Msgr. Carl Ursprung, vermittelten die gefahrvolle Arbeit auch der 2. stellvertretende Vorsit- über die Veränderungen im Vorstand der Schieferbergleute. Ein fachkun- zende, StFw Hans-Joachim Oster der GKS berichten und versuchen bis diger Führer erklärte die Technik des (Dienstzeitende 31.05.2002) stellte zum Herbst neue Stellvertreter zu Schieferabbaus und die Weiter- sein Amt ebenfalls zur Verfügung. finden. verarbeitung zu Dachschieferplatten. Nach einer längeren Diskusion unter Da an der Konferenz kein Mili- Nach dem Mittagessen berichtete Einschaltung des stellvertr. Bundes- tärpfarrer als Geistlicher Beirat teil- ein Streetworker vom Caritasverband vorsitzenden, OSF a.D. Hans-Jürgen nahm, besuchten die Konferenzteil- West-Eifel über seine Arbeit. Mathias, der dann als Wahlvorstand nehmer am Sonntag den Gemeinde- Hierbei handelt es sich um Projekt zur Verfügung stand, stellte sich der gottesdienst in Farschweiler. der „aufsuchenden Jugendsozialar- bisherige stellvertretende Vorsitzen- Ein Wort des stellvertretenden beit“ im Kreis Bitburg-Prüm. Ziel- de, HBtsm Joachim Riederle, der Bundesvorsitzenden und eine Refle- gruppe sind Jugendliche, die nicht Wahl zum Vorsitzenden. Da für die xion über die vergangenen Tage von der „normalen“ Jugendarbeit der Positionen der beiden Stellvertreter beendeten eine Konferenz, die trotz Kirchen oder Sportverbände erreicht keine Vorschläge eingingen, erklär- des schlechten Wetters in angeneh- werden. Es sind vor allem Jugendli- ten sich Hptm Neuroth und SFw Os- mer Atmosphäre einen guten Verlauf che, die Konsumente von illegalen ter bereit, bis zur Herbstkonferenz nahm. Kinder tauschten Adressen und legalen Drogen sind, Obdachlose (06.-08.12.2002 in Maria Engelport) aus und auch die Erwachsenen hof- oder von Wohnungslosigkeit bedroh- als Stellvertreter zur Verfügung zu fen auf ein Wiedersehen. – Vielleicht te und arbeitslose Jugendliche. Auf- stehen. wird nun ein neuer Aufbruch im Be- gabe der Streetworker ist es, mit die- Das Ergebnis der Wahl und damit reich der GKS Rheinland-Pfalz/Hes- sen Jugendlichen Kontakt aufzuneh- Vorstand der GKS im Breich sen/Saarland möglich. men, sie an ihren Bezugsplätzen auf- Rheinland-Pfalz/Hessen/Saarland: (Heinrich Dorndorf)

100 AUFTRAG 248 AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

GKS-KREIS BAD NEUENAHR-AHRWEILER Walter Schäffer, neuer Vorsitzender ur Jahreshauptversammlung des GKS-Kreises Bad Neuen- Zahr-Ahrweiler, am 9. April konnte der Vorsitzende Joachim Os- ter eine große Anzahl von Mitglie- dern begrüßen. In einem Rückblick ließ er das vergangene Jahr Revue passieren: Zahlreiche Veranstaltungen wurden durchgeführt, darunter die Wallfahrt nach Rom, Gesprächsrunden und nicht zuletzt die Feste an der Lourdeskapelle im Bachemer Tal. Im Januar 2002 wurde Dechant Molz- berger als Militärpfarrer im Neben- amt im Materialamt des Heeres (MatAH) feierlich verabschiedet. Er fehlt demnächst dem GKS-Kreis, da er in den Ruhestand tritt. Da auch Joachim Oster im Mai aus dem aktiven Dienst in den wohl- Verabschiedung – Dank – Führungswechsel bei der Jahresversammlung der GKS verdienten Ruhestand versetzt wird, Bad Neuenahr-Ahrweiler (v.l.): Ehepaar Oster, Hans Thiele, Ehepaar Koch, Aloys musste ein neuer 1. Vorsitzender ge- Mutter und der neuen Vorsitzende des GKS-Kreises Walter Schäffer. wählt werden. Vor der Wahl bedank- te sich Oster für die Mitarbeit aller in zenden und erinnerte an die vielen Die Neuwahl wurde von Herrn den vergangenen Jahren. Ganz Aktivitäten, die durch ihn veranlasst Groß geleitet. Zum neuen 1. Vorsit- besonders dankte er Aloys Mutter, und durchgeführt worden sind. Auch zenden wählte die Versammlung ein- Hans Thiele und dem Ehepaar Koch Ehefrau Margit wurde mit einbezo- stimmig Walter Schäffer. Er nahm und überreichte kleine Präsente. gen, viele Veranstaltungen wurden die guten Wünsche aller für seine Der 2. Vorsitzende Michael von ihr unterstützt und mitgetragen. neue Tätigkeit entgegen. – Joachim Wilke dankte Joachim Oster für die Zum Dank gab es Blumen und ein Oster bleibt dem Vorstand als Beisit- vielen Jahre im Dienst des 1. Vorsit- Präsent. zer erhalten. (Michael Wilke)

„Wir müssen beständig neue Wege gehen“ bei nahezu idealen äußeren Bedin- gungen einen rund 90-minütigen, Familienwochenende der GKS im Kloster Engelport war ein toller Erfolg teilweise recht anstrengenden Spa- ziergang nach Beilstein, um von dort Zu einem zweitägigen Familien- Cochem und Büchel, in bewährten ebenfalls mit der „PINADO 33“ zu wochenende der Gemeinschaft Ka- Händen. fahren. Dieser außergewöhnliche tholischer Soldaten (GKS) kamen in Nach einer kurzen Vorstellungs- Ausflug machte besonders den Kin- dem von den „Oblaten der Makello- runde am Samstagvormittag entzün- dern viel Spaß. sen Jungfrau Maria“ geführten Klos- deten die GKS-Mitglieder zunächst Während die Kinder am Abend ter Engelport im Flaumbachtal eine von der Internationalen Solda- spielten, sangen oder bastelten, insgesamt 34 Frauen, Männer und tenwallfahrt aus Lourdes mitgebrach- schauten sich die Erwachsenen ei- Kinder im Alter von 2 bis 16 Jahren te und gesegnete Kerze an der nen Videofilm zur Lage der Laien- zusammen. Die Gruppe setzte sich Marien-Grotte in unmittelbarer arbeit in der katholischen Kirche im größtenteils aus Familien des GKS- Nachbarschaft des Klosters (s. Foto). französischen Burgund an. Dieser Kreises Bad Neuenahr/Ahrweiler zu- Am Nachmittag teilte sich die Grup- Film war die Grundlage für einen an- sammen und wurde durch Einzel- pe. Die meisten Kinder und einige schließenden Gesprächskreis unter mitglieder der GKS und deren Fami- erwachsene Begleiter machten sich der Leitung des ehemaligen Katholi- lien aus den Standorten Büchel, auf nach Senheim, um von dort mit schen Militärpfarrers Cochem/Daun, Daun und Koblenz ergänzt. Die Or- der „PINADO 33“ einem Boot des Norbert Reichel (jetzt verantwortli- ganisation dieser Veranstaltung lag Jagdbombergeschwaders 33, die Mo- cher Pfarrer einer Seelsorgeeinheit bei Hauptmann Matthias Völkel, An- sel zu befahren. Die restlichen Frau- im Hunsrück). In diesem Gespräch sprechpartner der GKS der Standorte en, Männer und Kinder unternahmen wurde insbesondere die immer stär-

AUFTRAG 248 101 KIRCHE UNTER SOLDATEN ker auftretende Problematik durch Erwachsenen unter der sehr fach- tung der Heiligen Messe mit ein. In den stetig wachsenden Priester- kundigen Führung von Bruder Josef einem Predigtgespräch beschäftigte mangel auch in Deutschland deutlich dessen angelegten Kräutergarten be- sich die Gruppe mit dem Evangelien- gemacht. Unter anderen wurde fest- sichtigen und erhielten zudem einen text (Mt 9,9-13) und einem Bild der gestellt, dass die „Institution Kirche“ äußerst lehrreichen Exkurs in Sa- Künstlerin Beate Heinen. Gemein- auch hierzulande künftig andere, chen Naturheilkunde. Die Kinder be- sam kamen sie zu dem Ergebnis, neue Wege gehen müsse, um „glaub- schäftigten sich derweil überwiegend dass im Leben stets neue Wege be- haft und lebendig“ zu bleiben. Die mit Gesellschaftsspielen und die schritten und neue Anfänge im Glau- Laienarbeit müsse noch mehr Auf- Kleinsten durften auf den kloster- ben geschaffen werden müssten. Die wertung erfahren, ohne jedoch zu eigenen Eselinnen Trixi und Bini rei- Kollekte des Gottesdienstes, der von verkennen, dass es ohne Priester auf ten. dem Obergefreiten Sebastian Völkel Dauer nicht gehe. Mehr und mehr Nach dem Mittagessen stellte ein sowie den Geschwistern Barbara und würden daher engagierte und moti- Familiengottesdienst einen weiteren Marie-Therese Puth mit ihren Gitar- vierte Christen gefordert sein, sich Höhepunkt des Wochenendpro- ren musikalisch umrahmt wurde, als Laien in die Arbeit der Seelsorge gramms dar. Pfarrer Norbert Reichel wird der Soldatentumorhilfe beim mit einzubringen. bezog dabei die gesamte anwesende Bundeswehrzentralkrankenhaus Am Sonntagmorgen konnten die kleine GKS-Gemeinde in die Gestal- Koblenz zur Verfügung gestellt. Am Ende des Gottesdienstes hatte Hptm Matthias Völkel noch eine Überra- schung parat. Er überreichte jeder Familie und auch Pfarrer Reichel eine kleine Flasche mit gesegnetem Lourdes-Wasser, das er von der dies- jährigen Soldatenwallfahrt mitge- bracht hatte. Nach Kaffee und Kuchen mach- ten sich die Familien wieder auf den Weg nach Hause und waren sich ei- nig, ein gleichermaßen erholsames, lehrreiches, nachdenkliches und er- lebnisreiches Wochenende in ent- spannter Atmosphäre bei hervorra- gender Unterbringung und köstlicher Verpflegung verbracht zu haben. Sie bedankten sich bei der Familie Völkel mit einem kleinen Präsent für die gelungene Organisation. (Text u. Foto Wilfried Puth) Militärbischof Mixa beim Wehrbeauftragten des Bundestages inen Besuch stattete der Katholische Militär- Ebischof und Eichstätter Oberhirte Dr. Walter Mixa am 2. Juli 2002 dem Wehrbeauftragten Dr. Wilfried Penner in seinem Berliner Amtssitz ab. Im Mittelpunkt des ausführlichen Gedanken- austausches standen Fragen der Familien- betreuung und -seelsorge, die Lage der Soldaten- familien und Partnerschaften im Zusammenhang der Auslandseinsätze und ethisch-relevante Rechtsgrundlagen für das soldatische Handeln. Auch Fragen der Verwirklichung von Religionsfrei- heit und freier Religionsausübung angesichts einer wachsenden Anzahl nicht konfessionell gebunde- ner Soldaten kamen zu Sprache. Dazu gehört auch die Ausstattung der „Feldlager“ mit Kapellen bzw. „Räumen der Stille“. Der Wehrbeauftragte begrüßte das Engagement des Militärbischofs ge- genüber der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung (KAS), die sich in diesen Feld- lagern durch die Einrichtung von „Oasen“ an der Betreuung der dort stationierten Soldaten wirksam beteiligt. (M. Beyel, KMBA) 102 AUFTRAG 248 AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

STANDORT LAUPHEIM „Schrecklich ist die Einsamkeit am Abend und am Wochenende“ Werkwoche in Immenstadt für Soldatenfamilien im Bereich des Katholischen Leitenden Militärdekans (KLMD) Sigmaringen

