(Ausgegeben am 10. September 2009)

Niedersächsischer Landtag

Stenografischer Bericht

44. Sitzung

Hannover, den 28. August 2009

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 28: Frage 2: Welche Haltung hat die Landesregierung bezüg- Mündliche Anfragen - Drs. 16/1490...... 5498 lich der drohenden Veränderung bei den neo- natologischen Versorgungsstufen Level I und II Frage 1: im Flächenland Niedersachen?...... 5510 Umschlag von radioaktiven Stoffen im Cuxhave- Patrick-Marc Humke-Focks (LINKE) ...... 5510, 5513 ner Hafen ...... 5498 Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- Hans-Jürgen Klein (GRÜNE) ...... 5498, 5500, 5502 les, Frauen, Familie und Gesundheit Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport ...... 5511 bis 5517 und Integration ...... 5498 bis 5508 Marianne König (LINKE) ...... 5512 (GRÜNE) ...... 5499, 5506 Pia-Beate Zimmermann (LINKE) ...... 5514 Christian Meyer (GRÜNE)...... 5500, 5507 Dr. Manfred Sohn (LINKE) ...... 5514 (GRÜNE)...... 5500, 5504 (GRÜNE) ...... 5514, 5516 Hans-Christian Biallas (CDU)...... 5501 Kreszentia Flauger (LINKE) ...... 5515, 5516 Elke Twesten (GRÜNE) ...... 5501 Victor Perli (LINKE) ...... 5515 Kurt Herzog (LINKE)...... 5502, 5506 Silva Seeler (SPD)...... 5517 Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und (Beantwortung der Fragen 3 bis 70 im Anhang zum Steno- Klimaschutz ...... 5502, 5505 bis 5510 grafischen Bericht) Sigrid Rakow (SPD)...... 5502 (GRÜNE) ...... 5502 Tagesordnungspunkt 2: Reinhold Coenen (CDU) ...... 5503 Dr. Manfred Sohn (LINKE) ...... 5503 15. Übersicht über Beschlussempfehlungen der Daniela Behrens (SPD) ...... 5504, 5508 ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Reinhold Hilbers (CDU) ...... 5505 Drs. 16/1495 - Änderungsantrag der der Fraktion Rolf Meyer (SPD)...... 5505, 5508 Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1541 - Ände- Martin Bäumer (CDU)...... 5506 rungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1545 ....5518 (GRÜNE) ...... 5507, 5509 (GRÜNE) ...... 5518 Hans-Henning Adler (LINKE)...... 5507 Ernst-August Hoppenbrock (CDU) ...... 5519 Andrea Schröder-Ehlers (SPD) ...... 5507 Gabriela König (FDP)...... 5520, 5521 Ursula Helmhold (GRÜNE) ...... 5509 Elke Twesten (GRÜNE)...... 5522 Heiner Bartling (SPD)...... 5509 Marianne König (LINKE) ...... 5523 Enno Hagenah (GRÜNE)...... 5510 Beschluss...... 5523 Niedersächsischer Landtag - 16. Wahlperiode - 44. Plenarsitzung am 28. August 2009

Tagesordnungspunkt 29: Tagesordnungspunkt 33:

Erste Beratung: Einzige (abschließende) Beratung: „Niedersachsen-Plan“ - Politik für das nächste Bewährte Behördenstrukturen erhalten - keine Jahrzehnt - Antrag der Fraktion der SPD - Experimente mit dem NLBV - Antrag der Fraktion Drs. 16/1508...... 5523 der SPD - Drs. 16/1320 - Beschlussempfehlung des Wolfgang Jüttner (SPD)...... 5524 Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Jörg Bode (FDP)...... 5528, 5529 Drs. 16/1523...... 5569 Ulf Thiele (CDU)...... 5531 Wiard Siebels (SPD) ...... 5569 Kreszentia Flauger (LINKE) ...... 5533 Wilhelm Heidemann (CDU) ...... 5571 Stefan Wenzel (GRÜNE) ...... 5536, 5539 Hans-Jürgen Klein (GRÜNE)...... 5572 Dr. Philipp Rösler, Minister für Wirtschaft, Arbeit Christian Grascha (FDP) ...... 5573 und Verkehr...... 5537 Dr. Manfred Sohn (LINKE)...... 5574 Ausschussüberweisung...... 5539 Beschluss...... 5574 (Direkt überwiesen am 10.06.2009) Tagesordnungspunkt 30: Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Bundesratsinitiativen für die Ausweitung des Zweite Beratung: ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % sowie Für eine echte Reform des Waffenrechtes! Hand- deren Finanzierung durch Einführung einer Bör- feuerwaffen verbieten - getrennte Lagerung ein- senumsatzsteuer - Antrag der Fraktion DIE LINKE - führen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 16/1486...... 5539 - Drs. 16/1334 - Beschlussempfehlung des Aus- Dr. Manfred Sohn (LINKE) ...... 5539, 5541, 5544 schusses für Inneres, Sport und Integration - Kreszentia Flauger (LINKE) ...... 5541 Drs. 16/1478...... 5574 Christian Grascha (FDP) ...... 5542 Hans-Jürgen Klein (GRÜNE)...... 5542, 5544 und Heiner Schönecke (CDU)...... 5544 Heinrich Aller (SPD)...... 5545 Tagesordnungspunkt 35: Ausschussüberweisung...... 5547 Erste Beratung: Tagesordnungspunkt 31: Ausgemusterte Dienstwaffen nicht in Umlauf bringen, sondern vernichten - Antrag der Fraktion Erste Beratung: der SPD - Drs. 16/1503 ...... 5574 Weiterentwicklung der Pflegeausbildung - Antrag Johanne Modder (SPD) ...... 5575, 5585 der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/1399 Ralf Briese (GRÜNE) ...... 5577 ...... 5548 Rudolf Götz (CDU) ...... 5579 Roland Riese (FDP)...... 5548 (GRÜNE) ...... 5580 Heidemarie Mundlos (CDU)...... 5548 Hans-Christian Biallas (CDU) ...... 5580 Ulla Groskurt (SPD) ...... 5551 Pia-Beate Zimmermann (LINKE) ...... 5581 Marianne König (LINKE) ...... 5553 Almuth von Below-Neufeldt (FDP) ...... 5582 Ursula Helmhold (GRÜNE) ...... 5554 Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport Ausschussüberweisung...... 5555 und Integration...... 5583, 5585 Beschluss (TOP 34) ...... 5585 Tagesordnungspunkt 32: Ausschussüberweisung (TOP35)...... 5585 (zu TOP 34: Erste Beratung: 41. Sitzung am 18.06.2009) Besprechung: Schule muss man sich leisten können - Große An- Tagesordnungspunkt 36: frage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1075 - Ant- wort der Landesregierung - Drs. 16/1445 ...... 5555 Luft- und Raumfahrt in Niedersachsen weiter Christa Reichwaldt (LINKE)...... 5555, 5563, 5569 stärken - Antrag der Fraktionen der CDU und der Elisabeth Heister-Neumann, Kultusministerin ...5558 FDP - Drs. 16/1499 ...... 5585 Ina Korter (GRÜNE)...... 5559, 5563, 5567 Ausschussüberweisung...... 5585 Anette Meyer zu Strohen (CDU)...... 5560, 5564 Ralf Borngräber (SPD)...... 5564 Björn Försterling (FDP) ...... 5566, 5567, 5568, 5569 Pia-Beate Zimmermann (LINKE) ...... 5568 Frauke Heiligenstadt (SPD)...... 5568

II Niedersächsischer Landtag - 16. Wahlperiode - 44. Plenarsitzung am 28. August 2009

Tagesordnungspunkt 37: Anlage 7: Räumliche Situation in der Polizeiinspektion Vorglühen, Komasaufen, Notaufnahme: Kinder Rotenburg und Jugendliche vor dem Teufelskreis von Alko- Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration auf die Frage 9 des Abg. Ralf Borngrä- holmissbrauch, Sucht und Absturz bewahren - ber (SPD)...... 5595 Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1512 ...... 5586

Ausschussüberweisung ...... 5586 Anlage 8: Schädigungen durch die Larven des Draht- Nächste Sitzung...... 5586 wurms im Mais Antwort des Ministeriums für Ernährung, Landwirt- schaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung auf die Frage 10 des Abg. Jan-Christoph Oetjen (FDP)...... 5596 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 9: noch: Unklare Förderbedingungen als Grundlage für die Vergabe von Mitteln des Konjunkturpaketes Tagesordnungspunkt 28: II für Maßnahmen des Hochwasserschutzes durch das Umweltministerium? Mündliche Anfragen - Drs. 16/1490 Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- schutz auf die Frage 11 der Abg. Ursula Helmhold (GRÜNE) ...... 5597 Anlage 1: Altlasten in der Region Hannover - Wie geht es Anlage 10: voran? Wird die Landesregierung eine ordnungsgemä- Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- ße Beratung des Haushalts 2010 sicherstellen? schutz auf die Frage 3 der Abg. Martin Bäumer, Antwort des Ministeriums für Wissenschaft und Gisela Konrath und Dirk Toepffer (CDU) ...... 5587 Kultur auf die Frage 12 der Abg. Dr. Gabriele Andretta, Daniela Behrens, Dr. Silke Lesemann, Anlage 2: Matthias Möhle, Jutta Rübke, Stefan Schostok und Hehre Worte, große Anforderungen, wenig Wolfgang Wulf (SPD) ...... 5599 Geld: Vernachlässigt die Landesregierung die Nationalparkeinrichtungen im Weltnaturerbe Anlage 11: Wattenmeer? - Teil I Was unternimmt die Niedersächsische Landes- Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- regierung zur Unterstützung der maritimen schutz auf die Frage 4 der Abg. Daniela Behrens Wirtschaft? (SPD)...... 5588 Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 13 der Abg. Gerd Will, Jo- Anlage 3: hanne Modder, Olaf Lies, Ronald Schminke, Stefan Nutzen und Kosten des Flüsterasphalts Schostok und Karin Stief-Kreihe (SPD) ...... 5600 Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 5 der Abg. Gabriela König Anlage 12: (FDP) ...... 5589 Was tut die Landesregierung zur Besetzung von Schulleiterstellen? Anlage 4: Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 14 Zögerlicher Ausbau der Schulen in Niedersach- des Abg. Wiard Siebels (SPD)...... 5602 sen zu Ganztagsschulen Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 6 der Anlage 13: Abg. Ina Korter (GRÜNE) ...... 5590 Staatskanzlei-Broschüre „Wo steht Nieder- sachsen?“ bleibt die Antwort schuldig Anlage 5: Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei auf Kommunalaufsicht und Steuergeldverschwen- die Frage 15 des Abg. Hans-Jürgen Klein (GRÜ- dung in Hameln NE) ...... 5603 Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration auf die Frage 7 der Abg. Ursula Weis- Anlage 14: ser-Roelle (LINKE)...... 5591 „Mein Wort gilt“ - Braucht ein Minister Schü- nemann keine Parlamentsbeschlüsse mehr? Anlage 6: Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und 2009 - Jahr der Astronomie - Lichtverschmut- Integration auf die Frage 16 der Abg. Hans-Jürgen zung reduzieren! Klein und Ralf Briese (GRÜNE)...... 5604 Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- schutz auf die Frage 8 des Abg. Jens Nacke (CDU) ...... 5593

III Niedersächsischer Landtag - 16. Wahlperiode - 44. Plenarsitzung am 28. August 2009

Anlage 15: Anlage 23: Interventionsprogramme zur Bekämpfung häus- Verdachtsunabhängige Kontrolle von Mo- licher Gewalt - Ignoriert die Landesregierung scheebesuchern in Braunschweig die wachsende Zahl an Hilfesuchenden in der Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Region Lüneburg? Integration auf die Frage 25 der Abg. , Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, Dr. Gabriele Heinen-Kljajić und Helge Limburg Familie und Gesundheit auf die Frage 17 der Abg. (GRÜNE)...... 5619 Andrea Schröder-Ehlers (SPD) ...... 5605 Anlage 24: Anlage 16: Konfliktregelung zwischen Schulleitung und Werden die wissenschaftlichen und studenti- Schulvorstand in Eigenverantwortlichen Schu- schen Hilfskräfte mit Altverträgen von Tarifer- len höhungen ausgeschlossen? Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 26 Antwort des Ministeriums für Wissenschaft und der Abg. Ursula Helmhold und Ina Korter (GRÜNE) Kultur auf die Frage 18 der Abg. Dr. Gabriele ...... 5620 Andretta, Daniela Behrens, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle, Jutta Rübke, Stefan Schostok und Anlage 25: Wolfgang Wulf (SPD) ...... 5606 Qualität medizinischer Gutachten in Abschie- bungsfällen Anlage 17: Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Integration auf die Frage 27 der Abg. Filiz Polat personell unterbesetzt, oder warum wird die (GRÜNE)...... 5622 Fünfwochenfrist zur Feststellung von Pflege- stufen in der Pflegeversicherung häufig nicht Anlage 26: eingehalten? Geldabhebegebühren bei fremden Bankinstitu- Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, ten hoch - Besserer Schutz für die Kunden Familie und Gesundheit auf die Frage 19 des Abg. Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 28 Dieter Möhrmann (SPD) ...... 5607 der Abg. Björn Thümler und Heinz Rolfes (CDU).....5623

Anlage 18: Anlage 27: „Wildwest in Verden“ - Wie evaluiert die Lan- Rockerkriminalität - Neue Gefahren für die öf- desregierung die niedersächsischen Studien- fentliche Sicherheit und Ordnung? seminare? Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 20 Integration auf die Frage 29 des Abg. Hans- der Abg. Ina Korter, Dr. Gabriele Heinen-Kljajić und Christian Biallas (CDU) ...... 5624 Elke Twesten (GRÜNE)...... 5610 Anlage 28: Anlage 19: Auswirkungen der Umweltprämie auf die Wirt- Anträge von Bremervörder Lehrerinnen und schaft in Niedersachsen Lehrern auf Teilzeit abgelehnt - Wie verfährt das Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Kultusministerium mit derartigen Anträgen? Verkehr auf die Frage 30 der Abg. Ernst-August Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 21 Hoppenbrock, Jörg Hillmer, Karsten Heineking und der Abg. Elke Twesten (GRÜNE) ...... 5611 Karl-Heinz Bley (CDU) ...... 5626

Anlage 20: Anlage 29: Steht Niedersachsen vor einem Flugverkehrs- Veränderung der Ärzteeinkommen nach der boom bei Sport- und Regionalflughäfen? Honorarreform Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, Verkehr auf die Frage 22 des Abg. Enno Hagenah Familie und Gesundheit auf die Frage 31 des Abg. (GRÜNE) ...... 5612 Reinhold Coenen (CDU) ...... 5628

Anlage 21: Anlage 30: Maulkorb für den Stadtjugendring Göttingen - Hamburg bremst Nahverkehr in Niedersachsen Ist politische Bildung an Schulen zukünftig aus unerwünscht? Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 23 Verkehr auf die Frage 32 der Abg. Björn Thümler der Abg. Stefan Klein und Dr. Gabriele Andretta und Heiner Schönecke (CDU)...... 5629 (SPD)...... 5616 Anlage 31: Anlage 22: Kein Geld für Hochwasserschutz - Warum Auswärtige Schülerinnen und Schüler an der nimmt Umweltminister Sander plötzlich seine St.-Ursula-Schule in Duderstadt Zusage zurück? Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 24 Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- der Abg. Ronald Schminke und Dr. Gabriele schutz auf die Frage 33 der Abg. Sabine Tippelt, Andretta (SPD) ...... 5618 Petra Emmerich-Kopatsch, Andrea Schröder-

IV Niedersächsischer Landtag - 16. Wahlperiode - 44. Plenarsitzung am 28. August 2009

Ehlers, Sigrid Rakow, Brigitte Somfleth, Marcus Anlage 39: Bosse und Rolf Meyer (SPD)...... 5630 War das schon alles? Sind die Mittel zur Sanie- rung kommunaler Sportstätten bereits bis ein- schließlich 2011 verplant? Anlage 32: Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Flächenverbrauch in Niedersachsen - Welche Integration auf die Frage 42 der Abg. Johanne Ziele verfolgt die Landesregierung? Modder, Klaus-Peter Bachmann, Heiner Bartling, Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- Karl-Heinz Hausmann, Jürgen Krogmann, Sigrid schutz auf die Frage 34 der Abg. Karl-Heinz Leuschner, Jutta Rübke und Ulrich Watermann Hausmann, Karin Stief-Kreihe, Rolf Meyer, Renate (SPD)...... 5643 Geuter, Wiard Siebels, Ronald Schminke und Sa- bine Tippelt (SPD) ...... 5631 Anlage 40: Hühnermist in Biogasanlagen - Kann hier jeder Anlage 33: machen, was er will? Bedenken gegenüber Leistungsförderer Racto- Antwort des Ministeriums für Ernährung, Landwirt- pamin schaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung Antwort des Ministeriums für Ernährung, Landwirt- auf die Frage 43 der Abg. Karin Stief-Kreihe und schaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung Renate Geuter (SPD) ...... 5645 auf die Frage 35 der Abg. Clemens Große Macke, Martin Bäumer und Karl-Heinrich Langspecht Anlage 41: (CDU)...... 5633 Unterrichtsversorgung im Landkreis Gifhorn Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 44 Anlage 34: der Abg. Detlef Tanke und Klaus Schneck (SPD) ....5646 Großeinsatz zur Räumung der Boehringer- Besetzung: Waren dafür 15 oder 30 Polizistin- Anlage 42: nen/Polizisten für jede Demonstrantin/jeden Hehre Worte, große Anforderungen, wenig Demonstranten wirklich nötig? Geld: Vernachlässigt die Landesregierung die Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Nationalpark-Einrichtungen im Weltnaturerbe Integration auf die Frage 36 des Abg. Enno Hage- Wattenmeer? -Teil II nah (GRÜNE) ...... 5635 Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- schutz auf die Frage 45 der Abg. Brigitte Somfleth, Anlage 35: Sigrid Rakow, Marcus Bosse, Rolf Meyer, Andrea Niedersächsische Häfen als zukünftige Um- Schröder-Ehlers und Petra Emmerich-Kopatsch schlagplätze für Atomtransporte? (SPD)...... 5648 Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- schutz auf die Frage 38 der Abg. Sigrid Rakow, Anlage 43: Petra Emmerich-Kopatsch, Brigitte Somfleth, Rolf Warum verschenkte die Polizei am 1. August in Meyer, Daniela Behrens, Andrea Schröder-Ehlers Bad Nenndorf mehrere Hundert weiße T-Shirts und Marcus Bosse (SPD) ...... 5637 an Neonazis? Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Anlage 36: Integration auf die Frage 46 der Abg. Helge Lim- Streik der Bühnentechnik/Werkstätten am burg, Ursula Helmhold und Enno Hagenah (GRÜ- Staatstheater Braunschweig: Warum kommen NE) ...... 5649 die Verhandlungen für Niedersachsen nicht voran? Anlage 44: Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 39 Wie soll das Turbo-Abitur an den Integrierten des Abg. Klaus-Peter Bachmann (SPD) ...... 5639 Gesamtschulen konkret realisiert werden? Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 47 Anlage 37: der Abg. Kreszentia Flauger und Christa Reich- Nach welchen Kriterien führt die Kommunalprü- waldt (LINKE) ...... 5652 fungsanstalt ihre Prüfungen durch? Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Anlage 45: Integration auf die Frage 40 der Abg. Johanne Wann wird Eberhard Brandt rehabilitiert? Modder, Klaus-Peter Bachmann, Heiner Bartling, Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 48 Karl-Heinz Hausmann, Jürgen Krogmann, Sigrid der Abg. Christa Reichwaldt (LINKE) ...... 5653 Leuschner, Jutta Rübke und Ulrich Watermann (SPD)...... 5640 Anlage 46: Verkauft die Landesregierung weiterhin alte Anlage 38: Dienstwaffen? Förderung der Sanierung von kommunalen Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Sportstätten im Rahmen des Konjunkturpa- Integration auf die Frage 49 der Abg. Pia-Beate kets II Zimmermann (LINKE)...... 5654 Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration auf die Frage 41 des Abg. Detlef Tanke (SPD)...... 5642

V Niedersächsischer Landtag - 16. Wahlperiode - 44. Plenarsitzung am 28. August 2009

Anlage 47: Anlage 55: Pleite der Erlebniswelt Weser-Renaissance: Wo Warum kürzt das Land bei der Umweltbildung? liegt die Verantwortung der Landesregierung? Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 58 Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und der Abg. Wolfgang Jüttner und Stefan Politze Verkehr auf die Frage 50 der Abg. Ursula Weisser- (SPD) ...... 5666 Roelle (LINKE)...... 5655 Anlage 56: Anlage 48: Bürgerinitiative fordert Sanierung der Landes- Weshalb hat die Landesregierung bei der Ver- straße 392 - Anwohner der Kolenfelder Straße teilung der Konjunkturmittel für kommunale in Wunstorf beklagen Dauerbelastung durch Sportstätten gegen ihre eigenen Fördervorga- Lärm und Erschütterungen durch Schwerlast- ben verstoßen und die Mittel regional unaus- verkehr gewogen verteilt? Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Verkehr auf die Frage 59 des Abg. Heinrich Aller Integration auf die Frage 51 des Abg. Victor Perli (SPD) ...... 5667 (LINKE)...... 5657 Anlage 57: Anlage 49: B 3 Ortsumgehung Hemmingen Will die Landesregierung wirklich eine bessere Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Bezahlung der wissenschaftlichen, künstleri- Verkehr auf die Frage 60 der Abg. Sigrid schen und studentischen Hilfskräfte, oder tut Leuschner (SPD)...... 5668 sie nur so? Antwort des Ministeriums für Wissenschaft und Anlage 58: Kultur auf die Frage 52 des Abg. Victor Perli (LIN- Risikovorsorge bei der NORD/LB KE) ...... 5659 Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 61 der Abg. Stefan Wenzel und Hans-Jürgen Klein Anlage 50: (GRÜNE)...... 5669 Warum verhindert das Kultusministerium Dis- kussionen an Schulen? Anlage 59: Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 53 Lärmbelastung durch den Betrieb des Heeres- der Abg. Christa Reichwaldt (LINKE) ...... 5660 fliegerausbildungszentrums Celle-Wietzen- bruch Anlage 51: Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Blockiert die Radartechnologie der Bundeswehr Integration auf die Frage 62 der Abg. Miriam die Windenergieanlagen? Staudte (GRÜNE)...... 5670 Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- schutz auf die Frage 54 der Abg. Sigrid Rakow, Anlage 60: Olaf Lies und Hans-Dieter Haase (SPD) ...... 5661 Ersetzen die privatisierten psychiatrischen Landeskrankenhäuser Fachpersonal durch Anlage 52: fachfremde Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter? Neue Straßenlaternen in Niedersachsen? Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- Familie und Gesundheit auf die Frage 63 der Abg. schutz auf die Frage 55 des Abg. Wiard Siebels Miriam Staudte (GRÜNE)...... 5672 (SPD)...... 5663 Anlage 61: Anlage 53: Gibt es auch in Niedersachsen externe Geset- Zu unbequem? Warum hat der Innenminister zeserarbeitungsvergaben? den ZPD-Präsidenten entlassen? Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei auf Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und die Frage 64 des Abg. Ralf Briese (GRÜNE) ...... 5673 Integration auf die Frage 56 der Abg. Sigrid Leuschner, Klaus-Peter Bachmann, Heiner Bart- Anlage 62: ling, Jürgen Krogmann, Johanne Modder und Ul- Wird mit Landesförderung für Europas größte rich Watermann (SPD) ...... 5664 Ziegenfabrik die bäuerlich-artgerechte Ziegen- haltung zerstört? Anlage 54: Antwort des Ministeriums für Ernährung, Landwirt- Was macht Wulffs ehemaliger Wahlkampfma- schaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung nager in Wolfsburg? auf die Frage 65 des Abg. Christian Meyer (GRÜ- Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und NE) ...... 5673 Integration auf die Frage 57 der Abg. Klaus-Peter Bachmann, Johanne Modder und Sigrid Leuschner Anlage 63: (SPD)...... 5665 Wie schützt das Land das FFH-Gebiet Lennetal vor Zerstörung durch Geländewagenrowdies? Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klima- schutz auf die Frage 66 des Abg. Christian Meyer (GRÜNE)...... 5676

VI Niedersächsischer Landtag - 16. Wahlperiode - 44. Plenarsitzung am 28. August 2009

Anlage 64: 60 % der Referendare fallen in Verden durch die Prüfungen - Wo liegen die Ursachen? Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 67 des Abg. Ralf Borngräber (SPD)...... 5678

Anlage 65: Soll die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow- Dannenberg mit steuerrechtlichen Mitteln mundtot gemacht werden? Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 68 der Abg. Helge Limburg, Stefan Wenzel, Hans- Jürgen Klein und Miriam Staudte (GRÜNE)...... 5679

Anlage 66: Nach welchen Kriterien wird die Sanierung von kommunalen Sportstätten gefördert? Antwort des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration auf die Frage 69 des Abg. Markus Bos- se (SPD) ...... 5680

Anlage 67: Gefahrenabwehr beim Jakobskreuzkraut Antwort des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung auf die Fra- ge 70 des Abg. Jan-Christoph Oetjen (FDP) ...... 5682

VII Niedersächsischer Landtag - 16. Wahlperiode - 44. Plenarsitzung am 28. August 2009

Vom Präsidium:

Präsident Hermann D i n k l a (CDU) Vizepräsident Dieter M ö h r m a n n (SPD) Vizepräsident Hans-Werner S c h w a r z (FDP) Vizepräsidentin Astrid V o c k e r t (CDU) Schriftführerin Ursula E r n s t (CDU) Schriftführerin Ulla G r o s k u r t (SPD) Schriftführer Wilhelm H e i d e m a n n (CDU) Schriftführer Hans-Jürgen K l e i n (GRÜNE) Schriftführer Lothar K o c h (CDU) Schriftführerin Gabriela Kohlenberg (CDU) Schriftführerin Gisela K o n r a t h (CDU) Schriftführerin Dr. Silke L e s e m a n n (SPD) Schriftführerin Brigitte S o m f l e t h (SPD) Schriftführerin Dörthe Weddige-Degenhard (SPD) Schriftführerin Ursula W e i s s e r - R o e l l e (LINKE)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Staatssekretär Dr. Lothar Hagebölling , Christian W u l f f (CDU) Staatskanzlei

Minister für Inneres, Sport und Integration Uwe Schünemann (CDU)

Finanzminister Staatssekretärin Cora H e r m enau , Hartmut M ö l l r i n g (CDU) Finanzministerium

Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesund- Staatssekretärin Dr. Christine H a w i g h o r s t , heit Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesund- Mechthild R o s s - L u t t m a n n (CDU) heit

Kultusministerin Staatssekretär Dr. Bernd Althusmann, Elisabeth Heister-Neumann Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Dr. Philipp R ö s l e r (FDP)

Justizminister Bernhard B u s e m a n n (CDU)

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n (CDU)

Minister für Umwelt und Klimaschutz Staatssekretär Dr. Stefan B i r k n e r , Hans-Heinrich Sander (FDP) Ministerium für Umwelt und Klimaschutz

VIII Niedersächsischer Landtag - 16. Wahlperiode - 44. Plenarsitzung am 28. August 2009

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr. gen Akten, die von dem jetzigen Mi- nisterpräsidenten Wulff und dem Präsident Hermann Dinkla: Landtagspräsidenten Dinkla bisher Guten Morgen, verehrte Kolleginnen und Kollegen! zurückgehalten und für nicht öffentlich Ich eröffne die 44. Sitzung im 15. Tagungsab- erklärt worden sind.“ schnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode. Diesen Vorwurf weise ich entschieden zurück. Ich habe als Landtagspräsident keine Akten zurück- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie gehalten. Ich habe auch keine Aufgabe in diesem bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben. Komplex. Insofern steht die Frage der Erklärung, Am 27. August 2009, also am gestrigen Tage, ist ob Akten öffentlich oder nicht öffentlich sind, dem der ehemalige Abgeordnete des Niedersächsi- Landtagspräsidenten nicht zu. schen Landtages Joachim Wiesensee im Alter von Die Landtagsverwaltung ist in das Verfahren inso- 74 Jahren verstorben. weit involviert, dass sie die Unterlagen und Akten, Er war lange Zeit Bürgermeister der Stadt Elsfleth die ihr von der Landesregierung bzw. von dritter und von der 11. bis 14. Wahlperiode Mitglied die- Stelle übermittelt werden, nach wie vor unverzüg- ses Hauses. In dieser Zeit hat er zahlreichen Aus- lich mit den Begleitinformationen dem Untersu- schüssen angehört. Hervorheben möchte ich nur chungsausschuss zur Verfügung stellt. Das ist die Ausschüsse für Wissenschaft und Kunst sowie meine Aufgabe. für Häfen und Schifffahrt. Ich gehe davon aus, dass dieses Unwissen, die In besonderer Weise hat er sich aber in der 13. mangelnde Information, im direkten Gespräch mit und 14. Wahlperiode, also neun Jahre lang, als dem Kollegen Herzog zwischenzeitlich ausgeräumt Vorsitzender des Ausschusses für Haushalt und worden ist. Mir liegt daran, dass der erhobene Finanzen über alle Parteigrenzen hinweg für seine Vorwurf nicht unwidersprochen im Raum stehen Weitsicht und sein gutes Gespür für die notwendi- bleibt. Das war mein Anliegen heute Morgen. - gen Weichenstellungen sehr viel Respekt und Herzlichen Dank. Anerkennung erworben. Er wurde erst vor wenigen Tagen für sein langjäh- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) riges und unermüdliches Engagement in der Lan- des- und Kommunalpolitik und für seinen vorbildli- Zur Tagesordnung. Wir beginnen die heutige Sit- chen Einsatz für die positive Entwicklung unseres zung mit der Fragestunde, also Tagesordnungs- Landes mit dem Verdienstkreuz am Bande ausge- punkt 28. Es folgt die Fortsetzung des Tagesord- zeichnet. nungspunktes 2, Eingaben. Anschließend erledi- gen wir die Tagesordnungspunkte 29 bis 37 wie Wir werden ihm ein ehrendes Gedenken bewah- vorgesehen in der Reihenfolge der Tagesordnung. ren. Ich möchte Sie bitten, der Verdienste Joachim Wiesensees zu gedenken. Die heutige Sitzung soll gegen 17.25 Uhr enden.

Vielen Dank, dass Sie sich von den Plätzen erho- Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden rechtzeitig ben haben. an den Stenografischen Dienst zurückzugeben. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Beschluss- fähigkeit kann ich bereits jetzt feststellen. Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ih- nen nunmehr die Schriftführerin mit. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich eine Bemerkung machen. Ich beziehe mich Schriftführerin Ursula Weisser-Roelle: dabei auf das vorläufige Protokoll der gestrigen Sitzung. Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kol- In der gestrigen Aussprache zum Themenbereich legen! Es haben sich entschuldigt von der Landes- Gorleben/Asse/Energie hat der Kollege Herzog regierung der Minister für Ernährung, Landwirt- von der Fraktion DIE LINKE wie folgt ausgeführt: schaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung, Herr Ehlen, von der Fraktion der SPD Herr Bach- „Bei den Akten gibt es zwei Katego- mann und Herr Brinkmann und von der Fraktion rien: Das sind zum einen die öffentli- der FDP Herr Oetjen und Herr Rickert. chen Akten und zum anderen diejeni-

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Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig Präsident Hermann Dinkla: der Region. Beklagt werden vor Ort außerdem die Vielen Dank. - Ich rufe den Tagesordnungs- mangelnde Information und Transparenz im Zu- punkt 28 auf: sammenhang mit der durchgeführten Übung und den geplanten Atomtransporten.

Mündliche Anfragen - Drs. 16/1490 Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über einen zukünftig vorgesehenen Umschlag von Ich stelle fest: Es ist 9.08 Uhr. radioaktiven Stoffen über den Cuxhavener Hafen Ich rufe Frage 1 auf. Sie wird gestellt von den Ab- bezüglich Anzahl, Zeitpunkt, Start, Ziel, Strecken- geordneten Wenzel und Klein von der Fraktion verlauf und Verkehrsmittel der Transporte sowie Bündnis 90/Die Grünen. Umfang und Art des Materials? 2. Wie und wann erfolgt die Information der von Umschlag von radioaktiven Stoffen im Cuxha- den Transporten berührten Kommunen und der vener Hafen jeweiligen Öffentlichkeit? 3. Welche niedersächsischen Behörden und Stel- len sind mit welchen Aufgaben im Zusammenhang Das Wort hat der Kollege Klein. mit der Planung, Genehmigung und Durchführung des Transports von radioaktiven Stoffen in und Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): durch Niedersachsen beteiligt? Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch Meldungen in den Cuxhavener Nachrichten vom (Beifall bei den GRÜNEN) 17. und 18. Juli 2009 wurde eine Polizei- und Feu- erwehrübung im Cuxhavener Hafen bekannt, de- Präsident Hermann Dinkla: ren Szenario mögliche Transporte radioaktiver Die Landesregierung nimmt zu den Fragen Stel- Stoffe über die Cuxhavener Umschlagsanlage lung. Herr Minister Schünemann, bitte! zugrunde lagen. Die Übung fand unter Beteiligung niedersächsischer Behörden statt. Die Übung war Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und nicht öffentlich angekündigt, sondern wurde zufäl- Integration: lig bekannt. Auch die Stadt Cuxhaven soll nicht Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und informiert gewesen sein. Herren! Deutschland hat sich verpflichtet, die bei Als realer Hintergrund der Übung verdichten sich der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente Informationen über zeitnah bevorstehende Trans- in Frankreich und Großbritannien anfallenden Ab- porte von plutoniumhaltigen MOX-Brennelementen fälle und das Plutonium zurückzunehmen. Die aus Sellafield für das Atomkraftwerk Grohnde. deutschen Energieversorgungsunternehmen ha- Befürchtet wird außerdem, dass zu einem späteren ben nach den Bestimmungen des Atomgesetzes Zeitpunkt auch für die Endlagerung in Deutschland den Wiedereinsatz des aus der Aufarbeitung ge- vorgesehener Atommüll aus der Wiederaufberei- wonnenen Plutoniums in den Kernkraftwerken zu tungsanlage Sellafield über Cuxhaven umgeschla- gewährleisten. Die Rücknahme des Plutoniums gen werden könnte. In beiden Fällen gehen von soll in Form von Mischoxid-Brennelementen erfol- den Transporten erhebliche Gefahren aus, sowohl gen, die als Kernbrennstoff eine Mischung aus durch radioaktive Strahlung als auch durch die Uranoxid und Plutoniumoxid enthalten. hohe Giftigkeit des Plutoniums. Auch deshalb wird In diesem Zusammenhang liegt dem zuständigen die dauerhafte Nutzung von Atomenergie von der Bundesamt für Strahlenschutz derzeit gemäß § 4 Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger abge- des Atomgesetzes ein Antrag auf Genehmigung lehnt. der Beförderung von Mischoxid-Brennelementen Kritiker sehen deshalb solche Transporte als un- aus Großbritannien in ein niedersächsisches Kern- vereinbar an mit den touristischen Interessen der kraftwerk vor. Der Transport soll auf einem Spezi- Stadt und des Landkreises Cuxhaven, die erst alschiff und mit Straßenfahrzeugen erfolgen. kürzlich durch die Ausweisung des Wattenmeers Um die technische Eignung der Hafeneinrichtun- als Weltnaturerbe gestärkt wurden. gen von Cuxhaven und des für den Transport vor-

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gesehenen Schiffes, z. B. Rampen, zweifelsfrei zu ter. Das Bundesamt für Strahlenschutz als die für ermitteln, haben die englischen und deutschen die Erteilung der Beförderungsgenehmigung zu- Beförderer am 16. Juli eine sogenannte Kalt- ständige Behörde nimmt eine Beteiligung der be- erprobung durchgeführt. Weder die Polizei noch troffenen Kommunen nicht vor, da eine solche die Feuerwehr waren in die Übung eingebunden. gesetzlich nicht vorgesehen ist und vom Bundes- Da Erkenntnisse vorlagen, dass es bei dieser Kalt- amt für Strahlenschutz nach eigener Aussage an- erprobung zu Störmaßnahmen von Atomkraftgeg- gesichts der Vielzahl der tangierten Kommunen nern kommen könnte, waren zum Schutz der auch nicht für sachgerecht gehalten wird. Übung Polizeikräfte eingesetzt. Die Feuerwehr war nach Auskunft der Stadt Cuxhaven nicht vor Ort. Zu Frage 3: Für die Aufsicht nach dem Atomgesetz über die Beförderung von Kernbrennstoffen sind in Dass die Beförderer den Transport mit einer Kalt- Niedersachsen die im Ressortbereich des Um- erprobung vorbereitet haben, illustriert den hohen weltministeriums angesiedelten Gewerbeaufsichts- Sicherheitsstandard, der für solche Transporte gilt. ämter zuständig, für die Überwachung der Beför- Der Transport der Mischoxid-Brennelemente er- derung gefährlicher Güter auf der Straße nach folgt nach den Vorschriften des Atom- und Gefahr- dem Gefahrgutbeförderungsgesetz die Landkreise gutbeförderungsrechts, die ihrerseits Empfehlun- und die kreisfreien Städte und bei Seehäfen für die gen der Internationalen Atomenergie-Organisation Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des umsetzen. Die Sicherheit des Transports von ra- Gefahrgutbeförderungsrechts das Niedersächsi- dioaktiven Stoffen wird insbesondere durch das sche Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Ver- Konzept eines „sicheren Versandstücks“ gewähr- kehr. Für die Sicherung der Transporte zum leistet. Schutz vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwir- Der jetzt beim Bundesamt für Strahlenschutz bean- kungen Dritter sind vorrangig die Beförderer zu- tragte Transport soll mit Transportbehältern erfol- ständig. Gegebenenfalls zusätzlich zu den Eigen- gen, die so ausgelegt sind, dass auch nach schwe- sicherungsmaßnahmen der Beförderer notwendige ren Transportunfällen nicht mit einer Freisetzung Sicherungsmaßnahmen werden durch die Polizei von radioaktiven Stoffen und damit einer Verunrei- durchgeführt. nigung des Wattenmeers gerechnet werden muss. Die Behälter verfügen über eine britische Zulas- Präsident Hermann Dinkla: sung mit deutscher Anerkennung. Bei dem See- Zu einer ersten Zusatzfrage erteile ich dem Kolle- schiff handelt es sich um ein Doppelhüllenschiff mit gen Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- einem Zertifikat der International Maritime Organi- nen das Wort. zation. Damit sind auch die Anforderungen erfüllt, die sich aus dem Status des Wattenmeers als Stefan Wenzel (GRÜNE): UNESCO-Weltnaturerbe ergeben. Gefahrguttrans- Herr Präsident! Herr Minister, wie wird sich denn porte durch das Welterbegebiet sind zulässig, die Landesregierung für den einstimmigen Be- wenn dem Welterbegebiet bei Unfällen kein irrepa- schluss des Stadtrates in Cuxhaven einsetzen, der rabler Schaden zugefügt wird. ja gefordert hat, dass keine Atomtransporte über Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage Cuxhaven laufen? wie folgt: (Zustimmung bei den GRÜNEN) Zu Frage 1: Die Landesregierung erlangt Erkennt- nisse über bevorstehende Transporte von radioak- Präsident Hermann Dinkla: tivem Material, soweit dies für die atomrechtlichen Herr Minister Schünemann! Aufsichts- und Genehmigungsverfahren in Bezug auf niedersächsische Anlagen oder für die polizei- Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und liche Sicherung bevorstehender Transporte erfor- Integration: derlich ist. Informationen über die Streckenführung unterliegen dabei der Geheimhaltung. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eben ausgeführt, wer für den Zu Frage 2: Die vertrauliche Behandlung der An- Transport zuständig ist, kann das aber noch einmal meldungen von sicherungsrelevanten Transporten wiederholen. ist eine wesentliche Voraussetzung für die Ge- währleistung des erforderlichen Schutzes gegen Zuständig für die Genehmigung von Transporten Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Drit- ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Der Präsi-

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dent des Bundesamtes für Strahlenschutz mit Sitz Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und in Salzgitter ist Herr Wolfram König. Integration: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und (Karl-Heinz Klare [CDU]: Der ist Herrn Herren! Gleichzeitig hat das Bundesamt uns mitge- Wenzel bekannt! - David McAllister teilt, dass die Wegstrecke, das Datum etc. geheim [CDU]: Ist der Mitglied bei den Grü- zu halten sind. Daran haben wir uns in der Ver- nen?) gangenheit gehalten, und ich sehe auch keinen Die Aufsichtsbehörde ist das Bundesministerium Anlass, davon abzuweichen. für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mit Sitz in Berlin und in Bonn. Bundesumweltminister Präsident Hermann Dinkla: ist Herr Sigmar Gabriel. Herr Kollege Meyer von der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen stellt die nächste Zusatzfrage. (David McAllister [CDU]: Den kennen wir doch auch irgendwoher!) Christian Meyer (GRÜNE): Das heißt, die Niedersächsische Landesregierung Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor hat überhaupt keinen Einfluss auf die Durchfüh- dem Hintergrund, dass der Umweltminister ja im- rung dieses Transports. Wir werden als Innenbe- mer ganz schnell und konkret Alternativstandorte hörde lediglich in dem Sinn beteiligt, dass abge- in Atommüllfragen zur Verfügung hat, frage ich die fragt wird, ob der Termin aus Sicherheitsgründen Landesregierung, welche anderen niedersächsi- in irgendeiner Weise problematisch ist. Das ist schen Häfen grundsätzlich - namentlich und kon- unsere Beteiligung. Ich kann Ihnen das Schreiben kret - für den Umschlag solcher radioaktiven Stoffe leider Gottes nicht geben, weil es vertraulich ist. infrage kommen würden, falls es in Cuxhaven nicht Das uns per Fax übermittelte Schreiben ist sogar klappen sollte. handschriftlich erstellt worden. (Zustimmung bei den GRÜNEN) Unsere Beteiligung ist in diesem Fall also sehr begrenzt. Präsident Hermann Dinkla: Herr Minister Schünemann, bitte! Deshalb gehe ich davon aus, dass der Stadt Cux- haven, wenn sie eine entsprechende Resolution Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und verabschiedet hat, der Adressat bekannt ist. Ande- Integration: renfalls könnten wir allerdings auch behilflich sein. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch da liegt die Entscheidung eindeutig Präsident Hermann Dinkla: beim Bundesamt für Strahlenschutz, das auch Herr Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Alternativen geprüft hat. Wenn ich mich richtig Grünen stellt eine zweite Zusatzfrage. erinnere, hat eine Umsetzung über See letztmalig im Jahr 1995 stattgefunden. Ich glaube, damals ist Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): der Hafen Bremerhaven genutzt worden.

Das BfS hat die Aussage, die Kommunen würden Präsident Hermann Dinkla: nicht informiert, auch damit begründet, es gehe Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Korter davon aus, dass die beteiligten Landesregierungen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. dafür sorgen werden, dass die Interessen der je- weils betroffenen Kommunen entsprechend be- Ina Korter (GRÜNE): rücksichtigt und eingebracht werden. In welcher Art und Weise wird die Landesregierung diese Inte- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr ressen der Kommunen in dieses Verfahren ein- Minister Schünemann, Sie haben sich gerade auf bringen? die Geheimhaltung bezogen. Die kann für zukünf- tige Transporte gelten, aber nicht für die Vergan- (Zustimmung bei den GRÜNEN) genheit. Erfahrungen mit früheren Umschlägen sind ja nicht unwichtig im Zusammenhang mit der Präsident Hermann Dinkla: Frage, wie verantwortlich man jetzt mit solchen Umschlägen umgeht. Deshalb frage ich Sie: Über Herr Minister Schünemann, bitte! welche niedersächsischen und bremischen Häfen

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und mit welcher Häufigkeit sind in der Vergangen- würde ich mich zugegebenermaßen etwas wun- heit z. B. MOX-Elemente oder anderes radioakti- dern, wenn sie eine Pressekonferenz in Cuxhaven ves Material umgeschlagen worden? machen würde. Das wäre dann schon schwierig. Ich gebe aber zu, dass es schon etwas schwierig (Beifall bei den GRÜNEN) ist, wenn dort eine Übung stattfindet und man dann nachfragt, was dort passiert. Insofern muss man Präsident Hermann Dinkla: überlegen, ob man in der Hinsicht in Zukunft einen Herr Minister Schünemann! besseren Informationsfluss hinbekommt. Für eine breite Information kann man meines Erachtens Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und aber weder das Bundesamt noch uns in Regress Integration: nehmen, weil sich leider gezeigt hat - wir haben ja Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich auch Erfahrungen mit Gorleben -, dass im Zu- muss mich da korrigieren: Es war nicht 1995, son- sammenhang mit solchen Transporten mit Strafta- dern 1996. Das war einmal, und zwar über Bre- ten zu rechnen ist. Insofern ist diese Geheimhal- merhaven. tung auch notwendig.

Präsident Hermann Dinkla: Was Ihre zweite Frage anbetrifft, so steht es natür- lich allen Abgeordneten in diesem Parlament frei, Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Biallas Fragen zu stellen. Ich kann darauf aber nur im von der CDU-Fraktion. Rahmen meiner Zuständigkeit antworten. Deshalb läuft das hier so ab. Hans-Christian Biallas (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und (Beifall bei der CDU) Herren! Ich möchte gleich zwei Fragen stellen. Präsident Hermann Dinkla: Die erste Frage lautet: Ich frage die Landesregie- Frau Kollegin Twesten von der Fraktion Bünd- rung, ob sie meine Auffassung teilt, nis 90/Die Grünen stellt die nächste Zusatzfrage. (Zurufe von den GRÜNEN: Nein!) Elke Twesten (GRÜNE): dass die Informationspolitik des Bundesamtes für Strahlenschutz bezüglich der Aufklärung der Be- Ich frage die Landesregierung vor dem Hinter- völkerung in der Stadt Cuxhaven mehr als zu wün- grund, dass für die Übung ausgerechnet Cuxhaven schen übrig lässt. ausgesucht worden ist: Gibt es einen Kriterienkata- log für den Transportweg? Wenn ja: Wie sieht (Beifall bei der CDU) dieser aus? Die zweite Frage lautet, ob die Landesregierung (Beifall bei den GRÜNEN) meine Auffassung teilt, dass die Anfrage der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen vor dem Hintergrund Präsident Hermann Dinkla: der geschilderten Zuständigkeit des Bundesum- Herr Minister Schünemann! weltministers und des Präsidenten des Bundesam- tes für Strahlenschutz hier im Landtag eigentlich Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und völlig fehl am Platze ist und eigentlich im Deut- Integration: schen Bundestag als Anfrage an die Bundesregie- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und rung gerichtet werden müsste. Herren! Es tut mir wirklich leid: Es ist nicht meine (Beifall bei der CDU - David McAllister Art, dass ich immer wieder das Gleiche sagen [CDU]: Eine sehr gute Frage!) muss. Hierfür ist nun wirklich das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Wir haben nicht direkt Präsident Hermann Dinkla: Kenntnis von den Überlegungen; denn das sind Herr Minister Schünemann, bitte! eindeutig Überlegungen des Bundesamtes für Strahlenschutz. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob es Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und Kriterien gibt. Ich könnte Ihnen aber die Telefon- Integration: nummer geben. Das ist: 030/183331100. Da kön- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und nen Sie das erfragen. Herren! Wenn das Bundesamt für Strahlenschutz (Heiterkeit und Beifall bei der CDU) die Landesregierung um Geheimhaltung bittet,

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Präsident Hermann Dinkla: kraftwerken eingesetzt. Das erfolgt in Absprache Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Herzog mit dem Bundesumweltministerium. von der Fraktion DIE LINKE. Präsident Hermann Dinkla: Kurt Herzog (LINKE): Frau Kollegin Rakow von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage. Ich frage die Landesregierung: Welche Katastro- phenschutz- und Notfallpläne gibt es im Zusam- Sigrid Rakow (SPD): menhang mit solchen Transporten? Ich frage die Landesregierung gerade vor dem Präsident Hermann Dinkla: Hintergrund der Erfahrungen, die aus Hamburg vorliegen: Ist damit zu rechnen, dass hier in Nie- Herr Minister Schünemann! dersachsen die Atomtransporte auch Wohngebiete berühren? Diese Frage wird in Hamburg ganz Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und offen diskutiert. Dort ist das der Fall. Müssen wir Integration: also damit auch in Niedersachsen rechnen? Zuständig für den Katastrophenschutz ist in die- Nun zu meiner zweiten Frage. Die Frage von Herrn sem Zusammenhang die Stadt bzw. der Landkreis Herzog nach dem Katastrophenschutz in den Cuxhaven. Insofern sind dort die entsprechenden Kommunen ist noch nicht richtig beantwortet. Des- Pläne vorzuhalten. Wir als Aufsichtsbehörde sind halb möchte ich hier kurz nachhaken. Sie sagten daran natürlich beteiligt und schauen, ob es viel- eben, dass Uranoxid transportiert wird. Daraus leicht Probleme oder Nachlässigkeiten gibt. Mir können sich gefährliche Unfälle ergeben, bei de- sind keine bekannt. Insofern können wir davon nen Flusssäure entsteht, die Menschen gefährdet. ausgehen, dass die Katastrophenschutzbehörde, Sind die betroffenen Kommunen darauf vorberei- die hier zuständig, entsprechend vorbereitet ist. tet, Katastrophenschutz auch in dieser Richtung vorzuhalten? Präsident Hermann Dinkla: Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die (Filiz Polat [GRÜNE]: Die Kommunen Grünen stellt seine zweite Zusatzfrage. wissen ja noch nicht einmal, dass et- was stattfindet!) Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): Präsident Hermann Dinkla: Angesichts der Tatsache, dass wir alle wissen, Frau Kollegin, das waren zwei Fragen. - Herr Mi- dass im Bundestag bis zur Bundestagswahl nichts nister Schünemann, bitte! mehr stattfindet, muss ich eine weitere Frage an die Landesregierung stellen. Vor dem Hintergrund, Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und dass wir gerne abschätzen möchten, was insge- Integration: samt noch auf uns zukommt, frage ich die Landes- regierung: Welche deutschen AKWs setzen eigent- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der lich MOX-Brennelemente ein, wie hoch ist der Verkehrsweg obliegt der Geheimhaltung. Insofern jährliche Bedarf, und woher kommen diese Dinge? kann ich dazu nichts sagen. Wahrscheinlich ist auch noch gar nicht klar, welcher Weg genommen (Beifall bei den GRÜNEN - Ulf Thiele wird. Ansonsten habe ich auf die Frage klar ge- [CDU]: Diese Frage ist gar nicht mehr antwortet, dass dort Behälter genommen werden, zulässig! Das hat aber mit der Aus- die gewährleisten, dass eine solche Gefährdung gangslage nichts mehr zu tun!) ausgeschlossen ist.

Präsident Hermann Dinkla: Präsident Hermann Dinkla: Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Herr Kollege Briese von der Fraktion Bünd- Sander. nis 90/Die Grünen stellt die nächste Zusatzfrage.

Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und Ralf Briese (GRÜNE): Klimaschutz: Besten Dank, Herr Präsident. - Ich habe gleich Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und zwei Fragen. Meine erste Frage lautet: Wie werden Herren! MOX-Elemente werden in fast allen Kern- diese Transporte eigentlich ganz konkret gesi-

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chert? Ich frage danach auch vor dem Hintergrund Unfall verwickelt wird bzw. wenn ein krimineller Akt der Tatsache, dass wir zurzeit große Unsicherhei- verübt wird? ten im internationalen Seeverkehr haben, u. a. (Stefan Wenzel [GRÜNE]: Die zweite mehrfach Entführungen. Ich frage konkret: Kann Frage von Herrn Briese ist noch offen! ausgeschlossen werden, dass dieses hochgiftige - Minister Uwe Schünemann: Ich habe Material in unbefugte Hände gelangt? die Frage nicht verstanden!) Meine zweite Frage lautet: Wie können sich die Kommunen eigentlich auf die Notfälle oder auf die Präsident Hermann Dinkla: Katastrophe vorbereiten, wenn sie gar nicht infor- Herr Kollege, bitte stellen Sie die Frage noch ein- miert sind, weil das alles geheim ist? mal. Sie ist hier wohl akustisch nicht angekommen. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN) Reinhold Coenen (CDU): Ich werde die Frage noch einmal konkret, laut und Präsident Hermann Dinkla: deutlich stellen. Ich frage die Landesregierung Herr Minister Schünemann, bitte! nochmals: Wer ist zuständig, wenn der Transport in einen Unfall verwickelt wird bzw. wenn ein krimi- Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und neller Akt auf diesen Transport verübt wird? Integration: Präsident Hermann Dinkla: Für die Sicherheit des Transports ist natürlich auch das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Wir Herr Minister Schünemann, bitte! sichern den Transport auf dem Gebiet des Landes durch die Landespolizei und natürlich in Zusam- Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und menarbeit mit der Bundespolizei, insbesondere Integration: dann, wenn er z. B. bei Gorleben auf der Schiene Zunächst sorgen die Polizeibehörden für die unmit- stattfindet. Wenn der Transport auf der Straße telbare Gefahrenabwehr, z. B. durch Verkehrslen- stattfindet, ist völlig klar, dass das Land zuständig kung und Absperrungen. Die Transportbehälter ist. Auf See sind die Wasserschutzpolizei und die bieten Schutz gegen erhebliche mechanische Ein- entsprechenden Behörden dabei. wirkungen - ich habe schon mehrfach darauf hin- gewiesen -, auch gegen Feuer und Wasserdruck, Ich habe Ihnen dargestellt, dass die Behälter auch sodass der Austritt von radioaktiven Stoffen sicher für den Transport auf See eindeutig in der Form verhindert wird. Sollte dennoch eine solche Gefahr gesichert sein müssen, dass dort nichts austreten bestehen, wird das örtlich zuständige Gewerbeauf- kann. Andernfalls wäre ein Transport vor Cuxha- sichtsamt als sogenannte Gefahrenabwehrbehör- ven wegen des UNESCO-Weltkulturerbes gar nicht de tätig. In der Regel wird dieses Amt von den möglich. Genauso verhält es sich mit dem Trans- behördlichen Sachverständigen des Niedersächsi- port auf der Straße. Insofern ist völlig klar, dass schen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küs- eine Gefährdung durch die Behälter und deren ten- und Naturschutz unterstützt, die über die not- Inhalt nicht gegeben ist. Ansonsten ist natürlich wendigen Einsatzfahrzeuge und eine hochmoder- das Bundesamt für Strahlenschutz insgesamt für ne und aufwendige Messtechnik zur Detektion den Transport zuständig und muss dafür Sorge radioaktiver Stoffe und Strahlung verfügen. tragen, dass dabei nichts passiert. Wir sind dafür zuständig, dass der Transport ordnungsgemäß Präsident Hermann Dinkla: umgesetzt werden kann, d. h. dass er nicht durch Störer in irgendeiner Weise gefährdet wird. Dafür Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege ist die Polizei zuständig. Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE.

Präsident Hermann Dinkla: Dr. Manfred Sohn (LINKE): Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Coenen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich von der CDU-Fraktion. habe gleich zwei Zusatzfragen. Die erste Frage bezieht sich auf die Antworten von Reinhold Coenen (CDU): Herrn Schünemann und von Herrn Sander. Da Ich möchte die Landesregierung konkret fragen: durch die entsprechende Anfrage in der Hambur- Wer ist zuständig, wenn der Transport in einen ger Bürgerschaft deutlich geworden ist und auch

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öffentlich diskutiert wird, dass von Cuxhaven aus letzten Jahren sind regelmäßig zwischen 20 und über Hamburg Transporte in verschiedene Kern- 25 Transporte durchgeführt worden. kraftwerke stattfinden - es geht also nicht mehr um (Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Meine die Geheimhaltung dieser Transporte, sondern die Frage!) Transportwege sind bereits Gegenstand der öffent- lichen Diskussion geworden -, frage ich die Lan- Präsident Hermann Dinkla: desregierung, welche Maßnahmen sie vor dem Hintergrund der jetzt öffentlich diskutierten Trans- Frau Kollegin Behrens von der SPD-Fraktion stellt portwegeproblematik mit Blick auf ihre Aufsichts- die nächste Zusatzfrage. pflicht - Stichwort „Vorhandensein und Qualität von Katastrophenplänen der Landkreise“ - ergriffen Daniela Behrens (SPD): hat. Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass weder die Niedersäch- Meine zweite Frage bezieht sich auf die Unfälle. sische Landesregierung noch das niedersächsi- Wenn die Transporte aufgrund der Politik der Lan- sche Parlament es gut finden können, dass Atom- desregierung weiter der Geheimhaltung unterstellt transporte über niedersächsische Häfen stattfin- werden, obwohl es eine öffentliche Diskussion gibt, den, frage ich die Landesregierung, was sie - auch wie wollen Sie dann verhindern - wenn die Trans- gemeinsam mit der Bundesregierung - unternom- porte der Geheimhaltung unterstellt sind -, dass im men hat, um das zu verhindern und in Cuxhaven Falle eines Unfalls zunächst die Feuerwehren - wie zu einer anderen Entscheidung zu kommen. bei Unfällen üblich - benachrichtigt werden, und wie schützen Sie die Feuerwehren davor, sozusa- Präsident Hermann Dinkla: gen ins offene Messer eines Unfalls mit radioakti- Herr Minister Schünemann! ven Problematiken zu laufen? (Zustimmung bei der LINKEN und bei Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und den GRÜNEN) Integration: Wir haben keinen Einfluss auf den Transportweg, Präsident Hermann Dinkla: sondern nur auf den Zeitpunkt; darauf habe ich Herr Minister Schünemann, bitte! hingewiesen. Insofern gibt es keine Mitwirkungs- möglichkeit, und zwar aus den Gründen, die ich Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und geschildert habe. Integration: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Präsident Hermann Dinkla: Herren! Hier wird der Eindruck erweckt, dass dies Frau Kollegin Korter von der Fraktion Bünd- ein einmaliger Vorgang sei, auf den man sich zum nis 90/Die Grünen stellt die nächste Zusatzfrage. ersten Mal vorbereiten müsse. Seit 2005 finden in unserem Land sehr regelmäßig entsprechende Ina Korter (GRÜNE): Transporte statt. Neu ist der Umschlag über einen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hafen in Niedersachsen. Zum letzten Mal fand dies Minister Schünemann hat eben ausgeführt, wie 1996 in Cuxhaven statt. viele verschiedene Ämter an diesem Umschlag (Zurufe: Bremerhaven!) beteiligt sein werden: die Gewerbeaufsicht über das Umweltministerium, die Landkreise, das Wirt- - Entschuldigung, in Bremerhaven. Sie haben schaftsministerium, die Landespolizei, das recht. NLWKN. Da lässt sich nicht verhindern, dass der Insofern kann man sagen, dass das geübte Praxis Eindruck einer gewissen Blauäugigkeit entsteht, ist. Bei den Katastrophenschutzbehörden sind wenn hier dargestellt wird, wie locker das mal eben immer entsprechende Vorkehrungen getroffen zu machen ist, und von regelmäßigen Umschlägen worden für den Fall, dass etwas passiert. Aber in gesprochen wird, obwohl man das 13 Jahre lang diesem Fall ist klar, dass zumindest eine radioakti- nicht gemacht hat. ve Gefährdung auszuschließen ist mit Blick darauf, (Zustimmung bei den GRÜNEN und wie der Transport gesichert ist und mit welchen bei der LINKEN) Behältern der Transport durchgeführt wird. In den Meine Frage ist deshalb, Herr Schünemann: Gibt es bereits einen Krisenstab, ein Kompetenzzent-

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rum, in dem alle beteiligten Institutionen zusam- auch verpflichtet ist, es zurückzunehmen, soweit menwirken? Das hat es damals, als die Giftgase es wiederaufbereitet wurde. Die Rechtsgrundlage über Nordenham umgeschlagen wurden, gegeben. ist das Gesetz bzw. die Abmachung von Rot-Grün. Damals gab es eine große Transparenz. Es gab Ich kann aber auch noch etwas sagen, um das öffentliche Diskussionen in Nordenham, damit die Bedürfnis nach Antworten zu befriedigen: Bevölkerung wusste, was da passieren wird. Das vermisse ich hier. (Zuruf von Stefan Wenzel [GRÜNE]) (Beifall bei den GRÜNEN - Heinz Rol- In der Vergangenheit sind nach Informationen des fes [CDU]: König heißt der! Der ist zu- Bundesumweltministers Gabriel, Herr Kollege ständig!) Wenzel, im Jahre 2008 insgesamt 100 Brennele- mente transportiert worden; und von 1990 bis jetzt Präsident Hermann Dinkla: sind insgesamt 344 Transporte durchgeführt wor- Herr Minister Schünemann, bitte! den. Diese Transporte unterlagen all den Bestim- mungen, die der Innenminister eben angeführt hat: Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und dem Sicherheitskonzept, beginnend mit den MOX- Integration: Behältern bis hin zu den Plänen, die dort einge- setzt werden, sollten dort Unfälle vorkommen. Aber Die betroffenen Behörden werden erst 48 Stunden nach Auskunft des Bundesumweltministers hat es vorher darüber informiert, sodass dann reagiert keinerlei Probleme bei den Transporten gegeben. werden kann. Wenn 48 Stunden vorher informiert wird, ist klar, dass dann alle, die etwas damit zu Präsident Hermann Dinkla: tun haben, entsprechend vorbereitet und einsatz- bereit sind. Herr Kollege Meyer von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage. Ich will aber noch einmal Präsident Hermann Dinkla: darauf hinweisen, dass die Zusatzfragen in einem Kollege Hilbers von der CDU-Fraktion stellt eine engen Zusammenhang mit der eigentlichen Frage- weitere Zusatzfrage. stellung stehen sollen. (Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das war Reinhold Hilbers (CDU): doch eine Frage von denen!) Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung: Sind die Transporte von La Hague und Sellafield Rolf Meyer (SPD): Teil der Vereinbarung, die Rot-Grün damals zum Ausstieg aus der Atomwirtschaft geschlossen hat, Ich frage die Landesregierung: Wann, in welcher sind sie also Teil des Energiekonsenses? Form und von wem werden die Gewerbeaufsichts- ämter über die bevorstehenden Transporte infor- (Lachen bei der LINKEN - Zuruf von miert? der SPD: Die ist klasse, die Frage! - Gegenruf von Hans-Christian Biallas Präsident Hermann Dinkla: [CDU]: Wir wollen hier ja die ganze Wahrheit hören! - Heinz Rolfes [CDU]: Herr Minister Schünemann! Die Frage kann eindeutig mit Ja be- antwortet werden!) Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und Integration: Präsident Hermann Dinkla: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu- Herr Minister Sander! nächst informiert das BfS das Umweltministerium. Das Umweltministerium informiert dann die Ge- Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und werbeaufsichtsämter. Klimaschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und (Rolf Meyer [SPD]: Wann und in wel- Herren! Herr Kollege Hilbers, es ist richtig: Das cher Form?) beruht auf dem Atomkonsens vom 14. Juni 2000, - Ich hatte gesagt: 48 Stunden vorher. Ich gehe in dem vereinbart worden ist, dass die Bundesre- davon aus, dass das per Fax passiert. Aber das publik Deutschland das gesamte Plutonium, das in kann ich Ihnen nicht genau sagen. den Kernkraftwerken erzeugt wird, verbrennt und

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Präsident Hermann Dinkla: Stefan Wenzel (GRÜNE): Herr Kollege Bäumer von der CDU-Fraktion stellt Vor dem Hintergrund, Herr Minister, dass ich etwas die nächste Zusatzfrage. fassungslos bin, und vor dem Hintergrund der Tat- sache, dass sich Plutonium bei einer Halbwertzeit Martin Bäumer (CDU): von 24 000 Jahren nicht so einfach aus der Welt schaffen lässt, wie Sie das beschrieben haben, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und frage ich Sie in Ihrer Zuständigkeit für die Kontrolle Herren! Ich frage die Landesregierung: Warum der Grenzwerte bei Straßentransporten in Nieder- werden überhaupt MOX-Brennelemente nach sachsen: Hat sich Ihr Gewerbeaufsichtsamt mitt- Deutschland transportiert? lerweile ein eigenes Messgerät angeschafft, oder wird immer noch mit Geräten der Atomindustrie (Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei gemessen, wie das in Gorleben zuletzt noch der der LINKEN - Ralf Briese [GRÜNE]: Fall war? Sehr gut! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN) (Beifall bei den GRÜNEN)

Präsident Hermann Dinkla: Präsident Hermann Dinkla: Herr Minister Sander! Herr Minister Sander, bitte!

Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und Klimaschutz: Klimaschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wenzel, wir bedienen uns Herren! Ich hatte bereits versucht, das in meiner eines Sachverständigen, der auch die entspre- Antwort zu sagen: chenden Geräte hat. Es entzieht sich meiner (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das hat Kenntnis, woher er die Geräte beschafft hat. Ich man überhaupt nicht verstanden!) werde aber nachfragen, um die Frage klar und deutlich zu beantworten. Ich gehe davon aus, sie Das ist ein Beschluss von Rot-Grün aus dem Jahre stammen nicht von dem von Ihnen benannten 2000. Unternehmen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Blödsinn! - Präsident Hermann Dinkla: Weitere Zurufe von den GRÜNEN und Herr Kollege Herzog von der Fraktion DIE LINKE von der LINKEN - Glocke des Präsi- stellt die nächste Zusatzfrage. denten)

In diesem Beschluss ist auch vereinbart worden, Kurt Herzog (LINKE): das genannte Plutonium so lange zu verbrennen, Wie werden die Qualifizierung und Zuverlässigkeit bis davon auf der Welt nichts mehr vorhanden ist. der Mitarbeiter der transportierenden Firmen ge- prüft? (Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wie (Ralf Briese [GRÜNE]: Regelanfrage bitte? - Weitere Zurufe von den GRÜ- beim Verfassungsschutz!) NEN und von der LINKEN - Unruhe) Präsident Hermann Dinkla: Präsident Hermann Dinkla: Herr Minister Schünemann, bitte! Wenn etwas mehr Ruhe eingekehrt ist, kann der Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und Kollege Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Integration: Grünen die nächste Zusatzfrage stellen. Ich bitte noch einmal um Ruhe. Herr Präsident! Dafür ist - das habe ich mehrfach gesagt - das BfS zuständig, weil es für den Ge- (Anhaltende Unruhe) samttransport die Verantwortung trägt. Insofern kann ich Sie wirklich nur bitten, dort nachzufragen. - Herr Kollege Wenzel, Sie sollten noch etwas Es gibt dorthin wohl ganz gute Kontakte. Die kön- warten. - Bitte schön! nen Ihnen das im Detail sagen.

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Präsident Hermann Dinkla: rium, die Gewerbeaufsichtsämter usw. informiert Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Staudte werden, werden auch sie informiert. von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Präsident Hermann Dinkla: Miriam Staudte (GRÜNE): Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Meyer Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Lan- von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. desregierung! Ich frage: Wie ist die generelle Hal- tung der Landesregierung zur MOX-Wirtschaft? Christian Meyer (GRÜNE): Aus Fachkreisen wird immer wieder auf die Prolife- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich rationsgefahr hingewiesen, also die Gefahr, dass frage die Landesregierung noch einmal konkret aus MOX-Brennelementen Atomwaffen hergestellt zum Seetransport. Es ist ja so, dass alle Trans- werden können. Befürworten Sie einen Ausstieg portschiffe über das System AIS verfügen, sodass aus der Wiederaufarbeitung, wie Rot-Grün ihn man im Internet verfolgen kann, wo ein Schiff zu durchgesetzt hat? welchem Zeitpunkt ist. Führt es nicht ihre Planung (Beifall bei den GRÜNEN) der Geheimhaltung ad absurdum, wenn man das alles über das Internet verfolgen kann? Wäre es Präsident Hermann Dinkla: dann nicht besser, die Kommunen und die Bevöl- kerung rechtzeitig zu informieren? Herr Minister Sander, bitte!

Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und Präsident Hermann Dinkla: Klimaschutz: Herr Minister Schünemann! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Staudte, die Nichtverbreitung Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und von Plutonium wird nach internationalen Regeln - Integration: bei uns sind dieses die IAEA und Euratom - kon- Auch diese Frage ist natürlich an das BfS zu stel- trolliert. Das heißt, alle diese Verfahren unterliegen len, weil es die Geheimhaltung angeordnet hat. Sie der internationalen Kontrolle. können aber sicher sein, dass auch wir damit (Stefan Wenzel [GRÜNE]: Und die rechnen, dass zumindest relativ kurz vorher etwas Wiederaufarbeitung?) bekannt wird. Insofern sind die Sicherheitsbehör- den darauf vorbereitet, dass sie das Schiff auch Präsident Hermann Dinkla: dann sichern können, wenn etwas bekannt wird. Der Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE Präsident Hermann Dinkla: stellt die nächste Zusatzfrage. Eine weitere Zusatzfrage stellt die Kollegin Schrö- Hans-Henning Adler (LINKE): der-Ehlers von der SPD-Fraktion. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Ist die Ge- Andrea Schröder-Ehlers (SPD): heimhaltung insoweit eingeschränkt, als alle auf Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und dem Transportweg beteiligten Katastrophen- Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie erklä- schutzämter vorher informiert werden? Oder bleibt ren Sie es sich, dass die Hamburger Bürgerschaft der Transport auch denen gegenüber streng ge- schon vor einigen Jahren eine Bürgerinformation heim? aufgebaut hat, um vor den Gefahren von Kern- brennstofftransporten durch die Stadt zu warnen? Präsident Hermann Dinkla: Meine zweite Frage: Welche völkerrechtlichen Herr Minister Schünemann, bitte! Verträge, Herr Sander, liegen den Atomtransporten zugrunde, und wie steht der Atomkonsens dazu? Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und Integration: Präsident Hermann Dinkla: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie Für die Landesregierung antwortet Herr Minister werden von der 48-Stunden-Meldung erfasst. Das Sander. heißt, wenn 48 Stunden vorher das Umweltministe-

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Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und der CDU: Er hat nicht etwas anders Klimaschutz: behauptet!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und - Ich wüsste nicht, dass ich etwas anderes behaup- Herren! Der Atomkonsens ist von der damaligen tet habe. Bundesregierung mit den Kernkraftbetreibern ab- geschlossen worden. Die Bundesregierung hat (Miriam Staudte [GRÜNE]: Wer ist sich den entsprechenden Verträgen dann interna- aus der Wiederaufarbeitung ausge- tional angeschlossen. Das ist also keine Frage, die stiegen?) wir als Land beeinflussen können. Das sind viel- - Dass die MOX-Transporte jetzt, Frau Kollegin mehr internationale völkerrechtliche Verträge, die Staudte, und Transporte in die Zwischenlager er- die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen folgen bzw. aus den Zwischenlagern heraus, ist hat. eine Folge des rot-grünen Ausstiegsbeschlusses. (Stefan Wenzel [GRÜNE]: Herr Minis- (Dörthe Weddige-Degenhard [SPD]: ter, die sind aber älter als von 2003! Weil wir den Müll wieder zurückneh- So ein Quatsch!) men müssen!) Aber man hat natürlich mit dem Atomkonsens - auch das muss man einmal klar und deutlich sa- Präsident Hermann Dinkla: gen - diese Atomtransporte hervorgerufen. Frau Kollegin Behrens von der SPD-Fraktion stellt (Beifall bei der CDU - Heiner Bartling eine weitere Zusatzfrage. [SPD]: Das ist doch Blödsinn!) Daniela Behrens (SPD): Präsident Hermann Dinkla: Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Meyer Angesichts der Tatsache, dass solche Atomtrans- von der SPD-Fraktion. porte in der Vergangenheit vor allen Dingen über Bremerhaven abgewickelt worden sind, frage ich Rolf Meyer (SPD): die Landesregierung: Hat sie sich erkundigt, wa- Herr Minister, das passt jetzt ja ganz gut. Sie ha- rum man sich nun für Cuxhaven entschieden hat, ben noch die Gelegenheit, das zu korrigieren, was und welche Erkenntnisse liegen ihr für diese Ände- Sie eben gesagt haben. rung der Häfen vor?

Würden Sie denn zustimmen, dass es eine völker- Präsident Hermann Dinkla: rechtliche Verpflichtung für die Bundesrepublik Herr Minister Schünemann! gibt, die Transporte aus Sellafield und La Hague zurückzunehmen? Für das, was Sie eben gerade behauptet haben, dass das einen Zusammenhang Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und mit dem Atomkonsens habe, besteht keine Grund- Integration: lage. Herr Präsident! Ich muss zurückweisen, dass es schon mehrere Seetransporte gegeben hat. Es (Beifall bei der SPD und bei den gab einmal einen im Jahr 1996 über Bremerhaven. GRÜNEN) Jetzt hat es eine Kaltübung in Cuxhaven gegeben. Der Transportweg insgesamt ist geheim. Das Präsident Hermann Dinkla: heißt, ich kann nicht bestätigen, dass der Trans- Herr Minister Sander, bitte! port definitiv über Cuxhaven stattfindet. Es kann durchaus Alternativen geben. Allerdings ist die Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und Alternative Cuxhaven aufgrund dieser Übung jetzt Klimaschutz: möglich. Ob das tatsächlich so stattfindet, ist eine Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Entscheidung des BfS. Herren! Herr Kollege Meyer, auf den ersten Teil Ihrer Frage kann ich ganz klar mit Ja antworten. Präsident Hermann Dinkla: Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion Bünd- (Rolf Meyer [SPD]: Sie haben vorher nis 90/Die Grünen stellt eine weitere Zusatzfrage. etwas anderes behauptet! - Zuruf von

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Ursula Helmhold (GRÜNE): Das Wort „Gorleben“ kam in meiner Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Frage nicht vor! - Weitere Zurufe - Umweltminister hat hier eben erklärt, Plutonium Glocke des Präsidenten) solle so lange in Kernkraftwerken verbrannt wer- den, bis es weg ist. Könnte er dem Haus bitte ein- Präsident Hermann Dinkla: mal erklären, wie das vor sich gehen soll? Herr Minister Sander, bitte! (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf: Dafür bekommt er den Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und Nobelpreis!) Klimaschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Präsident Hermann Dinkla: Herren! Herr Kollege Bartling, der Kompromiss Herr Minister Sander, bitte! bezieht sich auf die MOX-Elemente, die zurückge- nommen werden müssen. Das ist die Grundlage, Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und die in dem Ausstiegsbeschluss mit enthalten ist. Klimaschutz: (Heiner Bartling [SPD]: Herr Hilbers Herr Präsident! Vielleicht habe ich mich nicht deut- hat nach Atomtransporten von Sella- lich genug ausgedrückt. field und La Hague gefragt! - Gegen- (Doch! bei der SPD und bei den ruf von Christian Dürr [FDP]: Er hat GRÜNEN) doch gar nicht nach Gorleben gefragt! - Weitere Zurufe) - Warten Sie doch erst einmal! - Das gilt für alles, was an Plutonium in deutschen Kernkraftwerken Präsident Hermann Dinkla: erzeugt worden ist: Man hat sich darauf geeinigt, es so lange zu verbrennen, bis nichts mehr vor- Wenn jetzt wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, stellt handen ist. die Kollegin Staudte von der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen eine weitere Zusatzfrage. (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wie geht das technisch? Wie geht das denn?) Miriam Staudte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Minis- Präsident Hermann Dinkla: ter Sander, stimmen Sie mir in der Aussage zu, Herr Kollege Bartling von der SPD-Fraktion stellt dass wir, wenn es den Atomkonsens nicht gege- eine weitere Zusatzfrage. ben hätte und die Wiederaufarbeitung nicht been- (Heinz Rolfes [CDU]: Bartling, der Plu- det worden wäre, in Zukunft noch mehr MOX- toniumexperte! - Weitere Zurufe) Elemente aus dem Ausland zurücknehmen müss- ten? - Herr Kollege, Sie sollten sich etwas Zeit nehmen, bis im Plenarsaal etwas mehr Ruhe eingekehrt ist. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) Heiner Bartling (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich Präsident Hermann Dinkla: frage die Landesregierung, wie sie die Antwort des Herr Minister Sander, bitte! Herrn Umweltministers auf die konkrete Frage des Abgeordneten Hilbers bewertet, der ihn fragte, ob Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und der Transport des Atommülls von Sellafield und La Klimaschutz: Hague nach Gorleben eine Folge des Atomkom- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und promisses von 2000 ist, obwohl es schon vor dem Herren! Nochmals: Diese Verpflichtung gibt es erst Jahre 2000 Gorleben-Transporte von Sellafield aufgrund des Atomkonsenses. und La Hague gegeben hat und dies eine eindeu- tige Folge von völkerrechtlichen Verpflichtungen (Lachen bei den GRÜNEN - Hans- der Bundesrepublik ist und nichts mit dem Atom- Christian Biallas [CDU]: Das wollt ihr kompromiss von 2000 zu tun hat. nur nicht hören! Das ist ja das Peinli- che! Andere vorführen, aber selbst (Beifall bei der SPD und bei den keine Verantwortung tragen!) GRÜNEN - Reinhold Hilbers [CDU]:

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Es lautet in etwa ähnlich - meine Mitarbeiter haben Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und es mir deshalb auch schriftlich gegeben; vielleicht Klimaschutz: nehmen Sie das dann zur Kenntnis -: Die Rück- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und nahme des Plutoniums soll in Form von Misch- Herren! Herr Kollege Hagenah, das hätte passie- oxidbrennelementen erfolgen, die als Kernbrenn- ren können. Aber die Verpflichtung dazu gibt es stoff eine Mischung aus Uranoxid und Plutonium- erst seit dem Konsens von Rot-Grün. oxid enthalten.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ja, und? Präsident Hermann Dinkla: Was beweist das jetzt?) Weitere Wortmeldungen zur Frage 1 liegen mir nicht vor. Präsident Hermann Dinkla: Ich rufe die Frage 2 auf, die der Abgeordnete Pat- Herr Kollege Hagenah von der Fraktion Bünd- rick Humke-Focks gestellt hat: nis 90/Die Grünen stellt eine weitere Zusatzfrage.

Enno Hagenah (GRÜNE): Welche Haltung hat die Landesregierung be- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und züglich der drohenden Veränderung bei den Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem neonatologischen Versorgungsstufen Level I Hintergrund, dass die Bundesrepublik Deutschland und II im Flächenland Niedersachen? aufgrund des Ausstiegs der CDU/CSU-FDP- Bundesregierung aus der eigenen Wiederaufarbei- tung von Kernbrennstoffen auf eine außerhalb Dazu erteile ich ihm das Wort. Deutschlands durchzuführende Wiederaufberei- (Unruhe) tung umgestiegen ist, - Herr Kollege, vielleicht sollten Sie noch etwas (Christian Dürr [FDP]: Wovon reden warten, bis wieder ein bisschen Ruhe eingetreten Sie jetzt eigentlich, Herr Hagenah? ist. Die Gespräche am Rande des Plenarsaals Was ist Ihre Frage?) sollten möglichst draußen weitergeführt werden. - Bitte schön! inwieweit die MOX-Elemente, die jetzt nach Deutschland zurückgeliefert werden, aufgrund des Patrick-Marc Humke-Focks (LINKE): Ausstiegs von CDU/CSU und FDP aus der Wie- deraufbereitung im eigenen Land zurückgeliefert Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollege! Ich werden verlese jetzt meine Anfrage:

(Björn Thümler [CDU]: Darum geht es Im Dezember 2008 hat der Gemeinsame Bundes- doch gar nicht! - Christian Dürr [FDP]: ausschuss (G-BA) erstmals eine Mindestmengen- Das ist doch gar nicht Teil der Frage!) regelung mit Regelmäßigkeitsziffer für die Versor- gung von kleinen Frühgeborenen eingeführt. Diese und, weil sie wiederaufbereiteter deutscher Müll besagt, dass das Zeitintervall zwischen den Auf- sind, aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtung, nahmen dieser Frühgeborenen durchschnittlich die aufgrund der Vereinbarung von CDU/CSU und weniger als 30 Tage zu betragen hat. Kliniken, die FDP heute noch auf uns lastet, von Deutschland diese Regelmäßigkeitsziffer in der Versorgung von angenommen werden müssen. kleinen Frühgeborenen nicht erreichen, verlieren damit den jeweiligen Status der Versorgungsstufe. (Christian Dürr [FDP]: Das hat doch Inzwischen wird im G-BA sogar eine Erhöhung der damit gar nichts zu tun! - Björn Thüm- Mindestmengenregelung diskutiert. ler [CDU]: Es geht um Umschlag in Cuxhaven!) Allerdings wird bereits die bestehende Mindest- mengenregelung in Niedersachsen dazu führen, Vielen Dank. dass von den aktuell 31 Kinderkliniken mit neo- (Beifall bei den GRÜNEN) natologischer Versorgung Level I bis III langfristig nur noch fünf Kliniken mit dem Level I erhalten Präsident Hermann Dinkla: bleiben. Die Verhandlung mit den Krankenkassen hat kürzlich für Stade ergeben, dass man der dor- Herr Minister Sander, bitte! tigen Kinderklinik und damit der Neonatologie den

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Level I formal aberkannt hat. Das bedeutet, dass kleiner Frühgeborener (unter 1 500 g) entgegen- eine Vergütung bei Versorgung einerseits nicht zuwirken? erfolgt, andererseits - streng genommen - die Klinik 2. Sieht die Landesregierung in der Einführung von diese Frühgeborenen auch nicht mehr versorgen Mindestmengen mit einer Regelmäßigkeitszahl ein darf, den Notfall ausgeschlossen. sinnvolles Qualitätskriterium in der Versorgung Für Niedersachsen bedeutet der Fortlauf dieser kleiner Frühgeborener? Entwicklung, dass Frühgeborene unter 1 500 g 3. Wie beurteilt die Landesregierung langfristig die zukünftig nur noch in fünf Zentren versorgt werden Qualität der medizinischen Versorgung nicht nur dürfen. Für weite Teile Ostfrieslands und des west- kleiner, sondern auch reifer kranker Neugeborener lichen Niedersachsens führt das zu erheblichen bei konsequenter Umsetzung des G-BA-Beschlus- Problemen für die betroffenen Frauen und Famili- ses? en. Wenn etwa mit der 21. Schwangerschaftswo- che wiederkehrend vorzeitige Wehen auftreten, (Beifall bei der LINKEN) wären mehrfach lange Strecken zurückzulegen, was zusätzlich belastend wirkt und damit als Präsident Hermann Dinkla: kontraindiziert bezeichnet werden kann. Zusätzli- Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin che starke Belastungen entstünden auch in den Ross-Luttmann. Ich erteile ihr das Wort. Fällen von sehr kleinen Frühgeburten, bei denen bereits Geschwister vorhanden und zu versorgen Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- sind. les, Frauen, Familie und Gesundheit:

Es bleibt seitens aller Verantwortlichen kritisch zu Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten hinterfragen, ob die Orientierung an Mindestmen- Damen und Herren! Bei diesem speziellen medizi- gen ein adäquater Umgang mit der Problematik nischen Thema geht es um die Versorgung von Frühgeburten darstellt. Einerseits sind Frühgebur- Kindern mit einem Geburtsgewicht unter 1 500 g. ten keine planbare Größe - das Beispiel der Mehr- Lassen Sie mich vorweg einige Begriffe erläutern: lingsgeburten zeigt, wie Fallzahlen extremen Der Gemeinsame Bundesausschuss unterscheidet Schwankungen unterliegen -, andererseits kann vier Stufen bei der Versorgung von Früh- und diese Regelung falsche Anreize für die Kliniken Neugeborenen: geben; schließlich gilt es, Frühgeburten zu verhin- dern bzw. sie hinauszuzögern. − Level IV - Geburtskliniken. − Level III - Perinatale Schwerpunkte: Geburtskli- Ein weiterer Aspekt ist die Qualität der kinderärztli- niken mit einer Kinderklinik im Haus oder Ge- chen Versorgung von Neugeborenen im Allgemei- burtskliniken, die mit einer Kinderklinik kooperie- nen. In die neonatologische Versorgung sind auch ren. jene Geburten von Kindern einzubeziehen, die zwar reif, aber dennoch krank sind. − Perinatalzentren Level II: Hier werden Frühgebo- rene mit einem Geburtsgewicht zwischen Im Nachbarland Schleswig-Holstein hat bezüglich 1 250 g und 1 499 g versorgt. der Mindestmengenregelung ein Umdenken statt- gefunden. Bei konsequenter Umsetzung der Min- − Perinatalzentren Level I: Hier werden Frühgebo- destmengenregelung blieben für die höchste Ver- rene mit einem Geburtsgewicht von unter sorgungsstufe (Level I) nur die Universitätsklinik 1 250 g versorgt. Kiel und Lübeck übrig. Nachdem kürzlich der so- Für beide zuletzt genannten Levels ist ein haupt- genannte Schweinegrippeerreger H1N1 zur tempo- amtlicher Arzt für Neonatologie und einer für Spe- rären Schließung der Geburtenklinik in Lübeck zielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin erforder- geführt hatte, zeigte sich ein weiteres Risiko der lich. Zentralisierung der Neonatologie, das in unverant- wortbaren potenziellen Kapazitätsengpässen aus- In der Anfrage geht es also um Neugeborene mit zumachen ist. einem Geburtsgewicht unter 1 500 g und somit um die Versorgungsstufen Level I und II. Ich frage die Landesregierung: Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Nie- 1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, dersachsen hatten im letzten Jahr 678 Kinder ein um dem Abbau der flächendeckenden Versorgung Geburtsgewicht von weniger als 1 500 g. Das ist

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bei rund 62 000 Geburten ein Anteil von gerade mit einem Beratungs- und Qualitätskonzept zu einmal 1,1 %. Der Gemeinsame Bundesausschuss verbinden, beabsichtigen wir, in konkrete Planun- hat erstmals zum 1. Januar 2006 Anforderungen gen einzutreten. an die Struktur- und Prozessqualität bei Frühgebo- renen definiert und damals die Unterteilung in die Zu 2: Ab 2010 wird es keine Regelmäßigkeitszah- eben genannten vier Stufen festgelegt. len, sondern nur noch Mindestmengen geben. Und bei den Mindestmengen wird es zudem entschei- Auf dieser Grundlage wurden im letzten Jahr Früh- dend auf das angebotene Qualitäts- und Bera- geborene in 31 Perinatalabteilungen niedersächsi- tungskonzept ankommen. So soll nach Pressemit- scher Krankenhäuser versorgt. Der G-BA-Be- teilung des G-BA bis Ende des Jahres 2009 zu- schluss von 2005 wurde mit einem weiteren Be- nächst die Mutterschaftsrichtlinie mit dem Ziel schluss vom 18. Dezember 2008 konkretisiert. Mit überarbeitet werden, eine Risikoschwangerschaft Wirkung vom 1. April 2009 wurde eine Regelmä- genauer zu definieren. Betroffene Frauen, bei de- ßigkeitszahl von durchschnittlich zwölf Behandlun- nen eine Frühgeburt absehbar ist, sollen dann gen als Voraussetzung für die Versorgung von noch zielgerichteter dahin gehend beraten werden, kleinen Frühgeborenen eingeführt. rechtzeitig eine auf die Geburt von Früh- und Neu- Am 20. August 2009 - mithin letzte Woche - hat geborenen spezialisierte Klinik aufzusuchen. Mei- nun der Gemeinsame Bundesausschuss be- ner Meinung nach wird gerade die Verbindung von schlossen, dass ab dem 1. Januar 2010 eine ver- Mindestmenge und Qualitäts- und Beratungskon- bindliche Mindestmenge von 14 Fällen pro Jahr die zept zu einer weiteren Optimierung führen, vor Voraussetzung dafür sein soll, dass Krankenhäu- allem vor dem Hintergrund, das Überleben dieser ser auch weiterhin Frühgeborene versorgen dür- Kinder zu sichern und eine lebenslange Behinde- fen. Diese Information haben wir einer Pressemit- rung möglichst zu vermeiden. teilung des G-BA vom 21. August 2009 entnom- men; der endgültige Beschluss liegt uns noch nicht Zu 3: In dieser Frage geht es um den Level III, vor. Er bleibt natürlich in seinen Begründungen d. h. den der perinatalen Schwerpunkte. Zwischen abzuwarten. der neonatologischen Versorgung und der Versor- gung kranker reifer Neugeborener besteht ein Ich möchte aber aufbauend auf dieser Pressemit- enormer Unterschied. Perinatale Schwerpunkte teilung die Fragen namens der Landesregierung sollen in der Lage sein, plötzlich auftretende, un- wie folgt beantworten: erwartete neonatologische Notfälle adäquat zu Zu 1: Bei der Versorgung von Frühgeborenen un- versorgen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in ter 1 500 g hat die bestmögliche medizinische Niedersachsen flächendeckend und wohnortnah Versorgung in unseren Krankenhäusern oberste ein Netz von 34 kinderheilkundlichen Abteilungen Priorität bei möglichst familiennaher Erreichbarkeit. mit insgesamt 1 490 Betten haben. Diese kleinen Babys stellen an das Personal, aber (Beifall bei der CDU und bei der FDP) auch an die Technik extreme Anforderungen. Des- halb brauchen wir hierfür medizinisch-technisch hervorragend ausgestattete Krankenhäuser mit Präsident Hermann Dinkla: einem hohen Maß an ärztlicher und pflegerischer Eine erste Zusatzfrage möchte die Kollegin König Erfahrung. von der Fraktion DIE LINKE stellen. Wenn wir die Geburtszahlen 2008 zugrunde legen, ist nach vorsichtiger Einschätzung davon auszu- Marianne König (LINKE): gehen, dass in Niedersachsen zwölf Krankenhäu- ser die Mindestzahl, die jetzt vom G-BA festgesetzt Vor dem Hintergrund der Gesamtkonstellation und wurde, erreichen. Ein weiteres Krankenhaus liegt der Begleitumstände - Versorgung der Familie, nur um einen Fall darunter. Neben diesen zwölf fehlender Nahverkehr und geringes soziales Ein- neonatologischen Einrichtungen, die 2008 die kommen - frage ich die Landesregierung, wie sie Mindestmenge von 14 erreicht haben, erwarten die Entfernung dieser Frühchen zur Mutter, zu den wir, dass vor dem Hintergrund einer familiennahen Geschwistern und zur Familie bewertet. Erreichbarkeit und hoher Fachlichkeit weitere Ein- richtungen die Voraussetzungen erfüllen werden. Präsident Hermann Dinkla: Weil der G-BA am 20. August 2009 auch be- Frau Ministerin, bitte! schlossen hat, die Einführung einer Mindestmenge

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Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- wenn die Notwendigkeit dieser engen Bindung les, Frauen, Familie und Gesundheit: anerkannt ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren! In die- (Beifall bei der CDU) sem Bereich einer sehr hoch spezialisierten medi- zinischen Versorgung werden wir immer vor dem Präsident Hermann Dinkla: Zielkonflikt stehen, auf der einen Seite auf sehr Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Humke- hohem Niveau mit hoher technischer Ausstattung Focks von der Fraktion DIE LINKE. und hoher Qualifikation des medizinischen und pflegerischen Personals die bestmögliche und Patrick-Marc Humke-Focks (LINKE): optimale Versorgung der kleinen Frühchen und auf Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der anderen Seite auch eine möglichst familienna- Ich habe eine Nachfrage an Sie, Frau Ross- he Erreichbarkeit sicherzustellen. Wenn Sie mir Luttmann: Wie schätzt die Landesregierung die eben aufmerksam zugehört haben, werden Sie Möglichkeit ein, dass sich die von Ihnen genannten festgestellt haben, dass die Mindestmengen, die 34 Standorte bei der konsequenten Umsetzung der G-BA festgelegt hat, darauf abstellen, dass des zu erwartenden Beschlusses erhalten lassen? Erfahrung ein ganz entscheidender Faktor ist, um das Überleben kleiner Frühchen zu ermöglichen. Meine zweite Frage ist: Wie beurteilt die Landes- regierung langfristig die Entwicklung der Fort- und (Zustimmung von Silva Seeler [SPD]) Weiterbildung im Schwerpunkt der Neonatologie Für mich stehen diese kleinen Wesen, die zu ei- angesichts der Tatsache, dass künftig deutlich nem sehr frühen Zeitpunkt auf die Welt gekommen weniger Standorte vorhanden sind? Wirkt sich dies sind, im Vordergrund. Ihnen möchte ich die optima- aus Ihrer Sicht negativ auf dieses spezielle Fach- len Startbedingungen geben, die ein Überleben gebiet aus? möglichst ohne Spätfolgen garantieren, damit sie ein tolles Leben haben können. - Das ist der eine Präsident Hermann Dinkla: Bereich. Frau Ministerin, bitte!

Der andere Bereich, der genauso wichtig ist, ist für Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- die kleinen Frühchen auch der Kontakt zur Mutter les, Frauen, Familie und Gesundheit: und zum Vater, das so genannte Cocooning, das Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und auch für die psychische Reife des Kindes unglaub- Herren! Nach meinem Kenntnisstand gibt es genü- lich entscheidend ist. Deshalb ist es wichtig, dass gend Fortbildungsangebote. wir bei den Planungen, die wir aufnehmen werden, versuchen wollen, eine familiennahe Erreichbarkeit Zu dem, was Sie am Anfang ausgeführt haben, sicherzustellen. möchte ich sagen: Die Krankenhäuser, die schon jetzt die Level I und II haben, sind im medizini- Sie haben eben gehört, dass auch jetzt schon schen und technischen Bereich unglaublich gut zwölf Kliniken die Voraussetzungen erfüllen. Wir ausgestattet. Wir werden natürlich alles dafür tun, werden genau schauen müssen, in welchen Berei- damit wir - ausgehend von den Mindestzahlen - chen wir Standorte, die bereits jetzt bestehen, eine flächendeckende Versorgung bekommen. auch weiterhin bestehen lassen können. Dies hängt aber ganz entscheidend davon ab, wie der Daran, dass wir einige sehr große Kliniken - bei- Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses spielsweise in Oldenburg, die Kinderklinik auf der letztlich ausgestaltet ist. Den müssen wir uns erst Bult, die MHH, die Uni Göttingen und das Städti- einmal genau angucken. sche Klinikum Braunschweig, um nur ein paar zu nennen - mit weit über 30 Geburten im Jahr haben, Sie sprachen zu Recht die Situation von Müttern werden Sie unschwer ersehen können, dass wir für und Vätern an, die kein ausreichendes Einkommen eine flächendeckende Versorgung bei schon jetzt haben, um täglich weite Fahrtstrecken überwinden 678 Fällen pro Jahr eine gewisse Anzahl von Klini- zu können. Da gibt es sowohl im Bereich des ken brauchen, damit wir die Versorgung der Klei- SGB V - Ansprüche gegen die gesetzlichen Kran- nen auch weiterhin auf diesem hohen Niveau si- kenkassen - als auch im Bereich der ergänzenden cherstellen können. Sozialhilfe die Möglichkeit, dass beispielsweise Fahrtkosten übernommen werden oder eine Mutter (Beifall bei der CDU) zeitweilig bei ihren Kindern mit untergebracht wird,

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Präsident Hermann Dinkla: möchte ich die Frage stellen, wie Sie langfristig die Frau Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE Fortbildungsmöglichkeiten für Fachärzte in diesem LINKE stellt eine weitere Zusatzfrage. Fachgebiet gewährleisten, wenn die Level I und II ausgedünnt werden. Pia-Beate Zimmermann (LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich Präsident Hermann Dinkla: frage die Landesregierung: Wie bewertet sie das Frau Ministerin, bitte! Umdenken der Kassen in Schleswig-Holstein, und wie bewertet sie an diesem Beispiel die Gefahr von Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- Kapazitätsengpässen in Niedersachsen? les, Frauen, Familie und Gesundheit: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Präsident Hermann Dinkla: Herren! Wenn es uns gelingt, 12 + x Einrichtungen Frau Ministerin, bitte! zu haben - ich möchte gerne + x Einrichtungen -, die die Kleinen künftig im Bereich Level I und II Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- versorgen, dann reichen die Fortbildungsangebote les, Frauen, Familie und Gesundheit: aus. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und (Beifall bei der CDU) Herren! Ich werde keine Bewertung von Aussagen einer Krankenkasse eines anderen Bundeslandes Präsident Hermann Dinkla: vornehmen. Im Verhältnis zu Schleswig-Holstein haben wir hier in Niedersachsen deutlich mehr Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion Bünd- Krankenhäuser. Wir haben vor allen Dingen eine nis 90/Die Grünen stellt eine weitere Zusatzfrage. große Anzahl von Krankenhäusern, die schon jetzt die kleinen Patienten in den Bereichen Level I und Ursula Helmhold (GRÜNE): II versorgen. Ich gehe davon aus, dass es unser Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor aller Interesse ist - das Interesse des Landes, der dem Hintergrund der Tatsache, dass es unstrittig Krankenkassen und der Krankenhausgesell- ist, dass jemand, der eine bestimmte Menge von schaft -, diesen kleinen Wesen die bestmögliche Eingriffen ausführt, mehr Erfahrungen hat und von Versorgung anzubieten. Dafür, meine sehr geehr- daher eine höhere Qualität haben kann, frage ich ten Damen und Herren, trete ich ganz entschieden die Landesregierung, in welchen anderen Berei- ein. chen es Mindestmengen gibt. Vielleicht können Sie (Beifall bei der CDU und Zustimmung das einmal an Beispielen festmachen. Welche von Silva Seeler [SPD]) Mindestmengen muss eine Klinik erfüllen, um z. B. Kniegelenke operieren zu dürfen? Präsident Hermann Dinkla: Der Kollege Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE Präsident Hermann Dinkla: stellt eine weitere Zusatzfrage. Frau Ministerin, bitte!

Dr. Manfred Sohn (LINKE): Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau les, Frauen, Familie und Gesundheit: Ross-Luttmann, ich habe eine Nachfrage zur Fort- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und bildungssituation. In diesem Zusammenhang ha- Herren! Die Frage, die Sie eben gestellt haben, ben Sie eben gesagt, wenn ich mir das richtig no- Frau Helmhold, weicht absolut von der Kleinen tiert habe, es gebe genügend Fortbildungsangebo- Anfrage ab. te. Nach meiner Kenntnis ist die sogenannte Wei- terbildungsermächtigung für Fachärzte in diesem (Beifall bei der CDU - Ursula Körtner Bereich wie auch in anderen Bereichen daran ge- [CDU]: Ganz genau!) bunden, dass Praxismöglichkeiten für die Level I Gestatten Sie mir, dass ich als Nichtmedizinerin und II vorliegen. Wenn diese Levels nun zurückge- und Juristin nur ein Beispiel nenne, das mir geläu- fahren werden, fig erscheint - dies wurde hier gerade schon ge- (Heinz Rolfes [CDU]: Die werden nicht sagt -: Kniegelenk und Hüfte. Da gibt es, soweit ich zurückgefahren!) weiß, eine Mindestmenge von 50.

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Präsident Hermann Dinkla: Präsident Hermann Dinkla: Frau Kollegin Flauger von der Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Perli von der Fraktion DIE LINKE stellt eine weitere Zusatzfrage. stellt eine weitere Zusatzfrage.

Kreszentia Flauger (LINKE): Victor Perli (LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Zentralisierung der Frühgebo- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau renenversorgung frage ich die Landesregierung, Ministerin, hat die Landesregierung Kenntnisse wie sie das Problem bewertet, dass mehrfaches darüber, ob es neben Schleswig-Holstein weitere Reisen bei vorzeitigen Wehen medizinisch Bundesländer gibt, die den G-BA-Beschluss zur kontraindiziert ist und Niedersachsen nun einmal sogenannten Mindestmengenregelung nicht kon- ein Flächenland ist. sequent umsetzen?

