Werkstatt: Praxis Heft 62

Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Ergebnisse des Forschungsprojekts

Ein Projekt des Forschungsprogramms „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn. Werkstatt: Praxis In der Schriftenreihe Werkstatt: Praxis veröffentlichen das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent- wicklung (BMVBS) und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) praxisorientierte Ergebnisse zu den Themen Raumordnung, Städtebau, Wohnungswesen und Bauwesen.

IMPRESSUM

Herausgeber Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn

Bearbeitung Becker Giseke Mohren Richard bgmr Landschaftsarchitekten, Berlin (Auftragnehmer) Dr. Carlo W. Becker (Leitung) Dirk Christiansen Helga Krüger Technische Universität Berlin Prof. Undine Giseke (Leitung) Andrea Gerischer Silvia Martin Han Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Bonn Dr. Manfred Fuhrich

Redaktion Friederike Vogel BBSR, Bonn

Gestaltung und Satz Helga Krüger

Übersetzung David Skogley

Druck Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn

Bestellungen [email protected] Stichwort: Werkstatt: Praxis Heft 62

Nachdruck und Vervielfältigung Die vom Auftragnehmer vertretene Auffassung ist Alle Rechte vorbehalten nicht unbedingt mit der des Herausgebers identisch.

ISSN 1436-0063 (Schriftenreihe) Werkstatt: Praxis Heft 62 ISBN 978-3-87994-962-5 Bonn 2009 Vorwort

Renaturierung als Strategie einer nach- haltigen Stadtentwicklung erschließt neue Potentiale von brach gefallenen Gewerbe-, Infrastruktur- und Siedlungsflächen. Dies gilt sowohl für schrumpfende wie auch für prosperierende Städte. Die im Rahmen des Stadtumbaus geführte Debatte, die sich bis- lang auf Fragen des Abrisses von überzäh- ligen Wohnungen und der Aufwertung von Wohnquartieren konzentriert hat, wird da- mit um neue Fragestellungen und Perspek- tiven von Renaturierung als Nachnutzungen freigelegter Flächen erweitert. So können auch die Bemühungen des Bundes zur Re- duzierung der zusätzlichen Flächeninan- spruchnahme für Siedlung und Verkehr von derzeit rund 95 Hektar pro Tag auf 30 Hektar pro Tag im Jahr 2020 gestärkt werden. Die in dieser Dokumentation vorgestellten 20 Fallstudien zeigen, dass ein Qualitäts- gewinn durch ein „Mehr“ an Freiräumen rund eine Milliarde Euro bis zum Jahr 2009 möglich ist und neue Nutzungsformen zur Verfügung. Auch strukturschwache west- entstehen. So wurde beispielsweise eine deutsche Kommunen erhalten im Rahmen städtische Brachfläche mit geringem - öko des Programms Stadtumbau West bis zum nomischen Entwicklungspotential durch Jahr 2009 über 340 Millionen Euro Bundesfi- den Anbau von nachwachsenden Rohstof- nanzhilfen insbesondere zur Revitalisierung fen neu in Wert gesetzt. Renaturierungsflä- von Konversionsflächen. Beide Programme chen können einen entscheidenden Beitrag unterstützen inzwischen über 700 deutsche für ein effizientes Ressourcenmanagement, Kommunen und sollen fortgesetzt werden. wie die Gewinnung erneuerbarer Energien Ich wünsche mir, dass durch die dokumen- oder aktiven Bodenschutz leisten. Zugleich tierten Beispiele gelungener Renaturierun- ist der neugewonnene Freiraum durch die gen viele neue Ideen für urbane Landschaf- Verknüpfung von wirtschaftlichen, sozialen ten entstehen und Mut machen, kreative und städtebaulichen Aspekten ein Motor für Partnerschaften zu schmieden. eine integrierte Stadtentwicklung. Neben den Chancen und Lösungswegen werden auch Probleme und Hemmnisse insbeson- dere bei der planungsrechtlichen Sicherung von Renaturierungsflächen erörtert. Die Bundesregierung unterstützt neue Part- nerschaften für den Stadtumbau. Für das Programm Stadtumbau Ost stellt der Bund Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup Inhalt

Zusammenfassung in Kernsätzen 1

Summary 4

Teil I – Ergebnisse 7

1 Einführung 8 1.1 Das Anliegen 8 1.2 Die Herangehensweise 9

2 Analysefelder und Forschungsfragen 12 2.1 Analysefelder 12 2.2 Forschungsfragen 12 2.3 Untersuchung der Fallstudien 13

3 Auswertung und Schlussfolgerungen nach Nachnutzungsschwerpunkten 16 3.1 Erholung 16 3.2 Landwirtschaft 17 3.3 Wald 19 3.4 Energiegewinnung 20 3.5 Hochwasserschutz 20

4 Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen 21 4.1 Nachhaltige Stadtentwicklung durch Renaturierung 21 4.2 Akteure und Trägrschaften 24 Exkurs – Renaturierungsstrategien und Planungsrecht 26 4.3 Rechtlich-instrumenteller Rahmen 31 4.4 Finanzierung und Inwertstellungselemente 34 4.5 Kommunikation 35

5 Handlungsempfehlungen 37

Teil II – Fallstudien 39

Eisenhüttenstadt, Brandenburg Abwartende Renaturierung – Abrissflächen des Wohnkomplexes VII 40

Gelsenkirchen, Nordrhein-Westfalen Strukturwandel zum Begreifen – Industriewald Rheinelbe 44

Halle (Saale)-Silberhöhe, Sachsen-Anhalt Urbane Waldlandschaften – Die Waldstadt Halle-Silberhöhe 48

Hoyerswerda, Sachsen Patchwork-Landschaft –Neue Freiräume Hoyerswerda 52

Reichenbach im Vogtland, Sachsen Eine flexible Schaltfläche am Grünzug – Aufforstung des Textilstandortes Gardeko 56 Schwedt/Oder, Brandenburg Waldquartiere statt Wohnquartiere – Urbane Aufforstung „Am Waldrand“ 60

Weißwasser O.L., Sachsen Wiederherstellung der Landschaft – Stadtrandbebauung weicht Wald 64

Gatow, Berlin Urbane Landwirtschaft eine Strategie der Stadtentwicklung – Landstadt Gatow 68

Lichtenberg, Berlin Multifunktionale StadtLandWirtschaft – Landschaftspark Herzberge 72

Cottbus-Neu Schmellwitz, Brandenburg Urbane Landwirtschaft soll Abriss folgen – Neue Perspektiven für Neu Schmellwitz 76

Leipzig-Paunsdorf, Sachsen Ein ländliches Experiment im „Plattenbau“ – Grüner Bogen Paunsdorf 80

Dessau-Roßlau, Sachsen-Anhalt Die In-Kulturnahme urbaner Landschaft – „400 qm Dessau“ 84

Dresden, Sachsen Grüne Impulse für den Dresdner Südwesten – Grünzug Weißeritz 88

Essen, Nordrhein-Westfalen Freiraum schafft Stadtraum – Krupp-Park als Teil des Strahlenkonzeptes 92

Frankfurt am , Hesen Zwischen Sparta und Arkadien – Alter Flugplatz Frankfurt 96

Jena, Thüringen Durch Weniger Mehr – Ein Stadtplatz in der Grünen Achse Lobeda 100

Gelsenkirchen, Nordrhein-Westfalen Zukunftsenergien auf Montanstandort – Biomassepark Hugo 104

Halle (Saale)-Neustadt, Sachsen-Anhalt Nachwachsende Rohstoffe vor der Haustür – Kurzumtriebsplantage Lüneburger Bogen 108

Köln, Nordrhein-Westfalen Hochwasserschutz als ein Motor der Renaturierung – Westhovener Aue 112

Strullendorf, Bayern Verzahnung von Ökologie, Hochwasserschutz und Gemeindeleben – Kachelmann-Gelände 116

Literartur 120

Gesetzte 121

Liste der Informationsgeber 122 1

Zusammenfassung in Kernsätzen

Stadtentwicklung wird immer stärker aufgabe der Städte und Gemeinden. Das durch Gleichzeitigkeit von Wachstum und Forschungsprojekt ging den komplexen Fra- Schrumpfung geprägt. Bei überflüssigen gestellungen von Renaturierung nach und Wohngebäuden, Infrastrukturen, Gewer- entwickelte Hinweise zu tragfähigen Kon- beflächen und Industrieanlagen ist konse- zepten, Erfolgsfaktoren und übertragbaren quenter Rückbau eine sinnvolle Option. Die Prozessschritten. Die zusammenfassenden Entdichtung birgt Chancen für die Neufor- Kernsätze sollen Mut zur Umsetzung von mulierung landschaftlicher Funktionen und Renaturierungsprojekten als Strategie einer urbaner Qualitäten – eine zentrale Zukunfts- nachhaltigen Stadtentwicklung machen.

1. Aus „Stadt Landschaft machen“ heißt: Neuland betreten. Aus „Stadt Landschaft machen“ ist bisher keine etablierte Praxis, wenngleich es eine wach- sende Herausforderung im Zuge des Stadtumbaus darstellt. Es erfordert ein Umdenken sowie neue Verfahren und kulturelle Praktiken. Rechtsinstrumente und Planungsverfah- ren waren bisher darauf ausgelegt, eine geordnete städtebauliche Entwicklung auf den Weg zu bringen und zu steuern. Der umgekehrte Weg, auf ehemals baulich genutzten Flächen Landschaften zu generieren, muss erst gelernt werden. Er bringt nicht nur recht- lich-technische Anforderung mit sich, sondern bedeutet auch die Entwicklung neuer An- eignungsformen und die Neuformierung sozialer und kultureller Interaktionsräume.

2. Neue urbane Landschaften stehen nicht im Gegensatz zur Stadt, sondern sind Teil der Stadt. Renaturierungsprojekte generieren neue urbane Landschaften und schaffen so neue Qualitäten in der Stadt. Es handelt sich dabei weder um die traditionelle rurale Kultur- landschaft noch um den klassischen Stadtpark. Auffällig ist, dass die neuen urbanen Landschaften in einem engen Zusammenhang mit anderen städtischen Nutzungen ent- stehen. Sie werden nicht als Gegensatz zur Stadt verstanden, sondern als ein städtisches Element im Kontext der Stadt bzw. der Stadtregion. Urbane Landschaften entstehen durch neue Korrespondenzen mit der Stadt und erzeugen neue Freiraumtypologien und Atmosphären. Renaturierung bedeutet kein zurück zur Natur, sondern einen Schritt in Richtung zukunftsfähige Stadt.

3. Renaturierungsmaßnahmen sind als Umsetzungsstrategie integrierter Stadtent- wicklung zu nutzen. Renaturierungsprojekte können die Stadt insgesamt stärken. Für einen solchen Qualifi- zierungsprozess ist eine Landschaftsvision eine wichtige Voraussetzung: Eine solche Vi- sion muss nicht flächenscharf sein, sollte jedoch das perspektivische Zusammenwirken von Landschaft und Stadtraum klären. Eine erfolgreiche Qualifizierung der Stadt durch Renaturierung ist so als Teil einer integrierten Stadtentwicklung zu verstehen. Auch Rena- turierungsflächen am Stadtrand sind neue städtische Räume. Qualifizierungsstrategien sollten daher nicht allein auf die Innenstadt beschränkt werden. Leitbilder und Strategien sind jedoch räumlich angemessen zu differenzieren. Urbane Freiräume, die in den dicht bebauten Stadtquartieren liegen, bieten die Chance einer nachbessernden Freiraumver- sorgung und benötigen eine andere Programmatik als urbane Landschaften in weniger dichten Stadtteilen oder am Rand der Stadt.

4. Renaturierung ist als Beitrag zur ressourceneffizienten und ökologischen Stadt zu verstehen. Eine der größten Herausforderungen weltweit und eine der wichtigsten Zukunftsaufga- ben der Städte ist die ökologische Effizienz. Renaturierungsflächen können einen ent- scheidenden Beitrag für ein effizientes Ressourcenmanagement, wie die Gewinnung erneuerbarer Energie (z.B. nachwachsende Rohstoffe) oder Bodenschutz leisten. Diese Potenziale werden im Zusammenhang mit Renaturierungsprojekten jedoch nur verein- zelt genutzt. 22 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

5. Renaturierung unterstützt Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Renaturierungsflächen können einen wichtigen Beitrag für einen veränderten Umgang mit dem Wasser in der Stadt darstellen. Sie sind geeignet für die Wasserrückhaltung und die Versickerung von Niederschlagswasser. So helfen sie, den Wasserhaushalt nachhaltig zu stabilisieren und Hochwasserspitzen zu kappen. Damit unterstützt Renaturierung die Optimierung des Wassermanagements und des Hochwasserschutzes. Synergien von Re- naturierung und Hochwasserschutz müssen aber noch weiter entwickelt werden.

6. Renaturierungsflächen sind multifunktional und unterliegen keinem starren Nut- zungskonzept. Erfolgreiche Renaturierungsprojekte, also nachhaltige, akzeptierte und in die Stadt integ- rierte Projekte, sind oftmals von Multifunktionalität geprägt und selten nur auf eine Nut- zung ausgerichtet. Renaturierungsstrategien lassen sich nicht in ein starres Nutzungskon- zept pressen. Erst eine Vielfalt an Verfahren, Trägerschaften, Finanzierungsmöglichkeiten trägt zur Stabilisierung von Projekten bei. Multifunktionale Landschaften offerieren in- teressante neue Nutzungskombinationen, die von der Nähe zur Stadt gespeist werden, wie Freizeitangebote und Hochwasserschutz, die Verschränkung von Wohnumfeld und Energieproduktion oder Park und ökologische Bildungsangebote sowie landwirtschaftli- che Serviceangebote (z.B. Reiten) und Produkte (Selber-Pflücken) für den Städter.

7. Renaturierung ist als Handlungs- und Lernprozess zu begreifen. Renaturierungsprojekte wachsen, verändern sich und differenzieren sich aus. Die Kon- zepte sind dynamisch, was einerseits offene Prozesse erfordert, andererseits sind Leit- bilder und strategische Regeln die Basis für eine gelungene Renaturierung. Dynamische, offene Prozesse müssen initiiert, aber auch langfristig moderiert werden. In der Offen- heit vieler Renaturierungsprozesse liegt eine große Herausforderung an Politik, Verwal- tung und Akteure. Die Möglichkeit eines permanenten Wandels und der Fortschreibung von Nutzungskonzepten und beteiligten Akteuren als besondere Qualität dieser Flächen muss erst noch akzeptiert und erlernt werden.

8. Renaturierungsprojekte benötigen Allianzen. Anstelle singulär ausgerichteter Konzepte sind nachhaltige Strategien der Renaturierung breit aufgestellt und mit den Akteuren der Stadt vielfältig verknüpft. Klassische Nutzungs- muster und Nutzer werden erweitert. Neue Akteure können Perspektivwechsel bewirken, neue Ideen einbringen und neue Interaktionsformen begründen. Noch unübliche Trä- gerschaften müssen in der Stadt noch stärker wahrgenommen werden, um sie für eine Flächenbewirtschaftung oder kulturelle Verantwortung zu gewinnen. Neue Trägerschaf- ten sind wichtig, um Pflege und Unterhaltung der Flächen zu sichern, aber auch, um sie als städtische Aneignungsräume zu aktivieren.

9. Renaturierung fördert neue Wertschöpfungsprozesse und macht urbane Land- schaft produktiv. Renaturierungsflächen bilden neue Schnittstellen zur Ökonomie. Nach dem Aufbrechen der klassischen Wertschöpfungsketten in den bebauten Räumen deutet sich ein erstes Aufkeimen neuer Wertschöpfungsprozesse auf renaturierten Flächen an, wie z.B. die Ge- winnung nachwachsender Rohstoffe. Landschaft wird so produktiv. Durch ökologische, soziale und kulturelle Inwertstellungsprozesse werden bereits heute beschäftigungswirk- same Effekte erzielt und marktfähige Produkte generiert. Diese Potenziale werden bei Renaturierungsprojekten erst vereinzelt erkannt und aktiv genutzt. Sie können noch aus- gebaut werden, wenn die Schnittstellen effektiv verknüpft werden. Ökonomisch in Wert gesetzte Flächen erhöhen die Akzeptanz der Renaturierung.

10. Der Renaturierungsmaßnahme muss eine dauerhafte „In-Kulturnahme“ folgen. Der Rückbau von baulicher Substanz und die Durchführung der Renaturierungsmaß- Zusammenfassung in Kernsätzen 3

nahmen sind nur erste Schritte. In der Regel stehen die Renaturierungsflächen in einem engen Kontext mit den Stadtquartieren und können neue Qualitäten für diese entwickeln. Soll dies auf Dauer erreicht werden, muss sich an die Neuordnung ein Verstetigungspro- zess anschließen. Auch vor dem Hintergrund knapper Mittel muss die spätere Pflege und Unterhaltung sowie soziale und kulturelle Integration und Aktivierung bereits von Beginn des Planungsprozesses an Berücksichtigung finden und organisiert werden. Gebraucht werden neben Kümmerern und Geldern insbesondere Kommunikationsstrukturen, um soziale und kulturelle Prozesse in Gang zu setzen und zu halten.

11. Renaturierung ist als eine baukulturelle Aufgabe zu kommunizieren.

Renaturierung ist eine gestaltende Strategie für die städtebauliche Aufwertung und nach- haltige Inwertsetzung der Stadt. Bei Renaturierungsprojekten geht es nicht nur darum, etwas wachsen zu lassen und dem Zufall zu überlassen. Daher ist Renaturierung eine baukulturelle Aufgabe in all ihren Facetten der Städtebau-, Planungs-, Beteiligungs- und Verfahrenskultur. Es ist vor dem Hintergrund einer wachsenden Kulisse an Brach- und Rückbauflächen geboten, die Gesamtstadt mit ihren urbanen Freiräumen und Land- schaften als baukulturelle Aufgabe zu verstehen, um ein räumliches, funktionales und soziales Auseinanderfallen zu mindern. Dies kann nicht mehr alleine Aufgabe der Städ- tebauförderung sein, sondern muss auch die Kulturförderung mit einbinden.

12. Informelle Planungsinstrumente sind als Teil einer prozessualen Entwicklung einzusetzen.

Renaturierung von Rückbauflächen bzw. städtischen Transformationsräumen ist ein Prozess mit vielen Akteuren und Nutzungskombinationen. Sie entwickeln sich schritt- weise, wachsen und formen sich erst allmählich aus. Für die Planung einer dauerhaften Renaturierung von Rückbauflächen haben sich insbesondere in schrumpfenden Regi- onen informelle Planungsinstrumente (InSEK, SeKO, Maßnahmenpläne, etc.) bewährt. Sie erweisen sich als flexibler und tragfähiger, da sie Prozesse mit „Unbekannten“ besser abbilden können. Informelle Planungen sind nicht an festgelegte Verfahren gebunden und von daher problem- bzw. lösungsorientiert, kurzfristig und anpassungsfähig. Über diese Planungen können Akteure aktiviert werden, eine „weiche“ Moderation zwischen Zielkonflikten unterschiedlicher Akteure erfolgen und so Möglichkeitsräume in der Stadt eröffnet werden.

13. Dynamische Flächenkategorien im formellen Planungsprozess erleichtern die Renaturierung.

Im formellen Planungsprozess sind die Festsetzungsmöglichkeiten wie Grünfläche, Wald, Forstwirtschaft für Renaturierungsprozesse nicht hinreichend dynamisch, um bspw. Waldweide (also Wald und Landwirtschaft zugleich), urbane Landwirtschaft (Sport/Rei- ten/Landwirtschaft) prozessual zu entwickeln. Die besondere Situation „Aus Stadt Land- schaft machen“ macht die Ausbildung neuer offener Flächenkategorien erforderlich. Ziel einer solchen Festsetzung wäre es, die Multifunktionalität und Dynamik einer dauerhaf- ten Renaturierung zu ermöglichen.

14. Gezielte Kommunikationsstrategien erhöhen die Akzeptanz.

Vielschichtige Kommunikationsstrategien (Information, Beteiligung, Marketing, Events, Bildung) tragen in erheblichem Maße zur Erzeugung von Akzeptanz bei Renaturierungs- projekten im städtischen Kontext bei. Kommunikation mit der Bevölkerung ist dabei genauso erforderlich wie mit der Politik und Verwaltung. Je frühzeitiger Kommunikati- onsstrategien einsetzen und je stärker sie auf den jeweiligen Ort und das Projekt zuge- schnitten werden, umso mehr unterstützen sie das Gelingen der Projekte. Die vermit- telten Botschaften müssen tragfähige Zukunftsaspekte aufzeigen. Die „In-Kulturnahme“ urbaner Flächen selbst kann ein wesentlicher Teil der Kommunikation von Renaturie- rung als Nachnutzungsstrategie sein. 4 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Summary in Key Statement

Urban development is characterised more this will be a fundamental task for cities and and more by the concurrence of growth and municipalities. This research project looked shrinkage. As far as superfluous residential at the complex question of reclamation and buildings, infrastructures, commercial si- developed suggestions for viable concepts, tes, and industrial facilities are concerned, success factors, and transferable process consistent dismantling is a sensible option. steps. These summarising key statements Reducing the density of cities offers oppor- are intended to encourage the implementa- tunities for the reformulation of open space tion of reclamation projects as a strategy for functions and urban qualities – in the future sustainable urban development.

1. Making open space out of a city means breaking new ground.

Making „open space out of a city“ is not yet an established practise, although it illustrates a growing challenge in the course of urban redevelopment. It requires a process of rethin- king as well as new procedures and cultural practices. Up to now legal instruments and planning procedures have been created to encourage urban development and to help manage this process. Moving in the opposite direction, i.e. creating open space on sites previously used for the construction of the built environment, has yet to be learned. It is not only a matter of considering legal and technical aspects, but calls for the development of new forms of appropriation and the reorganisation of social and cultural spaces of interaction.

2. New urban landscapes are not a contradiction of cities, but a part of them.

Reclamation projects generate new urban landscapes and thus create new qualities in the city. This has little to do with either the traditional rural cultural landscape or the classical urban park. The fact that these new urban landscapes have close links to other urban uses is conspicuous. They are not understood as a contradiction to the city, but rather as urban elements in the context of the city or the metropolitan area. Urban landscapes are created as a result of a new correspondence with the city and generate new open space typologies and atmospheres. Reclamation does not mean a return to nature, but rather a step in the direction of the sustainable city.

3. Reclamation measures should be used as a strategy for implementing integrated urban development.

On the whole, reclamation projects can strengthen cities. For such a qualification process a landscape vision is an important prerequisite. Such a vision need not be overly detailed, but should clarify the prospective interaction between landscape and urban space. The successful qualification of the city as a result of reclamation should be thought of as part of integrated urban development. Reclamation areas on a city’s periphery should also be considered as urban space. Qualification strategies should therefore not just be limited to the inner city. Guidelines and strategies should however have an appropriate spatial differentiation. Open space located in densely built urban neighbourhoods offers the op- portunity of an improved supply of open space but calls for a different type of programme than urban landscapes in less densely populated parts of the city or on the periphery.

4. Reclamation should be understood as making a contribution to a resource-efficient and ecological city.

One of the greatest challenges worldwide and one of the most important future tasks of cities is that of ecological efficiency. Reclamation sites can make a significant contributi- on to efficient resource management, such as the production of renewable energy (e.g. re- newable resources) and soil conservation. This potential, however, has to date only been taken advantage of sporadically in conjunction with reclamation projects. Summary in Key Statement 5

5. Reclamation bolsters flood protection measures. Reclamation sites can make an important contribution to a changed way of dealing with water in cities. They are well-suited to retaining water and also facilitate the infiltration of rainwater. In this way they help to stabilise the supply of water over a long period of time and to reduce flood peaks. Reclamation thus facilitates the optimisation of water management and flood protection measures. Synergies between reclamation and flood protection have to be further developed, however.

6. Reclamation areas are multifunctional and not subject to any rigid concept of use. Successful reclamation projects, i.e. long-term, established projects that are integrated into the city, are often characterised by multifunctionality and are seldom oriented to one particular use. Reclamation strategies cannot be put into any one specific usage concept. Only a variety of procedures, sponsorships, and financing possibilities will help contribu- te to the stabilisation of projects. Multifunctional open space offers interesting possibi- lities for a combination of uses that will be fed by proximity to an urban area. These uses include leisure activities, flood protection, the integration of residential areas with energy production, or parks with ecological education programmes, and even agricultural servi- ces (e.g. horseback riding) and products („pick your own“) for urban residents.

7. Reclamation should be understood as a process of action and learning. Reclamation projects grow, change, and become more diverse over time. The concepts are dynamic, which on the one hand requires open processes, while on the other hand requiring guidelines and strategic rules if a reclamation project is to be successful. Dy- namic open processes must be initiated and moderated over long periods of time. The openness of many reclamation processes presents politicians, administrators, and actors with a great challenge. The possibility of permanent change and the fact that the updating of usage concepts and participating actors is a special quality of a particular project must be accepted and learned.

8. Reclamation projects require alliances. As opposed to singularly aligned concepts, long-term reclamation strategies have to be broadly set up and linked to actors within a city in a variety of ways. Both classic patterns of use and users will be expanded upon. New actors can bring about a change of perspec- tive, introduce new ideas, and establish new forms of interaction. More attention needs to be paid to potential sponsors in the city that may still be thought of as unusual, in order to convince them to become involved in the management of a project or to accept cultural responsibility. New sponsorship is important in order to secure care and maintenance for a particular site and also to promote a project’s acceptance within a city.

9. Reclamation promotes new value-adding processes and makes the urban lands- cape productive. Reclamation sites form new interfaces with the economy. After breaking open classic va- lue chains in built-up areas, the first signs of new value-adding processes in reclaimed areas are beginning to appear, for example the production of renewable resources. In this way open space becomes productive. Through ecological, social, and cultural valorisa- tion processes job-creating effects are already being realised and marketable products generated. This potential is still only sporadically acknowledged and actively used with reclamation projects. It can be expanded upon, however, if the interfaces are effectively linked. Sites which have been economically enhanced help to increase the acceptance of reclamation.

10. Reclamation measures must be followed by a long-term period of „cultivation“. The dismantling of the built environment and the implementation of reclamation mea- sures are only the first steps. As a rule, reclamation areas are close to urban neighbour- 6 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

hoods and can thus enhance the quality of them. If this is to be maintained over a long period of time, a process of continuity and stabilisation has to take place following the reorganisation. Given scarce monetary means, the subsequent care and maintenance as well as the social and cultural integration and activation of the site has to be considered and organised before the planning process has begun. Communication structures to ini- tiate and maintain the social and cultural processes are needed in addition to human and financial resources.

11. Reclamation must be thought of as a part of building culture. Reclamation is a design-oriented strategy for improving urban areas and achieving the sustainable enhancement of a city. Reclamation projects are not merely about letting something grow or leaving things to chance. Reclamation is therefore part of building culture, with all its facets of urban construction, planning, participation, and process-ori- entation. Given the growing number of brownfields and demolition sites it is important to think of the entire city with its urban open space and landscapes as being a planning and design task in order to diminish spatial, functional, and social disintegration. This can no longer be the task of urban development funding alone, but must also include the promotion of culture as well.

12. Informal planning tools should be used as part of a procedural development process. The reclamation of demolition areas or urban transformation areas is a process invol- ving many actors and combinations of uses. It develops step by step, and gradually grows and shapes itself. Informal planning tools (InSEK, SeKO, action plan, etc.) have proven effective for the planning of the sustainable reclamation of demolition sites, especially in shrinking regions. They have turned out to be more flexible and viable because they are better for describing processes with ‘unknowns’. Informal planning is not tied to defined procedures and is therefore problem and solution-oriented, quickly organised, and flexi- ble. Through this type of planning actors can be activated, and a ‘soft’ type of moderation for conflicting objectives among different actors is made possible, thus opening up spa- tial opportunities within the city.

13. Dynamic land use categories in the planning process simplify reclamation activi- ties. In formal planning processes the statutory designations such as green area, woodland, forest, etc. are not dynamic enough for reclamation processes. They don’t permit, for instance, the development of forest pastures (forest and pastureland in one category) or urban agriculture (sport, horseback riding, and agriculture). The special situation of ‘making open space out of a city’ makes the creation of new and more flexible land use categories necessary. The goal of this kind of designation would be to make the multi- functionality and the dynamism of long-term reclamation possible.

14. Targeted communication strategies increase the level of acceptance. Multi-layered communication strategies (information, participation, marketing, events, and education) substantially contribute to the acceptance of reclamation projects in an urban context. Communication with residents is just as important as it is with politicians and administrators. The earlier communication strategies are introduced and the more they are tailored to a particular location and project, the more they will contribute to the success of the project. The messages conveyed must demonstrate viable prospects for the future. The “cultivation” of urban sites can itself be an essential part of communicating the idea of reclamation as a strategy of secondary use. Teil I – Ergebnisse 8 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

1 Einführung

1.1 Das Anliegen hafte Umwandlung von Bauland in Grün- und Freiflächen zielen. Im städtischen Kon- Die bauliche Entwicklung von Städten ist text entstehen dabei sowohl intensiv wie eingeübte Praxis. Auf sie sind Verfahren, extensiv genutzte Erholungsflächen, aber Rechtsgrundlagen sowie Förderinstrumente auch neue produktive Landschaften mit optimal eingestellt. Die neue städtebauliche forst-, landwirtschaftlichen oder energie- Herausforderung einer dauerhaften Renatu- wirtschaftlichen Inwertsetzungsaspekten. rierung anstelle einer baulichen Nachnut- zung ist jedoch wenig erprobt. Neben dem Mit der Frage der Renaturierung ist zugleich geringen Erfahrungswissen und dem men- die Frage der Nachhaltigkeit verbunden. talen Hemmnis in einer wachstumsorien- Welche neuen Qualitäten und Effekte kön- tierten Gesellschaft bestehen Restriktionen nen durch derartige Projekte in einer punk- insbesondere im aktuellen Planungs- und tuell entdichteten Stadt entstehen? Es geht Baurecht, in den ökonomischen Folgewir- bei der Fragestellung von Renaturierung kungen und in den Finanzierungskonzep- als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung nicht um ein «Zurück zu» einem nicht durch ten. Über passgenaue Verfahren, mögliche urbane Prozesse gestörten Zustand von Instrumente und tragfähige Finanzierungs- Landschaft, sondern vielmehr darum, mit strategien liegt derzeit wenig Praxiswissen Renaturierung gleichzeitig die Stadt und die vor, das allgemein verfügbar ist. Landschaft zu stärken, also neue Qualitäten Dabei wächst die Herausforderung, für urbaner Landschaften entstehen zu lassen. nicht-bauliche Nachnutzungen im pla- Ziel ist es, durch eine qualitätsvolle Rena- nerischen Alltag Lösungen zu entwickeln. turierung von Transformationsflächen wei- Strukturwandel und demografischer Wandel teren Suburbanisierungsprozessen entge- führen nach wie vor dazu, dass zahlreiche genzusteuern, indem neue landschaftliche Industrie-, Infrastruktur- und Wohnbauflä- Qualitäten in der Stadt und somit neue La- chen einem grundlegenden Transforma- gequalitäten erzeugt werden. Zugleich wird tionsprozess unterliegen und zunehmend mit der Reduzierung von neuer Flächenin- stellen sich Fragen nach einer Alternative anspruchnahme auch eine «grüne» Infra- für die bauliche Nachnutzung. Dies gilt struktur weiterentwickelt. auch für einzelne Flächen und Teilflächen in wachstumsorientierten und konsolidierten Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung Regionen, es gilt aber vor allem in den vom ist es, tragfähige Projektbeispiele dauerhaf- Strukturwandel besonders stark betroffenen ter Renaturierung systematisch zu erfassen Stadtumbaubereichen in Ost wie in West. Die und auszuwerten und hinsichtlich verallge- im zweiten Statusbericht Stadtumbau-Ost meinerbarer Empfehlungen zu analysieren. vorgestellten Ergebnisse der Kommunalbe- Um die dauerhafte Renaturierung als Stra- fragung zeigen auf, dass 85% der Nachnut- tegie einer qualifizierten Stadtumbaupoli- zungen von Rückbauflächen in Altbau- und tik stärken zu können, ist ein differenzierter Neubaubeständen keine baulichen Nutzun- Kenntnisstand zu Lösungsansätzen und gen sind. Chancen (Chancenbewertung) sowie zu Re- striktionen und Hemmnissen (Restriktions- Diese Entwicklungen machen das Erfor- analyse) erforderlich. Auf dieser Grundlage dernis deutlich, sich intensiv mit den Mög- können qualifizierte Handlungsempfehlun- lichkeiten der Entwicklung von Freiflächen gen gegeben werden und mögliche Defizite als dauerhafte Nachnutzungsform ausei- aktueller instrumenteller, fördertechnischer nander zu setzen. Daher hat das Bundes- und programmatischer Rahmenbedingun- ministerium für Verkehr, Bauen und Stadt- gen aufgezeigt werden. entwicklung (BMVBS) – vertreten durch Um eine hohe Impulswirkung für Kommu- das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und nen und Städte sowie für weitere Akteure zu Raumforschung (BBSR) – im Rahmen des erzielen, ist eine Querauswertung der Pro- ExWoSt- Forschungsprogramms das Projekt jektbeispiele zur Entwicklung von Hinwei- „Renaturierung als Strategie nachhaltiger sen und Handlungsempfehlungen für die Stadtentwicklung“ ins Leben gerufen. Kommunen und Akteure erfolgt. Der Begriff „Renaturierung“ umfasst hierbei Maßnahmen und Stadtumbauprojekte, die in ihrer Grundkonzeption auf eine dauer- Einführung 9

1.2 Die Herangehensweise Die Projekt-Recherche bestand aus zwei Phasen. In einer Überblicksrecherche wur- Es wurden Projekte gesucht – realisiert oder den Projektpfade erkundet, die Hinweise zu in einem fortgeschrittenen Planungssta- geplanten, eingeleiteten oder bereits durch- dium – bei denen eine freiraumbezogene geführten Projekten ergaben. Eine anschlie- Nachnutzung im Vordergrund stand. ßende vertiefende Recherche umfasste ge- Häufig beinhalten innovative Projekte in zielte Projektanfragen in Kommunen und diesem Bereich Lösungsansätze, die über parallel einen bundesweiten Projektaufruf eine eindimensionale Nachnutzungsstra- unter Einbeziehung von Berufsverbänden, tegie hinausgehen. Sie verbinden verschie- Forschungseinrichtungen, Fachzeitschrif- dene Nutzungen miteinander, sind in viel- ten und Netzwerken sowie kommunaler, re- fältige Träger- und Akteurskonstellationen gionaler und bundesweiter Institutionen. eingebunden und setzen auf den Aufbau Es konnten 67 Renaturierungsprojekte re- komplexer und kreativer Kommunikations- cherchiert werden, die gesichtet, aufbereitet strukturen. Oftmals integrieren Renaturie- sowie in Bezug auf die Lage in der Stadt ver- rungsprojekte auch Bildungsangebote und ortet wurden. entwickeln beschäftigungswirksame Effek- te. Hinzu kommt eine steigende Bedeutung von Brachflächen für neue städtische- Her ausforderungen wie den Hochwasserschutz und die Energiegewinnung. Mit diesem Verständnis von Renaturierung als Strategie der Stadtentwicklung hat es sich zum einen als sinnvoll erwiesen, die Band- breite der Projekte in Nachnutzungsschwer- punkten wie „Wald“, „Landwirtschaft“ und „Erholung“ um die Kategorien „Energie- Bundesweite Verteilung der Projektmeldungen (Karte: bgmr Landschaftsarchitekten) landschaft“ und „Hochwasserschutz“ zu erweitern. In Hinblick auf Handlungsemp- fehlungen werden überdies Querverschnei- dungen der Nachnutzungsschwerpunkte ebenso betrachtet wie prozessorientierte, querschnittsbezogene Themen. Der methodische Ansatz der Forschungsstu- die stützt sich im Wesentlichen auf vier auf- einander aufbauende und sich ergänzende Komponenten:

Bundesweite Projekt-Recherche In der öffentlichen Diskussion sind bislang nur vergleichsweise wenige Projekte be- kannt, die eine konsequente und dauerhafte Renaturierung ehemals bebauter Flächen verfolgen. Um einen umfassenden Projekt- Pool tragfähiger und Erkenntnisgewinn ver- sprechender Projekte als Basis zur Bearbei- tung von Fallstudien zu erstellen, zielte der erste Untersuchungsschritt auf eine breit angelegte, bundesweite Projekt-Recherche. Bundesweite Verteilung der ausgewählten Projekte Im Mittelpunkt stand die Suche nach inno- (Karte: bgmr Landschaftsarchitekten) vativen Projekten, die einen nachhaltigen und fachübergreifenden Ansatz verfolgen. Von Interesse waren neuartige Ansätze in Bezug auf baulich-räumliche, nutzungsbe- zogene, rechtliche, wirtschaftliche und or- ganisatorische Aspekte. 1010 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Auswahl und Untersuchung von Fallstu­ ten Fallstudienbereisungen, mit Ortsbege­ dien hungen und Interviews mit den Projektak­ Praxistauglichkeit und Vorbildeignung teuren. Die Fallstudien sind in Steckbriefen waren in Hinblick auf weitere Handlungs­ im Teil 2 der Publikation dokumentiert. Sie empfehlungen ein wesentliches Kriterium behandeln vergleichbare Aussagen zu den für die Auswahl der Projekte zur Weiterbe­ Projekt-Daten, dem Projekt-Kontext, dem arbeitung als Fallstudie. In den Fallstudien Projekt-Prozess sowie zu Chancen und zu­ sollten nicht vorrangig Projekte, die einen kunftsweisenden Entwicklungsoptionen Ausnahmestatus widerspiegeln, abgebildet bzw. Restriktionen. werden, sondern Projekte, die beispielhafte Aufbauend auf den recherchierten Fallstudi­ Fragestellungen des Stadtumbaus und der en, wurden mit einer ausführlichen Analyse Transformation von Flächen im Alltag der sowohl beispielhafte Entwicklungsansätze Stadt behandeln. und -verfahren als auch Hemmnisse und Re­ Aus dem Pool der recherchierten Projekte striktionen identifiziert, die schlussendlich wurden 20 als Fallstudien vertiefend unter­ Anforderungen an rechtlich-instrumentelle, sucht. Die Auswahl der Fallstudien erfolgte finanzierungstechnische und programma­ anhand von Kriterien, die Aussagen zu Städ­ tische Rahmenbedingungen zu ihrer Behe­ tebaurelevanz, Nachhaltigkeit, Innovation, bung ableiten lassen. Übertragbarkeit und Projektreife treffen. Während der Bearbeitung hat sich ein Als Fallstudien wurden explizit nicht aus­ Schwerpunkt auf der Nachnutzungskatego­ schließlich realisierte „Best-Practice“-Pro­ rie Wald herauskristallisiert. Die Projektmel­ jekte gewählt, sondern auch Projekte in fort­ dungen dazu erwiesen sich für die weitere geschrittenem Planungsstadium bzw. mit Begutachtung als sehr tragfähig. ersten Schritten der Realisierung. Sie kön­ nen im Hinblick auf eine präzise und frucht­ bare Restriktions- und Chancenanalyse Expertengespräche als Teil der For­ schungsmethodik aussagefähige Ansätze aufzeigen. Es erfolg- Flankierend zur Projektrecherche und den Tabelle 1 vertiefenden Untersuchungen der Fallstu­ Verteilung der recherchierten und ausgewählten Projekte nach Nutzungsarten dien waren Expertengespräche mit externen

Nutzung Recherchierte Projekte Projektauswahl Fachleuten und Vertretern aus der Projekt­ Wald 15 7 praxis wichtiger Bestandteil der Forschungs­ methodik. Den Auftakt für diesen Dialog bil­ Landwirtschaft 8 4 dete ein internationales Expertengespräch, Erholung 28 5 das die Frage nach tradierten Ansätzen Hochwasserschutz 5 2 und neuen Inwertstellungselementen von Energie 3 2 urbanen Landschaften thematisierte. Ba­ Sonstige 8 - sierend auf diesen Ergebnissen wurden Summe 67 20 Schwerpunktthemen extrahiert und für drei (Quelle: bgmr Landschaftsarchitekten)

3. Expertenwerkstatt in Hoyerswerda mit Ortsbegehung und Berichten aus den Fallstudien (Fotos: bgmr Landschaftsarchitekten) Einführung 11 nachfolgende Expertenwerkstätten fachlich Forschungsbegleitende Experten aufbereitet. An drei Standorten ausgewähl­ In das Forschungsprojekt waren forschungs­ ter Fallstudien wurden jeweils spezifische begleitende Ratgeber aus vier unterschied­ Nachnutzungsformen und jeweils ein quer­ lichen Disziplinen eingebunden, die der schnittsorientiertes und prozessbezogenes gesamten Projektlaufzeit und insbesondere Thema (Kommunikationsstrategien, neue in den Expertenwerkstätten beratend zur Trägerschaften, Möglichkeiten der Inwert­ Verfügung standen. Sie speisten über Kurz­ stellung) vertiefend analysiert und produk­ expertisen fachliche Inputs in das Projekt tiv weiterentwickelt. und wurden entsprechend dem Projektfort- Den Schlusspunkt des Forschungsprojekts schritt konsultiert. Einschätzungen von Re­ setzte eine Fachveranstaltung, bei der sich striktionen und Lösungsansätzen konnten mehr als 100 Teilnehmer kritisch und kon­ somit auf den Prüfstand gestellt und quali­ struktiv mit den Ergebnissen der Unter­ fiziert werden. suchung auseinander setzten. Deutliche Schlussfolgerungen der Veranstaltung wa­ ren, dass die Entwicklung urbaner Land­ schaften auf Renaturierungsflächen wesent­ liche Zukunftsfelder der städtebaulichen Neuformulierung der Städte sind. Als neue baukultureller Aufgabe verstanden, können sie eine Wirkung für eine qualitative Weiter­ entwicklung der Städte entfalten.

Experten • Dr. Felicitas Fuhrmann-Bechstein, Humboldt Universität Berlin, Agrar- und stadt­ ökologische Projekte, Beratungsschwerpunkt: Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und Stadtentwicklung, Förderlandschaft und Wertschöpfungsketten in der Land­ wirtschaft • Prof. Dr. Stefan Heiland, Technische Universität Berlin, Landschaftsplanung, Bera­ tungsschwerpunkt: Chancen für Nachhaltigkeitsstrategie in Zusammenhang mit dem demografischen Wandel und schrumpfenden Städten • Prof. Dr. Rudolf Schäfer, Technische Universität Berlin, Baurecht und Bauverwal­ tungslehre, Beratungsschwerpunkt: Planungs- und baurechtliche Fragen, sowie Schnittstelle zur Immobilienwirtschaft • Prof. Dr. Michael Suda, Technische Universität München, Wald- und Umweltpolitik, Beratungsschwerpunkt: Wahrnehmung, Kommunikation und Meinungsbildungs­ prozesse im Umfeld des Waldes, Strategien von Wald als Folgenutzung

Abschlussveranstaltung in Berlin mit Podiumsdiskussion und Expertenrunden (Fotos: bgmr Landschaftsarchitekten) 1212 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

2 Analysefelder und Forschungsfragen

Die neuen urbanen Landschaften auf Rena­ 2.1 Analysefelder turierungsflächen stehen in einem engen Zu Beginn des Forschungsprojekts wurden Zusammenhang mit städtischen Nutzun­ acht Analysefelder festgelegt, die einerseits gen. Sie werden nicht als Ergebnis von ne­ den Renaturierungstypus (A 1) widerspie­ gativem Wachstum oder als Gegensatz zur geln und den Projektkontext reflektieren (A Stadt verstanden, sondern als ein städti­ 2 und 3), aber auch die Prozessdarstellung sches Element im Kontext der Stadt bzw. der und die querschnittsorientierten Fragestel­ Stadtregion. Aus diesem Zusammenhang lungen fokussieren (A 4 bis 7). Diese bildeten ergeben sich für Renaturierungsprojekte den Orientierungsrahmen sowohl für die neue und sehr spezifische Rahmenbedin­ Sichtung und Aufbereitung der recherchier­ gungen und Aufgabenstellungen, die über ten Projekte als auch die Analysefelder für die bisherige Praxis der kommunalen Stadt­ die vertiefende Untersuchung. planungs- und Grünflächenämter und auch der konventionellen Land- und Forstwirt­

schaft hinausgehen. Um vor diesem Hinter­ Analysefelder grund erfolgreiche Strategien der Renaturie­ • A 1: Art der nicht-baulichen Folgenutzung rung entwickeln zu können, bedarf es nicht • A 2: Städtebaulich-räumlicher Kontext/Lage nur einer Antwort auf nutzungsspezifische • A 3: Projektanlass Fragestellungen (Wald, Landwirtschaft, Er­ • A 4: Akteurskonstellation/Trägerschaften holung, Hochwasserschutz und Energiege­ • A 5: Planerisch-strategischer Rahmen winnung). Vielmehr müssen auch die zur Umsetzung erforderlichen gestalterischen, • A 6: Rechtlich-institutioneller Rahmen rechtlichen, instrumentellen und nicht zu­ • A 7: Finanzierung des Umbaus letzt ökonomischen Parameter für sich und • A 8: Wirkungen auf eine nachhaltige Stadtent- wicklung in ihrer Quervernetzung geklärt werden.

