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Glarus Süd : der Weg zum blauen Schild mit Bäldi-Stern : die Suche nach Namen und Wappen für die Gemeinde Süd

Autor(en): Kamm, Rolf

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Archives héraldiques suisses = Schweizer Archiv für Heraldik = Archivio araldico svizzero : Archivum heraldicum

Band (Jahr): 125 (2011)

Heft 1

PDF erstellt am: 05.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-746936

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http://www.e-periodica.ch Glarus Süd - Der Weg zum blauen Schild mit Bäldi-Stern Die Suche nach Namen und Wappen für die Gemeinde Glarus Süd Rolf Kamm

An der Landsgemeinde 2006 entschieden die Glarnerinnen und Glarner die Fusion von 25 Gemeinden zu nur noch drei Einheitsgemeinden. Die zukünftigen Gemeinden erhielten die Arbeitsnamen «Glarus Nord» (Glarner Unterland mit Kerenzerberg), «Glarus Mitte» (Glarner Mittelland) und «Glarus Süd» (Glarner Hinterland mit Gross- und Kleintal). Im Juni 2007 wurde der Schreibende mit der Bildung einer Arbeitsgruppe «Namen und Wappen Glarus Süd» betraut. Aufgabe dieses Gremiums war, für die neue Gemeinde einen oder mehrere Namen und Wappen zu erarbeiten, die der Bevölkerung dann zur Abstimmung vorgelegt würden. Im Unter- und im Mittelland wurden ähnliche Arbeitsgruppen gebildet, die sich unter der Ägide des kantonalen Hauptabteilungsleiters Kultur mehrmals mit der Arbeitsgruppe «Glarus Süd» trafen. Trotzdem: Die Arbeitsgruppen waren eigentlich frei in ihren Entscheidungen und Vorgehensweisen, verantwortlich waren sie nur gegenüber den Projektleitungen ihrer zukünftigen Gemeinden. Die 13 ehemaligen Gemeinden im Glarner Hinterland bilden seit 2011 die flächenmassig grösste Gemeinde der Am 23. April 2009 entschieden sich Schweiz. die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Gemeinde Glarus Süd für den Namen «Glarus Süd» und eine Variante des von der älter. Gibt es aber darüber hinaus historische Arbeitsgruppe gemachten Wappen-Vorschlags: Namen, die das ganze Gemeindegebiet von in Blau ein vielzackiger, goldener Stern über Glarus Süd bezeichnen? einem gestürzten, silbernen Wellensparren. Im Die Bezeichnungen «Sernetal» oder Folgenden soll erläutert werden, wie die grösste «Sermetal» (Sernftal) und «Lint Tal» oder Gemeinde der Schweiz zu ihrem Namen und «Lintal» (Tal der ) finden wir bereits auf ihrem Wappen kam. Wie war die historische, den frühesten Glarner Karten von 1538 und namenkundliche und heraldische Ausgangslage 1586. Die Bezeichnung «Serniftal» wurde aber im Hinterland? Wie ging die Arbeitsgruppe nachweislich bereits im 13. Jahrhundert für das vor? Und wie kam die Entscheidung der östliche Haupttal verwendet. Im 17. Jahrhundert Gemeindeversammlung schliesslich zustande? wird das gleiche Tal einmal «Freyberger Thal» und später meistens auch «Klein Thal» genannt. Historische Ausgangslage im Hinterland Dementsprechend bürgerte sich für das westliche Name Haupttal dann auch der Name «Gross(es) Die Gemeinde Glarus Süd entstand aus 13 Thal» ein. Die Bezeichnungen «Grosstal» und Gemeinden, die wiederum aus rund zwanzig «Kleintal» sind bis heute geläufig.1 gut erkennbaren Weilern oder Dorfteilen bestanden. 1 Diese Dorfnamen gehen meist auf Jenny-Kappers, S. 1-14 (inkl. Tabellen); RQGL 1, Nr. das Mittelalter zurück oder sind sogar noch 5, S. 8; Slg. Ryhiner; Kamm/Schätti.

38 Archivum Heraldicum 1-2011 Im Jahr 1548 erklärte der Glarner Rat auf Antrag des Landammannes Joachim Bäldi das Gebiet zwischen Sernf und Linth zum Jagdbanngebiet. Seither bezeichnet «Freyberg», «Freiberg» oder «Friberg» das Gebiet südlich von Schwanden, auf Karten aber häufig nur dessen höchsten Gipfel.2