Präsident Hermann Dinkla: Präsident Hermann Dinkla: Frau Ministerin, bitte! Frau Ministerin, bitte! Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- les, Frauen, Familie und Gesundheit: Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und les, Frauen, Familie und Gesundheit: Herren! Ich bin keine Ärztin und kann dies nicht Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und beurteilen. Ich will Ihnen nur eines sagen: Die Ärz- Herren! Herr Perli, ich habe den Eindruck, wir re- tin bzw. der Arzt hat die Verantwortung für den den jetzt aneinander vor. Dieser G-BA-Beschluss Patienten, in diesem Fall für die Patientin. Die Ärz- ist am 20. August getroffen worden und wird zum tin bzw. der Arzt wird alles dafür tun, damit das 1. Januar 2010 umgesetzt. Das heißt, wir müssen werdende Leben möglichst lange im Mutterleib uns erst einmal die Begründung sehr genau angu- verbleibt, was für das werdende Leben das Beste cken. Dann müssen wir in die Planungen eintreten, ist. wie wir das, was der G-BA als Selbstverwaltungs- Aus diesem Grund wird die behandelnde Ärztin körperschaft begründet hat, in Niedersachsen um- bzw. der behandelnde Arzt sehr genau überlegen: setzen. Sind Reisen zumutbar, damit die Frau zu Hause bleiben kann, oder muss die werdende Mutter Ich weiß - wir haben ja auch jetzt eine Rechtsla- stationär aufgenommen werden, um diese Reisen ge -, dass es gewisse Bundesländer wie bei- zu vermeiden? - Dies, meine sehr geehrten Damen spielsweise Nordhrein-Westfalen und Hessen gibt - und Herren, wird jeweils der behandelnde Arzt auch Berlin hat ja versucht, hier einen Sonderweg entscheiden müssen. zu gehen -, die immer wieder überlegen, was man tun kann, damit die Kleinen die bestmögliche Ver- In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die sorgung bekommen. Im Moment ist es sehr Mutterschaftsrichtlinie überarbeitet wird. In der schwierig, das zu entscheiden, weil es keine um- Mutterschaftsrichtlinie wird dann nämlich deutlich fangreichen Studien gibt, die den Zusammenhang formuliert, was eine Ärztin bzw. ein Arzt bei Risiko- zwischen Mindestmenge und Qualität belegen. schwangerschaften tun muss, die sie bzw. er er- Dabei ist für mich eigentlich klar: Je erfahrener ein kannt hat. Risikoschwangerschaften können immer Arzt ist, desto höher ist für mich auch die Lebens- zwei Auslöser haben: Zum einen kann der Auslö- chance eines Kindes. ser in der Mutter selbst begründet liegen. Zum anderen kann der Auslöser aber auch in dem wer- Mir ist sehr daran gelegen, dass wir uns den G-BA- denden Leben begründet sein. Das heißt also, die Beschluss sehr genau anschauen und dann zügig Ärztin bzw. der Arzt muss sehr genau wissen, wie in Planungen eintreten, wie wir den von Ihnen ein- engmaschig die Betreuung und Versorgung der gangs geschilderten Zielkonflikt zwischen hoch Mutter sein muss. Dies ist letzten Endes in die spezialisierter Versorgung auf der einen Seite und Entscheidungsgewalt des jeweiligen behandelnden einer möglichst familiennahen Erreichbarkeit auf Arztes zu geben. der anderen Seite möglichst eng gestalten. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei der CDU)

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Diese Studie hatte den Auftrag, sich auch vor dem Präsident Hermann Dinkla: Hintergrund der geplanten Beratungen des Ge- Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis meinsamen Bundesausschusses mit der Frage- 90/Die Grünen stellt eine weitere Zusatzfrage. stellung zu beschäftigen, die Sie gerade ange- sprochen haben, Frau Helmhold. Der methodische Ursula Helmhold (GRÜNE): Ansatz war, sich die Studien und die Schriften, die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der es bisher zu diesem Thema gibt, genau anzuse- Vorbereitung auf dieses Thema habe ich gelesen, hen. Die Studie kommt zu zwei Ergebnissen. Zum dass beispielsweise in Schweden, wo die Behand- einen sagt sie - ich zitiere jetzt wörtlich -: lung auf wenige Zentren begrenzt ist, die Überle- „Allerdings weisen die Daten in der benschance von Frühgeborenen um 30 % höher Gesamtschau auf einen statistischen ist als in Deutschland. Sind Ihnen weitere Studien Zusammenhang zwischen der Leis- dieser Art und auch Äußerungen von Neonatolo- tungsmenge und der Ergebnisqualität gen bekannt, die besagen, dass in Deutschland bei VLBW-Kindern hin, dergestalt, viel mehr Frühchen, und zwar auch mit großer dass sich bei höherer Leistungsmen- Lebensqualität, überleben könnten, wenn die Be- ge die Ergebnisqualität verbessert.“ handlung nur in spezialisierten Zentren erfolgen würde? Zum anderen zieht die Studie aber auch das Fazit, dass Aussagen über spezifische Schwellenwerte (Zustimmung von Miriam Staudte aufgrund der vorliegenden Datenlage keine siche- [GRÜNE]) re wissenschaftliche Basis haben. Dies resultiert natürlich zum Teil auch daraus, dass der Gemein- Präsident Hermann Dinkla: same Bundesausschuss mit Wirkung vom 1. Janu- Frau Ministerin, bitte! ar 2006 überhaupt erstmals Prozess- und Struk- turqualitäten festgelegt hat. Von daher ist der Zeit- Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- raum, innerhalb dessen man vergleichende Stu- les, Frauen, Familie und Gesundheit: dien hätte durchführen können, vergleichsweise Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und kurz. Herren! Es gibt im europäischen Raum verglei- Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass chende Untersuchungen darüber, in welchem Um- für die Versorgung der kleinen Frühchen neben fang im Verhältnis zu den Gesamtgeburtszahlen einer guten Technik vor allen Dingen das Personal neonatologische Einrichtungen in unterschiedli- und damit die Erfahrung eine Rolle spielt. Dem chen europäischen Ländern vorhanden sind. Wir Wort Erfahrung wohnt bereits inne, dass man Er- stellen fest, dass in Deutschland eine relativ hohe fahrung am ehesten dadurch bekommt, dass man Dichte gegeben ist. - Das ist der erste Punkt. es mit sehr vielen Frühchen zu tun hat, denen man eine sichere Lebensgrundlage bietet. Ein zweiter Punkt. Es gibt - da haben Sie recht - Äußerungen ganz unterschiedlicher Art zu der (Beifall bei der CDU, bei der FDP und Frage des Zusammenhangs von Qualität, Min- bei den GRÜNEN) destmengen und Erfahrungen in Zentren auf der einen Seite und in Krankenhäusern auf der ande- Präsident Hermann Dinkla: ren Seite. Es gibt dazu verschiedene Studien und Frau Kollegin Flauger von der Fraktion DIE LINKE Untersuchungen. Ich habe beispielsweise eine stellt eine weitere Zusatzfrage. Studie aus Baden-Württemberg gelesen. Dort wur- de in einer vergleichenden Studie dargestellt, wie Kreszentia Flauger (LINKE): die Überlebenschancen von Kindern in Kranken- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor häusern und Zentren sind. Es wurde festgestellt, dem Hintergrund, dass Ministerin Ross-Luttmann dass die Überlebenschancen bei ganz kleinen meine Frage bezüglich des Problems des mehrfa- Frühchen, die unterhalb der 26. Schwanger- chen Reisens bei vorzeitigen Wehen in einem schaftswoche geboren wurden, in Zentren signifi- Flächenland und bezüglich einer Zentralisierung kant höher sind als in Krankenhäusern. der Frühgeborenenversorgung mit dem Hinweis Ich habe den Abschlussbericht einer Studie des auf die Verantwortung der Ärzte und deren Gestal- Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge- tungsmöglichkeiten beantwortet hat, frage ich die sundheitswesen vom 14. August 2008 vorliegen. Landesregierung, wo sie ihre Verantwortung sieht,

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durch die entsprechenden Strukturen dafür zu Präsident Hermann Dinkla: sorgen, dass die angesprochene Aufgabe von den Frau Kollegin, Sie müssen jetzt allerdings zu Ihrer Ärzten mit möglichst hohen Erfolgschancen wahr- Frage kommen. genommen werden kann. (Beifall bei der LINKEN) Silva Seeler (SPD): Ich weiß. - Ich kann überhaupt nicht verstehen, Präsident Hermann Dinkla: wieso Sie von der Fraktion DIE LINKE hier einer Frau Ministerin, bitte! Zentralisierung widersprechen. Ich glaube, es ist vernünftig, dass man diese Kinder - - - Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- les, Frauen, Familie und Gesundheit: Präsident Hermann Dinkla: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Frau Kollegin, ich sage nochmals: Jetzt muss die Herren! Sehr geehrte Frau Flauger, eines ist doch Frage kommen. völlig klar: Die Politik ist gefordert, die Rahmenbe- dingungen zu setzen, innerhalb derer die Hand- Silva Seeler (SPD): lungsträger entscheiden können. - - - optimal versorgt. Ich frage die Landesregie- (Beifall bei der CDU) rung deshalb: Wo gibt es in Niedersachsen Kran- kenhäuser, die gleichzeitig Mutter-Kind-Einrichtun- Ich hatte gesagt, der erste Schritt sei die Überar- gen haben? beitung der Mutterschaftsrichtlinie. Das ist Sache des Bundes. Das Zweite ist, das wir dann, wenn (Beifall bei der SPD und bei den wir wissen, wie die Ausformulierungen des Be- GRÜNEN) schlusses des G-BA aussehen, in ganz konkrete Planungen mit den Verantwortlichen vor Ort treten. Präsident Hermann Dinkla: Wenn wir diesen Rahmen haben, kann innerhalb Frau Ministerin! dieses Rahmens selbstverständlich eine gute Be- treuung sichergestellt werden. Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Sozia- (Heinz Rolfes [CDU]: Wieso ist das les, Frauen, Familie und Gesundheit: eigentlich so schwer zu verstehen?) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Seeler, ich bin Ihnen für Ihre Ausfüh- Präsident Hermann Dinkla: rungen ausgesprochen dankbar, weil Sie von der Frau Kollegin Seeler von der SPD-Fraktion stellt persönlichen Betroffenheit her genau den Punkt eine weitere Zusatzfrage. aufgreifen, um den es tatsächlich geht: Wie kön- nen wir es schaffen, die bestmögliche Versorgung Silva Seeler (SPD): dieser kleinen Wesen sicherzustellen? Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Ich hatte eingangs ja mehrfach ausgeführt, dass kleinste Enkeltochter ist eines dieser Frühchen. Sie dafür die technische Ausstattung und das medizi- ist mit einem Hubschrauber in die Uniklinik geflo- nische Personal ganz entscheidend sind. Den gen worden. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank. Zielkonflikt zwischen Zentralisierung und einer Ich halte es als betroffene Großmutter für wichtig, familiennahen Erreichbarkeit werden wir letzten dass diese Kinder optimal versorgt werden kön- Endes nicht in jedem Einzelfall zufriedenstellend nen. Das kann nicht in einer Klinik geschehen, in auflösen können. der ein solcher Fall nur einmal im Monat oder viel- leicht sogar nur einmal in zwei Monaten vorkommt. Frau Seeler, es gibt einige Kliniken, in denen das Ich wäre froh, wenn wir, wie es in vielen Kliniken Angebot besteht, dass die Mütter bei ihren kleinen inzwischen Fakt ist, es erreichen würden, dass die Kindern untergebracht werden. Wir werden über Eltern in solchen Stationen, wie sie z. B. von Mc- diese Frage, wie ich glaube, noch weiter sprechen Donald’s oder anderen Organisationen in den können. Ich hatte ausgeführt, dass die Kranken- Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden, kassen dann, wenn es notwendig ist, dass die bei ihren Kindern sein können, wenn solch eine Mütter bei ihren Kindern bleiben, dafür auch die Situation, wie sie hier geschildert wurde, eintritt. Kosten übernehmen. Natürlich werden nicht die Kosten für reine Besuchsfahrten getragen; im Falle einer Notwendigkeit werden sie allerdings getra-

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gen. Es werden auch die Fahrtkosten getragen, Trotz seiner am Beispiel der B 444, Ortsdurchfahrt wenn es notwendig ist. Das ergibt sich zum einen Nettlingen - das ist bei Hildesheim -, präzise do- aus dem SGB V - das ist das Gesetz, das sich mit kumentieren Abrechnungsfehler - wie mehrheitlich der Leistungspflicht der Krankenkassen beschäf- nicht korrekte Aufmaße, zu beanstandende Liefer- tigt - und zum anderen aus dem Sozialgesetzbuch, scheine und zu beanstandende Nachweise - kam wenn die Mütter und Väter nicht über ausreichen- es während seiner Tätigkeit zu keiner Aufklärung. des Einkommen verfügen und die vorrangige Leis- Er hatte den Eindruck, dass die Vorgesetzten und tungspflicht der Krankenkassen nicht eintritt. die eingeschaltete Innenrevision des Wirtschafts- ministeriums die Abrechnungsfehler zulasten der (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Landes- und Bundeskasse nicht ernst nahmen oder gar verschleiern wollten. Präsident Hermann Dinkla: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich (Helge Limburg [GRÜNE]: Unerhört!) stelle fest, es ist 10.30 Uhr. Damit ist die Frage- Obwohl aufgrund der Interventionen des Petenten stunde für diesen Tagungsabschnitt beendet. beim Bundesverkehrsministerium im September Die Antworten der Landesregierung zu den Anfra- 2007 bereits über 5 500 Euro von der ausführen- gen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konn- den Baufirma zurückgefordert werden konnten, ten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäfts- enthielt die mir im März 2008 übersandte erste ordnung zu Protokoll gegeben. Stellungnahme des Ministeriums Vorhaltungen gegenüber dem Petenten, Herrn Rothstein. Ich leite zur Fortsetzung der Beratung des Tages- ordnungspunktes 2 über: Er habe sich bei der Überprüfung der Schlussab- rechnung mit ausführenden Firmen überworfen, und ihm sei daraufhin im Juli 2004 der Auftrag 15. Übersicht über Beschlussempfehlungen der entzogen worden. ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Das war für mich als Berichterstatter angesichts Drs. 16/1495 - Änderungsantrag der Fraktion der langen, offensichtlich zufriedenstellenden Tä- Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1541 - Ände- tigkeit des Petenten für das Land wenig plausibel; rungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1545 25 Jahre hat der Mann solche Abrechnungen ge- prüft, offensichtlich auch mit Erfolg. Aus eigener Erfahrung als Architekt weiß ich, wie langwierig Über die Ausschussempfehlungen zu den Einga- solche Schlussabrechnungen seien können, wenn ben in der Drs. 16/1495, zu denen keine Ände- die Abrechnungsunterlagen nicht schlüssig sind rungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der und man die Interessen des Bauherrn - in diesem 42. Sitzung am 26. August 2009 entschieden. Wir Fall die öffentliche Hand - gegen wenig kooperati- beraten jetzt nur noch über die Ausschussempfeh- onsbereite Unternehmen nachträglich durchsetzen lungen aus der Drs. 16/1495, zu denen die ge- will. Außerdem bestätigte die aufgrund der Kritik nannten Änderungsanträge vorliegen. des Petenten bereits erfolgte erste nachträgliche Wir treten in die Beratung ein. Korrektur der Abrechnung doch letztendlich den Petenten. 5 500 Euro waren ja schon zurückgefor- Ich erteile zunächst dem Kollegen Hagenah von dert worden. der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Ich habe mich deshalb im Juli 2008 in einem direk- Enno Hagenah (GRÜNE): ten Kontakt mit dem Bundesministerium für Ver- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und kehr als Aufsicht und - wegen der Gelder des Bun- Herren! Ich spreche zur Eingabe 4315. des, die dort zu viel verausgabt wurden - auch als Geschädigtem gegen die vom niedersächsischen Der Petent, Herr Rothstein, war 25 Jahre lang als Wirtschaftsministerium angestrengte vorzeitige freiberuflicher Bauingenieur für die Straßenbau- abschließende Behandlung der Petition gewandt; verwaltung Niedersachsen tätig und hat seit 1998 dort lief die Überprüfung des Falles noch. Darauf- zunehmend Unregelmäßigkeiten zulasten der hin ist die Petition erneut aktiviert worden. Steuerzahler bei der Aufzeichnung und Abrech- nung von Baumaßnahmen festgestellt. Die Innenrevision unseres Wirtschaftsministeriums hat noch im April 2006 wie folgt Stellung genom- (Vizepräsident Hans-Werner Schwarz men - ich zitiere -: übernimmt den Vorsitz)

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„Dem Bund ist kein Schaden entstan- die Integrität der Landesinstitutionen nach außen den, da die Fehler aufgedeckt und in für zwingend erforderlich, entsprechend zu verfah- der Abrechnung berücksichtigt wur- ren. den.“ Vielen Dank. Im Gegensatz dazu hat die Innenrevision des (Beifall bei den GRÜNEN) Bundesverkehrsministeriums aufgrund der Hinwei- se des Petenten inzwischen weitere Rückzah- Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: lungsforderungen in Höhe von insgesamt 15 000 Euro gegenüber den beteiligten Firmen durchge- Zu dieser Eingabe hat sich Herr Hoppenbrock von setzt. Unter anderem ging es da um so offensicht- der CDU-Fraktion gemeldet. Ich erteile ihm das liche Probleme und Fehler wie zu breit abgerech- Wort. Bitte! nete Fahrbahnen - 19 cm zu breit; ich meine, so etwas muss in der Schlussabrechnung auffallen -, Ernst-August Hoppenbrock (CDU): nicht gelieferter Oberboden - da waren schlichtweg Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lieferscheine einer anderen Baustelle abgegeben Hagenah, Sie haben intensiv recherchiert. Aber worden -, nachträglich falsch bescheinigte Fugen- Sie haben, wenn ich das richtig verstanden habe, verfüllungen, die gar nicht erfolgt waren, und nicht auch einiges skandalisiert. Fakt ist, der Petent, berechtigte Nachträge - 15 000 Euro zulasten der Herr Rothstein, hat ein Ingenieurbüro und war von Steuerzahler. der Straßenbauverwaltung Hannover im Jahre 2003 beauftragt worden, Abrechnungen im Stra- Meine sehr verehrten Damen und Herren, es bleibt ßenbau zu prüfen, indem die Massen usw. festge- festzuhalten, dass nach langem, hinhaltendem stellt und verglichen werden. Als Herr Rothstein Widerstand der zuständigen Landesverwaltung - nach einem Jahr Tätigkeit noch keine Ergebnisse ich habe die Petition jetzt anderthalb Jahre auf vorgelegt hatte, hat man seinen Auftrag gekündigt meinem Schreibtisch - sich immer mehr Punkte der und daraufhin die eigenen Mitarbeiter die Prüfung in der Petition genannten Unregelmäßigkeiten durchführen lassen. Nach der Kündigung - das ist zulasten der öffentlichen Hand bestätigt haben und schon interessant - wusste Herr Rothstein plötzlich dass durch den Einsatz dieses Bauingenieurs im ganz genau, wo etwas nicht funktioniert hatte und Ruhestand Mittel zumindest teilweise zurückgefor- welche Fehler aufgetreten waren. Er hat die dert werden konnten. Zwar ist im Wirtschaftsminis- Stabsstelle der Innenrevision des Bundesministeri- terium daraufhin eine Reihe von Korrekturen und ums für Verkehr informiert, und diese hat anschlie- Nachbesserungen in der internen Organisation ßend die Staatsanwaltschaft Hannover gebeten, in und Kontrolle erfolgt. Das ist eine gute Auswirkung. der Sache zu ermitteln. Unbegreiflich bleibt aber, warum weder beamten- rechtliche noch arbeitsrechtliche Schritte oder Re- Parallel dazu prüfte die interne Revision der Nie- gressansprüche gegenüber beteiligten Mitarbeite- dersächsischen Landesbehörde für Straßenbau rinnen und Mitarbeitern geltend gemacht worden und Verkehr. Der Rechnungshof wurde einge- sind und warum die Innenrevision des hiesigen schaltet. Zusätzlich wurde die Stelle für Korrupti- Wirtschaftsministeriums und die Hausleitung, ob- onsbekämpfung beim MW eingeschaltet. Es wur- wohl ich sie direkt darauf angesprochen und um den also alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, sorgfältige Prüfung gebeten hatte, trotz der regel- um festzustellen, was da gelaufen ist. mäßigen Information über kritisierte Punkte lange Ergebnis war, dass tatsächlich Differenzen und so wenig Aufklärungsbereitschaft an den Tag ge- Mängel festgestellt wurden. Das ist aber bei der legt hat. Mehrere 10 000 Euro zulasten Nieder- Prüfung solch differenzierter Abrechnungen nicht sachsens, die in der Petition aufgeführt sind, sind unüblich; denn das eine Mal wird nach Volumen zudem noch nicht zurückgefordert worden. abgerechnet, ein anderes Mal hingegen nach Ge- Wir beantragen deshalb, die Eingabe der Landes- wicht usw. Deswegen war die Prüfung notwendig. regierung zur Berücksichtigung zu überweisen, mit Es wäre die Aufgabe des Herrn Rothstein gewe- dem ausdrücklichen Hinweis, von den bisher nicht sen, diese Prüfung durchzuführen und rechtzeitig angewandten personalrechtlichen Sanktionsmög- einen Bericht an die Landesbehörde für Straßen- lichkeiten gegenüber den Verursachern der offen- bau und Verkehr zu geben. Die zuständigen Stel- sichtlich mangelhaften Aufklärung der Abrech- len wurden angewiesen, diese Mängel zu prüfen, nungsmängel Gebrauch zu machen. Wir halten es abzustellen und gegebenenfalls auch Rückforde- sowohl für die interne Behördenkultur als auch für rungen zu stellen. Es gab auch Konsequenzen:

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Die Fachaufsicht wurde verstärkt. Es wurde ein zeln betrachtet, so, wie es der Petent darlegt, Arbeitskreis „Bauabrechnungen“ eingeführt. Heute durchaus berechtigte Kritik beinhalten. Allerdings arbeitet man mit dem EDV-Programm „Arriba“, das verschweigt der Petent auch einige Umstände, die eine gewisse Plausibilitätskontrolle beinhaltet, und zu diesen Missständen geführt haben. Herr Hop- außerdem wurden die Mitarbeiter weiter geschult. penbrock hat das einigermaßen ausgeführt. Schließlich muss man wissen, dass alles zu einer Zeit geschah, zu der die EXPO vorbereitet wurde, (Zurufe von der CDU) zu der die Umorganisation in der Landesbehörde - Nicht alles; das meiste schon, aber nicht alles. für Straßenbau stattfand, sodass nicht immer alles ganz gerade gelaufen ist. Erstes Beispiel: Die Abwicklung der Ortsdurchfahrt Nettlingen, die Sie, Herr Hagenah, angesprochen Nach genauer Berechnung wurden Rückzahlun- haben. Baumaßnahme 2000/2001. - Der Petent gen geleistet, wie Herr Hagenah eben schon ge- hatte den Auftrag, die Schlussrechnung zu prüfen. sagt hat. Eine Firma war aber inzwischen in Insol- Warum? - Die Straßenbauverwaltung hatte zu venz gegangen. Bei solchen Firmen kann man diesem Zeitpunkt nicht die Ressourcen, um die normalerweise nichts zurückholen. Prüfung selber durchzuführen. Die Baumaßnah- Meine Damen und Herren, ich könnte mich jetzt men der EXPO führten zu einer exorbitanten Über- zurücklehnen und fragen: Was interessiert uns lastung. Außerdem fiel die Abrechnung in eine Zeit das? Das ist alles zu Zeiten von Schröder, Glo- der Umorganisation der niedersächsischen Stra- gowski und Gabriel passiert. Nun lass die mal rich- ßenmeistereien. Gleichzeitig wurden die Straßen- tig prüfen, ob die damals anständig regiert haben. - meistereien Sarstedt, Laatzen und Hildesheim Wir tun das aber nicht. Sie hätten es vielleicht so zusammengelegt und das Straßenbauamt Hildes- gemacht. Wir vertrauen stattdessen den Mitarbei- heim aufgelöst. Sachbearbeiter wechselten wäh- terinnen und Mitarbeitern der Landesbehörde und rend der Baumaßnahme zur Stadt Hildesheim. auf deren Aufklärung, die zu dem Ergebnis geführt Der Petent, dessen Ingenieurbüro nun die Prüfung haben, dass es keine schweren Unregelmäßigkei- der Schlussrechnung übernehmen sollte, fand ten gegeben hat. Nach der Prüfung durch das Abrechnungsmängel, die er aufzeigte. Die bauaus- Bundesministerium, durch den Landesrechnungs- führende Firma hatte nach eigenen Angaben einen hof und die Staatsanwaltschaft Hannover sowie Berufsanfänger mit der Schlussrechnung beauf- der internen Revision der niedersächsischen Lan- tragt, der ohne Vorkenntnisse Schwierigkeiten mit desbehörde gab es keine Anhaltspunkte für Vor- der Aufgabe hatte. satz, Mauschelei, geschweige denn für Korruption. Niemand hat sich selbst bereichert. Deshalb sehen Das Prüfverfahren verlief sehr schleppend, wobei wir absolut keinen Grund zur Skandalisierung. Wir sich das Honorar des Petenten erheblich verteuer- trauen den Landesbehörden. Die Fehler sind auf- te, nämlich von den derzeit geschätzten 14 000 gearbeitet worden. Deshalb bitte ich Sie, auf Euro um 21 000 Euro auf 35 000 Euro. Davon „Sach- und Rechtslage“ zu entscheiden. übernahm die Baufirma 7 400 Euro. Dem Petenten (Beifall bei der CDU und bei der FDP) wurde dieser Auftrag im Jahr 2004 entzogen, da nach einem Jahr immer noch keine Ergebnisse Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: vorlagen und die Kosten, wie schon ausgeführt, überhand nahmen. Zu der gleichen Eingabe hat sich Frau König von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön! 2005 begannen dann die Anzeigen des Petenten über sogenannte Unregelmäßigkeiten bei der Prü- (Enno Hagenah [GRÜNE]: Ich hatte fung von Schlussrechnungen, die die Landesstra- mich zu einer Kurzintervention gemel- ßenbauverwaltung zu verantworten hätte. Der det!) Petent erwähnte aber nicht mit einem Wort, dass - Es gibt keine Kurzinterventionen bei der Behand- es hier um Baumaßnahmen ging, die zum Teil so lung von Eingaben. Ich hatte das schon durch ein schwer zu prüfen waren, dass die Bauverwaltung Kopfschütteln angedeutet, Herr Hagenah. einen externen Prüfer einsetzen musste, weil sie darauf gestoßen war, dass hier die Abrechnungen Gabriela König (FDP): Ungereimtheiten erkennen ließen, und die eigene Überlastung nicht zu einer tiefergehenden Prüfung Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Raum bot. Petition enthält viele, sehr viele Fakten, die, ein-

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Zweites Beispiel: Ortsdurchfahrt Sarstedt. - Die werden. VOB/C DIN 18299 Nr. 5 müssten Sie ei- Schlussabrechnung dieser Baumaßnahme wurde gentlich kennen. Das ist üblich bei Neubaumaß- durch die Landesbauverwaltung geprüft. Es wur- nahmen. den wieder Differenzen in der Mengenermittlung (Glocke des Präsidenten) festgestellt. Ein Prüfauftrag an den Petenten ergab das gleiche Ergebnis, nachdem er alle Aufmaße Man einigte sich, Leistungen nur abzurechnen, bei nochmals aufwendig prüfte, und es wurden 22 000 denen anerkannte Aufmaße vorlagen. Mit dem Euro zurückgefordert. Petenten wurden Schlussrechnungsszenarien durchgerechnet, welche Leistungen höchstwahr- (Unruhe) scheinlich erbracht waren, für die es keine Belege gab. Hier kamen die Beteiligten auf eine Rückfor- Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: derung in Höhe von 65 000 Euro bei einer Bauleis- Frau König, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Ich tung von 3 Millionen Euro. Die Firma wurde davon habe das Gefühl, dass an der Regierungsbank in Kenntnis gesetzt und hätte dagegen Einspruch mehr los ist als im Parlament. Nehmen Sie doch einlegen können. Es kam allerdings nicht mehr zu bitte Rücksicht darauf! - Vielen Dank. einer Klärung, weil die Firma insolvent war. Frau König! Zu einer Klärung kam es danach nicht mehr. Die Rückforderungen können allerdings mit einem Gabriela König (FDP): Abrechnungsguthaben der Firma in Nordrhein- Dass dies aufgedeckt wurde, war Sinn und Zweck Westfalen verrechnet werden. Das Verfahren ist des Prüfauftrages und lässt keinen Mangel erken- noch nicht abgeschlossen. Das Geld ist noch nicht nen. Immerhin hat der Petent damit 19 000 Euro verloren. Auch weitere Fälle sind mit Insolvenzen Honorar erwirtschaftet. Die Kosten wären auch bei von Firmen nicht glücklich gelaufen. Alle möchte der Bauverwaltung in dieser Größenordnung ange- ich hier nicht aufführen, weil dazu die Zeit nicht fallen, hätte sie weiter geprüft. Das Land hat hier reicht. also keinen Schaden erlitten. (Glocke des Präsidenten) Der Petent bemängelt, dass zum Teil Doppelab- Fakt ist jedoch, dass die Prüfaufträge, die der Pe- rechnungen vorgenommen wurden; z. B. bei der tent erhalten hat, die Aufgabe umfasst haben, ge- Maßnahme Ortsdurchfahrt Nordstemmen. Er wur- nau diese Mängel aufzudecken. Der zusätzliche de aber genau dafür beauftragt, das zu prüfen und Aufwand bei den Rechnungsprüfungen ist nicht solche Missstände aufzudecken. Das war sein ungewöhnlich und würde bei eigenen Mitarbeitern Auftrag. in der Bauverwaltung auch anfallen. Dadurch ent- Der Neubau der A 39 in den Jahren 1996 und steht dem Land kein Nachteil. In dieser Petition 1997 wurde ihm übergeben, nachdem der damali- geht es eher um die Einziehung des letzten Prüf- ge Mitarbeiter des Straßenbauamtes Braun- auftrages wegen Verschleppung, der die Klagen schweig, der mit dieser Baumaßnahme befasst nach sich zog. war, verstorben war und die Schlussrechnung nicht mehr prüfen konnte. Der Petent bekam den Auf- Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: trag und stellte fest, dass eine Vielzahl der Aufma- Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen. ße nicht vorhanden oder wegen schlechter Zuord- nung kaum anwendbar war. Zunächst wurde an- Gabriela König (FDP): gedacht, diese Schlussrechnung wieder an die Genau. - Das Ministerium hat alle Anschuldigun- Baufirma zurückzugeben, was nach VOB/B § 16 gen geprüft, Mängel behoben und Bewertungen Nr. 3 möglich ist. Diese Absicht wurde allerdings vorgenommen. Eine weitere Berücksichtigung wieder verworfen, da man annehmen musste, dass wäre daher unsinnig. Die Maßnahmen, die das dies nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis Ministerium getroffen hat, hat Herr Hoppenbrock führen würde. Der Petent bemängelte, dass die sehr gut dargestellt. Von daher sollten wir bei Aufmaße vom Straßenneubauamt nicht nachträg- „Sach- und Rechtslage“ bleiben und die Eingabe lich bestätigt wurden. Nach VOB ist jedoch eine nicht der Landesregierung zur Berücksichtigung Leistung aus Zeichnungen zu ermitteln, soweit die überweisen. Das ist in der Vergangenheit bereits ausgeführten Leistungen diesen Zeichnungen alles geschehen. entsprechen. Sind diese Zeichnungen, diese Be- standspläne, nicht vorhanden, muss aufgemessen (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

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Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: die Y-Trasse 104 Personenzüge und 110 Güterzü- Zur Eingabe 637 hat sich Frau Twesten von der ge pro Tag vor. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. (Glocke des Präsidenten) Bitte schön! Diese Zahlen sind Schnee von gestern. Die Be- darfssituation ist heute eine ganz andere. Alle Elke Twesten (GRÜNE): Fachleute rechnen Ihnen einen massiven Anstieg Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich der abzuwickelnden Containermengen vor, weisen spreche zur Petition der Bürgerinitiative Bürger für seit Jahren auf dieses Szenario hin. Wer diesen Umwelt, die die Verlängerung der landesplaneri- Untersuchungen nicht folgen kann, ist die Landes- schen Feststellung zur Y-Trasse betrifft. regierung, die offenbar keinerlei Bedenken und Die Diskussion zeigt: Wer sich zu früh festlegt, fällt Skrupel hat, sich bei solchen schwerwiegenden die falsche Entscheidung. Die Landesregierung hat Entscheidungen Zahlen aus den 90er-Jahren vor- sich, ohne Not übrigens, zu früh festgelegt. Jetzt legen zu lassen. kann sie ihre Entscheidung nur halten, wenn sie Nach der VCD-Studie und dem Siefer-Gutachten die Faktenlage ausblendet. Dieses Verhalten ist für gibt es fachlich ausgezeichnete Alternativen, die Bürgerinnen und Bürger in der betroffenen Region unerträglich. (Zurufe von der CDU: Benennen Sie die doch einmal!) (Beifall bei den GRÜNEN) die den Erfordernissen des Güterverkehrs viel Diese Petition ist die logische Konsequenz aus der besser Rechnung tragen als es das Y jemals könn- Planungsignoranz der Verantwortlichen. Wir Grü- te. nen unterstützen diese Petition; denn es ist nach (Zurufe von der CDU) wie vor völlig ungeklärt, ob die Y-Trasse zu den gewünschten Kapazitätssteigerungen im Contai- Verabschieden Sie sich im Sinne der Petenten und nerverkehr führt. Die ernsthafte Suche nach Alter- im Sinne aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nativen ist unterblieben. Alle aktuellen Entwicklun- in Deutschland und in Niedersachsen von diesem gen sprechen gegen die 30 Jahre alten Planun- unseligen Mammutprojekt. gen. Y-Trasse heißt: Sie wollen mit den Planungen (Beifall bei den GRÜNEN) von Vorgestern Lösungen für Morgen schaffen. Das ist ein Irrweg. Alle Spatzen pfeifen es von den Dächern: Heutiger Maßstab für den Streckenausbau ist der immens (Beifall bei den GRÜNEN) gewachsene Seehafenhinterlandverkehr, den es Würden Sie dem Anliegen der Petition folgen - Sie 1994 noch gar nicht gab. kämen wieder auf das richtige Gleis. (Glocke des Präsidenten) (David McAllister [CDU]: Nein, auf das - Ein letzter Satz. - Sie machen einen schweren Abstellgleis!) Fehler, wenn Sie auf Hochgeschwindigkeit für Allein schon wegen des riesigen Investitionsvolu- Güterzüge setzen. Mein besonderer Appell an mens ist die Y-Trasse niemals zu rechtfertigen, dieser Stelle gilt Herrn Rösler: www.innovatives- solange nicht alle Fakten auf den Tisch kommen. niedersachsen.de: Wir setzen auf die Schiene, aber auf die richtige. Das Y gehört nicht dazu. (Karl-Heinz Klare [CDU]: Eigentlich ist Vielen Dank. gar keine Straße zu rechtfertigen!) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Unser Land kann sich Fehlplanungen schlichtweg LINKEN) nicht leisten.

(David McAllister [CDU]: Soll das auf Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: die Straße?) Zur gleichen Eingabe spricht Frau König von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau König! Deshalb hätte vor der Verlängerung der landes- planerischen Feststellung eine sorgfältige Überprü- (David McAllister [CDU]: Die Grünen fung der veränderten Gegebenheiten erfolgen sind gegen die Bahn und für mehr müssen. Das Betriebsprogramm der DB sieht für Straßenverkehr! - Gegenruf von Ste-

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fan Wenzel [GRÜNE]: Wir haben eine Aus diesem Grunde muss ein neues Raumord- Planung dafür. Wir machen aber kei- nungsverfahren her. Diese Eingabe muss berück- ne Symbolpolitik! - Unruhe) sichtigt werden. Frau König, einen kleinen Moment bitte noch. - (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie jetzt zur Ruhe kommen würden. Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: - Bitte, Frau König! Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu die- sem Tagesordnungspunkt liegen keine weiten Marianne König (LINKE): Wortmeldungen vor. Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Wir kommen zur Beschlussfassung. Herren! Die Eingabe „Raumordnungsverfahren für die geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke der Ich rufe die Eingabe 4315 auf. Sie betrifft Unre- Deutschen Bahn AG von Hamburg bzw. Bremen gelmäßigkeiten in der Aufzeichnung und Abrech- nach Hannover (Y-Trasse)“, eingebracht von en- nung von Baumaßnahmen. gagierten Bürgerinnen und Bürgern, weist zu Es geht zunächst um die gleichlautenden Ände- Recht auf die Zeitbindung von Planfeststellungs- rungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verfahren hin. Die gesetzte Frist wäre am 22. März und der Fraktion der SPD. Sie lauten auf „Berück- 2009 abgelaufen. Die nun gewährte Verlängerung sichtigung“. Ich lasse darüber abstimmen. Wer um weitere acht Jahre muss strittig gestellt wer- dem so folgen möchte, den bitte ich um das Hand- den. Warum? - Es liegen gravierende Veränderun- zeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - gen vor, die zu einer neuen Überprüfung zwingen. Die Änderungsanträge wurden abgelehnt. Geplant war eine Hochgeschwindigkeitsstrecke Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be- vorrangig für den Personenverkehr. Heute stehen schlussempfehlung des Ausschusses. Sie lautet der Güterverkehr und die Anbindung der Seehäfen auf „Sach- und Rechtslage“. Wer dem folgen eindeutig im Vordergrund. Auch die Kostenrech- möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer nung ist nicht mehr aktuell. Die Y-Trasse wird eine ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war Kostenexplosion in dieses Haus bringen. Dafür die Mehrheit. So ist beschlossen worden. Vielen werden unsere Kinder und Enkelkinder lange zu Dank. zahlen haben. Da sind neue Zahlen dringlich er- forderlich. Die Eingabe 637 betrifft das Raumordnungsverfah- ren für die geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke (Beifall bei der LINKEN) der Deutschen Bahn AG von Hamburg bzw. Bre- Zum Glück ist die Zeit nicht stehengeblieben. Nie- men nach Hannover, also die Y-Trasse. dersachsen hat nicht acht Jahre lang geschlafen. Es geht zunächst um einen Änderungsantrag der Wir kennen heute Alternativen, z. B. den Lücken- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Er lautet auf „Be- schluss Aurich–Wittmund–Wilhelmshaven oder rücksichtigung“. Ich komme zur Abstimmung. Wer den zweigleisigen Ausbau der Strecke Wilhelms- dem so folgen möchte, den bitte ich um das Hand- haven–Oldenburg. zeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - (Lachen bei der CDU - Ulf Thiele Der Änderungsantrag wurde abgelehnt. [CDU]: Kann ihr mal jemand eine Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- Landkarte geben? - Zuruf von der empfehlung des Ausschusses. Sie lautet auf CDU: Wo sind Sie zu Hause? - Unru- „Sach- und Rechtslage“. Wer dem folgen möchte, he - Glocke des Präsidenten) den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dage- Vor allem die zwischenzeitliche Benennung der gen? - Das Erste war die Mehrheit. Das ist so be- Gewässer Veerse, Wiedau und Rodau mit Vissel- schlossen worden. bach als FFH-Gebiete stellt eine wichtige und Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf: raumordnerisch bedeutsame Veränderung dar. Selbst wenn ein Teil dieser Gebiete schon vorher ausgewiesen und festgelegt war, so muss hier Erste Beratung: dringend noch einmal mit den Naturschutzverbän- „Niedersachsen-Plan“ - Politik für das nächste den und über die Naturschutznormen gesprochen Jahrzehnt - Antrag der Fraktion der SPD - werden. Drs. 16/1508

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Eingebracht wird dieser Antrag von Herrn Jüttner. aber der macht auch einen gravierenden Fehler in Bitte schön! wirtschaftspolitischen Fragen. Die Verlängerung der Restlaufzeiten verhindert den Paradigmen- Wolfgang Jüttner (SPD): wechsel in der Energiepolitik. Darum geht es hier. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am (Beifall bei der SPD und bei den 27. September ist Wahl in Deutschland. Es geht GRÜNEN) um die Zukunft von über 80 Millionen Menschen, und auch die 8 Millionen Niedersachsen werden Wer die Restlaufzeiten verlängert, nimmt den maßgeblich davon betroffen sein, wie diese Wahl Druck auf Investitionen in regenerative Energien. ausgeht. Es gibt Alternativen am Wahltag, meine Und wer profitiert von der Zunahme von regenera- Damen und Herren, auch wenn dies hier und da tiven Energien? - Das Land Niedersachsen, meine verleugnet wird. Damen und Herren! Ihre Forderung nach Verlän- gerung der Restlaufzeiten ist ein Angriff auf Ar- (Beifall bei der SPD) beitsplätze in Niedersachsen. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Ich finde es ungehörig, dass sich eine Partei - Ihre Partei, Herr Wulff - beharrlich weigert, an diesem (Beifall bei der SPD und bei den Wahlkampf überhaupt teilzunehmen. GRÜNEN) (Lachen bei der CDU) Herr Wulff hat hier ja gestern gegen unseren Wil- len gefehlt und hat insofern die energiepolitische Das heißt „Wahlkampf“, damit vorher geklärt wird, Debatte gestern nicht mitbekommen. Herr Wulff, was anschließend gemacht wird, meine Damen das war schon ganz spannend, weil wir noch ein- und Herren. Die Bevölkerung hat ein Anrecht dar- mal deutlich gemacht haben, dass wir für eine auf, vorher zu erfahren, was hinterher vorgesehen ergebnisoffene Endlagerstandortsuche sind wie ist. schon seit Anfang der 90er-Jahre, weil es um eine (Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare gerechte Verteilung der Lasten und der Folgen aus [CDU]: Das hat Steinmeier auch dieser Energiegewinnung geht. Ich habe immer schon gesagt!) gedacht, eigentlich müssten alle Niedersachsen an einer gerechten Lastenverteilung in ganz Deutsch- Dass es Alternativen gibt und dass insbesondere land interessiert sein, nicht nur in Niedersachsen. die Auswirkungen für Niedersachsen gravierend sein werden, das ist doch, meine Damen und Her- (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei ren, spätestens gestern in diesem Hause deutlich den GRÜNEN) geworden. Ich stelle fest: Es gibt bei der Frage Endlager eine (Zuruf von der CDU) Koalition der Herren Seehofer, Söder und Sander. Die wollen eine Endlagerung des gesamten ato- - Gestern, vorgestern auch. Das stimmt. Man kann maren Mülls in Niedersachsen. sagen: Die ganze Woche, Herr Wulff. (David McAllister [CDU]: Das ist doch (Lebhafter Beifall bei der SPD) völliger Quatsch!) Mit „gestern“ meinte ich die energie- und atompoli- Wir wollen das nicht! tische Debatte. Hier geht es knallhart um Alternati- ven in Niedersachsen. Herr Wulff, wer für eine (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Verlängerung der Restlaufzeiten eintritt, den GRÜNEN) (Karl-Heinz Klare [CDU]: So, wie Sie Ich muss ganz ehrlich sagen: Als mein Presse- das damals vernünftig gemacht ha- sprecher mir gestern Mittag von dem Interview von ben!) Herrn Sander bei Hit-Radio Antenne erzählte, in dem er gesagt hat, dass im zweiten Anlauf jetzt der begeht einen Riesenfehler in Bezug auf die Bad Zwischenahn in die engere Wahl genommen Fragen der Sicherheit - das ist eine Argumentati- werden soll, habe ich erst gedacht: April, April! Ich onskette -, habe gedacht, er hätte einen Scherz gemacht. Meine Damen und Herren, was ist das für ein Mi- (Björn Thümler [CDU]: Schon mal nister, der hier geschworen hat, die Interessen des falsch!) Landes Niedersachsen zu vertreten, zum Wohle

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des Landes zu agieren, wenn er solche Positionen Ich habe es sehr begrüßt, dass der Herr Bundes- in die Öffentlichkeit dröhnt? Die Bayern feixen sich wirtschaftsminister vor Monaten sein Haus gebeten einen, wenn sie hören, was der hier veranstaltet! hat, ein industriepolitisches Konzept zu erstellen. Die Beamten haben sich ja auch viel Mühe gege- (Beifall bei der SPD und bei den ben; das ist erkennbar. Sie haben alles aufge- GRÜNEN) schrieben, was der Wirtschaftsminister zu Gutten- Herr Herr McAllister, es ist schon ein hartes Stück berg und andere führende Persönlichkeiten von Brot, wenn man solch einen Koalitionspartner hat. CDU und CSU in den letzten Monaten öffentlich Das tut richtig weh. Wahrscheinlich haben sich erklärt haben. Aber was ist das denn für ein Um- Herr Kues - und der andere Kollege - wie heißt der gang mit den qualifizierten Mitarbeiterinnen und noch? - schon bei Ihnen gemeldet und für den Mitarbeitern im Wirtschaftsministerium, wenn der Beitrag im Wahlkampf bedankt, den Ihr Koalitions- Minister am Tag der Veröffentlichung dieses Pa- partner da gestern geleistet hat. piers das alles für obsolet erklärt? Es kann doch nicht sein, dass Herr zu Guttenberg sich von sei- (David McAllister [CDU]: Er hat dann nem eigenen Wahlprogramm distanziert! Das finde alles richtiggestellt!) ich nicht in Ordnung. Ein bisschen mehr Respekt - Ach, er hat schon alles richtiggestellt? Dann ist ja wäre wirklich sinnvoll. alles aus der Welt! Dann wissen die Leute ja, was sie zu erwarten haben. Was Schwarz-Gelb in Nie- (Zustimmung bei der SPD) dersachsen fertigbringt, erleben wir in dieser Wo- che gerade! Es ist aber klar; denn in dem Papier steht all das, was Sie wollen und schon 2005 gewollt haben: (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Angriffe auf Arbeitnehmer, Auflösung des Kündi- den GRÜNEN) gungsschutzes, Rücknahme der Teilhabe von Aber es geht nicht nur um Energie und Atomkraft. Mitbestimmung. Meine Damen und Herren, Sie haben Angst, dass die Bevölkerung darauf reagiert (Zuruf von der CDU: Der andere Kol- und Ihnen die Rote Karte zeigt. Deshalb hat der lege heißt übrigens Kossendey!) Wirtschaftsminister dieses Papier zurückgezogen. - Kossendey heißt er. Vielen Dank! - Es geht am 27. September um die Frage, wie es mit Wohl- (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei stand, Wachstum und Vollbeschäftigung in den GRÜNEN) Deutschland und in Niedersachsen weitergeht. Für uns gilt: Am Ziel der Vollbeschäftigung halten wir Die hektischen Reaktionen auf das, was Herr uneingeschränkt fest. Alles andere wäre fatal. Steinmeier vorgelegt hat, waren schon interessant. Gelesen haben Sie es erkennbar nicht. Er hat üb- (Beifall bei der SPD - Dr. Karl-Ludwig rigens nicht einmal gefordert, 4 Millionen Arbeits- von Danwitz [CDU]: Da seid ihr die plätze zu schaffen, sondern er hat gesagt, nach- Richtigen!) dem ein Papier mit vielen Fachleuten akribisch Wir müssen auch Konsequenzen aus der Wirt- ausgearbeitet worden ist: Wenn alle an der Ent- schafts- und Finanzkrise der letzten Monate zie- wicklung Deutschlands Beteiligten - Politik, Wis- hen. Ein „Weiter so!“ geht nicht, aber aus den Rei- senschaft, Wirtschaft - ihre Hausaufgaben ordent- hen der Regierungsfraktionen hören wir genau lich machen, dann haben wir eine Chance, in den das: Hoffentlich ist die Krise möglichst schnell vor- nächsten Jahren bis 2020 4 Millionen zusätzliche bei, damit wir wieder an alte Zeiten anknüpfen Arbeitsplätze zu generieren. können. - Meine Damen und Herren, die Verursa- cher dieser Krise, diejenigen, die sich dem Markt- (Dr. Karl-Ludwig von Danwitz [CDU]: radikalismus verschrieben haben, können doch Heuchelei!) nicht diejenigen sein, die Deutschland und Nieder- sachsen aus dieser Krise herausführen! Die haben Wer das diffamiert, hat wirklich jeglichen Anspruch sich hinreichend blamiert! Das müssen wir in die- auf politische Gestaltung verloren. Das will ich ser Gesellschaft öffentlich diskutieren. Ihnen deutlich sagen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei (Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN) den GRÜNEN und bei der LINKEN)

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Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland zwi- Begleitung durchgesetzt wird. Das ist der Maßstab, schen 2005 und 2008 an dem wir uns orientieren müssen. (Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Ihr hattet Ich will noch einmal daran erinnern: Vor der Bun- elf Jahre Zeit!) destagswahl 2005 gab es in der gesamten Bran- che der regenerativen Energien eine ungeheuere 1,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeits- Verunsicherung. Warum? - Weil die Befürchtung plätze geschaffen worden sind und alle Prognosti- bestand, dass mit diesem Thema abgeräumt wird. ker sagen, natürlich sei das möglich - nicht auto- Das hat die Große Koalition dank unserer Mitwir- matisch, aber es geht -, ist das eine vernünftige kung zum Glück verhindert. Perspektive, die es umzusetzen gilt, übrigens auch in Niedersachsen. In den Branchen und bei den (Beifall bei der SPD) Themen, die schwerpunktmäßig dort aufgeführt Jetzt kommen schon wieder die ersten Hinweise werden - Mobilitätswirtschaft, der gesamte Bereich auf Attacken von Schwarz-Gelb auf das Erneuer- der Energie- und Umweltwirtschaft, insbesondere bare-Energien-Gesetz, meine Damen und Herren. Dienstleistungen, die Gesundheitswirtschaft und Es wäre fatal für Niedersachsen, wenn so etwas der Bereich Bildung -, müssen wir Akzente setzen. zum Durchbruch kommen könnte. Das sind doch die Themen, die uns miteinander umtreiben müssen. Die Bevölkerung kann dies zu (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Recht von uns erwarten. den GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Ich habe genug Differenzierungsvermögen, um zuzugestehen, dass diese Regierung nicht alles Natürlich ist es richtig, dass vor allem die Unter- falsch macht. Das zu behaupten, wäre ja auch nehmen und der Markt gefragt sind, Beschäftigung Unsinn. Das Verhalten von Herrn Wulff beispiels- zu schaffen. Das wissen auch wir. Wir haben ho- weise bei Volkswagen haben wir nicht beanstan- hen Respekt vor dem Markt. Das werden auch Sie det. Es war auch nicht zu beanstanden. vielleicht irgendwann einsehen. Aber wir wissen doch gleichzeitig, dass insbesondere im Bereich (David McAllister [CDU]: Wie großzü- der Energiewirtschaft und der Umweltdienstleis- gig! - Ulf Thiele [CDU]: Vor drei oder tungen der öffentliche Haushalt den zentralen An- vier Monaten sah das bei Ihnen ganz stoß für Aufträge gibt. Deshalb müssen wir das anders aus!) Verhältnis von Markt und Staat austarieren. Dabei - Ihr könnt ja nicht einmal mit Lob umgehen. Das hilft Entstaatlichung immer weniger, Herr Rösler. ist ja peinlich! Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis neh- men. (Beifall bei der SPD) Ich erläutere Ihnen an einem Beispiel, wie Politik Da hat der Ministerpräsident geholfen, da haben gut steuern kann. Daran sollten wir uns orientieren. die SPD und in Berlin übrigens auch die Kanzlerin geholfen. Das Unternehmen ENERCON in Niedersachsen, 1984 gegründet, hatte im Jahre 1990, als wir politi- (David McAllister [CDU]: Die ist aber sche Verantwortung übernommen haben, 72 Be- CDU!) schäftigte. Es hat heute, im Jahre 2009, 13 000 Wulff ist stärker als Oettinger; das war hilfreich. Die Beschäftigte. Es gibt keine Branche, in der ein Niedersachsen-SPD ist stärker als die baden- derartiger Aufbau von Beschäftigung in den letzten württembergische SPD. Jahren stattgefunden hat, meine Damen und Her- ren! (Björn Thümler [CDU]: Ist das wahr?) Das war auch hilfreich. Außerdem haben die Be- (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei triebsräte und die Beschäftigten bei Volkswagen den GRÜNEN) mitgeholfen. Warum hat das stattgefunden? - Das hat natürlich (Lebhafter Beifall bei der SPD) auch deshalb stattgefunden, weil Herr Wobben ein umtriebiger Mensch ist, aber auch deshalb, weil es Herr Wulff, Sie werden es wissen: Die Betriebs- mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz eine ratsmitglieder bei Volkswagen sind freigestellt, Rechtsgrundlage gibt, mit der die Marktfähigkeit arbeiten seit Jahren nicht mehr in der Produktion und die Nachhaltigkeit durch öffentlich-rechtliche und fühlen sich durch Ihre Attacke und Ihre Vorge-

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hensweise hier vorgestern wahrscheinlich in ihrem holen. Der Mittelstand hängt im Zweifel durch. Kern in ihrer Reputation verletzt. Ihnen ist ins Stammbuch geschrieben worden - Bildungsmonitor vom letzten Jahr -, wie groß der (Starker, anhaltender Beifall bei der Fachkräftemangel in Niedersachsen ist und wie SPD und bei den GRÜNEN und Bei- sehr er sich in den nächsten Jahren aufbauen fall bei der LINKEN) wird. Das liegt an zwei Gründen: Sie haben aus Sie freuen sich über wirtschaftliche Erfolge. Herr ideologischen Gründen lange Zeit das gesamte Rösler hat sich gerade in Cuxhaven sehr darüber Thema frühkindliche Bildung verschlafen, weil Ihr gefreut, dass dort im Offshore-Bereich viel pas- Familienbild damit nichts zu tun hat. siert. Das ist alles in Ordnung, meine Damen und (Lebhafter Beifall bei der SPD - La- Herren. Es reicht aber nicht, dass das nur passiert. chen bei der CDU) Unsere Kritik an Ihnen ist: Sie haben überhaupt keinen Plan, wie das weiterentwickelt wird. Das ist Warum, meinen Sie, sind Sie noch heute in diesem die zentrale Kritik, die wir haben. Bereich Schlusslicht? Ihre Politik der Ausgrenzung, beispielsweise durch Ihre Struktur des Bildungs- (Lebhafter Beifall bei der SPD - La- wesens, führt dazu, dass Sie Bildungsreserven chen bei der CDU) überhaupt nicht erschließen und dass Sie insbe- Diese Erfolge kommen nämlich nicht von selbst. sondere im ländlichen Bereich Chancengleichheit Deshalb haben wir Ihnen acht Seiten Hochkon- mit Füßen treten, meine Damen und Herren. struktives auf den Tisch gelegt. (Beifall bei der SPD und bei den (Björn Thümler [CDU]: Wo? Was?) GRÜNEN) Mit diesem Projekt, das sehr viele Politikbereiche Alle mit Migrationshintergrund bleiben bei Ihnen umfasst, wird es möglich sein, mehr als 350 000 auf der Strecke. Das ist unverantwortlich. Arbeitsplätze in Niedersachsen zu schaffen. Daran (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei sollten auch Sie Interesse haben, meine Damen den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: und Herren! Lassen Sie sich doch auf diese Debat- Das ist schon mal ganz falsch!) te ein und zeigen Sie, was Ihrer Meinung nach noch besser geht oder an welchen Stellen Sie Diese Politik zieht sich durch. Mittel für Forschung Kritik haben! Ich freue mich auf diese Debatte. und Entwicklung in Niedersachsen sind seit 2003 Aber Sie müssen sich schon inhaltlich herabbeu- rückläufig, meine Damen und Herren. Wenn man gen und sich wirklich inhaltlich einmal bemühen. noch herausrechnen würde, was Volkswagen macht, dann bliebe wahrscheinlich so gut wie (Karl-Heinz Klare [CDU]: Was heißt nichts übrig. Der Mittelstand kann das nicht allein. denn herabbeugen?) Er ist darauf angewiesen, dass die Politik Netzwer- - Sie fühlen sich so, wie Sie dastehen, doch so ke setzt und Kooperationen herstellt. Was machen großartig! Sie? - Ihr Innovationsfonds ist ein Flop, wie es schlimmer nicht geht. Eine Folge dieser unterlas- (Björn Thümler [CDU]: Wir stehen senen Politik ist übrigens, dass die Patentanmel- nicht, wir sitzen!) dungen in Niedersachsen mit 5,7 % Schlusslicht in - Geschenkt. - Sie haben keinen Plan. Das Dilem- Deutschland sind. Da, wo Innovationen entstehen, ma ist, dass Sie diese Ziele durch die praktische sind Sie nicht dabei, sondern abwesend. Das ist Politik, die Sie machen, und die Dinge, die Sie unsere Kritik. unterlassen, hochgradig gefährden. Das ist der (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Vorwurf, den wir erheben. den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: (Lebhafter Beifall bei der SPD - Björn Das stimmt schon mal überhaupt Thümler [CDU]: Können Sie das bele- nicht!) gen, und zwar handfest?) Herr Wulff hat in der Haushaltsdebatte 1999 hier - Ja, das belege ich jetzt. Ich will Ihnen das an ein sinngemäß gesagt: Ganz entscheidend ist, dass paar Beispielen belegen: Das fängt schon bei der die öffentlichen Haushalte ihren Beitrag zur wirt- ideologischen Borniertheit in Ihrer Bildungspolitik schaftlichen Dynamik erbringen. Jede Investitions- an. Volkswagen ist allemal in der Lage, sich quali- quote unter 10 % ist an Peinlichkeit nicht zu über- fizierte Fachkräfte und Ingenieure am Markt zu treffen. - Es gibt übrigens Länder, die das schaf-

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fen. Bayern, das Ihnen ansonsten immer Vorbild (Starker, nicht enden wollender Beifall ist, liegt immer noch deutlich über 10 %. Wissen bei der SPD und Beifall bei den GRÜ- Sie, wie Ihre Investitionsquote in der mittelfristigen NEN - Bernhard Busemann [CDU]: Finanzplanung für die nächsten Jahre ist? 2011 Gibt es für Wahlkampf schon Sit- 6,9 %, 2012 6,2 %, 2013: 5,7 %. Das sind Ihre zungsgeld?) Daten, Herr Möllring! Damit wollen Sie die Wirt- schaft in Niedersachsen begleiten! Peinlich, pein- Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: lich, sage ich dazu nur. Der nächste Redner zu diesem Tagesordnungs- (Lebhafter Beifall bei der SPD) punkt ist Herr Bode von der FDP-Fraktion. Herr Bode, ich erteile Ihnen das Wort. Das, was nach Meinung der FDP kommt, ist schon erschreckend. Die Abschaffung der Gewerbesteu- Jörg Bode (FDP): er, die Sie vorhaben, Herr Bode, treibt die nieder- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr sächsischen Kommunen in den Ruin. Sie wissen geehrter Herr Jüttner, in der Tat: Es ist Wahlkampf. genau, dass dann Schluss mit kommunaler Da- Deshalb kann man auch einmal darstellen, wie es seinsvorsorge ist. Ihre Steuersenkungspläne dürf- tatsächlich war: ten im Land Niedersachsen mit mehr als 3 Milli- arden Euro Mindereinnahmen einschlagen. Das Die SPD hat ein Bundestagswahlprogramm aufge- hätte zur Folge, dass Investitionen nicht mehr statt- legt - und danach ging es mit den Umfragewerten finden könnten und Sie im Bildungsbereich und im rapide in den Keller. Sozialbereich massiv kürzen müssen. Das geht Dann kam Herr Steinmeier und hat gesagt „Ich gar nicht anders, es sei denn, Sie würden die Neu- muss mal einen Steinmeier-Deutschland-Plan verschuldung in die Höhe treiben. Nur das sind die auflegen“, in dem steht, dass er 4 Millionen neue Alternativen, meine Damen und Herren. Arbeitsplätze schaffen will - und es ging weiter in (Beifall bei der SPD) den Keller.

Das waren einige Beispiele. Ich kann die Kette Dann kam Herr Jüttner und hat gesagt: Wenn Herr verlängern. Dafür aber fehlt jetzt die Zeit. Steinmeier schon einen Plan hat, dann brauche ich auch einen. - Er war ja auch von Herrn Steinbrück (Jörg Bode [FDP]: 20 Minuten geredet animiert worden, der gesagt hat: Ich hätte keine 60 und nichts gesagt!) Seiten aufgeschrieben; das schafft man auch auf sechs Seiten. - Herr Jüttner, Sie haben acht Seiten Ich stelle fest, meine Damen und Herren: Die En- gebraucht. Besser ist das Papier trotzdem nicht quetekommission aus der letzten Wahlperiode hat geworden. alles aufgelistet, wie die Lage in Niedersachsen ist. Da sind auch die Herausforderungen beschrieben, (Beifall bei der FDP und bei der CDU) auf die reagiert werden müsste, meine Damen und Meine Damen und Herren, ich denke, hierbei un- Herren. Sie haben das bisher vollständig ignoriert. terscheiden wir uns ganz gravierend: Eine Seite in Sie, meine Damen und Herren, stehen der Zukunft diesem Haus hat, wenn sie Forderungen aufstellt in Niedersachsen im Wege. Sie zerstören sozialen und Initiativen starten will, immer eine Frage im Frieden und gefährden Nachhaltigkeit. Sie werden Hinterkopf: Wie können wir das bezahlen, ohne gleich sagen: Das ist Wahlkampf. - Ja, das ist dass wir die Kosten auf die kommenden Generati- Wahlkampf. onen abwälzen? (Ulf Thiele [CDU]: Natürlich ist das (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Steuer- Wahlkampf!) senkungen! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Vier oder fünf Wochen vor der Wahl muss auch in Steuersenkungen! Sehr gut!) einem Landesparlament darüber geredet werden, Herr Jüttner, in dem Steinmeier-Plan und in dem was die Niedersachsen in den nächsten Monaten Jüttner-Plan werden in der Tat enorme Ausgaben und Jahren zu erwarten haben. Ich sage Ihnen: angestoßen. Deshalb finde ich es gut, dass Herr Bei Schwarz-Gelb wird es ganz schön duster. Steinmeier in seinem Papier zumindest zum Teil Deshalb werden wir das verhindern. Gegenfinanzierungen vorgeschlagen hat. Herr Steinmeier schlägt vor, sämtliche Bildungsprojekte Herzlichen Dank. durch die Einführung eines sogenannten Bildungs-

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soli zu finanzieren, nämlich die Anhebung des Aber, meine Damen und Herren, es kommt noch Spitzensteuersatzes. besser: Seitdem CDU und FDP in Niedersachsen regieren, hat sich jedes Jahr die Anzahl der sozial- (Beifall bei der SPD - David McAllister versicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Nieder- [CDU]: Jüttner!) sachsen im Vergleich mit Gesamtdeutschland - Herr Jüttner, es überrascht mich, dass Sie jetzt kontinuierlich erhöht. Das heißt: Wenn Jüttner und applaudieren. Haben Sie Ihren Niedersachsen- Steinmeier ihre Pläne umsetzen, wird dieser Zu- Plan nicht gelesen? Sie wollen dieses Geld zur wachs an Arbeitsplätzen in Niedersachsen ein Absenkung des Eingangssteuersatzes ausgeben. jähes Ende finden. Meine Damen und Herren, das Die Bildungsausgaben finanzieren Sie gar nicht ist nicht der Anspruch, den wir an unsere Wirt- gegen. Den Bildungssoli, der in Berlin erhoben schaftspolitik haben. Wir wollen Niedersachsen werden soll, wollen Sie für etwas anderes verbra- besser machen. ten. Der Bildungssoli der SPD ist der Jäger 90 des (Beifall bei der FDP und bei der CDU - 21. Jahrhunderts, meine Damen und Herren. Oh! bei der SPD - Enno Hagenah (Zustimmung bei der FDP und bei der [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwi- CDU) schenfrage)

Sie agieren in diesem Fall, wie es die SPD immer Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: macht: Einmal erhoben, fünfmal ausgegeben, und am Ende zahlen unsere Kinder und Kindeskinder Herr Kollege Bode, gestatten Sie eine Zwischen- die Zeche. Meine Damen und Herren, so kann frage? man nicht Politik machen! Jörg Bode (FDP): (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Nein. - Meine Damen und Herren, Herr Jüttner, es Es ist spannend: Herr Steinmeier will laut seinem ist ja gar nichts dagegen einzuwenden, dass Sie Plan 4 Millionen Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020 einen Plan aufstellen, dass Sie sich selbst einen schaffen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Eine Prog- Plan machen. nose über diesen Zeitraum mit einer so konkreten Zahl abzugeben, halte ich persönlich für unseriös (David McAllister [CDU]: Planwirt- und nicht für einen guten Stil. schaft! - Gegenruf Gerd Ludwig Will [SPD]: Sagen Sie doch mal etwas zu (Wolfgang Jüttner [SPD]: Ihr Finanz- Ihren Vorschlägen!) minister macht die Neuverschuldung bis 2018 auf null! Das finde ich klas- Es ist ja auch gut, dass Sie in Ihrem Plan zu 70 % se!) Dinge beschreiben, die wir erfolgreich durchführen, und das auch loben. Man muss ja auch anerken- Herr Jüttner, ich bin erstaunt, dass Sie nach der nen, dass ein großer Teil Ihres Plans aus Lob an öffentlichen Reaktion auf den Steinmeier-Plan CDU und FDP besteht. Aber die SPD macht ja nachgelegt und gesagt haben: Mit dem Jüttner- nicht nur einmal einen Plan, sondern sie macht alle Plan in Niedersachsen, der an den Steinmeier- paar Monate einen neuen Plan. Plan angelehnt ist, schaffen wir in Niedersachsen bis zum Jahr 2020 350 000 Arbeitsplätze. Man (Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Sie könnte ja meinen, Sie hätten das einfach aus dem haben gar keinen Plan!) blauen Dunst in den Raum gestellt. Aber das ist Sie haben uns beispielsweise im Dezember 2007 nicht so. Sie haben tatsächlich gerechnet. Ich will im Plenum zum ersten Mal Ihren Antrag „Mit- einmal zeigen, wie Sie gerechnet haben. Sie ha- telstandsförderung muss wieder ins Zentrum der ben einfach die sozialversicherungspflichtigen Be- Wirtschaftspolitik rücken“ vorgestellt. Darin haben schäftigungsverhältnisse in Niedersachsen im Ver- Sie tolle Forderungen aufgestellt: Der Dialog zwi- gleich zu Gesamtdeutschland zugrunde gelegt, in schen Mittelstand und Landesregierung sollte in- Verhältnis zu den 4 Millionen Arbeitsplätzen im tensiviert werden, bürokratische Hemmnisse soll- Steinmeier-Plan gesetzt und dann ein bisschen ten beseitigt werden; abgerundet. Allein durch das Abrunden haben Sie auf 1 500 Arbeitsplätze in Niedersachsen verzich- (Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie lehnen tet. doch immer alles ab!)

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Sie wollten Scouts für Antragsverfahren einsetzen, CFK in Stade gegründet, 100 Millionen Euro zur die soziale Gesetzesfolgenabschätzung sollte ge- Förderung der Luftfahrt bereitgestellt, die Luftfahrt- währleistet werden, die NBank sollte die Kapital- initiative Niedersachsen gestartet, das Avionik- versorgung des Mittelstands verbessern, die Su- Cluster in Braunschweig eingerichtet. che nach Unternehmensnachfolgern sollte unter- (Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Und stützt werden, und Lohndumping und Schwarzar- was machen Sie in der Zukunft?) beit sollten bekämpft werden. Die Offshore-Infrastruktur in Cuxhaven - ganz ein- (Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Warum malig in Deutschland - haben Sie schon erwähnt. haben Sie das abgelehnt? Das waren Es sind Arbeitsplätze geschaffen worden, mit de- wirklich gute Vorschläge!) nen man gar nicht gerechnet hat. Ein Jahr später machte Herr Will sein Paper - aber (Gerd Ludwig Will [SPD]: Das ist Zu- keine einzige dieser Forderungen tauchte darin fall!) auf. Jetzt legen Sie ein Update des Will-Papiers vor - auch darin tauchen diese Forderungen nicht Wir haben 596 000 Euro allein für Entwicklungs- auf. projekte im Schiffbau auf die Reise geschickt. Ich kann die Liste ohne Ende fortführen. Man muss in seiner Politik auch einmal Kontinuität beweisen, gerade wenn es um Mittelstands- und Aber, meine Damen und Herren, wenn man diese Wirtschaftsförderung geht, und darf sein Fähnchen erfolgreiche Politik und Ihre Forderungen gegen- nicht immer nach dem Wind hängen, nur weil ge- überstellt, dann kann man einen deutlichen Unter- rade irgendetwas in den Medien verbreitet wird. schied feststellen, der sich auch im Gesellschafts- bild widerspiegelt, Herr Jüttner: Sie setzen auf den (Zustimmung bei der FDP und bei der allmächtigen Staat, der den Menschen zuerst das CDU - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Geld wegnimmt, um es dann entsprechend zu Was machen Sie denn?) verteilen - ob für soziale Leistungen oder Wirt- schaftsleistungen. Wir sehen das anders. Wir sind Meine Damen und Herren, ich finde es auch be- der Meinung, dass die Menschen selbst am besten zeichnend, dass das Will-Papier, das am 10. Juni wissen, wie sie ihr Geld ausgeben und investieren, 2009 veröffentlicht worden ist, nicht einen Satz dass die Unternehmer selbst am besten wissen, über die Frage der Finanzierung des Mittelstandes enthält. Die Probleme der Betriebsmittelversorgung wie sie Arbeitsplätze schaffen können. Deshalb wollen wir den Menschen und Unternehmen die von Unternehmen, der Vorfinanzierung für Produk- Chance und genug Luft zum Atmen geben, damit tion werden von Ihnen überhaupt nicht berücksich- dies möglich ist. Denn, Herr Jüttner, 90 % aller tigt. Sie sehen die Probleme, die Mittelständler im Investitionen in Deutschland werden vom privaten täglichen Geschäft haben, um Arbeitsplätze zu erhalten, gar nicht. Auch Ihr Jüttner-Nieder- Sektor vorgenommen und nicht vom Staat, von der öffentlichen Hand. Wenn wir es schaffen könnten, sachsen-Plan und Ihr Steinmeier-Deutschland- über Anreize im Steuersystem, über eine faire Plan enthalten nicht einen einzigen Ansatzpunkt Behandlung sowohl bei der Einkommen- als auch dazu. Sie wollen Innovationen fördern, aber die bei der Mehrwertsteuer nur eine 1-prozentige Stei- eigentliche Problemlage bei der Finanzierung von gerung bei den privaten Investitionen zu erreichen, Unternehmen haben Sie überhaupt nicht aufge- dann ist das mehr Wert und hat es einen größeren nommen. Effekt auf Arbeitsplätze als zehn Konjunkturpakete, Meine Damen und Herren, wir haben in Nieder- die man auf die Reise schickt. sachsen viel erreicht. Wir haben in den letzten (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Jahren 2 600 Bewilligungen über insgesamt 336 Millionen Euro erteilt. Wir haben in 2009 die Deshalb ist die Steuerreform, ein faires Steuersys- Fördersätze für einzelbetriebliche Förderung an- tem in Deutschland, die Grundlage für Wachs- gehoben. In 2008 haben wir dadurch insgesamt tumseffekte in Niedersachsen und in Deutschland. 613 Millionen Euro Fördermittel ausgelöst. Wir Sie ist die Grundlage, um aus der Krise gestärkt haben das NHI - Norddeutsches Handwerk Inter- hervorgehen zu können. Niedersachsen ist durch national - auf die Beine gestellt. Wir haben - bun- unsere Mittelstandspolitik und durch die besonde- desweit führend - die Initiative zur Bekämpfung der ren Schwerpunkte, gerade auch im Bereich der Schwarzarbeit auf die Reise geschickt. Wir haben Ernährungswirtschaft, gut aufgestellt. Das alles Airbusstandorte gesichert, das Forschungszentrum zahlt sich aus. Von daher können wir frohen Mutes

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auf den 27. September schauen. Wir haben ge- Hafeninfrastruktur haben Sie fast wortwörtlich vom zeigt, wie gute Wirtschaftspolitik funktioniert, wie Beschluss des CDU-Landesparteitages „Den Nor- man Arbeitsplätze schaffen kann, wie man die den stärken“ abgepinselt. Basis im Mittelstand schaffen kann. Ab dem 28. September werden CDU und FDP das auch in (Beifall bei der CDU) Berlin umsetzen. Dann geht es mit Deutschland Feinschmeckern empfehle ich Kapitel 7 Seite 32. bergauf. Dort werden Sie die wesentlichen Bausteine wie- Vielen Dank. derfinden. Gut kopiert ist politisch leider schlecht gemacht, Herr Jüttner. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Wolfgang Jüttner [SPD]: Wo haben Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: Sie denn Ihr Landesparteitagspapier abgeschrieben? Wahrscheinlich von Bevor ich nun Herrn Thiele von der CDU-Fraktion einem Ihrer alten Papiere!) das Wort erteile, möchte ich Sie darüber informie- ren, dass die Fraktionen vereinbart haben, den - Ertappt, gell? Tagesordnungspunkt 37 nur noch zum Zweck der Ausschussüberweisung aufzurufen. Die Debatte Zweiter Kritikpunkt: Wo Sie nicht abgeschrieben darüber entfällt damit heute. - Herr Thiele, Sie haben, begehen Sie große Fehler. haben das Wort. (Björn Thümler [CDU]: Wie immer!)

Ulf Thiele (CDU): - Das ist nicht wirklich überraschend - Der aus Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meiner Sicht katastrophalste sind die Vorschläge Herren! Ein Sprichwort der Dakota-Indianer be- im Bereich der Steuerpolitik. Ihre Vorschläge füh- sagt: Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd ren zu einer Mehrbelastung der Leistungsträger in reitest, dann steige ab. diesem Land. Das ist das Gegenteil von dem, was Deutschland und Niedersachsen momentan brau- (Beifall bei der CDU - Zuruf von der chen. SPD: Uralt! - Zuruf von Dr. Gabriele Andretta [SPD]) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Ich habe Verständnis dafür, dass Sie vor dem Ich glaube, Sie haben das noch gar nicht gemerkt. 27. September von Ihrem Pferd nicht mehr abstei- (Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Wer gen. Aber der Deutschland-Plan Ihres Kandidaten sind denn die Leistungsträger?) und Ihr kleines Pony, der Niedersachsen-Plan, werden Sie nicht durch diesen Wahlkampf tragen. Die Steuervorschläge in dem Papier Ihres Kandi- Dessen sind wir uns sehr sicher. daten belasten im Wesentlichen die Facharbeiter bei Volkswagen, bei Conti, bei Salzgitter und bei (Beifall bei der CDU und bei der FDP) den vielen Familienbetrieben in Niedersachsen. Ich will mich auf drei Punkte beschränken. Diese werden von ihnen stärker belastet, nicht entlastet. Erstens. Sie haben vieles, sehr vieles bei uns und zum Teil übrigens auch bei den Grünen schlicht (Björn Thümler [CDU]: Unerhört ist und ergreifend abgeschrieben. das!)

(Beifall bei der CDU) Das ist leistungsfeindlich.

Zweitens. Sie begehen in den Teilen Ihres sozialis- (Beifall bei der CDU und bei der FDP - tischen Zehnjahresplans, die Sie selbst formuliert Heiner Bartling [SPD]: Lesen und haben, schlimme Irrtümer. rechnen muss man können!)

Drittens. Sie versprechen den Menschen in puncto - Wir haben uns das schon angeschaut. - Das sind Arbeitsplätze in Deutschland und in Niedersach- genau diejenigen, die wir momentan, in dieser sen - das haben wir gerade gehört - das Blaue Wirtschaftskrise, nicht be-, sondern entlasten müs- vom Himmel. sen. Ein Beispiel zum ersten Punkt: zum Abschreiben. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Den gesamten Text zum Aus- und Aufbau der

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Unser Feind heißt ja nicht SPD. Unser Feind in en die Arbeitslosen in Deutschland egal, ist eine dieser Frage heißt momentan kalte Progression. bodenlose Frechheit, meine Damen und Herren! Denn es ist einfach nicht nachzuvollziehen, dass wir in dem jetzigen Steuersystem dafür sorgen, (Beifall bei der CDU und bei der FDP) dass ein VW-Facharbeiter, der durchschnittlich Wir wissen: Die Fakten sprechen eine andere 41 000 Euro im Jahr verdient, heute so besteuert Sprache. Als Angela Merkel Bundeskanzlerin wur- wird, wie vor 20 Jahren in Deutschland ein Arzt de, hat sie einen Stand von 4,65 Millionen Arbeits- besteuert worden ist. Das ist leistungsfeindlich, losen übernommen. Das war im August 2005. Im und das brauchen wir nicht. Das ist demotivierend, Juli 2009 haben wir bei der Arbeitslosigkeit einen und das werden wir ändern. Stand von 3,46 Millionen Menschen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Wer Wir wollen, dass Gehaltssteigerungen bei den hat denn die Weichen dafür gestellt?) Menschen und nicht beim Finanzamt ankommen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das ist immer Deshalb fordert die CDU die Absenkung des Ein- noch viel zu viel. Damit wir uns richtig verstehen: gangssteuersatzes auf 12 %, die grundlegende Unser politisches Ziel bleibt es selbstverständlich, Reform des Steuertarifs und die Verschiebung des in diesem Land Vollbeschäftigung zu erreichen, Höchststeuersatzes auf Einkommen ab 60 000 Euro, um genau diese Menschen, die Leistungs- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) träger in unserer Gesellschaft, zu motivieren, mit aber eben nicht, indem wir den Menschen Wolken- uns gemeinsam dieses Land aus der Krise zu füh- kuckucksheime versprechen und irgendwelche ren. Zahlen in die Weltgeschichte blasen. Wir wollen (Beifall bei der CDU und bei der FDP - vielmehr dafür sorgen, dass in diesem Land die Detlef Tanke [SPD]: Meinen Sie Herrn richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, Ackermann, Herr Thiele?) damit wir durch diese Wirtschaftskrise hindurch kommen und neues Wachstum und neue Beschäf- Damit komme ich zum dritten Punkt, nämlich Ihren tigung in Deutschland aufbauen können. substanzlosen Arbeitsplatzversprechen. Herr Jütt- ner hat das gerade für Niedersachsen wiederholt: (Beifall bei der CDU und bei der FDP) 350 000 Arbeitsplätze mal eben so in den blauen Ich bin der festen Überzeugung, dass eine bürger- Dunst hinein. Die Menschen in diesem Land haben liche Regierung aus CDU und FDP das am besten das durchschaut. Die Menschen in diesem Land leisten kann. lassen sich auch nicht blenden von Plänen der SPD, die mal eben so am Küchentisch die Schaf- (Kreszentia Flauger [LINKE] lacht) fung von Millionen von Arbeitsplätzen darstellen, und das mit gutem Grund, weil sie nämlich ein Wir in Niedersachsen machen das vor. CDU und gutes Gedächtnis haben. FDP regieren dieses Land mit Ruhe, mit Augen- maß, aber sehr konsequent und sehr erfolgreich. 1998 verkündete der damalige SPD-Kanzlerkandi- dat - wir wissen ja, wer seine Sprechzettel ge- (Heiner Bartling [SPD]: Jetzt die schrieben hat: das ist der heutige Kandidat -, er La-Ola-Welle!) wolle sich an der signifikanten Bekämpfung der Wir sind stolz darauf, einen Ministerpräsidenten zu Arbeitslosigkeit messen lassen. 2001 erklärte er, haben, der in den vergangenen Monaten mit viel bis 2002 wolle er die Arbeitslosigkeit unter 3 Millio- Energie und mit viel Geschick dafür gesorgt hat, nen drücken. 2002 erklärte er, bis 2005 wolle er sie dass VW in eine gute Zukunft fährt. unter 2 Millionen drücken. - Dreimal versprochen, dreimal versagt. Im Februar 2005, in dem Jahr, in (Beifall bei der CDU und bei der FDP) dem Rot-Grün von den Deutschen abgewählt wur- Herr Jüttner, liebe Kollegen von der Sozialdemo- de, lag die Arbeitslosigkeit in Deutschland bei fast kratie, wir sind uns ja bewusst, dass es Sie tief im 5,3 Millionen Menschen. Das ist die Wahrheit. Herzen getroffen hat, dass der Betriebsratsvorsit- Das Schlimmste, was in der Debatte um Ihren zende von Volkswagen bei einer Wahlkampfveran- bemerkenswerten Plan passiert ist, ist die Entglei- staltung der Christlich-Demokratischen Union in sung von Herrn Müntefering. Zu behaupten - wenn Wolfsburg bei uns auf der Bühne stand und eine das das Wahlkalkül wäre -, unserer Kanzlerin sei- deutliche Rückendeckung für die CDU, für diese

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Kanzlerin und für diesen Ministerpräsidenten in das Sie offensichtlich gerade zurückzubuchen dieser Situation gegeben hat. versucht haben, das Sie aber in Ihrer Regierungs- zeit sträflich vernachlässigt haben. (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiner Bartling [SPD]: Fragen Sie den (Beifall bei der CDU) heute mal, was er von Herrn Wulff Angela Merkel hat den Umwelt- und Klimaschutz hält!) stärker vorangebracht als alle ihre Vorgänger zu- Verehrte Kollegen, wir Christdemokraten sind stolz sammen. Angela Merkel und gemeinsam mit ihr darauf, dass wir in einer harmonischen Koalition Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor Freiherr aus CDU und FDP das Land wirtschaftlich gut zu Guttenberg - der „schwarze Baron“ ist ja Ihr aufgestellt haben. Wir haben das in den letzten Liebling geworden - treffen die richtigen Entschei- zwei Tagen diskutiert: Im Vergleich haben wir gute dungen, um unsere Wirtschaft und unseren Ar- Zahlen sowohl bei den Wachstumsdaten als auch beitsmarkt mit Maß und Mitte durch die Krise zu bei den Arbeitsmarktdaten und bei den Ausbil- führen. dungsplatzdaten, besser als fast alle anderen Län- Sehr geehrte Damen und Herren, dass wir am der in Deutschland. Wir sind stolz darauf, dass 27. September einen entscheidenden Unterschied CDU und FDP in Niedersachsen Vorbild für eine haben werden, liegt daran, dass die SPD einen neue Koalition im Bund sein können. Kandidaten hat. Wir haben die Kanzlerin, und die Wir wollen gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Menschen wollen, dass das so bleibt. Wenn Sie wissen wollen, wie das geht, empfehle Herzlichen Dank. ich Ihnen - dafür reicht die Zeit jetzt nicht aus -, unser Wahlprogramm „Wir haben die Kraft“ - weil (Starker, anhaltender Beifall bei der Sie immer sagen, wir haben nichts; wir haben so- CDU und Beifall bei der FDP) gar eine ganze Menge an Substanz - als auch unseren Landesparteitagsbeschluss „Den Norden Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: stärken“, den Sie offensichtlich ja gelesen haben, Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Flauger weil Sie ihn zum Teil kopiert haben, einmal im gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Flauger. Detail zu lesen.

(Beifall bei der CDU) Kreszentia Flauger (LINKE):

Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden das Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass schaffen, weil wir eine Kanzlerin haben, die einen der vorliegende Antrag ein heruntergebrochener hervorragenden Job macht. Steinmeier-Kanzlerkandidatenantrag ist, haben wir schon gehört. Herr Jüttner hat ganz klar gesagt: (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Das ist Wahlkampf. - Das mag so sein. Angela Merkel hat die Prinzipien unserer sozialen Positiv ist: Der Antrag macht auf eine Reihe von Marktwirtschaft in Europa und weltweit als Lösung Prioritäten aufmerksam, die auch wir tragen, z. B. für den Weg aus dieser Krise verankert. Angela den Ausbau von Arbeitsplätzen im Gesundheits- Merkel hat zusammen mit Ursula von der Leyen und im Pflegebereich, eine vehemente Frauenför- das Thema Kinder und Familie wieder in das Zent- derung und einen Schwerpunkt auf Bildung. rum der Politik gerückt. Von „Kindern und Gedöns“ ist heute in dieser Gesellschaft keine Rede mehr. Sie, Herr Ministerpräsident Wulff, haben seit 2003 Das ist ein Verdienst dieser Bundeskanzlerin und ein bildungspolitisches Desaster zu verantworten. unserer Spitzenkandidatin bei der Bundestags- Da haben Sie sich völlig vergaloppiert. Beim An- wahl. gebot an Krippenplätzen hängt Niedersachsen meilenweit hinterher. An den Schulen fehlen 2 000 (Beifall bei der CDU) Lehrerinnen und Lehrer. Mehr als 10 000 Jugend- liche stehen ohne Ausbildungsplatz da. Unsere Das gilt, Herr Jüttner, übrigens auch für das The- Hochschulen verrotten weiter. Da ist es wirklich ma frühkindliche Bildung, Zeit für einen politischen Wechsel, da ist es Zeit für (Frauke Heiligenstadt [SPD]: Machen Änderung. Sie mal einen konkreten Vorschlag für (Beifall bei der LINKEN - Hans- Niedersachsen!) Christian Biallas [CDU]: Sie wissen

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wahrscheinlich gar nicht, was eine Die weitgehende Ignoranz der Krise im Antrag ist Hochschule ist!) offenbar auch der Grund dafür, dass die entschei- dende Frage, wie Niedersachsen nun wieder aus Aber im SPD-Antrag werden wichtige Herausforde- dieser Krise herauskommt, im SPD-Antrag nicht rungen ausgeblendet oder unterbelichtet. Über die wirklich angepackt wird. Die Linke sieht den Weg Rahmenbedingungen für die Umsetzung dieses aus der Krise in der nachhaltigen Stärkung der Plans schweigt sich der SPD-Antrag völlig aus. Kaufkraft bei gleichzeitiger umfassender Demokra- (Karl-Heinz Klare [CDU]: „Unsere tisierung und Mitbestimmung in der Wirtschaft. Die Hochschulen verrotten“! Das muss Vorgänge Conti/Schaeffler und Karmann haben man sich einmal vorstellen!) gezeigt, dass das Letztere dringend geboten ist. (Beifall bei der LINKEN) Wenn diese Mängel im Plan nicht behoben wer- den, dann muss er wohl als Wünsch-dir-was- Das Thema Binnennachfrage wird im SPD-Antrag Antrag zu den Akten gelegt werden. zwar angesprochen; aber entscheidende Maß- nahmen für die Umsetzung bleiben unterbewertet (Unruhe - Glocke des Präsidenten) oder ganz außen vor. Im Niedriglohnland Nieder- Weil die Linke für ein solidarisches, soziales und sachsen erhält gut ein Fünftel der abhängig be- umweltfreundliches Niedersachsen kämpft, werden schäftigten Menschen Hungerlöhne. Das ist ein wir für die zweite Beratung des SPD-Antrags der beschämender Negativrekord unter den westdeut- Stagnationspolitik, die der Ministerpräsident hier schen Bundesländern! praktiziert, mit einem kompakten Änderungsantrag (Beifall bei der LINKEN) Alternativen entgegensetzen. Da muss die Einführung eines gesetzlichen Min- (Beifall bei der LINKEN) destlohns von zunächst 10 Euro höchstes Gewicht haben. Auch unsere Forderung zur Erhöhung des Ich möchte auf drei Kritikpunkte zum SPD-Antrag Hartz-IV-Regelsatzes auf zunächst 500 Euro dient eingehen. ausdrücklich auch der Kaufkraftsteigerung und Das erste Manko: Das Ausmaß der Krise in Nei- damit der Krisenbewältigung. dersachsen ist weitaus gravierender, als es jetzt im Wir brauchen in einem Niedersachsen-Plan den Antrag wiedergegeben wird. Die schlimmste Krise Einstieg in einen öffentlich geförderten Beschäfti- in der Geschichte Niedersachsens und deren Ur- gungssektor. sachen werden in für uns nicht hinnehmbarer Art und Weise ausgeblendet. Deshalb sind einige der (Beifall bei der LINKEN) vorgeschlagenen Schritte sehr weit weg von der Damit können wir nämlich auch schwer vermittel- Realität. bare Langzeitarbeitslose nachhaltig und zu fairen Wenn man einen Plan für Niedersachsen vorlegt, Löhnen in Beschäftigung bringen. Der Markt regelt dann muss man natürlich berücksichtigen, dass in leider einfach nicht alles. Der rot-rote Senat in diesem Jahr das Bruttoinlandsprodukt im Jahres- Berlin hat mit jetzt schon 8 000 entsprechenden vergleich um mindestens 6 % absinken wird. Das Arbeitsplätzen vorgemacht, wie das in einem trifft vor allem die niedersächsischen Schlüsselin- Stadtstaat geht. Niedersachsen soll das für ein dustrien und die Hafenwirtschaft. Ich brauche kei- Flächenland als Vorbild für die anderen Bundes- ne Prophetin zu sein, um vorauszusagen, dass wir länder entwickeln. Jahre, mehrere Jahre brauchen werden, um auch (Beifall bei der LINKEN) nur die Wertschöpfung des Jahres 2008 wieder zu Das zweite Manko des sogenannten Niedersach- erreichen. sen-Plans: Viele der Vorschläge erfordern vor al- (Beifall bei der LINKEN) lem bundespolitische Maßnahmen, so z. B. in den Bereichen des ökologischen Umbaus, der For- Für den Arbeitsmarkt steht in dieser Krise das schungspolitik und der Mittelstandspolitik. Nun ist Schlimmste aber noch bevor. Das hat gestern die SPD aber seit elf Jahren ununterbrochen an selbst Wirtschaftsminister Dr. Rösler bei der Be- der Bundesregierung beteiligt. antwortung unserer Dringlichen Anfrage zur wach- senden Arbeitslosigkeit, besonders Jugendarbeits- (Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Hört, losigkeit, zugegeben. hört!)

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Viele dieser Vorschläge hätten Sie also im Bun- Wir erwarten, dass Niedersachsen im Bund Vorrei- deskabinett längst auf den Weg bringen können. ter für eine neue, gerechte Steuerpolitik wird. Ich Das haben Sie aber nicht getan. fürchte, Herr Thiele, wir werden uns an dieser Stel- le nicht auf das Gleiche verständigen können. Wir (Björn Thümler [CDU]: Na, so was!) verstehen darunter etwas anderes. Herr Jüttner, von dem, was Sie hier gerade vorge- tragen haben, haben Sie vieles selbst mitzuver- (Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist uns antworten. Das hätten Sie vielleicht an dieser Stel- klar! Das wäre auch komisch!) le einräumen sollen. Aber ich will auch Ihnen gerne noch einmal erklä- (Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ren, was wir darunter verstehen. Sie sagen hier, ler [CDU]: Wohl wahr!) Sie wollen mit Maß und Mitte aus der Krise. Sie versuchen es also mit Mittelmaß. Das ist alles, was Sie können nicht einfach so tun, als wären wir hier Sie da versuchen. alle gerade erst aus dem Mustopf gekrochen. (Heiterkeit) (Beifall bei der LINKEN - Reinhold Coenen [CDU]: Mit Augenmaß!) Ich komme zum dritten Manko des Antrags. Der betrifft die durchgängig fehlende Finanzierung. Die Allein die Wiedererhebung einer reformierten, ver- SPD unternimmt nicht einmal den Versuch, Grund- fassungsfesten Vermögensteuer würde netto 1 Mil- züge für mehr Einnahmen aufzuzeigen. Da muss liarde Euro Mehreinnahmen für das Land Nieder- ich mich Herrn Bode ausnahmsweise einmal an- sachsen bringen. Auch die nachhaltige Besteue- schließen. rung großer Erbschaften, die Wiederbelebung der Gewerbesteuer durch eine breitere Bemessungs- (Jörg Bode [FDP]: Oh Gott!) basis, die Anhebung des Spitzensteuersatzes und - Das gibt auch mir zu denken. - Wenn das aber die Einführung einer Börsenumsatzsteuer wie in nicht erfolgt, wenn das im Antrag nicht noch er- Großbritannien würden deutliche Einnahmezu- gänzt wird, dann verkommt der ganze Plan zur wächse für dieses Land bedeuten. Makulatur. Um einmal mit Marx und Engels zu sprechen: (David McAllister [CDU]: Haben Sie nicht noch mehr Steuererhöhungen?) (Zuruf von der CDU: Sind die nicht schon tot?) - Wir haben vor allem Steuerumgestaltungen zur Erreichung von mehr Gerechtigkeit. Dann wird er der nagenden Kritik der Mäuse über- lassen. (David McAllister [CDU]: Ah, so heißt Ich bekräftige noch einmal die Einschätzung der das!) Linken, nach der ein solidarisches, soziales und Sie wissen offensichtlich nicht, was das ist. umweltfreundliches Niedersachsen ohne einen gleichzeitigen Umbau der finanziellen Grundlagen (Beifall bei der LINKEN) des Landes unmöglich ist. Wir könnten die Finanzen der Städte und Gemein- (Beifall bei der LINKEN) den und auch des Landes bedeutend stärken, Aber was macht diese Regierung? - Sie lassen wenn Sie das politisch wollen würden. 600 Millionen Euro, vor allem Einkommen- und Umsatzsteuer, wegen fehlender Steuerprüfer und (David McAllister [CDU]: Enteignun- Steuerfahnder einfach mal so auf der Straße lie- gen! - Gegenruf von der LINKEN: Das gen. machen Sie doch in Gorleben!) (Björn Thümler [CDU]: Das alte Mär- Ich fordere alle Fraktionen in diesem Landtag auf, chen!) sich im aufgezeigten Sinne für Niedersachsen einzusetzen. Auf unseren Einsatz kann dieses Herrn Wulff interessiert das nicht; er ist gerade Land jedenfalls zählen. beschäftigt. Wir wissen, dass es ihn nicht interes- siert. Sonst hätte er schon etwas gemacht. Danke. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN)

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Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: an dieser Stelle urteilen und gucken, was gesche- Herr Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- hen ist und in welcher Situation wir stehen, dann nen hat das Wort. Bitte schön! müssen wir auch beurteilen, was diese Große Koalition angesichts einer Wirtschafts- und Finanz- (David McAllister [CDU]: Du hast jetzt krise wirtschaftspolitisch bewegt hat, die so fun- die einmalige Chance, eine gute Rede damental ist und auch auf unseren Landeshaus- zu halten!) halt so heftig durchschlägt wie kein Ereignis zuvor in der Geschichte des Landes. Stefan Wenzel (GRÜNE): (Ulf Thiele [CDU]: Sie sagen etwas, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! was nicht konstruktiv ist, und graben Herr McAllister, ich habe mir gerade vorgestellt - - - sich dann ein!) (David McAllister [CDU]: Nicht schon Sie kennen wahrscheinlich schon die Zahlen, die wieder ich! - Heiterkeit - Wolfgang Grundlage des Entwurfs für den Landeshaushalt Jüttner [SPD]: Immer auf die Dicken! - für 2010 oder auch für 2011 sein werden. Die Zah- Weitere Zurufe) len sind wirklich dramatisch. - Ich wollte aber jetzt nicht mit der Atompolitik an- Was hat die Große Koalition getan? - Die Große fangen. Koalition hat insbesondere versucht, den Status (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Glück quo zu erhalten. Meine Befürchtung ist: Sie hat gehabt!) insbesondere auf das Datum 27. September ge- schielt und hat versucht, bis dahin den Eindruck zu Heute ist ja Herr Wulff da; dann kann ich ihn auch erwecken, dass diese große Finanzkrise uns weit- direkt ansprechen. gehend unbeschadet zurücklässt. Meine Damen Herr McAllister, ich habe mir gerade vorgestellt, und Herren, daran möchte ich ernsthafte Zweifel dass in 10 oder 20 Jahren ein Historiker die heuti- anmelden. Auch wenn sich die Börsenkurse an der ge Landtagsdebatte nachliest und sich die Frage einen oder anderen Stelle wieder einmal ein biss- stellt: Waren die sich damals eigentlich der Lage chen erholt haben, glaube ich, dass wir noch bewusst, in der sie sich befanden? Haben sie ihre längst nicht durch diese Krise sind. Situation wirtschaftspolitisch, umweltpolitisch, so- (Beifall bei den GRÜNEN, bei der zialpolitisch richtig eingeschätzt? Haben sie die SPD und bei der LINKEN) richtigen Analysen, die richtigen Schlüsse gezo- gen? Haben sie konstruktiv an einer Lösung gear- Sie sind in großem Stil in Kurzarbeit gegangen. beitet? Das ist erst einmal gut. Aber irgendwann beginnt ein Unternehmen zu rechnen, ob der Umsatz wie- (Björn Thümler [CDU]: Nur! - Dr. Karl- der auf das alte Niveau kommt oder ob man sich Ludwig von Danwitz [CDU]: Wir arbei- auf ein um 20 %, 30 % oder 40 % niedrigeres Ni- ten jeden Tag!) veau einlassen muss. Dann kann das Unterneh- Haben sie ernsthaft und zielstrebig an einer Lö- men die Kurzarbeit nicht dauerhaft auf dem Niveau sung gearbeitet? halten und wird irgendwann anfangen zu prüfen, was notwendig ist. Ich habe hier Sätze wie die folgenden gehört: Wir brauchen neues Wachstum und neue Beschäfti- Auch die Abwrackprämie - Verzicht auf ökologi- gung. Weiter so wie bisher! - Ich hatte zwischen- sche Steuerungsmechanismen - ist ein klassisches durch den Eindruck, die Hauptakteure der großen Instrument, um das alte Niveau, den Status quo Volksparteien hier hätten ganz vergessen, wer aufrechtzuerhalten und sogar noch große Sprit- überhaupt regiert. Wir haben eine Große Koalition. fresser staatlich zu fördern. (Jörg Bode [FDP]: Aber nicht hier! - (Beifall bei den GRÜNEN) Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD]) Das Konjunkturprogramm: in wesentlichen Teilen - Sie sagen, es ist Wahlkampf. Aber Sie meinen Erhalt des Status quo und in vielen Fällen schlicht den Bundestagswahlkampf, Herr Jüttner, und im und einfach Investition an der falschen Stelle. Bund regiert eine Große Koalition. Von daher werden wir im Herbst in eine Situation Sie sind ja darauf voll eingestiegen und haben den kommen, in der die Autoindustrie und der Maschi- Ball aufgenommen. Ich kann nur sagen: Wenn wir nenbau sehr stark unter Druck kommen. Das wer-

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den wir hier im Land noch sehr bitter zu spüren hen. Das ist unsere Forderung. Darauf werden wir bekommen, weil es natürlich immer auf die Steu- ganz energisch drängen. ereinnahmen des Landes und insbesondere unse- Ich danke Ihnen. Leider ist meine Redezeit zu rer Kommunen durchschlägt. Ende. Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Die (Beifall bei den GRÜNEN) Haushaltsspielräume für alles, was wir in den nächsten Jahren tun können, sind verdammt eng. Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: Sie werden noch viel enger, als wir es bislang er- Der nächste Redner ist Herr Minister Dr. Rösler. lebt haben. Von daher ist es ein zusätzliches Prob- Bitte schön! lem, dass die Regulierung der Finanzmärkte, die wir alle als Notwendigkeit gesehen haben, noch (Ulf Thiele [CDU]: Freie Rede!) nicht erfolgt ist. Im internationalen Kontext laufen Verhandlungen, und es gibt viele Erklärungen. Dr. Philipp Rösler, Minister für Wirtschaft, Arbeit Aber die eigentlich notwendige Regulierung ist und Verkehr: bisher nicht durchgeführt worden. Von daher sind Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und es schon wieder Ratingagenturen, die den Takt Herren! Lieber Herr Kollege Jüttner, das war, wie angeben und plötzlich wieder den Druck ausüben, ich meine, ausschließlich Wahlkampfpolemik und den sie auch vorher ausgeübt haben. kein bisschen Niedersachsen-Plan. (Glocke des Präsidenten) (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Heiner Bartling [SPD]: Nur das, was Meine Damen und Herren, das macht mich be- Herr Thiele erzählt hat, war keine sorgt. Von daher haben wir ein Konzept vorgelegt, Wahlkampfpolemik!) das besagt: Wir müssen die Chancen nutzen, die wir nutzen können, wenn wir die Herausforderun- Ich finde es sehr schade, dass Sie sich von Ihrem gen der Klimakrise mit dem verbinden, was uns die eigenen Papier distanzieren. Denn wenn es eines Finanz- und Wirtschaftskrise abfordert. - Deshalb Beweises bedurft hätte, dass die SPD niemals haben wir gesagt: Hier ist der Sektor, die Umwelt- wieder in Regierungsverantwortung kommen soll, technik, in den wir ganz massiv und mit klaren dann ist dieser Niedersachsen-Plan der Beweis. Botschaften hineingehen und investieren müssen. (Zustimmung bei der FDP) Die Autoindustrie und der Maschinenbau werden auch ohne Wirtschaftskrise eher stagnieren. In der Ich finde es okay, Herrn Steinmeier den Rücken Umwelttechnik können wir richtig nach vorn gehen. ein bisschen stärken zu wollen. Er ist Ihr Spitzen- Dazu haben wir ein Programm vorgelegt. Aber wir kandidat. Das war zu anderen Zeiten ja schon reden von 1 Million Arbeitsplätzen; 4 Millionen einmal anders. halten wir angesichts der Herausforderungen nicht (Lachen bei der CDU) für realistisch. Deswegen ist es richtig, dass Sie ihn gelobt haben. Aber hier brauchen wir - ich komme zum Ende, Das muss ja einmal jemand machen. Wenn wir die Herr Präsident - klare Botschaften. Was Sie z. B. Landesregierung loben würden, wäre das nicht atompolitisch machen, Herr Wulff, ist absolut kont- ganz glaubwürdig, weil wir uns dann selber loben raproduktiv, weil es Investitionen in der richtigen würden. Deshalb habe ich ein Zitat von jemandem Richtung verhindert und weil wir den Umbau der mitgebracht, der die Landesregierung, wie ich fin- Weltenergiewirtschaft in den nächsten zwei, drei de, in besonderer Weise gelobt hat. Es ist ein Lan- Jahrzehnten schaffen müssen. desparteiratsbeschluss - so heißt das bei den Kol- legen wohl - der SPD in Niedersachsen vom (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- 8. August. Ich darf zitieren: stimmung von Kurt Herzog [LINKE]) „Ressourcenschonende Energien wie Die ganze Welt braucht diese Technologie. Wenn Windkraft und Biomasse sowie ande- wir diese Technologie schaffen, wenn wir die Ma- re Bereiche der Umweltschutztechnik schinenbauer, Unternehmen und Mittelständler sind in Niedersachsen zu Hause. Die haben, die das können - viele haben die Voraus- Offshore-Windparkanlagen vor der setzungen -, dann schaffen wir es auch, diese tiefe niedersächsischen Nordseeküste ge- wirtschaftliche Talsohle einigermaßen zu überste- ben ein gutes Beispiel davon, wie po-

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litische Rahmensetzung, Innovation derungen der Koalitionsfraktionen und der Landes- und moderne Infrastruktur erfolgreich regierung, sondern auch vieler Verbände, Instituti- miteinander verknüpft werden kön- onen, Kammern und auch der Bundesagentur für nen.“ Arbeit. Ihr Nein zur Qualifizierungsoffensive ist in Wahrheit ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich Weiter: in Krisenzeiten um die Ausbildung und Qualifizie- „Bei den Lebenswissenschaften Bio- rung junger Menschen in Niedersachsen bemü- technologie, Biologie, Biochemie, hen. Chemie, Pharmazie, Medizin und Me- (Beifall bei der FDP und bei der CDU - dizintechnik ist Niedersachsen gut Wolfgang Jüttner [SPD]: Daran waren aufgestellt. Niedersachsen gehört zu die Gewerkschaften beteiligt!) den stärksten Forschungsregionen auf diesen Feldern mit einer weit - Die Gewerkschaften sind in den Arbeitsgruppen überdurchschnittlichen Dichte von selbstverständlich beteiligt. Aber offensichtlich rund 5 000 Wissenschaftlern, 17 Uni- ziehen sie es vor, bis zum 27. September zu war- versitäten und Fachhochschulen al- ten, lein im Life-Science-Bereich und mehr (Wolfgang Jüttner [SPD]: Weil sie von als 80 weiteren Forschungsinstitutio- Ihrem Konzept nichts halten!) nen.“ um dann an dieser Stelle in unser Qualifizierungs- Meine Damen und Herren, kein Regierungsspre- konzept mit einzusteigen. cher hätte uns besser loben können als der SPD- Parteiratsbeschluss. (Wolfgang Jüttner [SPD]: Weil das zu dünn ist!) (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD) Herr Kollege Jüttner, wo wir gerade bei „dünn“ sind: Der absolute Hammer ist die Frage der Fi- Wir sind auf gutem Wege, und wir setzen die rich- nanzierung Ihres gesamten Niedersachsen-Plans. tigen Schwerpunkte. Dann ist es auch nicht weiter David McAllister und ich haben uns gerade über schlimm, wenn Sie in Ihrem Papier versuchen, uns einen berühmten Satiriker unterhalten, der jetzt hinterherzulaufen. Sie fordern ja beispielsweise, einen Film gedreht hat, nämlich Horst Schlämmer. gemeinsam mit der NBank und den Hausbanken ein Konzept zu entwickeln, um die Finanzierungs- (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Nein, der schwierigkeiten des Mittelstandes zu heilen. Aber heißt eigentlich Kerkeling!) wir fragen Sie: Wo waren Sie denn in den letzten Herr Jüttner hat mich ein bisschen an Horst Wochen, als wir über unseren 70-Millionen-Euro- Schlämmer erinnert; denn sein Leitspruch ist: Wir Eigenkapitalfonds diskutiert haben? Wo waren Sie haben von allem zu wenig; wir brauchen wieder denn, als wir über den Niedersachsenkredit und mehr. - Genau das war Ihr Redebeitrag. Sie haben seine Ausweitung diskutiert haben? Wo waren Sie, nur darauf verzichtet, am Ende die Finanzierung als wir den Bürgschaftsrahmen ausgeweitet ha- mitzuliefern. ben? - Offensichtlich waren Sie hier im Hause nur körperlich anwesend, aber weniger geistig. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Meine sehr verehrten Damen und Herrn, halten wir Sie haben in Ihrem Paket zwar Forderungen in fest: Die Sozialdemokraten in Niedersachsen ha- Milliardenhöhe aufgestellt - daran werden wir Sie ben sich gänzlich vom aktuellen Krisenmanage- messen, auch bei den kommenden Haushaltsbera- ment entfernt. tungen -, aber eben keine Gegenfinanzierung mit- geliefert. Ihre Kollegen in Berlin waren wenigstens (Beifall bei der FDP und bei der CDU) so ehrlich zu sagen, dass sie Steuererhöhungen In Ihrem Papier fordern Sie Qualifikationen, mehr wollen, um damit ihre Bildungsausgaben zu finan- Naturwissenschaftler, mehr Techniker und auch zieren. Sie hingegen sagen nur, Sie wollten Steu- mehr Frauen in Führungspositionen. Wir fragen ererhöhungen, geben das Geld aber an ganz an- Sie: Wenn Sie all das fordern, warum haben Sie derer Stelle aus. Dies zeigt, dass Sie Ihre Vor- dann in der letzten Plenarsitzung unsere Qualifizie- schläge zwar aufgeschrieben und viel weißes Pa- rungsoffensive abgelehnt? - Dort sind all die Punk- pier schwarz gemacht haben, aber am Ende nicht te längst enthalten, die Sie fordern, nicht nur For- einmal selbst ernsthaft daran glauben, dass Sie

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diese Vorschläge jeweils inhaltlich umsetzen müs- ten Politik für dieses Land hat dies jedenfalls nichts sen. Sie selbst glauben nicht an eine Regierungs- mehr zu tun. Sie versuchen nur, die Menschen mit verantwortung, weder in Berlin noch in Nieder- billigen Sprüchen zu ködern und ihnen den Ein- sachsen. druck zu vermitteln, man könnte dem Staat in die- ser Situation tatsächlich noch einmal die Hose In Ihrem Papier versprechen Sie den Menschen herunterziehen. Was dabei allerdings auf der Stre- unseriöserweise 350 000 zusätzliche Arbeitsplätze. cke bleibt, sind Daseinsvorsorge und Infrastruktur, Ich möchte noch einmal erwähnen: Wir haben die die Menschen tatsächlich brauchen und auf die 316 000 Arbeitslose in Niedersachsen. Das wäre sie nicht verzichten können, wenn sie kein Minis- dann nicht nur Vollbeschäftigung, sondern sogar tergehalt haben. Überbeschäftigung. Also, bei der Erstellung Ihres Papiers hat am Ende jeder Realitätssinn gefehlt. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FDP und bei der CDU - (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Glocke des Präsidenten) SPD) - Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Halten Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: wir fest: Dieses Papier ist für den Wahlkampf ge- schrieben worden, aber den Menschen in Nieder- Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sachsen nützt es überhaupt nichts. Ich finde, gera- sind wir am Ende der Beratung; denn es liegen de in Krisenzeiten haben die Menschen mehr ver- keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. dient als Politiker, die inhaltlich und geistig in Kurz- Wir kommen zur Ausschussüberweisung. arbeit gegangen sind. Zuständig soll der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. und Verkehr sein. Wer so beschließen möchte, (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dage- FDP und bei der CDU) gen? - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 30 auf: Vizepräsident Hans-Werner Schwarz: Die Landesregierung hat die Redezeit knapp über- schritten. Herr Wenzel bittet nach § 71 Abs. 3 un- Erste Beratung: serer Geschäftsordnung um zusätzliche Redezeit. Bundesratsinitiativen für die Ausweitung des Ich gewähre Ihnen eine Redezeit von anderthalb ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % sowie Minuten. Bitte schön! deren Finanzierung durch Einführung einer Börsenumsatzsteuer - Antrag der Fraktion DIE Stefan Wenzel (GRÜNE): LINKE - Drs. 16/1486 Herr Präsident! Herr Rösler, wenn Herr Jüttner Herr Schlämmer ist, dann sind Sie der Lügenbaron von Münchhausen. Der Antrag wird von Herrn Dr. Sohn von der Frak- tion DIE LINKE eingebracht. (Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte nur an das schöne Zitat erinnern, das Dr. Manfred Sohn (LINKE): die Financial Times in den letzten Wochen veröf- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zurück fentlicht hat. Zur steuerpolitischen Seriosität der zu Niedersachsen und zum Koalitionsvertrag. Es FDP hat sie geschrieben: Von der steuerpoliti- ist jetzt 18 Monate - genauer gesagt: anderthalb schen Seriosität ist die FDP die rechte Variante der Jahre und einen Tag - her, als Herr McAllister, Herr Linkspartei. Rösler und ein paar andere u. a. die beiden Sätze (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- unterschrieben haben, die wir in den Mittelpunkt stimmung von Heiner Bartling [SPD]) dessen stellen möchten, was wir jetzt zu behan- deln haben. Ihre Steuersenkungsversprechungen, Herr Rösler, kann man vor dem Hintergrund der Finanzlage und (Jörg Bode [FDP]: Sehr gute Sätze!) angesichts der Situation, in der wir uns befinden, - Mal gucken, was Sie daraus machen, Herr Bode. nur noch für unglaublich halten. Mit einer ernsthaf-

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Die beiden Sätze lauten: Mathematik, die so aussieht: Das arithmetische Mittel zwischen 0 und 2, auf das man sich geeinigt „CDU und FDP halten eine Überprü- hat, ist 3. fung der Umsatzsteuersystematik für zwingend geboten.“ Angesichts der nun schon anderthalb Jahre wäh- renden autistischen Koalitionsvertragsumsetzungs- (Kreszentia Flauger [LINKE]: Ach!) verweigerungshaltung Da ist ja doch ein gewisses Drängen in der Formu- (Jörg Bode [FDP]: Ein schönes Wort!) lierung. ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass „Dies gilt in Bezug auf einen vermin- wir, statt der Umsetzung der EU-Empfehlung, also derten Mehrwertsteuersatz insbeson- den Mehrwertsteuersatz stärker zu vermindern und dere für Produkte des Kinderbedarfes die Besteuerung mit 7 % auszudehnen, mögli- und, angesichts der Wettbewerbslage cherweise eine Mehrwertsteuererhöhung bekom- in Grenzregionen, im Beherbergungs- men. Wir haben ja schon von mehreren Seiten die gewerbe.“ Empfehlung gehört, die Mehrwertsteuer auf 20 So viel aus dem Koalitionsvertrag. Und seitdem? - oder 25 % zu erhöhen. 18 Monate Stillstand, Herr Bode. (Jörg Bode [FDP]: Was?) (Jörg Bode [FDP]: Das ist nicht rich- Lesen Sie doch einmal das, was eigentlich zu Ihrer tig!) Lieblingslektüre gehören müsste, nämlich den Dieser Stillstand nimmt inzwischen schon fast au- Artikel „Von Moos und Mehrwertsteuer“ in der gest- tistische Züge an; denn die EU wiederum hat vor rigen Ausgabe des Informationsdienstes des Insti- nunmehr auch schon wieder einer geraumen Zeit, tuts der Deutschen Wirtschaft Köln, in dem das nämlich vor sechs Monaten, das Tor für diesen außerordentlich gefordert wird. verminderten Steuersatz weit aufgestoßen. (Jörg Bode [FDP]: Das haben aber (Vizepräsident Dieter Möhrmann nicht wir gefordert!) übernimmt den Vorsitz) Ihr künftiger Möchtegernkoalitionspartner möchte Alle Finanzminister - Herr Steinbrück von der SPD das ja. übrigens eingeschlossen - haben am 10. März er- (Jörg Bode [FDP] zur CDU: Habt ihr klärt, dass sie per Beschluss die Senkung der das gefordert?) Mehrwertsteuer für arbeitsintensive Dienstleistun- gen empfehlen. Sie haben dann ausführlich aufge- Das Zweite, was in der Diskussion ist, ist die Ge- führt: für Hotellerie, Gastronomie und verschiedene fahr, dass man im Zuge der von Ihnen mit zu ver- arbeitsintensive Handwerkerleistungen. - Aber seit- antwortenden Staatsverschuldungsnot den ver- dem ist nichts passiert. minderten Mehrwertsteuersatz insgesamt elimi- niert. Da würden Sie von der FDP vermutlich das Dies hat natürlich den Aspekt der sozialen Erleich- Argument liefern, dass dies eine Vereinfachung terung für die von der Steuererleichterung Betrof- der Steuersystematik sei. fenen. Dies hat auch - mit Blick auf Grüne und andere - ökologische Lenkungsfunktionen; denn es Vorgestern ist viel von Europa die Rede gewesen. ist klar, dass dies die Reparatur statt die Neupro- Wenn man nach Europa guckt, dann wird man im duktion von Waren befördern würde. Zusammenhang mit der Frage, die hier zu diskutie- ren ist, feststellen: Großbritannien und Irland ha- Die Kernfrage aber ist: Warum schleppt sich das ben bei Kinderbekleidung eine Umsatzsteuer von so lange hin? - Die Gefahr ist offensichtlich, dass 0 %. Großbritannien und Schweden haben bei die CDU/FDP-Koalition hier in Niedersachsen dem apothekenpflichtigen Arzneien eine Umsatzsteuer schlechten Beispiel der CDU/SPD-Koalition auf von 0 %. Die apothekenpflichtigen Arzneien sind in Bundesebene folgt. Sie alle erinnern sich sicherlich Frankreich mit 2,1 %, in Spanien mit 4 % und in noch an die Eröffnungsbilanz dieser Koalition: den Niederlanden mit 6 % besteuert. Das ist die Damals trat vor der Wahl der eine Koalitionspart- soziale Frage zugunsten all derer, die Kinder ha- ner mit der Forderung auf, den Mehrwertsteuersatz ben oder Arzneimittel bedürfen. nicht zu erhöhen. Die andere Partei trat vor der Wahl mit der Forderung nach einer zweiprozenti- Ökonomisch - dies brauche ich hier nicht auszu- gen Erhöhung auf. Dann kam die neue Merkel- führen - ist die Erweiterung der reduzierten Mehr-

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wertsteuersätze natürlich ein Konjunkturprogramm, Das war übrigens nicht abgesprochen - nicht, dass und es ist spezifisch niedersächsisch, vor allen Sie das denken. Dingen in Bezug auf die Tourismusindustrie. Ande- re Regionen will ich gar nicht erwähnen, aber das Aber zurück zur Frage der Gegenfinanzierung. Das Emsland und die Küste konkurrieren bei den Be- Geschenk von mir an CDU und FDP ist, dass ich herbergungen mit den Niederlanden, die die Be- nichts mehr über die Vermögensteuer im weiteren herbergungsleistungen mit 6 % besteuern. Da Verlauf meines Beitrages sage. Wir haben andere wären die 7 %, die wir für diesen Bereich vorschla- Vorschläge gemacht. gen, eine gewisse Erleichterung und eine Wettbe- werbsgleichstellung z. B. mit Texel und anderen Das Geschenk an die SPD und auch die Grünen Inseln. Dies ist unsere Forderung. Ich sehe zwar ist, dass wir zur Gegenfinanzierung an diesem Nicken, aber ich sehe keine Taten. Punkt - Sie werden das gesehen haben - die Bör- senumsatzsteuer vorschlagen, die sich auch bei Nun taucht natürlich die Frage auf: Wie finanziert der SPD und bei den Grünen im Wahlprogramm man dies alles gegen? Denn die Vorschläge - so findet. haben wir ausgerechnet - würden bundesweit un- gefähr 7 Milliarden Euro kosten. Die Gegenfinan- Das besondere Geschenk an die SPD und persön- zierung, die ich Ihnen jetzt vorschlage, ist ein Ge- lich an Herrn Aller können Sie unserer Begründung schenk an alle Fraktionen, zumindest von der Ar- entnehmen. Wir alle wissen, dass die Schätzzah- gumentation her. len im Hinblick auf das Aufkommen aus der Bör- senumsatzsteuer in der wissenschaftlichen Dis- Vizepräsident Dieter Möhrmann: kussion tatsächlich sehr differieren. Ich komme Herr Kollege, Ihre Fraktionskollegin Frau Flauger gleich zu dem, was wir empfehlen. Wir haben uns würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. und Herrn Aller den Spaß gemacht, in die Begrün- dung den Reiznamen eines ehemaligen SPD- Dr. Manfred Sohn (LINKE): Vorsitzenden aus der Zeit großer SPD-Wahlerfolge hereinzubringen, und zwar zur Konkretisierung Gut, bitte schön! unseres Vorschlages, an dem Sie sich gleich ab- (Heinrich Aller [SPD]: Die glaubt das arbeiten können. alles nicht!) Auf jeden Fall ist aber das konservativ, was wir - Doch! Ihnen als Begründung vorschlagen. Es geht unse- (Jörg Bode [FDP]: Aber sie hat zu- res Erachtens mindestens um eine knappe zwei- mindest Zweifel!) stellige Milliardensumme. Dieser Betrag differiert etwas gegenüber dem anderen Kanal, den wir Kreszentia Flauger (LINKE): vorgeschlagen haben. Auf jeden Fall - darüber sind sich, wie ich glaube, alle einig - würde eine Sehr geehrter Herr Dr. Sohn, wundern Sie sich solche Börsenumsatzsteuer - egal, ob man sie im eigentlich genauso wie ich darüber, dass bei der Prozentbereich oder im Promillebereich ansetzt - Frage einer sozialeren Ausgestaltung der Umsatz- eine Summe von deutlich mehr als 7 Milliarden steuer offensichtlich so wenig Interesse vorhanden Euro erbringen, die zur Gegenfinanzierung erfor- ist, wie es die mangelnde Besetzung in diesem derlich sind. Das wäre also eine solide Gegenfi- Saal gerade widerspiegelt? nanzierung. (Beifall bei der LINKEN) Insofern habe ich die herzliche Bitte an die FDP - man muss sich ja nicht gleich in Koalitionsträumen Dr. Manfred Sohn (LINKE): ergehen -: Setzen Sie sich bei diesem Punkt we- Regiemäßig würde ich jetzt allen eine Freude ma- nigstens einmal gegenüber Ihrem - jetzt riskiere ich chen, wenn ich dir widerspräche. Das ist kein einen Ordnungsruf - etwa bräsigen Koalitionspart- mangelndes Interesse, sondern der Erschöpfungs- ner durch. zustand der CDU und der FDP, der diesen Wahl- kampf insgesamt kennzeichnet. Schönen Dank. (Beifall bei der LINKEN - Kreszentia (Lebhafter Beifall bei der LINKEN) Flauger [LINKE]: Ach so!)

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(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Ich wuss- Vizepräsident Dieter Möhrmann: te es!) Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Grascha von der FDP-Fraktion. Bitte! Dieses Geld ist mittlerweile ja auch schon sieben- mal ausgegeben. Insofern müssen wir uns jetzt (Zuruf von der LINKEN: Er sagt jetzt, auch einmal eine andere Steuer vornehmen. er will es versuchen!) (Kreszentia Flauger [LINKE]: Geben Christian Grascha (FDP): Sie es doch erst einmal zusammen mit uns einmal aus! Das wäre ein An- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten fang!) Damen und Herren! Herr Dr. Sohn, da wir hier so schön beieinander sind, will ich zunächst einmal Die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer in auf die Gemeinsamkeiten von unserer Position und Deutschland wäre ein Exportprogramm für deut- Ihrem Antrag zu sprechen kommen. sches und internationales Kapital, wie internationa- le Beispiele zeigen. Der Finanzplatz unseres Lan- Auch die FDP-Fraktion will 7 % Umsatzsteuer für des würde erheblich geschwächt, und damit wären das Hotel- und Gaststättengewerbe. Das haben weitere Arbeitsplätze bedroht. Schweden hatte Sie eben schon richtigerweise aus dem Koalitions- 1985 die Börsenumsatzsteuer eingeführt. Ur- vertrag zitiert. Die Senkung der Umsatzsteuer sprünglich wollte der schwedische Staat 165 Milli- schafft in den kleinen und mittleren Betrieben onen Euro einnehmen. Tatsächlich waren es in Spielräume für Preissenkungen, Investitionen und den besten Jahren nur 9 Millionen Euro. Der Fi- Mitarbeiterqualifizierung. Neue Arbeitsplätze kön- nanzplatz Schweden war nachhaltig geschädigt. nen entstehen. Diesbezüglich gibt es interessante Der Handel mit Bonds ging bereits eine Woche Schätzungen. Darin ist deutschlandweit von etwa nach Einführung der Börsenumsatzsteuer um 85 % 70 000 Arbeitsplätzen die Rede. Wir schaffen die zurück. Das Handelsvolumen mit Futures oder gleichen Wettbewerbsbedingungen wie im europä- Optionen sank gar um 98 %. 1992 schaffte ischen Ausland sowie im Bereich des deutschen Schweden wie übrigens viele Länder im internatio- Lebensmittelhandels. Gerade Niedersachsen als nalen Bereich diese Steuer wieder ab. Tourismusland würde hiervon besonders profitie- ren. Das zeigt, dass die Linke hier kein schlüssiges Wirtschafts- oder Steuerkonzept vorgelegt hat. Was aber tut Bundesfinanzminister Peer Stein- Trotzdem oder gerade deshalb freue ich mich auf brück (SPD)? - Er stimmt auf europäischer Ebene die Ausschussberatung. dieser Maßnahme zu, schafft damit die Möglich- keit, dass andere Länder ihre Steuern senken Vielen Dank. können - was diese natürlich auch tun -, und ver- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) weigert den hiesigen Gastronomen und Hoteliers die Chancengleichheit im Wettbewerb. Das zeugt Vizepräsident Dieter Möhrmann: von Doppelzüngigkeit und Unglaubwürdigkeit, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Der nächste Redner ist Herr Klein für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Eine Senkung der Umsatzsteuer auf 7 % in der Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): Hotellerie und Gastronomie ist auch ein Beitrag zur Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über Vereinfachung der gesamten Umsatzsteuersyste- die Umsatzsteuer wird im Moment in der Tat heiß matik, da wir dann nur noch einen Steuersatz hät- diskutiert. Im Zusammenhang mit der Finanz- und ten und somit weniger über Grauzonen diskutieren Wirtschaftskrise geht es dabei gegenwärtig aber müssten. Die Umsatzsteuersystematik insgesamt vor allen Dingen um eine Erhöhung der Mehr- zu vereinfachen, logischer und verständlicher zu wertsteuer, um insbesondere den gegenwärtigen machen ist für die FDP-Fraktion ebenfalls eine Schuldenrausch abzufedern. Vorschläge zur Stei- wichtige Aufgabe, der wir uns annehmen werden. gerung dieser Steuer bis auf 25 % sind für die Zeit nach der Wahl im Gespräch. Es gibt CDU- Herr Dr. Sohn, anders verhält es sich allerdings bei Ministerpräsidenten, die über eine Erhöhung des der Börsenumsatzsteuer. Ich bin Ihnen dankbar, ermäßigten Steuersatzes für Nahrungsmittel, Bü- dass Sie diesmal nicht die Vermögensteuer zitiert cher und Zeitschriften nachdenken. haben.