chrecklich ist die Einsam- keit am Abend und am Wo- Die Familienwerkwoche leitete der KLMD Sigmaringen, „ chenende.“ Dieser Satz fasst Militärdekan P. Johann Müller SAC, in der Bildmontage mit S dem jüngsten zur Militärseelsorge gehörenden Teilnehmer. die Erfahrungen einer Frau zusam- men, deren Mann seit Jahren für die Bundeswehr an Auslandseinsätzen teilnimmt. In der Woche nach Ostern nahmen Soldaten vom Heeresflieger- regiment 25 aus Laupheim an einer Familienwerkwoche des Katholischen Leitenden Militärdekans Sigmarin- gen in Immenstadt teil. Im Rahmen dieser Veranstaltung fand am Don- nerstag ein Vortrag und eine Diskus- sion mit Vertretern des Zentralinsti- tuts für Familie und Ehe der katholi- schen Universität Eichstätt statt. Nach einem Referat zum Thema „Krisen in der Familie“ durch den Diplomtheologen Peter Wendl aus Eichstätt berichteten die anwesenden großer Bedeutung ist. Ebenso helfen es sich zum Ziel gesetzt, die von Aus- Frauen und Soldaten über ihre Erfah- aber auch private Bindungen zwi- landseinsätzen betroffenen Familien rungen mit der Bewältigung von Kri- schen einzelnen Soldatenfamilien, bei der konkreten Bewältigung der- sen, die durch Auslandseinsätze der die Probleme der Familien zu lin- entstandenen Situation zu unterstüt- Bundeswehr hervorgerufen wurden. dern. Dabei sind es besonders auch zen. Die Teilnehmer(innen) an der Seit Jahren nehmen die Heeresflie- private Initiativen der Einsatz- Werkwoche waren sich einig, dass ger aus Laupheim an Einsätzen der soldaten, die helfen, die Kommuni- bereits im Vorfeld eines Auslands- UNO und der NATO teil. Überwa- kation zwischen den Soldaten und einsatzes alle Möglichkeiten genutzt chungsflüge im Irak wurden ebenso den Angehörigen zu verbessern. Die werden müssten, um entstehende durchgeführt wie Einsätze im Kosovo Führsorgepflicht des Dienstherrn für Probleme so weit wie möglich zu ver- und Mazedonien. Diese dauernde seine Soldaten stehe dabei in einer meiden oder darauf angemessen rea- Abwesenheit hat in den Familien deutlichen Wechselbeziehung zu gieren zu können. Auch die militäri- Spuren hinterlassen, die zum größten dessen Erwartung, dass die Soldaten schen Verantwortlichen könnten Teil nur durch die enge Verbindung ihre Dienstpflichten bestmöglich er- durch die Erleichterung der familiä- der Frauen untereinander gemildert füllen. ren Situation dafür sorgen, dass die werden konnten. Auch zum jetzigen Auch das Zentralistitut für Ehe an sich schon schwierigen Auslands- Zeitpunkt befinden sich Soldaten im und Familie an der Katholischen aufenthalte nicht unnötig erschwert Ausland oder sind auf dem Weg zum Universität Eichstätt-Ingolstadt hat werden. Einsatzgebiet in Afghanistan. Nach (Edgar Schuler/KLMD Sigmaringen) einer kurzen Bedenkzeit berichteten die Soldatenfrauen über ihre Sorgen und Probleme und über die gefunde- nen Lösungswege. GKS KÖLN: Flagge zeigen! Bei der Diskussion wurde deut- lich, dass es Berührungsängste zur Spitze der Fahnenabordnungen in der Kölner Fronleichnamsprozession 2002 der Militärseelsorge gibt. Eine stär- ahnenabordnungen der GKS in NRW und kere Präsenz des Seelsorgers in den Fdes Militärseelsorgebezirks Köln nahmen Kasernen wäre daher wünschens- in diesem Jahr zum zweiten Mal an der wert. Die Werbung für Veranstaltun- Fronleichnamsprozession mit Joachim Kardi- gen durch die Dienststelle des nal Meisner um den Kölner Dom teil. Militärpfarrers kann aber nicht die Vielleicht sind nach Schaffung des neuen Mundpropaganda unter den Soldaten Seelsorgezentrums Köln – Köln/Wahn – Bonn ersetzen, die für eine Verankerung im kommenden Jahr mehr Teilnehmer, als die der Präsenz der Militärseelsorge von acht in diesem Jahr, vor Ort. (Artur Ernst)

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LEITENDER KATHOLISCHER MILITÄRDEKAN AUSLAND: Erste Internetkonferenz unter dem Dach des Militärbischofamtes

ur konstituierenden Sitzung ei- Tagungszentrum Rolduc/NL: ner Arbeitskonferenz Ausland Ansicht des Hauptgebäudes Zhatte der Leitende Bereichs- dekan Ausland MD Prälat Walter ten. Nach der Konstituierung wurde Theis vom 25.-26. Januar 2002 nach der Moderator der Arbeitskonferenz Rolduc/NL eingeladen. Gleichzeitig gewählt. Zur Wahl standen Andreas wurde am Rande dieser Sitzung erste Rostek aus SHAPE und Hans-Dieter Vorbereitungen und Absprachen für Scherer aus Brunssum. In geheimer die 42. Woche der Begegnung mit Wahl wurde Herr Scherer mit 3 Stim- den Verantwortlichen des Tagungs- men als Moderator und Herr Rostek zentrum in Rolduc getroffen. mit 2 Stimmen als Vertreter gewählt. Die Konstituierung einer Arbeits- Beide nahmen die Wahl an. konferenz war von Vertretern aus MD Theis der bis dahin durch die dem Bereich Ausland während der Sitzung geführt hatte, übergab den 41. Woche der Begegnung angeregt Vorsitz an H.-D. Scherer. Es wurden worden. Trotz vieler Bedenken und als Tagesordungspunkte neben dem Unkenrufen, eine solche Veranstal- Bericht des Leitenden Bereichsde- tung sei allein schon aus Gründen kan, die Berichte aus den Seelsorge- der weiten Entfernungen nicht mög- bezirken im Bereich Ausland vorge- lich, hat eine kleine Gruppe von Sol- kation mit Teilnehmern aus Hollo- tragen. Als letzter Tagesordnungs- daten und zivilen Angehörigen des man/USA und Neapel/Italien ermög- punkt wurde der Termin der nächs- Mitarbeiterkreises in Brunssum die- lichte. Auch wenn eine Einbeziehung ten Arbeitskonferenz Ausland für die se Konferenz zielstrebig vorbereitet der Internetteilnehmer in eine leben- 11. Kalenderwoche 2003 vorge- und in enger Zusammenarbeit mit dige Diskussion sich als äußerst merkt. MD Theis hob in seinen dem zuständigen Fachreferaten im schwierig erwies, konnten die Chat- Schlussworten heraus, dass er sich Katholischen Militärbischofamt teilnehmer zu zentralen Fragen Stel- sehr darüber gefreut hat über die durchgeführt. Hier gilt unser Dank lung nehmen und abstimmen. Der Einrichtung einer Arbeitskonferenz, besonders unserem Militärdekan Chat trug auch zur Erheiterung der auch wenn er im Nachgang der 41. Theis und seinen Mitarbeitern, sowie Anwesenden bei, insbesondere hat Woche der Begegnung nicht so recht Dipl.-Theol. Manfred Heinz vom Re- ein uns lieb gewonnener Teilnehmer daran geglaubt hatte. ferat IV. Stellvertretend für den mit dem Pseudonym „Licola“ dazu Wir Ausländer wollen nun auch Mitarbeiterkreis Brunssum ein Dank beigetragen. Wurde er zuerst irrtüm- die mittlere Ebene des Laienaposto- an Herrn HptFw Scherer, der in vie- lich als „Störer“ und „unerwünschte lates mit Leben füllen und damit als len Vorbereitungstreffen und wäh- Person“ vom Chat-Master beinahe wirkungsvolles Beratungsgremium rend der Veranstaltung mit seinem aus dem Chatraum vertrieben, hat er unseren Bereichsdekan in seinen Team wesentlich zum Erfolg beige- neben vielen Sachbeiträgen auch Aufgaben unterstützen. Der Zentra- tragen hat. immer wieder für Lacher gesorgt. len Versammlung wollen wir die Be- Die größte Problematik bei der Hier eine kurze, zusammengestellte sonderheiten der Militärseelsorge an Planung bestand darin, den gesamten Kostprobe aus dem Chatprotokoll unseren Auslandstandorten aufzei- Bereich Ausland an einer Konferenz (Auszug s.Kasten nächste Seite): gen. Insgesamt ist diese Internet- zu beteiligen, da eine Anreise von Ein Teilnehmer mit dem Namen konferenz als Grundstein für weitere Teilnehmern aus den USA und Süde- „Arschdries“ betrat den Chat und Vorhaben zu sehen und konnte daher uropa aus Gründen der weiten Ent- störte die Konferenz erheblich auch als Erfolg für die Beteiligten ge- fernungen und der damit verbunde- durch verhöhnende und beleidigen- wertet werden. (Andreas Koppers) nen hohen Reisekosten nicht in Be- de Kommentare. Der Chat-Master tracht kam. In enger Zusammenar- veranlasste daraufhin, das alle beit mit dem KMBA haben wir ver- Online-Teilnehmer den Chat verlas- sucht, neue Wege in der Kommuni- sen sollten, um sich kurz danach kation und Kooperation zu beschrei- wieder einloggen. Kurz darauf be- ten und haben eine Internetkonfe- tritt „Licola“ den Chat. renz als zentrales Element dieser Sit- Am Ende haben sich die Anwe- zung geplant. Dazu musste zunächst senden sich darauf verständigt eine eine Internetseite geschaffen werden, Arbeitskonferenz Ausland einzurich- die als gemeinsame Informations- plattform gedacht war. Für die Sit- zung wurde ein Chatraum eingerich- Teilnehmer der 1. Arbeitskonferenz tet, der die gleichzeitige Kommuni- Bereich Ausland

104 AUFTRAG 248 AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

BUCHBESPRECHUNG Auszug aus dem Chat-Protokoll Das politische Buch [16:38:28] Licola: Hallöchen Jürgen Hogrefe: Gerhard Schröder. Ein [16:38:30] Koppers: verlassen Sie bitte den Chatraum…. Porträt. Siedler Verlag, Berlin 2002, [16:38:45] Licola: was, erst soll ich kommen, jetzt soll ich gehen, was als naechstes ??? 224 S. [16:38:28] MKS_Brunssum: Licola wollen Sie auch nur stören. Reinhard Urschel: Gerhard Schröder – Bitte verlassen Sie den Chat. Dies ist eine geschlossene Gesellschaft. Eine Biographie. DVA, Stuttgart 2002. [16:38:28] Licola: Ich bins doch…. 400 S. [16:39:58] Koppers: … wer ist ich? [16:39:58] Licola: Bin ich nicht erwünscht? Gerhard Schröder: Instinkte statt Visionen Herr Junge-Bornholt, Pfarrhelfer aus Neapel gibt den entscheidenen Hinweis Kein Zweifel: Gerhard Schröder ist ein das „Licola“ der Militärpfarrer Lückertz aus Neapel ist. pragmatischer Politiker. Er hat ausgeprägte [16:40:27] MKS_Brunssum: Nein. Sie sind natürlich erwünscht. Bedauerliches versehen. Entschuldigung politische Instinkte, keine Visionen. Sein [16:40:43] Koppers: Herzlich Willkommen zur Konferenz! Politikstil ist näher bei Helmut Schmidt als [16:41:14] Licola: Ok, alles klar. Komme gerade aus Rom zurück. bei , und genau wie bei Schmidt [16:41:36] Koppers: Es wird gerade durch Herrn Heinz vom KMBA die Ordnung ist das Verhältnis zur eigenen Partei auch der Arbeitskonferenz vorgestellt manchmal eher distanziert. Der Beobachter [16:42:13] Licola: Dann seien alle herzlich von mir gegrüßt. Besonders auch Manfred Heinz. kann das gerade jetzt, auf dem Höhepunkt [16:42:38] Licola: Buona sera, Hubert... des Bundestagswahlkampfes, wieder sehen. [16:43:09] Licola: Übrigens, ich bin der MilPf von Neapel. Bisher haben ihn seine gut funktionierenden [16:43:39] Muenchmeyer: Waren fast schon draufgekommen! Instinkte von Sieg zu Sieg bis ins Kanzleramt [16:45:42] Licola: Hubert, ist Hermann auch an der Taste? getragen. Reicht das weiterhin? Wer ist die- [16:46:09] Licola: Darf ich mal fragen, wer Koppers sein könnte? ser Gerhard Schröder, der so geschmeidig mit [16:46:30] Muenchmeyer: Sollen wir auch rausgehen! den Medien umgeht? [16:46:42] MKS_Brunssum: Leider nein. Das Kenntwort die die Abkuerzung der Kurie in Berlin Ein Porträt, keine Biografie, hat der kleingeschrieben. Das Passwort ein sehr bekannter Wallfahrtsort „Spiegel“-Journalist Jürgen Hogrefe ge- auch kleingeschrieben schrieben. Er kennt Schröder seit 20 Jahren, [16:47:01] Licola: Ach so, das weiss ich ja.... auch aus der Nähe. Seine Fähigkeit zur guten [16:47:35] MKS_Brunssum: Bitte alle im Chat bleiben. Koppers ist Mitglied des Mitarbeiterkreises Brunsum „Schreibe“ und die Nähe zur Person verdich- . Wir haben hier zwei Maschinen und bedienen damit den Chat tet Hogrefe zu einem geschliffen geschriebe- [16:47:36] Licola: Die Laufzeit ist etwas lahm, oder ...? nen Bild des derzeitigen Bundeskanzlers. [16:47:50] Licola: Ach so. Manchmal verliert dabei der Inhalt gegen [16:47:54] Koppers: Heinz: Aufgaben AK Bereich Ausland: (4 Vertreter), Beratung des den bekannten Schreibstil des „Spiegel“. WB Dekans, Foerderung des Laienapostolat, Info und Erfahrungsaustausch Auch Hogrefe sieht Schröder als Politi- untereinander; spirituelle und fachliche Weiterbildung ker, der weniger durch Visionen als vielmehr [16:49:51] Licola: Man nennt das auch geistigen Diebstahl durch einen funktionierenden Machtinstinkt [16:50:10] MKS_Brunssum: Das sind gute Vorasusetzungen für unser weiteres Vorgehen. getrieben wird: „Der so ganz und gar anders Ich bitte Rechtschreibfehler zu entschuldigen. gewirkte feinsinnige Alt-Genosse Erhard Wir schreiben mit 2 Finger Suchsystem. Danke Eppler hat ihn deswegen mit Bewunderung [16:50:46] Licola: Hier findet das „Adler-Such-System“ statt... als ‘political animal’ charakterisiert. Dieser [16:50:50] MKS_Brunssum: PS Alle Anwesenden lesen Beiträge online über Beamer mit. Begriff meint auch den lauernden Instinkt [16:51:06] Licola: Ups, dann muß ich mich ja benehmen... scusi! dessen, der ständig auf der Suche nach dem [16:51:43] Koppers: Heinz: Teilnehmer (Punkt 3 i.d. Ordnung) Seelsorgebezirksrat ersetzte richtigen Zeitpunkt ist, um Beute zu machen, den ehem. Pfarrgemeinderat Wahlberechtigte: und die ständig lauernde Bereitschaft, sie vor [16:54:06] Licola: Amerika verläßt den Raum; Europa ist mal wieder unter sich. den begierigen Konkurrenten abzusichern. [16:54:33] Licola: Wae schon jemand von SHAPE hier oder Madrid? ‘Instinkt’, sagt Schröder selbst, ‘ist mindes- tens so wichtig wie der Verstand. Das kann man nicht lernen, das ist ja was Animali- Hogrefe vermerkt auch, dass im Regie- liche Entwicklung der SPD in den neunziger sches.’“ Die Stärke Hogrefes ist, dass er der rungsalltag schnell – nicht erst seit dem 11. Jahren nachvollziehbar macht, wird er doch Person Schröder nahe kommt. Die hohe Be- September 2001 – die Außenpolitik die immer dünner, je näher er der Gegenwart deutung der Wirtschaftspolitik in Schröders meiste Zeit im Kalender des Kanzlers bean- kommt. Der Kanzler Schröder kommt bei ihm politischem Konzept hat der Autor erkannt sprucht. zu kurz und damit auch die außen- und und herausgearbeitet. In seiner Zeit als Ein anderes Buch hat Reinhard Urschel sicherheitspolitischen Umbrüche der letzten niedersächsischer Ministerpräsident avan- geschrieben: eine Biografie, die den Lebens- Jahre, die ja erheblichen Einfluss auf cierte er gar zum „bestaunten Liebling der weg Gerhard Schröders ausleuchtet und Schröders Politik hatten und haben. Wirtschaft“. Und die Wirtschaft faszinierte dabei immer auch einen Einblick in die Ent- Im Vergleich der beiden Bücher lässt Schröder: „Hier sah er eine Machtfülle kon- wicklung der deutschen Sozialdemokratie in sich festhalten: Reinhard Urschel hat bei al- zentriert, gegen die sich seine politische den letzten zwanzig Jahren gibt. Den Weg ins len Verkürzungen einen brauchbaren Macht im Lande Niedersachsen gelegentlich Kanzleramt beschreibt der Berliner Korres- „Schröder für Anfänger“ geschrieben, wäh- sehr bescheiden ausnahm. Hier wirkte eine pondent der Hannoverschen Allgemeinen rend Jürgen Hogrefe einiges an Politikwissen Magie der Macht, wie er sie auf seinem poli- Zeitung kenntnis- und anekdotenreich. Die voraussetzt und eine amüsante gehobene tischen Weg nach oben noch nicht kennen Kämpfe der Troika Schröder, Lafontaine, Plauderei über Gerhard Schröder, also einen gelernt hatte. Hier wartete eine neue Heraus- Scharping werden von ihm anschaulich ge- „Schröder für Fortgeschrittene“ anbietet. forderung auf Gerhard Schröder.“ schildert. So sehr Urschel die innerpartei- (Eckhard Stuff)