Energie/ Als Ergebnis der Expertengespräche haben Wald Landwirtschaft Erholung Hochwasser sich weitere Analysefelder herauskristalli­ siert, die für den Erfolg von Renaturierungs­ Konzeptioneller projekten zusätzlich zu den bereits gesetzten und struktureller Fallstudien Fallstudien Fallstudien Fallstudien Ansatz eine entscheidende Rolle spielen und die in die Untersuchung der Fallstudienprojekte Umsetzungs­ mit einflossen. prozess Fallstudien Fallstudien Fallstudien Fallstudien

• A 9: neue ökonomische, ökologische und soziale Träger/ Inwertstellungselemente Bewirtschaftung Fallstudien Fallstudien Fallstudien Fallstudien • A 10: Kommunikationsaspekt bei der Erzeugung von Akzeptanz von Renaturierung • A 11: längerfristige Sicherung von Pflege und Auswertung nach Nachnutzungsschwerpunkten Unterhaltung der Renaturierungsflächen (Diagramm: bgmr Landschaftsarchitekten)

Alle Fallstudien wurden in Hinblick auf diese Analysefelder ausgewertet. Energie/ Wald Landwirtschaft Erholung Hochwasser

Konzeptioneller 2.2 Forschungsfragen und struktureller Fallstudien Fallstudien Fallstudien Fallstudien Ansatz In der Querschau der Projekte wurden die

Umsetzungs­ eingangs definierten Analysefelder hin­ prozess Fallstudien Fallstudien Fallstudien Fallstudien sichtlich ihrer zukunftsweisenden Entwick­ lungsoptionen mit dem Ziel ausgewertet, Handlungsempfehlungen für die Zielgruppe Träger/ Bewirtschaftung Fallstudien Fallstudien Fallstudien Fallstudien der Städte und Gemeinden und Akteure der Renaturierung abzuleiten. Ein außerordent­ licher Schwerpunkt der Betrachtung lag auf Querschnittsorientierte Auswertung der Bedeutung der Renaturierungsflächen (Diagramm: bgmr Landschaftsarchitekten) für neue Inwertstellungselemente von Land­ Analysefelder und Forschungsfragen 13 schaft, wie Energiegewinnung, Klimaschutz Im Informationskasten werden Aussagen zu und Hochwasserschutz. folgenden Punkten gemacht: Die Forschung konzentrierte sich auf folgen- • Stadttyp (nach Definitionen der laufen- de Fragestellungen den Raumbeobachtung des BBSR) • Welche Visionen und Qualitäten urba- • Lage des Projektgebietes in der Stadt ner Landschaften auf Renaturierungs- • Eingebundenheit in ein übergeordnetes flächen gibt es? Freiraumkonzept • Welche Chancen bestehen für eine • Demografische Entwicklung 1992/2007 nachhaltige Stadtentwicklung und den • Größe des Projektgebietes Stadtumbau? • Umsetzungsstand • Wo liegen neue Chancen und Aufgaben für Renaturierung? Wo ergeben sich Re- Eine der weiterführenden Erkenntnisse der striktionen? Untersuchung war, dass viele Projekte selbst bei der Fokussierung auf einen bestimmten • Was sind Erfolgsfaktoren für Renaturie- Nachnutzungsschwerpunkt in mehrdimen- rung? sionale Systeme (sozial/ökonomisch/ökolo- • Wie sehen gelungene Rahmenbedin- gisch) und Nutzungsstrukturen eingebun- gungen (ökonomisch, rechtlich, struk- den sind. turell, akteursbezogen) für die Finan- zierung und Umsetzung aus? Anhand von Piktogrammen werden Umfang und Art der Multifunktionalität verdeut- • Welche Fragen bleiben offen? (Gestal- licht. tung, Betrieb und Unterhaltung von Re- naturierung) Es wurden Piktogramme zu folgenden Nut- zungsarten entwickelt: Der Grad, ab wann bei Neuerungen von Innovationen gesprochen werden kann, ist Nachnutzungsschwerpunkt: nicht eindeutig definiert. Das Forschungs- projekt versteht unter Innovation Handlun- gen, die noch nicht Standard in der kommu- nalen Praxis sind. Auch kleine Schritte sind Wald Erholung Landwirtschaft als innovativ zu werten, da sie in ihrer Sum- me Wirkung entfalten. Ergänzende Nachnutzungen:

2.3 Untersuchung der Fallstudien Teil 2 enthält 20 Steckbriefe als Ergebnis der Hochwasserschutz Energiegewinnung Fallstudien-Untersuchung. Die Auswertung der Analysefelder ist in die Darstellung ein- geflossen. Weitere mit der Renaturierung verbundene Effekte: Die Steckbriefe gliedern sich wie folgt: • Kontext • Projekt • Landschafts-und Freiraumkonzept Kultur Bildung Naturschutz Arbeit

• Ziele und Maßnahmen Zur Vereinfachung der Zuordnung werden • Akteurskonstellation und neue Träger- die Vornutzungen ebenfalls durch Pikto- schaften gramme dargestellt. • Planungs- und Rechtsinstrumente • Finanzierung und Inwertsetzung • Pflege und Unterhaltung Industrie/Gewerbe Wohnungsbau Militär • Kommunikationsstrategien • Chancen und Lösungswege Der nachfolgenden Übersichtstabelle kön- nen auf einen Blick die wichtigsten Fakten • Probleme und Hemmnisse zu den einzelen Fallstudien entnommen • Innovation und Vorbildcharakter werden. 1414 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62 Tabelle 2 Projektübersicht

Nachnutzungsschwerpunkt Wald Seite Projekt Vor-und Nachnutzungen Umsetzungsstand 40 Eisenhüttenstadt (BB) in Planung Abwartende Renaturierung – + + Abrissflächen des Wohnkomplexes VII 44 Gelsenkirchen (NW) realisiert Strukturwandel zum Begreifen – + + + + Industriewald Rheinelbe 48 Halle (Saale)-Silberhöhe (ST) in Umsetzung Urbane Waldlandschaften – + + + Die Waldstadt Halle-Silberhöhe 52 Hoyerswerda (SN) in Umsetzung Patchwork-Landschaft – + + + Neue Freiräume Hoyerswerda 56 Reichenbach im Vogtland (SN) realisiert Eine flexibele Schaltfläche am Grünzug – + Aufforstung des Textilstandortes Gardeko 60 Schwedt/Oder (BB) in Planung Waldquartiere statt Wohnquartiere – + Urbane Aufforstung „Am Waldrand“ 64 Weißwasser O.L. (SN) z.T. realisert Wiederherstellung der Landschaft – + Stadtrandbebauung weicht Wald Nachnutzungsschwerpunkt Landwirtschaft Seite Projekt weitere Nachnutzungen Umsetzungsstand 68 Berlin-Gatow (BE) in Planung Urbane Landwirtschaft eine Strategie der + + + Stadtentwicklung – Landstadt Gatow 72 Berlin-Lichtenberg (BE) z.T. realisert Multifunktionale StadtLandWirtschaft – + + + Landschaftspark Berlin Herzberge 76 Cottbus-Neu Schmellwitz (BB) in Planung Urbane Landwirtschaft soll Abriss folgen – + + Neue Perspektiven für Neu Schmellwitz 80 Leipzig-Paunsdorf (SN) realisiert Ein ländliches Experiment im „Plattenbau“ – + + Grüner Bogen Paunsdorf Nachnutzungsschwerpunkt Erholung Seite Projekt weitere Nachnutzungen Umsetzungsstand 84 Dessau (ST) realisiert Die In-Kulturnahme urbaner Landschaft – + + + „400 qm Dessau“ 88 Dresden-Roßlau (SN) z.T. realisiert Grüne Impulse für den Dresdner Südwesten – + + + + Grünzug Weißeritz 92 Essen (NW) in Umsetzung Freiraum schafft Stadtraum – + + Krupp-Park als Teil des Strahlenkonzepts 96 Frankfurt am Main (HE) realisert Zwischen Sparta und Arkadien – + + + + Alter Flugplatz Frankfurt 100 Jena (TH) realisiert Durch weniger Mehr – Ein Stadtplatz in der Grünen Achse Lobeda Nachnutzungsschwerpunkt Hochwasserschutz/Energie Seite Projekt weitere Nachnutzungen Umsetzungsstand 104 Gelsenkirchen (NW) in Planung Zukunftsenergien auf Montanstandort – + + + + Biomassepark Hugo 108 Halle (Saale)-Neustadt (ST) realisiert Nachwachsende Rohstoffe vor der Haustür – + Kurzumtriebsplantage Lüneburger Bogen 112 Köln (NW) realisiert Hochwasserschutz als ein Motor + + + der Renaturierung – Westhovener Aue 116 (BY) in Planung Verzahnung von Ökologie, Hochwasserschutz + + und Gemeindeleben – Kachelmann-Gelände Analysefelder und Forschungsfragen 15

Fortsetzung Tabelle 2

Nachnutzungsschwerpunkt Wald Seite Fläche Lage Einwohner 1992 Einwohner 2007 Einwohnerzahl 40 20 ha Stadtrand 46.646 33.091

44 36 ha Zwischenstadt 295.368 264.765

48 61,2 ha Stadtrand 299.884 234.295

52 k.A. Stadtrand 64.631 40.294 Veränderte Katasterfläche (1) 56 4,2 ha Stadtrand 29.741 21.210

60 10 ha Stadtrand 52.188 35.881

64 3,5 ha Stadtrand 33.214 20.298

Nachnutzungsschwerpunkt Landwirtschaft Seite Fläche Lage Einwohner 1992 EInwohner 2007 Einwohnerzahl 68 90 ha Stadtrand 3.465.748 3.416.255

72 100 ha Innenstadtrand 3.465.748 3.416.255

76 12 ha Stadtrand 131.343 102.811

80 36 ha Stadtrand 540.400 510.512

Nachnutzungsschwerpunkt Erholung Seite Fläche Lage Einwohner 1992 EInwohner 2007 Einwohnerzahl 84 400 qm Innenstadtrand 96.719 89.934 Veränderte Katasterfläche (1) 88 0,6 ha Innenstadt 502.504 507.513

92 22 ha Zwischenstadt 627.269 582.140

98 10 ha Stadtrand 663.952 659.021

100 1,9 ha Stadtrand 103.570 102.752

(1) Nachnutzungsschwerpunkt Hochwasserschutz/Energie Veränderte Katasterflächen: Seite Fläche Lage Einwohner 1992 EInwohner 2007 Einwohnerzahl Hoyerswerdea 104 22 ha Zwischenstadt 295.368 264.765 1997: 95,06 km² 1992: 94,76 km²

108 0,8 ha Stadtrand 299.884 234.295 Dessau 1997: 244,64 km² 1992: 182,83 km² 112 64 ha Innenstadtrand 960.631 995.397

116 1,8 ha Innenstadt 7.429 7.805 Quelle: Laufende Raumbe- obachtung, BBR 16 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

3 Auswertung und Schlussfolgerungen nach Nachnutzungsschwerpunkten

Multifunktionalität ist eine wesentliche Ei- wendigen Aufwertung von Stadtquartieren genschaft der neuen urbanen Landschaften, und tragen zur Verbesserung der Lebensqua- die im Zusammenhang mit Renturierungs- lität der Bevölkerung bei. Andererseits wer- Projekten entstanden sind. Dennoch erge- den sie ganz bewusst zur Standortentwick- ben sich für die spezifischen Nachnutzungs- lung („Place making“) eingesetzt und sind schwerpunkte besondere Chancen und wichtige Elemente der kommunalen Stand- Problemlagen. Wesentliche Unterschiede ortpolitik zur Ansiedlung von Wirtschafts- zwischen Erholung, Wald, Landwirtschaft, unternehmen und zur Schaffung neuer Hochwasserschutz und Energie bestehen Wohnqualitäten. In Jena-Lobeda gelang mit beispielsweise in den unterschiedlichen dieser Politik die Ansiedlung des Klinikums Rechtssystemen, in die sie eingebunden der Friedrich-Schiller-Universität und von sind, in verschiedenen Fördermöglichkeiten Folgeunternehmen des Gesundheitssektors und finanziellen Konditionen sowie in an- bei gleichzeitiger Aufwertung Lobedas als deren zeitlichen Dynamiken, denen sie un- Wohnstandort. Wie wichtig Grünflächen für terliegen. Sie generieren auch unterschiedli- Wirtschaftsunternehmen sind, zeigt auch che Landschaftsbilder und können damit in das Modell der Public Private Partnership ganz unterschiedlicher Weise zur Gestaltung des Stahlkonzerns ThyssenKrupp, der ge- urbaner Landschaften eingesetzt werden. meinsam mit der Stadt Essen das „grüne“ Umfeld seines neuen Headquarters entwi- ckelt. Essens Stadtentwicklungspolitik ist 3.1 Erholung maßgeblich darauf ausgerichtet, auf Basis Mit 29 identifizierten Beispielen zeigte die des landschaftsorientierten Strahlenmo- Überblicksrecherche zu Beginn des For- dells schrittweise neue urbane Strukturen schungsprojekts sehr deutlich, dass die An- aufzubauen und vielfältige Lagequalitäten lage klassischer Erholungsflächen nach wie für neue Wohnstandorte zu erzeugen. vor der häufigste Nachnutzungsansatz auf Renaturierungsflächen ist. Deren Aufgabe Neue Öffentlichkeiten auf Erholungsflä- beschränkt sich meistens auf die Versorgung chen der Stadtbewohner mit Grünflächen und Als eine andere Strömung konnten Erho- die Freiraumfunktionen wie Lagern, Spiel, lungslandschaften ausgemacht werden, die Sport oder „Spazieren gehen“. Angesichts durch neue Formen der In-Kulturnahme der sich transformierenden Stadt und rück- hervorstechen. Sie lösen sich vom Versor- läufiger Einwohnerzahlen werden die klassi- gungsdenken ab und fungieren als Motor schen Anlagen von immer weniger Nutzern des bürgerschaftlichen Engagements, in- nachgefragt. Anlage, Pflege und Unterhalt dem Bürger aktiv in die Herstellung der der wachsenden Anzahl an frei werdenden Freiflächen einbezogen werden und ihnen Flächen werden zudem zu einem großen Verantwortung übertragen wird. Durch die Kostenfaktor. Dies erfordert neue Freiraum- Übertragung von Flächen an Bürger, Initiati- typologien, die andere strategische Zwecke ven und Vereine entsteht nicht nur eine Win- erfüllen und auch anders als bisher genutzt, Win-Situation für die Stadt, die «Kümmerer» betrieben und gepflegt werden. Auf der Su- gewinnt, die sich zuständig fühlen, und den che nach innovativen Projekten fielen -be Bürger, der ein Stück Land individuell be- achtenswerte neue Strömungen auf. wirtschaften kann, sondern es entstehen so auch neue Formen der Öffentlichkeit und Bewusste Standortpolitik mit Parkanlagen bisher noch gänzlich unbekannte, aktive ur- und Grünflächen bane Freiraumnutzungen. Kommunen wie Essen und Jena setzen ge- Das Überangebot an Freiflächen löst das zielt darauf, mit gestalterisch hochwerti- Sichtbarwerden individueller und bislang gen Grünanlagen auf Brachflächen und verborgener Interessen am städtischen übergeordneten Freiraumkonzepten neue Freiraum aus, die zum wichtigen Potenzial stadträumliche Identitäten und attrakti- der stadträumlichen Entwicklung werden ve Adressen zu schaffen. Damit sind zwei können. In Dessau wird der öffentliche Er- Wirkrichtungen verbunden. Einerseits die- holungsraum zum Schaufenster, in dem nen die neuen Erholungsflächen der not- Berufssparten und Initiativen ihre Arbeit Auswertung und Schlussfolgerungen nach Nachnutzungsschwerpunkten 17 und ihre Anliegen präsentieren und sie in 3.2 Landwirtschaft Bezug zum Freiraum stellen (Apothekergar- Trotz intensiver Recherche konnten bislang ten, Imkergarten, etc.). In Dresden hat der nur wenige Projekte identifiziert werden, die Mühlenverein Flächen entlang der Weißeritz den Schwerpunkt der Nachnutzung auf die übernommen, um der Öffentlichkeit Funda- Landwirtschaft setzen. Beweidungsprojekte mente historischer Mühlen zu zeigen. Zu- stehen dabei im Vordergrund. Streuobst- gleich pädagogische und aktivierende Funk- wiesen sind die einzige Form der pflanzen- tionen haben die Bildungsangebote auf dem basierten Nahrungsmittelproduktion, die Alten Flugplatz Frankfurt, mit denen Famili- zum Angebots-Mix auf den untersuchten en und Kinder an den Themenkomplex Na- Renaturierungsflächen gehört. Doch land- tur und Umwelt herangeführt werden. wirtschaftliche Projekte bieten als urbane Selbst bei geringen Flächengrößen sind viel- Landwirtschaft ein weit größeres Potenzial, fältige Aktivitäten wichtige Identitätsträger als bisher ausgeschöpft wurde. und schaffen Anreiz für die Übernahme Die Konzepte der Landwirtschaft auf städ- weiterer Trägerschaften. Diese neuen Ko- tischen Renaturierungsflächen unterschei- operationsformen, wie die Claim-Agentur in den sich von der ruralen Landwirtschaft Dessau oder auch der Weißeritz-Stammtisch deutlich, sie stellen sich auf die jeweilige in Dresden, müssen von Seiten der Stadt ak- Situation und den Kontext ein. Sie sind tiv unterstützt werden - das bedeutet auch nicht primär auf Nahrungsmittelprodukti- einen Lernprozess für die jeweiligen Verwal- on ausgerichtet, sondern beziehen sich auf tungen. die Nachfrage aus der umgebenden Stadt. Erholungsräume werden durch diese Über- Urbane Landwirtschaft bietet Produkte lagerungen von Funktionen und Interessen und Dienstleistungen von Beweidung, Rei- gestärkt. ten und Selber-Pflücker-Feldern über Bil- dungsangebote bis zur Direktvermarktung. Trotz der Klassifizierung als Fläche für Erho- Damit generiert die Landwirtschaft in sehr lung wurden bei einer ganzen Reihe von Pro- differenzierten Strategien ein Einkommen jekten die klassischen Erholungsfunktionen und pflegt gleichzeitig die transformier- mit neuen Nutzungs- und Aneignungsfor- te Landschaft. Insbesondere das Projekt men verknüpft. Dadurch entstehen punk- Landschaftspark Berlin-Herzberge zeigt die tuelle, auch kleine zusätzliche Attraktionen Vielfältigkeit möglicher Wertschöpfungsket- und Anreizsituationen, die den Erholungs- ten, die von der Zusammenarbeit mit dem raum bereichern und ihm besondere Merk- benachbarten psychatrischen Krankenhaus male hinzufügen. Multifunktionalitäten und in tierpädagogischen Projekten bis zur Ver- die Überlagerung vielfältiger Interessen auf marktung landwirtschaftlicher Produkte in Erholungsflächen passen sich der Heteroge- der Krankenhauskantine reichen und die nität der Ansprüche einer individualisierten Orientierung der Landwirtschaft am städ- Besucherschaft an, ermöglichen neue Trä- tisch geprägten Umfeld deutlich zeigen. Die gerschaften und eröffnen Spielräume für untersuchten Projekte konstruieren nicht einen breiten Mix an Fördermöglichkeiten eine ländliche Idylle in der Stadt, sondern (Soziale Stadt, Naturschutz, Bildungspro- werden integraler Bestandteil des städti- gramme etc.). schen Lebens.

Urbane Landwirtschaft reagiert auf Bedürfnisse der Stadt (Fotos: bgmr Landschaftsarchitekten) 18 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Differenzierte Betriebskonzepte – diffe- Chancengleichheit für Landwirtschaft auf renzierte Landschaften Renaturierungsflächen Die Auswertung der Projekte zeigt, dass die Durch Bebauung gestörte Böden, alte Ver- landwirtschaftlichen Nutzungsformen und und Entsorgungsleitungen und kleinteilige die landwirtschaftlichen Betriebskonzepte Schläge stellen Bewirtschaftungserschwer- sehr differenziert sind und sich damit in sehr nisse in der Stadt dar, die der Landwirt im unterschiedlicher Weise in der Landschaft ländlichen Raum so nicht kennt. Für ver- abbilden. gleichbare Startbedingungen benötigen Landwirte auf Renaturierungsflächen Un- Während in Leipzig die naturschutzgerech- terstützung. Dies kann erreicht werden, in- te Pflege der Renaturierungsflächen im dem im Rahmen des Rückbaus Leitungen Vordergrund steht, nimmt in Berlin-Gatow entfernt werden, im Zuge der Aufwertungs- und in Cottbus die Beweidung eine Schlüs- maßnahmen die Bodenverbesserung erfolgt selstellung ein, sei es für den Reitsport, als oder längerfristige Nutzungsverträge mit Futterflächen oder als Weiden, auf denen Sicherheiten bei Investitionen abgeschlos- alte Tiere ihr Gnadenbrot bekommen. In senen werden. Berlin-Lichtenberg stehen Bildungsinitia- tiven und Beschäftigungsangebote in einer Voraussetzung für ein Gelingen landwirt- starken Abhängigkeit von unterschiedlichen schaftlicher Projekte ist die Aufnahme rena- turierter Flächen in die Regelagrarförderun- Förderprogrammen im Mittelpunkt der Be- gen entsprechend den Agrarreformen 2005. treiberkonzepte. Beihilfefähige Flächen werden bis 2013 mit etwa 300 Euro/ha/Jahr gefördert. Hohe Flexibilität in der Nutzung erfordert ein robustes räumliches Grundgerüst In Stadtgebieten nicht förderfähig sind Streuobstwiesen, was in verschiedenen Landwirtschaftliche Nutzungen sind sehr Kommunen, wie z.B. in Hoyerswerda und Ei- flexibel und können sich bei z.B. neuen För- senhüttenstadt, zu erheblichen Verzögerun- derbedingungen oder neuen Pächtern kurz- gen der geplanten Flächennutzungen führt, fristig ändern. Daher kommt dem dauerhaft da keine alternative Finanzierungsmöglich- angelegten räumlichen Grundgerüst der keit besteht. Wege, den prägenden Vegetationsstrukturen und den für die Allgemeinheit verfügbaren Frühzeitige Einbindung der landwirt- Flächen innerhalb der neuen Landschaft schaftlichen Akteure in den Planungspro- eine wichtige Funktion zu. zess Das Grundgerüst sollte robust sein und In den Projekten hat sich gezeigt, dass eine gleichzeitig für die Erlebbarkeit des Raumes frühzeitige Einbindung der landwirtschaftli- eine hohe Qualität haben. Wege innerhalb chen Akteure von hoher Bedeutung ist, um der transformierten Landschaften müssen die renaturierten Landschaften landwirt- sich auf Netze in den angrenzenden Stadt- schaftstauglich zu gestalten. räumen beziehen und diese verknüpfen. Die Anforderungen reichen von der Erreich- So wie in Cottbus-Neu Schmellwitz können barkeit mit landwirtschaftlichen Fahrzeu- vorhandene Erschließungsstraßen der rück- gen, der Anlage von eigenständigen Reitwe- gebauten Stadt zum Teil erhalten werden gen bis zur Wasser- und Stromversorgung und für neue Funktionen vom Skaten bis zur für die Tierhaltung. Insofern sind frühzeitige landwirtschaftlichen Erschließung genutzt Kommunikationsprozesse notwendig. werden. In Berlin-Gatow erwies sich ein Workshop Landwirtschaft stiftet Sinn mit Landwirten als besonders fruchtbar, bei dem das Konzept der Urbanen Land- Landwirtschaftliche Nutzungen auf den wirtschaft vorgestellt und diskutiert wurde. Rückbauflächen finden eine hohe Akzeptanz Die spezifischen Anregungen der Landwirte in der Bevölkerung, da die brach gefallenen wurden in den weiteren Prozess eingespeist und rückgebauten Flächen nicht nutzlos und es konnte bereits das Interesse der wahrgenommen werden. Weiterhin werden Landwirte an der Bewirtschaftung der Flä- Tiere, ob Pferde, Schafe oder Rinder, in der chen geweckt werden. Stadt als Qualität mit hohem emotionalen Wert erfahren. Damit stiftet Landwirtschaft Sinn und bietet eine Nutzungsperspektive für die rückgebaute Stadt. Auswertung und Schlussfolgerungen nach Nachnutzungsschwerpunkten 19

3.3 Wald Aufforstungen können Räume formuliert, Farbeffekte durch Laubfärbungen erzielt Wald als dauerhafte Nachnutzung (Halle-Silberhöhe), harte und weiche Rän- der ausgebildet werden (Hoyerswerda), Hö- Die Nachnutzung Wald ist eine Renaturie- henentwicklungen gestaffelt werden (Rei- rungsform, die nach dem gegenwärtigen chenbach). Historische Spuren und Orte Recht auf Dauer angelegt ist. Eine mit Wald- der Identität können nachgezeichnet und bäumen bestockte Fläche unterliegt den Re- Sichtachsen sowie Lichtungen freigehalten gelungen der jeweiligen Länderwaldgesetze werden. Mit Wald werden unterschiedliche und gilt bereits in der frühen Wachstums- Waldbilder von der Wildnis bis zum kulti- phase als geschützt. Da zahlreiche der re- vierten Hochwald erzeugt. cherchierten Projekte Wald als Nachnutzung Die Waldbegründung auf Renaturierungs- verfolgen, wird die Ernsthaftigkeit der Dau- flächen im Siedlungskontext sollte daher erhaftigkeit der Renaturierungsmaßnahme auf der Grundlage integrierter Rahmenpla- deutlich. nungen und Gestaltungskonzepte entwi- Ein besonderer räumlicher Schwerpunkt für ckelt werden, um diese vielfältigen Quali- die Nachnutzung Wald sind die Siedlungs- tätsmerkmale des Waldes zu aktivieren. Der gebiete des komplexen Wohnungsbaus und Wald in seinen gestalterischen Differenzie- hier wiederum die Abrissgebiete am Stadt- rungen sollte Teil der Diskussionen um die rand. Nachnutzung sein.

Waldentwicklung benötigt Zeit und Ge- Wald als Interesse duld Mit Wald werden in der Forstwirtschaft zahl- Wald ist auf Dauerhaftigkeit angelegt. Wald- reiche Nutz-, Schutz und Erholungsziele entwicklung benötigt aber Zeit und Geduld, verbunden, die sich in den unterschiedli- bis die Setzlinge nach den ersten Jahren als chen Waldfunktionen widerspiegeln. Auf entstehender Wald überhaupt erkennbar den Renaturierungsflächen können die un- werden. Vor allem in den ersten Jahren sind terschiedlichen Ansprüche an den Wald als Pflegedurchgänge erforderlich, bis Wald in Interessen von unterschiedlichen Nutzern eine extensive Bewirtschaftung überführt verstanden und entsprechend ausformuliert werden kann. Daher muss der zukünftige werden. So können Flächen stärker an Ak- Wald in Form von ersten gebauten Bildern teure und Interessengruppen in den Stadt- vermittelt werden, um in den Rückbauge- gebieten gebunden werden. Waldentwick- bieten die Akzeptanz zu stärken. lung im Siedlungskontext kann so Teil eines integrierten Konzepts werden, das durch die Vielfalt städtischer Nutzungsansprüche und Wald als Gestaltungsaufgabe Gestaltungsvorstellungen geprägt wird. Um Wald ist nicht nur eine mit Waldbäumen einen urbanen Wald zu etablieren, werden bestockte Fläche, sondern wird gerade daher in der Forstwirtschaft bisher nicht auf Rückbauflächen zunehmend auch als praktizierte, neue Kommunikationsformen Gestaltungsaufgabe verstanden. Mit den zu entwickeln sein.

Mit Wald gestalten (Fotos: bgmr Landschaftsarchitekten) 20 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

3.4 Energiegewinnung 3.5 Hochwasserschutz

Energie als neue Nachnutzungsoption Renaturierung für den Hochwasserschutz mit regionaler Wirkung Energiegewinnung durch den Anbau nach- wachsender Rohstoffe ist eine neue Nut- Die Renaturierung von einst baulich ge- zungsoption für zu renaturierende Flächen. nutzten Flächen bedeutet in hochwasser- Dabei steht diese auf den städtischen Rena- gefährdeten Bereichen eine Risikominde- turierungsflächen nicht in Konkurrenz bzw. rung durch den Wegfall versiegelter Flächen. geht nicht zu Lasten bisher landwirtschaft- Gleichzeitig entstehen auf den renaturierten lich genutzter Flächen. Da Energiegewin- Flächen Überschwemmungsbereiche, die nung aktuell eine hohe Aufmerksamkeit hat, wiederum zur Entlastung und Gefährdungs- wecken solche Projekte Interesse bei poten- minderung in anderen urban geprägten ziellen Betreibern und finden Akzeptanz bei Räumen führen können und einen Beitrag den Bewohnern. zum regionalen Hochwassermanagement leisten können. Insofern hat Renaturierung Biomasseproduktion – vernetzt mit der in der Verbindung mit dem Hochwasser- Stadt schutz nicht nur eine lokale Wirkung. Auffallend ist bei den Fallstudien, dass die Renaturierte Hochwasserschutzflächen Biomasseproduktion nicht allein auf die als Gestaltungsaufgabe Energiegewinnung ausgerichtet ist, sondern konzeptionell in städtische Strukturen und Hochwasserschutz dient nicht nur der was- Nutzungsbezüge eingebunden wird. Die An- sertechnischen und wasserwirtschaftlichen pflanzung von schnell wachsenden Gehöl- Vorsorge. Durch ihn entstehen neue Land- zen wird auf dem Renaturierungsstandort schaften mit besonderen Qualitäten auf Biomassepark Hugo insbesondere auch als den rückgebauten Flächen. Wenn in diesen Gestaltungsaufgabe und Anlass zur sozialen Landschaften die Dynamik des Wassers Vernetzung mit dem benachbarten Stadtteil nicht nur als Bedrohung, sondern die Mehr- verstanden. Das Wachsen und Ernten der fachnutzung auch offensiv als Gestaltungs- schnell wachsenden Gehölze wird im Rah- aufgabe verstanden wird, bilden sich neue men eines Gestaltungskonzepts inszeniert Landschaftsbilder mit hohen Qualitäten und so bewusst Teil des Landschaftserlebens. auch für die Erholung und das urbane Land- Bildungsangebote, ein Museum und Experi- schaftserleben heraus. mentierfelder sind weitere geplante Baustei- Hochwasserschutz als Kommunikations- ne des integrierten Konzepts. Der Standort aufgabe der Biomasseproduktion wird so selbst zu einer neuen Adresse in der Stadt. Dass auch In den untersuchten Projekten in Köln und schon kleine Flächen einen ökonomischen Strullendorf hat sich gezeigt, dass der Rück- Effekt haben können, zeigt das Pilotprojekt bau von baulich genutzten Flächen nicht Lüneburger Bogen in Halle. Hier wird die nur Teil der Hochwasserschutzkonzeption Verwertung der stadteigenen Biomasse zur ist, sondern in enger Wechselbeziehung mit Energiegewinnung unterstützt. weiteren neuen Nutzungen wie Erholung, Naturschutz, Wald oder Landwirtschaft steht. So können Synergien entstehen und Biomasse – ein Potenzial für eine wach- sende Flächennachfrage Allianzen geschmiedet werden. Dies setzt ein geeignetes integriertes Konzept voraus, Die in den meisten Bundesländern beste- das unter den Betroffenen und Akteuren hende planungsrechtliche Unsicherheit, ob kommuniziert werden muss. Kurzumtriebsplantagen Wald oder Land- wirtschaft sind, erschwert die Umsetzung Vor dem Hintergrund der derzeitigen Debatte solcher Plantagen im städtischen Kontext. um Konzepte zum Klimafolgenmanagement Bis eine Klärung herbeigeführt wird, kann gewinnt der integrierte Hochwasserschutz ein Lösungsweg das Betreiben als Pilotpro- zunehmend an Bedeutung. Renaturierungs- jekt sein. Grundsätzlich liegt in der Energie- flächen in hochwassergefährdeten Gebieten gewinnung durch Kurzumtriebsplantagen stellen daher ein noch stärker zu nutzendes ein noch nicht ausgeschöpftes Flächen- Potenzial dar. nachfragepotenzial, das bei verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen eine sehr flexible Nachnutzungsform bezüglich räum- licher wie zeitlicher Ausdehnung darstellt. Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen 21

4 Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen

In die querschnittsorientierte Betrachtung Aufwertung von Stadtquartieren, aber auch sind neben den Ergebnissen der Fallstudien zu neuen Synthesen wirtschaftlicher und auch wichtige Einzelaspekte der sonstigen stadträumlicher Veränderung beitragen. recherchierten Projekte mit eingeflossen, da Das „Essener Strahlenmodell“ zeigt beispiel- sie einen erweiterten Überblick über die Re- haft, wie auf Basis einer übergeordneten naturierungspraxis in Deutschland geben. Vision die ökologische Umstrukturierung Ebenso finden sich die Erkenntnisse der be- des Emschersystems zur Erzeugung neuer gleitenden Expertengespräche und die Ein- innerstädtischer Wohnlagen und attrakti- schätzungen der forschungsbegleitenden ver Wirtschaftsstandorte genutzt wird. Die Experten wieder. Die angesprochenen Ana- Renaturierung alter Industriebrachen trägt lysefelder sind nicht isoliert zu betrachten, entscheidend dazu bei, dass anstelle flä- sondern stehen in Abhängigkeit zueinander chenhafter industrieller Konzentration von bzw. haben Rückkoppelungseffekte unter- Funktionen (Wohnen, Gewerbe, Verkehrs- einander. infrastruktur) neue Funktionsmischungen und Atmosphären an einzelnen Orten ent- 4.1 Nachhaltige Stadtentwicklung stehen. Der Stadtumbau kann im Zusam- durch Renaturierung menspiel mit neuen urbanen Landschaften Motor einer zeitgemäßen ökologisch orien- Bereits in der Forschungsstudie „Zwischen- tierten baulichen Entwicklung sein. nutzung und neue Freiflächen – Städtische Lebensräume der Zukunft“, ein Projekt des Mit Renaturierung die Stadtquartiere Forschungsprogramms der „Projektplanung stärken Aufbau Ost“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und des Auch wenn es auf den ersten Blick paradox Bundesamtes für Bauwesen und Raumord- aussieht: Eine wichtige Herausforderung für nung von 2004 deutete sich an, dass eine die Renaturierungsprojekte liegt darin, in- dauerhafte Renaturierung ehemals baulich wiefern sie die Stadtquartieridentitäten stär- genutzter Flächen verstärkt als Thema der ken können. Mit verschiedenen Formen der Stadtentwicklung in den Vordergrund rückt. Bürgerbeteiligung bei der Umsetzung und Stärker noch als an die Zwischennutzung ist dem kulturellen Bespielen von Renaturie- an die Renaturierung von Rückbauflächen rungsflächen bieten sich Chancen, bürger- die Frage der Nachhaltigkeit geknüpft: schaftliches Engagement und neue Formen der Raumaneignung zu aktivieren und so die Welche neuen Qualitäten und Effekte kön- Identifikation mit Stadt und Wohnumfeld zu nen durch urbane Landschaften in einer - erhöhen. zumindest punktuell entdichteteren - Stadt entstehen? Welche Chancen sind mit diesen Das Dessauer Beispiel der „Claims“ zeigt die Maßnahmen für eine zukunftsorientierte Chancen am deutlichsten: Es werden Rück- ökologische Inwertsetzung der Städte ver- bauflächen zur Aneignung angeboten, auf bunden? Wie binden sich die Landschaften denen neue urbane Nutzungen verwirklicht in den sozialen Kontext ein, welche öko- werden können. Dadurch wird das Enga- nomischen Impulse gehen von ihnen aus? gement von Gruppen oder Einzelpersonen Führen sie zu neuen Praktiken in der städ- öffentlich sichtbar und kann sich zu einem tischen Freiraumkultur? Diese Fragen waren Motor einer neuartigen Freiraumkultur ent- bei der querschnittsbezogenen Betrachtung wickeln. von besonderer Relevanz. Positive Pressereaktionen auf viele Renatu- rierungsprojekte und eine hohe Akzeptanz Renaturierungsflächen als Beitrag zu in der Bevölkerung belegen die identifikati- einer gezielten Standortaufwertung onsstiftende Wirkung dieser Projekte. Iden- Qualitativ hochwertige und ökologisch tität im Stadtquartier entsteht auch durch nachhaltige Stadträume sind in den letz- funktionale Integration von Flächen in städ- ten Jahren zunehmend zu Wirtschafts- und tische Strukturen. Fuß- und Radwege bin- Standortfaktoren geworden. Dazu gehören den Flächen in vorhandene stadträumliche auch neue Freiräume, die zur qualitativen Bewegungsnetze ein. 22 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Landschaftsvisionen als Grundlage inte- Freiraumkonzepte können als Bausteine grierter Stadtentwicklung einer integrierten Stadtentwicklung durch Dort, wo übergeordnete und teilräumliche die Formulierung von Qualitätszielen lang- Freiraumkonzepte bestehen, haben sie sich fristig zur Aufwertung der Städte beitragen als sehr hilfreich für die schrittweise Ideen- und auch neue Lagegunsten schaffen. Eine konkretisierung, Planung und Umsetzung Chance übergeordneter Freiraumkonzepte von Renaturierungsprojekten erwiesen. In liegt darin, die landschaftliche Lage einer Zeiten von Wachstum übernehmen Frei- Stadt als Träger von Stadtidentität sichtbarer raumkonzepte Steuerungsfunktion, um werden zu lassen. Freiräume gegenüber einer Bebauung zu Es gibt jedoch – insbesondere in kleineren verteidigen und eine optimierte Freiraum- Kommunen – nur ein geringes Bewusstsein, versorgung zu erreichen. gesamtstädtische Freiraumkonzepte mit Ganz unterschiedlich ausgerichtete Pro- dieser Ausrichtung zu entwickeln. Erschwe- jekte, wie das Dessauer Claim-Konzept, die rend kommt hinzu, dass freiraumplaneri- Hoyerswerda Patchwork-Landschaft, das sche Konzepte zwar implizit in verschiede- Essener Strahlenkonzept, der Frankfurter nen Programmen förderfähig sind, jedoch Grüngürtel oder das tradierte Kölner Ring- nicht explizit gefordert werden. konzept zeigen, wie auf der Grundlage einer großräumig orientierten Landschaftsvisi- Gestaltung der urbanen Landschaft als Teil on die Entwicklung einer neuen urbanen der städtischen Baukultur Landschaft in Gang gesetzt werden kann. Renaturierung wird insgesamt noch zu Die Rückgabeflächen an die Natur- wer wenig als Gestaltaufgabe verstanden. Nur den stadträumlich integriert und Stadt und vereinzelt entstehen gezielt und in größe- Landschaft werden funktional wie sozial und ren räumlichen Zusammenhängen neue kulturell zueinander in Beziehung gesetzt. Gestaltbilder, die Räume formen, neue Diese Projekte stellen unter Beweis, welche identitätsstiftende Merkmale aktiv setzen Kraft Landschaftsvisionen für die Schaffung (Krupp-Park in Essen) oder bestehende einer neuen landschaftlichen Urbanität ent- landschaftliche Charakteristiken aufgreifen wickeln. und weiter entwickeln (Neue Freiräume in Unter umgekehrten Vorzeichen bestehen Hoyerswerda). andere Ausgangsbedingungen – Freiräu- Dafür gibt es mehrere Gründe: me fallen brach, Flächen suchen Nutzer. In schrumpfenden Städten bieten Freiraum- Die neuen urbanen Landschaften werden konzepte eine Perspektive für die Zeit nach nur bedingt als Aufgabe städtebaulicher dem Abriss. Mit ihnen kann ein örtlich und Aufwertung begriffen. Die zur Verfügung zeitlich versetzter Rückbau gesteuert und in stehenden Aufwertungsmittel dienen der ein räumlich-funktionales Gesamtkonzept Qualifizierung der Innenstädte, so dass für gegossen werden. Dies erfordert prozesshaf- die Umsetzung vieler Renaturierungsprojek- te Konzepte, die eine inhaltliche Vision ver- te auf andere Möglichkeiten zurückgegriffen folgen, aber sehr flexibel und elastisch sind, werden muss. Das Budget für eine qualifi- um auf unvorhergesehene Entwicklungen zierte Renaturierung ist gering, da verbleibt reagieren zu können. häufig nur die Raseneinsaat.

Essen Dessau Frankfurt am Main Hoyerswerda Strahlenmodell Landschaftliche Zonen Grüngürtel Grüner Saum + Grüne Mitte und urbane Kerne Übergeordnete Landschaftsvisionen Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen 23

Zudem schafft der „Eins zu Eins“ - Trans- ökologischer Zugewinn durch Effekte für fer von Nutzungsmustern des ländlichen den Klima-, Hochwasser und Naturschutz, Raumes in die Stadt wie Aufforstungen und den Ausgleich von Flächenverbrauch und landwirtschaftliche Projekte meist nur unzu- produktive Aspekte der Landschaft wie Ener- reichende gestalterische Qualitäten von Re- gie-, Holz- oder Nahrungsmittelgewinnung. naturierungsflächen. Das gilt insbesondere Es können mehrdimensionale ökologische, für die Umsetzung von Aufforstungsflächen ökonomische und soziale, insbesondere durch Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen auch kulturelle Effekte entstehen, die Städte des Naturschutzgesetzes. Die dahinter ste- und Gemeinden in ihrer integrativen Funk- henden Zielsetzungen verfolgen weder eine tion stärken und für die Bewältigung neuer Qualifizierung des städtischen Raumes noch städtischer Herausforderungen rüsten. We- gestalterische Qualitätsstandards. Ein krea- sentlich ist es, die Projekte in eine integrierte tiver Umgang mit den Rahmenbedingungen Stadtentwicklung zu verankern, um Syner- von Forst, Landwirtschaft und Naturschutz gieeffekte zu nutzen und zu erzeugen. Ur- wäre möglich, wären die Akteure nicht häu- bane Freiräume, die in den dicht bebauten fig in sektoralen Denkweisen verhaftet und Stadtquartieren liegen, bieten die Chance würden herkömmliche Nutzungskategorien einer nachbessernden Freiraumversorgung nicht schematisch reproduziert werden. und benötigen eine andere Programmatik als urbane Landschaften in weniger dichten Es ist gerade vor dem Hintergrund einer Stadtteilen oder am Rand der Stadt. wachsenden Kulisse an Brach- und Rück- bauflächen geboten, die Gesamtstadt mit Erfolgreiche Renaturierungsprojekte, also ihren urbanen Freiräumen und Landschaf- nachhaltige, akzeptierte und finanziell gesi- ten als baukulturelle Aufgabe zu verstehen, cherte Projekte, sind oftmals von Multifunk- um ein räumliches, funktionales und sozi- tionalität geprägt. Diese Diversifizierung ales Auseinanderfallen zu vermindern. Ge- von Themen und Handlungsfeldern geht mit stalterische Zeichen der „In-Kulturnahme“ einer Kombination unterschiedlicher Ver- sind wichtig. Flächen müssen erkennbar fahren, Trägerschaften, Finanzierungsmög- wieder in Wert gesetzt werden, auch um das lichkeiten einher und trägt somit erheblich Verschwinden gelebter Geschichte, geschaf- zur Elastizität und damit zur Stabilisierung fener Werte und biographischer Orte positiv der Projekte bei. Die Bandbreite reicht von zu transformieren. kulturell bespielten Flächen wie in Dessau, bis hin zu Flächen, in denen sich „Produk- Als gelungenes Beispiel für eine hohe Iden- tion“ und „Konsumtion“ überlagern, wie im tifikation der Bevölkerung mit dem urbanen geplanten Biomasse-Park Hugo. Landschaftsraum steht die Leipziger Fallstu- die „Paunsdorfer Bogen“, bei der eine qua- Singuläre Umwandlungsprozesse in An- näherung an die Kulturlandschaften des litativ hochwertige Gestaltung mit einem Umlandes sind eher die Ausnahme. Mit wirtschaftlichen Pflegekonzept kombiniert monofunktionalen Nachnutzungen (z.B. wurde. Beispielhaft ist auch das Projekt „Al- Aufforstung) kann zwar zum Teil eine Anbin- ter Flugplatz Frankfurt“ als Bestandteil des dung an bestehende Landschaftselemente Grüngürtels der Stadt Frankfurt am Main, erreicht werden, doch das Potenzial, urbane das wegen der Verknüpfung von Themen Landschaft im Sinne vielfältiger städtischer wie Ökologie und Bildung mit innovativen Lebenswelten zu entwickeln, bleibt dann Gestaltbildern hohe Besucherzahlen verbu- ungenutzt. chen kann. Den Königsweg für eine dauerhafte Renatu- Multifunktionale Landschaften als Her- rierung gibt es nicht. Bei der Querschau der ausforderung für eine integrierte Stadt- recherchierten Projekte variierten die Nach- entwicklung nutzungstypen und die Wege dahin je nach Lage im Stadtraum, der Vornutzung, der zur Renaturierung ehemals baulich genutzter Verfügung stehenden Fördermittel und der Flächen kann mehr sein als nur ein Beitrag demografischen Entwicklung. In Wachs- zur besseren Versorgung dicht besiedelter tumsräumen werden wirksame Argumenta- Stadtteile mit Freiflächen, der Erhöhung tionen gebraucht und angewandt, um Rück- der Lebensqualität durch wohnungsnahe bauflächen vor einer erneuten Bebauung zu Erholungsräume und eine Stadtaufwertung schützen. Zwar erleichtern die „weichen“ durch Grünanlagen. Argumente wie übergeordnete Freiraum- Bei diesen Flächen treten zunehmend wei- konzepte eine Renaturierung von brach tere Inwertstellungsaspekte hinzu, wie ein gefallenen Flächen, aber häufig waren hier 24 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

die einschlägigen Bestimmungen des Hoch- einer Bebauung eingesetzt wird. Ein Bei- wasserschutz- und des Naturschutzrechtes spiel dafür ist Köln, das zeigt, wie durch das ausschlaggebend für das Umnutzungsziel. Hochwasserschutzkonzept nicht nur eine Neuen Herausforderungen stellen sich die- Bebauung verhindert, sondern auch wie jenigen Projekte, die versuchen, Rückbau- eine ehemalige Militärfläche naturnah ge- flächen ökonomisch und ökologisch in Wert staltet werden konnte. zu setzen, sei es mit nachwachsenden Roh- Nicht zuletzt tragen renaturierte Rückbau- stoffen oder durch die Etablierung landwirt- flächen zu einer von der Bundesregierung schaftlicher Betriebe und die sich parallel vorangetriebenen Reduzierung der Flächen- mit den sozialen Belangen des bewohnten inanspruchnahme bei. Umfeldes vernetzen. Auch der Anbau erneuerbarer Rohstoffe ist ein ökologisches Zukunftsfeld. Rückbauflä- Renaturierung als Beitrag zur ökologisch effizienten Stadt chen stehen zusätzlich zur Verfügung und daher nicht in Konkurrenz zu landwirtschaft- Eine der größten Herausforderungen welt- lichen Flächen, die der Nahrungsmittelpro- weit und eine der wichtigsten Zukunftsauf- duktion dienen. Die Wirtschaftlichkeit ist gaben der Städte ist eine Steigerung ihrer erst bei bestimmten Flächengrößen erreicht ökologischen Effizienz. Eine nachhaltige (Kurzumtriebsplantagen ab mindestens 2,0 Stadtentwicklung wird daher zukünftig mehr ha). Zukunftsmusik steckt in der Rolle von und mehr am „ökologischen Fußabdruck“ Renaturierungsflächen für die Kompensati- zu messen sein, den sie hinterlässt. Rena- on klimaschädigender CO2 Emissionen, Mo- turierungsflächen können einen wichtigen dalitäten dazu sind noch nicht entwickelt. Beitrag für ein effizientes Ressourcenmana- Zur Förderung des ökologischen Potenzials gement, Klimaschutz und die Gewinnung von Renaturierungsflächen insgesamt müs- erneuerbarer Energie leisten. sen die ökonomischen Anreize stärker kom- muniziert sowie das Bewusstsein über den Diese Potenziale werden bislang im Zu- ökologischen Wert des Flächenpotenzials sammenhang mit Renaturierungsprojek- gefördert werden. ten jedoch nur vereinzelt genutzt. Die Ein- bindung von Renaturierungsflächen als Retentionsräume in vorbeugende Hoch- 4.2 Akteure und Trägerschaften wasserschutzkonzepte, die Anlage von Re- genrückhaltebecken zur Sammlung von Kooperation statt Konfrontation Niederschlagswasser oder die Anlage von Kurzumtriebsplantagen zur Gewinnung er- Die Chance auf eine erfolgreiche Renatu- rierung ist höher, sobald private und öf- neuerbarer Energie sind erste Beispiele. fentliche Akteure kooperieren. Kooperativ Die Gespräche mit den Projektakteuren zei- abgestimmte Konzepte finden weit größere gen allerdings, dass die Einbeziehung von und langfristige Akzeptanz. Mitwirkungsin- Hochwasserschutz in Renaturierungspro- teresse entwickeln nicht nur die Kommunen jekte auch vor dem Hintergrund erweiterter und die großen Wohnungsunternehmen mit Fördermöglichkeiten an Bedeutung gewinnt ihrem spezifischen, existenziellen Interesse, und vermehrt als Argumentationshilfe für sondern auch Vereine, Initiativen, Einzel- den Vorrang von Renaturierung gegenüber personen oder große Firmen.