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Dazu setzt die Linke mit ihrer Forderung auf Er- Wenn Sie sozial Schwachen helfen wollen, dann mäßigung natürlich einen deutlichen Kontrapunkt. tun Sie dies über die Sozialpolitik und nicht über Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass dies auch Steuern und Gebühren. Sonst enden Sie am Ende etwas mit der Bundestagswahl zu tun hat. Wir bei Müllgebührenermäßigungen für Plastikwindel- wissen aus Umfragen, dass 18 % unserer Wähle- benutzer. Das wird auf die Dauer nicht funktionie- rinnen und Wähler gern die Horst-Schlämmer- ren. Partei wählen würden. Eine zentrale politische Forderung von Horst Schlämmer ist eben auch die Nun noch ein Wort zum Handwerk. Wenn wir et- Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Damenschu- was gegen Schwarzarbeit bei Handwerksleistun- he. Ich nehme an, die anwesenden Damen und gen tun wollen, was zweifellos schwierig ist, dann auch einige Männer, die an der Finanzierung betei- sollten wir uns wenigstens auf ein steuerliches ligt sind, würden dies unterstützen. Element einigen und auch das Ordnungsrecht nicht vernachlässigen. Wir haben die steuerliche Nun aber im Ernst, liebe Kolleginnen und Kollegen: Absetzbarkeit bezüglich Handswerksdienstleistun- Sie fordern die Ausweitung des ermäßigten Um- gen gerade ausgeweitet. Jetzt reden wir schon satzsteuersatzes von 7 % auf Kinderbedarf, Hotel- wieder über eine Senkung der Mehrwertsteuer in lerie, Gaststättengewerbe, Handwerksdienstleis- diesem Bereich. Demnächst reden wir vielleicht tungen und Arzneimittel. Hier fehlt doch offensicht- über eine Spezialeinkommensteuer für Handwer- lich jeder systematische Ansatz. Der deutsche ker. Auch das wird nicht funktionieren. Mittelstand besteht nicht nur aus Hotellerie und Handwerk, und nicht jeder ist bedürftig, der Kinder Ein letztes Wort zum Gegenfinanzierungsvorschlag hat oder Arzneimittel braucht. Sie komplizieren der Linken, die mit ihren Steuererhöhungen ja damit das deutsche Steuersystem weiter für Sym- immer sehr verwegen sind. Auch die Börsenum- bolpolitik. Warum soll es keine ermäßigten Steuer- satzsteuer nach dem Vorbild der englischen Stem- sätze für deutsche Holzprodukte, Wassersparar- pelsteuer ist nicht ganz ohne Klippen. Das britische maturen, Energiesparleuchten, Joggingschuhe, Vorbild ist nicht unproblematisch, weil man nicht Yogamatten oder Inkontinenzartikel geben? einfach einen Punkt herausnehmen und den Rest ignorieren kann. Dabei sind nämlich viele Privile- Wir dürfen doch eines nicht vergessen: Steuern gien für Finanzakrobaten und Spekulanten im sind zuallererst Einnahmen des Staates, mit denen Spiel, die ich in Deutschland mit Sicherheit nicht er seine Ausgaben bestreiten muss. Sie sollen sich haben will. in erster Linie an der Leistungsfähigkeit des Be- steuerten orientieren. Jeder Eingriff in dieses Prin- Wenn Sie schon das grüne Bundestagswahlpro- zip - davon gibt es leider viel zu viele - unter dem gramm als Kronzeugen zitieren, dann sollten Sie Vorwand, mit Steuern zu lenken, bestimmte Kauf- auch auf die Feinheiten achten. Wir fordern näm- anreize zu setzen, bestimmte Verhaltensweisen zu lich die Einführung einer europäischen Finanzum- belohnen und vieles andere mehr, macht das Sys- satzsteuer mit dem Ziel, den Finanzsektor an der tem komplizierter, bürokratischer, anfälliger für Finanzierung des Gemeinwohls zu beteiligen und Missbrauch, aber, wie ich behaupte, in den sel- Spekulationen zu bremsen. Das heißt, das ist eine tensten Fällen gerechter. Weiterentwicklung der Tobinsteuer und der Bör- senumsatzsteuer. Es handelt sich jedoch um eine (Hans-Henning Adler [LINKE]: Wie ist Weiterentwicklung und nicht einfach um eine Über- denn das mit der Ökosteuer?) tragung des englischen Vorbilds. Das können wir - Ach, Herr Adler. im Ausschuss sicherlich dann noch differenzierter diskutieren. Fachpolitik über Steuergesetze macht nur Sinn, wenn die angestrebten politischen Ziele nicht ein- Ich danke Ihnen. facher über direkte Maßnahmen zu erreichen sind. Wenn Sie etwas für bedürftige Kinder tun wollen, (Beifall bei den GRÜNEN) dann sorgen Sie für eine gute Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur. Geben Sie den bedürftigen Vizepräsident Dieter Möhrmann: Kindern von mir aus auch mehr Kindergeld. Meine Damen und Herren, zu einer Kurzinterventi- (Zustimmung von Stefan Wenzel on hat sich Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE [GRÜNE]) LINKE gemeldet. Bitte!

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Dr. Manfred Sohn (LINKE): Noch einmal zu Ihrer Aussage, Sie könnten über Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mehrwertsteuerpolitik soziale Fragen lösen. Das ist Klein, um mit den Gemeinsamkeiten zu beginnen: doch Augenwischerei. Die Beträge, die die Famili- Gegen die Europalösung dieses Vorschlags - en dadurch zusätzlich im Portemonnaie haben deswegen haben wir das in der Begründung zitiert, werden, sind minimal. Hinzu kommt - darauf habe oder zumindest haben wir darauf hingewiesen - ich Sie bereits hingewiesen -, dass nicht jeder, der haben wir überhaupt nichts. Uns geht es darum, Kinder hat, ausgerechnet bedürftig ist oder dass von Niedersachsen aus eine Initiative für eine sol- nicht jeder, der Medikamente braucht, zu den Be- che Börsenumsatzsteuer zu starten. Wenn das dürftigen in diesem Land gehört, dass also ein dann in eine europäische Lösung mündet, umso Mitnahmeeffekt über die Mehrwertsteuer entstehen besser. könnte. Ich bin dafür, dass wir die Mehrwertsteuer möglichst ohne Ausnahmen erheben - ich glaube, Nun aber zu dem ersten Teil Ihrer Ausführungen. das ist der gerechteste Weg - und versuchen, die Er hat mich doch ein bisschen in meiner Befürch- fachlichen Fragen über die Fachpolitik in den Griff tung bestärkt, dass Sie in vielen Fragen der Steu- zu bekommen. Ich glaube, dann haben wir die erpolitik zu dem zweiten Sturm der FDP mutieren. vernünftigere, die glattere und die gerechtere Lö- sung. Vor allem schadet es nicht der Einnahmeba- (Beifall bei der LINKEN - Stefan Wen- sis des Staates; denn diese Einnahmen werden wir zel [GRÜNE]: Quatsch!) gerade in den nächsten Jahren sehr dringend Denn all die Argumente sind eigentlich die vor- brauchen. weggenommenen Sorgen eines Finanzministers, (Beifall bei den GRÜNEN) der es nie wird. Wir machen uns mehr Sorgen um soziale Fragen. Da kann man das eine tun, ohne das andere zu lassen. Die soziale Belastung von Vizepräsident Dieter Möhrmann: Leuten mit Kindern ist keine Frage, bei der man Die Auffassung der CDU-Fraktion wird nun Herr Kinderkrippen gegen die Frage von Steuererleich- Schönecke vortragen. terungen für diesen Personenkreis diskutieren sollte. Jedenfalls ist das nach meiner und nach Heiner Schönecke (CDU): unserer Auffassung so. Da wäre eine Lösung rela- tiv einfach, nämlich die, dass man die Massen- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haus- steuern - dazu gehört ja die Mehrwertsteuer -, die haltspolitik beruht auf Zahlen, und die Haushälter einkommensunabhängig sind, meinetwegen auf zeichnen sich durch eine ruhige und sachliche 7 % einheitlich absenkt - das wäre die progressive Diskussion aus. Daten, Fakten und Zahlen kann Auflösung Ihrer Vorschläge - und dafür die ein- man nicht wegleugnen. kommensabhängigen Steuern - also Einkommens- teuer, Vermögensteuer usw. - nach guter alter (Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!) sozialdemokratischer Tradition erhöht. Vielleicht könnte man sich auf dieser Linie einigen. Das, was sich in den letzten Jahrzehnten in Sa- chen Mehrwertsteuer an Problemen aufgebaut hat, (Beifall bei der LINKEN) haben wir mittlerweile partei- bzw. fraktionsüber- greifend erkannt. Wir haben eine Schieflage, die Vizepräsident Dieter Möhrmann: wie folgt aussieht: 7 % beim Brötchenverkauf, Herr Klein möchte erwidern. Bitte! 19 % beim Brötchenverzehr, 7 % bei den Caterern, wenn Pappteller verwendet werden, 19 %, wenn es auf Porzellan liegt, 7 % bei den Originalkunst- Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): werken, 19 % bei den signierten Drucken, 7 % bei Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr den Blumensträußen, 19 % bei den Kränzen, 7 % Dr. Sohn, ich versuche, Politikkonzepte zu formu- bei den Gewürzen, 19 % bei den Mischungen, 7 % lieren, die vernünftig sind, dem gesunden Men- beim Hundefutter und 19 % bei den Kinderwindeln. schenverstand entsprechen und eine Lösung für die Probleme schaffen. Wenn andere Parteien Das ist irgendwo nicht in Ordnung. Das wissen wir dem nacheifern, dann finde ich das gut und habe alle. Das gehört entrümpelt. überhaupt nichts dagegen, selbst dann nicht, wenn es die FDP ist. (Björn Thümler [CDU]: Richtig!)

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Nun ist der Kollege Bernd-Carsten Hiebing gerade der Einführung solcher Steuern im Grunde erreicht, in ein wichtiges Gespräch verwickelt. Aber es kann nämlich dass sich das Geld benimmt wie ein auf Dauer nicht so weitergehen, dass er im Ems- scheues Reh. Die sind so schnell weg, so schnell land 19 % für die Hotelübernachtung an den Fi- können Sie gar nicht gucken. Ich sage einmal, in nanzminister überweisen muss, während es bei Ihrer roten Vergangenheit haben Sie ja auch so ein seinem Kollegen im 8 km entfernten Ter Apel nur paar Finanzexperten gehabt, die Geld überwiesen 6 % sind. Das sind Dinge, um die wir wissen. Die haben. Ich weiß nicht, wohin und ob Sie es schon müssen wir ändern, da müssen wir ran. Das ist wiedergefunden haben. zwischen CDU und FDP so vereinbart. Das ge- hört - wenn Sie so wollen - entrümpelt. (Heinrich Aller [SPD]: Franz Josef Strauß hat auch etwas überwiesen!) Hierzu gibt es unterschiedlichste Anträge aus allen Bundesländern inklusive Bayern, die alle zeigen, Nichtsdestotrotz hat es ja Länder gegeben, die die dass wir dort ran müssen. Dass wir den Kuchen Börsenumsatzsteuer eingeführt und wieder abge- nur einmal verteilen können, ist, glaube ich, hier an schafft haben; denn sie haben erkannt, dass es vielen Stellen deutlich geworden. nur dann, wenn man zu einer europäischen Rege- lung käme, einen Sinn machen würde. Dann könn- Nun kommt ein neuer Vorschlag - der im Grunde te man wirklich zu einer Regelung kommen, bei ein ganz alter ist - von den Linken dazu. Von wem der die europäischen Börsen gleichbehandelt wer- sollte er denn wohl auch im Wahlkampf kommen? den. Herr Dr. Sohn, wir haben schon viele Arten von Steuern gehabt. Wenn Sie in die Geschichte von (Zustimmung bei der CDU) Steuern zurückgehen, dann werden Sie so tolle Ich habe das Gefühl, Herr Dr. Sohn: Ihr Antrag Steuerideen finden wie Fenstersteuer, Fahr- wird heute nicht gebraucht. Er wird so morgen radsteuer, Papiersteuer. Sie fordern immer die nicht gebraucht. Vermögensteuer, und eben haben wir etwas vom Bildungssoli gehört. Es ist schon bald nicht mehr (Kreszentia Flauger [LINKE]: Den hät- auszuhalten. ten wir schon lange gebraucht!)

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Sie werden ihn immer wieder stellen, und wir wer- Ihr Weltökonom Herr Lafontaine ist ja ein ganz den immer wieder zu Ihnen sagen müssen: So Schlauer. wird er nicht gebraucht. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Er ist ja schon grandios gescheitert. Vizepräsident Dieter Möhrmann: (Zuruf von der CDU: Und weggelau- Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion fen!) hat sich Herr Aller gemeldet. Bitte! - Und weggelaufen, genau. Jetzt will er ja wieder zurück. Heinrich Aller (SPD): (Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Er Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine steht zu seinem Wort! - Heiterkeit - Vorredner haben ja schon einiges dazu beigetra- Reinhold Hilbers [CDU]: Deswegen ist gen, um das Thema Steuern und Haushaltspolitik er ja auch weggelaufen! - Weitere Zu- in Verbindung zu bringen, und haben deutlich ge- rufe) macht, dass es wohl doch nicht so einfach geht, wie es der Antrag der Linken suggeriert. - Ich weiß ja nicht, wie lange er denn das noch machen will. Aber das ist auch egal. Herr Kollege Schönecke, der Weltökonom Lafon- taine hat nicht 35 Milliarden Euro in Aussicht ge- Er hat jedenfalls einmal ausgerechnet und auch stellt, sondern nach der Begründung zu dem An- lauthals verkündet, es ginge da sogar um 35 Milli- trag der Linken in Niedersachsen waren es arden Euro. Das hat er öffentlich plakatiert. Man ist 70 Milliarden. immer wieder erstaunt. Ich glaube, wir müssen uns alle noch einmal zu Gemüte führen: Steuererhe- Wenn wir nun alle zustimmen würden, hätten wir bung ist keine Geldzählmaschine. Die Länder in- die Staatsverschuldung in zehn Jahren wahr- nerhalb Europas haben alle erlebt, was man mit scheinlich abgebaut, könnten die Probleme des

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Landes Niedersachsen erledigen und gleichzeitig Wahl, um kleine Signale an viele Interessengrup- noch viel neues Gutes tun. pen zu geben in der klaren Gewissheit, dass es so nicht funktioniert. Das ist unseriös. Das tragen wir (Beifall bei der LINKEN - Kreszentia nicht mit. Deshalb sage ich Ihnen: Dieser Antrag Flauger [LINKE]: Das ist so, wenn Sie wird auch keine Mehrheit finden. unseren Vorschlägen folgen!) Zweiter Punkt. Zum Thema arbeitsintensive Ich glaube, Herrn Dr. Sohn richtig verstanden zu Dienstleistungen - das müssten Sie wissen, alle- haben. In dieser Frage hat er sich von Oskar La- mal, und Leute, die schon länger im Landtag sind fontaine deutlich distanziert, und er glaubt seinem auch - ist auf europäischer Ebene eine abgestimm- Vorsitzenden nicht mehr. Wir machen das übrigens te Modellversuchsreihe durchgeführt worden, mit auch nicht, Herr Dr. Sohn. der geklärt worden ist, ob es einen unmittelbaren (Björn Thümler [CDU]: Sie glauben Ih- Zusammenhang zwischen Dienstleistungen, den rem Vorsitzenden auch nicht?) Preisen für diese Dienstleistungen und der darauf liegenden Umsatzsteuer gibt. Die Auswertung hat Nun zu einzelnen Punkten. ergeben, dass es kaum einen oder überhaupt kei- Erster Punkt. Die Themen Steuerpolitik und Har- nen Zusammenhang zwischen der Höhe der monisierung der Steuern in Europa sowie insbe- Mehrwertsteuer im Verhältnis zur Schwarzarbeit sondere das Thema Umsatzsteuer eignen sich nun gibt, und Beschäftigungseffekte gibt es auch nicht. überhaupt nicht für Schnellschüsse kurz vor der Das ist nachgewiesen worden, und darüber ist im Wahl, wie die Beiträge hier gezeigt haben. Was die Deutschen Bundestag und auch hier bei uns schon Linken aber ganz geschickt gemacht haben - das diskutiert worden. Trotzdem kommt dieses Thema steht nicht im Antrag, sondern in der dreiseitigen in Wahlkampfzeiten immer wieder hoch, weil es Begründung -, ist, dass sie sich aus dem Internet Scheinlösungen suggeriert, die in dieser Form gar herausgezogen haben, wann sich verschiedene nicht darstellbar sind. Personen und Parteien zum Thema Umsatzsteu- Dritter Punkt. Zusammenhang mit den Haushalten. ersenkung geäußert haben, und dann Bündnisse - Ich verstehe die FDP überhaupt nicht. Sie haben organisiert haben, nämlich einmal für die Arznei- hier im Landtag zusammen mit der CDU die Mehr- mittel, dann für die Babynahrung oder für die ar- heit und müssen den gerade vorgelegten Haushalt beitsintensiven Dienstleistungen. Wenn das alles zur Deckung bringen. Dieser Haushalt weist eine funktionieren würde, Herr Dr. Sohn, hätten Sie bei Rekordverschuldung aus, und der nächste erst fast jedem Punkt eine Koalitionsmehrheit. In dieser recht. Hinsicht stimmt wieder das, was Herr Wenzel ge- sagt hat: Sie koalieren im Grunde genommen von (Reinhold Hilbers [CDU]: Eine Re- ganz liberal - FDP - bis hin zu ganz links - Linke. kordverschuldung hatten Sie!) Das wird nicht funktionieren. Nach der mittelfristigen Finanzplanung, Herr Kolle- Weil das so ist, will ich Ihnen unter Hinweis auf ge Hilbers, beläuft sich der Handlungsbedarf einige Beispiele sagen, dass Sie Dinge, die längst schon jetzt auf 3,2 Milliarden Euro. Dann erzählen schon bekannt sind, überhaupt nicht mehr ange- Sie hier etwas von „Steuersenkungen“, die weit sprochen haben. Im Hinblick auf die Umsatzsteuer über das hinausgehen, was die 7 % bei der Mehr- in ihrer jetzigen Form - Sie haben ja diese IWD- wertsteuer ausmacht. Das ist überhaupt nicht dar- Nachricht hoch gehalten - glauben 27 EU-Mitglied- stellbar. Deshalb sage ich Ihnen: Die Debatte, die staaten, die richtige Regelung zu haben. 27 wir führen werden, wird auch die Einnahmeseite EU-Mitgliedstaaten haben völlig unterschiedliche mit umfassen müssen; auch über die Umsatzsteu- Regelungen. Dort sind die Regelsteuersätze und er müssen wir diskutieren. Eine Erhöhung oder die abgesenkten Steuersätze unterschiedlich hoch. eine Absenkung kann nur im Rahmen eines Ge- Das ganze Umsatzsteuerpaket ist eingebaut in ein samtkonzepts diskutiert werden. Vor diesem Hin- Steuersystem aus Einkommensteuer sowie direk- tergrund sage ich Ihnen - das geht jetzt in Richtung ten und indirekten Steuern, das insgesamt die der Linken als Antragsteller -: In der Tat ist die Finanzierung der Staatsfinanzen und der Haushal- Börsenumsatzsteuer ein Instrument, das auch die te organisiert. Wenn man das in einen Zusammen- Sozialdemokraten im Wahlprogramm stehen ha- hang stellt, kann man nicht mit so einem Antrag ben, und zwar aus guten Gründen. Die Diskussion kommen, wie Sie ihn vorgelegt haben. Was Sie hat in Deutschland deshalb ohne große Schwierig- hier machen, ist Rosinenpickerei kurz vor der keiten angefangen werden können, weil wir im

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Rahmen der Maßnahmen zur Regulierung des setzgebung, keine sozialen Sicherungssysteme Finanzmarktes gesagt haben: Eine Börsenumsatz- hat, der hat auch keine Probleme bei der Darstel- steuer hat zwei Funktionen. lung der kumulierten Wirkung von Steuern und Sozialabgaben gegenüber den Bürgerinnen und (Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ha- Bürgern. Das ist eines unserer großen Probleme. ben wir schon vor der Krise gesagt!) Einen Teil dessen, was andere über Steuern fi- Erstens kann sie helfen, Spekulationen abzudämp- nanzieren, finanzieren wir über Umlagesysteme im fen oder zu verhindern. Dieser eine Aspekt war vor sozialpolitischen Bereich. Auch das macht die einem halben Jahr noch völlig unstrittig. Inzwi- Sache komplizierter. schen haben die ersten Spekulanten wieder Oberwasser und finden eine solche Steuer natür- Damit will ich zum Ausdruck bringen, dass es viel- lich hinderlich, weil sie die Erträge aus Börsenum- leicht ganz sinnvoll wäre, sich im Zusammenhang sätzen ganz massiv einschränken würde. Zwei- mit der Umsatzsteuer, den Erträgen und der Ge- tens - damit muss man sich einmal gesellschafts- genfinanzierung aus der Umsatzsteuer auch ein- politisch auseinandersetzen - stellt sich die Frage: mal mit der Steuerhinterziehung zu befassen. Macht es eigentlich Sinn, dass ich mit dem Handel von Finanzprodukten mehr verdienen kann als mit (Beifall bei der SPD) der Anlage der Finanzen in der Realwirtschaft, womit Arbeitsplätze entstehen, industrielle Innova- Darüber redet in diesem Zusammenhang über- tionen gefördert werden können und außerdem - haupt niemand mehr, und die läppischen 7 Milliar- was wir regionalpolitisch ja immer fordern - Kapital den Euro, die Sie hier angesprochen haben, wer- in die notleidenden Regionen gegeben wird. den von den Beträgen, die wir aus dem Bereich der Umsatzsteuerhinterziehung kennen, bei Wei- Dann habe ich eine Einnahmequelle. Diese wird aber nicht zur Absenkung der Umsatzsteuer ge- tem übertroffen. In diesem Bereich stehen 20 Mil- nutzt, wie Sie es vorschlagen, sondern sie steht liarden Euro im Raum. Wenn wir uns darauf ver- zur Verfügung, um neue Aufgaben zur Überwin- ständigen könnten, gemeinsam mit all den ande- ren europäischen Staaten um uns herum die Steu- dung der Krise zu erledigen. erhinterziehung in diesem Bereich einzudämmen, Fasst man dies zusammen, meine Damen und dann wäre das eine Aufgabe, auf die wir uns eher Herren, bin ich mir ziemlich sicher, dass der Antrag einigen könnten als auf Ihren Antrag, der auf der der Linken in der vorliegenden Form überhaupt einen Seite ungerechtfertigte Steuersenkungen nicht ernst gemeint ist. Was er aber erreicht hat, und auf der anderen Seite eine Gegenfinanzierung ist, dass sich alle, die sich zur Absenkung der Um- im Auge hat, die nur schwer und schon gar nicht satzsteuer schon einmal geäußert haben, irgend- kurzfristig zu realisieren ist. Im Ausschuss werden wann auch einmal zu zwei Begriffen verhalten wir darüber noch ausführlicher diskutieren. müssen, die ich für zentral halte. Zum einen geht es um die Steuerharmonisierung auf europäischer Schönen Dank. Ebene. Wenn wir diese Harmonisierung nämlich nicht hinkriegen, dann macht es, Herr Schönecke, (Beifall bei der SPD) überhaupt keinen Sinn, Beispiele aus dem Grenz- land heranzuziehen und einen Wettlauf um die Steuerabsenkung nach unten zu organisieren. Vizepräsident Dieter Möhrmann: Dann wäre die sauberste Lösung über alle 27 Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen EU-Staaten hinweg die, überhaupt keine Steuern liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. zu erheben. Das wäre doch eine ideale Sache; dann gäbe es auch keine Probleme mehr hinsicht- Wir kommen zur Ausschussüberweisung. lich der Vergleiche. Das wollen aber auch Sie nicht, wenn ich es richtig sehe. Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Ausschuss für Zum anderen ist Steuerharmonisierung aber nicht Haushalt und Finanzen mit diesem Antrag zu be- das alleinige Thema, weil die Systeme insgesamt schäftigen. Wer so beschließen möchte, den bitte immer noch zu komplex sind. Allein wir in Deutsch- ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstim- land haben das Problem, dass die Sozialabgaben men? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlos- von einigen den Steuerabgaben zugeschlagen sen. werden. Das ist völlig falsch. Wer keine Sozialge-

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Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Tages- Wenn Studien angeben, dass Berufseinsteiger im ordnungspunkt 31 auf: europäischen Durchschnitt acht Jahre im Pflegebe- ruf verbleiben, während für Deutschland fünf bis zehn Jahre genannt werden, dann erscheinen Erste Beratung: diese Zahlen für eine Berufsperspektive nicht Weiterentwicklung der Pflegeausbildung - An- übermäßig hoch. Im Rahmen der Besprechung trag der Fraktionen der CDU und der FDP - des Antrags sollten wir uns daher im Ausschuss Drs. 16/1399 erneut mit der Frage beschäftigen, welche weite- ren Möglichkeiten wir haben, die Attraktivität der Pflegeberufe so zu steigern, dass sie mehr als Zur Einbringung erteile ich das Wort dem Kollegen bislang auch zu einer Lebensperspektive werden Riese von der FDP-Fraktion. Bitte! können.

Roland Riese (FDP): Ministerin Mechthild Ross-Luttmann hat am 17. Ju- ni hier im Haus zu unserer großen Freude ange- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und kündigt, mit dem Pflegepaket Einrichtungsträger Herren! Die Menschen werden älter, und die Ge- von Ausbildungskosten entlasten zu wollen, vor- sellschaft wandelt sich dergestalt, dass der Anteil handene Pflegekräfte qualifizieren und die Attrakti- älterer Menschen zunimmt. Der Landespflegebe- vität der Pflegeberufe mit einer Imagekampagne richt geht davon aus, dass sich die Zahl der pfle- steigern zu wollen. gebedürftigen Menschen in Niedersachsen bis 2050 gegenüber dem Bezugsjahr 2003 um mehr Der Abschlussbericht des Modellprojekts beim als 175 000 auf 393 500 erhöhen wird. Daher ist Bund „Pflegeausbildung in Bewegung“ sagt ganz der Beruf der Pflege im Gesundheitswesen und klar, dass die Pflegeausbildung reformiert werden auch in der Altenpflege ein Beruf mit Zukunft. Des- sollte und dass es darum geht, die gleichartigen halb haben wir auch den neuen Beruf Pflegeassis- Bestandteile der theoretischen Ausbildung besser tenz eingeführt, der erstmals den Sekundarab- zusammenzufassen, als es bisher der Fall ist, auch schluss mit enthält. im Hinblick auf die europäische Vergleichbarkeit. Im praktischen Ausbildungsteil sollten die Schwer- Die Anforderungen an die Pflegeberufe sind in punkte dann entsprechend den angestrebten Tä- stetem Fluss und werden sich auch in Zukunft tigkeiten gesetzt werden. Diese Empfehlungen, weiter ändern. Mehr und mehr bedürfen Men- meine Damen und Herren, akzentuieren die Frak- schen, die aus anderen Ländern zu uns gekom- tionen der CDU und der FDP mit dem heute vorge- men sind, die beispielsweise auch anderen Religi- legten Antrag. onen als der christlichen anhängen oder sich in anderen Sprachen weit besser als in der deut- Ich danke Ihnen. schen ausdrücken können, der gesundheitlichen (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Pflege oder der ambulanten oder stationären Al- tenpflege. Meine Damen und Herren, die mensch- Vizepräsident Dieter Möhrmann: liche Zuwendung, das Gespräch und das Ver- ständnis für die kulturellen Hintergründe dieser Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Menschen müssen verstärkt Bestandteile der Pfle- Frau Mundlos von der CDU-Fraktion. geausbildung werden. Aber auch die Fortbildung durch die unterschiedlichen Träger wird diesem Heidemarie Mundlos (CDU): Aspekt besonderes Augenmerk widmen müssen. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die demografische Entwicklung führt zu Der genannte Landespflegebericht aus dem Jahre einem steigenden Bedarf an pflegerischer Unter- 2005 gibt die Zahl der bis 2050 zu erwartenden stützung und Betreuung bei Pflegebedürftigkeit, Demenzkranken mit über 100 000 an. Das wäre chronischer und akuter Krankheit, zur Prävention eine Verdoppelung gegenüber heute und stellt uns und Rehabilitation und am Ende des Lebens in der vor weitere Herausforderungen. Palliativversorgung bei gleichzeitig sinkenden Zah- Zum Thema der kultursensiblen Pflege ist der ak- len von Schulabgängern. Diese Herausforderun- tuelle Landespflegebericht leider noch wenig aus- gen verlangen eine umfassende Investition in die sagekräftig. Da wäre für die nächste Ausgabe zu Pflegebildung zur qualitativen und quantitativen wünschen, dass der Aspekt genauer als bisher Sicherstellung der professionellen pflegerischen abgebildet wird. Versorgung der Bevölkerung. Dazu ist es unerläss-

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lich, dass die bisher drei Pflegefachberufe zu ei- Niedersachsen; im Henriettenstift in Hannover gab nem Beruf zusammengeführt haben. es bereits solch ein Modellprojekt. Deshalb wissen wir: Erfahrungswerte liegen vor. Es gilt, diese ein- (Zustimmung bei der CDU und bei der zubinden und zu handeln; denn wer für die Zukunft FDP) in die qualifizierte Pflege der Menschen investieren So steht es in einem Papier des Deutschen Pfleg- will, muss dies auch und gerade auch über Ausbil- rates zur Pflegebildung aus dem Mai 2009. Das dung gewährleisten. Das fordert z. B. auch der zeigt, dass das ein hochaktuelles Thema ist. Nun Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe. ist diese Erkenntnis grundsätzlich nicht neu, aber (Marianne König [LINKE]: Das nutzt weit davon entfernt, im Bewusstsein unserer Ge- nichts, wenn man sie nicht umsetzen sellschaft verankert zu sein. Pflege und alles, was kann!) damit zu tun hat, gerät für die meisten Bürgerinnen und Bürger nur in den Fokus, wenn persönliche - Ach, Entschuldigung, wenn Sie noch häufiger Betroffenheit dies erzwingt. Umso wichtiger muss zwischenrufen: Ich glaube, damit werden Sie dem es für uns als Politiker sein, die Istsituation zu ana- Thema nicht gerecht. Ich fände es besser, wenn lysieren, Perspektiven für die Zukunft zu entwi- wir hier sachlich arbeiten würden. Das wäre besser ckeln und Handlungskonzepte zu erstellen und für das Thema. umzusetzen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Fakt ist, dass wir zurzeit drei Pflegefachberufe haben: Al- Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe tenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie sagt: Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Fakt ist „Für Qualität braucht man Qualifikati- auch, dass die Inhalte dieser Ausbildungen zu on. … Wer für die Zukunft in die quali- einem Großteil deckungsgleich sind. Dies und die fizierte Pflege der Menschen investie- Tatsache, dass künftig eine Krankenpflegerin auch ren will, muss dies auch über Ausbil- vermehrt über Kenntnisse in der Altenpflege verfü- dung tun. … In einer gestuften Bil- gen muss, erfordern eine andere Ausbildungs- dungsstruktur können alle für die struktur und eine inhaltliche Neuordnung. Wir wol- Pflege geeigneten Bewerber einen len diese Situation, vor die uns der demografische Zugang finden und den ihnen mögli- Wandel stellt, als Chance, als Herausforderung chen maximalen Level an Expertise begreifen. Wir wollen die Möglichkeiten nutzen, erreichen. Durchlässigkeit ist die De- jetzt gestaltend tätig zu werden und frühzeitig die vise, nicht Absenken des Zugangsni- Weichen für die Zukunft zu stellen. veaus.“ (Beifall bei der CDU und bei der FDP) So weit der Berufsverband. Wir wollen, dass die Arbeit in der Pflege auch in (Beifall bei der CDU) Zukunft attraktiv bleibt. Mit unserem Antrag wollen wir eine ruhige, eine (Marianne König [LINKE]: Das ist sie sachliche und vor allen Dingen auch eine erfolgrei- zurzeit doch nicht!) che Diskussion anstoßen. Ich hoffe, dass das im Wir wollen eine qualitativ hochwertige Pflege für Ausschuss von allen Beteiligten positiv begleitet diejenigen, die sie erhalten. Wir wollen für diejeni- wird. Wir sagen aber auch bewusst: Wir erwarten gen, die bereits dort arbeiten, und diejenigen, die das Konzept bis November 2010, weil es einfach den Beruf ergreifen wollen, dieses Berufsbild lang- nicht nützt, an ein paar Stellschrauben mal ganz fristig attraktiv halten schnell zu drehen und später festzustellen: Das war es nicht! - Wir brauchen ein Gesamtkonzept, (Kreszentia Flauger [LINKE]: Das das langfristig tragfähig ist und das vor allen Din- müssen Sie erst einmal attraktiv ma- gen auch der europäischen Dimension dieses chen!) Vorhabens gerecht wird. bzw. die Attraktivität steigern. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Meine sehr geehrten Damen und Herren, Modell- man so etwas vorhat, dann muss man einfach an versuche hat es bundesweit gegeben, auch hier in dieser Stelle auch einmal den Mut haben, neue

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Wege zu gehen. Das wollen wir ausdrücklich leis- Entscheidungen zu treffen und den Zug aufs richti- ten. ge Gleis zu setzen. Ich freue mich daher auf die Diskussionen im Ausschuss, und ich glaube, dass (Beifall bei der CDU und bei der FDP) wir gemeinsam mit unserer Ministerin zu vernünfti- So kann ich z. B. überhaupt nicht verstehen, dass gen Lösungen kommen werden. es immer noch keine eigene Berufskennziffer für (Uwe Schwarz [SPD]: Das versuchen Pflegeberufe bei der Agentur für Arbeit gibt. Dort wir schon seit Jahren!) gibt es nur die Sammelkategorie Sozialarbei- ter/Sozialpflege. Das gibt ein bisschen wieder, Abschließend möchte ich anhand bereits vorlie- welchen Stellenwert der Pflegeberuf immer noch gender Antworten auf unseren Entschließungsan- hat bzw. immer noch nicht hat. Meine sehr geehr- trag darlegen, dass unsere Vorschläge positiv ten Damen und Herren, ich finde, das muss sich aufgenommen worden sind. schnellstens ändern. Wenn die Ausbildung ir- Ich zitiere zunächst aus einem Schreiben der gendwann so geändert ist, wie uns das vor- AOK - Gesundheitsmanagement ambulant, Unter- schwebt, wird das ohnehin so kommen müssen. nehmensbereich Pflege: „Deswegen unterstützen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) wir Sie im Rahmen unserer Möglichkeiten gern bei den Aktivitäten zur Stärkung der Attraktivität der Lassen Sie mich noch kurz auf zwei Themen ein- Pflegeberufe.“ gehen, die von bestimmten Seiten immer wieder kommen, nämlich gerechter Lohn für Pflege. Wie (Norbert Böhlke [CDU]: Sehr schön!) die Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann bin Die AWO, Bezirksverband Braunschweig, schreibt: auch ich der Auffassung: Gute Pflege muss auch „Nicht nur im Land Niedersachsen muss Grund- gut bezahlt werden. sätzliches getan werden, um den Pflegeberuf von (Beifall bei der CDU) der Ausbildung her grundlegend neu aufzustellen. Nur so kann den Herausforderungen in der Kran- Die Große Koalition in Berlin hat auch entspre- kenpflege und in der Altenpflege aufgrund der chend Vorgaben getroffen. Jetzt noch einmal zum demografischen Entwicklung, wie sie von Ihnen in Mitschreiben, gerade auch für diejenigen, die der Begründung zu dieser Landesinitiative treffend schon wieder den Kopf schütteln: Das Land sitzt dargestellt wurde, nachhaltig und effektiv entge- nicht am Verhandlungstisch, wenn es um die Höhe gengetreten werden.“ der Pflegesätze geht. Dies handeln die Kassen, die Betreiber und die Kommunen miteinander aus. (Norbert Böhlke [CDU]: Das ist ja Trotzdem ist es zu begrüßen, dass unsere Ministe- wohltuend! Sehr gut!) rin diese Gespräche moderiert, sich einbringt und Der Brief der Landesgeschäftsstelle des Sozialver- auch dafür Sorge trägt, dass dieses Thema positiv bandes ist umfangreicher. Ich kann nicht alles begleitet werden kann. vorlesen. (Beifall bei der CDU) (Zuruf von Uwe Schwarz [SPD]) Ein weiterer Punkt, der lebhaft diskutiert wird, ist - Ach, Herr Schwarz. Hören Sie doch auf! Seien die Frage, wie wir es mit Schülerinnen und Schü- Sie doch positiv gestimmt und nicht schon wieder lern halten, die einen Hauptschulabschluss haben. maulig! Nur weil jemand einen Hauptschulabschluss hat, heißt das noch lange nicht, sie oder er könne die- (Uwe Schwarz [SPD]: Ich bin immer sen Beruf nicht ausüben. Es kommt doch vorrangig positiv gestimmt!) darauf an, welche Eignung und Neigung, welche Die Landesgeschäftsstelle des Sozialverbandes Ausbildungsbereitschaft und Fähigkeit jemand schreibt: „Wir stimmen mit Ihnen überein, dass die mitbringt. Dabei kann der Schulabschluss nur ein Ausbildung den veränderten Anforderungen durch Kriterium sein. die Zunahme Demenzkranker und den vermehrten (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Bedarf an kultursensibler Pflege für Menschen mit Migrationshintergrund anzupassen ist.“ Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wer- den uns auch dem Blick auf die akademische Viel- Zu guter Letzt noch ein Zitat aus dem Schreiben falt widmen. Wir sollten ganz klar sehen, dass wir des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe: auf einem guten Weg sind, um hier die richtigen „Grundsätzlich geht der Berufsverband mit Ihren

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Vorstellungen konform. Wir begrüßen und unter- nicht gerecht -, sondern wir wollen mit Ihnen zu- stützen die Erstellung eines landesweiten Konzep- sammen Lösungsvorschläge erarbeiten und hoffen tes.“ natürlich, dann auch gemeinsam zu guten Lösun- gen und damit zum Ziel zu kommen. (Uwe Schwarz [SPD]: Das machen wir doch schon seit fünf Jahren!) (Heidemarie Mundlos [CDU]: Viel- leicht kommen von Ihnen ja wirklich Hier wird deutlich, Herr Schwarz, dass es einen Lösungsvorschläge!) Grundkonsens zur Neuregelung der Pflegeausbil- dung gibt. Deshalb sollte federführend - vielleicht - Darauf komme ich jetzt. - Wenn man Ihren Antrag können Sie zumindest in dem Punkt zustimmen - ganz unbekümmert liest und, wie Sie offensichtlich, der Sozialausschuss mit dem Thema befasst und von keinerlei Kenntnis der bisherigen niedersäch- der Kultusausschuss mitberatend eingebunden sischen Sozialpolitik belastet ist, könnte man ihm werden. zustimmen. Alles, was dort steht, ist wunderbar - wenn der erste Satz nicht wäre. Es heißt dort: „Die Auf eines will ich ausdrücklich hinweisen: Das Landesregierung wird gebeten“ - das ist ja noch in Thema ist für unsere Gesellschaft sehr wichtig. Ordnung, aber nicht, was dann kommt -, „bis zum Deshalb fände ich es traurig, wenn wir jetzt ir- 01.11.2010 ein Konzept zur Weiterentwicklung der gendwo in Fundamentalopposition verfallen wür- Pflegeausbildung vorzulegen.“ Sehr geehrte Kolle- den. Das würde dem Thema mit Sicherheit nicht ginnen und Kollegen, das gibt es bereits. Wo wa- gerecht. Ich lade Sie deshalb ein, sich konstruktiv ren Sie in den letzten Jahren? In einer bequemen einzubringen und am Thema zu beteiligen. Das Schlafposition, wäre ein gutes Signal für die Pflege, (Beifall bei der SPD) (Uwe Schwarz [SPD]: Das finde ich auch!) wo das parlamentarische Leben leise und unbe- merkt an Ihnen vorbeigeplätschert ist? für die Menschen in Niedersachsen und für unsere politische Kultur insgesamt. Ich verstehe ja, dass sich Ihre Arbeit mit vielen neuen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss (Uwe Schwarz [SPD]: Können Sie Ih- etwas schwierig gestaltet. Aber da haben Sie, Frau re Ministerin auch noch einladen?) Mundlos und Herr Böhlke, eigentlich eine Vorbild- In dem Sinne: ein gutes Thema, ein guter Antrag. funktion. Sie sollten die neuen Kolleginnen und Kollegen entsprechend in die Arbeit einbinden und Vielen Dank. sie aufklären. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Zustimmung bei der SPD) Vizepräsident Dieter Möhrmann: Mit Ihrem Antrag bringen Sie das Ministerium in Meine Damen und Herren! Nächste Rednerin ist eine peinliche Lage; denn alles, was Sie wissen Frau Groskurt von der SPD-Fraktion. wollen und in Ihrem Antrag nachfragen, steht in Ihrem eigenen Landespflegebericht, auf den Herr Ulla Groskurt (SPD): Riese eben hingewiesen hat. Er hat aber nur den Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- Status quo vorgelesen und nicht die Lösungen legen! Erst einmal muss ich feststellen, dass ge- erwähnt, die im Landespflegebericht schon aufge- gen Ihren Antrag als solchen grundsätzlich nichts führt sind. zu sagen ist, Frau Mundlos. Sie stellen Ihrem eigenen Ministerium ein schlech- (Norbert Böhlke [CDU]: Das ist ja tes Zeugnis aus. Die Landesregierung braucht schon mal gut!) keine 15 Monate, um bereits vorhandene Daten zu prüfen und dann ein Konzept vorzulegen. Es kann Alle dort aufgeführten Punkte sind richtig. Nur den nun wirklich nicht primäre Aufgabe der Opposition „Mut zu neuen Wegen“, den Sie eben erwähnt sein, die Landesregierung vor der Regierungskoa- haben, Frau Mundlos, konnte ich leider in Ihrem lition zu schützen, aber wenn diese Landesregie- Antrag nicht finden. rung mit viel Fleiß einen ordentlichen 822 Seiten (Beifall bei der SPD) umfassenden Bericht erstellt hat, können wir sie auch nicht im Regen stehen lassen. Wir planen auch sicherlich keine fundamentale Oppositionspolitik - das würde dem Thema wirklich

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Nun zu Ihren acht Spiegelstrichen mit den netten diesen zu lesen. Wenn es besonders nett zu Ihnen Bitten. Die durch den demografischen Wandel sein und Sie nicht auf Ihre Unkenntnis hinweisen hervorgerufenen Herausforderungen gehen aus will, wird es das von Ihnen erbetene Konzept aus dem bereits erwähnten Landespflegebericht her- dem Landespflegebericht abschreiben. vor, in dem diese Herausforderungen bis 2020 und teilweise sogar bis 2050 fortgeschrieben werden - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die nega- Seite 556, falls Sie nachlesen möchten. Außerdem tive Entwicklung in der Pflegeausbildung, die be- hat eine vom Landtag eingesetzte interfraktionelle reits heute mehr als deutlich ist - Sie haben das Enquetekommission „Demografischer Wandel“ auch erkannt und aufgeführt -, muss aufgehalten einen Bericht erstellt, aus dem diese Herausforde- werden, und zwar jetzt. Das ist eine sozialpoliti- rungen auch eindeutig zu ersehen sind. sche Herausforderung, die Sie nicht annehmen, der Sie aber offensichtlich auch nicht gewachsen (Johanne Modder [SPD]: Genau! Den sind; sonst hätten Sie diesen Verzögerungsantrag haben Sie wohl nicht gelesen!) nicht gestellt. Zu den Spiegelstrichen zwei, drei und vier: Lang- (Beifall bei der SPD) fristige Perspektiven sind schnell dargestellt. Eine Anpassung der Pflegevergütung in Niedersachsen Der Antrag ist gefährlich; denn wenn ich mich um- auf das Niveau anderer Länder bedeutet, dass die schaue, erkenne ich: Viele von Ihnen, die hier sit- Pflegenden, wie z. B. in Nordrhein-Westfalen, täg- zen, sollten sich langsam Gedanken darüber ma- lich 70 Minuten mehr Zeit für die zu Pflegenden zur chen, wer sie pflegen soll. Die, die hier steht, hat Verfügung haben. Die durchschnittlichen Entgelte sich Gedanken gemacht, und die haben nicht ge- in Niedersachsen sind im Vergleich zum Bundes- rade zu einem beruhigenden Gefühl beigetragen. mittelwert um bis zu 17 % niedriger. Ich wohne nämlich in Niedersachsen, eigentlich Im Zusammenhang mit der Einführung eines an- gerne, bin aber einer CDU/FDP-Regierung ausge- gemessenen Mindestlohns für Pflegepersonal liefert. fordern wir die Ministerin auf - auch wenn Sie eben (Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist hart!) gesagt haben, Frau Mundlos, sie habe keinen Einfluss -, ihre aufsichtsrechtlichen Rechte und Pflegekräfte aus Polen werden eingestellt. Pflichten gegenüber den Kranken- und Pflegekas- sen wahrzunehmen, was die Entgeltsituation und (Wolfgang Jüttner [SPD]: Wenn du alt die Umsetzung neuer gesetzlicher Möglichkeiten bist, bist du nicht mehr CDU/FDP- betrifft. Das sind Perspektiven, die den Beruf att- gefährdet!) raktiv gestalten und zum Einstieg in den Pflegebe- - Diese Überzeugung habe ich auch. Danke schön. ruf motivieren. Die nächsten vier Spiegelstriche kann ich zusam- (Unruhe) menfassen. Das können Sie auf Seite 653 im Lan- despflegebericht nachlesen. Vizepräsident Dieter Möhrmann: Das von Ihnen erwähnte Henriettenstift muss sich Frau Kollegin, warten Sie bitte einen kurzen Mo- veralbert vorkommen. Es hat den Modellversuch ment! - Meine Damen und Herren, es haben sich MIKA bereits durchgeführt, evaluiert und eine um- im Plenarsaal so viele Gesprächskreise eingerich- fangreiche Stellungnahme abgegeben. Jetzt soll tet, dass ich hier oben die Gesprächskreise noch einmal bis 2010 an einem Konzept dazu ge- manchmal besser als die Rednerin hören kann. arbeitet werden. Darin sehe ich überhaupt keinen Sinn. Ulla Groskurt (SPD): (Beifall bei der SPD - Heidemarie Wie ist denn zurzeit die Situation? - Die Pflegekräf- Mundlos [CDU]: Dann müssen Sie te werden aus Polen und weiter aus dem Osten, sich die Stellungnahme einmal durch- wie der Ukraine, eingestellt. Wenn viele von Ihnen lesen! Die ist nämlich nicht abschlie- und ich pflegebedürftig sind, müssen schon Pfle- ßend!) gekräfte aus der Mongolei eingestellt werden. Da- nach kommt der Pazifik. Da wohnt niemand mehr. Wenn das Ministerium es sich ganz einfach ma- Das heißt, die meisten von Ihnen und ich können chen will, was ich empfehle, legt es Ihnen den überhaupt nicht mehr gepflegt werden. Landespflegebericht vor mit der höflichen Bitte,

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Mit Ihrem Antrag bewegen wir uns weitere 15 Mo- allein klärt aber noch nicht die Fragen der Ausbil- nate rückwärts und entfernen uns bedrohlich von dungsqualität und der Attraktivität des Berufes. Die der Weiterentwicklung der Pflegeausbildung. Attraktivität ist in der jüngsten Zeit wirklich nicht gestiegen. (Beifall bei der SPD) Ich appelliere an Sie: Nehmen Sie den Landes- (Beifall bei der LINKEN) pflegebericht als Grundlage für Arbeitsaufträge Im Gegenteil, den Pflegenden fehlen die verlässli- und entsorgen Sie diesen Antrag! Er hält uns nur chen Rahmenbedingungen und das erworbene von der dringend notwendigen Arbeit ab. Wissen, um ihre durch Erfahrung erworbene Kom- Schönen Dank. petenz umzusetzen. Jede Lohnerhöhung haben die Pflegenden in den letzten Jahren mit Arbeits- (Lebhafter Beifall bei der SPD) verdichtung bezahlt. Diese strukturell angelegte Überbelastung führt zu dem Dauerstress und dem Vizepräsident Dieter Möhrmann: permanenten Druck, der Verantwortung dem Pati- Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist enten gegenüber nicht mehr gewachsen zu sein. Frau König von der Fraktion DIE LINKE. Bitte! Das macht krank! Das sind die Aussteiger, die dann sagen: „Das kann ich nicht mehr verantwor- Marianne König (LINKE): ten!“ Deshalb gingen im September 2008 130 000 Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Beschäftigte auf die Straße. vorgelegten Antrag „Weiterentwicklung in der Pfle- geausbildung“ gestehen CDU und FDP zwar ein, Das neue Stichwort heißt „Arbeitsteilung“. Es wird dass wegen des Pflegenotstandes Handlungsbe- über neue Pflegeberufe diskutiert, die qualifiziertes darf besteht. Sie führen sich mit der eigenen Kon- Personal entlasten sollen. In Wirklichkeit bedeutet zeptlosigkeit aber auch vor. Die Erwartungen, die das aber jetzt schon in vielen Kliniken, dass exa- die Überschrift auslöst, bleibt der Antrag schuldig. miniertes Pflegepersonal durch Hilfskräfte ersetzt Es ist nebulös. wird. Pflegekonzepte und Pflegestandards, ausge- arbeitet am Schreibtisch von einer Fachkraft, die (Beifall bei der LINKEN) oftmals den Patienten gar nicht mehr kennt - sie Anstelle konkreter Ansätze für eine verbesserte hat nicht die Zeit für ein Gespräch -, werden zur Ausbildungsqualität und erweiterte Bildungsinhalte Gebrauchsanweisung für Hilfskräfte. Pflege wird sind im Antrag nur Andeutungen zu finden, mit dadurch zum Stückwerk. welchen Mitteln die Anzahl der Pflegekräfte schön- (Beifall bei der LINKEN) poliert werden soll. Die Probleme in der Pflege bestehen, weil Kliniken Ganzheitliche Pflege mit dem Erkennen von Res- zur Rotstiftpolitik gedrängt werden. Ausbildungs- sourcen ist nicht möglich. Dadurch gehen Chancen plätze sind reduziert, es ist kein Geld für Personal zur vollkommenen Genesung oder zur Bewältigung vorhanden, und Stellen werden abgebaut. Ganz des Lebens mit Behinderung verloren. Das eigent- nebenbei: Pflegeausbildung findet in der Schule, liche Problem ist, dass Pflege unter der vermeintli- aber auch auf den Stationen statt. Oftmals haben chen Gesundheitspolitik der letzten Jahrzehnte zu examinierte Kräfte keine Zeit, diese Schülerinnen einer Ware mutiert ist, die zu Dumpingpreisen und Schüler zu begleiten und ihnen Inhalte zu gehandelt wird. Eine Pflege, die den Namen ver- vermitteln. Da ist ein Defizit. dient, benötigt Zeit und hat ihren Preis. Wer an der Pflege spart, der spart am falschen Ende. Das ist (Beifall bei der LINKEN) für die meisten der Patienten inhuman und kann im Der gesamte Berufszweig ist von einer starken Zweifelsfall tödlich sein. Fluktuation betroffen. Bei jungen Menschen be- Wenn es den Regierungsfraktionen mit dem The- steht tatsächlich eine mangelnde Bereitschaft, ma Pflege ernst ist, dann gilt es zuerst, die Bedin- diesen Beruf zu ergreifen. Dies hat Gründe. Es gilt, gungen aus dem Jahre 1993 wieder herzustellen, sie anzugehen. damit ausreichende Pflege überhaupt wieder mög- Um nicht missverstanden zu werden: Wir haben lich wird. Räumen Sie erst einmal die Stolperstei- nichts dagegen, Hauptschulabsolventen und Be- ne, die Sie gelegt haben, aus dem Weg! rufswechsler für den Pflegeberuf zu gewinnen. Die (Beifall bei der LINKEN) Leute sind gut. Ich bin selbst Späteinsteigerin. Das

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Sie haben hier angeführt, dass für das Führen von Geld fehlt den Einrichtungen für gute Pflege und Gesprächen mit Anhängern verschiedener Kultu- für eine vernünftige Entlohnung der Pflegekräfte. ren Sprachwissen erforderlich ist. Schaffen Sie (Beifall bei den GRÜNEN) aber doch erst einmal die Zeit, dass das Gespräch wieder möglich ist und die Schwester oder der Glücklicherweise gibt es immer noch junge Men- Pfleger für Gespräche Zeit findet! schen, die den Altenpflege- oder Pflegeberuf erler- nen wollen. Aber nach wie vor gibt es insbesonde- (Beifall bei der LINKEN) re in der Altenpflege mehr Bewerberinnen als Aus- Die Pflegenden benötigen Sicherheit, um diese bildungsplätze. Das ist ein trauriges Bild, meine Arbeit auszuführen, und keine Zeitverträge und Damen und Herren. Anstellungen in Servicegesellschaften. (Beifall bei den GRÜNEN) (Norbert Böhlke [CDU]: Ist das Aufga- Sie hätten dieses Problem längst lösen können, be der Politik?) wenn Sie die Ausbildungsumlage eingeführt hät- Damit könnte der Fluktuation in diesem Berufsbe- ten. reich entgegengewirkt werden. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der LINKEN) Die Ministerin wollte quasi als Ersatzmaßnahme im Die Kliniken benötigen außerdem finanziellen Rahmen ihres vorweihnachtlichen sogenannten Spielraum, um die von Ihnen geforderte Qualitäts- Pflegepakets durch zusätzliche Finanzmittel an die sicherung, eine gute Ausbildung und eine fortlau- Träger neue Ausbildungsplätze schaffen. Doch fende Weiterbildung sicherzustellen. Das sind auch was ist zu hören? Offenbar ist bislang kein müder unsere Forderungen: Qualitätssicherung, gute Euro geflossen. Nach wie vor fehlen die Richtli- Ausbildung, fortlaufende Weiterbildung. Aber bitte nien, obwohl die Ankündigung nun schon über sorgen Sie durch Bundesratsinitiativen dafür und acht Monate alt ist. Das finde ich seltsam. schieben Sie die Verantwortung nicht weg! Darüber hinaus reichen die den Schülerinnen aus- gezahlten 60 Euro nicht, um Schulgeldfreiheit an Vizepräsident Dieter Möhrmann: den Fachschulen zu erreichen. Genau das ist aber Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. doch wichtig für die Berufswahl; denn sonst findet hier sogar noch eine Sozialauswahl statt: Wer sich Marianne König (LINKE): das Schulgeld leisten kann, darf lernen, und die Diese Bedingungen müssen stimmen, damit gute anderen bleiben vor der Tür. - Dieses Weihnachts- Pflege geleistet werden kann. geschenk ist also zumindest in den beiden ge- (Beifall bei der LINKEN) nannten Teilen eine hohle Nuss. Meine Damen und Herren, ob Ihr Antrag vor die- Vizepräsident Dieter Möhrmann: sem Hintergrund überhaupt die Welt bewegt, be- Meine Damen und Herren, die nächste Rednerin zweifle ich. Allein schon der Zeitrahmen, den Sie ist Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die der Landesregierung zugestehen, ist wenig ambiti- Grünen. oniert. Bis zum 1. November 2010, also erst nach über einem Jahr, soll ein Konzept vorgelegt wer- Ursula Helmhold (GRÜNE): den. Genau erfährt die Leserin nicht, wohin die Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Reise überhaupt gehen soll. Ausbildungsinhalte an Herren! Es gärt ganz gewaltig in der Pflege, und die Erfordernisse der Praxis weiterentwickeln, zwar nicht nur in der Ausbildungsfrage. Die Unzu- langfristige Perspektiven darstellen - das ist schon friedenheit ist groß, die Fluktuation ist hoch. Viele ziemlich unkonkret. Pflegekräfte steigen resigniert aus ihrem Beruf Bei der Integration der Pflegeausbildungsgänge aus. Sie protestieren gegen Dumpinglöhne und haben Sie uns allerdings an Ihrer Seite, schließlich unzumutbare Arbeitsbedingungen, und auf einen handelt es sich hierbei um ein rot-grünes Projekt. Mindestlohn warten sie nach wie vor. Die Große Koalition in Berlin hätte allerdings längst In Niedersachsen ist die Pflege ganz besonders handeln können; denn die Erkenntnisse aus den schlimm dran. Es ist einfach nicht zu verstehen, Modellprojekten liegen schon lange vor. Frau warum die Pflegesätze gegenüber anderen Bun- Groskurt hat darauf hingewiesen, wie lange der desländern etwa 20 % niedriger liegen. Dieses

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Modellversuch in der Henriettenstiftung schon ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstim- abgeschlossen ist. men? - Enthaltungen? - Dann ist so beschlossen.

Bei der jüngst in Berlin beschlossenen Absenkung Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten der Zugangsvoraussetzungen für die Pflegeausbil- Tagesordnungspunkt aufrufe, kann ich Ihnen mit- dung sind wir gemeinsam mit den Pflegeverbän- teilen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, den kritisch. Die fehlenden Praxisplätze werden mit den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP dieser Maßnahme nicht herbeigezaubert. Und unter dem Tagesordnungspunkt 36 „Luft- und gerade Niedersachsen hat doch mit der Ausbil- Raumfahrt in Niedersachsen weiter stärken“ direkt dung zum Sozialassistenten im Bereich Pflege für an den Ausschuss zu überweisen. Dies werden wir Hauptschülerinnen und Hauptschüler einen sehr nachher vornehmen. Damit eröffnet sich eine wei- guten und, wie ich finde, richtigen Weg beschritten. tere Möglichkeit, die Sitzung heute früher zu been- Dass die Regierungsfraktionen dies nun wieder ins den. Wir beraten dann über zwei Punkte weniger Abseits manövrieren wollen, erschließt sich mir als ursprünglich geplant. nicht wirklich. Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt den Ta- Meine Damen und Herren, eine reine Fachschul- gesordnungspunkt 32 auf: ausbildung wird angesichts der enorm gewachse- nen Anforderungen in den Pflegeberufen auf Dau- Besprechung: er ohnehin nicht reichen. Wir brauchen ein Upgra- Schule muss man sich leisten können - Große ding für diese überwiegend von Frauen ausgeführ- Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1075 - ten Berufe auf Hochschulniveau. Das ist überfällig, Antwort der Landesregierung - Drs. 16/1445 auch mit Blick auf den europäischen Kontext. Frau Mundlos hat darauf hingewiesen, dass dafür ein Konzept erforderlich ist. In vielen europäischen Wie die Beratung hierzu abzulaufen hat, hat Frau Ländern läuft die Ausbildung anders ab als bei Vockert gestern ausführlich geschildert. Das muss uns. Die Pflegekräfte aus Deutschland haben bei ich nicht wiederholen. der Anerkennung ihrer Abschlüsse im Ausland sehr oft Schwierigkeiten. Deswegen ist es wichtig, Frau Reichwaldt, Sie bringen die Anfrage ein. Bitte! dass wir uns in dieser Frage bewegen. Christa Reichwaldt (LINKE): Meine Damen und Herren, es geht bei diesem Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Thema um nichts Geringeres als um gute Pflege, Herren! Wir haben die Anfrage „Schule muss man guten Lohn und ein würdiges Leben für Pflegebe- sich leisten können“ eingereicht, um die vielen dürftige. Alle drei Ziele sind in hohem Maße ge- kleinen Kosten im System Schule aufzudecken, die fährdet, wenn nicht entscheidende Weichenstel- die Familien trotz der Vorgabe des Schulgesetzes, lungen in Bund und Land erfolgen. Leider ist davon dass kein Schulgeld zu zahlen sei, belasten. aber - wie in diesem Antrag - relativ wenig zu se- hen und zu hören. Das Ergebnis können wir alle in der Antwort der Landesregierung nachlesen. Dort finden wir zahl- Herzlichen Dank. reiche Leerstellen mit dem Hinweis, dass der Re- (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- gierung keine Angaben vorliegen. Nichtsdestotrotz stimmung bei der SPD und bei der gebührt der Dank den Mitarbeiterinnen und Mitar- LINKEN) beitern des Ministeriums, die die vorhandenen Daten zusammengetragen und aufbereitet haben, Vizepräsident Dieter Möhrmann: (Zustimmung bei der LINKEN und bei Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen den GRÜNEN) liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. die in Teilbereichen, z. B. zur Lernmittelfreiheit und zur Schülerbeförderung, eine gute Datenbasis Die Fraktionen sind entgegen der Empfehlung des liefern. Ältestenrates zu der Auffassung gekommen, dass sich der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie Doch welche Schlussfolgerungen können wir dar- und Gesundheit federführend und der Kultusaus- aus ziehen, dass die Kosten etwa für Kopien, Un- schuss mitberatend mit dem Antrag beschäftigen terrichtsmaterialien oder die Anschaffung von grö- sollen. Wer das so beschließen möchte, den bitte ßeren Gegenständen unbekannt sind? Will man

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diese Zahlen etwa nicht wissen? - Solange man nicht bereit, den Sorgen und Nöten der armen den tatsächlichen Bedarf nicht beziffern kann, blei- Familien nachzukommen. ben alle Schätzungen im Nebulösen. Man kann Der Sonderfonds „DabeiSein!“ der Landesstiftung immer abwiegeln und herunterspielen oder im Familien in Not in Höhe von 250 000 Euro ist auch Allgemeinen bleiben. Wären nicht zumindest der erwähnten Symbolpolitik zuzurechnen. Denn Stichproben möglich gewesen? wenn man die 100 632 Schülerinnen und Schüler Wenn der Druck zu groß wird, macht man ein we- dagegenrechnet, die im letzten Jahr von der Zu- nig Symbolpolitik, schreibt sich eine Idee auf die zahlung zu Lernmitteln aus sozialen Gründen be- Fahnen und feiert sich selber - wie beim Schulbe- freit wurden, so erkennt man, dass pro Nase noch darfspaket, das seit diesem Jahr den Hartz-IV- nicht einmal 2,50 Euro herausspringen. Familien zum Schuljahresbeginn 100 Euro be- Kann mir jemand in diesem Hause erklären, wie schert. Meine Damen und Herren, diese 100 Euro mit diesem Zuschuss die Teilnahme an Freizeiten sind bitter nötig, aber nur ein Tropfen auf dem und Erholungsmaßnahmen, an Musik-, Kunst- und heißen Stein. Es ist vor allem den sozialen Bewe- Sportangeboten oder Klassen- und Kitafahrten gungen zu verdanken, dass der Druck auf Bundes- ermöglicht werden kann, wie es die Landesregie- rat und Bundesregierung so groß wurde, dass es rung behauptet? zu dieser ersten Verbesserung gekommen ist. (Kreszentia Flauger [LINKE]: Das (Beifall bei der LINKEN) kann keiner erklären!) Den sozialen Bewegungen gebührt daher in erster Zumal bei dieser Berechnung andere Familien in Linie der Dank für die 100 Euro. Not, die kein Hartz IV bekommen, aber trotzdem kein Geld haben - es sind viele -, nicht eingerech- Frau Ministerin Heister-Neumann, Sie werden hier net sind. wahrscheinlich gleich verkünden, dass das Land noch nie so viel Geld für Bildung ausgegeben hat (Zustimmung bei der LINKEN) wie in diesen Zeiten. Beim Mittagessen sieht es nicht anders aus. Meine (Jörg Bode [FDP]: Das macht Herr Fraktion hat im letzten Jahr den Antrag gestellt, Försterling!) das Landesförderprogramm für das Schulmittag- essen auszubauen, um die Kostenfreiheit, nicht Sie werden auf den Zeitpunkt der Regierungs- nur die Kostenreduzierung, für die bedürftigen übernahme verweisen, als im Kultusetat 3,75 Milli- Familien zu sichern. Die Regierungsfraktionen ha- arden Euro eingestellt waren, während in diesem ben den Antrag abgelehnt. CDU und FDP schei- Jahr 4,38 Milliarden Euro eingestellt sind. nen nicht an Verbesserungen für die armen Fami- lien interessiert zu sein. Vielleicht werden Sie auch noch den Pro-Kopf- Betrag nennen, den Niedersachsen ausgibt. Die Oder werfen wir einen Blick auf Sachsen-Anhalt: Landesausgaben pro Schüler an allgemeinen und Dort hat der Landtag erst vor Kurzem beschlossen, berufsbildenden Schulen betrugen im Jahr 2002 dass die Schülerbeförderung auch nach Klasse 10 3 600 Euro und im Jahr 2008 den vorläufigen Zah- nahezu kostenfrei ist. Es wird von den Schülerin- len zufolge 3 700 Euro. nen und Schülern ein Eigenanteil von 100 Euro im Jahr verlangt. Bei uns hingegen gibt es dazu nur Das ist ein Zuwachs von 100 Euro bzw. 2,7 %. Ablehnung von der Regierungskoalition. Dabei Wenn man sich aber anschaut, dass die Inflation kosten Schülermonatskarten im Durchschnitt an seit dem Jahr 2002 etwa 11 % beträgt und die vielen Orten weit über 50 Euro und stellen somit Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst etwa 8 % einen erheblichen Kostenfaktor für die Familien betragen, so wandelt sich diese angebliche Ver- dar. Doch die Koalition duckt sich weg. Das halte besserung mit einem Mal in einen realen Rück- ich für unerhört. gang der Pro-Kopf-Ausgaben. Eine wirkliche Bil- dungsoffensive kann ich hier nicht erkennen. (Beifall bei der LINKEN)

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- Stattdessen vertritt man lieber Allgemeinplätze. Ich mung bei den GRÜNEN) habe es am Anfang gesagt: Wenn keine genauen Zahlen vorliegen, kann man sich wunderbar auf Ich kann eine solche Offensive auch nicht bei kon- generelle Aussagen zurückziehen und die Welt in kreten Projekten erkennen. Die Koalition ist leider den schönsten Farben malen. Genau das macht

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die Landesregierung, wenn sie sagt, dass ein gan- erfolgreich waren. Ich bezweifle es. Aber offenkun- zes Bündel staatlicher Hilfen bestehe, womit ge- dig redet Häuptling Wulff mit seiner Mannschaft währleistet sei - ich zitiere wörtlich -: heute so und morgen so. Glaubwürdigkeit sieht anders aus, meine Damen und Herren! „dass dem Gebot der Bildungsgerech- tigkeit sowie dem Gebot der Chan- (Beifall bei der LINKEN und Zustim- cengleichheit Rechnung getragen mung bei den GRÜNEN) wird und jede Schülerin und jeder Ich persönlich stimme der These zu, dass es eine Schüler unabhängig von ihrer oder soziale Schere im Bildungssystem gibt und dass seiner sozialen Herkunft oder gesell- es an oberster Stelle der Ziele einer jeden Landes- schaftlichen Stellung ihrer oder seiner regierung stehen muss, diese Schere zu verklei- Begabung entsprechend gefördert nern oder bestenfalls zu schließen. Wenn wir uns und gefordert wird.“ anschauen, dass an Hauptschulen 28 % der Schü- Anders gesagt: Die Landesregierung behauptet, lerinnen und Schüler aus sozialen Gründen von dass es keine soziale Schere an der Schule gibt der Lernmittelfreiheit profitieren, an Gymnasien und allein die Begabung entscheidet. Meine Da- hingegen nur 4 %, dann zeigt das, wie weit die men und Herren, eine solche Aussage zeugt nur soziale Schere in unserem Bildungssystem geöff- davon, dass Sie die Augen vor der Wirklichkeit net ist. verschließen und keine Ahnung haben, wie es im (Beifall bei der LINKEN) Lande aussieht. Denn niemand kann ernsthaft und glaubhaft be- (Beifall bei der LINKEN und Zustim- haupten, dass dieser eklatante Unterschied allein mung bei den GRÜNEN) auf die angebliche Begabung eines Kindes zu- Dabei waren Sie schon einmal weiter, vielleicht ist rückzuführen ist. Ihre These, Herr Wulff und Frau das nur noch nicht bei sämtlichen Mitgliedern der Heister-Neumann, dass gewährleistet sei, dass die Landesregierung angekommen. Deshalb darf ich Schülerinnen und Schüler allein aufgrund ihrer aus der Drucksache 885 zitieren. Es handelt sich Begabung auf die unterschiedlichen Schulformen dabei um die Antwort der Landesregierung auf die verteilt würden, zeigt wieder einmal, wie blind Sie Große Anfrage der SPD-Fraktion „Hochschulzu- gegenüber der Realität in diesem Land sind. gang und Bildungschancen in Niedersachsen“. Es (Beifall bei der LINKEN) heißt hierin wörtlich: Das lässt mich noch einmal auf die Art und Weise „Die Chancen auf einen Hochschul- der Beantwortung dieser Anfrage zurückkommen. zugang für Kinder aus einkommens- Trotz aller Sorgfalt der Recherche in Teilbereichen schwachen Familien haben sich in habe ich viel zu oft gelesen, Daten lägen nicht vor den letzten 30 Jahren deutlich ver- oder es gebe keine Untersuchungen. Das ist sehr bessert, dennoch ist es in Deutsch- bedauerlich. Deshalb meine Aufforderung an Sie land nicht gelungen, Bildungschancen aufseiten der Regierungskoalition: Nehmen Sie und soziale Herkunft zu entkoppeln.“ endlich die Scheuklappen ab! Unser Schulsystem in Niedersachsen ist ungerecht, und Chancen- An anderer Stelle heißt es: gleichheit existiert nicht. „Die Landesregierung wird die Schul- (Beifall bei der LINKEN) und Hochschulpolitik, aber besonders die frühkindliche Bildung und Erzie- Das zeigt auch die Antwort auf unsere Anfrage hung verstärkt darauf ausrichten, die „Schule muss man sich leisten können“. Bildungschancen von der sozialen Vielen Dank. Herkunft zu entkoppeln und den Leis- tungsabstand zwischen Jugendlichen (Lebhafter Beifall bei der LINKEN) mit und ohne Migrationshintergrund zu verringern sowie die Durchlässig- Vizepräsident Dieter Möhrmann: keit des Bildungssystems weiter zu Meine Damen und Herren, nach unserer Ge- erhöhen.“ schäftsordnung ist jetzt die Landesregierung an der Reihe. Frau Ministerin, Sie haben das Wort! Jetzt lassen wir es einmal dahingestellt, ob die bisherigen Bemühungen der Landesregierung

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Elisabeth Heister-Neumann, Kultusministerin: und Bildung durch zwei gesetzliche Neuerungen spürbar und nachhaltig verbessert. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Keiner darf Erstens. Seit Beginn dieses Schuljahres erhalten verlorengehen, und Bildungsgerechtigkeit heißt für einkommensschwache Familien zur Förderung der uns Chancengerechtigkeit für jedes Kind, für jede schulischen Bildung von Kindern und Jugendlichen Schülerin und für jeden Schüler in unserem Land, im Rahmen des Familienleistungsgesetzes eine gleich welcher sozialen oder ethnischen Herkunft. zusätzliche Leistung von 100 Euro. Die pauschale Die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes Leistung umfasst insbesondere die erforderliche steht dabei für uns im Vordergrund. Ausstattung am Schuljahresbeginn. Dazu gehören (Beifall bei der CDU) Ausrüstungsgegenstände, persönliche Ausstat- tungsgegenstände wie z. B. Beihilfen für Turnzeug, Das gilt für die gesamte Bildungsbiografie, ange- Blockflöte, Schulranzen, für Schreib-, Rechen- und fangen bei der frühkindlichen Bildung über die Zeichenmaterial. weiterführenden Schulen bis hin zur universitären Ausbildung. Dafür hat dieses Land Niedersachsen Ich freue mich darüber, dass der Bundestag noch eine Menge Anstrengungen unternommen. Denn rechtzeitig vor dem Schuljahresbeginn eine Aus- in keinen Bereich hat das Land so stark investiert weitung der 100-Euro-Starterpakete beschlossen wie in den Kultusbereich. Frau Reichwaldt hat die hat. Meine Damen und Herren, diese Starterpakete Zahlen dazu dargestellt. Von 3,75 Milliarden Euro kommen unseren Schülerinnen und Schülern von sind wir mittlerweile bei 4,45 Milliarden Euro ange- der ersten Klasse bis zur Abschlussklasse zugute. langt. Dass das auch etwas gebracht hat, meine Sie gelten auch für die Berufsschülerinnen und Damen und Herren, brauchen wir nicht nur zu sa- -schüler, die nicht in der dualen Ausbildung sind, gen, sondern das wird uns auch bestätigt, weil die also keine Ausbildungsvergütung bekommen. Zahl der Zurückstellungen vom Unterricht und von der Schule sehr stark reduziert wurde und weil sich Zweitens. Mit dem Gesetz zur Sicherung von Be- die Abschlussquote kontinuierlich erhöht. Deshalb schäftigung und Stabilität in Deutschland vom bin ich davon überzeugt, dass wir auf einem sehr 2. März 2009 hat der Bundesgesetzgeber die Re- guten Weg sind, meine Damen und Herren. gelleistungen im Sozialgesetzbuch für Sechs- bis Dreizehnjährige ab dem 1. Juli 2009 auf 70 % der (Beifall bei der CDU und Zustimmung maßgeblichen Regelleistungen angehoben. Dar- von Jörg Bode [FDP]) über hinaus fördert die Landesstiftung „Familie in Not“ im Rahmen des Sonderfonds „DabeiSein!“ Wenn Sie von Scheuklappen sprechen, dann wür- Bildungs- und Freizeitmaßnahmen für Kinder aus de ich Ihnen empfehlen, die Scheuklappen einmal finanziell benachteiligten Familien durch nicht wegzunehmen und die Erfolge einfach einmal an- rückzahlbare Zuschüsse in Höhe von bis zu zuerkennen. 100 Euro pro Kind. Die Zuschüsse werden bis zum (Beifall bei der CDU und Zustimmung Abschluss der allgemeinbildenden Schule u. a. für von Jörg Bode [FDP]) Nachhilfeunterricht, für Schulfahrten oder Fahrt- kosten für Oberstufenschülerinnen und Oberstu- Bund und Land haben aber auch gemeinsam viel- fenschüler gewährt, soweit sie nicht von anderen fältige Maßnahmen ergriffen, um Kinder und Ju- Leistungsträgern übernommen werden. gendliche aus Familien, die ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht vollständig aus eigenen Kräften Neben diesen Maßnahmen gibt es weitere staatli- und Mitteln bestreiten können, besonders zu för- che Hilfen. Ich möchte an dieser Stelle nur drei dern. So hat der Bundesrat - ich bitte Sie, auch Beispiele nennen: dabei genau zuzuhören - auf Initiative von Nieder- sachsen und Nordrhein-Westfalen mit Beschluss Erstens. Nach dem Modell der entgeltlichen Aus- vom 23. Mai 2008 die Bundesregierung aufgefor- leihe von Lernmitteln sind Leistungsberechtigte dert, die Regelleistungen und Regelsätze für Kin- nach dem Sozialgesetzbuch und dem Asylbewer- der unverzüglich neu zu bemessen. Als Grundlage berleistungsgesetz von dem Entgelt für die Lern- dafür sollte eine spezielle Erfassung des Kinder- mittelausleihe vollständig befreit. bedarfs vorgesehen werden. Seitdem hat sich die (Vizepräsidentin Astrid Vockert über- Situation der betroffenen Familien und Kinder bei nimmt den Vorsitz) der Finanzierung der Aufwendungen für Schule

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Das Land Niedersachsen stellt hierfür in diesem enorm hoch. Einige Antworten der Landesregie- Jahr als freiwillige Leistung 3,39 Millionen Euro zur rung belegen dies. Ich will nur einige herausgrei- Verfügung. fen.

Ich möchte einen weiteren Bereich ansprechen, Schon bei der Einschulung müssen die Eltern ca. nämlich den Bereich der Ganztagsschulen. Auch 250 Euro für die Erstausstattung ihres Kindes zah- hier unterstützt die Landesregierung einkommens- len. Für Schulbücher müssen sie im Jahr durch- schwache Familien beim Kauf des Mittagessens. schnittlich 40,88 Euro ausgeben; an einzelnen Wir haben für das Haushaltsjahr 2009 wiederum Schulen kann dieser Betrag glatt doppelt so hoch 1,5 Millionen Euro für Zuschüsse zum Erwerb ei- ausfallen. Dazu kommen Kosten für Lernmittel, nes Mittagessens in der Ganztagsschule zur Ver- z. B. für grafikfähige Taschenrechner - ab 90 Euro fügung gestellt. Liebe Frau Reichwaldt, wenn Sie aufwärts. sagen, das reiche nicht aus, das müsse sehr viel mehr sein, dann möchte ich doch darauf hinwei- In den Laptopklassen müssen die Eltern jeden sen, dass die Dinge, die wir bisher zur Verfügung Monat 20 bis 30 Euro aufbringen. Das sind im Jahr gestellt haben, tatsächlich nicht voll ausgeschöpft 240 bis 360 Euro. Armen Familien wird maximal wurden. Wir stellen die Mittel nach dem jeweiligen die Hälfte davon erstattet. Bedarf ein. Ich glaube, auch hierbei sind wir gut In der Sekundarstufe II - das hat Frau Reichwaldt aufgestellt. bereits angesprochen - tragen die Eltern dazu (Beifall bei der CDU) auch noch ausschließlich und allein die Kosten für die Busbeförderung oder die Bahnfahrkarte zur Ich bin davon überzeugt, es gibt keinen Bereich, in Schule, mit Ausnahme des minimalen Anrech- dem man nicht tatsächlich vieles besser machen nungsbetrages im Regelsatz. kann, noch mehr Einsatz bringen kann. Aber wir müssen das alles in eine Relation setzen. Ich den- (Karl-Heinz Klare [CDU]: Das wollt ihr ke, wir haben während unserer Regierungszeit alles ändern? Jedem Schüler einen sehr viel auf den Weg gebracht, um denjenigen zu Laptop, und das finanziert ihr?) helfen, die tatsächlich zusätzlicher finanzieller Un- terstützung bedürfen. Das kann z. B. im Landkreis Hildesheim - wir hat- ten früher schon einmal eine Petition dazu - bis zu Vielen Dank. 1 320 Euro im Jahr kosten. Ist das wirklich noch (Lebhafter Beifall bei der CDU) Schulgeldfreiheit? Auf viele Fragen - das muss ich bestätigen - hat Vizepräsidentin Astrid Vockert: diese Landesregierung gar keine Antworten. Sie Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Für die Fraktion weiß nicht, wie viele Schulen den Mindestbetrag Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Korter zu und wie viele Schulen den Höchstbetrag für Lern- Wort gemeldet. Bitte schön! mittel verlangen. Sie weiß nicht, wie viele Schulen eine eigene Schulbibliothek haben. Sie weiß nicht - Ina Korter (GRÜNE): das finde ich skandalös -, wie viele Schulen ein Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Mittagessen anbieten und wie viel es eigentlich danke Christa Reichwaldt von der Fraktion der kostet. Sie weiß auch nicht, wie viel Geld in Schu- Linken ausdrücklich für diese ausführliche Große len für Kopierkosten erhoben wird und welche Anfrage zu der Situation und den Kosten, die die Pauschalen für Internetnutzung verlangt werden. Eltern heute für den Schulbesuch ihrer Kinder zu (Karl-Heinz Klare [CDU]: Wenn sie tragen haben. das alles fragen würde, dann hätten (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- die Schulen keine Zeit mehr, Unter- stimmung bei der SPD) richt zu machen! Sonst sind Sie doch immer gegen Schnüffelei! Mein Gott, Meine Damen und Herren, es ist ein wesentlicher soll das alles abgefragt werden? Die Anspruch unseres Sozialstaates, dass alle Kinder haben noch etwas anderes zu tun, als unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern gleichen auf solche Fragen zu antworten!) Bildungszugang haben sollen. Das Schulgeld ist abgeschafft worden. Die Kosten, die trotzdem von Wenn man das alles zusammenrechnen würde, den Eltern getragen werden müssen, sind jedoch würden wir auf eine unglaubliche Belastung der

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Eltern kommen, und es würde endlich einmal of- Verhältnissen werden wir in Niedersachsen so fengelegt, welche Kosten zu tragen sind. schnell nicht kommen. Aber wohin wir jetzt kom- men könnten, ist: Wir könnten jetzt einen vernünf- Wie gering das Interesse der Landesregierung an tigen Etat für das kostenlose Mittagessen einset- der Kostenbelastung der Eltern ist, zeigt sich auf zen, mindestens für arme Kinder, mit unbürokrati- Seite 22 der Antwort. Hier sind die Fragen 5.4 und schem Zugang. Dann brauchen Sie auch nicht zu 6.2 nicht einmal richtig wiedergegeben, sondern ist erzählen, Frau Ministerin, dass Sie das Geld gar versehentlich die Frage 5.2 wiederholt worden. nicht brauchen. Wie genau wird eigentlich in diesem Ministerium gearbeitet, wenn das überhaupt keinem aufgefal- (Zustimmung bei den GRÜNEN) len ist? Weil meine Redezeit abläuft, möchte ich nur noch (Zustimmung bei der LINKEN - Karl- einen Punkt anführen. Die spannendste Antwort in Heinz Klare [CDU]: Sie wären die Ers- der ganzen Großen Anfrage ist die Antwort auf die ten, die sofort protestieren würden, Frage, wie viele Kinder aus armen Familien welche wenn die Landesregierung da herum- Schularten besuchen. 14,4 % der Grundschüler schnüffeln würde!) leben von Sozialhilfe, 28,1 % der Hauptschüler Meine Damen und Herren, Bildungsbenachteili- beziehen Leistungen, und an den Förderschulen gung aufgrund materieller Armut ist eines der sind es 43,8 %. schwerwiegendsten Probleme in unserem Land, in (Glocke der Präsidentin) Niedersachsen und in der Bundesrepublik. Aber Sie, Frau Ministerin, kennen nicht einmal das Fast die Hälfte der Kinder an Förderschulen lebt im Ausmaß, offensichtlich weil es sie schlicht und Leistungsbezug. Das ist ein sozialer Skandal. Da einfach nicht interessiert. - Herr Klare bestätigt das kann man sich nicht mit ein paar kleinen Erfolgen gerade noch. herausreden.

(Zustimmung bei der LINKEN) Vielen Dank.

Das zeigt deutlich die soziale Ignoranz dieser Lan- (Beifall bei den GRÜNEN, bei der desregierung und der sie tragenden Fraktionen. Es SPD und bei der LINKEN) ist abenteuerlich, wie sich die Ministerin hier gera- de mit angeblichen Erfolgen herausgeredet hat. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Das ist nicht mehr lächerlich, das ist nur noch pein- lich für die Eltern, die davon betroffen sind, das Danke schön, Frau Korter. - Nun haben Sie, Frau zahlen zu sollen und nie zu wissen, wie sie es Kollegin Meyer zu Strohen, für die CDU-Fraktion bezahlen sollen. das Wort. (Lachen von Karl-Heinz Klare [CDU]) Anette Meyer zu Strohen (CDU): Meine Damen und Herren, in der vorigen Woche Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine haben einige Mitglieder meiner Fraktion Schulen Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat und Kindergärten in Finnland besucht. Dort herr- am 17. März eine Große Anfrage zum Thema schen in dieser Frage wahrlich paradiesische Ver- „Schule muss man sich leisten können“ an die hältnisse, wenn man sie mit Niedersachsen ver- Landesregierung gestellt. Zunächst einmal wird da gleicht. aus § 54 des Niedersächsischen Schulgesetzes (Glocke der Präsidentin) zitiert. Darin sind u. a. das Recht der Schülerinnen und Schüler auf Bildung, eine gesicherte Unter- Schulbücher sind kostenlos. Für jedes Kind gibt es richtsversorgung sowie die Förderung benachteilig- täglich ein kostenloses Mittagessen; das ist die ter und hochbegabter Kinder festgeschrieben. wichtigste sozialpolitische Maßnahme überhaupt, Festgeschrieben ist auch, dass an den öffentlichen wurde uns dort an jeder Schule und in jedem Kin- Schulen in Niedersachsen die Schulgeldfreiheit die dergarten versichert. Regel ist. (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- In einem 90 Fragen umfassenden Katalog wurden stimmung bei der LINKEN) umfangreiche Erhebungen zum Sachstand und zu Auch die Schulbuchkosten werden übernommen, den Kosten des Schulwesens in Niedersachsen Nachhilfe müssen Eltern nicht zahlen. Zu solchen abgefragt. Sicherlich wird es möglich sein, mithilfe

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der damit gewonnenen Daten ein exaktes Bild von qualität zu sichern. Statistiken - das wissen Sie - unserer Schulsituation zu erhalten. verlieren ihren Aussagewert am Ende eines jeden Schuljahres. Vieles lässt sich auch gar nicht be- (Ralf Borngräber [SPD]: Die Hälfte der antworten, da es nicht gemessen oder registriert Fragen konnte nicht beantwortet wer- wird. den!) Sie - und wir - reden auf der einen Seite von der Mir stellt sich an dieser Stelle trotzdem die Frage: Eigenverantwortung der Schulen und einer Verwal- Wozu das alles? tungsvereinfachung. Andererseits binden Sie wert- (Zustimmung bei der CDU - Zuruf von volle Arbeitszeit durch das Abfragen von Zahlen den GRÜNEN: Das lässt tief blicken!) und Daten, die schon wenige Monate später Ge- schichte sind. Ist das Einheizen hier nicht teurer als das Backen? (Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie inte- (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Was ich ressieren sich für die Situation gar nicht weiß, macht mich nicht heiß! nicht!) Besser, man weiß nichts!) Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich! Zum Aktueller Hintergrund Ihrer Anfrage ist u. a. eine 1. August ist die Änderung des Niedersächsischen Empfehlung der OECD. Insbesondere wird hier der Schulgesetzes in Kraft getreten. Die Belange un- Policy Brief No. 13 genannt, sinnigerweise mit dem seres Bildungswesens, über welche Ihre Fraktion, Titel - zu Deutsch - „Die politische Durchführbarkeit die Linke, mit ihren Fragen Aufklärung erlangen von Anordnungen“. In diesem Handlungsvorschlag möchte - genauer gesagt: die Ihre Fragen am wird den Mitgliedstaaten eine allmähliche marktli- Rande berührt haben -, haben wir damit bereits che Erschließung des Bildungsbereiches nahege- verbessert. Oftmals musste das leider ohne Ihre legt, mit der Intention, Einsparungen im Haushalt Zustimmung - ich erinnere mich -, ja sogar gegen zu erzielen. Mehr ist in diesem Schriftsatz nicht zu Ihren erklärten politischen Willen geschehen. erkennen. (Beifall bei der CDU) Der von der Linken ausgearbeitete Fragenkatalog setzt sich meines Erachtens mit den Randberei- Sie stellen keinerlei Fragen, die direkt die Qualität chen des Bildungswesens auseinander: des Schulunterrichtes berühren. (Hans-Henning Adler [LINKE]: Die (Kurt Herzog [LINKE]: Stellen Sie kosten aber Geld!) doch diese Fragen, wenn die fehlen!) Was kostet Schülerbeförderung? - Das haben wir Für Sie ist auch nicht interessant - das habe ich gerade gehört; für Sie ist das alles wichtig. vorhin wieder bemerkt -, was die Landesregierung dazu beitragen könnte, (Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das ist auch für die Eltern wichtig!) (Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist doch Blödsinn!) Was geben wir pro Schüler für unser Schulsystem aus? Was kostet das Mittagessen? Ist es nun billi- das bereits Erreichte zu erhalten und noch weiter ger, ein Lehrbuch zu leihen oder eines zu kau- auszubauen. Ich denke, es ist an der Zeit, Ihnen fen? - Es geht bis hin zu der Frage, wie finanziell noch einmal einige Fakten zu nennen und konkre- benachteiligte Familien die finanziellen Belastun- te Ergebnisse vorzustellen; denn die Landesregie- gen tragen sollen. rung hat auch vor dem Hintergrund der negativen Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise mit (Kreszentia Flauger [LINKE]: Interes- einer Vielzahl sinnvoller Maßnahmen den Bil- siert Sie das gar nicht?) dungsbereich in Niedersachsen weiter gestärkt Der Begriff „Unterrichtsqualität“, der vorrangig über und ausgebaut. Unterrichtsinhalte und -angebote definiert wird, Bereits in der Koalitionsvereinbarung haben CDU wird von diesen Fragestellungen in keiner Weise und FDP zu Beginn dieser Legislaturperiode der berührt. Bildung und insbesondere der Bildungsgerechtig- (Beifall bei der CDU) keit einen hohen Stellenwert eingeräumt. Die Beantwortung der Fragen hilft uns daher auch (Zustimmung bei der CDU und bei der nicht in unserem Bestreben weiter, die Bildungs- FDP)

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Jeder Schüler erhält seinen Neigungen und Fähig- lernschwachen Jugendlichen eine reale Chance keiten entsprechende Bildungsangebote - das gab zum Erwerb eines Schulabschlusses. es zu Ihrer Zeit nicht - Die Fraktion DIE LINKE redet von Chancengleich- (Lachen bei der SPD - Ralf Borngrä- heit und Bildungsgerechtigkeit. Wir haben dieses ber [SPD]: In hohem Maße gab es mit unseren Entscheidungen und unserem Han- das! In der Orientierungsstufe, die Sie deln bereits realisiert. plattgemacht haben!) (Kreszentia Flauger [LINKE]: Das und damit einen Schulabschluss, der seinen Be- sieht man ja aus den Zahlen! - Hans- gabungen entspricht. Kein Abschluss ohne An- Henning Adler [LINKE]: PISA ist nicht schluss! Das sind die Zielvorstellungen für unser der schiefe Turm!) Schulsystem. Das ist doch genau das Ziel, das - Hören Sie doch zu! Ich glaube, Sie wollen das auch Sie erreichen möchten. Aber wir, CDU und alles gar nicht mitbekommen! FDP, sind da schon längst angekommen. Wir haben auch die berufliche Bildung neu geord- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) net. Jugendliche mit einem Schulabschluss, die keinen Ausbildungsplatz erhalten, erfahren nun- Wir haben uns dafür eingesetzt, dass mit dem mehr in den Berufsfachschulen eine Qualifizierung. neuen Schulgesetz die Bildungsperspektiven des gegliederten Schulsystems detailliert herausgear- Auch wenn Sie das nie wahrnehmen wollen, will beitet und um zusätzliche Gesamtschulangebote ich Ihnen dennoch sagen: Ein wichtiger Baustein ergänzt werden. Wir haben zukunftsfähige Struktu- zur Steigerung der Unterrichtsqualität war der 13 ren geschaffen, ohne erst mühsam Statistiken zu Punkte umfassende Maßnahmenkatalog von Frau erarbeiten und auszuwerten und darüber vielleicht Ministerin Heister-Neumann zur Verbesserung der sogar wertvolle Zeit zu verlieren. Unterrichtsversorgung, der nun leider entgegen den Erwartungen der Opposition in hervorragender Vorhin wurde es schon gesagt: Bis 2013 wird die Weise gelungen ist. Landesregierung 45 000 weitere Plätze für die Betreuung der Kinder unter drei Jahren schaffen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Für Ihren Evergreen, das Schulmittagessen, haben Lachen bei der LINKEN - Victor Perli wir doch schon längst 1,5 Millionen Euro in den [LINKE]: Helau!) Landeshaushalt eingestellt. Vizepräsidentin Astrid Vockert: (Karl-Heinz Klare [CDU]: So ist es! Frau Kollegin Meyer zu Strohen, gestatten Sie eine Das wird nicht einmal abgerufen!) Zwischenfrage der Kollegin Flauger? Während die Linke die Mittagessenempfänger Anette Meyer zu Strohen (CDU): noch zählt und differenziert, sitzen wir mit den Schülerinnen und Schülern quasi schon an einem Nein, das nimmt mir die Zeit weg. Tisch. Seit der Regierungsübernahme hat sich das Haushaltsvolumen - auch das ist vorhin gesagt (Beifall bei der CDU) worden; Sie wissen wohl gar nicht, was 1 Milliarde Mittlerweile gibt es in Niedersachsen 881 Ganz- ist - im Kultusressort von 3,75 Milliarden Euro auf tagsschulen. Der Bestand wurde damit seit 2003 4,4 Milliarden Euro im Jahr 2009 erhöht. Mittlerwei- verdreifacht. Sie wissen: 2003 war der Zeitpunkt le - das können Sie nicht leugnen, Sie können es des Regierungswechsels. Denken Sie an das nämlich überall nachlesen - gehört Niedersachsen Ganztagsschulangebot, die Verknüpfung der be- zu den Bundesländern mit den höchsten Anteilen rufsbildenden Schulen mit den allgemeinbildenden der Ausgaben für Bildung und Forschung am Lan- Schulen bis hin zu den Fachgymnasien! desbruttosozialprodukt.

Bis 2012 wird die Landesregierung den Anteil der Diese finanziellen Mittel stellen wir in den Lehrplan Schülerinnen und Schüler - Frau Heister-Neumann ein und investieren sie in Ausstattung mit Lehrmit- hat es vorhin ausgeführt -, die die Hauptschule teln. Damit erreichen wir eine Verbesserung der ohne Abschluss verlassen, weiter senken. Mit die- Unterrichtsqualität an unseren Schulen und müs- ser Maßnahme - die vertiefte Berufsorientierung sen für Sie die von Ihnen erstrebte Bildungsge- und Praxisbegleitung an Hauptschulen - bieten wir rechtigkeit so realisieren.

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Zu der Sozialgesetzgebung: Es ist vorhin ausge- (Beifall bei den GRÜNEN - Filiz Polat führt worden, dass sich das, was da angesprochen [GRÜNE]: Genau!) wird, leider nicht auf Landesebene regeln lässt. Es Bildungspolitik, Sozialpolitik braucht klare, verläss- liegt außerhalb unseres Regelungsbereiches; da- liche Daten und Analysen, damit man gezielt, ver- für ist der Bund zuständig. nünftig und sinnvoll eingreifen und helfen kann. Um gleich zum Abschluss zu kommen: Wir haben Das wollen Sie gar nicht wissen. Warum nicht? - die notwendigen Haushaltsmittel in den Haushalt Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Sie eingestellt und sinnvoll und nachhaltig eingesetzt. wollen gar nicht handeln. Ihnen reicht Symbolpoli- Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die tik! Das ist hier mehr als deutlich geworden. Zukunft unseres Landes. Wir werden Niedersach- (Zustimmung von Filiz Polat [GRÜ- sen zu einem Zukunftsland gestalten. Unser Bil- NE]) dungswesen und die Ausbildung junger Menschen sind der Schlüssel dazu. Das Wort „Bildungsgerechtigkeit“ heißt bei Ihnen: Wer sich Schule leisten kann und Geld dafür hat, Wer zu lange den Fahrplan studiert, verpasst zu- hat Glück gehabt, wer kein Geld hat, hat Pech letzt den Zug. Ein altes Sprichwort möchte ich gehabt. - Das ist die Devise der CDU. Das haben Ihnen noch auf den Weg geben: Die Hunde bellen, wir verstanden. die Karawane zieht weiter. (Beifall bei den GRÜNEN, bei der (Kurt Herzog [LINKE]: In die Bil- SPD und bei der LINKEN) dungswüste!) Vizepräsidentin Astrid Vockert: Danke schön. Danke schön. - Von der Fraktion DIE LINKE hat (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Frau Kollegin Reichwaldt für anderthalb Minuten das Wort. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Herzlichen Dank. - Mir liegen zwei Wortmeldungen Christa Reichwaldt (LINKE): zu Kurzinterventionen vor. Zunächst hat Frau Kol- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau legin Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Kollegin Meyer zu Strohen, ich bin wieder einmal, nen für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön! wie so oft an diesem Punkt, ziemlich erschüttert. Die Kollegin Korter hat die Frage schon gestellt. Ina Korter (GRÜNE): Ich glaube, Sie haben den Titel unserer Anfrage Frau Präsidentin! Frau Meyer zu Strohen, ich glau- nicht gelesen. be, Sie haben den Titel dieser Großen Anfrage (Karl-Heinz Klare [CDU]: Aber wir ha- nicht richtig gelesen. ben die Antwort gelesen!) (Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie hat ihn Sie heißt: „Schule muss man sich leisten können“. richtig gelesen!) Das, was Sie als Randbereiche der Bildungspolitik bezeichnen, hat für die Eltern, die die Schulbildung Da steht nicht „In der Schule muss man etwas ihrer Kinder finanzieren müssen, eine ganz hohe leisten können“, sondern „Schule muss man sich Bedeutung. leisten können“. Das hat etwas damit zu tun, dass man sie bezahlen können muss. Das haben Sie Noch eine weitere Bemerkung dazu: Nach Ihrem wohl nicht gemerkt. Vortrag wird mir der Begriff „bürgerliche Koalition“ wirklich sehr sinnhaft. Jetzt weiß ich, was das (Beifall bei den GRÜNEN und bei der heißt. Ich an Ihrer Stelle würde mich sehr eigenar- LINKEN) tig fühlen, wenn ich die Begriffe „Bildungsgerech- Wie wenig diese Landesregierung zu all den Fra- tigkeit“ und „Chancengleichheit“ in den Mund neh- gen weiß, die gestellt worden sind, ist bezeichnend me. und eigentlich schon schlimm genug. Aber wie (Zuruf von der CDU: Natürlich! - deutlich hier gesagt worden ist, dass Sie in der Hans-Henning Adler [LINKE]: Sie ma- CDU-Fraktion gar nicht wissen wollen, wie die chen Bildung zur Klassenfrage! - Ge- soziale Lage der Familien ist, das ist wirklich skan- genruf von David McAllister [CDU]: dalös! Ganz ruhig! Fidel Castro ist weit weg!)

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Vizepräsidentin Astrid Vockert: Vizepräsidentin Astrid Vockert: Herzlichen Dank. - Für die Beantwortung durch die Danke schön, Frau Meyer zu Strohen. - Für die CDU-Fraktion hat Frau Meyer zu Strohen ebenfalls SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Borngräber. für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Anette Meyer zu Strohen (CDU): Ralf Borngräber (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und haben, wie üblich, nicht richtig zugehört. Wir schaf- Herren! Die Große Anfrage „Schule muss man sich fen für alle Schüler Bildungsangebote. Das ist das leisten können“ ist eine überaus sinnvolle Ergän- Wesentliche. Ich habe nicht umsonst § 54 des zung zu den verschiedensten kleinerteiligen Anfra- Niedersächsischen Schulgesetzes zitiert, wonach gen aller Oppositionsfraktionen unter dem Ober- Schule im Grunde frei ist. begriff der Kinder- und Familienarmut in der 15. und 16. Wahlperiode. Ich bin der Fraktion DIE (Christa Reichwaldt [LINKE]: Für LINKE und insbesondere Frau Reichwaldt für die- manche mehr, für manche weniger!) se Große Anfrage sehr dankbar. Sie wollen auch gar nicht wissen, was vor Ort in den Kommunen ist. Frau Heister-Neumann hat hier (Zustimmung von Frauke Heiligen- die freiwilligen Leistungen des Landes aufgeführt. stadt [SPD] und von Ina Korter Es gibt massive Hilfen. Wenn sich Qualität in [GRÜNE]) Schulen für Sie nur dadurch definiert, wie wir da Es ist noch nicht lange her, da wurde behauptet, Kohle hineinkriegen, damit Schülern geholfen wird, Kinder- und Familienarmut sei mit wenigen Aus- (Hans-Henning Adler [LINKE]: Nicht nahmen ein Thema der Vergangenheit und durch nur, sondern auch!) die Bildungsöffnung der 70er-Jahre, den allgemei- nen wachsenden Wohlstand und ein enges sozia- dann kann das nicht sein. Der Ansatz muss ein les Netz quasi abgehakt. Armut sei doch nur dem anderer sein, nämlich dass wir jedem Schüler ent- Versagen und der Faulheit einzelner geschuldet. sprechende Angebote machen, Hilfen vor Ort. Oder um es mit den Worten von Ministerpräsident (Christa Reichwaldt [LINKE]: Es fragt Wulff vor der Vollversammlung des Paritätischen sich nur, ob er es sich leisten kann!) Niedersachsen vom 24. November 2006 zu sa- gen - ich zitiere -: - Schreien Sie nicht so rum, hören Sie zu! - Ich könnte wieder Osnabrück anführen und das, wie „Eine der wichtigsten Ressourcen der wir dort vor Ort auch mit finanzieller Unterstützung Armutsbekämpfung ist die Selbstmoti- machen. vation und, daraus resultierend, die Fähigkeit, andere mitzureißen.“ Wenn ich Ihnen sage, dass für ca. 30 % - ich weiß die Prozentzahl nicht ganz genau; aber Sie können Kurz gesagt: Gemäß Herrn Wulff sollten sich die es nachschauen - unserer Schüler in dieser Stadt Menschen einmal ein bisschen mehr am Riemen die Kommune sowieso alles bezahlt, dann wissen reißen, dann fänden sie schon den Weg aus der Sie, dass diesen Kindern geholfen wird. selbst verschuldeten Armut. Wie entlarvend zy- nisch, meine Damen und Herren! Sie machen im Grunde nur Schaufensteranträge, um uns ein schlechtes Gewissen einzureden, weil (Beifall bei der SPD und bei der LIN- wir angeblich nicht genügend Geld zur Verfügung KEN) stellen. Das tun wir aber. Diesen Wulff gibt es nicht erst seit vorgestern, (Glocke des Präsidenten) nicht erst seit der Gewerkschaftsschelte. Der ist Programm, meine Damen und Herren! Ein Letztes - ich habe es schon erwähnt -: Auch dieses ist auf Bundesebene zu regeln. Da können (Beifall bei der SPD und bei der LIN- auch andere nicht so herumschreien. Sie hätten KEN) schon längst etwas machen können. Meine Damen und Herren, insbesondere die Kin- (Beifall bei der CDU und bei der FDP - derarmut hat mittlerweile ein Gesicht. In vielen Karl-Heinz Klare [CDU]: Sehr gut!) Städten und Gemeinden hat sie das Gesicht von Kindern, die ohne Frühstück in die Schule kommen und vielfach nur bei kommunalen oder ehrenamtli-

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chen Essenstafeln eine warme Mahlzeit pro Tag Meine Damen und Herren, ich komme zu einem bekommen. Meine Damen und Herren, das kann weiteren Punkt. Die CDU behauptet in Ihrem man doch nicht hinnehmen! Das geht doch nicht! Grundsatzprogramm: Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang in einer als „Soziale Gerechtigkeit ist zunehmend reich bezeichneten Gesellschaft wie der unseren! Teilhabegerechtigkeit, nicht nur Ver- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte teilungsgerechtigkeit.“ mich bei dieser Gelegenheit einmal bei der rot- Die Zahlen des NLS vom Dezember 2008 und aus grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerd früheren Jahren sprechen aber eine ganz andere Schröder bedanken, und zwar nachträglich. Sprache - unter der Regierung Wulff drifteten Arm (Wilhelm Heidemann [CDU]: Das ist und Reich immer weiter auseinander -: aber schon lange her!) „Überdurchschnittlich stark von Armut Hören Sie einmal genau zu! Es war nämlich die betroffen sind Ausländer, Kinder und Regierung Schröder, Jugendliche, Alleinerziehende, große Familien, Geringqualifizierte und Ar- (Wilhelm Heidemann [CDU]: Das Ge- beitslose.“ witter ist schon lange vorbei!) Ich möchte Ihnen einmal ein paar Zahlen Ihres die den größten Teil der 881 Ganztagsschulen in eigenen Landesamts nennen: Der Anteil armer Niedersachsen überhaupt erst ermöglicht hat. Da Haushalts stieg von 13,7 % im Jahr 2003 auf kann ich nur sagen: Vielen Dank, lieber Gerd! 14,5 % in 2004 und stagniert seitdem auf hohem (Beifall bei der SPD) Niveau: 2005: 14,6 %, 2006: 14,5 %, 2007 sogar wieder 14,6 %. Eine Trendwende, wie es die Lan- Damit wurde das Ganztagsangebot in Niedersach- desregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfra- sen seit 2003 in der Tat mehr als verfünffacht. ge fälschlicherweise formuliert, ist also überhaupt (Jens Nacke [CDU]: Das hört er in nicht in Sicht. Russland doch gar nicht!) Die Wirtschaftkrise, meine sehr geehrten Damen Diese Landesregierung - dies wollen wir einmal und Herren, wird diese miesen Zahlen noch ekla- feststellen - hat fast nichts dazubezahlt. tant in die Höhe treiben. Wer die aktuellen Zahlen (Beifall bei der SPD - Zuruf von Karl- der Arbeitslosengeld-I-Bezieher kennt, der weiß Heinz Klare [CDU]) das. Ich möchte sie Ihnen noch einmal nennen - sie sind nämlich gerade frisch auf den Tisch ge- - Ach, Herr Klare, hören Sie doch auf! Wenn Sie kommen -: Die aktuelle Zahl der ALG-I-Bezieher ist sich hier so echauffieren, dann gehen Sie entwe- im Vergleich zum Vorjahresmonat landesweit um der kalt duschen oder ins Büro! 20,9 % gestiegen. (Beifall bei der SPD - Björn Thümler Besonders zynisch stellt sich Ministerpräsident [CDU]: Das haben nicht Sie zu Wulffs Äußerung beim Blick auf arme Kinder dar. bestimmen! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Dabei ist Kinderarmut, meine Damen und Herren, Das geht nicht! Ich will doch hören, viel mehr als nur materielle Not. was Sie sagen!) (Björn Thümler [CDU]: Das ist richtig!) Wir werben auch zukünftig für zusätzliche finan- zielle Anreize, damit mehr gesundes, preisgünsti- Arme Kinder erleben von frühester Kindheit an ges und, wenn es geht, sogar kostenloses Mittag- Ausgrenzung und Isolation. Sie sind häufiger essen in den Schulen und Kitas angeboten werden krank. Gesellschaftliche Teilhabe, Aufstiegschan- kann. Herr Klare, wir werben vor allem für mehr cen und Bildungswege bleiben ihnen viel zu häufig Ganztagsschulen unter finanzieller Beteiligung des verschlossen. Kinder aus Haushalten, in denen die Landes. Wir lassen es Ihnen schon gar nicht Eltern Abitur haben, werden viel eher in den Kin- durchgehen, dass Sie die Urheber des bundeswei- dergarten geschickt als Kinder mit Migrationshin- ten Ganztagsschulprogramms in Ihrer Antwort auf tergrund, aus sozial schwachen Familien und aus die Große Anfrage mit keinem Wort erwähnen. Sie Familien, in denen die Eltern keinen Hauptschul- haben die rot-grüne Bundesregierung unter Schrö- abschluss haben. Meine Damen und Herren, auch der und Fischer mit keinem Wort erwähnt. das kann man nicht hinnehmen! Sie aber tun das! (Beifall bei der SPD)

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Trotz der objektiven Notwendigkeit - Stichwort len, damit wir einmal mit den Eltern „demografischer Wandel“ - und wegen des Ausei- sprechen können?) nanderfallens ganzer Bevölkerungsgruppen und Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Kolle- Regionen stellt die SPD eine starke Tendenz die- gen Försterling das Wort. Bitte schön! ser Landesregierung fest, unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus nur widerwillig Daten zur Björn Försterling (FDP): sozialen Lage zu erheben. Dies haben meine Vor- rednerinnen schon bestätigt. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich den Mitarbei- Ungefähr die Hälfte aller Fragen, die Frau Reich- terinnen und Mitarbeitern des Kultusministeriums waldt zusammengetragen hat, konnte nicht beant- für die Antwort auf diese Große Anfrage danken, wortet werden oder wurde mit Verweis auf andere im Grunde genommen aber nicht nur für die Ant- Fragen nur unvollständig beantwortet. wort auf diese Große Anfrage; denn wir haben ja Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen zum erlebt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schluss aus einer E-Mail zitieren, die ich just ges- den letzten Wochen und Monaten vonseiten der tern Nachmittag wieder einmal erhalten habe. Oppositionsfraktionen mit Anfragen, Unterrich- tungswünschen und Ähnlichem geradezu bombar- (Björn Thümler [CDU]: Wieder ein- diert worden sind. Meine sehr geehrten Damen mal?) und Herren, ich fände es besser, wenn sich die Sie kommt von Eltern, die sich über die Möglichkei- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kultusministe- ten bitter beklagen, die ihnen das niedersächsi- riums noch intensiver um die Qualitätsverbesse- sche Schulsystem gibt. Auszugsweise zitiere ich rung im niedersächsischen Schulwesen kümmern daraus: Neben Lehrermangel und Gesamtschul- könnten und nicht mit Ihren lähmenden, nimmer diskussion darf nicht vergessen werden, dass wir enden wollenden und immer wieder gleichen unnö- Eltern mit dem Wegfall der Lernmittelfreiheit sehr tigen Anfragen belästigt werden würden. stark belastet worden sind. Mit immer neuen (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lehrmethoden habe ich das Gefühl, dass wir El- Zuruf von Dr. Manfred Sohn [LINKE]) tern zum Selbstbedienungsladen für die Schule geworden sind. Für die erste Grundschulklasse - Ja, das ist Ihr gutes Recht. Das will ich Ihnen gar sollen wir ganz tolle Lernbücher zum Reinschrei- nicht nehmen. Jeder muss selbst entscheiden, ben kaufen, aber auch eine Kopierkostenumlage womit er mehr erreicht. von 5 Euro pro Halbjahr bezahlen. - Ich füge hinzu: Nun liegt uns die Antwort auf die Große Anfrage Es gibt Schulen, die sogar 20 bis 30 Euro nehmen. „Schule muss man sich leisten können“ vor. Dies In der E-Mail heißt es weiter: Lektüren müssen gilt ja nicht nur für die Familien, sondern dies gilt angeschafft werden. Die Buchausleihe kann auch auch für den Staat und für das Land Niedersach- einmal bis zu 80 Euro betragen. 120 Euro kostet sen. Ich sage Ihnen: Ja, wir können uns Schule ein Taschenrechner für das Gymnasium usw. leisten. Wir wollen uns Schule leisten. Trotz des (Glocke der Präsidentin) Sparzwangs der letzten Jahre haben sich die Aus- gaben im Kultusbereich deutlich erhöht. Die Zah- Schule können sich eben viele nicht leisten, meine len sind schon genannt worden. Damen und Herren. (Beifall bei der CDU) (Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Editha Lorberg [CDU]: Das In diesem Zusammenhang spielen die vielfältigen stimmt überhaupt nicht! - Die Präsi- Aktivitäten der Landesregierung eine wichtige Rol- dentin schaltet dem Redner das Mik- le: zum einen das beitragsfreie Kindergartenjahr, rofon ab) das die Partizipation gerade sozial schwacher Familien im Bereich der frühkindlichen Bildung Vizepräsidentin Astrid Vockert: deutlich erhöht, und zum anderen die große Auf- gabe, die wir zu bewältigen haben, nämlich den Herr Borngräber, Sie haben die Redezeit über- Ausbau um 45 000 weitere Krippenplätze im Be- schritten. Ich dachte, das ist ein guter Schlusssatz reich der Null- bis Dreijährigen. Auch hier ist ein gewesen. wichtiger Beitrag zu leisten, gerade um sozial (Karl-Heinz Klare [CDU]: Können Sie Schwächeren zu helfen, weil es notwendig ist, eine uns diese E-Mail zur Verfügung stel- Betreuung zu gewährleisten, damit man einer Er-

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werbstätigkeit nachgehen kann. Auch die Ganz- Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zu tagsschulen sind ein wichtiger Beitrag dazu. den Ausführungen von Herrn Borngräber sagen. Ich kann es nicht mehr ertragen, wie die Sozialde- Natürlich gab es Investitionsmittel des Bundes. mokratie in diesem Land soziale Verantwortung Wer bezahlt denn aber Jahr für Jahr die Lehrer- heuchelt. Das ist wirklich unerträglich. Auf großen stunden für den Ganztagsbetrieb mit weit über Plakaten ist zu lesen „Bildung darf nicht vom Geld- 70 Millionen Euro? beutel der Eltern abhängen“; daneben ist eine (Beifall bei der FDP und bei der CDU) schöne Juso-Aktivistin zu sehen, die an einer Pri- vatuni studiert hat, die dafür 590 Euro im Monat Das tun diese Landesregierung und die Fraktionen nimmt. Das ist Heuchelei. von CDU und FDP. (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei Darüber hinaus haben wir 1,5 Millionen Euro an der CDU) Zuschüssen für die Mittagsverpflegung zur Verfü- gung gestellt. Obwohl dies nicht in unsere ureige- Vizepräsidentin Astrid Vockert: ne Zuständigkeit fällt, entziehen wir uns nicht die- Danke schön. - Zu einer Kurzintervention hat sich ser sozialen Verantwortung. Das sollte von Ihnen Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- auch einmal entsprechend gewürdigt werden. nen gemeldet. Sie haben das Wort für anderthalb (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Minuten. Bitte schön!

Auch bei den Laptopklassen gibt es entsprechen- Ina Korter (GRÜNE): de Möglichkeiten, wie sozial schwachen Familien Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr vor Ort geholfen werden kann. Försterling, wie wollen Sie hier eigentlich anders Grundsätzlich gibt es einen entscheidenden Unter- als mit der Gießkanne fördern, wenn Sie Sozialda- schied zwischen der Opposition und den Regie- ten gezielt überhaupt nicht erheben, wie aus der rungsfraktionen. Dieser Unterschied wurde auch Großen Anfrage erkennbar wird? Auf die Hälfte der gestern deutlich, als wir über den Bereich der früh- gestellten Fragen weiß die Landesregierung keine kindlichen Bildung diskutiert haben. Sie wollen Antwort zu geben. Sie aber erzählen uns hier, Sie immer mit der Gießkanne über das Land gehen wollten gezielt fördern. Das geht nur, wenn man und versprechen Wohltaten. Wir sagen hingegen: ganz genau weiß, wo gezielt gefördert werden Wir müssen ganz gezielt fördern. Deswegen war kann. Dafür braucht man eine Datengrundlage. es auch richtig, die Lernmittelfreiheit - eine pau- (Beifall bei den GRÜNEN) schale Förderung nach dem Gießkannenprinzip - abzuschaffen und die Mittel gezielt für andere Vizepräsidentin Astrid Vockert: Maßnahmen wie z. B. die Mittagsverpflegung zu Herr Kollege Försterling möchte antworten. Auch nutzen. er hat anderthalb Minuten Redezeit.