AUFTRAG 248 105 KIRCHE UNTER SOLDATEN Ökumenischen Gottesdienst zur Vorbereitung auf das feierliche Gelöbnis am 20. Juli 2002 im Bendlerblock in Berlin und 500 Rekruten der 5. und Julius-Leber-Kaserne in Berlin- dann, wenn neue Skandale aufge- 6. Kompanie, sowie der Wedding sprachen am Samstag, den deckt würden, Skandale in der RSicherungskompanie des 20. Juli 2002 ihr feierliches Gelöbnis Lebensmittelindustrie, in der Um- Wachbataillons beim Bundesminis- in Berlin, Bendlerblock. welt, in der Wirtschaft, in der Politik. terium der Verteidigung aus der Aus diesem Anlass luden der Ka- „Jeder von uns ist angesprochen“, so tholische Leitende Militärdekan der Militärseelsorger. „Wenn du Hartmut Gremler, Erfurt, und der willst, kannst du es“, z.B. miteinan- evangelische Militärpfarrer Michael der im Frieden leben, höflich und Weeke, Berlin, vormittags zu einem rücksichtsvoll sein, in den Beziehun- ökumenischen Standortgottesdienst gen die Treue halten, sich jeder Zeit in die Julius-Leber-Kaserne ein. Mu- miteinander versöhnen und die sikalisch untermalt wurde der Got- Wahrheit sagen. „Wenn du willst, tesdienst vom Musikkorps der Bun- kannst du es“. Wer sich an die Worte deswehr aus Siegburg. Jesu halte und die Gebote befolge, In seiner Predigt zeigte Militär- der komme auch besser mit den Wid- dekan Gremler auf der Grundlage der rigkeiten des Lebens zurecht, betonte alttestamentlichen Textstelle (Sir Gremler. Gott wolle uns nicht seinen 15,15 – 20) die Kausalität zwischen Willen aufzwingen, sondern Gott „Wollen und Können“, gerade im möchte, dass wir seine Gebote frei- ethischen Bereich, auf. „Wollen und willig halten mit ganzem Herzen und Können hängen sehr eng zusam- mit ganzem Willen. „Ich bin gekom- men“, sagte Gremler in seiner Text- men um Gesetz und Propheten zu er- auslegung. In unserer Zeit werde viel füllen“, sagt Jesus (Mt 5,17). „Ich darüber gesprochen, dass wir neue bin gekommen, um ganz und gar Werte brauchten. Besonders immer danach zu leben“. Gott selber ist es, der unser Leben und das Gelingen Ökumenischer Gottesdienst mit dem unseres Lebens will, ermunterte KLMD Erfurt, Hartmut Gremler (r.), und Gremler die Wehrpflichtigen. Das dem evangelischen Militärpfarrer Mi- Ziel heiße: „Wirkliches, erfülltes Le- chael Weeke, Berlin (r) im Gespräch mit ben, Glück, Frieden und Gerechtig- Rekruten. keit“. (M. Beyel, KMBA)

AUS DEM BUNDESVORSTAND DER GKS Neubenennung der Mittleren Ebene der GKS GKS-Handbuch auf CD er Bundesvorstand hat auf seiner Sitzung in Dornstadt am 15. Juni be- ach der Absicht des Bundesvor- Dschlossen, die seit 1971 gültige Wehrbereichs-Bezeichnung ihrer mittle- Nstandes soll bis Jahresende 2002 ren Ebene aufzugeben. Damit reagiert der Verband auf die Neuordnung der ter- das Handbuch überarbeitet und als ritorialen Organisation der Bundeswehr (vier Wehrbereiche statt bisher sieben) CD-ROM herausgegeben werden. sowie die Änderung der Zuständigkeitsbereiche und damit einhergehend die Zur Vorbereitung fordert der Bundes- Umbenennung der dienstaufsichtsführenden Leitenden Militärdekane. geschäftsführer die Bereiche, Kreise, Zunächst gilt die folgende Regelung: Ansprechpartner und Funktioner der Bisherige Bezeichnung Neue Bezeichnung Zuordnung zum KLMD GKS zur Stellungnahme auf. Es soll geprüft werden, welche Teile beibe- GKS im WB I / See GKS Nord / Küste KLMD Kiel halten, welche verändert und welche GKS im WB II GKS Niedersachsen / Bremen KLMD Hannover gestrichen werden sollen. Ziel ist es, GKS im WB III GKS Nordrhein-Westfalen KLMD Köln-Wahn das Handbuch der Praxis anzupassen GKS im WB IV GKS Rh-Pfalz/Hessen/Saarland KLMD Koblenz und möglichst von Balast zu befreien. GKS im WB V GKS Baden-Württemberg KLMD Sigmaringen Vorschläge bitte umgehend an die GKS im WB VI GKS Bayern KLMD München Bundesgeschäftsstelle Berlin senden GKS im WB VII GKS Bereich Ost KLMD Erfurt • Fax (03020619991) oder GKS Bereich Ausland GKS Bereich Ausland KLMD Ausland • Email: [email protected]

106 AUFTRAG 248 AUS DER VERBANDSARBEIT Vom Rhein an die Spree Im Rahmen der Feier wurde Oberst a.D. Dr. Berliner GKS-Büro im KMBA am 3. Juli eingeweiht Klaus Achmann als neuer Bundesgeschäftsführer der GKS vorgestellt. Er hat diese Tätigkeit von Oberst un hat auch die Gemeinschaft Katholischer Soldaten a.D. Jürgen Bringmann übernommen, der über mehre- (GKS) ihren Sitz in der Bundeshauptstadt Berlin ge- re Jahre als Referent des Bundesvorstands GKS diese Nnommen. Aus diesem Grund fand am 3. Juli 2002 die Aufgabe wahrgenommen hatte. Oberst a.D. Dr. Klaus feierliche Einweihung der neuen GKS-Bundesgeschäftsstelle Achmann dankte für die guten Worte und für die Se- im Gebäude des Katholischen Militärbischofsamtes statt. genswünsche. Er freue sich auf seine neue Arbeit in In einem gemeinsamen Gottesdienst hob Militärgeneral- Berlin, versicherte Achmann, und hoffe zum Wohle vikar Walter Wakenhut die Wichtigkeit der Zusammenarbeit aller wirken zu können. (PS/KMBA) zwischen Priester und Laien sowie die Bedeutung des Laien- apostolates für die Militärseelsorge hervor: „Sie machen Kir- che unter den Soldaten erfahrbar – sie zeigen, was es heißt, gemeinsam Kirche zu sein.“ Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten ermögliche es den Laien an verantwortlicher Stelle in der Kirche unter den Soldaten mitzuwirken, sich einzubrin- gen und so selbst ein lebendiger Stein im Bau dieser Kirche zu sein. Soldaten seien es gewöhnt, Verantwortung zu überneh- men und es zeichne die Militärseelsorge aus, dass sie Mitar- beiter habe, für die das Ehrenamt nicht Beliebigkeit bedeute, sondern Verpflichtung. Die Präsenz der Gemeinschaft Katho- lischer Soldaten im Haus der Kurie des Katholischen Militär- bischofs sei dafür ein deutliches Zeichen, unterstrich der Ge- neralvikar. Beim anschließenden Empfang dankte der Bundesvorsit- zende der GKS, Oberst Karl-Jürgen Klein, Militärgeneralvikar Wakenhut, dem Geistlichen Beirat der GKS, Militärdekan Georg Kestel und dem Vorstand der Katholischen Soldaten- seelsorge, Detlef Warwas, für die Unterstützung bei der Ein- richtung des GKS-Büros im Gebäude des Katholischen Militärbischofsamtes: „Wir konnten hier im Amt einen geeig- neten Raum finden, der uns die Möglichkeit bietet, unsere Ar- beit sinnvoll und effektiv zu gestalten und durchzuführen“. Die GKS unterstütze die amtliche Militärseelsorge. Trotz der räumlichen Nähe zum Militärbischofsamt und zur Kurie des Militärbischofs sei die GKS aber ein selbständiger und unab- hängiger Verband. Oberst Klein bot den Referatsleitern und den Mitarbeiter(inne)n des Katholischen Militärbischofs- amtes eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der GKS und ih- rer Mitarbeiter an, und bat seinerseits für die Zukunft um Un- terstützung für das ehrenamtliche Engagement.

Militärdekan Georg Kestel als Geistlicher Beirat der GKS spendet den Räum- lichkeiten der GKS-Bundes- geschäftsstelle im Beisein zahlreicher Gäste aus dem KMBA den kirchlichen Se- gen (Foto r.u.l.) Oben r.: noch ist der Schreibtisch des Bundes- geschäftsführers übersicht- lich, was sich sicher bald ändern wird. Mitte: Blick aus dem Fens- ter der Geschäftsstelle, über den Innenhof des Am- tes hinweg. Im Hintergrund die Baustelle „Museums- insel“ vor dem Berliner Fernsehturm. (Fotos PS)

AUFTRAG 248 107 KIRCHE UNTER SOLDATEN

GKS-AKADEMIE OBERST 9. Seminar 2003: HELMUT KORN »Soldat, ie GKS führt in Zusammenarbeit mit dem Bonifatiushaus Fulda und dem Zentralinstitut Ehe, „Ehe und Familie in der Gesellschaft“ (ZFG) der Katholischen Universität Eichstätt das 9.D Seminar der „GKS-Akademie Oberst Helmut Korn“ durch. Familie, Thema: „Soldat – Ehe – Familie – Partnerschaft“ Zeitraum: 28. April bis 2. Mai 2002 Partnerschaft« Ort: Bonifatiushaus Fulda Mit dem gewählten Thema stellt sich die GKS Fragen, die sich vor allem aus den Einsatzaufträgen der Bundes- wehr im Ausland und den dadurch bedingten Programm mehrmonatigen und wiederholten Abwesenheiten für die (Stand Juli 2002) Soldaten, ihre Familien und die Partnerschaften in Ehe und Freundschaften ergeben. Das Seminar soll vor allem Montag, 28. April Trends aufzeigen und nur in zweiter Linie praktische bis 14.00 Anreise, Kaffee Verhaltensregeln für die Überwindung von Kriesen geben. Allerdings sollen auch Hinweise erfolgen auf konkrete 14.30 Begrüßung Hilfen, die vom Dienstherrn, von der Militärseelsorge und 14.40 „Wertekonsens – Wertedifferenz in der anderen Organisationen angeboten werden. Bestehende deutschen Gesellschaft“, Vortrag und Regelungen sollen hinterfragt und ggf. neue Anregungen Aussprache: Prof. Dr. Paul M. Zulehner, erarbeitet werden. Wien Eingebunden in das Seminar ist die Feier eines 17.20 Einführung in das Seminar, Friedensgottesdienstes mit dem Katholischen Militär- Grußworte: Schirmherr, Bundesvorsit- bischof und Truppenteilen aus dem Umfeld von Fulda. zender GKS, Direktor Bonifatiushaus Die Akademie Oberst Helmut Korn ist eine 1987 ge- 18.30 Abendessen gründete Einrichtung der Gemeinschaft Katholischer Sol- anschl. gesellige Runde zum Kennenlernen daten (GKS). Sie findet alle zwei Jahre statt. Ab dem Jahr 2003 wird der Durchführungszeit von der Woche um den Allerheiligen-Tag (1. November) auf die Woche um den 1. Dienstag, 29. April Mai verlegt. Ziel der GKS-Akademie ist es, vor allem Offi- 08.00 Morgenlob zieren und Unteroffizieren Wege durch das Spannungs- 09.00 „Pluralität der Lebensformen: Ist das feld zwischen Beruf und Politik, Führungsverantwortung Bewährte und Verbindliche am Ende?“, und Individualisierung aufzuzeigen. Vortrag und Aussprache: Prof. Dr. Die Akademie ist nach dem Mitbegründer und geisti- Friedrich Udo Schmelzle, Münster gen Vater der GKS, Oberst Dr. Helmut Korn (†1983), be- 15.00 „Was tut die Politik für die Familie?“, nannt. Sie wird vom Ehrenbundesvorsitzenden der GKS, Vortrag mit Aussprache: Prof. Dr. Oberstleutnant a.D. Paul Schulz, geleitet. André Habisch, ZFG Eichstätt Im Bonifatiushaus, dem Haus der Weiterbildung der 16.00-17.30 Arbeitsgruppen zu verschiedenen As- Diözese Fulda, hat die GKS einen in Deutschland zentral pekten des Nachmittagsthemas, gelegenen Ort der Begegnung gefunden, der durch die Moderation der AG: Habisch ZFG, Mit- vom „Apostel der Deutschen“ begründete christliche Tra- arbeiter ZFG, Kuhn AGE, Kestel dition und die damit verbundene geistig-geistliche Aufge- KMBA, Ursprung KLMD Koblenz schlossenheit bestimmt ist. 19.30 „Thesen zur Seelsorge an Soldaten- Karl-Heinz Lather Dr. Antonius Gescher familien“, Vortrag von Militärbischof Generalmajor Direktor Bonifatiushaus Dr. Walter Mixa KoG II. Korps Wissenschaftlicher Begleiter Schirmherr der GKS-Akademie der GKS-Akademie