In der Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden Karten, die der ganzen Region südlich von Mitlödi den Namen «Der Hinterste Theil (des Glarnerlandes)» gaben. Die Grenzen der drei Regionen Unterer, Mittlerer und Hinterster Teil verlaufen gemäss diesen Karten nicht entlang topografischer Gegebenheiten, sondern wirken sehr künstlich, ähnlich US-amerikanischen Bundestaatsgrenzen. Auf den gleichen Karten Die sogenannte Faden-Karte von 1799 nennt für das bezeichnet nun «Freiberg» das gesamte Gebiet Glarner Hinterland die Namen «Friberg», «Linthal» und zwischen Linth und Sernf und nicht nur «Sernff Thal». einen bestimmten Berg. Daran änderte sich in den folgenden Jahrhunderten kaum etwas, An der Wende zum 21. Jahrhundert auch wenn «Freiberg» in moderneren Karten befand sich das Glarnerland nach allgemeinem meist nur den Ostteil des Gebietes zu bezeichnen Empfinden in einer langandauernden scheint. Die Bezeichnung «Hinterster strukturellen Krise. Gerade das Hinterland Teil» oder «Hinterland» (auch Mittel- und erhoffte sich eine Besserung der Lage durch Unterland) kommen auf Karten des 19- und die verstärkte Förderung des Tourismus. Mehr des 20. Jahrhunderts dagegen nicht mehr und mehr war man nun der Meinung, die vor, blieben aber im Alltag präsent: Man Zusammenarbeit unter den Gemeinden müsse spricht beispielsweise vom «Hinterländer verstärkt werden und gerade im Tourismus Dialekt», jedes Jahr erscheint der «Neujahrsbote habe Kirchturmpatriotismus nichts mehr für das Glarner Hinterland (Grosstal und verloren. Parallel dazu nahm die Zahl derjenigen Sernftal)» und vor vierzig Jahren entstand die zu, die die Bezeichnung «Hinterland» als Regionalplanungsgruppe «Glarner Hinterland- abwertend oder rufschädigend empfanden. Die Sernftal». Wie das letzte Beispiel zeigt, wird traditionelle Bezeichnung wurde in Werbe- und «Hinterland» nicht selten mit «Grosstal» Imagekampagnen nun häufig durch das gleichgesetzt, obwohl das Sernftal oder Kleintal politisch korrekte «südliche Glarnerland» ersetzt. historisch unbestritten Teil des Hinterlandes ist.3 Das machte Schule: Als Kurt Reiffler an der Zu einer politischen Einheit verschmolz Landsgemeinde 2006 den Abänderungsantrag das Glarner Hinterland einzig während der stellte, der zu den drei Einheitsgemeinden Helvetik: 1798 wurde der Kanton Glarus mit führte, wählte er die Arbeitsnamen «Glarus dem Sarganserland, dem Gaster, mit Uznach Nord», «Glarus Mitte» und «Glarus Süd». Das und Teilen des Toggenburgs, Schwyz' und Stimmvolk entschied sich für drei Gemeinden des Rheintals zum Kanton Linth vereinigt, und gab damit indirekt auch den Arbeitsnamen Glarus wurde dessen Hauptort. Das ehemalige seinen Segen. Kantonsgebiet wurde weiter in zwei Distrikte Das Glarner Hinterland hiess ab da in aufgeteilt: den Distrikt Glarus (Mittel- und allen Angelegenheiten, die die Fusion betrafen, Unterland) und den Distrikt Schwanden (das «Glarus Süd». Zur neuen Gemeinde sollte nun Hinterland mit Mitlödi). Bereits 1803 aber auch Mitlödi gehören, das man gemeinhin verschwand der Distrikt Schwanden wieder von nicht zum Hinterland zählt. Die Grenzen von der Bildfläche, «Hinterland» blieb ein geogra- «Glarus Süd» waren also identisch mit denjenigen fischer Begriff.3 des Distriktes Schwanden von 1798.

2 Wappen Winteler 1, S. 430f; S. 7-16; Slg. Jenny-Kappers, Ein Gebiet wie das Ryhiner; Kamm/Schätti. Glarner Hinterland, 3 das Jenny-Kappers, S. 5-33; Slg. Ryhiner. (fast) nie eine politische Einheit gebildet 3 Winteler 2, S. 283-341. hat, verfügt über keine historischen

Archivum Heraldicum 1-2011 39 Das heraldisch verunglückte Fusionswappen der Gemeinde von 2004 und seine drei Vorgänger aus den 1930er-Jahren (Diesbach, Hätzingen und Luchsingen)

Schon im 19. Jahrhundert fanden im Hinterland kleine Gemeindestrukturreformen statt: 1868 entstand die Gemeinde und 1876 schloss sich das Dorf Thon der Gemeinde Schwanden an. Letzteres war aber angesichts der Grössenverhältnisse eher eine Eingemeindung, und Gemeindewappen spielten damals noch kaum eine Rolle. Im 19- Jahrhundert gab es im Kanton Glarus wahrscheinlich lediglich zwei Gemeinden, die überhaupt ein Gemeindewappen kannten: Näfels Herrschaftszeichen. Auch die Stempel und im Unterland (vor 1608) und Schwanden. Siegel des Distrikts Schwanden zeigen lediglich Die früheste bekannte Darstellung des Symbole der Helvetik oder gar der Revolution Schwander Wappens aus dem Jahr 1718 findet ganz allgemein und weisen keine regionalen sich auf einem Brunnen, das Wappen selbst Merkmale auf. Eine besonders bedeutende dürfte aber älter sein. Bei der Erweiterung adlige Familie hat es im Hinterland auch nicht der Kirche 1753 wurde an deren Chordecke gegeben oder zumindest kennen wir deren ebenfalls ein Wappen angebracht, diesmal Namen, Wappen oder Siegel nicht. Ohnehin in Farbe: in Rot auf einem grünen Berg ein sind das Gross- und das Kleintal an «wappenfähigen» schreitender und bewehrter silberner Schwan. Attraktionen wie Bauten und Legenden Später zeigte das Schwander Wappen einen eher arm. blauen Hintergrund und der Schwan bekam Die einzigen Herrschaftszeichen im hinteren eine Krone, während der Berg verschwand. Glarnerland waren die Gemeindewappen. Das Wappen wurde im 19. Jahrhundert von Bis 2004 gab es demnach 17 offizielle der Gemeinde und der (Gemeinde-)Polizei als Wappen im Hinterland, bei der Geburt von Siegel verwendet, zum Teil in Kombination mit Glarus Süd noch deren 13. Im Jahr 2004 dem Kantonswappen. Die übrigen Gemeinden hatten Luchsingen, Hätzingen und Diesbach siegelten damals mit dem Landesschild.6 zur Gemeinde Luchsingen fusioniert. Zwei Jahre darauf war aus Haslen, und Der Anstoss zu den übrigen Gemeindewappen Leuggelbach die neue Gemeinde Haslen kam nach dem Ersten Weltkrieg «von entstanden. So kamen zwei neue Wappen hinzu, unten». Für die Mittelländer Gemeinde sogenannte Fusionswappen, die verschiedene hattePfarrerPaulThürereineGemeindegeschichte Elemente der alten Wappen vereinigten.5 verfasst, in der das Wappen der ausgestorbe-