Vizepräsidentin Astrid Vockert: Björn Försterling (FDP): Herr Kollege Försterling, gestatten Sie eine Zwi- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Korter, das ist schenfrage? eine unterschiedliche Herangehensweise. Wir haben gesagt: Wir haben die Eigenverantwortliche Björn Försterling (FDP): Schule, und wir wollen die Eltern eben nicht flä- Nein. - Wir stellen uns dabei also durchaus unserer chendeckend bis ins letzte Detail durch die Schu- sozialen Verantwortung. Früher ist in diesem Be- len zu ihren sozialen Verhältnissen befragen und reich jeder Schüler nach dem Gießkannenprinzip dann statistische Daten erheben. mit 17,19 Euro gefördert worden. Jetzt erfolgt eine Vielleicht sollten Sie, anstatt sich ständig in finni- Förderung der sozial schwachen Schüler mit schen Schulen und Kindergärten aufzuhalten, 32,52 Euro. Genau das ist die richtige Politik. Wir auch einmal niedersächsische Schulen und Kin- müssen dort fördern, wo Bedarf besteht, und dür- dertagesstätten besuchen. Dort werden vor Ort fen nicht einfach mit der Gießkanne über das Land von den Schulleitungen und den Eltern gemeinsam gehen. Lösungen gefunden, wenn es z. B. um Klassen- fahrten geht. Deswegen ist auch der Zuschuss für (Beifall bei der FDP und bei der CDU) die Mittagsverpflegung unbürokratisch und ohne

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eine entsprechende Datenoffenlegung der Eltern meine Biografie kennen. Sie wissen, dass es bei gewährt worden. mir zu Hause nicht immer einfach gewesen ist, entsprechende Mittel aufzubringen. Es geht darum, die Mittel zu den Eltern zu bringen. Das ist viel wichtiger als statistische Erhebungen (Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Ich und Bürokratie, die Sie wollen. Die Menschen rede von meinen Kindern, nicht von müssen gefördert werden. Sie sollten nicht dazu Ihnen!) gezwungen werden, ihre Daten offenzulegen. Es hat trotzdem funktioniert. Das bringt doch deut- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) lich zum Ausdruck, dass die Bildungschancen eben nicht maßgeblich vom Geldbeutel der Eltern Vizepräsidentin Astrid Vockert: abhängen. In unserem niedersächsischen Bil- Herzlichen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE hat dungssystem hat jeder die Chance, seinen Weg zu sich Frau Kollegin Zimmermann zu Wort gemeldet. gehen, und zwar auf verschiedene Art und Weise. Sie haben noch eine Restredezeit von 1:38 Minu- Das ist nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig. ten. Bitte schön! Wir haben in unserer sozialen Verantwortung, die wir als CDU/FDP-Koalition wahrnehmen, dafür Pia-Beate Zimmermann (LINKE): gesorgt, dass es Sicherungssysteme gibt und dass Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr jeder Schüler am Ende sein eigenes Erfolgserleb- Försterling, was Sie manchmal erzählen, finde ich - nis haben kann. Das müssen Sie einfach einmal auch gerade heute - ziemlich erschreckend. Es ist zur Kenntnis nehmen. den Realitäten überhaupt nicht nah. Ich will Ihnen (Beifall bei der FDP und bei der CDU) einmal etwas erzählen: In meinem Haushalt sind sechs Kinder aufgewachsen. Ich war fünf Jahre Vizepräsidentin Astrid Vockert: arbeitslos. Ich wusste manchmal nicht, wie ich den Kindern den Aufenthalt im Gymnasium finanzieren Herzlichen Dank. - Es liegen zwei Wortmeldungen soll. Sie glauben doch wohl wirklich nicht ernsthaft, zu Kurzinterventionen auf die Ausführungen von dass dies an irgendeiner Stelle besser geworden Herrn Kollegen Försterling vor. Zunächst hat Frau ist. Es ist auch durch die Eigenverantwortliche Kollegin Heiligenstadt von der SPD-Fraktion für Schule nicht besser geworden. Es gibt einfach anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön! keine gerechten Bildungschancen in Ihrem Schul- system. Es gibt nur Ungerechtigkeiten. Der Bil- Frauke Heiligenstadt (SPD): dungszugang bzw. die Bildungskarriere der Kinder Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr ist vom Geldbeutel der Eltern abhängig. Das ist die Försterling, ich kann ja nachvollziehen, dass Sie es Wahrheit. Das können Sie auch mit Ihren Worten gerne so hätten, wie Sie es erzählen. Aber sogar nicht vertuschen. die Zahlen in der Antwort der Landesregierung auf (Beifall bei der LINKEN) die Große Anfrage der Linken belegen eindeutig, dass bei einem Anteil von 14 % von Kindern aus Vizepräsidentin Astrid Vockert: Armutsfamilien - so nenne ich sie jetzt einmal - im Die FDP hat noch eine Restredezeit von 2:01 Mi- Kindergarten zum Teil mehr als 45 % der Kinder nuten. Herr Kollege Försterling, Sie haben sich zu aus armen Familien die Hauptschule und die För- Wort gemeldet. Bitte schön! derschule besuchen. Allein diese Zahlenangabe der von Ihnen getragenen Landesregierung belegt Björn Försterling (FDP): eindeutig, dass Sie hier nicht die Wahrheit sagen, wenn Sie sagen, dass der Bildungserfolg in Nie- Frau Präsidentin! Ich möchte hier nur einmal etwas dersachsen nicht vom Geldbeutel der Eltern ab- aus meiner eigenen Biografie heraus feststellen. hängt. Ich hatte den Eindruck, dass das Thema meiner Biografie bei Ihren Ausführungen eben ein biss- (Beifall bei der SPD und bei der LIN- chen mitgeschwungen hat. KEN) (Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Ich kenne Ihre Biografie nicht!) Vizepräsidentin Astrid Vockert: Nun hat Frau Kollegin Reichwaldt für ebenfalls Ihre Ausführungen enthielten aber eine gewisse anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön! Unterstellung. Es gibt Kollegen hier im Haus, die

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Christa Reichwaldt (LINKE): damit feststellen, dass die Besprechung der Gro- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr ßen Anfrage abgeschlossen ist. Kollege Försterling, wie kann man in dieser Art und Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf: Weise die Realität einfach nicht wahrnehmen oder in einer anderen Realität leben? Wir haben keine Bildungsgerechtigkeit. Einzige (abschließende) Beratung: (Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie hat ihr Bewährte Behördenstrukturen erhalten - keine persönliches Beispiel genannt! Das Experimente mit dem NLBV - Antrag der Fraktion mag schlimm genug sein!) der SPD - Drs. 16/1320 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Bildung hängt bei uns vom Geldbeutel ab. Liberale Drs. 16/1523 haben aber auch einmal anders gedacht. Ich zitie- re hier einmal Frau Hamm-Brücher - ich unterstrei- che das, was sie gesagt hat, ganz deutlich, weil der Ideologievorwurf ständig erhoben wird -: Die Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet Ideologie ist ein heftiger Virus in der ganzen Bil- auf Ablehnung. dungspolitik, und zwar schon in der Weimarer Re- Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Ich publik, als die Progressiven, die Liberalen und die eröffne die Beratung. Für die SPD-Fraktion hat Sozialdemokraten eine längere Schulzeit für alle sich Herr Kollege Siebels zu Wort gemeldet. Bitte Kinder und keine Trennung schon nach dem vier- schön! ten Schuljahr wünschten und mehr Förderung für Kinder in ausbildungsfernen Familien verlangten. - Wiard Siebels (SPD): Es gab also auch einmal Liberale, die die Realitä- ten gesehen haben. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 24. Februar gab die Staatskanzlei bekannt, das (Beifall bei der LINKEN - Zustimmung Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Ver- von Ina Korter [GRÜNE]) sorgung mit der OFD Hannover fusionieren zu wollen. Damit beabsichtigt die Landesregierung, Vizepräsidentin Astrid Vockert: eine mit der Gründung des NLBV im Jahre 1998 Danke schön. - Herr Kollege Försterling möchte begonnene Erfolgsstory zu beenden. Seit Beste- antworten. Auch ihm stehen anderthalb Minuten hen des NLBV wurde die Produktivität in der Pro- zur Verfügung. Bitte schön! duktbearbeitung des NLBV um rund 150 % gestei- gert, die Produktkosten wurden um rund 50 % Björn Försterling (FDP): verringert. Die Position des NLBV im Ranking der Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Leistungsfähigkeit vergleichbarer Behörden befin- der Realität, wie sie sich aus der Antwort der Lan- det sich in der Spitzengruppe. Das ist durch den desregierung ergibt: Wenn Sie sich die Zahlen, die Einsatz moderner Technik, aber auch durch die Frau Heiligenstadt gerade angesprochen hat, ein- engagierte Leistung der Mitarbeiterinnen und Mit- mal ganz genau ansehen, dann werden Sie fest- arbeiter erreicht worden. stellen, dass im Vergleich zum sonstigen Bildungs- Im Grußwort des Ministers Möllring zum zehnjähri- system auf eine integrierte Gesamtschule unter- gen Bestehen im vergangenen Jahr heißt es des- durchschnittlich wenige ärmere Schülerinnen und halb folgerichtig - ich zitiere -: Schüler gehen. Angesichts dessen frage ich Sie, durch welches System hier soziale Selektion vor- „Im Bereich des Niedersächsischen genommen wird. Finanzministeriums ist das NLBV eine (Beifall bei der FDP und bei der CDU) der wenigen Behörden, die im Rah- men der Verwaltungsmodernisierung Vizepräsidentin Astrid Vockert: neu gegründet wurden. Es ist sehr er- freulich,“ Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - sagt der Finanzminister -

Sie wissen alle, dass Beschlüsse zur Sache in der „dass es sich hierbei um ein Erfolgs- Besprechung nach § 45 Abs. 5 Satz 3 unserer modell handelt.“ Geschäftsordnung nicht gefasst werden. Ich kann

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Es ist in der Tat ein Erfolgsmodell, in der Fläche Allein aus der Zusammenlegung dieser Quer- solche Verwaltungseinheiten zu schaffen, leis- schnittsbereiche werden Synergien erwartet. Das tungsfähig, wie ich gerade beschrieben habe. Ich ist erstens nur mittelmäßig konkret - ich formuliere meine, dass unser Dank dafür an dieser Stelle es vorsichtig - und zweitens zu hinterfragen; denn dem Finanzminister Heiner Aller und auch seinem mir ist bekannt, dass die Lenkungsgruppe des Vorgänger Hinrich Swieter gilt. Projektes „Zukunft der Finanzverwaltung Nieder- sachsen“ einen Vorschlag zur Zusammenlegung (Beifall bei der SPD) des NLBV mit der OFD Hannover beschlossen Dieses Erfolgsmodell stellen Sie aber durch die hatte. In einer dieser Mitteilungen heißt es in Ab- von Ihnen beabsichtigte Fusion in Frage, meine satz 2: Damen und Herren von der Regierungskoalition. In „Nach dem Vorschlag werden um- einer Nacht- und Nebelaktion - an der Entschei- fangreiche Teile der Querschnittsauf- dungsfindung waren weder Personalräte noch gaben im NLBV mit den Quer- Behördenleiter beteiligt - haben Sie einen Be- schnittsaufgaben der Steuer- und schluss durch das Kabinett gepeitscht und sich Landbauverwaltung in einer Zentral- dabei möglicherweise nicht einmal um die Fakten abteilung, Abteilung 1, der neuen gekümmert. Wie sonst ist es zu erklären, dass der OFD zusammengeführt. Vom NLBV Minister in seiner Unterrichtung im Haushaltsaus- werden insbesondere unsere Service- schuss von völlig falschen Zahlen spricht, sich stelle ADV, die Systemadministrato- uninformiert zeigt, was das NLBV angeht? Der ren und der Innere Dienst wie auch Personalrat des NLBV hat Sie darauf hingewiesen, die ausführenden Aufgaben bei Per- Herr Minister, aber darauf bisher - jedenfalls nach sonal und Organisation verlagert.“ meiner Kenntnis - noch keine Antwort erhalten. Dort haben Sie ausgeführt, dass noch ca. 500 Jetzt kommt es: Stellen einzusparen wären. Tatsächlich ist aber „In der zukünftigen Abteilung 4 - Be- seit dem Jahr 2000 schon eine Einsparung von züge und Versorgung - wird neben über 800 Vollzeiteinheiten erarbeitet worden, Herr den Fachaufgaben allerdings zur Si- Minister. cherung der Steuerungsfähigkeit und Ich zitiere aus dem Brief des Personalrates an Sie: der verbleibenden Budgetverantwor- tung ein Steuerungsdezernat mit den „Ihre Erläuterungen“ Kernaufgaben Personal, Organisati- ons-, Haushaltssteuerung und Cont- - also die des Ministers - rolling verbleiben.“ „haben bei allen Beschäftigten im Uff! Erst rein in die Kartoffeln, dann wieder raus NLBV zu Bestürzung und Unver- aus den Kartoffeln. Oder anders herum: In der ständnis geführt. Vor dem Hinter- neuen Abteilung 1 geben wir der Landesregierung grund, dass die Zielvorgaben des und dem Finanzminister die per Kabinettsbe- Landes unter größten Anstrengungen schluss geforderten Synergien, und in dem Steue- der Mitarbeiter erreicht wurden, ist die rungsdezernat der Abteilung 4 holen wir einen Darstellung unseres Hauses als noch Großteil der den Landesfürsten gewährten Syner- erheblich reformbedürftige Behörde gien wieder ab. nicht akzeptabel.“ (Beifall bei der SPD) In der Tat, das ist auch meine Einschätzung. Was ist nun die Begründung der Landesregierung für Eine der Säulen der Verwaltungsreform ist die diesen Unfug? Sie will Synergien heben, ist die Beseitigung von Doppelarbeit. Genau diese Dop- Begründung. Aha! Wo denn? Auf meine Kleine pelarbeit soll es in den neuen Abteilungen 1 und 4 Anfrage zu diesem Thema gibt die Regierung zur der OFD geben. Ja, wie gewonnen, so zerronnen. Antwort: Das heißt, die Personaleinsparung ist mindestens gleich null. Im ungünstigsten Fall werden die „Von der Zusammenlegung werden NLBV-Aufgaben bei der neuen OFD sogar noch nicht die fachlich tätigen Arbeitsberei- teurer als im jetzigen eigenständigen NLBV. Sie che, sondern die Querschnittsberei- sind wirklich die großen Meister der Verwaltungs- che betroffen sein.“ reform, meine Damen und Herren.

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Was sagt der Landesrechnungshof zu diesen tol- Wilhelm Heidemann (CDU): len Gedanken der Landesregierung? Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und „Die von der Landesregierung ange- Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Dem An- strebte Neuorganisation sieht vor, trag der SPD-Fraktion zur Organisation der Fi- dass für die Leitung der Steuerverwal- nanzverwaltung werden wir nicht folgen, tung künftig zwei Hauptabteilungen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) mit insgesamt fünf Abteilungen zu- ständig sind, die zudem bei den da er weder zielführend ist noch den Anforderun- Querschnittsaufgaben auch Personal- gen einer modernen, leistungsfähigen Finanzver- sachen, Organisations- und allgemei- waltung entspricht. Ihre Ausführungen, lieber Herr ne Rechtsangelegenheiten sowie die Siebels - das muss ich leider sagen -, waren so Informationstechnik der Bauverwal- aneinandergereiht, dass ich auch zu einer Karten- tung und des in die OFD einzuglie- legerin gehen könnte, um mir die Zukunft voraus- dernden NLBV betreuen soll.“ sagen zu lassen. Sie haben das mit nichts unterle- gen können. Das sind alles Vermutungen. Jetzt kommt es: (Wiard Siebels [SPD]: Landesrech- „Eine derartige Organisationsstruktur nungshof!) lässt wegen des heterogenen Aufga- benbestandes und des abteilungs- - Dazu werde ich gleich noch etwas sagen. übergreifenden Abstimmungsbedarfs erhebliche Reibungsverluste befürch- Meine Damen und Herren, das Projekt der Landes- ten. Sie würde zudem die bisherige regierung unter dem Titel „Zukunft der Finanzver- Hierarchielastigkeit der OFD mit vier waltung in Niedersachsen“ wird von der CDU-Frak- Führungsebenen fortschreiben.“ tion grundsätzlich als sinnvoll und nachvollziehbar angesehen und daher auch positiv und konstruktiv Mit anderen Worten - das sagt der Landesrech- begleitet. Wir haben es aktuell mit der Teilaufgabe nungshof ganz konkret -: Was Sie da machen, ist der Zusammenführung des NLBV und der OFD nachgewiesenermaßen Unfug Hannover zu der neuen OFD Hannover zu tun.

(Heinz Rolfes [CDU]: Nein, nein!) Am 24. Februar 2009, meine Damen und Herren, hat die Landesregierung beschlossen, das Nieder- und von Ihnen bisher durch nichts begründet wor- sächsische Landesamt für Bezüge und Versor- den. Das wird auch nicht dadurch besser, dass Sie gung sowie den Liegenschaftsfonds Niedersach- schlichtweg leugnen, dass der Landesrechnungs- sen in die Oberfinanzdirektion Hannover zu integ- hof sich zu dieser Thematik überhaupt geäußert rieren. Die Aufgabenstellung war der Entwurf einer hätte. groben Aufbaustruktur, die die Integration von NLBV und LFN ermöglicht und darüber hinaus die (Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- Querschnittsbereiche Organisation, Haushalt, Per- NEN und bei der LINKEN) sonal sowie Informations- und Kommunikations- Stattdessen sollten Sie lieber Ihre OFD genauer technik in einem Zentralbereich zusammenfasst. unter die Lupe nehmen, das NLBV in seinem Be- Meine Damen und Herren, das Ganze soll mit stand sichern und unserem Antrag zustimmen. - Wirkung vom 1. Januar 2010 umgesetzt werden. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Das wäre dann auch der Termin der Auflösung des (Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NLBV. Durch diese Neuorganisation soll ein leis- NEN und bei der LINKEN - Zurufe von tungsstarker serviceorientierter zentraler Dienst- der CDU: So schnell wird aus dem leister der Finanzverwaltung für Niedersachsen ge- Juso-Vorsitzenden ein Buchhalter!) schaffen werden. Für mich ist einleuchtend, dass durch die Schaffung einer modernen Organisation mit kurzen Wegen und die Bündelung von Aufga- Vizepräsidentin Astrid Vockert: ben Synergieeffekte gehoben werden. Herzlichen Dank, Herr Siebels. Für die CDU-Frak- tion Herr Kollege Heidemann. Bitte schön! (Renate Geuter [SPD]: Kurze Wege?)

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Durch schlanke Geschäftsprozesse werden dar- stützt. Folgerichtig, meine Damen und Herren von über hinaus die Dienstleistungsqualität erhöht der SPD, werden wir Ihren Antrag ablehnen. und - was besonders wichtig ist - die beruflichen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Entwicklungsperspektiven für jeden einzelnen Be- schäftigten erheblich verbessert. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Liebe Frau Geuter, kurze Wege werden heute Danke schön, Herr Kollege Heidemann. - Für die nicht mehr mit dem Fahrrad oder zu Fuß oder per Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Pferd zurückgelegt, sondern wir leben in einer Herr Kollege Klein. Bitte schön! Welt, die mit elektronischen Mitteln sehr schnell zueinander finden kann. Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): (Zustimmung bei der CDU) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der SPD-Antrag ist eigentlich sehr viel mehr ein OFD- Meine Damen und Herren, wie aus dem Organisa- Antrag als ein NLBV-Antrag. Wenn es in Sachen tionsplan zu ersehen ist, sind alle Abteilungen in OFD im Moment eine Kompetenz gibt, dann ist der OFD gleichrangig. Jede Abteilung hat auch dies der Landesrechnungshof, der hier intensiv den erforderlichen Gestaltungsspielraum für eine untersucht hat. Er hat festgestellt: Ein Viertel der selbst gesteuerte kontinuierliche Weiterentwick- Aufgaben könnte entfallen, ein weiteres Drittel lung. gehört in die Finanzämter. Statt bisher 292 Voll- Die regionale Gliederung wird beibehalten. Die zeiteinheiten wären nur noch 115 erforderlich. Standorte Aurich, Braunschweig, Hannover und Außerdem verfügt die OFD mit vier Führungsebe- Lüneburg sind also auch weiterhin belegt. Insbe- nen über ein geradezu archaisches Hierarchiesys- sondere der Standort Aurich - das wird alle Freun- tem. dinnen und Freunde aus Ostfriesland interessie- Die Regierungsfraktionen sagen jetzt: Alles falsch. ren - wird von der Neuorganisation profitieren, da Die OFD ist ja doch ein wichtiger Dienstleister für hier die Bearbeitung der Beihilfeanträge konzent- die Finanzämter bei schwierigen Einzelfällen. riert werden wird. (Wilhelm Heidemann [CDU]: Sehr (Wiard Siebels [SPD]: Das war doch richtig!) auch schon vorher der Fall!) Meine Damen und Herren, 40 000 schwierige Ein- - Nein, das war vorher nicht der Fall. Die Aufgabe zelfälle? 40 000 Anrufe jedes Jahr? - Das ist doch wird jetzt überführt, und dadurch wird dieser hohnepiepen! Standort sukzessive gestärkt und aufgebaut. (Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU]) Der ganze Prozess der Neu- und Selbstorganisati- on der OFD wird vom Finanzministerium begleitet Die OFD, Herr Hilbers, ist für die Finanzämter vor und soll Ende 2012 evaluiert werden. allem die „11 88 0“. Das kennen Sie: Da werden Sie geholfen. - Eine schnelle und bequeme, aber Meine Damen und Herren, in diesem Zusammen- eben auch sehr teure Möglichkeit, Auskünfte zu hang will ich auch auf die Prüfungsfeststellungen bekommen, die man mit ein bisschen Nachdenken des Landesrechnungshofs eingehen. Der LRH hat und ein bisschen Nachschauen auch selbst ermit- sich mit Teilbereichen der OFD beschäftigt, näm- teln könnte. Genau das hat der Landesrechnungs- lich mit den Steuerabteilungen Hannover und Ol- hof auch festgestellt. Außerdem müssen Sie be- denburg ohne das Finanzrechenzentrum. Insbe- denken, dass sich selbst erarbeitetes Wissen sehr sondere hat er zur Serviceorientierung der OFD viel besser einprägt als immer wieder wiederholte einige kritische Anmerkungen gemacht. Diese Anrufe. kann man nun teilen oder nicht. Sollten einzelne Hinweise richtig sein, so werden sie bei der Um- Das Konzept des Landesrechnungshofs macht setzung der Neuorganisation sicherlich auch ent- Sinn, entschlackte Leitungsfunktionen in einer sprechend berücksichtigt. schlanken Landesfinanzdirektion zusammenzufas- sen, das operative Geschäft zu den Finanzämtern Allerdings, meine Damen und Herren: Die Grund- zu geben, wo es hingehört, und daneben eine richtung der Landesregierung zur Zukunft der Fi- Neustrukturierung der Bau- und Liegenschaftsver- nanzverwaltung in Niedersachsen ist richtig. Des- waltung vorzunehmen. Da liegen Effektivitätsver- halb wird sie von der CDU-Fraktion auch unter- besserungen und Synergien deutlich auf der Hand.

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Und wie beurteilt dies der zuständige Unteraus- Aber was soll daran denn vernünftig sein, Herr schuss „Prüfung der Haushaltsrechnungen“? - Der Kollege Heidemann, einen Neubau wieder umzu- Unterausschuss, der sonst erwartet, fordert oder bauen, während man ein altes Gemäuer einfach Berichtspflichten setzt, der nimmt in diesem Fall stehen lässt und damit den größten Handlungsbe- nur zur Kenntnis. Wir alle wissen doch, was „zur darf in der Landesverwaltung ignoriert? Kenntnis nehmen“ übersetzt heißt. Das heißt: Lie- (Wilhelm Heidemann [CDU]: Das ha- be Landesregierung, der Landesrechnungshof be ich doch haargenau erklärt!) mag ja recht haben. Er ist dir da ein bisschen auf die Schlichte gekommen. Aber du wirst schon wis- - Das war nun wirklich flach. Absolut flach, Herr sen, was du tust. Mach’ ruhig so weiter wie bisher. Kollege. - Das, Herr Hilbers, hat mit parlamentarischer Kon- trolle nichts mehr zu tun, sondern das ist blinder (Wilhelm Heidemann [CDU]: Was?) Kadavergehorsam. Der niedersächsische Steuerzahler wird für diesen (Beifall bei den GRÜNEN - Reinhold Unsinn jedenfalls Versäumnisgebühren in Millio- Hilbers [CDU]: Sie müssen den gan- nenhöhe zahlen müssen. Das können und werden zen Beschluss zitieren und nicht nur wir nicht akzeptieren. die Hälfte! Das ist unseriös!) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Die Landesregierung will offensichtlich auch wei- SPD) termachen wie bisher. Es stört in der Regierung offenbar niemanden, dass ausgerechnet der Fi- Vizepräsidentin Astrid Vockert: nanzminister auf seinem dreigliedrigen Verwal- Danke schön, Herr Klein. - Für die FDP-Fraktion tungsaufbau besteht, während er im Laufe der spricht jetzt Herr Kollege Grascha. Bitte schön! bisherigen Verwaltungsreform immer das Hohelied der Zweigliedrigkeit gesungen hat. Die OFD ist Christian Grascha (FDP): offensichtlich sakrosankt. Warum, ist das Geheim- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- nis der Landesregierung. ten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion und die Aber nicht nur das: Zu dieser Verwaltungsruine FDP-Fraktion werden in Niedersachsen weiterhin OFD soll jetzt auch noch eine erfolgreich reformier- daran arbeiten, die Verwaltungsstrukturen effizient, te Spezialbehörde gepackt werden, offensichtlich, leistungsstark, qualitätsvoll und kostengünstig aus- um damit diese baufälligen Mauern abzustützen. zurichten. Nur, selbst das dürfte scheitern, meine Damen und (Zustimmung bei der FDP und bei der Herren; denn die immer wieder behaupteten Syn- CDU) ergieeffekte - der Kollege Siebels hatte einiges dazu gesagt; ich muss es jetzt in der Kurzform Die Angliederung des Niedersächsischen Lan- machen - sind selbst mit der Lupe nicht zu finden. desamtes für Bezüge und Versorgung an die Oberfinanzdirektion Hannover ist eine gute Mög- (Beifall bei den GRÜNEN, bei der lichkeit, diesem Ziel weiter näher zu kommen. Die SPD und bei der LINKEN - Wilhelm Landesregierung hat diesen Beschluss gefasst, Heidemann [CDU]: Nicht so destruk- um z. B. Querschnittsaufgaben wie etwa Organisa- tiv!) tion, Haushalt und Personal wahrzunehmen und in Auch wenn die Daten zwischen Behörde und Mi- diesem Bereich gemeinsam zentral zu organisie- nister ein wenig strittig sind, so kennen wir sie ren. doch alle. Die Zielvereinbarungen I und II sind Der Finanzminister und Mitarbeiter des Finanzmi- nahezu erfüllt, der Stellenbedarf ist mehr als hal- nisteriums haben dazu im Haushaltsausschuss biert, die Produktivität ist deutlich gesteigert, die ausführlich Stellung genommen, die Ziele definiert Produktkosten sind mehr als 50 % verringert wor- und mitgeteilt, wie das Verfahren bis zum 1. Ja- den. Wir würden nicht so weit gehen wie die SPD nuar 2010 sein wird. Dabei haben sie ausdrücklich in ihrem Antrag und quasi eine Ewigkeitsgarantie darauf hingewiesen, dass die Beibehaltung der für alle Standorte und das Beschäftigungsvolumen regionalen Gliederung auch in der neuen Organi- abgeben. sationsstruktur weiterhin vorgesehen ist. (Wilhelm Heidemann [CDU]: Das ist schon mal ein Vorteil!) Vonseiten meiner Fraktion möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal die Bedenken des Lan-

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desrechnungshofes erwähnen und darauf hinwei- Jetzt wird der arme Herr Heidemann ins Feld ge- sen, dass wir diese Bedenken durchaus ernst schickt, und auch er wird gefragt, wie denn das nehmen. Wir haben die Landesregierung ja aufge- konkret mit den Synergieeffekten sei. Da kommt fordert, bis zum 30. September 2009 zu den im aber nichts! Gar nichts! Überhaupt nichts Konkre- Bericht des Landesrechnungshofes aufgeworfenen tes! Und da, Herr Hilbers und Herr Heidemann, Fragen Stellung zu beziehen. wäre es vielleicht nützlich, sich doch einmal auf den konservativen Satz zu berufen, dass man erst Wir werden weiter daran arbeiten, diese Chancen dann etwas verändert, wenn man weiß, warum. der Synergieeffekte, die übrigens nicht nur auf das Sie tun das leider nicht. Finanzielle bezogen sind, sondern natürlich auch auf die Qualität der Arbeit, zu nutzen. Wir werden (Wilhelm Heidemann [CDU]: Sie ha- weiter daran arbeiten. Eine Evaluierung im Jah- ben uns nicht richtig zugehört, Herr re 2012 ist sehr sinnvoll und hilfreich, um dann Dr. Sohn!) festzustellen, ob die gewünschten Ziele erreicht worden sind. Schönen Dank. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Vizepräsidentin Astrid Vockert: Vizepräsidentin Astrid Vockert: Ganz herzlichen Dank. - Liebe Kolleginnen und Ganz herzlichen Dank, Herr Grascha. - Nun spricht Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht für die Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Sohn. Bitte vor. Ich schließe damit die Beratung. schön! Wir kommen zur Abstimmung.

Dr. Manfred Sohn (LINKE): Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der unterstützen den Antrag der SPD. Das ist schon SPD in der Drs. 16/1320 ablehnen möchte, den eine bemerkenswerte Diskussion, die da stattfin- bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gibt es Ge- det. Da wird das NLBV in die OFD integriert, wofür genstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich stelle es eine Kernbegründung gibt, die sich hinter dem fest, dass der Beschlussempfehlung des Aus- Wort „Synergie“ verbirgt. Dann fordert die SPD schusses gefolgt worden ist. völlig zu Recht: Nun konkretisiert doch einmal, wie Ich rufe nun gemeinsam die Tagesordnungs- diese Synergie aussieht. - Da kommt aber nichts. punkte 34 und 35 auf: Dann fragt der Landesrechnungshof nach: Ja, Synergie ist ja ein schönes Wort, aber sagt doch einmal konkret, was das heißt. - Da kommt auch Zweite Beratung: nichts. Für eine echte Reform des Waffenrechtes! Dann diskutieren wir im Ausschuss. Da wird der Handfeuerwaffen verbieten - getrennte Lage- arme Herr Hilbers nach vorne geschickt. Er wird rung einführen - Antrag der Fraktion Bündnis auch wieder aufgefordert: Sagen Sie das doch 90/Die Grünen - Drs. 16/1334 - Beschlussempfeh- einmal konkret! - Dann bringt Herr Hilbers - ich darf lung des Ausschusses für Inneres, Sport und In- hier nicht zitieren, aber er wird das sicherlich be- tegration - Drs. 16/1478 stätigen - in der Ausschussdiskussion zwei Argu- mente: Erstens gebe es Synergien. Er wiederholt Erste Beratung: den Begriff dann einige Male. Das MF habe im- Ausgemusterte Dienstwaffen nicht in Umlauf merhin einen Fachconsulter hinzugezogen und bringen, sondern vernichten - Antrag der Frakti- sich von ihm beraten lassen. Der müsse das wis- on der SPD - Drs. 16/1503 sen, also sei das auch so. Das zweite Kernargu- ment war, man könne doch nicht einfach alles so lassen, wie es sei. Das waren die beiden Kernar- Die Beschlussempfehlung zum Antrag der Fraktion gumente. Mehr kam nicht. Bündnis 90/Die Grünen unter Tagesordnungs- (Widerspruch von Wilhelm Heide- punkt 34 lautet auf Ablehnung. mann [CDU]) Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

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Zur Einbringung des Antrags unter Tagesord- die schrecklichen Amokläufe, die wir zu beklagen nungspunktes 35 erteile ich für die Fraktion der hatten, jetzt handeln muss und jetzt die Konse- SPD Frau Kollegin Modder das Wort. Bitte schön! quenzen ziehen muss, wenn wir die Glaubwürdig- keit in diesem wirklich wichtigen Thema nicht ver- Johanne Modder (SPD): spielen wollen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und (Beifall bei der SPD) Herren! Zu dem Antrag der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen werde ich mich nur ganz kurz Meine Damen und Herren, noch einmal zur Erinne- äußern. Das Waffenrecht ist bekanntlich Bundes- rung: Mitte Juni dieses Jahres berichtete der NDR, recht. Die Große Koalition hat sich, wie Sie wissen, dass das niedersächsische Innenministerium auf einen Kompromiss verständigt, sodass das 19 000 ausgemusterte Dienstwaffen der Marke Waffenrecht zum Juli dieses Jahres erneut ver- Heckler & Koch, die P7, zum Verkauf vorgesehen schärft worden ist. Mein Kollege Karl-Heinz Haus- hatte. Im Laufe der Berichterstattung wurde weiter mann hat Ihnen Ihren Antrag im zuständigen In- bekannt, dass von diesen Waffen in den Jah- nenausschuss wunderbar auseinandergepflückt ren 2007 und 2008 bereits 13 000 Stück verkauft und Ihnen, wie ich finde, sehr sachlich unsere Ab- worden waren - für die Landeskasse immerhin eine lehnungsgründe erläutert. Einnahme von 2,8 Millionen Euro. (Zustimmung bei der SPD und bei der Wir alle haben hoffentlich noch sehr gut die Dis- CDU) kussionen, auch hier im Landtag, nach dem schrecklichen Amoklauf von Winnenden am 11. Deshalb möchte ich das hier nicht wiederholen März dieses Jahres in Erinnerung. Der Ruf nach müssen; vielleicht nur so viel: Wir lehnen Ihren Konsequenzen und die Verschärfung des Waffen- Antrag ab, weil er aus unserer Sicht wieder einmal rechtes waren schnell gemacht. Besondere öffent- weit über das Ziel hinausschießt. liche Aufmerksamkeit fand neben der Verschär- (Zuruf von den GRÜNEN: Hinaus- fung des Waffenrechts die Frage nach der Redu- schießt!) zierung der Anzahl von Waffen im privaten Besitz. So haben viele Landkreise und kreisfreie Städte in Sie laufen wieder einmal Gefahr, das Kind mit dem ihrer Funktion als Waffenbehörden mit Ihrer Unter- Bade auszuschütten. Das, meine Damen und Her- stützung, Herr Innenminister, die Bürgerinnen und ren, ist mit meiner Fraktion nicht zu machen. Bürger ermuntert und aufgefordert, ihre Waffen (Beifall bei der SPD) doch freiwillig abzugeben. In einer Pressemittei- lung des Innenministeriums vom 17. April 2009 Ich will mich heute auf unseren Entschließungsan- heißt es dazu - Zitat -: trag konzentrieren. „Im Interesse der Sicherheit ist so ein (Unruhe) Verhalten zu unterstützten.“ Am 3. Juli sagte der Innenminister in der NWZ - Vizepräsidentin Astrid Vockert: wiederum Zitat -: Ich würde mich auch gerne konzentrieren, und zwar auf Ihren Wortbeitrag. - Ganz herzlichen „Dies wollen wir unterstützen, und die Dank, dass es so schnell still geworden ist. - Frau ersten Zahlen zeigen, dass unsere Modder! Maßnahme zur freiwilligen Abgabe von Waffen sehr gut angelaufen ist.“ Johanne Modder (SPD): Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich will mich heute frage ich wirklich ernsthaft die Landesregierung auf unseren Entschließungsantrag konzentrieren und insbesondere Sie, Herr Innenminister: Wie und auf das, was hier in Niedersachsen passiert. passt das mit den Waffenverkäufen des Landes Herr Schünemann, meine Damen und Herren ins- Niedersachsen, an denen Sie bekanntlich weiter besondere von CDU und FDP, ich will gleich zu festhalten wollen, zusammen? Auf diesen Wider- Beginn klarstellen - weil ich vermute, dass Sie sich spruch von der Presse angesprochen, lassen Sie gleich wieder dahinter verstecken wollen -, dass es durch Ihren Pressesprecher verlauten, dass mora- mir in dieser Debatte wirklich nicht um die bisheri- lische Aspekte vor dem Verkauf der Pistolen über- ge Verkaufspraxis geht, sondern darum, dass das haupt nicht diskutiert worden seien. Ein unglaubli- Land Niedersachsen aufgrund der Diskussion über cher Vorgang und eine unbeschreibliche Ge-

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schmacklosigkeit vor dem Hintergrund der Amok- zur Erfüllung der Aufgaben des Landes in abseh- läufe! barer Zeit nicht benötigt werden. (Beifall bei der SPD) (Jörg Bode [FDP]: Richtig!)

Herr Minister Schünemann, rein rechtlich ist Ihnen - Es geht um „dürfen“, Herr Bode, nicht um „müs- sicherlich nichts vorzuwerfen. Was meine Fraktion sen“. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied. und ich Ihnen allerdings vorwerfen, ist diese un- (Jörg Bode [FDP]: Aber wegen der glaubliche Doppelmoral, die hier ans Tageslicht Haushaltslage müssen wir alles, was kommt. Auf der einen Seite steht Ihre tiefe Betrof- wir nicht brauchen, verkaufen!) fenheit über die Amokläufe und Ihre allerdings gespielte Entschlossenheit, alles für die Sicherheit Dort steht eben nicht, dass Sie die Waffen verkau- der Menschen in unserem Land zu unternehmen. fen müssen, sondern es liegt im Ermessen des Auf der anderen Seite haben Sie keine Skrupel, an Ministers, ob verkauft werden soll. Sie, Herr Schü- der bisherigen Verkaufspraxis der Dienstpistolen nemann, haben sich eindeutig für die Einnahmen festzuhalten. und gegen die Sicherheit und damit gegen die Interessen dieses Landes ausgesprochen. Spätestens nach dem Amoklauf von Erfurt, aber allerspätestens nach Winnenden wäre es doch (Beifall bei der SPD) eine Selbstverständlichkeit gewesen, sich vor die Ihre Amtskollegen in Hamburg, Schleswig-Hol- Öffentlichkeit hinzustellen und als zuständiger und stein, Baden-Württemberg, Thüringen und Bremen verantwortlicher Minister zu verkünden, die Praxis sowie auch der Bundesinnenminister handeln da sofort einzustellen. Sie hätten eine gute PR ge- ganz anders und setzen die Sicherheit an die erste habt, und wir hätten keine Anträge stellen müssen. Stelle. Dort werden die ausgemusterten Dienstwaf- (Beifall bei der SPD) fen schlicht und ergreifend eingeschmolzen. Inte- ressant ist in diesem Zusammenhang, dass sich Aber nein, Herr Minister, Sie mussten ja verlautba- alle Bundesländer bei ihren Haushaltsordnungen ren lassen, dass Sie ungeachtet der schrecklichen an der Bundeshaushaltsordnung orientieren und Vorkommnisse und auch ungeachtet der Debatte einzelne Vorschriften fast wortgleich sind. Das gilt an dieser Praxis festhalten wollen. Ich finde das auch für § 63, Herr Schünemann, um den es hier mehr als geschmacklos. Damit aber nicht genug: geht. Wenn Sie also mit dem niedersächsischen Eine unglaubliche Frechheit ist es, - - - Haushaltsrecht argumentieren, täuschen Sie die Öffentlichkeit. (Hans-Christian Biallas [CDU]: Nun hör doch einmal auf! Das ist ja nicht Meine Damen und Herren, weil Innenminister mehr erträglich! Jeder Satz ist ge- Schünemann nicht von der bisherigen Verkaufs- spickt mit Beleidigungen!) praxis Abstand nehmen will, bedarf es dazu offen- bar einer eindeutigen Aufforderung durch diesen - Dass die Woche für euch ein bisschen schwer ist, Landtag. kann ich auch nicht ändern. Es ist nun einmal so. (Jörg Bode [FDP]: Nein! - Hans- (Beifall bei der SPD - Zustimmung bei Christian Biallas [CDU]: Das ist gar der LINKEN) nicht Aufgabe des Landtages!) Es ist eine unglaubliche Frechheit, dass Sie das § 63 Abs. 2 Satz 1 regelt: „Vermögensgegenstän- Festhalten an dieser Praxis mit dem Haushalts- de dürfen nur mit Einwilligung des Landtages ver- recht rechtfertigen und der Öffentlichkeit suggerie- äußert werden.“ ren, Sie hätten überhaupt keine andere Wahl ge- habt. Das, Herr Minister, ist nachweislich nicht (Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist richtig. Damit haben Sie der Öffentlichkeit nicht die aber nicht vorgesehen!) Wahrheit gesagt. Satz 3 regelt ganz praxisnah, dass die bei Verkäu- fen erforderliche Einwilligung allgemein als erteilt (Beifall bei der SPD - Björn Thümler gilt, sofern nicht Vermögensgegenstände erhebli- [CDU]: Was?) chen Wert haben und - jetzt kommt es - von be- Hier die Fakten: Nach der Niedersächsischen Lan- sonderer Bedeutung sind. Für meine Fraktion stel- deshaushaltsordnung - § 63 Abs. 3 - dürfen Ver- le ich fest, dass vor dem Hintergrund der Amokläu- mögensgegenstände veräußert werden, wenn sie fe und der hier im Landtag diskutierten Konse-

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quenzen die Waffenverkäufe des Landes von be- Dienstwaffen und für mehr Sicherheit im Sinne der sonderer Bedeutung sind. Menschen in unserem Land, Mit unserem Entschließungsantrag machen wir (Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist von dem Haushaltsvorbehalt Gebrauch und wollen kein bisschen mehr Sicherheit, nur damit den Verkauf der Dienstwaffen zukünftig un- weniger Geld!) terbinden. Wir wollen, dass die ausgemusterten vor allem im Sinne der Opfer und ihrer Familien, Dienstwaffen wie in vielen anderen Bundesländern Herr Biallas. vernichtet werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere deshalb an Sie alle persönlich, mit dafür Sorge zu Vizepräsidentin Astrid Vockert: tragen, dass die Waffenverkäufe des Landes Nie- dersachsen sofort eingestellt werden. Lassen Sie Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr uns als Parlament ein Zeichen setzen, indem wir Kollege Briese das Wort. von dem uns zugewiesenen Haushaltsvorbehalt Gebrauch machen. Ralf Briese (GRÜNE): Besten Dank, Frau Präsidentin! - Frau Modder, wer Für meine Fraktion und für mich ist es auch völlig hier in dieser Debatte die größere Doppelmoral unerheblich, ob die Waffen in Deutschland oder im hat - die SPD oder der Innenminister -, ist für mich Ausland auf den Markt kommen. Ein Verbrechen - noch nicht ganz entschieden. Das will ich Ihnen egal, wo auf dieser Welt - mit einer Dienstpistole ganz deutlich sagen. aus Niedersachsen wäre eine absolute Katastro- phe und mit nichts, aber auch gar nichts zu erklä- (Beifall bei den GRÜNEN) ren. Ich bleibe mit aller Überzeugung dabei: Die küm- (Beifall bei der SPD und bei der LIN- merliche Reform des Waffenrechts auf Bundes- KEN) ebene war mutlos, ängstlich und vor allen Dingen wieder eine große Verbeugung vor den Waffenin- Dass aber auch die nach Amerika verkauften Waf- teressen in diesem Land. fen - zu Amerika gäbe es in Bezug auf Waffenver- kauf noch einiges zu sagen - jederzeit den Weg (Beifall bei den GRÜNEN) zurück zu uns nach Deutschland finden können, Die Große Koalition hat eigentlich das gemacht, beweist ein Fall aus Hamburg. Im August 2008 was sie in den letzten vier Jahren immer gemacht wurde bei einer Hausdurchsuchung in Hamburg hat, mehr zum Schaden des Bundes und auch der eine ausgemusterte und offiziell verkaufte Dienst- Menschen: Sie hat den klitzekleinsten Nenner pistole aus Nordrhein-Westfalen bei einem Krimi- gesucht. Ein Reförmchen hat das Licht der Welt nellen sichergestellt. Es ging dabei um eine schwe- erblickt. re Straftat. Eigentlich glaubte man, diese Pistole sei in Amerika. Sagt das eigentlich nur Briese in dieser Debatte? Wenn es nur Briese sagen würde, könnte er ja Meine Damen und Herren, wenn wir es mit unse- vielleicht falsch liegen. Aber Sie finden die öffentli- ren Debatten über die Konsequenzen aus den che Meinung dazu unisono in allen Zeitungen. Von Amokläufen wirklich ernst meinen, dann muss der BILD-Zeitung bis zur Süddeutschen Zeitung Schluss sein mit den Waffenverkäufen des Lan- des. (Zurufe von der CDU) (Glocke der Präsidentin) - jetzt hören Sie einmal zu! - sagen alle: Da wurde eine klitzekleine Scheinreform beschlossen, die an Wenn der zuständige Minister weiter bei seiner den faktischen Problemen durch den hohen Waf- Doppelmoral bleiben will, dann haben wir als Par- fenbestand in der Bundesrepublik Deutschland lamentarier die Pflicht, die uns zur Verfügung ste- erst einmal gar nichts ändert. henden Möglichkeiten zu nutzen und unseren Wil- len hier gegenüber der Landesregierung deutlich (Zustimmung bei den GRÜNEN) zu machen. Deshalb bitte ich Sie ganz inständig: Wenn Sie als hiesiger Innenminister schon nicht Stimmen Sie mit uns gegen den Verkauf der auf die Zeitungen in diesem Land hören, sollten Sie wenigstens auf Ihre eigene Fachgewerkschaft

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hören, Herr Schünemann, den Bund Deutscher Stattdessen gibt es besonders von Ihnen in dieser Kriminalbeamter - das habe ich in der ersten Le- Debatte immer billige Ablenkungsmanöver. Sie sung auch gesagt -, der sich entschieden gegen schimpfen auf die allgemein schlechten und verlu- Kapitalverbrechen einsetzt. Diese Gewerkschaft derten Computerspiele. Von mir aus können Sie sagt klipp und klar: Wir wollen eine substanzielle, das tun, aber lassen Sie die große Scheindebatte. echte Änderung des Waffenrechtes, weil wir Man kann Menschen auch veralbern, wenn man schlicht und ergreifend einen zu hohen legalen sagt, Computerwaffen seien das große Problem. Waffenbestand in diesem Land haben. - Also hö- Ich sage Ihnen eines: Menschen werden immer ren Sie auf die Fachleute, hören Sie auf den Bund noch mit echten Waffen und nicht mit Computer- der Deutschen Kriminalbeamten. Die Grünen sind waffen erschossen. jedenfalls ganz an dessen Seite und nicht an Ihrer. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der (Beifall bei den GRÜNEN) LINKEN) Kommen wir zur Empirie. Gerade saß auch der „Opferschutz“ - Herr Möllring, Sie nicken so fra- Wissenschaftsminister noch hier, der gerne betont, gend - ist ein großer Bestandteil des Koalitionsver- er habe Max-Planck-Institute ins Land geholt. Das trages: „Wir werden den Opferschutz in diesem Max-Planck-Institut hat zu dem Phänomen „Waf- Land stärken.“ Ich kann Ihnen nur sagen: Die Op- fengesetzgebung und Sicherheit in einem Land“ ferverbände sind zutiefst enttäuscht von Ihnen. - geforscht. Es gibt einen klaren wissenschaftlich- Sie können ja einmal mit den Hinterbliebenen und empirischen Zusammenhang zwischen der Sicher- den Opfern von Winnenden sprechen und fragen, heit eines Landes und einer restriktiven Waffenge- welche politischen Forderungen sie aufgestellt setzgebung. Daran ist nicht zu deuteln. Je schärfer haben. Die wollen eine deutliche Reduzierung des das Waffengesetz, umso höher die Sicherheit, und hohen Waffenbestandes. Deswegen sollte die wenn Sie die Sicherheit nicht erhöhen wollen, CDU das Wort „Opferschutz“ schlicht und ergrei- dann sind Sie kein Innenminister. Sie fördern die fend nicht mehr in den Mund nehmen. Sicherheit nicht, wenn Sie das entsprechende (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Gesetz nicht ändern. LINKEN) (Beifall bei den GRÜNEN) Jetzt komme ich zu meiner sehr großen Enttäu- Ich kann nach der Debatte, die wir über den Waf- schung zur SPD. Was Sie hier vorgebracht haben, fenbestand in der Bundesrepublik Deutschland Frau Modder, sind Scheinargumente. Es ist schon oder auch in Niedersachsen geführt haben, nur eine gewisse Bigotterie, wenn Sie den Innenminis- feststellen: Sie wollen keine echte Reduzierung ter hier angreifen und sagen, Waffenhandel durch des hohen Waffenbestandes in diesem Land. das Land sei ein großes Problem, sich aber sonst Stattdessen - das hat die Kollegin Modder ange- auch vor der Waffenlobby und vor den Vereinsinte- sprochen - handeln Sie selber mit ausgemusterten ressen verbeugen. Was Sie in dieser Debatte an Knarren. Das ist dann wirklich der Gipfel der Ge- den Tag gelegt haben, ist wirklich nicht glaubwür- schmacklosigkeit und der Heuchelei. Ein Innenmi- dig. nister sollte schlicht und ergreifend kein Waffen- (Beifall bei den GRÜNEN) händler sein. So einfach ist das. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Sie sind genauso dafür verantwortlich, dass das LINKEN) Bundeswaffengesetz nicht deutlich restriktiver ausgestaltet worden ist. Deswegen ist der ganze Neben der Landeshaushaltsordnung gibt es ja Angriff auf Herrn Schünemann zumindest sehr auch noch so etwas wie Anstand und Moral. Herr ambivalent zu bewerten. Minister, Sie haben in dieser Debatte eines schlicht und ergreifend nicht verstanden, nämlich den gro- Natürlich ist das Waffengesetz nicht die einzige ßen Unterschied zwischen Legalität und Ethik. Lösung, um beispielsweise Amokläufe einzudäm- Man kann sich natürlich auf das Recht beziehen, men. Das ist mir schon klar. aber die Moral dann nicht verstehen. (Glocke der Präsidentin) (Zustimmung bei den GRÜNEN - Ur- Wir brauchen auch so etwas wie einen Kulturwan- sula Helmhold [GRÜNE]: Was Recht del, wir brauchen mehr Wertschätzung, wir brau- ist, ist nicht richtig, jedenfalls nicht in chen mehr Anerkennung. Wir brauchen sicher jedem Fall!) auch einen anderen Blick auf unsere Schulen.

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Sozialarbeiter sind mindestens genauso wichtig können. Vor Verstößen gegen Gesetze ist man nie wie Polizisten. Da müssen wir stärker hingucken. gefeit. Die Einrichtung von Waffenlagern, z. B. in Aber wir brauchen auch eine andere Waffenge- Schützenhäusern, kann aufgrund der Einbruchsge- setzgebung; da beißt die Maus keinen Faden ab. fahr nicht zu mehr Sicherheit führen. Das Verbot von großkalibrigen Waffen kann so nicht umge- Ich will abschließend sagen: Ich kann mich setzt werden. In weiten Bereichen wäre der manchmal nur wundern, wenn wir eine Batterie an Schießsport nicht mehr möglich. Die Ausübung neuen Gesetzen verabschieden. Wenn es darum des Jagdrechtes würde erschwert werden. geht, den Terrorismus einzudämmen, beschließen wir Gesetze über Gesetze, aber bei Amokläufen Die Behörden erhalten weitere Rechte zur Über- reichen Symbole aus. Das finde ich, gelinde ge- wachung des Gesetzes. Hier wird mit dem neuen sagt, sehr, sehr sonderbar. Waffenrecht sehr viel getan. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Meine Damen und Herren, der Antrag der Grünen LINKEN) ist abzulehnen; erstens weil der Gesetzgeber be- reits umfassend und vorbildlich reagiert hat und Vizepräsidentin Astrid Vockert: zweitens weil sicherlich kein Gesetzgeber ein Ge- Herzlichen Dank, Herr Briese. - Für die CDU-Frak- setz schon nach wenigen Monaten erneut berät. tion spricht Herr Kollege Götz. Sie haben das Wort. Hinzu kommt, dass Sie auch nach dem 27. September wohl keine Möglichkeit haben wer- Rudolf Götz (CDU): den, bestimmte Änderungen anzustreben. Dazu Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- wird es nicht reichen. ten Damen und Herren! Wohl selten gab es so Meine Damen und Herren, wir haben uns darauf viele Gründe, einen Antrag zurückzunehmen, wie geeinigt, die Drs. 16/1503 mitzubehandeln. Die den in der Drs. 16/1478. SPD fordert, Dienstwaffen, die ausgemustert sind, (Beifall bei der CDU und bei der FDP) zu vernichten. Der Gesetzgeber hat den Besitz und die Nutzung von Waffen geregelt. Dem Sicher- Aber dazu ist es leider nicht gekommen. Der Bun- heitsbedürfnis des Bürgers wird nachgekommen. destag hat am 18. Juni 2009 das Waffengesetz mit Legaler Waffenbesitz ist möglich. dem Gesetz zur Änderung des Sprengstoffgeset- zes abgeändert. - Herr Briese, Sie haben das in Meine Damen und Herren, Niedersachsen hat der letzten Innenausschusssitzung, als wir das 2007 und 2008 Waffen für 2,8 Millionen Euro ver- Thema behandelt haben, noch nicht einmal ge- kauft. 2009 wurden nach meinem Wissensstand wusst. - Der Bundesrat hat am 10. Juli 2009 das noch keine Waffen verkauft. Der Verkauf von Alt- Gesetz behandelt und so akzeptiert und die Ände- waffen entspricht dem Landesrecht. Es ist das rungen des Waffengesetzes begrüßt. Eine Arbeits- Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Ver- gruppe des Bundes und der Länder hatte sich im gleichbare Regeln gibt es auch in Nordrhein- Vorfeld mit den Fraktionen der CDU/CSU und der Westfalen. So hat 2003 der damalige Ministerprä- SPD um Mitwirkung bemüht und sich mit diesem sident und jetzige Finanzminister Peer Steinbrück Thema befasst. So ist ein Gesetz im Konsens zwi- Dienstwaffen in die USA verkaufen lassen, u. a. schen Bund und Ländern entstanden. Meine Da- auch Gewehre. men und Herren von den Grünen, Sie hätten doch (Hans-Christian Biallas [CDU]: Ach!) beispielsweise über Hamburg Ihre Bedenken ein- bringen können. Mir ist darüber nichts bekannt. Dies geschah nach Erfurt. Auch die Grünen waren in Nordrhein-Westfalen damals bekanntlich an der (Ralf Briese [GRÜNE]: Da gibt es ei- Regierung. nen CDU-Innenminister!) (Heinz Rolfes [CDU]: Immer diese - Herr Briese, was bleibt denn dann von Ihren Doppelmoral! - Ulf Thiele [CDU]: Hört, Schimpftiraden, die Sie hier abgelassen haben? hört!) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Meine Damen und Herren, moralische Aspekte, Ich wiederhole meine Aussage vom 18. Juni: Wir gebrauchte Waffen nicht weiter zu nutzen, kann ich haben jetzt eines der schärfsten Waffengesetze. nicht erkennen. Solange im Rahmen der Gesetze Wir wissen aber auch, dass Gesetze allein Amok- Waffen verkauft werden können - seien es ge- läufe nicht mit absoluter Sicherheit verhindern brauchte oder neue Waffen -, gibt es eine Nach-

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frage. Dies ändert sich nicht durch die Vernichtung Vizepräsidentin Astrid Vockert: von gebrauchten Waffen. Altwaffen erzeugen kei- Herzlichen Dank, Herr Kollege Limburg - auch für ne neue Nachfrage. Wichtig ist, dass die Waffen die Tatsache, dass Sie das gleich klargestellt ha- an berechtigte Nutzer übergeben werden. Dies ben. - Jetzt erteile ich für die CDU-Fraktion zur geschieht z. B. durch den Verkauf an die Firma Antwort auf Ihre Kurzintervention auf Herrn Kolle- Heckler & Koch, die diese Waffen hergestellt hat. gen Götz dem Herrn Kollegen Biallas das Wort. Auch der Antrag der SPD ist zurückzuweisen. Bitte schön! Ich danke Ihnen. (Björn Thümler [CDU]: Luftschlag!)

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Hans-Christian Biallas (CDU):

Vizepräsidentin Astrid Vockert: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass die notwen- Danke schön, Herr Götz. - Zu einer Kurzinterventi- dige Ernsthaftigkeit im Hinblick auf die Problematik on auf den Kollegen Götz hat sich von der Fraktion schwer gelitten hat. Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Limburg ge- meldet. Bitte schön, Sie haben 1:30 Minuten. (Miriam Staudte [GRÜNE]: Ja, bei Ih- nen!) Helge Limburg (GRÜNE): Herr Limburg, es gehört dazu, dass man zunächst Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Götz, einmal nachdenkt, bevor man sich hier hinstellt. eines vorweg: Wenn Sie schon unsere Anträge mit Drucksachennummern zitieren, dann nehmen Sie (Beifall bei der CDU) doch bitte die korrekte Drucksachennummer: Dazu gehört die Erkenntnis, dass wir - durch wel- 16/1334 ist die Drucksachennummer, die unser che Veränderungen im Waffenrecht auch immer - Antrag trägt. Sie haben von der Beschlussempfeh- leider nie werden ausschließen können, dass es lung des Ausschusses gesprochen. zu Amokläufen kommt. Das ist die erste Feststel- Herr Götz, die große Enttäuschung für uns ist, wie lung, so traurig und bedauerlich das ist. wir schon in der ersten Beratung erlebt haben, Nun zu meiner zweiten Bemerkung. dass für Sie ganz offenkundig nicht der Schutz der Menschen vor Amokläufen und der Schutz der (Helge Limburg [GRÜNE] meldet sich Menschen vor Schussverletzungen und z. B. der zu Wort) Schutz der Kriminalbeamten, vertreten u. a. durch - Sie brauchen da gar nicht herumzuhampeln! den Bund Deutscher Kriminalbeamter, von meinem Hören Sie doch erst einmal zu! Kollegen Briese bereits zitiert, im Vordergrund stehen, sondern für Sie die Interessen der Waffen- Vizepräsidentin Astrid Vockert: lobbyisten und die Interessen der Schützenvereine Herr Kollege Biallas, er möchte nicht herumham- in Ihren Wahlkreisen im Vordergrund stehen. peln, sondern er möchte Ihnen eine Frage stellen. (Hans-Christian Biallas [CDU] meldet Gestatten Sie dieses? sich zu Wort) Hans-Christian Biallas (CDU): - Herr Kollege Biallas, das geht leider nicht. Sie müssen sich mit dem Kollegen Götz einigen. - Für Ja, gern. Sie stehen diese Interessen im Vordergrund. Das ist die ganz große Enttäuschung, Herr Götz. Ich Vizepräsidentin Astrid Vockert: bin aber sicher, dass die Menschen in diesem Bitte sehr, Herr Limburg! Land das wahrnehmen und sehr genau schauen werden, welche Partei hier welche Interessen ver- Helge Limburg (GRÜNE): folgt und welche Partei sich ernsthafte Gedanken Herr Kollege Biallas, Sie haben davon gesprochen, um die Sicherheit in unserer Gesellschaft und um dass man nachdenken sollte, bevor man zu die- die Sicherheit vor Schusswaffen macht. sem Thema redet. Vor diesem Hintergrund frage (Beifall bei den GRÜNEN und bei der ich Sie: Haben Sie denn nicht nur darüber nach- LINKEN) gedacht, sondern auch z. B. Publikationen dazu gelesen, Forderungen des Bundes Deutscher Kri- minalbeamter gelesen, Pressemitteilungen gele-

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sen, Erklärungen der Opfer von Winnenden und Pia-Beate Zimmermann (LINKE): anderer Verbände gelesen, bevor Sie sich hier so Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wor- positionieren, wie Sie es in dieser Debatte bislang um geht es bei den Anträgen im Kern? - Es geht getan haben? darum, den privaten Besitz von Handfeuerwaffen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) zu verbieten, den Verbleib von Schusswaffen und Munition in Privatwohnungen grundsätzlich zu Vizepräsidentin Astrid Vockert: verbieten, und um die Sorge, dass diese Bedin- Herr Biallas! gungen eingehalten werden. Das ist gut so. Das Einknicken vor der Waffenlobby - ich sage es noch Hans-Christian Biallas (CDU): einmal - muss endlich ein Ende haben. Herr Kollege, gerade weil ich sie gelesen habe, (Beifall bei der LINKEN und Zustim- habe ich auch gelesen, dass das nicht dem ent- mung von Helge Limburg [GRÜNE]) spricht, was Sie soeben vorgetragen haben. Der Bund der Kriminalbeamten hat mitnichten z. B. So viel zum Antrag der Fraktion der Grünen. behauptet, dass diejenigen, die den Kompromiss Die SPD-Fraktion beantragt, dass ausgemusterte in Berlin geschlossen haben, sozusagen Sklaven Dienstwaffen der Polizei in Niedersachsen vernich- der Waffenlobby sind. Ich halte Ihre Vorwürfe, die tet und nicht verkauft werden sollen. 14 390 aus- Sie hier erhoben haben, im Zusammenhang mit gesonderte Waffen - so habe ich heute in der Be- dem Thema, um das es hier geht, für schlichtweg antwortung meiner Mündlichen Anfrage erfahren - abwegig und geschmacklos. sind seit April 2002 veräußert worden. Einige sind (Beifall bei der CDU und bei der FDP) an die Polizei nach Bayern und Sachsen gegan- gen, immerhin noch 415 sind an berechtigte Poli- Deshalb möchte ich sehr darum bitten, dass wir in zeivollzugsbeamte abgegeben worden. 13 000 Zukunft dann, wenn wir über diese Thematik re- sind von der Herstellerfirma in den USA zurückge- den, nicht zu kurz greifen und meinen, dass man kauft worden. Auch wenn bei dem Verkauf alles dadurch, dass man legale Waffen an den Herstel- mit rechten Dingen zugegangen ist, was ich un- ler verkauft, alle möglichen Straftaten verhindern terstelle, kann ich mir vorstellen - vorsichtig ausge- könnte. Herr Limburg, auch der Bund der Kriminal- drückt -, dass der weitere Verbleib der Waffen beamten hat - - - nicht mehr nachvollziehbar sein wird. Um jegli- chem Missbrauch vorzubeugen, stimmen wir einer Vizepräsidentin Astrid Vockert: Vernichtung ausrangierter Waffen gemäß § 63 Herr Kollege Biallas, ich möchte Sie bitten, jetzt Abs. 4 Satz 3 LHO zu. einen letzten Satz zu sagen. Das war eine Kurzin- tervention. Ich habe die Redezeit für Frage und (Beifall bei der LINKEN) Antwort nicht berücksichtigt. Einen letzten Satz Die beiden Anträge gehen in die richtige Richtung. haben Sie noch. Deshalb stimmen wir den Anträgen zu.

Hans-Christian Biallas (CDU): Aber was war eigentlich ausschlaggebend für das Ich bin doch selbst froh, wenn es zu Ende ist. schreckliche Ereignis des Amoklaufs von Winnen- den? - Jetzt geht es darum, solche schrecklichen (Heiterkeit und Beifall) Geschehnisse zu vermeiden. Aber wie? Die Regie- Ich wollte nur noch sagen, dass nach allen vorlie- rungsfraktionen wollen im Kern vor allem mehr genden Erkenntnissen die meisten Straftaten nicht staatliche Kontrolle und Verhaltensmaßregeln „Wie mit legalen Waffen, sondern mit illegalen Waffen handele ich im Ernstfall?“ und vielleicht noch „Wel- begangen werden. che Sicherungsmaßnahmen müssen in Schulen vorgehalten werden?“. Sie machen es also wie (Beifall bei der CDU und bei der FDP) immer: Erst wenn der Fisch vom Kopf her stinkt, wird gehandelt. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Aber das, meine Damen und Herren von den Re- sich Frau Kollegin Zimmermann zu Wort gemeldet. gierungsfraktionen, reicht nicht aus. Warum sehen Bitte schön! Sie das Problem nicht in der Entstehung, und wa- rum beginnen Sie dann nicht, Fehler auszumerzen und präventive Maßnahmen einzuleiten? Ich nen-

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ne Ihnen für Ihren Notizzettel einige Stichpunkte: Unsere Position ist danach klar: Zur Verschärfung Leistungsstress durch Turbo-Abi, Bildungsmög- des Waffenrechts wurden bereits umfassende lichkeiten und -zugänge sind abhängig vom Geld- Regelungen getroffen. Das Waffenrecht muss nicht beutel der Eltern weiter verschärft werden, sondern es muss jetzt beachtet werden. (Oh! bei der CDU - Jörg Bode [FDP]: Was hat das denn mit dem Waffen- (Zustimmung bei der FDP und bei der verkauf zu tun?) CDU)

- ja, das sagen wir immer wieder; das wird Sie bis Vieles zum Antrag der Fraktion der SPD zur Ver- zum Ende dieser Legislaturperiode begleiten -, nichtung von Waffen der Polizei und zum Verkauf im legalen Handel ist schon gesagt worden. Mich (Beifall bei der LINKEN - Dr. Manfred erstaunt, wie der Antrag heute zum Teil von den Sohn [LINKE]: Und darüber hinaus! - Linken ergänzt und umgedeutet wurde. Zurufe von der CDU und von der Was ich für richtig halte, möchte ich besonders FDP) herausstellen und ergänzen. Erstens. Die Vernich- Streichung von Pädagogen- und Psychologenstel- tung von Waffen ist eine Vernichtung von Werten. len - hören Sie zu, notieren Sie mit; das ist besser - Zu denken, dass es weniger Waffen gäbe, weil an den Schulen, mangelnde Freizeitmöglichkeiten. Waffen vernichtet würden, halte ich für falsch. Unsere Analyse geht noch weiter; denn nicht we- (Zustimmung bei der FDP und bei der nige Untersuchungen belegen: Das dreigliedrige CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Schulsystem grenzt aus, es entwurzelt und schafft Wie sehen Sie das denn bei Drogen? Verlierer. Da werden auch Werte vernichtet! (Beifall bei der LINKEN) Und Zigaretten! Piraterieware!) Die Nachfrage der Berechtigten, die Waffen haben Noch ein Satz zum Schluss: Wenn es möglich sein dürfen, regelt die Anzahl der legalen Waffen. wird, dass das Zulassen und Zeigen von Schwä- chen in unserer Leistungsgesellschaft nicht nur Zweitens - das ist mir sehr wichtig; das will ich akzeptiert, sondern als Wert gefördert werden, und betonen -: Der legale Handel mit und der legale wenn es den Willen gibt, niemanden zurückzulas- Besitz von Waffen lösen keine Amokläufe aus. sen, und Solidarität an die Stelle des Rechtes des (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stärkeren rückt, dann sind wir auf dem richtigen Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann Weg. können ja alle welche haben! - Rein- Herzlichen Dank. hold Coenen [CDU]: Lassen Sie sich nicht irritieren!) (Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN) - Ich sprach von den legalen Waffen. Drittens. Ganz besonders liegt mir daran, noch Vizepräsidentin Astrid Vockert: einmal darauf hinzuweisen, dass das Waffenrecht Danke schön. - Nun spricht für die FDP-Fraktion bereits in den vergangenen Jahren erheblich ver- Frau Kollegin von Below-Neufeldt. Bitte schön! schärft wurde. Das hat den schrecklichen Amok- lauf von Winnenden leider nicht verhindern kön- nen. Almuth von Below-Neufeldt (FDP): (Ralf Briese [GRÜNE]: Ja eben! - Ur- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und sula Helmhold [GRÜNE]: Dann reicht Herren! Zu Punkt 34 der heutigen Tagesordnung, das wohl nicht!) dem Antrag der Fraktion der Grünen für eine Re- form des Waffenrechts, verweise ich auf die Er- Aber nicht der Handel mit Waffen oder der Kauf gebnisse der Ausschussberatung und die dort der Waffe, die bei dem Amoklauf benutzt wurde, vorgetragenen und ausgetauschten Argumente. waren maßgeblich für dieses schreckliche Ereig- nis. Die Tat war unfassbar, aber entscheidend war (Zuruf von den GRÜNEN - Gegenruf eines: Die Tatwaffe war nicht den Vorschriften von Ingrid Klopp [CDU]: Es gibt doch entsprechend verwahrt worden, und auch die Mu- Niederschriften!) nition war zugänglich.

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(Dörthe Weddige-Degenhard [SPD]: Möglichkeit geschaffen wurde, die die Waffenbe- Richtig, aber es waren legale Waffen!) hörden - d. h. die Kommunen - in die Lage ver- setzt, verstärkt Kontrollen durchzuführen, um si- Das verschärfte Waffenrecht ist also nicht beachtet cherzustellen, dass die Waffen ordnungsgemäß in worden. Waffenschränken getrennt von der Munition auf- (Zustimmung bei der FDP und bei der bewahrt werden. CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Zum einem in dem Brief der Eltern und zum ande- Den Toten ist das aber egal!) ren in dem Antrag der Fraktion der Grünen ist u. a. Der Fokus des Antrags der SPD-Fraktion liegt gefordert worden, dass Waffen nur noch zentral nicht auf dem Waffenbesitz, sondern auf der For- gelagert werden sollten, u. a. in Schützenheimen. derung, ausgemusterte Dienstwaffen nicht zurück Man kann nur darauf hinweisen, dass das keines- in den legalen - ich betone: in den legalen - Handel wegs sicherer ist, sondern dass das vielmehr unsi- zu geben. cherer ist. (Johanne Modder [SPD]: Auf der ei- Nach dem Amoklauf in Winnenden gab es auch nen Seite einsammeln und auf der ein schreckliches Ereignis in Eislingen. Dort hat ein anderen Seite palettenweise verkau- 18-Jähriger seine ganze Familie erschossen. Die fen!) Waffe, die er verwendet hat, ist aus einem Schüt- zenheim gestohlen worden. Ich glaube, dass es Das ist eine falsche Sicht auf die Verkettung der richtig ist, Waffen dezentral zu lagern. Ganz wich- Ereignisse und die Faktoren, die zu dem Amoklauf tig ist, dass dabei die entsprechenden Vorschriften in Winnenden geführt haben. Erfurt, Winnenden - eingehalten werden. das waren furchtbare Taten mit vielen Toten und Langzeitfolgen für viele weitere Menschen. Aber Ich habe nach dem Ereignis in Winnenden sofort der Handel mit gebrauchten Dienstwaffen der Poli- dazu aufgerufen, Waffen - illegale oder legale - zei in Niedersachsen hat mit einer möglichen Ver- abzugeben, die dann von den Waffenbehörden hinderung von Amokläufen nichts zu tun. Die lega- oder der Polizei eingesammelt wurden. Ich bin le Nutzung muss den tatsächlich Berechtigten sehr froh, dass sehr viele Waffenbesitzer davon vorbehalten bleiben. Gebrauch gemacht haben. Das hat mir gezeigt - das zeigten auch die Berichte, die mir zugänglich Ich bitte daher darum, den Antrag abzulehnen. gemacht worden sind -, dass sich zu viele nicht an (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei die Vorschriften gehalten haben. Viele haben dann der CDU - Dr. Gabriele Andretta gesagt: Wir wollen uns keinen Waffenschrank [SPD]: So einfach ist das! So stellt mehr zulegen, deswegen geben wir die Waffen sich das Lieschen Müller vor!) ab. - Das hat gewirkt. Das ist meiner Ansicht nach genau der richtige Weg, wie wir vorgehen müssen. Vizepräsidentin Astrid Vockert: (Zustimmung von Björn Thümler [CDU]) Herzlichen Dank. - Nun hat sich Herr Minister Schünemann von der Landesregierung zu Wort Ich werde in Kürze die Zahlen dazu vorlegen kön- gemeldet. Bitte schön! nen, wie viele Waffen abgegeben worden sind. Wenn eine Kommune bzw. der Staat eine Waffe Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und von einer Privatperson bekommt, halte ich es al- Integration: lerdings für sehr schwierig, diese Waffe dann wei- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und terzuverkaufen. Ich rede gar nicht von Sicherheits- Herren! Der Amoklauf von Winnenden hat Anlass gründen. Aber ich glaube, das wäre schwierig. gegeben, innezuhalten - insbesondere auch der Deswegen haben wir eindeutig gesagt: Polizei und Brief der Eltern der Opfer, in dem sie sehr eindring- Land bieten den Waffenbehörden an, diese Waffen lich auf Missstände hingewiesen haben. kostenlos einzuschmelzen und zu vernichten. Das ist dann auch so geschehen. Die Innenminister haben sich zusammengesetzt und darüber diskutiert, welche dieser Forderungen Meine Damen und Herren, in dem Antrag der SPD- sinnvollerweise als gesetzliche Regelungen über- Fraktion geht es aber um den Verkauf von ausge- nommen werden sollten. Die entsprechenden Re- dienten Polizeiwaffen. Frau Modder, ich kann gelungen sind mittlerweile auch im Bundesrat ver- durchaus verstehen, dass Sie darauf hinweisen, abschiedet. Das Entscheidende ist, dass eine man solle vielleicht nicht in die Vergangenheit

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schauen. Denn es ist von meinem Vorgänger Da können Sie mir nun nicht vorwerfen, dass ich Herrn Bartling im Jahr 2001 eingeleitet worden, dabei an irgendeiner Stelle nicht vernünftig vorge- dass zur Finanzierung auch der Verkauf vorgese- gangen bin. Ganz im Gegenteil, ich habe gerade hen wird. Es gehört einfach dazu, dass man das nach Winnenden dafür gesorgt, dass die Kommu- dann hier auch sagt. nen darauf achten, und habe mit dafür gesorgt, dass es in diesem Zusammenhang bessere Vor- In der Folgezeit ist das umgesetzt worden. 13 000 schriften gibt. Pistolen sind an die Firma Heckler & Koch verkauft bzw. zurückgegeben worden. Es war wichtig, dass Ich kann gut verstehen, dass nach der Ausstrah- auch die exportierten Waffen ausschließlich an lung des Beitrags des NDR ein Vertreter der Waf- Erwerbsberechtigte weiterverkauft wurden. Mit fenhändler bzw. des Herstellerverbandes gesagt allen Lizenzen bis hin zum Endverbraucher muss hat „Wir sind damit nicht einverstanden“. Er hat dies dokumentiert werden, sodass das nach den darauf hingewiesen, damit würden sie vielleicht richtigen Regeln dargestellt worden ist. weniger neue Waffen verkaufen. Daran wird deut- Die veräußerten Schusswaffen der niedersächsi- lich: Es geht nicht darum, ob man eine neue oder schen Polizei sind wie alle legalen Waffen nach eine gebrauchte Waffe kauft. Es geht vielmehr den Vorgaben des Waffenrechts gekennzeichnet ausschließlich darum, dass dies nach den gesetz- und registriert. Bei ausschließlicher Weitergabe an lichen Vorschriften erfolgt und auch kontrolliert Berechtigte im Sinne des Waffengesetzes wird so wird. eine lückenlose Nachverfolgung zum jeweiligen Besitzer in Deutschland sichergestellt. In diesem Zusammenhang kann ich Ihre Aufre- gung, Frau Modder, gerade in der Art und Weise, Meine Damen und Herren, es ist schon darauf wie Sie das hier dargestellt haben, nicht verstehen. hingewiesen worden, dass andere Bundesländer Bisher haben wir, zumindest von CDU, FDP und das genauso umsetzen. SPD, in diesem Zusammenhang immer vernünftig Mir ist hier vorgeworfen worden, ich hätte nicht in diskutieren können. Ich kann absolut verstehen, Gänze die Wahrheit zum Landeshaushaltsrecht dass die Opfereltern von Winnenden einen breiten gesagt. Dazu will ich natürlich auch Stellung neh- Katalog aufgestellt und gesagt haben „Wir können men. Der Verkauf der nicht mehr benötigten Pisto- das in dieser Situation nicht verstehen“. Wenn Sie len erfolgte gemäß den allgemeinen Vorgaben der sich das aber mit ein bisschen Abstand anschau- Landeshaushaltsordnung zum vollen Wert. Eine en, dann werden Sie feststellen, dass die Sicher- Veräußerung unter dem vollen Wert oder eine heit in keiner Weise dadurch gefährdet ist, dass wir unentgeltliche Abgabe der Waffen, z. B. zum diese Waffen dem Hersteller zurückgegeben ha- Zweck der Vernichtung, hätte nur erfolgen können, ben. Sie ist vielmehr verbessert worden, weil gera- wenn dies durch den Haushaltsgesetzgeber als de diese Landesregierung dazu beigetragen hat, Ausnahme gemäß § 63 Abs. 4 Satz 3 der Landes- dass das Waffenrecht verschärft worden ist, und haushaltsordnung im Haushaltsplan zugelassen wir rechtzeitig, noch vor der Bundesregelung, dazu worden wäre. Das wäre in diesem Zusammenhang aufgerufen haben, dass die Waffen, die nicht ord- der einzige Weg gewesen. nungsgemäß in Waffenschränken gelagert sind, abgegeben werden. Deshalb muss ich den Vor- Unter Beachtung des der Landeshaushaltsordnung wurf zurückweisen, wir seien ein Sicherheitsrisiko. zugrunde liegenden Wirtschaftlichkeitsgebots wur- den die ausgesonderten Pistolen zu ihrem vollen (Beifall bei der CDU) Wert veräußert. Dabei wurde ein Erlös von 2,85 Millionen Euro erzielt. Wir sollten in dieser Sache hier wirklich keine Po- lemik vorbringen. Das macht keinen Sinn. Meine Damen und Herren, wenn hier dargestellt wird, dass ein Innenminister seine Aufgaben nicht (Beifall bei der CDU und bei der FDP) vernünftig wahrnimmt, wenn ausgediente Pistolen weiterverkauft oder an den Hersteller zurückgege- Vizepräsidentin Astrid Vockert: ben werden, dann kann ich das nur zurückweisen. Der Innenminister muss sicherstellen, dass der Um zusätzliche Redezeit hat Frau Kollegin Modder Erwerb von Waffen nach den geltenden Regeln von der SPD-Fraktion gebeten. Aufgrund der Re- und Vorschriften durchgeführt wird. dezeitüberschreitung haben Sie eine Redezeit von (Beifall bei der CDU) zweieinhalb Minuten. Bitte schön!

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Johanne Modder (SPD): abgegebenen Waffen einzuschmelzen. Man kann Die werde ich nicht brauchen. Vielen Dank, Frau aber als Staat oder als Kommune nicht etwas von Präsidentin. einem Privaten nehmen und anschließend ver- scherbeln. Das halte ich für sehr schwierig. Herr Minister, es gibt einen Widerspruch, den ha- ben Sie jetzt auch nicht aufgelöst: Sie können sich Anders ist es bei den Pistolen der Polizei. Das ist vor dem Hintergrund des Amoklaufs von Winnen- Geld der Steuerzahler. Wir haben diese Waffen den nicht in der Öffentlichkeit hinstellen und sagen erworben. Wenn wir diese Pistolen dann dem Her- „Liebe Leute, gebt eure Waffen ab“ und im glei- steller der neuen Waffen zurückgeben, damit er sie chen Atemzug nicht eingestehen - - - ordnungsgemäß wieder auf den Markt bringt, dann Ich spreche nicht über die Waffenkäufe der Ver- ist das überhaupt kein Widerspruch, sondern völlig gangenheit; das war in Ordnung, das war rech- klar nachvollziehbar. tens, da sage ich gar nichts. Sie sagen aber nicht: (Beifall bei der CDU) „Dieser Amoklauf hat uns zum Umdenken ge- bracht; wir werden das in Zukunft nicht mehr ma- Mir geht es klar um die Sicherheit. Dafür bin ich chen.“ Sie haben sich hingestellt und gesagt: „Wir zuständig. Diese Regeln halte ich auch ein. machen das so weiter, wir werden an dieser Praxis festhalten.“ Das haben Sie heute auch bestätigt. (Beifall bei der CDU) (Ulf Thiele [CDU]: Wir haben genau gesagt, warum das vernünftig ist!) Vizepräsidentin Astrid Vockert: Sie können nicht auf der einen Seite einsammeln Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen und auf der anderen Seite Waffen verkaufen. nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

(Beifall bei der SPD) Wir kommen zur Abstimmung.

Vizepräsidentin Astrid Vockert: Zunächst zum Tagesordnungspunkt 34. Wer der Herr Minister Schünemann möchte antworten. Bitte Beschlussempfehlung des Ausschusses zustim- schön! men und damit den Antrag der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen in der Drucksache 1334 ableh- Uwe Schünemann, Minister für Inneres, Sport und nen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ge- Integration: genstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich stelle Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen fest, dass der Beschlussempfehlung des Aus- und Herren! Frau Modder, ich habe wirklich ver- schusses gefolgt worden ist. sucht, Ihnen darzustellen, dass das ein großer Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 35. Der Unterschied ist. Antrag soll an den Ausschuss für Inneres, Sport Wir haben kein Sicherheitsrisiko darin, dass wir und Integration überwiesen werden. Gibt es Ge- eine neue oder eine gebrauchte Waffe verkaufen genstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht oder diese jemand erwirbt. Es geht vielmehr vor der Fall. Dann ist das so beschlossen. allen Dingen darum, sicherzustellen, dass der Er- werb nach den Vorschriften vonstatten geht und Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 36 auf: kontrolliert wird, dass die Waffen ordnungsgemäß in Waffenschränken verschlossen werden. Luft- und Raumfahrt in Niedersachsen weiter Bei der Abgabe von Privaten geht es vor dem Hin- stärken - Antrag der Fraktionen der CDU und der tergrund des Amoklaufs von Winnenden darum, FDP - Drs. 16/1499 dass offensichtlich nicht alle ihre Waffen ord- nungsgemäß verschlossen haben. Das muss man feststellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktionen Das ist nicht nur der Grund gewesen, warum man haben sich darauf verständigt, den Antrag direkt eine Waffe abgegeben hat. Aber das ist durchaus an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Ver- ein Hauptgrund; das ist ziemlich eindeutig. Des- kehr zu überweisen. Gibt es Einwände? - Das ist halb ist es richtig, dazu aufzurufen. Ich gebe zu, nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. nicht aus Sicherheitsgründen ist es sinnvoll, die

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Ich kann dann gleich den Tagesordnungs- punkt 37 aufrufen:

Vorglühen, Komasaufen, Notaufnahme: Kinder und Jugendliche vor dem Teufelskreis von Alkoholmissbrauch, Sucht und Absturz bewah- ren - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1512

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch zu diesem Tagesordnungspunkt haben sich die Fraktionen darauf verständigt, den Antrag direkt an den Aus- schuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesund- heit zu überweisen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Dann möchte ich Ihnen mitteilen, dass der nächs- te, der 16. Tagungsabschnitt für die Zeit vom 23. bis 25. September 2009 vorgesehen ist. Der Präsi- dent wird den Landtag einberufen und im Einver- nehmen mit dem Ältestenrat den Beginn und die Tagesordnung der Sitzung bestimmen.

Ich schließe damit die Sitzung und wünsche Ihnen allen einen guten Heimweg. Vor dem Hintergrund, dass dieser Tagesordnungspunkt um 15.53 Uhr beendet sein sollte, kann ich nur sagen: Ein gro- ßes Kompliment an Sie alle, dass Sie so diszipli- niert die Tagesordnung und die Redezeiten ein- gehalten haben. Guten Heimweg, ein wunder- schönes Wochenende und Tschüss, auch an die Verwaltung! Schluss der Sitzung: 15.19 Uhr.

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Anlagen zum Stenografischen Bericht fachliche Bewertungen der Bodenbeschaffenheit im Umfeld des De-Haën-Platzes die Risiken für die noch: Betroffenen näher zu erkunden. Tagesordnungspunkt 28: Die radiologischen und chemischen Untersuchun- Mündliche Anfragen - Drs. 16/1490 gen sind inzwischen im Wesentlichen abgeschlos- sen. Insgesamt hat die Region 122 Grundstücke

untersuchen lassen. Da es sich um eine Reihen- Anlage 1 haussiedlung handelt, wurden Vorgärten und In- nenhöfe getrennt betrachtet. Die komplexen Er- Antwort gebnisse der Bodenuntersuchungen wurden dahin des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf gehend bewertet, inwieweit sich die Belastung auf die Frage 3 der Abg. Martin Bäumer, Gisela Kon- die menschliche Gesundheit auswirken kann. Dar- rath und Dirk Toepffer (CDU) aus wurde für jedes einzelne Grundstück konkret abgeleitet, welche Grundstücke bzw. Grund- Altlasten in der Region Hannover - Wie geht es voran? stücksteile einer näheren Bearbeitung bedürfen.

Aufgrund unserer Kleinen Anfrage zur mündli- Für Teilflächen von 44 Grundstücken wurde in chen Beantwortung unter der Überschrift: „Alt- Bezug auf chemische Effekte eine Prüfwertüber- lasten in der Region - Wie gefährdet sind die schreitung festgestellt. Die Hauptkomponenten der Bürgerinnen und Bürger in und um Hannover wirklich?“ hat der Landtag sich in seiner Sitzung chemischen Schadstoffe in der festgestellten Auf- am 27. März 2009 mit der Altlastenproblematik füllung sind Blei, Arsen und Antimon. in der Region Hannover befasst. Mit der Ant- wort der Landesregierung wurde bestätigt, dass Des Weiteren spielen radiologische Wirkungen bei es in der Region Hannover inzwischen ca. zwölf Grundstücksteilflächen eine Rolle. Dort wird 30 000 Verdachtsfälle gibt. Die Nachrichten- der Richtwert für zusätzliche Strahlenexposition agentur dpa berichtete am 20. Juli 2009, dass nach der Strahlenschutzverordnung von 1 Milli- die dreimonatigen Langzeitmessungen der Ra- dioaktivität im Hannoveraner Stadtteil List be- sievert pro Jahr überschritten. Bei elf dieser Flä- endet seien und dann ausgewertet würden. An- chen haben wir es mit einer Kombination von ra- schließend solle nach Auskunft eines Spre- diologischer und chemischer Belastung zu tun. Bei chers der Region Hannover überlegt werden, einer Fläche ist allein die radiologische Belastung was „zu tun sei“. maßgeblich. Führt man die chemischen und die Wir fragen die Landesregierung: radiologischen Ergebnisse zusammen, so ergibt 1. Welche Maßnahmen haben die Region Han- sich insgesamt für Teilflächen von 45 Grundstü- nover und das Land Niedersachsen in dieser cken ein Handlungsbedarf. Angelegenheit seit April 2009 ergriffen? Der vorliegende Sachstand ist nach der Bundes- 2. Wann ist mit konkreten Ergebnissen aus den Langzeitmessungen zu rechnen? Bodenschutz- und Altlastenverordnung als Detail- untersuchung einzustufen. Auf dieser Basis lässt 3. Gibt es bereits erste Zwischenergebnisse, die Region, wie in der Altlastenbearbeitung üblich, aus denen sich Tendenzen für das zukünftige Handeln ableiten lassen, und wie sehen die eine Sanierungsplanung erarbeiten. Diese syste- Pläne der Region Hannover und des Landes matische Vorgehensweise ist nachvollziehbar und Niedersachsen für die radioaktiven Altlasten in dient dazu, schrittweise den nötigen Handlungsbe- der List aus? darf einzugrenzen, damit der Sanierungsaufwand Die Landesregierung hat bereits am 22. Dezember zielgerichtet betrieben wird. 2008 und am 27. März 2009 ausführlich auf Anfra- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine gen aus dem Landtag zu Altlasten in der Region Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Hannover geantwortet. Insofern verweise ich auf die dort enthaltenen Aussagen über die Altlast am Zu 1 und 3: Im Bereich des De-Haën-Platzes hat De-Haën-Platz und andere Altlasten in der Region. die Region Hannover eine einheitliche Sanie- rungsplanung für alle von den Bodenverunreini- So wurde bereits damals dargestellt, dass die Re- gungen betroffenen Grundstücke veranlasst. Mit gion Hannover das Ministerium für Umwelt und der Vorlage des Sanierungsplanes ist voraussicht- Klimaschutz in angemessener Weise über ihre lich im Dezember zu rechnen. Erst auf dieser Basis Tätigkeit informiert hat. Die Region als zuständige sind Entscheidungen über erforderliche und geeig- untere Bodenschutzbehörde arbeitet mit erhebli- nete Sanierungsmaßnahmen möglich. chem Einsatz daran, durch Untersuchungen und

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Nachdem Messungen über drei Monate in zwei In den aktuellen Handlungen der Landesregie- Wohnungen erhöhte Radonwerte ergeben hatten, rung spiegeln sich diese Aussagen aber nicht wider. Seit Jahren sind ständige Kürzungen der wurde die Sanierungsplanung für dieses Grund- Finanzmittel bei den Nationalparkhäusern zu stück vorgezogen. Der seit einigen Tagen vorlie- verzeichnen. Für 2010 sind weitere Kürzungen gende Sanierungsplan wurde im Bezirksrat der vorgesehen. So sollen die Mittel für die Kom- Region durch die Sachverständige bereits vorge- munen pro Nationalparkhaus von 68 000 Euro auf 55 000 Euro gekürzt werden. stellt und wird derzeit von der Region ausgewertet. Die Landesregierung erwartet eine finanzielle Um die Gefährdungsabschätzung insgesamt zu Beteiligung der Kommunen bei der Arbeit der vervollständigen, wurden in sieben Gebäuden Nationalparkhäuser. Allerdings werden diese ergänzende Radonmessungen veranlasst. In drei Ausgaben bei Kommunen, die auf Bedarfszu- weiteren Gebäuden werden Messgeräte aufge- weisungen angewiesen sind, als freiwillige Leis- tungen gewertet und wiederum bei der Be- stellt. darfszuweisung abgezogen, wie z. B. im Falle der Samtgemeinde Land Wursten im Landkreis Die Region Hannover sieht nach wie vor die Firma Cuxhaven. Damit wird die unterfinanzierte Honeywell Specialty Chemicals Seelze GmbH als Kommune doppelt bestraft. Verantwortliche für eventuell erforderliche Sanie- Gleichzeitig hat die Landesregierung aber die rungsmaßnahmen an. Hinsichtlich der Frage der Bedingungen für den Erhalt von Zuwendungen Verantwortung der Firma Honeywell wird im No- für Nationalparkhäuser erheblich erschwert. vember eine Verhandlung vor dem Verwaltungsge- Gestiegen sind vor allem die Erwartungen an richt Hannover stattfinden. Dabei soll geprüft wer- die Informations- und Beratungsarbeit. So müs- sen u. a. intensive Besucherbefragungen den, ob die Anordnung nach § 9 Abs. 2 des Bun- durchgeführt werden und erweiterte Öffnungs- des-Bodenschutzgesetzes gegen die Firma Ho- zeiten der Häuser sowie mehr Informationsan- neywell Specialty Chemicals Seelze GmbH zur gebote vorhanden sein. Durchführung von Detailuntersuchungen im Um- Fazit: Für erheblich weniger Landesgeld soll feld des De-Haën-Platzes rechtmäßig ist. mehr in den Nationalparkeinrichtungen geleistet werden. Zu 2: Ergebnisse der Messungen werden Mitte bis Ende September erwartet. Ich frage die Landesregierung: 1. Wieso werden vor dem Hintergrund der Aus- zeichnung als „Weltnaturerbe“ die Mittel für die Anlage 2 Informationseinrichtungen im Nationalpark Wat- tenmeer erheblich gekürzt, obwohl gleichzeitig Antwort die Anforderungen durch die Auszeichnung Weltnaturerbe, beispielsweise in Hinblick auf des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf den internationalen Tourismus, größer werden? die Frage 4 der Abg. Daniela Behrens (SPD) 2. Warum werden die Ausgaben für die Natio- Hehre Worte, große Anforderungen, wenig nalparkhäuser bei den Kommunen als freiwillige Geld: Vernachlässigt die Landesregierung Leistungen gewertet und bei der Gewährung die Nationalparkeinrichtungen im Weltna- von Bedarfszuweisungen abgezogen, obwohl turerbe Wattenmeer? - Teil I ein Zuwendungsvertrag zwischen Land und Kommune die Finanzierung der Nationalpark- Am 26. Juni wurde das Wattenmeer vom Welt- arbeit regelt? erbe-Komitee zum UNESCO-Weltnaturerbe er- nannt und kann nun im gleichen Atemzug mit 3. Wie will die Landesregierung die Informati- weltberühmten Naturwundern wie dem Great ons- und Beratungsarbeit im Nationalpark Wat- Barrier Reef in Australien, dem Grand Canyon tenmeer stärken und ausbauen, und wann sorgt in den USA, dem Kilimandscharo in Afrika und sie für eine entsprechende finanzielle Ausstat- den Galapagos-Inseln im Pazifischen Ozean tung dieser Arbeit? genannt werden. Diese Auszeichnung wurde bei einem Strandfest in Cuxhaven auch groß Informations- und Bildungsarbeit im Nationalpark durch den niedersächsischen Umweltminister gefeiert. In seiner Pressemitteilung vom 26. Ju- ist nicht neu. Es gibt insgesamt 14 Nationalpark- ni ist zu lesen: „Wie das Beispiel Dresden zei- zentren bzw. Nationalparkhäuser, die mit Mitteln ge, dürfe man den Schutz dieses Welterbes je- aus dem Haushalt des Niedersächsischen Ministe- doch nicht leichtfertig gefährden. Die Aufnahme riums für Umwelt und Klimaschutz unterstützt wer- in die Liste der Welterbe-Stätten der UNESCO bietet vor allem Chancen. Weltweit würde die den. Sie stehen an der Küste und auf den Inseln Anerkennung die Aufmerksamkeit auf das Wat- bereit, um die einheimische Bevölkerung und die tenmeer und das Interesse an einem Besuch Besucher an die Lebenszusammenhänge im Wat- wecken.“ tenmeer heranzuführen.

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Im Jahre 2004 war die Arbeit der vom Umweltmi- bei der Trägerschaft oder sonstigen Zuschüssen nisterium geförderten Einrichtungen vom Nieder- zur Unterhaltung und Betrieb von Nationalparkein- sächsischen Landesrechnungshof geprüft worden. richtungen nicht um eine gesetzliche kommunale Die Einrichtungen waren danach nach einheitli- Aufgabe handelt, ist sie eindeutig dem freiwilligen chen Kriterien zu behandeln. Eine Neuordnung der Bereich zuzuordnen. Finanzierung musste vorgenommen werden. Au- Die in den vergangenen drei Jahren auf das Natio- ßerdem wurde die inhaltliche Arbeit der Häuser nalpark-Haus Dorum-Neufeld in der Samtgemein- und Zentren im Rahmen einer von Ministeriumssei- de Land Wursten durchschnittlich entfallenden te durchgeführten Evaluierung untersucht. Im Er- kommunalen Zuschüsse beliefen sich auf jährlich gebnis beträgt der Landeszuschuss seitdem bei rund 25 000 Euro und wären damit für sich gese- anerkannten Informationszentren maximal hen auch in einem Bedarfszuweisungsverfahren 145 000 Euro pro Jahr und bei Informationshäu- der Höhe nach akzeptabel. Diese Zuschüsse sind sern maximal 55 000 Euro im Jahr. nicht explizit auf die Höhe der zu gewährenden Zwischen den Trägern der Einrichtungen und der Bedarfszuweisung angerechnet worden. Nationalparkverwaltung bestehen Zuwendungs- Allerdings ergab sich im Bewilligungsverfahren vereinbarungen, die die Zuschüsse bis Ende 2011 2008 ein freiwilliger Gesamtzuschuss im Samtge- und in einem Fall bis Ende 2012 absichern. Ledig- meindebereich Land Wursten in Höhe von insge- lich beim Nationalparkhaus Dorum-Neufeld in der samt 846 000 Euro. Ein solches Ausgabenniveau Samtgemeinde Land Wursten läuft die bisherige ist angesichts eines jährlichen durchschnittlichen Vereinbarung bereits Ende 2010 ab, sodass der- Defizits von 3,1 Millionen Euro in der Samtgemein- zeit Verhandlungen über einen einjährigen Neuab- de als nicht akzeptabel zu bezeichnen und hat in schluss mit einer Zuwendungshöhe von der Konsequenz - auch weil sich die Gemeinde 55 000 Euro geführt werden. geweigert hat, weitergehende Konsolidierungs- Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und maßnahmen zu ergreifen - zu einer Kürzung der Klimaschutz hat damit begonnen, eine erneute Bedarfszuweisung geführt. Evaluierung der Nationalparkzentren und Natio- Zu 3: Es besteht ein besonderes Interesse des nalparkhäuser vorzunehmen, die 2010 abge- Landes an gut ausgestatteten und funktionsfähi- schlossen sein wird. Hierbei werden auch die In- gen Informationseinrichtungen im Nationalpark formations- und Bildungsaufgaben im Hinblick auf Wattenmeer. Auf der Grundlage der bis spätestens das Weltnaturerbe betrachtet werden. Mitte 2010 abgeschlossenen Evaluierung wird zu Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündli- entscheiden sein, wie die Angebote und die Arbeit che Anfrage namens der Landesregierung wie der Informationseinrichtungen weiterzuentwickeln folgt: sein werden. Das Evaluierungsergebnis kann dann bei den Vertragsverhandlungen für die Ende 2011 Zu 1: Auslaufende Verträge müssen auf der Basis bzw. 2012 neu abzuschließenden längerfristigen der geltenden Förderrichtlinie erneuert werden. Die Verträge berücksichtigt werden. Landesregierung geht davon aus, dass sich in diesem Rahmen die Anforderungen, die sich für die Informations- und Bildungsarbeit aus der Aner- Anlage 3 kennung als Weltnaturerbe ergeben, durch verän- derte Schwerpunktsetzungen realisieren lassen Antwort werden. des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Zu 2: Die Aufwendungen der Bedarfszuweisungs- auf die Frage 5 der Abg. Gabriela König (FDP) kommunen für die Nationalparkhäuser werden Nutzen und Kosten des Flüsterasphalts zwar als freiwillige Leistungen gewertet, aber nicht Ursprünglich wurde offenporiger Asphalt in den generell bei der Gewährung einer Bedarfszuwei- USA als sogenannter Dränasphalt für Deck- sung von dem in Aussicht gestellten Bedarfszu- schichten auf Flugplätzen hergestellt. Das weisungsbetrag abgezogen. Insoweit ist die in der Bestreben war, das Wasser aus der Kontaktzo- Frage 2 getroffene Feststellung falsch. ne Reifen/Fahrbahn fernzuhalten, wobei auf den Start- und Landebahnen der Griffigkeit vor- Als freiwillige Aufgaben werden sämtliche Bereiche rangige Bedeutung zugeordnet war. Die offen- porigen Asphaltdeckschichten wurden weiter- zusammengefasst, die der Kommune nicht durch entwickelt, damit sie aufgrund einer verbesser- Gesetz oder Verordnung auferlegt sind. Da es sich ten Dränage ein noch höheres Maß an Ver-

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kehrssicherheit gewährleisten können. Im Vor- Lärmschutz ein. Des Weiteren wurde einem offen- dergrund stand hier die Vermeidung von Sprüh- porigen Asphalt eine akustische Lebensdauer von fahnen, die die Sicht erheblich beeinträchtigen können. mindestens acht Jahren zugewiesen. Zur Unfall- vermeidung durch OPA wurden bisher keine Aus- Die gestiegenen Forderungen nach lärmmin- dernden Asphaltbelägen im Straßenbau führten sagen getroffen. dann zu einer anderweitigen Nutzung der Er- Zu 2: Ja, die Herstellungskosten einer offenporigen fahrungen, die mit dem Dränasphalt gemacht worden waren. Dieser wurde zu Flüsterasphalt Asphaltdeckschicht sind höher als die Herstel- weiterentwickelt und kann Verkehrslärm bereits lungskosten für z. B. eine Splittmastixdeckschicht an der Entstehungsquelle verhindern oder zu- (SMA). Der Preisunterschied beträgt ca. 30 %. mindest wesentlich dämpfen. Zu 3: Ziel von Unterhaltung und Winterdienst ist Gegen eine grundsätzliche Verwendung des Flüsterasphalts im Straßenbau sprachen in der die ständige Gewährleistung der Verkehrssicher- Vergangenheit zum einen die höheren Kosten, heit der Straße. Materialbedingt erfolgt die Selbst- zum anderen das Argument, dass die Poren reinigung des offenporigen Asphalts durch Sog der des Asphalts schnell verstopfen und der Effekt Reifen im Bereich der Rollspuren. In den Rand- verpufft. und Standstreifen werden Ablagerungen durch Ich frage die Landesregierung: Niederdruckreinigung einschließlich Absaugung 1. Existieren Studien über die tatsächliche beseitigt. Wirksamkeit des Flüsterasphalts in den Berei- chen Lärm- und Unfallvermeidung, und, wenn Durch die offenporige Struktur neigt der OPA zu ja, was sagen diese Studien aus? rascherem Ansetzen von Schnee und Eis, woraus 2. Ist die Verwendung von Flüsterasphalt beim folgende Winterdienstmaßnahmen resultieren: Bau nach wie vor teurer, und, wenn ja, wie groß ist der Preisunterschied? - früheres Ausrücken und Präventivbehandlung mit Flüssigtaumitteln, 3. Inwieweit werden durch Flüsterasphalt be- sondere Ansprüche an Pflege und Unterhalt der - erhöhte Fahrtenanzahl der Streudienste. jeweiligen Streckenabschnitte entstehen? Darüber hinaus ist der OPA anfälliger gegen me- Die Forschung im Bereich der Straßenbautechnik chanische Beschädigung z. B. beim Lösen der ist ein kontinuierlicher Prozess. Ein wichtiges Krite- Lauffläche eines Lkw-Reifens und dem anschlie- rium ist der Nachweis der Bewährung in Form von ßenden Ausrollen auf den Felgen. Versuchs- und Erprobungsstrecken. Seit etwa 20 Jahren gibt es in Deutschland Erfahrungen mit Strecken, die in offenporigen Asphaltbauweisen Anlage 4 (OPA) ausgeführt sind. In den vergangenen Jah- ren wurde dazu eine Vielzahl von wissenschaftli- Antwort chen Studien erarbeitet. Die Ergebnisse aller Stu- des Kultusministeriums auf die Frage 6 der Abg. dien wurden in Statuspapieren der Bundesanstalt Ina Korter (GRÜNE) für Straßenwesen (BASt) und in Merkblättern der Zögerlicher Ausbau der Schulen in Nieder- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Ver- sachsen zu Ganztagsschulen kehrswesen (FGSV) ausgewertet und veröffent- licht. Letztlich wurde am 1. Januar 2009 durch das Einem Bericht des Handelsblattes vom 3. Au- gust 2009 zufolge haben die Bundesländer von Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- den Fördergeldern der Bundesregierung für den entwicklung (BMVBS) der einlagige offenporige Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen noch Asphalt zur Regelbauweise nach ZTV Asphalt. immer 400 Millionen Euro nicht abgerufen, ob- wohl dieses ursprünglich für die Zeit von 2003 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen bis 2007 aufgelegte Programm bereits um ein namens der Landesregierung wie folgt: Jahr verlängert wurde. Nach Angaben des Handelsblattes kommt neben Nordrhein-West- Zu 1: Erkenntnisse aus der Forschung werden in falen, Hessen und Bayern insbesondere auch Allgemeine Rundschreiben (ARS) des Bundes Niedersachsen bei der Verwendung der För- dermittel der Bundesregierung besonders lang- eingearbeitet und sind von den Ländern für Bun- sam voran. desfernstraßen anzuwenden. So flossen die For- Ich frage die Landesregierung: schungsergebnisse mit Einführung durch das BMVBS als Fahrbahnoberflächen-Korrekturwert 1. Welcher Anteil der für Niedersachsen vorge- (D ) von -5 dB(A) für einschichtige offenporige sehenen Fördermittel in Höhe von insgesamt StrO 394 617 429 Euro aus dem Investitionspro- Asphaltdeckschichten in die Richtlinien für den

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gramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ zum als ein Drittel an Fördergeld zu bewilligen, Bremen Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen ist bis weniger als ein Zehntel der Summe, die in Nieder- heute nicht abgerufen und abgeflossen? sachsen zur Verfügung stand. 2. Was sind die Gründe für den verzögerten Ab- fluss dieser Fördermittel des Bundes nach Nie- Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der dersachsen? Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie 3. Bis wann wird die Landesregierung die Mittel folgt: aus dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ vollständig verwendet haben? Zu 1.: Mit Stand vom 18. August 2009 sind aus Niedersachsen rund 31,2 Millionen Euro (=7,9 %) Zum Schuljahresbeginn 2009/2010 wurden in Nie- noch nicht beim Bund abgerufen worden. dersachsen 223 neue Ganztagsschulen aller Schulformen genehmigt. Eine derart große Anzahl Zu 2: Die Schulträger entscheiden nach der Bewil- von Antragstellern hat es zuvor noch in keinem ligung des Geldes durch das Land für jede Maß- Genehmigungsverfahren gegeben. Damit arbeiten nahme selbst, wann sie die Mittel abrufen. Dabei seit diesem Schuljahr 880 Ganztagsschulen in sind die Mittel entsprechend der seinerzeit ge- Niedersachsen; das entspricht fast einem Drittel schlossenen Verwaltungsvereinbarung entspre- aller öffentlichen allgemeinbildenden Schulen. chend dem jeweiligen Baufortschritt zu buchen und zu bewirtschaften. Bei Bauvorhaben ist es üblich, Über die Hälfte aller Gymnasien und mehr als zwei dass sich die Kosten zum Ende der Maßnahme Drittel aller Hauptschulen halten ganztägige Ange- konzentrieren. Die Schulträger müssen außerdem bote an mindestens drei Nachmittagen für ihre das mit Ablauf des Jahres 2009 unmittelbar bevor- Schülerinnen und Schüler vor. Dies bedeutet, auf stehende Ende der Programmlaufzeit im Blick alle Schulformen bezogen, gegenüber dem Vorjahr haben. einen Ausbau der Ganztagsplätze um über 30 %, gegenüber dem Jahr 2003 fast eine Versechsfa- Zu 3: Das Land Niedersachsen hat die rund chung der Anzahl der Ganztagsschulen in Nieder- 394,6 Millionen Euro, die aus dem IZBB-Programm sachsen. zur Verfügung standen, seit Langem in vollem Umfang verplant und zu über 99 % bereits bewil- Auch zum nächsten Schuljahr werden weitere ligt. Die gesamte Fördersumme wird an die Schul- Ganztagsschulen aller Schulformen genehmigt träger weitergeleitet sein, sobald die letzten beiden werden, um das flächendeckende Angebot, das Maßnahmen in Kürze bewilligt sind. Sofern die niedersächsische Schulen von der Küste bis zum Schulträger, wie in der Antwort zu Frage 2 geschil- Harz vorhalten, weiter auszubauen. Über die dafür dert, die Mittel fristgerecht abrufen, wird die ge- vonseiten des Landes vorgesehenen Mittel wird im samte Fördersumme bis zum Ende des Jahres Rahmen der Haushaltsberatungen entschieden 2009 verwendet sein. werden.

Bei der Förderung von Maßnahmen im Rahmen des Investitionsprogramms „Zukunft Bildung und Anlage 5 Betreuung“ (IZBB) hat das Land Niedersachsen Antwort seine Aufgaben erfüllt. Die für das Land zur Verfü- gung stehenden rund 394,6 Millionen Euro sind des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf seit Langem in voller Höhe verplant, und damit die Frage 7 der Abg. Ursula Weisser-Roelle (LIN- sind über 99 % aller beantragten Projekte bereits KE) bewilligt! Dies entspricht 426 der insgesamt 428 in Kommunalaufsicht und Steuergeldver- Niedersachsen geförderten Neubau-, Umbau- oder schwendung in Hameln Ausstattungsmaßnahmen an Ganztagsschulen. Der Landkreis Hameln-Pyrmont und insbeson- Die letzten beiden noch offenen Vorhaben stehen dere die Stadt Hameln stehen mit Großprojek- unmittelbar vor der Bewilligung. ten, die Steuermillionen verschlingen, vermehrt in der öffentlichen Kritik. Gemeinsam mit dem Die Bundesländer Bremen und Thüringen, die in niedersächsischen Wirtschaftsministerium ha- der Presseberichterstattung vom Schuljahresbe- ben die kommunal Verantwortlichen im Land- kreis Hameln-Pyrmont rund 8 Millionen Euro ginn als Vorbild angeführt wurden, weil sie als Fördergelder für das mittlerweile gescheiterte einzige ihre Mittel bereits zu 100 % abgerufen Projekt „Erlebniswelt Weserrenaissance“ hätten, können mit Niedersachsen und den ande- (EWR) nicht zweckentsprechend eingesetzt. ren Flächenländern in Deutschland nicht vergli- chen werden. Das Land Thüringen hatte weniger

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Einen 9,8 Millionen Euro großen Fördertopf 3. Mit welchen Finanzvolumina wurden in den stellten die EU, der Bund und das Land für das letzten fünf Jahren die Feierlichkeiten zum Tag Projekt, das bisher weit mehr als die anfangs der Niedersachsen durch öffentliche Gelder veranschlagten 14 Millionen Euro kostet, zur (aufgeteilt nach Haushaltsmitteln/Zuschüssen Verfügung. Allein 6,5 Millionen Euro wurden in des Landes, der Landkreise und der veranstal- das Hochzeitshaus in Hameln investiert, wel- tenden Städte) finanziert? ches zum Zentrum der Erlebniswelt werden sollte. Das mittlerweile seit Jahren geschlosse- Die Aufgabe der Kommunalaufsicht besteht (ge- ne historische Gebäude - mitten in der Fußgän- mäß § 127 Abs. 1 NGO) darin, die Gemeinden in gerzone Hamelns gelegen - kann anscheinend ihren Rechten zu schützen und die Erfüllung ihrer nur mit dem Einsatz von weiteren 2,5 Millionen Euro für eine noch unbekannte Folgenutzung Pflichten zu sichern. Die Kommunalaufsicht hat gebrauchsfertig gemacht werden. sicherzustellen, dass die Gemeinden die geltenden Gesetze beachten. Dabei soll die Aufsicht so ge- Parallel dazu plant die Stadtverwaltung Hameln handhabt werden, dass die Entschlusskraft und die derzeit die Erneuerung der Fußgängerzone rund um dieses leerstehende Hochzeitshaus. Verantwortungsfreude nicht beeinträchtigt werden. Dafür ist ein Finanzrahmen von bis zu 6 Millio- Die gesetzliche Zweckbestimmung der Aufsicht nen Euro veranschlagt. Berechnungen von Ex- berücksichtigt damit, dass die verfassungsrechtlich perten zufolge wird das Kostenvolumen aller gewährleistete „eigene Verantwortung“ der Ge- Voraussicht noch deutlich darüber liegen. Es werden Gesamtkosten von 8 bis 9 Millionen Eu- meinde (Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes, ro befürchtet. Auch hier sollen EU-Fördergelder Artikel 57 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfas- mit Zuschüssen vom Landkreis in Höhe von sung) Spielräume eröffnet, die von der Aufsicht mehr als 2,5 Millionen Euro verwandt werden. nicht strikt reduziert werden sollen. Daher ist es Die Sinnhaftigkeit dieses Fußgängerzonenpro- der Kommunalaufsicht verwehrt, das Handeln der jektes ist in der Stadt Hameln stark umstritten. Gemeinden in ihren eigenen Angelegenheiten So votierten in einem Bürgerentscheid 11 316 daraufhin zu überprüfen, ob es zweckmäßig ist. Bürger und Bürgerinnen (81,29 %) gegen die Die Gemeinde entscheidet in eigener Verantwor- Pläne und nur 2 604 (18,70 %) dafür. Die Rechtswirksamkeit des Bürgerentscheides tung, welche Maßnahmen sie für notwendig oder scheiterte, weil 412 Stimmen, die das Bauvor- sinnvoll erachtet. haben ablehnen, fehlten. Im Genehmigungsverfahren bezüglich der Haus- Die Aufsichtsbehörde im niedersächsischen In- haltssatzung wird von der Kommunalaufsicht die nenministerium kritisierte im Mai 2009 einen Fehlbedarf im städtischen Etat 2009 von insge- dauernde finanzielle Leistungsfähigkeit der Kom- samt 7,5 Millionen Euro und forderte eine Haus- mune geprüft und daran der Umfang der Geneh- haltskonsolidierung. Laut Mitteilung der Hamel- migung der Gesamtbeträge der Kreditaufnahmen ner Oberbürgermeisterin vom Juli 2009 geht und Verpflichtungsermächtigungen ausgerichtet. diese von einem Fehlbetrag in 20 Millionen Eu- ro für das Jahr 2010 aus. Trotz dieses bereits Mit der Genehmigung werden ausschließlich die fehlenden Geldes wird von der Stadtverwaltung finanziellen Rahmenbedingungen für die Gesamt- an der Sanierung der Hamelner Fußgängerzo- heit der Investitionsvorhaben gestaltet. Innerhalb ne festgehalten. dieses Rahmens entscheiden die jeweils zuständi-

Hinzu kommt, dass anlässlich des Tages der gen Organe der Kommune in eigener Verantwor- Niedersachsen und der 750-Jahrfeier des Rat- tung, welche Investitionen getätigt werden sollen. tenfänger-Jubiläums 2009 allein die Stadtver- Es ist der Kommunalaufsicht aufgrund der Ausge- waltung Hameln mehr als 580 000 Euro in die staltung als reine Rechtsaufsicht nicht gestattet, Durchführung der Feierlichkeiten investierte. Die konkreten Gesamtkosten sind unbekannt. die Zweckmäßigkeit der einzelnen Maßnahmen oder die Prioritätensetzung der von der Kommune Ich frage die Landesregierung: geplanten Investitionsmaßnahmen zu überprüfen.

1. Wie wird das gescheiterte Projekt „Erlebnis- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündli- welt Weserrenaissance“ im Nachhinein aufbe- che Anfrage namens der Landesregierung wie reitet und bezüglich der Fehler analysiert? folgt: 2. Inwieweit gedenkt die Landesregierung als Aufsichtsbehörde über die Stadt Hameln auf Zu 1: Die aus der Analyse der Entwicklung der das von der EU geförderte Projekt „Sanierung EWR gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen der Fußgängerzone“ in Anbetracht der oben haben in die Beratung von Antragstellern und in beschriebenen finanziellen Verhältnisse und die Förderpraxis des Landes Eingang gefunden. der fehlenden Akzeptanz in der Bevölkerung Einfluss zu nehmen? Um landesseitig das Scheitern eines Förderprojek- tes weitestgehend ausschließen zu können, wur-

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den im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministe- den in den vergangenen Jahren folgende Finanz- rium seitens der NBank folgende Vorkehrungen mittel verausgabt: getroffen: Finanzvolumina „Tag der Niedersachsen“ in den Jahren 2005 bis - Durch die Anwendung der zu Beginn der Förder- 2009 periode 2007 bis 2013 eingeführten Qualitätskri- Ausrichter- Jahr stadt Anteil Land Anteil Anteil terien für die Bewertung von Anträgen erfolgen eine objektivere und systematischere Beurteilung Ausrichter- Niedersachsen stadt Landkreis und Bewertung von Förderanträgen.