108 AUFTRAG 248 GKS-AKADEMIE OBERST HELMUT KORN

Zielgruppe für die Teilnahme an einem Seminar der • soll folgende Angaben enthalten: GKS-Akademie Oberst Helmut Korn Name, Vorname, Geburtsdatum, Dienstgrad, • Offiziere und Offizieranwärter Truppenteil/Dienststelle mit Anschrift, Privatanschrift, Tel/Fax. • Unteroffiziere und Unteroffizieranwärter • wird entsprechend ihres Eingangs und der Zugehö- Anmeldung rigkeit zur Zielgruppe berücksichtigt. Kann eine An- • ab Oktober 2002 bis spätestens 1. März 2003 meldung z.B. aus Platzgründen nicht angenommen werden, erfolgt unverzüglich eine Benachrichtigung • über den Katholischen Standortpfarrer oder den durch die Bundesgeschäftsstelle. Vorsitzenden des örtlichen GKS-Kreises/Ansprech- partner der GKS oder unmittelbar beim Bundes- Kostenbeitrag: geschäftsführer der GKS Eine Teilnehmergebühr wird nicht erhoben. Für Unter- Am Weidendamm 2, 10117 Berlin kunft und Verpflegung wird der für Veranstaltungen der Postfach 64 02 32, 10048 Berlin Militärseelsorge übliche, gestaffelte Tagessatz für 4 Tage Tel: 030-2061999-0, Fax: -1 erhoben: eMail: [email protected] – Wehrsoldempfänger 4 x 5,00 = EUR 20,00 – bis Bes.Grp A8 4 x 7,00 = EUR 28,00 – Bes.Grp A9-A12 4 x 11,00 = EUR 44,00 – Bes.Grp A13-A15 4 x 13,00 = EUR 52,00 Mittwoch, 30. April – ab Bes.Grp A16 4 x 17,00 = EUR 68,00 Der Eigenanteil ist beim Eintreffen am Seminarort zu ent- 07.30 Morgenlob richten. Sollten Sie Ihre Anmeldung kurzfristig - d.h. nach 09.00 Empfang durch den Oberbürgermeister dem 01.04.2003 - zurückziehen, muss der Veranstalter der Stadt Fulda, Dr. Alois Riehl, im ba- eine Ausfallgebühr in Höhe des Eigenanteils in Rechnung rocken Stadtschloss stellen. Diese kann durch Teilnahme einer von Ihnen be- 10.30 Pontifikalamt mit dem Militärbischof im nannten Ersatzperson vermieden werden. Fuldaer Dom für den Weltfrieden Hinweis auf Urlaubsregelung: 12.30-14.30 Empfang im Bonifatiushaus für die Teil- Das Seminar ist eine Veranstaltung der Katholischen Mili- nehmer am Friedensgottesdienst tärseelsorge. Soldaten können Sonderurlaub gem. Ausfüh- 16.00 Fahrt zum Kreuzberg, Besichtigung der rungsbestimmungen der Soldatenurlaubsverordnung Klosterkirche, Imbiss (SUV - ZDv 14/5, F511, Nr. 78 u. 79 Abs. 1 beantragen. Donnerstag, 01. Mai An- und Abreise: 07.30 Gottesdienst mit dem Militärbischof in Die Anreise soll mit der Deutschen Bahn erfolgen. Für der Kapelle des Bonifatiushauses diese Veranstaltung der Militärseelsorge stellt die zustän- dige Truppenverwaltung eine Militärdienstrückfahrkarte 09.00 „Soldat – Ehe – Familie – Partnerschaft: 2. Klasse aus, ggf. mit IC-Zuschlägen. Die Position des Dienstherrn“, Vortrag Bei Benutzung von Privat-Pkw werden Fahrtkosten in mit Aussprache: Brigadegeneral Höhe einer Militärdienstfahrkarte 2. Klasse und ggf. Winfried Gräber, StAL Fü S I, BMVg Mitnahmeentschädigung erstattet. Die Benutzung des Pri- Bonn vat-Pkw erfolgt auf eigene Gefahr. 10.30 Arbeitsgruppen zum Thema Das Bonifatiushaus erreicht man ab Busbahnhof mit der 15.00 Vortrag der Arbeitsergebnisse der Linie 1A und 2 (Richtung Haimbach/Maberzell) bis Hal- Arbeitsgruppen mit Stellungnahmen testelle Andreasberg. Zum Busbahnhof können Sie mit dazu durch StAL Fü S I, Vertreter Mili- den Linien 3 und 4 fahren. tärseelsorge, Fachfrau Familien- Bekleidung während des Seminars: betreuung Dienstanzug „Grundform“ der jeweiligen TSK; 18.30 Abendessen zum Pontifikalamt und Empfang am Mittwoch 19.30 Fortsetzung Vorträge der Arbeits- Ausgehanzug mit Jacke. ergebnisse mit Stellungnahmen

Freitag, 02. Mai 08.00 Gottedienst zum Ausklang der Akade- BONIFATIUS mie anschl. Frühstück, HAUS Ende des Seminars und Abreise Haus der Weiterbildung der Diözese Fulda

AUFTRAG 248 109 KIRCHE UNTER SOLDATEN

KATHOLISCHE ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR SOLDATENBETREUUNG (KAS BONN) Betreuung der Soldaten und ihrer Familien Mitgliederversammlung der KAS in Berlin – Militärpfarrer Simon berichtet über ISAF-Einsatz in Kabul

ie Betreuung der Soldaten bei Friedenseinsätzen im Ausland Dund die ihrer Familien in der Heimat stand im Mittelpunkt der Mitgliederversammlung der Katholi- Das „Handy“ schen Arbeitsgemeinschaft für Sol- macht’s möglich: datenbetreuung (KAS), die am Mitt- MD Joachim Simon woch, dem 28. Mai 2002, im Katholi- telefoniert während schen Militärbischofsamt in Berlin seines Erfahrungs- stattfand. berichts mit seinem In seinem Rechenschaftsbericht Nachfolger als Ein- hob der Vorsitzende, Generalmajor satzpfarrer in Kabul a.D. Winfried Weick, hervor, dass Georg Pütz; links im die KAS vor allem Maßnahmen und Bild der Vorsitzender der KAS. General- Veranstaltungen zur religiösen, geis- leutnant a.D. Wil- tigen, sittlichen, geselligen, kulturel- fried Weick. len und sportlichen Betreuung der Soldaten in ihrer Freizeit fördere. ihre Familien in der Heimat ausge- che Betreuung zuständig seien, be- „Betreuung ist Dienst am Leben und setzt sind. stimmte Handlungsfelder wie Bildung Ausdruck christlicher Weltverant- Auch unter diesem Eindruck und Familie, Großmaßnahmen und wortung. Als KAS unterstützen wir stimmte die Mitgliederversammlung Wettbewerbe, Neuplanungen und den seelsorglichen Auftrag des Mili- einhellig einer Satzungsergänzung Öffentlichkeitsarbeit zugeteilt. Unter tärbischofs und ergänzen die Fürsor- zu, die nun die Betreuung der Fami- dem Motto „Kein Tag wie jeder ande- gemaßnahmen des Dienstherrn“, lien von Soldatinnen und Soldaten re“ solle die Betreuung vor Ort ide- sagte Weick und betonte noch einmal ausdrücklich als Vereinszweck vor- enreich, basisnah und subsidiär un- den überkonfessionellen Charakter sieht. terstützt werden. (Text und Fotos PS) des Betreuungsangebotes sowie die Rainer Krotz (32) – bis 2001 Zeit- enge ökumenische Zusammenarbeit offizier und Hauptmann, seit 1. No- PERSONALIA: der KAS mit der evangelischen Mili- vember 2001 Geschäftsführer der tärseelsorge und vor allem mit der KAS mit Sitz in Bonn – wies darauf Hans-Georg Marohl (79), Oberst Schwesterorganisation, der Evangeli- hin, dass die KAS in Anpassung an a.D., einer der Väter der 1956 ge- schen Arbeitsgemeinschaft für Sol- die Reformmaßnahmen der Bundes- gründeten Katholischen Arbeitsge- datenbetreuung (EAS). wehr sich umstrukturiere. So würden meinschaft für Soldatenbetreuung Einen besonderen Raum nahm den Mitarbeitern, die für die eigentli- (KAS e.V.) Bonn, wurde nach 25-jäh- der Erfahrungsbericht des katholi- riger Vorstandsarbeit – davon sechs schen Militärpfarrers ein, der als ers- Jahre als stellvertretender Vorsitzen- ter den Einsatz deutscher Soldaten in der – bei der Mitgliederversammlung Kabul/Afghanistan begleitet hatte. in Berlin am 29. Mai zum Ehrenmit- Militärdekan Joachim Simon (42), glied der KAS ernannt. Der Vorsit- Militärpfarrer in München, betreute zende, Generalmajor Winfried Weik, von Januar bis März 2002 das ISAF- betonte dabei, dass es Marohl bei der Kontingent als Seelsorger. Anhand Betreuung von Soldaten in ihrer Frei- eindrucksvoller Lichtbilder zeigte er zeit immer um den Menschen auf al- auf, unter welchen extremen Bedin- len Ebenen – konkret um den Solda- gungen deutsche Soldaten in Kabul ten, seine Familie und Angehörigen – Dienst leisten und dort ihren Frie- ging, unabhängig von Dienstgrad, denssicherungsauftrag erfüllen müs- Funktion und Dienststellung. Schwer- sen. Den Mitgliedern der KAS – Ver- punkt von Marohls Vorstandstätigkeit, treter verschiedener katholischer die er nun altersbedingt aufgibt, war Verbände sowie aus Politik, Kirche der Aufbau von Betreuungsmöglich- und Bundeswehr – wurde damit keiten und -strukturen in den neuen deutlich, welchen Belastungen die Bundesländern, nachdem die deut- Soldaten im Einsatzland, aber auch sche Einheit erreicht war. (PS)