Pflanzaktion, Krupp-Park Essen (Fotos: Stadtbildstelle Stadt Essen) Kinder erforschen Natur, Alter Flugplatz Frankfurt Jätaktion, Kurzumtriebsplantage Halle (Foto: Stefan Cop) (Foto: BEC GmbH Biotechnic) Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen 25

Die Rollen der Akteure sind unterschiedlich. vom Anpachten der Flächen durch Betriebe, Sie sind Teilnehmer an vorbereitenden Ab- über Übertragung an andere Verwaltungs- stimmungsprozessen ebenso wie Bespieler einheiten (Forst), über Nutzungsübertra- von Flächen. Oft sind externe Fachleute, Di- gung durch Gestattungsvereinbarungen bis plomarbeiten oder Verfahren wie Workshops hin zu Patenschaften. Auch Trägermodelle mit Fachleuten, Auslöser oder Motoren für entstehen oftmals aufgrund existierender Renaturierungskonzepte. Sie bringen den Förderprogramme und nicht auf Grundla- fremden Blick mit ein, bewirken einen Pers- ge gezielter Planung. Neue Trägerschaften pektivwechsel und unterstützen nicht selten zielen auch darauf ab, Pflege und Unterhal- die Moderation von Abstimmungsverfah- tung zu sichern. Sie sind jedoch auch mit ren. Eine wichtige Rolle nehmen beratende Pflichten belegt wie der Verkehrssicherungs- Landschaftsarchitekten ein, die zunehmend pflicht. Deren Übernahme kann für private zu Kooperationspartnern in den Renaturie- Träger eine erhebliche Belastung und ein rungsprozessen werden. Risiko darstellen, so dass viele Projekte aus diesem Grund nicht oder nur modifiziert Kommunen als Hauptakteure durchgeführt werden.

Die Kommunen, insbesondere die Stadt- Renaturierung kann Flächenaneignung planungs- und Grünflächenämter, sind die und Bürgerengagement fördern Hauptakteure der Renaturierung, da die Be- Renaturierungsflächen bieten Raum für antragung und Koordination von Fördermit- neue urbane Nutzungen (z.B. natur- und teln primär an die kommunale Verwaltung freiraumbezogene Bildungsprogramme) gebunden ist. Meistens ist es jedoch inner- und die entsprechenden Akteure und Trä- halb der Verwaltung der Verdienst Einzelner gerschaften (Bildungsträger, Schulen, etc.). oder einer kleinen Gruppe an Mitarbeitern, Trägerschaften auf den öffentlichen Raum zu die sich über das dienstliche Maß hinaus en- übertragen und damit Teilrechte abzutreten gagieren, um Renaturierungsprojekten zum ist Neuland. Für den öffentlichen Raum ist Erfolg zu verhelfen. Renaturierung ist bisher nach wie vor die öffentliche Hand zuständig, noch keine Regelaufgabe innerhalb der Ver- während freie Trägerschaften bei Kinderta- waltung. gesstätten längst gängige Praxis sind. Die Aufgabenfelder der Stadtverwaltung In Frankfurt am Main führen unterschied- haben sich in den letzten Jahren erheblich liche Träger Bildungsprogramme auf den gewandelt. Sie umfassen zunehmend Ma- Flächen des Alten Flugplatzes durch. Doch nagement- und Moderationsaufgaben. Dies den Flächenunterhalt organisiert die Stadt. spiegelt sich in der Gründung von Fachäm- Im kleinen Maßstab sind erste Ansätze zur tern für übergreifendes Flächenmanage- Übertragung von Nutzungsrechten des öf- ment und in der Bildung von Arbeitskreisen fentlichen Raumes an Trägerschaften in unter Beteiligung externer Fachleute genau- Dessau erfolgreich. Für die Übertragung der so wider, wie in der Betreuung informeller Flächennutzung werden Patenvereinbarun- Stammtische (Dresden) und der gemeinsa- gen abgeschlossen. Informelle „Spielregeln“ men Betreibung von Stadtteilbüros (Bau- ergänzen die Verträge. haus Dessau/Stadtverwaltung). Als hoch problematisch erweisen sich die hohe Ar- Wichtig sind einerseits vertragsähnliche Si- beitsbelastung durch zusätzliche Manage- cherheiten, transparente und niederschwel- mentaufgaben und Stellenkürzungen. Man- lige Kommunikationsstrukturen wie konkre- te Ansprechpartner und Anlaufstellen. Ziel che Ämter kündigten in Gesprächen bereits der Diversifikation von Trägerschaften ist es, an, dass sie zukünftig keine Fördermittel Gemeinwesenprozesse in Gang zu setzen, mehr abrufen können, da das Personal für d.h. Akteure zu gewinnen, die das Gemein- den erforderlichen Planungsvorlauf fehlt. wesen einer Stadt aktiv gestalten. Es wird ein Prozess des vielfältigeren In-Kulturnehmens Trägerschaften stehen in Abhängigkeit und Interagierens in Gang gesetzt, der erst vorhandener Fördermöglichkeiten erlernt werden muss. Die Trägerschaften von Renaturierungsflä- chen können vielfältig sein und sind stark vom Mix der Nachnutzungen abhängig. Stärker multifunktionale Flächen bringen eine neue Heterogenität von Akteuren und Trägerschaften mit sich. Das Spektrum reicht 26 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Exkurs – Renaturierungsstrategien und Planungsrecht Prof. Dr. Rudolf Schäfer, Technische Universität Berlin

1. Begrifflichkeit und Fragestellungen Renaturierungskonzepte und -strategien im Sinne des ExWoSt Forschungsvorhabens „Re- naturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung“ wollen „aus Stadt Landschaft machen“. Dabei geht es um dynamische Konzepte, die grundsätzlich für im Zeitablauf sich entwickelnde unterschiedliche Maßnahmen offen sind. Z. B. sind Wechsel von Grün- fläche zu Park oder landwirtschaftlicher Nutzung denkbar. Eine derartige Kategorie von „Flächen für urbane Landschaft“ ist in der Fachdiskussion relativ neu, als rechtliche Kate- gorie ist sie noch nicht eingeführt. Auf diesem Hintergrund können die folgenden Ausfüh- rungen keine abschließende planungsrechtliche Aufarbeitung darstellen. Sie zielen auf die Skizzierung von Handlungsmöglichkeiten und wollen Fragestellungen für künftige Vertiefungen identifizieren. Im Wesentlichen sind zwei Fragenbereiche zu erörtern: Die planungsrechtliche Sicherung von Renaturierungsflächen und der planungsrechtliche Umgang mit der tatsächlichen Entwicklung von Renaturierungsflächen. Daneben werden die Probleme der Sicherung des Baulandstatus und der „Natur auf Zeit“ angesprochen.

2. Sicherung von Renaturierungsflächen durch Planung In vielen Fallkonstellationen besteht ein Bedürfnis zur rechtlichen Sicherung von Rena- turierungsflächen, insbesondere um bislang zulässige bauliche Nutzungen zu unterbin- den.

2.1 Möglichkeiten der informellen Planung Planungen bzw. Planwerke, die ohne gesetzliche Grundlage und Verpflichtung von Ge- meinden zur Gestaltung bzw. Regelung räumlicher Nutzungsstrukturen erstellt werden, werden in der Fachdebatte als informelle Pläne bzw. Planungen bezeichnet. Sie spielen in der bisherigen Praxis der Renaturierungskonzepte eine entscheidende Rolle. Anforderungen an das Verfahren der Planaufstellung, -änderung oder -fortschreibung sind gesetzlich nicht fixiert und daher von der Gemeinde frei wählbar. Wenn allerdings die Wirkungen des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB gewollt werden, sind nach herrschender Meinung folgende Anforderungen zu erfüllen:1 • Bürgerbeteiligung • Beteiligung Träger öffentlicher Belange • Beschlussfassung durch Gemeindevertretung mindestens als Kenntnisnahmebe- schluss

(1) • Öffentliche Bekanntmachung Krautzberger, Michael, Rn 84 f. zu § 1 in Battis/Krautzberger/ Die rechtliche Relevanz informeller Pläne für die Sicherung von und den Umgang mit Re- Löhr naturierungsflächen ist ambivalent, aber durchaus bedeutsam: (2) Einerseits besteht keine unmittelbare Außenwirkung für oder gegen Dritte, insbesondere § 3 Abs. 1 (frühzeitige Öffentlich- keitsbeteiligung), § 25 Abs. 1 Satz Eigentümer oder Nutzungsberechtigte. Das bedeutet, dass durch informelle Planungen 1 Nr. 2 (Satzungsvorkaufsrecht), allein eine Flächensicherung nicht möglich ist. Andererseits ergibt sich eine Selbstbin- § 31 Abs. 2 Nr. 2 (im Hinblick auf die Befreiungsvoraussetzung dung der Gemeinde vergleichbar der Flächennutzungsplanung. städtebauliche Vertretbarkeit), § 33 Abs. 3 (Vorhaben nach Des Weiteren haben informelle Pläne die Qualität eines Belanges oder einer Planungs- Planreife), § 145 Abs. 2 (Geneh- leitlinie aufgrund von § 1 Abs. 5 Nr. 10 BauGB, wenn sie von der Gemeinde beschlossen migungsvorbehalte in der Sanie- rung/Entwicklungsmaßnahme), § werden. Schließlich haben informelle Pläne eine mittelbare rechtliche Bedeutung im Zu- 172 (städtebauliche Gründe für sammenwirken mit einer Vielzahl von planungsrechtlichen Regelungen des BauGB2, von Erhaltungssatzung), §§ 175 ff. (städtebauliche Gründe für Ge- denen insbesondere § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB (im Hinblick auf die Befreiungsvoraussetzung botserlass) Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen 27

städtebauliche Vertretbarkeit) für den Bereich der Renaturierungsflächen von Bedeutung ist (vgl. 3.2). Mittelbare rechtliche Bedeutung können informelle Pläne auch als Auslöser für die Zu- rückstellung von Baugesuchen oder den Erlass einer Veränderungssperre erhalten, was ebenfalls im Kontext von Renaturierungsmaßnahmen relevant werden kann.

2.2 Möglichkeiten der Landschaftsplanung Fachlich liegt es nahe, die Sicherung von Renaturierungsflächen im Bereich der Land- schafts- und Grünordnungsplanung anzusiedeln. Die Länderregelungen unterscheiden sich erheblich, insbesondere im Hinblick auf die möglichen Inhalte und die rechtliche Verbindlichkeit der kleinräumigen Grünordnungspläne. Die gesamtstädtisch angelegten Landschaftspläne haben keine rechtliche Außenwir- kung, sondern vergleichbar dem FNP nur eine Selbstbindung für die Gemeinde. Die Rechtsqualität der kleinräumigen Grünordnungspläne ist länderweise sehr unter- schiedlich: Überwiegend sind sie Annexpläne zu Bebauungsplänen und haben nur insoweit rechtli- che Bedeutung, als ihre Inhalte nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 BauGB festgesetzt werden. In einzelnen Ländern können rechtlich verbindliche Festsetzungen auch auf der Grundlage der Landesnaturschutzgesetze im Zusammenhang mit Bebauungsplänen oder im Rah- men selbständiger Grünordnungspläne getroffen werden. Für die Sicherung von Renaturierungsflächen bedeutet dies: Soweit die landesrechtliche Regelung die Landschaftsplanung nur als nicht rechtsverbindliche Planung konzipiert, ist die Situation der informellen Planung vergleichbar. Fachliche Inhalte des Renaturie- rungskonzepts können dargestellt werden und müssen sich mangels rechtlicher Verbind- lichkeit nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz auseinandersetzen. Soweit die Grünord- nungspläne rechtsverbindlichen Charakter haben, stellen sich die gleichen Probleme wie bei der Bebauungsplanung (vgl. dazu 2.3.2).

2.3 Möglichkeiten der Bauleitplanung

2.3.1 Flächennutzungsplanung Renaturierungsflächen können im Flächennutzungsplan dargestellt werden. Dies hat al- lerdings nur beschränkte rechtliche Auswirkungen, da der Flächennutzungsplan selbst keine direkte Rechtsverbindlichkeit hat, sondern nur ein selbst bindender Plan für die Gemeinde ist. Allerdings sind nach § 8 Abs. 2 BauGB die Bebauungspläne aus dem Flä- chennutzungsplan zu entwickeln. Die Gemeinden sind bei der Formulierung der Darstellungen des Flächennutzungsplans nur begrenzt gebunden, da der Katalog des § 5 Abs. 2 BauGB nur eine exemplarische Auflistung von Darstellungsmöglichkeiten enthält. Insoweit lassen sich im Flächennut- zungsplan auch von der Gemeinde definierte Konzepte für Renaturierungsflächen dar- stellen. Auch derartige Konzepte müssen aber so eindeutig sein, dass daraus Bebauungs- pläne entwickelt werden können.3

2.3.2 Bebauungsplanung Zentrales Instrument der planungsrechtlichen Sicherung von Renaturierungsflächen ist der Bebauungsplan mit seiner unmittelbaren rechtlichen Verbindlichkeit. Im Katalog des § 9 Abs. 1 findet sich eine Mehrzahl von Festsetzungsmöglichkeiten, die für die Zweck- bestimmung und Sicherung von Renaturierungsflächen in Betracht kommen: Insbeson- dere die Festsetzungen nach Nr. 15 und 20, aber auch in bestimmten Fallkonstellatio- nen die Nr. 14, 16, 17, 18. Bei näherer Betrachtung ergeben sich für den Einsatz dieser Festsetzungen im Bereich der Renaturierungsflächen zwei grundsätzliche Probleme: Die spezielleren Regelungen der Nr. 14, 16, 17, 18 kommen nur dann in Betracht, wenn die (3) Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr, Funktion der betroffenen Renaturierungsfläche langfristig oder für einen bestimmbaren RdNr. 11f. zu § 5 BauGB, Mün- chen 2005 28 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Zeitraum fest steht. Angesichts der grundsätzlich dynamischen und offenen Struktur der Renaturierungsentwicklung wird dies nur in Einzelfällen gegeben sein.

Der Einsatz der allgemeiner gehaltenen Festsetzungen nach Nr. 15 und 20 muss dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot gerecht werden. Demgemäß muss der jeweilige Nutzungszweck benannt werden. Eine gleichzeitige oder alternative Festsetzung z.B. un- terschiedlicher Varianten von Grünflächen, für die eine konkrete Renaturierungsmaß- nahme offen ist, ist nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung nicht mög- lich.4 Die Kategorien „Renaturierungsfläche“ oder „Fläche für urbane Landschaft“ sind erst in der fachlichen Entwicklung und können noch nicht als eingeführter Typus wie z.B. Parkanlage genutzt werden.

Besteht ein planerischer Sicherungsbedarf, so bleibt derzeit nur die Möglichkeit, zu- nächst die Festsetzung zu wählen, die der aktuellen Einschätzung der Situation ent- spricht, um dann bei späteren Modifikationen der Flächennutzung die unter 3. behan- delten Anpassungsmöglichkeiten zu nutzen.

In bestimmten Fallkonstellationen kann es zielführend sein, im Bebauungsplan Ausnah- men festzusetzen, die erwartbare und vom Renaturierungskonzept getragene Nutzungs- varianten zulässig machen. Auch bei einem solchen Vorgehen muss aber der Zweck der Ausnahmen hinreichend bestimmt sein und sie müssen dem Abwägungsgebot entspre- chen. Der Ertrag eines solchen Vorgehens ist allerdings begrenzt, da die Ausnahmen nicht im Widerspruch zum planungsrechtlichen Ziel des Bebauungsplans stehen dürfen.5

Zur Bedeutung einer zeitlich gestuften Festsetzung nach § 9 Abs. 2 wird auf 4. verwie- sen.

In dieser Situation erscheint es sinnvoll zu prüfen, ob der Katalog des § 9 Abs. 1 BauGB um eine Festsetzung für Renaturierungsflächen erweitert werden sollte. Entsprechend wäre eine Ergänzung der Planzeichenverordnung anzudenken.

3. Planungsrechtlicher Umgang mit der tatsächlichen Entwicklung von Renaturierungsflächen Angesichts der Probleme, die nach der derzeitigen Rechtslage im Bereich der Bebau- ungsplanung bestehen, stellt sich mit besonderer Dringlichkeit die Frage, welche Mög- lichkeiten es gibt, den Prozess der dynamischen und differenzierten Entwicklung von Renaturierungsflächen rechtlich befriedigend zu begleiten. Ausgangskonstellation der nachfolgenden Überlegungen ist immer, dass eine zunächst als „Grundsicherung“ ge- troffene Festsetzung nach § 9 Abs. 1 BauGB im Zeitablauf durch die reale Entwicklung differenziert und modifiziert wird.

3.1 Änderung bzw. Anpassung von Renaturierungs-Bebauungsplänen an neue Ent- wicklungsphasen

Wenn und soweit die tatsächliche Entwicklung einer Renaturierungsfläche nicht mehr mit den bebauungsplanrechtlichen Festsetzungen überein stimmt und ein entspre- chender Handlungsbedarf (z.B. für die Genehmigung abweichender Nutzungsformen etc.) vorliegt, kommt zunächst – soweit nicht die Möglichkeiten nach 3.2 bis 3.4 greifen – die förmliche Änderung des betreffenden Bebauungsplans in Betracht. Obwohl hier angesichts der Förmlichkeit des Bebauungsplanverfahrens immer besondere praktische Probleme gesehen werden, sollte dieser Weg doch nicht von vornherein aus den Überle- gungen ausgeschlossen werden. Dabei ist auch zu beachten, dass im Einzelfall von den (4) Verfahrenserleichterungen des § 13 (vereinfachtes Verfahren) oder des § 13a Abs. 2 (be- Statt aller Löhr in Battis/Krautz- berger/Löhr, Baugesetzbuch schleunigtes Verfahren) Gebrauch gemacht werden kann. Schließlich ist zu bedenken, Kommentar, RdNr. 57 zu § 9 dass auch die Änderung bzw. Fortschreibung informeller Pläne dann nicht ohne zeitli- BauGB m.w.N. chen Aufwand und Kontroversen abgehen wird, wenn die oben unter 2.1 dargestellten (5) Minima der Verfahrenskultur beachtet werden und unterschiedliche Interessen im Spiel Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielen- berg, RdNr. 23f. z u § 31 BauGB, sind. Dezember 2006 Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen 29

3.2 Strategische Nutzung der Befreiung von Bebauungsplan-Festetzungen für Rena- turierungsflächen Bereits unter 2.3 wurde die Möglichkeit angesprochen, das Instrument der planungs- rechtlichen Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zu nutzen, um bestimmte, im Voraus erwartbare Varianten der tatsächlichen Entwicklung der Renaturierungsfläche im Bebau- ungsplan selbst bereits als rechtliche Möglichkeit vorzusehen. Die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB, als die im Bebauungsplan noch nicht ausdrücklich vorgesehene Abwei- chungsmöglichkeit, könnte ein weiteres Feld eröffnen, um den Prozess der konkreten Re- naturierungsflächenentwicklung mit seiner Dynamik rechtlich aufzufangen. Dabei sind allerdings eine Reihe rechtlicher Voraussetzungen zu beachten. Hierzu gehört in erster Linie, dass Befreiungen die Grundzüge des jeweiligen Bebauungsplans nicht berühren dürfen. Das in früheren Fassungen des § 31 Abs. 2 BauGB geforderte Abstellen auf den atypischen Einzelfall ist inzwischen aufgehoben.6 Von den weiteren Anforderungen der Ziff. 1-3 des § 31 Abs. 2 wird in vielen Fällen die Ziff. 2 zugrunde gelegt werden können, gelegentlich auch die Ziff.1. Als Beurteilungs- und Argumentationsgrundlage sind hier ggfs. vorhandene informelle Pläne oder auch Land- schafts- bzw. Grünordnungspläne auch rechtlich von Bedeutung. Zu erwägen ist, ob die Kommune im Sinne einer strategischen Handhabung der Befrei- ung und der dabei erforderlichen Ermessensausübung eine Richtlinie erarbeitet, die sich materiell an dem jeweiligen Renaturierungskonzept orientiert und rechtlich den Cha- rakter einer Selbstbindung hat. Sie müsste den oben skizzierten Anforderungen des § 31 Abs. 2 BauGB gerecht werden und müsste ihr Konzept mit der zuständigen Baugenehmi- gungsbehörde abstimmen.

3.3 Duldung von rechtswidrigen Abweichungen von planungsrechtlichen Vorgaben für Renaturierungsflächen Gewissermaßen in der Nachbarschaft der Befreiung liegt das Instrument der Duldung, das inzwischen auch für den Bereich der Zwischennutzungen thematisiert wird7 und für die rechtliche Gestaltung der Entwicklung von Renaturierungsflächen auch genutzt wer- den kann. (6) Dazu ausführlich Söfker in: Ernst/ Duldung im Rechtssinn liegt vor, wenn eine Verwaltungsbehörde gegen einen ihr be- Zinkahn/Bielenberg, BauGB- kannten illegalen Zustand nicht einschreitet, obwohl ihr dies rechtlich und tatsächlich Kommentar, RdNr. 30 zu § 31, möglich wäre. Derartige Duldungen stellen ein verbreitetes Phänomen der Verwaltungs- Dezember 2006 praxis dar und sind auch im Bereich des öffentlichen Baurechts häufig. Der Gesetzgeber (7) hat der Verwaltung die Befugnis zur Duldung dann ausdrücklich eingeräumt, wenn er Bundesministerium für Ver- kehr, Bau und Stadtentwicklung die Frage des Einschreitens gegen rechtswidrige Zustände in ihr Ermessen gestellt hat. (Hrsg.), Zwischennutzungen und Im öffentlichen Baurecht ist dies vor allem in den Regelungen der Landesbauordnungen Nischen im Städtebau als Beitrag 8 für eine nachhaltige Stadtent- zum Umgang mit sog. Schwarzbauten geschehen. wicklung, Reihe Werkstatt: Praxis Heft 57, Bonn 2008, S. 97 In der Literatur9 wird üblicherweise zwischen der einfachen oder schlichten Duldung und der aktiven Duldung unterschieden: Erstere besteht lediglich in dem faktischen Un- (8) terlassen des Einschreitens gegen den rechtswidrigen Zustand, letztere äußert sich aktiv Vgl. § 79 BauOBln. in der Form einer Zusicherung, Zusage oder eines Duldungsverwaltungsaktes. In jedem (9) Fall ist klar, dass auch eine aktive Duldung nicht als – konkludente – Genehmigung zu Vgl. grundlegend Randelzhofer/ Wilke, die Duldung als Form flexi- bewerten ist. Die Rechtsstellung eines „Duldungsbegünstigten“ ist somit deutlich schwä- blen Verwaltungshandelns, Berlin cher als die des Empfängers einer Befreiung. Konkret kommt dies in aller Regel dadurch 1981, S. 54 ff.; Hermes/Wieland, Die staatliche Duldung rechts- zum Ausdruck, dass auch die aktive Duldung nur unter strengen Nebenbedingungen (Be- widrigen Verwaltungshandelns, fristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt) gewährt wird. Heidelberg 1989, passim.

Für die Frage der Entwicklung von Renaturierungsflächen ist das Instrument der Dul- (10) Vgl. für entsprechende Kon- dung deshalb interessant, weil es auch Sachverhalte abdecken kann, die nicht mehr per zepte bei der Behandlung von Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden könnten. Die konkrete Ausgestal- Schwarzbauten Jäde, in: Jäde/ tung der Duldungsstrategie muss aber auch den Sicherheitsbedürfnissen der „Duldungs- Weinl/Dirnbberger/March, Bau- ordnungsrecht Brandenburg, § begünstigten“ gerecht werden. Dies ist möglich, wenn ein sog. geschlossenes Duldungs- 82 RdNr. 47 konzept formuliert wird.10 Die auf der Grundlage eines solchen Konzeptes ergehenden (11) einzelnen Duldungsakte können als Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG, als Zusage Vgl. Dazu Hermes/Wieland, a.a.O., S.23 ff. m.w.N. 30 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

oder als Duldungsverwaltungsakt qualifiziert werden.11 In jedem Fall vermitteln sie dem Duldungsbegünstigten eine Rechtsposition, die – wie schon erwähnt – allerdings in aller Regel durch Nebenbestimmungen begrenzt wird. Insgesamt ist der Ansatz des aktiven geschlossenen Duldungskonzepts strukturell dem unter 3.2 dargestellten Konzept der Befreiungsrichtlinie vergleichbar. Als Beurteilungs- und Argumentationsgrundlage sind hier ebenfalls vorhandene informelle Pläne oder auch Landschafts- bzw. Grünordnungspläne rechtlich von Bedeutung. Auch hier wären Abstimmungen und vertragliche Regelungen zwischen Kommune und Baugenehmi- gungsbehörde für den konkreten Vollzug erforderlich. Das Instrument der Duldung erscheint somit insgesamt für den Bereich der Renatu-rie- rungsflächen durchaus tragfähig. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die bishe- rige Fachdebatte im Bereich des Baurechts immer davon ausging, dass die Duldung sich auf bereits vorliegende Verstöße gegen geltende Regelungen bezieht. Eine „proaktive“ Nutzung der Duldung ist bislang noch kaum diskutiert. Dies müsste erfolgen, um der Praxis die notwendige Handlungssicherheit zu geben.12

4. Sicherung des Baulandstatus bei Maßnahmen der Renaturierung Vielfach werden von Eigentümern Maßnahmen einer längerfristigen Renaturierung ab- gelehnt, weil sie mit einem dauerhaften Verlust der Baulandqualität ihrer Grundstücke nicht einverstanden sind. Im Einzelnen ergeben sich hier unterschiedliche Ausgangssi- tuationen und demzufolge auch Lösungsansätze: Ergibt sich der Baulandstatus aus einem Bebauungsplan, so bleibt dieser Status auch dann erhalten, wenn Maßnahmen der Renaturierung durchgeführt werden. Diese haben den Charakter von Zwischennutzungen und könnten – soweit Genehmigungen erforder- lich werden – als Befreiungen oder Duldungen unter Befristung oder Widerrufsvorbehalt zugelassen werden. Zugleich ist eine vertragliche Aussetzung des Baurechts für eine be- stimmte Zeit zu erwägen. Für diese Zeit würde sich in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 5 BauGB auch die Plangewährleistungsfrist des § 42 Abs. 2 BauGB verlängern. Ergibt sich der Baulandstatus aus § 34 BauGB, so kann er in Fällen der Nutzungsaufgabe bereits nach wenigen Jahren entfallen und das Grundstück – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – Außenbereichsqualität nach § 35 BauGB erhalten. Als Lösungsansätze kommt hier zum einen die Aufstellung eines zeitlich gestuften Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB in Betracht. Danach könnte eine erste Phase festgesetzt werden, in der die vorgesehenen baulichen Nutzungen nicht zulässig sind. Dieses Instrumentari- um ist für „besondere Fälle“ verfügbar, deren Vorliegen bei Renaturierungsflächen aber in der Regel angenommen werden kann. Problematischer ist, dass derartige zeitliche Fest- setzungen dem Grundsatz der Bestimmtheit genügen müssen. Es ist demnach entweder ein kalendarisch bestimmter Zeitpunkt oder aber ein genau definierter und objektiv fest- stellbarer Umstand festzusetzen. Dies wird in aller Regel nicht möglich sein. Somit bleibt auch für diese Fallkonstellation lediglich die Variante einer vertraglichen Aussetzung des bis zum Beginn der Renaturierung geltenden Baurechts.13

5. Rechtliche Zulässigkeit von „Natur auf Zeit“ Als Restriktion für die Umsetzung von Renaturierungskonzepten der hier behandelten Art erweisen sich auch die Regelungen des Naturschutzrechts und des Waldrechts. Sie (12) Ganz offenbar in Richtung einer lassen Veränderungen und Eingriffe – auch nicht baulicher Art – auf und in Sukzessions- „proaktiven“ Nutzung der Dul- flächen nur in sehr begrenztem Umfang zu. Die Landesgesetzgeber sollten hier prüfen, dung BMVBS, a.a.O. (FN 1) wie das Konzept einer „Natur auf Zeit“ so geregelt werden kann, dass es mit Konzepten (13) der Renaturierung kompatibel ist. Vorbild für derartige Regelungen sollte der neue § 4 Vgl. Bundesministerium für Ver- Abs. 3 des nordrheinwestfälischen Landschaftsgesetzes von 2007 sein. kehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.), Zwischennutzungen und Nischen im Städtebau als Beitrag für eine nachhaltige Stadtent- wicklung, Reihe Werkstatt:Praxis Heft 57, Bonn 2008, S. 98 Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen 31

4.3 Rechtlich-instrumenteller mellen Planungsprozess eingepflegt. Über Rahmen diese Ansätze können Akteure aktiviert wer- den und eine „weiche“ Moderation zwischen Die Instrumente der Stadtentwicklung sind Zielkonflikten unterschiedlicher Akteure über Jahrzehnte darauf ausgelegt worden, erfolgen. Sie tragen zu einer Verankerung aus Landschaft Stadt mit ihren vielfältigen von Themen in der Stadtgesellschaft bei. Nutzungsstrukturen zu entwickeln. Wenn Durch die schrittweise Entwicklung können dieser Prozess umgedreht wird, stellt sich Spielräume ausgelotet und so Innovationen die Frage nach den erforderlichen Instru- erzeugt werden, die auch neue Landschafts- menten und den Hemmnissen, die diesen und Renaturierungstypen generieren. Eine Prozess einschränken oder erschweren. Überführung in formelle Planungen erfolgte bei dieser Herangehensweise nur teilweise Informelle Ansätze als Teil einer prozessu- und dann zumeist erst im Nachgang. alen Entwicklung Für die Realisierung dauerhafter Renatu- Überlegungen zu einer einfachen Frei- rierungen von Rückbauflächen zeigt sich, raumkategorie in der Bauleitplanung dass insbesondere in schrumpfenden Regi- Formelle Planungsinstrumente wie der Flä- onen informellen und prozessorientierten chennutzungsplan oder Bebauungsplan Planungsansätzen eine große Bedeutung sind auf die Regulierung von Wachstum zukommt. Von den Fördermittelgebern ausgerichtet und an festgelegte Verfahren (Bund-Länderprogramme, Europäische gebunden. Ihre Aufstellung ist mit langen Programme) werden informelle Planungen Vorlaufzeiten verbunden, was ihre Flexibi- (InSEK, SeKO, Maßnahmenpläne, etc.) als lität und Anpassungsfähigkeit einschränkt. Grundlagen für eine Förderung eingefor- Aber dennoch haben auch bei Renaturie- dert. rungsprojekten, insbesondere in Wachs- tumsregionen, formelle Instrumente ihre Neben dieser Ebene informeller Planun- Bedeutung, um das Verhältnis zwischen gen, die letztendlich durch Programme und bebauten und unbebauten Flächen dauer- Förderstrukturen eingefangen und teilfor- haft festzuschreiben und so auch bei Inter- malisiert sind, gibt es eine Ebene des initi- essenskonflikten eine verlässliche Basis für ierenden projektbezogenen Handels durch langfristige Aktivitäten und Investitionen zu die Akteure. Die so initiierten Projekte sind schaffen. Insofern kann eine planungsrecht- häufig zugleich visionär und pragmatisch. liche Absicherung hilfreich sein und die Re- Sie sind wichtige Impulsgeber für Innovati- naturierung stützen. onen. In der Übergangsphase gilt auf den Rück- Nur vereinzelt gelingt es den Kommunen bauflächen weiterhin Baurecht nach § 34 bislang, derartige Aktivitäten zu weiter- BauGB. Dass damit Vorhaben noch zulässig gehenden Renaturierungs- und Stadtent- sind, wird von den Städten nicht als prob- wicklungsstrategien zusammenzuführen. lematisch angesehen. Die temporäre Auf- In Dessau war dies durch die produktive rechterhaltung des Baulandstatus erhält Zusammenarbeit mit dem Bauhaus so weit insbesondere in den schrumpfenden Regi- möglich, dass aus dem Projekt heraus sogar onen noch die Hoffnung auf eine bauliche neue Planzeichen für den Flächennutzungs- Verwertung der Grundstücke. Viele Kommu- plan entstanden sind und sich Politik und nen zögern jedoch in Zusammenarbeit mit das Verwaltungshandeln auf den Umset- übergeordneten Baubehörden den Wechsel zungsprozess der Landschaftsvision weitge- in den § 35 BauGB heraus. Damit verzögert hend ausgerichtet haben. sich häufig die Erarbeitung von übergeord- Insgesamt zeigt sich jedoch, dass die ver- neten Gesamtkonzepten, da der zukünftige schiedenen Ebenen informeller Herange- Rechtsstatus noch unklar ist. hensweisen als flexibler und tragfähiger als Die Auswertung der Fallstudien hat gezeigt, top-down orientierte Planungsverfahren er- dass multifunktionale Freiflächen im Rah- weisen. In ihnen lässt sich der Umgang mit men von Renaturierungen eine hohe Nach- „Unbekannten“ besser abbilden. Ihre Prob- haltigkeit und Akzeptanz finden. Gleichzeitig lem- bzw. Lösungsorientierung ermöglicht entwickeln sich die Renaturierungsprojekte ein Anpassen und Nachsteuern. So wurden schrittweise und werden erst im Prozess bei vielen Fallstudien erst im Prozess die als land- oder forstwirtschaftliche Projekte Ziele und Maßnahmen der Renaturierung sowie mit Grünflächennutzungen in ihren schrittweise entwickelt und in einem infor- Differenzierungen definiert. Wenn der Pro- 32 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

zess der Renaturierung als „Nichtbaufläche“ solchen Festsetzung wäre, die Multifunktio- über die Bauleitplanung abgesichert werden nalität und Dynamik einer dauerhaften Re- soll, fehlt es derzeit an einer Festsetzungs- naturierung zu ermöglichen und zu sichern möglichkeit, die die Fläche als Freiraum sowie eine funktionale Durchlässigkeit von sichert, aber eine prozessuale Entwicklung monofunktionalen Nachnutzungskategori- des Nutzungsspektrums ermöglicht. Der en wie Landwirtschaft, Wald, Erholung und Katalog der Festsetzungsinhalte im Bebau- deren Zwischenformen und Verwebungen ungsplan nach § 9 Abs.1 Baugesetzbuch und zu gewährleisten. Insofern würde durch die die Anforderung an eine hinreichende Be- Generalisierung eine Vereinfachung erreicht stimmtheit der Festsetzung sind darauf zu werden. untersuchen, ob sie Möglichkeiten bieten, Als Nebeneffekt würden offene Planungs- um diesen offenen Prozess der Freiraument- prozesse auch aktiv angeregt werden, sobald wicklung abzubilden. es eine solche Flächenkategorie in der ver- Ferner ist zu prüfen, ob vom „Baurecht auf bindlichen Bauleitplanung gibt. Zeit“ analog Gebrauch gemacht werden kann (§ 9 Abs. 2 BauGB). Dynamisierte Naturkonzepte könnten Re- naturierungshemmnisse abbauen helfen Anstelle der differenzierten Festsetzungen unterschiedlicher Zweckbestimmungen Das geltende Naturschutzrecht führt der- könnte eine generalisierte Festsetzungs- zeit dazu, dass Renaturierungsmaßnahmen möglichkeit die weiteren Verfahren verein- nicht konsequent umgesetzt werden. fachen und ermöglichen. Wenn aus Rückbauflächen ökologisch wert- In vielen Fallstudien wurde deutlich, dass volle Magerrasenrasenbiotope oder struk- sich die Eindeutigkeit von Nutzungen auf- turreiche Gehölzgruppen entstehen, die im löst. Formen urbaner Landwirtschaft haben Falle einer landwirtschaftlichen Umnutzung, zum Beispiel eine große Nähe zu den Grün- Aufforstung oder sportlichen Freiflächen- flächen mit der Zweckbestimmung Sport nutzung Ausgleichsmaßnahmen und arten- (Reiten); Waldweide ist sowohl Fläche für schutzrechtliche Befreiungen erforderlich Wald als auch Fläche für die Landwirtschaft. machen, dann treten erhebliche Konflikte Interkulturelle Gärten sind weder Kleingar- mit den prozessualen Renaturierungskon- ten noch Spielplatz, sie verändern auch ihre zepten auf, die eine hohe Entwicklungsdy- Größe und Lage. namik haben. Daher wäre eine Lockerung der naturschutzrechtlichen Anforderungen Vor dem Hintergrund neuer Akteurskonstel- auf Rückbau- und Renaturierungsflächen lationen und dem verstärkten Engagement sinnvoll, da damit die Spielräume einer von Ehrenamtlichen verschwimmen die Ka- prozessualen Weiterentwicklung nicht ein- tegorien von öffentlicher und privater Grün- geschränkt werden. Hier besteht weiterer fläche. Öffentliche Flächen werden nicht Konkretisierungsbedarf. mehr allein durch das Grünflächenamt der Stadt, sondern auch durch private Initiati- Wenn aufkommende Gehölze aufgrund der ven gepflegt, unterhalten und zu bestimm- Sukzession auf ehemals bebauten Flächen ten oder auch unregelmäßigen Zeiten der nach wenigen Jahren in den Status Wald Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mit der nach Bundeswaldgesetz hineinwachsen vor allem in der verbindlichen Bauleitpla- und damit jegliche Veränderung nach den nung geforderten hinreichenden Bestimmt- einschlägigen Regelungen der Länderwald- heit der Festsetzungen sind diese neuen gesetze zu genehmigen sind und extensive Teilöffentlichkeiten der Renaturierung nur Beweidung nicht mehr zulässig ist, werden schwer abbildbar. Daher wäre zu prüfen, ob nur noch Wiesenflächen angelegt, da vom es eine Festsetzung geben müsste, die diese Grundstückseigentümer befürchtet wird, prozesshafte Entwicklung widerspiegelt. dass sonst Entscheidungsspielräume einge- schränkt werden. Mit einem Planzeichen wie „Fläche für urba- ne Landschaft“ könnte die dauerhafte Flä- Dieser Automatismus sollte angesichts der chensicherung als Freifläche gewährleistet stetig fortschreitenden Sukzessionsprozes- und dabei gleichzeitig die notwendige Offen- se auf Rückbauflächen diskutiert werden. heit und Flexibilität dieses Prozesses ermög- Über eine Flexibilisierung des Waldgesetzes licht werden, da die Fläche in der Ausdiffe- ist in diesem Zusammenhang nachzuden- renzierung unbestimmt bleibt. Allerdings ist ken. „Natur auf Zeit“ bei nicht-baulicher zu prüfen, ob dies der Bestimmtheitsanfor- Nachnutzung ist eine weitere Option. In derung der Bauleitplanung genügt. Ziel einer NRW gibt es seit 2007 eine Novelle des Land- Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen 33 schaftsgesetzes, mit der „Natur auf Zeit“ derem Förderungsbedarf – Soziale Stadt). möglich ist. Es gibt zwei Möglichkeiten im Wenn, wie in Cottbus-Neu Schmellwitz, die Umgang mit Renaturierungsflächen: Wohnbebauung im Rahmen des Rückbau- programms abgerissen wird, aber die ge- Bei „Natur auf Zeit“ müssen keine Aus- förderten Maßnahmen im Wohnumfeld auf gleichsmaßnahmen bzw. -zahlungen er- Spielplätzen erhalten werden müssen, ist folgen, wenn eine Rückbaufläche wieder dies nicht nur anachronistisch, sondern bin- bebaut oder die Freiraumnutzung intensi- det auch erhebliche Mittel für Pflege, Unter- viert wird. Die Fläche muss zu Beginn des haltung und Verkehrssicherungspflicht, ob- Statuswechsels ökologisch bewertet wer- wohl keine Nachfrage mehr besteht. Bei der den. Bei einer Umwandlung in „Natur auf Förderung von Rückbaumaßnahmen sollte Dauer“ kann der ökologische „Zugewinn“ die Möglichkeit bestehen, Bindungsfristen abgeschöpft und als Ausgleich bei anderen aus anderen Programmen zu verkürzen. Eingriffen angerechnet werden.