- Mit der Bündelung der Beratung von Infrastruk- 2005 Wolfsburg 55 816,00 € 85 000,00 € - turprojekten in einer Organisationseinheit der 2006 Melle 50 000,00 € 200 000,00 € - NBank wurde ein besonderes Expertenwissen für 2007 Cuxhaven 20 000,00 € 260 000,00 € 30 000,00 € die Bewertung von Machbarkeitsstudien, Wirt- 2008 Winsen 39 898,00 € 150 000,00 € 20 000,00 € schaftlichkeitsberechnungen und Umsetzungs- voraussetzungen etabliert. 2009 Hameln 36 763,00 € *1) 50 000,00 € *1) Eine Endabrechnung seitens der Stadt Hameln ist noch - Wird eigens für die Trägerschaft eines Touris- nicht erfolgt, da noch nicht alle Rechnungen vorliegen. musprojektes eine GmbH gegründet, erfolgt im Vorfeld der Förderung eine Verhandlung über ei- Anlage 6 ne angemessene Haftungsbeteiligung der An- tragsteller, z. B. in Form von Ausfallbürgschaften. Antwort - Bei Großprojekten werden jährliche Vorortkon- des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf trollen durch die NBank vorgenommen. die Frage 8 des Abg. Jens Nacke (CDU) Zu 2.: Für die „Sanierung der Fußgängerzone“ sind 2009 - Jahr der Astronomie - Lichtver- im Haushaltsplan 2009 der Stadt Hameln Ausga- schmutzung reduzieren! bemittel veranschlagt und Verpflichtungsermächti- Anlässlich des Internationalen Jahres der As- gungen für in den Folgejahren zu leistenden Aus- tronomie ist die Beobachtung des Sternenhim- gaben ausgebracht worden. Die in der Haushalts- mels stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Jedoch behindert die Beeinträchtigung satzung festgesetzten Höchstbeträge der Kredit- des natürlichen Lichts durch künstliche Licht- aufnahmen und der Verpflichtungsermächtigungen quellen (Lichtverschmutzung) den freien An- sind uneingeschränkt genehmigt worden. Die blick gerade in Ballungsräumen und erfordert haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Mobilität in ländliche Gebiete, damit Interessier- te ungehindert den bestirnten Himmel betrach- Durchführung dieser Investitionsmaßnahme liegen ten können. Sind bei dunklem Himmel noch damit vor. Wie eingangs dargestellt, fand eine 3 000 bis 4 000 Sterne zu sehen, so sind in hel- Einzelfallbetrachtung der Maßnahme nicht statt. len Städten kaum mehr als 100 zu erkennen. Nach oben gelenktes Licht wird in der Atmo- Da der Bürgerentscheid nicht zustande gekommen sphäre gestreut, sodass sich der Himmelshin- ist, ist der in der Abstimmung offenbarte Bürgerwil- tergrund aufhellt und schwache Sterne und selbst das leuchtende Band der Milchstraße le für die Stadt Hameln nicht bindend. Es steht der nicht mehr sichtbar sind. Spiegel online berich- Stadt Hameln daher im Rahmen ihrer kommunalen tete am 16. August 2009 vom Astronomenkon- Selbstverwaltung frei, zu entscheiden, ob sie die gress in Rio de Janeiro. Die International Astro- Maßnahme durchführen will oder nicht. Da die nomical Union beklagt, dass weltweit 2 Milliar- den Menschen die Milchstraße nicht sehen Durchführung der Sanierung der Fußgängerzone könnten. Sie fordert daher, der Lichtverschmut- nicht gegen geltendes Recht verstößt, ist der zung Einhalt zu gebieten. Selbst helle Sterne Kommunalaufsicht eine Einflussnahme rechtlich verschwinden heute in der Lichtflut der Städte, verwehrt. sodass laut einer Emnid-Umfrage ein Drittel der deutschen Bevölkerung und sogar 44 % der un- Zu 3.: Der Tag der Niedersachsen wird mit Mitteln ter 30-Jährigen die Milchstraße noch nie gese- von Land, Landkreisen und austragenden Städten hen haben. Dabei wäre ein erheblicher Teil der Verschmutzung durch künstliches Licht ohne sowie durch Sponsorengelder unterstützt und vor negative Folgen für die Gemeinschaft, z B. hin- allem durch ehrenamtliches Engagement jedes sichtlich der Verkehrssicherheit, vermeidbar. Jahr möglich gemacht. Die Wertschöpfung, also Denn die hauptsächliche Ursache liegt in inef- die Rentierlichkeit der ausgegebenen Finanzmittel, fektiv installierten bzw. schlecht konstruierten Lichtquellen, die unnötig Licht verschwenden ist insbesondere in einer touristisch geprägten und dadurch auch Energie - mit entsprechend

Stadt wie Hameln unbestritten. Im Einzelnen wur- unnötigem CO2-Ausstoß. Ineffektive Straßen-

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beleuchtung trägt bis zu 50 % zur Aufhellung 277-034878) bereits mit der Thematik befasst und des Himmels bei und ist somit eine der Haupt- in der Begründung seiner Beschlussempfehlung quellen für die sogenannten Lichtglocken über den Städten. u. a. ausgeführt, dass eine ernsthafte astronomi- sche Forschung im optischen und im infraroten Die Betrachtung des Sternenhimmels ist ein Wellenlängenbereich in unserem Land nicht mehr kollektives Gut, und das Verstehen der astro- nomischen Zusammenhänge stellt eine der äl- durchgeführt werden kann. testen Kulturleistungen der Menschheit dar. Die Bestimmung der Zeit sowie die Erstellung von Die wichtigen (wissenschaftlichen) Beobachtungs- Kalendern wären ohne ausreichende Sternen- stätten sind daher bereits seit Längerem in geeig- kunde undenkbar gewesen. Die Beobachtung netere Gegenden der Erde mit besseren atmo- der Sterne leistete einen erheblichen Beitrag sphärischen Bedingungen verlagert worden. Dem zum Fortschritt der Menschheit. Sie ermöglichte beispielsweise die Navigation, und unser Wis- Personenkreis der Amateur- und Hobbyastrono- sen vom Kosmos fußt auf ihr. Auch die Entde- men wieder bessere Betätigungsmöglichkeiten zu ckung neuer Kontinente und Länder wäre ohne verschaffen, hieße aber „… Deutschland nachts die Erforschung des Sternenhimmels nicht weitgehend wieder in einen vorindustriellen >Dun- möglich gewesen. Heute liefert die wissen- schaftliche Astronomie einen wichtigen Beitrag kelzustand< zurückzuversetzen“. Nichtsdestotrotz zur physikalischen Grundlagenforschung, da sah der Petitionsausschuss mit Sorge die zuneh- am Himmel Phänomene beobachtet werden mende Aufhellung des nächtlichen Himmels und können, die sich in Laboren nicht nachbilden hat das der Beratung zugrunde liegende Material lassen. Der Astronom Augusto Daminelli wird bei Spiegel online zitiert, dass der Nachthimmel den Fraktionen des Deutschen Bundestages und ein Erbe für die Menschheit sei. den Landesvolksvertretungen zugeleitet, weil es Für viele junge Menschen bietet die Hobby- als Anregung für eine parlamentarische Initiative astronomie einen Zugang zu den Naturwissen- geeignet erschien. Daraufhin hat sich auch der schaften. Deshalb ist der freie Blick auf den Ausschuss für Umweltfragen des Niedersächsi- Himmel auch unter dem Gesichtspunkt von Bil- schen Landtages auf seiner 41. Sitzung am 27. Ja- dungschancen zu bewerten. Die professionelle Astronomie hat sich zum Großteil in einsame nuar 2000 mit der an den Petitionsausschuss des und entlegene Gebiete der Erde wie Wüsten Bundestages gerichteten Eingabe (geführt als und Gebirge begeben oder gar in den Weltraum Eingabe 1617) und der Thematik befasst. zurückgezogen, um ihren Forschungen unge- stört von der Lichtverschmutzung nachgehen Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zu können. Der wissenschaftliche Nachwuchs (BImSchG) kann Licht eine schädliche Umweltein- von morgen hat diese Möglichkeiten des freien Zugangs zum Himmel in der Regel nicht. wirkung verursachen, wenn es nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet ist, Gefahren, erhebliche Ich frage die Landesregierung: Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die 1. Ist der Landesregierung das Problem der Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizufüh- Lichtverschmutzung bekannt? ren. Der Reglungsrahmen des BImSchG zu dieser 2. Wird bei der Förderung von moderner Be- Umwelteinwirkung ist aber begrenzt. So können leuchtung darauf geachtet, dass notwendige nach BImSchG keine Anforderungen an die Be- Anstrahlungen optimal ausgerichtet sind und leuchtung des öffentlichen Straßenraums gestellt die Beleuchtungsstärke sinnvoll dem anzustrah- lenden Material und der Umgebung angepasst werden. Durch den Länderauschuss für Immissi- wird? onsschutz wurden zur Vereinheitlichung der Beur- teilung dazu im Jahr 2000 die „Hinweise zu Mes- 3. Gibt es weitere Projekte der Landesregie- rung, die unter dem Gesichtspunkt Vermeidung sung und Beurteilung von Lichtimmissionen“ erar- von Lichtverschmutzung betrachtet werden beitet, die durch das Niedersächsische Ministerium können? für Umwelt und Klimaschutz zur Anwendung an die Die zunehmende Lichtnutzung in Deutschland und zuständigen Aufsichtsbehörden weitergeleitet wur- den anderen Industrienationen hat ein immer stär- den. Durch diese Regelung sollen Belästigungen keres Streulicht am Nachthimmel zur Folge. Dies durch Lichteinwirkungen vermieden bzw. vermin- hat, wie in der Anfrage dargestellt, zur Folge, dass dert werden. der Nachthimmel insbesondere in den Städten und Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine deren unmittelbarer Umgebung immer schlechter Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: zu beobachten ist. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat sich in seiner 30. Sit- Zu 1: Ja. Seit vielen Jahren wird von der „Internati- zung am 25. März 1999 (Drucksache 14/647) auf- onal Dark-Sky-Association“ das Problem „light grund einer entsprechenden Eingabe (Pet 2-13-18- pollution“ angesprochen. Bei der renommierten

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Wissenschaftszeitschrift National Geographic war Mit der Erneuerung/dem Austausch von Leuchten diese Thematik im letzten Jahr ein Titelthema. Die sowie der Verbesserungen von Steuerung, Rege- Lichtverschmutzung hat neben den Problemen für lung und Management der Straßenbeleuchtung die Astronomie und die Sichtbarkeit des Sternen- wie z. B. Dimmsystem, Leistungsreduzierung und himmels auch weitere Aspekte. Dieses sind die Lichtpunktmanagement wird eine überalterte möglichen Auswirkungen auf die Nachbarschaft, Technik abgelöst. Die neuen Leuchten verringern Flora und Fauna sowie ein unnötiger Energie- auch die Lichtverschmutzung. Durch moderne verbrauch. Spiegeltechnik wird gerichtetes Licht erzeugt, der Beleuchtungswirkungsgrad erhöht und so die Zu 2: Das Thema Lichtverschmutzung bildet, recht- Lichtverschmutzung deutlich verringert. lich gesehen, ein neues Gebiet. Den gesetzlichen Rahmen bilden die Grundlagen aus dem Im Einzelnen geregelt ist die Förderung in der BImSchG, das Bundes-/Landesnaturschutzgesetz Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen und das Baurecht. Im Reglungsbereich des zur Förderung von Maßnahmen zur energieeffi- BImSchG geben die „Hinweise zu Messung und zienten Straßenbeleuchtung, die am 29. Juli 2009 Beurteilung von Lichtimmissionen“ die Beurtei- im Niedersächsischen Ministerialblatt Nr. 30 veröf- lungsgrundsätze und Immissionsrichtwerte für fentlicht wurde. Lichtimmissionen vor. Wenn diese Hinweise zum

Schutz der Nachbarschaft und der Natur umge- setzt werden, wird die unnötige Lichtverschmut- Anlage 7 zung reduziert. Antwort EU-Normen regeln verbindlich die Anforderungen des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration an Beleuchtungsanlagen u. a. auch für die Stra- auf die Frage 9 des Abg. Ralf Borngräber (SPD) ßenbeleuchtung und die Erfüllung der Pflicht der Verkehrssicherheit. Die Qualität der Beleuchtung Räumliche Situation in der Polizeiinspektion Rotenburg von Straßen, Wegen und Plätzen muss laut DIN umso höher sein, je größer das Sicherheitsrisiko Im Rahmen eines Abgeordnetenbesuchs bei für die verschiedenen Verkehrsteilnehmer ist. Die der Polizeiinspektion (PI) Rotenburg sind Kapa- zitäts- und Raumprobleme deutlich geworden. Lichtplanung selber obliegt den Kommunen. Auf So habe ich festgestellt, dass sich vor Ort re- kommunaler Ebene sollte die räumliche Differen- gelmäßig nicht höchstens zwei, sondern sogar zierung stattfinden, an welchen Stellen es auf eine drei Mitarbeiter einen Arbeitsraum teilen müs- besonders gute Erkennbarkeit ankommt, und dort sen. Die Verhältnisse stellen sich als äußerst beengt dar. Als Beispiel sei an dieser Stelle die gegebenenfalls über einen Einsatz von weißem Situation des kriminaltechnischen Labors ange- Licht für eine verbesserte Lichtwahrnehmung sor- führt. Die PI Rotenburg hat durch die Polizeire- gen. Dieser Aspekt ist somit einer von mehreren form zusätzliche Aufgaben zugewiesen be- Anforderungen, die im Rahmen einer Güterabwä- kommen, die sie bei gleich bleibender Raum- situation erfüllen muss. Die provisorische Au- gung bei der geeigneten Auswahl einer Beleuch- ßenstelle besteht auch nach Einstellung der tungsanlage betrachtet werden müssen. Bei einer Soko „Felix“ weiterhin und ist ein auch nach adäquaten Anwendung könnte mit den heute ver- außen hin sichtbares Zeichen der Raumknapp- fügbaren Lampen und Planungsinstrumenten die heit in der PI Rotenburg. unnötige Lichtverschmutzung reduziert werden. Ich frage die Landesregierung: Zu 3: Im Rahmen des Forschungsverbundes Berlin 1. Teilt die Landesregierung die Beobachtung von bestehenden Kapazitätsproblemen in der e. V. läuft seit Februar 2009 ein entsprechendes PI Rotenburg? Forschungsprojekt bezüglich der Lichtverschmut- zung und der Auswirkung auf die Umwelt. An die- 2. Welche Ausbaupläne unter Einbeziehung der Mittel aus den Konjunkturpaketen sind für die PI sem Forschungsprojekt ist aus Niedersachsen das Rotenburg vorgesehen? Deutsche Primatenzentrum in Göttingen beteiligt. 3. Verfügt die Landesregierung über eine detail- Um die Kommunen in Niedersachsen bei der Mo- lierte Zeitplanung und Priorisierung notwendiger dernisierung ihrer Straßenbeleuchtung zu unter- räumlicher Verbesserungen an den Polizeiin- spektionen im Land, und wie sieht ein mögli- stützen, stellt das Land 1 Million Euro zur Verfü- cher Plan für die PI Rotenburg aus? gung; denn mit energieeffizienten Beleuchtungsan- Die Polizeiinspektion in Rotenburg ist in einer lan- lagen können Städte und Gemeinden erhebliche deseigenen Liegenschaft untergebracht. Ergän- Stromkosten für die Straßenbeleuchtung sparen. zend dazu sind Teile der Dienststelle in einem

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kleineren, angemieteten Gebäude in der Nähe Maßnahmen für den Polizeibereich enthalten sind. zum Hauptdienstgebäude ausgelagert. Bei einem Im Einzelnen verweise ich hierzu auf meine Ant- anerkannten Raumbedarf von rund 2 700 m² steht wort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten der Polizei in Rotenburg derzeit insgesamt rund Zimmermann aus Juni diesen Jahres (LT- 1 800 m² nutzbare Fläche zur Verfügung. Drs. 16/1406). Maßnahmen für die Polizei in Ro- tenburg sind in den bisherigen Planungen nicht Zu Schaffung einer adäquaten Unterbringung und enthalten, insbesondere da die Entscheidung, ob der Bereitstellung des anerkannten Raumbedarfs eine Baumaßnahme erforderlich ist, noch aussteht. sucht der Landesliegenschaftsfonds derzeit ge- meinsam mit dem Nutzer und der Polizeidirektion Lüneburg nach geeigneten Unterbringungsmög- Anlage 8 lichkeiten. Hierbei werden sowohl die Anmietung von geeigneten Räumlichkeiten als auch die Antwort Schaffung und Nutzung landeseigener Flächen ge- des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, prüft. Allerdings ist - insbesondere angesichts der Verbraucherschutz und Landesentwicklung auf die angespannten Haushaltslage - der Bedarf der Po- Frage 10 des Abg. Jan-Christoph Oetjen (FDP) lizeiinspektion Rotenburg im Kontext zu Unterbrin- gungsbedarfen anderer Polizeidienststellen zu Schädigungen durch die Larven des Draht- bewerten. Dabei finden neben dem Faktor Raum- wurms im Mais bedarf auch weitere Parameter wie z. B. Sicher- Das Ruhen der Zulassung der insektiziden heitsanforderungen oder rechtliche Vorgaben Be- Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide führt derzeit rücksichtigung. zum Anwendungsverbot von Maissaatgut, wel- ches mit den Beizwirkstoffen Clothianidin, Imi- Im Polizeibereich genießen derzeit neben den dacloprid oder Thiamethoxam behandelt ist. Durch das Ruhen der Zulassung steht zurzeit bereits etatisierten Baumaßnahmen in Buchholz, keine ausreichend wirksame Bekämpfungs- Wilhelmshaven und Osnabrück sowie der Koope- möglichkeit gegen die Larven des Drahtwurms rativen Leitstelle in Oldenburg die Kooperativen (Agriotes ssp. L.) zur Verfügung. Leitstellen in Lüneburg und Osnabrück höchste Aufgrund der niedrigen Schadschwelle im Mais, Priorität. Gleiches gilt für ein Neubauvorhaben in der Zunahme von Risikoflächen durch Umbruch Lingen sowie für die Unterbringung des Landes- von Brachen und Grünland und der einge- schränkten Anwendung und Wirksamkeit der kriminalamts an einem zentralen Standort. Mesurolbeizung ist mit gravierenden Scha- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage densauswirkungen auf die niedersächsischen Maisflächen zu rechnen. namens der Landesregierung wie folgt: Ich frage die Landesregierung: Zu 1: Ja. 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesre- Zu 2: Die Festlegung der Verwendung der Mittel gierung über das Ausmaß und die Scha- densauswirkungen des Drahtwurmbefalls auf aus dem Konjunkturpaket sowie auch dem Aufsto- niedersächsischen Maisanbauflächen vor? ckungsprogramm ist bereits abgeschlossen. Ihre Verwendung zur Verbesserung der Unterbringung 2. Welcher Handlungsbedarf und welche pra- xisorientierten Minderungsstrategien werden der Polizei in Rotenburg ist nicht vorgesehen. Al- von der Landesregierung derzeit, in Ermange- lerdings wird derzeit, unabhängig von den Maß- lung zugelassener und ausreichend wirksamer nahmen des Konjunkturpaktes, nach Möglichkeiten Pflanzenschutzmittel, empfohlen? gesucht, um eine Verbesserung der Unterbringung 3. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse für die Polizei in Rotenburg zu erreichen. darüber vor, wann mit der Wiederzulassung der vorhandenen Neonicotinoide oder der Anwen- Zu 3: Die Maßnahmen der Großen Neu-, Um- und dung alternativer Pflanzenschutzmittel, zum Erweiterungsbauten (GNUE) für die Landespolizei Schutz von Saatgut und Pflanze, zu rechnen ist? sind den Erläuterungen zur Titelgruppe 64/65 bei Kapitel 20 11 - Hochbauangelegenheiten - im Am 12. Februar 2009 hat das BMELV die Verord- Haushaltsplan 2009 zu entnehmen. Daneben hat nung über das Inverkehrbringen und die Aussaat das Ministerium für Inneres, Sport und Integration von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behan- für Baumaßnahmen, die aufgrund der erwarteten deltem Maissaatgut in Kraft gesetzt. Die Verord- Baukosten den Kleinen Neu-, Um- und Erweite- nung enthält ein vollständiges Verbot der Einfuhr rungsbauten (KNUE) zuzurechnen sind, für 2009 und des Inverkehrbringens sowie ein Verbot der eine Prioritätenliste aufgestellt, in der auch die Aussaat von Maissaatgut, das mit den Pflanzen-

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schutzmittelwirkstoffen Clothianidin, Imidacloprid Gemeinden Feggendorf und Rodenberg aus und Thiamethoxam (Gruppe der Neonicotinoide) Mitteln des Konjunkturpaketes II (KP II) beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasser- behandelt wurde. Grund für die Einführung der wirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) Verordnung waren Bienenschäden in Süddeutsch- gestellt. Der NLWKN teilte der Gemeinde mit, land an ca. 11 500 Völkern, die durch die ange- dass der Antrag nicht berücksichtigt werden führten Insektizide bei der Aussaat mit speziellen könne, weil er nicht vor dem 1. Februar 2009 vorgelegen habe. Die Tatsache, dass die För- Aussaatgeräten auftraten. derrichtlinie „Gewährung von Zuwendungen im Rahmen des Konjunkturpakets II - Förder- Maissaatgut, das mit dem Wirkstoff Methiocarb schwerpunkt Hochwasserschutz im Binnenland“ (Mesurol) behandelt wurde, darf nur eingeführt und erst am 11. März 2009 in Kraft getreten ist, be- in Verkehr gebracht werden, wenn ein bestimmter rücksichtigt der NLWKN nicht. Die Richtlinie le- Grenzwert für den Abrieb nicht überschritten wird. ge in Nr. 7.3 fest, erläuterte der Landesbetrieb, dass „auf der Grundlage der bereits vorliegen- Die Aussaat von mit Methiocarb behandeltem den Anträge zur Umsetzung des Rahmenplans Saatgut kann durch Einsatz abtriftmindernder Ge- der Gemeinschaftsaufgabe (GA) ‚Verbesserung rätetechnik erfolgen. der Agrarstruktur und des Küstenschutzes’ vom NLWKN entschieden werde. Für die drahtwurmwirksamen Wirkstoffe Clothiani- Damit werden nur solche Vorhaben durch KP- din, Imidacloprid und Thiamethoxam sieht die Ver- II-Mittel unterstützt, die ohnehin in den langjäh- ordnung lediglich eine Ausnahme für Versuchs- rigen Planungen zur Umsetzung der GA - Teil: zwecke vor. Ansonsten gilt das Aussaatverbot. Hochwasserschutz im Binnenland - vorgesehen Den Landwirten werden Beratungshinweise gege- sind und bereits in der Mitteleinplanung für 2009 vorgesehen waren. Offensichtlich hat das ben, wie sie den Befall mit Drahtwurm mindern Umweltministerium nicht beabsichtigt, neue An- können. Probleme ergeben sich dabei nicht nur träge zu berücksichtigen. Anders ist nicht er- durch umgebrochenes Grünland, sondern auch bei klärbar, dass eine Förderrichtlinie am 11. März einer erneuten Bewirtschaftung nach Stilllegung. 2009 in Kraft tritt und eine Antragstellung über- haupt nicht mehr möglich sein soll. Im Text der Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Förderrichtlinie wird nicht festgelegt, dass ein Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Antrag bereits vor dem 1. Februar 2009 gestellt sein muss.

Zu 1: Für 2009 wird von ca. 30 000 ha durch den Die Entscheidung des NLWKN, den Antrag der Drahtwurm geschädigter Fläche ausgegangen, Gemeinde nur mit der Begründung abzulehnen, wobei rund ein Drittel Starkbefall von mehr als er sei verspätet eingereicht worden und das 25 % aufweist. Bau- und Finanzierungsprogramm sei bereits am 1. Februar 2009 aufgestellt worden, trägt Zu 2: Außer einem Verzicht auf den Maisanbau auf nach Auffassung von Beobachtern Züge von Willkür. Nicht einmal eine Aussage darüber, ob bekannten Befallsflächen gibt es momentan keine die in Rodenberg vorgesehenen Maßnahmen wirksamen Minderungsmaßnahmen. die Kriterien der Förderung im Rahmen der GA „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küs- Zu 3: Es wird erwartet, dass die vorhandenen Ne- tenschutzes“ erfüllen und damit grundsätzlich onicotinoide keine Zulassung mehr erhalten. Wei- förderungsfähig wären, habe der NLWKN für tere Wirkstoffe werden zurzeit geprüft. Mit einer nötig gehalten. Zulassung dieser Pflanzenschutzmittel ist nicht vor Für die beiden Hochwasserschutzprojekte, für 2011 zu rechnen. die die Samtgemeinde Rodenberg Fördermittel beantragt hat, liegen die entsprechenden Ge- nehmigungen vor, sie sind baureif, die Leistun- gen könnten sofort ausgeschrieben werden. Die Anlage 9 Ziele des Konjunkturpakets II, die regionale Wirtschaft kurzfristig durch Aufträge der öffent- Antwort lichen Hand zu stärken und Arbeitsplätze abzu- sichern, können mit den Projekten erreicht wer- des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf den, und eine Unterstützung mit Mitteln des die Frage 11 der Abg. Ursula Helmhold (GRÜNE) KP II ist damit von der Sache her gerechtfertigt.

Unklare Förderbedingungen als Grundlage Ich frage die Landesregierung: für die Vergabe von Mitteln des Konjunktur- paketes II für Maßnahmen des Hochwasser- 1. Wie erklärt die Landesregierung, dass bei schutzes durch das Umweltministerium? der Vergabe von Fördermitteln aus dem Kon- junkturpaket II für Hochwasserschutzmaßnah- Die Samtgemeinde Rodenberg im Landkreis men im Binnenland nur Anträge berücksichtigt Schaumburg hat am 24. Februar 2009 einen werden sollen, die vor dem 1. Februar 2009 ge- Antrag auf Förderung von Hochwasserschutz- stellt worden sind, obwohl ein Datum für den maßnahmen an der Rodenberger Aue in den Antragsschluss weder in der Förderrichtlinie

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konkret festgelegt ist noch möglichen An- gramm, sodass für beide Programme grundsätzlich tragstellern bekannt war? die gleichen formalen Voraussetzungen gelten. 2. Welche weiteren Anträge auf Förderung von Eine Angleichung der Voraussetzungen war auch Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwas- vor dem Hintergrund angezeigt, dass die Maß- serschutzes im Binnenland sind beim NLWKN nahmeträger intern ihre Planungen - sowohl ge- oder beim Umweltministerium seit dem 1. Fe- bruar 2009 eingegangen, und mit welchen Be- nehmigungsrechtlich als auch finanztechnisch - auf gründungen wurde eine Förderung abgelehnt der Basis des bestehenden, langjährigen Pro- bzw. zugesagt? gramms aufgebaut haben. 3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregie- In das Konjunkturprogramm wurden Maßnahmen rung, Maßnahmen zur Verbesserung des Hoch- wasserschutzes mit KP-II-Mitteln zu fördern, die aufgenommen, die zum einen die Voraussetzun- wie im Fall Rodenberg kurzfristig und damit im gen - insbesondere der Nr. 7.3 - der neuen Förder- Sinne der Ziele des KP II umsetzbar sind, ob- richtlinie entsprachen und zum anderen aufgrund wohl sie bisher nicht in das langfristige Bau- des Planungs- und Genehmigungsstandes kurz- und Finanzierungsprogramm des Landes auf- genommen sind? fristig umsetzbar waren. Die Projekte sind nicht Bestandteil des Bau- und Finanzierungspro- Das Land fördert seit Jahren aus Mitteln der Ge- gramms 2009 im Hochwasserschutz geworden, meinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar- sondern werden zusätzlich realisiert. Die Identifi- struktur und des Küstenschutzes“ (GAK) Maßnah- zierung potenzieller Maßnahmen für das Konjunk- men im Bereich des Hochwasserschutzes im Rah- turprogramm erfolgte im Rahmen der von den men eines Bau- und Finanzierungsprogramms. Maßnahmeträgern beim Niedersächsischen Lan- Grundlage für die Zuwendungen ist die Richtlinie desbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Na- über die Gewährung von Zuwendungen zur Förde- turschutz (NLWKN) für die Einplanungsbespre- rung von Maßnahmen des Hochwasserschutzes chung zum Bau- und Finanzierungsprogramm im Binnenland in den Ländern Niedersachsen und Anfang Februar 2009 vorgelegten Anträge. Diese Bremen. Vorgehensweise ist in der Ziffer 7.3 der Förder- Im Rahmen des Konjunkturpaketes II wurden zu- richtlinie zum Konjunkturprogramm abgebildet und sätzliche Haushaltsmittel für den kommunalen hat sich bewährt. Von „unklaren Förderbedingun- Förderschwerpunkt „Hochwasserschutz im Binnen- gen“ - wie in der Anfrage suggeriert - kann daher land“ (insgesamt 7,0 Millionen Euro für 2009 und keine Rede sein. 2010) und für Landesmaßnahmen „Maßnahmen Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine zur Verbesserung des Hochwasserschutzes im Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Binnenland“ (insgesamt 3,0 Millionen Euro für 2009 und 2010) zur Verfügung gestellt. Zu 1: Hierzu wird auf die Ausführungen in den Vorbemerkungen verwiesen. Aufgrund der Vorgaben aus dem Konjunkturpaket Zu 2: Insgesamt sind beim NLWKN und beim MU kamen somit nur Maßnahmen in Betracht, die über die im Konjunkturpaket II berücksichtigten - aufgrund der Planungs- und Genehmigungsreife Maßnahmen hinaus rund 20 weitere schriftliche kurzfristig in 2009/2010 umsetzbar sind, Anträge auf Förderung aus dem Konjunkturpaket II eingegangen. Daneben gab es eine Reihe von - nachhaltig sind, da sie dazu beitragen, volkswirt- telefonischen Anfragen - vorwiegend beim schaftliche Schäden durch Hochwasser zu ver- NLWKN. Die Ablehnung erfolgte aufgrund der meiden, geltenden Förderrichtlinie - insbesondere der Nrn. 2 und 7.3 der v. g. Richtlinie. - zur Stärkung der gemeindlichen Infrastrukturen, Zu 3: Im Rahmen des Konjunkturpaketes II wurden insbesondere in strukturschwachen Gebieten den Kommunen Investitionspauschalen zur Verfü- führen. gung gestellt, mit denen auch Maßnahmen des Von daher sollte die Abwicklung der Maßnahmen Hochwasserschutzes finanziert werden können. aus dem Konjunkturpaket II in enger Anlehnung an Zudem bleibt es den Maßnahmeträgern unbe- das langjährig bewährte Bau- und Finanzierungs- nommen, sich mit ihren Maßnahmen - sofern die programm erfolgen. Aus diesem Grund basiert die Voraussetzungen vorliegen - in die Bau- und Fi- neu erarbeitete Förderrichtlinie zur Umsetzung des nanzierungsprogramme nachfolgender Jahre ein- Konjunkturpakets vom 11. März 2009 auf der För- zubringen. derrichtlinie für das Bau- und Finanzierungspro-

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2. Welche Konsequenzen wird die Landesregie- rung aus der Feststellung im Prüfbericht ziehen, Anlage 10 wonach einige Hochschulen fehlende Mittel zur Finanzierung von Investitionen durch Mittel für Antwort die Lehre und anderer laufender Aufwendungen ausgeglichen haben? des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf die Frage 12 der Abg. Dr. Gabriele Andretta, Da- 3. Wie gehen die Ergebnisse der von der Lan- desregierung durchgeführten Analyse der Jah- niela Behrens, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möh- resabschlussprüfungsberichte 2007 und 2008 le, Jutta Rübke, Stefan Schostok und Wolfgang in die vom Land in Aussicht gestellte Verlänge- Wulf (SPD) rung des Zukunftsvertrags, mit der damit ver- bundenen Festschreibung des Mittelbedarfs der Wird die Landesregierung eine ordnungs- Hochschulen über das Jahr 2010, ein? gemäße Beratung des Haushalts 2010 si- cherstellen? Die Hochschulen des Landes werden seit dem Im Mai wurde dem Landtag gemäß § 97 LHO Jahr 2001 als Landesbetriebe gemäß § 26 LHO der Jahresbericht des Niedersächsischen Lan- geführt. Dies führte zu einem Wechsel vom kame- desrechnungshofs 2009 zur Haushalts- und ralistischen zum kaufmännischen Rechnungswe- Wirtschaftsführung - Bemerkungen und Denk- sen. Mit Wirkung vom 1. Januar 2003 überführte schrift zur Haushaltsrechnung des Landes Nie- dersachsen für das Haushaltsjahr 2007 - vorge- die Landesregierung zudem fünf Hochschulen auf legt. Im Bericht wird kritisiert, dass die Hoch- deren Antrag in die Trägerschaft von Stiftungen schulen die im Niedersächsischen Hochschul- des öffentlichen Rechts. Für die Rechnungslegung gesetz vorgegebenen handels- und landes- bestimmen die geltenden Regelungen, dass die rechtlichen Bestimmungen zur Erstellung der Jahresabschlüsse überwiegend nicht einhalten. Hochschulen verpflichtet sind, ihren Jahresab- Nach den geltenden Regelungen sind die schluss und den Lagebericht zusammen mit dem Hochschulen verpflichtet, ihren Jahresab- Prüfungsbericht des Abschlussprüfers spätestens schluss und den Lagebericht zusammen mit sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres dem Prüfungsbericht des Abschlussprüfers spätestens sechs Monate nach Ablauf des Ge- dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur vor- schäftsjahres dem Ministerium für Wissenschaft zulegen. und Kultur vorzulegen. Dieser Vorgabe kamen die Hochschulen in der Mehrzahl der Fälle nicht Nach einer der Komplexität des mit der Umstellung nach. Bis Ende letzten Jahres lagen dem Lan- zur kaufmännischen Rechnungslegung verbunde- desrechnungshof für das Geschäftsjahr 2007 nen Paradigmenwechsels geschuldeten Über- von den insgesamt siebzehn geprüften Hoch- schulen lediglich drei testierte Jahresabschlüs- gangsphase und notwendigen Abstimmungen mit se vor. Für die Geschäftsjahre 2006 standen den Hochschulen, Wirtschaftsprüfern und anderen acht und für 2005 zwei testierte Jahresab- Ressorts hat es Verzögerungen in der Vorlage der schlüsse aus. Jahresabschlüsse gegeben. Ein Grund für die Die Jahresabschlüsse dienen dem Zweck, dass Verzögerungen liegt darin, dass das Ministerium die Hochschulen gegenüber dem Landtag so- für Wissenschaft und Kultur den Wirtschaftsprü- wie der Öffentlichkeit Rechenschaft über die Verwendung der ihnen gewährten Landesmittel fungsgesellschaften aus Gründen der Wirtschaft- abgeben. Schließlich enthalten sie eine Vielzahl lichkeit und Sparsamkeit durch Rahmenvertrag von Informationen, die für die Steuerung und verlängerte Fristen eingeräumt hat, die zu deutlich die Kontrolle der Hochschulen relevant sind. reduzierten Kosten der Wirtschaftsprüfung führen. Darüber hinaus liefern die Jahresabschlüsse die Grundlage für eine sachgerechte Planung Nach Ziffer 4 des derzeit gültigen Rahmenvertra- und Steuerung der finanziellen Ausstattung der ges werden die Prüfungen vornehmlich in der Zeit Hochschulen im Rahmen der Haushaltsbera- vom 1. April bis 30. September eines Jahres von tungen. Ihre Rechenschafts-, Informations- und den Wirtschaftsprüfern durchgeführt. Dieser Rah- Planungsfunktion können die Jahresabschlüsse jedoch nur dann erfüllen, wenn sie innerhalb menvertrag für die Geschäftsjahre 2005 bis 2008 der hochschul- und handelsrechtlichen Zeitvor- wurde im Einvernehmen mit dem LRH abge- gaben erstellt und entsprechend ausgewertet schlossen. werden. Die Kosten für die Jahresabschlussprüfungen ha- Wir fragen die Landesregierung: ben die Hochschulen zu tragen. Die Hochschulen 1. Wie wird sie sicherstellen, dass dem Parla- haben die Finanzmittel mit einem Höchstmaß an ment zur Beratung des Haushaltes 2010 die betriebswirtschaftlicher Effektivität vorrangig zur Jahresabschlüsse aller Hochschulen für die Geschäftsjahre 2007 und 2008 fristgerecht vor- Verbesserung von Forschung und Lehre einzuset- liegen werden? zen. Mit der Vereinbarung zur Möglichkeit der zeit- lich verlagerten Prüfung konnten die Kosten für die

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Jahresabschlussprüfungen für die Hochschulen für nehmen (mit Ausnahme der in Trägerschaft einer die Jahre 2005 bis 2008 minimiert werden, da die Stiftung geführten Hochschulen) enden werden. Wirtschaftsprüfer in den ersten Monaten des Jah- Eine ordnungsgemäße Beratung des Haushalts res durchschnittlich höhere Kostensätze geltend wird, wie auch in den zurückliegenden Jahren, machen. sichergestellt. Es ist beabsichtigt, auch für die Geschäftsjahre Zu 2: Die Hochschulen haben sich gemäß § 1 B 2009 bis 2013 einen Rahmenvertrag abzuschlie- des Zukunftsvertrages verpflichtet, die Verwen- ßen. Mit dem neuen Rahmenvertrag soll die Vorla- dung der zur Verfügung gestellten Finanzhilfen ge der testierten Jahresabschlüsse bis zum und Zuführungen mit einem Höchstmaß an be- 30. Juni des folgenden Geschäftsjahres vertraglich triebswirtschaftlicher Effektivität unter Einbezie- geregelt werden. hung gegebenenfalls notwendiger Rationalisie- Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens rungsmaßnahmen sicherzustellen. der Landesregierung wie folgt beantwortet: Die Hochschulen des Landes Niedersachsen ha- Zu 1: Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur ben sich bei der Bewirtschaftung der Landeszufüh- hat den Hochschulen bereits im Juni 2008 zur rungen haushaltskonform verhalten. Die Verstär- Aktualisierung der Jahresabschlüsse folgenden kung des Investitionstitels zulasten der laufenden Zeitrahmen aufgegeben: Zuführung ist nach 1.5.1.1 der VV zu § 26 LHO sowie per Haushaltsvermerk bei allen Hochschulen - Noch ausstehende testierte Jahresabschlüsse für ausdrücklich zugelassen und sichert den Hoch- das Geschäftsjahr 2005 sind unverzüglich, spä- schulen unter Berücksichtigung der jährlichen Er- testens bis 30. September 2008 vorzulegen. fordernisse die notwendige Flexibilität zur Verwen- - Noch ausstehende testierte Jahresabschlüsse für dung der Einnahmen. das Geschäftsjahr 2006 sind bis zum 31. De- Zu 3: Im Zukunftsvertrag wird für eine mehrjährige zember 2008 vorzulegen. Periode der allgemeine Rahmen für die Finanzhil- - Testierte Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr fen bzw. Zuführungen des Landes an die Hoch- 2007 sind bis zum 30. Juni 2009 vorzulegen. schulen insgesamt beschrieben. Er orientiert sich an den zukünftigen Leistungen der Hochschulen in - Testierte Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr ihrer Gesamtheit. Auf Grundlage dieses Rahmens 2008 sind bis zum 31. Dezember 2009 vorzule- werden die Finanzhilfen bzw. Zuführungen an die gen. einzelnen Hochschulen durch jährliche Haushalts- - Testierte Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr aufstellungsverfahren bestimmt, in denen auch die 2009 sind dann - fristgerecht gemäß Bewirtschaf- Analysen der Jahresabschlussberichtsprüfungen tungsbestimmungen - bis zum 30. Juni 2010 vor- Berücksichtigung finden werden. Dies gilt auch für zulegen. den Zukunftsvertrag II. Hochschulen, die bereits einen Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2006 vorgelegt hatten, wur- Anlage 11 den gebeten, den testierten Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2007 bis zum 31. Dezember Antwort 2008 vorzulegen und ab dem Geschäftsjahr 2008 des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr die Frist nach § 13 der Betriebsanweisung für die auf die Frage 13 der Abg. Gerd Will, Johanne Hochschulen in staatlicher Trägerschaft des Lan- Modder, Olaf Lies, Ronald Schminke, Stefan des Niedersachsen vom 23. Juli 2003 einzuhalten. Schostok und Karin Stief-Kreihe (SPD) Dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur lie- gen inzwischen nahezu alle Jahresabschlüsse bis Was unternimmt die Niedersächsische Lan- zum Geschäftsjahr 2007 vor. desregierung zur Unterstützung der mariti- men Wirtschaft?

Es wird das Ziel angestrebt, den Vorlagetermin Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise 30. Juni 2010 für testierte Jahresabschlüsse für werden von Woche zu Woche deutlicher und das Geschäftsjahr 2009 einzuhalten. Dies gilt auch machen auch vor der maritimen Wirtschaft kei- vor dem Hintergrund, dass mit Abschluss der Prü- nen Halt. Der Einbruch des Welthandels treibt nicht nur die deutschen Werften in die schwers- fungen der Jahresabschlüsse 2008 die Beauftra- te Flaute seit Jahrzehnten, sondern trifft auch gungen der derzeitigen Wirtschaftsprüfungsunter- die deutschen Reeder insbesondere im Contai-

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nergeschäft sehr hart und, daraus folgend, Überkapazitäten auf die ohnehin kaum vorhande- auch die Logistik- und Speditionssparte. ne Nachfrage drücken. Kapazitäten und Bedarf Die schwache Weltkonjunktur hat somit inzwi- klaffen immer weiter auseinander. Der Charterra- schen auch die Schifffahrt und die Häfen voll tenverfall in der Handelsschifffahrt ist deshalb lei- erfasst. Während bei den deutschen Werften der ungebrochen und noch ohne nachhaltige Bes- kaum noch neue Aufträge eingehen, wird welt- weit mit Stornierungen in den nächsten Jahren serungszeichen. Dabei leidet die deutsche, aber von rund 20 % gerechnet. Nach Auskunft des auch die europäische Werftindustrie auch darunter, Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik dass in Fernost durch staatliche Eingriffe die Über- haben deutsche Werften bislang Stornierungen kapazitäten zementiert werden. von 16 % der Aufträge zu beklagen; für die deutschen Werftstandorte eine beängstigende Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Situation. Des Weiteren verhandeln Schiffseig- ner und Reeder zurzeit hart über Preise, Aus- namens der Landesregierung wie folgt: gestaltung der Schiffe und Liefertermine, mit Zu 1: Selbstverständlich ist der Landesregierung unvorstellbaren Konsequenzen für die deut- schen Seeschiffbauern und den Arbeitsmarkt die Situation der betroffenen Unternehmen der insgesamt. maritimen Wirtschaft in Niedersachsen bekannt. Die Umschlagszahlen in den niedersächsischen Auch nimmt die Krise im Containergeschäft be- ängstigende Formen an. So weist der Chef von Häfen sind im ersten Halbjahr um 16 % auf Maersk Line, Eivind Kolding, auf einen Sturz 26,8 Millionen t zurückgegangen. Die Charterraten der Frachtraten um 15 % seit Jahresbeginn hin in der Handelsschifffahrt befinden sich weltweit auf und kündigte den weiteren Abbau von Stellen einem Tiefstand. Die Werften benötigen dringend an. Auch weisen verschiedene norddeutsche Reeder auf die dramatische Situation im Welt- Neubauaufträge. Andere maritime Branchen, wie handel hin und fordern konkrete Hilfeleistungen beispielsweise die Offshorewindindustrie oder der in dieser schweren Krise ein. maritime Tourismus, haben dieser Entwicklung Wir fragen die Landesregierung: getrotzt und weisen auch 2009 positive Entwick- lungen auf. 1. Ist der Landesregierung die dramatische Si- tuation in der maritimen Wirtschaft bekannt, und Das Wirtschaftsministerium und die NBank stehen wie gedenkt sie den betroffenen norddeutschen mit den betroffenen Unternehmen in engem Kon- Unternehmen in der andauernden Krise zu hel- fen? takt, um gerade in schwierigen Situationen zu hel- fen. Darüber hinaus besteht ein ständiger Kontakt 2. Mit welchen Sonderprogrammen plant die zum Bund, um die aktuellen Hilfsmaßnahmen den Landesregierung die maritime Wirtschaft in Niedersachsen zu unterstützen? Erfordernissen der maritimen Wirtschaft anzupas- sen. 3. Wird sie, wie bereits andere Bundesländer auch, aufgrund der geschilderten Situation ih- Zu 2: Die Landesregierung plant keine Sonderpro- ren Bürgschaftsrahmen ausweiten? Wenn ja, in gramme für die maritime Wirtschaft. Die maritime welcher Größenordnung? Wirtschaft kann - genauso wie die anderen Bran- Die maritime Wirtschaft ist eine Schlüsselindustrie chen - die Sonderprogramme des Bundes, die im für Deutschland. Über 90 % des Welthandels wer- Rahmen des Wirtschaftsfonds Deutschland ins den über die hohe See abgewickelt. Als eine der Leben gerufen wurden, in Anspruch nehmen. Bis führenden Exportnationen der Welt hat Deutsch- Ende 2010 stehen hier zinsgünstige Kreditmittel in land ein essentielles Interesse an einer funktionie- Höhe von 40 Milliarden Euro zur Verfügung. Davon renden Transportkette in einer globalisierten Welt. sind 15 Milliarden Euro für mittelständische Unter- Diese Transportkette ist aufgrund der Wirtschafts- nehmen und 25 Milliarden Euro für große Unter- und Finanzkrise gestört. Insbesondere Schiffbau nehmen eingeplant. Die Mittel werden von der KfW und Schifffahrt leiden unter fehlenden Aufträgen, über die Hausbanken vergeben. Die Landesregie- Finanzierungsproblemen und Charterratenverfall. rung unterstützt dies durch das Beratungsangebot der NBank für alle Landes-, Bundes- und EU- Dies hat auch für Niedersachsen ernsthafte Kon- Fördermöglichkeiten. sequenzen: Knapp 7 000 Arbeitsplätze auf den Werften und 6 400 sozialversicherungspflichtig Zu 3: Die Landesregierung hat auf die Finanz- und Beschäftigte an Land und auf See sind gefährdet, Wirtschaftskrise früh reagiert und bereits für den wobei das Maß der Gefährdung zwischen den Haushalt 2009 den Bürgschafts- und Garantierah- einzelnen Werften und Reedereien durchaus un- men des Haushaltsgesetzes um 300 Millionen terschiedlich ist. Ein besonderes Problem liegt Euro aufgestockt. Dieser zusätzliche Betrag ist bei darin, dass im Schiffbau zusätzlich strukturelle Bedarf auch für die maritime Wirtschaft nutzbar.

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Darüber hinaus nutzt die Landesregierung die Die Landesregierung hat sich immer wieder für den Möglichkeiten nach der speziell für die Krisenzeit Erhalt eines wohnortnahen Schulangebots insbe- geschaffenen „Bundeskleinbeihilfenregelung“ und sondere für die Grundschülerinnen und Grund- der „Befristeten Regelung Bürgschaften“. Beide schüler ausgesprochen und alles in ihrer Verant- Regelungen gelten zwar grundsätzlich nur für ge- wortung Stehende dafür getan, auch kleine Grund- sunde Unternehmen, aber darüber hinaus auch für schulen mit dem erforderlichen Personal auszu- solche Unternehmen, die erst nach dem 1. Juli statten. In diesem Zusammenhang sind auch die 2008 aufgrund der Krise in Schwierigkeiten ge- Anrechnungsstunden für Schulleiterinnen und kommen sind. Schulleiter kleiner Schulen erhöht und Möglichkei- ten der Zusammenarbeit mit benachbarten Schu- len in Schulverbünden aufgezeigt worden, um kleine Standorte zu stärken. Anlage 12

Antwort Die Grundschule Berumerfehn ist eine zweizügige Grundschule mit idealen Lernbedingungen. Die des Kultusministeriums auf die Frage 14 des Abg. durchschnittliche Klassenfrequenz lag im letzten Wiard Siebels (SPD) Schuljahr bei weniger als 18 Kindern, und die Was tut die Landesregierung zur Besetzung Schule hatte eine Unterrichtsversorgung von von Schulleiterstellen? 106,4 %.

Im Jahr 2008 hat sich die Gemeinde Großheide durch einen Bürgerentscheid mit überwältigen- Nach längerer Vakanz konnte die Leitungsstelle an der Mehrheit für den Erhalt der Grundschule in der Grundschule Berumerfehn zum 1. August 2008 Berumerfehn ausgesprochen. Vorausgegangen mit einer Lehrkraft aus Nordrhein-Westfalen be- war ein Beschluss des Gemeinderates, die Schule - u. a. wegen der nicht besetzten Schul- setzt werden. Es ist somit nicht richtig, dass die leiterstelle - schließen zu wollen. Die Landesre- Schulleitungsstelle seit eineinhalb Jahren unbe- gierung hat seinerzeit öffentlich erklärt, die setzt geblieben ist. Schließung sei nicht notwendig, die Landesre- gierung wolle die Schule erhalten. Seit dem Bürgerentscheid sind nun rund eineinhalb Jahre Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der vergangen, in denen die Gemeinde ihren Ver- Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie pflichtungen gegenüber der Grundschule Be- folgt: rumerfehn vollumfänglich nachgekommen ist. Nach wie vor ist aber die Schulleiterstelle unbe- setzt, was die Arbeit an der Schule erschwert Zu 1: Siehe Vorbemerkungen! und weitere Planungen der Schule für die Zu- kunft schwierig gestaltet. Zu 2: Nachdem die Rektorin sich nach einjähriger Ich frage die Landesregierung: Tätigkeit auf eigenen Wunsch zur Lehrerin zurück- 1. Wie schätzt sie die Situation in Rede stehen- stufen ließ, um ab 1. August 2009 wieder als Leh- der Grundschulschließungen in Niedersachsen rerin in Nordrhein-Westfalen zu arbeiten, wurde die grundsätzlich ein, und wie bewertet sie speziell Schulleiterstelle im Schulverwaltungsblatt 03/2009 die Situation in Berumerfehn? ausgeschrieben. Da auf diese Ausschreibung kei- 2. Was tut die Landesregierung konkret, um die ne Bewerbung eingegangen war, wurde die Stelle Stelle der Schulleiterin/des Schulleiters wieder im Schulverwaltungsblatt 06/2009 erneut ausge- zu besetzen, bzw. welche Aktivitäten/Pläne lie- schrieben. Da nunmehr eine Bewerbung vorliegt, gen vor, um die Schulversorgung zu sichern? wäre eine Besetzung der freien Stelle bei noch 3. Hat die Landesregierung den Eindruck, dass festzustellender Eignung des Bewerbers zum die unbesetzte Schulleiterstelle in Berumerfehn 1. Februar 2010 möglich. Weitere Bewerbungen in Zusammenhang steht mit den Belastungen liegen zurzeit nicht vor. Die Schule wird vorüber- für die Schulleiter, wie in meinem Brief an die Kultusministerin vom 1. Dezember 2008 ange- gehend kommissarisch vom dienstältesten Lehrer merkt? geleitet. Die Unterrichtsversorgung wird im Rah- men der durchgeführten Neueinstellungsrunde Nach § 101 NSchG gehört es zum eigenen Wir- sichergestellt. kungskreis des Schulträgers, das notwendige Schulangebot und die erforderlichen Schulanlagen Zu 3: Nein. vorzuhalten.

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Anlage 13 pass zeigt auf Zukunft. Wo steht Niedersachsen?“ entstanden, die in wichtigen Politikfeldern eine Antwort aktuelle Standortbestimmung vornimmt. Der Niedersächsischen Staatskanzlei auf die Fra- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage ge 15 des Abg. Hans-Jürgen Klein (GRÜNE) namens der Landesregierung wie folgt: Staatskanzlei-Broschüre „Wo steht Nieder- sachsen?“ bleibt die Antwort schuldig Zu 1: Die Informationsbroschüre nennt die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung geltenden Zahlen Im Juni 2009 verteilte die Niedersächsische Staatskanzlei eine Broschüre mit dem Titel „Wo des aktuellen, vom Landtag beschlossenen Lan- steht Niedersachsen: In stürmischer See - Un- deshaushaltes. Da ausschließlich der Landtag den ser Kompass zeigt auf Zukunft“. Diese Broschü- Haushalt beschließt, bilden allein diese von ihm re steht als Download auf der Webseite der beschlossenen Zahlen die Grundlage für die In- Staatskanzlei und dort ebenfalls als animierte Broschüre zur Verfügung. Im Vorwort weist Mi- formationsbroschüre. nisterpräsident Wulff auf die kontinuierliche Ab- Mehrere konkrete Hinweise im Broschürentext wie senkung der Nettokreditaufnahme hin, und im ersten Kapitel wird unter der Überschrift „Haus- auch in der Grafik zur jährlichen Neuverschuldung halt und Finanzen“ ausgeführt, dass die Lan- weisen darauf hin, dass die Finanz- und Haus- desregierung „am Ziel eines ausgeglichenen haltslage 2009 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Haushalts“ festhält. Das beigefügte Säulendia- unwägbar und die weitere Finanzentwicklung im gramm zum Abbau der Neuverschuldung endet mit der Säule für 2009 und einer Nettokredit- Jahr 2009 nicht absehbar sind. Daher wurde in der aufnahme von 250 Millionen Euro. Eine Fußno- entsprechenden Grafik auch explizit zwischen te weist darauf hin, dass es sich bei den Zahlen tatsächlicher Neuverschuldung in den Jahren 2003 bis 2008 um Istzahlen handele, die Zahl für bis 2008 als „Ist“ und der Neuverschuldung für 2009 eine Planzahl sei. Damit wird jedoch in der Broschüre eine wichtige Information, den 2009 als „Plan“ unterschieden und diese Differen- niedersächsischen Landeshaushalt betreffend, zierung kenntlich gemacht. ausgeblendet, die bereits nach der Mai-Steu- erschätzung offen auf dem Tisch lag und spä- Diese bereits vorhandenen Hinweise hat die testens nach der Haushaltsklausur der Landes- Staatskanzlei im Anschluss an die Haushaltsklau- regierung am 22. und 23. Juni 2009 eine breite- sur des Kabinetts am 3. Juli 2009 in der Online- re Öffentlichkeit erreichte. Die Landesregierung hat demnach ihr zentrales Politikziel der zwei- fssung der Broschüre sofort und selbstverständlich ten Legislaturperiode, die Nettokreditaufnah- um einen erklärenden Verweis auf die Gültigkeit me 0 in 2010, aufgegeben und in das Jahr 2017 des vom Niedersächsischen Landtag beschlosse- verschoben. Außerdem wird die Landesregie- nen Haushalts, auf sein alleiniges Budgetrecht und rung noch in 2009 mit einem dritten Nachtrags- haushaltsplanentwurf die Neuverschuldung auf auf die Ergebnisse der Haushaltsklausur der Lan- 2,3 Milliarden Euro erhöhen. Für 2010 ist eine desregierung ergänzt. Nettokreditaufnahme in gleicher Höhe vorgese- hen. Zu 2: Die Broschüre ist als animierte Onlineveröf- fentlichung unter www.niedersachsen.de und Ich frage die Landesregierung: www.stk.niedersachsen.de für das Internet konzi- 1. Warum gibt die Niedersächsische Staats- piert. Die Kosten für Layout, Erstellung und techni- kanzlei im Juni 2009 eine Broschüre heraus, in sche Umsetzung der Broschüre beliefen sich auf der bei dem zentralen Politikfeld „Haushalt und Finanzen“ lange vorliegende Zahlen und Infor- 6 630 Euro. Darüber hinaus wurden 300 Exempla- mationen nicht aufgenommen wurden? re der Broschüre gedruckt, die an Journalisten und

2. Wie hoch sind Kosten und Auflage dieser an die im Niedersächsischen Landtag vertretenen Broschüre, und an welchen Personenkreis wur- Fraktionen verteilt wurden. Die Druckkosten belie- de sie verteilt? fen sich auf 2 750 Euro. 3. Wie bewertet die Landesregierung den In- Zu 3: Die Staatskanzlei wird sich weiter im Rah- formationsgehalt der Broschüre in der vorlie- men ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf wesentliche genden Form, und gibt es Planungen für eine Überarbeitung im oben beschriebenen Sinne? Informationen für alle Niedersachsen beschränken. Die Regierungsdokumente haben regelmäßig ei- Die Landesregierung hat die Aufgabe, die Bürge- nen hohen und sachlichen Informationsgehalt. rinnen und Bürger und die Medien regelmäßig im Hieran wird sich auch künftig nichts ändern. Auf Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit über die Arbeit die aktuelle Ergänzung in der Onlinefassung im der Landesregierung zu informieren. Im Rahmen Anschluss an die Haushaltsklausur des Kabinetts dieser Öffentlichkeitsarbeit ist auch die Informati- vom 3. Juli 2009 wurde bereits hingewiesen. onsbroschüre „In stürmischer See - Unser Kom-

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Anlage 14 Vorgriff auf die Haushalte 2012 ff. das Land vertraglich mit kommunalen Zuweisungen zu Antwort binden? des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration 2. Wie schätzt die Landesregierung die Umset- auf die Frage 16 der Abg. Hans-Jürgen Klein und zung des Entschuldungsfonds vor dem Hinter- grund der Haushaltslage des Landes in den Ralf Briese (GRÜNE) nächsten Jahren ein?

„Mein Wort gilt“ - Braucht ein Minister 3. Auf der Grundlage welches finanziellen und Schünemann keine Parlamentsbeschlüsse inhaltlichen Konzeptes verhandelt die Landes- mehr? regierung mit den kommunalen Spitzenverbän- den über den „Zukunftsvertrag für starke Kom- Am 25. Juni 2009 berichtete die Nordsee-Zei- munen“? tung über einen Anruf des niedersächsischen Innenministers in der Redaktion, der Irritationen Die Niedersächsische Landesregierung stärkt die in Bezug auf die „Hochzeitsprämie“ ausräumen Leistungsfähigkeit der Kommunen und baut derzeit sollte. Der Innenminister stellte in diesem Tele- fonat klar, dass das Land für die Umwandlung das hierzu erforderliche Instrumentarium aus. In der Samtgemeinde Beverstedt zur Einheitsge- diesem Rahmen werden freiwillige Zusammen- meinde eine Entschuldungshilfe in Höhe von schlüsse von Gemeinden und Landkreisen gezielt 75 % der Kassenkredite übernimmt. Zur Bekräf- gefördert. Bisher wurden Bestrebungen auf kom- tigung versicherte der Innenminister am Tele- fon: „Mein Wort gilt.“ munaler Ebene durch die Finanzierung von beglei- tenden Gutachten sowie durch die Moderation der Damit sollten Irritationen um die Modalitäten der Entschuldungshilfe beendet werden. Noch im Prozesse seitens der Regierungsvertretungen Mai 2009 hatte er im Landtag erklärt, dass fusi- unterstützt. Das Ministerium für Inneres, Sport und onswillige Kommunen durch die Bewilligung ei- Integration verhandelt derzeit mit den kommunalen ner kapitalisierten Bedarfszuweisung aus dem Spitzenverbänden einen „Zukunftsvertrag für star- Bedarfszuweisungskontingent unterstützt wer- den sollen, da diese „in erster Linie der Anpas- ke Kommunen“ mit dem Ziel, die Rahmenbedin- sung unterschiedlicher Verschuldungsgrade gungen für freiwillige Gemeinde- und Kreiszusam- und dem Ausgleich sonstiger finanzieller Här- menschlüsse weiter zu verbessern. Zentraler Be- ten“ dienen soll. Im Juni 2009 erteilte er dann standteil der verbesserten Rahmenbedingungen im Landtag einer kapitalisierten Bedarfszuwei- sung für die Samtgemeinde Beverstedt eine soll - insbesondere zur Unterstützung von kommu- Absage und erläuterte, dass die Landesregie- nalen Fusionsvorhaben - das Instrument einer rung ab 2012 kommunale Fusionsvorhaben mit Entschuldungshilfe für Kommunen sein. Hierfür hat einer Entschuldungshilfe im Rahmen eines Ent- die Landesregierung beschlossen, ab 2012 jährlich schuldungsfonds unterstützen werde, für den Land und kommunale Ebene jeweils 35 Millio- bis zu 35 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, nen Euro zur Verfügung stellen sollen. Die wobei angestrebt wird, dass auch die kommunale Rahmenbedingungen sollen mit den kommuna- Seite den gleichen Betrag in einen gemeinsamen len Spitzenverbänden in einem „Zukunftsver- Entschuldungsfonds einzahlt. Ziel ist es, Gemein- trag für starke Kommunen“ ausgehandelt wer- den. den und Kreise im Rahmen freiwilliger Zusammen- schlüsse zu leistungs- und zukunftsfähigeren Ein- Trotz des oben zitierten „Ministerwortes“ bleibt festzuhalten, dass die Pläne des Innenministers heiten zu entwickeln. nur durch einen Beschluss des Landtages um- Die Landesregierung begrüßt es in diesem Zu- gesetzt werden können. Angesichts der sich abzeichnenden desaströsen Haushaltslage des sammenhang nachdrücklich, dass die Samtge- Landes und der geplanten Neuverschuldung meinde Beverstedt Anstrengungen für eine Um- der schwarz-gelben Landesregierung in Höhe wandlung in eine Einheitsgemeinde mit dem Ziel von 4,6 Milliarden Euro in den Haushaltsjahren der Entschuldung unternimmt. 2009 und 2010 werden alle Ausgabewünsche auf den Prüfstand gestellt. Den ersten Sparbe- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündli- schlüssen der Landesregierung sind bereits die che Anfrage namens der Landesregierung wie Kita-Beitragsfreiheit und der Pensionsfonds zum Opfer gefallen. Darüber hinaus hat der Fi- folgt: nanzminister bereits nach der Kabinettsklausur der Landesregierung im Juni 2009 einen Eck- Zu 1: Die Landesregierung beabsichtigt in Umset- wertebeschluss in 2010 für strukturell haus- zung des oben genannten Beschlusses, der neu- haltsentlastende Maßnahmen angekündigt. gebildeten Einheitsgemeinde Beverstedt bis zu Wir fragen die Landesregierung: 75 % des zum Fusionszeitpunkt aufgelaufenen Gesamtfehlbetrages bzw. der aufgelaufenen Liqui- 1. Welche rechtliche Verbindlichkeit haben Zu- sagen wie die in Beverstedt, und in welchem ditätskredite als Entschuldungshilfe im Rahmen Umfang ist der Innenminister ermächtigt, im eines noch abzuschließenden Vertrages bereitzu-

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stellen. Modalitäten der Auszahlung sind mit einem 3. Wird die Region Lüneburg angesichts seit Vertrag zu klären. Jahren steigender Zahlen der dortigen BISS- Beratungsstelle eine der o. g. Modellregionen Zu 2: Die Landesregierung sieht den Abbau der sein, bzw. bis wann ist mit einer Entscheidung Kassenkredite der Kommunen als eine gemeinsa- über die Auswahl der Modellregionen zu rech- nen? me Daueraufgabe von Landesregierung und Kom- munen an. Der angestrebte Abschluss des „Zu- Die Landesregierung unterstützt von häuslicher kunftsvertrages für starke Kommunen“ zwischen Gewalt betroffene Frauen durch die Förderung der Landesregierung und der Arbeitsgemeinschaft eines flächendeckenden Hilfeangebotes. Im Jahr der kommunalen Spitzenverbände, der eine ge- 2009 stehen für Frauenhäuser, Gewaltberatungs- meinsame Finanzierung der Entschuldungshilfe stellen sowie Beratungs- und Interventionsstellen vorsieht, unterstreicht dies. (BISS) rund 4,1 Millionen Euro zur Verfügung. Zu 3: Ein finanzielles und inhaltliches Konzept wird Im Bereich der Polizeiinspektion Lüneburg/Lü- derzeit in Zusammenarbeit mit den kommunalen chow/Uelzen umfasst das Schutz- und Unterstüt- Spitzenverbänden sowie dem Niedersächsischen zungsangebot für von häuslicher Gewalt bedrohte Finanzministerium auf der Basis des oben genann- Frauen drei Frauenhäuser, drei Gewaltberatungs- ten Beschlusses der Landesregierung erarbeitet. einrichtungen und eine Beratungs- und Interventi- onsstelle gegen häusliche Gewalt (BISS).

Anlage 15 Aufgabe der BISS ist eine Krisenintervention und folglich eine kurzzeitige Beratung, u. a. nach einem Antwort Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt. Wenn des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und darüber hinaus - z. B. im Zuge eines Strafverfah- Gesundheit auf die Frage 17 der Abg. Andrea rens gegen den Täter - eine weitergehende Bera- Schröder-Ehlers (SPD) tung erforderlich oder aufgrund einer Gefährdungs- lage eine anonyme Unterbringung notwendig ist, Interventionsprogramme zur Bekämpfung häuslicher Gewalt - Ignoriert die Landesre- sollen die BISS die Opfer an andere Einrichtungen, gierung die wachsende Zahl an Hilfesu- die hierauf spezialisiert sind, weitervermitteln. Zu chenden in der Region Lüneburg? diesen Einrichtungen zählen die Gewaltberatungs- Die Beratungs- und Interventionsstelle (BISS) einrichtungen und Frauenhäuser. im Landkreis Lüneburg erfährt seit Jahren stei- gende Zahlen Hilfesuchender. Sie belegen, Neben diesen direkten Unterstützungsangeboten dass in Lüneburg ein erheblicher und wachsen- für die Opfer häuslicher Gewalt wird zunehmend der Bedarf für derartige Programme zum Ge- die Notwendigkeit von Täterarbeit deutlich. Gewalt- waltschutzgesetz besteht. Leider konnte die täter müssen für ihre Taten in die Verantwortung Frage der Finanzierung von gewaltpräventiven Maßnahmen insgesamt trotz allseits unbestrit- genommen werden, damit die Opfer konsequent tener Notwendigkeit bisher nicht befriedigend geschützt und erneute Gewalt verhindert werden geklärt werden. So ist der Fortbestand von ge- kann. Darüber hinaus ist Täterarbeit als Verantwor- waltpräventiven Projekten, wie beispielsweise tungstraining als weiterer Baustein in der Interven- des Anti-Gewalt-Trainings des Diakonieverban- des der Kirchenkreise Lüneburg und Bleckede, tion gegen häusliche Gewalt im Sinne des Opfer- trotz vielfältiger Anstrengungen nach wie vor schutzes erforderlich. Täter müssen motiviert wer- ungesichert. den, die Gewalt zu beenden und ihre Einstellungen Unbestätigten Berichten zufolge soll eine Ar- und ihr Verhalten zu ändern. beitsgruppe unter Federführung des Sozialmi- nisteriums planen, in Niedersachsen vier Mo- Im Hinblick auf die präventiven Wirkungen von dellregionen auszuwählen, in denen entspre- Täterarbeit ist außerdem zu bedenken, dass das chende Interventionsprogramme gegen häusli- Miterleben von häuslicher Gewalt problematische che Gewalt installiert werden sollen. Folgen für die Kinder haben kann, die Zeugen der Ich frage die Landesregierung: Gewalt werden und in einer gewaltgeprägten At- 1. Wie ist der Sachstand zum Aufbau von Mo- mosphäre aufwachsen. Das Miterleben von Gewalt dellregionen für Interventionsprogramme zur schädigt Kinder nachhaltig. Bekämpfung häuslicher Gewalt?

2. Wie stellen sich die Finanzierung, die inhaltli- Es besteht das Risiko, dass Mädchen und Jungen che Konzeptionierung und das Auswahlverfah- Gewalterfahrungen in späteren eigenen Beziehun- ren für mögliche interessierte Regionen dar? gen als Opfer oder Täter wiederholen. Eine früh- zeitige und nachhaltig erfolgreiche Beendigung der

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Gewalt kann auch in diesem Kontext - primär vor- ginn des Sommersemesters 2010 von 8,32 Eu- beugend - gegen Gewalt wirken. ro. Wir fragen die Landesregierung: Aus diesen Gründen hat die Landesregierung im Haushaltsplanentwurf 2010 Mittel in Höhe von 1. Gilt die vereinbarte höhere Vergütung auch 140 000 Euro für Täterarbeit vorgesehen. für bestehende Arbeitsverhältnisse mit Hilfskräf- ten, die vor dem 1. Mai 2009 (Inkrafttreten des Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Runderlasses des MWK vom 26. März 2009 zur Beschäftigung von wissenschaftlichen, künstle- namens der Landesregierung wie folgt: rischen und studentischen Hilfskräften) begrün- det wurden? Zu 1 bis 3: Eckpunkte für die inhaltliche Arbeit werden derzeit im Ministerium für Soziales, Frau- 2. Wenn nein, wie begründet die Landesregie- en, Familie und Gesundheit erarbeitet. Eine Aus- rung diesen Verstoß gegen den Gleichbehand- lungsgrundsatz? schreibung entsprechender Projekte zur Täterar- beit kann erst nach Verabschiedung des Haushalts 3. Wird die Landesregierung sicherstellen, dass 2010 erfolgen. die Hochschulen in Trägerschaft von Stiftungen des öffentlichen Rechts die TdL-Beschlüsse Die Auswahl der Projekte erfolgt nach Sichtung und die durch Runderlass des MWK getroffe- nen Regelungen zur Beschäftigung von wis- und Bewertung der dann vorliegenden Anträge. senschaftlichen und studentischen Hilfskräften Eine Entscheidung über die Auswahl der Projekte in vollem Umfang übernehmen, solange sie ih- wird für Mitte 2010 angestrebt. rer gemäß § 58 Abs. 4 Nr. 1 NHG bestehenden Verpflichtung, Mitglied eines Arbeitergeberver- Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. bandes zu werden, der der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) beitritt, nicht nachkommen?

Bei Tarifpersonal wird im Arbeitsvertrag die Ent- Anlage 16 geltgruppe festgelegt, die eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer erhält. Das konkrete Tabel- Antwort lenentgelt ergibt sich dann nicht aus dem Arbeits- des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf vertrag, sondern aus den jeweils gültigen Entgelt- die Frage 18 der Abg. Dr. Gabriele Andretta, Da- tabellen. Bei studentischen und wissenschaftlichen niela Behrens, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möh- Hilfskräften ist dies anders. Hier wird die jeweilige le, Jutta Rübke, Stefan Schostok und Wolfgang Vergütung im Arbeitsvertrag festgelegt. Geschlos- Wulf (SPD) sene Arbeitsverträge sind gültig und einzuhalten. Es besteht jedoch die Möglichkeit, Änderungsver- Werden die wissenschaftlichen und studen- träge zu schließen. tischen Hilfskräfte mit Altverträgen von Ta- riferhöhungen ausgeschlossen? Dies vorangestellt, beantworte ich die Fragen im Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder hat mit Namen der Landesregierung wie folgt: Beschluss der Mitgliederversammlung die Stundensätze für wissenschaftliche, künstleri- Zu 1: Die höhere Vergütung gilt zunächst nicht für sche und studentische Hilfskräfte angehoben bestehende Arbeitsverträge. Die Hochschulen und eine Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L beschlossen. Die Erhöhung der Vergütung er- haben allerdings die Möglichkeit, die bestehenden folgt in zwei Stufen zum Sommersemester 2009 Arbeitsverträge zu ändern und die Höhe der Ver- und zum Sommersemester 2010. In Nieder- gütung den aktuellen Stundensätzen entsprechend sachsen tritt die Erhöhung erst verzögert zum anzupassen. Es muss dabei jedoch im Einzelfall Wintersemester 2009/2010 in Kraft. geprüft werden, ob eine Vertragsänderung möglich Danach erhalten wissenschaftliche und künstle- ist. Werden z. B. Hilfskräfte auf der Basis von 400- rische Hilfskräfte mit abgeschlossener Hoch- Euro-Jobs beschäftigt, könnte sich durch die Erhö- schulausbildung ab Beginn des Wintersemes- ters 2009/2010 eine Vergütung von 13,01 Euro hung der Stundensätze eine Überschreitung der pro Stunde und ab Beginn des Sommersemes- 400-Euro-Grenze ergeben. Dadurch würden die ters 2010 eine Vergütung von 13,17 Euro. Hilfskräfte dann zur Sozialversicherung herange-

Wissenschaftliche, künstlerische und studenti- zogen. sche Hilfskräfte mit Fachhochschulabschluss oder mit Bachelorabschluss erhalten weiterhin Zu 2: Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungs- eine Vergütung von 10,85 Euro. Studentische grundsatz liegt nicht vor, da die Grundlage für die Hilfskräfte ohne abgeschlossene Hochschulbil- Vergütungszahlung jeweils der im Einzelfall abge- dung erhalten ab Beginn des WS 2009/2010 schlossene Arbeitsvertrag ist. einen Stundensatz von 8,22 Euro und ab Be-

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Zu 3: Gemäß § 58 Abs. 4 Satz 1 NHG finden für nach Auffassung der Landesregierung nur um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Stif- Einzelfälle? tungshochschulen die für die Arbeitnehmerinnen 3. Welche rechtlichen Möglichkeiten haben und Arbeitnehmer des Landes geltenden Tarifver- Pflegedienste oder die Pflegebedürftigen, um träge und sonstigen Bestimmungen Anwendung. auf die Einhaltung der Sollvorschrift zu dringen, und wessen Aufgabe ist es, für die nötige finan- Damit besteht die rechtliche Vorgabe, dass die zielle Liquidität bei den Pflegediensten zu sor- Stiftungshochschulen die vom MWK getroffenen gen, wenn die Pflegebedürftigen nicht in Vor- Regelungen zur Beschäftigung von wissenschaftli- leistung treten können? chen und studentischen Hilfskräften in vollem Um- Die Krankenkassen haben mit dem Medizinischen fang übernehmen. Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine ge- meinsam getragene Arbeitsgemeinschaft gegrün- det, die nur im Auftrag der Kranken- bzw. Pflege- Anlage 17 kassen tätig wird. Die Pflegekassen beispielsweise lassen durch den MDK prüfen, ob die Vorausset- Antwort zungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Gesundheit auf die Frage 19 des Abg. Dieter Gemäß § 18 Abs. 3 SGB XI leitet die Pflegekasse Möhrmann (SPD) die Anträge zur Feststellung von Pflegebedürftig- Medizinischer Dienst der Krankenversiche- keit unverzüglich an den MDK weiter. Dem An- rung personell unterbesetzt, oder warum tragsteller soll grundsätzlich spätestens fünf Wo- wird die Fünfwochenfrist zur Feststellung chen nach Eingang des Antrags bei der zuständi- von Pflegestufen in der Pflegeversicherung häufig nicht eingehalten? gen Pflegekasse die Entscheidung der Pflegekas- se schriftlich mitgeteilt werden. Nach § 18 Abs. 3 SGB XI soll bei der Begutach- tung von Pflegestufen eine Fünfwochenfrist Der Bundesgesetzgeber hat den Pflegekassen nach Antragstellung eingehalten werden. Diese diese Frist vorgegeben, damit pflegebedürftige kann in Niedersachsen - vermutlich wegen per- soneller Unterbesetzung des Medizinischen Menschen und ihre Angehörigen eine schnelle Dienstes der Krankenversicherung Niedersach- Entscheidung über die von ihnen beantragten Leis- sen (MDKN) - immer häufiger nicht eingehalten tungen erhalten, um die Pflege zeitnah planen und werden. Dies führt neben der Unsicherheit der organisieren zu können. Die Pflegekassen haben betroffenen Pflegebedürftigen, die z. B. allein lebend nach einem Krankenhausaufenthalt zu- sicherzustellen, dass eine fristgerechte Entschei- nächst als Selbstzahler für die ambulante Pfle- dung nicht an einer unangemessen langen Bear- ge in Vorleistung treten müssen, auch bei den beitungsdauer durch den MDK scheitert. Pflegediensten zu Liquiditätsengpässen, wenn die Pflegebedürftigen zu der finanziellen Vor- Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, leistung nicht in der Lage sind. Anträge auf Ein- Frauen, Familie und Gesundheit führt die Rechts- stufung in eine Pflegestufe können häufig nicht vor Ablauf von zwei Monaten bearbeitet wer- aufsicht über die landesunmittelbaren Pflegekas- den. In Einzelfällen ist es nach Aussagen von sen sowie den Medizinischen Dienst der Kranken- Pflegediensten zu Bearbeitungszeiten von über versicherung in Niedersachsen (MDKN). sechs Monaten gekommen. Es stellt sich die Frage, warum der Bundesgesetzgeber eine Auf eine erste Anfrage der Aufsichtsbehörde im Sollvorschrift von fünf Wochen beschließt, die Juni 2009 bzw. jetzt aktuell haben die Verbände in der Praxis nur selten eingehalten werden kann. der Krankenkassen in Niedersachsen bestätigt, dass bisher die Einhaltung der gesetzlich vorgege- Ich frage die Landesregierung: benen Fünfwochenfrist nicht möglich gewesen sei, 1. Welche durchschnittliche Bearbeitungszeit weil die gezielte Abarbeitung von „Altanträgen“ zu benötigt der MDKN - aufgeschlüsselt nach den bewerkstelligen wäre. Darüber hinaus sei es zu unterschiedlichen Krankenkassen in Nieder- einem deutlichen Auftragsanstieg gekommen. sachsen - bei der Begutachtung von Pflegestu- fen seit dem Jahr 2005, und wie wird die Ge- Der MDKN geht beispielsweise von einem demo- setzesvorgabe in anderen Bundesländern um- gesetzt? grafiebedingten Anstieg der Begutachtungsaufträ- ge um ca. 4 bis 5 % pro Jahr aus. Hinzu kommt, 2. Welche Möglichkeiten hat die Landesregie- dass durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz rung, diese Fristen im Rahmen der Gesetzes- norm in Niedersachsen zu garantieren, welche (PfWG) die zusätzlichen Betreuungsleistungen für Maßnahmen sind geplant, oder handelt es sich Demente angehoben wurden. Damit einher gehe

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auch eine steigende Zahl von Anträgen auf Aner- die Altanträge bearbeitet sein. Zudem strebe man kennung und Einschätzung durch den MDKN. generell für Pflegebegutachtungen eine Laufzeit von 26 Tagen an. Zur Verkürzung der Bearbeitungsdauer seien zu- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen sätzliche personelle Ressourcen geschaffen wor- namens der Landesregierung wie folgt: den (z. B. Einsetzung externer Gutachter).

Nach einer ersten Abstimmung der Verbände der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen mit dem MDKN sollen bis zum Ende des Jahres 2009 Zu 1: Durchschnittliche Bearbeitungszeit aller pflegestufenrelevanten Aufträge (Eingang bis Erledigung) in Tagen in Niedersachsen Verband Anlass 2005 2006 2007 2008 2009 AOK Geldleistung 56,0 42,8 44,7 42,0 52,2 Kombinationsleistungen 44,4 36,1 39,0 38,3 46,7 Sachleistungen 31,0 25,3 27,1 26,2 33,2 Vollstationäre Leistungen 42,0 33,2 33,7 34,2 40,6 AOK Ergebnis 46,9 36,7 38,6 37,5 45,7

BKK Geldleistung 58,2 44,5 44,3 42,4 60,6 Kombinationsleistungen 52,4 39,7 39,7 39,4 55,5 Sachleistungen 34,4 26,0 24,4 24,2 31,8 Vollstationäre Leistungen 46,7 35,4 33,8 34,9 43,7 BKK Ergebnis 51,5 39,3 38,4 37,7 51,4

IKK Geldleistung 61,7 45,6 45,3 41,9 55,7 Kombinationsleistungen 52,6 41,3 40,0 39,2 52,0 Sachleistungen 39,5 31,5 27,0 27,6 33,8 Vollstationäre Leistungen 49,2 38,5 36,6 35,3 43,0 IKK Ergebnis 54,9 41,4 40,0 37,8 48,8

LKK Geldleistung 60,4 49,1 47,5 44,8 49,6 Kombinationsleistungen 55,2 44,6 43,5 41,9 48,9 Sachleistungen 37,2 27,3 25,9 26,0 25,3 Vollstationäre Leistungen 42,5 37,2 37,2 37,8 43,9 LKK Ergebnis 54,3 44,4 43,3 41,5 46,8

SONSTIGE Geldleistung 76,9 43,3 46,5 49,3 42,1 Kombinationsleistungen 67,6 44,1 38,4 38,0 40,9 Sachleistungen 41,8 43,8 18,8 23,0 43,6 Vollstationäre Leistungen 48,8 38,1 39,1 32,3 36,9 SONSTIGE Ergebnis 63,1 42,8 39,4 40,5 40,8 vdek Geldleistung 60,3 46,7 47,7 43,9 55,1 Kombinationsleistungen 51,5 39,9 42,0 40,4 46,5 Sachleistungen 44,6 34,6 34,3 33,6 41,7 Vollstationäre Leistungen 49,3 37,9 36,2 36,7 43,4 vdek Ergebnis 53,0 40,8 40,9 39,2 47,7

Gesamtergebnis 49,8 38,7 39,5 38,2 47,3

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In der Darstellung sind alle Gutachten des MDKN närer Pflege u. a. enthalten sind. Diese sind aller- enthalten, auch solche, bei denen aufgrund der dings nicht pflegestufenrelevant. Abwesenheit der Antragsteller neue Termine ge- Zu 2: Pflegekassen und Medizinische Dienste funden werden mussten. nehmen die ihnen übertragenen Aufgaben nach Zur Umsetzung der Gesetzesvorgabe in anderen dem Sozialgesetzbuch XI in eigener Verantwor- Bundesländern liegt die folgende Auswertung des tung wahr. Konkrete Maßnahmen zur Durchset- Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes zung der genannten Sollvorschrift hat der Bundes- Bund der Krankenkassen e. V. aus dem Jahr 2008 gesetzgeber nicht vorgesehen. vor: Die landesunmittelbaren Pflegekassen und die Bearbeitungsdauer MDK unterliegen der Rechtsaufsicht durch das Bundesland Pflegegutachten in jeweils zuständige Landesministerium; diese Tagen Rechtsaufsicht umfasst jedoch nicht Fragen fach- Baden-Württemberg 29 aufsichtsrechtlicher oder dienstrechtlicher Art.

Bayern 40 Aufgrund von einzelnen Eingaben ist das Nieder- sächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Fami- Berlin-Brandenburg 51 lie und Gesundheit als zuständige Aufsichtsbehör- de im Rahmen seiner rechtsaufsichtlichen Befug- Bremen 31 nisse gegenüber dem MDKN und den landesun- mittelbaren Pflegekassen bereits tätig geworden Hessen 31 (siehe Vorbemerkung). Mecklenburg-Vorpommern 38 In der Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 18. März 2009 hat das Landesprüfungsamt für die Sozial- Niedersachsen 41 versicherung im Rahmen des § 274 SGB V den Nord 32 MDKN geprüft. Dabei wurde u. a. auch die Begut- achtungsdauer im Bereich der Pflegeversicherung Nordrhein 34 untersucht. Das Prüfverfahren ist noch nicht abge- schlossen. Rheinland-Pfalz 29 Darüber hinaus wird z. B. auch der Landespflege- Saarland 41 ausschuss vom MDKN und von den Landesver- bänden der Pflegekassen über die ergriffenen Sachsen 44 Maßnahmen unterrichtet.

Sachsen-Anhalt 25 Zu 3: Sozialleistungen werden gemäß § 41 SGB I in Verbindung mit § 40 Abs. 1 SGB I mit ihrem Thüringen 53 Entstehen fällig, also mit Vorliegen der im jeweili- gen Gesetz bestimmten Voraussetzungen. Leis- Westfalen-Lippe 39 tungen der Pflegeversicherung wird Versicherten gemäß § 33 SGB XI auf Antrag gewährt, frühes- MDK-Gemeinschaft 37 tens jedoch von dem Zeitpunkt an, in dem die An- spruchsvoraussetzungen vorliegen. Die in der Anfrage genannten Leistungen erhalten gemäß Aufgrund der von den Verbänden der Kranken- § 15 SGB I ausschließlich Personen, die mindes- bzw. Pflegekassen ermittelten Daten für Nieder- tens der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sachsen für 2008 wurde ein Durchschnittswert von zugeordnet sind. Ob die Voraussetzungen der 38,2 Tagen für alle pflegestufenrelevanten Aufträ- Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe ge ermittelt. Der Unterschied zu den durchschnitt- der Pflegebedürftigkeit vorliegt, haben die Pflege- lich 41 Tagen im Bundesvergleich resultiert daher, kassen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB XI durch dass in dieser Zahl z. B. auch Gutachtenaufträge den MDK prüfen zu lassen. nach § 40 SGB XI (Pflegehilfsmittel und Leistun- gen zur Verbesserung des Wohnumfeldes) sowie Wie eingangs bereits ausgeführt, hat der Bundes- Begutachtungen von Personen mit eingeschränk- gesetzgeber den Pflegekassen die Verpflichtung ter Alltagskompetenz (Zuschlag für Demenzer- zugewiesen, sicherzustellen, dass eine fristgerech- krankte), zur Prüfung der Notwendigkeit vollstatio- te Entscheidung nicht an einer unangemessen

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langen Bearbeitungsdauer durch den MDK schei- 2. Welche Maßnahmen hat die Landesregie- tert. Pflegebedürftige, deren Angehörige oder am- rung zur Verbesserung der Situation am Stu- dienseminar Verden bisher unternommen? bulante Pflegedienste können die Einhaltung der Begutachtungsfrist bei der zuständigen Pflegekas- 3. Wie, in welchen Abständen, von wem und se einfordern. mit welchen Ergebnissen wurden die nieder- sächsischen Studienseminare bisher evaluiert? Die Landesregierung sieht die Pressefreiheit als Anlage 18 ein wesentliches Element einer demokratisch ver- fassten Gesellschaft. Sie sichert die umfassende Antwort Information, Meinungsbildung und Kontrolle bei öffentlich relevanten Vorgängen und Tatbestän- des Kultusministeriums auf die Frage 20 der Abg. den. Deshalb nimmt die Landesregierung presse- Ina Korter, Dr. Gabriele Heinen-Kljajić und Elke öffentliche Kritik ihrer Arbeit ernst und geht ihr Twesten (GRÜNE) nach, so auch dem Bericht der Braunschweiger „Wildwest in Verden“ - Wie evaluiert die Zeitung vom 1. Juli 2009 über angebliche Miss- Landesregierung die niedersächsischen stände am Studienseminar Verden für das Lehramt Studienseminare? an Gymnasien. „Wildwest in Verden - 60 % der Referendare fallen durch Prüfungen“ lautet die Überschrift Die Prüfung hat ergeben, dass kein belastbares eines Berichts der Braunschweiger Zeitung vom Datenmaterial vorliegt, das die im Artikel aufge- 1. Juli 2009. Im Studienseminar Verden werden stellten Behauptungen rechtfertigt. Das betrifft angehende Gymnasiallehrkräfte u. a. in Deutsch und Geschichte, aber auch in Mangel- insbesondere die genannten Zahlen: So haben im fächern wie Latein, Mathematik, Physik und April 2007 alle Prüflinge die Prüfung bestanden Chemie ausgebildet. Vor allem in Deutsch fie- und nicht wie behauptet nur 40 %. len 60 % der Kandidatinnen und Kandidaten bei der Prüfung im ersten Anlauf durch. Von den Am Studienseminar Verden, an dem seit 2001 Referendarinnen und Referendaren, die im No- Studienreferendarinnen und -referendare ausge- vember die Ausbildung begonnen hätten, habe inzwischen rund ein Drittel wieder aufgehört, bildet werden, wird wie in allen Studienseminaren darunter angehende Mathematik- und Physik- größter Wert darauf gelegt, die Ausbildung unter lehrkräfte. Die Fragen im Prüfungsunterricht Beachtung aller Vorschriften so zu gestalten, dass seien oft unpräzise und die Bewertung des Un- bestmögliche Ergebnisse in den Staatsprüfungen terrichts nicht nachvollziehbar, berichtete die Braunschweiger Zeitung unter Berufung auf erzielt werden können und gut ausgebildete Lehre- Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer. rinnen und Lehrer das Seminar verlassen. „Schlimmer als im Kindergarten“, bezeichnet ein Seminarteilnehmer die Verhältnisse am Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Verdener Studienseminar gegenüber der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie Braunschweiger Zeitung. folgt: Auch die Personalräte der Gymnasien, in de- nen die Referendarinnen und Referendare un- Zu 1: Eine Einzelbeschwerde vom 30. März 2009 terrichten, halten die Situation laut o. g. Pres- und zwei Beschwerden von Personalräten zweier sebericht für problematisch: In den Beratungs- Verdener Gymnasien aus dem April und Mai 2009 gesprächen werde ein oft unangemessener Ton bezogen sich auf vermeintliche Mängel in Ausbil- angeschlagen, Auswertungen von Unterrichts- besuchen lieferten nur wenig greifbare Informa- dung und Prüfungen. tionen hinsichtlich möglicher Verbesserungen. Zu 2: Studienseminar und Landesschulbehörde Viele Kolleginnen und Kollegen sähen sich nicht mehr in der Lage, vernünftig an der Aus- sind zur Stellungnahme aufgefordert worden. Die bildung der Referendarinnen und Referendare Recherchen haben ergeben, dass die Vorwürfe mitzuwirken. Die Landesregierung scheint hier- nicht nachweisbar oder dokumentierbar sind. in jedoch kein besonderes Problem zu sehen. Es liege lediglich eine Beschwerde jüngeren Zu 3: Eine Evaluation der Arbeit der niedersächsi- Datums vor, so die Landesschulbehörde ge- schen Studienseminare ist institutionell nicht ver- genüber der Braunschweiger Zeitung. ankert. Derzeitig nehmen aber externe Prüfungs- Wir fragen die Landesregierung: vorsitzende an allen Zweiten Staatsprüfungen teil. 1. Seit wann und wodurch sind der Landesre- Damit ist landesweit sichergestellt, dass Prüfungs- gierung welche Details über die offenbar pro- verlauf und Ergebnisse der Prüfungen an Quali- blematischen Verhältnisse am Studienseminar tätsstandards gemessen und verglichen werden. Verden bekannt? Die Ergebnisse dieser Beobachtungen werden den

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Studienseminaren nach jedem Prüfungsdurchgang Kultusministerium der Landesschulbehörde mit zurückgemeldet. Erlass vom 5. März 2009 Hinweise zur Umsetzung gegeben. Diesen Erlassvorgaben entsprechend

wurden alle Teilzeitanträge nach § 61 Abs. 1 NBG, Anlage 19 die die Lehrkräfte bereits zum 1. Februar 2009, d. h. wie üblich ein Schulhalbjahr vor dem ge- Antwort wünschten Beginn des Bewilligungszeitraums vor- des Kultusministeriums auf die Frage 21 der Abg. gelegt hatten, ab Mitte März geprüft. Die Prüfung Elke Twesten (GRÜNE) erfolgte durch die Dezernentinnen und Dezernen- Anträge von Bremervörder Lehrerinnen und ten der Landesschulbehörde in enger Zusammen- Lehrern auf Teilzeit abgelehnt - Wie verfährt arbeit mit den Schulleiterinnen und Schulleitern. das Kultusministerium mit derartigen Anträ- Alle Anträge wurden einzelfallbezogen daraufhin gen? überprüft, ob der im Ermessen des Dienstherrn Im Niedersächsischen Kultusministerium wer- stehenden Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung den derzeit zur Sicherung der Unterrichtsver- die zum Schuljahr 2009/2010 zu erwartende fä- sorgung in den folgenden Schuljahren Anträge auf Teilzeitarbeit auf ihre Notwendigkeit hin ge- cherspezifische Versorgung der Schule als dienst- prüft. Damit soll aus der Gruppe der in Teilzeit licher Belang entgegensteht. Soweit nach dem beschäftigten Lehrerinnen und Lehrern ein Bei- Ergebnis der Überprüfungen dienstliche Gründe trag zur Verbesserung der Unterrichtsversor- der Bewilligung von Teilzeit entgegenstanden, gung geleistet werden. Das Niedersächsische Kultusministerium hat erklärt, dass die Prüfung wurde bis zum Abschluss der Mitbestimmungsver- von Teilzeitanträgen in jedem Falle individuell fahren versucht, in Gesprächen zwischen Lehr- erfolgen soll, um eine unangemessene Ver- kraft, Schulleitung und Landesschulbehörde sowie schlechterung der Rahmenbedingungen für mit Vertreterinnen und Vertretern des Schulbe- Lehrkräfte zu vermeiden. zirkspersonalrats unter Berücksichtigung der vor- Am Gymnasium Bremervörde sind in diesem rangig sicherzustellenden Unterrichtsversorgung Zusammenhang mehrere unter Umständen be- möglichst weitgehend Einvernehmen über den troffene Lehrkräfte von der Landesschulbehör- de dahin gehend informiert worden, dass sie in Stundenumfang zu erzielen. Im Laufe der Gesprä- Zukunft mit voller Stundenzahl zu unterrichten che haben sich Lehrkräfte auch bereit erklärt, mit haben. Als Begründung wird angeführt, die Kol- voller Stundenzahl zu unterrichten, was einer leginnen bzw. Kollegen hätten nach Gesprä- Rücknahme des Teilzeitantrags gleichkommt. Die chen mit Schulleitung und Landesschulbehörde ihr Einverständnis erklärt, den Teilzeitantrag zu- Namen aller Lehrkräfte an Gymnasien, mit denen rückzunehmen. Derartige Gespräche fanden keine Einigkeit erzielt wurde und deren Anträge nach Angabe der Betroffenen nicht statt. Die unter Beteiligung der Personalvertretung abgelehnt Landesschulbehörde behauptet indessen, dass werden sollten, wurden von den Dezernentinnen Anträge zurückgezogen worden sind, und übergeht damit die vom Kultusministerium zu- und Dezernenten in Listen, auf denen alle Teilzeit- gesicherte individuelle Prüfung der Rahmenbe- anträge erfasst waren, besonders kenntlich ge- dingungen. macht. Daraufhin erhielten die Lehrkräfte an Gym- Ich frage die Landesregierung: nasien, die sich für eine Rücknahme ihres Antrags

1. Wie viele Bescheide über Zurücknahme von entschieden haben, eine Verfügung über ihren Anträgen auf Teilzeit sind herausgegeben wor- vollen Einsatz im Schuljahr 2009/2010. Allen Lehr- den, ohne dass der Landesschulbehörde kräften, die ihren Einsatz für guten Unterricht an schriftliche Rücknahmeanträge vorliegen, bzw. den Schulen noch einmal erhöht haben, gilt mein wie viele Anträge von Lehrkräften sind ohne de- ren Wissen durch Zurücknahme als erledigt herzlicher Dank! eingestuft worden? Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der 2. Welche Anzahl von Stunden hat die Landes- Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie schulbehörde auf diese Weise „erwirtschaftet“? folgt: 3. Welchen prozentualen Anteil an der von der Landesregierung angestrebten Sicherung der Zu 1: Durch ein Versehen wurden die Namen von Unterrichtsversorgung haben diese Stunden? drei Lehrkräften des Gymnasiums Bremervörde auf den in der Vorbemerkung erwähnten Listen Als eine der dreizehn von der Landesregierung am nicht gekennzeichnet. So musste zunächst davon 24. Februar 2009 beschlossenen Maßnahmen zur ausgegangen werden, dass auch in diesen Fällen Verbesserung der Unterrichtsversorgung ist für die Einvernehmen erzielt worden war. Daraufhin er- Dauer von zwei Jahren „eine individuelle Prüfung hielten die Lehrkräfte fälschlich eine Verfügung der Anträge auf Teilzeit“ vorgesehen. Dazu hat das

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über ihren künftigen vollen Unterrichtseinsatz. Wilsche wurde ein Antrag auf Erweiterung der Nachdem zwei Lehrkräfte unter Hinweis auf ge- Genehmigung und Umwidmung in einen Son- derlandeplatz zunächst gestellt und vorerst zu- sundheitliche Probleme, nachgewiesen durch ärzt- rückgestellt, um eine Einigung mit protestieren- liche Atteste, schriftlich mitteilten, sie hätten ihre den Anwohnern zu erreichen. Und in Lüneburg Anträge nicht zurückgezogen, wurde mit Beschei- soll ebenfalls unter Protest der Anwohner die den vom 8. Juli 2009 Teilzeit wie beantragt bewil- Landepiste eines innerstädtischen Sonderflug- platzes ausgebaut werden, um auch dort mehr ligt. Die dritte betroffene Lehrkraft hat ebenfalls Starts und Landungen zu ermöglichen. mitgeteilt, sie habe nicht ihr Einverständnis mit einer Vollbeschäftigung erklärt. Da die Lehrkraft Diese kleine Aufzählung aktuell einer weiteren Öffentlichkeit bekannt gewordener Ausbaupla- ein Mangelfach unterrichtet und somit die Siche- nungen von Flughäfen wirft die Frage an die rung der Unterrichtsversorgung als dienstlicher Landesregierung nach einem abgestimmten Grund der Bewilligung entgegensteht, soll der An- Konzept und einheitlichen Qualitätszielen und trag mit bereits erfolgter Zustimmung durch den Abwägungskriterien für die Genehmigung und gegebenenfalls Förderung von Sport- und Re- Personalrat abgelehnt werden. Hierzu wird die gionalflughäfen in Niedersachsen auf. Lehrkraft zurzeit angehört. Ich frage die Landesregierung: Die Versehen in den dargestellten Einzelfällen sind 1. An welchen Flugplatzstandorten in Nieder- zu bedauern. Es dürfte aber nachvollziehbar sein, sachsen sind der Landesregierung welche kon- dass bei Einzelfallprüfungen von ca. 8 000 Teil- kreten Umwidmungs-, Ausbau- oder Neubau- zeitanträgen auch Fehler auftreten können. Insge- absichten der Betreiber mit welchen geplanten samt haben aber alle Beteiligten hervorragende Kapazitätsausweitungen bekannt? Arbeit geleistet und ein ausgezeichnetes Ergebnis 2. In welchen dieser o. g. Fälle sind Förderan- erzielt. träge in welchem Volumen und an welche För- dertöpfe genehmigt, gestellt oder angekündigt Zu 2: Die Annahme der Fragestellerin, dass die worden?

Landesschulbehörde zielgerichtet Stunden durch 3. Nach welchen Kriterien hinsichtlich z. B. der Verkürzung der Anhörungsrechte einzelner Lehr- Effizienz der eingesetzten Mittel, Bedarfsanaly- kräfte „erwirtschafte“, werden durch die Vorbemer- se, Minimierung der Umweltauswirkungen und kung und durch die Antwort zu 1. widerlegt. der Belastungen für die Anwohner werden die Planungen und gegebenenfalls Förderanträge Zu 3: Eine Beantwortung entfällt unter Hinweis auf vom Land beurteilt und jeweils beschieden? die Antwort zu 2. Grundsätzlich sind bei Umwidmungs-, Ausbau- oder Neubauabsichten für Flugplätze die luftfahrt- rechtliche Genehmigung und die gegebenenfalls Anlage 20 finanzielle Förderung getrennt zu betrachten. Beim Antwort Letzteren gibt es Förderrichtlinien, die je nach För- dermittel unterschiedlichen Vorgaben unterliegen, des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr während das nationale Luftverkehrsrecht vom auf die Frage 22 des Abg. Enno Hagenah (GRÜ- Flugplatzzwang bestimmt wird. Danach dürfen NE) Flugplätze nur mit Genehmigung angelegt und Steht Niedersachsen vor einem Flugver- betrieben werden. Eine Genehmigung ist auch kehrsboom bei Sport- und Regionalflughä- dann erforderlich, wenn die Anlage oder der Be- fen? trieb eines Flugplatzes wesentlich geändert oder Neben den allgemein bekannten Ausbaupla- erweitert wird. Das Luftverkehrsrecht sieht je nach nungen am Forschungsflugplatz Braunschweig, Umfang der beabsichtigten Maßnahme Genehmi- die von Anwohnern als überzogen für den ge- nannten Zweck „Forschungsfughafen“ kritisiert gungsverfahren vor, die auch den Erfordernissen werden, wurde zwischenzeitlich der ehemalige der Raumordnung, des Städtebaus, des Natur- NATO-Flugplatz Ahlhorn vom Papenburger schutzes und der Landschaftspflege und des Bauunternehmen Bunte übernommen und soll Schutzes vor Fluglärm Rechnung tragen. zum Flug-, Logistik-, Gewerbe- und Technolo- giepark mit zivilem Luftverkehr ausgebaut wer- Bei den daraus resultierenden Anträgen nach dem den. Luftverkehrsrecht steht es den lokalen und regio- Keine 10 km Luftlinie davon entfernt, will der nalen Akteuren frei, ein zukunftsorientiertes und Luftsportverein Cloppenburg-Varrelbusch sei- nachhaltiges Konzept für ihren Flugplatz zu gestal- nen Flugplatz für über 1 Million Euro ausbauen und hofft dabei u. a. auf GA-Förderung vom ten und zu verfolgen. Die lokalen und regionalen Land Niedersachsen. Für das Segelfluggelände Entscheider müssen das geeignete Projekt be-

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stimmen, mit dem eine Nutzung oder auch Erwei- 2. Gewährleistung der Verkehrsfunktion der Flug- terung der vorhandenen Infrastruktur gewährleistet plätze im Gemeinwohlinteresse als bedeutende werden kann. Voraussetzung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes, Bei Umwidmungs-, Ausbau- oder Neubauabsich- ten für Flugplätze werden nicht ausschließlich be- 3. Nutzung und Aktivierung der vom wachsenden triebswirtschaftliche Rentabilitätskriterien zur Be- Luftverkehr ausgehenden Impulse für Wirt- wertung der beabsichtigten Maßnahmen zugrunde schaftswachstum und Beschäftigung in Nieder- gelegt. Häufig bestehen vor allem regionalwirt- sachsen. schaftliche Interessen an einer bedarfsgerechten Flugplatzinfrastruktur. Gerade bei der Ansiedlung von Unternehmen kann ein leistungsfähiger Ver- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen kehrslandeplatz oder regionaler Verkehrsflughafen namens der Landesregierung wie folgt: ein wichtiges Argument für die Standortwahl und damit für die regionale Wirtschaftsförderung sein. Zu 1 und 2: Die nachfolgende Tabelle fasst die Antworten auf die Fragen 1 und 2 zusammen. Die Die Landesregierung verfolgt grundsätzlich folgen- Flugplätze werden in der Reihenfolge Flughäfen, de Ziele im Rahmen der niedersächsischen Luft- Verkehrslandeplätze (VLP), Segelfluggelände verkehrspolitik: (SFG), Hubschraubersonderlandeplätze (HSLP) und Gelände für Ultraleichtflieger (UL) aufgeführt. 1. Erhalt und bedarfsgerechte Weiterentwicklung der an den Flugplätzen des Landes vorhande- nen Luftverkehrsinfrastruktur sowie weitere Ausweitung und Verbesserung der Luftver- kehrsverbindungen,

Flugplatz Umwidmungs-, Ausbau- oder Kapazitätserweite- Förderanträge Neubauabsichten; Stand des luft- rung rechtlichen Genehmigungsver- fahrens Ahlhorn Umwidmung des ehemaligen Mili- bisher nicht abschätz- liegen nicht vor Ehemaliger Militär- tärflugplatzes. Der zukünftige bar flugplatz Betreiber sieht vor, auf dem Areal einen Flug-, Technologie-, Logistik- und Gewerbepark mit Schwerpunkt auf der flugaffinen Nutzung zu er- richten. Dadurch erhofft man sich insbesondere Kunden aus dem Bereich des Geschäftsflugverkehrs und des Werks- und Werftbetriebes. Der Betreiber plant, schnellstmög- lich das Verfahren zur Genehmi- gung des Flugplatzes einzuleiten. Braunschweig Der Ausbau umfasst die Optimie- Durch die Verlängerung Für das Vorhaben zum Verkehrsflughafen rung der Flugbetriebsflächen insbe- der Startbahn wird eine "Ausbau Avionik Cluster sondere die Verlängerung der Start- Stärkung der For- Braunschweig" hat die /Landebahn auf 2.300 m. schungs-, Ent- Struktur-Förderung Mögliche Inanspruchnahme weiterer wicklungs- und Dienst- Braunschweig GmbH gerichtlicher Überprüfungsmöglich- leistungsaktivitäten am als Träger der Maß- keiten durch die Kläger nach Aus- Forschungsstandort nahme im Juli 2009 wertung der Entscheidungen des Braunschweig erwartet. einen Antrag auf Förde- Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg rung nach der Gemein- zum Planfeststellungsbeschluss der schaftsaufgabe "Ver- Niedersächsischen Landesbehörde besserung der regiona- für Straßenbau und Verkehr vom len Wirtschaftsstruktur" 15.01.2007. gestellt.

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Der 7. Senat des Nieder- Fördergrundlage ist die sächsischen Oberverwaltungsge- Richtlinie zur Stärkung richts hat mit zwei Urteilen vom 20. der regionalen Wirt- Mai 2009 - 7 KS 28/07 und 7 KS schaftsstruktur, die Mit- 59/07 - die Klagen von Eigentü- tel kämen aus der Ge- mern, Anwohnern und eines Natur- meinschaftsaufgabe zur schutzverbandes gegen den Plan- Verbesserung der regi- feststellungsbeschluss überwiegend onalen Wirtschaftsstruk- abgewiesen. tur und aus dem EFRE. Lemwerder Kurzfristig zu erwartende Anpas- keine liegen nicht vor Sonderflughafen sung der Flugplatzgenehmigung durch Umwidmung vom Sonder- flughafen zum Sonderlandeplatz Leer-Papenburg Zum Ausbau des Verkehrslande- steigender Geschäfts- Das Investitionsvolumen VLP platzes läuft ein Planfeststellungs- reiseverkehr wird auf gut 3 Mio. Euro verfahren. Dort ist die Verbreiterung geschätzt. Konkrete der Landebahn beantragt. Zusätz- Förderanträge liegen lich liegen Anträge zur Erhöhung noch nicht vor, lediglich der zulässigen Gewichtsbeschrän- Voranfragen wurden kung auf 15 Tonnen und Verlänge- gestellt. rung der Betriebszeit bis 22 Uhr (24 Fördergrundlage wäre Uhr PPR) vor. Die Leer Nord GmbH die Richtlinie zur Stär- (Gesellschaft des Landkreises Leer) kung der regionalen hat darüber hinaus einen Antrag auf Wirtschaftsstruktur, die die Erschließung eines Gewerbege- Mittel kämen aus der bietes am Flugplatz für flugaffines Gemeinschaftsaufgabe Gewerbe und eine neue Anbindung zur Verbesserung der des Flugplatzes gestellt. regionalen Wirtschafts- struktur und aus dem EFRE. Lüneburg Sanierung der Grasbahn in den keine liegen nicht vor VLP nächsten 3 bis 5 Jahren. Antrag liegt noch nicht vor. Rotenburg/Wümme Geplanter Ausbau mit Verlängerung bisher nicht abschätz- liegen nicht vor VLP der Start- und Landebahn. Antrag bar liegt noch nicht vor. Varrelbusch Ausbau des Flugplatzes Varrel- steigender Geschäfts- Beim Projekt Flugplatz VLP busch im Landkreis Cloppenburg. reiseverkehr Varrelbusch steht eine Dort soll unter Beteiligung von orts- Förderung in der Über- ansässigen Unternehmen u. a. die legung. Die geschätzten Landebahn befestigt werden, um Kosten liegen derzeit den Flugplatz besser für den Ge- bei rd. 1,17 Mio. Euro. schäftsreiseverkehr nutzen zu kön- Fördergrundlage wäre nen. Konkrete Anträge liegen bei die Richtlinie zur Stär- der zuständigen Genehmigungsbe- kung der regionalen hörde bisher nicht vor. Wirtschaftsstruktur, die Mittel kämen aus der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschafts- struktur und aus dem EFRE. Bisperode/Hameln Erweiterung um zusätzliche Startar- keine liegen nicht vor SFG ten. Genehmigungsverfahren läuft.

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Blexen Umwidmung vom Segelfluggelände Keine liegen nicht vor SFG zum Sonderlandeplatz bis 2 Ton- nen. Genehmigungsverfahren abge- schlossen. Bollrich Erweiterung um zusätzliche Startar- keine liegen nicht vor SFG ten. Genehmigungsverfahren läuft. Große Wiese Erweiterung um zusätzliche Startar- Keine liegen nicht vor SFG ten. Genehmigungsverfahren läuft. Ithwiesen/ Umwidmung vom Segelfluggelände keine liegen nicht vor Eschershausen zum Sonderlandeplatz bis 2 Ton- SFG nen. Genehmigungsverfahren läuft. Steinberg bei Erweiterung um zusätzliche Startar- Keine liegen nicht vor Wesseln ten. SFG Genehmigungsverfahren läuft. Ummern Erweiterung um zusätzliche Startar- keine liegen nicht vor SFG ten. Genehmigungsverfahren läuft. Weper Erweiterung um zusätzliche Startar- Keine liegen nicht vor SFG ten. Genehmigungsverfahren läuft. Wilsche Antrag wurde zurückgezogen keine liegen nicht vor SFG Krankenhaus Neubau eines Hubschraubersonder- Liegen nicht vor Buxtehude landeplat- HSLP zes.Genehmigungsverfahren läuft. Krankenhaus Neubau eines Hubschraubersonder- liegen nicht vor Papenburg landeplatzes. HSLP Genehmigungsverfahren läuft. Reinh.-Nieter- Neubau eines Hubschraubersonder- Liegen nicht vor Krankenhaus WHV landeplatzes. HSLP Genehmigungsverfahren läuft. Amelgatzen Gelände welche z.Z. für UL auf der keine liegen nicht vor Dorstadt Grundlage von §25 LuftVG betrie- Fresh-Breeze (Bis- ben werden und umgewidmet wer- sendorf/ Wede- den sollen zum Sonderlandeplatz mark) für UL. Uehrde Genehmigungsverfahren laufen. Wolfsburg UL

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nen und Vertretern der Jugendorganisationen, die den in den Parlamenten vertretenen Partei- Zu 3: Das luftrechtliche Genehmigungsverfahren en nahestehen, in die Göttinger Schulen und richtet sich nach den Vorgaben des Luftverkehrs- führt moderierte Podiumsdiskussionen durch. gesetzes. Danach hat die Genehmigungsbehörde Das Konzept stellt nicht nur durch die politische Ausgewogenheit des Podiums die Meinungs- neben den flugbetrieblichen und luftverkehrsrecht- pluralität sicher, sondern Schülerinnen und lichen Anforderungen insbesondere zu prüfen, ob Schüler werden in die Veranstaltung unmittel- das beantragte Projekt den Erfordernissen der bar einbezogen, sie können nachfragen und Raumordnung entspricht und ob die Erfordernisse selbst mitdiskutieren. Ganz bewusst sitzen auf dem Podium keine Mandatsträger und Berufs- des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des politiker, sondern politisch engagierte Jugendli- Städtebaus sowie der Schutz vor Fluglärm ange- che, die oft noch selbst zur Schule gehen. Die- messen berücksichtigt sind. Ferner sind gegebe- se Veranstaltungen genießen in Göttingen bei nenfalls die Umweltauswirkungen nach dem Er- den Schülern, Eltern und Lehrkräften hohe Ak- zeptanz und helfen mit, bei Jugendlichen das gebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung zu be- Interesse an Politik zu wecken. Zuletzt fanden werten und in der Entscheidung über die Zulässig- die Goe-vote-Veranstaltungen im Juni anläss- keit des Vorhabens zu berücksichtigen. lich der Europawahlen statt. Auch im Vorfeld der Bundestagswahlen hatte der SJR eine Ver- Bei den Förderentscheidungen im Rahmen der anstaltungsreihe an 15 Schulen geplant, 2 000 regionalen Strukturpolitik geht es um Investitionen bis 3 000 Schülerinnen und Schüler hätten sich informieren und mitdiskutieren können. in eine Region, die es den Unternehmen ermög- licht, Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu schaf- Die Veranstaltungsreihe wurde jetzt vom Kul- fen. Soll in Niedersachsen mit Unterstützung von tusministerium verboten. Hintergrund ist ein Er- lass vom 10. Januar 2005, der den Besuch von Fördergeldern investiert werden, wird anhand von Politikerinnen und Politikern in Schulen für die festgelegten Qualitätskriterien auf die Wirkung letzten vier Wochen vor Wahlen untersagt. Im jedes einzelnen Projektes geachtet und darauf, Rahmen der Einführung der Eigenverantwortli- dass die Gesamtzahl der Projekte einer Region chen Schule in Niedersachsen ist mit Wirkung vom 1. August 2007 die Entscheidungsbefugnis ihre höchste Gesamtwirkung entfaltet. Die Kriterien über die Anwendung des Erlasses auf den zur Ermittlung von Prioritäten für die Stärkung der Schulvorstand übertragen worden. Jetzt will die regionalen Wirtschaftsstruktur sind im Runderlass Landesregierung die erweiterten Entschei- „Bewertung von Zuwendungsanträgen nach der dungsspielräume wieder einschränken und die Regelung über Besuche von Politikerinnen und Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen Politikern in Schulen aus dem Katalog der in die zur Stärkung der regionalen Wirtschaftsstruktur Entscheidungsbefugnis der Schulen gestellten und zur Förderung wirtschaftsnaher Infrastruktur- Erlasse herausnehmen. Hierzu hat die Landes- maßnahmen“ des Ministeriums für Wirtschaft, Ar- regierung am 5. März 2009 einen Erlassentwurf zur Änderung des Erlasses „Übertragung erwei- beit und Verkehr vom 13. Februar 2008 festgelegt. terter Entscheidungsspielräume an Eigenver- Danach müssen bei der Antragstellung als Min- antwortliche Schulen“ in die öffentliche Anhö- destvoraussetzungen ein Private-Public- rung gegeben. Obwohl das Ergebnis der Anhö- Partnership nachgewiesen und ein Businessplan rung noch nicht vorliegt, hat die Landesregie- rung schon Fakten geschaffen und mit Vor- für das konkrete Projekt vorgelegt werden. griffsregelung vom 30. April 2009 Weisung er- teilt, dass Schulen keine Besuche von Politike- rinnen und Politikern zulassen dürfen.