110 AUFTRAG 248 AUS DER VERBANDSARBEIT

GKS – DOKUMENTIERT IN Bw-Fachinformation, Reihe 26 - 2/02 „Innere Führung“ Herausgegeben vom Streitkräfteamt / Abteilung III /Fachinformationszentrum der Bundeswehr IntranetBw: http://160.3.10.109/ WW 6672 GKS sorgt sich um die Innere Führung: Bundes- katholischen Kirche in Deutschland unter friedensethischen As- konferenz verabschiedet Positionspapier „Innere Füh- pekten bewertet. rung der Bundeswehr heute und morgen – Herausforde- rung und Chancen“ WW 6673 Auftrag, 41, (2001), 244, S. 39-44 Mixa, Walter; Beyel, Marlene Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) hat auf ihrer „Die Waffen segnen?“ – Legitimation militärischer Ein- Bundeskonferenz im Mai 2001 ein Positionspapier zur Inneren sätze der Streitkräfte und Militärseelsorge“: Moral und Führung in der Bundeswehr vorgelegt. Vor dem Hintergrund der Ethik dürfen in der Stunde militärischen Handelns nicht Streitkräftereform und der neuen Aufgaben der Bundeswehr weist von der Bühne abtreten sie auf Problemfelder der Inneren Führung und auf Schwachstel- Auftrag, 41, (2001), 244, S. 45-50 len im Alltag der Soldaten hin. Die Ethik des Soldatenberufes in Der Katholische Militärbischof Walter Mixa umreißt in einem Deutschland und das Selbstverständnis der Bundeswehrsoldaten Vortrag an der Führungsakademie der Bundeswehr müssten auch im multinationalen Einsatz in Krisengebieten un- in Hamburg die Aufgaben, Chancen und Grenzen der Militärseel- verrückbare Säulen der Inneren Führung bleiben. sorge mit Blick auf die friedensethische Gewissensbildung der Als dynamische Konzeption sei sie so angelegt, dass sie auf den Soldaten. Er definiert die Rolle, die die Militärgeistlichen vor al- gesellschaftlichen Wandel ebenso reagieren könne wie auf neue lem im Zusammenhang mit den aktuellen Auslandseinsätzen der Erkenntnisse und Herausforderungen. Sie mache die Bundeswehr Bundeswehr zu übernehmen hätten. Die ethische Legitimation zu einer menschlichen, demokratiefreundlichen, sozial verträgli- solcher Einsätze müsse im gesamtgesellschaftlichen Konsens ge- chen und international geachteten Armee. funden werden, wenn die Kirchen den Streitkräfteeinsatz mit tra- gen sollten. Im Rahmen moralischer und friedensethischer Frage- WW 7038 stellungen könnten die Militärgeistlichen dann dazu beitragen, Beyel, M. das Problembewusstsein der Soldaten während eines Einsatzes zu Militärgeneralvikar Wakenhut besucht Militärpfarrer im schärfen. SFOR-Einsatz Auftrag, 41, (2001), 245, S. 68-69: Ill. WW 6670 Die Autorin berichtet über die Praxis der Militärseelsorge und Landl, Kurt den Alltag der Militärpfarrer im SFOR-Einsatz. Der Militär- Christliche Soldaten als Friedensstifter: eine ethische generalvikar Wakenhut besucht Militärpfarrer vor Ort, denn das Herausforderung persönliche Gespräch mit den Seelsorgern sei sehr wichtig. Auftrag, 41, (2001), 244, S. 19-21: Ill. Österreichische Soldaten gehören seit 1960 Kontingenten der WW 7037 UN-Friedenstruppen an. Der Verfasser, im Bundesministerium für Bös, Werner Landesverteidigung in Wien zuständig für Auslandseinsätze des Was ich noch sagen wollte ...: Militärseelsorge auf dem Bundesheeres, äußert sich als Soldat und Christ in diesem Kon- Evangelischen Kirchentag text zu Fragen der Ethik und Moral sowie zum Selbstverständnis Auftrag, 41, (2001), 245, S. 6: Ill. des Soldaten im internationalen Friedenseinsatz. Militärisches Der Autor des Artikels ist der Vorsitzende der Zentralen Versamm- Handeln unter UN-Mandat sei politisch und rechtlich abgesi- lung der katholischen Soldaten (KMBA) Oberst i.G. Werner Bös. chert. Es gelte aber, diese Einsätze auch ethisch zu legitimieren. Er begrüßt die zahlreiche Teilnahme katholischer Christen, ka- Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu deren Bewälti- tholischer Soldaten und Mitarbeiter der katholische Militärseel- gung auch Impulse der Katholischen Kirche und der Militärseel- sorge am 29sten Evangelischen Kirchentag 2001 in Frankfurt so- sorge in Österreich nötig und willkommen seien. wie das Forum „Kurs Ökumene“ in dem führende Vertreter beider Kirchen den weiteren Weg ökumenischer Verständigung aufzeig- WW 6671 ten. Theis, Walter „Der katholische Soldat am Beginn des dritten Jahrtau- WW 7034 sends“: geistlicher Beirat des AMI-Generalsekretariats Wiesmann, Helmut zur AMI-Position Der Nato-Einsatz „Essential Harvest“ in MAZ : Bewer- Auftrag, 41, (2001), 244, S. 38-39 tung einer deutschen Beteiligung unter friedens- Der Verfasser äußert sich als katholischer Militärdekan zur Ethik ethischen Gesichtspunkten des Soldatenberufes. Er sieht den Soldaten der Bundeswehr als Auftrag, 41, (2001), 245, S. 16-19 bewussten und demokratisch gefestigten Staatsbürger, der seinen Die Operation „Essential Harvest“ war die dritte Intervention Dienst in der Gewissheit leistet, auf dem Fundament der kirchli- von NATO-Truppen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Sie chen Friedenslehre zu stehen. Die kirchliche Friedenslehre stellt hatte zum Ziel, die Milizen der albanischen Bevölkerungsgruppe den Soldaten in den Kontext einer positiven Lebensbewältigung, zu entwaffnen und damit die Bedingung für eine Verfassungs- die sich an der Friedensbewahrung und Friedensgestaltung ori- reform in Mazedonien zu erfüllen. Kern dieser Verfassungsreform entiert. In der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) und soll die politische und soziale Besserstellung der albanischen über die Militärgeistlichen werden diese ethischen Normen und Minderheit sein. Die Intervention der NATO wird aus Sicht der Forderungen den Soldaten nahe gebracht.

AUFTRAG 248 111 PERSONALIA Militärgeneralvikar a.D. Protonotar Dr. Martin Gritz Jauernig/Ostsudetenland und Neisse/ seinem Generalvikar in Bonn, sein Oberschlesien wurde ihm 1942 die Nachfolger als Militärbischof, Erzbi- Pfarrei Sörgsdorf im Ostsudetenland schof Dr. Elmar Maria Kredel, bestä- übertragen. Nach der Ausweisung tigte ihn 1978 in diesem Amt. Nach 1946 fand er als Seelsorger der Hei- Erreichen der Altersgrenze schied er matvertriebenen Aufnahme im Bis- 1981 aus der Militärseelsorge aus. tum Rottenburg. Ab 1947 arbeitete Danach erhielt er einen Lehrauftrag er zusätzlich als Repetent am Tübin- für Soziologie an der Julius-Maximi- ger Wilhelmsstift und von 1953 an lians-Universität in Würzburg. Sei- als Wissenschaftlicher Assistent an nen Ruhestand verbrachte Martin der Katholisch-Theologischen Fakul- Gritz seit 1990 im Kreszentiastift in tät der Universität Tübingen, die ihn München. 1955 zum Dr. theol. promovierte. Papst Paul VI. ernannte den Rit- 1958 begann Martin Gritz seinen ter vom Heiligen Grab zu Jerusalem Dienst in der Militärseelsorge als Do- 1964 zu seinem Hausprälaten und zent an der damaligen Schule der 1971 zum Apostolischen Protonotar. Bundeswehr für Innere Führung in Koblenz. An der Gründung des Kö- Bundespräsident Carl Carstens ver- artin Gritz, Dr. theol., Militär- nigsteiner Offizierkreises (KOK) im lieh ihm 1976 des Große Verdienst- Mgeneralvikar und Leiter des Ka- Jahr 1961 und seiner Öffnung zur kreuz der Bundesrepublik Deutsch- tholischen Militärbischofsamtes Gemeinschaft Katholischer Soldaten land. Er war Träger des Ehrenkreu- Bonn in den Jahren von 1962 bis (GKS) im Jahr 1971 hatte er ent- zes der Bundeswehr in Gold und der 1981, ist am 21. Juni 2002 im Alter scheidenden Anteil. Außerhalb der „Médaille de Saint-Louis du Vicariat von 85 Jahren in München gestorben. Militärseelsorge wirkte er im Amt des aux Armées Françaises“. Der Bres- Martin Gritz wurde am 23. Sep- Geistlichen Beirats des Heliand-Bun- lauer Kardinal Henryk Gulbinowicz tember 1916 in Namslau/Schlesien des Katholischer Frauen Deutsch- zeichnete ihn anlässlich seines dia- geboren und empfing am 28. Juli lands von 1961-1993; später, bis zu mantenen Priesterjubiläums mit dem 1940 in Breslau durch Erzbischof seinem Tod, als dessen Ehrenbeirat. Ehrenkreuz des Metropolitankapitels Adolf Kardinal Bertram die Priester- Militärbischof Dr. Franz Hengs- am Breslauer Dom aus. weihe. Nach Kaplansjahren in bach bestellte Martin Gritz 1962 zu (Helmut Fettweis)

Mit Trauer und Verehrung nehmen die Zentrale Versammlung der katholischen Soldaten (ZV) und die Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) Abschied vom Apostolischen Protonotar Dr. theol. Martin Gritz * 23. September 1916 in Namslau/Schlesien † 21. Juni 2002 in München Katholischer Militärgeneralvikar von 1962 bis 1981, Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Träger des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland, des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Gold und der Médaille de Saint Louis du Vicariat aux Armées Françaises. Bereits als Militäroberpfarrer hatte Dr. Martin Gritz 1958 die geistigen Grundlagen für ein Laienengagement in der Katholi- schen Militärseelsorge der Bundeswehr gelegt. Den Apostolatsgedanken förderte er besonders dadurch, dass er katholische Offiziere ermunterte, „höchstpersönliche Verantwortung“ als Katholiken in Bundeswehr, Staat und Gesellschaft und als Sol- daten in der Kirche zu übernehmen. Aus dieser Idee heraus gründete sich 1961 der Königsteiner Offizierkreis (KOK) als eine Gemeinschaft gleichen Wollens und Handelns. Der Militärgeneralvikar Dr. Gritz erschloss dann die geistlichen Grundlagen und die erforderlichen materiellen Quellen, so dass der KOK sich 1971 zur GKS als einer Gemeinschaft entfalten konnte, die offen ist für alle Soldaten – unabhängig von Dienstgrad, Rang und Stellung. Wir danken Dr. Martin Gritz für seine charismatische Wegbegleitung und für seinen priesterlichen Dienst. Die ZV und die GKS werden ihm im Gebet ein ehrendes Andenken bewahren. Berlin, 26. Juni 2002 Franz-Josef Pütz Karl-Jürgen Klein Oberst Oberst Dipl.-Ing. Vorsitzender der ZV Bundesvorsitzender der GKS

112 AUFTRAG 248 PERSONALIA Militärdekan a.D. Prälat Werner Köster m Alter von 71 Jahren ist am 25. als Hilfsreferent im Referat „Kirche IJuni 2002 Militärdekan a.D. Prälat und Gemeinde“, dessen Leitung ihm Werner Köster in Würzburg gestor- 1974 übertrage wurde. 1980 über- ben. Am gleichen Tag wie für seinen nahm er im Katholischen Militärbi- ehemaligen Chef, Militärgeneralvikar schofsamt die Aufgabe des Personal- a.D. Dr. Martin Gritz, fand seine Bei- referenten. setzung am 28. Juni in seiner 1993 wurde Werner Köster aus „Ruhestandsgemeinde“ in Theilheim der Militärseelsorge in den Ruhe- bei Würzburg statt. stand verabschiedet und übernahm Werner Köster wurde am 13. Au- als hauptamtlicher Pfarrverweser mit gust 1930 in Dortmund geboren und dem Titel Pfarrer die Gemeinde St. empfing am 22. Juli 1956 in Würz- Johannes der Täufer in Theilheim bei burg die Priesterweihe durch Bischof Würzburg, die er bis zu seinem Tod Julius Döpfner. Nach Kaplansjahren betreute. – Die Teilnehmer an der in Johannesberg und Aschaffenburg GKS-Akademie Oberst Helmut Korn wurde er 1958 Präfekt am Studien- 1999 hatten im Rahmen ihrer Exkur- seminar Ferdinandeum in Königs- sion „Blick über den Zaun“ am 3. hofen. Im folgenden Jahr übernahm November den früheren Geistlichen er in Königshofen die Aufgaben eines Beirat der GKS in seiner Pfarrei be- Bundesrepublik Deutschland und Pfarrverwesers und Religionslehrers. sucht und einen erlebnisreichen die Personalgewinnung und Perso- Mit seinem Eintritt in die Mili- fränkischen Abend mit ihm und Ge- nalführung innerhalb der Militärseel- tärseelsorge 1965 wurde Werner meindemitgliedern im Pfarrheim ver- sorge angesichts des herrschenden Köster zunächst Katholischer Stand- bracht (s.a. AUFTRAG 238, S. 60 f.). Priestermangels zeichnete ihn Bun- ortpfarrer Hammelburg, bevor er Werner Köster wurde 1982 von despräsident Richard von Weizsä- 1968 in das Amt des Deutschen Ka- Papst Johannes Paul II. zum Päpstli- cker 1989 mit dem Verdienstkreuz tholischen Militärgeistlichen Was- chen Ehrenprälaten ernannt. Für sei- am Bande des Verdienstordens der hington D.C. in den USA wechselte. ne Verdienste um die Neustrukturie- Bundesrepublik Deutschland aus. 1972 kehrte er nach Deutschland zu- rung der Laienarbeit der Katholi- 1993 ehrte ihn sein Heimatbistum rück und arbeitete im Katholischen schen Militärseelsorge nach der Ge- Würzburg mit der Liborius-Wagner- Militärbischofsamt in Bonn zunächst meinsamen Synode der Bistümer der Plakette. (PS/Scherzer, KMBA)

Die Zentrale Versammlung der katholischen Soldaten (ZV) und die Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) nehmen Abschied von ihrem ehemaligen Geistlichen Beirat für die Laienarbeit in der Katholischen Militärseelsorge der Bundeswehr Militärdekan a.D. Prälat Werner Köster * 18. August 1930 in Dortmund † 25. Juni 2002 in Würzburg Katholischer Militärgeistlicher von 1965 bis 1972 in Hammelburg und in Washington D.C./USA, als Leiter des Referates „Kirche und Gemeinde“ im Katholischen Militärbischofsamt von 1974 bis 1980 Beauftragter des Militärbischofs für die Laiengremien in der Katholischen Militärseelsorge, Personalreferent im Katholischen Militärbischofsamt und Stellvertreter des Militärgeneralvikars von 1980 bis zu seiner Zurruhesetzung 1993, Pfarrverweser der Gemeinde St. Johannes der Täufer in Teilheim bei Würzburg von 1993 bis zu seinem Tode, Träger des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland und der Liborius-Wagner-Plakette des Bistum Würzburg. Werner Köster hatte sich als Militärdekan in der Kurie des Katholischen Militärbischofs besondere Verdienste um die Neustrukturierung des organisierten Laienapostolats in Räten und Verband nach der Gemeinsamen Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland erworben. Als Personalreferent galt sein Augenmerk der Problemlösung, wie der gesetzlich garantierte Anspruch der Soldaten auf Seelsorge trotz herrschenden Priestermangels erfüllt werden konnte. Die in ZV und GKS organisierten katholischen Soldaten danken Prälat Werner Köster für seine unermüdliche Fürsorge, ge- duldige Beratung und mutmachende Begleitung. Sie werden ihm im Gebet ein ehrendes Andenken bewahren. Berlin, 26. Juni 2002 Franz-Josef Pütz Karl-Jürgen Klein Oberst Oberst Dipl.-Ing. Vorsitzender der ZV Bundesvorsitzender der GKS