5 Vgl. Rüegg, Glarus. 6 Tschudi/Winteler, S. 172.

40 Archivum Heraldicum 1-2011 Erbe (5) oder sind Fusionswappen verschiedener Weiler und Dorfteile (4), also eigentlich auch sprechende Wappen. Im Hinterland sind Bauwerke und Bäche besonders häufige Motive. Interessanterweise befanden nur drei Gemeinden an der Gemeindeversammlung über ihre Wappen, in allen anderen entschied der Gemeinderat. Schwändi liess als einzige Hinterländer Gemeinde die Stimmbürger entscheiden. Die historische Untermauerung und Erklärung der Wappen lieferte der damalige Glarner Landesarchivar Jakob Winteler, die Gestaltung der Wappen übernahm Ida Tschudi- Schümperlin. Deren Tochter Lill Tschudi, die später berühmt gewordene Künstlerin, fertigte Linolschnitte aller Wappen an, die ihre heute noch gültige Form darstellen.8 Im Glarner Hinterland gab es vor der Fig. 4 grossen Fusion 2011 also ein mindestens 400-jähriges Gemeindewappen, 16 etwa 70-jährige Gemeinde- und Dorfwappen und nen Familie Netstaler Erwähnung fand. Auf zwei mehr oder weniger beliebte ganz neue Vorschlag Thürers erhob der Gemeinderat Fusionswappen. Fast alle diese Wappen 1921 eine leicht abgeänderte Variante des symbolisierten uralte Dorfschaften und alle - auch «in Rot steigenden silbernen Widders» zum die Fusionswappen — standen für Namen, die Gemeindewappen. Bald darauf erhob seit dem Mittelalter bestanden. (Unterland) ein Wappen zum Hoheitszeichen, das bereits vom Männerchor genutzt worden Die Suche nach Namen und Wappen war. Auch auf der Kirchturmspitze sei es einst Unterschiedliche Vorgehensweisen angebracht gewesen, wie ältere Leute noch zu Der Kanton, das heisst Regierungs- und berichten wussten. Mollis bediente sich also Landrat, betrachtete die Namensgebung als eines bestehenden (Gemeinde?)-Wappens.1 «recht heikle Angelegenheit» und war Die übrigen Gemeinden Hessen sich Zeit. vielleicht auch deswegen von Anfang an der Erst 1938 folgte im Unterland Ansicht, dass darüber die Stimmberechtigten — Standort einer Burgruine — mit einer zu entscheiden hätten. Auch wurde stets Kombination zweier mittelalterlicher Wappen. versichert, dass die alten Namen ja weiterleben Im Jahr darauf bediente sich auch Glarus würden. Da der Kanton ursprünglich von zehn eines mittelalterlichen Motivs für sein neuen Gemeinden ausging, war für ihn die Gemeindewappen: Wie das Siegel der Ritter von Übernahme eines bestehenden Namens — und Glarus, zeigte auch das Wappen des Hauptortes damit auch Wappens — die nächstliegende einen in Gold stehenden, schwarzen Steinbock. Lösung.9 Nach Ansicht des Landesarchivars Die meisten übrigen Gemeinden folgten noch Fritz Rigendinger sollte auf «Phantasienamen im gleichen Jahr, 1940 und 1941 machten dann nach Möglichkeit verzichtet werden», während die Kleintaler und die Kerenzer Gemeinden er die drei «geläufigen und mittlerweile den Abschluss. Dass gerade 1939 so viele schon recht gebräuchlichen» Arbeitsnamen Wappen entworfen und genehmigt wurden, lag für möglich erachtete. Rigendinger äusserte zweifellos am geplanten «Fahnenhimmel» auf sich auch erstmals zu den Wappen, für die der sogenannten Höhenstrasse an der Schweizer er heraldisch korrekte Neuschöpfungen Landesausstellung im Mai 1939- favorisierte, Fusionswappen hielt er für verfehlt. Die Gemeindewappen waren in drei 8 Fällen sprechende Wappen, Adaptionen von Vgl. dazu Tschudi/Winteler, S. 145-173. 9 Familienwappen (6), zeigten Bauwerke (6), GSR Landratsvorlage, Kap. 5: Verfassungsänderungen, 20. 9- 2005; Anhörungsverfahren, Regierungsrat an den Naturdenkmäler (5), verwiesen auf historisches Landrat, 10. 1. 2006 und Neue Strukturen für den Kanton Glarus: Informationsbroschüre des Regierungsrates, Februar 7 Tschudi/Winteler, S. I45f und 163. 2006.