Anlage 21 Der Erlass „Besuchsverbot“ soll nun offenbar nicht nur für den Schulbesuch von Politikern Antwort und Politikerinnen gelten, sondern zukünftig auf Veranstaltungsreihen zur politischen Bildung des Kultusministeriums auf die Frage 23 der Abg. ausgeweitet werden. In einem Schreiben an Stefan Klein und Dr. Gabriele Andretta (SPD) den SJR vom 14. Juli 2009 begründet Staats- sekretär Dr. Althusmann das Verbot damit, Maulkorb für den Stadtjugendring Göttingen dass auch bei der Einladung von Vertreterinnen - Ist politische Bildung an Schulen zukünftig und Vertretern der den Parteien nahestehenden unerwünscht? Jugendorganisationen „die Gefahr des An- scheins einer unzulässigen Einflussnahme be- Der Stadtjugendring Göttingen (SJR) engagiert stehe“ und deshalb keine Genehmigung erteilt sich seit vielen Jahren erfolgreich in der politi- werde. schen Bildungsarbeit und führt im Vorfeld von Wahlen regelmäßig Informations- und Diskus- Wir fragen die Landesregierung: sionsveranstaltungen in Schulen durch, die so- genannten Goe-vote-Veranstaltungen. Bei die- 1. Hat sie konkrete Hinweise, dass in der Ver- ser Veranstaltung geht der SJR mit Vertreterin- gangenheit auf Diskussionsveranstaltungen des

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Stadtjugendrings in Schulen eine unzulässige Beeinflussung von Schülerinnen und Schüler ver- Einflussnahme auf Schülerinnen und Schüler mieden werden soll. Insbesondere in der soge- stattgefunden hat? nannten heißen Phase eines Wahlkampfes sollen 2. Welche niedersächsischen Schulen haben Schulen von Parteipolitik frei gehalten werden, im Rahmen der Einführung der Eigenverant- zumal sich Schülerinnen und Schüler einer solchen wortlichen Schule den Erlass, der den Besuch von Politikerinnen und Politikern für die letzten schulischen Veranstaltung und einer möglicher- vier Unterrichtswochen vor Wahlen untersagt, weise damit einhergehenden Beeinflussung ihrer außer Kraft gesetzt, und wie viele Besuche von Wahlentscheidung nicht entziehen können. Politikern haben seitdem innerhalb der Vierwo- chenfrist vor Wahlen stattgefunden? Damit wird einer Grundsatzentscheidung des Bun- 3. Bewertet die Landesregierung es als guten desverfassungsgerichtes vom 2. März 1977 - demokratischen Stil, Erlassentwürfe, die Mitbe- 2 BvE 1/76 - Rechnung getragen, wonach es den stimmungsrechte von Gremien wie von Schul- Staatsorganen als Ausfluss des allgemeinen Neu- vorständen einschränken, durch Vorgriffsrege- tralitätsgrundsatzes untersagt ist, anlässlich von lungen in Kraft zu setzen? Wahlen parteiergreifend in den Wahlkampf hinein- Die Landesregierung begrüßt es sehr, wenn poli- zuwirken, insbesondere auch durch Öffentlich- tisch interessierte Jugendliche in einem neutralen keitsarbeit. Rahmen über Ziele und Inhalte politischer Parteien Im Rahmen der Einführung der Eigenverantwortli- informiert werden. Insoweit ist zu der vorgetrage- chen Schule in Niedersachsen ist zwar mit Wir- nen Sachverhaltsdarstellung zunächst einmal rich- kung vom 1. August 2007 zunächst die Entschei- tigzustellen, dass die Veranstaltungsreihe des dungsbefugnis über die vollständige Anwendung Stadtjugendringes Göttingen keinesfalls verboten des Erlasses nach Nr. 19 des Runderlasses des wurde, sondern die Veranstalter lediglich darauf MK zur Übertragung erweiterter Entscheidungs- hingewiesen worden sind, dass die Veranstaltun- spielräume an Eigenverantwortlichen Schulen vom gen nur in dem durch höchstrichterliche Recht- 9. Juni 2007 (SVBl. S. 241) - sogenannter Deregu- sprechung und Erlassregelung vorgegebenem lierungserlass - auf den Schulvorstand übertragen Rechtsrahmen durchgeführt werden können. Die- worden. Um den Mindestzeitraum von vier Wochen ser Rechtsrahmen gestaltet sich wie folgt: an allen Schulen in Niedersachsen und somit eine Nach Nr. 2.3 des Runderlasses des MK über Be- gleiche Handhabung zu gewährleisten, wurde je- suche von Politikerinnen und Politikern vom doch bereits am 5. März 2009 ein Erlassentwurf 10. Januar 2005 (SVBl. S. 133) darf für die letzten zur Änderung des Erlasses „Übertragung erweiter- vier Unterrichtswochen vor einer Wahl zum Deut- ter Entscheidungsspielräume an Eigenverantwort- schen Bundestag, zum Niedersächsischen Land- liche Schulen“ in die öffentliche Anhörung gege- tag oder zur kommunalen Vertretung des Schulträ- ben. Nach dem Entwurf wird der o. a. Erlass über gers eine grundsätzlich zulässige Einladung von die Besuche von Politikerinnen und Politikern wie- Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der aus dem Katalog der in die Entscheidungsbe- des Niedersächsischen Landtages sowie Vertrete- fugnis der Schulen gestellten Erlasse herausge- rinnen und Vertreter demokratischer Parteien in nommen. Der Erlass ist am 1. August 2009 in Kraft den Unterricht nicht mehr ausgesprochen werden. getreten.

Diese Regelung war bereits sinngemäß - allerdings Insoweit wurde der Stadtjugendring rechtzeitig mit einer Sperrfrist von sechs Wochen - in einem darauf hingewiesen, dass sehr wohl die Möglich- Erlass des MK aus dem Jahre 1978 enthalten (Er- keit besteht, die geplanten Veranstaltungen au- lass des MK vom 7. März 1978). Die derzeitige ßerhalb der Vierwochenfrist, also z. B. im August Regelung mit einer Sperrzeit von vier Wochen durchzuführen, oder die Veranstaltung außerhalb wurde im Übrigen bereits 1993 von der von den des schulischen Verantwortungsbereichs (z. B. im Fraktionen der SPD und Grünen getragenen Lan- Stadttheater) zu organisieren. desregierung mit Erlass des MK vom 25. März Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der 1993 eingeführt und in der Folgezeit auch vollzo- Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie gen. folgt: Hintergrund dieser Vorschrift ist, dass insbesonde- Zu 1: Nein. re im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld einer Wahl das schulische Neutralitätsgebot betont und be- Zu 2: Die Beantwortung dieser Frage würde eine reits der mögliche Eindruck einer unzulässigen Abfrage bei allen niedersächsischen Schulen er-

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fordern, was im Verhältnis zu dem zu erwartenden Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass die Erkenntnisgewinn in keinem angemessen Verhält- Verwaltung des Landkreises Göttingen Gespräche nis steht. mit dem kirchlichen Schulträger über die Zahl der auswärtigen Schülerinnen und Schüler an der Zu 3: Siehe Vorbemerkung. St.-Ursula-Schule in Duderstadt geführt hat. Den Schulbehörden ist bisher über solche Gespräche weder berichtet worden, noch sind Gesprächswün- Anlage 22 sche unmittelbar an sie herangetragen worden. Antwort Die Schulbehörden des Landes würden einem Gesprächswunsch natürlich entsprechen. des Kultusministeriums auf die Frage 24 der Abg. Ronald Schminke und Dr. Gabriele Andretta (SPD) Dies vorangeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie Auswärtige Schülerinnen und Schüler an folgt: der St.-Ursula-Schule in Duderstadt

Die St.-Ursula-Schule in Duderstadt, eine so- Zu 1 und 2: Nach den vom kirchlichen Schulträger genannte Konkordatsschule mit Hauptschul- übermittelten Daten besuchten im Schuljahr und Realschulzweig, nimmt in erheblichem Um- 2008/2009 Schülerinnen und Schüler die fang auswärtige Schülerinnen und Schüler auf. St.-Ursula-Schule in Duderstadt wie folgt (in Klam- Dadurch wird die Mindestgröße der für den Wohnort dieser Schülerinnen und Schüler zu- mern der prozentuale Anteil an der Gesamtschü- ständigen öffentlichen Hauptschule beeinträch- lerschaft der Schule): tigt. Nach § 157 Abs. 2 Satz 1 NSchG soll in ei- nem solchen Fall die Schulbehörde mit dem Wohnort Wohnorte auswärtiger Schülerinnen und Schüler kirchlichen Schulträger hierüber verhandeln, um die Mindestgröße der öffentlichen Schulen si- Zweig Duderstadt Giebolde- Radolfs- Thürin- andere der St.- hausen hausen gen cherzustellen. Gespräche der Verwaltung des Ursula- Landkreises Göttingen mit dem kirchlichen Schule Schulträger sind dem Vernehmen nach erfolg- Haupt- 163 (63,67) 46 (17,97) 34 (13,28) 2 (0,78) 11 4,30) los geblieben. schule Wir fragen die Landesregierung: Real- 94 (52,81) 48 (26,97) 30 (16,85) 1 (0,56) 5 (2,81) schule 1. Wie viele auswärtige Schülerinnen und Schü- ler aus welchen Standorten haben im Schuljahr 2008/2009 den Hauptschul- und den Real- Aus den vorstehenden Daten lässt sich nicht der schulzweig der St.-Ursula-Schule besucht, und Schluss ziehen, dass an einem der Herkunfts- wie hoch ist ihr Anteil an der Gesamtschüler- standorte durch den Besuch der St.-Ursula-Schule schaft der Schule? der auswärtigen Schülerinnen und Schüler eine 2. An welchen Herkunftstandorten der auswär- öffentliche Hauptschule oder Realschule beein- tigen Schülerinnen und Schüler ist die nach der trächtigt wird. Die öffentliche Hauptschule Giebol- Verordnung zur Schulentwicklungsplanung maßgebliche Mindestgröße der entsprechen- dehausen war im Schuljahr 2008/2009 mit Aus- den öffentlichen Schulen beeinträchtigt? nahme der Jahrgänge 8 und 9 einzügig. Diese Einzügigkeit hätte aber auch dann bestanden, 3. Hält die Landeregierung wegen der im Vor- spann genannten Situation Verhandlungen der wenn die Schülerinnen und Schüler mit Wohnort in Schulbehörde mit dem kirchlichen Schulträger Gieboldehausen, die die St.-Ursula-Schule in Du- für erforderlich? Wenn nein, warum nicht? derstadt besuchen, die öffentliche Hauptschule an Wenn ja, wann werden diese stattfinden? ihrem Wohnort besucht hätten. Die öffentliche Die Herkunftsstandorte der die St.-Ursula-Schule Realschule in Gieboldehausen war im Schuljahr in Duderstadt besuchenden Schülerinnen und 2008/2009 mit Ausnahme des Jahrgangs 5 dreizü- Schüler werden durch das Land zwar nicht statis- gig, mithin überhaupt nicht beeinträchtigt. tisch erhoben, der kirchliche Schulträger hat aber Die Samtgemeinde Radolfshausen ist nicht Stand- im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit ort einer öffentlichen Hauptschule oder Realschu- dort vorhandene Daten zur Verfügung gestellt. Aus le. Schülerinnen und Schüler mit Wohnort in einer diesen Daten lässt sich nicht der Schluss ziehen, der Mitgliedsgemeinden dieser Samtgemeinde dass durch die Aufnahme auswärtiger Schülerin- haben bei Besuch einer öffentlichen Hauptschule nen und Schüler an der St.-Ursula-Schule in Du- oder Realschule je nach Wohnort die entspre- derstadt öffentliche Hauptschulen hinsichtlich ihrer chende Schule in Duderstadt, in Göttingen oder Größe maßgeblich beeinträchtigt werden. mit Wahlrecht zwischen Göttingen und Giebolde-

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hausen bzw. zwischen Göttingen und Duderstadt verdachtsunabhängige Kontrollen?“ aus dem zu besuchen. Juni 2008 „sind solche Kontrollen nur, wenn von ihnen aufgrund eines polizeilichen Lagebil- Zu 3: Nein. Da keine Beeinträchtigung der öffentli- des Beiträge zur Bekämpfung der internationa- chen Hauptschulen vorliegt, die ihre Ursache in len Kriminalität erwartet werden können und sie unter Berücksichtigung aller Umstände verhält- einer Aufnahme von auswärtigen Schülerinnen nismäßig sind“, zulässig. Welche konkreten Er- und Schülern an der St.-Ursula-Schule hat, sind gebnisse (Verhaftungen etc.) im Sinne dieser Verhandlungen nach § 157 Abs. 2 Satz 1 des Nie- Vorgabe konnten durch die in den vergangenen dersächsischen Schulgesetzes nicht erforderlich. Jahren durchgeführten Kontrollen erzielt wer- den?

3. Inwieweit sieht die Landesregierung die ver- Anlage 23 fassungsrechtlich garantierte Freiheit der Reli- gionsausübung beeinträchtigt, wenn eine mas- Antwort sive und frühzeitige Polizeipräsenz die Gläubi- gen aufgrund der diskriminierenden Wirkung des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration und des deutlich gesteigerten Zeitaufwands für auf die Frage 25 der Abg. Filiz Polat, Dr. Gabriele den Moscheebesuch vom Gebet abhält? Heinen-Kljajić und Helge Limburg (GRÜNE) Die Landesregierung nimmt die Sorgen der musli- Verdachtsunabhängige Kontrolle von Mo- mischen Bevölkerung in Bezug auf die Kontroll- scheebesuchern in Braunschweig maßnahmen sehr ernst. Aus diesem Grund wur- Am 29. Mai 2009, einem Freitag, hat die Polizei den und werden regelmäßig Gespräche mit Mo- vor der Moschee Reichsstraße in Braunschweig scheevereinen und Verbänden geführt. Aktuell zum wiederholten Mal eine sogenannte ver- wird beispielsweise der Präsident des Landesprä- dachtsunabhängige Kontrolle mit Identitätsfest- sidiums für Polizei, Brand- und Katastrophenschutz stellung bei den Moscheebesuchern durchge- führt. Bereits vor dem Freitagsgebet waren zu unter Beteiligung der Polizeipräsidenten und der diesem Anlass zahlreiche Polizisten vor Ort, Integrationsabteilung des Ministeriums für Inneres, sodass nach Angaben des Moscheevorstands Sport und Integration die Vorsitzenden von musli- viele Gläubige von ihrem geplanten Besuch der mischen Verbänden zeitnah zu einem Gespräch in Moschee Abstand nahmen. Die erst nach dem Freitagsgebet stattgefundene Kontrolle hat das Innenministerium einladen, um auch die aktu- dann zu einer regelrechten Staubildung geführt. ellen polizeilichen Maßnahmen im Kontext mit der Das Moscheetor wurde teilweise geschlossen, Sicherheitslage zu erörtern. Darüber hinaus soll was den Eindruck eines Käfigs vermittelte, und der Austausch über die weitere mögliche Zusam- annähernd jede aus der Moschee tretende Per- son wurde kontrolliert. menarbeit das gegenseitige Vertrauen im Umgang miteinander weiterentwickeln. Für die Besucher der Moscheen ist dies nicht verständlich, eine Belastung und ein Ärgernis, Der Generalsekretär von DITIB und gleichzeitige weil die Akzeptanz von Moscheen in den Stadt- teilen vermindert wird und die Gläubigen ihren Vorsitzende des neu gegründeten DITIB-Landes- nachbarschaftlichen Ruf gefährdet sehen. Der verbandes Niedersachsen-Bremen hat sich in der Gemeindevorstand der Moschee befürchtet, Hürriyet mit dem Hinweis auf die grundsätzliche dass derartige Kontrollen den betroffenen Mus- Notwendigkeit sehr differenziert zu den verdachts- limen, die sich zum Teil jahrelang maßgeblich an der Integrationsarbeit in der Kommune betei- unabhängigen Kontrollen vor Moscheen in Nieder- ligt haben, ein Gefühl der Diskriminierung ver- sachsen geäußert. Ich zitiere: mitteln und insbesondere bei den vielen jungen Gemeindemitgliedern in Braunschweig dazu „Ünlü sagte gegenüber der Hürriyet, führen können, dass diese ihren Glauben an dass die andauernden Personenkon- den Nutzen ihrer Integrationsbemühungen und trollen für die Sicherheit notwendig an eine diskriminierungsfreie Zukunft verlieren. seien und zur Abwehr gegen den Ex- Wir fragen die Landesregierung: tremismus und Terror dienten.“ 1. Steht nach Auffassung der Landesregierung der Nutzen solcher Kontrollen in einem ange- Zwischen der Landesregierung und den muslimi- messenen Verhältnis zu den Befürchtungen schen Verbänden in Niedersachsen besteht Einig- des Gemeindevorstands, dass sie kontrapro- keit darin, dass im Zusammenhang mit den Kon- duktiv auf Integrationsbemühungen wirken, eine trollen jedoch nicht der Eindruck eines Generalver- diskriminierungsfreie Zukunft erschweren und eine Radikalisierung insbesondere junger Mus- dachts gegenüber dem Islam und seinen Glau- lime fördern? bensangehörigen entstehen darf. Unsererseits 2. Nach der Antwort zu der Anfrage „Diskrimi- besteht die Zusicherung, dass dies bei der Pla- nierung der Besucher von Moscheen durch nung und Durchführung der Kontrollmaßnahmen

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durch die Polizei berücksichtigt wird. Gerade im Abs. 6 Nds. SOG sind u. a. die folgenden Ergeb- Hinblick auf die ungestörte Ausübung der Religion nisse erzielt worden: werden die Kontrollen so gestaltet, dass die Belas- - 65 Festnahmen basierend auf Delikten der all- tungen für die Betroffenen so gering wie möglich gemeinen oder organisierten Kriminalität, gehalten werden. - 129 Treffer aufgrund von behördlichen Aufent- Die einzelnen Moscheen oder Gebetsräume sind haltsersuchen bzw. Ausschreibungen zur polizei- nur an wenigen Tagen im Jahr von Kontrollen be- lichen Beobachtung, troffen. Im Zusammenhang mit dem Freitagsgebet werden die Maßnahmen so durchgeführt, dass der - 114 Strafanzeigen aufgrund von Delikten der freie Zugang gewährleistet bleibt und es nicht zu allgemeinen und organisierten Kriminalität, unzumutbaren zeitlichen Verzögerungen kommt. - 519 Ordnungswidrigkeitenanzeigen beispielswei- Die seit dem 24. Januar 2003 von der niedersäch- se infolge von Verstößen gegen das Verkehrs- sischen Polizei durchgeführten Kontrollen im öf- recht, das Waffengesetz und das Aufenthaltsge- fentlichen Verkehrsraum zur Bekämpfung der in- setz. ternationalen Kriminalität gemäß § 12 Abs. 6 Nds. SOG gehören insbesondere durch ihre hohe prä- Die Einleitung strafprozessualer Ermittlungsvor- ventive Wirkung sowie in ihrer Funktion als Er- gänge ist dabei nicht das primäre Ziel derartiger kenntnis- und Verdachtsgewinnungsinstrument Kontrollen. Vielmehr steht hierbei die Verdachts- zum Kernbereich der polizeilichen Maßnahmen. und Erkenntnisgewinnung im Zusammenhang mit dem Umfeld des islamistisch-terroristischen Per- Nach Berichterstattung der Polizeidirektion Braun- sonenpotenzials im Fokus. Die Kontrollmaßnah- schweig hat am 29. Mai 2009 vor dem Gelände der men haben sich als Instrument zur Erkenntnisge- Moschee des „Deutschsprachigen Muslimkreises winnung im Bereich des islamistischen Extremis- Braunschweig (DMK) e. V.“, Reichsstraße 5, mus/Terrorismus bewährt. 38100 Braunschweig, eine Kontrollmaßnahme im Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwie- öffentlichen Verkehrsraum stattgefunden. sen. Beim Eintreffen der Einsatzkräfte stand eine Hälfte Zu 3: Die Kontrollen werden gerade auch im Hin- des in der Hofeinfahrt befindlichen Gittertores of- blick auf die Religionsfreiheit der Betroffenen so fen. Unaufgefordert öffneten Besucher der Mo- schonend wie möglich konzipiert. schee zu Beginn der Kontrollen auch den zweiten Torflügel. Das Tor ist während der Durchführung Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwie- der Maßnahme von den Einsatzkräften unberührt sen. geblieben. Aufgrund der polizeilichen Kontrollen und der örtlichen Gegebenheiten entstand beim Verlassen des Grundstücks eine unvermeidbare Anlage 24 zeitliche Verzögerung, von der auch jene Besucher betroffen waren, die nicht kontrolliert wurden. Im Antwort Verlauf der Kontrollmaßnahme wurden 77 Perso- des Kultusministeriums auf die Frage 26 der Abg. nen überprüft, was in etwa der Hälfte der anwe- Ursula Helmhold und Ina Korter (GRÜNE) senden Moscheebesucher entsprach. Konfliktregelung zwischen Schulleitung und In Rahmen eines am 25. Juni 2009 mit dem Vorsit- Schulvorstand in Eigenverantwortlichen zenden des o. g. Muslimkreises geführten Koope- Schulen rationsgespräches lobte dieser das höfliche und Nachdem die Schulen in Niedersachsen mit korrekte Auftreten der an der Kontrolle vom Umsetzung des Schulgesetzes zum 1. August 29. Mai 2009 beteiligten Polizeibeamten. 2007 eigenverantwortlich geworden sind, hat es inzwischen Irritationen in der Ausführung gege- Dies vorangestellt, beantworte ich die Mündliche ben, die der grundsätzlichen Klärung bedürfen. Anfrage auf Grundlage der Zulieferungen des Lan- So ist es im Zusammenhang mit der Aufstellung deskriminalamtes Niedersachsen namens der Lan- des Haushalts der Eigenverantwortlichen Schu- desregierung wie folgt: le zu Unklarheiten über die Rechte des Schul- vorstandes in Bezug auf den Haushalt der Ei- Zu 1 und 2: Im Zuge der seit dem Jahr 2003 genverantwortlichen Schule u. a. bei folgenden Fragestellungen gekommen: durchgeführten Kontrollmaßnahmen gemäß § 12

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A. Wenn kein Beschluss über den Gesamt- vorlegen, kann dabei Rückfragen stellen und so haushalt gefasst wird, kann die Schulleitung gegebenenfalls bereits im Hinblick auf die Bewirt- dann nach dem vorliegenden Entwurf über die Mittel verfügen? schaftung Einfluss nehmen.

B. Wie lange kann die Schulleitung nach die- Der Schulvorstand stimmt immer über den gesam- sem Verfahren über den Haushalt verfügen, ten Haushaltsplan ab, nicht über Einzelposten. und welches Verfahren ist vorgesehen, um Beabsichtigt der Schulvorstand, zu einzelnen Pos- zu einer Einigung zu kommen? ten des Haushaltsplans seine Zustimmung zu ver- C. Welches Verfahren ist vorgesehen, wenn weigern, stimmt er demzufolge dem Haushaltsplan die Schulleitung nicht entlastet wird? nicht zu. Die Schulleiterin oder der Schulleiter ist in In der Praxis hat es Fälle gegeben, dass es im diesem Fall zur Nachbesserung verpflichtet. Dar- Schulvorstand zu keiner Entscheidung über den aus ergibt sich für den Schulvorstand eine Ein- Haushaltsplan der Schule gekommen ist und die Schulleitung lediglich auf der Grundlage des flussmöglichkeit bezüglich der Inhalte von einzel- Entwurfs für den Haushaltsplan über die Mittel nen Haushaltsstellen. der Schule verfügt hat, woraufhin der Schulvor- stand der Schulleitung die Entlastung verwei- Die Mitteilung der einzelnen Haushaltsstellen be- gert hat. inhaltet keine detaillierte Aufschlüsselung. Eine Weiterhin hat es in der Praxis Unklarheiten dar- solche sieht das Schulgesetz nicht vor. Die Schul- über gegeben, welche Informationen, etwa zur leiterin oder der Schulleiter ist nur verpflichtet, dem Situation der Unterrichtsversorgung an der Schulvorstand die geplanten Gesamtsummen für Schule, die Schulleitung an den Schulvorstand, z. B. Fortbildungen, Schulfahrten, SchiLF, Kopier- den Schulelternrat, den Schülerrat und den Schulpersonalrat weitergeben muss bzw. wel- kosten, Gebäudeunterhaltung zu nennen, und nur che Information die Schulleitungen gegenüber auf diese Positionen beschränkt sich die Einfluss- diesen Gremien verweigern darf oder muss. nahme. Daher reduziert sich das Recht des Schul- Wir fragen die Landesregierung: vorstandes darauf, zu einzelnen Haushaltsstellen

1. Welche Regelungen gibt es, mit denen si- des Haushaltsplans Rückfragen zu stellen und in chergestellt wird, dass der Schulvorstand tat- strittigen Fällen Nachbesserungen zu verlangen. sächlich über den Plan über die Verwendung Beispielsweise kann der Schulvorstand im Ausga- der Haushaltsmittel entscheiden kann und die- benbereich „Schulfahrten, Fortbildungen“ Verände- ses Recht nicht dadurch unterlaufen werden kann, dass die Schulleitung über die Haus- rungen erbitten, falls zu viele Mittel für Schulfahr- haltsmittel lediglich auf der Grundlage eines ten und kaum Mittel für notwendige Fortbildungen von ihr selbst vorgelegten Haushaltsentwurfs vorgesehen sind. Hat sich die Schulleiterin oder verfügt? der Schulleiter aber abweichend zu einer detaillier- 2. Welches Konfliktmanagement ist für den Fall teren Aufschlüsselung entschlossen, so muss sie vorgesehen, dass aufgrund von Problemen in oder er zu den angeführten einzelnen Haushalts- der Zusammenarbeit zwischen Schulleitung stellen Stellung beziehen. und Schulvorstand eine rechtzeitige Entschei- dung über den Haushaltsplan oder über andere Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der wichtige Fragen nicht zustande kommt oder ei- ne Entlastung der Schulleitung in Bezug auf Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie den Haushalt nicht erteilt wird? folgt: 3. Welche Regelungen gibt es, mit denen si- Zu 1: Wird der Haushaltsplanentwurf aufgrund von chergestellt wird, dass alle schulischen Gre- Beanstandungen nicht genehmigt, muss die Schul- mien über alle für ihre Arbeit wichtigen Fragen - z. B. auch bezüglich der Unterrichtsversorgung leiterin oder der Schulleiter nachbessern. Liegt ein an der Schule - ausreichend informiert werden? Beschluss über die Verwendung der Haushaltsmit- tel noch nicht vor, kann die Schulleiterin oder der Nach § 38 a Abs. 3 Nr. 2 des Niedersächsischen Schulleiter nur im Wege der vorläufigen Haushalts- Schulgesetzes entscheidet der Schulvorstand über führung tätig werden, nicht aber auf Grundlage des den Plan über die Verwendung der Haushaltsmittel von ihr oder ihm vorgelegten Haushaltsplanent- und die Entlastung der Schulleiterin oder des wurfs. Am Ende des Haushaltsjahres entscheidet Schulleiters. Der Schulvorstand wirkt dabei nicht der Schulvorstand über die Entlastung der Schul- bei der Aufstellung des Haushaltsplans mit, da leiterin oder des Schulleiters. Das Schulgesetz diese Aufgabe gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 3 NSchG zu knüpft zwar keine direkte Rechtsfolge an eine den Pflichten der Schulleiterin oder des Schullei- Nichtentlastung, gleichwohl stellt die nicht ord- ters gehört, sondern lässt sich den fertigen Entwurf nungsgemäße Vorlage eines Haushaltsplanent- des Planes über die Verwendung der Haushalts- wurfs eine Pflichtverletzung dar. mittel von der Schulleiterin oder dem Schulleiter

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Zu 2: Nach § 120 a NSchG gewährleisten die rende niedersächsische Innenministerium im- Schulbehörden die Beratung und Unterstützung mer wieder zu, dass die niedersächsischen Ausländerbehörden Professor Dr. Vogel als der Schulen. Dies umfasst sowohl die schulfachli- Gutachter bestellen, obwohl bereits frühere che Beratung und Unterstützung unter schulfachli- Gutachten ähnliche Mängel wie das aktuelle chen, pädagogischen, schulrechtlichen, organisa- Gutachten aufwiesen? torischen und dienstrechtlichen Aspekten durch die 2. Wird das niedersächsische Innenministerium Landesschulbehörde als auch in Einzelfällen die nun, da die mangelnden Qualitäten der Gutach- Beratung und Unterstützung durch das Nieder- ten von Professor Dr. Vogel und dessen man- sächsische Kultusministerium. gelnde Unabhängigkeit supervisorisch und rich- terlich bestätigt wurden, die Fachaufsicht wahr- Zu 3: Nach § 34 Abs. 3 sowie § 38 a Abs. 2 nehmen und der zukünftigen Beauftragung von Professor Dr. Vogel entgegenwirken und ver- NSchG unterrichtet die Schulleiterin oder der neinendenfalls warum nicht? Schulleiter die Gesamtkonferenz bzw. den Schul- vorstand über alle wesentlichen Angelegenheiten 3. Warum wurde im vorliegenden Fall Professor Dr. Vogel mit dem Gutachten beauftragt, ob- der Schule. Schulleitung und Lehrkräfte haben wohl bereits eine nervenärztliche Stellungnah- dem Schülerrat und den Klassenschülerschaften me von Dr. Agbe-Davies vom 10. Juli 2009, ein gemäß § 80 Abs. 4 NSchG sowie dem Schuleltern- Gutachten des Gesundheitsamtes des Land- rat und den Klassenelternschaften gemäß § 96 kreises Emsland vom 17. Juli 2009 und ein Gut- achten des Anstaltsarztes Teubner der Justiz- Abs. 3 NSchG die erforderlichen Auskünfte zu vollzugsanstalt Langenhagen vom 22. und erteilen. 24. Juli 2009 vorlagen? Die Ausländerbehörden sind beim Vollzug des Aufenthaltsgesetzes unabhängig in der Entschei- Anlage 25 dung, welche Fachärzte oder Gutachter sie ein- Antwort schalten, wenn medizinische Gutachten zur Vorbe- reitung aufenthaltsrechtlicher Entscheidungen her- des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration angezogen werden müssen. auf die Frage 27 der Abg. Filiz Polat (GRÜNE)

Qualität medizinischer Gutachten in Ab- Ärztliche Gutachten, Atteste oder Stellungnahmen schiebungsfällen sind für die Ausländerbehörden wichtige Hilfen für die aufenthaltsrechtliche Entscheidungsfindung, Mit Beschluss vom 11. August 2009 hat das Landgericht Hannover in seinem Beschluss sie entfalten formal jedoch keine Bindungswirkung. (Az. 44 XIV 82/09) die sofortige Entlassung ei- Soweit ein ärztliches Gutachten nicht den Anforde- nes Flüchtlings aus der Abschiebungshaft an- rungen genügt, um darauf eine fundierte aufent- geordnet und festgestellt, dass die Inhaftierung haltsrechtliche Entscheidung zu stützen, obliegt es des Betroffenen in Abschiebungshaft seit dem 28. Juli 2009 rechtswidrig war. In seiner Be- der Behörde, ein ergänzendes Gutachten einzuho- gründung folgt das Landgericht ausdrücklich len oder gegebenenfalls auch einen anderen nicht dem von der Ausländerbehörde des Facharzt mit der Untersuchung und Begutachtung Landkreises Emsland eingeholten nervenärztli- eines zur Ausreise verpflichteten Ausländers zu chen Gutachten von Professor Dr. Vogel vom 29. Juli 2009, der „ohne eingehende Begrün- beauftragen. dung das Vorliegen einer psychischen Störung ausschließt und sich im Übrigen in wertender Bei einer gerichtlichen Überprüfung der aufent- Weise zu nicht medizinischen Fragen äußert“. haltsrechtlichen Entscheidung -in der Regel in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren - wird Professor Dr. Vogel wurde bereits mehrfach von niedersächsischen Ausländerbehörden mit auch das im Einzelfall vorliegende ärztliche Gut- der Erstellung von Gutachten zur Reisefähigkeit achten in die Prüfung einbezogen. Ob ein ärztli- abzuschiebender Personen beauftragt. Zu dem ches Attest den fachlichen Anforderungen ent- genannten Gutachten nimmt Dr. med. Hans spricht, ist nach den vom Bundesverwaltungsge- Wolfgang Gierlichs, zertifizierter Gutachter und Supervisor der Landesärztekammer Nordrhein- richt benannten Kriterien zu prüfen. Danach muss Westfalen für die Begutachtung in aufenthalts- sich u. a. rechtlichen Verfahren, Stellung mit der Aussa- ge: „Zusammenfassend weist das Gutachten „… aus einem fachärztlichen Attest erhebliche methodische Mängel auf, es ist dar- nachvollziehbar ergeben, auf welcher über hinaus tendenziös.“ Grundlage der Facharzt seine Diag- Ich frage die Landesregierung: nose erstellt hat und wie sich die 1. Aus welchen Gründen und aufgrund welcher Krankheit im konkreten Fall darstellt. Qualifikationen lässt das die Fachaufsicht füh- Dazu gehören etwa Angaben darüber,

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seit wann und wie häufig sich der Pa- achten, sodass die Beauftragung eines weiteren tient in ärztlicher Behandlung befun- Facharztes mit der Untersuchung und Begutach- den hat und ob die von ihm geschil- tung des syrischen Staatsangehörigen A. erforder- derten Beschwerden durch die erho- lich war. benen Befunde bestätigt werden. Des

Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, de- Anlage 26 ren Behandlungsbedürftigkeit sowie Antwort den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Ein des Finanzministeriums auf die Frage 28 der Abg. Attest, das keine Angaben über eine Björn Thümler und Heinz Rolfes (CDU) eigene ärztliche Exploration und Be- Geldabhebegebühren bei fremden Bankin- funderhebung enthält und sich im stituten hoch - Besserer Schutz für die Kun- Wesentlichen auf die Wiedergabe der den Angaben des Antragstellers“ (Anmer- Das Geldabheben am Geldautomaten der ei- kung: ausreisepflichtigen Ausländers) genen Bank ist kostenfrei. Ist die Bank in einem „beschränkt und ohne nähere Erläute- Verbund mit anderen Banken, wie dies in der deutschen Bankenlandschaft häufig zu sehen rung bescheinigt, dass die von ihm“ ist, kann auch an allen Geldautomaten der dem (Anmerkung: ausreisepflichtigen Aus- Verbund angehörigen Banken kostenlos Bar- länder) „gemachten Angaben für das geld abgeholt werden. Dies ermöglicht dem Vorhandensein einer posttraumati- Kunden, an möglichst vielen Orten Geld abzu- heben, ohne dafür Gebühren entrichten zu schen Belastungsstörung sprächen müssen. Einen solchen Verbund gibt es bei- und in dem keine nachvollziehbar ei- spielsweise zwischen den Sparkassen oder den gene Diagnose gestellt ist, genügt Volks- und Raiffeisenbanken. diesen Anforderungen nicht.“ Das Geldabheben an fremden Geldautomaten, (BVerwG 10 C 8.07 vom 11.09.2007) also an Automaten, die nicht der eigenen Bank oder dem Bankenverbund angehören, ist teuer. Die Ausländerbehörde des Landkreises Emsland Die kontoführende Bank berechnet dem Kun- hat nach diesen Kriterien die ihr im Fall des ausrei- den hierfür ein Entgelt, welches zwischen den Banken recht unterschiedlich ausfällt. Eine Un- sepflichtigen syrischen Staatsangehörigen A. vor- tersuchung der unabhängigen Finanzberatung liegenden Gutachten geprüft und bewertet und ist hat nun aufgezeigt, dass die Entgelte für die in fachaufsichtsbehördlich nicht zu beanstanden- Benutzung eines fremden Bankautomaten im- der Weise dem Gutachten von Herrn Professor Dr. mer höher geworden sind. So lag vor drei Jah- ren beispielsweise die durchschnittliche Höhe med. Vogel gefolgt. des Entgelts bei 4,38 Euro. Mittlerweile beträgt diese 5,14 Euro, was einem Anstieg um 17 % Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfra- entspricht. ge namens der Landesregierung wie folgt. Verbraucherschützer sind über diesen Anstieg Zu 1 und 2: Die fachärztlichen Gutachten von empört. Es heißt, die Bankkunden müssten für Herrn Professor Dr. med. Vogel sind bereits in eine Leistung der Bank einen Preis zahlen, der bei Weitem nicht dem eigentlichen Wert der anderen aufenthaltsrechtlichen Verfahren Gegen- Leistung entspricht. stand verwaltungsgerichtlicher Prüfungen gewesen Wir fragen die Landesregierung: (u. a. Verwaltungsgericht Hannover vom 21. Januar 2008 - 5 B 768/08). Dem Niedersächsi- 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung für das schen Ministerium für Inneres, Sport und Integrati- Geldabheben an fremden Geldinstituten, und ist on ist kein Fall bekannt, in dem ein Verwaltungsge- aus ihrer Sicht eine Überarbeitung der Gebüh- richt ein Gutachten von Herrn Professor Dr. med. renordnung angebracht? Vogel infrage gestellt oder gar verworfen hat. Im 2. Wie beurteilt die Landesregierung eine mög- Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. liche Kooperation der Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, die ein gebührenfreies Zu 3: Die erwähnten ärztlichen Stellungnahmen Geldabheben an den entsprechenden Geldau- erfüllten nach Einschätzung des Landkreises Ems- tomaten der Kreditinstitute ermöglicht, beson- land nicht die Mindestanforderungen, die nach der ders vor dem Hintergrund der besseren Versor- gung des ländlichen Raums, und ist geplant, Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dass sich die Landesregierung für eine solche an ein Gutachten zu stellen sind. Insofern fehlte Kooperation einsetzt? der Ausländerbehörde ein aussagekräftiges Gut-

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3. Plant die Landesregierung, sich auf den ent- Anlage 27 sprechenden Ebenen für eine Überprüfung der Geldabhebegebühren an fremden Geldinstitu- Antwort ten und damit für einen verbesserten Kunden- schutzes einzusetzen? des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration auf die Frage 29 des Abg. Hans-Christian Biallas Die Fragen der Abgeordneten Björn Thümler und (CDU) Heinz Rolfes (CDU) beantworte ich im Namen der Rockerkriminalität - Neue Gefahren für die Landesregierung wie folgt: öffentliche Sicherheit und Ordnung? Einem Bericht der Zeitschrift DER SPIEGEL Zu 1: Durch die Zurverfügungstellung von Geldau- (Ausgabe 31/2009 vom 27. Juli 2009) zufolge tomaten für Bargeldabhebungen durch Kunden verschärft sich die Rivalität zwischen den Ro- ckerbanden Hells Angels und Bandidos. Mit fremder Geldinstitute erbringt eine Bank eine Leis- neuer Brutalität kämpften sie um ihren Einfluss tung, für die die Erhebung von Gebühren gerecht- im Rotlicht- und Drogenmilieu. fertigt ist. Eine allgemeine Gebührenordnung für Die bundesweit in regionalen Clubs organisier- diese Leistungen ist der Landesregierung nicht ten Banden seien im Drogen- und Menschen- bekannt. Vielmehr kann jede Bank selbst festle- handel tätig, als Geldeintreiber und mit Wach- gen, welche Gebühren sie von einer anderen Bank diensten vor allem in der Türsteherszene. Fahnder, so DER SPIEGEL weiter, befürchten verlangt, wenn deren Kunde den fremden Geldau- nach dem „Ende des Waffenstillstandes“ durch tomaten benutzt. Diese Gebühren werden von der Angriffe auf Führungsmitglieder weitere Eskala- kontoführenden Bank entweder in voller Höhe oder tionen bis hin zu Opfern unter Unbeteiligten. zu einem geringeren Satz an ihre Kunden weiter- In Niedersachsen kam es bereits zu mehreren gegeben. Die Landesregierung sieht für sich keine Vorfällen. In Leer wurden am 5. Juli 2003 drei rechtlichen Möglichkeiten, auf die Preisgestaltung Mitglieder der mit den Hells Angels verfeindeten der Kreditinstitute untereinander Einfluss zu neh- Bandidos schwer oder lebensgefährlich verletzt. Nachdem im März 2006 in Stuhr erneut Bandi- men. Gleiches gilt für einen eventuellen Eingriff in dos überfallen und schwer verletzt wurden, sa- die privatrechtlichen Vertragsverhältnisse zwischen ßen zwölf Hells Angels in Untersuchungshaft. der kontoführenden Bank und ihrem Kunden. Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregie- Zu 2: Eine Kooperation zwischen den Sparkassen rung zu Mitgliederzahlen, zur Organisation und und Volks- und Raiffeisenbanken ist grundsätzlich zu Aktivitäten im Bereich der sogenannten Ro- begrüßenswert. Bisher gibt es jedoch keine kon- ckerkriminalität? kreten Planungen oder Absichten der übergeord- 2. Wie bewertet die Landesregierung die Ge- neten Verbände in diese Richtung. Wenn entspre- fahrenlage aus diesem Bereich für Niedersach- chende Bestrebungen bestehen, steht die Landes- sen, insbesondere aufgrund der vermuteten Nähe zur Organisierten Kriminalität? regierung für eine Unterstützung selbstverständlich bereit. 3. Welche Maßnahmen ergreift die Landesre- gierung gegen diese besondere Form der Kri- minalität? Zu 3: Die Landesregierung begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission, Generaldirektion Die polizeilichen Zentralstellen sind sich län- Gesundheit und Verbraucher, die eine Datenerhe- derübergreifend in der Bewertung einig, dass ver- bung zu den Gebühren für Girokonten von Privat- schiedene Rockergruppierungen Züge Organisier- kunden beauftragt hat (SANCO-2008-02272). ter Kriminalität aufweisen. Das grundsätzliche Ge- Hierbei sollen u. a. die Gebühren zur Bargeldnut- schäftsgebaren ist belegbar auf Territorial- und zung (z. B. Bargeldabhebungen an Geldautoma- Machtzuwachs gegenüber anderen konkurrieren- ten) in den EU-Mitgliedsstaaten erfasst werden. den Clubs ausgelegt. Die Anwendung von Dro- Die gefundenen Daten sollen als Basis für mögli- hung oder Gewalt zur Erreichung der Ziele ist an che künftige Maßnahmen der EU-Kommission auf der Tagesordnung und auch in den scheinbar le- diesem Gebiet dienen können, um Faktoren, die galen Geschäftsfeldern zu beobachten. Die Ver- den inner- und zwischenstaatlichen Preisunter- wendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher schieden in der EU zugrunde liegen, nachzuvoll- Strukturen begünstigt die Tatgelegenheitsstruktu- ziehen und zu analysieren. ren für kriminelles Handeln. Daneben sind die wei- teren durch Mitglieder von Rockergruppierungen begangenen Straftaten sehr oft den typischen De-

liktsfeldern der Organisierten Kriminalität (OK)

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zuzuordnen, wobei der illegale Handel mit Betäu- Dies vorangestellt, beantworte ich die Anfrage bungsmitteln eine wesentliche Rolle spielt. namens der Landesregierung wie folgt:

Das Gefährdungspotenzial von Rockergruppierun- Zu 1: In Niedersachsen sind 215 Motorradclubs gen resultiert vor allem aus der straffen hierarchi- bekannt, von denen aktuell 37 den sogenannten schen Organisationsform, der Internationalität, den Outlaw-Motorcycle-Gangs (OMCG) zugeordnet Verhaltensweisen und dem daraus erwachsenden werden. Im Rahmen einer von A bis C reichenden Einschüchterungspotenzial sowie nicht zuletzt aus Indikatorenklassifizierung wird diese Organisation der hohen Gewaltbereitschaft und Bewaffnung, die der Kategorie C zugeordnet. Die Zahl der Mitglie- immer wieder in gewalttätigen Auseinandersetzun- der in diesen OMCG liegt derzeit bei ca. 300 Per- gen zwischen Rockergruppierungen, bis hin zu sonen. Über etwa die Hälfte dieser Personen lie- Tötungsdelikten, zum Vorschein kommt. Hierdurch gen kriminalpolizeiliche Erkenntnisse vor. wird das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erheb- lich beeinträchtigt. Zudem besteht die in Einzelfäl- In Niedersachsen sind u. a. die großen vier Clubs len auch belegte Gefahr, dass Rockergruppierun- Hells Angels MC, Bandidos MC, Outlaws MC und gen ihre straffe netzwerkartige Organisationsform Gremium MC vertreten. Die Mitglieder entfalten gezielt und gewerbsmäßig zur Begehung schwerer ihre Aktivitäten u. a. in den Bereichen Rotlichtmi- Straftaten nutzen. Dieses Gefährdungspotenzial lieu, Eventgastronomie sowie dem Sicherheitsge- besitzt aufgrund der geografischen Verteilung von werbe. Rockergruppierungen in Deutschland eine län- derübergreifende Relevanz. Der niedersächsischen Polizei sind im vergange- nen Jahr insgesamt 49 Straftaten, begangen durch Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat bereits Mitglieder von OMCGs, bekannt geworden, denen im Jahr 2005 auf die sich abzeichnende Expansion 56 Tatverdächtige zugeordnet werden können. von Rockergruppierungen in Niedersachsen rea- Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Ge- giert. Mit Erlass des Niedersächsischen Innenmi- waltdelikte (Körperverletzung, Nötigung, Bedro- nisteriums vom 29. Juli 2005 ist die „Rahmenkon- hung, Erpressung und Sachbeschädigung), Eigen- zeption zur Intensivierung der Bekämpfung der tumsdelikte, Verstöße gegen das Waffengesetz schweren und Organisierten Kriminalität im Umfeld und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. von Motorradclubs (Rockerkriminalität) in Nieder- sachsen“ in Kraft getreten. Damit einhergehend ist Zu 2: Insbesondere die bereits genannten Motor- im Dezernat 35 (Zentralstelle Organisierte Krimina- radclubs Hells Angels MC, Bandidos MC, Outlaws lität) des Landeskriminalamts Niedersachsen eine MC und Gremium MC beanspruchen bestimmte Ermittlungsgruppe eingerichtet worden. Territorien bzw. Einflussbereiche in Niedersach- Die allgemeine Informationsgewinnung zu Motor- sen. Hier spielen insbesondere wirtschaftliche radclubs und die gezielte Informationsbeschaffung Interessen wie beispielsweise im Rotlichtmilieu im Deliktsbereich „Rockerkriminalität“ obliegen (Türsteherdienste, Wirtschaftertätigkeiten pp.) eine vorrangig den Polizeidienststellen in der Fläche. wesentliche Rolle. Sie haben dazu in jeder Polizeiinspektion einen Auch in Niedersachsen haben sich in jüngerer Ansprechpartner „Rockerkriminalität“ eingesetzt. Vergangenheit verschiedene Auseinandersetzun- Die im LKA eingerichtete Ermittlungsgruppe ge- gen zwischen rivalisierenden OMCGs ereignet. Im währleistet als Zentralstelle das Informationsma- Jahr 2008 sind drei Ermittlungskomplexe gegen nagement in diesem Phänomenbereich in Nieder- Mitglieder rivalisierender Rockergruppierungen sachsen. Sie ist zugleich Ansprechstelle im Rah- geführt worden, die Merkmale der Organisierten men des bundesweiten und internationalen Infor- Kriminalität aufgewiesen haben. mationsaustausches. Die so gewonnenen Er- kenntnisse werden - gegebenenfalls mit einer stra- Zu 3: Siehe Vorbemerkung. tegischen Ergänzung oder Bewertung - anlassbe- zogen den Polizeidienststellen für deren Aufga- benbewältigung zur Verfügung gestellt.

Neben der Erstellung und Fortschreibung eines Landeslagebildes werden schwerpunktmäßig Er- mittlungen in straf- und gefahrenabwehrrechtlichen Einzelverfahren geführt.

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Anlage 28 mobilhersteller und Zulieferer sowie vor allem der Neuwagenhandel. Antwort Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen des Ministeriums für Wirtschaft Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung wie folgt: auf die Frage 30 der Abg. Ernst-August Hop- penbrock, Jörg Hillmer, Karsten Heineking und Zu 1: Eine statistische Auswertung von Anträgen Karl-Heinz Bley (CDU) und Reservierungen nach Bundesländern wird durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr- Auswirkungen der Umweltprämie auf die Wirtschaft in Niedersachsen kontrolle (BAFA) nicht erstellt. Eine solche Auswer- tung erfolgt nur für genehmigte Anträge. Insgesamt Eine der Maßnahmen aus dem Konjunkturpa- wurden zum Stichtag 4. August 2009 682 961 ket II ist die Stärkung der Pkw-Nachfrage. Pri- vate Autohalter können seit dem 14. Januar Umweltprämien gewährt, davon 477 098 für Neu- 2009 eine Umweltprämie, auch „Abwrackprä- fahrzeuge und 205 863 für Jahreswagen. Davon mie“ genannt, beantragen, wenn ein mindes- entfielen auf Niedersachsen 64 862 gewährte tens neun Jahre altes Altfahrzeug, das für min- Umweltprämien (9,5 % aller Prämien) für 44 649 destens ein Jahr auf den Halter zugelassen war, verschrottet und gleichzeitig ein umwelt- Neufahrzeuge und 20 213 Jahreswagen. freundlicher Neu- oder Jahreswagen ab Euro-4- Norm gekauft und zugelassen wird. Zum Stichtag 21. August 2009 waren von insge- samt 1 991 000 (2 Millionen Prämien abzüglich Laut Informationen des Bundesamts für Wirt- Verwaltungsaufwand) zur Verfügung stehenden schaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wurden mit Stand 10. August 2009 bereits bundesweit Prämien nach Auskunft des BAFA noch Mittel für 1 752 356 Anträge und Reservierungen für die 155 160 Prämien verfügbar. Umweltprämie gestellt. Es wird damit gerech- net, dass der zur Verfügung gestellte Etat noch Zu 2: Untersuchungen, welche die wirtschaftlichen im September 2009 ausgeschöpft sein wird, Effekte der Umweltprämie auf die Automobilindust- obwohl die Maßnahme bis zum 31. Dezember rie in Niedersachsen darstellen, sind nicht bekannt. 2009 verlängert wurde. Es liegen lediglich amtliche statistische Daten für Diese Maßnahme aus dem Konjunkturpaket II die Branche vor. Nach Angaben des Niedersächsi- ist also sehr erfolgreich. Die Bevölkerung hat schen Landesamtes für Statistik lagen die Umsät- die Maßnahme außerordentlich positiv ange- nommen. ze im Wirtschaftszweig „Herstellung von Kraftwa- gen und Kraftwagenteilen“ im ersten Halbjahr 2009 Wir fragen die Landesregierung: bei 27,5 Milliarden Euro; das waren 27,7 % weni- 1. Wie stellen sich die Zahlen der Anträge und ger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Reservierungen für Niedersachsen dar? Allerdings sind die Exportumsätze noch weit stär- 2. Welche Effekte und Auswirkungen sind in der ker gesunken, nämlich um 40,6 %. Positiver stellt niedersächsischen Wirtschaft spürbar, bezogen sich allerdings der Auftragseingangsindex dar. auf die Branchen Automobilindustrie, Kfz-Han- Dieser hat sich für die Branche im Juni 2009 zum del, Kfz-Verwertung und Altmetallhandel? Vorjahresmonat insgesamt um 15,7 % verschlech- Die Automobilindustrie musste schon immer zykli- tert (-7,1 % entfallen auf das Inland und -24,7 % sche Schwankungen hinnehmen und konnte diese auf das Ausland). Die vorhandenen Zahlen bein- auch immer bewältigen. Der im vergangenen Jahr halten allerdings auch die Umsätze der Nutzfahr- beginnende finanzmarktbedingte Einbruch unter- zeugbranche und deren Zulieferer, die bekannter- scheidet sich jedoch erheblich von bisherigen Kri- maßen noch deutlicher eingebrochen sind. Inso- sen. Die schärfste Rezession seit 1975 und ein weit ist eine Darstellung der Umsatzentwicklung Wegbrechen vor allem der internationalen Märkte allein für den Pkw-Bereich in Niedersachsen nicht haben zu einem nie dagewesenen Nachfragerück- möglich. gang geführt, der die Automobilindustrie und vor Volkswagen verspürte mit Einsetzen der Umwelt- allem ihre Zulieferer vor erhebliche, teilweise sogar prämie eine spontane und deutliche Nachfrage- existenzielle Probleme gestellt hat. steigerung und hat in starkem Maße von der Um- Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass - trotz weltprämie in Deutschland profitieren können. Die volkswirtschaftlicher Bedenken und dem ord- Marke Volkswagen Pkw hat in Deutschland im Juli nungspolitisch kritikwürdigen Umstand, dass nur 2009 26,9 % mehr Autos als im Vorjahresmonat eine Branche bevorzugt wurde - die Nachfrage in verkauft und ihre starke Marktposition damit noch Deutschland nach Neuwagen deutlich zugenom- ausgebaut. Nach eigenen Angaben des Unter- men hat. Gewinner der Umweltprämie sind Auto- nehmens wurden bisher im Zusammenhang mit

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der Umweltprämie in Deutschland nicht nur über stillgelegten Fahrzeugen mit rund 500 000 Altfahr- 250 000 Fahrzeuge verkauft, sondern infolge der zeugen begnügen. Der weitaus größere Teil ver- stark gestiegenen Nachfrage in den vergangenen ließ Deutschland als Gebrauchtwagen, der über- Monaten auch 5 800 Arbeitsplätze gesichert. Hinzu wiegende Teil in östliche EU-Staaten. kommen Tausende Beschäftigte bei den Zuliefe- Die zu geringe Auslastung der Demontagebetriebe rern, denen ohne staatliche Interventionen die bei parallelem Anstieg der Zertifizierungskosten Entlassung drohte. führte in den vergangenen Jahren auf der Erlössei- Profitiert von der Umweltprämie hat vor allem der te der Unternehmen zu deutlichen Einbußen. Die- Autohandel. Seit Einführung der Abwrackprämie se Situation verschärfte sich in der zweiten Jah- erreichten die Autohäuser in Deutschland in den reshälfte 2008 durch den massiven Einbruch der ersten fünf Monaten dieses Jahres ein Umsatzplus Rohstoffpreise, gegenüber dem Höchststand im von 4,7 %. Nominal lag die Steigerung bei Juli 2008 für Autoschrotte um 70 bis 80 %. 2,48 Milliarden Euro gegenüber dem entsprechen- Dies führte nach Darstellung von Marktführern den Zeitraum 2008. Die Pkw-Neuzulassungen dazu, dass zum Teil kaum noch Altfahrzeuge an- kletterten dagegen deutlich stärker um 22,8 %. Die genommen wurden. Schlussfolgerung, wonach der deutliche Unter- schied zwischen den Zuwächsen in dem hohen Vor diesem Hintergrund beschert die Abwrackprä- Anteil günstiger Kleinwagen begründet liegt, er- mie den Demontagebetrieben mit ca. 2 Millionen scheint zutreffend. abzuwrackenden Altfahrzeugen eine deutlich ver- besserte Auslastung. Daraus folgt aber nicht, dass ausländische Herstel- ler mit vermeintlich hohem Kleinwagenanteil be- Der Marktführer in Niedersachsen nahm 2008 im sonders profitiert hätten. Im Gegenteil: Bei der gesamten Jahr 1 000 Altfahrzeuge an, nur in der hersteller- und typengenauen Auswertung des ersten Hälfte 2009 stieg diese Zahl bereits auf BAFA führen die Zulassungszahlen der Kleinwa- 5 000. Um in den Besitz der noch besonders wert- gen deutscher oder mit deutschen Konzernen ver- haltigen Altfahrzeuge zu kommen, wurden nach bundener Hersteller die Statistik an. Marken des Auskunft der Branche neben der Prämie noch Volkswagen-Konzerns sind hier mit einem Anteil eigene Zuzahlungen geleistet, zum Teil wurden von 30,66 % an allen bislang gewährten Prämien zusätzlich noch Zahlungen vom Automobilherstel- besonders erfolgreich. Allein 17,68 % aller prä- ler/-händler geleistet. mienberechtigten Käufe von Neu- oder Jahreswa- Die hohe Inanspruchnahme der Prämie hat in Nie- gen trugen das VW-Emblem. dersachsen, wie auch in anderen Bundesländern, In Niedersachsen verzeichneten die Kfz-Zulas- zu Kapazitätsengpässen bei den Demontagebe- sungsstellen im Juli 2009 nach Angaben des Kraft- trieben geführt. fahrt-Bundesamtes mit 31 657 neu zugelassenen Losgelöst von Kapazitätsengpässen bei der De- Pkw einen Zuwachs von 11,8 % im Vergleich zum montage besteht bei den Unternehmen auch ein Vorjahr. wirtschaftliches Interesse an der Zwischenlagerung Die Werkstätten profitierten von der Erneuerung von Altfahrzeugen. Der Altmetallhandel hat sich der Fahrzeugflotte weniger: Im Servicegeschäft nach dem Einbruch in der zweiten Jahreshälfte ging der reale Umsatz um 3,8 % oder 150 Millio- 2008 noch nicht wieder erholt. Das heißt, die Erlö- nen Euro zurück. Dies ist nicht allein auf die Ver- se für Autoschrotte bewegen sich weiterhin auf schrottung von prämienberechtigten Fahrzeugen niedrigem Niveau. Leichte Erholungen bei den zurückzuführen. Hinzu kommt, dass Besitzer älte- Preisen sind in der zweiten Jahreshälfte 2009 zu rer Fahrzeuge, Wartungs- und Reparaturarbeiten verzeichnen, von alten Höchstständen für Sekun- zunehmend aufschieben oder gar nicht durchfüh- därrohstoffe sind sie aber weit entfernt. ren lassen. Kritisch gesehen wird die Entwicklung im Ersatz- In den vergangenen Jahren wurden von der Alt- teilgeschäft, ein für die Demontagebetriebe wichti- fahrzeugbranche regelmäßig Maßnahmen gefor- ges Standbein. Die Abwrackprämie nimmt gerade dert, um einen höheren Anteil im Inland entsorgter die Autos aus dem Markt, für die traditionell der Altfahrzeuge zu erreichen. Die zertifizierten Alt- Ersatzteilhandel genutzt wird. Gleichzeitig steigt fahrzeugdemontagebetriebe, in Deutschland ins- die Zahl der Ersatzteile in den Lagern, weil deutlich gesamt rund 1 200, mussten sich in den vergan- mehr Altfahrzeuge demontiert wurden. genen Jahren bei jährlich gut 3 Millionen endgültig

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lich auf die Facharztgruppen und die einzelnen Ärzte ausgewirkt. Anlage 29 Eine eingehende Analyse der Auswirkungen der Antwort Honorarreform durch die Kassenärztliche Bundes- des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und vereinigung wird erst nach Vorlage der endgültigen Gesundheit auf die Frage 31 des Abg. Reinhold Honorarabrechnungen aller Kassenärztlichen Ver- Coenen (CDU) einigungen für das erste Quartal 2009 - voraus- sichtlich Ende August - möglich sein. Veränderung der Ärzteeinkommen nach der Honorarreform Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Die Reform der vertragsärztlichen Honorare, namens der Landesregierung wie folgt: die zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, hat seit Herbst letzten Jahres bei mehreren kas- Zu 1: Laut Stellungnahme der KVN wird die Hono- senärztlichen Vereinigungen im Bundesgebiet rarentwicklung quartalsbezogen gemessen. Die Proteste aus den Reihen der Ärzteschaft her- quartalsweisen Honorarstatistiken werden auf der vorgerufen. Auch der Niedersächsische Land- Internetseite der KVN (www.kvn.de unter Abrech- tag hatte aufgrund von Eingaben Veranlassung, sich mit der Thematik zu befassen. nung/Honorarstatistik/Punktwerte und Quoten) ver- öffentlicht. Die vergleichenden Statistiken über die Seitens des zuständigen Sozialministeriums Entwicklung der Honorare in den Quartalen 1/2008 wurde stets darauf verwiesen, dass erst die Istzahlen des ersten Quartals 2009 ein verläss- zu 1/2007 und 1/2009 zu 1/2008 sind als Anlagen liches Bild ergeben werden. Diese liegen nun 1 und 2 beigefügt. vor. Im Vergleich der Quartale 1/2008 zu 1/2007 ist das Ich frage die Landesregierung: ausgezahlte Honorar je Arzt in Euro für die Fach- 1. Wie hoch ist die Veränderung der vertrags- gruppen im fachärztlichen Versorgungsbereich um ärztlichen Honorare in Niedersachsen in den durchschnittlich 4,34 % gestiegen. Im hausärztli- Jahren 2008 und 2009 (für 2009 auf der Basis der Zahlen des ersten Quartals 2009) für chen Versorgungsbereich betrug die entsprechen- de Steigerungsrate 4,83 %. Bei den Vertragsthe- - alle niedergelassenen Kassenärzte, rapeuten war ein Rückgang je Therapeut von - die drei Facharztgruppen mit den höchsten 7,13 % festzustellen. Steigerungen, Die Fachgruppen mit den höchsten Steigerungen - die drei Facharztgruppen mit den niedrigsten je Arzt waren die Radiologen (14,37 %), die La- Steigerungen, borärzte (11,38 %) und die Anästhesisten - die Haus- und Kinderärzte? (9,05 %). Die deutlichsten Honorarrückgänge je 2. Welche Unterschiede bestehen zu den Ent- Arzt hatten die Neurochirurgen (-17,17 %), die wicklungen in anderen Bundesländern, und Angiologen (-8,96 %) und die Nuklearmediziner welches sind die Gründe für diese Unterschie- (-7,42 %) zu verzeichnen. de? Innerhalb der Hausärzte erzielten die hausärztli- 3. Wie hoch sind die Einnahmen niedergelas- sener Kassenärzte, und gibt es in den Regio- chen Internisten Zuwächse von 4,52 %, die Allge- nen des Landes Unterschiede? meinmediziner/praktischen Ärzte von 5,29 % und die hausärztlichen Kinderärzte von 0,8 % je Arzt. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde die vertragsärztliche Vergütung im ambulanten Zwischen den Quartalen1/2009 zu 1/2008 betrug Bereich grundlegend umgestaltet. Vertragsärztli- die durchschnittliche Steigerungsrate je Arzt im che Leistungen werden ab dem 1. Januar 2009 auf niedergelassenen fachärztlichen Versorgungsbe- Basis eines jährlich zu vereinbarenden bundesweit reich 18,26 %, während sie im Hausarztbereich einheitlichen Orientierungspunktwertes (2009: 17,95 % betrug. Die Vertragstherapeuten gewan- 3,5001 Cent) grundsätzlich mit festen Preisen in nen 24,85 %. einer Eurogebührenordnung vergütet. Die höchsten Zuwächse je Arzt entfielen auf die Die Neuordnung hat sich insbesondere aufgrund Gruppe der Nervenärzte und Neurologen der damit verbundenen bundesweiten Vergü- (+47,18 %), die Angiologen (+44,57 %) sowie die tungsangleichung unterschiedlich auf die Kassen- Kardiologen (+38,30 %). Die geringsten Steige- ärztlichen Vereinigungen und innerhalb der einzel- rungsraten je Arzt hatten die Neurochirurgen mit nen Kassenärztlichen Vereinigungen unterschied- +3,17 % und die Internistischen Rheumatologen

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mit +3,28 %, während die Nephrologen mit -0,16 % gesellschaft (LNVG) vorgeschlagen, weitere einen Rückgang zu verzeichnen hatten. Doppelstockwagen auf die Gleise zu stellen und die Züge bis nach Hamburg Hauptbahnhof Im Hausarztbereich betrug die Steigerungsrate für durchfahren zu lassen. In Hamburg wird dieser Vorschlag mit dem Hinweis auf den zunehmen- hausärztliche Kinderärzte 20,17 %, während die den Güterverkehr abgewiesen. Steigerung für Allgemeinmediziner/praktische Ärz- te/hausärztliche Internisten 17,7 % betrug. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie werden sich der Personen- und Güter- Zu 2: Nach der von der Kassenärztlichen Vereini- verkehr in Niedersachsen zukünftig entwickeln? gung Niedersachsen (KVN) Ende Juli abgeschlos- senen Berechnung des ersten Quartals 2009 dürf- 2. Welche Konsequenzen ergeben sich für die niedersächsischen Pendler durch die ableh- te Niedersachsen das Bundesland mit den höchs- nende Haltung der Hamburger, weitere Züge ten Honorarsteigerungen unter den westlichen auf das Gleis nach Hamburg zu setzen? Bundesländern sein. Grund hierfür ist neben dem 3. Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Versorgungsbedarf der Versicherten der bundes- Landesregierung, das Kapazitätsproblem auf einheitlich definierte Orientierungspunktwert. Wäh- den Schienen in Niedersachsen zu lösen? rend für Niedersachsen der höhere Versorgungs- bedarf mit dem jetzt höheren Punktwert deutliche Aufgrund der bestehenden Kapazitätsprobleme in Honorarzuwächse bedeutet, ist dies in Ländern mit den derzeit von der Metronom Eisenbahngesell- unterdurchschnittlichem Leistungsbedarf bzw. schaft mbH betriebenen Nahverkehrszügen aus bislang überdurchschnittlichem Punktwertniveau Bremen und Niedersachsen nach Hamburg wurde mit Honorarrückgängen oder mit geringeren Stei- ein neues Konzept für die gesamte Nahverkehrs- gerungsraten verbunden. Zudem ist die seit Jah- bedienung zwischen Bremen, Hamburg und dem resbeginn geltende Honorarsteuerung durch die nordöstlichen Niedersachsen für die Zeit bis 2018 sogenannten Regelleistungsvolumina (RLV) in erarbeitet. Diese grundsätzliche Neukonzeption Niedersachsen bereits vor vier Jahren eingeführt sah insbesondere zwischen Hamburg und Bremen worden, wodurch größere Verwerfungen vermie- insgesamt eine Ausweitung des bestehenden An- den wurden. gebots vor. Zu 3: Die ausgezahlten Honorare je Arzt in Euro Da ab 2015 Konflikte mit dem Schienengüterver- sind den beigefügten Anlagen zu entnehmen. Bei kehr nicht auszuschließen waren, versagte Ham- einem Vergleich der Fachgruppen oder Versor- burg im April 2009 der neuen Konzeption seine gungsbereiche ist allerdings auch das unterschied- Zustimmung. In Verhandlungen mit der Freien und liche Kostenniveau, z. B. bei Personal- und Be- Hansestadt Hamburg konnte Anfang Juli 2009 ein triebskosten, zu berücksichtigen. für alle Seiten akzeptabler Kompromiss gefunden werden. Zusätzlich zu den Einnahmen aus der GKV erzie- len Ärzte Einnahmen aus Sonderverträgen mit Zwischen Bremen und Hamburg Hauptbahnhof Krankenkassen sowie aus privater Tätigkeit (Ein- wird neben der schon jetzt bestehenden Express- nahmen aus der Versorgung von Privatpatienten, Linie (heute Metronom „ME“), die in den aufkom- aus sogenannten IGeL-Leistungen etc.). Der Lan- mensstärksten Bahnhöfen hält, eine weitere desregierung liegen über die Höhe dieser Einnah- durchgehende Metropol-Linie mit Halt an allen men keine eigenen Erkenntnisse vor. Stationen geschaffen. Letztere ersetzt die beiden Linien zwischen Bremen und Rotenburg (heute „RB“ der Deutschen Bahn) sowie zwischen Tostedt und Hamburg (heute Metronom „MEr“) und Anlage 30 schließt so die bisher bestehende Lücke zwischen Antwort Rotenburg und Tostedt. Damit erhalten alle zwi- schen Bremen und Hamburg Hauptbahnhof lie- des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr genden Stationen ganztags halbstündlich bzw. auf die Frage 32 der Abg. Björn Thümler und Hei- stündlich schnelle Direktverbindungen in die bei- ner Schönecke (CDU) den Metropolen. Hamburg bremst Nahverkehr in Niedersach- sen aus Alle von Bremen und Uelzen kommenden Züge fahren dann ganztägig bis zum Hamburger Haupt- Die Züge nach Hamburg aus Bremen, Lüne- burg und Uelzen sind überlastet. Zur Lösung bahnhof. Die Züge der an allen Stationen halten- dieser Engpässe hat die Landesnahverkehrs- den Metropol-Linie aus Lüneburg werden wie bis-

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her lediglich in den Hauptverkehrszeiten bis Ham- nicht mehr in der Menge erwartet, wie es für die burg Hauptbahnhof geführt werden. Zudem wer- bisherigen Prognosehorizonte (2015 und 2025) den für die Pendler aus Richtung Buchholz und beschrieben ist. Es wird dennoch mit einer Zu- Lüneburg in den Hauptverkehrszeiten zusätzliche nahme gerechnet. Züge nach Hamburg Hauptbahnhof eingesetzt. Zu 2: Da eine von allen Beteiligten akzeptierte Dies entlastet die heute teilweise sehr stark be- Lösung gefunden werden konnte, steht der geplan- setzten Züge. ten Ausweitung des Angebots nichts mehr im We- Damit erhöht sich die Anzahl der Direktfahrten zum ge. Insbesondere im Hinblick auf die derzeitigen Hamburger Hauptbahnhof an Werktagen um ins- Kapazitätsprobleme wird sich die Situation für die gesamt 30 gegenüber den heutigen 134 Durchbin- Pendler in Richtung Hamburg künftig spürbar dungen. verbessern.

Momentan kann nicht ausgeschlossen werden, Zu 3: Ungeachtet der nunmehr erreichten Verbes- dass es ab 2015 im Falle eines stark steigenden serungen wird sich die Niedersächsische Landes- Güterverkehrsaufkommens aus und in Richtung regierung weiterhin konsequent dafür einsetzen, der Hafenbahnhöfe doch noch zu Trassenkonflik- dass der Bund seiner grundgesetzlich verankerten ten zwischen Güter- und Personennahverkehr Verpflichtung zum bedarfsgerechten Ausbau der kommt. Die bis dahin zur Verfügung stehende Zeit Infrastruktur der Eisenbahnen des Bundes auch für wird von den Beteiligten dazu genutzt werden, um den Schienenpersonenverkehr nachkommt. Im gegenüber dem Bund sowie der DB Netz AG als Interesse des Wirtschaftsstandortes Deutschland Eigentümerin des Schienennetzes die notwendi- muss das Eisenbahnnetz in der Lage sein, den gen Infrastrukturausbauten durchzusetzen. Ein Verkehrsbedürfnissen des Personenverkehrs und zielgerichteter Ausbau der vorhandenen Infrastruk- des Güterverkehrs zu genügen. tur schafft ausreichende Kapazitäten für den Per- Außerdem kommt dem Bund unabhängig vom sonen- und den Güterverkehr und vermeidet so Betreiber der Strecken eine Gesamtverantwortung mögliche Trassenkonflikte. Des Weiteren haben für die Eisenbahninfrastruktur in Deutschland zu. die Aufgabenträger vereinbart, dass sie im Jahre Dies gilt aus Sicht der Niedersächsischen Landes- 2014 gutachterlich prüfen werden, ob die Anzahl regierung insbesondere für den erforderlichen der bis zum Hamburger Hauptbahnhof fahrenden Ausbau der Infrastruktur für die Hinterlandanbin- Züge des Hanse-Netzes bis zum Ende der Ver- dung der norddeutschen Seehäfen. Dies ist eine tragslaufzeit im Jahre 2018 beibehalten werden nationale Aufgabe. Da auch Netze von nichtbun- kann. Sollte dies aufgrund eines zu stark gestiege- deseigenen Bahnen maßgeblich zu dieser nationa- nen Güterverkehrsaufkommens nicht möglich sein, len Aufgabe beitragen, ist der Bund gefordert, den werden die Länder den Fahrplan des Hanse- Ausbau solcher Strecken zu unterstützen. Netzes im erforderlichen Umfang reduzieren. Eine Unterschreitung des Leistungsumfangs des Jahres 2009 wurde jedoch ausgeschlossen. Anlage 31 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Antwort namens der Landesregierung wie folgt: des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf Zu 1: Zur Entwicklung des Personen- und Güter- die Frage 33 der Abg. Sabine Tippelt, Petra Em- verkehrs in Niedersachsen liegen für den Schie- merich-Kopatsch, Andrea Schröder-Ehlers, Sigrid nenverkehr keine detaillierten Prognosen vor. Die Rakow, Brigitte Somfleth, Marcus Bosse und Rolf Landesregierung erwartet im Personenverkehr Meyer (SPD) eine weiter ansteigende Nachfrage, wobei langfris- Kein Geld für Hochwasserschutz - Warum tig von ungünstigeren Randbedingungen auszuge- nimmt Umweltminister Sander plötzlich sei- hen ist. Im Schienengüterverkehr ist bisher von ne Zusage zurück? 2004 bis 2015 in Deutschland ein jährliches Die Deister-Weser-Zeitung vom 25. Juli 2009 Wachstum von 5,7 % erwartet worden. Es wird berichtete mit der Überschrift „Land gibt kein auch in Anbetracht der weltweiten Rezession wei- Geld für Hochwasserschutz - Umweltminister terhin mit einer Zunahme des Aufkommens in Nie- Sander nimmt seine Zusagen zurück“ über die dersachsen gerechnet. Die Hauptursache hierfür unerwartete Absage für die finanzielle Unter- stützung zum Hochwasserschutz in Salzhem- wird im zunehmenden Hafenhinterlandverkehr mendorf. Zitiert wird der Gemeindebürgermeis- gesehen. Dieses Verkehrsaufkommen wird zwar ter Kempe, dem der Berichterstattung zufolge

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auf einer Auftaktveranstaltung zum Hochwas- gestellt. Im Rahmen des Konjunkturpakets II wer- serschutz im Lokal „Pöttjerkrug“ in Duingen den den für die nächsten zwei Jahre zusätzliche Haus- sechs Gemeinden Elze, Gronau, Duingen, Al- feld, Coppenbrügge und Salzhemmendorf För- haltsmittel für den kommunalen Förderschwer- dergelder zugesagt worden waren. Nun habe punkt „Hochwasserschutz im Binnenland“ und für das Umweltministerium die Zusage des Minis- Landesmaßnahmen „Maßnahmen zur Verbesse- ters widerrufen. rung des Hochwasserschutzes im Binnenland“ zur Wir fragen die Landesregierung: Verfügung gestellt.

1. Das Wort des Ministers in Duingen hat offen- Am 27. Januar 2009 hat in Duingen eine öffentli- kundig keine Gültigkeit. Aus welchen Gründen che Veranstaltung zum Thema „Hochwasserschutz genau wird die Ministerzusage zurückgeholt, im Binnenland“ stattgefunden, an der der Nieder- und wird es eine offizielle Entschuldigung für die betroffenen Samtgemeinden geben, die oh- sächsische Minister für Umwelt und Klimaschutz ne das Warten auf die zugesagten finanziellen teilgenommen hat. Auf dieser Veranstaltung wurde Mittel mit dem Hochwasserschutz schon viel die interkommunale Zusammenarbeit der dort zu- weiter wären? ständigen Institutionen vorgestellt. Das Vorgehen 2. Der Umweltminister hat in mehreren Ge- vor Ort war vom Minister außerordentlich begrüßt meinden und Landkreisen in den vergangenen worden. Die Vorstellung konkreter Maßnahmen Monaten -z. B. Hildesheim, Seesen u. v. a. - öf- und deren Finanzierung durch das Land waren fentliche Zusagen für Fördergelder zum Hoch- wasserschutz ausgesprochen. Wo genau hat jedoch nicht Thema der Veranstaltung und wurden der Minister solche Zusagen in Niedersachsen auch nicht eingefordert. Seitens des Ministers sind überall ausgesprochen, auf welche davon kann lediglich o. g. allgemeine Aussagen zu Fördermög- sich die Öffentlichkeit tatsächlich verlassen, und lichkeiten getätigt worden. rechnet die Landesregierung mit weiteren „Wortbrüchen“ des Umweltministers in Sachen Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Hochwasserschutz und, wenn ja, aus welchen Gründen? Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

3. Wie ist der tatsächliche Planungsstand der Zu 1: Eine konkrete Zusage von finanziellen Mitteln Landesregierung - zur Verfügung stehende Mit- anlässlich der genannten Veranstaltung erfolgte tel, konkrete Maßnahmenplanung bzw. deren nicht. Diesbezüglich wird auch auf den Artikel in geplante Unterstützung - zum Thema Hoch- der Deister-Weser-Zeitung vom 29. Januar 2009 wasserschutz im Binnenland, und inwiefern können die betroffenen Regionen sich auf diese verwiesen. Planung und bereits getätigten Zusagen verlas- sen? Zu 2 und 3: Eine Liste der im Rahmen des Bau- und Finanzierungsprogramms 2009 sowie der im Nach § 1 des Baugesetzbuches (BauGB) haben Rahmen des Konjunkturpakets II geförderten Maß- die Gemeinden im Rahmen ihrer allgemeinen Da- nahmen im Hochwasserschutz sind den Landtags- seinsvorsorge einen ausreichenden Hochwasser- fraktionen mit Schreiben des Ministers für Umwelt schutz für besiedelte Flächen zu gewährleisten. und Klimaschutz vom 26. März 2009 übermittelt Nach § 5 und § 9 des BauGB sind in den Flächen- worden. nutzungs- und Bebauungsplänen die im Interesse des Hochwasserschutzes freizuhaltenden Flächen Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwie- darzustellen. Die Zuständigkeit für den Hochwas- sen. serschutz liegt daher grundsätzlich bei den Ge- meinden. Anlage 32 Bei der Umsetzung nachhaltiger, sich vor allem Antwort überregional auswirkender Hochwasserschutz- maßnahmen werden die Vorhabenträger im Rah- des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf men der verfügbaren Haushaltsmittel vom Land die Frage 34 der Abg. Karl-Heinz Hausmann, Karin unterstützt. Das Land gewährt den Trägern von Stief-Kreihe, Rolf Meyer, Renate Geuter, Wiard Hochwasserschutzmaßnahmen im ländlichen Siebels, Ronald Schminke und Sabine Tippelt Raum finanzielle Mittel aus der Gemeinschaftsauf- (SPD) gabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Flächenverbrauch in Niedersachsen - Wel- Küstenschutzes“ (GAK) auf der Grundlage der che Ziele verfolgt die Landesregierung? jeweiligen Fördergrundsätze der GAK. Zudem Nach Angaben des Landvolks Niedersachsen werden EU-Mittel (aus den EU-Förderprogrammen wurden im Jahr 2006 rund 11,5 ha/Tag freie ELER und EFRE) als Kofinanzierungsmittel bereit- Landschaft für Siedlungs- und Wirtschaftszwe-

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cke in Anspruch genommen. Die neuen Über- verbrauch auch in den nächsten Jahren noch auf bauungen gehen zum größten Teil zulasten hohem Niveau verbleiben wird. landwirtschaftlich genutzter Böden. Nach An- gaben des Ministeriums für Umwelt- und Klima- Zu 2: Ziele zur Begrenzung des Flächenver- schutz (www.umwelt.niedersachsen.de) hat die Niedersächsische Landesregierung daher das brauchs sind im Landes-Raumordnungsprogramm Ziel gesetzt, den Nutzflächenverbrauch zu re- 2008 enthalten. Danach ist die weitere Inan- duzieren. spruchnahme von Freiräumen für die Siedlungs- Wir fragen die Landesregierung: entwicklung, den Ausbau von Verkehrswegen und sonstigen Infrastruktureinrichtungen zu minimieren. 1. Wie stellt sich der aktuelle Flächenverbrauch Darüber hinaus werden flächenbeanspruchende und der für die Jahre 2007 bis 2008 dar, und welche Entwicklungen sind erkennbar? Maßnahmen dem Grundsatz des sparsamen Um- gangs mit Grund und Boden verpflichtet. Dabei 2. Welche konkreten Ziele hat sich die Landes- regierung zur Reduzierung des Flächenver- sollen Möglichkeiten der Innenentwicklung und der brauchs bis zum welchem Zeitpunkt (ha/Tag) Wiedernutzung brachgefallener Industrie-, Gewer- gesetzt? be- und Militärstandorte genutzt werden. Das be- 3. Welche Vorgaben hat die Landesregierung deutet, dass Freiräume nur in dem unbedingt not- zum Erreichen dieser Zielsetzung definiert? wendigen Umfang für Bebauung jeglicher Art in Anspruch genommen werden sollten. Die nachge- Die Flächenneuinanspruchnahme für Siedlungs- ordneten Planungsebenen (Regional- und Bauleit- und Verkehrsflächen mit Flächenversieglung und planung) haben den Auftrag und die Verantwor- dauerhafter baulicher Inanspruchnahme ist nach tung, die instrumentellen Möglichkeiten zur Ver- wie vor hoch. minderung des Flächenverbrauchs wirksam aus- Angesichts der Begrenztheit natürlicher Ressour- zuschöpfen. cen und der Notwendigkeit der Sicherung der na- Für die kommunale Bauleitplanung ergeben sich türlichen Lebensgrundlagen sowie der Offenhal- ähnliche Pflichten aus § 1 a Abs. 2 BauGB. tung von Gestaltungsmöglichkeiten für künftige Generationen kommt dem Schutz von Freiräumen Darüber hinausgehende konkrete Zielvorgaben, und flächenhaften Ressourcen ein besonders ho- wie z. B die länderspezifische Ausgestaltung des her Stellenwert zu. Insbesondere ist auch unter sogenannte 30-ha-Ziels des Bundes, sind nicht dem Aspekt des Klimawandels, der eine Zunahme sinnvoll und daher nicht geplant, da die Verminde- extremer Wetterereignisse wie z. B. Hochwasser rung der Flächeninanspruchnahme nicht allein auf und Trockenperioden bedingt, auch der stetig die quantitative Reduzierung und den Schutz vor- wachsende Anteil versiegelter Fläche und zerteilter handener flächenhafter Ressourcen ausgerichtet Landschaftsräume in der umweltpolitischen Dis- sein kann. Sie muss vielmehr auch auf die Qualität kussion zu berücksichtigen. der Flächennutzung und der offen zu haltenden Freiräume zielen und zudem die räumliche Vertei- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine lung der Flächeninanspruchnahme und die spezifi- Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: sche Eignung einzelner Standorte für unterschied- Zu 1: Nach den aktuellen Zahlen des Landesbe- liche Raumnutzungen und Raumfunktionen be- triebs für Statistik und Kommunikationstechnologie rücksichtigen. Auch vor dem Hintergrund der in aus der Erhebung der Siedlungs- und Verkehrsflä- Niedersachsen regional unterschiedlich verlaufen- che belief sich der tägliche Flächenverbrauch in den demografischen Entwicklung können starre Niedersachsen im Jahr 2007 auf rund 10,5 ha pro landesweit gültige Mengenbegrenzungen nicht Tag. 2008 ist der Flächenverbrauch wieder auf flexibel auf regionale und lokale Gegebenheiten 11 ha pro Tag leicht angestiegen. reagieren. Aufgrund der Zunahme der Ein- und Zweiperso- Zu 3: Zur Verminderung des Flächenverbrauchs nenhaushalte steigen trotz Bevölkerungsrückgang setzt die Landesregierung auf eine integrative die Zahl der Haushalte und damit auch der Flä- Strategie, in die alle berührten Akteure einbezogen chenverbrauch durch Siedlungsentwicklung. Ge- werden. Allerdings liegt die administrative Verant- mäß der Wohnungsprognose der NBank von 2008 wortung für konkrete Flächenausweisungen nicht wird die Zahl der Haushalte voraussichtlich noch beim Bund und den Ländern, sondern - aufgrund bis 2016 weiter zunehmen. Dies bedeutet, dass der verfassungsrechtlich garantierten Selbstver- zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird und davon waltung - überwiegend bei den Städten und Ge- auszugehen ist, dass der Druck auf den Flächen- meinden; diese treffen 90 % aller Planungsent-

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scheidungen. Die Landesregierung sieht ihre Auf- Bedenken gegenüber Leistungsförderer gabe daher in erster Linie in der aktiven Unterstüt- Ractopamin zung der Kommunen bei einer Flächenpolitik, die Die Europäische Behörde für Lebensmittelsi- mit unbebautem Ackerland sparsam umgeht und cherheit (EFSA) hat in einer bekannt geworde- nen Studie Einwände gegenüber dem in Tierfut- stärker als bisher auf die Innenentwicklung ausge- ter verwendeten Wachstumsförderer Ractopa- richtet ist. min geltend gemacht, der in einigen Ländern außerhalb der Europäischen Union zugelassen Mit Kabinettsbeschluss von August 2007 wurde im ist, nicht aber in der EU selbst. Erlaubt ist Rac- Rahmen der 6. Regierungskommission „Energie- topamin in der Mast beispielsweise in Mexiko, und Ressourceneffizienz“ des Ministeriums für den USA, Kanada, Brasilien und Japan. Dage- Umwelt und Klimaschutz der Arbeitskreis „Flä- gen besteht in der EU ein Importverbot für Fleisch, das von Tieren stammt, die Ractopa- chenverbrauch und Bodenschutz“ eingerichtet, der min in ihren Futterrationen hatten. Handlungsempfehlungen zur Reduzierung des Wir fragen die Landesregierung: Flächenverbrauchs erarbeiten soll. Dies dokumen- tiert den politischen Willen der Landesregierung 1. Weshalb darf Ractopamin in der EU nicht als zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Futtermittelzusatzstoff verwendet werden? Mit einer gemeinsamen Aktion der Verantwortli- 2. Welche Konsequenz erwartet die Landesre- chen - Kommunen, Land, Wirtschaft und Verbän- gierung für den weiteren Umgang mit Fleisch, das von Tieren stammt, denen Ractopamin de - sollen ein für die Reduzierung des Flächen- verabreicht wurde? verbrauchs notwendiger Bewusstseinswandel er- 3. Weshalb setzt sich die EFSA mit einem Gut- reicht und die Akzeptanz für konkrete Maßnahmen achten der Weltgesundheitsorganisation zu den zur Umsetzung einer nachhaltigen Siedlungsent- Auswirkungen von Ractopamin auseinander? wicklung gefördert werden. Im Arbeitskreis erfolgt Ractopamin ist ein zur Gruppe der Beta-Agonisten zurzeit eine Sichtung bestehender Instrumente zur gehörender Stoff mit pharmakologischer Wirkung. Reduzierung des Flächenverbrauchs und ihrer Zu dieser Gruppe zählt auch das bekanntermaßen Nutzbarkeit für Niedersachsen. Darüber hinaus als illegales Masthilfsmittel bei Kälbern und als unterstützt die Landesregierung schon jetzt gute Dopingmittel bei Leistungssportlern in Verruf gera- Beispiele, in denen eine Flächen schonende Sied- tene Clenbuterol. In der Human- und in der Tier- lungspolitik umgesetzt wird. medizin werden die positiven Wirkungen dieser Ein wesentlicher Baustein zur Reduzierung des Stoffe zur Regulation der Herzfrequenz, bei peri- Flächenverbrauchs besteht darin, aufgegebene pheren Durchblutungsstörungen, bei Erkrankun- Baugrundstücke/Industriebrachen wieder nutzbar gen der oberen Atemwege (Asthma, obstruktive zu machen, auch wenn dort eine Bodenverunreini- Bronchitis) und zur Hemmung der Wehentätigkeit gung vorliegt oder vermutet wird. Das Land unter- therapeutisch genutzt. Für die Verwendung als stützt solche Projekte über die Brachflächen- und Doping- und Masthilfsmittel ist der bei der Verab- Altlasten-Förderrichtlinie in den problematischen reichung in relativ hoher Dosierung festgestellte Fällen, in denen kein Verantwortlicher mehr für die anabole Effekt einer verstärkten Muskelanbildung Sanierung herangezogen werden kann. In diesem bei gleichzeitiger Reduzierung des Fettgewebes Zusammenhang ist auch die Aufgabe der unteren auschlaggebend. Bodenschutzbehörden bedeutsam, bei einem Alt- Die Verwendung von Beta-Agonisten als anabole lastenverdacht eine erste Bewertung durchzufüh- Masthilfsmittel ist in der Europäischen Union nach ren und den Handlungsbedarf zu klären. der Richtlinie 96/22/EG des Rates über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler Anlage 33 oder thyreostatischer Wirkung und von Beta-Ago- nisten in der tierischen Erzeugung nicht zulässig. Antwort Ausnahmeregelungen sieht die Richtlinie nur zur des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Induktion der Tokolyse (Hemmung der Wehentä- Verbraucherschutz und Landesentwicklung auf die tigkeit) bei weiblichen Rindern zum Zeitpunkt des Frage 35 der Abg. Clemens Große Macke, Martin Abkalbens sowie zur Behandlung von Atemstörun- Bäumer und Karl-Heinrich Langspecht (CDU) gen, Hufrollenerkrankungen und Hufrehe und zur Induktion der Tokolyse bei Equiden (Einhufern) vor. Voraussetzung ist die individuelle Behandlung durch einen Tierarzt mit einem zugelassenen Arz- neimitte. Die Richtlinie ist durch die Verordnung

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über Stoffe mit pharmakologischer Wirkung in Die EFSA hatte das für Beta-Agonisten zuständige deutsches Recht umgesetzt. Gemeinschaftliche Referenzlabor (BVL Berlin) sowie die Europäische Arzneimittel-Agentur Aufgrund des Verbotes der Verwendung von Beta- (EMEA) hinzugezogen und die so gewonnenen Agonisten als anabole Masthilfsmittel durch die Erkenntnisse in ihr abschließendes Gutachten Richtlinie 96/22/EG liegt für Ractopamin folglich einfließen lassen. Insbesondere die EMEA unter- auch keine Zulassung nach der Verordnung (EG) stützt uneingeschränkt die negative Sicherheits- Nr. 1831/2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung bewertung der EFSA zu Ractopamin. in der Tierernährung vor. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Nach § 10 des deutschen Lebensmittel- und Fut- Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: termittelgesetzbuches ist es verboten, vom Tier Zu 1: Die Zulassung von Ractopamin als Futtermit- gewonnene Lebensmittel gewerbsmäßig in den telzusatzstoff ist, ausgehend von dem Anwen- Verkehr zu bringen, wenn in oder auf ihnen Stoffe dungsverbot nach der Hormonverbotsrichtlinie mit pharmakologischer Wirkung oder deren Um- 96/22/EG, nicht möglich. wandlungsprodukte vorhanden sind, die nicht als Tierarzneimittel oder Futtermittelzusatzstoffe für Zu 2: Nach Artikel 11 der Hormonverbotsrichtlinie das Tier, von dem die Lebensmittel stammen, zu- 96/22/EG unterliegt Fleisch von Tieren, denen in gelassen sind. Drittländern in der EU nicht erlaubte Masthilfsmittel verabreicht worden sind, einem eindeutigen Im- Im Gegensatz zur Europäischen Union ist die Ver- portverbot. wendung von Ractopamin zur Wachstumsförde- Die Einhaltung des Anwendungsverbotes inner- rung in der Schweine- und Rindermast in einigen halb der EU wird durch Untersuchungen auf Beta- Drittländern zugelassen. Agonisten nach den Nationalen Rückstandskon- In der EU war Ractopamin bisher nicht bewertet trollplänen der Mitgliedsstaaten sowie durch geziel- worden. Es lag jedoch ein Vorschlag für die Einfüh- te Maßnahmen in Verdachtssituationen überwacht. rung einer Rückstandshöchstmenge des Aus- Das Verbot, vom Tier gewonnene Lebensmittel schusses für Rückstände von Tierarzneimitteln in gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, wenn in Lebensmitteln der Codex-Alimentarius-Kommis- oder auf ihnen illegale Masthilfsmittel oder dessen sion, also der internationalen Stelle vor, die für die Umwandlungsprodukte vorhanden sind, wird mit Empfehlung von maximalen Tierarzneimittelrück- den zur Verfügung stehenden lebensmittel- und ständen in Lebensmitteln zuständig ist. Als Grund- verwaltungsrechtlichen Maßnahmen durchgesetzt. lage diente dem Ausschuss eine Risikobewertung des Gemeinsamen FAO/WHO-Sachverständigen- Zu 3: Wie in der Vorrede bereits angesprochen, ausschusses für Lebensmittelzusatzstoffe hat die Europäische Kommission die Europäische (JECFA). Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) er- sucht, die Risikobewertung des JECFA und ande- Die Europäische Kommission hatte daraufhin die rer wissenschaftlicher Informationen zur Sicherheit Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit von Ractopamin zu prüfen. Eine solche wissen- (EFSA) gebeten, die gesundheitliche Risikobewer- schaftliche Prüfung unter gesundheitlichen Ge- tung des JECFA zur Sicherheit von Ractopamin zu sichtspunkten ist regelmäßig als Basis für die prüfen. Die EFSA fand im Rahmen dieser Prüfung eventuelle Zuordnung eines Stoffes in den Bereich in den der JECFA-Bewertung zugrunde liegenden der Hormonverbotsrichtlinie erforderlich. Von der Daten Schwachpunkte. Dadurch wurde der Vor- Welthandelsorganisation (WTO) werden andere, in schlag der Codex-Alimentarius-Kommission zur der EU auch relevante Aspekte (wie z. B. die Einführung eines maximalen Grenzwertes für Nichtakzeptanz der betreffenden Mastmethoden Rückstände von Ractopamin infrage gestellt. Die seitens der Verbraucher) als Grundlage restriktiver EFSA gelangte zu der Schlussfolgerung, dass die Maßnahmen gegenüber Drittländern nicht akzep- Studie zu den Herz-Kreislauf-Wirkungen beim tiert. Menschen nicht als Grundlage für das Ableiten einer zulässigen täglichen Aufnahme von 0 bis 1 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht die- nen kann, wie es vom JEFCA vorgeschlagen wor- den war.

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Anlage 34 Straftaten, überwiegend Sachbeschädigungen in Form von Farbschmierereien bzw. Bewurf mit Antwort Farbbeuteln. Im Rahmen polizeilicher Aufklärung des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration verdichteten sich zudem Erkenntnisse, dass die auf die Frage 36 der Abg. Enno Hagenah (GRÜ- Besetzerinnen und Besetzer Vorkehrungen trafen, NE) die geeignet sind, eine Räumung bzw. Maßnah- Großeinsatz zur Räumung der Boehringer- men zur Nutzung des Boehringer-Geländes als Besetzung: Waren dafür 15 oder 30 Polizis- Tierversuchsanstalt zu verhindern. So waren of- tinnen/Polizisten für jede Demonstran- fensichtlich Vorbereitungen für eine gewaltsame tin/jeden Demonstranten wirklich nötig? Auseinandersetzung getroffen und gefährliche Am 12. August 2009 kam es in Hannover zu ei- Hindernisse auf den Wegen bereitet worden. nem Großeinsatz der niedersächsischen Poli- zei, um 33 Besetzerinnen und Besetzer von dem Bauplatz für ein Forschungszentrum des Bei einer erneuten Bewertung, der rechtlich als Pharmaherstellers Boehringer Ingelheim zu ent- Versammlung eingestuften Besetzung, kam die fernen. Mit Wasserwerfer, schwerem Räumge- Polizei daher zu dem Schluss, dass von dieser rät, Pferdestaffel und, wie es in der Zeitung am zwischenzeitlich eine Gefahr für die öffentliche nächsten Tag hieß, 500 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten trat die „Staatsmacht“ gegen Sicherheit ausging. Die Firma Boehringer Ingel- eine kleine Gruppe Tierschützerinnen und Tier- heim bekundete mit Schreiben vom 10. August, schützer an. Inzwischen wurden unbestätigte dass sie das Betreten und den Aufenthalt unbe- Hinweise laut, dass sogar 1 000 Beamtinnen rechtigter Personen auf ihrem Grundstück ab dem und Beamte bei dem Einsatz beteiligt waren. Angesichts dieses Verhältnisses von 15 oder 11. August nicht mehr dulde. gar 30 Polizeibeamtinnen/Polizeibeamten pro Demonstrantin/Demonstrant wurden Fragen Am 11. August verfügte die Versammlungsbehörde nach der Wirtschaftlichkeit und Effizienz der die Auflösung der Versammlung auf dem Boehrin- Vorgehensweise der Polizei auch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter laut, zumal die Be- ger-Gelände und ordnete den sofortigen Vollzug setzerinnen und Besetzer erklärtermaßen fried- der Maßnahme an. lich waren und sind. Ich frage die Landesregierung: Die polizeiliche Räumung des Geländes unter 1. Welche konkreten Hinweise und Einschät- Leitung der Polizeiinspektion Hannover-Süd be- zungen zur Gefahrenlage auf dem Gelände la- gann am 12. August, um 5.30 Uhr. Die dabei gen der Einsatzplanung vor dem Einsatz durchgeführten Maßnahmen umfassten u. a. das zugrunde, und mit welchen Konflikten wurde lückenlose Absperren der über 1 000 m langen hinsichtlich der Räumung gerechnet? Grundstücksgrenze, die systematische Absuche 2. Welche Kosten hat der Einsatz verursacht, des unwegsamen Geländes, den Schutz von Bau- und wie viele Beamtinnen und Beamte waren arbeitern und deren Arbeitsmaschinen sowie alle insgesamt an ihm beteiligt? erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit 3. Welche weiteren polizeilichen Maßnahmen den 33 angetroffenen Personen. Von diesen hatte bis zur voraussichtlichen Fertigstellung des ge- planten Forschungszentrums werden vonseiten sich eine in 8 m Höhe in einem Baum angekettet; der Polizei im Umfeld des Baugeländes für er- drei weitere Personen waren am Boden mit An- forderlich gehalten? kettvorrichtungen verbunden. Mehrere Personen Zu dem mit der Mündlichen Anfrage thematisierten mussten zudem von Hausdächern heruntergeholt Polizeieinsatz hat mir die Polizeidirektion Hannover werden. wie folgt berichtet. Die Räumung war um 10.30 Uhr beendet. Auch Nach der Besetzung eines brachliegenden, ehe- der Versuch von bis zu 30 Sympathisanten, auf maligen Kleingartengeländes am Bünteweg in das Gelände zu gelangen, konnte durch die Polizei Hannover-Kirchrode in der Nacht vom 1. auf den verhindert werden. 2. Juli 2009 entschied der Grundstückseigentümer, der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim, dieses Im Anschluss wurden Sperren und Hindernisse auf zunächst auf unbegrenzte Zeit zu dulden. Auch dem Gelände beseitigt sowie rundherum ein Bau- nach Bewertung der Polizei bestanden keine stellensicherungszaun errichtet. Ab 15 Uhr erfolgte Gründe für eine sofortige Räumung des Geländes. die Bewachung des umzäunten Geländes durch In der Zeit vom 12. Juli bis zum 9. August kam es ein privates Sicherheitsunternehmen. in der Umgebung des Geländes zu mehreren

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Durch anlassbezogene Schutzmaßnahmen sowie Da von der Polizei aufgrund der Bebauung und einen Präventionseinsatz konnte die Polizei zu des Bewuchses nur ein kleiner Teil des Geländes erwartende unmittelbare Folgeaktionen weitge- einsehbar war und bereits hier deutliche Maßnah- hend verhindern. men zur Verhinderung einer Räumung offenkundig wurden, bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, Seit der ersten Besetzung des Boehringer-Ge- dass in den bisher nicht beobachteten Bereichen ländes sind mit Stand 24. August 2009 insgesamt weitere Vorkehrungen getroffen worden waren. 33 Straftaten im Zusammenhang mit dem Protest gegen die Tierversuchsanstalt begangen worden, Des Weiteren war bei Bekanntwerden der bevor- darunter auch Sachbeschädigungen zum Nachteil stehenden Räumung mit einem deutlichen Zulauf der Geschäftsstelle des Landesverbandes Bündnis zur Besetzung zu rechnen. Dafür sprach auch, 90/Die Grünen sowie an dem Gebäude der Rats- dass die Personen auf dem Gelände Wachposten fraktion Bündnis 90/Die Grünen. einsetzten, offensichtlich um ohne zeitlichen Ver- zug die lokale bzw. überörtliche Unterstützerszene Eine erneute Besetzung des Geländes durch 16 mobilisieren zu können. Es musste davon ausge- Personen, die in der Nacht zum 22. August unter gangen werden, dass sich diese Personen durch Beschädigung des Zaunes eingedrungen waren, aktiven oder zumindest passiven Widerstand der wurde durch die Polizei unmittelbar beendet. Räumung widersetzen würden. Daneben waren Protestaktionen, z. B. in Form von Versammlun- Dies vorangestellt, beantworte ich namens der gen, Blockaden oder aber Sachbeschädigungen Landesregierung die Anfrage wie folgt: unmittelbar am Gelände sowie im gesamten Stadt- Zu 1: Die diesem Polizeieinsatz zugrunde liegende gebiet einzuplanen. Kräfteberechnung wurde insbesondere durch die Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Faktoren Störerlage und -aktivitäten sowie die besonderen Umstände des Einsatzraumes be- Zu 2: Die Gesamtzahl der eingesetzten Kräfte stimmt. betrug in der Spitze vorübergehend rund 960 Poli- zeibeamtinnen und -beamte. Unmittelbar nach der Im Laufe der Besetzung wurden durch die Polizei Räumung um 10.30 Uhr erfolgte eine Kräfteredu- ca. 10 bis 15 Zelte, davon zwei Großraumzelte, auf zierung bzw. -umgliederung auf rund 580 Beam- dem Grundstück festgestellt. Im Rahmen von Iden- tinnen/Beamte. Die übrigen Einsatzkräfte verlegten titätsfeststellungen am 28. Juli waren auf dem zunächst auf Abruf in ihre Ortsunterkünfte und Gelände 19 Personen angetroffen und bei einigen wurden im Anschluss sukzessive entlassen. von diesen Bezüge zur linksextremistischen Sze- Die zusätzlichen Ausgaben für den Polizeieinsatz ne - auch der gewaltbereiten - festgestellt worden. am 12. August lassen sich abschließend noch Gegenüber Polizeikräften zeigten die Besetzerin- nicht genau beziffern, da die Einsatznachbereitung nen und Besetzer ein zunehmend aggressives durch die Polizeidirektion Hannover noch nicht verbales Verhalten. vollständig abgeschlossen ist. 2 großen Boehringer- Auf dem rund 51 000 m Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Gelände befinden sich ca. 35 überwiegend massi- ve Gartenhäuser in unterschiedlichem Erhaltungs- Zu 3: Die Bewachung des umzäunten Geländes zustand, der weitere Bereich ist überwiegend dicht erfolgt seit dem 12. August, 15 Uhr, durch ein pri- mit Bäumen, Büschen und Sträuchern bewachsen. vates Sicherheitsunternehmen. Ob polizeiliche Das Gelände ist dadurch sehr unübersichtlich und Maßnahmen im Umfeld des Baugeländes erforder- teilweise schwer begehbar. Mit zunehmender Be- lich sind, wird jeweils lageabhängig geprüft wer- setzungsdauer waren auf dem Gelände errichtete den. Fallgruben und Barrikaden erkennbar, sodass Straßen und Wege gesperrt bzw. unpassierbar waren. Daneben erhärtete sich der Verdacht, dass Steindepots und Ankettvorrichtungen angelegt worden waren. Zusätzlich zu bereits auf dem Ge- lände befindlichen Materialien wurden von den Besetzern offensichtlich weitere Gegenstände, die sich zum Barrikadenbau oder als Wurfgeschoss eignen, auf das Brachgelände gebracht.

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Anlage 35 technischen Anlage in einem in der Genehmigung vorgegebenen Zeitraum Transporte vorgesehen Antwort sind. Diese erteilten Genehmigungen bekommt die des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf Landesregierung zur Kenntnis, wenn die Transpor- die Frage 38 der Abg. Sigrid Rakow, Petra Emme- te auf der Straße über niedersächsisches Gebiet rich-Kopatsch, Brigitte Somfleth, Rolf Meyer, Da- laufen. Ob die genehmigten Beförderungen dann niela Behrens, Andrea Schröder-Ehlers und Mar- tatsächlich durchgeführt werden, ergibt sich häufig cus Bosse (SPD) erst aus anderen Erfordernissen (z. B. betrieblicher Art). Niedersächsische Häfen als zukünftige Um- schlagplätze für Atomtransporte? Bei niedersächsischen kerntechnischen Anlagen Die Berichterstattung vom 12. August 2009 ist die Landesregierung über die Planung der (z. B. Weser Kurier oder Neue Presse) greift Betreiber informiert, sofern dieses im Rahmen des das Thema Atomtransporte über die Nordsee atomrechtlichen Aufsichts- und Genehmigungsver- nach Cuxhaven auf. Es geht demnach um den Transport plutoniumhaltiger Mischoxid-Brenn- fahren notwendig ist. elemente von Sellafield (Großbritannien) nach Konkrete Transportvorhaben werden der Landes- Niedersachsen in das Atomkraftwerk Grohnde. Nach Angaben von EON Kraftwerke GmbH sei regierung erst 48 Stunden vor dem Transport vom der Transport für den Herbst vorgesehen, aber Bundesministerium des Inneren (BMI) gemeldet noch nicht genau terminiert. Das Bundesamt für (sogenannte 48-Stunden-Meldung). Insofern sind Strahlenschutz bestätigt, dass ein Antrag auf konkrete Transportvorhaben/-erfordernisse der Genehmigung vorliegt, aber die Unterlagen noch nicht vollständig seien. Landesregierung erst mit der 48-Stunden-Meldung bekannt. Meldungen über diese Transporte sind Wir fragen die Landesregierung: als Verschlusssache eingestuft. 1. Welche Transportvorhaben/-erfordernisse in und durch Niedersachsen sind in Zukunft zu Zu 2: Für die Beförderung von Kernbrennstoffen welchen kerntechnischen Anlagen zu welchen außerhalb eines abgeschlossenen Geländes, auf Zeiten bekannt? dem atomrechtlich zugelassene Maßnahmen 2. Welche rechtlichen Vorschriften sind hierbei durchgeführt werden, bestimmt § 4 des Atomge- zu beachten, und wer ist für die Einhaltung aller setzes (AtG) eine Genehmigungspflicht. Die Ge- Rechtsvorgaben zuständig, bzw. wer ist für die nehmigungsvoraussetzungen in § 4 AtG sehen Kontrolle der Einhaltung zuständig? dabei u. a. vor, dass eine Beförderung unter Be- 3. Um welche radioaktiven Frachten handelt es achtung der für den jeweiligen Verkehrsträger gel- sich hierbei genau, wie wird die Sicherheit ge- tenden Rechtsvorschriften über die Beförderung währleistet, und wer kontrolliert mit welchem Fachpersonal die Sicherheit der Transporte, gefährlicher Güter erfolgt. Das Gefahrgutrecht und welche Kosten fallen wo an? enthält für den Transport radioaktiver Stoffe zahl- reiche Rechtspflichten wie z. B. Hinweis- und In- Für die Beantwortung der Fragen wird unterstellt, formationspflichten zwischen den am Beförde- dass sich die Fragesteller auf den Transport von rungsvorgang Beteiligten, Kennzeichnungspflich- Kernbrennstoffen beziehen. ten, Prüf- und Kontrollpflichten. Die einzelnen Vor- Bei Transporten von Kernbrennstoffen muss nach gaben sind niedergelegt im Gefahrgutbeförde- dem Atomrecht eine Beförderungsgenehmigung rungsgesetz (GGBefG) in Verbindung mit den auf- beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bean- grund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsverord- tragt werden. Nach dem Gefahrgutrecht existieren nungen wie der Gefahrgutverordnung See zusätzliche Vorschriften für Versandstücke, die (GGVSee) und der Gefahrgutverordnung Straße, spaltbare Stoffe enthalten oder eine festgelegte Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) sowie Menge an Uranhexafluorid (UF6) überschreiten. z. B. in dem Europäischen Übereinkommen über Das BfS erteilt die Genehmigung zum Transport, die internationale Beförderung gefährlicher Güter wenn die Vorschriften des Atomrechts und des auf der Straße (ADR) und dem International Mari- Gefahrgutrechts eingehalten sind. time Dangerous Goods Code (IMDG-Code), soweit die Seeschifffahrt und der Straßentransport betrof- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine fen sind, und den Regelungen zur internationalen Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Beförderung gefährlicher Güter im Schienenver- Zu 1: Das BfS erteilt entsprechende Genehmigun- kehr (RID) für den Eisenbahntransport und dem gen für Kernbrennstofftransporte. Aus dieser Ge- Europäischen Übereinkommen über die Beförde- nehmigung ergibt sich, von und zu welcher kern- rung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen

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(ADN/ADNR) für die Binnenschifffahrt für den Bin- Zu 3: Um welche radioaktiven Frachten es sich in nenschiffstransport, die in diesem Fall jedoch nicht der Zukunft genau handelt, ergibt sich erst aus den anzuwenden sind. erteilten Transportgenehmigungen des BfS.

Des Weiteren muss der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Drit- Die Grundlage des angewendeten Sicherheitskon- ter, d. h. Schutz gegen Entwendung oder Freiset- zeptes für den Transport radioaktiver Stoffe sind zung radioaktiver Stoffe, gewährleistet sein. Von die Empfehlungen der Internationalen Atomener- besonderer Bedeutung für die Sicherungsmaß- gieorganisation (IAEO). In Deutschland wurden nahmen bei internationalen Nukleartransporten ist diese im Gefahrgutrecht umgesetzt. Der hohe Si- dabei das Gesetz zum Übereinkommen über den cherheitsstandard für den Transport von radioakti- physischen Schutz von Kernmaterial. Alle in den ven Stoffen wird durch das Konzept des „sicheren Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallenden Versandstücks“ gewährleistet. Hierbei wird in Ab- Transporte (Uran-235, Uran-233, Plutonium und hängigkeit des Gefährdungspotenzials die Verpa- bestrahlte Kernbrennstoffe) haben danach unter ckung angepasst. Die Umsetzung erfolgt abhängig besonderen Sicherheitsvorkehrungen stattzufin- von der Aktivität der Radionuklide durch Mengen- den. begrenzung oder durch das Konzept der unfallsi- cheren Verpackung. Das Versandstück kann dann Die Beförderungsgenehmigung erteilt das BfS. weitgehend verkehrsträgerunabhängig mit gerin- gen operativen und administrativen Maßnahmen Für die Aufsicht nach dem Atomgesetz über die befördert werden. Die Eignung von Transportbe- Beförderung von Kernbrennstoffen sind in Nieder- hältern im Rahmen der Beförderung von radioakti- sachsen die Gewerbeaufsichtsämter zuständig, für ven Stoffen wird durch eine Bauartzulassung des die Überwachung der Beförderung gefährlicher BfS festgestellt. Damit wird im Rahmen der Bau- Güter auf der Straße nach dem Gefahrgutbeförde- artzulassung durch Fachbehörden und deren rungsgesetz die Landkreise und die kreisfreien Fachpersonal die Sicherheit des Transportes ge- Städte und bei Seehäfen für die Überwachung der währleistet. Einhaltung der Vorschriften des Gefahrgutbeförde- rungsrechts das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, für gegebenenfalls Zum Schutz des Transportes gegen Störmaßnah- zusätzlich notwendige Sicherungsmaßnahmen die men und sonstige Einwirkungen Dritter hat der Polizeibehörden. Genehmigungsinhaber die personellen und sächli- chen Voraussetzungen für die Sicherung des Die Innenbehörden der Länder und des Bundes Transports zu schaffen. Zu den Sicherungsmaß- werden im Genehmigungsverfahren durch das BfS nahmen des Genehmigungsinhabers treten, soweit bei der Beurteilung der Sicherungskonzeption für dies aufgrund der Gefährdungslage erforderlich ist, den Transport radioaktiver Stoffe in Hinblick auf die polizeiliche Schutzmaßnahmen hinzu. Einzelheiten Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzung „Ge- zu den Sicherungsmaßnahmen sind als Ver- währleistung des Schutzes gegen Störmaßnahmen schlusssache eingestuft. oder sonstiger Einwirkungen Dritter“ aus polizeili- cher Sicht beteiligt. Die Kosten für die Sicherungsmaßnahmen des Der Inhaber der Beförderungsgenehmigung ist Genehmigungsinhabers sind von diesem zu tra- verpflichtet, den zuständigen Behörden rechtzeitig gen. Werden polizeiliche Schutzmaßnahmen er- vor Beginn einer Beförderung alle erforderlichen forderlich, so ist dem Genehmigungsinhaber der Informationen über Art und Umfang des Beförde- durch Dritte verursachte Polizeieinsatz und Siche- rungsvorgangs mitzuteilen. Die Meldung erfolgt rungsaufwand nicht zuzurechnen. Soweit der Auf- über das Bundesministerium des Innern an das wand einzelnen Störern individuell zurechenbar ist, Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport werden die Kosten - wie bei anderen Einsätzen und Integration. Dieses unterrichtet sodann die auch - den Störern in dem durch die gesetzlichen zuständigen Polizeibehörden und das Niedersäch- Vorschriften vorgegebenen Rahmen auferlegt. Im sische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz Übrigen trägt das Land die Kosten. und im Falle der Beförderung über niedersächsi- sche Häfen das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (Hafenbehörde).