Interessante Lösungsansätze bieten auch die Verkehrssicherungspflicht schränkt krea- Konzepte des dynamischen Naturschutzes. tive Strategien ein Bezogen auf eine Gesamtfläche kann „vaga- In zahlreichen Renaturierungskonzepten bundierende Natur“ zugelassen und so eine entstehen Flächen, die öffentlich nutzbar dynamische Flächennutzung ermöglicht sind, aber von Initiativen, Vereinen oder werden. Diese Konzepte stoßen aber im- Einzelpersonen bewirtschaftet und zum mer wieder auf die Restriktionen des Natur- Teil auch baulich hergestellt werden. Wenn schutz- und Waldgesetzes, da diese bestands- Haftung und Verkehrsicherungspflicht zum orientiert strukturiert sind. Daher wären die Thema wird, werden kreative Ideen für Befreiungstatbestände, die im Rahmen des Rückbauflächen häufig schon in -der An Bundesnaturschutzgesetzes möglich sind, fangsphase eingeschränkt. Kommunen und für Rückbauflächen ein wichtiger Lösungs- Wohnungsgesellschaften übernehmen kei- ansatz. Hier sind weitere dezidierte Unter- ne Haftung für die Verkehrssicherung, wenn suchungen zu Vor- und Nachteilen einer sie die Flächen nicht selber bewirtschaften. solchen Dynamisierung erforderlich. Die neuen Teilöffentlichkeiten wie Initiati- ven und private Akteure können die Risiken Ausgleichsmaßnahmen – Motor und aber auch nicht selber tragen. Bremse zugleich In der Folge werden häufig gute Ideen für eine Das Ausgleichserfordernis für Eingriffe in Nachnutzung nicht realisiert, da die Anfor- Natur und Landschaft ist eines der wich- derungen aus der Verkehrssicherungspflicht tigsten Instrumente zur Finanzierung von nicht überwunden werden können. Daher Renaturierungsprojekten. Das macht Rena- sind Lösungsansätze, die die Verkehrssiche- turierungsprojekte in starkem Maße vom rungspflicht auf Renaturierungsflächen für Vorhandensein von Eingriffen abhängig. die neuen Teilöffentlichkeiten erleichtern, Ausgleichskonzeptionen, in denen aus- eine wichtige Voraussetzung, um Renaturie- schließlich die Ausgleichsfunktionen in den rungsflächen mit neuen Akteuren der Stadt- Vordergrund rücken, führen schnell zu einer gesellschaft zu qualifizieren. monofunktionalen, städtisch nicht integra- Ein Verfahren dazu hat die Stadt Dessau ge- tiven Nachnutzung, da sie allein aus den na- funden. Hier übernimmt die Stadt die Ver- turschutzrechtlichen Zielsetzungen abgelei- kehrssicherungspflicht bei Einzelpersonen, tet werden. Daher sind integrative Konzepte, größere Organisationen wie Vereine müssen die die unterschiedlichen Anforderungen sie selbst tragen. Das Thema sollte juristisch einschließlich der naturschutzfachlichen genauer untersucht und Spielräume ausge- Anforderungen an die Renaturierungsflä- lotet werden. chen mit in den städtischen Kontext einbin- den, von besonderer Bedeutung. Die Übertragung der Regelung im Wald durch „die Benutzung geschieht auf eigene Bindungsfristen bei erfolgten Fördertat- Gefahr“ (§ 11, Abs. 1 Bundeswaldgesetz) auf beständen die Renaturierungsflächen wäre dabei ein zu prüfender Lösungsansatz. Als Hemmnis erweisen sich die langen Bin- dungsfristen für Maßnahmen im Freiraum aus unterschiedlichen Förderprogrammen (z.B. Wohnumfeldfördernde Maßnahmen – Stadtumbau Ost, Stadtteile mit beson- 34 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

4.4 Finanzierung und Inwertstel- Von den Projektakteuren wurde auch eine lungselemente fehlende Förderung von umfassenden Pla- nungsvorläufen für Gesamtkonzepte, auf Bodenwertverluste und Renaturierung deren Basis entsprechende Einzelförderun- gen beantragt werden können, als Hemmnis Mit dem Abriss von Wohnungsbeständen ist genannt. Neben fehlendem Personal liegt nicht nur ein Verlust an Gebäuden (Mieten) darin ein Hauptgrund für die Nicht-Beantra- verbunden, vielmehr wird auch ein Boden- gung von Fördermitteln. Weiterhin binden wertverlust offenbar, wenn die Grundstücke die Verwaltung und Abrechnung von För- baulich nicht mehr nachgefragt sind. Trä- dermitteln in den Kommunen und Städten ger der Bodenwertverluste sind meist die über die Regelaufgaben hinaus erhebliche Wohnungsunternehmen. Obwohl der Bo- Personalmittel, so dass dies zu einem Grund denwertverlust unabhängig von der Renatu- wird, Fördermittel nicht zu beantragen. rierung ist, bestehen daher Vorbehalte Rena- turierungsmaßnahmen durchzuführen, da Verstetigung der Pflege und Unterhaltung dieser damit öffentlich anerkannt wird. – eine offene Frage Die dauerhafte Pflege und Unterhaltung re- Kein Geld für eine qualifizierte Renaturie- naturierter Flächen sind die dringlichsten rung Probleme, die angegangen werden müssen, Die für Rückbau zur Verfügung stehenden um Projekten zu einem nachhaltigen Er- Fördermittel werden von den Projektakteu- folg zu verhelfen. Es fehlen nicht nur in den ren, die im Rahmen der Fallstudien befragt entsprechenden Förderkulissen der Städte- wurden, durchweg als auskömmlich einge- bauförderung des Bundes Gelder für eine schätzt. Dagegen stehen für eine qualifizier- Anschlussfinanzierung. Auch Ausgleichs- te Renaturierung wenig passgenaue Förder- leistungen im Rahmen des Naturschutzge- mittelkulissen zur Verfügung. Grundsätzlich setzes garantieren Pflegeleistungen in der ist festzustellen, dass aus dem Programm- Regel nur über einen begrenzten Zeitraum. teil Rückbau im Bund-Länderprogramm Wie hoch der finanzielle Aufwand zur Pfle- „Stadtumbau-Ost“ häufig nur eine einfache ge und Unterhaltung von Rückbauflächen Raseneinsaat realisiert wird. sein kann, zeigt eine Beispielrechnung eines Die unterschiedlichen Renaturierungs- Wohnungsunternehmens. Selbst bei einer maßnahmen werden in Abhängigkeit der einfachen Raseneinsaat schlagen die Kosten Nachnutzungsart aus einem kreativen Mix für Mahd, Haftpflichtversicherung, Nieder- aus Ausgleichsmitteln, Stadtumbau-Ost – schlagsentwässerung, Grundsteuer und die Programmteile Rückbau und Aufwertung, Straßenreinigungsgebühren mit 50 Cent/ Eigenmitteln der Eigentümer, aus Mitteln qm/Jahr zu Buche. Bei einem angenomme- des Europäischen Fonds für regionale Ent- nen Flächenbestand von 10 ha belaufen sich wicklung oder anderen Programmen (Land- die Aufwandskosten auf ca. 50.000 Euro im wirtschaftliche Prämien/Programme zur Jahr. Fragen externer Trägerschaften, der Waldmehrung) sowie kommunalen Mitteln Verstetigung kostenneutraler Nutzung und finanziert. Der Europäische Fonds für regi- Bewirtschaftung sind daher von großer wirt- onale Entwicklung bietet aufgrund seiner schaftlicher Relevanz für die Gemeinden, Komplexität und Flexibilität auch für integ- Städte und Wohnungsunternehmen. rierte Renaturierungsprojekte eine geeigne- Ökologische, ökonomische und soziale In- te Förderkulisse. Da nur ausgewählte Stadt- wertstellungselemente, wie die Anlage von gebiete gefördert werden und keine privaten Kurzumtriebsplantagen, die Verpachtung Eigentümer, steht er jedoch vielen Projekten der Flächen an Landwirte oder die Einbezie- nicht zur Verfügung. Über die Einbeziehung hung gemeinnütziger Vereine in den Betrieb von Flächen in den Hochwasserschutz er- und die Pflege von Renaturierungsflächen hoffen sich einige Projektakteure neue För- sind Möglichkeiten, um Flächen wirtschaft- deroptionen erschließen zu können. lich effektiv zu nutzen. Im besten Fall initiie- ren sie eine, wenn auch bescheidene, neue Die Fördermittelkulisse bestimmt oftmals ökonomische Wertschöpfungskette und tra- die Ziele von Renaturierungsprojekten. gen zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Meist ist der Einsatz von Ausgleichsmitteln entsprechend den naturschutzrechtlichen Zukünftig wird verstärkt bei der Konzeptent- Regelungen der Länder der am häufigsten wicklung für Renaturierungsflächen darauf gewählte Ansatz. zu achten sein, wie nach dem Rückbau die Querschnittsorientierte Auswertung und Schlussfolgerungen 35 dauerhafte Pflege und Bewirtschaftung ver- Direkte Beteiligung erhöht die Bindung an stetigt werden kann. den Ort Neben den Forderungen nach einer finan- Die In-Kulturnahme urbaner Flächen selbst ziellen Aufstockung bestehender Förderins- kann ein wesentlicher Teil von Kommunika- trumente um Mittel für die Anschlussfinan- tion bei der Renaturierung nicht mehr ge- zierung, ist in diesem Sinne auch Kreativität brauchter Flächen sein. Baumpflanzaktio- bei der Aktivierung möglicher Nutzer ge- nen mit Bürgern (Essen, Halle, Leipzig) oder fragt, die bei der Pflege und Unterhaltung die In-Kulturnahme von Flächen (Claims in der Flächen unterstützend wirken können. Dessau, Mühlenverein in Dresden, Kirchen- gemeinden im Industriewald) bewirken eine direkte Bindung an den Ort und stärken den 4.5 Kommunikation Zusammenhalt in der Bewohnerschaft. Die Ein wesentlicher neuer Aspekt, der bei der sichtbaren Aktivitäten setzen Dominoeffek- Untersuchung der Fallstudien-Projekte und te in Gang und ermutigen die Mitbürger zum bei den Expertengesprächen zu Tage trat, Mitmachen. Wichtig für eine kontinuierliche ist die Notwendigkeit einer gezielten und in Wahrnehmung neuer urbaner Landschaften sind permanente Mitmachmöglichkeiten, viele Richtungen wirkenden Kommunika- wie sie in Frankfurt durch die Aeronauten tionsstrategie (Beteiligungsmodelle, Mar- angeboten werden. keting, Events, Bildung), um Akzeptanz für Renaturierungsprojekte zu erzeugen. Eine Visuelle Kommunikation erleichtert die auf Information und aktive Einbeziehung Vermittlung gerichtete Kommunikation mit der Bevöl- kerung ist genauso wichtig wie intensive Heute funktioniert Kommunikation verstärkt Abstimmungsprozesse im politischen Raum über visuelle Eindrücke und Bilder. Eine vi- und in der Verwaltung. Kommunikation suell anspruchsvolle und sorgfältige Art der muss frühzeitig einsetzen und auf den je- Kommunikation beflügelt die Phantasie, weiligen Ort und das Projekt zugeschnitten schärft die Wahrnehmung und kann daher werden, um ein Gelingen zu stützen. auch Interesse an Renaturierungsprojekten befördern. Gerade für die Vermittlung lang- Bei den untersuchten Projekten haben fristiger Projekte sind anschauliche Bilder sich verschiedene, teils parallel betriebene hilfreich, um sich zukünftige Zustände vor- Kommunikationsverfahren bewährt, die stellen zu können. So gestaltet das Bauhaus vom Einsatz informeller Planungsansätze Dessau alle für das Claimprojekt notwendi- über ämterübergreifende Arbeitsgruppen gen Schritte als visuellen Kommunikations- bis hin zu regelmäßigen Veranstaltungen prozess. Um das Projekt offensiv zu kommu- mit Bürgern, Initiativen und Amtsvertretern nizieren, wurden die „400 qm Dessau“ als wie z.B. dem Weißeritz-Stammtisch reichen. Marke auch visuell inszeniert und auch die Wesentliche Voraussetzung für das Gelingen Mitmach-Aktionen werden ästhetisch an- der Kommunikationsprozesse waren Ergeb- spruchsvoll vorbereitet und durchgeführt. nisoffenheit, Transparenz und die Gleichbe- rechtigung der Akteure.

Verschiedene Wege der Kommunikation 36 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Offensive Marketingstrategien als Teil des Renaturierungsprojekte brauchen eine Kommunikationsprozesses kontinuierliche Kommunikation Um eine breitere Werbewirkung für Rena- Die Komplexität von Renaturierungspro- turierungsprojekte zu erzielen und das Au- zessen ist noch ungewohnt und muss erst ßenimage neuer Standorte aufzuwerten, erlernt werden. Daher genügt es nicht, die sind auch Mittel des klassischen Marketings Kommunikationsstrategie auf einmalige Ak- wie Logos, Stadtteil-Mottos oder auch die tionen auszurichten. Als Erfolg versprechend Durchführung von Events sinnvoll. In Essen hat sich die Überführung der Renaturierung haben sich Baustellenführungen und Fahr- in einen kontinuierlichen Kommunikations- radtouren rund um den Krupp-Gürtel be- prozess erwiesen. währt, die einen großen Zustrom an exter- Dazu gehören auch wiederkehrende Feste nen Besuchern auslösten. Kunstevents, wie und Ereignisse, mit denen eine beständige die „Spur der Steine“ in Halle-Silberhöhe Aufmerksamkeit auf die Projekte gelenkt erregten mit der Verleihung des mfi (Ma- wird oder Bildungsprogramme, mit denen nagement für Immobilien AG) Kunstpreises neben dem Erwerb von Wissen über Natur 2006 große öffentliche Aufmerksamkeit und und Umwelt auch eine positive Bindung trugen zur Imageverbesserung des Stadtteils aufgebaut wird. bei. Die Infobox in Hoyerswerda dient der «direkten» Vermarktung von Stadtumbau- Mit dem kontinuierlichen Einsatz von ideen. „Landschaftslotsen“ auf dem Gelände des Alten Flugplatzes in Frankfurt konnten im Die geschichtliche Dimension von Orten Prozess entstandene Probleme wie Vermül- kann auch ein wichtiger Identifikationsträ- lung und Störungen der Sukzessionsberei- ger des neuen Stücks Stadt sein. Der Wei- che durch Lärm, Hunde oder Vandalismus ßeritz-Grünzug in Dresden oder das Indus- durch direkte Gespräche geregelt werden. triewald-Projekt im Ruhrgebiet nutzen ihre Industriegeschichte zur Imagebildung, wie Frankfurt die Militärgeschichte zivil umdeu- tet und zum Marketing einsetzt. Handlungsempfehlungen 37

5 Handlungsempfehlungen

Renaturierungsprojekte zeichnen sich durch können und zielen darauf ab, innovative eine hohe Multifunktionalität aus. Sie erfor- Ideen und Flächennutzungsprofile zu ent- dern neue Formen der Kooperation in der wickeln sowie neue Trägerschaften und In- Stadt sowie neue Verfahren und Kommu- teraktionsformen zu schmieden. Darüber nikationsstrukturen. Darüber hinaus brau- hinaus werden Wege aufgezeigt, wie Flä- chen Renaturierungsprojekte eine Land- chenbewirtschaftung dauerhaft abgesichert schaftsvision. Unter diesen Prämissen kann und kulturelle Programmatiken verankert Renaturierung als Strategie einer nachhalti- werden können. gen Stadtentwicklung gelingen. Renaturierung als Strategie einer nachhal- Mit den Renaturierungsprojekten entstehen tigen Stadtentwicklung ist möglich neue Freiraumtypologien, Möglichkeits- Renaturierung erzeugt neue urbane Land- räume und besondere Atmosphären mit schaften. Sie ist Teil einer zukunftsfähigen vielfältigen Nutzungsmischungen. Dadurch Stadtentwicklung und erfordert etwas Mut erzeugen Renaturierungsprojekte neue ur- auch ungewöhnliche Wege zu gehen. Rena- bane Landschaften. turierung muss mit ihren neuen Kooperati- Die Handlungsempfehlungen machen zu- onsformen noch erlernt werden. sammenfassend deutlich, wie multifunkti- onale, neue urbane Landschaften entstehen

Die Renaturierung ist ein Prozess, der sich schrittweise entwickelt, wächst, neu for- miert und verändert. • Leitvorstellungen und strategische Regeln als Grundlage eines dynamischen Prozes- ses entwickeln • Unschärfen informeller Planungen nutzen und Spielräume ermöglichen • Flexible Planungsinstrumente und -verfahren entwickeln und nutzen • Prozessuale Entwicklungen initiieren, organisieren und moderieren

Mit Renaturierung neue Wertschöpfungsprozesse initiieren Nach Abbruch der baulichen Wertschöpfung • Das Aufkeimen neuer freiraumbezogener Wertschöpfungsprozesse erkennen und unterstützen • Ideen und Schnittstellen einer neuen Freiraumökonomie bewusst fördern • Hilfestellung durch ressortübergreifende Kooperationen geben

Renaturierung als eine baukulturelle Aufgabe kommunizieren Renaturierung bedeutet nicht nur wachsen lassen; sondern sie ist als eine gestaltende Strategie zu verstehen • Baukultur breit anlegen (Planungs-, Beteiligungs- und Verfahrenskultur) • Auch bei geringen Mitteln Baukultur fördern • Neue Landschaften als Gestaltungsaufgabe mit einer neuen Ästhetik verstehen • Mit Baukultur Zeichen setzen und so die Akzeptanz erhöhen

Informelle Planungsinstrumente als Teil einer prozessualen Entwicklung einsetzen Informelle Pläne sind notwendig • Als Vision (Was kommt nach dem Rückbau?) • Für die politische und kommunale Legitimation und Abstimmung • Zur Ausrichtung des Handelns der Akteure 38 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

• Zur Identifikation und Herstellung von Allianzen • Für die Entwicklung von Möglichkeitsräumen in der Stadt • Als Grundlage für Finanzierungsstrategien

Formelle Instrumente sparsam und gezielt einsetzen Zur dauerhaften Absicherung von Renaturierungsflächen können verbindliche Bauleit- pläne notwendig werden. Um Möglichkeitsräume, Entwicklungsoptionen und den Prozesscharakter der Renatu- rierungsprojekte offen zu halten, möglichst „offene“ Festsetzungen treffen. Eine dynamische Flächenkategorie „urbane Landschaft“ könnte dabei helfen.

Die Verstetigungsfähigkeit der Projekte in der Konzeptionsphase mit denken • Vielfältige Nutzungen als robuste Basis entwickeln • Produktive Flächen fördern • Mut zu neuen Trägerschaften haben • Kosten für Pflege und Betrieb frühzeitig ermitteln (Finanzierungskonzepte)

Kommunikation erhöht die Akzeptanz Renaturierung braucht mehr als die klassische Bürgerbeteiligung. • Vielschichtige Kommunikationsstrategien entwickeln, um Allianzen und Akzeptanz zu fördern • Kommunikationsforen als Gesprächsplattform etablieren • Landschaftszentren als Anlaufstellen einrichten • Eine frühzeitige und offene Kommunikation anschieben

Die In-Kulturnahme erlernen Aus Stadt Landschaft machen, bedeutet • Eine neue Idee von Landschaft zu entwickeln • Akteure zu gewinnen und zu ermutigen • Prozesse und Räume dauerhaft zu gestalten, um so die dauerhafte In-Kulturnahme vorzubereiten Teil II – Fallstudien 40 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Eisenhüttenstadt, Brandenburg Abwartende Renaturierung – Abrissflächen des Wohnkomplexes VII

Die Neugestaltung durch das neue Nutzungskonzept basiert auf Wald und Sukzession. Hemmend für die sofortige Umsetzung wirken die fehlende Finanzierung, andere Prio- ritäten in der Stadtentwicklung und die Hoffnung auf erneutes Stadtwachstum.

Kontext Raum für zukünftige, noch nicht bekannte Nutzungen offen lassen. Um einen städte- Zum Aufbau einer eigenen Schwerindustrie baulichen Zusammenhang mit Fürstenberg errichtete die DDR Anfang der 1950er Jahre bei Fürstenberg (Oder) das Eisenhütten- herzustellen, werden die freien Flächen am kombinat EKO. Parallel zu den jeweiligen nördlichen Rand des ehemaligen WK VII mit Ausbaustufen des Werkes entstand schritt- kleinteiliger Baustruktur ergänzt. weise eine neue Stadt. Obwohl das Entwicklungskonzept für den Nach Überwindung des wirtschaftlichen WK VII Süd bereits 2004 in einem städtebau- Abschwungs nach 1989 konnte sich das Hüt- lichen Entwurf konkretisiert wurde, sind bis tenwerk europaweit profilieren und ist heute auf eine Raseneinsaat noch keine weiteren einer der größten Arbeitgeber Ostbranden- Maßnahmen durchgeführt worden, da we- burgs. Eisenhüttenstadt bewältigt seit Ende gen des großen Angebotes an vorhandenen der 1990er Jahre starke Bevölkerungsverlus- Naherholungsräumen kein akuter Umset- te und die damit verbundenen Auswirkun- zungsdruck besteht. Vor dem Hintergrund + gen. Seit 2003 wird die Stadt im Rahmen der derzeitigen finanziellen Situation der des Stadtumbauprogramms Ost gefördert. Stadt und der Wohnungsunternehmen wird Der flächenhafte Abriss von Wohngebäu- noch nach ökonomisch tragfähigen Nach- den konzentriert sich insbesondere auf den nutzungen gesucht. Wohnkomplex (WK) VII. Neben der Ausweisung Eisenhüttenstadts Landschafts- und Freiraumkonzept + als regionaler Wachstumskern geben An- Der städtebauliche Entwurf schafft einen siedlungsabsichten zukunftsfähiger Indust- geordneten Rahmen durch gestalterische rieunternehmen Anlass zum Optimismus. Setzungen, die noch offene Nutzungen zu- lassen. Dabei dient eine Allee entlang des Projekt historischen Malzweges der Verbindung der Die für eine dauerhafte Renaturierung vor- alten Ortslage Fürstenbergs und der nahe gesehenen Flächen liegen am Stadtrand gelegenen Diehloer Berge. Ein durch unter- Eisenhüttenstadts, grenzen im Norden un- schiedliche Pflanzen und Materialien- ge mittelbar an die Altstadt Fürstenberg (Oder) staltetes Nord-Süd-Band soll die neu entste- und im Osten und Süden an gewerblich ge- hende Bebauung im nördlichen Teilbereich prägte Areale entlang des Oder-Spreekanals. an den Landschaftsraum anbinden und der Es sind die größten durch Rückbau entste- Fläche eine räumlich-gestalterische Struktur henden zusammenhängenden Freiflächen geben. Parallel zur Bahntrasse und im Süden Eisenhüttenstadts. Bereits abgerissen sind sieht das Konzept Aufforstungsflächen zur der ehemalige WK VII Süd mit ca. 14 ha. Der räumlichen Einfassung und zur Abschir- Rückbau des WK VII Nord, von dem rund 6 mung vor. Die übrigen Flächen sollen der ha renaturiert werden, wird bis 2010 abge- Sukzession überlassen werden. In die An- schlossen sein. lage können auch verschiedene Nutzungen Vorgesehen ist die dauerhafte Neuformu- eingeordnet werden, wie z.B. Treffpunkte für lierung dieser neuen Freifläche durch glie- Jugendliche , Angebote für Trendsportarten dernde gestalterische Setzungen, die auch oder Erlebnisräume für Kinder.

Stadt: Eisenhüttenstadt Bundesland: BB Stadttyp: Mittelstadt

Einwohner 1992: 46.646 Einwohner 2007: 33.091 Lage: Stadtrand

Konzept: objektbezogen Projektfläche: 20 ha Umsetzungsstand: in Planung Abwartende Renaturierung – Abrissflächen des Wohnkomplexes VII 41

Ziele und Maßnahmen • Entwicklung einer tragfähigen Stadt- struktur durch das Leitbild der Stadt- landschaft • Entwicklung eines Grundgerüstes mit Optionsflächen durch einzelne raum- bildende Maßnahmen sowie der Her- stellung von Wegebeziehungen • Stärkung der Innenstadt, insbesondere denkmalgeschützter Wohnkomplexe • Festlegung von Investitionsgebieten und Lenkung der Nachfrage nach Ei- genheimen • Bauliche Nachnutzung im Nordosten des Wohnkomplexes VII Nord Stadtumbaukonzept Fortschreibung 2007, Zielplan Stadtumbau Eisenhüttenstadt - • Integration in den städtebaulichen Zu- Gebietskategorien (Plan: B.B.S.M./BSM mbH) sammenhang des Stadtteils Fürsten- berg (Oder) • Entwicklung der historischen Sied- lungsstruktur des Stadtteils Fürsten- berg (Oder) Nach erfolgtem Abriss des WK VII Süd und von Teilbereichen des WK VII Nord und der Tiefenenttrümmerung der Flächen wurden diese mit Rasen eingesät. Nicht mehr benötigte Verkehrsflächen wur- den zwar entwidmet, ihr Rückbau steht al- lerdings noch aus. Teilweise werden Straßen und Leitungsnetze für bauliche Nachnut- Städtebaulicher Entwurf 2004, Wohnkomplex VII (Plan: B.B.S.M./BSM mbH, Potsdam) zung im Nordosten des WK VII Nord genutzt. Es wurde nur der Leitungs- und Anlagebe- stand rückgebaut, der unbedingt entfernt Stadtumbau beteiligten Akteure, die Eisen- werden musste. Angesichts der bei Kom- hüttenstädter Gebäudewirtschaft GmbH plettrückbau der technischen Versorgungs- (GeWi), die Eisenhüttenstädter Wohnungs- anlagen anfallenden Kosten verblieben die baugenossenschaft e.G. (EWG) sowie Ver- stillgelegten Ver- und Entsorgungsleitungen treter der Versorgungsunternehmen unter überwiegend im Erdreich. der Federführung der Stadtverwaltung gemeinsame Zielsetzungen und Konzep- Akteurskonstellation und neue Träger- te. Themenspezifisch werden Einzeltermi- schaften ne mit den entsprechenden Fachämtern (Denkmalschutz, Soziale Einrichtungen, 2000 wurde die Arbeitsgruppe Stadtumbau etc.) durchgeführt. gegründet, die sich seitdem als Verfahren begleitende Organisationsstruktur bewährt. In der Arbeitsgruppe entwickeln die am

2002 2003 2004 2005 (Luftbild 2002: Stadt Eisenhüttenstadt / Luftbildbearbeitungen 2002-2005: Christiane Nowak) 42 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

technischen Versorgungsanlagen im Rah- men des „Teilprogramms Aufwertung“ als sogenannte Ordnungsmaßnahme ist auf- grund anderer Prioritätensetzung in der Stadt nicht erfolgt. Umstrukturierungsbereich flächenhafter Abriss Eine Anpassung des FNP an das im Stadtum- Abriss gem. Stadtumbau- baukonzept dargestellte Entwicklungsziel konzept Umstrukturierungsgebiete „Grünfläche oder Wald“ soll erfolgen, sobald flächenhafter Abriss Nachnutzung Grünfläche/ Wald sich eine Nachnutzung konkretisiert. Da Nachnutzung Wohnbe- bauung/gewerblich dies auch die Korrektur der Buchwerte nach sich zieht, wird eine konkrete nichtbauliche Stadtumbaukonzept Zielplan Stadtumbau Eisenhüttenstadt - Gebietskategorien 2004 Nachnutzung von Seiten der Wohnungsge- und Fortschreibung 2007, (Plan: B.B.S.M./BSM mbH Potsdam) sellschaft nicht mit Dringlichkeit verfolgt. Planungs- und Rechtsinstrumente Pflege und Unterhaltung Zur Absicherung der Entwicklungsziele des Stadtumbaus haben die Stadtverordneten Auf der Suche nach wirtschaftlichen Nach- den Zielplan Stadtumbau im Rahmen der nutzungen wurden verschiedene Ideen ent- ersten (2004) und zweiten Fortschreibung wickelt. Die jüngste Anfrage eines privaten (2007) des Stadtumbaukonzeptes beschlos- Betreibers, auf Teilen der Fläche ein Solar- sen. Darin ist die Fläche des ehemaligen WK feld einzurichten, scheiterte jedoch an den VII Süd als „Umstrukturierungsgebiet mit Kosten für die erforderlichen Sicherungsan- flächenhaftem Abriss und Nachnutzung als lagen bzw. für erforderliches Wachpersonal. Grünfläche oder Wald“ definiert. Im FNP ist der WK VII Süd weiterhin als „Wohnbauflä- Auch die Möglichkeit, die Flächen aufzu- che“ dargestellt. Infolge des Abrisses wird forsten, wurde bereits erörtert, jedoch nicht die Fläche als „Außenbereich“ im „Innenbe- konkretisiert. Die Flächen könnten mittels reich“ angesehen. eines Bewirtschaftungsvertrages an das Landesforstamt übergehen. Überlegt wird Die Sicherung der Planungsabsichten er- auch eine Zusammenarbeit mit der Europa- folgt in Eisenhüttenstadt durch selbst ent- Universität Viadrina zur Beobachtung von wickelte Ordungsmaßnahmenverträge, die Sukzessionflächen bzw. der Entwicklung kli- zwischen den Wohnungsunternehmen und magerechten Saatgutes. der Stadt als Zuwendungsempfängerin auf freiwilliger Basis geschlossen werden. Diese Aktuell besteht von Seiten der sich auf dem Verträge beinhalten die Förderbedingungen Gelände befindenden „wilden“ Kleingärtner des Programms Stadtumbau Ost und die Be- Interesse an der Erweiterung ihrer Anlage. stimmungen des Zuwendungsbescheides Die Stadtverwaltung sieht allerdings Schwie- für Abrissmaßnahmen des Landes Bran- rigkeiten in Hinblick auf Haftungsrisiken, denburg. Da die Fördermittel in kommuna- da es keinen Vertragspartner im Sinne des ler Hand sind, sichert dieses Verfahren die Kleingartengesetzes (Verein/Verband) gibt. kommunale Steuerungsfunktion im Stadt- Bis eine geeignete Nachnutzung gefunden umbau. Grundlage für die auf Konsens aus- wird, pflegen die Wohnungsunternehmen gerichtete bewährte Vorgehensweise sind die gemeinsamen Ziele von Stadt und Woh- die Flächen extensiv auf eigene Kosten und nungsunternehmen bis 2010. Sobald dieser zahlen die Haftpflichtversicherung und Konsens entfällt, Abrisse, die nach Bran- Grundsteuer. denburgischer Bauordnung genehmigungs- frei sind, von den Wohnungsunternehmen Kommunikationsstrategien Kontakt: selbst finanziert werden, werden „harte“ In- Neben regelmäßigen Informationen in der Stadtverwaltung Eisenhütten- strumente, wie die Aufstellung einer Stadt- stadt Presse, dem Stadtfernsehen und dem Maga- umbausatzung nach BauGB erforderlich. So Bereich Stadtentwicklung/ zin „Stadtspiegel“ sowie auf Informationsta- Stadtumbau kann die kommunale Steuerungsfunktion feln im Rathaus werden zu Einzelaspekten Zentraler Platz 1 erhalten werden. 15890 Eisenhüttenstadt Bürgerveranstaltungen durchgeführt, wie Tel. 03364 566-0 das Seniorenforum und eine Informations- [email protected] Finanzierung und Inwertsetzung veranstaltung für Spätaussiedler. Seit 2003 Weiterführende Informationen Abrisse und Raseneinsaat wurden über das informiert die Stadtumbauzeitung „Eisen- • www.eisenhuettenstadt.de Bund-Länderprogramm Stadtumbau Ost hüttenSTADT IM UMBAU“ über den jeweils gefördert. Eine Förderung des Abbaus der aktuellen Stand des Umbauprozesses. Abwartende Renaturierung – Abrissflächen des Wohnkomplexes VII 43

Chancen und Lösungswege der zu erwartenden Restriktionen durch • Ordungsmaßnahmeverträge ermögli- Naturschutz und Waldgesetz chen gezielte und nachhaltige kommu- • Mangelnde Flexibilität durch Zweck- nale Steuerungsfunktion bindungen von Fördermitteln über 25 • Vernetzung innerstädtischer Gebiete Jahre mit der umgebenden Landschaft • Korrektur der Buchwerte bei den Woh- • Anknüpfung an historische Strukturen nungsunternehmen nach Fixierung der durch den historischen Malzweg dauerhaften Renaturierung • „Abwarten“ als Chance für eine passge- Innovation und Vorbildcharakter naue Nachnutzung der Fläche Der rahmensetzende städtebauliche Ent- Probleme und Hemmnisse wurf ermöglicht die Handlungsfähigkeit durch einzelne raumbildende Maßnahmen • Höhere Priorität anderer Planungen für und bietet ein Grundgerüst für zukünftige ein neues Industriegewerbe und Schlüs- Gestaltung bei gleichzeitiger großer Offen- selprojekte des InSEK heit für unterschiedliche Nutzungoptionen • Erschwerung von Aufforstung durch in der Fläche. fehlenden Rückbau und Neuordnung Auf Basis der Ordnungsmaßnahmeverträge der technischen Infrastruktur konnte die Zusammenarbeit mit den beiden • Fehlen von Mitteln für die Umsetzung Wohnungsunternehmen im Einvernehmen der Grundstrukturen des städtebauli- und effektiv gestaltet werden. chen Entwurfs (Prioritätensetzung der Stadt) • Zurückhaltung der Wohnungsbauun- ternehmen zur Renaturierung aufgrund

>> Den Rückbau der Versorgungslei- tung nimmt man nicht wahr. Es wird ja lediglich unterirdisch beräumt, danach sehen die Flächen wieder aus wie vor- her. Wenn man dagegen mit wesentlich weniger Mitteln den Nord-Süd-Weg qualifiziert, das Großgrün punktuell er- gänzt und die Fläche sauber hält, dann wird das positiv wahrgenommen. << Christiane Nowak, Stadtverwaltung Eisenhüttenstadt,15.07.08

Historischer Malzweg, soll als Allee bepflanzt werden (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten)

2000 Gründung der Arbeitsgruppe Stadt- umbau

2002 Stadtumbaukonzept Eisenhüttenstadt

2003/2006 kompletter Abriss des Wohnkomplexes VII Süd (1.142 Wohnungen)

2004 Teilräumliches Konzept WK VII

2004 erste Fortschreibung Stadtumbaukon- zept Eisenhüttenstadt

2007 zweite Fortschreibung Stadtumbaukon- zept Eisenhüttenstadt

bis 2010 Abriss von 1.653 der 1.998 Wohnun- gen im Wohnkomplex VII Nord durch Unterschiedlich gepflegte Grundstücke und ihre Vegetation flächenhafte Abbrüche (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) 44 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Gelsenkirchen, Nordrhein-Westfalen Strukturwandel zum Begreifen – Industriewald Rheinelbe

Mit Natur und Kunst wird die neue Wildnis auf dem ehemaligen Zechengelände Rheinel- be inszeniert. Als Teil des „Industriewald Ruhrgebiet“ zeigt Rheinelbe die Chancen des Strukturwandels im Ruhrgebiet auf. Rheinelbe ist auch ein Natur-Lernort für Kinder.

Kontext gionale Ruhr.2010 in Zusammenarbeit mit Landwirten eine Landartgalerie initiiert, die Der Bergbau im Ruhrgebiet ist seit Jahren eine Verbindung zwischen natürlicher und auf dem Rückzug. Die Region muss sowohl künstlicher Erhebung herstellen soll. einen radikalen wirtschaftlichen Struktur- wandel als auch eine gewaltige räumliche Die Forststation Rheinelbe dokumentiert Transformation bewältigen. Wichtigste ebenfalls den Wandel der Fläche: Ehemals Strategie dafür war die IBA Emscher Park war das Gebäude Stromverteilungszentra- (1989-1999), mit der entscheidende Impulse le, heute dient es auch als Versammlungsort für den städtebaulichen, sozialen und öko- und Informationszentrum. logischen Umbau des Ruhrgebietes gesetzt wurden. In der IBA wurde das „Restflächen- Landschafts- und Freiraumkonzept projekt“ initiiert, das für sechs Jahre als Ver- such betrieben wurde und seit 2002 als Pro- Mit dem Industriewald-Projekt werden jekt Industriewald Ruhrgebiet weitergeführt zwei Ziele erreicht. Zum einen können Flä- + wird. Es wurde eine Schwerpunktaufgabe cheneigentümer die Zuständigkeit für ihre des Landesbetriebes Wald und Holz NRW. brach gefallenen Flächen vorübergehend Mit ihm sollen Industriebrachen aufgefan- oder dauerhaft an das Industriewald-Projekt gen und durch natürliche Sukzession be- abgeben. Zum anderen ermöglicht die Flä- waldet werden. Bestehende Verinselungen chenübertragung die Entwicklung von Öko- sollen überwunden, Grünzüge entwickelt logieprojekten und den Aufbau regionaler und Ökologieprojekte vernetzt werden. Grünstrukturen. Zurzeit macht die Gesamt- + fläche des Industriewaldes Ruhrgebiet ca. Projekt 250 ha aus. Im Ruhrgebiet sind ca. 10.000 ha Brachen ohne Investitionserwartung noch Der Industriewald Rheinelbe ist eine Teilflä- potenzielle Industriewald-Flächen. che des Gesamtprojektes des Landesbetrie- bes. Bis 1931 war Rheinelbe eine der großen Die facettenreichen Flächen werden weit- Zechen des Ruhrgebietes. Seit ihrer Schlie- gehend der Öffentlichkeit als Erholungs-, ßung entwickelte sich eine wilde, abwechs- Naturerlebnisräume und als Flächen für + lungsreiche Waldlandschaft mit Hügeln und Umweltbildung zugänglich gemacht. Im Tälern, aufgelockert durch Lichtungen. Die Gegenzug sollen die Menschen aktiv an der Zechenfläche wurde als ein Kernprojekt der Entwicklung der Industriewald-Flächen IBA Emscher Park zum Skulpturenwald aus- mitwirken. Aneignungsprozesse und Ein- gestaltet. Der Landschaftskünstler Herman griffe, wie das Befahren mit Mountainbikes, Prigann hat mit Toren, Türmen und Treppen werden daher nicht als Problem, sondern als einen Natur- und Kunst-Erlebnisraum ge- Teil der Lösung betrachtet. + schaffen, der in der Himmelsleiter auf dem Mit „Wildnis als urbanes Projekt“ entsteht Spiralberg der Fläche Rheinelbe gipfelt. Sie ein vollkommen neuer Freiraumtypus. ist eine Landmarke des Ruhrgebietes und Durch die Einbeziehung der belassenen Teil der „Route Industriekultur“. Industrie-Infrastruktur und erhaltenswerter Auf dem gegenüberliegenden und im Ge- Industriearchitektur wird eine neue Identi- gensatz zum Spiralberg natürlich entstande- tät gestiftet, die an die altindustrielle Tradi- nen Mechtenberg wird im Rahmen der Re- tion des Ruhrgebietes anknüpft.

Stadt: Gelsenkirchen Bundesland: NW Stadttyp: Großstadt

Einwohner 1992: 295.368 Einwohner 2007: 264.765 Lage: Zwischenstadt

Konzept: regional Projektfläche: 36 ha Umsetzungsstand: realisiert Strukturwandel zum Begreifen – Industriewald Rheinelbe 45

Ziele und Maßnahmen • Förderung von Rückeroberungs- und Regenerationsprozessen der Natur bis zum Waldstadium • Erhalt bzw. Betonung der eigenständi- gen ästhetischen Qualität der Flächen • Reduzierung der Entwicklungs- und Pflegekosten durch extensiven Frei- raumtyp • Minimaler Mitteleinsatz, um die Flä- chen zugänglich und nutzbar zu ma- chen • Aufbau wohnungsnaher Erholungsan- gebote als Rückzugs- und Aneignungs- raum • Win-Win-Situation für Flächeneigentü- mer und Industriewald-Projekt Industriewald Rheinelbe, Wegeplan im Luftbild und Flächeneinteilung, 2003 (Plan: Universität Dortmund, Institut für Geographie und ihre Didatik) • Nutzung der Industriewälder für Maß- nahmen der Umweltbildung und des Naturerlebens Mit der Betreuung der Flächen und der loka- • Vermeidung negativer Effekte auf an- len Öffentlichkeitsarbeit sind ein forstlicher grenzende Gebiete durch Brachflächen Angestellter sowie zwei Forstwirtschafts- meister betraut, die auf der Industriewald- Akteurskonstellation und neue Träger- fläche „Rheinelbe“ in der Forststation des schaften Projekts arbeiten. Der Industriewald ist als Kooperationspro- Der Industriewald ist Impulsgeber für neue jekt der Landesentwicklungsgesellschaft Kooperationen, beispielsweise mit evan- (LEG) ins Leben gerufen worden. Trägerin ist gelischen Kirchengemeinden. Diese verfü- seit 2007 das Land als Landesbetrieb mit der gen über ein großes Netzwerk und sind als Schwerpunktaufgabe Industriewald/urbane Multiplikatoren wichtiger Partner bei der Waldnutzung, das Personal und Know-how Weiterentwicklung des Industriewaldes. zur Verfügung stellt. Bis auf zwei landeseige- Sie nutzen den Industriewald im Rahmen ne Staatswaldflächen (12,1 ha) sind alle üb- des Konfirmandenunterrichts und werden rigen Flächen in Privateigentum. zukünftig Flächenpatenschaften überneh- men. Um die dauerhafte und unabhängige Be- treuung und Entwicklung von Industrie- Auch Schulen und Kindergärten gehören zu brachen zu Industriewald im Ruhrgebiet zu den „Kunden“ des Industriewaldes. Gerade gewährleisten, wurde der Förderverein In- die Angebote, den Wald als außerschuli- dustriewald Ruhrgebiet e. V. gegründet, der schern Lernort zu nutzen und Lehrerfort- zukünftig über Kooperationsverträge auch bildungen zu absolvieren, werden in Rhei- Pflegeleistungen übernehmen soll. nelbe intensiv genutzt.

„Raus ins Vergnügen“ – Kinder begreifen Natur (Foto: Forststation Rheinelbe, Oliver Balke) 46 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Finanzierung und Inwertsetzung Flächen werden i.d.R. unbebaut übernom- men und sind aus dem Bergrecht entlassen. Kosten des Rückbaus und der Altlastensa- nierung übernimmt der Flächeneigentü- mer im Rahmen der vorauslaufenden Ent- lassung der Flächen aus der Bergaufsicht. Da bei „Wald“ gegenüber einer baulichen Nachnutzung geminderte Standards für die Altlastensanierung gelten, ist die Teilnahme am Industriewald-Projekt für Flächeneigen- tümer auch ökonomisch eine interessante Lösung, sofern sie die Flächen nicht höher- wertig nachnutzen können.

Pflege und Unterhaltung Die Landmarke „Himmelsleiter“ von Herman Prigann Die einzelnen Flächen des Industriewaldes (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) werden im Rahmen eines „Low-Budget-Ma- nagements“ extensiv gepflegt. Die wichtigs- Planungs- und Rechtsinstrumente te Pflegemaßnahme ist die Beseitigung von Strategisch-planerisch ist das Projekt in den Müll. Es werden regelmäßige Begehungen Masterplan Emscher Landschaftspark ein- durchgeführt, um nötige Pflegemaßnahmen gebunden, der Grundlage für den Wandel festzulegen. von altindustriellen Flächen in eine leben- Mit zunehmender Gesamtfläche wird es im- dige Stadtlandschaft ist. Der Industriewald mer schwieriger, die Flächen mit dem beste- Ruhrgebiet ist ein Baustein, der Flächenei- henden Personalbesatz zu pflegen. Daher ist gentümer dafür gewinnen will, ihre Brachen – auch in Hinblick auf eine Reduzierung der auf der Basis von Kooperations- bzw. Pacht- Pflegekosten – geplant, bestehende Netz- verträgen an das Projekt zu übertragen. Alle werke gezielt zu nutzen, wie beispielsweise Industriewald-Flächen werden zu „Wald“ die Kirchengemeinden. Ziel ist es, über eine im Sinne des Waldgesetzes und im FNP flächenhafte Präsenz vor Ort soziale Kont- entsprechend dargestellt. Den rechtlichen rolle zu erreichen. Es sollen aber auch gezielt Rahmen bilden das neue Landschaftsgesetz neue Flächennutzungen eingebracht wer- NRW (2007) sowie das Landesforstgesetz. den, um eine direkte Kontrolle auszuüben. Neuerdings ist es nach §4 Abs. 3 des Land- Derzeit nutzen einige Imker den Industrie- schaftsgesetzes möglich, Industriebrachen wald und kümmern sich dabei um eine ord- von der Ausgleichspflicht bei Wiederbebau- nungsgemäße Benutzung des Waldes. ung („Natur auf Zeit“) zu befreien. So wird die Teilnahme am Industriewald-Projekt für Kommunikationsstrategien die Flächeneigner noch attraktiver. Das Industriewald-Projekt setzt auf Kom- Die Flächeneigentümer müssen sich zu Be- munikation, denn der Industriewald muss ginn der Flächenüberstellung zwischen den als „neue Wildnis“ durch pädagogische An- Modellen der „Natur auf Zeit“ oder der dau- gebote, Kunst und Veranstaltungen umfas- erhaften Flächen-Übertragung als „Wald“ send nach außen kommuniziert werden. entscheiden. Für die dauerhafte Überlassung Geschieht dies nicht, verwahrlosen viele Kontakt: der Fläche als Wald kann der Flächeneigen- Flächen – mit negativen Rückwirkungen für Landesbetrieb Wald und Holz tümer als Dienstleistung des Industriewald- NRW die umliegenden Quartiere. Regionalforstamt Ruhrgebiet Projektes die Führung eines Ökokontos in Schwerpunkt Industriewald Anspruch nehmen. Die Modelle werden in Zentrale Bedeutung hat die „Plattform Urba- Ruhrgebiet Brößweg 40 den Kooperationsvereinbarungen vonein- ne Waldnutzung“, die die „Waldakteure“ des 45897 Gelsenkirchen ander unterschieden und in verschiedenen Ruhrgebietes an einen Tisch bringt, Koope- Tel. 0209 94773-0 ruhrgebiet@wald-und-holz. Katastern geführt. rationsangebote entwickelt und neue Pro- nrw.de jekte urbaner Waldnutzung in Gang setzt. Auch nicht bestockte Flächen können als Weiterführende „fingierte Waldflächen“ im Sinne des Lan- „Natur auf Zeit“ ist auch eine Form des Mar- Informationen desforstgesetzes übernommen werden, so ketings für den Industriewald. Damit kann • www.industriewald-ruhrge- biet.nrw.de weit sie in räumlichem Zusammenhang mit die Flächenakquisition entscheidend beför- übrigem Wald stehen. dert werden. Strukturwandel zum Begreifen – Industriewald Rheinelbe 47

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter • Ökologische und gestalterische Inwert- Mit dem Landschaftsgesetz NRW und dem setzung ehemaliger Industriebrachen Landeswaldgesetz bestehen rechtliche • Aufbau von Grünzügen und Vernetzung Rahmenbedingungen, die große Freiheiten von Ökologieprojekten eröffnen, Wald urban zu gestalten. Die auf Industriebrachen entstandene Wildnis wird • Schaffung von Wald zur Benutzung nicht mit naturschutzrechtlichen Regeln durch den Menschen belegt, sondern den Menschen zur aktiven • Nutzungsvielfalt durch Aneignungs- Teilnahme geöffnet. „Natur auf Zeit“ ermög- und Beteiligungsmöglichkeiten licht und erleichtert diese Strategie. • Identitätserhaltung für “den Pott” Es entsteht eine Win-Win-Situation zwischen • Low-Budget-Management dem Land NRW und den Flächeneigentü- mern. Denn die Flächeneigentümer können Probleme und Hemmnisse ihre Flächen für eine zukünftige bauliche Entwicklung langfristig vorhalten und das • Zunehmende Probleme der Pflege und Land kann den Emscher Landschaftspark Unterhaltung durch Flächenzuwachs zwischenzeitlich zu einer neuen lebenswer- • Verkehrssicherungspflicht an ungesi- ten Stadtlandschaft weiterentwickeln. cherten Stellen Durch eine breite Identifikation mit dem • Zunehmende Vermüllung und dadurch Industriewald kann der Rückgang der negative Auswirkung auf benachbarte Montanindustrie auch als Chance erfahren Wohnquartiere werden. Der Industriewald wird dann als • Geringe Wahrnehmung des Projektes Zeichen des Wandels begriffen und als wert- innerhalb der Forstverwaltung volle Ressource erlebt, die vor der Tür liegt und genutzt werden kann – Strukturwandel zum Begreifen.