Archivum Heraldicum 1-2011 41 Links das Familienwappen der Bäldi, rechts die von Ruedi Jenny vorgelegte Sonne.

Fig. 5

Zudem müssten Namen und Wappen der drei Gemeinden aufeinander abgestimmt werden oder aber völlig verschieden sein: «Eine Kombination wie beispielsweise , und ist nach Möglichkeit zu verhindern».10 Zur Koordination lud der Kanton im Folgenden immer wieder zu gemeinsamen Workshops ein, an denen sich die drei Arbeitsgruppen austauschen konnten. Angesichts der historischen Gegebenheiten war man in allen drei Regionen recht ratlos. Die traditionellen Regionen des Glarnerlandes boten wenig Handhabe für die Suche nach Namen und nach Wappen. Dass man den Namen der grössten Teil-Gemeinde wählte, Der erste Vorschlag, der den Tödi ins Spiel brachte, war bot sich eigentlich nur im Mittelland an, wo noch eher ein Logo als ein Wappen. der Hauptort klar das Zentrum bildete und auch deutlich am einwohnerstärksten war. Im Unterland mit acht verstreuten Dörfern und Debatte zu lancieren. Im Gegensatz zu vielem, erst recht im Hinterland mit 17 Dörfern in was beim Start der neuen Gemeinden schlicht zwei Tälern konnte von einer Eingemeindung funktionieren sollte, waren und sind Namen und keine Rede sein. Das bedeutete, dass der Wappen vor allem eine Gefühlsangelegenheit, Name von Anfang an das grössere Problem die viel mit Identifikation und mit Geschmack darstellen würde. Das Wappen musste «nur» zu tun hat. Im Gegensatz zu den anderen passend, unverwechselbar, ästhetisch und Arbeitsgruppen fand sich in der Arbeitsgruppe heraldisch korrekt sein und eine Geschichte «Glarus Süd» niemand, der schon Vorschläge haben. gemacht hatte, sondern eine Anzahl von Leuten aus allen Teilen des Hinterlandes, beiderlei Alle drei Arbeitsgruppen waren sich einig, Geschlechts, aus möglichst unterschiedlichen dass man Ideen und Meinungen aus der Branchen und Altersgruppen. Schliesslich Bevölkerung irgendwie miteinbeziehen müsse, konnte der Schreibende die Lehrerinnen nicht zuletzt weil das Volk schlussendlich und Hausfrauen Susanne Müller (Linthal) entscheiden würde, aber auch um eine breite und Sandra Elmer (Matt), den Unternehmer Hanspeter Schindler (Leuggelbach) und 10 Namen und Wappen der zukünftigen Gemeinden, den Hotellier Martin Vogel (Braunwald) Projektbeschrieb, 8. 5. 2007. gewinnen.

42 Archivum Heraldicum 1-2011 REGION DIE SÜDOSTSCHWEIZ I DIENSTAG, 11. SEPTEMBER 2007

KOMMENTAR Der Kanton lanciert die LASSEN WIR DEN HEILIGEN FRIDOLIN WO ER IST Gemeindewappen-Diskussion Von Fridolin Rast Als Diskussionsgrundlage sind c Der Kanton lädt zo einer Wappenentwürfe wohl gedacht, Auftaktveranstaltung ein über welche der Wappenkundler Han für die Namen und Wappen der Rüegg GL-2011-Projektl erarbeitet hat. Sie sind ein künftigen Gemeinden. Und tung der hoffentlich präsentiert wohl als Anregung Ausgangspunkt, - kreative Vielfalt im Kanton hera zu weiterer Kreativität eigene - fordert. So wie die Arbeitstil Vorschläge. Diese sehen dem gut welche die drei künftigen Gerne Kantonswappen sehr ähnlich. den heute haben: Glarus Nord, Von Fridolin Rast Glarus Mitte, Glarus Süd.

Glarus. - Unter dem Titel «Namen Denn Nan\en wie Wappenentwi und Wappen der drei neuen Gemeinden» fe sind vom Kanton her gedacht das lädt Departement Bildung der den heiligen Fridolin im Waj und Kultur einer Kick-off-Veran- zu hat. Natürlich sind die künf staltung ein. Daran teilnehmen werden pen dieses die Namen- undWappenkommis- gen drei GemeindenTeile sionen der drei künftigen Fusionsgemeinden Kantons. Aber sie wollen seine < Glarus Nord, Glarus Mitte 1 kennbaren und unverwechselba und Glarus Süd. j Tfeile sein. Auf dem Programm stehen etwa Ausführungen von Bildungs- und 1 Entsprechend unverwechselbar Kulturdirektor Jakob Kamm zur Bedeutung sollten die künftigen Wappen de von Name und Wappen. Dann sein. Der wird Landesarchivar Ritz Rigendin- drei Gemeinden Erklii sollte im Rahmen d ger, Koordinator Namen und Wappen rungsbedarf GL 2011, unter anderem über die heraldisch Erlaubten möglichst rechtlichen Grundlagen sprechen und klein sein. Kennt man sie einma Anforderungen an Name undWappen so müssen sie auf einen Blick ui skizzieren. ohne Farben- oder Flächenspiel reien zugeordnet werden könne Heiliger Fridolin - geklont? Gleich zweimal ist «Einheitlichkeit» einThema, nämlich in den Ausführungen Wir sind der einzige Kanton mi von Rigendinger und später im einem Menschen, dem heiligen Workshop, der von Jean-Claude Klei- dolin, imWappen. Lassen wir ih don »uch in die Gemeinde- dort und suchen wir für die kür Variation*» m Um Fridolin, DI. Entwurf, .on Hons Rlregg übernahmen Londesp.tron Fig. 7