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Anlage 36 Ein tarifvertraglicher Anspruch auf Zusatzurlaub war bis zum 31. Oktober 2006 ausschließlich für Antwort Arbeiter geregelt, denen ein Theaterbetriebszu- des Finanzministeriums auf die Frage 39 des Abg. schlag gezahlt wurde. Diese Rechtgrundlage ist Klaus-Peter Bachmann (SPD) mit dem Inkrafttreten des TV-L entfallen. Ein An- Streik der Bühnentechnik/Werkstätten am spruch auf Zusatzurlaub besteht deshalb seit dem Staatstheater Braunschweig: Warum kom- 1. November 2006 nicht mehr. men die Verhandlungen für Niedersachsen nicht voran? Da die landesbezirklichen Tarifverträge nach den Seit geraumer Zeit streiken am Staatstheater Regelungen des TV-L gekündigt werden können, Braunschweig die Mitarbeiterinnen und Mitar- forderte die Gewerkschaft ver.di die Landesregie- beiter aus den Bereichen Bühnentechnik/Werk- rung zur Neuregelung dieser Zusatzleistung und stätten. zur Aufnahme von Regelungen über Zusatzurlaub Mein politisches Selbstverständnis als Abge- für alle Beschäftigten an den Staatstheatern auf. ordneter des Landtages verbietet es mir, mich Diese Tarifverhandlungen werden seit Herbst 2007 in die Auseinandersetzung der Tarifvertragspar- teien „einzumischen“. geführt. Die Niedersächsische Landesregierung hat durch das federführende MF und das beteiligte Nach Gesprächen mit den Streikenden und der sie vertretenden Gewerkschaft ver.di stellen MWK in den Verhandlungen mehrfach Angebote sich jedoch einige Hintergrundfragen. sowohl zur Gewährung der Theaterbetriebszulage als auch des Zusatzurlaubs unterbreitet. Bisher Ich frage die Landesregierung: konnte jedoch keine Einigung mit den Gewerk- 1. Ist es richtig, dass landesseitig deshalb der- schaften erzielt werden. Zuletzt wurden die Ge- zeit keine konkreten Verhandlungen stattfinden, weil die Verhandlungsführer aus dem MF werkschaften in einem mit MF abgestimmten (Wechsel an eine andere Dienststelle) und dem Schreiben des MWK vom 21. Juli 2009 eingeladen, MWK (seit dem 1. April dieses Jahres bei der die Verhandlungen auf der Basis der Gespräche Landesschulbehörde) nicht mehr zur Verfügung vom April 2009 fortzusetzen. Eine Reaktion der stehen, und, wenn ja, was gedenkt die Landes- regierung zu veranlassen, um zu konkreten Gewerkschaft auf dieses Gesprächsangebot steht Verhandlungen zurückzukommen? bisher aus.

2. Ist es richtig, dass in allen anderen Bundes- Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfra- ländern zwischenzeitlich befriedigende Ab- schlüsse getätigt wurden, und, wenn ja, was ge des Abgeordneten Bachmann im Namen der steht in Niedersachsen dem entgegen? Landesregierung wie folgt: 3. Ist es richtig, dass die Streikenden gar keine materiellen Verbesserungen anstreben, son- Zu 1: Aus Sicht der Landesregierung können die dern nur den „Besitzstand“ wahren wollen? Tarifverhandlungen jederzeit fortgesetzt werden. Dazu stehen sowohl im federführenden MF als Bis zum Inkrafttreten des TV-L am 1. November auch im beteiligten MWK jederzeit verantwortlich 2006 erhielten an den niedersächsischen Staats- verhandlungsfähige und sachkundige Personen theatern Braunschweig und Oldenburg die Be- zur Verfügung. schäftigten im nicht künstlerischen Bereich - ge- trennt für Arbeiter und Angestellte - auf der Grund- Zu 2: Es ist richtig, dass in Bayern, Baden-Würt- lage der Manteltarifverträge MTArb und BAT sowie temberg und Sachsen neue landesbezirkliche Ta- landesbezirklicher Regelungen einen Theaterbe- rifverträge nach Inkrafttreten des TV-L abge- triebszuschlag bzw. eine Theaterbetriebszulage. schlossen wurden. Der Arbeitsgeberverband Tarif- Diese theaterspezifischen Regelungen gelten die gemeinschaft deutscher Länder (TdL) hat dazu besondere Arbeitsbedingungen - nicht nur gele- jeweils seine Zustimmung erteilt. In diesen neu gentliche Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie abgeschlossenen Tarifverträgen sind je nach Bun- üblicherweise unregelmäßige tägliche Arbeitszei- desland unterschiedliche Regelungen getroffen ten - der Beschäftigten in den Theatern ab. Die worden, z. B. zum Kreis der Berechtigten für den Anspruchsgrundlagen für die Gewährung von Anspruch auf die Theaterbetriebszulage, zur Be- Theaterbetriebszulage und -zuschlag sind auch mit messungsgrundlage der Theaterbetriebszulage Inkrafttreten des TV-L am 1. November 2006 erhal- sowie zur Höhe des Zusatzurlaubs. Allein aus ten geblieben. Die Theaterbetriebszulage wird haushaltswirtschaftlichen Gründen können diese deshalb auf der Basis der alten tariflichen Rege- Vereinbarungen nicht auf niedersächsische Ver- lungen fortgezahlt. hältnisse übertragen werden.

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Zu 3: Die Gewerkschaft ver.di fordert in den Ver- Zu den Zielen der Niedersächsischen Kommunal- handlungen deutliche Verbesserungen gegenüber prüfungsanstalt (NKPA), zu ihrem Aufbau und zu den derzeit geltenden Tarifverträgen und nicht nur ihrer Arbeitsweise hat die Landesregierung bereits die Wahrung des Besitzstandes. Beispielsweise in der 81. Plenarsitzung am 27. Januar 2006 und fordert die Gewerkschaft eine pauschalierte Rege- der 111. Plenarsitzung am 26. Januar 2007 detail- lung über zusätzliche freie Arbeitstage für alle Be- liert Stellung genommen. Auf die Stenografischen schäftigten sowie die Anknüpfung der Zusatzleis- Berichte dieser Sitzungen (Seite 9 268 ff., Seite tung an den TV-L und damit auch deren Teilhabe 13 132 f.) wird Bezug genommen. an tariflichen Steigerungen. Die bisherigen Tarif- verträge ermöglichen die Gewährung dieser finan- Die NKPA nahm den Prüfungsbetrieb im Jahre ziellen Zusatzleistungen nur auf der Basis der alten 2006 mit 16 Prüferinnen/Prüfern in 3 Prüfungs- Vergütungen aus dem BAT und dem MTArb. gruppen auf. Der Landeszuschuss wurde ab 2008 auf 4,5 Millionen Euro aufgestockt. Dies ermöglich- te der NKPA, sich mit Blick auf die hinzugewonne- ne Zuständigkeit für kreisangehörige Kommunen Anlage 37 personell zu verstärken. Inzwischen verfügt sie Antwort über zehn Prüfungsgruppen von je sechs Prüferin- nen/Prüfern einschließlich einer Gruppenleiterin/ei- des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration nes Gruppenleiters. Damit ist der Aufbau der auf die Frage 40 der Abg. Johanne Modder, Klaus- NKPA nach Maßgabe der zum 1. Januar 2008 Peter Bachmann, Heiner Bartling, Karl-Heinz erfolgten Aufgabenerweiterung im Wesentlichen Hausmann, Jürgen Krogmann, Sigrid Leuschner, abgeschlossen. Jutta Rübke und Ulrich Watermann (SPD) Die NKPA setzt gemäß § 2 Abs. 2 des Nieder- Nach welchen Kriterien führt die Kommu- nalprüfungsanstalt ihre Prüfungen durch? sächsischen Kommunalprüfungsgesetzes (NKPG) das sogenannte kommunale Benchmarking ein. Die Aufgaben der überörtlichen Kommunalprü- Überörtliche Kommunalprüfungen werden von fung obliegen in Niedersachsen der zum 1. Ja- nuar 2005 errichteten Niedersächsischen Kom- vornherein so konzipiert, dass ein Vergleich zu- munalprüfungsanstalt. Die Kommunalprüfungs- meist anhand von Kennzahlen möglich ist. Dabei anstalt arbeitet fachlich unabhängig. Das Nie- werden die zu prüfenden Kommunen nach be- dersächsische Ministerium für Inneres, Sport stimmten Kriterien (Status, Haushaltskennzahlen, und Integration kann der Kommunalprüfungs- anstalt allerdings in Einzelfällen zusätzliche Aufgabenbestand usw.) zu möglichst homogenen Prüfaufträge erteilen. Nach einigen Anlauf- Vergleichsgruppen zusammengefasst. Auf diese schwierigkeiten, die bereits in der vergangenen Weise ergeben sich Prüfungsprogramme. Legislaturperiode Anlass für parlamentarische Anfragen gegeben hatten (vgl. etwa Drs. 15/3465, S. 7), hat die Niedersächsische Kom- Bereits abgeschlossene Prüfungsprogramme be- munalprüfungsanstalt mittlerweile ihre Arbeit zogen sich 2006 auf die großen selbstständigen aufgenommen. Städte und 2007 auf die kreisfreien Städte in Nie- dersachsen sowie die Stadt Göttingen. Darüber Wir fragen die Landesregierung: hinaus hat die NKPA in acht Landkreisen die wirt- 1. Wie viele Kommunen hat die Kommunalprü- schaftliche Jugendhilfe geprüft. Seit 2008 laufende fungsanstalt seit ihrer Gründung geprüft (bitte Prüfungsprogramme beziehen sich auf die nieder- nach Jahren aufschlüsseln)? sächsischen Landkreise, die Region Hannover und 2. Um welche Kommunen handelte es sich da- die Landeshauptstadt Hannover sowie die mehr bei jeweils, und welche Kommunen beabsichtigt als 200 Einheitsgemeinden Niedersachsens. Für sie im laufenden Jahr noch zu prüfen? 2010 sind Prüfungsprogramme bei den 60 selbst- 3. Bei wie vielen dieser Prüfungen wurde die ständige Gemeinden und den großen selbststän- Kommunalprüfungsanstalt gemäß § 2 Abs. 4 digen Städten sowie den 138 Samtgemeinden mit des Niedersächsischen Gesetzes über die ihren 735 Mitgliedsgemeinden geplant. Die Prü- überörtliche Kommunalprüfung von der obers- ten Kommunalaufsichtsbehörde, also dem Mi- fungskonzepte werden derzeitig in verschiedenen nisterium für Inneres, Sport und Integration, mit Pilotprüfungen getestet. der Prüfung beauftragt, aus welchen Gründen erfolgte diese Beauftragung, und um die Prü- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen fung welcher Kommunen handelte es sich hier- bei? namens der Landesregierung wie folgt:

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Zu 1 und 2: Die NKPA hat seit ihrer Gründung Cloppenburg, Friesland, Oldenburg, Vech- geprüft: ta,

2006: - 13 geprüfte kommunale Körperschaf- - Samtgemeinden Gellersen, Altes Amt Ebs- ten/Einrichtungen torf, Samtgemeinde Thedinghausen - große selbstständige Städte Goslar, Ha- meln, Hildesheim, Celle, Cuxhaven, Lüne- - selbstständige Gemeinde Wunstorf burg, Lingen (Ems) - kreisangehörige Städte und Gemeinden - Stadt mit Sonderstatus Göttingen Adelebsen, Aerzen, Algermissen, Apen, Bad Gandersheim, Bad Münder, Bad - kreisfreie Stadt Emden Sachsa, Bienenbüttel, Bissendorf, Bomlitz, - Zweckverband Abfallwirtschaft Celle Bösel, Bovenden, Braunlage, Bremervör- de, Burgwedel, Dötlingen, Elze, Gehrden, - Zweckverband Kreisvolkshochschule Uel- Glandorf, Gnarrenburg, Großefehn, Has- zen/Lüchow-Dannenberg bergen, Hemmingen, Herzberg, Hessisch - Wasserversorgungs-Zweckverband Land- Oldendorf, Hilter, Hinte, Kalefeld, Katlen- kreis Uelzen burg-Lindau, Kreiensen, Lilienthal, Muns- ter, Neuenkirchen, Nordstemmen, Nörten- - Kommunale Anstalt des öffentlichen Hardenberg, Salzhemmendorf, Sarstedt, Rechts Musikschule Lüchow-Dannenberg Vienenburg, Wietzendorf, Worpswede

- Bezirksverband Oldenburg 2007: - 7 geprüfte kommunale Körperschaften - kreisfreie Städte Braunschweig, Salzgitter, Wolfsburg, Delmenhorst, Oldenburg, Os- 2009: - 33 noch beabsichtigte Prüfungen bis De- nabrück, Wilhelmshaven zember 2009

- Landkreise Göttingen, Rotenburg, Ems- 2008: - 49 geprüfte kommunale Körperschaf- land, Leer, Osnabrück ten/Einrichtungen - Region Hannover - Landkreise Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Osterode am Harz, Peine, Diepholz, Hil- - Landeshauptstadt Hannover desheim, Holzminden, Nienburg, Schaum- burg, Cuxhaven, Harburg, Lüchow-Dan- - selbstständige Gemeinden Lehrte, Neu- nenberg, Lüneburg, Osterholz, Soltau-Fal- stadt a. Rbge., Seelze kreisangehörige lingbostel, Stade, Uelzen, Aurich, Graf- Städte und Gemeinden Adendorf, Bad Fal- schaft Bentheim, Wittmund lingbostel, Bad Rothenfelde, Barßel, Bis- - kreisangehörige Städte und Gemeinden pingen, Bleckede, Bockhorn, Dörverden, Bad Iburg, Bad Lauterberg, Bergen, Bo- Emsbüren, Emstek, Hardegsen, Ihlow, ckenem, Bohmte, Cremlingen, Dinklage, Kirchlinteln, Königslutter, Langen, Lang- Emmerthal, Friedeburg, Friedland, Geeste, wedel, Loxstedt, Oyten, Rosdorf, Sater- Großenkneten, Hambühren, Harsum, land, Stelle, Uslar, Wiesmoor Krummhörn, Liebenburg, Löningen, Pat- tensen, Rehburg-Loccum, Ritterhude, Zu 3: Das Niedersächsische Ministerium für Inne- Sassenburg, Schellerten, Schöningen, res, Sport und Integration hat die Niedersächsi- Söhlde, Sulingen, Wangerland, Wennig- sche Kommunalprüfungsanstalt bisher einmal mit sen, Wietmarschen einer Prüfung gemäß § 2 Abs. 4 NKPG beauftragt. Überörtlich geprüft wird der Bezirksverband Ol- denburg mit Sitz in Oldenburg. Anlass dieser Prü- 2009: - 56 geprüfte kommunale Körperschaf- fung sind dem MI vorliegende Hinweise auf mehre- ten/Einrichtungen (Stand 20.08.2009) re prüfungswürdige Sachverhalte. - Landkreise Northeim, Wolfenbüttel, Ha-

meln-Pyrmont, Celle, Verden, Ammerland,

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Anlage 38 Nach der Förderrichtlinie vom 12. März 2009 wird die Sanierung von Sportanlagen nach Maßgabe Antwort des Artikels 104 b GG sowie des § 3 Abs. 1 Zu- des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration InvG gefördert. Die Sanierung von Turnhallen ist auf die Frage 41 des Abg. Detlef Tanke (SPD) dabei vorrangig. Bei der Entscheidung über die Förderung der Sanierung von kommunalen Förderung werden nach Nr. 2.1 der Richtlinie ins- Sportstätten im Rahmen des Konjunkturpa- besondere das Alter und die Verbesserung des kets II energetischen Zustandes der Sportanlage sowie Der Landkreis Gifhorn hat im Rahmen des Kon- eine ausgewogene Verteilung der Mittel berück- junkturpakets II - Förderschwerpunkt kommuna- sichtigt. le Sportstätten - die Sanierung von fünf Sport- hallen und einem Sportplatz beantragt. Dabei Bis zum 30. April 2009 sind rund 800 Anträge auf handelt es sich im Einzelnen um die Sporthalle Förderung der Sanierung von Sportstätten gestellt des Otto-Hahn-Gymnasiums in Gifhorn, die worden. Durch die schnelle und unbürokratische Sporthalle der BBS II in Gifhorn, die Sporthalle der Förderschule in Wittingen, die Sporthalle Entscheidung über die Förderanträge wurden die des Humboldt-Gymnasiums in Gifhorn, die Kommunen, deren Turnhallensanierung gefördert Sporthalle des Gymnasiums Hankensbüttel so- wird, in die Lage versetzt, bereits in den Sommer- wie den Sportplatz des Gymnasiums Hankens- ferien mit den Maßnahmen zu beginnen. Insbe- büttel. sondere wurde auf eine baufachliche Prüfung Mit Bescheid vom 8. Juli 2009 des Ministeriums durch Dritte verzichtet. Damit wurde sichergestellt, für Inneres, Sport und Integration wurde dem Landkreis Gifhorn mitgeteilt, dass keine der dass die bereitgestellten Konjunkturmittel zeitnah vorgenannten Sportstätten mit einer Förderung der Bauwirtschaft zugute kommen. Darüber hinaus bedacht werden könne. Als Begründung wurde wird § 1 Abs. 2 ZuInvG Rechnung getragen, wo- angeführt, dass keine der Sportstätten Baujahr nach die Mittel des Konjunkturpaketes mindestens 1965 und älter ist. Zudem sei die Begründung für die Sporthalle mit erster Priorität, die Sport- zur Hälfte bis zum 31. Dezember 2009 verausgabt halle des Otto-Hahn-Gymnasiums, als nicht sein sollen. ausreichend erachtet worden, um eine Förde- rung zu rechtfertigen. Durch die schnelle Umsetzung des Förderschwer- punktes kommunale Sportstätten werden die Kom- Ich frage die Landesregierung: munen auch in die Lage versetzt, gegebenenfalls 1. Wie viele und welche Sportstätten in Nieder- die ihnen zur Verfügung gestellten Investitionspau- sachsen erfüllen die Voraussetzung der Förde- schalen für die Sanierung von Sportstätten zu ver- rung durch das Konjunkturpaket II, welche die- ser Sportstätten sind Baujahr 1965 und jünger wenden. und nur durch eine besondere Begründung des Antragsstellers in den Genuss einer Förderung In allen Fällen der Förderung wird mit der Sanie- gekommen? rung der energetische Zustand der Turnhallen erheblich verbessert. Die Betriebskosten der Hal- 2. Für welche Projekte wurden im Landkreis Gifhorn Anträge zur Förderung der Sanierung len für die Kommunen werden erheblich sinken. von kommunalen Sportstätten im Rahmen des Die Zuwendungen sollen auch dem Vereinssport in Konjunkturpaketes II gestellt, welche davon den Kommunen zugute kommen. Gefördert wird wurden bewilligt, welche davon wurden abge- daher nur die Sanierung der Sporthallen, für deren lehnt? Benutzung die Kommunen keine Gebühren oder 3. Wäre es vonseiten der Landesregierung privatrechtlichen Entgelte von den Sportvereinen nicht klüger gewesen, die Voraussetzung für eine Förderung, wie „Baujahr 1965 und älter“, erheben. den Kommunen frühzeitig mitzuteilen, um so Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündli- den Kommunen und dem zuständigen Ministe- rium Arbeit zu ersparen? che Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Mit der Bildung eines Förderschwerpunktes kom- munale Sportstätten im Rahmen des Konjunktur- Zu 1: Fast alle 800 Anträge erfüllen grundsätzlich paketes II mit einem Fördervolumen von insgesamt die Voraussetzungen für eine Förderung durch das 40 Millionen Euro hat die Landesregierung der Konjunkturpaket. Zwei Kommunen erhalten auf- Bedeutung der kommunalen Sportstätten für die grund einer besonderen Begründung eine Förde- Sportinfrastruktur in Niedersachsen Rechnung rung im Rahmen des Förderschwerpunktes kom- getragen. Zuzüglich des kommunalen Eigenanteils munale Sportstätten. Die Landeshauptstadt Han- von 20 % stehen damit 50 Millionen Euro für die nover erhält für die Sanierung des Sportleistungs- Sanierung der Sportstätten zur Verfügung. zentrums und der Landkreis Harburg für die Sanie-

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rung des Reitsportzentrums in Luhmühlen eine Davon haben folgende Kommunen im Landkreis Förderung aus Mitteln des Förderschwerpunktes. Gifhorn eine Förderung in der angegeben Höhe Diese kommunalen Sportstätten haben für die erhalten: Sportinfrastruktur in Niedersachsen eine heraus- Lfd. gehobene Bedeutung. Nr. Kommune Maßnahme Fördersumme Zu 2: Folgende Kommunen im Landkreis Gifhorn Samtgemeinde Sanierung der Klein- haben Anträge im Rahmen des Förderschwer- 1 Brome turnhalle in Rühen 844 204,00 € punktes kommunale Sportstätten gestellt: Sanierung Sporthal- 2 Stadt Gifhorn le Sportzentrum Süd 1 398 403,00 € Lfd. Nr. Kommune Maßnahme Sanierung Sporthalle Otto- 1 Landkreis Gifhorn Hahn-Gymnasium Gifhorn Sanierung Sporthalle BBS II Zu 3: Dass das Alter der Sportanlage bei der Ent- 2 Landkreis Gifhorn Gifhorn scheidung über eine Förderung eine besondere Sanierung Sporthalle Förder- Berücksichtigung findet, ist Nr. 2.1 der Förderricht- 3 Landkreis Gifhorn schule Wittingen Sanierung Sporthalle Hum- linie zu entnehmen gewesen. 4 Landkreis Gifhorn boldt-Gymnasium Gifhorn Sanierung Sporthalle Gym- Insgesamt sind knapp 800 Anträge auf Förderung 5 Landkreis Gifhorn nasium Hankensbüttel der Sanierung von Sportstätten im Rahmen des Neubau Sporthalle Fritz- Förderschwerpunktes kommunale Sportstätten bis 6 Stadt Gifhorn Reuter-Realschule Sanierung Sporthalle Sport- zum 30. April 2009 gestellt worden. Erst nach Ab- 7 Stadt Gifhorn zentrum Süd lauf dieser Antragsfrist und Auswertung der rund Gemeinde Sassen- Umbau Turnhalle in Neudorf- 800 Anträge war erkennbar, dass nur eine Förde- 8 burg Platendorf Gemeinde Sassen- rung von älteren Hallen der Baujahre 1965 und 9 burg Umbau Turnhalle Westerbeck älter möglich ist. Sanierung der Mehrzweckhal- Samtgemeinde le in Weyhausen, 2. Bauab- Im Hinblick auf die Ziele des Zukunftsinvestitions- 10 Boldecker Land schnitt gesetzes war sicherzustellen, dass die Mittel aus Samtgemeinde Sanierung Kleinturnhalle in 11 Brome Rühen dem Konjunkturpaket möglichst schnell der Wirt- Samtgemeinde schaft zugute kommen, sodass die Landesregie- 12 Brome Sanierung Turnhalle in Brome rung es für sachgerecht hält, das Alter der Sport- Sanierung Turnhallendach Gemeinde Ehra- mit Errichtung Photovoltaik- anlage zu berücksichtigen. 13 Lessien anlage Ehra-Lessien Gemeinde Gemeinde Bei Vorliegen des erheblichen Sanierungsbedarfs 14 Bergfeld Sanierung Turnhalle Bergfeld einer Vielzahl der Sporthallen (Turnhallen), für die Samtgemeinde Sanierung Zweifeldhalle eine Förderung beantragt worden ist, konnte eine 15 Isenbüttel Isenbüttel Samtgemeinde Anbau an Hauptgebäude andere Prioritätensetzung etwa mittels einer bau- 16 Isenbüttel Sportanlage Calberlah fachlichen Prüfung in jedem Einzelfall schon we- Samtgemeinde Sanierung Turnhalle Spra- gen der Notwendigkeit einer schnellen Umsetzung 17 Hankensbüttel kensehl Sanierung Sporthalle Didder- des Förderprogramms nicht in Betracht kommen. 18 Gemeinde Didderse se Sanierung Sanierung Sport- 19 Gemeinde Oesingen heim des SV Groß Oesingen Sanierung Sporthaus Germa- Anlage 39 nia Ummern und Neubau 20 Gemeinde Ummern 1-Feld-Halle Antwort Gemeinde Wagen- Sanierung Sportheim SV 21 hoff Wagenhoff des Ministeriums für Inneres. Sport und Integration Sanierung Sportplatz Gym- auf die Frage 42 der Abg. Johanne Modder, Klaus- 22 Landkreis Gifhorn nasium Hankensbüttel Peter Bachmann, Heiner Bartling, Karl-Heinz Samtgemeinde Sanierung Sportheim und 23 Meinersen Tennisheim Hausmann, Jürgen Krogmann, Sigrid Leuschner, Samtgemeinde Sanierung Sportanlage Mü- Jutta Rübke und Ulrich Watermann (SPD) 24 Meinersen den/Aller (Laufbahn) Neubau Sporthalle Fritz- War das schon alles? Sind die Mittel zur Sa- 25 Stadt Gifhorn Reuter-RS nierung kommunaler Sportstätten bereits bis einschließlich 2011 verplant?

In seiner Pressemitteilung vom 15. Juni 2009 hebt der amtierende Innenminister die große Bedeutung insbesondere von Sporthallen (Turnhallen) hervor und erkennt einen „dort be- stehenden Sanierungsstau“ an.

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Wir fragen die Landesregierung: Die Mittel für die Sportvereine werden im Wesentli- 1. Aus welchen Gründen beabsichtigt die Lan- chen über die Sportbünde nach der entsprechen- desregierung, die Richtlinie über die Gewäh- den Richtlinie des LSB verteilt. rung von Zuwendungen zur Förderung des Sportstättenbaus ersatzlos aufzuheben? Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündli-

2. Trifft es zu, dass die im Haushaltsplan 2009 che Anfrage namens der Landesregierung wie vorgesehenen Mittel zur Förderung kommuna- folgt: ler Sportstätten bereits vollständig eingebunden und auch die geplanten Haushaltsmittel für Zu 1 und 2: Zwischen dem Zeitpunkt des Zuwen- 2010 und 2011 bereits vollständig durch Zu- dungsbescheides und dem tatsächlichen Abruf der wendungsbescheide gebunden sind? Mittel liegen durch Umsetzung der Maßnahme 3. Wie beziffert die Landesregierung den nach begründete größere Zeiträume; durch Bewilligung wie vor bestehenden Sanierungsbedarf a) der Förderung werden daher in den meisten Fällen kommunaler und b) vereinseigener Sportstätten bereits Mittel zulasten der Folgejahre gebunden. (aufgeschlüsselt nach Anlagentypen) in Nieder- sachsen, und was beabsichtigt sie diesbezüg- Der Haushaltsgesetzgeber hat hierzu in entspre- lich im Zeitraum der mittelfristigen Finanzpla- chendem Umfang Verpflichtungsermächtigungen nung zu tun, um dem Sanierungsstau zu be- erteilt. Aktuell sind die im Haushaltsplan 2009 vor- gegnen? gesehenen Mittel sowie die für 2010 und 2011 Der Landtag hat auf Initiative der Regierungsfrakti- eingeplanten Haushaltsmittel zur Förderung kom- onen im Dezember 2006 ein Sportstättensanie- munaler Sportstätten bereits gebunden. Die Auf- rungsprogramm 2007 bis 2011 mit einem Volumen hebung der Förderrichtlinie stellt sicher, dass bei von insgesamt 25 Millionen Euro beschlossen, den betroffenen Kommunen unnötiger Verwal- davon stehen 12,5 Millionen Euro für kommunale tungsaufwand vermieden wird. Sportanlagen zur Verfügung. Mit der Verabschie- Gerade mit den 2008 und 2009 seitens der Lan- dung des Landeshaushaltes 2008 wurden die desregierung zulasten der Haushaltsjahre 2010 Haushaltsmittel für die Sanierung kommunaler und 2011 gewährten Zuwendungen wird neben der Sportanlagen in 2008 und 2009 um jeweils weitere Sanierung von Turnhallen auch ein Beitrag zur 2,5 Millionen Euro erhöht. Stabilisierung der Wirtschaft geleistet. Im Rahmen des Konjunkturpaktes II werden mit Zu 3: Durch den Einsatz der zurzeit für die Sanie- dem Förderschwerpunkt kommunale Sportstätten rung von kommunalen Sportstätten in Niedersach- weitere 50 Millionen Euro für die Sanierung der sen eingesetzten erheblichen Bundes-, Landes- kommunalen Sportstätten eingesetzt. Zusätzlich zu und kommunalen Mittel werden wesentliche Schrit- diesem Förderschwerpunkt setzen die Kommunen te zum Abbau des Sanierungsstaus bei den nie- im Rahmen des Konjunkturpakets II zurzeit erheb- dersächsischen Sportstätten geleistet. Der aktuelle liche Mittel aus der zugewiesenen Investitionspau- Sanierungsbedarf bei kommunalen Sportstätten ist schale für die Sanierung oder den Bau von kom- aufgrund der in den Vorbemerkungen genannten munalen Sportstätten ein. Daneben wurden aus und zurzeit in der Umsetzung befindlichen Kon- Mitteln des durch den vom Bund, den Ländern und junkturprogramme zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu den Kommunen geschlossenen Investitionspakts ermitteln. 2008 zahlreiche kommunale Sportstätten energe- tisch saniert. Durch die von der Landesregierung Für den Erhalt der Vereins- und Verbandssportan- beschlossene Initiative Niedersachsen werden im lagen stellt das Land weiterhin jährlich knapp Rahmen des Investitionspaktes 2009 weitere 6 Millionen Euro aufgrund der Vorgaben des Lan- kommunale Sportstätten von diesem Sanierungs- des für die Verwendung der Finanzhilfe des Lan- programm profitieren. des sowie der Zweckerträge aus der Glücksspirale zur Verfügung. Die Umsetzung des Sportstättensanierungspro- gramms und des Konjunkturpakets II zeigt, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von finanzschwa- chen Kommunen eine Förderung für die Sanierung ihrer Sporthallen (Turnhallen) erhalten hat. Darüber hinaus stellt das Land für den Erhalt der Vereins- und Verbandssportanlagen jährlich knapp 6 Millionen Euro zur Verfügung.

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Anlage 40 geschlossen, die dann auch noch als „bundes- weite Regelung“ (Land & Forst vom 11. Juni Antwort 2009) bezeichnet werden? des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, 3. Welche Rechtssicherheit haben die Land- kreise und Biogasbetreiber, „wenn es abzuwar- Verbraucherschutz und Landesentwicklung auf die ten gilt, ob die EU diese pragmatische Ausle- Frage 43 der Abg. Karin Stief-Kreihe und Renate gung der eigentliche eindeutigen Verordnung Geuter (SPD) mit trägt“ (Land & Forst vom 11. Juni 2009)?

Hühnermist in Biogasanlagen - Kann hier Die Europäische Union hat in der Verordnung des jeder machen, was er will? Europäischen Parlamentes und des Rates vom Der Landkreis Emsland verweigerte einem 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht Landwirt aus Neudörpen die Genehmigung für für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische eine Biogasanlage, die mit Mais und Hähn- Nebenprodukte (Verordnung (EG) Nr. 1774/2002) chenmist betrieben werden sollte, da es sich hierbei nicht um „Gülle“ im Sinne der Verord- die tierischen Nebenprodukte nach dem von ihnen nung handele, sondern „um eine Mischung aus ausgehenden Risiko in die Kategorien 1 bis 3 ein- Gülle und verendeten Tieren“. Die EU-Hy- geteilt. Gleichzeitig sind dort die erforderlichen gieneverordnung VO (EG) Nr. 1774/2002 und Behandlungsmethoden und Verwendungsmöglich- das Niedersächsische Ausführungsgesetz zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz keiten festgelegt worden. schreiben vor, dass Hühnerkot nur nach ent- Mangels bundeseinheitlicher Vorgaben wurden in sprechender Vorbehandlung (Hygienisierung) in Biogasanlagen verarbeitet werden darf. Niedersachsen durch den Erlass vom 29. August 2003 (AZ: 203-42306-183) zu einzelnen Punkten Mit der VO (EG) Nr. 808/2003 wurde die Mög- Ausführungshinweise erteilt. Dieser Erlass wurde lichkeit geschaffen, unter bestimmten Voraus- setzungen Ausnahmen vom Hygienisierungsge- in der Folge durch das nationale Tierische-Neben- bot für Gülle zuzulassen. Laut Erlass des ML produkte-Beseitigungsgesetz (TierNebG) vom vom 29. August 2003 gelten Ausnahmetatbe- 25. Januar 2004 (BGBl. I S. 82) und die Tierische- stände grundsätzlich aber nicht für Geflügelmist Nebenprodukte-Beseitigungsverordnung (Tier- und Hühnertrockenkot. NebV) vom 27. Juli 2006 (BGBl. I S. 1735) überla- Trotz dieser eindeutigen Festlegungen scheint gert. Daraufhin ist den nachgeordneten Behörden es in Niedersachsen in den Landkreisen unter- schiedliche Genehmigungspraxen zu geben. So die Aufhebung des Erlasses mitgeteilt worden. heißt es in einem Presseartikel in Land & Forst Geflügelmist ist Gülle (Material der Kategorie 2) im vom 11. Juni 2009 unter dem Titel „Kein Hähn- chenmist in Biogasanlagen“: „Der Landkreis Sinne der EG-Verordnung und darf unmittelbar als Cloppenburg hat entsprechende Anträge zum Dünger verwendet und auch in Biogasanlagen Einsatz von Hähnchenmist in Biogasanlagen verarbeitet werden. Dabei kann Mist aus Hähn- genehmigt. Ähnlich ist die Situation im Land- chenmastanlagen unbeabsichtigt vereinzelte Tier- kreis Vechta. Laut Anfrage gibt es eine geneh- migte Anlage, die seit Anfang dieses Jahres mit körper verendeter Tiere enthalten; dies ist trotz Hähnchenmist arbeitet, weitere werden voraus- guter landwirtschaftlicher Praxis nicht immer gänz- sichtlich eine Genehmigung erhalten.“ lich vermeidbar. Inzwischen soll laut Presseberichten der Land- Bezüglich des Einsatzes von Geflügelmist ist ge- kreis Emsland mit dem Ministerium für Ernäh- rung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und mäß Erlass des ML vom 5. Juni 2009 (AZ: 203- Landesentwicklung Kriterien festgelegt haben, 42306-183(25) Folgendes zu beachten: unter denen eine „Sortenreinheit“ gewährleistet wird und Hähnchenmist doch unvorbehandelt in Gülle, per definitionem „Exkremente und/oder Urin Biogasanlagen eingesetzt werden kann. von Nutztieren, mit oder ohne Einstreu“, darf un- Wir fragen die Landesregierung: behandelt in zugelassenen Biogasanlagen verar- beitet werden. 1. Wie viele Biogasanlagen, in denen Hühner- mist ohne Hygienisierung eingesetzt wird, wur- Verendete Tiere sind, sofern sie nicht unter die den von den Landkreisen seit 2003 genehmigt Kategorie 1 fallen, ebenfalls Material der Katego- (Auflistung nach Landkreisen), und welche Sanktionen ergeben sich hinsichtlich einer mög- rie 2. Diese sind in hierfür zugelassenen Anlagen lichen rechtswidrigen Genehmigungspraxis dar- der Verarbeitungsmethode 1 (Drucksterilisation: aus? 133°C, 20 Minuten, 3 Bar) zu unterziehen. 2. Welche Auflagen wurden mit dem Landkreis Dass Tierkörper von Masthähnchen grundsätzlich Emsland konkret vereinbart und werden zukünf- tig jenseits von rechtsverbindlichen Verordnun- nicht in Biogasanlagen gelangen dürfen, ist recht- gen Einzelvereinbarungen mit den Landkreisen lich nicht zu beanstanden. Gleichzeitig gilt dies

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auch für als Wirtschaftsdünger ausgebrachten Zu 3: Durch Mitteilung der Kriterien per Erlass an Hähnchenmist. In diesem dürfen ebenfalls grund- die zuständigen Behörden sind diese im Innenver- sätzlich keine Tierkörper oder Tierkörperteile ent- hältnis zur für die Veterinärverwaltung zuständigen halten sein. obersten Landesbehörde verbindlich. Insofern liegt für die zuständigen Behörden Rechtssicherheit vor. Mit dem Bundesministerium für Ernährung, Land- Für die Einhaltung der Kriterien ist der die Gülle wirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ist abgebende Betrieb verantwortlich, wobei Biogas- abgestimmt, dass Hähnchenmist auch dann als anlagenbetreiber damit nicht von Ihrer Pflicht ent- „Gülle“ im Sinne der Verordnung (EG) hoben sind, sich über den Input ihrer Anlagen zu Nr. 1774/2002 in Biogasanlagen und als Dünger vergewissern. auf Äckern eingesetzt werden kann, wenn - das Vorhandensein einzelner Tierkörper in dem Mist unter Beachtung einer ordnungsgemäßen Anlage 41 Landwirtschaft praktisch unvermeidbar ist, Antwort - die Ställe mindestens einmal täglich intensiv kon- trolliert und die toten Tiere sorgfältig abgesucht des Kultusministeriums auf die Frage 44 der Abg. werden und dabei sichergestellt ist, dass mög- Detlef Tanke und Klaus Schneck (SPD) lichst keine Tierkörper im Mist verbleiben, Unterrichtsversorgung im Landkreis Gifhorn

- der Mist vor der Abgabe auf Tierkörper kontrol- Das Schuljahr 2009/2010 hat begonnen, die liert wird und diese hieraus entfernt werden und Probleme im Bereich der Unterrichtsversorgung sind die alten geblieben. Nach unseren Infor- - keinesfalls Tierkörper absichtlich liegen gelassen mationen werden auch in dem aktuellen Schul- oder dem Mist gezielt zugeführt werden. jahr im Landkreis Gifhorn viele Schulen mit Lehrkräften unterversorgt sein. Viele Neubeset- Der den Mist abgebende Betrieb hat diese Vorga- zungen von Lehrerstellen werden erst zum ben zu gewährleisten. 1. November vorgenommen, wodurch bis dahin Unterrichtsausfall billigend in Kauf genommen Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine wird. Vor allem aber besteht in den naturwis- Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: senschaftlichen Fächern sowie in Religion und Latein weiterhin ein großer Fachlehrermangel.

Zu 1: Derzeit sind in Niedersachsen 419 Biogasan- Wir fragen die Landesregierung: lagen nach der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 zugelassen. Eine Listung ist unter www.bmelv. 1. Wie wirken sich der Abbau und der Ausgleich der Lehrerarbeitszeitkonten zu Beginn des de/cae/servlet/contentblob/382966/publicationFile/ Schuljahrs 2009/2010 auf die Schulen im Land- 22291/VO1774-2002ZulassungBetriebeNebenpro- kreis Gifhorn aus (Vergleich der Lehrerstunden dukte.xls einzusehen. Diese Biogasanlagen kön- zu den Lehrerstellen; aufgeschlüsselt nach den nen tierische Nebenprodukte wie Klauentiergülle, jeweiligen Schulformen)? Geflügelgülle oder Kofermente (z. B. Material der 2. Wie viele zusätzliche Lehrerstellen hat die Kategorie 3) nach den Vorgaben der Verordnung Landesregierung den Schulen im Landkreis (EG) Nr. 1774/2002 verwerten, wobei in den Zu- Gifhorn zum Schuljahr 2009/2010 zugewiesen, und wie viele sind davon als Ausgleich für die lassungsbescheiden der Gewerbeaufsichtsämter durch den Abbau der Arbeitszeitkonten entfal- die nach Tierische-Nebenprodukte-Beseitigungs- lenden Lehrerstellen zu sehen (wiederum auf- recht zu verwendenden Materialien in der Regel geschlüsselt nach Schulformen)? spezifiziert werden. Es können also Beschrän- 3. Wie sieht die generelle Unterrichtsversor- kungen bezüglich dieser Materialien vorliegen, die gung zum Schuljahresbeginn 2009/2010 an den jedoch bei der Listung der nach Verordnung (EG) Schulen im Landkreis Gifhorn (aufgeschlüsselt Nr. 1774/2002 zugelassenen Biogasanlagen nicht nach den jeweiligen Schulformen) aus, und sieht die Landesregierung ihr Ziel der 100- erfasst werden. prozentigen Unterrichtsversorgung erreicht? Zu 2: Die mit dem BMELV abgestimmten Kriterien Die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung ist zum Umgang mit Geflügelgülle entsprechen dem ein komplizierter Prozess. Dabei muss das Ge- geltenden Recht und sind per Erlass vom 5. Juni samtpaket von ausgeschriebenen Stellen, realisier- 2009 den zuständigen Behörden zur Sicherstel- ten Einstellungen von Lehrkräften, von freiwilliger lung einer einheitlichen Verfahrensweise mitgeteilt oder angeordneter Mehrarbeit, von nicht geneh- worden. migten Teilzeitanträgen aus arbeitsmarktpoliti- schen Gründen (§ 61 NBG-E bzw. TV-L/

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§ 8 TzBfG), aus den Anmeldungen von Schülerin- Zum jetzigen Zeitpunkt ist davon auszugehen, nen und Schülern an den weiterführenden Schu- dass die landesweite Unterrichtsversorgung min- len, aus Veränderung der Schülerzahlen durch destens 99,5 % über alle Schulformen hinweg Wiederholen eines Jahrgangs, aus Frühpensionie- betragen wird. In diesem Schuljahr unterrichten so rungen aus gesundheitlichen Gründen oder den viele Lehrkräfte an niedersächsischen Schulen wie unterschiedlich gewählten Modellen zum Ausgleich noch nie zuvor in diesem Lande. des angesparten Arbeitszeitkontos am Ende zu einer landesweiten Unterrichtsversorgung über alle Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Schulformen und Lehrämter in den Blick genom- Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie men werden. Konkret heißt das: folgt: Zu 1: Die Daten der Erhebung zur Unterrichtsver- - Die Besetzung von 1 076 Lehrerstellen zum sorgung zum Schuljahr 2009/10 werden zum Stich- 1. Februar dieses Jahres ist erfolgreich abge- tag 20. August 2009 erhoben und liegen ausge- schlossen. wertet im Oktober 2009 vor. Daher sind die Daten zum Arbeitszeitkonto der Webabfrage zum - Die Ausschreibung von inzwischen mehr als 15. September 2008 entnommen. 2 500 Stellen für Lehrkräfte aller Schulformen zum 1. August 2009 ist erfolgt; die Besetzung ist Die Verringerung der Lehreriststunden zum Schul- weitestgehend abgeschlossen. jahr 2009/2010 durch das Ende und den Ausgleich des Arbeitszeitkontos stellt sich im Landkreis Gif- - Die schnelle Handlungsfähigkeit die Landesregie- horn wie folgt dar: rung, aber auch der Landesschulbehörde und der Schulen durch ein von den Mehrheitsfraktionen Schulform in Stunden in Stellen beschlossenes Maßnahmebündel hat die Sicher- Grundschule -226 -8,1 stellung der Unterrichtsversorgung maßgeblich Hauptschule -151 -5,5 unterstützt. Es besteht erstens aus der Schaffung Realschule -277 -10,4 von zusätzlichen Stellen für Lehrkräfte sowie Re- Gymnasium -23 -1,0 ferendarinnen und Referendare, zweitens aus IGS - - finanziellen Anreizen (z. B. Mehrarbeit von Refe- Förderschule -75 -2,8 rendarinnen und Referendaren) und drittens der Insgesamt -752 -27,8 Nutzung vorhandener Ressourcen (Reduzierung Anmerkung: Die Schulzweige der Kooperativen Gesamtschulen der Entlastungs- und Anrechnungsstunden). wurden den entsprechenden Schulformen zugeordnet.

Die Besetzung von Stellen mit Lehrkräften in den Zu 2: Bis zum 18. August 2009 wurde im Landkreis Mangelfächern, wie den naturwissenschaftlichen Gifhorn bislang folgende Anzahl von Stellen be- Fächern sowie teilweise in Religion und in Latein, kannt gegeben: ist eine bundesweite Herausforderung, die wir als Grundschule 8 einzelnes Bundesland nicht kurzfristig lösen kön- Hauptschule 6 nen. Deshalb setzt Niedersachsen auf Flexibilität Realschule 12 bei den Einstellungen und dem Einsatz von Lehr- Förderschule -- kräften. Gesamtschule -- So können sich z. B. GHR-Lehrkäfte an Gymna- Gymnasium 16 sien bewerben, Gymnasiallehrkräfte auch an Gesamt 42 Hauptschulen und Realschulen. Die einheitlich drei Jahre umfassende Probezeit muss nur noch zu Die Anzahl dieser Stellen ergibt sich aus dem Zu- einem Drittel an der Schulform absolviert werden, sammenwirken mehrerer Faktoren, so z. B. aus für die die Lehrbefähigung erworben wurde. Au- der ßerdem gibt es flexible Möglichkeiten des - Anzahl der in den Ruhestand eintretenden Lehr- Umstiegs auf das Blockmodell im Rahmen der kräfte, Altersteilzeit, aber auch die Chance für Pensionäre zur vollständigen oder teilweisen Weiterarbeit. - Anzahl der aus anderen Gründen ausscheiden- Ebenso haben wir die Rückzahlungsmodalitäten den Personen (wie z. B. Tod vor Erreichen der für die angesparten Stunden des Arbeitszeitkontos Altersgrenze, Wechsel des Bundeslandes, Kün- flexibilisiert. digungen, etc.),

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- Entwicklung der Schülerzahlen (Rückgang, Zu- zu verzeichnen. Für 2010 sind weitere Kürzun- wachs) am einzelnen Standort oder in den Schul- gen vorgesehen. formen, Wir fragen die Landesregierung:

- Finanzierung des Endes und des Ausgleichs des 1. Mit Landesmitteln in welcher Höhe wurden Arbeitszeitkontos usw. die 14 Nationalparkhäuser und -zentren in der 13., 14. und 15. Wahlperiode bis zum heutigen Aus den unter Punkt 3 aufgeführten Gründen liegt Tage ausgestattet? eine auf die Landkreise bezogene Auswertung der 2. Welche zusätzlichen Anforderungen werden Auswirkung der Einzelfaktoren noch nicht vor. nach Einschätzung der Landesregierung durch die Anerkennung als Weltnaturerbe auf die Na- Zu 3: Verlässliche Zahlen hinsichtlich der Unter- tionalparkeinrichtungen zukommen (z. B. Besu- richtsversorgung an niedersächsischen Schulen - cherinformation über die Einzigartigkeit des also auch für den Landkreis Gifhorn - liegen erst im Weltnaturerbes, Besucherführungen in den Oktober vor: sensiblen Lebensräumen, Umgang mit Ziel- /Nutzungskonflikten, internationaler Touris- Die Meldungen der Schulen zum Stichtag 20. Au- mus)? gust 2009 sind zunächst an die Landesschulbe- 3. Wie beabsichtigt die Landesregierung die hörde zu senden, dort für jede der mehr als 3 000 Anforderungen und Verpflichtungen, die mit allgemeinbildenden Schulen zu prüfen und dann dem Qualitätssiegel „Weltnaturerbe“ verbunden sind, zu erfüllen, bzw. gibt es Pläne, Strategien, von der Landesschulbehörde dem Kultusministeri- Haushaltsansätze, die die vorhandenen Einrich- um bis zum 10. September 2009 zur Verfügung zu tungen in die Lage versetzen, leistungsfähig stellen, damit sie dort anschließend ausgewertet und in die Zukunft gerichtet dem internationalen und zusammengestellt werden können. Wettbewerb und nationalen zeitgemäßen An- sprüchen gerecht werden zu können?

Die insgesamt 14 Nationalparkhäuser und Natio- Anlage 42 nalparkzentren entlang der niedersächsischen Küste und auf den Ostfriesischen Inseln sind zen- Antwort trale Elemente eines Informations- und Bildungs- des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf netzwerks für den Nationalpark und das UNESCO- die Frage 45 der Abg. Brigitte Somfleth, Sigrid Biosphärenreservat Niedersächsisches Watten- Rakow, Marcus Bosse, Rolf Meyer, Andrea Schrö- meer. Die Einrichtungen werden nunmehr auch der-Ehlers und Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) das in diesem Jahr von der UNESCO-Welterbe- kommission anerkannte Weltnaturerbegebiet in Hehre Worte, große Anforderungen, wenig Geld: Vernachlässigt die Landesregierung ihre Informations- und Bildungsarbeit einzubezie- die Nationalparkeinrichtungen im Weltna- hen haben. Zu allgemeinen Aspekten der Finan- turerbe Wattenmeer? -Teil II zierung, der vertraglichen Basis der Einrichtungen Am 26. Juni 2009 wurde das Wattenmeer vom und der laufenden Evaluierung wird auf die Ant- Weltnaturerbe-Komitee zum UNESCO-Welt- wort zu Frage 4 (Teil I der Anfrage zu den Natio- naturerbe ernannt und kann nun in einem nalparkeinrichtungen) verwiesen. Atemzug mit weltberühmten Naturwundern wie dem Great Barrier Reef in Australien, dem Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Grand Canyon in den USA, dem Kilimandscha- Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: ro in Afrika und den Galapagos-Inseln im Pazi- fischen Ozean genannt werden. Diese Aus- zeichnung wurde bei einem Strandfest in Cux- Zu 1: haven auch groß durch den niedersächsischen Umweltminister gefeiert. In seiner Pressemittei- Die 14 Nationalparkhäuser und -zentren wurden in lung vom 26. Juni ist zu lesen: „wie das Beispiel der 13., 14. und 15. Wahlperiode wie folgt mit Lan- Dresden zeige, dürfe man den Schutz dieses desmitteln ausgestattet: Welterbes jedoch nicht leichtfertig gefährden. Die Aufnahme in die Liste der Welterbe-Stätten 13. Legislaturperiode: insgesamt rund 4,6 Millionen der UNESCO bietet vor allem Chancen. Welt- Euro, jährlich rund 1,15 Millionen Euro weit würde die Anerkennung die Aufmerksam- keit auf das Wattenmeer und das Interesse an 14. Legislaturperiode: insgesamt rund 5,8 Millionen einem Besuch wecken.“ Euro, jährlich rund 1,16 Millionen Euro In den aktuellen Handlungen der Landesregie- rung spiegeln sich diese Aussagen aber nicht 15. Legislaturperiode: insgesamt rund 5,2 Millionen wieder. Seit Jahren sind ständige Kürzungen Euro, jährlich rund 1,04 Millionen Euro der Finanzmittel bei den Nationalparkhäusern

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Die Fördersumme im Jahr 2009 wird rund 1,0 Milli- Anlage 43 onen Euro betragen. Antwort Zu 2: Da mit der Anerkennung des Wattenmeeres des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration als Weltnaturerbegebiet der internationale Fokus auf die Frage 46 der Abg. Helge Limburg, Ursula auf das Gebiet verstärkt worden ist, müssen die Helmhold und Enno Hagenah (GRÜNE)

Informations- und Bildungsangebote künftig auch Warum verschenkte die Polizei am 1. August für das internationale Publikum verständlich sein. in Bad Nenndorf mehrere Hundert weiße Dies bedeutet z. B., dass Ausstellungsobjekte und T-Shirts an Neonazis? andere Angebote in englischer Sprache und gege- Begleitet von starken Protesten fand am 1. Au- benenfalls in weiteren Sprachen erläutert werden gust in Bad Nenndorf ein Aufmarsch von rund müssen. Inhaltlich werden das Gebiet als Bestand- 700 Rechtsextremisten statt. Während die mehr teil des Welterbes hervorzuheben und auf die in als 1 000 Gegendemonstrantinnen und Gegen- demonstranten bunt und friedlich ihre Abnei- diesem Zusammenhang relevanten Naturwerte gung gegenüber dem Treiben der Neonazis vertieft aufmerksam zu machen sein. Mitarbeiterin- zum Ausdruck brachten, erschienen mehrere nen und Mitarbeiter der Informationseinrichtungen, Hundert Neonazis zu Beginn des Aufmarsches aber auch die Watt- und Gästeführer werden ent- in schwarzer Kleidung. Dies stellte einen Ver- stoß gegen die Auflage der Versammlungsbe- sprechend zu schulen sein. hörde dar, nach der es untersagt war, „gleichar- tige Kleidung zu tragen (…) soweit dies auf ei- Zu 3: Das Land Niedersachsen wird seine Ver- nen objektiven Betrachter (…) suggestiv-mi- pflichtungen, das Gebiet mit seinen Schutzgütern litant, aggressionstimulierend oder einschüch- ternd wirkt“. Laut Medienangaben wurde dar- für die kommenden Generationen in seiner Ge- aufhin mehr als 100 Personen aus dem rechts- samtheit zu erhalten, engagiert erfüllen. Mit dem extremen Spektrum, die sich weigerten, dieser Landesnationalparkgesetz, dem Welterbe-Aner- Auflage Folge zu leisten, die Teilnahme an dem kennungsantrag und dem trilateralen Wattenmeer- Aufmarsch untersagt. Mehreren Hundert Rechtsextremisten wurden jedoch seitens der plan existieren Instrumente, die den Schutz und Polizei auf Staatskosten weiße T-Shirts ausge- die Entwicklung des niedersächsischen Teils des händigt, womit ihnen eine Teilnahme am Auf- Welterbegebietes vorzeichnen. marsch ermöglicht wurde. Somit marschierte am 1. August ein Großteil der Neonazis in ein- heitlich weißer Oberbekleidung durch Bad Am Marketing für das Weltnaturerbegebiet, an der Nenndorf. Präsentation der besonderen Werte und Funktio- In der HAZ vom 8. August bewertet der Präsi- nen sowie an der Zusammenführung touristischer dent der Göttinger Polizeidirektion, Hans War- und naturschutzbezogener Aspekte werden auch gel, die Strategie der polizeilichen Einsatzlei- künftig die unterschiedlichsten Akteure mitwirken. tung auch in Bezug auf die T-Shirt-Verteilung Auch die Nationalparkhäuser und Nationalpark- an die Rechtsextremisten als erfolgreich. Den Neonazis solle dadurch „Bad Nenndorf als Ort zentren leisten mit ihren Möglichkeiten einen wich- für ihre Aktivitäten so unattraktiv wie möglich“ tigen Beitrag. Zu den Haushaltsansätzen für die gemacht werden. Auf einige Augenzeugen des Informationseinrichtungen wird auf die Antwort Aufmarsches wirkte der Aufmarsch mehrerer zu 1. verwiesen. Hundert Neonazis mit schwarzen Fahnen und weißen Hemden - auch in Anbetracht der Tat- sache, dass es bereits zu Beginn der 1930er- Bereits im Zuge der Vorbereitung des Antrages auf Jahre Aufmärsche von SA-Kolonnen in einheit- Anerkennung als Welterbegebiet ist eine deutsch- lich weißen Hemden gab - jedoch bedrohlich. In niederländische Marketingarbeitsgruppe gegründet einschlägigen Internetforen der rechtsextremen Szene finden sich zahlreiche Kommentare, die worden, die sich u. a. um das gemeinsame Er- sich positiv zur Bereitstellung der weißen scheinungsbild des Gesamtraumes, Marketing- „T-Hemden“ durch die Polizei äußern. aspekte und eine abgestimmte Öffentlichkeitsarbeit Wir fragen die Landesregierung: kümmert. Es wurde eine Welterbe-Website einge- richtet, die Informationen über das Gebiet und 1. Teilt die Landesregierung die positive Ein- schätzung des Polizeipräsidenten hinsichtlich seine weitere Entwicklung in englischer, deutscher der Verteilaktion weißer T-Shirts - auch in An- und niederländischer Sprache anbietet. Das Inter- betracht der Historie der 1930er-Jahre -, und netangebot ist in Deutschland unter www.welt- falls ja, worauf begründet sie diese Einschät- naturerbe-wattenmeer.de zu finden. zung? 2. Hält die Landesregierung die sehr unbe- stimmt und unklar formulierte Auflage, es sei untersagt, „gleichartige Kleidung zu tragen (…)

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soweit dies auf einen objektiven Betrachter (…) ten Gesamteindruck der Versammlung und einer suggestiv-militant, aggressionstimulierend oder einschüchternden Wirkung auf die Bevölkerung einschüchternd wirkt“, auch vor dem Hinter- grund der Tatsache, dass die Verteilung der beigetragen hat. weißen T-Shirts durch die Polizei selbst zu ei- Aufgrund von erheblichen bundesweiten Mobilisie- nem einheitlichen Erscheinungsbild der Nazi- demonstration geführt hat, für zielführend und rungsbestrebungen war für den diesjährigen Auf- angemessen? zug am 1. August mit deutlich mehr als 500 Teil- 3. Welche Maßnahmen wird die Landesregie- nehmerinnen und Teilnehmern aus dem gesamten rung ergreifen, um zu verhindern, dass sich Bundesgebiet sowie aus den Niederlanden und Bad Nenndorf weiterhin zu einem Wallfahrtsort aus Skandinavien zu rechnen. Dabei zeichnete für die rechtsextreme Szene entwickelt? sich auch eine Beteiligung von mehr als 100 ge- Seit 2006 führen Rechtsextremisten jährlich Ende waltbereiten Autonomen Nationalisten ab, die sich Juli/Anfang August einen von ihnen so bezeichne- regelmäßig in Aufzügen als Schwarzer Block for- ten Trauermarsch zum Gedenken an die Opfer mieren. Das Ziel der Versammlungsbehörde und eines britischen Internierungslagers in Bad Nenn- der Polizei für den diesjährigen Aufzug am 1. Au- dorf durch. Als Demonstrationstermin hat diese gust war es daher, einen störungsfreien und friedli- Veranstaltung mittlerweile bundesweite Bedeutung chen Verlauf der Versammlung insbesondere auch erlangt. Die Veranstaltungen sollen auch in Zu- durch die Verhinderung eines Schwarzen Blocks kunft jährlich stattfinden. Bereits im Juni dieses zu erreichen. Jahres wurden für den Zeitraum von 2010 bis 2030 Zu diesem Zweck hat die Versammlungsbehörde namens eines „Gedenkbündnisse Bad Nenndorf“ eine versammlungsrechtliche Auflage erlassen, die Folgedemonstrationen angemeldet. Dies spricht das Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 des Gesetzes dafür, dass in Bad Nenndorf langfristig eine Er- über Versammlungen und Aufzüge (VersG) kon- satzveranstaltung für den seit 2005 verbotenen kretisiert und verdeutlicht, dass das Uniformverbot Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Wunsiedel etabliert auch das Tragen gleichartiger durchweg dunkler werden soll, an dem zuletzt 4 000 Personen teil- Kleidung erfasst, welche einem Außenstehenden genommen hatten. als Gesamtbild eine suggestiv-militante, aggressi- Der Aufzug knüpft an die Nachkriegsnutzung des onsstimulierende und einschüchternde Wirkung ehemaligen Wincklerbades in Bad Nenndorf durch vermittelt. Zur Durchsetzung dieser Auflage wurde die britischen Besatzungskräfte an. Das Badehaus bereits im Rahmen der Vorkontrollen auf eine auf- und das umliegende Areal dienten in den Jahren lagenkonforme Kleidung der Teilnehmerinnen und 1945 bis 1947 als Internierungslager und einziges Teilnehmer hingewirkt. Die Bildung eines Schwar- Verhörzentrum in der britischen Besatzungszone. zen Blocks sollte von vornherein unterbunden Nach Recherchen des britischen Journalisten Ian werden, da eine nachträgliche Auflösung nur unter Cobain soll es im Wincklerbad zu systematischer Anwendung von Zwangsmitteln möglich gewesen Folter und Misshandlungen von deutschen Kriegs- wäre und erhebliche Gefahren für Versammlungs- gefangenen und anderen Inhaftierten gekommen teilnehmerinnen und -teilnehmer, die Einsatzkräfte sein. Unter Berufung auf die Darstellung Cobains der Polizei sowie für unbeteiligte Dritte mit sich thematisieren die Rechtsextremen die Ereignisse gebracht hätte. Die Polizei hat dabei weiße T- im Sinne einer Täter-Opfer-Umkehr. Regelmäßig Shirts vorgehalten, um zu verhindern, dass es bei werden dabei die NS-Verbrechen verharmlost und der Durchsetzung des Uniformverbotes bzw. bei Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs den Alliierten einem darauf begründeten Ausschluss von der zugeschrieben. Versammlung zu Eskalationen kommt. Einer Aus- weitung des polizeilichen Kräfteansatzes konnte Nach ca. 110 Personen im Jahr 2006 und ca. 170 dadurch begegnet werden. Personen im Jahr 2007 nahmen im Jahr 2008 mehr als 400 Rechtsextremisten am Aufzug in Bad Die Farbe weiß wurde als neutrale Farbe gewählt. Nenndorf teil. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Der Symbolgehalt dieser Farbe ist auch nicht als kamen überwiegend aus Niedersachsen, den an- repräsentativ für das NS-Regime oder einer seiner grenzenden Bundesländern und aus den Nieder- Organisationen belegt, sodass sich eine Assoziati- landen. Erstmals 2008 beteiligten sich auch ca. on zu Aufmärschen im Dritten Reich nicht auf- 100 Personen an dem Aufzug, die den sogenann- drängt. Die verteilten weit geschnittenen weißen ten Autonomen Nationalisten (AN) zuzurechnen T-Shirts erwecken insgesamt nicht den Eindruck sind und die einen Schwarzen Block bildeten, der der von der SA zu Beginn der 1930er-Jahre getra- im hohen Maße zu einem aggressiven und militan- genen weißen Oberhemden.

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Die unmittelbaren Reaktionen von Versammlungs- gesellschaftliche Engagement zu stärken, als auch teilnehmern auf die Maßnahme waren ablehnend. die Ausnutzung aller zu Gebote stehenden rechts- So berichtete auch die Presse im Nachhinein, dass staatlichen Mittel, um rechtsextremistische Aktivitä- „Nazis wütend über weiße T-Shirts“ gewesen seien ten zu verhindern oder zu unterbinden. (Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 8. August 2009). Dass die zunächst erlittene „Niederlage“ Ein wichtiger Bestandteil der Präventionsmaßnah- nachträglich durch entsprechende Äußerungen in men des niedersächsischen Verfassungsschutzes den einschlägigen Internetforen negiert und die ist die kommunale Beratung, die mit dem Konzept Aushändigung der T-Shirts in verklärender Weise der „Förderung politischer Handlungsmöglichkeiten einer positiven Bewertung zugeführt worden sein gegen Rechtsextremismus in den Kommunen“ sollen, ist ein typisches Verhalten der rechten Sze- bereits seit 2007 erfolgreich umgesetzt wird. Der ne. Diese Einschätzung bestätigt auch die Inter- niedersächsische Verfassungsschutz wird auch netauswertung im unmittelbaren Nachgang zum zukünftig in enger Abstimmung mit den Vertretern Einsatz. der Gemeinde, des Landkreises und des vor Ort aktiven Aktionsbündnisses über Maßnahmen und Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage Strategien gegen rechtsextremistische Aktivitäten namens der Landesregierung wie folgt: in Bad Nenndorf beraten. Im Vorfeld der diesjähri- Zu 1: Die Verteilung von weißen T-Shirts beim gen angemeldeten 1.-August-Demonstration in diesjährigen Aufzug der Rechtsextremisten in Bad Bad Nenndorf hat eine Beratung durch den Ver- Nenndorf war eine einzelfallbezogene Einsatz- fassungsschutz sowie den Landespräventionsrat maßnahme, die aufgrund der konkreten Umstände im Rahmen des landesweiten Beratungsnetzwer- erfolgreich die Bildung eines Schwarzen Blocks kes stattgefunden. unterbunden und eine möglicherweise eskalieren- Die Beobachtung und Bekämpfung des Rechtsex- de Durchsetzung von Teilnahmeverboten verhin- tremismus stellt einen besonderen Arbeitsschwer- dert hat. punkt des niedersächsischen Verfassungsschutzes Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwie- dar. Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages, die sen. Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestre- bungen aufzuklären, wurden umfangreiche Prä- Zu 2: Die Auflage, keine gleichartigen Kleidungs- ventionsmaßnahmen entwickelt und in ein Ge- stücke als Ausdruck einer gemeinsamen politi- samtkonzept eingebettet, das die Maßnahmen schen Gesinnung zu tragen, soweit hierdurch im aufeinander abstimmt und mit den vielfältigen in Gesamtbild eine suggestiv-militante, aggressions- Niedersachsen im Bereich der Prävention tätigen stimulierende und einschüchternde Wirkung ver- Institutionen vernetzt. Um diese Maßnahmen zu mittelt wird, war bereits Gegenstand einer gerichtli- intensivieren, werden alle Aktivitäten des Verfas- chen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht Han- sungsschutzes im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, nover hat die Auflage in seinem Beschluss vom Prävention und Beratung in der vor Kurzem einge- 31. Juli 2009 (Az.: 10 B 2925/09) geprüft und nicht richteten Niedersächsischen Extremismus- Infor- beanstandet. mationsstelle (NEIS) gebündelt.

Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwie- Daneben entfalten umfangreiche präventive und sen. repressive Maßnahmen der niedersächsischen Zu 3: Bad Nenndorf stellt bislang keinen Schwer- Polizei zur Bekämpfung der politisch motivierten punkt rechtsextremistischer Aktivitäten dar, hat Kriminalität im Phänomenbereich „Rechts“ landes- jedoch Symbolwert für den Rechtsextremismus weite Wirkung. So wurden durch die Polizeidirekti- erlangt. Die angemeldeten Demonstrationen sind on Göttingen intensive polizeiliche Maßnahmen eine bundesweit beworbene Aktion neonazisti- etwa gegen eine rechtsextremistische Gruppe aus scher Gruppierungen, die dadurch auch einen Schaumburg initiiert und mit nachhaltigem Erfolg verstärkten Zulauf von Rechtsextremisten aus durchgeführt. Das führende Mitglied der Gruppe, anderen Bundesländer erfahren. ein bekannter Rechtsextremist und Anmelder der vorangegangenen Versammlungen in Bad Nenn- Polizei und Verfassungsschutz haben zur Bekämp- dorf, wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. fung des Rechtsextremismus umfangreiche Maß- nahmen ergriffen. Hierzu gehört sowohl die Aufklä- In Anbetracht der besorgniserregenden Entwick- rung der Bevölkerung über Gefahren und Entwick- lung der Veranstaltung in Bad Nenndorf wird die lungen im Rechtsextremismus, um damit das zivil- Polizei ihre Maßnahmen intensivieren und einer

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weiteren Etablierung der Veranstaltung als zentra- Schuljahrgängen gegliederten Kooperativen Ge- le Versammlung der rechtsextremistischen Szene samtschulen sowie den Integrierten Gesamtschu- mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln len in Zukunft das Abitur ebenfalls nach zwölf entgegenwirken. Schuljahren vergeben wird. In Umsetzung der schulgesetzlichen Vorgaben (§§ 5 Abs. 3 Nr. 3

Buchstabe b und § 12 Abs. 4 NSchG) sind folgen- Anlage 44 de untergesetzlichen Regelungen für die Integrier- te Gesamtschule zu ändern: Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 47 der Abg. - Durchlässigkeits- und Versetzungsverordnung, Kreszentia Flauger und Christa Reichwaldt (LIN- - Verordnung über die Abschlüsse im Sekundarbe- KE) reich I der allgemeinbildenden Schulen, Wie soll das Turbo-Abitur an den Integrier- ten Gesamtschulen konkret realisiert wer- - Verordnung über die gymnasiale Oberstufe, den? - Erlass „Die Arbeit in den Schuljahrgängen 5 bis Die Verabschiedung des neuen Schulgesetzes 10 der Integrierten Gesamtschule“, stellt, wie entsprechende Rückmeldungen vie- lerorts zeigen, Integrierte Gesamtschulen vor - Erlass „Zeugnisbestimmungen in den allgemein- ungeklärte Fragen und Probleme. Die gesetzli- che Auflage für die Integrierten Gesamtschulen, bildenden Schulen“. die Abiturprüfungen bereits nach zwölf Schul- jahren stattfinden zu lassen, beinhalte keine In diesen untergesetzlichen Regelungen werden konkreten fachdidaktischen, methodischen und für die Integrierte Gesamtschule insbesondere zu pädagogisch sinnvollen Unterrichtskonzepte. In bestimmen sein: den betroffenen Schulen war man sich nicht im Klaren darüber, wie dieses Gesetz ohne eine - die organisatorischen Vorgaben für die Schul- Anpassung der Lehrpläne, der schulischen Or- jahrgänge 5 bis 10 (Stundentafel, Einsetzen der ganisationsstrukturen und der Unterrichtspraxis umgesetzt werden kann. Dem fehlenden Schul- zweiten Fremdsprache, Gestaltung des Wahl- jahr stünden eine nicht modifizierte Stofffülle pflichtunterrichts usw.), und -intensität, eine nicht vorhandene praxis- taugliche Methodik und eine damit einherge- - die Führung des 10. Schuljahrgangs auch als hende Überforderung sowohl der Lehrpläne als Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe, auch der Lehrerinnen und Lehrer sowie Schüle- rinnen und Schüler gegenüber. Dieses Problem - die Fachleistungsdifferenzierung in den Fächern gelte insbesondere für die Schülerinnen und Schüler, die nicht zur Leistungsspitze gehörten Mathematik, Englisch, Deutsch, Naturwissen- und dennoch das Abitur ablegen wollten und schaften auf drei Anforderungsebenen sowie auch könnten. Die Lehrerinnen und Lehrer der zugleich die Möglichkeit des Abweichens von Integrierten Gesamtschulen sehen sich durch dieser Differenzierung in den Schuljahrgängen 7 das fehlende Schuljahr mit der Anforderung konfrontiert, den Unterricht in noch stärkerem und 8 nach Vorlage eines entsprechenden päda- Maß zu Ungunsten der Schülerinnen und Schü- gogischen Konzepts der Schule und ler entindividualisieren zu müssen. - die Leistungskriterien am Ende des 9. und Wir fragen die Landesregierung: 10. Schuljahrgangs, auf deren Grundlage die 1. Wie sollen die Integrierten Gesamtschulen Klassenkonferenzen entscheiden, ob die Schüle- mit nur acht Jahren bis zum Abitur konkret lau- rinnen und Schüler zum Besuch der Einfüh- fen? rungsphase der gymnasialen Oberstufe berech- 2. Wie wird sichergestellt, dass die Schülerin- tigt sind. nen und Schüler im Bedarfsfall an den Integrier- ten Gesamtschulen auch nach 13 Jahren das Das Kultusministerium wird eine Arbeitsgruppe Abitur absolvieren können? „Gesamtschule“ einrichten, in der die Konzeptio- 3. Welche konkreten Unterrichtsvorschläge, nen der zu ändernden untergesetzlichen Regelun- Methoden und didaktischen Konzepte liegen gen noch vor dem gesetzlich vorgeschriebenen der Regierung vor, mit denen sich ihre gesetzli- che Änderung im schulischen Alltag der Inte- Anhörungsverfahren zu diesen Regelungen unter grierten Gesamtschulen umsetzen lässt? Hinzuziehung des Sachverstands von Vertreterin- nen und Vertretern von Gesamtschulen erörtert Auf Beschluss des Landtags ist das Niedersächsi- werden. Die konstituierende Sitzung der Arbeits- sche Schulgesetz mit Datum vom 18. Juni 2008 gruppe wird Anfang September stattfinden. dahin gehend geändert worden, dass an den nach

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Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Anlage 45 Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie Antwort folgt: des Kultusministeriums auf die Frage 48 der Abg. Zu 1: In dem Erlass „Die Arbeit in den Schuljahr- Christa Reichwaldt (LINKE) gängen 5 bis 10 der Integrierten Gesamtschule“ Wann wird Eberhard Brandt rehabilitiert? werden in der Stundentafel die fachbezogenen Im März 2009 wurde entgegen dem bis dato Stundensummen vorgegeben, die die Schülerin- gepflegten Verhalten der Antrag des nieder- nen und Schüler zu belegen haben, wenn sie das sächsischen Vorsitzenden der Gewerkschaft für Abitur nach zwölf oder nach dreizehn Schuljahren Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eberhard absolvieren wollen. Dabei soll der einzelnen Schu- Brandt, auf Freistellung vom Unterricht durch das Kultusministerium abgelehnt. Zeitlich etwas le ein Gestaltungsspielraum bei der Stundenvertei- verzögert berichtete die Zeitschrift Focus über lung auf die einzelnen Schuljahrgänge eingeräumt den „Schulschwänzer Brandt“ und nutzte dabei werden. offenkundig vertrauliche Informationen aus der Personalakte des GEW-Vorsitzenden. Unter anderem wurde von einem eingeleiteten Diszip- Zu 2: Aufgrund der gezeigten Leistungen und des linarverfahren berichtet, welches laut Aussage Leistungsvermögens am Ende des 9. Schuljahr- der GEW aber erst später angestrengt wurde. gangs entscheidet die Klassenkonferenz, welche Am 30. Juli schließlich veröffentlichte die GEW eine Mitteilung, in der es hieß, dass es zu einer Schülerinnen und Schüler berechtigt sind, im Einigung zwischen Kultusministerin Elisabeth 10. Schuljahrgang die Einführungsphase der gym- Heister-Neumann und dem DGB-Chef Hartmut nasialen Oberstufe zu besuchen. Die anderen Tölle gekommen sei und keine Unterrichtsver- Schülerinnen und Schüler besuchen wie bisher pflichtung für Eberhard Brandt bestehe und auch keine Minusstunden auf seinem Konto den 10. Schuljahrgang und erwerben die Voraus- verbucht seien. Es bestehen also keine Forde- setzungen zum Besuch der Einführungsphase der rungen gegenüber Herrn Brandt. Dennoch ist gymnasialen Oberstufe am Ende dieses Schul- das Disziplinarverfahren nach wie vor nicht für jahrgangs. Diese Gesamtschülerinnen und -schü- erledigt erklärt worden, wie die Landesschulbe- hörde gegenüber der Presse am 17. August ler werden also rechtlich genauso wie Realschüle- bestätigte. rinnen und -schüler und Hauptschülerinnen und Ich frage die Landesregierung: -schüler behandelt, die am Ende des Sekundarbe- reichs I in die Einführungsphase der gymnasialen 1. Wie bewertet die Landesregierung die getrof- Oberstufe wechseln. fene Einigung mit dem DGB im Fall Brandt? 2. Welche Konsequenzen zieht die Landesre- gierung aus der Einigung mit dem DGB im Hin- Zu 3: Fachbezogene Unterrichtsvorschläge, Me- blick auf vergleichbare Anträge auf Unterrichts- thoden und didaktische Konzepte richten sich nach befreiung in der Zukunft? den fachbezogenen Lehrplänen. Das Kultusminis- 3. Welche Konsequenzen zieht die Landesre- terium wird die fachbezogenen Lehrpläne für die gierung aus der Einigung mit dem DGB im Hin- Integrierten Gesamtschulen an den achtjährigen blick auf das laufende Disziplinarverfahren ge- bzw. neunjährigen Bildungsweg an der Integrierten gen Eberhard Brandt? Gesamtschule anpassen. Die Fachkonferenzen Am 2. Juni 2009 habe ich mit dem Bezirksvorsit- der Schule sind gehalten, auf der Grundlage der zenden des DGB, Herrn Hartmut Tölle, erörtert, fachbezogenen Lehrpläne schuleigene Fachcurri- warum niedersächsische Lehrkräfte nicht mehr für cula zu entwickeln. Daraus erwachsen schuljahr- gewerkschaftliche Arbeit einzelnen Gewerkschaf- gangsbezogene Unterrichtsvorschläge, Methoden ten zugewiesen werden. Diese Entscheidung, die und didaktische Konzepte. Außerdem wird das im Interesse der Unterrichtsversorgung getroffen Kultusministerium zur Implementation der fachbe- wurde, ist bei Herrn Tölle auf Verständnis gesto- zogenen Lehrpläne schulinterne und regionale ßen. Gleichzeitig habe ich Herrn Tölle versichert, Fortbildungsveranstaltungen anbieten. dass ich im Rahmen unserer Möglichkeiten das gewerkschaftliche Engagement unterstütze, und habe in diesem Zusammenhang auf die möglichen Wege von Teilzeit oder Sonderurlaub hingewiesen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

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Zu 1: Eine Einigung im „Fall Brandt“, wie in der Verkauf der Waffen als einen wesentlichen Bau- Vorbemerkung der Anfrage beschrieben, gibt es stein zur Deckung des Investitionsbedarfs aufge- nicht. Das gegen Herrn Brandt eingeleitete Diszip- führt. linarverfahren ist durch die Landesschulbehörde Nach dem Systemwechsel wurden daher seit April abgeschlossen. 2002 bislang insgesamt 14 390 ausgesonderte Zu 2: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Waffen veräußert. Im Rahmen öffentlicher Aus- schreibungen war festgelegt, dass sie ausschließ- Zu 3: Auf die Beantwortung zu 1. wird verwiesen. lich von Waffenherstellern oder Waffenhändlern mit der entsprechenden waffengesetzlichen Han- delserlaubnis erworben werden konnten. In den Anlage 46 Jahren 2007 und 2008 wurde der weitaus größte Antwort Teil (13 000 Waffen) somit von der Herstellerfirma Heckler & Koch als Höchstbietendem zurücker- des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration worben und an eine Tochterfirma in den USA ex- auf die Frage 49 der Abg. Pia-Beate Zimmermann portiert. Daneben wurden kleine Kontingente an (LINKE) die Polizeien der Bundesländer Bayern (880 Waf- Verkauft die Landesregierung weiterhin alte fen) und Sachsen (95 Waffen) zur Ergänzung der Dienstwaffen? dortigen Bestände veräußert. Im Umfang von 415 Vor Kurzem wurde bekannt, dass das Land Stück wurden Waffen an gemäß Waffengesetz Niedersachsen in den Jahren 2007 und 2008 berechtigte Polizeivollzugsbeamte abgegeben. insgesamt 13 000 alte Polizeidienstwaffen ver- kauft und dabei 2,8 Millionen Euro eingenom- Die einschlägigen Voraussetzungen des Waffen- men hat. Innenminister Uwe Schünemann hatte rechts über den Erwerb der Waffe durch den jewei- in diesem Zusammenhang auf die Landes- haushaltsordnung verwiesen, welche den Ver- ligen Empfänger wurden in allen Fällen geprüft und kauf zwingend vorsehe. eingehalten. Bezüglich der durch die Firma Heckler & Koch in die USA exportierten Waffen liegt dar- Ich frage die Landesregierung: über hinaus eine Bestätigung vor, dass die Liefe- 1. Wird die Landesregierung weiterhin an der rung auf der Basis von Endverbleibserklärungen Praxis des Verkaufs alter Dienstwaffen festhal- ten, und, wenn ja, in welchem Umfang wird das und aufgrund internationaler Importzertifikate er- bis zum Jahr 2010 geschehen? folgte. 2. Bestätigt die Landesregierung die Tatsache, Die Schusswaffen der niedersächsischen Polizei dass die Regelung in der Landeshaushaltsord- sind, wie alle legal zu handelnden Waffen, nach nung lediglich vorsieht, dass Vermögensge- genstände des Landes veräußert werden dür- den Vorgaben des Waffenrechts zur Nachverfol- fen, und, wenn nein, wie begründet sie das? gung gekennzeichnet und registriert. Bei aus-

3. Widerspricht der Verkauf von alten Dienst- schließlicher Weitergabe an Berechtigte im Sinne waffen dem Vorhaben der Landesregierung, die des WaffG (in erster Linie Waffenhersteller oder Verfügbarkeit von Schusswaffen zu begrenzen, Waffenhändler mit entsprechender waffengesetzli- und wie begründet sie das? cher Erlaubnis) wird eine lückenlose Nachverfol- Die Landespolizei wird seit dem Jahr 2002 mit gung zum jeweiligen Besitzer in Deutschland si- einer neuen Dienstpistole vom Typ Heckler & Koch chergestellt. Darüber hinaus waren und sind alle (H&K) P2000 ausgestattet. Sie ersetzt die im Jahr Waffen der niedersächsischen Polizei mit der Ei- 1979 eingeführte Pistole H&K P 7, deren Technik gentumskennzeichnung „Nds“ versehen. inzwischen überholt ist. Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Anfra- Die Entscheidung für diese Ersatzbeschaffung ge namens der Landesregierung wie folgt: wurde im Jahr 2001 getroffen. Durch die erforderli- Zu 1: Eine Veräußerung im Rahmen des Austau- chen Ermächtigungen in den Haushaltsplänen sches erfordert umfangreiche logistische und tech- 2001 ff. wurden hierfür durch den Haushaltsge- nische Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen setzgeber die haushaltsrechtlichen Voraussetzun- sind zurzeit nicht erfüllt, sodass aktuell keine Ver- gen geschaffen. Im Rahmen der seinerzeit durch käufe geplant sind. das Innenministerium (MI) erstellten Wirtschaftlich- keitsberechnung wurde auch der Verkauf der aus- Zu 2: Eine Veräußerung unter dem vollen Wert zusondernden Waffen bewertet. Das MI hat in dem oder eine unentgeltliche Abgabe der Waffen (z. B. darauf basierenden Finanzierungskonzept den zum Zwecke der Vernichtung) hätte nur erfolgen

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können, wenn dies durch den Haushaltsgesetzge- sachsen“, wie es der Bund der Steuerzahler ber als Ausnahme gemäß § 63 Abs. 4 Satz 3 LHO 2008 anprangerte („Seid verschlungen, Millio- nen“, taz.de 10. Oktober 2008). im Haushaltsplan zugelassen worden wäre. Dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit fol- Aber nicht nur wegen der Pleite des Hochzeits- gend, wurden ausgesonderte Pistolen zu ihrem hauses in Hameln, das 2007 als Zentrum der vollen Wert veräußert. Erlebniswelt geschlossen werden musste und nun weitere 2,5 Millionen Euro benötigt, um für Zu 3: Niedersachsen hat bereits unmittelbar nach einen neuen Zweck aufbereitet zu werden, steht das Projekt in der öffentlichen Kritik. Auch dem Amoklauf von Winnenden Waffenbesitzern die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und ermöglicht, sowohl legale als auch illegale Waffen die Frage, ob und inwieweit 8 Millionen Euro bei den Waffenbehörden oder der Polizei ab- zweckentfremdet wurden, trägt zum Image- zugeben, damit diese kostenlos von der Polizei schaden bei. Dabei dementiert NBank-Sprecher Jörg Wieters die Zweckentfremdung der För- vernichtet werden können, um so zur Verringerung dergelder nicht („Keine Renaissance für Ha- des Bestandes nicht mehr benötigter Waffen bei- meln“, Die Tageszeitung, 8. August 2009). Die zutragen. Verantwortung für Managementfehler und die nicht funktionierende Technik im Hochzeitshaus Darüber hinaus hat der Bundesgesetzgeber im als entscheidende Auslöser für die Probleme Waffengesetz festgelegt, dass privater Waffenbe- werden bisher vom zuständigen Ministerium bei der Geschäftsführung, den Gesellschaftern und sitz nur bei Vorliegen eines Bedürfnisses erlaubt dem Aufsichtsrat gesehen. In diesem Aufsichts- werden kann. Mit der Änderung des Waffenrechts rat war aber auch die Niedersächsische Lan- nach dem Amoklauf von Winnenden wurde die desregierung vertreten. Die in den Medien be- Wiederholungsprüfung des Bedürfnisses weiter kannt gewordenen Äußerungen des Wirt- schaftsministers Dr. Philipp Rösler beschränken verschärft. Weiterhin sieht die Gesetzesänderung sich jedoch auf die Aussage: „Lieber ein Ende eine Amnestieregelung für Besitzer illegaler Waf- mit Schrecken als Schrecken ohne Ende.“ („Er- fen vor, wenn diese die Waffen der Behörde oder lebniswelt wird zum Millionengrab“, dpa, 4. Au- einem Berechtigten übergeben. gust 2009) Ich frage die Landesregierung: Anlage 47 1. Welche Bedeutung hat die Pleite der Erleb- niswelt Weser-Renaissance für die niedersäch- Antwort sische Tourismuswirtschaft? des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr 2. Welche finanziellen Auswirkungen hat die auf die Frage 50 der Abg. Ursula Weisser-Roelle Pleite der Erlebniswelt Weser-Renaissance auf die davon betroffenen Landkreise Hamel-Pyr- (LINKE) mont, Schaumburg und Holzminden? Pleite der Erlebniswelt Weser-Renaissance: 3. Worin sehen das Wirtschaftsministerium und Wo liegt die Verantwortung der Landesre- insbesondere Minister Dr. Philipp Rösler ihre gierung? Verantwortung für das Scheitern des Leucht- Als das kulturtouristische Projekt der Erlebnis- turmprojektes Erlebniswelt Weser-Renais- welt Weser-Renaissance (EWR) im Jahr 2002 sance? initiiert wurde, war sich das SPD-geführte Mi- nisterium für Wirtschaft, Technologie und Ver- Die Realisierung der Erlebniswelt Renaissance kehr sicher, „dass das eines der erfolgreichsten (EWR) geht zurück auf die Studie „Erlebniswelt Projekte in der Tourismuspolitik werden wird“ Renaissance“ von Frau Prof. Romeiß-Stracke, (Drs. 14/2514). An sechs Standorten im We- serbergland sollte die Weserrenaissance erleb- München, beauftragt vom Deutschen Tourismus- bar gemacht werden. Das Hochzeitshaus Ha- verband und finanziert vom Bundeswirtschaftsmi- meln sollte dabei zum Zentrum der Erlebniswelt nisterium. Kernaussage der Studie: Die Weser- werden. Es wurde den Anforderungen der Er- Renaissance als größter Zusammenhang von Re- lebniswelt entsprechend entkernt und saniert sowie mit Multimediaanwendungen ausgestat- naissancebauten nördlich der Alpen stellt als origi- tet. Jahrelang wurde die Erlebniswelt Weser- näres kulturelles Potenzial ein seltenes Alleinstel- Renaissance als Modellprojekt im Bereich der lungsmerkmal dar, das touristisch effektiver ge- Kulturwirtschaft von dem ab 2003 FDP-geführ- nutzt werden sollte. Die Studie wurde erstmals in ten niedersächsischen Wirtschaftsministerium gefördert, nach Auffassung von Beobachtern großem Rahmen auf der ITB 2001 präsentiert. „schöngeredet“ und über die Insolvenz gerettet, Diese Überlegungen wurden seinerzeit von der die bereits 2007 vom Aufsichtsrat der EWR Region aufgegriffen, vom MW unterstützt und von GmbH angedroht wurde. Seitdem entwickelt der 2001 gegründeten EWR GmbH umgesetzt. sich das Projekt zur „teuersten Pleite in Nieder-

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Da in der touristischen Nutzung des Alleinstel- Insbesondere bestehen für die drei Gesellschafter lungsmerkmals Weser-Renaissance in Überein- (Landkreise Hameln-Pyrmont, Schaumburg und stimmung mit der Fachwelt die Chance gesehen Holzminden) keine Nachschusspflichten auf das wurde, das Weserbergland im touristischen Markt Stammkapital und keine Verlustübernahmever- besser zu positionieren und die Region wirtschafts- pflichtungen. Die ursprünglich im Gesellschaftsver- und strukturpolitisch weiterzuentwickeln, wurde tragsentwurf enthaltenen Verpflichtungen, die Ge- das kulturtouristische Netzwerk EWR mit Mitteln sellschaft für den Zweckbindungszeitraum der der EU, des Bundes und des Landes gefördert. Fördermittel, also 15 Jahre lang, zu betreiben und den Verlust aus dem Betrieb des Hochzeitshauses Entscheidender Auslöser des Scheiterns des Pro- und des Schlosses Bevern auszugleichen, wurden jekts war die Eröffnung des Hochzeitshauses Ha- auf Drängen der Kommunalaufsicht im Anzeigever- meln am 1. September 2005 mit nicht funktionie- fahren der Unternehmensbeteiligung gestrichen. render Technik. Von der EWR GmbH zurate gezo- gene Experten kündigten in der Folgezeit immer Der Landkreis Hameln-Pyrmont hat seine Ver- wieder die baldige Funktionstüchtigkeit der Technik pflichtung aus seiner Bürgschaft Ende 2007 freiwil- an, die jedoch nie erreicht wurde. Bis zum lig vorzeitig eingelöst, da er bereits zu diesem 1. Oktober 2007 lief das Hochzeitshaus unter Voll- Zeitpunkt eine spätere Inanspruchnahme aus der last mit den entsprechenden Kosten, denen man- Bürgschaft für unausweichlich hielt. Mit der Zah- gels Besuchern keine entsprechenden Einnahmen lung wurde der Liquiditätskredit der EWR GmbH gegenüberstanden. abgelöst, um der geplanten Nachfolgeorganisation (R-Service GmbH) einen unbelasteten Start zu Der Aufsichtsrat der EWR hat unmittelbar nach ermöglichen. Erhalt von Hinweisen auf finanzielle Unregelmä- Des Weiteren sind Zuweisungen für Investitions- ßigkeiten eine Untersuchungskommission einge- kosten für die bauliche Umsetzung der verschie- setzt. Der Bericht der Kommission wurde der denen Projekte verwendet worden, die mit Aus- Staatsanwaltschaft Hannover übergeben. In deren nahme des Hochzeitshauses in Hameln weiterbe- Auftrag ermittelt das Landeskriminalamt seit Jah- trieben werden. resbeginn 2008 wegen des Verdachts auf Untreue und Subventionsbetrug. Die NBank hat gegenüber Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der R-Service GmbH (Rechtsnachfolger der EWR neben den bereits seit 2004 verausgabten Haus- GmbH) Rückforderungen in Höhe von rund 8 Milli- haltsmitteln sowie den vermutlich noch abzulösen- onen Euro geltend gemacht. den zwei Bürgschaften keine weiteren finanziellen Auswirkungen für die betroffenen Landkreise be- Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens stehen. der Landesregierung wie folgt beantwortet: Zu 3: Das Wirtschaftsministerium hat dem Projekt Zu 1: Wenngleich die EWR hauptsächlich im EWR wegen seines innovativen Ansatzes, der Hochzeitshaus Hameln die in sie gesetzten Erwar- Anknüpfung an ein Alleinstellungsmerkmal und der tungen nicht erfüllt hat, sind doch mit den Maß- mit ihm erwarteten Steigerung der touristischen nahmen in Schloss Bevern, Schloss Bückeburg Attraktivität entsprechender Wertschöpfung eine und der Martinikirche mit Mausoleum in Stadtha- strategische Bedeutung beigemessen. Deshalb gen bedeutende und gut besuchte Zeugnisse der wurde auch das Angebot zur Wahrnehmung eines Weser-Renaissance attraktiviert und touristisch Sitzes des im April 2004 eingesetzten achtköpfigen aufgewertet worden. Dies gilt ebenso für das Re- Aufsichtsrats angenommen und Hilfestellung in naissanceschloss Schwöbber, das seit 2004 ein im verschiedensten Fragen geleistet. Grundsätzlich Zusammenhang mit der EWR gefördertes Hotel war die Rolle des MW in erster Linie jedoch die der Spitzenklasse mit Sternegastronomie (Schloss- des Zuwendungsgebers. Nach Vorlage der Ver- hotel Münchhausen) beherbergt. wendungsnachweisprüfung durch die NBank mit dem Ergebnis erheblicher Rückforderungsansprü- Zu 2: Die finanziellen Auswirkungen beschränken che hat Minister Dr. Rösler entschieden, kein wei- sich auf die geleisteten Einlagen, gezahlten Ver- teres finanzielles Engagement im Zusammenhang lustabdeckungen und Investitionskostenzuschüsse mit der EWR einzugehen. Die Verantwortung für sowie die zu erwartende Inanspruchnahme aus eine erfolgreiche Umsetzung trugen die Gesell- zwei noch offenen Bürgschaftsverpflichtungen in schafter. Höhe von zusammen rund 1,2 Millionen Euro.

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Anlage 48 und das finanzielle Gesamtvolumen für jeden Landkreis, jede kreisfreie Stadt und die Region Antwort Hannover einzeln auflisten)? des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration 2. Wie viele Förderanträge in welchem finan- auf die Frage 51 der Abg. Victor Perli (LINKE) ziellen Umfang wurden, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Landkreisen, kreisfreien Städten Weshalb hat die Landesregierung bei der und in der Region Hannover, bewilligt (bitte die Verteilung der Konjunkturmittel für kommu- Anzahl der bewilligten Maßnahmen und das fi- nale Sportstätten gegen ihre eigenen För- nanzielle Fördervolumen für jeden Landkreis, dervorgaben verstoßen und die Mittel regio- jede kreisfreie Stadt und die Region Hannover nal unausgewogen verteilt? einzeln auflisten)?

Mit dem Runderlass des Innenministeriums 3. In welchem Umfang wurden der Zustand der vom 12. März 2009 (Nds. MBl. Nr.12/2009 Sporthallen begutachtet, und inwiefern wurden S. 346; ber. Nr.14/2009 S. 413) hat die Landes- bereits in der Vergangenheit erfolgte Sanie- regierung eine Richtlinie über die Gewährung rungsmaßnahmen auf das Baujahr angerech- von Zuwendungen zur Förderung der Sanie- net? rung von Sportanlagen zur Umsetzung des Konjunkturpakets II (Förderschwerpunkt kom- Mit der Bildung eines Förderschwerpunktes kom- munale Sportstätten) veröffentlicht, nach deren munale Sportstätten im Rahmen des Konjunktur- Maßgabe die Kommunen finanzielle Mittel für paketes II mit einem Fördervolumen von insgesamt die Sanierung ihrer Sportstätten beantragen 40 Millionen Euro hat die Landesregierung der konnten. Bedeutung der kommunalen Sportstätten für die In dieser Richtlinie heißt es u. a.: „Gefördert Sportinfrastruktur in Niedersachsen Rechnung ge- wird die Sanierung von Sportanlagen nach Maßgabe des Artikels 104 b GG sowie des § 3 tragen. Zuzüglich des kommunalen Eigenanteils Abs. 1 ZuInvG. Die Sanierung von Sporthallen von 20 % stehen damit 50 Millionen Euro für die (Turnhallen) ist dabei vorrangig. Bei der Ent- Sanierung der Sportstätten zur Verfügung. scheidung über die Förderung werden insbe- sondere das Alter und die Verbesserung des Nach der Förderrichtlinie vom 12. März 2009 wird energetischen Zustandes der Sportanlage so- die Sanierung von Sportanlagen nach Maßgabe wie eine regional ausgewogene Verteilung der Mittel berücksichtigt.“ des Artikels 104 b GG sowie des § 3 Abs. 1 Zu- InvG gefördert. Die Sanierung von Turnhallen ist Am 15. Juni 2009 hat der Niedersächsische Mi- dabei vorrangig. Bei der Entscheidung über die nister für Inneres, Sport und Integration die Maßnahmen von 81 Kommunen vorgestellt, die Förderung werden nach Nr. 2.1 der Richtlinie ins- eine Förderung aus dem Konjunkturpaket II er- besondere das Alter und die Verbesserung des halten sollen. Im Unterschied zu den o. g. Vor- energetischen Zustandes der Sportanlage sowie gaben war dabei ausschließlich das Alter der eine ausgewogene Verteilung der Mittel berück- jeweiligen Sporthalle entscheidend. Zuwendun- gen erhalten demnach alle Hallen mit Baujahr sichtigt. 1965 und älter. Bis zum 30. April 2009 sind rund 800 Anträge auf In der Folge haben zahlreiche kommunale Förderung der Sanierung von Sportstätten gestellt Funktions- und Mandatsträger kritisiert, dass worden. Durch die schnelle und unbürokratische der bauliche und energetische Zustand der Hal- len unzureichend geprüft wurde und es keine Entscheidung über die Förderanträge wurden die ausgewogene regionale Verteilung der Mittel Kommunen, deren Turnhallensanierung gefördert gäbe. Die ungleiche Verteilung ist dabei offen- wird, in die Lage versetzt, bereits in den Sommer- sichtlich. Während beispielsweise lediglich zwei ferien mit den Maßnahmen zu beginnen. Insbe- Projekte im Landkreis Wolfenbüttel mit einem Gesamtvolumen von 161 566 Euro gefördert sondere wurde auf eine baufachliche Prüfung werden, fließen rund 2,25 Millionen Euro in den durch Dritte verzichtet. Damit wurde sichergestellt, Landkreis Holzminden, wo Innenminister Uwe dass die bereitgestellten Konjunkturmittel zeitnah Schünemann, MdL, seinen Wahlkreis hat und der Bauwirtschaft zugute kommen. Darüber hinaus CDU-Kreisvorsitzender ist. Auch die CDU- Hochburg Vechta hat überdurchschnittlich gut wird § 1 Abs. 2 ZuInvG Rechnung getragen, wo- abgeschnitten, während finanziell klamme Kom- nach die Mittel des Konjunkturpaketes mindestens munen und Landkreise in anderen Regionen zur Hälfte bis zum 31. Dezember 2009 zu veraus- leer ausgegangen sind. gaben sind. Ich frage die Landesregierung: Durch die schnelle Umsetzung des Förderschwer- 1. Wie viele Förderanträge in welchem finan- punktes kommunale Sportstätten werden die Kom- ziellen Umfang liegen aus den 37 Landkreisen, 8 kreisfreien Städten und der Region Hannover munen auch in die Lage versetzt, gegebenenfalls im Einzelnen vor (bitte die Anzahl der Anträge die ihnen zur Verfügung gestellten Investitionspau-

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schalen für die Sanierung von Sportstätten zu ver- 23 Osterholz 13 10.958.935,00 € wenden. Roten- 24 burg/Wümme 30 10.333.311,00 € In allen Fällen der Förderung wird mit der Sanie- Soltau- rung der energetische Zustand der Turnhallen 25 Fallingbostel 10 5.018.016,00 € erheblich verbessert. Die Betriebskosten der Hal- 26 Stade 18 7.987.216,00 € len für die Kommunen werden erheblich sinken. 27 Uelzen 16 15.065.801,00 € Die Zuwendungen sollen auch dem Vereinssport in 28 Verden 6 9.183.560,00 € den Kommunen zugute kommen. Gefördert wird 29 Ammerland 8 2.654.680,00 € daher nur die Sanierung der Sporthallen, für deren 30 Aurich 22 11.071.600,00 € Benutzung die Kommunen keine Gebühren oder 31 Cloppenburg 16 14.550.059,00 € privatrechtlichen Entgelte von den Sportvereinen erheben. 32 Delmenhorst 2 3.105.104,00 € Grafschaft Bent- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündli- 33 heim 10 5.986.680,00 € che Anfrage namens der Landesregierung wie 34 Emden 3 1.000.000,00 € folgt: 35 Emsland 32 21.244.908,00 € 36 Friesland 17 7.162.438,00 € Zu 1: Aufgrund der Vielzahl der Anträge sind För- deranträge, die die Sanierung sonstiger Sportanla- 37 Leer 22 9.259.223,00 € gen betreffen, aufgrund der vorrangigen Förderung Oldenburg - 38 Stadt 5 3.190.000,00 € von Sporthallen/Turnhallen nicht erfasst worden. In 39 Oldenburg - Kreis 11 9.588.515,00 € der nachfolgenden Tabelle sind daher ausschließ- Osnabrück - lich die Förderanträge, die die Sanierung von 40 Stadt 34 18.061.785,00 € Sporthallen/Turnhallen betreffen, dargestellt. Osnabrück - 41 Kreis 2 1.494.357,00 € 42 Vechta 15 10.182.815,00 € Landkreis/kreis- Anzahl Investitionsvolu- freie Stadt/Re- der Anträ- men 43 Wesermarsch 16 12.980.648,00 € gion Hannover ge/Sport- 44 Wilhelmshaven 1 842.163,00 € hallen 45 Wittmund 6 5.864.787,00 € 46 Braunschweig 0 - € 1 Gifhorn 17 8.174.290,00 € 2 Göttingen 36 12.626.352,00 € Zu 2: 3 Goslar 17 3.921.504,00 € 4 Helmstedt 15 6.872.817,00 € Anzahl 5 Northeim 15 4.669.347,00 € geförder- 6 Osterode/Harz 8 2.221.000,00 € lfd. ter Maß- 7 Peine 9 4.941.712,00 € Nr. Kommune nahmen Förderhöhe 8 Salzgitter 0 - € Landkreis Gif- 9 Wolfenbüttel 14 8.087.802,00 € 1 horn 2 2.242.607,00 € 10 Wolfsburg 4 2.397.240,00 € Landkreis Göt- 11 Diepholz 23 13.631.397,00 € 2 tingen 6 2.690.740,00 € 12 Hameln-Pyrmont 14 11.869.183,00 € Landkreis Gos- 13 Hannover 29 22.981.172,00 € 3 lar 3 280.669,00 € 14 Hildesheim 31 14.284.854,00 € 15 Holzminden 11 4.512.478,00 € Landkreis 4 Helmstedt 5 1.121.893,00 € 16 Nienburg/Weser 28 12.362.640,00 € 17 Schaumburg 13 7.429.479,00 € Landkreis Nort- 18 Celle 18 8.714.220,00 € 5 heim 4 1.163.904,00 € 19 Cuxhaven 21 19.416.503,00 € Landkreis Pei- 20 Harburg 19 11.561.737,00 € 6 ne 3 676.969,00 € Lüchow- Landkreis Wol- 21 Dannenberg 7 8.392.618,00 € 7 fenbüttel 2 154.254,00 € 22 Lüneburg 13 15.626.140,00 €

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Landkreis Stadt Osna- 8 Diepholz 1 151.191,00 € 31 brück 1 628.550,00 €

Landkreis Ha- Landkreis Os- 9 meln-Pyrmont 1 750.513,00 € 32 nabrück 1 66.560,00 €

Region Hanno- Landkreis 10 ver 6 5.836.210,00 € 33 Vechta 3 1.967.568,00 €

Landkreis Hil- Landkreis We- 11 desheim 5 2.784.852,00 € 34 sermarsch 1 380.080,00 €

Landkreis Holz- Landkreis Witt- 12 minden 3 2.188.848,00 € 35 mund 1 295.818,00 € Landkreis 13 Nienburg 1 111.963,00 € Zu 3: Im Hinblick auf die Ziele des Zukunftsinvesti- Landkreis 14 Schaumburg 3 791.934,00 € tionsgesetzes war sicherzustellen, dass über die Mittelverteilung möglichst schnell entschieden wird. 15 Landkreis Celle 1 426.386,00 € Bei Vorliegen des erheblichen Sanierungsbedarfs Landkreis Cux- einer Vielzahl der Sporthallen (Turnhallen), für die 16 haven 3 1.509.439,00 € eine Förderung beantragt worden ist, konnte eine Landkreis Har- weitergehende Prüfung mittels einer baufachlichen 17 burg 1 3.000.000,00 € Begutachtung in jedem Einzelfall schon wegen der Landkreis Lü- Notwendigkeit einer schnellen Umsetzung des 18 neburg 2 896.839,00 € Förderprogramms nicht in Betracht kommen.

Landkreis Os- 19 terholz 1 360.134,00 € Anlage 49 Landkreis Ro- 20 tenburg 3 862.206,00 € Antwort

Landkreis Sol- des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf tau- die Frage 52 des Abg. Victor Perli (GRÜNE) 21 Fallingbostel 2 1.612.130,00 € Will die Landesregierung wirklich eine bes- Landkreis Uel- sere Bezahlung der wissenschaftlichen, 22 zen 2 918.103,00 € künstlerischen und studentischen Hilfskräf- te, oder tut sie nur so? Landkreis Am- Mit dem Runderlass vom 26. März 2009 (Nds. 23 merland 1 201.272,00 € MBl. S. 432) wurden die Vergütungssätze für Landkreis Au- die wissenschaftlichen, künstlerischen und stu- 24 rich 1 394.807,00 € dentischen Hilfskräfte erstmals seit 1993 er- höht, nachdem sie zwischenzeitlich im Jahr Landkreis 2004 sogar gesenkt wurden. Die Erhöhung vom 25 Cloppenburg 2 1.589.133,00 € März 2009 blieb dabei unter den Höchstgren- zen, auf die sich die Mitglieder der Tarifgemein- Landkreis Graf- schaft deutscher Länder geeinigt haben. Mit schaft Bent- dem Runderlass vom 12. Juni 2009 (Nds. MBl. 26 heim 2 336.000,00 € S. 682) hat das Wissenschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Landkreis Ems- Vergütungssätze erneut angehoben. In einem 27 land 2 670.373,00 € zweistufigen Verfahren können die Hilfskräfte ab dem Sommersemester 2010 nun auf Stun- Landkreis denlöhne in Höhe von 13,17 Euro (wissen- 28 Friesland 4 942.705,00 € schaftliche/künstlerische Hilfskräfte auf Master- Niveau) bzw. 8,32 Euro (studentische Hilfskräf- 29 Landkreis Leer 2 217.098,00 € te) hoffen. Die Reallohnveränderung im Ver- gleich zu 1993 beträgt damit aber immer noch Stadt Olden- in etwa minus 20 % bei wissenschaftlichen, 30 burg 1 393.399,00 € künstlerischen und studentischen Hilfskräften mit (angestrebtem) Universitätsabschluss.

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Sollten alle Hochschulen die neuen Vergü- Zu 2 und 3: Die Hochschulen sind verpflichtet, die tungssätze für alle studentischen Hilfskräfte neuen Vergütungssätze für alle künftig abzu- umsetzen, so entstünden den Hochschulen Mehrkosten im Vergleich zum letzten Haus- schließenden Verträge anzuwenden. Eine Abwei- haltsjahr in Höhe von etwa 7 Millionen Euro. chung ist nicht zulässig und auch in dem Muster- Der Musterarbeitsvertrag, der dem Runderlass arbeitsvertrag nicht vorgesehen. Die Umsetzung beigefügt ist, sieht jedoch Möglichkeiten vor, fällt in die Autonomie und Eigenverantwortung der von den Vorgaben des Runderlasses abzuwei- chen. Hochschulen. Es gibt keinen Anlass für die An- nahme, dass die Hochschulen sich nicht bestim- Ich frage die Landesregierung: mungsgemäß verhalten.

1. Inwieweit wird die Erhöhung der Vergütungs- sätze für die wissenschaftlichen, künstlerischen und studentischen Hilfskräfte in den Vorschlag Anlage 50 der Landesregierung für den Landeshaushalt 2010 einfließen? Antwort

2. Welche Kenntnis hat die Landesregierung des Kultusministeriums auf die Frage 53 der Abg. über die Umsetzung der ersten Erhöhung der Christa Reichwaldt (LINKE) Vergütungssätze der Hilfskräfte, die zum 1. Mai 2009 erfolgt ist, an den einzelnen Hochschu- Warum verhindert das Kultusministerium len? Diskussionen an Schulen?

3. Welche Erwartungshaltung hat die Landes- Die Eigenverantwortlichen Schulen in Nieder- regierung hinsichtlich der Erhöhung der Vergü- sachsen durften bis kurz vor den diesjährigen tungssätze im Sinne des jüngsten Runderlas- Wahlen zum Europäischen Parlament selbst ses für den Fall, dass die Landeszuschüsse an entscheiden, ob sie innerhalb der letzten vier die Hochschulen nicht erhöht werden? Unterrichtswochen vor dem Wahltag Politike- rinnen oder Politiker an die Schule einladen. Die Finanzierung wissenschaftlicher und studenti- Seit dem 30. April 2009 gilt die Weisung aus scher Hilfskräfte in den Hochschulen erfolgt aus dem Kultusministerium, dass ab sofort der Schule diese Eigenverantwortlichkeit entzogen verschiedenen Quellen. Ein Teil der Mittel stammt wird. Der Erlass, der diesen Rückbau an Eigen- aus dem Landeszuschuss. Daneben werden in verantwortlichkeit regelt, befindet sich noch in nicht geringer Anzahl Hilfskräfte aus Drittmitteln für der Anhörungsphase, sodass das Kultusminis- Forschung und Entwicklung sowie aus Studienbei- terium mithilfe einer „Vorgriffsregelung“ dieses Verbot der politischen Auseinandersetzung trägen beschäftigt. Wissenschaftliche und studen- durchgesetzt hat. Man befürchte, bei einer sol- tische Hilfskräfte werden nicht regelmäßig mit der chen schulischen Veranstaltung „eine mögli- möglichen Höchststundenzahl, sondern mit unter- cherweise damit einhergehende Beeinflussung schiedlich hohen Monatsarbeitszeiten und unter- der Wahlentscheidung“ der Schülerinnen und Schüler (Schreiben des Ministeriums vom schiedlichen Vertragsdauern beschäftigt. Deshalb 14. Juli 2009). In der Zeit vom 1. August 2007 geht die Unterstellung, die Erhöhung der Stunden- bis zum 30. April 2009 waren Besuche von Poli- sätze würde eine Erhöhung des Landeszuschus- tikerinnen und Politiker zu jeder Zeit erlaubt, so- ses um 7 Millionen Euro erfordern, fehl. Bei Hilfs- lange der Schulvorstand von seinem diesbe- züglichen Entscheidungsspielraum Gebrauch kräften, die aus Drittmitteln bezahlt werden, bilden gemacht hat. die neuen Vergütungssätze die Grundlage für die Beantragung und Bewilligung der Drittmittel. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Bedenken bestehen seitens der Dies vorangestellt, beantworte ich die Fragen im Landesregierung, wenn sich Schülerinnen und Namen der Landesregierung wie folgt: Schüler bei einer Wahl zum Landtag, Bundes- tag oder zur kommunalen Vertretung die zur Zu 1: Die Hochschulen bewirtschaften ihre Global- Wahl antretenden Menschen bzw. Parteien an- haushalte, die zum wesentlichen Teil aus dem hören und/oder mit ihnen diskutieren? Landeszuschuss gespeist werden, in eigener Zu- 2. Welche Vorfälle sind der Landesregierung ständigkeit und Verantwortung. Eine Zweckbin- bekannt, bei denen es zu einer „unzulässigen dung der hierin enthaltenen Einzelpositionen findet Beeinflussung“ (Zitat aus dem o. g. Schreiben des Kultusministeriums) der Schülerinnen und im Globalhaushalt nicht statt. Etwaiger Mehrbedarf Schüler während der 28-Tage-Verbotszeit ge- ist von den Hochschulen in eigener Zuständigkeit kommen ist, bzw. welche Vorfälle sind der Lan- zu erwirtschaften. Im Übrigen wird auf die voran- desregierung bekannt, in denen es außerhalb gestellten Bemerkungen verwiesen. dieser 28-Tages-Zone zu einer Verletzung des Neutralitätsgebots der Schule gekommen ist?