Industriewald Rheinelbe Skulptur im Industriewald Rheinelbe von Herman Prigann (Foto: lohrberg stadtlandschaftsarchitektur) (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten)

>> Im Industriewald bildet sich die Vergangenheit ab, er wird zum neuen Freiraumtyp, der die Identität des Ruhrgebietes erhöht. << Michael Börth, Regionalforstamt Ruhrgebiet, 18.09.08

1931 Stilllegung der Zeche Rheinelbe

1955 Abbau von Fördergerüst, Fördermaschi- ne und Hängebank

ab 1996 Kernprojekt der IBA Emscherpark

2002 Gründung des Projektes Industriewald Ruhrgebiet

2007 vollständige Übernahme des Projektes durch den Landesbetrieb Wald und Holz

in Planung Städtebauliches Leitkonzept (Manage- Masterplan Emscher Landschaftspark 2010: Wald im Emscher Landschaftpark mentplan) (Plan: lohrberg stadtlandschaftsarchitektur für Klartext Verlag, Essen) 48 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Halle (Saale)-Silberhöhe, Sachsen-Anhalt Urbane Waldlandschaften – Die Waldstadt Halle-Silberhöhe

Silberhöhe verwandelt sich im Zuge des Stadtumbaus in eine Waldstadt mit einem neuen Gesicht und einem werbewirksamen Image. Halle betrieb anfänglich eine aktive Boden- politik und setzt mittlerweile auf Gestattungsverträge mit den Wohnungsunternehmen.

Kontext ren frühzeitig in den Prozess der Stadtteil- entwicklung einbezogen. Der am südlichen Stadtrand an der Saale ge- legene Stadtteil Halle-Silberhöhe war nach Im Rahmen des Stadtumbaus wurde der der Wende stärker als andere Stadtteile von Stadtteil als Marketingmaßnahme offiziell Abwanderung betroffen. Hatte der Stadtteil, in „Waldstadt Silberhöhe“ umbenannt. Un- der 1979 bis 1989 in industrieller Platten- terstützt wurde der Prozess der Neuausrich- bauweise errichtet wurde, 1989 noch rund tung durch eine bewusste Verknüpfung von 40.000 Einwohner, so werden es nach vorlie- Kunst, Wald und Abriss. Der entstehende genden Prognosen 2012 nur noch ca. 10.000 Wald verhilft dem Stadtteil nicht nur zu ei- Menschen sein. Der frühe Handlungsdruck nem neuen Image, sondern ist als Naherho- führte noch vor Auflage des Bund-Länder- lungsgebiet an der Saaleaue für die Gesamt- programms Stadtumbau Ost zum großflä- stadt von Bedeutung. chigen Abriss von Wohngebäuden. Insge- samt ist ein Abriss von 7.000 Wohneinheiten Landschafts- und Freiraumkonzept + geplant. Zur Minderung der damit verbun- denen Problemlagen wurde der Stadtteil Der neue Wald ist beachtlich heterogen und 1999 in das Bund-Länderprogramm “Soziale setzt sich aus verschiedenen Wald- und Ve- Stadt” aufgenommen. Die Neuformulierung getationstypologien zusammen. Der zentra- des Stadtteils als „Waldstadt“ brachte dem le Grünzug bleibt Rückgrat der städtebauli- Stadtteil mittlerweile ein positives Image chen Struktur, hat jedoch durch den Abbruch und eine neue Perspektive. Dennoch bleibt der 11-geschossigen Wohngebäude eine völ- + Silberhöhe ein Schwerpunktbereich des lig neue räumliche Dimension erhalten. Ge- Stadtumbaus in Halle, der heute verstärkt fasst wird er von sanierten 5-geschossigen auf die Qualifizierung des verbleibenden Wohngebäuden, „Blühenden Baumhainen“ Wohnungsbestandes zielt. und Baumblöcken auf ehemaligen Gebäu- degrundrissen. Dazwischen erstreckt sich Projekt ein kontrastreicher Stadtwald, in dem sich Mit dem 2001 beschlossenen Neuordnungs- Baumdächer und baumfreie Lichtungen + konzept Halle-Silberhöhe wurde ein einzig- abwechseln. Das Zusammenspiel unter- artiges Nachnutzungsmodell entwickelt, das schiedlicher Blühzeiten, das Farbenspiel der auf eine Transformation des Stadtteils in eine Herbstfärbung sowie der Kontrast zwischen „Waldstadt“ abzielt. Es sieht eine abgestufte weißen Birkenstämmen und Kiefern setzen Renaturierung vor, die von einem parkarti- atmosphärische Akzente. Während im zen- gen Stadtwald im zentralen Grünzug bis zu tralen Grünzug Starkbäume gepflanzt wur- naturnahen Sukzessions- und Aufforstungs- den, wurde zur Saale hin mit Heistern oder flächen an den Siedlungsrändern im Über- Stecklingen aufgeforstet. gang zum Landschaftsraum der Saale und Geplante temporäre Nutzungen, wie bei- der Weißen Elster reicht. spielsweise Kurzumtriebsplantagen oder Im Unterschied zu anderen Stadtumbauge- Flächen zur Saatgutgewinnung, sollen hel- bieten in Halle wurden in Halle-Silberhöhe fen, die Rückbauflächen ökonomisch in Wert von Beginn an konkrete Nachnutzungen zu setzen, die Kosten für Anlage und Pflege festgelegt. Auch Bewohner und Akteure wa- zu reduzieren und Bauland zu erhalten.

Stadt: Halle (Saale) Bundesland: ST Stadttyp: Großstadt

Einwohner 1992: 299.884 Einwohner 2007: 234.295 Lage: Stadtrand

Konzept: teilräumlich Projektfläche: 61,2 ha Umsetzungsstand: in Umsetzung Urbane Waldlandschaften – Die Waldstadt Halle-Silberhöhe 49

Ziele und Maßnahmen • Langfristige Stabilisierung des Woh- nungsmarktes • Verbindung des Stadtteils und des Landschaftsraumes der Saale und Wei- ßen Elster • Aufwertung des gesamtstädtischen Naherholungsgebietes • Aufwertung des Stadtteils und Image- verbesserung • Stärkung des zentralen Grünzuges und Hereinziehen von Wald in den Stadtteil • ggf. Neubebauung in den Randberei- chen Die Umsetzung des Leitbildes „Waldstadt“ wurde 2003 mit der Aufforstung in einem ehemaligen Wohnkomplex am Landschafts- raum der Saaleaue begonnen. Die Auffors- Stadtumbaukonzept Silberhöhe, Entwicklungskonzeption, ISEK Teil, 2007 (Plan: Stadt Halle (Saale) FB Stadtentwicklung und -planung) tungsflächen wurden zur Vermeidung von Wildschäden und Vandalismus eingezäunt. ben sich frühzeitig in Gremien zusammen- Ergänzend zu den Baumpflanzungen erfolgt geschlossen, Strategien erörtert und vorbe- am Saaleufer eine Aufwertung mit Bootsan- reitet. Großen Raum nahm dabei auch die leger, Rast- und Grillplatz. Einbeziehung der lokalen Akteure von der Abrissmaßnahmen, notwendiger Rückbau Informationsphase über die Planung bis zur der technischen Infrastruktur und die Ge- Umsetzung ein. Im Rahmen des bundes- staltung des zentralen Grünzuges sind mitt- weiten Wettbewerbs „Stadtumbau - nur mit lerweile größtenteils abgeschlossen. Dazu uns!“ wurden beispielsweise Kinder aktiv in gehörten der Auftrag von Oberboden, die die Planung der Stadtteilerneuerung einbe- Pflanzung von 8000 Laubbäumen, die Pflan- zogen. Die Ergebnisse sind in die konkreten zung von 265 Starkbäumen als lichter Baum- Objektplanungen integriert. hain sowie die Anlage von Baumblöcken. Bis Der Bau des Bootsanleger, Rast- und Grill- 2015 ist der vollständige Abschluss des bis- platzes als ergänzende Aufwertung des Saa- her vorgesehenen Abbruchs von Wohnun- leufers soll über eine Beschäftigungs- und gen und sozialer Infrastruktur geplant. Ausbildungsmaßnahme im Rahmen eines LOS-Projektes erfolgen. Akteurskonstellation und neue Träger- Flächeneigentümer bleiben mittelfristig schaften die Stadt bzw. die Wohnungsunternehmen. Ein langfristiger Umbauprozess kann nur Die stadteigenen Forstflächen werden nach gemeinsam mit allen wichtigen wirtschaftli- Ablauf der Pflegefrist dem Forstamt zur Be- chen und gesellschaftlichen Gruppen orga- wirtschaftung übergeben. Für die geplanten nisiert und umgesetzt werden. Insbesondere temporär genutzten Flächen sind noch kei- die Stadt und die Wohnungseigentümer ha- ne konkreten Betreiber in Aussicht.

Zentraler Grünzug in der Waldstadt-Silberhöhe (Fotomontage: bgmr Landschaftsarchitekten) 50 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

bildes „Waldstadt“ erfolgte durch die Stadt unter Inanspruchnahme und Überlagerung von Fördermitteln der Programme „Städte- bauliche Weiterentwicklung großer Wohn- gebiete“ und der Bund-Länderprogramme „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau Ost“ sowie Ausgleichsmitteln nach Naturschutzrecht. Bei Gestattungsverträgen übernimmt die Stadt die Anlage und die Pflege der Flächen, im Gegenzug entfallen für die Wohnungs- unternehmen Betriebs- und Unterhaltskos- ten, die Grundsteuer sowie die Verkehrssi- cherungspflicht. Die Pflichten gehen nach 5 Jahren wieder an die Wohnungsunterneh- men zurück. Hainartige Starkbaumpflanzung (Foto: Stadt Halle) Pflege und Unterhaltung Planungs- und Rechtsinstrumente Durch den Zuwach der öffentlichen Grünflä- Zusammen mit sechs weiteren Stadtumbau- chen von 140 ha in Halle, sind die Pflege und gebieten ist Halle-Silberhöhe mit dem Integ- Unterhaltungskosten der Rückbauflächen rierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) in ein erheblicher Faktor für den nachhaltigen die gesamtstädtische Entwicklungsplanung Bestand des Waldstadt-Konzepts. Selbst bei eingebunden. Das 2001 vom Stadtrat be- einfacher Raseneinsaat schlagen die jähr- schlossene Neuordnungskonzept (NOK) für lichen Kosten laut Beispielrechnung mit den Stadtteil Silberhöhe war eine wirksame 50 Cent/qm zu Buche. Grundlage der räumlichen Steuerung der Die Kosten der Pflege und Unterhaltung der Förder- und Investitionstätigkeit in diesem Renaturierungsflächen in Halle-Silberhöhe Stadtgebiet. Die Konzeption umfasst auch – auch auf den über Gestattungsverträge einen Rahmenplan, in dem Leitlinien und übertragenen Flächen und auf den Flächen, Entwicklungsziele für die Bereiche Städ- die dem städtischen Forstamt zur Bewirt- tebau, Infrastruktur und Reduzierung der schaftung und Pflege übergeben werden – Wohnungsüberschüsse festgelegt wurden. trägt anfangs die Stadt. Anfängliche Strategie der Stadt war es, durch Bisher erfolgt die Nutzung für Kurzum- eine aktive Bodenneuordnung (Flächen- triebsplantagen und zur Saatgutgewinnung tausch), zusammenhängende Flächen zur kostenlos. Eine Verpachtung rechnet sich Umsetzung des Leitbildes Waldstadt bereit- für den Nutzer wegen der schwierigen Bo- zustellen. denverhältnisse nicht. Der Effekt für den Eigentümer ist der Wegfall der Pflegekosten Finanzierung und Inwertsetzung für die Fläche. Im Laufe der Rückbautätigkeit in Halle-Sil- berhöhe veränderte die Stadt ihre Flächen- Kommunikationsstrategien politik. Zu Beginn des Umbauprozesses Ein wesentlicher Schritt für die Kommu- tauschte sie mit den Wohnungsunterneh- nikation und Koordination im Umstruktu- men Abrissflächen gegen städtische Flächen rierungsprozess war die Einrichtung eines in innerstädtischen, konsolidierten Wohnla- zentralen Stadtteilbüros im Rahmen des gen. Mit dem Wechsel der Nutzungskategorie Programms „Soziale Stadt“. Es stellte ein zu Wald, sanken die Bodenwerte allerdings Kontakt: wichtiges Bindeglied bei der Vernetzung der Stadt Halle erheblich und aus der Win-Win-Situation Stadtplanungsamt verschiedenen Projekte und Initiativen dar. entstanden finanzielle Nachteile für die Team Grünordnung und Land- Hier fanden wechselnde Ausstellungen und schaftsplanung Stadt (Bodenwert für Wald: 10 Cent/qm). Aktionen statt, wie das Kunstprojekt „Spur Hansering 15 Um Verluste für die Stadt zu vermeiden wer- 06100 Halle/Saale der Steine“. Inzwischen ist die Silberhöhe Tel. 0345 221-0 den Begrünungsmaßnahmen mittlerweile durch die bewusste Verknüpfung von Kunst [email protected] nur noch über Gestattungsverträge geregelt und Abriss überregional bekannt. Auch die bzw. über den Erwerb der Flächen durch die Weiterführende Entwicklung des Maskottchens „Waldi“ und Informationen Stadt zu einem reduzierten Bodenpreis. • www.sozialestadt.de eines neuen Stadtteillogos trugen zur Mar- Die Finanzierung der Umsetzung des Leit- kenbildung der Waldstadt bei. Urbane Waldlandschaften – Die Waldstadt Halle-Silberhöhe 51

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter • Stabilisierung des Stadtteils durch die Von entscheidender Bedeutung für den er- Aufwertung des Wohnumfeldes und folgreichen Stadtumbauprozess in Halle- durch die Verbesserung der Naherho- Silberhöhe war die frühzeitige Festlegung lungsqualitäten der Nachnutzung der Rückbauflächen in • Imageverbesserung durch das Allein- den Konzepten der Stadtteilentwicklung. stellungsmerkmal „Waldstadt“ Dadurch konnten die erforderlichen Um- setzungsschritte gezielt erfolgen und durch • Verbesserung der gesamtstädtischen eine wirksame Bewohnerbeteiligung und Naherholungssituation Öffentlichkeitsarbeit, eine aktive Flächen- • Reduzierung der Grundsteuer für politik und eine konzentrierte Akquisition Grundstückseigentümer durch Über- von Fördergeldern vorbereitet und beglei- nahme der Rückbauflächen in städti- tet werden. Die Rückbauaktivitäten und die Logo Waldstadt-Silberhöhe schen Besitz Aufwertungsaktivitäten in Halle-Silberhöhe zeigen bereits Wirkung. Mit dem neuen Eti- Probleme und Hemmnisse kett „Waldstadt“ gelang eine deutliche Ver- besserung des Stadtteil-Images, die mittler- • Reduzierung der Bodenwerte durch weile auch die Bevölkerung erreicht hat. Statuswechsel zu Wald/Grünfläche • Erschwerte Neubebauung wegen Aus- gleichspflicht durch das Wald- und Na- turschutzgesetz • Mittelknappheit für eine dauerhafte Pflege und Unterhaltung der intensiver gestalteten Bereiche

Kunstaktion „Spur der Steine“ Grabungsstätte von Dagmar Schmidt (Foto: Reinhard Hentze)

>> Mittel für eine nachhaltige Pflege müssen in den Förderkatalog der Programme mit Kunstaktion „Spur der Steine“ Grabungsstätte von Dagmar Schmidt (Foto: Gottlieb Philipps) aufgenommen werden. << Ulrike Neubert, Stadtplanungsamt Halle, 23.04.08

2001 Beschluss des Neuordnungskonzeptes Halle-Silberhöhe

2002/2003 Abriss von 549 Wohnungen, sozialer Infrastruktur, Rückbau technischer Infrastruktur und Straßen, Aufforstung im Wohnkomplex 8

2003/2005 Abriss von 600 Wohnungen am Anhalter Platz, Pflanzung von 264 Starkbäumen als lichter Hain

2004/2006 Abriss von 1065 WE im Bereich Hanoier Straße, Pflanzung von Starkbäumen

2008 Errichtung eines Bootsanlegers, Rast- und Grillplatz an der Saale

2009/2010 weiterer Rückbau, Fortführung der Stecklinge auf Aufforstungsfflächen und erste Vandalismusschäden Aufforstungsmaßnahmen (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) 52 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Hoyerswerda, Sachsen Patchwork-Landschaft – Neue Freiräume Hoyerswerda

Das gesamtstädtische Freiraumkonzept „Neue Freiräume Hoyerswerda“ steuert die Ent- wicklung und Gestaltung der räumlich und zeitlich versetzt entstehenden Freiflächen. Das Leitkonzept wird als Gemeinschaftsaufgabe aller Eigentümer verstanden.

Kontext Ausstellung der Ergebnisse eines studenti- schen Workshops und verschiedenen Szena- Hoyerswerda hat Erfahrung mit dynami- rien (Grüner Saum, Waldlandschaft, Inseln schen Transformationsprozessen. Als eines in der Elsteraue) wurde ein umfassender der wichtigsten Kohle- und Energiezentren Abstimmungsprozess mit allen relevanten der DDR wuchs die Stadt zwischen 1950 Akteuren und der Öffentlichkeit in Gang ge- und 1981 sprunghaft von ca.7.000 auf über setzt. Ziel war es, durch das Aufzeigen von 70.000 Einwohner an. Nach 1990 halbierte Qualitäten und Potenzialen den Blick weg sich die Einwohnerzahl nahezu. Bereits seit vom Verlust eines gewohnten Stücks Stadt 1997 findet Rückbau statt. Als Antwort auf hin zu neuen Chancen der Stadt zu lenken. den prognostizierten Abwärtstrend der Ein- wohnerzahl auf 30.600 bis 2020 ist langfristig der Rückbau kompletter Wohnkomplexe ge- Landschafts- und Freiraumkonzept plant. In der Neustadt sollen laut InSEK ins- Die Akteure haben sich gemeinsam auf den gesamt 12.100 WE abgerissen werden. Der „Grünen Saum“ und eine „Grüne Mitte“ + FNP sieht einen Rückbauschwerpunkt in zwischen zwei Zentren als das tragfähigs- den Randbereichen zur Stärkung des Zent- te Szenario geeinigt. Die Besonderheit des rums vor. Konzeptes besteht in der Vorgabe eindeu- tiger Raumstrukturen und Raumqualitä- Projekt ten, die aus der charakteristischen Lage der Stadt im Offenland der Elsterniederung und Im Zuge der Erarbeitung des SEKo initiierte den angrenzenden Waldlandschaften ent- die Stadtverwaltung die Erarbeitung des ge- + wickelt sind. Damit wird die Qualität eines samtstädtischen Freiraumkonzeptes „Neue anspruchsvollen Stadtbildes mit den Mit- Freiräume Hoyerswerda“. Mit ihm soll der teln der Landschaftsarchitektur langfristig weitere Stadtumbauprozess zielorientiert gesichert. Es entsteht eine Patchwork-Land- gesteuert und isolierte Renaturierungsmaß- schaft, die die Bedingungen des Stadtum- nahmen auf Rückbauflächen vermieden baus sichtbar macht und als urbane Kultur- werden. Zentrales Anliegen ist es, einen fle- landschaft neu interpretiert. xiblen Rahmen zu schaffen, um die zeitlich + und räumlich versetzt entstehenden Frei- Im Bereich der Rückbaugebiete am östlichen räume in ein qualitativ hochwertiges und Rand der Neustadt entstehen die „Neuen ökonomisch tragfähiges Freiraumsystem Landschaften“. Mit ihnen wird das Thema einzubinden. Es knüpft an die vorhandenen „Wechsel von Wald und Offenland“ durch Freiräume, Wege und Gewässer der Stadt an die Inszenierung einer neuen Waldkante ge- und vernetzt sie mit der Kulturlandschaft stalterisch aufgegriffen. Ein abgestufter, far- der Umgebung. Die Schwerpunkte liegen biger Waldrand durch Laubgehölze schafft auf der Umstrukturierung der städtischen punktuellen Erlebnischarakter. Randbereiche und der Neudefinition der Die gesetzte Raumfigur kann ihre Wirkung Schnittstelle zwischen Alt- und Neustadt. nur entfalten, wenn passgenaue Nutzungen, Die inhaltliche Erarbeitung des Konzeptes vor allem für das Offenland, gefunden wer- lag in den Händen des Instituts für Land- den. Die Umsetzung setzt ein beständiges schaftsarchitektur der Technischen Univer- Aushandeln der Maßnahmen mit den Ent- sität Dresden. Mit Referenzprojekten, der scheidungsträgern voraus.

Stadt: Hoyerswerda Bundesland: SN Stadttyp: Mittelstadt

Einwohner 1992: 64.631 Einwohner 2007: 40.294 Lage: Stadtrand

Konzept: gesamtstädtisch Projektfläche: k.A. Umsetzungsstand: in Umsetzung Patchwork-Landschaft – Neue Freiräume Hoyerswerda 53

Ziele und Maßnahmen

Ziele des „Grünen Saums“: • Entwickeln der Stadtumbaugebiete als Bindeglied zur freien Landschaft • Verbinden isolierter Freiraumfragmen- te (z.B. Sportanlagen) zu einer eigenen Landschaft • Schaffen einer eigenen Identität für die “Neuen Freiräume“ • Entwickeln neuer Freiraumstrukturen aus Offenland, Gehölzen und Wald • Definieren von Nutzungsschwerpunk- ten der Erholungslandschaft • Anlage eines Rundweges durch den „Grünen Saum“ Konzept „Grüner Saum“ und „Grüne Mitte“, 2008 (Plan:Technische Universität Dresden) Während für die Umsetzung von Offenland- flächen noch keine Erfahrungen vorliegen, wurden Aufforstungen nach abgestimmten Gestaltungsvorgaben bereits großflächig Dass sich die Rückbauflächen größtenteils durchgeführt. im Eigentum zweier grosser kommunaler Wohnungsunternehmen befinden, erwies Die technische Infrastruktur wird schritt- sich als vorteilhaft für die Konsensfindung. weise durch die Versorgungsbetriebe Hoy- Teilflächen sind in privatem Eigentum, Stra- erswerda rückgebaut. Teilerschließungen ßen und soziale Infrastruktur im Eigentum müssen wegen Wartungserfordernissen der der Stadt. technischen Infrastruktur oder Erschließung sozialer Infrastruktur bestehen bleiben. Dritte Partner mit Aufforstungsverpflich- tung forsten die Flächen der Wohnungsun- Akteurskonstellation und neue Träger- ternehmen als Ausgleichs- und Ersatzmaß- schaften nahme auf. Der Zweckverband „Bärwalder See“ ist Partner der Stadt beim Rückbau von Das Institut für Landschaftsarchitektur der Verkehrsflächen und Vorbereitung als Rena- Technischen Universität Dresden mode- turierungsfläche. rierte den Abstimmungsprozess zwischen Stadtverwaltung, Wohnungsunternehmen, Die Stadt sucht derzeit aktiv Partner, die am Versorgungsbetrieben, Kleingartenverband, Stadtrand Offenlandflächen bewirtschaften. Forstverwaltung und der Arbeitsgruppe Erste Gespräche mit Landwirten wurden Stadtumbau, die sich themenspezifisch for- geführt. Ein im Umland ansässiger Schäfer mierte und regelmäßig tagte. zeigt Bereitschaft zur Bewirtschaftung.

Die Waldkante der „Neuen Landschaft“ auf den Rück- bauflächen (Perspektive: Technische Universität Dresden) 54 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

nen und Unternehmen mit Ausgleichsver- pflichtung ohne Pachtzins verpachtet. Den Rückbau von Verkehrsflächen finanziert die Stadt mit Ausgleichsmitteln. Bereits während des Abriss- und Renaturie- rungsprozesses nehmen die Wohnungsun- ternehmen eine schrittweise Rückstufung des Buchwertes vor. Nach erfolgter Auffors- tung werden sie endgültig angepasst. Bisher Aufforstungsfläche sind die Eigentumsverhältnisse unverändert, (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) es gibt jedoch erste Signale der Wohnungs- unternehmen, die Grundstücke, insbeson- Planungs- und Rechtsinstrumente dere Offenlandbereiche, zu veräußern. In den Flächennutzungsplan von 2006 sind zwar die Ziele des Rückbaus (Konzentration Pflege und Unterhaltung auf die Innenstadt, Rückbau auf „stadtfer- Die Frage, ob es nach Ablauf der 5 Jahre wei- nen“ Flächen und Entwicklung einer auf den terhin Pächter geben wird oder ob Flächen Landschaftsraum bezogenen „Grünen Mit- z.B. vom zuständigen Forstamt übernom- te“) eingearbeitet worden. Der FNP erweist men werden, ist ungeklärt. Die Aufforstung sich aber als zu schwerfällig. Das InSEK stellt als bewirtschaftungsärmere Nachfolgenut- daher das derzeitige Handlungsinstrument zung ist dennoch die Vorzugsvariante der dar. Das Freiraumkonzept ist integraler Be- Wohnungsunternehmen. standteil des SEKo, das in Fortschreibung des InSEK 2003 derzeit überarbeitet wird. Es Offenlandbereiche sind für die Wohnungs- wurde als „Fachkonzept Freiraum“ im Mai unternehmen problematisch, da statt Er- 2008 vom Stadtrat beschlossen. träge Kosten entstehen. Eine Minimierung der Kosten ist maßgeblich davon abhängig, Finanzierung und Inwertsetzung ob Pächter zur Bewirtschaftung gefunden werden. Die Kosten zur nachhaltigen Pflege Finanzierung des Rückbaus: und Unterhaltung von Abrissflächen werden von den Wohnungsunternehmen in Hoyers- • 100% des Rückbaus durch das Bund- werda auf 350 Euro/ha geschätzt. Sie sind in Länderprogramm Stadtumbau Ost, den zur Verfügung stehenden Programmen Programmteil Rückbau nicht enthalten, so daß eine Finanzierungs- • 75% der Aufwertung durch das Bund- lücke entsteht. Länderprogramm Stadtumbau Ost, Als ein Bewirtschaftungsvorschlag steht die Programmteil Aufwertung Umwandlung der offenen Landschaften in Streuobstwiesen im Raum. Finanzierung der Renaturierung:

Das Freiraumkonzept stellt eine weitge- Kommunikationsstrategien hende Kostenneutralität für Anlage und Schon während der Entwicklung des Frei- Unterhaltung der „Neuen Landschaften“ in raumkonzeptes wirkte die Ausstellung der Aussicht. Dabei werden die Förderung von Ergebnisse in der Öffentlichkeit und die Erstaufforstung im Rahmen der Förderricht- Abstimmung der Szenarien im Arbeitskreis linie Agrarumweltmaßnahmen und Wald- „Stadtumbau“ sowohl nach innen, als auch mehrung (RL AuW/2007) des Sächsischen nach außen. Zur Verstetigung der Kommu- Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft nikation wurde die „Orange Box“ als Stadtin- Kontakt: und Geologie sowie Verpachtungen des Wal- Stadt Hoyerswerda formationszentrum eingerichtet, in der eine Amt für Planung, Hochbau, des und der Grünflächen als Weideland mit Ausstellung zum Stadtumbau gezeigt wurde Bauaufsicht und Liegen- einbezogen. schaften und demnächst über das Konzept „Neue Salomon-Gottlob- In der bisherigen Praxis wurde ein Teil der Frentzel-Straße 1 Freiräume Hoyerswerda“ informiert wird. 02977 Hoyerswerda Erstaufforstung durch die Förderung von Wichtigste Kommunikationsaufgabe ist Tel. 03571 456-0 70% der Nettokosten durch „Agrarumwelt- sekretariat-bm3@hoyerswerda- es, mit dem Leitbild „Stadt in der Aue der maßnahmen und Waldmehrung“ und dem stadt.de Schwarzen Elster“ die naturräumliche Lage Eigenanteil der Wohnungsunternehmen Weiterführende der Stadt in einer Auenlandschaft wieder ins finanziert. Der größte Teil wird über Aus- Informationen Bewusstsein der Bewohner zu rücken. • www.hoyerswerda.de gleichsmittel aufgeforstet. Dazu werden die Renaturierungsflächen für 5 Jahre an Perso- Patchwork-Landschaft – Neue Freiräume Hoyerswerda 55

Chancen und Lösungswege • Beschränkung der Förderfähigkeit be- • Nachhaltige Qualifizierung der Frei- stimmter Nutzungen (z.B. Streuobst- raum- und Stadtstruktur wiesen) auf den ländlichen Raum • Gestaltung neuer Landschaften, Ein- • Abhängigkeit der Wirkung der gesetzten richtung eines Ausgleichsflächenpools Raumfigur vor allem von passgenauen Nutzungen für das Offenland • Schaffung von Arbeitsplätzen bei ge- planter Bewirtschaftung der Flächen Innovation und Vorbildcharakter • Freiraumkonzept hat Akteure an einen Als informelles Instrument steuert das Leit- Tisch geführt und Konsens ermöglicht konzept „Neue Freiräume Hoyerswerda“ die • Umsetzung setzt ein beständiges Aus- Entwicklung der gesamtstädtischen Frei- handeln der Maßnahmen mit den Ent- räume im Stadtumbauprozess. Es steckt den scheidungsträgern voraus Rahmen für die Umsetzung von Einzelmaß- nahmen ab und lässt gleichzeitig Spielräu- Probleme und Hemmnisse me offen. Die Moderation des Instituts für Landschaftsarchitektur der Technischen • Fehlende Mittel für Offenlandflächen Universität Dresden beschleunigte den Ab- führen zur Konterkarierung des Leitbil- stimmungsprozess und förderte die Kon- des durch zu viele Aufforstungsflächen sensfindung. • Verbleib stadttechnischer Medien im Rückbaugebiet erschwert Aufforstung • Umgang mit erfolgten Förderungen durch das Bund-Länderprogramm „Städtebauliche Weiterentwicklung großer Neubaugebiete – StWENG“ (1994-2003) ist noch ungeklärt

Stadtinformationszentrum „Orange Box“ (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten)

>> Die Benachteiligung der Stadt muss aufhören,.... wenn es darum geht landwirtschaftliche Nutzungen zu machen. << „Geförderte Reste“: Grünes Klassenzimmer Herr Köllner, Stadtverwaltung Hoyerswerda,14.08.08 (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten)

2005 Kontaktaufnahme mit der TU Dresden

2005 Studentischer Workshop in Hoyers- werda

2005 Öffentliche Ausstellung der Ergebnisse

2006 Erörterung der Bezuschussung mit der Sächsischen Aufbaubank

2007 Beauftragung nach Stadtratsbeschluss

2007/2008 Bearbeitung und Abstimmung

2008 Beschluss des Leitkonzeptes „Neue Freiräume Hoyerswerda“ durch Stadtrat

in Planung Städtebauliches Leitkonzept (Manage- Kleingarteninseln in den Obstwiesen mentplan) (Perspektive: Technische Universität Dresden) 56 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Reichenbach im Vogtland, Sachsen Eine flexible Schaltfläche am Grünzug – Aufforstung des Textilstandortes Gardeko

Das Gelände einer ehemaligen Textilfabrik wurde teilweise aufgeforstet. Es ist flexibler Bestandteil eines Grünzugs entlang des Oberreichenbacher Baches und kann bei Bedarf dem Grünzug zugeschaltet werden.

Kontext um so an die landwirtschaftliche Nutzung der Umgebung anzuknüpfen. Reichenbach war im 19. Jahrhundert ein Zentrum der Textilindustrie. Von 1946 bis Ein Teil der Fläche wird aufgeforstet und er- 1985 nahm die Einwohnerzahl der Stadt weitert eine direkt angrenzende Waldfläche. kontinuierlich von ca. 34.000 auf 25.000 ab, Die Wuchshöhen der gepflanzten Bäume ein Trend, der sich nach der Wende fortsetz- wurden dabei gestaffelt, was insbesondere te. Das Stadtbild verlor die einst charakteris- den geltenden Abstandsregeln des Waldge- tische Dichte an historischen, heute jedoch setzes zur Wohnbebauung geschuldet ist. nicht mehr nutzbaren Industrieanlagen. Der Rand ist daher mit niederen Sträuchern bepflanzt, im Kern soll langfristig Hochwald Seit 1991 werden Stadterneuerungs- und entstehen. Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Das Ziel der Stadtentwicklung steht unter dem Das Projekt schließt auch den Erhalt und die Motto „Soviel Stadterhalt wie möglich – so- Weiterentwicklung der Parkstruktur der da- viel Umstrukturierung wie nötig“. Reichen- zugehörigen Fabrikanten-Villa mit ein. + bach wurde in mehrere Förderprogramme des Landes, des Bundes und der Europäi- Landschafts- und Freiraumkonzept schen Union aufgenommen. Das Gelände der ehemaligen Textilfabrik Der Bundeswettbewerb Stadtumbau-Ost (3. ist in ein städtebauliches Gesamtkonzept Platz) bot zudem die Chance, strategische eingebunden. Dieses sieht einen durchgän- Ideen aus dem Wettbewerb in das Stadtent- gigen Grünzug entlang des Oberreichen- + wicklungskonzept zu integrieren. Mit der 5. bacher Baches vom innerstädtischen Lan- Sächsischen Landesgartenschau 2009 wer- desgartenschaugelände bis zum Stadtrand den Tourismus, Wirtschaftswachstum und vor. Ein den Grünzug begleitender Radweg die Stadtentwicklung weiter vorangetrieben schließt an das regionale Radwegenetz an. und das Leitmotiv der Stadt: „Reichenbach – Derzeit gibt es auf dem Gelände der ehe- Wir verbinden Regionen“ verwirklicht. maligen Textilfabrik keine interne Wegeer- schließung. Die Fläche ist zwar Eigentum Projekt der Stadt. Wegen des hohen Pflegeaufwan- Die Stadt bot 1996 den Eigentümern aller des und der Verkehrsicherungspflicht ist sie Industriebrachen an, ihre Flächen anzukau- jedoch zurzeit nicht öffentlich zugänglich, fen, um Abbrüche zur gezielten Stadtent- wird aber informell zum Hundeauslauf und wicklung selbst durchzuführen. Als erstes durch Spaziergänger genutzt. wurde 2001 der Textilbetrieb Gebrüder Mül- Die Fläche wird als flexibler Bestandteil des ler/Gardeko erworben. Randflächen wurden Grünzugs entlang des Oberen Reichenba- von Anrainern gekauft. Nach dem Eigen- ches gesehen. Bei positiver Entwicklung des tumsübergang wurde die Fläche im Rahmen Grünzuges sind ein „Zuschalten“ der Fläche des EFRE-Programms renaturiert. und eine für die Bürger attraktive Bewirt- Die tragenden Leitideen der Renaturierung schaftung z.B. mit Reitangeboten für Kin- sind aus dem landschaftlichen Umfeld ab- der möglich. Der derzeitige Pächter könnte geleitet. Ein Teil der Fläche wird beweidet, dafür verstärkt als Kooperationspartner ge- um den Offenlandcharakter zu erhalten und wonnen werden.

Stadt: Reichenbach im Vogtland Bundesland: SN Stadttyp: Mittelstadt

Einwohner 1992: 29.741 Einwohner 2007: 21.210 Lage: Stadtrand

Konzept: teilräumlich Projektfläche: 4,2 ha Umsetzungsstand: realisiert Eine flexible Schaltfläche am Grünzug – Aufforstung des Textilstandortes Gardeko 57

Ziele und Maßnahmen

Die Besonderheit des Renaturierungsprojek- tes liegt in der Politik der kleinen Schritte.

Ziele des Gesamtkonzeptes • Beseitigung der Industriebrache und ihrer baulichen und gesundheitlichen Gefahrenquellen • Umwandlung vom Mischgebiet zum all- gemeinen Wohngebiet mit Anpassung an die dörflich geprägte Umgebung • Schaffung von Lagegunst, um die Wohn- bevölkerung zu halten • Umwandlung der Renaturierungsflä- chen in Außenbereich nach §35 BauGB • Verbesserung des Mikroklimas durch Auszug aus dem „Zielplan Stadterneuerung“ des Wettbewerbsbeitrags für den Stadt- Flächenentsiegelung und Aufforstung umbau Ost 2001 (Plan: Stadtverwaltung Reichenbach)

Ziele und Maßnahmen der Renaturierung Akteurskonstellation und neue Träger- schaften • Erhalt und Rekonstruktion vorhande- ner Strukturen wie der Park der Fabri- Initiator, Eigentümer und Träger des Pro- kanten-Villa jektes ist die Stadt Reichenbach. Die Um- setzung der Renaturierung erfolgte weit • Minimierung der Folgekosten durch gehend durch den Fachbereich Bauwesen, pflegearme Gestaltung (Aufforstung) der auch die fachämterübergreifende Zu- des Geländes sammenarbeit zum Renaturierungsprojekt • Geländeregulierung/Entwässerungsar- maßgeblich steuerte. beiten und Bodenauftrag Zur Betreuung des stadteigenen Waldgrund- • Sicherung der Brunnen als Brauchwas- stücks (Aufforstungsfläche) besteht eine serentnahmestelle und Fledermaus- Kooperationsvereinbarung mit dem säch- quartier sischen Staatsforst. Die Bewirtschaftung • Renaturierung der historischen Teich- der Offenlandflächen durch einen lokalen anlage Landwirt regelt ein Pachtvertrag. • ökologische Maßnahmen wie die Wie- derherstellung von Streuobstwiesen und die Entwicklung von Magerrasen • Erstbegrünung/Aufforstung der eigent- lichen Abrissflächen als Erweiterung des benachbarten Waldbestandes

Oberer Bachlauf, naturnah Unterer Bachlauf, baulich gefasst (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) 58 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

gen bei 197.319 Euro (EFRE: 127.587 Euro), die der Renaturierung bei 282.210 Euro (EFRE: 211.658 Euro).

Weitere Finanzierungsmöglichkeiten des Grünzuges am Oberreichenbacher Bach: • städtisches Öko-Konto-Guthaben durch Rückbau von Industriebrachen • Fördermittel Hochwasserschutz • Flächentausch zur Arrondierung der Flächenkulisse im Grünzug-Gebiet

Pflege und Unterhaltung

Streuobstwiese auf dem Gardeko-Gelände Die Stadt hat eine gesamtstädtische Initia- (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) tive gestartet, um Rest- und Splitterflächen nicht mehr pflegen zu müssen. Sie bietet Planungs- und Rechtsinstrumente den angrenzenden Eigentümern an, die Flä- Reichenbach verfügt derzeit über keinen be- chen im Rahmen von Gestattungsverträgen stätigten Flächennutzungsplan (FNP). In der zu nutzen. Dies gelingt aber nur teilweise, so Fortschreibung erfolgt eine Umstufung der dass die Stadt eine Gesamtfläche von 2,5 ha Fläche von „Mischgebiet“ in „Waldfläche“. noch auf eigene Kosten pflegen muss und von daher an externen Trägerschaften inte- Vorbereitende und verbindliche Bauleitpla- ressiert bleibt. nung ist derzeit für die Stadtplanung von untergeordneter Bedeutung, da die Stadt- Auf dem Gelände der ehemaligen Textilfab- entwicklung von Reichenbach unter heu- rik gab es ab der zweiten Vegetationsperiode tigen Bedingungen schneller und flexibler Ausfälle bei den hochwertigen Laubbäumen. durch informelle Planungen geleistet wird. Da die Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von Fördermitteln keine Anwuchspflege be- An die Stelle der Bauleitplanung sind in inhaltet, musste die Stadt die Anwuchspflege Reichenbach zunehmend das Stadtent- im Rahmen von Arbeitsbeschaffungs- und wicklungskonzept (SEKo) und die Hand- Hartz IV-Maßnahmen übernehmen. Die lungskonzepte der verschiedenen Förder- Pflege der Aufforstungsfläche obliegt erst programme getreten, die eine ausgereifte seit 2007 dem Sächsischen Staatsforst. Grundlage sowohl einer qualifizierten Stadt- entwicklung wie auch für die Fördermittel- Die Offenlandflächen wurden an einen beantragung bilden. Landwirt zur Gewinnung von Grünfutter für 200 Euro/Jahr verpachtet. Der Pachtvertrag Das EFRE Teil B-Gebiet (Europäischen berechtigt jährlich zur einmaligen Mahd Fonds für regionale Entwicklung) wurde mit und zweimaligen Beweidung für 14 Tage der Flächenkulisse des Förderprogramms durch Pferde. Durch die Beschränkung der „Soziale Stadt“ zu großen Teilen überlagert. Beweidungsdauer soll eine Zerstörung der- Mit EFRE-Mitteln wurden in erster Linie die Grasnarbe vermieden werden. öffentlichen Maßnahmen umgesetzt, mit den Geldern des Programms „Soziale Stadt“ Kommunikationsstrategien konnten auch private Maßnahmen geför- dert werden. Das städtebauliche Gesamtkonzept entlang des Oberreichenbacher Baches wurde durch Finanzierung und Inwertsetzung die übergreifende Steuerungsgruppe der Stadt in Vorbereitung des Förderantrages für Kontakt: Das Gardeko-Gelände wurde für eine sym- Stadtverwaltung Reichenbach EFRE Zuwendungen entwickelt. Markt 1 bolische D-Mark erworben. Die Maßnah- 08468 Reichenbach men wurden durch EFRE Teil B finanziert In der Konzeptphase wurde ein Bürgerbetei- Tel. 03765 524-3001 stadt@reichenbach-vogtland. (Förderanteil 75%, Eigenanteil 25%). Der ligungsverfahren durchgeführt, bei dem die de kommunale Eigenanteil konnte durch eine Beteiligung aber eher gering war. Beschäftigung schaffende Infrastrukturför- Weiterführende Durch die Überlagerung der Flächenkulisse derung (BSI) auf 10% reduziert werden. Informationen mit der „Sozialen Stadt“ wurde auch das be- • www.reichenbach-vogtland. de Die Kosten des Abrisses der Fabrik, Tiefen- stehende Stadtteilmanagement in den Pla- enttrümmerung und Altlastensanierung la- nungsprozess einbezogen. Eine flexible Schaltfläche am Grünzug – Aufforstung des Textilstandortes Gardeko 59

Chancen und Lösungswege geförderten Maßnahmen (Zum Zeit- • Ökonomisch, ökologisch und sozial punkt der Renaturierung der Textilfab- nachhaltige Stadtentwicklung durch rik konnten für die gesamte Maßnahme Bündelung von EFRE-Mitteln und Gel- Ökopunkte geltend gemacht werden.) dern des Bund-Länderprogramms „So- • Keine Absicherung der Anwuchspflege ziale Stadt“ durch Förderprogramm • Flexibilität bei Veränderungen durch “Politik der kleinen Schritte“ Innovation und Vorbildcharakter • Kostengünstige Bewirtschaftung durch Die Kombination von Fördermitteln auf neue Trägerschaften einer Flächenkulisse ermöglichte konzen- trierte, gezielte Entwicklung. • EFRE B „Städtische Entwicklung als fle- xibles, breit gefächertes Programm Die Renaturierungsfläche auf dem ehema- ligen Textilfabrikgelände ist flexibler Be- Probleme und Hemmnisse standteil des Grünzuges. Bei Bedarf kann die Fläche zugeschaltet und öffentlich genutzt • Abrechnungsverfahren, Berichtswesen werden. und Archivpflicht bei EFRE sehr um- fangreich und personalaufwendig Eine Kombination konventioneller und in- • Durch die Zugehörigkeit von Oberrei- novativer Pflegekonzepte der städtischen chenbach zum urbanen Raum, Förder- Grünflächen mit Forst und Landwirtschaft programm zur ländlichen Entwicklung als Bewirtschaftungsformen sichert die Pfle- (ILE) z.B. für Streuobstwiesen nicht an- ge und Unterhaltung. wendbar • Verlust von Finanzierungsmöglichkei- ten, durch ausschließliche Vergabe der Ökopunkte auf den Eigenanteil der

Ehemaliges Gardeko-Gelände 2001 Ehemaliges Gardeko-Gelände 2003 (Luftbild: Stadt Reichenbach, Wolfgang Zahn) (Luftbild: Stadt Reichenbach Wolfgang Zahn) >> Beim Grünzug Oberreichenbacher Bach verfolgen wir die Politik der kleinen Schritte ohne einen fixen Endtermin. << Sven Hörning, Stadtverwaltung Reichenbach, 15.08.08

1996 Anfrage zum Flächenverkauf

2001 Flächenankauf

2001 Beantragung von EFRE-Mitteln

2002/2003 1. BA (Abbruch)

2003/2005 2. BA (Renaturierung)

2007 Übergang der Aufforstungsfläche an Dörflich geprägte Umgebung den Sächsischen Staatsforst (Foto: Stadt Reichenbach) 60 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Schwedt/Oder, Brandenburg Waldquartiere statt Wohnquartiere – Urbane Aufforstung „Am Waldrand“

Dem Abriss begegnet Schwedt mit dem Aufbau differenzierter Waldquartiere. Der zukünf- tige Erholungswald zeigt Spuren der vergangenen Wohnnutzung und macht so Erinne- rung möglich. Die Mitgliedschaft in einer Forstbetriebsgemeinschaft sichert die Pflege.