Die Arbeitsgruppe «Glarus Süd» sah ihre der Begründer des Freibergs, Joachim Bäldi, Aufgabe nicht im Entwerfen eigener Wappen- ein ganz ähnliches Familienwappen mit einem Vorschläge oder im Erfinden eigener Namen, goldenen Stern geführt hätte. Eine Sonne mit 17 sondern in derModeration und Leitung der Suche Strahlen (für 17 Gemeinden) sollte den Bäldi- nach Sujets und Motiven. Die Suche nach denselben Stern ersetzen. Das erste Wappen lag auf dem begann in allen drei Regionen im Sommer Tisch der Arbeitsgruppe: das Wappen einer 2007 mit kurzen Bekanntmachungen in der ausgestorbenen Familie mit einem historischen glarnerischen Presse. Alle drei Arbeitsgruppen Bezug zur neuen Gemeinde, noch dazu betonten in ihren Aufrufen die Unmöglichkeit, passend zum Gemeindenamen. Leider stellte die alle alten Wappen zu kombinieren, und die Arbeitsgruppe bald fest, dass dieses Wappen Wichtigkeit der heraldischen Regeln. Die bereits der Gemeinde Sitren VS gehörte.12 Arbeitsgruppe «Glarus Süd» kündigte noch dazu eine «breite Diskussion — vielleicht mit Im September beteiligte sich nun auch der einer Ausstellung» - für den Herbst 2007 an." Kanton an der «Gemeindewappen-Diskussion». Der Projektleiter der Fusion «Glarus Süd», Kurz vor dem kantonalen Workshop Jakob Etrer, hielt am Nationalfeiertag 2007 veröffentlichte die regionale Tageszeitung zwei in Schwanden die 1.-August-Rede und präsentierte Dreiervorschläge des Heraldikers Hans Rüegg. auch gleich die zwei ersten Namen- und Als Varianten des Kantonswappens zeigten Wappen-Vorschläge. Er selber wie auch der alle den Heiligen Fridolin, allerdings mit Schwander Ruedi Jenny schlugen als Namen Schildhaupt, -fuss oder -rand und in teilweise «Fryberg» beziehungsweise «Friberg» vor. Der unterschiedlichen Farben. Die Entwürfe basierten eine Entwurf war eher ein Logo, das den Berg offensichtlich auf den Arbeitsnamen, die Tödi zeigte, das andere in Rot eine goldene Sonne. alle «Glarus» enthielten. Im Zeitungsartikel Jenny begründete seinen Vorschlag damit, dass stand zudem, beim Kanton sei viel von «Einheitlichkeit» die Rede und die kantonale 11 Vgl. Fridolin, 7. und 28. 6. 2007 und Südostschweiz, 26. 7. 2007. 12 Fridolin, 9. 8. 2007.

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Viele Vorschläge erfüllten die heraldischen Regeln nicht. andere Wappen mussten nur leicht überarbeitet werden, Auch die bearbeitete Variante genügt diesen Kriterien um «verstanden» zu werden. nicht, gibt aber einen besseren Eindruck der verwendeten Motive.