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3. Welche Maßnahmen wird die Landesregie- Wahlen parteiergreifend in den Wahlkampf hinein- rung ergreifen - bzw. hat sie bereits bei Verstö- zuwirken, insbesondere auch durch Öffentlich- ßen gegen diese Weisung im Rahmen der Eu- ropawahl ergriffen -, um eine Missachtung der keitsarbeit. o. g. Weisung im Vorfeld zu unterbinden oder nachträglich zu sanktionieren? Im Rahmen der Einführung der Eigenverantwortli- chen Schule in Niedersachsen ist zwar mit Wir- Die Landesregierung begrüßt es sehr, wenn poli- kung vom 1. August 2007 zunächst die Entschei- tisch interessierte Jugendliche in einem neutralen dungsbefugnis über die vollständige Anwendung Rahmen über Ziele und Inhalte politischer Parteien des Erlasses nach Nr. 19 des Runderlasses des informiert werden. Insoweit begrüßt es auch das MK zur Übertragung erweiterter Entscheidungs- Kultusministerium, wenn diese Veranstaltungen in spielräume an Eigenverantwortlichen Schulen vom dem durch höchstrichterliche Rechtsprechung und 9. Juni 2007 (SVBl. S. 241) - sogenannter Deregu- Erlassregelung vorgegebenem Rechtsrahmen lierungserlass - auf den Schulvorstand übertragen durchgeführt werden können. Dieser Rechtsrah- worden. Um den Mindestzeitraum von vier Wochen men gestaltet sich wie folgt: an allen Schulen in Niedersachsen und somit eine Nach Nr. 2.3 des Runderlasses des MK über Be- gleiche Handhabung zu gewährleisten, wurde je- suche von Politikerinnen und Politikern vom doch bereits am 5. März 2009 ein Erlassentwurf 10. Januar 2005 (SVBl. S. 133) darf für die letzten zur Änderung des Erlasses „Übertragung erweiter- vier Unterrichtswochen vor einer Wahl zum Deut- ter Entscheidungsspielräume an Eigenverantwort- schen Bundestag, zum Niedersächsischen Land- liche Schulen“ in die öffentliche Anhörung gege- tag oder zur kommunalen Vertretung des Schulträ- ben. Nach dem Entwurf wird der oben angespro- gers eine grundsätzlich zulässige Einladung von chene Erlass über die Besuche von Politikerinnen Abgeordneten des Deutschen Bundestages und und Politikern wieder aus dem Katalog der in die des Niedersächsischen Landtages sowie Vertrete- Entscheidungsbefugnis der Schulen gestellten rinnen und Vertreter demokratischer Parteien in Erlasse herausgenommen. Der Erlass ist nach den Unterricht nicht mehr ausgesprochen werden. Abschluss des Anhörungsverfahrens bereits am 1. August 2009 in Kraft getreten. Diese Regelung war bereits sinngemäß - allerdings mit einer Sperrfrist von sechs Wochen - in einem Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Erlass des MK aus dem Jahre 1978 enthalten (Er- Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie lass des MK vom 7. März 1978). Die derzeitige folgt: Regelung mit einer Sperrzeit von vier Wochen Zu 1: Siehe Vorbemerkungen. wurde im Übrigen bereits 1993 von der von den Fraktionen der SPD und Grünen getragenen Lan- Zu 2: Der Landesregierung sind keine entspre- desregierung mit Erlass des MK vom 25. März chenden Vorfälle bekannt. Sie muss aber gleich- 1993 eingeführt und in der Folgezeit auch vollzo- wohl der oben angesprochenen höchstrichterlichen gen. Rechtsprechung zum Neutralitätsgebot für Schulen Rechnung tragen. Hintergrund dieser Vorschrift ist, dass insbesonde- re im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld einer Wahl Zu 3: Die Landesregierung wird Verstößen gegen das schulische Neutralitätsgebot betont und be- die Erlassregelung mit den bekannten dienstrecht- reits der mögliche Eindruck einer unzulässigen lichen Instrumentarien begegnen. Beeinflussung von Schülerinnen und Schüler ver- mieden werden soll. Insbesondere in der soge- nannten heißen Phase eines Wahlkampfes sollen Anlage 51 Schulen von Parteipolitik frei gehalten werden, Antwort zumal sich Schülerinnen und Schüler einer solchen schulischen Veranstaltung und einer möglicher- des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf weise damit einhergehenden Beeinflussung ihrer die Frage 54 der Abg. Sigrid Rakow, Olaf Lies und Wahlentscheidung nicht entziehen können. Hans-Dieter Haase (SPD) Blockiert die Radartechnologie der Bun- Damit wird einer Grundsatzentscheidung des Bun- deswehr die Windenergieanlagen? desverfassungsgerichtes vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 - Rechnung getragen, wonach es den Viele Gemeinden u. a. im Nordwesten Nieder- sachsens haben ihre Flächennutzungspläne so Staatsorganen als Ausfluss des allgemeinen Neu- umgearbeitet, dass in Bezug auf Windenener- tralitätsgrundsatzes untersagt ist, anlässlich von gieanlagen ein Repowering oder auch Neuin-

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stallationen mit größerer Nabenhöhe möglich Gebiets über den Flughafen Bremen. Im Falle von wären, so u. a. in Ostfriesland, hier speziell in Sicherheitsbedenken kann die Bundeswehr ihre Wittmund. Zustimmung zu Windenergieanlagen, die in dem Bedauerlicherweise können aber diese Pläne von Wittmund bzw. derzeit von Bremen aus zu nicht realisiert werden. Derzeit gibt es erhebli- überwachenden Gebiet geplant werden, verwei- che Probleme mit der Bundeswehr, da die Ra- dartechnik der Errichtung höherer Windanlagen gern. entgegensteht. Begründet wird dies damit, dass diese Anlagen Störziele seien, die das Radar, Zuständig für die Genehmigung von Windenergie- z. B. in Wittmund, und damit die Flugsicherheit anlagen sind in Niedersachsen die Landkreise, die beeinträchtigen würden. kreisfreien Städte und die großen selbstständigen In einem Artikel der Ostfriesenzeitung vom Städte. Belastbare Daten, an welchen Orten Wind- 18. Juli 2008 war zu lesen, dass das Wittmun- energieanlagen infolge von Einwänden der Bun- der Radargerät im letzten Jahr außer Betrieb deswehr tatsächlich nicht genehmigt wurden, er- genommen wurde, da es nicht betriebsfähig war. Der Flugbetrieb wurde anderweitig gere- fordern gezielte Erhebungen bei den genannten gelt. Stellen. Aufgrund des mit solchen Erhebungen verbundenen Verwaltungsaufwands und der kur- Wir fragen die Landesregierung: zen Bearbeitungsfrist für eine Mündliche Anfrage 1. Welchen Einfluss hat ein nicht betriebsberei- liegt der Landesregierung entsprechend belastba- tes und offenbar nicht notwendiges Radar in res Datenmaterial deshalb nicht vor. Wittmund in Bezug auf den Windanlagenbau, und wo konnten in Niedersachsen Windparks Zu 2: Vorstehende Ausführungen gelten entspre- bzw. ein Repowering der Windparks wegen der Einsprüche der Bundeswehr mit der Begrün- chend für die Höhe des brachliegenden Investiti- dung der Radarstörung nicht realisiert werden? onsvolumens. Belastbare Zahlen hierzu liegen der

2. Welches Investitionsvolumen nicht realisier- Landesregierung nicht vor und müssten zunächst ten Windanlagenbaus liegt wegen der Einsprü- bei den für die Genehmigung von Windenergiean- che der Bundeswehr brach? lagen zuständigen Stellen erhoben werden. Von 3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregie- interessierten Wirtschaftskreisen wird geltend ge- rung, hier zu einem fairen Interessenausgleich macht, dass durch die bestehende Radartechnik zwischen Anlagenbetreibern und Bundeswehr der Bundeswehr in Wittmund und Brockzetel ein zu kommen? Investitionsvolumen von etwa 371 Millionen Euro Die Genehmigung einer Windenergieanlage in der im ostfriesischen Raum derzeit zu einem Großteil Umgebung einer militärischen Radaranlage hängt nicht umgesetzt werden könne. u. a. von der Zustimmung der Bundeswehr ab. Zu 3: Unter Beteiligung verschiedener Gremien Geht die Bundeswehr von der Unverträglichkeit der wurde von März bis Dezember 2008 das Pilotpro- geplanten Windenergieanlage mit dem militäri- jekt „Windenergieanlagen und Radaranlagen der schen Radar aus, so verweigert sie ihre Zustim- Bundeswehr“ durchgeführt. Ein wesentlicher Be- mung. Es trifft zu, dass aufgrund der fehlenden standteil dieses Projekts war die Entwicklung eines Zustimmung der Bundeswehr an bestimmten technischen Konzepts für digitale Radargeräte des Standorten in Niedersachsen Windenergieanlagen Typs ASR-ES durch die European Aeronautic De- nicht genehmigt werden können. fence and Space Company (EADS), das unter dem Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Vorbehalt der technischen Umsetzbarkeit als sehr Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: vielversprechend angesehen wird. Zu 1: Das Radar für den Flugplatz in Wittmund Grundlegender Bestandteil des Projekts war au- wurde außer Betrieb genommen. Es wird durch ein ßerdem die Entwicklung belastbarer technischer neues digitales Radargerät ersetzt. Dies geschieht Bewertungskriterien für die Genehmigung von im Zuge des seitens der Bundeswehr bis 2015 Windenergieanlagen. Zu diesen Kriterien gehören vorgesehenen flächendeckenden Austausches der technische Vorgaben für Windenergieanlagen, aktuellen analogen Radargeräte (ASR 910) durch notwendige technische Ausrüstungen der Radar- digitale Radargeräte (ASR-S). Die Wiederaufnah- anlagen und die topographischen sowie geometri- me des Radarbetriebs in Wittmund ist notwendig, schen Anforderungen für Windparkanlagen. Diese um eine optimale militärische Flugsicherung zu Kriterien wurden mit dem Ziel entwickelt, die Ge- gewährleisten. Seit März 2008 und bis zum Einsatz nehmigungsverfahren für die Genehmigungsbe- des neuen Gerätes erfolgt die militärische Flugsi- hörden effizienter und für die Antragsteller transpa- cherung des zuvor von Wittmund aus überwachten renter zu gestalten. Die Landesregierung wird sich

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für eine vollständige Anerkennung und Anwendung Kraft getreten ist. Aus Sicht der Landesregierung der entwickelten Bewertungskriterien einsetzen. erhalten die Städte und Gemeinden in Nieder- sachsen mit diesem Förderprogramm einen wir- Im Rahmen des Projekts hat sich weiterer Unter- kungsvollen Anreiz, mit energieeffizienten Beleuch- suchungsbedarf ergeben, der in einem Folgepro- tungsanlagen einen konkreten Beitrag zum Klima- jekt aufgegriffen wird. Mit diesem soll insbesondere schutz zu leisten. Das Fördervorhaben geht auf das technische Konzept (ASR-ES) weiter optimiert eine gemeinsame Veranstaltung des Ministeriums werden. für Umwelt und Klimaschutz und des Projekts „Kli- Parallel hierzu erproben Anlagenhersteller den mawandel und Kommunen“ vom 29. Januar 2009 Einsatz reflexionsärmerer Rotorblätter. zum Thema „Energieeffiziente Straßenbeleuch- tung“ zurück, bei der Minister Sander gegenüber Von der konsequenten Anwendung der techni- den kommunalen Spitzenverbänden Unterstützung schen Bewertungskriterien im Genehmigungsver- bei der Erneuerung der Straßenbeleuchtung mit fahren, dem flächendeckenden Einsatz der digita- energieeffizienter Technik in Aussicht gestellt hat- len Radargeräte sowie der noch in der Entwicklung te. Der Entwurf einer Richtlinie „Energieeffiziente befindlichen reflexionsärmeren Rotorblätter erhofft Straßenbeleuchtung“ wurde in der ersten Jahres- sich die Landesregierung ein interessengerechte- hälfte 2009 im Ministerium für Umwelt und Klima- res Nebeneinander von Windenergie und militäri- schutz unter Beteiligung der kommunalen Spitzen- scher Flugsicherung. verbände erarbeitet. Mit Schreiben des Ministeri- ums für Umwelt und Klimaschutz vom 10. Juli 2009 wurden die kommunalen Spitzenverbände über Anlage 52 das Inkrafttreten der Richtlinie zum 1. August 2009 Antwort informiert. des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine die Frage 55 des Abg. Wiard Siebels (SPD) Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Neue Straßenlaternen in Niedersachsen? Zu 1: Bewilligungsstelle für die Richtlinie zur För- derung von Maßnahmen zur energieeffizienten Die Bild, Hannover, hat in ihrer Ausgabe vom 30. Juli 2009 berichtet, dass der Umweltminis- Straßenbeleuchtung ist die Investitions- und För- ter des Landes Niedersachsen, Hans-Heinrich derbank Niedersachsen (NBank), Günther-Wag- Sander, für 1 Million Euro neue Laternen an- ner-Allee 12-16 in Hannover. Die entsprechenden schaffen möchte bzw. die Anschaffung von Antragsformulare für eine Förderung sind auf der neuen Laternen mit 1 Million Euro fördern wird. Ich stimme dem Umweltminister zu, dass viele Internetseite der NBank erhältlich. Laternen in den Kommunen nicht mehr auf dem neuesten Stand sind und die Kommunen durch Zu 2: Nach der Richtlinie über die Gewährung von die Erneuerung von Straßenlaternen nicht un- Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen zur erhebliche Einsparungen hätten. energieeffizienten Straßenbeleuchtung ist Bemes- Ich frage die Landesregierung: sungskriterium die durch die Erneuerung der Stra- ßenbeleuchtung eingesparte Menge CO2. Der 1. Wo können die Kommunen diese Mittel für neue Straßenbeleuchtung beantragen? Zuschuss bemisst sich nach der Höhe der über eine pauschal angesetzte Lebensdauer von 15 2. Nach welchen Kriterien werden die Zuschüs- Jahren rechnerisch ermittelten Minderung der se für neue Straßenlaternen verteilt? Treibhausgasemissionen (CO2-Äquivalent). Er 3. Wie viele Kommunen können insgesamt da- beträgt 50 Euro je vermiedene Tonne CO2. Bei von profitieren? Erfüllung der Zuwendungsvoraussetzungen ent- Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und scheidet die Reihenfolge des Eingangs der För- Klimaschutz stellt nach bisherigen Planungen im deranträge bei der NBank. Jahr 2009 1 Million Euro zur Verfügung, um die Zu 3: Das Förderkontingent in Höhe von 1 Million Kommunen bei der Modernisierung ihrer Straßen- Euro war am 19. August 2009 überzeichnet. Mit beleuchtung zu unterstützen. Die Förderung ist in dieser bisher zur Verfügung stehenden Förder- der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendun- summe konnten knapp 50 Kommunen bedient gen zur Förderung von Maßnahmen zur energieef- werden. Die Förderung ist auf 25 000 Euro pro fizienten Straßenbeleuchtung geregelt, die am Antragsteller begrenzt. 29. Juli 2009 im Niedersächsischen Ministerialblatt Nr. 30 veröffentlicht wurde und am 1. August in

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Anlage 53 mie stärker in den Fokus zu nehmen und auch inhaltlich passgenau in die veränderte Gesamt- Antwort struktur zu integrieren. Eine besondere Bedeutung des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration wird dabei neben der weiteren konzeptionellen auf die Frage 56 der Abg. Sigrid Leuschner, Klaus- Verknüpfung von Aus- und Fortbildung die weitere Peter Bachmann, Heiner Bartling, Jürgen Krog- Ausgestaltung und Einbindung des noch im Erstel- mann, Johanne Modder und Ulrich Watermann lungsprozess befindlichen Gesamtfortbildungskon- (SPD) zeptes der Landespolizei haben, das als wesentli- Zu unbequem? Warum hat der Innenminis- ches Fundament in das Gesamtkonstrukt der poli- ter den ZPD-Präsidenten entlassen? zeilichen Bildungsarbeit einfließt. Dabei sind neben

Der amtierende Innenminister hat am 11. Au- der Verzahnung von Aus- und Fortbildung auch die gust 2009 den bisherigen Präsidenten der Zen- Verzahnung von Theorie und Praxis vorzunehmen. tralen Polizeidirektion von seinem Amt entbun- den und nunmehr seinen ehemaligen Bürolei- Aufgrund seiner Vorverwendungen verfügt der ter, der zuletzt als Vorsitzender der Härtefall- Beamte über umfassende Kenntnisse und Erfah- kommission tätig war, mit dieser Aufgabe be- rungen nicht nur der Polizeiorganisation, sondern traut. Die den Wechsel an der Spitze der ZPD auch bezogen auf die Anforderungen einer be- verkündende Pressemitteilung des Innenminis- ters vom 11. August 2009 enthält keinerlei In- darfs- und praxisgerechten Aus- und Fortbildung. formationen über die Gründe des Personalaus- Die für eine erfolgreiche Umsetzung des Prozes- tauschs. ses der Zusammenführung von Aus- und Fortbil- Wir fragen die Landesregierung: dung in der Polizeiakademie erforderlichen Kom- petenzen sind daher in seiner Person im besonde- 1. Aus welchen konkreten Gründen hat sich der Innenminister vom bisherigen Präsidenten der ren Maße gebündelt. So wird die Weiterentwick- ZPD getrennt, und was hat die Landesregie- lung der Erfolgsgeschichte Polizeiakademie Nie- rung dazu bewogen, sich von der bewährten dersachsen auch weiterhin gelingen. Praxis zu verabschieden, ausschließlich Poli- zeivollzugsbeamte zu Polizeipräsidenten zu er- Für das Amt des Polizeipräsidenten der Zentralen nennen? Polizeidirektion ist es weder beamten- noch lauf- 2. Welche Differenzen bzw. Meinungsverschie- bahnrechtlich geboten, einen Polizeivollzugsbeam- denheiten gab es zwischen dem Minister und ten auszuwählen. Eine derartige Verengung auf dem bisherigen ZPD-Präsidenten z. B. bei der eine laufbahnrechtliche Fachrichtung entspricht kürzlich erfolgten Umorganisation der Zentralen Polizeidirektion bzw. bei der Einrichtung des nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers, eine zentralen Fahrdienstes? Besetzung an dem Kriterium der Leistung auszu- 3. Wie erklärt sich der Innenminister, dass sich richten. Einziges Auswahlkriterium ist es, die oder die verbliebenen Polizeipräsidenten, auch sie den Bestgeeigneten für die sehr anspruchsvolle als politische Beamte vom Wohlwollen des In- Position des Leiters der Zentralen Polizeidirektion nenministers abhängig, von der Abberufung ih- gewinnen zu können. An diesem Grundsatz hat res Kollegen überrascht gezeigt und Unmut darüber geäußert haben, diesen Vorgang erst sich die Landesregierung bei ihrer Entscheidung aus der Presse erfahren zu haben, obwohl es orientiert. kurz zuvor ein Treffen mit dem Innenminister gegeben hat? Der neue Polizeipräsident wird mit seinen vielfälti- gen Erfahrungen in der niedersächsischen Lan- Zum 17. August dieses Jahres hat der im Ge- desverwaltung und integrativen Fähigkeiten die schäftsbereich des Innenressorts tätige Polizeiprä- begonnene Neuausrichtung der Zentralen Polizei- sident der Zentralen Polizeidirektion Hannover direktion weiter umsetzen. Es handelt sich bei ihm neue Aufgaben übernommen. Er wird zukünftig um einen hervorragend qualifizierten Beamten, der den mit der Einrichtung der Polizeiakademie zum seine fachliche Kompetenz im Laufe seines beruf- 1. Oktober 2007 begonnenen Prozess der Zu- lichen Werdegangs stets erfolgreich unter Beweis sammenführung von Aus- und Fortbildung weiter gestellt hat. Hierbei hat er in verschiedensten Ver- forcieren. wendungen - inner- und außerhalb der zuständi- Nachdem in der ersten Phase nach Gründung der gen Abteilung des Ministeriums - Erfahrungen im Polizeiakademie inhaltlich der Aufgabenschwer- Polizeibereich gesammelt. Durch mehrjährige Er- punkt im aufzubauenden und im Echtbetrieb zu fahrung - auch in anderen Leitungsfunktionen - etablierenden Bachelorstudiengang lag, ist es nun verfügt er zudem über die erforderliche Führungs- an der Zeit, die Fort- und Weiterbildung als zweite und Sozialkompetenz. Hauptsäule im Aufgabenpaket der Polizeiakade-

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Die Polizeipräsidenten haben - wie die Fragesteller für einen besseren Technologietransfer an ei- auch - spätestens durch die Mitteilung der Nieder- nem Strang ziehen müssten“, abbauen könne. sächsischen Staatskanzlei Nr. 109/09 vom 11. Au- Wir fragen die Landesregierung: gust 2009 von der Personalentscheidung der Lan- desregierung Kenntnis erlangt. Selbstverständlich 1. Welche Vorwürfe stehen gegen den ehema- berücksichtigt die Landesregierung bei Personal- ligen CDU-Wahlkampfmanager Professor Dr. maßnahmen die schutzwürdigen Interessen der Karp im Raum, und wie reagiert die Landesre- Beteiligten. gierung auf diese Vorwürfe?

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündli- 2. Welche Möglichkeiten hat die Landesregie- che Anfrage namens der Landesregierung wie rung, die gegen Herrn Professor Dr. Karp erho- benen Vorwürfe nicht nur strafrechtlich, son- folgt: dern auch aufsichtsrechtlich zu prüfen, was hat sie diesbezüglich bereits unternommen, bzw. Zu 1: Siehe Vorbemerkung. was gedenkt sie noch zu veranlassen?

Zu 2: Das Ministerium und die Zentrale Polizeidi- 3. Kann sich die Öffentlichkeit darauf verlassen, rektion sind ständig in einem konstruktiven Dialog. dass die Landesregierung diesen Vorwürfen Hinsichtlich der Umorganisation der Zentralen trotz der CDU-Nähe des Betroffenen konse- Polizeidirektion und der Einrichtung des zentralen quent, ergebnisoffen und ohne politische Ein- flussnahme nachgeht, und, wenn nein, warum Fahrdienstes gibt es keine Differenzen. nicht? Zu 3: Die von den Fragestellern behaupteten Re- aktionen sind der Landesregierung nicht bekannt. Die Mündliche Anfrage beantworte ich namens der Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Gegen den Vorstandsvorsitzenden der Stadtwerke Wolfsburg AG, Herrn Professor Dr. Anlage 54 Markus Karp, sind in einem anonymen Schreiben Antwort Vorwürfe erhoben worden, die sich insbesondere auf die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration beziehen. Die Vorwürfe sind Gegenstand staats- auf die Frage 57 der Abg. Klaus-Peter Bachmann, anwaltschaftlicher Prüfungen und von Prüfungen Johanne Modder und Sigrid Leuschner (SPD) der Stadt Wolfsburg als Alleingesellschafterin der Was macht Wulffs ehemaliger Wahlkampf- AG gewesen. Die von der Stadt Wolfsburg veran- manager in Wolfsburg? lasste Prüfung durch ihr Rechnungsprüfungsamt hat keine Beanstandungen ergeben. Ein bei der Ausweislich aktueller Presseberichte erhebt ei- ne „Mitarbeiter-Initiative Pro Stadtwerke“ Staatsanwaltschaft Braunschweig zunächst einge- schwere Vorwürfe gegen den Chef der Wolfs- leitetes Vorermittlungsverfahren ist ohne Einleitung burger Stadtwerke, Professor Dr. Markus Karp. von Ermittlungen mangels Anfangsverdachts ein- In 31 konkret geschilderten Fällen werden zum gestellt worden, nachdem die erhobenen Vorwürfe Teil massive Vorwürfe gegen Karp erhoben. Professor Dr. Karp ist in der Landespolitik kein durch den Bericht des Rechnungsprüfungsamtes Unbekannter - nachdem er als Wahlkampfma- widerlegt worden sind. nager der Oberbürgermeister Schnellecke in Wolfsburg und Dr. Hoffmann in Braunschweig Zu 2: Die Aufklärung der erhobenen Vorwürfe ist in 2001 tätig war, hat ihn die Niedersachsen-CDU unter ihrem damaligen Landesvorsitzenden und erster Linie Aufgabe des Unternehmens selbst Spitzenkandidaten Wulff zum Manager des sowie gegebenenfalls der Stadt Wolfsburg als Landtagswahlkampfes 2003 erkoren. Vor seiner Alleingesellschafterin. Eine Überprüfung durch das Wahl in den Wolfsburger Stadtwerkevorstand, Rechnungsprüfungsamt der Stadt Wolfsburg und der keine Ausschreibung vorausgegangen ist, war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender die Staatsanwaltschaft Braunschweig ist bereits der CDU im Rat der Stadt Wolfsburg. Von Ok- erfolgt. Auf die Antwort zu 1 wird verwiesen. tober 2004 bis Dezember 2005 war Karp Wis- senschaftsstaatssekretär des Landes Branden- Zu 3: Staatsanwaltschaftliche und aufsichtsbehörd- burg. Anlässlich seines Ausscheidens hoffte die dortige Staatskanzlei ausweislich eines Berichts liche Prüfungen werden stets ohne Ansehen der der Lausitzer Rundschau vom 3. Dezember Person durchgeführt. 2005, dass sein Nachfolger die bestehenden „Reibungsverluste in der Zusammenarbeit von Wirtschafts- und Wissenschaftsressort (…), die

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Anlage 55 Die Umweltbildung als Teil der Bildung für nachhal- tige Entwicklung (BNE) vermittelt nachhaltiges Antwort Denken und Handeln. Sie versetzt Menschen in die Lage, Entscheidungen für die Zukunft zu tref- des Kultusministeriums auf die Frage 58 der Abg. fen und dabei abzuschätzen, wie sich das eigene Wolfgang Jüttner und Stefan Politze (SPD) Handeln auf künftige Generationen oder das Le- Warum kürzt das Land bei der Umweltbil- ben in anderen Weltregionen auswirkt. BNE ist ein dung? ganzheitliches Konzept, das den Gedanken der Nachhaltigkeit als gesellschaftlichen Auftrag in den Der außerschulische Unterricht ist ein wichtiger Bestandteil der Bildung in Niedersachsen. In Unterricht an den Schulen integrieren möchte. verschiedenen Institutionen, wie beispielsweise im Schulbiologiezentrum Hannover, werden Im Rahmen des Projektes „Öffnung von Schule“ ist wichtige Aufgabenbereiche abgedeckt. in Niedersachsen seit 1992 ein Netz von außer- schulischen Lernstandorten aufgebaut worden, Diese sind die Vorbereitung und Durchführung das in vielfältiger Weise die Bildung für nachhaltige von schul- und unterrichtsbezogenen Umwelt- bildungsangeboten, die Beratung und Fortbil- Entwicklung unterstützt. dung von Lehrkräften in Zusammenarbeit mit In Niedersachsen gibt es zurzeit 29 Regionale der regionalen Lehrerfortbildung, die Erstellung und Bereitstellung von praxisnahen Arbeitsun- Umweltbildungszentren (RUZ), zu denen auch das terlagen, die Zusammenstellung und Ausleihe Schulbiologiezentrum in Hannover gehört. Weitere von Unterrichts-, Lehr- und Selbstlernmateria- besondere Lernstandorte sind z. B. die Nieder- lien usw., der Aufbau eines Netzwerks außer- sächsische Lernwerkstatt für solare Energiesyste- schulischer Lernorte und Kooperationspartner in der Region durch Zusammenarbeit mit me (NILS) in Hameln, das Schul-LAB der IGS Landwirten, Imkern, Forstämtern, Betrieben, Hannover-Mühlenberg, der Lernstandort Natur und Verbänden, kommunalen Einrichtungen, loka- Technik in Wilhelmshaven sowie das Phaeno in len Agenda-21-Büros, Eine-Welt-Initiativen usw. Wolfsburg. sowie die Mitwirkung bei der Umsetzung von landesweiten Programmen und Maßnahmen Diese Standorte und zahlreiche weitere Schulpro- wie beispielsweise der IdeenExpo. jekte zur BNE werden in den Standorten der Lan- Das Land plant offenbar Einschnitte im Schul- desschulbehörde von vier Fachberatern BNE ko- biologiezentrum. Im Schulbiologiezentrum ar- ordiniert und betreut. Eine große Anzahl von Lehr- beiten abgeordnete Lehrkräfte. Da es einen kräften erhält Anrechnungsstunden, um in den Mangel an Lehrkräften in den naturwissen- schaftlichen Fächern gibt, sollen Lehrkräfte vom Regionalen Umweltbildungszentren, den außer- Schulbiologiezentrum abgezogen werden. Hier schulischen Lernorten oder in den Netzwerken die geht es allein im Schulbiologiezentrum um 25 Schülerinnen und Schüler in ihrem Handeln und Stunden. Trotz der erheblichen Nachfrage nach Lernen im Bereich der BNE zu unterstützen und diesen Angeboten wurden jüngst per Erlass diese Kürzungen angeordnet, die mit erhebli- die Schulen und Lehrkräfte zu beraten. chen Konsequenzen für die außerschulischen Lernzentren verbunden sind. Mit den dargestellten Aktivitäten im Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung im schulischen Wir fragen die Landesregierung: wie im außerschulischen Bereich nimmt Nieder- sachsen einen führenden Platz in der UN-Dekade 1. Warum kürzt die Landesregierung über 25 Unterrichtsstunden allein im Schulbiologiezent- „Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005 bis rum Hannover, und wie rechtfertigt sie den da- 2014“ ein. mit verbundenen Qualitätsverlust? Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der 2. Welche konkreten Auswirkungen (insbeson- Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie dere im Bereich der schulischen und außer- folgt: schulischen Zusammenarbeit, den Angeboten und Kursen) haben die Kürzungen auf die au- Zu 1: Vor dem Hintergrund der derzeitigen allge- ßerschulischen Zentren? meinen Unterrichtsversorgung vor allem im natur- 3. Wie soll nach Auffassung der Landesregie- wissenschaftlichen Bereich ist eine Reduzierung rung der Bildungsauftrag wahrgenommen und von Anrechnungsstunden zugunsten der Unter- erfüllt werden, wenn Kürzungen in Bereichen richtsversorgung notwendig. Der gesamte Bereich vorgenommen werden, in denen die hohe Nachfrage ohnehin nur durch fördervereinfinan- der Nachhaltigkeitsbildung ist von den allgemeinen zierte Honorarkräfte ansatzweise gedeckt wer- Kürzungen lediglich im Umfang von einer Vollzeit- den kann? lehrerstelle (25 Stunden) betroffen.

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Das Schulbiologiezentrum Hannover als Regiona- desbehörden auf den unhaltbaren Zustand der les Umweltbildungszentrum ist eine über die Straße und des begleitenden Radweges hin- gewiesen. Stadtgrenzen hinaus wirkende und allgemein an- erkannte Einrichtung. Träger des Schulbiologie- Beklagt werden zahlreiche Querrisse, Boden- wellen, Schlaglöcher und Absenkungen im Be- zentrums ist die Landeshauptstadt Hannover. Die reich von Kanaldeckeln und an Straßenrändern. Finanzierung erfolgt außerdem über Förderverei- Der zunehmende Schwerlastverkehr verschlim- ne, Sponsoren, Stiftungen und das Land Nieder- mert offenkundig die Situation. Die zahlreichen sachsen. Insgesamt verfügt das Zentrum zurzeit Eingriffe in die Straßendecke durch Tiefbau- maßnahmen machen eine Grundsanierung der über rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Fahrbahn notwendig, weil inzwischen von den Leitung des Zentrums und alle weiteren angestell- Straßenschäden massive Beeinträchtigungen ten Mitarbeiter werden von der Stadt Hannover ausgehen. Neben der Lärmbelastung durch finanziert. Zudem sind sechs Lehrkräfte für die Lkw beklagen die Anlieger, dass die Erschütte- rungen durch den Schwerlastverkehr inzwi- Einrichtung tätig. Seit Jahrzehnten wird dieser schen sogar zu beträchtlichen Rissen in Häu- Standort gegenüber den anderen außerschuli- serwänden führen. schen Lernorten mit der höchsten Anzahl von Stel- Die Sachlage ist dem Straßenbauamt Hannover len bzw. Anrechnungsstunden ausgestattet. bekannt. Die Notwendigkeit, unverzüglich tätig zu werden, wird auch von der Stadt Wunstorf Viele andere Lernstandorte sind nur mit einer ge- angemahnt. Im Jahr 2008 sind durch eine In- ringen Anzahl von Anrechnungsstunden versehen. standsetzungsmaßnahme bestehende Unfall- Kürzungen an den kleineren außerschulischen gefahren auf dem die L 392 begleitenden Rad- Lernorten würden dort schnell zu Schließungen weg zwar beseitigt worden, eine nachhaltige Verbesserung wurde jedoch nicht erreicht. führen. Die notwendige Kürzung im genannten Umfang ist bei dem Schulbiologiezentrum Hanno- Angesichts der bisher vergeblichen Bemühun- gen von Anliegern, Bürgerinitiative und der ver als dem größten Zentrum durchgeführt worden, Stadt Wunstorf frage ich die Landesregierung: um keinen gravierenden Qualitätsverlust in der Arbeit zu verursachen. 1. Wie bewertet die Landesregierung die von Anwohnern und Stadt vorgetragenen Gründe Zu 2: Durch die Kürzung werden zukünftig im ge- für die vom Straßenzustand der L 392 ausge- henden Dauerlärmbelästigungen und Schäden ringen Umfang weniger Schulklassen durch Lehr- an Häusern entlang der Kolenfelder Straße in kräfte begleitet werden können. Dies schließt je- Wunstorf? doch eine Betreuung der Schulklassen durch An- 2. Welche Maßnahmen hat die Landesregie- gestellte des Zentrums nicht aus. rung ergriffen, um als Reaktion auf die Klagen von Anliegern und Stadt die Ursachen der Zu 3: Der Bildungsauftrag der Schulen wird gemäß Lärm- und Erschütterungsentwicklung zu über- Niedersächsischem Schulgesetz in erster Linie im prüfen, zu reduzieren oder zu beseitigen?

Unterricht an den Schulen erfüllt. Die insgesamt 3. Welche Zusagen kann die Landesregierung maßvolle Kürzung im Bereich der Umweltbildung den Anwohnern, der Bürgerinitiative und der führt zur Erteilung von mehr naturwissenschaftli- Stadt Wunstorf geben, dass zumindest der chem Unterricht. Straßenabschnitt der Kolenfelder Straße zwi- schen Bahnunterführung (B 441) und Am Ha- senpfahl zeitnah und nachhaltig saniert wird? Anlage 56 Der Schwerpunkt der Investitionen im Landesstra- ßenbereich liegt seit jeher in der Substanzerhal- Antwort tung des vorhandenen Straßennetzes. Die Erhal- des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr tung der Landesstraßen richtet sich nach dem auf die Frage 59 der Abg. Heinrich Aller (SPD) landesweiten Erhaltungskonzept. Gleichwohl konn- te dessen Umsetzung in den zurückliegenden Jah- Bürgerinitiative fordert Sanierung der Lan- ren nicht immer wie wünschenswert realisiert wer- desstraße 392 - Anwohner der Kolenfelder Straße in Wunstorf beklagen Dauerbelas- den. Der Grund dafür lag allein in der zwingend tung durch Lärm und Erschütterungen notwendigen Konsolidierung des Landeshaushalts durch Schwerlastverkehr in den zurückliegenden Jahren, in denen die Lan- Nur eine gründliche Sanierung der Landesstra- desregierung durch ihre klare finanzpolitische Ziel- ße 392 kann nach Auffassung der Anwohner setzung den Landeshaushalt wieder in die Verfas- der Kolenfelder Straße in der Stadt Wunstorf sungskonformität überführt hat. Dies war bekannt- die Dauerbelastung durch den zunehmenden lich nicht ohne schmerzhafte Einschnitte auf der Schwerlastverkehr wirksam reduzieren. Wie- derholt hat die örtliche Bürgerinitiative die Lan- Ausgabenseite möglich.

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Die seit 2007 bestehenden neuen Gestaltungs- anderen Projekten in Niedersachsen Priorität spielräume hat die Landesregierung im gebotenen besitzt. Umfang genutzt und mit der schrittweise erfolgten Ich frage die Landesregierung: Aufstockung der Haushaltsmittel einhergehend 1. Welche vorbereitenden Arbeiten und Pla- auch die Situation im investiven Landesstraßenbe- nungen hat die Landesregierung bzw. die Nie- reich wieder verbessert. Allerdings können nicht dersächsische Landesbehörde für Straßenbau alle dringlichen Maßnahmen zeitnah finanziell be- und Verkehr unternommen, um unmittelbar dient und begonnen werden. In ihrem Entwurf für nach der Mittelfreigabe durch den Bund mit dem Bau beginnen zu können? den Haushaltsplan 2010 hat die Landesregierung eine weitere Erhöhung der Haushaltsmittel im in- 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Priori- tät des Bauvorhabens B 3 Ortsumgehung Hem- vestiven Landesstraßenbereich vorgesehen. mingen im Vergleich zu anderen niedersächsi- schen Projekten wie der B 68 Ortsumgehung Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Essen oder der B 247 Ortsumgehung Duder- namens der Landesregierung wie folgt: stadt? Zu 1: Der Wunsch der Anlieger nach einer grund- 3. Inwieweit hat die die Landesregierung durch haften Erneuerung der Kolenfelder Straße, in die Vorgespräche mit dem Bund sichergestellt, dass das Bauvorhaben Hemmingen im Rah- idealerweise der gesamte Straßenquerschnitt ein- men der nächsten Haushalts- und Finanzie- zubeziehen wäre, ist nachvollziehbar. rungsprogrammbesprechung mit dem Bund freigegeben werden kann? Zu 2: Der von der Bürgerinitiative als unhaltbar eingeschätzte Fahrbahnzustand der Kolenfelder Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Straße wurde als Ergebnis der flächendeckenden vom 30. Juni 2009 zur Ortsumgehung Hemmingen Zustandserfassung für die Landesstraßen im Jahre ist ein wichtiger Schritt in Richtung Bau dieses 2005 überwiegend mit mittleren Mängeln einge- Projektes. Neben dem unanfechtbaren Recht zum stuft. Ob und inwieweit seither eine deutliche Ver- Bauen ist die Finanzierung des Projektes durch schlechterung des Fahrbahnzustands eingetreten den Bund sicherzustellen. ist, wird im Rahmen der für das nächste Jahr ge- Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und planten erneuten Zustandserfassung ermittelt. Bis Stadtentwicklung (BMVBS) entscheidet regelmäßig dahin wird der Geschäftsbereich Hannover im einmal jährlich - am Ende eines Haushaltsjahres - Rahmen der Verkehrssicherungspflicht die Fahr- abschließend über die Finanzierungsfreigabe der bahn nach besten Kräften unterhalten. vom Land vorgeschlagenen Bundesfernstraßen- Zu 3: Eine zeitnahe, grundhafte - auch abschnitts- projekte des Bedarfsplans. Grundvoraussetzungen weise - Erneuerung der Kolenfelder Straße kann für eine zustimmende Entscheidung des Bundes aufgrund des Kostenvolumens momentan leider sind: nicht in Aussicht gestellt werden. - finanzieller Spielraum im vom Bund zugewiese- nen Budget für Niedersachsen, - abgeschlossene baurechtliche Absicherung der Anlage 57 Projekte, Antwort - angemessene Verteilung der Haushaltsmittel des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zwischen Bundesstraßen- und Autobahnprojek- auf die Frage 60 der Abg. Sigrid Leuschner (SPD) ten.

B 3 Ortsumgehung Hemmingen Die Anzahl der in den Landesvorschlag aufge- nommenen Projekte ist deshalb abhängig von der Der geplanten Ortsumgehung Hemmingen der B 3 stehen nach der Entscheidung des OVG Vorbelastung des Budgets durch laufende Projekte Lüneburg nunmehr keine juristischen Hürden und der Höhe des vom Bund in Aussicht gestellten mehr entgegen. Die Bürgerinnen und Bürger Folgebudgets. von Hemmingen erwarten einen möglichst schellen Baubeginn der Ortsumgehung. Wichtig Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen ist daher, dass die Landesverwaltung alle mög- namens der Landesregierung wie folgt: lichen Vorarbeiten leistet, damit unmittelbar nach Freigabe der Haushaltsmittel durch den Zu 1: Um auf eventuelle Investitionsprogramme Bund mit dem Bau begonnen werden kann. Das Land muss gegenüber dem Bund deutlich des Bundes reagieren zu können, bereitet die nie- machen, dass das Bauvorhaben gegenüber dersächsische Straßenbauverwaltung für Projekte

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mit unanfechtbarem Planfeststellungsbeschluss 2. In welchem Umfang sind Verstärkungen des einen Baubeginn vertragstechnisch vor. Eigenkapitals zur Risikovorsorge erforderlich, um die Verluste aus dem Joint Venture DnB Zu 2: Die Reihenfolge der Aufnahme von Projekten Nord und die zu erwartenden Einbrüche im in den Landesvorschlag richtet sich grundsätzlich Schiffs- und gewerblichen Immobilienbereich abzufedern? nach Datum der Unanfechtbarkeit des Planfeststel- lungsbeschlusses. Die OU Duderstadt und der 3. Wie bewertet die Landesregierung die Be- denken der Sparkassen in Bezug auf die sechsstreifige Ausbau der A 7 zwischen An- grundsätzliche Entwicklungsstrategie der schlussdreieck Salzgitter und Bockenem stehen NORD/LB? deshalb vor den beiden anderen angesprochenen Die Konjunktur- und Wirtschaftskrise hat nicht nur Projekten. in Deutschland zu Verwerfungen der Märkte ge- Zu 3: Aus Gesprächen ist bekannt, dass Aussagen führt. Der Bund und die Länder haben mit den zur Finanzierung neuer Bundesfernstraßenprojekte beschlossenen Konjunkturpaketen und insbeson- durch den Bund erst dann erfolgen sollen, wenn dere deren schnellen Umsetzung in Niedersachsen dem BMVBS die Haushaltszahlen 2010 für die jedoch Instrumente eingesetzt, die die Auswirkun- niedersächsischen Bundesfernstraßen bekannt gen der Krise abmildern sollen. Wie sich aus den sind und die Vorbelastung des Budgets durch die jüngsten Konjunkturdaten ablesen lässt, führen die laufenden niedersächsischen Projekte zum Ab- Maßnahmen auch zu ersten Erfolgen. schluss des Haushaltsjahres 2009 feststeht. Die Volkswirtschaften in den neueren EU-Staaten Litauen, Lettland und Estland, die sich bis zum Jahre 2007 in einer enormen Wachstumsphase Anlage 58 befanden, sind von der Konjunkturkrise wesentlich Antwort stärker betroffen als die über Jahrzehnte stabili- sierten Volkswirtschaften des europäischen Wes- des Finanzministeriums auf die Frage 61 der Abg. tens. Aus diesem Grunde sind in den baltischen Stefan Wenzel und Hans-Jürgen Klein (GRÜNE) Staaten tätige Kreditinstitute auch in besonderem Risikovorsorge bei der NORD/LB Maße gefordert. Am 18. August 2009 berichtete das Handels- blatt über drohende Verluste der NORD/LB aus Die NORD/LB betreibt mit Unterstützung ihrer Trä- dem Joint Venture DnB Nord. Das Gemein- ger zusammen mit der norwegischen Bank DnB schaftsunternehmen, das die NORD/LB zu- Nor in den o. g. Staaten sowie in Polen, Finnland sammen mit der DnB Nord aus Norwegen be- und Dänemark die DnB NORD. Durch die be- treibt, ist im Baltikum im Privat- und Geschäfts- kundenbereich aktiv. Die baltischen Staaten schriebenen Auswirkungen der Konjunkturkrise müssen in der Finanzmarktkrise einen Rück- werden auch Auswirkungen auf die Kreditbestände gang der Wirtschaftsleistung um 20 % verkraf- der DnB NORD erwartet, wofür die DnB NORD ten mit entsprechenden Auswirkungen im Kre- schon jetzt entsprechende, das Ergebnis belas- ditgeschäft. Der Verlust der NORD/LB, die 49 % an der DnB Nord hält, liegt dadurch im tende Vorsorge zu treffen hat. Außerdem hat die ersten Halbjahr bei rund 84 Millionen Euro. Laut DnB NORD ihre Geschäftstätigkeit in Dänemark Handelsblatt hat die DnB Nord „im Baltikum und Finnland eingestellt. Die NORD/LB ist in der leichtfertig Kredite vergeben“. Mit höheren Risi- Lage, die Auswirkungen der Verluste ihres Toch- ken für die NORD/LB rechnen Analysten bei Fi- nanzierungen im Schiffs- und gewerblichen Im- terunternehmens DnB NORD zu verarbeiten. Von mobilienbereich. Am 14. August 2009 hatte es einem im Handelsblatt zitierten Verlust der bereits Medienberichte zu einer möglichen NORD/LB kann deshalb keine Rede sein. Das Stärkung des Kernkapitals gegeben, die die Ri- Vorsteuerergebnis der NORD/LB beträgt für das sikotragfähigkeit der NORD/LB erhalten soll. Die Sparkassen stehen laut Pressemeldungen erste Halbjahr 2009 276 Millionen Euro. diesen Plänen skeptisch gegenüber. Sie be- Unzutreffend ist die Darstellung des Handelsblat- fürchten eine Ausweitung statt der von ihnen angestrebten Redimensionierung der Ge- tes vom 18. August 2009, wonach die DnB NORD, schäftstätigkeit der NORD/LB. die in einem Atemzug mit der Svedbank, der SEB

Wir fragen die Landesregierung: und der Nordea genannt wird, leichtfertig Kredite vergeben haben soll. Die Kriterien für die Vergabe 1. Welche Verstärkungen des Eigenkapitals von Krediten unterliegen im NORD/LB-Konzern sind geplant, und welche Veränderungen erge- ben sich dadurch für die Beteiligungen des einheitlichen konservativen Anforderungen, die Landes und der niedersächsischen Sparkas- eingehalten wurden. sen?

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Eine Konjunkturentwicklung, die z. B. in Lettland Zu 1: Das Haftkapital der NORD/LB soll um insge- dazu führte, dass das BIP von einem Wachstum im samt 1 Milliarden Euro ergänzt werden. Dafür wer- Jahre 2007 um 10 % auf einen geschätzten Rück- den durch Vertragsablauf als Ergänzungskapital gang von ca. 17 bis 18 % für das Jahr 2009 ein- entfallende Genussscheine in Höhe von 500 Milli- brach, war bei der ursprünglichen Kreditvergabe onen Euro in nachrangiges Haftkapital umgewan- weder planbar noch vorhersehbar. delt. Zudem ist von den Trägern der NORD/LB einvernehmlich beabsichtigt, weitere längerfristige Ab 2012 wird mit einer Stabilisierung der Märkte im nachrangige Verbindlichkeiten von 500 Millionen Baltikum und in Polen gerechnet, sodass die DnB Euro aufzunehmen. NORD wieder zu einer ertragsstarken Bank zu- rückfinden wird. Eine Veränderung der Beteiligungsquote ist damit nicht verbunden, weil das als Ergänzungskapital Im Bereich der Landesbankenkonzerne ist die klassifizierte nachrangige Haftkapital nicht mit NORD/LB zusammen mit der Helaba als einzige Stimmrechten verbunden ist und üblicherweise bei nicht auf Eigenkapitalhilfen durch die Träger oder institutionellen Anlegern auf dem Kapitalmarkt den Bund angewiesen. Das GMTN-Programm der aufgenommen wird. NORD/LB und die damit zusammenhängenden Garantien der Länder Sachsen-Anhalt und Nieder- Zu 2: Die in der Presse kommunizierten Kapital- sachsen wurden nicht aufgrund einer Schwäche maßnahmen dienen der Stärkung des Eigenkapi- der NORD/LB, sondern aufgrund von Marktverwer- tals für kommende Verschlechterungen bei den fungen erforderlich, die durch staatliche Hilfen an internen Kreditratings (Ratingmigrationen). Ein die Wettbewerber entstanden waren. Deshalb hat erhöhter Risikovorsorgebedarf aus dem vorhande- die EU-Kommission mit der beihilferechtlichen nen operativen Geschäft besteht hingegen nicht. Genehmigung keine Maßnahmen zur Umstruktu- Die NORD/LB hat vielmehr für die zu erwartenden rierung der NORD/LB angeordnet. Risiken eine ausreichende Risikovorsorge geplant. Derzeit liegt die Risikoentwicklung im Plan. Durch Verschlechterungen der internen Ratings von Kreditnehmern der NORD/LB aufgrund der Die sich aus dem Engagement der DnB NORD Vorgaben durch Basel II werden die risikogewich- ergebenden Belastungen wirken sich auf das Halb- teten Aktiva der NORD/LB systembedingt anstei- jahresergebnis der NORD/LB mit 112 Millionen gen, ohne dass die Bank mehr Kredite vergibt. Euro aus, das dennoch, wie in den Vorbemerkun- Außerdem kommen aufgrund der wirtschaftlichen gen dargestellt, mit einem Plus abschließt. Entwicklung höhere Wertberichtigungen und Ei- genkapitalbelastungen als ursprünglich geplant auf Zu 3: Die Entscheidungen bezüglich der NORD/LB die Bank zu. Hierauf muss die Bank reagieren. werden von den Trägern der Bank gemeinsam beschlossen und verantwortet. Diskussionen be- Mit Wirkung zum 30. Juni 2009 hat die HanBG bei züglich der zufassenden Beschlüsse werden in der NORD/LB gehaltene Genussrechte in Höhe den Organen der Bank geführt. Das Anteilsver- von 118 Millionen Euro in als Kernkapital aner- hältnis von 50 : 50 zwischen Ländern und Spar- kannte stille Einlagen gewandelt. Der Wirtschafts- kassen erfordert es, partnerschaftlich miteinander plan der HanBG hat dem Ausschuss für Haushalt zu arbeiten. und Finanzen vorgelegen.

Die Bank und ihre Träger haben darüber hinaus entschieden, aufgrund von Vertragsabläufen nicht Anlage 59 mehr als Eigenkapital anerkannte Genussrechte Antwort durch nachrangiges Haftkapital zu ersetzen, um die Kapitalsituation stabil zu halten und die zu er- des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration wartende Ratingentwicklungen der Kreditnehmer auf die Frage 62 der Abg. Miriam Staudte (GRÜ- auszugleichen. Die Eigenkapitalsituation der Bank NE) ist jedoch mit einer Kernkapitalquote von 8,5 % Lärmbelastung durch den Betrieb des Hee- komfortabel. resfliegerausbildungszentrums Celle-Wiet- zenbruch Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Der Flugplatz Celle-Wietzenbruch ist seit dem der Abgeordneten Stefan Wenzel und Hans- Jahr 1934 in Betrieb und wurde im Laufe der Jürgen Klein im Namen der Landesregierung wie Zeit für verschiedene militärische Zwecke ge- folgt: nutzt. Nach der Wiedervereinigung wurde der Betrieb ab 1990 stark eingeschränkt; für viele

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Jahre blieb nur das Heeresfliegerregiment 16 ber UH-1D ab Mitte 2011 voraussichtlich einge- mit Bölkow Bo-105 als einziger fliegerischer stellt wird, da dieses Muster durch den Typ NH 90 Verband in Celle stationiert. Die Auflösung die- ses Regiments im Jahr 2003, der Einzug des ersetzt wird. Die Ausbildung auf dem neuen Hub- Ausbildungszentrums für Hubschrauberpiloten schrauber wird andernorts stattfinden. Damit fällt und die damit einhergehende signifikante Stei- zukünftig ein komplettes Hubschraubermuster im gerung der Flugbewegungen einschließlich der Ausbildungsflugbetrieb am Standort Celle weg. Nachtflugausbildung nach über zehn Jahren re- lativ ruhigen Flugbetriebs rückten den Flugplatz Ferner wird sich auch der Ausbildungsumfang auf wieder in das Zentrum kritischer Betrachtungen. dem Muster BO 105 ab 2013 signifikant reduzie- Insbesondere die Stationierung des Hubschrau- ren. bertyps Bell UH-1D im Frühjahr 2005 rief we- gen der besonders lauten Fluggeräusche zu- Abhängig vom Lehrgangsaufkommen kann es teil- sätzliche Proteste bei der umliegenden Bevöl- weise zu Lärmkonzentrationen kommen. Daher kerung hervor. Für das Jahr 2008 werden 15 000 Flugbewegungen angegeben. Anwoh- betreibt das Ausbildungszentrum zusätzlich zum nerinnen und Anwohner haben dokumentiert, Flugplatz selbst ein Hubschrauberübungsgelände dass die Lärmbelastung der an den Flugplatz auf dem Standortübungsplatz in Scheuen, um den angrenzenden Wohngebiete durch Flugbewe- Fluglärm auf dem Flugplatz zu reduzieren. Der gungen in geringer Höhe über Wohngebiete und Nachtflugübungen in den vergangenen Flugweg zu diesem Gelände führt weitläufig um Jahren stark zugenommen hat. Selbstbe- bebautes Gebiet herum. schränkungen zu Flugzeiten und Flugrouten, die von der Bundeswehr zugesagt worden wa- Seit dem Jahr 2004 wird durch das Ausbildungs- ren, werden offensichtlich nicht eingehalten. zentrum C einmal jährlich eine sogenannte Lärm- Ich frage die Landesregierung: schutzkonferenz einberufen, zu der der Oberbür- germeister der Stadt Celle, die Orts- und Gemein- 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Lärm- belastung von Wohngebieten der Stadt Celle debürgermeister der Umgebung sowie kommunal- durch den Flugbetrieb in Celle-Wietzenbruch? politische Vertreter und Abgeordnete aller Parteien eingeladen werden. Im Rahmen dieser Zusam- 2. In welcher Weise unterstützen die Behörden des Landes die Stadt Celle, um das Ausmaß menkunft wird die aktuelle Situation umfassend der Lärmbelastungen zu dokumentieren bzw. und detailliert vorgetragen. So werden die Lärm- vor Ort Problemlösungen zu erreichen? schutzmaßnahmen, Überflugverbote, einzuhalten- 3. Welche Initiativen hat die Landesregierung de Flugrouten und Verfahren erläutert. Die letzte ergriffen, in Angriff genommen oder geplant, um Veranstaltung dieser Art fand Ende 2008 statt. beim Bund Lösungen zu erreichen, die die Daneben hat das Ausbildungszentrum im Rahmen Lärmbelastung durch den Flugbetrieb für die Anwohnerinnen und Anwohner minimieren? der Öffentlichkeitsarbeit im November 2008 in einer öffentlichen Ortsratssitzung der Gemeinde Der Militärflugplatz Celle-Wietzenbruch wird zurzeit Westercelle das Verfahren sowie das Flugauf- überwiegend als Ausbildungsflugplatz für Hub- kommen erläutert. Eine weitere Veranstaltung schrauberpiloten benutzt und ist damit größtenteils erfolgte am 27. August 2009 im Rahmen einer zugehörig zur Heeresfliegerwaffenschule in Bü- öffentlichen Sitzung des Rates der Stadt Celle. ckeburg. Die Heeresfliegerverbindungs- und Auf- klärungsstaffel 100 startet von Celle aus zu Ver- Zu Zeiten des Flugbetriebes ist die Flugeinsatz- bindungsflügen in ganz Nord- und Ostdeutschland zentrale des Heeresflugplatzes Celle der zentrale sowie zu nationalen und regelmäßig auch interna- Ansprechpunkt für Hinweise auf Lärmbelästigun- tionalen Übungen. gen. Des Weiteren können sich Bürgerinnen und Bürger an das Luftwaffenamt - Abteilung Flugbe- Die Wehrbereichsverwaltung Nord als zuständige trieb - wenden, das bundesweit für Lärmbeschwer- Behörde für die Luftaufsicht hat mitgeteilt, dass den zuständig ist. Insgesamt ist der Umfang der von 2006 bis heute ein deutlicher Rückgang der Beschwerden in den letzten Jahren nach Angaben Flugbewegungen zu verzeichnen ist. Danach ha- der Bundeswehr deutlich zurückgegangen. ben sich auch die Jahresflugstunden in diesem Zeitraum reduziert. Die Rückläufigkeit der Flugbe- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage wegungen ist zurückzuführen auf weniger verfüg- namens der Landesregierung wie folgt: bare Flugstunden und auf die Durchführung von Zu 1 und 2: Siehe Vorbemerkung. Ausbildungsinhalten in Simulatoren, die sich in Bückeburg befinden. Für die nächsten Jahre ist mit Zu 3: Die Landesregierung steht permanent im einer weiteren Reduzierung zu rechnen, da aus Dialog mit der Bundeswehr, um unter Berücksich- heutiger Sicht die Ausbildung mit dem Hubschrau- tigung der sicherheitspolitischen Belange der Bun-

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deswehr mögliche Optionen zur Lärmschutzminde- Betroffenen und eine gute Versorgung sensibilisie- rung realisieren zu können. ren. Am 17. August 2009 hat die Besuchskommis- sion Hannover das Ameos Klinikum Hildesheim

unangemeldet besucht. Anlage 60 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Antwort namens der Landesregierung wie folgt: des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Zu 1: Pläne von Trägern ehemaliger Landeskran- Gesundheit auf die Frage 63 der Abg. Miriam kenhäuser, Teile des bisherigen Akutversorgungs- Staudte (GRÜNE) bereiches in Heime umzuwandeln, sind der Lan- Ersetzen die privatisierten psychiatrischen desregierung bislang nicht bekannt. Landeskrankenhäuser Fachpersonal durch fachfremde Leiharbeiterinnen und Leiharbei- Das Ameos Klinikum Hildesheim plant eine Über- ter? gangs- und Nachsorgeeinrichtung gemäß §§ 53 Nach Gesprächen der Besuchskommission und 54 SGB XII für eine eng umschriebene Grup- Hannover im Ameos Klinikum Hildesheim sind pe von entlassenen Patientinnen und Patienten Erkenntnisse zu Entwicklungstendenzen in den aus dem Maßregelvollzug, die aufgrund ihres privatisierten Landeskrankenhäusern gewon- Krankheitsbildes heimbetreuungsbedürftig sind, nen worden, die der weiteren Aufklärung bedür- fen. Zu den Entwicklungstendenzen gehören aber in bestehenden Einrichtungen keine Aufnah- eine z. T. unzureichende Ausstattung mit Fach- me finden. Von der besonderen Besuchskommis- ärztinnen und Fachärzten der Psychiatrie, mit sion für den Maßregelvollzug wurde diese Konzep- Pflegekräften und mit Ergotherapeutinnen und tion positiv aufgenommen. -therapeuten. Es wurde berichtet, dass Stellen von Pflegekräften nicht mehr mit Fachkräften Zu 2: In den Asklepios Fachkliniken Göttingen und besetzt wurden, sondern fachfremde Leiharbei- terinnen für die Betreuung der Patientinnen und Tiefenbrunn, im AWO Psychiatriezentrum Königs- Patienten eingesetzt werden. Außerdem wurde lutter sowie in der Psychiatrischen Klinik Lüneburg mit Bauarbeiten begonnen, um nicht unerhebli- werden keine Zeitarbeitnehmerinnen und -nehmer che Teile des Klinikbereichs in Heimeinrichtun- beschäftigt. gen der stationären Eingliederungshilfe umzu- wandeln. Die KRH Psychiatrie Wunstorf hat Personal von Ich frage die Landesregierung: Zeitarbeitsfirmen in folgendem Umfang beschäftigt:

1. Welche Träger der privatisierten Landes- im Jahr 2007 7 Tage/Schichten krankenhäuser planen in welchem Umfang und entgegen den früheren psychiatriepolitischen im Jahr 2008 54 Tage/Schichten Zielen der Enthospitalisierung, Teile des bishe- rigen Akutversorgungsbereichs in Langzeitein- im Jahr 2009 269 Tage/Schichten richtungen (Heime) umzuwandeln?

2. Wie viele Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter Die Beschäftigung erfolgte im Pflege- und Erzie- mit welchen Qualifikationen wurden seit dem hungsdienst. Zum Einsatz kamen ausschließlich Verkauf der Landeskrankenhäuser für welche qualifizierte Krankenpflegekräfte mit einer abge- Tätigkeitsbereiche in den Kliniken zu welchen schlossenen dreijährigen Krankenpflegeausbil- Konditionen engagiert und beschäftigt? dung. 3. Wie bewertet die Landesregierung die von der Besuchskommission Hannover am 17. Au- Das Ameos Klinikum Hildesheim beschäftigt seit gust 2009 im Ameos Klinikum Hildesheim vor- dem 1. Juli 2009 im Rahmen eines Modellprojektes gefundene Situation, dass auf der gerontopsy- zusätzlich sechs geringfügig Beschäftigte ohne chiatrischen Station 22 eine verantwortliche Ärztin/ein verantwortlicher Arzt weder angetrof- Qualifikation zur Entlastung der examinierten Mit- fen noch benannt werden konnte? arbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegedienst von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten (z. B. Wäschever- In Niedersachsen überwacht der Psychiatrieaus- sorgung, Zimmerpflege, Tische eindecken). Dar- schuss mit seinen fünf regionalen und einer spe- über hinaus beschäftigt das Ameos Klinikum Hil- ziellen Besuchskommission nur für den Maßregel- desheim seit dem 15. August 2009 befristet eine vollzug die Qualität und die rechtlichen Belange in Arzthelferin. Die genannten Mitarbeiterinnen und der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versor- Mitarbeiter sind über eine Arbeitnehmerüberlas- gung. Die Arbeit der Besuchskommission soll Ver- sungsgesellschaft beschäftigt und werden nach besserungen anstoßen und die Öffentlichkeit, die Tarif bezahlt. Politik und die Einrichtungen für die Rechte der

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In der Karl-Jaspers-Klinik Wehnen werden bzw. Anlage 61 wurden in diesem Jahr sieben Zeitarbeitnehmerin- Antwort nen und -nehmer beschäftigt. Es handelt sich da- bei ausschließlich um Pflegepersonal. Die Arbeits- Der Niedersächsischen Staatskanzlei auf die Fra- bedingungen und die Bezahlung richten sich nach ge 64 des Abg. Ralf Briese (GRÜNE) dem IGZ-/DGB-Tarifwerk für die Zeitarbeitsbran- Gibt es auch in Niedersachsen externe Ge- che. setzeserarbeitungsvergaben? Primär kamen die Personen im ersten Quartal Gegenwärtig wird in den Medien kritisch über 2009 zum Einsatz, um die Zeit bis zum 1. April die externe Erarbeitung von Gesetzentwürfen auf der Bundesebene berichtet. So hat das 2009 zu überbrücken, da zu diesem Zeitpunkt Bundeswirtschaftsministerium die Erarbeitung Schülerinnen und Schüler der dortigen Kranken- eines Gesetzes komplett an eine Großkanzlei pflegeschule übernommen werden sollten. Des vergeben. Auch das Bundesfinanzministerium Weiteren kamen sie bei Krankheits- und Urlaubs- hat verschiedentlich externe Gesetzesbera- tungsagenturen in Anspruch genommen. Ne- ausfällen als Vertretung zum Einsatz. ben der externen Vergabe für Gesetzeserarbei- tung sind in der Vergangenheit auf Bundesebe- Zwischen der Karl-Jaspers-Klinik und dem Be- ne auch Lobbyisten direkt in den Ministerien für triebsrat besteht eine Absprache, wonach Zeitar- die Erarbeitung von Gesetzen tätig gewesen. beitnehmerinnen und -nehmer höchstens bis zu Kritisch an dieser Praxis wird u. a. gesehen, dass eine objektive, interessenneutrale Geset- einem Zeitraum von sechs Monaten beschäftigt zeserarbeitung dadurch unterlaufen wird. werden. Nach diesem Zeitraum wird geprüft, ob sie befristet oder unbefristet übernommen werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Sind in Niedersachsen in den letzen sechs Im Ameos Klinikum Osnabrück werden bzw. sollen Jahren Gesetze von externen Dienstleistern er- 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über eine Ar- arbeitet worden und, wenn ja, welche? beitnehmerüberlassungsgesellschaft beschäftigt 2. Sind in den Ministerien externe Fachleute werden. Sie werden nach Tarif bezahlt. Es handelt zeitlich befristet für Gesetzeserarbeitung einge- sich um Pflegepersonal, Ergotherapeuten, Heil- stellt worden und, wenn ja, wer und wie lange? und Erziehungspfleger, eine Arzthelferin, Schreib- 3. Wie bewertet die Landesregierung die Ver- kräfte, eine Kauffrau im Gesundheitswesen, Gärt- gabe für eine externe Gesetzeserarbeitung? ner, Küchenhilfe und einen Schlosser. 24 der Zeit- Die Anfrage beantworte ich namens der Landesre- arbeitnehmerinnen und -nehmer sind vollzeit-, 11 gierung wie folgt: teilzeitbeschäftigt. Sie sind entsprechend ihren Qualifikationen auf den Stationen oder beispiels- Zu 1: Nein. weise in der Ambulanz, Gärtnerei, Küche und Zu 2: Nein. Schlosserei eingesetzt. Zu 3: Entfällt. Fünf der zurzeit als Pflegehelfer tätigen Zeitarbeit- nehmerinnen und -nehmer beginnen zum 1. Sep- tember 2009 eine Ausbildung zur Gesundheits- Anlage 62 und Krankenpflege. Antwort Zu 3: Nach Kenntnis der Landesregierung befand des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, sich die Besuchskommission auf der besagten Verbraucherschutz und Landesentwicklung auf die Station in Begleitung des zuständigen Funktions- Frage 65 des Abg. Christian Meyer (GRÜNE) leitenden Arztes. Dieser hätte jederzeit darüber Auskunft geben können, dass die zuständige Sta- Wird mit Landesförderung für Europas größ- tionsärztin an diesem Tag aufgrund einer Krank- te Ziegenfabrik die bäuerlich-artgerechte Ziegenhaltung zerstört? meldung fehlte und wie an dem Tag die Vertretung geregelt war. Im Übrigen schreibt das SGB V nicht Nach dem umstrittenen Verkauf der Landes- die ständige ärztliche Anwesenheit auf einer Stati- domäne Heidbrink (Landkreis Holzminden) an die Firma Petri (Petrella-Käse) sind nun erste on vor, sondern lediglich die jederzeitige Erreich- konkrete Planungen zur angedachten größten barkeit. Dies war zum Zeitpunkt des Besuches Ziegenfabrik Europas bekannt geworden. Da- gewährleistet. nach sollen dort zukünftig in drei Großställen jeweils bis zu 2 500 Milchziegen gehalten wer- den, insgesamt über 7 500 Tiere. Hinzu kom- men nach Schätzung des Landesverbandes

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Niedersächsischer Ziegenzüchter e. V. jährlich Bauvorhabens wird die Schutzwürdigkeit des ca. 12 000 Lämmer und eine unbekannte Zahl betroffenen Gebiets nicht mehr gegeben sein.” von Ziegenböcken in einem Quarantäne-/Bock- Ob eine Aufhebung des LSG Wesertal durch stall. Damit würde in Deutschland erstmals eine den Kreistag Holzminden für die Ziegenfabrik industrielle Ziegenhaltung realisiert. erfolgt, wird zurzeit kontrovers diskutiert, und es werden Stellungnahmen der Verbände und In- Nach Angaben des Landesverbandes Nieder- teressengruppen eingeholt. Tierschutzverbände sächsischer Ziegenzüchter e. V. werden in Nie- kritisieren dabei insbesondere die Haltungsbe- dersachsen bisher bei einem Gesamtbestand dingungen in der geplanten Ziegenfabrik: „Die von 26 700 Ziegen höchstens 10 000 Tiere im Haltung Tausender Ziegen in reiner Stallhaltung Voll- bzw. Nebenerwerb gemolken. In den größ- entspricht nicht den Bedürfnissen dieser Tiere, ten Betrieben werden ca. 100 Milchziegen die einen sehr starken Drang nach freier Bewe- gehalten. Durch den von der Firma Petri ge- gung und Klettern haben. Dies belegen bei- planten Zuwachs von über 7 500 Milchziegen spielsweise wissenschaftliche Studien des Insti- droht die Verdrängung der bestehenden klein- tuts für ökologischen Landbau des Johann- und mittelgroßen Betriebe. Ca. 50 Ziegen er- Heinrich-von-Thünen-Instituts in Trenthorst“ wirtschaften das Einkommen für eine Person. (Pressemitteilung VIER PFOTEN - Stiftung für Die geplante Ziegenfabrik soll in industrieller Tierschutz vom 5. August 2009). Stallhaltung mit maximal zehn Arbeitsplätzen bewirtschaftet werden. Die Ziegen sollen durch Nach der Empfehlung des Ständigen Aus- Futterautomaten mit Fertigfutter in Ställen ein- schusses des Europäischen Übereinkommens gepfercht gehalten werden. Grasen oder Frei- zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen gang - wie in der ersten Ankündigung des Pro- Tierhaltungen für das Halten von Ziegen vom jekts nach dem Treffen der Minister Sander und 6. November 1992 sind u. a. ganzjährige Stall- Ehlen auf der Domäne behauptet (Täglicher haltung, längere Anbindungen und fehlende Anzeiger Holzminden vom 1. März 2006 mit der Ausläufe bei länger dauernder Stallhaltung so- Überschrift „Grasen bald 3 000 Ziegen auf wie fehlende Klettermöglichkeiten unvereinbar Heidbrink?“) - erfolgen nicht. mit artgemäßer Ziegenhaltung.

Die vom Umweltministerium mit 1,125 Millionen Deutschland hat diese Empfehlung ratifiziert Euro geförderte Abwasserpipeline wird in einem und nach einem Urteil des Bundesverfassungs- Schreiben des Projektträgers Wasserverband gerichts von 1999 sind diese bei fehlenden Ithbörde/Weserbergland (WVIW) im Gegensatz speziellen Regelungen in der Tierschutznutz- zu früheren Auskünften (siehe u. a. Antwort auf tierhaltungsverordnung für eine tierschutzrecht- die Kleine Anfrage vom 8. Mai 2009 liche Genehmigung heranzuziehen. Drs. 16/1281, Abschnitt zu F2) nunmehr auch direkt zum Anschluss und Abwasserinfrastruk- Ich frage die Landesregierung: tur der ehemaligen Landesdomäne genutzt. In der Antwort des WVIW heißt es mit Datum vom 1. Welche Bedingungen und Vorgaben für eine 31. Juli 2009 an den Bund der Steuerzahler, tierschutzgerechte Ziegenhaltung müssen dass die Abwassertransportleitung Glesse- grundsätzlich sowie im konkreten Einzelfall bei Holzminden nunmehr in Transportleitung Bre- der Stallhaltung von mehreren Tausend Milch- vörde-Holzminden umbenannt wurde. Der Ver- ziegen erfüllt werden, und nach welchen ge- lauf sieht eine Querung der Weser und nun- setzlichen Genehmigungsverfahren (mit oder mehr einen Anschluss der Siedlung „Domäne ohne Öffentlichkeitsbeteiligung) muss die Ge- Heidbrink” vor. „Hier ist für die Entsorgung der nehmigungsfähigkeit geprüft werden? zurzeit dezentral entwässerten Grundstücke die Anschlussmöglichkeit zu berücksichtigen.” 2. Ist der auf der Landesdomäne geplante (Schreiben des Wasserverbandes Ithbörde vom Stallbau, die Ziegenmilchverarbeitung oder 31. Juli 2009). In Glesse ist der Sitz der Molke- -produktion grundsätzlich förderfähig und, wenn rei Petri. Bei Brevörde liegt die Domäne ja, aus welchem Programm und in welcher Hö- Heidbrink. he?

Nach Auskunft des Landkreises Holzminden 3. Hält die Landesregierung vor dem Hinter- auf eine schriftliche Anfrage im Kreistag Holz- grund des zitierten Schreibens des WVIW an minden im Jahr 2007 soll die Ziegenfabrik nach den Bund der Steuerzahler an ihrer mehrfach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz geäußerten Auffassung fest (siehe u. a. Antwort (BImSchG) genehmigt werden, und zwar nach auf die Kleine Anfrage vom 8. Mai 2009 Nr. F2), Nr. 7.11 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz dass die vom Umweltministerium mit 1,125 Mil- (UVPG). lionen Euro geförderte Abwassertransportlei- tung des Wasserverbandes Ithbörde nicht für Für das Gebiet der Domäne Heidbrink besteht die Domäne benötigt wird und dass diese nach- seit 1955 das umfangreiche Landschafts- trägliche Subvention der Infrastruktur eines schutzgebiet Wesertal. Die jetzt von der Firma Käufers aus Steuergeldern mit dem Verkauf der Petri vorgelegte Planung für die Ziegenfabrik ist Domäne nichts zu tun hat? laut Auskunft des Landkreises Holzminden „in der o. g. Größenordnung nicht mit den Belan- Ich beantworte die Kleine Anfrage namens der gen des Naturschutzes und der Landschafts- Landesregierung wie folgt: pflege zu vereinbaren und bei Realisierung des

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Zu 1: Gemäß § 2 des Tierschutzgesetzes ten Fällen bis zu 30 % der zuwendungsfähigen (TierSchG) müssen die Tiere ihrer Art und ihren Ausgaben. Außerdem ist die Höhe der zuwen- Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, dungsfähigen Ausgaben auf 1,5 Millionen Euro be- gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht wer- grenzt. den. Ihre Möglichkeit zu artgemäßer Bewegung Vom Antragsteller bzw. dessen Unternehmen sind darf nicht so eingeschränkt werden, dass ihnen allerdings u. a. folgende Zuwendungsvorausset- Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schä- zungen zu erfüllen: den zugefügt werden. Außerdem gelten die allge- meinen Bestimmungen der Tierschutz-Nutztier- - Mehr als 50 % der Umsatzerlöse müssen aus haltungsverordnung (TierSchNutztV), d. h. § 3 bodengebundener Landwirtschaft erzielt werden. „Allgemeine Anforderungen an Haltungseinrich- - Die beruflichen Fähigkeiten müssen durch Vorla- tungen“ (verletzungssicher, ausreichende Fütte- ge von mindestens zwei Buchführungsabschlüs- rungs- und Tränkeeinrichtungen für alle Tiere, sen für vorhergehende Wirtschaftsjahre nachge- ausreichender Schutz vor widrigen Witterungsein- wiesen werden. flüssen etc.) und § 4 „Allgemeine Anforderungen an Überwachung, Fütterung und Pflege“. Nach hiesigem Kenntnisstand ist davon auszuge- hen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Da nähere spezialgesetzliche Regelungen in Fall nicht erfüllt werden können. Deutschland fehlen, sind die vom ständigen Aus- schuss des Europäischen Übereinkommens zum Die Verarbeitung und Vermarktung von Ziegen- Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhal- milch ist nach der Richtlinie Förderung der Verar- tungen herausgegebenen Empfehlungen für das beitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Er- Halten von Ziegen vom 6. November 1992 für die zeugnisse mit 20 bis 25 % grundsätzlich förderfä- tierschutzfachliche Beurteilung von Milchziegenhal- hig. Inwieweit im dem angesprochenen Fall eine tungen heranzuziehen. Förderung tatsächlich möglich ist, hängt von der konkreten Situation ab, die in ihren Details derzeit Nach den Europaratsempfehlungen sollten Ziegen nicht bekannt ist. u. a. möglichst nicht das ganze Jahr über im Stall gehalten werden. Sind sie während eines erhebli- Zu 3: Wie bereits in der Drs. 15/4400 auf die Kleine chen Teils des Jahres aufgestallt, so sollten sie in Anfrage des Abgeordneten Hagenah vom 11. Fe- Sicht- und Hörweite anderer Ziegen oder Tiere bruar 2008 und in der Drs. 16/1281 auf die Kleine sein und genügend Bewegungsraum haben. Sie Anfrage der Abgeordneten Klein und Meyer vom sollten regelmäßig ins Freie gelassen werden. Die 4. Februar 2009 dargestellt, hat die Kläranlage Haltung sollte möglichst in Gruppen erfolgen. Eine Brevörde, an die die Molkerei der Firma Petri, dauerhafte Fixierung der Ziegen ist nicht statthaft. Glesse, angeschlossen ist, bereits mit der derzeiti- gen Abwasserbelastung ihre Kapazitätsgrenze Bei der Fütterung ist auf qualitativ hochwertiges erreicht bzw. überschritten. Wie in vorgenannten Futter mit einem hohen Raufutteranteil zu achten. Drucksachen ebenfalls bereits ausgeführt, hat der abwasserbeseitigungspflichtige Wasserverband Grundsätzlich ist eine ganzjährige Stallhaltung von Ithbörde/Weserbergland (WVIW) im Zusammen- Ziegen möglich. Eine verhaltensgerechte Unter- hang mit der von der Firma Petri vorgesehenen bringung kann in einem Laufstall, der zumindest Kapazitätsausweitung der Molkerei einen Trassen- permanenten Zugang zu einem Laufhof bietet, vergleich durchgeführt. Dieser hat ergeben, dass gewährleistet werden. nach wirtschaftlichen und abwassertechnischen Die Genehmigungsfähigkeit eines entsprechenden Kriterien das Konzept der Entsorgung des gesam- Antrages würde im Rahmen eines Baugenehmi- ten Abwassers der Firma Petri durch die zentrale gungsverfahrens erfolgen. Soweit der Bauantrag Kläranlage in Holzminden die sinnvollste Lösung sich auf mehr als 1 000 m2 überbaute Fläche be- darstellt. zieht, ist eine Verbandsbeteiligung nach § 60 a Darauf aufbauend prüft der Verband zur strategi- Nr. 4 ff des Niedersächsischen Naturschutzgeset- schen Sicherung der Entwässerung die Option, zes (NNatG) vorgeschrieben. zukünftig das kommunale Abwasser des gesamten Zu 2: Eine Förderung der Einrichtung von Ziegen- Raumes mit der geplanten Abwassertransportlei- ställen wäre im Rahmen des Agrarinvestitionsför- tung der Kläranlage Holzminden zuzuführen. Dies derungsprogramms (AFP) grundsätzlich möglich. wurde vom Vorstand des Verbandes so beschlos- Der Fördersatz beträgt bis zu 25 bzw. in bestimm- sen.

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Die dafür geplante Abwassertransportleitung zwi- Geländes verlaufende Lenne, da die Grasnarbe schen Pumpwerk Brevörde und der Kläranlage in und der Bewuchs durch die schweren Fahrzeu- ge, die zum Spaß und als Hobby durch die Ge- Holzminden soll die Weser mittels Düker unterque- gend gefahren werden, großflächig zerstört ren und u. a. auch über Flächen der Domäne ver- werden. laufen. Diese Trassenführung stellt nach derzeiti- Da der Fahrbetrieb durch die Quellhorizonte der gem Planungsstand die wirtschaftlichste Lösung Lenne führt, wird das Naturschutz- und FFH- dar und wird in weiteren Planungsschritten opti- Gebiet Nr. 391 im Lennetal erheblich beein- miert und gegebenenfalls auch konzeptionell wei- trächtigt. Für Eisvogel, Mühlkoppe und Forelle, die klare Gewässer benötigen, bedeutet die von terentwickelt. den Fahrzeugen hervorgerufene Verschlam- Die Hofstelle der Domäne Heidbrink sowie die mung die Ausrottung und Zerstörung ihres Le- bensraumes. Nach Ansicht des BUND Nieder- unmittelbar benachbarten privaten Wohngrundstü- sachsen sind diese Stoffeinträge in ein streng cke entsorgen ihre häuslichen Abwässer derzeit geschütztes FFH-Gebiet „ganz klar ein Straftat- dezentral. Das heißt, sie sind nicht an ein Abwas- bestand” (siehe BUNDmagazin Niedersachsen serleitungsnetz und eine zentrale Kläranlage an- 3/2009, S. 2). Auch der Wasserexperte des BUND-Landesverbandes Busse hält die vom geschlossen. Als Nebeneffekt der vorgesehenen Landkreis Holzminden erteilte Genehmigung Abwassertransportleitung wird erstmalig eine zent- des Offroadparks „in dieser Form für rechtswid- rale abwassertechnische Erschließung der inner- rig und das Genehmigungsverfahren für höchst halb des Weserbogens, in der Nähe der geplanten zweifelhaft”. Ein Planfeststellungsverfahren und eine Umweltverträglichkeitsprüfung seien trotz Trasse liegenden „Siedlung Domäne Heidbrink“ der potenziellen und realen Beeinträchtigung möglich. Unter dem Gesichtspunkt des Gewässer- des FFH-Gebietes nicht erfolgt. Auch verstoße schutzes ist eine zentrale Abwasserreinigung auf- die Verschlammung klar gegen das Verschlech- grund einer besseren Reinigungsleistung und ei- terungsverbot nach der FFH- und Wasserrah- menrichtlinie. Von einer Vielzahl von möglichen nes stabileren Betriebs einer dezentralen Abwas- Standorten in der Region für einen Offroadpark serreinigung vorzuziehen. sei der Standort an der Lenne der „denkbar schlechteste”. Auch aus Sicht des WVIW ist es in Verbindung mit den aktuellen Trassenplanungen daher zum jetzi- Nach mehrfachen Beschwerden und Dokumen- tation der Verstöße zog der Sportfischerverein gen Zeitpunkt sinnvoll, die Anschlussmöglichkeit Eschershausen im Jahr 2008 zum Schutz der für die Entsorgung des häuslichen Abwassers der Lenne vor Gericht. Am 3. September 2008 wur- zurzeit dezentral entwässerten Grundstücke zu de vor dem Landgericht ein Vergleich zwischen berücksichtigen. dem Mammut-Park und dem Fischereiverein geschlossen. Die dort festgelegten Maßnahmen Es besteht insofern nach wie vor kein unmittelbarer wurden nach Angaben des Vereins und des BUND nur unzureichend und mangelhaft um- Zusammenhang zwischen dem Verkauf der Do- gesetzt. Weiterhin kommt es zu dokumentierten mäne Heidbrink und den Überlegungen zur ge- erheblichen Schlammeinträgen in die Lenne mit planten Errichtung einer neuen Abwassertransport- erheblichen Schäden für die geschützte Flora leitung. und Fauna. Dem Landkreis Holzminden wird vom BUND Untätigkeit und Bagatellisierung der Schäden vorgeworfen Anlage 63 Ich frage die Landesregierung: 1. Aus welchen Gründen ist kein Planfeststel- Antwort lungsverfahren mit entsprechender Verträglich- keitsprüfung bei der Genehmigung des Gelän- des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf dewagenparks im Quellbereich der Lenne er- die Frage 66 der Abg. Christian Meyer (GRÜNE) folgt?

Wie schützt das Land das FFH-Gebiet Len- 2. Wie bewertet das Land die geschilderte Be- netal vor Zerstörung durch Geländewagen- einträchtigung des FFH-Gebietes sowie seiner rowdies? Schutzziele, und mit welchen Maßnahmen und welchem Vorgehen werden die Landesbehör- Ende 2007 wurde mit persönlicher Unterstüt- den die Verschlechterung des Zustandes die- zung von Umweltminister Sander der soge- ses FFH-Gebietes abstellen? nannte Offroadpark „Mammut” für den uneinge- schränkten „Freizeitspaß“ von Geländewagen- 3. Welche Absprachen und Hinweise gab es fahrern auf einer Fläche von 100 ha bei Stadt- vonseiten des Landes, seiner Behörden und oldendorf im Landkreis Holzminden genehmigt. insbesondere des Umweltministers gegenüber dem Landkreis Holzminden bezüglich der Ge- Sowohl der BUND als auch der örtliche Fische- nehmigung des Mammut-Parks? reiverein klagen seitdem immer wieder über massive Schlammeinträge in die unterhalb des

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Das FFH-Gebiet Nr. 391 „Lenne“ wurde 2004 von wirkungen zu erwarten, da von den vorgenannten der Niedersächsischen Landesregierung über das Sedimenteinträgen nur ein geringer Teil des Ober- Bundesumweltministerium an die EU-Kommission laufs bzw. der zuführenden Nebengewässer im als FFH-Gebiet gemeldet. Es hat eine Fläche von oberen Einzugsgebiet betroffen sind. Ziele und ca. 48 ha und erstreckt sich entlang des 3 bis 10 m Inhalte der EG-Wasserrahmenrichtlinie sind somit breiten Bachlaufes Lenne, der teils naturnahe und von dem Betrieb der Geländefahrstrecke nicht teils ausgebaute Abschnitte aufweist. erkennbar berührt. Wertbestimmende Lebensraumtypen gemäß An- Der Sportfischereiverein Eschershausen hat in hang I der FFH-Richtlinie sind im FFH-Gebiet „Len- einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem ne“ Auenwälder mit Erle und Esche (prioritärer Landgericht Hildesheim am 3. September 2008 Lebensraumtyp 91E0) und Feuchte Hochstauden- einen Vergleich mit dem Betreiber des Freitzeit- fluren, die insgesamt rund ein Drittel der Gebiets- parks „Mammut“ geschlossen. Danach waren vom fläche einnehmen. Betreiber mehrere Maßnahmen zum Schutz der Oberflächengewässer durchzuführen, wie insbe- Wertbestimmende Art gemäß Anhang II der FFH- sondere die Errichtung eines Sedimentfangs in Richtlinie ist die im Fließgewässer Lenne lebende Form eines gekammerten Beckens und die Mini- Fischart Groppe. mierung von Schlammlöchern. Das FFH- Gebiet „Lenne“ ist nicht als Naturschutz- Im Frühjahr 2009 wurden weitere verbessernde gebiet gesichert. Es befindet sich in einer Entfer- Maßnahmen zwischen dem Sportfischereiverein nung von mindestens ca. 1 400 m zur Gelände- Eschershausen, dem Landkreis Holzminden und strecke im Freizeitpark „Mammut“. dem Betreiber vereinbart, wobei durch den Betrei- Dagegen befindet sich ein Teilbereich des FFH- ber weitere größere Sedimentationsbecken herzu- Gebietes Nr. 126 „Holzberg bei Stadtoldendorf, stellen sind. Hierzu ist die Durchführung eines Heukenberg“ auf der Fläche dieses Freizeitparks. Genehmigungsverfahrens nach § 154 des Nieder- Im Zuge des Genehmigungsverfahrens für die sächsischen Wassergesetzes (NWG) in Kürze Geländestrecke wurde dieses Vorhaben auf vorgesehen, bei dem eine entsprechende Ver- Grundlage des § 34 c Abs. 1 BNatSchG auf seine bandsbeteiligung erfolgt. Verträglichkeit im Hinblick auf die Erhaltungsziele Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine für das FFH-Gebiet Nr. 126 überprüft. Wertbe- Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: stimmende Lebensraumtypen sind hier naturnahe Kalk-Halbtrockenrasen, magere Flachlandmähwie- Zu 1: Ein Planfeststellungsverfahren ist für die am sen und Waldmeister-Buchenwälder. Als Ergebnis 8. Dezember 2006 erteilte Genehmigung zur Er- wurde dabei festgestellt, dass bei diesem Vorha- richtung und zum Betrieb einer Geländestrecke ben von keinen erheblichen Beeinträchtigungen nicht erfolgt, weil die Geländestrecke im Rahmen auf die gebietsspezifischen Erhaltungsziele auszu- eines sogenannten vereinfachten Verfahrens nach gehen ist. dem Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelt- einwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräu- Mit Nebenbestimmungen zur Genehmigung wurde sche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge geregelt, dass nur die Benutzung der ausschließ- (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) zu lich dafür vorgesehenen und gesondert gekenn- genehmigen war. Es handelt sich um eine Anlage zeichneten Wege erlaubt ist. Hierbei handelt es zur Übung des Motorsports im Sinne der Nr. 10.17, sich größtenteils um die vorhandenen und früher Spalte 2 des Anhangs zur Vierten Verordnung zur schon von der Bundeswehr auf dem dortigen Durchführung des BImSchG (Verordnung über Übungsplatz genutzten Wege. genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV). Der Landkreis Holzminden hat nach Aufnahme des Für Anlagen, die in Spalte 2 der 4. BImSchV ge- Fahrbetriebs mehrere Ortsbesichtigungen durch- nannt sind, ist die Genehmigung gemäß § 2 Abs. 1 geführt und kommt dabei zu der Einschätzung, Nr. 3 der 4. BImSchV im vereinfachten Verfahren dass die Sedimenteinträge in den Heidelbach als nach § 19 BImSchG zu erteilen. Zufluss zur Lenne nicht zu einer erheblichen Be- Die Genehmigung der Geländestrecke erforderte einträchtigung der Erhaltungsziele des FFH-Ge- kein Verfahren nach dem Gesetz über die Umwelt- bietes führen. verträglichkeitsprüfung (UVPG). Für die Durchfüh- Im Hinblick auf den ökologischen Zustand des rung eines solchen Verfahrens hätte die Gelände- Wasserkörpers Lenne sind keine relevanten Aus- strecke einem der in der Anlage 1 zum UVPG auf-

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geführten Vorhaben entsprechen müssen. Dies Anlage 64 war nicht der Fall. Auch einer Umweltverträglich- keitsprüfung nach dem Niedersächsischen Gesetz Antwort über die Umweltverträglichkeitsprüfung (NUVPG) des Kultusministeriums auf die Frage 67 des Abg. bedurfte es nicht. Ralf Borngräber (SPD)

Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung wurde für das 60 % der Referendare fallen in Verden durch FFH-Gebiet 126 durchgeführt (s. o.). Das FFH- die Prüfungen - Wo liegen die Ursachen? Gebiet 391 „Lenne“ war dabei nicht Gegenstand Presseberichten ist zu entnehmen, dass am der Betrachtung, weil seitens der unteren Natur- Studienseminar für Gymnasien in Verden an schutzbehörde und der Gutachter aufgrund des der Aller überproportional viele Lehramtsanwär- räumlichen Abstandes keine Beeinträchtigungen ter durchfallen. Das gelte besonders für das der gebietsspezifischen Erhaltungsziele gesehen Fach Deutsch. Dort liege die Quote bei bis zu 60 %. Darüber hinaus liege die Quote der Ab- wurden. brecher vor Prüfungsbeginn bei ca. einem Drit- tel. Zu 2: Eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhal- tungsziele für das FFH-Gebiet „Lenne“ ist für das „Wer durchhalte, zittere vor dem zweiten Anlauf Land nicht erkennbar. Die o. g. Maßnahmen zur sechs Monate später und stelle sich auf eine schlechte Note ein“, so die Braunschweiger Zei- Minderung der Sedimenteinträge werden als ziel- tung vom 1. Juli 2009. führend und ausreichend erachtet. Nach Errich- tung der vorgesehenen Sedimentationsbecken ist In einem Protestbrief wandten sich „rund 20 der Seminaristen“ an die Schulaufsicht und das von einer weiteren deutlichen Reduzierung der Kultusministerium. Betroffene Personalvertre- bisher aufgetretenen Sedimenteinträge auszuge- tungen an den Ausbildungsschulen des Stu- hen. dienseminars für Gymnasien in Verden, an de- nen die Anwärterinnen und Anwärter unterrich- Zu 3: In Bezug auf die Genehmigung der Gelände- ten oder hospitieren, seien „beunruhigt“ und äußerten sich auch öffentlich entsprechend kri- strecke hat es keine Absprachen zwischen dem tisch. Land und dem Landkreis gegeben. Angemahnt wird die mangelhafte Transparenz In einer Besprechung am 2. März 2006 hat Herr gegenüber im Unterricht besuchten Referenda- Minister Sander u. a. gegenüber Herrn Landrat rinnen und Referendaren. Waske zum Ausdruck gebracht, dass durch eine Ich frage die Landesregierung: zukünftige Beplanung oder gewerbliche Nutzung grundsätzlich keine erhebliche Beeinträchtigung 1. Welche der oben dargestellten Sachverhalte treffen zu, welche treffen nicht zu? des FFH- Gebietes „Holzberg bei Stadtoldendorf, Heukenberg“ eintreten dürfe. 2. Welche Beschwerden und Eingaben in Be- zug auf das Verdener Studienseminar für Gym- Der NLWKN hat als Fachbehörde für Naturschutz nasien mit Beginn des Jahres 2008 liegen der gegenüber dem Landkreis Holzminden und der Landesregierung vor? Samtgemeinde Stadtoldendorf vor Erstellung der 3. Was hat die Landesregierung zur zukünftigen Antragsunterlagen fachliche Empfehlungen im Akzeptanzsteigerung des Verdener Studiense- Hinblick auf eine möglichst weitreichende Berück- minars (auch personell) unternommen, um die interne Gesamtnote von 2,94 (Land 2,3) zu sichtigung von Naturschutzbelangen zur Schonung verbessern und die erhebliche Zahl von Abbrü- des FFH- Gebietes Nr. 126 „Holzberg bei Stadtol- chen und Prüfungen zu reduzieren? dendorf, Heukenberg“ gegeben und weitere fachli- che Beratung angeboten. Die Landesregierung sieht die Pressefreiheit als ein wesentliches Element einer demokratisch ver- fassten Gesellschaft. Sie sichert die umfassende Information, Meinungsbildung und Kontrolle bei öffentlich relevanten Vorgängen und Tatbestän- den. Deshalb nimmt die Landesregierung presse- öffentliche Kritik ihrer Arbeit ernst und geht ihr nach, so auch Presseberichten über angebliche

Missstände am Studienseminar Verden für das Lehramt an Gymnasien.

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In diesen Artikeln wird berichtet, dass im Studien- Die Seminarleitung ist selbst aktiv geworden, seminar Verden mehr Prüflinge die Zweite Staats- Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Aus- prüfung nicht bestehen würden als an anderen bildung zu ergreifen. Dazu gehören auch die Opti- Standorten, insbesondere im Fach Deutsch. mierung von Beratungskompetenz und Transpa- renz der Beurteilungskriterien. Die Prüfung hat ergeben, dass die aufgestellten Behauptungen nicht den tatsächlichen Daten ent- Die Durchschnittsnoten der Zweiten Staatsprüfung sprechen. Das betrifft insbesondere die genannten liegen landesweit in den Prüfungsdurchgängen Zahlen: So haben im April 2007 alle Prüflinge die 2007 und 2008 zwischen 2,33 und 2,4. Im Stu- Prüfung bestanden und nicht wie behauptet nur dienseminar Verden beträgt der Durchschnitt 2,8. 40 %. In der Prüfungsgruppe vom Frühjahr 2009 Diese Abweichung von 0,4 kann als nicht außer- haben 4 von 23 Prüflingen den ersten Prüfungs- gewöhnlich bewertet werden. Wie oben dargelegt, versuch nicht bestanden. Davon war aber zwi- bewegen sich auch im Studienseminar Verden die schenzeitlich ein Kandidat im zweiten Prüfungs- Zahl der Abbrüche und endgültig nicht bestande- versuch erfolgreich. Zwei weitere Kandidaten be- nen Prüfungen im Landesmittel. finden sich noch in Vorbereitung auf die Wiederho- lungsprüfung, die spätestens nach sechs Monaten abgelegt sein muss. Deshalb sind die Ergebnisse Anlage 65 hier noch nicht bekannt. Der vierte Kandidat wurde auf Antrag aus persönlichen Gründen aus dem Antwort Vorbereitungsdienst entlassen. des Finanzministeriums auf die Frage 68 der Abg. Die behauptete Abbrecherquote der zum 1. No- Helge Limburg, Stefan Wenzel, Hans-Jürgen Klein vember 2008 zugelassenen Referendarinnen und und Miriam Staudte (GRÜNE) Referendare beträgt 3 (Abbruch aus persönlichen Soll die Bürgerinitiative Umweltschutz Lü- Gründen) und nicht ein Drittel der Gruppe. chow-Dannenberg mit steuerrechtlichen Mit- teln mundtot gemacht werden? Mit den zitierten Protesten „von rund 20 der Semi- naristen“ sind vermutlich Schreiben von Personal- Seit Bekanntwerden der Pläne Ende der 70er- Jahre, ein Endlager für hoch radioaktiven ratsmitgliedern zweier Ausbildungsschulen ge- Atommüll in Gorleben im Landkreis Lüchow- meint, die in den angesprochenen Behörden vor- Dannenberg einzurichten, formierte sich vor Ort liegen. In diesen Schreiben wird ausdrücklich dar- breiter, friedlicher, zivilgesellschaftlicher Wider- auf hingewiesen, dass die „darin enthaltenen Aus- stand. Eine der tragenden Säulen der Protest- bewegung ist dabei bis heute die Bürgerinitiati- sagen und Behauptungen“ der Referendarinnen ve Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI). Ih- und Referendare „nicht auf ihre Richtigkeit“ über- re Mitglieder engagieren sich seit jeher mit prüft wurden. friedlichen, fantasievollen und demokratischen Mitteln. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Anfang August 2009 unterstellte das Finanzamt Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie Lüchow der Bürgerinitiative, dass die Beset- folgt: zung des „Schwarzbaus Gorleben“ am 29. Mai 2009 auf das Konto der Bürgerinitiative gehe, Zu 1: Siehe Vorbemerkungen. und kündigte an, der Bürgerinitiative Umwelt- schutz Lüchow-Dannenberg die Gemeinnützig- Zu 2: Eine Einzelbeschwerde vom 30. März 2009 keit aberkennen zu wollen. und zwei Beschwerden von Personalräten zweier Verdener Gymnasien aus dem April und Mai 2009 Mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit würde die Arbeit der Bürgerinitiative erheblich bezogen sich auf vermeintliche Mängel in Ausbil- behindert. Begründet wird die Ankündigung mit dung und Prüfungen. angeblichen Straftaten, die Mitglieder der BI im Zusammenhang mit Protesten in der Vergan- Aus dem Jahr 2008 liegen lediglich zwei Anträge genheit begangen haben sollen. Unklar bleibt, auf Umsetzung in ein anderes Seminar, für das auf welche Beweise oder Urteile sich das Fi- Jahr 2009 liegt ein Antrag vor. Diese Zahlen sind nanzamt Lüchow stützt und auf wessen Veran- nicht signifikant hoch. lassung das Finanzamt tätig wurde. Wir fragen die Landesregierung: Zu 3: Studienseminar und Landesschulbehörde sind zur Stellungnahme aufgefordert worden. Die 1. Hat die Landesregierung auf das Finanzamt Recherchen haben ergeben, dass die Vorwürfe Lüchow in irgendeiner Form eingewirkt bzw. auf einen Entzug der Gemeinnützigkeit der Bürger- nicht nachweisbar oder dokumentierbar sind. initiative gedrängt?

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2. Stützt sich das Finanzamt bei seinem Vorge- Anlage 66 hen auf Urteile von Gerichten? Antwort 3. Ist es üblich, dass Finanzbehörden aufgrund von Vermutungen oder Unterstellungen tätig des Ministeriums für Inneres, Sport und Integration werden? auf die Frage 69 der Abg. Markus Bosse (SPD)

Die Steuerbefreiung einer Körperschaft wegen der Nach welchen Kriterien wird die Sanierung von kommunalen Sportstätten gefördert? Förderung steuerbegünstigter Zwecke wird spätes- tens alle drei Jahre überprüft (Anwendungserlass Im Rahmen der Initiative Niedersachsen wurde zur Abgabenordnung, zu § 59 Nr. 7). Dabei muss die Sanierung von kommunalen Sportstätten aus Mitteln des Konjunkturpaketes II vom Minis- die tatsächliche Geschäftsführung eines Vereins terium für Inneres, Sport und Integration vorge- den satzungsmäßigen Bestimmungen entsprechen stellt. Darin ist festgelegt, eine Sanierung von (§ 63 Abs. 1 AO). Die hier angesprochene Bürger- Sporthallen u. a. nach dem Alter, dem energeti- initiative ist insoweit genauso behandelt worden schen Zustand und regionaler Verteilung von Sportstätten zu finanzieren. In der Samtge- wie jede andere Vereinigung auch. meinde Asse, in der Samtgemeinde Oderwald und in der Samtgemeinde Schöppenstedt gibt Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen es jedoch dringend sanierungsbedürftige der Abgeordneten Herrn Helge Limburg, Herrn Sporthallen, deren Erbauung nach dem Jahr 1965 erfolgte, sodass keine Zuwendungen vom Stefan Wenzel, Herrn Hans-Jürgen Klein und Frau Land Niedersachsen für eine Sanierung bereit- Miriam Staudte im Namen der Landesregierung gestellt werden. Für diese Samtgemeinden ist wie folgt: eine Sanierung mit eigenen finanziellen Mitteln unmöglich. Mit erheblichem Verwaltungsauf- Zu 1: Nein. Das Finanzministerium hat von der wand haben die Samtgemeinden Förderanträge gestellt. Mitte Juni 2009 war lediglich über das Angelegenheit am Dienstagmittag (18. August Internet zu erfahren, welche Kommunen für die 2009) anhand einer dpa-Nachricht erfahren. Die Förderung berücksichtigt wurden. Inzwischen erstmalige Befassung der Hausspitze erfolgte am war sogar der Antragstermin für Maßnahmen Nachmittag desselben Tages, als der Journalist aus dem Investitionspaket 2009 bei der NBank für die energetische Sanierung von Gebäuden Voges von der Nachrichtenagentur ap unter Be- der sozialen Infrastruktur verstrichen. zugnahme auf die dpa-Nachricht die Pressestelle um eine Stellungnahme bat. Eine Einflussnahme Ich frage die Landesregierung: scheidet daher aus. 1. Warum erhalten Sporthallen aufgrund ihres Alters Zuwendungen und nicht aufgrund ihres Zu 2: Das Finanzamt hat gehandelt gemäß dem Zustandes? bundeseinheitlichen Anwendungserlass zur Abga- 2. Welche regionalen Kriterien haben bei der benordnung und das Urteil des Bundesfinanzhofes Auswahl der Zuwendungen gegolten, und in- vom 29. August 1984, Az. I R 215/81, zitiert. wieweit wurde bei der Vergabe der Zuwendun- gen die Verbesserung des energetischen Zu- standes berücksichtigt? Zu 3: Die Steuerverwaltung wird nicht aufgrund von Vermutungen und Unterstellungen tätig. Sie ist 3. Warum wurden die Anträge auf Förderung von Sportstätten aus dem Konjunkturpaket II im Besteuerungsverfahren aber verpflichtet, auf- nicht automatisch als Antrag zum Investitions- grund des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 88 paket 2009 gewertet? AO den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Eine Mit der Bildung eines Förderschwerpunktes kom- Aufklärungspflicht besteht, wenn Anhaltspunkte munale Sportstätten im Rahmen des Konjunktur- dafür vorliegen, dass steuerrechtlich relevante paketes II mit einem Fördervolumen von insgesamt Sachverhalte nicht ausreichend geklärt sind. An- 40 Millionen Euro hat die Landesregierung der haltspunkte hierfür können sich selbstverständlich Bedeutung der kommunalen Sportstätten für die aus öffentlichen Berichterstattungen ergeben. Sportinfrastruktur in Niedersachsen Rechnung getragen. Zuzüglich des kommunalen Eigenanteils von 20 % stehen damit 50 Millionen Euro für die Sanierung der Sportstätten zur Verfügung. Nach der Förderrichtlinie vom 12. März 2009 wird die Sanierung von Sportanlagen nach Maßgabe des Artikels 104 b GG sowie des § 3 Abs. 1 Zu-

InvG gefördert. Die Sanierung von Turnhallen ist

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dabei vorrangig. Bei der Entscheidung über die letzten Jahren schon mit Mitteln des Landes geför- Förderung werden nach Nr. 2.1 der Richtlinie ins- dert worden ist. Von den danach noch förderfähi- besondere das Alter und die Verbesserung des gen Anträgen wurden die Turnhallen nach ihrem energetischen Zustandes der Sportanlage sowie Alter ausgewählt. Allerdings wird nur eine Turnhal- eine ausgewogene Verteilung der Mittel berück- le pro Kommune gefördert, sodass eine ausgewo- sichtigt. gene Verteilung der Mittel erfolgt. Von einer För- derquote pro Landkreis wurde abgesehen, da Bis zum 30. April 2009 sind rund 800 Anträge auf dann nicht die sanierungsbedürftigen Hallen sa- Förderung der Sanierung von Sportstätten gestellt niert werden könnten. worden. Durch die schnelle und unbürokratische Entscheidung über die Förderanträge wurden die Eine weitergehende Prüfung etwa mittels einer Kommunen, deren Turnhallensanierung gefördert baufachlichen Begutachtung in jedem Einzelfall wird, in die Lage versetzt, bereits in den Sommer- konnte schon wegen der Notwendigkeit einer ferien mit den Maßnahmen zu beginnen. Insbe- schnellen Umsetzung des Förderprogramms nicht sondere wurde auf eine baufachliche Prüfung in Betracht kommen. durch Dritte verzichtet. Damit wurde sichergestellt, dass die bereitgestellten Konjunkturmittel zeitnah Zu 3: Vorhaben im Rahmen des Investitionspakts der Bauwirtschaft zugute kommen. Darüber hinaus werden nach der Richtlinie über die Gewährung wird § 1 Abs. 2 ZuInvG Rechnung getragen, wo- von Zuwendungen zur Förderung der energeti- nach die Mittel des Konjunkturpaketes mindestens schen Erneuerung und Modernisierung von Ge- zur Hälfte bis zum 31. Dezember 2009 verausgabt bäuden der sozialen Infrastruktur in den Gemein- sein sollen. den (Förderrichtlinie Investitionspakt) gefördert. Die NBank ist die zuständige Bewilligungsstelle. Durch die schnelle Umsetzung des Förderschwer- Das Land hat mit Ausschreibung vom 11. März punktes kommunale Sportstätten werden die Kom- 2009 (Nds. MBl. Nr. 12/2009, S. 348) alle Kommu- munen auch in die Lage versetzt, gegebenenfalls nen aufgefordert, bis zum 1. Juni 2009 ihre För- die ihnen zur Verfügung gestellten Investitionspau- deranträge bei der NBank einzureichen. Dort sind schalen für die Sanierung von Sportstätten zu ver- mehr als 180 Förderanträge eingegangen. Darun- wenden. ter waren auch Anträge für die Förderung von Vor- In allen Fällen der Förderung wird mit der Sanie- haben, für die die Kommunen parallel Mittel aus rung der energetische Zustand der Turnhallen dem Konjunkturpaket II beantragt hatten. erheblich verbessert. Die Betriebskosten der Hal- len für die Kommunen werden erheblich sinken. Als besonders förderfähig gelten beim Investitions- Die Zuwendungen sollen auch dem Vereinssport in pakt die Vorhaben, die Kindern und Jugendlichen den Kommunen zugute kommen. Gefördert wird zugute kommen. Es handelt sich dabei um Kinder- daher nur die Sanierung der Sporthallen, für deren gärten/-tagesstätten, Schulen, Jugendzentren und Benutzung die Kommunen keine Gebühren oder Sport- und Mehrzweckhallen. privatrechtlichen Entgelte von den Sportvereinen Die Fördervoraussetzungen des Investitionspakts erheben. und des Konjunkturpakets II unterscheiden sich. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündli- Bei den Vorhaben nach dem Investitionspakt ist che Anfrage namens der Landesregierung wie die energetische Sanierung auf Neubauniveau folgt: nach der Energieeinsparverordnung/DIN 18599 zwingend vorgeschrieben. Der Nachweis ist an- Zu 1 und 2: Entsprechend Nr. 2.1 Satz 2 der För- hand eines Energiebedarfsausweises zu führen derrichtlinie wird mit den Fördermitteln vorrangig und der NBank bei Antragstellung vorzulegen. Es die Sanierung von Turnhallen finanziert. Bei der bedarf daher einer Vorplanungsphase bei den Auswahl der zu fördernden Hallen war nicht das Kommunen. Bei einer nachträglichen Antragstel- Baujahr das alleinige Kriterium. Unabhängig vom lung einzelner Kommunen hätte sich die Förder- Alter wurde die Sanierung von Hallen nicht geför- entscheidung zulasten aller Kommunen, die ihre dert, deren Sanierung in der betreffenden Kommu- Förderanträge fristgerecht eingereicht haben, ganz ne nicht erste Priorität hatte, die im Vergleich zu erheblich verzögert. anderen Hallen in geringerem Umfang belegt (ausgelastet) werden oder in geringerem Umfang Die Kommunen, die für dasselbe Vorhaben nicht energetisch saniert werden sollen. Auch wurden bereits Fördermittel aus dem Konjunkturpaket II keine Turnhallen gefördert, deren Sanierung in den erhalten, werden bei Vorliegen der übrigen Förder-

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voraussetzungen bei der Fördermittelvergabe nach Die Giftstoffe sind auch in Heu und Silage wirk- dem Investitionspakt 2009 berücksichtigt. sam. Die Giftstoffe werden nicht ausgeschieden und kumulieren sich in der Leber des Tieres; sie

wirken erst nach längerer Zeit (chronische Giftig- Anlage 67 keit) und können zum Tod des Tieres führen. So- wohl bei akuter Vergiftung nach Aufnahme höherer Antwort Mengen an Jakobskreuzkraut als auch bei chroni- des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, scher Vergiftung durch Aufnahme kleinerer Men- Verbraucherschutz und Landesentwicklung auf die gen über einen längeren Zeitraum hinweg ist eine Frage 70 des Abg. Jan-Christoph Oetjen (FDP) Behandlung und Heilung der Tiere aussichtslos. Gefahrenabwehr beim Jakobskreuzkraut Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Bereits 2007 hat das Bundesinstitut für Risiko- Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: bewertung (BfR) in einer Stellungnahme die Gefährdungen von Mensch und Tier durch den Zu 1: In Zusammenarbeit zwischen dem Nieder- Verzehr von Teilen des Jakobskreuzkrauts und sächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirt- verwandten Pflanzen ausführlich beschrieben. schaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung, Der Bundesverband beamteter Tierärzte (BbT) dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt- zählt die auf Kreuzkräuter zurückzuführenden Erkrankungen weltweit sogar zu den verlust- und Klimaschutz, dem Pflanzenschutzamt der reichsten pflanzenbedingten Vergiftungen bei Landwirtschaftskammer Niedersachsen, dem Haustieren und Menschen. NLWKN, dem Niedersächsischen Städte- und Die zunehmende Verbreitung von Kreuzkräu- Gemeindebund, der Niedersächsischen Landes- tern, der mangelnde Informationsfluss über behörde für Straßenbau und Verkehr, dem Nieder- Vorkommen und Gefährdungen, eine nicht flä- sächsischen Landkreistag und dem Niedersächsi- chendeckende und ineffiziente Bekämpfung, gepaart mit der spezifischen Wirkungsweise schen Städtetag wurde ein Merkblatt erstellt, das von verschiedenen lebertoxischen Alkaloiden Maßnahmen zur Eindämmung und zum Vorkom- und einer ganzjährigen Exposition, u. a. durch men des Jakobskreuzkrautes beschreibt. konserviertes Futter und Lebensmittel, bedin- gen somit eine zunehmende Gefährdung von Zusätzlich wird über Artikel sowohl in Fachzeit- Mensch und Tier. schriften für z. B. Pferdehalter als auch in der örtli- Ich frage die Landesregierung: chen Presse regelmäßig durch das Pflanzen- schutzamt der LWK Niedersachsen zum Jakobs- 1. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die notwendige Aufklärung und Informations- kreuzkraut informiert. versorgung alle Verantwortlichen, insbesondere auch Hobbytierhalter, Futtermittelhersteller und Für März 2010 plant die LWK Niedersachsen ein Verbraucher, erreicht? eintägiges Seminar zum Umgang mit Jakobs- kreuzkraut. Angesprochen werden sollen in erster 2. Inwiefern führt die Lebensmittelkontrolle in Niedersachsen Untersuchungen durch, die die Linie Landwirte und Hobbytierhalter. möglichen Aufnahmepfade der verschiedenen lebertoxischen Alkaloide für den Menschen im Zu 2: Das Niedersächsische Ministerium für Ernäh- Blick hat? rung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Lan- desentwicklung hat bereits im Sommer 2007 nach 3. Wie beurteilt die Landesregierung eine bun- desweit einheitliche und somit länderübergrei- der ersten Bewertung des gesundheitlichen Risi- fende Vorgehensweise bei der Bekämpfung der kos eines möglichen Verzehrs der Pflanze Senecio Kreuzkräuter, beim Verbraucherschutz, bei der vulgaris L. sowie von anderen auf mitteleuropäi- Einführung einer Meldepflicht und bei der Auf- schen Ackerflächen wachsenden Senecio-Arten nahme der Kreuzkräuter in die offizielle BMU- Giftpflanzenliste? durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) verstärkte Untersuchungen von zerkleinerten ver- Das Jakobskreuzkraut hat sich stark ausgebreitet zehrsfertigen Gemüse- und Blattsalaten veran- und insbesondere in den vergangenen zwei Jah- lasst. Die Untersuchungen zeigten, dass das Aus- ren einen hohen Bekanntheitsgrad aufgrund seiner maß der Verunreinigung mit Fremdkräutern bei auffälligen Blütenstände und der in regelmäßigen den Salatproben als äußerst gering zu beurteilen Pressemitteilungen (Fachpresse, Tageszeitung) war, da lediglich in einer Probe Rucola ein sehr thematisierten Giftigkeit für Weidetiere bei Auf- kleines Kreuzkrautbestandteil gefunden wurde. nahme mit dem Grundfutter erlangt. Alle anderen Salatproben waren ohne Verunreini- Die ganze Pflanze ist für Rinder und Pferde stark gung mit Fremdkräutern. giftig; Schafe und Ziegen sind weniger empfindlich.

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Nach dem kürzlich bekannt gewordenen Fall einer Verunreinigung eines in der Region Hannover gekauften Rucolasalats hat die zuständige Le- bensmittelüberwachungsbehörde verstärkt Kontrol- len durchgeführt. Dabei wurde eine Probe als ver- dächtig herausgefiltert und zur Untersuchung an das Lebensmittelinstitut Oldenburg des Nieder- sächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) gesandt. Das Untersuchungsergebnis war jedoch negativ; es wurden keine Bestandteile des Gemeinen Kreuz- krautes festgestellt.

Aufgrund des aktuellen Geschehens hat das Minis- terium erneut ein Untersuchungsprogramm initiiert, mit dem in Zusammenarbeit des LAVES mit den kommunalen Lebensmittelüberwachungsbehörden

20 Proben Rucola im Handel entnommen und im Lebensmittelinstitut Oldenburg auf Bestandteile von Gemeinem Kreuzkraut untersucht werden. Des Weiteren werden im LAVES Schnittsalat- und

Getreideproben im Rahmen laufender Projekte zusätzlich auf derartige Bestandteile untersucht. Bei den zwölf bisher untersuchten Proben konnten keine Bestandteile von Kreuzkraut festgestellt wer- den. Von einer potenziellen Gefahr für den Menschen ist nicht auszugehen, da weder die Pflanze noch Pflanzenteile zu den essbaren Nahrungsmitteln zählen. Zu 3: Eine spezielle gesetzliche Regelung zur Be- kämpfung des Jakobskreuzkrautes existiert nicht, u. a. auch deshalb nicht, weil das Jakobskreuz- kraut als heimische Pflanze anzusehen ist. Pflanzenschutzmittel dürfen entsprechend dem Pflanzenschutzgesetz nur auf gärtnerisch oder landwirtschaftlich genutzten Flächen eingesetzt werden. Auf Wiesen und Weiden wird das Jakobs- kreuzkraut als unerwünschte Pflanze angesehen und gegebenenfalls bekämpft. Für andere Freiflä- chen besteht eine Genehmigungspflicht. Auf öf- fentlichen Grünflächen kann eine örtliche Bekämp- fung im Einzelfall sinnvoll sein, wenn dadurch eine Übertragung auf z. B. Weideflächen zu befürchten ist. Die Anordnung dazu muss dann von den zu- ständigen Behörden kommen (Landkreise oder Landesbehörden) und erfordert die Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde. Aus Sicht des Pflanzenschutzes ist eine weiterfüh- rende gesetzliche Regelung zur Bekämpfung des

Jakobskreuzkrautes oder die Einführung einer Meldepflicht nicht notwendig.

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Anlage 1 zu Frage 31

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Anlage 2 zu Frage 31

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