Kontext Grundstruktur und die Spuren des ehema- ligen Wohngebietes sollen ablesbar bleiben. Seit 1958 wurde Schwedt/Oder als eines der Die ehemaligen Baublöcke werden daher Zentren der Petrochemie- und Papierindust- durch raumwirksame Aufforstung und rie der DDR aufgebaut. Aus der Provinzstadt Baumreihen markiert. Geplant ist auch, die wurde eine Industriestadt, die auf 55.000 Fahrbahnen ohne Börde und Gehwege mit Einwohner im Jahr 1980 anwuchs. Ab 1989 den Straßenschildern als Anbindung an die kehrte sich die Entwicklung um: Bis 2007 angrenzenden Stadtbereiche zu erhalten. sank die Einwohnerzahl trotz leicht steigen- der Geburtenrate auf unter 36.000. Die nordwestlich geplante Aufforstung Bereits seit Mitte der 1990er Jahre findet in knüpft an den bestehenden Wald an und Schwedt eine intensive Auseinandersetzung fungiert gleichzeitig als Pufferzone zur stark mit den hohen Wohnungsleerständen, ins- befahrenden Bundesstraße und zur Petrol- besondere im Bereich der zuletzt fertig ge- chemie. + stellten Wohngebiete am Stadtrand, statt. Da die Transformationsprozesse die Gesamt- Landschafts- und Freiraumkonzept stadt betreffen, entwickelte die Stadt unter Die Rückbaufläche „Am Waldrand“ ist Teil dem Motto „Stadt am Wasser“ eine umfas- eines gesamtstädtischen Freiflächenkonzep- sende Stadtumbaustrategie, mit der der tes, das eine Verbindung zwischen dem Na- Zentrumsbereich gestärkt werden soll und tionalpark Unteres Odertal und dem nord- den Rückbau am Stadtrand, insbesondere westlichen Waldgürtel Schwedts schlägt. Je im Wohngebietsteil „Am Waldrand“ konzen- nach Lage im Stadtraum und zur angren- triert. Im Ergebnis fand dort von 1999-2008 zenden Landschaft sind differenzierte Frei- flächenhaft der Abriss von ca. 5000- Wohn raumtypen definiert, die von großflächigen einheiten statt. extensiven Nutzungen bis zu intensiv nutz- baren kleinteiligen Maßnahmen reichen. So Projekt knüpfen die eher extensiven Waldflächen im Im Rahmen des Wettbewerbs Stadtumbau ehemaligen Wohngebietsteil „Am Waldrand“ Ost wurde in Schwedt/Oder ein städtebau- an den bestehenden Waldgürtel an und fas- licher Ideenwettbewerb zum Umgang mit sen ihn von Norden ein. Die Freiflächen ent- dem verbleibenden Rückbauareal ausge- lang der südlich angrenzenden Wohngebie- lobt. Der Siegerbeitrag der die Aufforstung te sollen als offene Wiesenquartiere gestaltet der Rückbauflächen am Rand des Wohnge- werden, die durch Baumreihen eingefasste, bietes „Am Waldrand“ vorsah war Grundlage weite Räume bilden. Ihre Umsetzung ist je- des in Umsetzung befindlichen städtebauli- doch sehr fraglich, da die Finanzierung nicht chen Rahmenplans. gewährleistet ist. Ende 2008 war der Rückbau in diesem Ge- An der Nahtstelle zwischen den Wohnge- biet abgeschlossen. Gegenwärtig wird nach bietsteilen „Am Waldrand“ und „Talsand“ der Vorgabe der Forstbehörde für etwa 10 wurden sichtbare Zeichen gesetzt: Eine in- ha die Aufforstung im Rahmen von Ersatz- tensiv gestaltete Stadtpromenade in Nord- pflanzungen vorbereitet, mit deren Realisie- Süd-Richtung mit einem Stadtteiltor mar- rung noch 2009 begonnen werden soll. Die kieren den Eingang in das Wohngebiet.

Stadt: Schwedt/Oder Bundesland: BB Stadttyp: Mittelstadt

Einwohner 1992: 52.188 Einwohner 2007: 35.881 Lage: Stadtrand

Konzept: teilräumlich Projektfläche: 10 ha Umsetzungsstand: in Planung Waldquartiere statt Wohnquartiere – urbane Aufforstung „Am Waldrand“ 61

Ziele und Maßnahmen • Anpassung von Wohnungsbestand und Infrastruktur an die demografische Ent- wicklung • Entwicklung eines kompakten Stadt- zentrums mit dem Leitbild „Stadt am Wasser“ • Revitalisierung des verbleibenden Woh- nungsbestandes zu einer attraktiven Wohnlage • An die ökonomischen Potenziale der Stadt angepasste dauerhafte Nachnut- zung

• Vergrößerung des Abstandes zur Petrol- Fortschreibung des städtebaulichen Rahmenplans „Obere Talsandterrasse“, Grün- chemie und Freiflächen (Plan: Machleidt+Partner Büro für Städtebau, Berlin) Der Abriss wurde in mehreren Schritten bis zum Jahr 2008 realisiert. Die bestehen- den Pflanzungen wurden erhalten. Auf den wärme, Zweckverband Wasser und Abwas- beräumten Flächen wurde nach Oberbo- ser) im Konsens zusammengearbeitet und denauftrag als Übergangslösung eine Ra- gemeinsame Entwicklungsziele für die senmischung angesät. Stadtumbaugebiete formuliert. Wichtige Partner und Impulsgeber im Planungspro- Mit der Aufgabe der Wohnnutzung erfolgte zess waren auch externe Fachbüros (Urbane auch die Stilllegung der Versorgungsnet- Projekte, Büro Schmitz, Machleidt + Part- ze aller Medien (Elektro, Gas, Fernwärme, ner) die insbesondere an der Konzeptidee Wasser/Abwasser, Regenwasser, Straßenbe- und den städtebaulichen Rahmenplänen leuchtung, TV/Telefon). großen Anteil hatten. Mit dem Anpflanzen von Mischwald soll im Die Stadt Schwedt/Oder ist Mitglied einer Jahr 2009 begonnen werden. Die ersten Flä- Forstbetriebsgemeinschaft über die gegen chen (10 ha) wurden bereits in Wald umge- Entrichtung eines Entgeldes die Betreuung widmet. Auch der Rückbau von Borden und und Pflege kommunaler Waldflächen gesi- Bürgersteigen ist bereits erfolgt. chert ist. Nach Beendigung der vertraglich verein- Akteurskonstellation und neue Träger- barten Pflegedauer im Rahmen der Aus- schaften gleichsmaßnahmen werden auch die neu Unter der Federführung der Stadt haben alle aufgeforsteten Flächen von der Stadt an die beteiligten Akteure (Wohnbauten GmbH Forstbetriebsgemeinschaft zur Pflege über- und Wohnungsgenossenschaft WOBAG, die tragen. Stadtwerke als Versorgungsträger für Fern-

Siedlungsteile Landschaftsräume (Pläne: Machleidt+Partner Büro für Städtebau, Berlin) 62 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Ausgangsbestand Stadtlandschaft 2010 Landschaft (Perspektiven: Machleidt+Partner Büro für Städtebau, Berlin)

Planungs- und Rechtsinstrumente umgesetzt sein. Flächeneigentümer sind nach wie vor die Wohnungsunternehmen, Schwedt verfügt lediglich über einen Ent- die der Stadt die Flächen zur Umsetzung der wurf zum Flächennutzungsplan von 2001. Ausgleichsmaßnahmen übertragen haben. Die verfügbaren informellen Planungsinst- rumente reichen wegen ihrer konsensualen Da die Anlage der begleitenden Baumreihen Ausrichtung bislang aus, um städtebauliche und die Pflege der offenen Wiesenquartiere Entscheidungen zu treffen. nicht finanziert werden kann, zielt die Stadt auf komplette Aufforstung. Das schwächt Als wichtiges Instrument im Stadtumbau- das Konzept erheblich. prozess hat sich die städtebauliche Rahmen- planung bewährt, die entsprechend der sich Pflege und Unterhaltung ändernden Erfordernisse fortgeschrieben wurde. Das darin enthaltene Stadtumbau- Derzeit findet eine extensive Flächenpflege konzept war eine gute Basis für eine frühzei- statt, die in einer einmaligen Mahd pro Jahr tige Konsensbildung zwischen der Stadt und besteht. den Wohnungsunternehmen zum langfristi- Die Pflege und Unterhaltung der zukünfti- gen Umbau dieses Stadtteils. gen Waldflächen wird mittelfristig die Forst- Die Rückbaufläche hat mittlerweile den Sta- betriebsgemeinschat übernehmen. tus Außenbereich entsprechend §35 BauBG Die belassenen Fahrbahnen werden nicht erreicht. Die bislang frei gewordenen Flä- Instand gehalten, so dass Verwitterungspro- chen sind in den Planungsinstrumenten als zesse einsetzen werden. Fernziel ist die An- Wald ausgewiesen. lage befestigter Waldwege. Seit 1999 ist das Wohngebiet „Obere Talsand- terrasse“ zur integrierten Entwicklung auch Kommunikationsstrategien als Sanierungsgebiet ausgewiesen. Die Nachnutzungsstrategie „Wald“ erfährt sehr hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, Finanzierung und Inwertsetzung insbesondere im verbleibenden Wohnungs- Die einfache Raseneinsaat wurde über den bestand. Rückbauteil des Bund-Länderprogrammes Spezielle Kommunikationsstrategien zur Kontakt: Stadtumbau Ost im Rahmen der Abrissbe- Stadt Schwedt /Oder) Vermittlung des „Waldes“ gab es allerdings Fachbereich 3: Stadtentwick- willigung finanziert. nicht. Informationen wurden im Rahmen lung und Bauaufsicht verschiedener Einwohnerversammlungen, Abteilung Stadtplanung Entgegen der ursprünglichen Hoffnungen Lindenallee 25-29 der Stadt konnten keine Fördergelder zur die im Zusammenhang mit dem Themen- 16303 Schwedt (Oder) komplex Stadtumbau veranstaltet wurden Tel. 03332 446-0 Umsetzung des Konzeptes eingeworben stadtentwicklung.stadt@ werden, so dass zur Finanzierung der Auf- sowie über die öffentliche Auslegung des schwedt.de forstung Ausgleichsmittel für den Verlust städtebaulichen Rahmenplans gegeben. Weiterführende von Waldflächen nach dem Landeswaldge- Informationen setz eingesetzt werden. Die Ausgleichsmaß- • www.sozialestadt.de/ nahmen auf den ersten 10 ha sind bis zum gebiete 30.11.2009 befristet und müssen bis dahin Waldquartiere statt Wohnquartiere – urbane Aufforstung „Am Waldrand“ 63

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter • Konsolidierung der angrenzenden Das Grundkonzept für die Nachnutzung Stadtquartiere der großflächigen Abrissflächen im -Wohn • Imageverbesserung und Verbesserung gebiet „Am Waldrand“ wurde im Rahmen der Wohnlage in dem verbleibenden eines städtebaulichen und landschaftsar- chitektonischen Wettbewerbes entwickelt. Wohngebiet durch das neue Wohnum- Ziel war es, räumliche und insbesondere ge- feld am „städtischen Wald“ stalterische Qualitäten zu erzeugen, die zur • Minderung negativer Umwelteinflüsse Aufwertung der angrenzenden Wohngebiete (Bundesstraße, Gewerbeflächen) und zur Anreicherung der freiraumbezoge- nen Nutzungsangebote beitragen können. Probleme und Hemmnisse Die Eigentümerstruktur des künftigen Auf- • Qualitätsverlust bei der Gestaltung der forstungsgebietes wird zunächst bewusst Flächennachnutzung wegen fehlender nicht verändert. Dies spart anfallende Finanzierungsmöglichkeiten von Anla- Grunderwerbssteuern und Kosten für die ge und Pflege der offenen Wiesenquar- notwendige katastermäßige Vermessung der tiere Flächen. • Monostrukturelle Ausrichtung der Die zukünftigen Forstflächen wurden in Nachnutzung auf Aufforstung und die einen ökologischen Flächenpool der Stadt damit verbundene Ausrichtung der eingebracht, um den Verlust von Waldflä- Pflanzung auf rein forstwirtschaftliche chen durch bauliche Vorhaben in den ande- Anforderungen ren Stadtbereichen ausgleichen zu können.

>> Es war ein Traum zu glauben, man könne einfach Fördermittel für eine qualitätvolle Umsetzung der Wald- und Wiesenquartiere akquirieren. << Brigitte Berndt, Stadtplanung Schwedt, 11.09.08

Verbleibende Straße nach Rückbau der Bürgersteige (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten)

1998 Städtebauliche Rahmenplanung

2002 Stadtverordnetenbeschluss zur 1. Fort- schreibung der städtebaulichen Rah- menplanung “ObereTalsandterrasse”

2002 Städtebaulicher Ideenwettbewerb ”Am Waldrand”

2002 Beginn des Rückbaus und der Rena- turierung

2003 2. Fortschreibung der städtebaulichen Rahmenplanung “ObereTalsandter- rasse” Zentrale Promenade im Wohngebiet Obere Talsandterrasse von SWP Landschaftsar- 2009 Beginn der Aufforstung chitekten, Berlin (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) 64 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Weißwasser O.L., Sachsen Wiederherstellung der Landschaft – Stadtrandbebauung weicht Wald

Die Stadt Weißwasser nutzt die Chance aus den Rückbauflächen eine urbane Waldland- schaft zu machen. Große Kiefern-Inseln haben den komplexen Wohnungsbau überdau- ert und bilden nun das Rückgrat der wiedergewonnenen Landschaft.

Kontext nach Bundesberggesetz zur Wiederherstel- lung der Landschaft verpflichtet. Aus die- Weißwasser war um 1900 ein bekanntes ser Verpflichtung wird im Anschluss an die Zentrum der Glasproduktion. Mit dem Auf- Schließung des Tagebaus (nach 2040) ein schwung der Glasindustrie während der Landschaftsschutzgebiet entstehen. DDR-Zeit und dem neuen Kohlekraftwerk Boxberg setzte sich das Bevölkerungswachs- tum fort. 1988 erreichte die Einwohnerzahl Landschafts- und Freiraumkonzept mit 38.300 ihren Höchststand und war damit Die großflächige Aufforstung schließt an die fast dreimal so hoch wie 1946. Ab 1979 wurde vorhandenen Waldbestände des Umlandes Weißwasser-Süd im komplexen Wohnungs- und an das Wohngebiet an. Waldinseln aus bau errichtet. Nach der Wende schrumpfte Kiefern wurden sowohl beim Bau der Wohn- die Einwohnerzahl bis 2007 in Weißwasser blöcke in den Höfen als auch bei deren Ab- drastisch auf 20.300. Dem Leerstand wurde riss erhalten. Die Kiefern-Inseln bilden nun durch Rückbau von außen nach innen be- das Rückgrat der wiedergewonnenen Land- + gegnet. Die Rückbauplanung begann 1998, schaft und sind als Raumelemente weithin noch bevor Förderprogramme aufgelegt sichtbar. Mit der unmittelbaren Nachbar- wurden. 2000 fanden erste Abrisse statt. 2004 schaft zum Wald und zum geplanten Land- wurde mit der Fortschreibung des InSEK von schaftsschutzgebiet wurde die Wohnqualität 2001 ein Rückbau von 5000 Wohneinheiten und der Erholungs- und Freizeitwert für die bis 2010 beschlossen. Eine Stärkung der In- verbliebenen Gebietsteile gesteigert. Die nenstadt ist das Entwicklungsziel. Wohnungsunternehmen unterstützen die Der benachbarte, noch aktive Braunkoh- Entwicklung des wohnungsnahen Freirau- letagebau prägt die Landschaft und das Be- mes im Inneren des Wohngebietes durch wusstsein der Bewohner. Für das Umland eine intensive Qualifizierung zentraler Räu- Weißwassers sind ausgedehnte Kiefernbe- me, durch neue Spielplätze oder die punk- stände charakteristisch. tuelle landschaftsarchitektonische Aufwer- tung von Abrissflächen. Projekt Die Planung für das neue Landschaftsschutz- gebiet beinhaltet die Wiederherstellung des Eine Leerstandsquote in Weißwasser-Süd ehemaligen Waldes, Vorbehaltsflächen für von über 30% war Anlass für den flächen- den Naturschutz mit Naturgewässer und haften Abriss. Mit ihm verschob die Stadt eine Erholungslandschaft mit Badeseen. bewusst den Stadtrand stadteinwärts. Die Wiederaufforstung als Nachnutzungsstrate- Vattenfall hat die Fachhochschule Lausitz gie war von Beginn an unstrittig. Dass Weiß- beauftragt, bis 2010 ein Strategisches Stadt- wasser Modellstadt für den Stadtumbau im entwicklungsmodell mit einem landschafts- Freistaat Sachsen war, beschleunigte den planerischen Konzept zur Verknüpfung Abriss und die Wiederaufforstung. Es stehen Weißwassers mit dem zukünftigen Land- nur noch einzelne Infrastruktureinrichtun- schaftsschutzgebiet durch die Renaturie- gen und Garagen, die mittelfristig auch dem rungflächen zu erstellen. Die Fragen lauten, Wald weichen werden. Eine Besonderheit wie die Forstflächen zum Erholungswald von Weißwasser-Süd ist die Nähe zum Ta- qualifiziert werden können und welche We- gebau Nochten. Der Betreiber Vattenfall ist gebeziehungen etabliert werden müssen?

Stadt: Weißwasser Bundesland: SN Stadttyp: Mittelstadt

Einwohner 1992: 33.214 Einwohner 2007: 20.298 Lage: Stadtrand

Konzept: teilräumlich Projektfläche: 3,5 ha Umsetzungsstand: z.T. realisiert Wiederherstellung der Landschaft – Stadtrandbebauung weicht Wald 65

Südlicher Stadtbereich 2000 „Stadt weicht Wald“ 2010 (Plan: Stadt Weißwasser) (Plan: Stadt Weißwasser)

Ziele und Maßnahmen fern, Eichen und Buchen aufgeforstet, so dass mittelfristig ein Mischwald entstehen Städtebauliche Ziele kann. Überdimensionierte Leitungen und interne Erschließungsstraßen wurden durch • Konzentration der baulichen Entwick- die Wohnungsunternehmen bereits rückge- lung auf die Innenstadt zur Stärkung baut. von Funktionalität und Attraktivität

• Steigerung der Wohnqualität in den ver- Akteurskonstellation und neue Träger- bleibenden Beständen schaften • Rückbau der Stadtgrenze auf den Stand Neben den Akteuren Stadt, Wohnungsbau- um 1970 genossenschaft Weißwasser e.G. (WGW), • Schaffung von Lagegunst für Gewerbe- WBG-Wohnungsbaugesellschaft mbH Weiß- gebiete wasser und den Stadtwerken als Leitungs- träger sind der Sächsische Landesforst als • Aufwertung der verbleibenden Sied- möglicher Träger der Aufforstungsflächen lungsbestände durch neue Lagegunst und die Vattenfall Europe Mining AG in ver- am Wald schiedenen Rollen mit im Boot.

Ziele der Renaturierung Die FH Lausitz erarbeitet im Auftrag der Vattenfall Europe Mining AG in enger Ab- • Rückgabe der Flächen an Natur und stimmung mit der Stadt ein „Strategisches Landschaft Stadtentwicklungsmodell“ zur Integration • Naherholungsmöglichkeiten des geplanten Landschaftsschutzgebietes in • Arrondierung der Stadtgrenze durch den Stadtkörper. Zur Abstimmung von Ziel- großflächige Aufforstung setzungen und Zwischenergebnissen fin- den dazu regelmäßige Treffen statt. Geplant • Integration bestehender Gehölze ist, bestimmte Flächenkulissen des Land- • Bewirtschaftung des Waldes schaftsschutzgebietes in die Trägerschaft ei- ner bestehenden Stiftung zu übergeben. Die Wiederaufforstung wird von den Woh- nungsunternehmen durchgeführt und ist Mit dem Aufschluss weiterer Tagebauflächen zu ca. 80% abgeschlossen. Nach dem Ab- und den dafür erforderlichen baulichen An- riss wurde Oberboden in Absprache mit lagen kommt Vattenfall auch als Partner mit der Unteren Naturschutzbehörde aufge- Ausgleichsverpflichtung für weitere Auffors- tragen. Die Abrissflächen wurden mit Kie- tungen infrage.

Scholl-Straße 61-69 vor dem Abriss 2003 Während des Abrisses 2003 In der Aufforstung 2004 (Fotos: Stadt Weisswasser ) 66 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

bereits in Anspruch genommene Förder- mittel bestandenen nicht, da der Rückbau- bestand in Weißwasser-Süd weitgehend un- saniert war. Mit dem Abriss wurden die Wohngebäude entschuldet. Die Wohnungsunternehmen haben die Bodenwertminderung in ihre Bilanzen eingestellt. Die Bodenrichtwerte wurden allerdings nicht angepasst und sind daher nicht realistisch. Um die Umwandlung in Wald konsequent umzusetzen, versucht die Stadt Einrichtun- gen in privater Hand wie das Maxim Gorki Heim mit Eigenmitteln aufzukaufen, abzu- reißen und die Grundstücke aufzuforsten. Qualifizierungsmaßnahme im Inneren der Siedlung (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) Pflege und Unterhaltung

Planungs- und Rechtsinstrumente Das zuständige Forstamt möchte die Trä- gerschaft für die aufgeforsteten Waldflächen Mit dem InSEK, Fachkonzept Wohnen wurde nicht übernehmen, da diese zu klein und das Abrissvolumen und die Schwerpunktset- pflegeintensiv sind. Konkrete Trägerschaf- zung des Rückbaus auf den südwestlichen ten und Eigentumsmodelle für die Auffors- Stadtrand definiert. Für die Gesamtstadt be- tungsflächen gibt es derzeit nicht. Bis zu deutet das die Rückbesinnung auf alte Stad- einer endgültige Entscheidung bleiben die tidentitäten und das Zentrum („Ab in die Wohnungsunternehmen Waldbesitzer und Mitte“). Um unerwünschte Neubebauung übernehmen die notwendige Pflege. des Rückbaugebietes zu verhindern, wur- den planungsrechtliche Instrumente des Auf der Suche nach alternativen Trägerschaf- BauGB angewendet (Aufstellung „negati- ten will die Stadtverwaltung Möglichkeiten ver“ Bebauungsplan, Veränderungssperre). zur Energiegewinnung auf den noch nicht Mittlerweile entwickelten sich die Rückbau- renaturierten Flächen prüfen. flächen durch den Wegfall des Bebauungs- zusammenhanges zum Außenbereich nach Kommunikationsstrategien § 35 BauGB. Weißwasser profitierte als Modellstadt für Im FNP 2006 sind die Flächen als Gewer- den Stadtumbau vom Aufbau interner Kom- begebiet bzw. als Wald ausgewiesen. Da die munikationsstrukturen zwischen Stadt, Bauleitplanung seit 2004 die Möglichkeit von Land und Wohnungseigentümern. Die In- „Zwischennutzungen“ zulässt, wurde das halte des „Strategischen Stadtentwicklungs- geplante Gewerbegebiet „vorübergehend“ konzeptes“ werden laufend zwischen den als Wald genutzt. Zwischenzeitlich kann so beteiligten Akteuren abgestimmt. der „Natur“ Vorrang gegeben werden. Bei einer kurzfristigen Wiederbebauung bliebe Öffentliche Aufmerksamkeit erfährt der die Ausgleichspflicht gering, da die ökologi- Stadtumbau in Weißwasser als Projekt der sche Wertigkeit der Aufforstung noch niedrig internationalen Bauausstellung „Fürst- wäre. Bei längerfristiger Bebauung hingegen Pückler-Land“. Die IBA unterstützte das würden nennenswerte Kosten entstehen, da Kunstprojekt „Blockbuster – Kunst im Rück- es in Sachsen keine Handhabe für „Natur auf bau“ mit dem die Zerstörung von Platten- Zeit“ gibt. bauten in Weißwasser-Süd in einen Schaf- fensprozess umgelenkt wurde. Kontakt: Stadt Weißwasser Finanzierung und Inwertsetzung Zu Beginn des Jahrtausends hatte Weißwas- Marktplatz 02943 Weißwasser Der Rückbau erfolgte mit 100%-iger Förde- ser mit einem extrem negativen Image zu Tel. 03576 265-0 rung durch das Landesrückbauprogramm kämpfen. Die positive Wahrnehmung der stadtplan.stadt@weisswasser. de des Freistaates Sachsen bzw. durch Festbe- naturräumlichen Lage der Stadt trug viel zur tragsförderung nach Programmteil „Rück- Imageverbesserung bei. Die Aufforstungs- Weiterführende Informationen bau“ des Bund-Länderprogramms Stadt- maßnahmen wurden von der Bevölkerung • www. weisswasser.de umbau Ost. Mit letzterem wurde auch die begrüßt. Wald ist wieder ein wichtiges Iden- Aufforstung finanziert. Restriktionen durch tifikationsmoment Weißwassers. Wiederherstellung der Landschaft – Stadtrandbebauung weicht Wald 67

Chancen und Lösungswege Staatsforst (Flächenkulisse klein und • Revitalisierung der Innenstadt durch die Fläche noch sehr pflegeintensiv) den Rückbau von außen nach innen • Ausgleichspflicht im Fall einer Wieder- • Langfristige Wiederherstellung des ehe- bebauung, da renaturierte Flächen dem mals landschaftsprägenden Waldes Naturschutzrecht unterliegen • Entstehung zusammenhängender Na- • Gefährdung der zusammenhängenden tur- und Landschaftsräume durch groß- Aufforstung solange Baurecht nach § 34 flächige Aufforstung BauGB galt • Steigerung der Wohnqualität und des • Keine sinnvollen Wegebziehungen zur Erholungs- und Freizeitwertes für die Stadt und zur Landschaft, da Gesamt- verbliebenen Gebietsteile durch die Re- konzept fehlt naturierung • Langfristige Pflege nicht zufriedenstel- • Synergieeffekte im Bereich Naturschutz lend gesichert und Naherholung durch die Verknüp- fung der Aufforstungsflächen mit dem Innovation und Vorbildcharakter geplanten Landschaftsschutzgebiet Durch die großflächige Wiederherstellung • Funktionale Verknüpfungen zwischen des landschaftstypischen Waldes konnte ein dem Stadtzentrum und der umgeben- bedeutendes identitätsstiftendes Element den Landschaft durch die Einbeziehung Weißwassers wieder sichtbar gemacht wer- der Aufforstungsflächen in das „Strate- den. Damit ging eine Qualifizierung der be- gische Stadtentwicklungsmodell“ stehenden Wohnbebauung durch die neue Lage am Wald einher. Probleme und Hemmnisse • Fehlende Einigung über die Träger- schaft des Waldes mit dem Sächsischen

>> Wie gehen wir damit um, wenn Investoren kom- men und unsere Vorbehaltsfläche formell zu Wald geworden ist? << Herr Kliebisch, Stadtverwal- tung Weißwasser, 08.07.08

Alte Baumreihen als starkes Raumelement (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten)

1998 Beginn der Rückbauplanung

2000 Beginn der Abrisse

2001 Planerische Konzeption für Weißwas- ser-Süd

2004 Beginn der Aufforstung

2006 Flächennutzungsplan

2010 Strategisches Stadtentwicklungsmodell

Aufforstung mit Setzlingen auf Oberboden (Foto: Stadt Weißwasser) 68 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Gatow, Berlin Urbane Landwirtschaft eine Strategie der Stadtentwicklung – Landstadt Gatow

In enger Verknüpfung mit der neuen Landstadt Gatow soll als Standortfaktor und ökologi- scher Ausgleich eine Parklandschaft entstehen. Das verfolgte Konzept der urbanen Land- wirtschaft setzt auf eine verstärkte Kooperation zwischen Stadt und Land (-wirtschaft).

Kontext Landschafts- und Freiraumkonzept Mit dem Abzug der alliierten Truppen im Dieses Konzept der urbanen Landwirtschaft Jahr 1994 stand der ehemalige britische Mi- für die neue Parklandschaft basiert auf vier litärflughafen Gatow für eine neue Nutzung Grundelementen: offen. Der Bund entwickelte im Rahmen ei- Das Wegenetz ist das Grundgerüst für den nes Wohnraumversorgungskonzeptes einen Raum. Es knüpft an das Wegesystem der neuen Wohnstandort – die Landstadt Gatow Umgebung an. Die isolierte Lage des ehe- mit etwa 1.200 Wohneinheiten. maligen Militärgebietes wird so aufgehoben. Das Konzept für die Landstadt Gatow wurde Die neue Landschaft wird zum öffentlich im Rahmen eines städtebaulichen Wettbe- nutzbaren Raum. werbs entwickelt und sieht neben Infrastruk- Als zweites Element werden wegebegleitend tureinrichtungen Wohnnutzungen in un- und an besonderen Orten Flächen für den terschiedlichen Bautypologien vor. Teil des Aufenthalt und die Freiraumnutzung ange- Gesamtkonzepts ist die Entwicklung einer boten. Eine sparsame Möblierung mit Bän- + 90 ha großen Parklandschaft, die auch dem ken sowie Spiel- und Sportgelegenheiten soll naturschutzrechtlichen Ausgleich dient. zur Attraktivitätssteigerung beitragen. Die neue Parklandschaft liegt am Stadt- Das dritte Element ist die intensivere land- rand Berlins und vermittelt zwischen dem wirtschaftliche Nutzung, die in unterschied- Neubaugebiet mit bisher mehr als 400 re- licher Ausprägung wie Intarsien in eine alisierten Wohneinheiten – als typischen extensive Weidelandschaft (Allmende) ein- Siedlungsraum einer großstädtischen Pe- + gelagert wird. Diese Flächen haben Schlag- ripherie – und dem angrenzenden ländlich größen von 2 bis 3 ha. Benachbarte Schläge geprägten Raum. könne zu größeren zusammenhängenden landwirtschaftlichen Nutzflächen zusam- Projekt mengeschaltet werden. Das Konzept sieht Mit der schrittweisen Realisierung des städ- ein breites Nutzungsspektrum vor, das vor tebaulichen Konzepts wurde auch die Frage allem auf städtische Nachfrage (von Erd- + nach dem zukünftigen Charakter des Parks beeren- und Blumen-Selber-Pflücken bis am Stadtrand weiter entwickelt und unter zu Reitangeboten) reagiert und somit auch dem Gesichtspunkt der Reduzierung von zu vielfältigen Landschaftsbildern führt. Die Pflegekosten konkretisiert. Im Übergang Allmenden sollen extensiv beweidet oder als vom neu entstehenden Wohngebiet in die Mähwiesen gepflegt werden. Landschaft soll ein neuer Freiraumtyp ent- Viertes Element sind die Großgehölzstruktu- stehen, der die Aspekte der Wirtschaftlich- ren, die Räume begrenzen und Sichtachsen keit genauso berücksichtigt, wie die Charak- eröffnen. Die Bepflanzungsmuster berück- teristika der umgebenden Kulturlandschaft. sichtigen landwirtschaftliche Bewirtschaf- Grundlage der neuen Parkvision ist das tungserfordernisse und unterliegen damit ab 2004 entwickelte Konzept der urbanen eigenen gestalterischen Gesetzmäßigkeiten. Landwirtschaft.

Stadt: Berlin Bundesland: BE Stadttyp: Metropole

Einwohner 1992: 3.465.748 Einwohner 2007: 3.416.255 Lage: Stadtrand

Konzept: teilräumlich Projektfläche: 90 ha Umsetzungsstand: in Planung Urbane Landwirtschaft eine Strategie der Stadtentwicklung – Landstadt Gatow 69

Ziele und Maßnahmen Im Zuge der städtebaulichen Entwicklung wurde auch das Leitbild für den Freiraum weiter ausgearbeitet. Es wurde das Konzept der urbanen Landwirtschaft entwickelt, das auf neue Allianzen und Synergien zwischen Stadt und Land (-wirtschaft) setzt. • Entwicklung einer urbanen Landschaft mit landwirtschaftlichen Akteuren als Imagefaktor für die Siedlungsräume am Stadtrand • Sicherung einer 90 ha großen Parkland- schaft als Sammelausgleichsmaßnahme für Eingriffe in Natur und Landschaft • Urbane Landwirtschaft als ein Konzept für eine nachhaltige Inwertsetzung, Pflege und Unterhaltung der neuen Landschaft Allmende • Realisierung des gestalterischen An- intensive Landwirtschaft spruchs über einen Realisierungswett- bewerb Besondere Ort

Wald Akteurskonstellation und neue Träger- schaften Berlin-Gatow, Konzept „Urbane Landwirtschaft im Park“, 2004 Das Projekt ist eingebunden in eine Ak- (Plan: bgmr Landschaftsarchitekten) teurskonstellation, bestehend aus dem Bund als Vorhabenträger, der Senatsver- waltung für Stadtentwicklung Berlin und dem Bezirksamt Spandau. Auf diesen drei Ebenen müssen entsprechend komplexe Pflege und Bewirtschaftung sowie Weiter- Abstimmungen durchgeführt werden. Die entwicklung der Synergien zwischen Stadt Landwirte wurden als Kooperationspartner und Land übernehmen. Darüber hinaus ist frühzeitig mit eingebunden. auch die kulturelle Bespielung und die Öf- Für die langfristige Trägerschaft wurde ein fentlichkeitsarbeit über die Stiftung zu orga- Stiftungsmodell „Urbane Landwirtschaft nisieren. Zurzeit wird die Umsetzbarkeit des Gatow“ entwickelt. Die Stiftung würde die Stiftungsmodells geprüft.

Offenland Pferdekoppeln Blick auf Flughafen-Gatow (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) 70 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Pflege und Unterhaltung Da die gärtnerische Pflege einer 90 ha gro- ßen Parklandschaft mit erheblichen Kosten verbunden ist, wurde eine „Vergleichende Wirtschaftlichkeitsberechung für vier Ent- wicklungsszenarien“ zur Landschaftsent- wicklung durchgeführt. Das Konzept der „Ur- banen Landwirtschaft im Park“ stellte sich als wirtschaftlich und ökologisch tragfähig und gleichzeitig gestalterisch anspruchsvoll als Best-Case-Szenario heraus und ist damit die Grundlage der weiteren Planungen.

Kommunikationsstrategien

Urbane Landwirtschaft Im Rahmen der Erarbeitung des Konzeptes (Montage: bgmr Landschaftsarchitekten) der urbanen Landwirtschaft 2004 wurden zahlreiche Befragungen von landwirtschaft- lichen Akteuren im Raum durchgeführt. Die Planungs- und Rechtsinstrumente Erkenntnisse aus diesen Gesprächen konn- ten frühzeitig in das Konzept integriert wer- Der Flächennutzungsplan Berlin stellt Grün- den. Das weiterentwickelte Konzept wurde fläche mit der Zweckbestimmung Feld, Flur in Fachgesprächen mit Landwirten (Land- und Wiese dar, damit ist eine offene Ent- wirte-Workshop) und auf einem Bürgerfo- wicklung im Sinne der urbanen Landwirt- rum vorgestellt und erörtert. Mit zahlreichen schaft gegeben. Interessengruppen wurden weitere Veran- Für die städtebauliche Entwicklung wurde staltungen, wie z.B. eine dorfgeschichtliche ein Bebauungsplan aufgestellt, der gleich- Wanderung durchgeführt. zeitig den 90 ha großen Grünraum als Maß- Dabei wurde deutlich, dass eine Kommu- nahmenfläche für den Ausgleich sichert. Der nikationsplattform von besonderer Bedeu- nordwestliche Bereich wird als Fläche für Er- tung ist. holungswald, der südöstliche als naturnahe Parkanlage festgesetzt. Mit den textlichen Anregungen und Hinweise wurden ausge- Festsetzungen werden zum Teil sehr genaue wertet und in das weitere Verfahren ein- Vorgaben für die Anlage von Gehölzgruppen, gespeist. Der Landschaftspflegeverband Solitärbäumen oder Mähwiesen getroffen. Spandau war ein wichtiger Gesprächspart- Mit diesen Festsetzungen, die dem Leitbild ner, über den Stimmungen und Anregungen eines extensiv gepflegten Parks folgen, sind gebündelt wurden. die Spielräume für die urbane Landwirt- schaft und eine prozessuale Entwicklung eingeschränkt. Das Konzept der urbanen Landwirtschaft ist Kontakt: Bundesministerium für Verkehr, bisher ein informeller Plan, der im Rahmen Bau und Stadtentwicklung eines Realisierungswettbewerbs weiter kon- Referat SW24 kretisiert wird. Invalidenstraße 44 10115 Berlin Tel. 030 18300-0 Finanzierung und Inwertsetzung [email protected]

Senatsverwaltung für Stadtent- Die Herstellung der neuen Parklandschaft wicklung wird durch Ausgleichsmittel für Eingriffe aus Abteilung Städtebau und der städtebaulichen Entwicklung finanziert, Projekte Referat II D die über einen städtebaulichen Vertrag ab- Brückenstraße 6 gesichert sind. 10179 Berlin Tel. 030 9025-2029 Mit der neuen Parklandschaft wird eine oeffentlichkeitsarbeit@senstadt. berlin.de umfassende Inwertsetzung des Raumes beabsichtigt, die positive Effekte für das Weiterführende Informationen Standortimage der Landstadt Gatow in der • www.landstadt-gatow.com Gesamtheit erzeugt. Daher wird eine hohe Dorfgeschichtliche Wanderung Gestaltqualität angestrebt. (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) Urbane Landwirtschaft eine Strategie der Stadtentwicklung – Landstadt Gatow 71

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter • Freiraumentwicklung als Maßnahme Mit dem Konzept der Urbanen Landwirt- zur Imageverbesserung und Stärkung schaft wird der Wohnstandort Landstadt der Standortqualitäten für das Wohnen Gatow als ein Wohnen an der Kulturland- am Stadtrand schaft aufgewertet. Urbane Landwirtschaft • Sicherung einer kostengünstigen Be- wird somit zur Standortentwicklung einge- wirtschaftung durch Einbindung land- setzt. Es werden Allianzen und Kooperati- wirtschaftlicher Akteure onen als Strategie der Flächenkonversion und zur verstetigten Bewirtschaftung ge- • Durchführung eines Wettbewerbsver- schaffen. Mit dem Konzept der Urbanen fahrens zur Sicherung einer hohen Ge- Landwirtschaft werden landwirtschaftliche staltqualität Nutzungen nicht ausgegrenzt, sondern Teil • Stiftung als Trägerschaft mit umfassen- der Entwicklungsstrategie. Landwirtschaft den Kompetenzen und Anspruch an die nutzt und pflegt die Flächen und bietet da- Gebietsentwicklung bei Dienstleistungen und Produkte für die Städte an. Damit generiert die Landwirt- Probleme und Hemmnisse schaft auch neue Einnahmequellen. • Einschränkungen in der Flexibilität der Freiflächenentwicklung durch Bebau- ungsplan mit umfassenden Festset- zungsinhalten

Anregungen aus dem Landwirte-Workshop Aufruf zur Bürgerbeteiligung

>> Für die Landwirte ist entscheidend, dass sie die landwirtschaftlichen Förde- rungen auf den Konversionsflächen erhalten, damit sie vergleichbare Rahmen- bedingungen haben, wie die Landwirte im benachbarten Brandenburg. << Elke Hube, Bezirksamt Spandau, Naturschutz- und Grünflächenamt, 09.09.08

1994 Abzug der Alliierten

1997 Städtebaulicher Realisierungswettbe- werb

2004 Entwicklung Strategie der urbanen Landwirtschaft Landstadt Gatow

2007 Vergleichende Wirtschaftlichkeitsunter- suchung für vier Entwicklungsszenarien

2007 Trägermodell Stiftung „Urbane Land- wirtschaft Gatow“

2008 Umfangreiche Beteiligung der Landwir- te und Bürger

2009 Landschaftsarchitektonischer Realisie- Urbane Landwirtschaft rungswettbewerb (Montage: bgmr Landschaftsarchitekten) 72 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Lichtenberg, Berlin Multifunktionale StadtLandWirtschaft – Landschaftspark Herzberge

Die „StadtLandWirtschaft Herzberge“ beschreitet einen für innerstädtische Gebiete „neu- en“ Weg, der private landwirtschaftliche Nutzung mit der Entwicklung eines Landschafts- parks und der Verbesserung der Lagequalität anliegender Unternehmen verknüpft.

Kontext Das Projektgebiet des Landschaftsparks umfasst ca. 100 ha Brach-, Wirtschafts-, Der Bezirk Lichtenberg ist am Standort Wohn- und Grünflächen und grenzt an ein Herzberge zunehmend mit den Folgen einer sehr heterogenes Umfeld an. Hier befinden rezessiven Bevölkerungs- und Wirtschafts- sich Gesundheitseinrichtungen, gemisch- entwicklung konfrontiert. Ein großer Teil der te Gewerbegebiete und ein alter Rangier- Flächen wurde seit 10-20 Jahren nicht mehr bahnhof, universitäre Einrichtungen sowie genutzt und war von Vandalismus, Müllab- leer stehende Gebäude und ein ehemaliges lagerungen und Altlasten gekennzeichnet. Stadiongelände, das bis zur Wende als Zelt- Dies führte zu weiteren Abwanderungen umliegender Betriebe und Einrichtungen. platz der Jungen Pioniere genutzt wurde. Ein Die Bemühungen des Bezirkes, Investoren Krankenhaus ist in das Gelände integriert. für das Gelände zu gewinnen, blieben über Jahre hinweg erfolglos, so dass nach Alter- Landschafts- und Freiraumkonzept nativen gesucht wurde, mit denen die Flä- Die Freiflächen des Landschaftsparks Herz- + chen kostengünstig entwickelt, gepflegt und berge und die angrenzenden Grünflächen gleichzeitig neue Lagequalitäten bewirkt stellen im Verbund eine der größten zusam- werden. Auf den Brachflächen hatte sich menhängenden Freiflächen im Berliner In- nach und nach eine artenreiche Flora und nenstadtrandgebiet dar. Durch die geplante Fauna eingestellt. multifunktionale Bewirtschaftung (Tierhal- tung, Streuobst, Umweltbildung, Hofladen, Projekt Gastronomie und Therapieangebote) ent- + steht dort ein völlig neuartiger urbaner Er- Das Amt für Umwelt und Natur des Bezirkes Lichtenberg initiierte zusammen mit der Ag- lebnis- und Landschaftsraum, der heute rarbörse Deutschland Ost e.V. die Idee eines schon identitätsstiftende Wirkung entfaltet. innerstädtischen Landschaftsparks, in den Der zugrunde liegende Freiflächenentwick- modellhaft ökologische, ökonomische und lungsplan ist (räumlich und thematisch) soziale Nutzungsansprüche integriert wer- modular aufgebaut und gewährleistet eine + den. Als Partner zur Entwicklung und zum schrittweise Entwicklung unabhängiger kostenneutralen Unterhalt des Landschafts- Teilbereiche. Durch eine angepasste Nut- parks soll eine landwirtschaftliche Bewirt- zung sollen die Flächen gepflegt und die schaftung an den Standort geholt werden. Entwicklung der jeweiligen Fauna und Flora Nach einer Standortanalyse einschließlich unterstützt werden. Eine extensive Bewei- der Klärung der Altlastenproblematik wur- dung, insbesondere durch Schafe, ist dafür den im zweiten Schritt das Landschaftspark- vorgesehen. Wichtiges Element ist das ge- + konzept profiliert und erste Umsetzungspro- plante Erschließungsnetz aus Rad-, Ska- jekte vorbereitet. Wesentliche Bestandteile ter- und Fußgängerwegen, das die einzel- sind die Verbesserung der Böden zur land- nen Teilflächen erschließt und miteinander wirtschaftlichen Bewirtschaftung, die Er- verbindet. Um die vorhandenen Biotope zu schließung der Fläche für die Öffentlichkeit sichern, wurde eine Naturschutzgebietsaus- und die Weiterentwicklung vorhandener weisung beantragt. Weitere Biotope sollen Flächenqualitäten wie Biotope, Wald, Wie- entstehen. sen- und Gartenbauflächen.