Fig. 10 Fig. 10a Fig. 10b

Fig. 10c Fig. lOd Fig. 10e

44 Archivum Fleraldicum 1-2011 Projektleitung wolle «Leitplanken setzen am leisten könnte. Immer wieder gehörte Namens- Weg zu den neuen Namen und Wappen». Der Vorschäge waren «Fryberg», «Schwanden» und nebenstehende Kommentar hatte den Titel sehr häufig «Glarus Süd». Die Mehrheit der «Lassen wir den Fridolin, wo er ist» und schloss Arbeitsgruppe war klar gegen «Schwanden» mit der Aufforderung zur Suche nach und tendenziell auch gegen den Arbeitsnamen, «unverwechselbaren, eigenen Wappen» und «ansprechenden wollte dies aber zu jenem Zeitpunkt noch nicht und identitätsstiftenden Namen».13 öffentlich kundtun.15 Am 19- Dezember fand wieder eine kantonale Damit war die Provokation perfekt. Am Sitzung statt. Die Arbeitsgruppe «Glarus kantonalen Workshop vom 13. September sah Mitte» war nun einstimmig für «Glarus» als sich der Kanton gezwungen, alle Bedenken Name für ihre neue Gemeinde. Alles andere auszuräumen. Es gebe «keinen Geheimplan wäre auch merkwürdig gewesen, hatte doch für neue Namen» und der Entscheid über noch nie ein Kantonshauptort seinen Namen Namen und Wappen liege einzig bei den geändert. Damit schien auch die Dreiheit von drei neuen Gemeinden, wurde betont. Für «Nord, Mitte und Süd» am Ende, das kühle die Arbeitsgruppen war der Fridolin damit «Glarus Nord» war im Unterland ohnehin eher vom Tisch. Dreiervorschläge hatten in allen unpopulär, mindestens die Arbeitsgruppe Arbeitsgruppen ohnehin einen eher schweren favorisierte den Namen «Linth». In der Wappenfrage Stand, und auch die Arbeitsnamen erfreuten einigte man sich darauf, alle Entwürfe von Hans sich dort nicht einer grossen Beliebtheit. Rüegg ausarbeiten zu lassen, um eine einheitliche Einmal mehr völlig einig war man sich in Darstellungsweise zu erreichen.16 der Einhaltung der heraldischen Regeln. Bis Ende 2007 waren bereits 30 Namen Geteilter Meinung war man dagegen bezüglich und etwa 20 Wappen eingereicht worden. der weiteren Vorgehensweise. Während Die Arbeitsgruppe betonte stets, man behalte man in «Glarus Süd» eine Präsentation vieler sich vor, nur «einzelne Aspekte oder Teile von Vorschläge, Konsultativabstimmungen und Wappen» zu verwenden oder «einzelne Elemente Umfragen anstrebte, erfolgte der Einbezug der aus verschiedenen Wappen zu kombinieren». Bevölkerung bei den andern beiden nicht im Im April 2008 waren es dann 42 Namen und gleichen Mass.1'1 etwa 30 Wappen, die zum grossen Teil auf der Homepage der Hinterländer Projektleitung «Wettbewerb» und Umfrage und in der «Regiuus Zytig» der Hinterländer Am 25. November 2007 bestätigte die Gewerbevereine erschienen. Möglich war das nur ausserordentliche Landsgemeinde die Fusion zu drei geworden, weil sich ein Freund des Schreibenden Gemeinden deutlich. Einige Befürworter der bereit erklärt hatte, die Wappen-Vorschläge Reform hatten Mützen m it dem Kantonswappen in eine einigermassen wappenartige Form zu und der Aufschrift «Glarus Nord», «Glarus bringen. Zu allen Wappen gab es eine kurze Mitte» beziehungsweise «Glarus Süd» herstellen Erläuterung, einen Kommentar zur heraldischen lassen. An diesem Sonntag eine solche Mütze Qualität und Hinweise aufgleiche oder ähnliche zu tragen, war ein deutliches Statement für die Wappen in der Schweiz. Fusion. Gleichzeitig wurden die Arbeitsnamen erstmals hundertfach und in einem sehr emotionalen Die Umfrage stiess auch ausserhalb des Kontext popularisiert, Plakate, T-Shirts Kantons auf einiges Interesse: Der Schreibende und Zuckersäcklein sollten noch folgen. erhielt Besuch eines Journalisten des Am Tag danach traf sich die Arbeitsgruppe «Tagesanzeigers» und vom Schweizer Fernsehen, «Glarus Süd» zu ihrer zweiten Sitzung. Das ein Basler Privatradio machte ein Interview.17 Hauptthema war die Qualität der eingegangenen Die Umfrage half der Arbeitsgruppe bei Wappen-Vorschläge, die heraldischen der Gestaltung ihrer Wappenvorschläge. Die Kriterien oft nicht genügte. Man war sich einig, dass die meisten Wappen vor einer 15 Protokoll der AG Sitzung, 26. 11. 2007. Publikation überarbeitet werden mlissten, nur 16 Rolf Kamm: Zusammenfasung der kant. Namen/ wusste man noch nicht, wer diese grosse Arbeit Wappen-Sitzung, 19. 12. 2007. 17 Fridolin, 20. 12. 2007; Südostschweiz, 18. 2. 2008; Regiuus Zytig, Frühling 2008; Tagesanzeiger, 13 Südostschweiz 11. 9. 2007. 8. 4. 2008; der SF-Bericht unter: http://www.video- 14 Südostschweiz, 16. 9. 2007 und Fridolin, 20. 9. S. 1 portal. sf.t v/video ?id c49ad484-6437-4d6b-9d43- und 48; Rolf Kamm: Zusammenfassung der kantonalen b8d917c8ba38&referrer= http://www.sf.tv/sendungen/ Sitzung vom 19. 12. 2007. schweizaktuell/index.php?docid=200804l4, 31. 3. 2011.

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beliebtesten Elemente waren recht deutlich die auch das Schwander Wappen vorzuschlagen. Sonne (oder eher ein vielzackiger Stern), die Der Favorit war aber der vielzackige Stern (was Deichsel, die den Zusammenfluss von Linth er eher war als eine Sonne) auf rotem Grund, und von Sernf darstellte, Sterne für 17 Dörfer, den man aber wegen Sion VS leicht abändern der Landespatron Fridolin und Berge, vor allem musste. Der Freiberg liegt zwischen Linth und der Tödi. Daraus hatte die Arbeitsgruppe Sernf, die in Schwanden zusammenfliessen, nun mit Hilfe Hans Rüeggs mindestens und Wasser ist gewissermassen das Gold des zwei Wappen zu kreieren. Ein Jurist wies Glarner Hinterlandes. Also ergänzte man das zu Recht darauf hin, dass die Zahl 17 falsch Wappen um einen gestürzten Wellensparren. sei, da man 2011 nicht «Dörfer», sondern Am 22. Mai 2008 stellte die Arbeitsgruppe 13 «Gemeinden» fusionieren würde. Dörfer die drei Namen und — unabhängig davon — oder Dorfteile und Weiler würden ja mit der drei Wappen vor, über die man Anfang 2009 Fusion nicht verschwinden, zudem wären das entscheiden sollte: «Fryberg», «Glarus Süd» ohnehin mehr als 17. Vielleicht hätte man sich und «Schwanden», mit dem Bäldi-Stern, dem in der Arbeitsgruppe schon damals besser auf Tödi und dem Schwander Schwan als Wappen. ein symbolisches Dutzend Strahlen festlegen Erstmals machte die Arbeitsgruppe auch ihre sollen. Man hätte dies mit den heraldischen Präferenzen öffentlich: «Die Arbeitsgruppe Regeln begründen können, und es wäre später möchte nicht verschweigen, dass sie an wenig Freude hat, da sich gegangen. definitiv für «Glarus> und Ein Wappen mit vielen Sternen kam für definitiv für entschieden haben. {...] die Arbeitsgruppe ohnehin nicht in Frage, Der Name wird wegen der überragenden ebenso wenig die Verwendung des Fridolin. Der Umfrageresultate trotzdem zur Abstimmung Tödi bot dagegen heraldische Probleme: Ein kommen.»18 Berg ist in der Heraldik ein Symbol und kein Alle gemachten Namen- und Wappen- erkennbarer Gipfel, heraldisch sehen Tödi und Vorschläge, die überarbeiteten Versionen und die Matterhorn gleich aus. Die charakteristische Geschichte der alten Wappen und Namen wurden Form des Glarner Hausbergs ermöglichte es schliesslich im Dorfmuseum Rysläuferhuus aber, ihn als gestürzte, silberne Spitze gezeigt, wo sie in den folgenden Monaten von darzustellen. Jeder Glarner würde darin sofort das einigen hundert Personen bestaunt wurden.19 dreieckige Gletscherfeld des Tödis erkennen, das man noch mit zwei Wellenbalken für