AUFTRAG 248 113 PERSONALIA „Militärseelsorger der ersten Stunde“ Prälat Michael Seitz nächst Katholischer Standortpfarrer die Pfarrer, die in den Dienst der Fürstenfeldbruck. Von 1964 bis Militärseelsorge traten und häufig 1981 wirkte er als Wehrbereichs- als Ungediente vom soldatischen dekan in München. Leben und Auftrag wenig oder keine Militärgeneralvikar Prälat Walter Ahnung hatten, mit dieser neuen Si- Wakenhut bezeichnete am 26. April tuation vertraut zu machen. Auch in seiner Predigt zur Beisetzung Prä- wollte er diese befähigen, Kirche in lat Seitz als einen „Mann der ersten der Kaserne zu repräsentieren, Kir- Stunde, des Aufbaus und der neuen che lebendig zu machen und die Ideen.“ Nach den Erfahrungen des jungen Menschen für die Sache Got- Dritten Reiches habe er sich zutiefst tes und seiner Kirche zu begeistern. den Ideealen einer neuen Militär- Soldatenexerzitien, Familienwochen- seelsorge verbunden gefühlt, die den enden, Wallfahrten wie alle anderen Menschen ernst nimmt mit seiner Intensivveranstaltungen seien von m Alter von 84 Jahren ist am 23. Würde und seinen Rechten, darunter ihm gefördert worden, und so fügte IApril 2002 der ehemalige Wehrbe- den Anspruch auf die freie Ausübung Prälat Wakenhut wehmütig hinzu, reichsdekan VI, Prälat Michael Seitz, seines Glaubens. „er erreichte in seiner Zeit Zahlen gestorben. Nach seinem Eintritt in Es sei ihm ein Herzensanliegen- von Teilnehmern, die wir heute nur die Militärseelsorge 1956 war er zu- gewesen, so der Militärgeneralvikar, noch erträumen können.“ (PS) Herausforderung und Freude über einen „Heimkehrer“ Militärdekan Hartmut Gremler als KLMD Erfurt eingeführt Gremler die Menschen im Osten von ihrer Lebens- und Glaubenserfah- ilitärbischof Dr. Walter Mixa, Stunde“, der die Situation der katho- rung her kenne und so „Christus MBischof von Eichstätt, hat am lischen Kirche in der ehemaligen ganz anders als in den gewohnten Mittwoch, den 24. April 2002 Hart- DDR kennen gelernt habe, aber auch Formen in sehr eigene Lebensläufe mut Gremler (50) als Katholischen die Probleme, die sich für Menschen von Menschen“ bringen könne. Leitenden Militärdekan Erfurt einge- mit der politischen Wende ergeben In seinen Dankesworten zog führt. hätten. Gremler, der Priester des Bis- Militärdekan Gremler einen humor- Während eines feierlichen Ponti- tums Erfurt ist, kehrt somit wieder in vollen Vergleich. Die Einbahnstra- fikalamtes in der St. Severi-Kirche in seine Heimat zurück und betritt kein ßen und Sackgassen der Stadt Erfurt Erfurt, das durch das Heeresmusik- Neuland. Generalmajor Josef Priller, erinnerten ihn immer wieder an seine korps 13 musikalisch untermalt wur- Befehlshaber Wehrbereichskom- Aufgaben als Seelsorger, nämlich de, überreichte Militärbischof Mixa mando III, bezeichnete beim an- Menschen aus Sackgassen in Ein- dem neu ernannten Leitenden Mili- schließenden Empfang die heimatli- bahnstraßen zu führen. Für ihn als tärdekan die kirchliche Ernennungs- chen Wurzeln des neu ernannten „Heimkehrer“ sei seine neue Aufga- urkunde. Mixa bezeichnete Gremler Leitenden Dekans als große Chance, be eine Herausforderung, aber auch sozusagen als „Mann der ersten seine seelsorglichen Aufgaben er- eine Freude. (M. Beyel/KMBA) folgreich anzugehen. Eine 40 Jahre lange völlig andere Geisteshaltung und Erziehung, gerade auch gegenü- BUCHBESPRECHUNG: ber den Fragen der Religion und der Zugehörigkeit zu Glaubensgemein- Jean-Marie Kardinal Lustiger im Gespräch mit Jean-Louis Missika u. schaften, ließe sich nicht so ohne Dominique Wolton: Gotteswahl. Jü- weiteres verändern, sagte der Gene- dische Herkunft, Übertritt zum Ka- ral. tholizismus, Zukunft von Kirche Die Zusammenarbeit und das ge- und Gesellschaft. St. Ulrich Verlag, meinsame Verkünden der frohen Augsburg 2002; 472 S., geb. Botschaft Jesu Christi, stellte Super- intendent Werner Krätschell, Bevoll- Der ungewöhnliche Lebensweg eines Sohnes nach Frankreich eingewander- mächtigter für die evangelische Seel- ter polnischer Juden, der heute Kardi- sorge in der Bundeswehr in den neu- nal der römischen Kirche und Erzbi- en Bundesländern als zentrales An- schof von Paris ist, wird in diesem Buch liegen der beiden Zweige der Militär- nachgezeichnet. Als Stilform wurde das seelsorge in seinem Grußwort heraus. Interview gewählt. Im Dialog mit einem Krätschell begrüßte sehr, dass der bedeutendsten Kirchenführer Eu-

114 AUFTRAG 248 PERSONALIA Seppl Gerster – Urgestein der GKS im Wehrbereich IV m Pfingstsonntag 2002 starb nach kurzer, aber schwerer Erkrankung AStabsfeldwebel Franz-Josef Gerster 64-jährig an seinem Wohnort Mayen, wo er am 27. Mai zu Grabe getragen wurde. Seppl Gerster – wie er im engen Kameradenkreis genannt wurde – war Soldat von 1960 bis 1991, wurde bereits 1966 Mitglied im Beratenden Ausschuss beim katho- lischen StO-Pfarrer Fritzlar und wurde 1977 Mitglied der GKS. 1978 Gründete er den GKS-Kreis Mayen und gehörte ab 1979 als stellvertre- tender Vorsitzender der GKS im Wehrbereich IV für fast 12 Jahre dem Bundesvorstand der Gemeinschaft an. Das nebenstehende Foto zeigt ihn bei einem der geselligen Abende bei einer Bundeskonferenz, wie wir Seppl Gerster immer erlebt haben: lustig, kameradschaftlich, spontan, den Schalk im Nacken und oft einen deftig spritzigen Witz auf den Lippen. Über die GKS hinaus engagierte er sich im Vorstand der Zentralen Ver- sammlung (ZV) in den Sachausschüssen „Gemeinde“ und „Pastorale Grundsatzfragen“. Seit 1987 war er Delegierter der GKS in der Mitglie- derversammlung der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldaten- betreuung (KAS). Bei der Beerdigung würdigte Oberst a.D. Jürgen Bring- mann, der den Bundesvorstand der GKS vertrat, den Verstorbenen: „... im Namen der Gemeinschaft der Völker. Indem er diese Aufgabe desvorstandes der GKS in der Katho- Katholischer Soldaten (GKS) und ih- recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur lischen Arbeitsgemeinschaft für Sol- res Bundesvorstandes sowie, beauf- Festigung des Friedens bei“. In sei- datenbetreuung, die unsere Solda- tragt vom amtierenden Leiter des Ka- nem Tätigkeitsbereich als Sanitäter tenheime führt und heute auch Be- tholischen Militärbischofsamtes, im bei den Heeresfliegern hat er diesem treuungseinrichtungen für unsere im Namen der Katholischen Militärseel- Auftrag gedient. Und er hat sich für Ausland eingesetzten Soldaten be- sorge spreche ich Ihnen heute unser diesen Friedensauftrag des Soldaten treibt. Nicht zuletzt hat er sich um Mitgefühl und unsere tiefe Anteil- in der Gemeinschaft Katholischer die Verbindung zu unseren österrei- nahme am so frühen Tode von Franz- Soldaten und in der katholischen Mi- chischen Kameraden in der AKS (Ar- Josef Gerster aus. Wie Sie müssen litärseelsorge engagiert. beitsgemeinschaft Katholischer Sol- auch wir heute Abschied nehmen von Schon in Fritzlar, dann in daten) bemüht, die dieses in einem unserem Kameraden und Freund Mendig und Mayen galt sein Engage- ausführlichen Kondolenzschreiben Stabsfeldwebel Franz-Josef Gerster, ment der Laienarbeit in der Gemein- an Frau Gerster gewürdigt hat. der an Pfingsten verstarb, am Tag der schaft Katholischer Soldaten und in Für dieses Engagement, ehren- Geistsendung, sicher ein bei aller der katholischen Militärseelsorge – amtlich und unentgeltlich, mit gro- Trauer Hoffnung gebender Tag. und das zusammen mit seiner Frau ßen Opfern an Zeit und auch an ma- Franz-Josef Gerster war als Sol- Erika. Von 1979 bis 1991 war er als teriellem Aufwand, danke ich Franz- dat dem Frieden verpflichtet, wie es stellvertretender Wehrbereichsvor- Josef Gerster heute im Namen der das zweite vatikanische Konzil ge- sitzender der GKS im Wehrbereich Gemeinschaft Katholischer Soldaten sagt hat: „Wer als Soldat im Dienst IV mitverantwortlich für die Laien- und im Namen der Katholischen Mi- des Vaterlandes steht, betrachte sich arbeit in diesem Bereich. Außerdem litärseelsorge. als Diener der Sicherheit und Freiheit war er lange Jahre Vertreter des Bun- Wir werden Stabsfeldwebel Franz-Josef Gerster in Erinnerung behalten – als einen engagierten Sol- ropas stehen zwei aufgeklärte Wissen- schließt sein Studium der Philosophie daten und Christen, einen geselligen, schaftler, die stellvertretend für eine sä- und Theologie am Institut catholique humorvollen Mann, der auch seine kularisierte Gesellschaft dem Bischof de Paris ab. Nach Absolvierung des Mi- Ecken und Kannten hatte, der nie kritische Fragen zu Kirche und Glauben litärdienstes, der Lustiger 1950 als sein offenes Wort zurück hielt, einen stellen. Neben der Lebensgeschichte ei- Besatzungsoffizier nach Berlin bringt, Mann, der seine Meinung bis zuletzt nes ungewöhnlichen Mannes stehen in wird er 1954 zum Priester geweiht. vertrat und der sich auch nicht dieser Publikation Fragen nach dem Nach Jahren als Studenten- und scheute, um der Sache willen seine Platz der Religionen in der heutigen Ge- Gemeindepfarrer in Paris ernennt Papst sellschaft, nach dem Verhältnis von Kir- Johannes Paul II. ihn 1979 zum Bi- Freunde zu kritisieren – eine gute che und Gesellschaft, Christsein heute schof von Orléans, 1981 zum Erzbi- Charaktereigenschaft, die aber leider im Mittelpunkt. Aber sie haben auch den schof von Paris und 1983 zum Kardi- heute in Kirche, Politik und Gesell- Universalitätsanspruch der Kirche wie nal. 1995 wird Lustiger in die Acadé- schaft immer mehr in Verruf zu gera- das Verhältnis von Weltgeschichte und mie française aufgenommen. 20 Bü- ten droht. Heilsgeschichte im Blick. cher sind von ihm erschienen. Für die Wir werden unseren Kameraden Jean-Marie Lustiger wurde 1926 in Paris französische Ausgabe von „Gotteswahl und Freund, Stabsfeldwebel Franz- geboren. Mit 14 Jahren wird er Katholik – Le choix de Dieu (1987) erhielt Kar- Josef Gerster, nicht vergessen, und und lässt sich taufen. Von 1944 an stu- dinal Lustiger den Rousseau-Literatur- wir werden ihn in unser Gebet ein- diert er an der Sorbonne in Paris und preis. (PS) schließen.“ (PS, Foto F. Brockmeier)

AUFTRAG 248 115 PERSONALIA

kompetente Arbeit, die er geleistet Bonner Katholischer Standortpfarrer auf der habe und für das freundschaftliche Miteinander. Militärdekan Wolfgang Fey hat Hardthöhe verabschiedet inzwischen die Pfarreien St. Pankra- Militärdekan Dr. Wolfgang Fey tius in Köln-Junkersdorf und St. (43) verließ nach sechsjähriger Tä- Vitalis in Köln-Müngersdorf über- tigkeit die Militärseelsorge, um eine nommen. neue Aufgabe in seinem Heimatbis- tum Köln zu übernehmen. Aus die- Pfarrer Rudolf Laumann (54), sem Anlass lud der Katholische Lei- Priester der Diözese Würzburg, wurde tende Militärdekan Köln-Wahn, Mon- zum 1. Juni 2002 zum katholischen signore Rainer Schadt, am 11. Juli Pfarrer bei der Marinetechnikschule 2002 zu einem Gottesdienst und zu in Parow bei Stralsund ernannt. Lau- einem anschließenden Sommerfest mann studierte Theologie und Philo- im Geistlichen Forum auf der Hardt- sophie in Fulda und in Würzburg. höhe in Bonn ein. 1973 erwarb er sein Diplom und 1975 Ministerialrätin Alice Greyer- empfing er die Diakonatsweihe. 1976 Wieninger, Unterabteilungsleiterin wurde Rudolf Laumann in Würzburg R I im BMVg, lobte das Gespür des seelsorgliche Betreuung der katholi- zum Priester geweiht. scheidenden Militärdekans, die An- schen Soldaten (Foto). Der Vorsit- Seine Verwendungen als Diakon, liegen der Soldaten im Ministerium zende des Seelsorgebezirksrates in Kaplan und Pfarrer waren: von 1975 wahrzunehmen und anzugehen. Bri- Bonn, Oberstleutnant Ralf Richard, bis 1980 Seelsorger in der Justiz- gadegeneral Joachim Behne, Amts- gab sein Bedauern über den Ab- vollzugsanstalt in Ebrach, anschlie- chef des Logistikamtes der Bundes- schied von Dekan Fey zum Aus- ßend ein Jahr Kaplan in Ebelsbach/ wehr, St. Augustin, bat um Nachsicht druck. Er hoffe, so Richard, dass die Kreis Haßberge, von 1981 bis 1990 für die manchmal „schleppende“ Militärseelsorge für die Soldaten in Pfarrer in Trossenfurt. In den kom- Teilnahme der Soldaten an Veran- Bonn, Düren, Euskirchen, Königs- menden 9 Jahren übte er seine seel- staltungen der Militärseelsorge. winter, Mechernich, Rheinbach, St. sorgliche Aufgabe wiederum in der Oberst a.D. Rolf Gotzmann, ehemals Augustin, Siegburg und Waldbröl Justizvollzugsanstalt aus, zunächst in Pfarrgemeinderatsvorsitzender im weiter geführt werde. Der Katholi- Neuburg und dann in Würzburg. Be- Standort Köln, dankte Fey für seine sche Leitende Militärdekan Rainer vor Pfarrer Laumann in die Katholi- Kooperation und für seine tatkräftige Schadt dankte Fey für die überaus sche Militärseelsorge eintrat, hatte er noch eine Stelle als Pfarrer in der Pfarrei St. Albert in Würzburg inne. Eberhard Gambietz (58), Priester dung als Bergmann machte, holte das der Diözese Würzburg, wurde zum 1. Abitur nach und begann 1965 mit Michael Berning (35), Priester der Mai 2002 zum Katholischen Stand- dem Studium der Theologie, 1968 Erzdiözese Köln, wurde zum 1. Juli ortpfarrer Koblenz III ernannt. Dort mit dem der Psychologie. Sein Di- 2002 als Katholischer Standortpfar- ist er zuständig für die seelsorgliche plom in Theologie erwarb er 1972 rer Emmerich eingestellt. Militär- Betreuung der Kranken am Bundes- und ein Jahr später das Diplom in generalvikar Prälat Walter Wakenhut wehrzentralkrankenhaus. Psychologie. Daran schloss sich die überreichte dem neuen Militärpfarrer Pfarrer Gambietz, der nach sei- Weiterbildung zum Psychoanalytiker die Ernennungsurkunden im Rah- ner Schulzeit zunächst eine Ausbil- an. Am 29. Juni 1974 wurde Eber- men eines Gottesdienstes im Katholi- hard Gambietz in Würzburg zum schen Militärbischofsamt. (Foto PS) Priester geweiht. Darauf folgten Kaplansjahre in Marktheidenfeld, in St. Josef in Würzburg und in Hai- bach. Im Sommer 1980 wurde er zum Pfarrer von Ettleben ernannt und zugleich Kuratus von Garstadt. Im Herbst 1991 ließ sich Pfarrer Gambietz für die Seelsorge deutsch- sprachiger Katholiken im Ausland freistellen. Indien, Niederlande, Por- tugal und zum Schluss Venezuela waren seine Stationen, bis Pfarrer Gambietz im Sommer 2001 in seine Diözese Würzburg zurückkehrte, wo er bis zu seiner Einstellung in die Militärseelsorge tätig war. (Texte u. Fotos KMBA)