Stadt: Berlin Bundesland: BE Stadttyp: Metropole

Einwohner 1992: 3.465.748 Einwohner 2007: 3.416.255 Lage: Innenstadtrand

Konzept: objektbezogen Projektfläche: 100 ha Umsetzungsstand: z.T. realisert Multifunktionale StadtLandWirtschaft – Landschaftspark Berlin Herzberge 73

Ziele und Maßnahmen

Ziele • Aufwertung des Geländes durch Land- wirtschaft zur Verbesserung der Stand- ortqualität • Schutz und Schaffung von Biotopen • Entwicklung landwirtschaftlicher Nut- zungskonzepte zum Unterhalt und zur Bewirtschaftung der Flächen ohne Fol- gekosten für den Bezirk • Entwicklung eines Erholungsgebietes und dessen Erschließung mittels Neu- und Ausbau von Wegen • Einrichtung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Einkommen schaffenden Aktivitäten • Etablierung von Dienstleistungen im Bereich Umweltbildung, Vermarktung, Gastronomie und Therapie

Abgeschlossene Maßnahmen StadtLandWirtschaft Herzberge, Naturschutzorien- • Freiflächenentwicklungsplan mit Be- tierte Stadtentwicklung, Flächenentwicklung 2008 (Plan: Berlin-Lichtenberg; Agrarbörse Deutschland stimmung des Investitionsbedarfs Ost e.V., Berlin) • Einwerben verschiedener Fördermittel Herzberge die Interessen des Gebietes und • Umsetzung einzelner Teilprojekte der Anlieger und unterstützt den Bezirk durch Vergabe-ABM (Bodensanierung, Lichtenberg bei der Umsetzung der Ent- Entsiegelung, Gewächshausrückbau, wicklungsziele des Landschaftsparks. Beräumung Lagerplatzgelände) Weiterer Projektpartner ist der OTA-Ausbil- • Etablierung eines vorläufigen Standort- dungsbetrieb, der mit bis zu 60 Jugendlichen managements und Gründung des För- das Landschaftsparkgelände im Rahmen dervereins Landschaftspark Herzberge von Praxisübungen nutzt und an der Um- für das künftige Standortmanagement setzung der Geländegestaltung mitwirkt. • Erarbeitung eines ersten Standortmar- Es ist vorgesehen, die landwirtschaftlichen ketingkonzeptes und Leitbildentwurfs Produkte in einem Hofladen zu vermarkten. • Etablierung eines Landwirtschaftsbe- Ein Kiosk könnte das Gastronomieangebot triebes (Schwerpunkt Schafhaltung, des Geländes bereichern. Die Landwirt- landwirtschaftliche Dienstleistungen) schaft bietet Therapie- und Beschäftigungs- möglichkeiten für Klienten der Krankenhäu- • Eintrag ins Landwirtschaftliche Flä- ser und der Rehabilisationseinrichtungen. chenkataster Frankfurt (Oder)

Akteurskonstellation und neue Träger- schaften Mit der Projektentwicklung wurde die Agrar- börse Deutschland Ost e.V. beauftragt, die gemeinsam mit dem Jobcenter Lichtenberg auch die Vergabe-ABM zur Geländeberäu- mung und -entwicklung durchführt. Im Zuge der Beräumung werden die Flächen an den landwirtschaftlichen Zweckbetrieb ADO Agro Dienste&Ökologie verpachtet, der sie zukünftig bewirtschaftet. Seit 2007 Praxisübungen des OTA-Ausbildungsbetrieb bündelt der Förderverein Landschaftspark (Foto:Karl-Heinz Riedel, Agrabörse Deutschland Ost e.V.) 74 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Folgende Förderungen wurden bereits in Anspruch genommen: Entsiegelung durch Ausgleichs- und Ersatz- maßnahmen (SenStadt), Gewächshaus- rückbau durch Gefahrenabwehr (SenStadt), Vergabe-ABM zur Beräumung und Boden- sanierung, Rückbau stillgelegter Heiztrassen (Fa. Vattenfall Europe), Anbindung an über- geordnete Radwegeverbindungen über das Programm „Verbesserung der Infrastruktur für den Radverkehr“ (SenStadt Abt.VII).

Beantragt sind: Blick auf zukünftige Streuobstwiese auf dem Gelände des ehemaligen Gartenbaube- Umweltentlastungsprogramm: Altlastensa- triebs (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) nierung und Renaturierungsmaßnahmen in geplanten Naturschutz- bzw. Landschafts- Planungs- und Rechtsinstrumente schutzgebieten, Stadtumbau Ost – südliche Anbindung des Landschaftsparkgeländes Im Rahmen der Projektentwicklung Herz- im Rahmen des Stadtteilentwicklungskon- berge wurde ein Standortnutzungskonzept zeptes Ostkreuz, Idee.Natur-Zukunftspreis sowie ein Freiflächenentwicklungsplan zur Naturschutz, Agrarförderprogramme. Nutzung und Gestaltung des Landschafts- parkgeländes entwickelt und abgestimmt, Die Brachflächen sind überwiegend Landes- die die Grundlage der weiteren Entwick- eigentum. Beräumte und landwirtschaftlich lung bilden. Um trotz der informellen Pläne nutzbare Flächen werden durch das Amt für eine mittelfristige Planungssicherheit für Umwelt und Natur Lichtenberg übernom- das Vorhaben zu erlangen, wurde aus dem men. Standortnutzungskonzept eine Bezirksamts- Durch den Status Landwirtschaft entfallen vorlage erarbeitet, die 2005 vom Bezirksamt Straßenreinigungsgebühren. Lichtenberg beschlossen wurde. Als landwirtschaftlicher Betrieb können seit Da der Landschaftspark Herzberge gemäß 2005 mit der Einführung der Betriebsprä- Flächennutzungsplan Berlin (FNP) zu ei- mienregelung Agrarförderungen beantragt nem Großteil Gemeinbedarfsflächen mit werden, die bis 2013 ca. 300 Euro/ha/Jahr überwiegendem Grünanteil ist, wurde eine betragen. Damit ist unabhängig vom land- vom FNP abweichende landwirtschaftliche wirtschaftlichen Produktionsertrag eine (Zwischen-) Nutzung mit der Stadtplanung/ Grundfinanzierung gesichert. Senatsverwaltung abgestimmt. Die Zielset- zungen der Landschaftsparkentwicklung entsprechen den Ausweisungen des Land- Pflege und Unterhaltung schaftsprogramms Berlin (1995) und des Die kostenneutrale Pflege und Unterhaltung Landschaftsrahmenplans des Bezirkes Ber- des Geländes für den Bezirk war Anlass und Kontakt: lin-Lichtenberg (2007). ist übergeordnetes Ziel des Projektes. Durch Bezirksamt Lichtenberg die Verpachtung der Flächen an den land- Abt. Stadtentwicklung, Bauen, Umwelt und Verkehr Finanzierung und Inwertsetzung wirtschaftlichen Zweckbetrieb ADO Agro Amt für Umwelt und Natur Dienste&Ökologie wird die Pflege und Un- Alt-Friedrichsfelde 60 Zur Entwicklung des Gebietes Herzberge hat 10315 Berlin das Bezirksamt Lichtenberg 2003 den Euro- terhaltung gewährleistet. Tel. 030 90296-0 [email protected] päischen Fonds für regionale Entwicklung berlin.de (EFRE) für „Wirtschaftsdienliche Maßnah- Kommunikationsstrategien men im Rahmen der bezirklichen Bündnisse Agrarbörse Deutschland Ost Öffentlichkeitsarbeit und Projektwerbung e.V. für Wirtschaft und Arbeit (BBWA)“ genutzt. sind zentrale Elemente der Kommunikati- Eichenstrasse 02 12435 Berlin Zur Finanzierung der Umsetzung des Ge- onsstrategie des Projektes. Eine große Rol- Tel. 030 536085-0 samtkonzepts wurde ein vielfältiger Mix le spielt der Förderverein Landschaftspark [email protected] aus Förderprogrammen aktiviert. Mit dem Herzberge, der die Vertretung von Anwoh- Weiterführende Bezirksamtsbeschluss zum Bestandsschutz nern, Interessierten und Unternehmen am Informationen ist die Finanzierung der kofinanzierten För- Standort inne hat. Mit einem informativen • www.landschaftspark- herzberge.de derprogramme für einen Zeitraum von 16 Internetauftritt fordert der Verein zum akti- Jahren gewährleistet. ven Mitmachen auf. Multifunktionale StadtLandWirtschaft – Landschaftspark Berlin Herzberge 75

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter • Erhalt und Entwicklung der städtischen Durch die Inwertsetzung der Brachflächen Natur als Erlebnis- und Erholungsraum und die Gestaltung eines „Landwirtschafts- • Verringerung von Vandalismus durch parks“ wird die Attraktivität des Gebietes er- soziale Kontrolle bei Bewirtschaftung höht und die Lagequalität der angrenzenden und Öffnung der Flächen für Besucher Gewerbe- und Wohngebiete verbessert. Eine angepasste landwirtschaftliche Nutzung er- • Standortverbesserung für ansässige Un- möglicht es, Verwahrlosung einzudämmen, ternehmen die Betriebskosten für die Flächeneigentü- • Schaffung von Arbeitsplätzen im land- mer zu minimieren und eine nachhaltige wirtschaftlichen Zweckbetrieb und den Pflege zu gewährleisten. Die „StadtLand- ergänzenden Dienstleistungen Wirtschaft“ ist ein integrativer und multi- • Schrittweise Umsetzung durch modu- funktionaler Ansatz, der zeigt, wie durch die lare Konzeption möglich Bündelung zahlreicher, heterogener Instru- mente und durch die Zusammenarbeit mit vielen Partnern eine nachhaltige und tragfä- Probleme und Hemmnisse hige Nachnutzung nicht mehr verwertbarer • Starke Abhängigkeit von Fördermitteln, Flächen möglich wird. die so Entwicklungsziele bestimmen Mit dem Projekt wird eine neue Quartiers- • Gefahr des Aufweichens des integralen identität geschaffen, die sich als weicher Gesamtkonzepts durch die Vielzahl der Standortfaktor positiv auf Standortentschei- sektoralen Einzelförderungen dungen auswirkt. So wirbt beispielweise • Erhebliche Personalaufwendungen bei eine Wohnungsgesellschaft seit 2008 mit der Akquise und Abrechnung der För- dem Slogan „Wohnen im Landschaftspark dermittel Herzberge“.

>> Urbane Landwirt- schaft ist als Renatu- rierungsstrategie nur eine Lösung, wenn Einnahmen realisiert werden können. << Dr. Felicitas Bechstein, Humboldt- Universität Berlin, 23.04.08

Werbung für Eigentumswohnungen im Landschaftspark (Flyer: Saxum Berlin GmbH)

2003 Erster EFRE-Antrag für die Gebietsent- wicklung

2004 Antrag auf Naturschutzgebietsauswei- sung

2004/2006 Projekt „Behutsame ökologische Entwicklung des Standortes mit integrierten Naturschutzmaßnahmen bei gleichzeitiger landwirtschaftlicher und landschaftsnaher ökonomischer Standortnutzung „

2005 Bezirksamtsbeschluss zu den Ent- wicklungszielen des Landschaftsparks Herzberge

2006/2007 Folgeprojekt „Herzberge – Modell einer urbanen Landwirtschaft als Standort- motor“

2007 Gründung landwirtschaftlicher Zweck- Natur trifft Industriekultur betrieb „ADO Agro- Dienste&Ökologie“ (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) 76 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Cottbus-Neu Schmellwitz, Brandenburg Urbane Landwirtschaft soll Abriss folgen – Neue Perspektiven für Neu Schmellwitz

Vor 25 Jahren war Neu Schmellwitz noch eine Agrarlandschaft am Stadtrand von Cottbus. Nach dem flächenhaften Abriss sollen mit der Strategie der urbanen Landwirtschaft die Rückbauflächen revitalisiert werden. Landwirte und andere Akteure werden gesucht.

Kontext Nach heutiger Planung wird bis 2009/2013 etwa die Hälfte der über 5.500 Wohnungen Cottbus ist als zweitgrößte Stadt Branden- zurückgebaut. Die große Frage, die sich für burgs, Oberzentrum und regionaler Wachs- den Umbau stellt, ist die Folgenutzung. Die- tumskern für die brandenburgische Lausitz. se sollte nicht nur eine Last aufgrund von Die Wirtschaft der Region war durch die Pflegekosten sein, sondern vor allem auch Kohle- und Energiewirtschaft dominiert. eine neue Qualität für die noch verbleibende Anfang der 1990er Jahre brach dieser Indus- Wohnbevölkerung bieten. triezweige weg. Von 1990 bis 2007 sank die Einwohnerzahl trotz Eingemeindungen von Landschafts- und Freiraumkonzept 129.000 auf knapp 101.000. Die Prognose für 2020 lautet ca. 87.000 Einwohner. Bereits Im Rahmen der Freiraumwerkstatt „Stadt- Ende der 1990er Jahre waren die Großwohn- quartiere im Umbruch“ wurde 2006 das siedlungen an den Stadträndern von hohen Konzept der urbanen Landwirtschaft Neu Leerständen von bis zu 28% betroffen. Wirt- Schmellwitz als Grundlage der weiteren Ent- + schaftsansiedlungen und die im Stadtum- wicklungen erarbeitet. Vorgeschlagen wurde baukonzept festgelegte Doppelstrategie zur eine flexible mosaikartige Landschaftsstruk- Aufwertung der innenstadtnahen Lagen und tur, die schrittweise aus den nach und nach paralleler Rückbau von den Rändern her freigeräumten Rückbauflächen ergänzt wird. werden mit Priorität verfolgt. Die urbane Landwirtschaft richtet sich im Unterschied zur ruralen Landwirtschaft in Projekt hohem Maß auf die Nachfrage aus der Stadt + aus. Sie bietet Service und Produkte für die Neu Schmellwitz wurde in den Jahren 1985 Städter, vom Blumen-Selber-Pflücken über bis Anfang der 1990er Jahre realisiert und um- Direktvermarktung vom Feld bis zu Reiten, fasste auf ca. 95 ha mehr als 5.500 Wohnun- an. Durch die Nachfrage der Städter kann gen für 12.000 Einwohner. Der öffentliche urbane Landwirtschaft Einkommen gene- Freiraum ist teilweise im Rahmen der Städ- rieren und gleichzeitig die Angebotsvielfalt tebauförderung „Verwaltungsvereinbarung für die Stadt erweitern. über große Neubaugebiete“ (VVN) in den 1990er Jahren gestaltet worden. Aufgrund Das Konzept sieht ein Grundgerüst von We- gen vor, das aus dem Teilrückbau der Er- der randstädtischen Lage, des zunehmen- schließungsstraßen des Wohngebietes ent- den Leerstandes sowie der unzureichenden steht. Das Wegenetz führt durch eine neue Zukunftsfähigkeit der Wohnungsstrukturen Landschaft, deren Parzellierung die Bau- wurde die Großwohnsiedlung im Stadtum- strukturen des komplexen Städtebaus noch baukonzept als ein Schwerpunktgebiet des nachzeichnet. Die Baumreihen und Alleen Stadtumbaus bestimmt. entlang der Erschließungsstraßen werden Das Teilräumliche Konzept Schmellwitz erhalten, sie geben der neuen Landschaft (2006) konkretisiert die Stadtumbaumaß- ein spezifisches Erscheinungsbild, das die nahmen bis etwa 2010. Mit dem flächenhaf- Geschichte nicht leugnet. Auf dem alten ten Rückbau im Quartier Gotthold-Schwela- Straßennetz kann ein neuer Skater-Rund- Straße wurde der umfassende Stadtumbau in weg durch diese in Wert gesetzte Landschaft Neu-Schmellwitz im Jahr 2006 eingeleitet. entstehen.

Stadt: Cottbus Bundesland: BB Stadttyp: Mitttelstadt

Einwohner 1992: 131.343 Einwohner 2007: 102.811 Lage: Stadtrand

Konzept: teilräumlich Projektfläche: 12 ha Umsetzungsstand: in Planung Urbane Landwirtschaft soll Abriss folgen – Neue Perspektiven für Neu Schmellwitz 77

Ziele und Maßnahmen Die Besonderheit des Projektes liegt in der Zielsetzung, eine landschaftliche Folgenut- zung mit positiven Effekten für die Stadt mit einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit zu ver- knüpfen.

Ziele des Gesamtkonzeptes • Profilierung der Rückbauflächen als Freizeit- und Kulturlandschaft mit po- sitiver Ausstrahlung auf die angrenzen- den Siedlungsgebiete • Entwicklung einer langfristigen Strate- gie für die Offenhaltung und Pflege der Landschaft • Suche nach Nutzungen mit Wertschöp- fung wie Landwirtschaft und nach- wachsende Rohstoffe

Das Offenhalten von Optionen für bauli- Neu Schmellwitz, Vision Urbane Landwirtschaft 2020 che Nachnutzungen wurde kontrovers dis- (Plan: bgmr Landschaftsarchitekten) kutiert. Um den Bodenwert nicht weiter zu mindern, sollte aus der Sicht der Wohnungs- unternehmen der Baulandstatus weiter er- halten werden. den als gemeinwesenbezogene Projekte Im Quartier Gotthold-Schwela-Straße wur- entwickelt. den die ersten Wohnblöcke abgerissen. Das Ausgehend von der abgestimmten Strate- Konzept wird hinsichtlich der Umsetzung gie des flächenhaften Rückbaus ist der an- weiter konkretisiert. gestrebte Tausch von Wohnungsbeständen zwischen Wohnungsunternehmen und Akteurskonstellation und neue Träger- „Dritterwerbern“ trotz intensiver Bemü- schaften hungen bisher gescheitert, was den weiteren Ein breiter Dialog zwischen der Stadtver- Durchführungsprozess erschwert. Bereits waltung, den Wohnungsunternehmen GWC bei den ersten Überlegungen zur urbanen und GWG, den Versorgungsunternehmen Landwirtschaft wurden Landwirte aus der und dem Stadtteilmanagement, bildet die Region beteiligt. Nach anfänglichem Inter- esse eines Landwirtes, ein Beweidungspro- Basis der Entwicklung. jekt mit starker pädagogischer Ausrichtung Seit 2006 stellt das „offene Netzwerk“ (Stadt- umzusetzen, zog dieser sein Vorhaben zu- teilladen Schmellwitz, Bürgerverein, BTU rück. Das Projekt scheiterte im Wesentli- Cottbus, Schulen, soziale Träger und Vereine chen aus zwei Gründen. Zum einen, weil die des Stadtteils, Gewerbetreibende), ergänzt Fläche für einen wirtschaftlichen Betrieb zu um das 2008 aktivierte Stadtteilmanage- klein war. Zum anderen, weil die mit öffent- ment, eine neue Ebene der Kooperations- lichen Geldern geförderten Innenhöfe nicht struktur dar. Projekte, wie „Erlebnisse im mit rückgegebaut werden durften und Be- Hof“ oder „Kultur am besonderen Ort“ wur- wirtschaftungshindernisse darstellen.

2004 2008 2004 2008 Zwei Spielplätze in den Innenhöfen des Rückbauquartiers mit Förderbindung (Fotos: bgmr Landschaftsarchitekten) 78 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Entwicklungsmöglichkeiten für Urbane Landwirtschaft in Neu Schmelwitz (Foto und Montagen: Stadtquartiere im Umbruch)

Planungs- und Rechtsinstrumente Spielplätze und Aufenthaltsflächen nicht mehr benötigt werden, können diese nicht Der gültige Flächennutzungsplan geht noch ohne Fördermittelrückzahlung rückgebaut von Wachstumstendenzen aus. Die ab 2009 werden. Damit besteht eine anachronisti- beginnende Neuaufstellung wird eine nicht sche Situation innerhalb der Stadtumbau- bauliche Nutzung für die stadtumbaube- kulisse, die die Umsetzung der kommunalen dingten Rückbauflächen vorsehen. Eine Entwicklungsziele erschwert. planungsrechtliche Besonderheit in Cottbus ist die Überleitung der Bebauungspläne aus Pflege und Unterhaltung DDR-Zeiten. Anspruch auf Planungsscha- densersatz resultiert daraus jedoch nicht, da Die Offenhaltung von Rückbauflächen mit die Wohnungsunternehmen mit Fördermit- gärtnerischen Mitteln führt langfristig zu telinanspruchnahme aus dem Stadtumbau- erheblichen Folgekosten. Die urbane Land- Programm darauf verzichtet haben. Mit zu- wirtschaft stellt eine Alternative dar, die un- nehmendem Abriss begründet sich aber ein ter bestimmten Bedingungen zu einer weit- Anpassungsbedarf der kommunalen Bau- gehenden Kostenneutralität führen kann. leitplanung. Wichtig sind zusammenhängend nutzbare, erschlossene Flächen – möglichst nicht zer- Für die Gebietsentwicklung sind vor allem schnitten durch Leitungen – und die Aufnah- die informellen Pläne und Verfahren von me der Flächen in die landwirtschaftlichen Bedeutung. Cottbus-Neu Schmellwitz war Förderungen, so dass vergleichbare Bedin- eines der fünf bundesweiten Modellvorha- gungen für den „urbanen Landwirt“ und ben des ExWoSt Forschungsfeldes „Stadt- seine Konkurrenten im ländlichen Raum quartiere im Umbruch“ Im Rahmen des Mo- bestehen. Eine frühzeitige Einbindung von dellvorhabens wurden Freiraumwerkstätten Landwirten bei der Konzeptentwicklung ist durchgeführt und Grundlagen für die heute die Voraussetzung für eine robuste Grund- verfolgte Entwicklungskonzeption erarbei- struktur. tet. Im Anschluss an die Freiraumwerkstatt wurden noch zahlreiche Workshops, Bürger- Kommunikationsstrategien informationen und Abstimmungsrunden mit den Akteuren durchgeführt. Die Findungsphase für das Konzept der Renaturierung war eingebunden in einen Das Projekt der Urbanen Kulturlandschaft umfassenden Kommunikationsprozess mit Neu Schmellwitz ist ein Teilprojekt aus der vielen Akteuren und Kooperationspartnern. Schlüsselmaßnahme „Stadtteile in Um- Die Freiraumwerkstatt 2006 mit externen bruchsituationen“ des Integrierten Stadtent- Planern gab einen wichtigen Impuls für die wicklungskonzeptes Cottbus 2020 (InSEK). zukunftsweisende Gestaltungsabsicht der neuen Kulturlandschaft. Finanzierung und Inwertsetzung Dennoch ist es schwierig, den anhaltenden Kontakt: Der Abriss der Gebäudesubstanz wird aus Stadt Cottbus gesamtstädtischen Schrumpfungsprozess Stadtverwaltung Cottbus den Mitteln Stadtumbau Ost gefördert. Ein- auf Ortsteilebene zu vermitteln. Die Bürger Geschäftsbereich IV fache Aufwertungsmaßnahmen, wie Ober- vor Ort können nur sehr schwer erkennen, Fachbereich Stadtentwicklung Karl-Marx-Straße 67 bodenauftrag und Raseneinsaat, können in dass Renaturierung eine neue Perspektive 03044 Cottbus diesem Rahmen mit realisiert werden. Eine für den Stadtteil darstellt. In Schmellwitz Tel. 0355 612-4110 [email protected] Schwierigkeit stellt die Bindung der Förder- vermittelt der Stadtteilladen, der im Rah- mittel aus dem Programm VVN dar, aus dem men des Bund-Länderprogramms „Soziale Weiterführende Informationen bis 2001 Mittel in die Wohnumfeldgestaltung Stadt“ eingerichtet wurde, konstruktiv und • www.bbsr.bund.de geflossen sind. Obwohl mit dem Abriss der erfolgreich zwischen den gesamtstädtischen Gebäude die Wohnumfeldmaßnahmen wie Zielen der Stadt und den lokalen Interessen. Urbane Landwirtschaft soll Abriss folgen – Neue Perspektiven für Neu Schmellwitz 79

Chancen und Lösungswege Wohnumfeldmaßnahmen, obwohl die • Urbane Landwirtschaft als eine wirt- Wohnungen bereits abgerissen wurden schaftlich tragfähige Zukunftsperspek- • Verhinderung eines großflächigen Ab- tive durch Nachfragebedarfe vor Ort risses wegen der Partikularinteressen • Angebote und Service für die Stadt von Einzeleigentümern durch die urbane Landwirtschaft • Freiraumwerkstatt als kreatives Instru- Innovation und Vorbildcharakter ment für die Perspektivbestimmung der Das Konzept der urbanen Landwirtschaft ist neuen urbanen Landschaft eine wirtschaftlich tragfähige Nachnutzung • Frühzeitige Einbindung der Eigentü- von Rückbauflächen mit positiven Effekten mer und möglicher Landnutzer in die für die angrenzenden Stadtquartiere. Mit Planung dem Konzept der urbanen Landwirtschaft wird nicht ein Zurück zur alten Kulturland- Probleme und Hemmnisse schaft angestrebt, sondern eine Neuinter- • Notwendigkeit der Absicherung der pretation einer urbanen Landschaft nach landwirtschaftlichen Nutzungen über der baulichen Nutzung. Neue Allianzen zwi- 10 bis 15 Jahre – Befürchtung des Verlus- schen Stadt und Land(-wirtschaft) werden tes des Baulandstatus und Verringerung entdeckt. des Bodenwertes bei den Grundstücks- Die Freiraumwerkstatt, die mit externem eigentümern Fachverstand und unter Beteiligung von • Schwierigkeiten bei der Aufnahme der Bürgern, lokalen Akteuren und Kooperati- rückgebauten Flächen in die landwirt- onspartnern durchgeführt wurde, hat sich schaftliche Förderung entsprechend als ein zukunftsweisendes Instrument erwie- der Agrarreform 2005 sen, um neue Perspektiven durch Renaturie- • Bindungsfristen von Fördermitteln für rung für die Stadtquartiere zu entwickeln.

>> Der Leitgedanke der urbanen Landwirtschaft muss gemeinsam mit den Bürgern weiterentwickelt werden, sonst findet er keine Akzeptanz. << Dr. Sabine Kühne, Fachbereich Stadtent- wicklung Cottbus, 24.09.08

Wohnstraße vor dem Abriss (Perspektive 1: bgmr Landschaftsarchitekten, „Stadtquartiere im Umbruch“)

2004 Letzte Wohnumfeldmaßnahmen aus dem Programm VVN

2006 Fortschreibung Stadtumbaukonzept Cottbus 2020

2006 Freiraumwerkstatt im Rahmen ExWoSt- Modellvorhaben „Stadtquartiere im Umbruch“

2006/2007 Abriss von ca. 1.000 Wohneinheiten

2007 Aufnahme Programm Soziale Stadt

2008/2009 Weiterer Abriss von Wohnungen

Vision Urbane Landwirtschaft nach dem Abriss (Perspektive 2: bgmr Landschaftsarchitekten, „Stadtquartiere im Umbruch“) 80 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Leipzig-Paunsdorf, Sachsen Ein ländliches Experiment im „Plattenbau“ – Grüner Bogen Pausdorf

Wildpferde und Heckrinder grasen auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz unter den Fenstern einer randstädtischen Großwohnsiedlung. Das Beweidungsprojekt verknüpft ein ungewöhnliches Naturerlebnis mit alternativen Bewirtschaftungskonzepten.

Kontext Das Beweidungsprojekt ist eingebunden in den Grünen Bogen Paunsdorf, der mit 120 Bereits während der DDR Zeit sank die Ein- ha das größte Projekt der Freiraumentwick- wohnerzahl Leipzigs von ca. 580.000 auf lung im Leipziger Nordosten ist. In enger 530.000. Nach weiteren Einwohnerverlusten Verbindung mit den Naturschutzprojekten von 18 % in den 90er Jahren steigen heute entsteht schrittweise ein neuartiger Bürger- die Einwohnerzahlen wieder leicht an. Das park, der mit einem See (Regenrückhaltebe- Wachstum konzentriert sich vor allem im cken), einem Sportpark und weiteren Spiel- gründerzeitlichen Bestand. In den randstäd- und Freizeitangeboten die Attraktivität der tischen Bereichen, vor allem in den Siedlun- Großwohnsiedlung erhöhen soll. gen des komplexen Wohnungsbaus, halten die Bevölkerungsverluste nach wie vor an. Landschafts- und Freiraumkonzept Paunsdorf-Heiterblick ist als jüngste Groß- Der Grüne Bogen Paunsdorf ist ein Baustein wohnsiedlung Ende der 1980er Jahre am des stadtübergreifenden Grünen Ringes nordöstlichen Stadtrand Leipzigs entstan- + Leipzig. Mit diesem interkommunalen Ins- den. Das Projekt Grüner Bogen Paunsdorf trument der Landschaftsentwicklung wird zielt u. a. darauf ab, den Wohnstandort wei- die Attraktivität der Region erhöht, die Kul- ter zu stabilisieren. Renaturierung und Revi- turlandschaft entwickelt und für den Bürger talisierung des unmittelbar benachbarten, wieder erlebbar gemacht. Der Grüne Bogen ehemaligen Kasernengeländes „Heiterblick“ bildet eine gestalterisch inszenierte Schnitt- spielen für die Aufwertung des Wohnumfel- stelle zwischen den städtischen Freiflächen + des eine zentrale Rolle. und der ländlichen Umgebung. Projekt „Naturschutz durch Nutzung“ – diese Stra- tegie stand am Anfang der komplexen und In nächster Nähe zur Großwohnsiedlung innovativen Entwicklung des randstädti- Paunsdorf-Heiterblick initiierte die Stadt schen Landschaftsraumes. Durch die Syn- ein einzigartiges Beweidungsprojekt, bei these aus hochwertig gestalteten neuen dem Heckrinder und Przewalski-Pferde den Erholungsräumen, modellhaften Natur- + Offenlandcharakter der ehemaligen Manö- schutzstrategien und alternativen Bewirt- verfläche erhalten und den Erlebniswert der schaftungskonzepten gelingt ein vorbildli- Landschaft erheblich steigern. Die Wildtiere cher zeitgenössischer Park. Es entsteht eine wurden für die Bewohner bereits zu einem visuelle Gegenüberstellung von Wildgehege geschätzten Bestandteil des Stadtteils. und Wohnkomplex, wilder Naturlandschaft Durch die militärische Nutzung entwickel- und gepflegten Rasenflächen. Den gestalte- ten sich wertvolle Biotope. Während die rischen Rahmen hierfür bildet eine umlau- fende Promenade, die zu den verschiedenen Kasernenanlage selbst als Gewerbestand- Freizeitbereichen und zu fünf markanten ort revitalisiert wird, wird die im Besitz der Aussichtspunkten führt und zusammen mit Stadt befindliche Manöverfläche in ihrem den militärischen und landwirtschaftlichen schützenswerten Landschafts- und Biotop- Brachflächen den neuen Parkring bildet. charakter gesichert und vor Verbuschung bewahrt. Dazu wurden Teile eingezäunt und Das Projekt erhielt 2007 den Architekturpreis zur ganzjährigen Beweidung verpachtet. der Stadt Leipzig.

Stadt: Leipzig Bundesland: SN Stadttyp: Großstadt

Einwohner 1992: 540.400 Einwohner 2007: 510.512 Lage: Stadtrand

Konzept: gesamtstädtisch Projektfläche: 36 ha Umsetzungsstand: realisiert Ein ländliches Experiment im „Plattenbau“ – „Grüner Bogen Paunsdorf“ 81

Ziele und Maßnahmen • Integration des Grünen Bogens Paunsdorf in den Grünen Ring Leipzig • Schaffung von Flächen für Ausgleichs- maßnahmen • Ausgleich des im Rahmenplan diagnos- tizierten Freiraummangels • Stabilisierung der Großwohnsiedlung als Wohnstandort durch Aufwertung • Öffnung ehemaliger Barrieren (Manö- verfläche/Kleingartenanlage) • Schaffung von Verbindungen zur alten Ortslage Paunsdorf • Erhalt und Weiterentwicklung wertvol- ler Biotopflächen Das landschaftsarchitektonische Gesamt- konzept des Büros HÄFNER/JIMENEZ war Grüner Bogen Paunsdorf, Städtebaulich-landschaftsarchitektonisches Gesamtkon- Ergebnis eines 2000 durchgeführten Re- zept 2006 (Plan: HÄFNER/JIMENEZ Büro für Landschaftsarchitektur, Berlin) alisierungswettbewerbes. Zu dessen Um- setzung mussten bestehende Pflege- und Bündel der Möglichkeiten reicht von passi- Entwicklungskonzepte erweitert und fortge- veren Beteiligungsformen, wie Bürgerforen, schrieben werden. Workshops und Ausstellungen bis hin zur aktiven Teilnahme an Pflanzaktionen und 2004 begann die Beweidung durch die Pri- der Übernahme von Pflegepatenschaften migenius, Köthener Naturschutz- und für Bäume, Heckrinder oder Wildpferde. Landschaftspflege gGmbH. Nach Beräu- mung der militärischen Anlagen wurde die Zur Verankerung des Projektes im Stadtteil „Bürgerpark“-Terrasse als erste der fünf Aus- wurden kleinteilige Kooperationen etabliert. sichtsterrassen sowie der Rundweg um die So bestehen enge Kontakte zum Ordnungs- Weidefläche begonnen und 2005 den- Bür amt, dem Streetworker, Hauseigentümern, gern übergeben. Die Realisierung des Grü- Schulen, Kindergärten und dem Jugendclub nen Bogens soll 2011 abgeschlossen sein. im Gebiet und nicht zuletzt zum ortsansäs- sigen Bürgerverein Paunsdorf. Akteurskonstellation und neue Träger- Als neue Form der Trägerschaft bewährt schaften sich die Verpachtung der Beweidungsflä- „Eine Wertschätzung für öffentliche Projekte che an einen ökologisch arbeitenden Land- kann nur in enger Zusammenarbeit mit den wirtschaftsbetrieb des Naturschutzbundes (Nabu). Bewohnern vor Ort entstehen.“ So lautet die Überzeugung des Amts für Stadtgrün und Der Grüne Bogen Paunsdorf wird wegen Gewässer Leipzig. Beispielhaft sind daher seiner vielfältigen Akteurskonstellation in- die Beteiligungsmöglichkeiten der Anwoh- ternational als Vorbild gewertet und durch ner an der Konzeption sowie der Pflege und das EU-Projekt „GreenKeys – Stadtgrün als Bewirtschaftung des Parks. Das vielfältige Schlüssel für nachhaltige Städte“ beforscht.

Der Grüne Bogen Paunsdorf, Schnittstelle zwischen den städtischen Freiflächen und der ländlichen Umgebung (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) 82 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

sucht, die Renaturierungsfläche künftig auch ökonomisch in Wert zu setzen.

Pflege und Unterhaltung Mit dem Ziel einer „Plus-Minus-Null“- Rechnung für die Flächenpflege wurde deutschlandweit nach kostengünstigen und naturschutzverträglichen Pflege- und Neue Weidefläche mit Heckrindern und Przewalski- Bewirtschaftungskonzepten gesucht. Die Pferden (Foto: Stadt Leipzig) Wahl fiel auf Beweidung durch Heckrinder und Przewalski-Pferde. Wildtiere, die an Planungs- und Rechtsinstrumente Weidebedingungen auf feuchten Böden an- gepasst sind. Die Stadt stellt die Pachtfläche Formelle und informelle Planungsinstru- kostenlos zur Beweidung zur Verfügung. Der mente wurden bei der Entwicklung des Pächter finanziert sich u.a. über Grünland- Grünen Bogens so kombiniert, dass Rechts- prämien aus der EU-Agraförderung. Dies sicherheit mit konzeptionellen und gestalte- bringt allerdings das Problem mit sich, dass rischen Ideen in Einklang gebracht werden sich der Betrieb nach dem Wegfall der För- konnten. Ein Bebauungsplan war notwen- derungen zu 100% aus der Vermarktung von dig, um eine Grundlage für den Flächener- Ökofleisch, Zuchtrindern und der natur- werb durch die Stadt zu erhalten, um Aus- schutzorientierten Landschaftspflegeförde- gleichsflächen festzulegen, Wegerechte auf rung selbst tragen muss. privaten Grundstücken zu sichern und nicht zuletzt um die Ansiedelung von großflächi- Die intensiver gestalteten Flächen des Grü- gem Einzelhandel zu verhindern. nen Bogens werden durch einen Wander- schäfer mit beweidet, der im Nordosten der Auf der informellen Ebene bilden sowohl der Stadt noch weitere Flächen betreut. Wettbewerbsentwurf des Büros HÄFNER/ JIMENEZ als auch das naturschutzfachliche Zur täglichen Kontrolle der Fläche konnte für Konzept des Büros poserplan die Grundla- ein Jahr eine ABM-Kraft einstellt werden. gen des Gesamtkonzeptes. Kommunikationsstrategien Die Rahmenbedingungen der Beweidung im Sinne des Naturschutzes (wie z.B. die An- Die hohe Akzeptanz, die das außergewöhn- zahl der Tiere) regelt ein Bewirtschaftungs- liche Projekt in der Bevölkerung erfährt, vertrag. basiert auf den vielfältigen Beteiligungs- möglichkeiten sowie auf einer aktiven Infor- Eine Besonderheit des Projektes ist, dass mations- und Öffentlichkeitsarbeit. neu auftretende Probleme, wie neue EU- Richtlinien zu Impfverpflichtungen, jenseits Zur Vermittlung der Arbeitsstände im Projekt der eingeübten Planungsroutinen offensiv werden regelmäßig Informationsveranstal- angegangen werden. tungen durchgeführt. Über eigenständige Projektbausteine wird auf Sonderveranstal- Finanzierung und Inwertsetzung tungen informiert. Bei Führungen kann das Manövergelände erkundet werden, Faltblät- Der Bürgerpark wird über städtische Ei- ter informieren über die Entstehungsge- genmittel, Fördermittel aus verschiedenen schichte und die Beteiligungsmöglichkeiten Programmen (Gewerbeflächenentwicklung, am Projekt. Die Aktion „Für eine baumstarke Stadtumbau) und aus Spenden finanziert. Stadt“ fordert zur Übernahme von Baum- Bewusste Strategie ist, die Ausgleichsmaß- Patenschaften und Spenden auf. Bewohner Kontakt: nahmen anderer Bauvorhaben auf die Flä- nahmen bei Pflanzaktionen aktiv an der Ge- Stadt Leipzig che zu lenken und eine Anschubfinanzie- Amt für Stadtgrün und Ge- staltung ihres Wohnumfeldes teil. wässer rung für die Realisierung des Grünen Bogens Nonnenstr. 5 c zu bewirken, so dass 60% der Maßnahmen Die Tradition der Leipziger Bürgerverei- 04229 Leipzig Tel. 0341 123-0 über Ausgleichsmittel finanziert sind. Ju- ne wird aktiv genutzt. Der Bürgerverein stadtgruen.gewaesser@leipzig. gendtreff und Manövergelände sind Pilot- Paunsdorf e.V. ist gemeinsam mit dem Amt de projekte im Europäischen Forschungspro- für Stadtgrün und Gewässer ständiger An- Weiterführende jekt GreenKeys und wurden darüber anteilig sprechpartner für Bürger und Interessierte. Informationen finanziert. Die Erschließung (Wege, Stege, Verwaltungsintern wurde eine intensive • www.gruener-ring-leipzig.de Terrassen) erfolgte mit städtischen Mitteln. • www.greenkeys.org fachämterübergreifende Kommunikations- Durch die Ökofleisch-Produktion wird -ver kultur aufgebaut, die weiter gepflegt wird. Ein ländliches Experiment im „Plattenbau“ – Grüner Bogen Paunsdorf 83

Chancen und Lösungswege • Finanzielle Risiken durch unvorherge- • Gestaltung und Entwicklung einer ur- sehene Erfordernisse bei Tierhaltung banen Landschaft als Teil des Grünen wie z.B. Impfungen Rings Leipzig • Gefährdung des Projekts durch das Aus- • Verbindung von stadtnaher Erholung laufen der AB-Maßnahme für die tägli- und Naturschutz che Kontrolle der Fläche • Identifikation der Bewohner durch den Innovation und Vorbildcharakter Erlebniswert Durch extensive und naturverträgliche Be- • Geringe Vandalismusschäden durch weidung wird der Offenlandcharakter am Identifikation Stadtrand entwickelt. Die Beweidung ist • „Plus-Minus-Null“-Rechnung für die eine sinnvolle Alternative zu konventionel- Pflege der Renaturierungsflächen len Pflegemaßnahmen im urbanen und sub- • Mögliche Beschäftigungseffekte durch urbanen Raum. das Beweidungsprojekt Das Motiv der Beweidung stärkt die Identifi- kation der Bewohner mit ihrem Umfeld. Tra- Probleme und Hemmnisse gende Stützen des Projektes sind die klein- • Mehrbelastung der Mitarbeiter durch teilige Akteursstruktur und die erfolgreiche Fehlen von notwenigem Flächenmana- Anpassung der jeweiligen „Flächentaktik“ gement im Leistungsprofil an die sich wandelnden Erfordernisse. • Ausgleichserfordernis der Erschlie- Die öffentlichkeitswirksame Teilnahme an ßungsmaßnahmen des Parks nach europäischen Projekten (Forschungsvor- Naturschutzgesetz (Gefährdung der Fi- haben greenkeys) unterstützt die intensive nanzierung des Bürgerparks) Öffentlichkeitsarbeit und sorgt für interna- tionale Publizität.

>> Der Aufwand für alternative Bewirtschaftung ist am Anfang unvertretbar hoch – es lohnt sich am Ende aber doch! << Karmen Seidel, Amt für Stadtgrün und Gewässer, 09.09.08

Der Grüne Paunsdorfer Bogen (Flyer: Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig)

2000 landschaftsarchitektonischer Wettbe- werb

ab 2004 Beginn der Beweidung

2005 Fertigstellung 1. Bauabschnitt „Grüner Bogen“

2007 Architekturpreis der Stadt Leipzig

bis 2011 geplante Fertigstellung des Gesamt- Beweidung durch Schafe projektes (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) 84 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Dessau-Roßlau, Sachsen-Anhalt Die In-Kulturnahme urbaner Landschaft – „400 qm Dessau“

Das Engagement der Bürger ist einer der wichtigsten Motoren im Stadtumbau Dessau- Roßlau. Wenn abgerissen wird, entsteht ein Stück Landschaft mit grünen Parzellen, die die Bürger gestalten und pflegen können. Die Stadt gewinnt neuartige Freiraumtypen.

Kontext geltlich zur Verfügung gestellt. Patenverein- barungen regeln die Grundzüge der Gestal- Bereits 1998 kristallisierte sich in Dessau tung und der Pflege. Jedem Projekt wird eine eine Leerstandsproblematik heraus, die individuelle Erstausstattung (Baumaterial, mit den bisherigen Planwerken nicht mehr Wasseranschluss, etc.) zur Verfügung ge- adäquat behandelt werden konnte. „Stadt- stellt. inseln – urbane Kerne und landschaftliche Zonen“ ist die strategische Antwort der Stadt Die ersten Claims entstanden im Quartier Dessau-Roßlau, mit der sie sich auch an der „Am Leipziger Tor“, das zu den am stärksten IBA Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 be- von Abwanderung betroffenen Stadtteilen teiligt. Angesichts eines prognostizierten zählt. Dort werden beispielsweise im Apo- Einwohnerrückganges um fast 50% zielt das thekergarten Heilpflanzen gezeigt. Der Ver- Konzept darauf ab, urbane Stadtkerne zu ein „Energietisch Dessau“ experimentiert stabilisieren und auf den frei gewordenen mit Energiepflanzen. Das Multikulturelle Flächen Schritt für Schritt einen ca. 90 ha Zentrum Dessau bewirtschaftet einen Claim + großen Landschaftszug aufzubauen. als Garten. Nachdem der Stadtumbauprozess 2004 trotz Landschafts- und Freiraumkonzept des visionären Konzeptes der „Stadtinseln“ ins Stocken geraten war, wurde „400 qm Gemeinsam mit den Bürgern wurde die Idee Dessau“ als neue, flexible und dynamische der zukünftigen Landschaft entwickelt. Das Strategie mit anderen Akteuren und Metho- Dessau-Wörlitzer Gartenreich sollte das + den erarbeitet. Vorbild des Landschaftszuges sein. Motive des Gartenreiches, wie Module aus Eichen- Projekt Quincunx (Baumgruppe aus fünf Eichen) und weite Wiesen bilden die Grundelemente Mit dem Konzept „400 qm Dessau“ setzt Des- der Landschaft. Die Claims werden wie Stem- sau darauf, den Stadtumbau „mit und durch pelabdrucke in das landschaftliche Kontinu- Bürger“ zu gestalten. Bewohner, Träger kul- um gesetzt. Gestalterische Gemeinsamkeit tureller Institutionen, Initiativen und Verei- der Claims sind rote Holzeinfassungen und + ne können für eine oder mehrere Claimflä- ein umlaufendes Schotterrasenband. chen im Landschaftszug die Verantwortung Der größte Unterschied zu herkömmli- übernehmen und nach eigenen Vorstellun- chen Parkanlagen besteht im permanenten gen gestalten. Die Landschaftsmodule fol- Wandel der neuen urbanen Landschaft im gen einem einheitlichen Raster von 20 x 20 Sinne eines lernenden Prozesses. Die Stadt Metern und stellen trotz der zeitlichen und gewinnt einen völlig neuartigen Freiraumty- räumlichen Unbestimmtheit eine gestal- pus, der nicht über Nutzungen und Funktio- terische und strukturelle Grundordnung nen vorprogrammiert wird, sondern seinen her. Die Claims werden in ein Wegesystem Charakter erst durch den allmählichen Pro- eingebunden, den „Roten Faden“, der den * Katasterfläche in km²: zess der In-Kulturnahme durch die Akteure wachsenden Landschaftszug erschließt. • 1992: 182,83 und die Art der Bewirtschaftung erhält. Die Rote Metallwimpel markieren den Weg und • 2007: 244,64 Landschaft wird zum unmittelbaren Le- informieren über die jeweiligen Projekte. bensraum und zum lebendigen Schaufens- Die Flächen werden den Akteuren unent- ter der Stadt.