(Linth und Sernf) konnte. Weil der 18 ergänzen Rolf Kamm: Bericht zu Namen und Wappen, Name «Schwanden» doch einige Male genannt 22. 5. 2008 und Fridolin, 29. 5. 2008. worden war, entschloss sich die Arbeitsgruppe, 19 Vgl. dazu www.gukum.ch, 31. 3. 2011.

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Die Wappen von Glarus Süd, Glarus Nord und Glarus, wie sie von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern beschlossen wurden. Heraldisch problematisch ist einzig dasjenige von Glarus.

Politische Entscheide für eine Farbänderung schon damals bei der Im Oktober gab die Arbeitsgruppe Projektleitung eingegangen. ihren Abschlussbericht, in dem sie ihre An der Gemeindeversammlung selbst Überlegungen zusammenfasste, der beantragte ein Stimmbürger aus einer bereits Projektleitung ab. Diese beantragte darauf fusionierten Grosstaler Gemeinde, wieder auf 17 zuhanden des Lenkungsausschusses (alle Strahlen oder Zacken zurückzukommen, was bisherigen Gemeindepräsidenten) «Glarus Süd» die Versammlung annahm. Dieser Entscheid als Namen und den Bäldi-Stern als Wappen war zwar inhaltlich falsch, nahm aber den zu empfehlen. Die Tagespresse titelte darauf ursprünglichen Vorschlag von Ruedi Jenny «Glarus Süd will auch künftig so heissen», wieder auf. Ein zweiter Antragsteller wollte notabene acht Monate vor dem Entscheid der Rot durch Blau ersetzen, was er mit der Stimmbürger; die Haltung der Arbeitsgruppe Bedeutung des Wassers für das Hinterland fand keine Erwähnung. Auch die Arbeitsgruppe und der Tatsache begründete, dass schon das «Glarus Mitte» wurde von ihrer Arbeitgeberin Landes- und das Kantonswappen rot seien. brüskiert: Die Projektleitung brachte von sich Der Schreibende liess es bei diesem Votum aus das alte Glarner Gemeindewappen wieder bewenden und hielt es nicht für nötig, die ins Spiel, ohne die Arbeitsgruppe nach ihrer Haltung der Arbeitsgruppe zur Farbenfrage Meinung zu fragen.20 dagegenzustellen. Über eine Geschmackssache Die Arbeit aller Arbeitsgruppen endete hier. zu debattieren schien nicht angebracht und das Der nächste Schritt im Hinterland war die Vertrauen in die Gemeindeversammlung war Gemeindeversammlung vom 23. April 2009, gross genug. Die Versammlung stimmte aber für an der über Name und Wappen befunden Blau statt Rot und entledigte damit das zukünftige werden sollte. Wappen seiner historischen Einbettung. Weder in der Arbeitsgruppe noch in Der einzige Trost war, dass der Entscheid derart der Projektleitung «Glarus Süd» war das eindeutig ausfiel, dass wahrscheinlich auch ein Abstimmungsprozedere jemals Gegenstand Votum aus der Arbeitsgruppe nichts geändert heftiger Auseinandersetzung gewesen. hätte. Die Gemeindeversammlung hatte sich Entweder weil die Namen-und-Wappen-Frage nach rein ästhetischen oder geschmacklichen als «nicht so wichtig» betrachtet wurde, oder Kriterien für ein schönes, heraldisch korrektes, weil man - gerade deshalb — annahm, dass die aber leider geschichtsloses Wappen entschieden. Stimmberechtigten die gemachten Vorschläge Noch vor dem Wappen entschied die erste dann schon akzeptieren würden. Kurz vor der Gemeindeversammlung der neuen Gemeinde Gemeindeversammlung fragte der Projektleiter über den Namen. Wider aller Erwartung hatte beim Schreibenden an, ob der Bäldi-Stern auch sich «Glarus Nord» einige Tage vorher für eben- in Blau möglich sei. Heraldisch stand dem diesen Namen entschieden. Der Hinterländer nichts im Weg, aber es hätte dann nichts mehr Versammlung blieb das Einbringen neuer mit Bäldi und dem Freiberg zu tun gehabt, war Namen wenigstens erspart und man diskutierte die Antwort. Wahrscheinlich war ein Antrag ausschliesslich über die drei vorgeschlagenen Namen. Nach mehreren Voten «gegen die 20 Südostschweiz, 2. und 4. 10. 2008. Autobahnausfahrt» oder für die Wärme des