116 AUFTRAG 248 Buchbesprechungen Familie Kirchhof nimmt dann kritisch Stellung zum dem Tisch. Verhalten von Gesellschaft, Wirtschaft und 3. Schluss mit den historischen Vorbehal- Martine und Jürgen Limimski: Abenteu- Staat gegenüber den Familien mit Kindern. ten und Komplexen. Familienpolitik er Familie – Erfolgreich erziehen: Liebe Dabei betont er, dass das „Abenteuer Fami- darf und muss auch geburtenfördernd und was sonst noch nötig ist. – Sankt lie“ die Augen öffne für die Bedrohung un- sein. Ulrich Verlag GmbH, Augsburg 2002, serer Gegenwart, für Fehlleistungen der Po- Im IV. Teil, dem Ausblick, wird der My- 216 Seiten. litik, für existenzgefährdende Gleichgültig- thos Familienglück mit der Familie als Ort keit allgemeiner Erwerbsfaszination. der Freundschaft und des Friedens erläutert Das vorliegende Buch ist der Erfah- Im Teil I behandeln die Autoren das auch unter dem Aspekt Familie gegen Ich- rungsschatz eines glücklichen Elternpaares Familienmanagement. Zunächst werden die Gesellschaft. aus der Erziehungsarbeit auf christlicher Kinder in ihrer Person und mit der Auf- Hervorzuheben ist, dass im Text des Grundlage an zehn Kindern im Alter zwi- gabenverteilung in der Familie vorgestellt. Buches häufig auf zutreffende Zitate der ka- schen 10 und 29 Jahren. Die Autoren geben Dann wird dargestellt, wie über die Erzie- tholischen Kirche, von Pädagogen und Wis- in diesem Werk die Erfahrungen und Erleb- hung mit Liebe im „Unternehmen Familie“ senschaftlern aus dem In- und Ausland ver- nisse aus ihrem „mittelständischen Unter- u.a. über das Erziehungsziel, die elterliche wiesen wird. Abschließend muss festgestellt nehmen“ weiter ohne dabei Patentrezepte Präsenz, den Familienrat, die Idee des Er- werden: „Abenteuer Familie“ ist für jeden vorlegen zu wollen. ziehungslohns mit einem erfolgreichen Fa- ein spannendes, lesens- und nachdenkens- Martine Liminski, Jahrgang 1951, milien-Management das Humankapital bzw. wertes Buch. (bt) stammt aus der Bretagne und war Direktorin Humanvermögen gebildet werden kann. Das einer Grund- und Kindergartenschule in II. Kapitel beschäftigt sich mit den Werten, Straßburg. In ihrem Beruf Mutter und Haus- Festen und Beziehungen. Über die Voraus- Kirche frau versteht sie es auch die Tätigkeiten als setzungen guter Freundschaften gelangt der P. Eligius Heinzmann: Die hl. Messe fei- Vorstandsmitglied beim Institut für Eltern- Leser zum Kapitel „Betriebssystem Liebe“ ern und verstehen. – Langwaden, Ber- bildung sowie als Mitarbeiterin am Europäi- mit seinen Vorbedingungen und Zielen der nardus-Verlag 2001, 124 S., zahlr. Abb. schen Institut zur Aufwertung der Erzieh- religiösen Erziehung. Es geht dann weiter Selbst wer regelmäßig die Sonntags- ungsarbeit einzufügen. Außerdem veröffent- über Weihnachten und andere große Feste messe besucht, ist sich über das Geschehen lichte sie viele Beiträge zu den Themen zur Schule, dem Schlachtfeld menschlicher am Altar häufig im Unklaren. Das Gewohnte Frau, Familie und Kindererziehung. Ihr Beziehungen. Dabei zeigt der Blick zurück und „Allsonntägliche“ ist nicht unbedingt Mann Jürgen Liminski, Jahrgang 1950 und in die eigene Schulzeit nach Ansicht des auch im Wortsinne „selbst-verständlich“. Allgäuer, ist Redakteur beim Deutschland- Autorenehepaars, dass bereits damals das Wie soll man sich ein Gespür für die heilige funk. Der diplomierte Informationswissen- Leben eingeübt wurde. Der III. Teil nimmt Handlungen und das „Geheimnis des Glau- schaftler und Politologe (Universitäten Na- Stellung zum Thema Geld und Gesellschaft. bens“ bewahren? Was kann man als Eltern varra und Straßburg) ist und war außerdem Es wird angesprochen wie man mit Geld seinen Kinder oder als Katechet und Kate- Mitarbeiter u.a. bei Die Tagespost, der Ta- umgeht, das man nicht hat und wie man chetin in der Kommunion- und Firmvorbe- geszeitung Die Welt und beim Rheinischen gegen die Konsumgesellschaft erziehen reitung den Jugendlichen erklären und wei- Merkur. Seine Schwerpunkte beschäftigen kann unter der Überschrift „Wir sind das tergeben? sich mit der Familien- und Gesellschafts- Zeitalter“. Mit einem Hinweis auf „1984“ Das Buch des Zisterzienserpaters politik, der Medienethik sowie der Entwick- von George Orwell wird das Kapitel der Um- Eligius Heinzmann ist da eine hervorragen- lungs- und Außenpolitik in den hispani- gang mit den Medien und ihre Wirkung be- de Hilfe. Seine allgemein verständlichen Er- schen und francophonen Staaten. trachtet. Wobei auch das Problem der elek- läuterungen machen zunächst mit dem Auf- Die beiden Autoren erläutern in einer tromagnetischen Strahlung zur Sprache bau der Messfeier vertraut und erläutern leicht verständlichen und humorvollen Spra- kommt. In dem folgenden Kapitel „Alle oder dann jedes Element in allen Einzelheiten. che Beispiele aus ihrem Familienalltag aus keiner und jedem das Seine“ werden drei Einfache, piktogrammähnliche schwarz- Sicht der Eltern aber auch der Kinder - also Forderungen an die Politik erhoben: weiß Grafiken heben noch einmal das We- dem familiären Beziehungsgeflecht. Diese 1. Füllt endlich und wirklich die Gerech- sentliche hervor. Das Buch ist für Geistliche Mischung aus Schilderungen von Erlebnis- tigkeitslücke zwischen Familien mit wie Laien, zum Selbststudium oder für die sen, persönlichen Äußerungen, dem Vermit- Kindern und den Kinderlosen. Weiterbildung in Gruppen bestens geeignet. teln christlicher Werte, den Analysen der 2. Nicht nur Familie und Beruf vereinba- Leider fehlt dem Buch ein Inhalts- oder Erziehungsarbeit sowie der teilweisen wis- ren, sondern auch Familie als Beruf an- auch Stichwortverzeichnis, welches das senschaftlichen Betrachtung moderner Er- erkennen. Und entsprechend honorie- schnelle Auffinden gesuchter Stelle erleich- ziehungsarbeit machen das Buch so fesselnd ren. Modelle dafür liegen bereits auf tern würde. (PS) und anregend. Viele Aussagen dürften auch andere Eltern zum Überdenken ihrer eige- nen Positionen in der Erziehung bewegen. Das politische Buch nischer Außenpolitik, Idealismus und Rea- Aber auch die Politiker aller Parteien kön- lismus bzw. die Frage, ob ich Außenpolitik nen aus dem Buch auf Grundlage der be- Henry Kissinger: Die Herausforderung nach Werten oder Interessen ausrichte. Dazu schriebenen Erfahrungen Anregungen zur Amerikas. Weltpolitik im 21. Jh.. Propy- Kissinger: „Die wahre Herausforderung be- Verbesserung der gesellschaftlichen Situati- läen Verlag, München 2002, 384 S. steht darin, beides zu verschmelzen; kein on der Familien gewinnen. ernsthafter amerikanischer Außenpolitiker „Wer das Glück sucht, findet die Fami- Henry Kissingers Ratschläge für die kann den traditionellen Glauben an die Ein- lie. Glück bedeutet Anstrengung, Zuwendung amerikanische Außenpolitik zigartigkeit der amerikanischen Demokratie und Begegnung, Gemeinschaft und Gebor- Idealismus und Realismus sind die bei- außer Acht lassen. Aber ebenso wenig darf genheit, Zugehörigkeit und Zusammenhalt, den Traditionslinien amerikanischer Außen- ein Politiker die Umstände ignorieren, unter Sicherheit und Anerkennung in gemeinsa- politik. Ihre Verschmelzung fordert Henry denen amerikanisches Demokratieverständ- men Werten, vor allem aber Zukunft in den Kissinger in seinem neuen Buch „Die Her- nis implementiert werden soll.“ eigenen Kindern., schreibt Paul Kirchhof, ausforderung Amerikas. Weltpolitik im 21. Der frühere amerikanische Außenmi- Bundesverfassungsrichter a.D., in seinem Jahrhundert.“. Der Altmeister amerikani- nister und Sicherheitsberater sieht die der- Vorwort zu diesem Band. Er zeichnet dann scher Außenpolitik sieht in der Debatte um zeitigen Ursachen im internationalen System die Wechselbeziehungen in der Familie zwi- die richtige Außenpolitik der Vereinigten als „Signale eines unvermeidlichen Wandels schen Mutter, Vater und Kindern bei der Staaten nur zwei Haltungen: „diejenige mis- der internationalen Ordnung, der aus Verän- Produktion des „Humanvermögens“ auf. sionarischer Rechtschaffenheit einerseits derungen in der internen Struktur vieler ih- Das Buch sei auch eine Kampfschrift gegen und jene andere, die besagt, dass sich mit rer Hauptakteure sowie aus der Demokrati- ökonomische Enge, ein Plädoyer für die der geballten Macht, über die Amerika ver- sierung der Politik, der Globalisierung der Wiederentdeckung von Humanität, Men- fügt, jede weitere Diskussion erübrigt.“ Wirtschaft und der Beschleunigung der schenwürde und einer Kultur der Freiheit. Dahinter stehen die zwei Schulen amerika- Kommunikation resultiert.“ Da spricht der AUFTRAG 248 117 Termine • Termine • Termine

26.08. Sitzung EA in Bonn, Albertinum 09.12. Sitzung SA InFü in Bonn, Albertinum 28.08. Weltfriedenstag in Mühlhausen 22.-23.11. Herbst-VV ZdK in Bonn mit Delegierten- 05.09. Weltfriedenstag in Berlin treffen AGKOD am 21.11. 09.09. Sitzung SA InFü in Bonn, Albertinum 06.- 08.12. BK Rheinland-Pfalz/Hessen/Saarland in Engelport 15.-20.09. 42. WdB in Rolduc bei Sterkrade (NL) 14.-16.09. Vorkonferenz 2003 16.-18.09. ZV 18.-20.09. BuKonf GKS 05.-07.02. BK Nordrhein-Westfalen in Mühlheim/Ruhr FGKS-Mitgliedervers. während BuKonf 07.02. Neujahrsempfang im KMBA Berlin 27.-29.09. AK KLMD Sigmaringen und BK Baden- 14.-16.03 BV GKS Berlin Württemberg in Leutkirch/Allgäu 19.-23.03. Seminar 3. Lebensphase in Nürnberg 10.-12.10. AK KLMD Erfurt und BK Ost in Berlin 21.-22.03. BK Baden-Württemberg in Roggenburg/Ulm 11.-13-10 AK KLMD Glücksburg/Kiel und BK Nord/ 28.-30.03. BK Bayern auf Schloss Hirschberg/Beilngries Küste in Travemünde 11.-13.04. AK KLMD Hannover und BK Niedersachsen/ 11.-12.10 AGKOD-Mitgliederversammlung in Bad Bremen Honnef 28.04.-02.05. 9.GKS-Akademie Oberst Helmut Korn 11.-17.10. BK Bayern in Johannistal im Bonifatiushaus Fulda 21.-25.10. 47. Gesamtkonferenz der Militärgeistli- 28.05.-01.06. Ökumenischer Kirchentag Berlin chen und Pastoralreferenten auf Schloss „Ihr sollt ein Segen sein“ Hirschberg bei Eichstätt 06.-09.06. Bereichs-Familien-Werkwochenende in 23.-27.10 Seminar 3. Lebensphase in Nürnberg Hübingen/Ww 25.-26.10. Konstituierung AK Bereich Ausland in 25.-29.06. Seminar 3. Lebensphase in Cloppenburg Rolduc/NL 11.-13-07. BK Nordrhein-Westfalen in Mühlheim/Ruhr 25.-27.10. AK KLMD Köln-Wahn in Günne Möhnesee 15.-20.09. 43. WdB Schloss Hirschberg/Beilngries 28.10. Sitzung SA S+F in Bonn, Albertinum 10.-12.10. BK Baden-Württemberg in Rottenburg 08.-10.11. Seminar für Funktionsträger der GKS in Köln 15.-19.10 Seminar 3. Lebensphase in Nürnberg 22.-24.11. AK KLMD Hannover und BK Niedersach- 26.-28.11. Seminar für Funktionsträger der GKS sen/Bremen in Worphausen 05.-07.12. BK mit Familien in Bendorf / Rhein

VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: AGKOD – Arbeitsgemeinschaft Katholischer Organisationen Deutschlands, AK KLMD – Arbeitskon- ferenz beim Katholischen Leitenden Militärdekan in ..., AMI – Apostolat Militaire International, BK – Konferenz der GKS im Bereich ..., BuKonf – Bundeskonferenz, BV GKS – Bundesvorstand der GKS, EA – Exekutivausschuss, GKMD – Gemeinschaft der katholischen Männer Deutschlands, IS – Internationaler Sachausschuss, MGV – Militärgeneralvikar, SA InFü – Sachaus- schuss „Innere Führung“, SA S+F – Sachausschuss „Sicherheit und Frieden“, SA KI – Sachausschuss „Konzeption und Infor- mation“, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Begegnung, ZV – Zentrale Versammlung, VV ZdK – Vollversammlung des Zen- tralkomitees der deutschen Katholiken

Buchbesprechungen (soweit kein Hinweis beim entspr. Beitrag) Weltpolitiker, größer und leider auch allge- und Zweck der NATO? Kann vielfaches und vention: „Um humanitäre Interventionen als meiner geht es kaum. Aber Kissinger wird weltweites Engagement überhaupt mit der eine oberste Priorität sinnvoll in ein Konzept dann doch konkret, zum Beispiel wenn es um NATO ausgeübt werden? Ist sie das geeignete amerikanischer Außenpolitik einbetten zu die Zukunft des Atlantischen Bündnisses geht. Instrument? können, müssen vier Bedingungen erfüllt Für ihn ist die Frage, ob die Allianz weiterhin In einem Punkt schafft Kissinger dann werden: Das dem humanitären Eingreifen zu als Schicksalsgemeinschaft angesehen wird Klarheit: Die NATO wird weiterhin ge- Grunde liegende Prinzip muss erstens uni- oder ob sie sich „in ein Sicherheitsnetz für im braucht, um bei einer Reimperialisierung versal anwendbar sein; es darf zweitens nur Wesentlichen nationale oder regionale politi- Russlands geschützt zu sein. Russland soll zu Aktionen führen, die gegenüber der öf- sche Wege und Ziele verwandelt“, die wich- nach Kissinger allerdings eine wichtige Rol- fentlichen Meinung in Amerika vertreten tigste Herausforderung für die Regierungen le beim Aufbau einer neuen internationalen werden können; es muss drittens Resonanz auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Entwick- Ordnung spielen. Es soll eingebunden wer- in der internationalen Gemeinschaft finden; lung der NATO in den neunziger Jahren je- den, allerdings sei darauf zu achten, dass und es muss viertens eine Beziehung zum denfalls erfüllt Kissinger mit Sorge: immer die Neuordnung von Westen nach Osten ge- historischen Kontext haben.“ mehr seien dem ehemals festen Bündnis schehe und nicht umgekehrt. Mit diesen Grundsätzen soll verhindert Strukturen eines Systems kollektiver Sicher- Im weiteren Verlauf des Buches nimmt werden, dass die USA sich in einen „perma- heit hinzu gefügt worden und so die einstmals sich Kissinger auch der anderen Teile der nenten Sumpf“ begeben. Offensichtlich hat vorhandene Übereinstimmung in der Zielset- Erde an: Asien – und hier insbesondere die Kissinger aus Vietnam gelernt. Abschließend zung aufgeweicht worden: „Zahlreiche neue Beziehungen zu China -. Der Nahe Osten übernimmt Henry Kissinger die Formulierung Institutionen wurden geschaffen, welche die und Afrika werden aus amerikanischer Pers- des australischen Gelehrten Coral Bell zur NATO in eine Art Mini-UNO umzuwandeln pektive beleuchtet. Schließlich kommt er zu Beschreibung der Herausforderung Amerikas: versprechen.“ Mit dieser Sicht steht Kissin- den Traditionslinien amerikanischer Außen- „sich seiner herausragenden Stellung be- ger nicht alleine da. Die Stimmen im Westen politik zurück und untersucht alten und neu- wusst zu sein, seine Politik aber so zu betrei- mehren sich, die Angst um die Zukunft des en Interventionismus. Dabei entwickelt Kis- ben, als lebte es immer noch in einer Welt mit Atlantischen Bündnisses haben. Was ist Ziel singer vier Grundsätze für humanitäre Inter- vielen Machtzentren.“ (Ekhard Stuff)

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Altendorf, Prof. Dr. Wolfgang Kestel, Msgr. Georg Stuff, Eckhard Publizist, Gründer der Altendorfstiftung in Militärdekan, Leiter Referat IV „Seelsorge“ Journalist; am Sender Freies Berlin zustän- Freudenstadt/Schwarzwald, gelegentliche im KMBA, Bischöflicher Beauftragter für die dig für die Aus- und Weiterbildung des Beiträge im AUFTRAG. Zentrale Versammlung und Geistlicher Bei- Nachwuchses und der Mitarbeiter. Veröffent- rat der GKS auf Bundesebene. lichungen im AUFTRAG. Arnold, Gerhard evangelischer Pfarrer und Philologe an einer Kloss, Reinhard Theis, Prälat Walter Gesamtschule in Kitzingen bei Würzburg Oberstleutnant i.G. im BMVg, Vorsitzender Militärdekan, als Leiter Referat V im KMBA des Internationalen Sachausschusses der zuständig für Planung und Organisation der Böhler, Volker W. GKS. seelsorglichen Begleitung der Bundeswehr Oberst a.D., bis 1999 Mitglied im Vorstand bei Auslandseinsätze, zgl. LKMD Ausland; der Zentralen Versammlung. Von 1992-95 Liebetanz, Klaus langjähriger Geistlicher Beirat der GKS; Leiter eines Militärattaché-Stabes für die Major a.D., Berater für humanitäre Hilfe im Geistlicher Beirat für das Generalsekretariat Länder Syrien, den Libanon und Jordanien. Ausland, Dörverden/Aller. des Apostolat Militaire International (AMI). Hermans, Dr. Baldur Brücker, Dr. Vera Klönne, Prof. Dr. Arno Nagel, Prof. Dr. Dr. Ernst Josef Die Beiträge über die „Wiederbewaff- Ihre kostenlose Leseprobe! nungsdebatte in der Adenauer-Ära“ sind Ergebnis einer historischen Fachtagung in der „Wolfsburg“. Dokumentiert in „Berichte und Beiträge“ des Dezernats Die Tagespost richtet mit einem klaren katholischen Profil für gesellschaftliche und weltkirchliche den Blick auf wesentliche Entwicklungen in Politik, Kirche und Gesellschaft ... Aufgaben Bischöfliches Generalvikariat Essen, Heft 38/1999. dient Ihnen als zuverlässige und seriöse Informationsquelle, die in einer Zeit der flüchtigen Meinungen und aufgebauschten Sensationen stets klare Orientierung bietet ... Dorndorf, Heinrich bietet Ihnen exklusiv recherchierte Beiträge, fundierte Hintergrundberichte und Hauptmann a.D., Geschäftsführer der GKS Rhld-Pfalz/Hessen/Saarland, ehem. Kommentare mit hohem Informationsgehalt … stellvertretender Vorsitzender der GKS dokumentiert schneller als jedes andere katholische Printmedium Texte des kirch- im Wehrbereich IV. lichen Lehramts, der Bischöfe und kirchlicher Gruppierungen zu wichtigen gesellschaft- Elßner, Dr. Thomas R. lichen und ethischen Fragen. Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Theologie und Frieden in Barsbüttel. Jede Woche recherchieren und produzieren wir für Sie … Dieser Artikel entstand im Anschluss an 8 Seiten Kirche aktuell mit umfassenden Informationen und Dokumentationen zum eine Feldstudie in Jerusalem im Mai 2001 im Zusammenhang mit der Bundes- kirchlichen Geschehen im deutschsprachigen Raum, weltweit und in Rom … akademie für Sicherheit. 9 Seiten Politik und Zeitgeschehen mit Nachrichten, Hintergründen, Kommentaren … Fink, Erich Maria 14 Seiten Feuilleton mit Kultur, Medien, Literatur, Wissenschaft und Reise … seit 1986 Priester der Diözese Augsburg, 6 Seiten Wirtschaft und Berichte aus aller Welt … nach viereinhalb Jahren als Pfarrer dreier und 3 Seiten Aussprache im Leserforum … Landgemeinden zum Beginn des Jahres 40 Seiten, die sich lohnen! 2000 für den Dienst in Russland freige- stellt, nun Pfarrer der Gemeinde „Königin des Friedens“ in Beresniki/Ural. Wir sind Ihr Informationsteam vor Ort. Fischer, Mattias G. Lernen Sie uns kennen. geboren 1971 in Göttingen, war wissen- Stellen Sie uns auf die Probe – 6 kostenlose Ausgaben lang! schaftlicher Mitarbeiter an der Universität Göttingen und absolviert zz. ein Rechts- Infoline Leserservice:

referendariat. 0931/30863-32 Der Beitrag wurde mit freundlicher Ge- ✃ nehmigung der Konrad-Adenauer-Stiftung der Pubikation „Die Politische Meinung Profitieren auch Sie Nr. 390/Mai 2002/47. Jg, S. 51-55, ent- Die Tagespost vom Informations- Ja, ich möchte nommen. vorsprung der ein- Katholische Zeitung für Politik, die Tagespost kennen lernen. zigen katholischen Görlich, Joachim Georg Bitte senden Sie mir kostenlos und unverbindlich Gesellschaft und Kultur Tageszeitung im eine zweiwöchige Leseprobe (= 6 Ausgaben) an nachfolgende Magister, freier Journalist, Schwerpunkt deutschsprachigen Adresse: mittel- u. osteuropäische Gesellschaften. Verlag Johann Wilhelm Naumann Raum. Publiziert u.a. in „Die Tagespost“ und im Name, Vorname Juliuspromenade 64 AUFTRAG. Fordern Sie noch D–97070 Würzburg Straße heute Ihre kostenlose Kilian, Dieter Telefon 0931/3 08 63-32 Leseprobe der Tages- PLZ, Ort Oberst a.D., in den 80-er Jahren Verwen- Telefax 0931/3 08 63-33 post an. dung als Militärattaché an der Deutschen Sie können dabei nur Mein Wunschtermin für den Start der Leseprobe: Botschaft in Islamabad/Pakistan; Einsatz www.die-tagespost.de gewinnen! AnzI_02 41 bei IFOR und SFOR

AUFTRAG 248 119 Impressum Das Kreuz der GKS AUFTRAG ist das Organ der GEMEINSCHAFT Das »Kreuz der GKS« ist das Symbol KATHOLISCHER SOLDATEN (GKS) und der Gemeinschaft Katholischer Soldaten. erscheint viermal jährlich. Vier Kreise als Symbol für die GKS-Kreise Hrsg.: GKS, Breite Straße 25, 53111 Bonn an der Basis formen in einem größeren www.katholische-soldaten.de Kreis, der wiederum die Gemeinschaft Redaktion: verantwortl. Redakteur Paul Schulz versinnbildlicht, ein Kreuz, unter dem (PS), Oberstleutnant a.D., Satz und Layout; Klaus Brandt (bt), Oberstleutnant a.D., sich katholische Soldaten versammeln. Redakteur; Helmut Fettweis (HF), Oberst a.D., Redakteur; Hauptmann Marco Schauff (MS), Redakteur Zuschriften: Redaktion AUFTRAG c/o Paul Schulz, Postfach 3768, 51537 Waldbröl, Tel/Fax: 02291–900461 oder 02295–1044 (bt), e-Mail: [email protected] Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Namensartikel werden allein vom Verfasser verantwortet. Nicht Der Königsteiner Engel immer sind bei Nachdrucken die In-haber von Rechten feststellbar oder erreich-bar. In Der »siebte Engel mit der siebten Posaune« solchen Ausnahmefällen verpflichtet sich der (Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoffnung, Herausgeber, nachträglich geltend gemachte der die uneingeschränkte Herrschaft Gottes rechtmäßige Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen zu vergüten. ankündigt. Dieser apokalyptische Engel am Druck: Köllen Druck & Verlag GmbH, Haus der Begegnung in Königstein/Ts., dem Ernst-Robert-Curtius-Str. 14, 53117 Bonn. Gründungsort des Königsteiner Offizier- Überweisungen und Spenden an: Förder- kreis der GKS e.V., Pax Bank eG Aachen, kreises (KOK), ist heute noch das Tradi- BLZ: 391 601 91, Konto-Nr.: 1009439010. tionszeichen der GKS, das die katholische Laienarbeit in der Militärseelsorge seit Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion und mit mehr als 40 Jahren begleitet. Quellenangabe. Nachbestellung gegen eine Schutzgebühr von DM 10,– an den ausliefernden Köllen Verlag.

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