Archivum Heraldicum 1-2011 47 Südens stimmten die Hinterländerinnen und schliesslich knapp für den kleinsten gemeinsamen Hinterländer recht knapp für «Glarus Süd» Nenner. statt für «Fryberg», «Schwanden» war Vorausgesetzt, es ist einem nicht gleich, wie chancenlos.-1 eine Gemeinde heisst und was für ein Wappen Paradoxerweise hatten nundieGemeinden im sie führt, muss man zum Schluss kommen, dass Unter- und im Hinterland Wappen in den im dargestellten Prozess einige Fehler passiert gleichen Farben und sehr ähnliche Namen, Glarus sind. Auch der Schreibende selbst ist daran Nord und Glarus hatten zudem beide eher nicht unschuldig. Welche Lehren lassen sich aus Sternenreiche Wappen. Dem Dreiervorschlag, den gemachten Erfahrungen ziehen? den die Arbeitsgruppen nie wollten, war man Der «Wettbewerb» und die Umfrage waren nun doch nähergekommen, als man ursprünglich eine gute Idee. Ihre Auswertung war gedacht hatte. Die Expertenmeinung, hochinteressant und zweifellos konnte bei vielen wonach man bei Übernahme eines bestehenden Leuten ein Verständnis für Heraldik und Namens auch das Wappen übernehmen ein Gespür für die neue Gemeinde geweckt sollte, fand in «Glarus Mitte» kein Gehör. werden. Für die Wappen-Vorschläge waren Im Gegenteil: Gerade weil man sich für den die Inputs aus der Bevölkerung unerlässlich, Namen «Glarus» entschieden hatte, wollte für die Namensfindung dagegen eher nutzlos: man nicht auch noch das Steinbock-Wappen Die meisten Namen waren einfach zu weit übernehmen. hergeholt. Andern müsste man aber sicher das Vor allem das neue Wappen von Glarus Abstimmungsprozedere: Wenn sich eine wurde von Hans Rüegg scharf kritisiert. Bei Arbeitsgruppe unter Mithilfe der ganzen den anderen Wappen bemängelte er nur den Bevölkerung, von den Medien begleitet, über fehlenden historischen Bezug. Die merkwürdigen Monate hinweg mit der Gestaltung eines Namen nach Himmelsrichtungen wurden Wappens befasst und mehrere Wappen zur in den Zeitungsspalten vereinzelt auch kritisiert Auswahl präsentiert, sollte man auf das Recht oder belächelt.22 auf Abänderungsanträge verzichten können. Im schlechtesten Fall könnte ein Wappen- Fazit Vorschlag bis zur Unkenntlichkeit verändert Die Voraussetzungen sind nicht bei vielen werden. Wegen der heraldischen Regeln Gemeindefusionen derart ungünstig wie im würde jede Änderung weitere Änderungen Fall von Glarus Süd — und auch Glarus Nord. nach sich ziehen. Aus den gleichen Gründen Zwar bestanden sprachliche, kulturelle und kann auch an der Landsgemeinde und an zum Teil gar politische Gemeinsamkeiten in Gemeindeversammlungen nicht alles beliebig den drei Regionen des Glarnerlandes, aber abgeändert werden. insbesondere das Hinterland war mit seinen zwei Haupttälern derart heterogen, dass die Die Gemeindestrukturreform war kein Suche nach Namen und Wappen sehr erschwert Herzensentscheid, sondern ein Gebot der wurde. Zum einen war der historische Name Vernunft, mit einer guten Portion glarneri- «Hinterland» als Ortsname sehr ungeeignet und scher Nüchternheit. Nichts zeigt dies besser als hatte — zu Unrecht — bei vielen den Ruch von die seelen- und einfallslosen Namen der Rückständigkeit. Andere historische Namen zwei neuen Gemeinden im Hinter- und im gab es nicht. Beim Wappen war es einfacher: Unterland: Es ist schwer, einer Gemeinde einen Die grosse Zahl der beteiligten Gemeinden Namen und ein Gesicht zu geben, bevor man schloss ein vernünftiges Fusionswappen zum sie kennt und «erlebt». Wenn aus den drei Vorneherein aus. «Verwaltungseinheiten» richtige, lebendige Während des «Wettbewerbs» zeigte sich Gemeinden geworden sind, wird man vielleicht schon sehr bald, dass eigentlich nur drei auf die Namen-Entscheide zurückkommen. Namen in Frage kommen würden. Gute und Kommende Generationen werden das zu auch mehrheitsfähige Alternativen zu «Glarus entscheiden haben. Süd», «Fryberg» und «Schwanden» gab es nie. Die Gemeindeversammlung entschied sich

21 Südostschweiz, 13. 5. 2009. 22 Südostschweiz, 5. 5. 2009, 15. 3. 2010, 28. 3. 2010; NZZ, 15. 1. 2011 und Rüegg, Glarus.

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