Stadt: Dessau-Roßlau Bundesland: ST Stadttyp: Mittelstadt

Einwohner 1992: 96.719* Einwohner 2007: 89.934* Lage: Innenstadtrand

Konzept: gesamtstädtisch Projektfläche: 400 qm Umsetzungsstand: realisiert Die In-Kulturnahme urbaner Landschaft – 400 qm Dessau 85

Ziele und Maßnahmen • Aufwertung des Wohnumfeldes, Stabi- lisierung von Nachbarschaften, Verbes- serung des Images • Neue sozial und kulturell getragene Freiraumkonzepte • Arbeiten gegen den Verfall der verblei- benden Quartiere durch die In-Kultur- nahme • Integration bisher getrennt agierender Ressorts wie Jugendarbeit, schulische Bildung, etc. • Erzeugung ökologischer Qualitäten 2004 begann die Arbeit mit den Akteuren zur Entwicklung des Claim-Konzeptes. Als Ergebnis der Kampagne „400 qm Dessau“ konnten 2006 die ersten beiden Claims übergeben werden. Parallel eröffnete im September die Kontaktstelle Stadtumbau als Anlauf- und Vermittlungsstelle im Quartier. Seit 2008 weisen erste Schilder des „Roten Fadens“ den Weg durch den Landschaftszug. Bis 2009 waren 12 Claims realisiert, 8 Claims Leitbild des Stadtumbaus, Urbane Kerne – Landschaftliche Zonen, 2. Fortschreibung sind in Vorbereitung (u.a. der Spiele-Claim STEK Dessau-Roßlau 2006 (Plan: StadtBüro Hunger, Berlin ) der Wirtschaftsjunioren und der Garten der Sinne).

Akteurskonstellation und neue Träger- zwei konstruktive Bündnispartner zusam- schaften men, die ein breites Spektrum an Kompe- Mit der Stiftung Bauhaus Dessau und einer tenzen abdecken. Die Stiftung Bauhaus mutigen Stadtverwaltung (Stadtplanungs- Dessau bringt ihre fachliche Kompetenz in den Bereichen Ästhetik und Kommunika- amt, Amt für zentrales Gebäudemanage- tion mit ein, die einen wesentlichen Faktor ment/Freiraum- und Grünplanung) arbeiten für das Gelingen der Projekte darstellt. Die Kontaktstelle Stadtumbau der Agenda 21 ist ein gemeinsames Kind beider Institutionen und koordiniert die Arbeit zwischen den Bürgern und der Verwaltung. Das notwendige Flächenmanagement und die qualitative Absicherung der Claim-Ide- en erfolgt über die ämterübergreifende Ko- ordinierungsstelle Stadtumbau, die einmal monatlich tagt und aktuell anstehende Ar- beitsschritte koordiniert. Eine wichtige Ar- beitsgruppe ist die AG Flächenmanagement unter der Leitung des Vermessungsamtes. In den Entstehungsprozess des Landschafts- zuges werden zur vertiefenden Bearbeitung

aktueller Themen externe Fachleute u.a. + überbrücken markieren + kommunizieren informieren zeigen + begleiten signalisieren über Wettbewerbe und Workshops einbe- zogen. Kontinuierlich begleitet wird der Stadtumbau durch die Dessauer Planungs- werkstatt Stadtumbau, in der Vertreter der Verwaltung, (Wohnungs-) Unternehmen, „Der Rote Faden – Stadt- umbau erzählen, Bürger Kinder im Claim „Stein-Garten“ Planer, Vereine, Initiativen, und kulturelle aktivieren“ (nrs-Team, Cham/ (Foto: Heike Brückner) Institutionen zusammentreffen. Schweiz 2007) 86 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

die Stadt ihre Gestaltungsvorstellungen über langfristige Gestattungsverträge (15 Jahre) mit dem Eigentümer abzusichern. Die Kosten von ca. 3.000 bis 4.000 Euro für die Herrichtung je Claim werden derzeit über Stadtumbaumittel, Programmteil Auf- wertung, finanziert.

Pflege und Unterhaltung Für die einjährige Mahd der extensiven Wiesen ist perspektivisch der Einsatz land- wirtschaftlicher Großmaschinen vorgese- hen. Die entstehenden Kosten werden auf 3 Cent/qm geschätzt. Claim-Interkultureller Garten (Foto: © Jürgen Hohmuth/zeitort.de) Grundlage für die Pflege bildet ein Pflege- und Entwicklungsschema, das aus einem Planungs- und Rechtsinstrumente interdisziplinären Workshop hervorgegan- gen ist. Es zeigt Pflegebilder und eine- Ab Im FNP ist der Landschaftszug mit der neu- folgematrix, die bestimmte Pflegeeingriffe en Flächenkategorie „Umzustrukturieren- vorgeben und illustrieren. de Mischbauflächen, umzustrukturierende Wohnbauflächen“ dargestellt. Sie ist in der Teilflächen sollen durch Claim-Akteure ge- Planzeichenverordnung nicht enthalten, ge- pflegt werden. So wird die Pflege zwar nicht währleistet aber ein hohes Maß an Flexibili- grundsätzlich entlastet, es ist eher die höhe- tät für die Umsetzung des Konzeptes. re Akzeptanz für den Stadtumbau, die sie so wertvoll macht – eben: mitgestalten. Auf informeller Ebene stützt der Leitfaden „Landschaftszug Dessau-Roßlau – Hand- Gegenwärtig sucht die Stadt nach Finanzie- lungs- und Gestaltungsvereinbarungen“ rungsmöglichkeiten für die Beschäftigung die prozessorientierte Planung des Land- sogenannter „Landmeister“. Diese sollen schaftszugs. Das durch die Stadtverordneten kleinere Pflegearbeiten übernehmen und beschlossene Dokument enthält Empfeh- ein Auge auf die Claims haben. lungen zur Umsetzung notwendiger Maß- nahmen und zur Organisation der kommu- Kommunikationsstrategien nalen Strukturen. Um das Projekt offensiv zu kommunizieren Mit dem Abschluss der Nutzungsvereinba- wurde „400 qm Dessau“ als Marke insze- rungen zwischen Akteuren und Stadt kann niert. Dazu gehörte ein breit angelegter Pro- die Entwicklung direkt gesteuert werden. jektaufruf der Stiftung Bauhaus Dessau und Angestrebt wird eine Nutzungszeit von min- eine Werbekampagne mit Großplakaten an destens 5 Jahren. Informelle „Spielregeln“ Giebelwänden der verbleibenden Gebäude. ergänzen die Verträge. Jeder Einzelfall wird Im Kontaktbüro Stadtumbau bei der Loka- neu ausgehandelt, dabei werden die abgefor- len Agenda 21 können sich die Bürger über derten Pflichten der Partner an deren Mög- Kontakt: die Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung lichkeiten angepasst. Vereine müssen bspw. Stiftung Bauhaus Dessau informieren. Das Kontaktbüro sucht auch (Projektinitiator) die Verkehrssicherungspflicht übernehmen, selbst aktiv nach Claim-Akteuren, Pflege- Gropiusallee 38 bei Einzelpersonen springt die Stadt ein. 06846 Dessau Paten und Eichen-Stiftern. Zur Verstetigung Tel. 0340 6508-250 der Arbeit der Kontaktstelle ist die Gründung [email protected] Finanzierung und Inwertsetzung einer Bürgerstiftung im Gespräch. Stadtverwaltung Dessau- Die Stadt strebt den Kauf der umzugestal- Rosslau Unter dem Wettbewerb „Roter Faden – Freiraum- und Grünplanung tenden Grundstücke an. Allerdings kann Stadtumbau erzählen, Bürger aktivieren“ Gustav-Bergt-Straße 1 die öffentliche Hand den Werteverfall der 06862 Dessau wurden weitere Ideen zur Kommunikation Grundstücke nicht ausgleichen und bemüht Tel. 0340 204-0 des Stadtumbaus entwickelt. Das Wegeleit- gruenplanung@dessau-rosslau. sich daher aktiv um realistische Bodenwer- de system durch den Landschaftszug ist eine te. Pilothaft wurde an einem Beispielgrund- der bereits umgesetzten Ideen. Weiterführende stück im Landschaftszug für die in Aussicht Informationen genommene Nutzung ein Verkehrswert von Regelmäßig angebotene Stadtumbauspa- • www.bauhaus-dessau.de/ umbaustadt 1,30 Euro/m² gutachterlich ermittelt. Füh- ziergänge und Aktionstage kommunizieren ren Kaufangebote nicht zum Ziel, versucht den Projektfortschritt in die Öffentlichkeit. Die In-Kulturnahme urbaner Landschaft – 400 qm Dessau 87

Chancen und Lösungswege • Negativeffekte durch enge räumliche Nachbarschaft zu Stadtbrachen mög- • Unkonventionelles Handeln und hohe lich Motivation durch Teilnahme an der IBA Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 • Gefahr eines Motivationsabfalls nach der IBA Stadtumbau Sachsen-Anhalt • Notwendige Kompetenzen durch Zu- 2010 sammenarbeit mit der Stiftung Bauhaus Dessau Innovation und Vorbildcharakter Entwicklung einer Marke • Schrittweiser Aufbau eines zusammen- (Image: sternenwerkstatt) Neue Freiraumtypen werden als öffentliche hängenden urbanen Landschaftsraums Orte etabliert, die als Quartiersanker auch • Entwicklung neuer Freiraumtypen, die zur Stabilisierung der Wohngebiete beitra- im sozialen und kulturellen Kontext gen. Bewohner und soziale Akteure über- entstehen nehmen vermehrt Verantwortung für den • Identifikation der Bewohner mit ihrem Raum und für das Quartier. Dadurch werden Wohnumfeld durch Verantwortungs- innovative Nutzungsformen gefördert und übernahme gleichzeitig moderne Milieus bei Integration verschiedener sozialer Gruppen geschaffen. • Kostenextensive Pflege der Renaturie- rungsflächen durch Nutzer bzw. exten- Die einzelnen Schritte zur Umsetzung der sive Pflegeformen Claims und des Landschaftszuges sind in verschiedene Gesamtstrategien (Stadtent- • Mögliche Beschäftigungseffekte im wicklung, Quartiersstabilisierung, Leitfa- Rahmen des Pflegekonzeptes den) eingebunden. Dadurch wird das Pro- jekt in der Stadt und der Stadtgesellschaft Probleme und Hemmnisse vielfältig verankert. • Fehlen von finanzieller und personeller Kontinuität in Pflege und Unterhaltung

2007: Bürger-Claims als Tritsteine im Dessauer 2008: In-Kulturnahme des Claims als Apotheker- Landschaftszug (Foto: Doreen Ritzau) Garten (Foto: Heike Brückner)

Ab 2004 Entwicklung eines dynamischen und >> Vermittler werden gebraucht flexiblen Konzeptes zur Umsetzung des – ungewöhnliche „Wege“ werden Stadtumbaus immer wieder neu verhandelt. << 2006 Kampagne „400 qm Dessau“, Eröff- Heike Brückner, Bauhaus Dessau, 10.09.08 nung des ersten Claims Ausschnitt, Pflege- und Ent- 2006 Kontaktstelle Stadtumbau als Anlauf- wicklungsschema (Leitfaden und Vermittlungsstelle im Quartier „Landschaftszug Dessau- Roßlau – Handlungs- und 2008 Aufstellung des Wegeleitsystems „Roter Gestaltungsvereinbarungen“, Faden“ Stadt Dessau-Roßlau) 88 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Dresden, Sachsen Grüne Impulse für den Dresdner Südwesten – Grünzug Weißeritz

Das 19. springt ins 21. Jahrhundert: In kleinen Schritten werden historische Potenziale entlang der Weißeritz zeitgemäß entwickelt. Das letzte Hochwasser gab der Realisierung von Projekten den entscheidenden Schub. Und auch die Bürger schieben kräftig mit.

Kontext gen worden. Auf dem Areal des ehemaligen Kohlebahnhofs und den Brachflächen des Trotz ihrer Lage in der „Metropolregion Sach- stillgelegten Glaswerks konnte nach Abriss sendreieck“ und ihrer wirtschaftlich dyna- der erste Teilabschnitt des Grünzugs ver- mischen Entwicklung ist die Stadt Dresden wirklicht werden. Die südlichen Teilbereiche von Transformationsprozessen betroffen. stehen zur Realisierung noch aus. In den ehemals industriell geprägten süd- westlichen Stadtgebieten entlang der Wei- Die verheerende Überschwemmung im Au- ßeritz ist der Strukturwandel voll im Gang. gust 2002 hat neue Impulse für den Grünzug Die Stadt stellt sich dieser Herausforderung Weißeritz gesetzt. Mit dem neuen Hochwas- durch das integrierte Stadtteilentwicklungs- serschutzkonzept wurden große Flächen- konzept Weißeritz im Rahmen des Europä- anteile für den Grünzug gesichert und erste ischen Fonds für Regionale Entwicklung Maßnahmen im Rahmen der Flutschadens- (EFRE). Die Bandbreite der Maßnahmen beseitigung umgesetzt. reicht von der Förderung ansässiger Unter- + nehmen über infrastrukturelle Verbesserun- Landschafts- und Freiraumkonzept gen, Instandsetzung von Industriekultur, In Verknüpfung der Zeugnisse wertvoller bis zur Anlage eines stadtteilübergreifenden Industriekultur aus dem 19. Jahrhundert Freiraumsystems. (Mühlen, Schleifereien und Schmieden) und Die Erfordernisse des Hochwasserschutzes dem südlich angrenzenden Landschafts- bieten zudem die Chance, die anspruchsvol- raum des Plauenschen Grunds wird ein line- + le Grün- und Freiraumentwicklung nachhal- arer, intensiv gestalteter Park als städtischer tig zu gewährleisten. Erlebnissraum „Fluss im urbanen Bereich“ etabliert. Projekt Im ersten Teilabschnitt wurden überwiegend Mit der Ausbildung des Grünzugs Weißeritz klassische Nutzungsbereiche, wie Wiesen, verfolgt die Stadt das Ziel, dem Dresdner Spielplätze, Sportanlage für Biker und Ska- Südwesten eine nachhaltige Entwicklungs- ter und Aufenthaltsbereiche in zeitgenössi- + perspektive zu eröffnen. Entlang des Flus- scher Landschaftsarchitektur angelegt. Hier ses sollen langfristig öffentliche Grün- und folgt der Grünzug dem historischen Verlauf Freiflächen entstehen, die durch einen bis in der Weißeritz. die Innenstadt führenden Fuß- und Radweg In dem stark hochwassergefährdeten Gebiet verbunden sind. Die Realisierung erfolgt in wird der Fluss weit gehend über Maßnah- Teilabschnitten. men des technischen Hochwasserschutzes gesichert. Als gezielt erlebbare Schnittstelle Damit soll die Attraktivität des umliegenden + zwischen dem Fluss und öffentlichem Frei- Stadtgebietes gesteigert und das Rückgrat raum wird eine Wassertreppe diskutiert. der Wohnquartiere und der gewerblichen Standorte gestärkt werden. Erste Schritte auf Weiter südlich sind die Planungen nicht ab- diesem Weg sind bereits von verschiedenen geschlossen. Dieser Abschnitt der Weißeritz Akteuren der Stadtverwaltung, gemeinnüt- soll naturnah gestaltet werden. Bereits heu- ziger Einrichtungen, der Wirtschaft sowie te ist dort der Sächsische Mühlenverein als Künstlern nach intensiven Dialogen gegan- neuer Träger aktiv.

Stadt: Dresden Bundesland: SN Stadttyp: Großstadt

Einwohner 1992: 502.504 Einwohner 2007: 507.513 Lage: Innenstadtrand

Konzept: teilräumlich Projektfläche: 0,6 ha Umsetzungsstand: z.T. realisiert Grüne Impulse für den Dresdner Südwesten – Grünzug Weißeritz 89

Ziele und Maßnahmen • Revitalisierung Dresdner Südwesten • Beseitigung der negativen städtebauli- chen Wirkung der Industriebrachen • Anlage einer öffentlichen Wegeverbin- Kohlebahnhof

dung , Grün- und Spielflächen ehemaliges • Verbesserung der Naherholungsmög- Glaswerk lichkeiten für den Dresdner Südwesten • Verbesserung der Wohnumfeldqualität in den angrenzenden Wohnquartieren • Herstellung von Grundstücken für mög- liche Investoren • Mobilisierung und Einbeziehung loka- ler Akteure Im Rahmen der Umsetzung des ersten Teil- abschnittes erfolgte auf dem ehemaligen Kohlebahnhof und dem Gelände des Glas- werks der Abbruch und die Beräumung von Gebäuden und baulichen Anlagen. Unmit- telbar darauf wurden die Flächen von Altlas- ten befreit und eine Tiefenentrümmerung durchgeführt. Die gesamte Fläche wurde lagenweise aufgefüllt und mit Oberboden- Grünzug Weißeritz mit erstem Teilabschnitt auftrag und Graseinsaat gegen Verwehung (Plan: Stadt Dresden; B.U.S., Dresden) gesichert. Mittlerweile wurden Flächenteile in den Grünzug Weißeritz integriert und bil- zung einzelner „Bausteine“ des Gesamtkon- den jetzt einen Teil des Rad- und Fußweges. zeptes einbezogen.

Akteurskonstellation und neue Träger- Zur Begleitung und Förderung unterschied- schaften licher Initiativen werden engagierte Bürger, Grundstückseigentümer im Weißeritz-Ge- Zwar ist die Stadt der Hauptakteur bei der biet und „Grün-Mäzene“ gesucht, die sich Entwicklung und Umsetzung des Grünzu- aktiv an der Entwicklung des Grünzuges be- ges Weißeritz, ihr Ziel ist aber, wirtschaft- teiligen wollen. lich-unternehmerisches Handeln, gemein- nütziges Verantwortungsbewusstsein und Der Sächsische Mühlenverein hat sich zur privat-öffentliche Partnerschaften zu ver- Aufgabe gemacht, die Fundamente der al- knüpfen. Im Rahmen des Handlungsfeldes ten Pulvermühle frei zu legen und in einem „Querschnittsaufgaben – Kooperative Pla- Mühlenpark der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. nungsansätze, Öffentlichkeitsarbeit, Bür- gerbeteiligung“ im integrierten Stadtteil- Dem Projekt stehen die verwaltungsinterne entwicklungskonzept Weißeritz werden die Projektgruppe Weißeritz und das externe zahlreichen, lokalen Akteure (Bewohner, Büro für Umweltplanung und Stadtentwick- Eigentümer, Gewerbetreibende, etc.) gezielt lung (B.U.S.) zur Koordination und Modera- mobilisiert und bei der Planung und Umset- tion zur Seite.

Skateranlage im Weißeritz- Grünzug (Panorama: bgmr Landschaftsarchitekten) 90 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Umsetzung des Projekts Grünzug Weißeritz bis 2008 Mittel in Höhe von ca. 4 Mio. zur Verfügung. Diese Mittel stammen zu 75% aus dem EFRE-Programm und zu 25% aus Haushaltsmitteln der Stadt Dresden. Das EFRE-Projekt der Förderperiode 2000-2006 wurde 2008 abgeschlossen. Eine Bewerbung für die Förderperiode 2007-2013 ist bereits erfolgt.

Pflege und Unterhaltung In Dresden sind die Pflege und Unterhaltung von städtischen Grünflächen Auslöser für Entwurf, Wassertreppe an der Weißeritz, Schnittstelle zwischen Fluss und öffentli- einen stetigen Konflikt zwischen den Zielen chem Freiraum (Fotomontage: B.U.S., Dresden) der Stadtentwicklung und den finanziellen und personellen Möglichkeiten des Grün- Planungs- und Rechtsinstrumente flächenamts. Zwei Möglichkeiten werden im Zusammenhang mit dem Grünzug Wei- Das vom Stadtrat 2002 verabschiedete Inte- ßeritz intensiv diskutiert: Eine Aufstockung grierte Stadtteilentwicklungsprojekt Weiße- des Etats für die Pflege und Unterhaltung ritz stellte einen für Dresden bisher neuen der Anlage oder eine Rückstufung der Pfle- informellen Ansatz der Stadtentwicklung gestufe. dar. Er bietet die Möglichkeit, Stadtentwick- lung nicht nur als rein städtebauliches Anlie- Eine Analyse innovativer Lösungen, wie Flä- gen zu begreifen, sondern auch wirtschaftli- chenverpachtungen an private Träger bei che und soziale Belange mit einzubeziehen. gleichzeitiger Sicherung der öffentlichen Die darin definierten Handlungsfelder bil- Zugänglichkeit steht noch aus. Ein erster den einen flexiblen Rahmen, mit dem auch Ansatz zur Minderung des Pflegeaufwandes notwendige Modifikationen des Konzeptes besteht im experimentellen Einsatz einer koordiniert werden können. pflegeextensiven, jedoch langlebigen und attraktiven Staudenmischpflanzung (Peren- Zur Sicherung der öffentlichen Nutzung ne-Mix) im Weißeritz-Gebiet. von Freiflächen im ersten Teilabschnitt des Grünzuges wurden zwei Gestattungsverein- barungen mit privaten Grundstückseigen- Kommunikationsstrategien tümern abgeschlossen. Für die gewerbliche Mit Unterstützung eines Moderationsbüros Flächenentwicklung in diesem Bereich sind werden neue Formen der Kooperation und Bebauungsplan-Verfahren notwendig. Die Interaktion zwischen der Stadtverwaltung, Grundlage bilden städtebauliche Gutachter- Bürgern und lokalen Initiativen erprobt: Kontakt: verfahren, an denen auch die Grundstücks- Landeshauptstadt Dresden eigentümer beteiligt waren. Der „Weißeritz Stammtisch“ ist eine Platt- Geschäftsbereich Stadtent- form für den ständigen Erfahrungsaustausch wicklung Abt. Stadterneuerung Finanzierung und Inwertsetzung und die Vernetzung der Bürger, lokaler Un- Stadtplanungsamt ternehmer und Stadtentwickler. Ziel ist es, Tel. 0351 488-0 Zur Realisierung des ersten Teilabschnitts den Zusammenhalt innerhalb des Gebietes [email protected] hat die Stadt von 2006 bis 2008 zusätzliche, zu verbessern sowie die vielfältigen Poten- Landeshauptstadt Dresden altlastenbehaftete Teilflächen angekauft, die ziale des Weißeritzgebietes für eine gemein- Geschäftsbereich Wirtschaft privatwirtschaftlich nicht mehr vermarktbar Umweltamt same Präsentation nach Außen zu bündeln. Abt. Kommunaler Umwelt- waren. Teilweise wurden auch Flächen im Vom Weißeritz-Stammtisch wurden Infor- schutz Rahmen des freiwilligen Umlegungsverfah- Tel. 0351 488-0 mationstafeln zur Geschichte und Gegen- [email protected] rens nach § 45 BauGB getauscht. wart initiiert, mit denen besondere Orte im

B.U.S.– Büro für Umweltpla- Für das Gesamtprojekt Stadtteilentwick- Grünzug markiert werden. nung und Stadtentwicklung lung Weißeritz standen ca. 22 Mio. Euro zur Zittauer Straße 16 Ein „Bürgertreff“ ist Anlaufstelle für Bera- Verfügung. Die Fördersumme setzt sich aus 01099 Dresden tung und Information über Einzelmaßnah- Tel. 0351 6568382 einem Fördermix zusammen (u.a. Über- men und Fördermöglichkeiten. Er wird von [email protected] lagerung der EFRE-Förderkulisse mit Sa- Mitarbeitern des Verbundes Sozialpädago- Weiterführende nierungsgebieten und der Anwendung von gischer Projekte e.V. Dresden, dem Stadt- Informationen Ökokonten). • www.dresden.de/weisseritz planungsamt, B.U.S. sowie von engagierten In der EFRE- Gebietskulisse standen für die Anwohnern betreut. Grüne Impulse für den Dresdner Südwesten – Grünzug Weißeritz 91

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter • Erschließung attraktiver Landschafts- Das integrierte Stadtteilentwicklungskon- räume entlang der Weißeritz für die an- zept Weißeritz stellt einen für Dresden bisher grenzenden Stadtteile und die Gesamt- neuen Ansatz der Stadtteilentwicklung dar, stadt mit dem nicht nur wirtschaftliche, sondern • Umnutzung historisch wertvoller und auch soziale Ziele verfolgt werden. Wesentli- denkmalgeschützter Industriegebäude cher Motor der Entwicklung ist der Grünzug Weißeritz. Er ermöglicht die Identifikation • Konzentrierte, integrierte Stadtentwick- mit der Geschichte des Ortes und bildet das lung durch Bündelung von Maßnahmen räumliche Rückgrat der Revitalisierungspro- verschiedener Fördermöglichkeiten zesse im Weißeritz-Gebiet. • Förderung bereits aktiver Bürgerinitia- Die Kombination der städtebaulichen, wirt- tiven und Vereine und Aktivierung neu- schaftlichen und sozialen Entwicklung mit er Akteure den Zielen des Hochwasserschutzes ge- währleistet eine multifunktionale Nutzung Probleme und Hemmnisse der Flächen.

• Hoher Arbeitsaufwand durch aufwändi- Innovativ ist die aktive Teilnahme der Stadt- Überflutung durch die ge Projektentwicklung und erforderliche planung am Weißeritz-Stammtisch und dem Weißeritz im August 2002 in den roten Grenzen des Abstimmungs- und Moderationspro- Bürgertreff, wodurch eine breite Aktivierung Stadtteilentwicklungspro- zesse, Verschärfung durch Personaleng- lokaler Akteure sowie eine effektive Vernet- jekt Weißeritz (Plan: Stadt Dresden) pässe zung städtischer und privater Aktivitäten • Interessenskonflikte hinsichtlich zu- gelingt. künftiger Flächenentwicklung zwischen Stadtplanungs- und Grünflächenamt wegen ungeklärter Finanzierung von Pflege und Unterhaltung

Mühlstein/Zeugnis der Industriekultur (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) Flussbett der Weißeritz (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten)

>> Für die Realisierung eines Grünzugs entlang der Weißeritz werden Ausdauer, Mut zur Vision und das Engagement Vieler benötigt. << Thomas Pieper, Stadtplanungsamt Dresden, 21.08.08

2002 Verabschiedung Integriertes Stadtteil- entwicklungskonzept durch Stadtrat

2002 Weißeritz-Hochwasser

2002/2004 Leitbild Grünzug Weißeritz

2005/2006 Renaturierung Glaswerk Informationstafel des Weiße- ritz Grünzugs (Foto: bgmr) 2006 Moderationsverfahren Kohlebahnhof Neue Freiräume und Industriekultur 2007 Renaturierung Kohlebahnhof als Entwicklungspo- tenzial (Broschüre: 2008 Einweihung des Grünzugs Weißeritz Stadtplanungsamt und der Informationstafeln. Dresden) 92 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Essen, Nordrhein-Westfalen Freiraum schafft Stadtraum – Krupp-Park als Teil des Strahlenkonzepts

Entlang der Emscher-Zuflüsse werden Grünverbindungen umgesetzt, die im gesamten Stadtraum neue Lagequalitäten schaffen. Der Stahlriese ThyssenKrupp ist Partner im Strukturwandel und entdeckt das Grün als Imagefaktor für sein neues Headquarter.

Kontext 12 m hohen Hügeln modelliert. Entlang des weiten „Hochtals“, das sich durch die Hü- Essen hat sich in den letzten Jahrzehnten von gellandschaft zieht, laden u.a. Liegewiesen einer Industriestadt zu einer modernen Me- und Kinderspielbereiche zur aktiven Benut- tropole entwicklet. Unter dem Motto „Frei- zung ein. Den „Auftakt“ im Norden des Parks raum schafft Stadtraum“ nutzt die Stadt nun bildet ein rund 1 ha großer, ausschließlich ihr Freiflächenpotenzial, um Stadtteile und durch Regenwasser gespeister See. Unmit- Wirtschaftsstandorte weiter aufzuwerten, telbar dort führt der überregionale Fahrrad- „Wasser in der Stadt“ zu einem Potenzial der weg auf der Trasse der „Rheinischen Bahn“ Stadtentwicklung zu machen und die Stadt vorbei und bindet den Park an das Wegenetz mit der Region zu verknüpfen. des Ruhrgebiets an. Ein Baustein ist der Krupp-Gürtel, der den im Westen gelegenen Stadtteil Altendorf lan- Landschafts- und Freiraumkonzept ge von der Kernstadt abschirmte. Mit 230 ha Die ergebnisoffene Landschaftsvision „Frei- + ist seine Wiedergewinnung als Stadtraum für raum schafft Stadtraum“, in dem der Krupp- Wohnen, Wirtschaft, Kultur und Erholung Park einen Baustein darstellt, ist ein neuarti- eine der wichtigsten „grünen“ Stadtentwick- ger strategischer Ansatz, der darauf abzielt, lungsprojekte Essens. unter Einbindung vieler Akteure schrittwei- Krupp prägte die Entwicklung Essens ent- se neue urbane Strukturen aufzubauen und scheidend mit und ist auch heute Partner im vielfältige Lagequalitäten zu erzeugen. Strukturwandel. Von der Entscheidung, ihr Die geplante Renaturierung der Emscher + Headquarter auf das ehemalige Kerngelän- und ihrer Zuflüsse war für die Entwicklung de zu verlegen, ging ein wesentlicher Impuls des strukturgebenden Bildes im Strahlen- für die Entwicklung des Krupp-Gürtels aus. konzept bestimmend. Mit einer dreiphasi- gen Strategie soll das gesamtstädtische Kon- Projekt zept umgesetzt werden: Dort, wo einst die Schornsteine der Guss- Entlang der Strahlen werden durch einfa- stahlfabrik rauchten, entsteht im Auftrag che Maßnahmen und die Herstellung neuer der Stadt der rund 22 ha große Krupp-Park Sichtbeziehungen Freiräume erkennbar ge- als eines der zentralen Elemente im Krupp- macht (Belichten). Gürtel. Um den Planungsprozess ins öffentliche Be- Die Fläche, die nahezu 200 Jahre nicht für wusstsein zu rücken, werden die Strahlen die Öffentlichkeit nutzbar war, verbindet mit unterschiedlichen Themen belegt und zukünftig den Stadtteil Altendorf mit dem als Wasserachse, Kulturachse und Naturrou- Essener Stadtkern und sie wird auch Schau- te inszeniert (Inszenieren). platz für vielfältige Bürgeraktivitäten sein. So entstehen bereits vor der Realisierung Mit einem intelligenten Konzept werden Bilder vom neuen Essen und erzeugen Auf- Probleme der Altlasten, Entwässerung und bruchstimmung für eine beschleunigte Um- Topographie gelöst: In der ehemaligen Sen- setzung der Projekte (Projektieren). ke wurde mit dem Aushub des zentralen Boulevards eine Landschaft aus fünf bis zu

Stadt: Essen Bundesland: NW Stadttyp: Großstadt

Einwohner 1992: 627.269 Einwohner 2007: 582.140 Lage: Zwischenstadt

Konzept: gesamtstädtisch Projektfläche: 22 ha Umsetzungsstand: in Umsetzung Freiraum schafft Stadtraum – Krupp-Park als Teil des Strahlenkonzepts 93

Ziele und Maßnahmen • Inwertsetzung der Freiräume als „wei- che Standortfaktoren“ und Schaffung neuer Lagequalitäten • Neuentwicklung von Stadtquartieren und ehemaliger Industrieflächen zur attraktiven „Adresse“ • Auflösung vorhandener Unterschiede zwischen den nördlichen und südlichen Stadtgebieten • Räumliche und verkehrliche Verbin- dung des Stadtteils Altendorf mit dem Essener Stadtkern • Öffentlicher Park als Teil eines Gesamt- ensembles für innovative Lebens- und Arbeitswelten • Aufwertung angrenzender Stadtteile Krupp-Park Nordabschnitt und ThyssenKrupp-Quartier Die Neustrukturierung des gesamten Krupp- (Plan: KLA KIPARLANDSCHAFTSARCHITEKTEN, Milano-Duisburg) Gürtels umfasst ein umfangreiches Bündel an Entwicklungs- und Baumaßnahmen. Deren Umsetzung kann nur schrittweise Einige der Akteure haben sich im „Arbeits- erfolgen. Demzufolge ist ein Realisierungs- kreis Krupp-Gürtel“ zusammengeschlos- zeitraum von 2005 bis 2020/2030 angesetzt. sen und stoßen eine Reihe begleitender Der nördliche Teil des Krupp-Parks kann Maßnahmen und Projekte an. Das Projekt 2009 eröffnet werden. Die Fertigstellung des „Heimatgefühle“ ist ein Angebot an ver- ThyssenKrupp-Headquarters steht 2010 ins schiedenste Akteure, von Schule und Uni Haus. Der im südlichen Teil des Krupp-Gür- über Verbände und Geschäftsleute bis zu tels geplante Park wird danach verwirklicht. Medien, das neu entstehende Stadtquartier mit zu gestalten und mit Leben zu füllen. In Akteurskonstellation und neue Träger- einer großen Pflanzaktion haben mehr als schaften 100 Bürger die ersten 1.000 Bäume gesetzt. Die Liste der Partner im erfolgreichen Ent- Beschäftigungspolitische Maßnahmen sind wicklungsprozess des Krupp-Gürtels zeigt integrale Elemente des Konzeptes. Eine die Vielschichtigkeit und thematische Breite beispielhafte Zusammenarbeit besteht zwi- der Kooperationen: u.a. Stadtplanung, Stadt- schen der Agentur für Arbeit, Handwerks- erneuerung, Grün und Gruga Essen, Pres- und Baubetrieben und der Stadt Essen. Um se- und Kommunikationsamt, Umweltamt, beschäftigungswirksame Effekte mit dem Tiefbauamt, Essener Arbeit und Beschäfti- Stadtumbau zu erzielen, werden mit Hilfe gungsgesellschaft, Agentur für Arbeit, Woh- des städtischen Sozialetats spezifische Qua- nungsgesellschaften, Wirtschaftsförderung, lifizierungsmaßnahmen gefördert, die zu Universität Duisburg-Essen, ThyssenKrupp einer Eingliederung in den 1. Arbeitsmarkt Real Estate, Stadtteilbüro Altendorf. führen sollen.

Kleingärtner und Schüler bei der Pflanzaktion; Schülerwettbewerb Heimatgefühle, Entwürfe der 4a (Fotos: Stadtbildstelle Stadt Essen) 94 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Planungs- und Rechtsinstrumente gesellschaft mbH (EABG) als 100%-ige Toch- tergesellschaft der Stadt Essen. Das Konzept „Freiraum schafft Stadtraum“ ist auf mehreren Planungs- und Strategie- Kommunikationsstrategien ebenen verankert. Als Teil des Stadtent- wicklungsprozesses 2015+ bestimmt es den Essen informiert die Öffentlichkeit umfas- Stadtumbau Essens entscheidend mit. Die send über die Veränderungen in ihrer Stadt Ergebnisse von „Freiraum schafft Stadt- und annimierte die Bürger zum Mitma- raum“ fließen auch in den Regionalen Flä- chen bei der Gestaltung des Krupp-Gürtels. chennutzungsplan (RFNP) ein, der derzeit Sechsundsechzig Wochen lang konnten sich zusammen mit den Städten Bochum, Gel- Besucher vor Ort im Infopoint über den senkirchen, Herne, Mühlheim a.d. Ruhr und Krupp-Gürtel informieren, die Bauarbeiten Oberhausen aufgestellt wird. Aufgrund sei- beobachten und an mehr als 200 Baustel- ner Akteursorientierung und seines neuen lenführungen teilnehmen. Die Informa- stadträumlich strategischen Ansatzes kann tionstätigkeit wird nun vom Stadtteilbüro das Konzept zu einem wichtigen Prüfstein Treffpunkt Altendorf weitergeführt. Bau- für die strategische Bedeutung der land- stellenbesucher können sich entlang des schaftsorientierten Stadtentwicklung wer- bunten, 200 Meter langen Bauzaunes vom Strahlenkonzept (Plan: KLA KIPARLAND- den. Baufortschritt des ThyssenKrupp Quartiers SCHAFTSARCHITEKTEN) überzeugen. Richtschnur aller Planungen im Krupp-Gür- tel ist der im Jahre 2001 vom Rat der Stadt Unter dem Motto „Heimatgefühle“ werden Essen beschlossene städtebauliche Rah- eine Reihe von Einzelmaßnahmen und The- menplan. Die Notwendigkeit einer abge- men gefasst, die zur Identifikation mit dem stimmten städtebaulichen Gesamtkonzepti- neuen Stück Stadt führen sollen. Den Auf- on zur schrittweisen Umsetzung war für die takt zum Projekt Heimatgefühle macht ein Stadt und ThyssenKrupp Real Estate Anlass, Wettbewerb für Schüler der acht Altendor- den Rahmenplan gemeinsam zu erarbeiten. fer Schulen, der sich mit Stadtteilgeschichte Auf seiner Grundlage wurden Verfahren zur und -perspektiven auseinandersetzte. Änderung bzw. Neuaufstellung von Bebau- Die große Pflanzaktion im Oktober 2008 ungsplänen durchgeführt. fand im Stadtteil großen Anklang. Sie entfal- tete auch integrative Wirkung und brachte Finanzierung und Inwertsetzung Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammen. Die Neuentwicklung des Krupp-Gürtels ins- gesamt wird erst durch die Zusammenarbeit Die Aktivitäten werden maßgeblich vom von privaten und öffentlichen Förderern Presse- und Kommunikationsamt der Stadt und Investoren möglich. ThyssenKrupp Essen entwickelt, das eine sehr aktive Pres- ist der Hauptinvestor und Entwickler des searbeit betreibt und das Internet als wichti- Headquarters. Die Stadt Essen stärkt mit ge Kommunikationsplattform nutzt. Unterstützung des Bundes und des Landes im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzie- rungsgesetzes (GVFG) die infrastrukturelle Erschließung des Krupp-Gürtels durch den

Kontakt: Bau des Berthold-Beitz-Boulevards.“ Stadt Essen Geschäftsbereich 6 A Der Krupp-Park wird mit städtischen Eigen- Betriebsleitung GGE mitteln, mit Mitteln des Landes Nordrhein- Umwelt- und Baudezernentin Rathaus, Porscheplatz Westfalen und des Bundes gefördert. Die 45121 Essen Stiftung „Lebendige Stadt“ hat mit einer Tel. 0201 88 883-01 [email protected] großzügigen Spende umfangreiche Baum- pflanzungen ermöglicht. KLA KIPARLANDSCHAFTS- ARCHITEKTEN, Milano- Duisburg Pflege und Unterhaltung Philosophenweg 6 47051 Duisburg Für die Pflege des Krupp-Parks ist die „Grün Tel. 0203 4280-982 [email protected] und Gruga Essen“ zuständig, eine eigenbe- triebsähnliche Einrichtung der Stadt Essen, Weiterführende Informationen die 2002 aus dem ehemaligen Grünflächen- • www.krupp-guertel.de amt hervorgegangen ist. Unterstützt wird Info-Box war Startpunkt der Baustellenführungen sie von der Essener Arbeit-Beschäftigungs- (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) Freiraum schafft Stadtraum – Krupp-Park als Teil des Strahlenkonzepts 95

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter • Beitrag zu einem erfolgreichen Struk- Essen richtet seine Stadtentwicklungspo- turwandel durch ein neues stadträum- litik maßgeblich auf das freiraumbasierte liches Konzept Strahlenkonzept aus, das Impuls gebend, • Wieder-Inwertsetzung nicht mehr ge- anpassungsfähig und umsetzungsorientiert brauchter Industrieflächen zugleich ist. • Erzeugung nennenswerter beschäfti- Mit dem Krupp-Park wird gezielt ein Rena- gungswirksamer Maßnahmen als integ- turierungsprojekt genutzt, um städtische raler Bestandteil des Konzeptes Standorte aufzuwerten und Lagequalitäten zu erzeugen. Das darin verankerte Public • Verbindung unterschiedlicher Träger Private Partnership kann als erfolgreiche Ko- der Stadtgesellschaft (Bürger, Wirt- operationsform generell strategische Bedeu- schaft, Verwaltung) im Rahmen des tung für die landschaftsorientierte Stadtent- Stadtumbaus wicklung erlangen. Hervorzuheben ist auch • Identifikation der Stadtgesellschaft mit die bewusste Verknüpfung von Standort-, der neuen Stadt, Anknüpfung an das Grün- und Beschäftigungspolitik. Heimatgefühl Durch eine vielschichtige und offensive • Beitrag zur Stärkung der Stadt in der Kommunikationsstrategie gelingt es, rele- Städtekonkurrenz Projekt Heimatgefühle vante Träger der Stadtgesellschaft in den (Logo: Marketing Stadt Stadtumbauprozess zu involvieren und ih- Essen) Probleme und Hemmnisse nen Verantwortung zu übertragen. • Mit der Realisierung der Maßnahmen entstehen für Pflege und Unterhaltung Folgekosten, die für die öffentliche Hand zu erheblichen Belastungen führen.

>> Beschäftigungspolitik und Standort- politik müssen vernetzt werden. << Bernd Schmidt Knop, Grün und Gruga Essen, 11.06.08

Bernd Schmidt-Knop und Dr. Andreas Kipar mit Blick über den künftigen Krupp-Park (Foto: bgmr)

Krupp-Werke 1910 (Luftbild nachkonturiert: Stadtbildstelle Stadt Essen)

2001 Städtebaulicher Rahmenplan

2005/2006 Masterplan „Freiraum schafft Stadt- raum“

2008 Projekt „Heimatgefühle“

2009 Fertigstellung Krupp-Park

2010 Fertigstellung ThyssenKrupp-Head- Ausschließlich aus Regenwasser gespeister See quarter (Perspektive: KLA KIPARLANDSCHAFTSARCHITEKTEN, Milano-Duisburg) 96 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Frankfurt am Main, Hessen Zwischen Sparta und Arkadien – Alter Flugplatz Frankfurt

Wo früher Militärhubschrauber dröhnten, erholen sich nun Mensch und Natur. Der Flug- platz ist ein Baustein des GrünGürtels Frankfurt. In dem sozialökonomischen und ökolo- gischen Projekt können Familien viel über die Natur und das Fliegen lernen.

Kontext soll dauerhaft beibehalten werden. Ziel der Renaturierung ist ein Zustand von Stadt- Die Region Frankfurt/Rhein-Main ist eine wildnis „zwischen Sparta und Arkadien“. der bedeutendsten Metropolregionen Die Geschichte des militärischen Flugplat- Deutschlands. Zwischen 2000 und 2006 stieg zes soll dabei ablesbar bleiben. Wesentlich die Zahl der Einwohner in der Region um für das sozialökonomisch ausgerichtete Pro- 1,1% auf 5,3 Millionen Menschen. Das Bild jekt sind die vielfältigen Aktivitäten, die vom der Region wird im Wesentlichen durch ihr wissenschaftlichen Langzeitmonitoring der wirtschaftliches Format bestimmt. Weiche Sukzessionsprozesse, über Bildungsarbeit Standortfaktoren, wie die unterschiedlichen mit Kindern bis hin zu Beschäftigungs- und Landschaftsräume, die kulturellen Angebote Qualifizierungsmaßnahmen reichen. und Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten wurden lange Zeit als untergeordnet wahr- Landschafts- und Freiraumkonzept genommen. Um die Potenziale der Land- schaft zu stärken und der stetigen Zersied- Der Alte Flugplatz Frankfurt ist Teil des + lungen der Landschaft Einhalt zu gebieten, GrünGürtels Frankfurts und damit auch in wurden bereits seit 1988 Strategien entwi- den Regionalpark RheinMain eingebunden. ckelt. Der Regionalpark RheinMain und der Im Gegensatz zu anderen Ballungsräumen GrünGürtel Frankfurt, sind mittlerweile so verfügt die Region Frankfurt über viele of- erfolgreich, dass die Landschaftsräume zu fene Landschaften, die bis in die Kernstadt wichtigen Identitätsträgern im Standort- hinein reichen. Durch den schrittweisen wettbewerb der Metropolregion wurden. Aufbau eines Wegenetzes und gestalteten + Freiräumen werden die Flächen gesichert. Projekt Der GrünGürtel fügt sich mit dem Stadt- wald, dem Niddatal und dem Berger Rücken Der Flugplatz „Maurice Rose Aifield“ wur- zu einem großen grünen Ring um Frankfurt de 1952 vom amerikanischen Militär in die zusammen. Mit 8.000 ha, etwa ein Drittel Auewiesen der Nidda gebaut. 1992 wurde des Stadtgebietes, ist er Frankfurts wichtigs- er geschlossen. Die Fläche war als Militär- tes Naherholungsgebiet. + fläche und zusätzlich durch die Nidda vom Wegenetz abgeschnitten. Bereits 1991 war Initialzündung für den Aufbruch am Alten der Auftrag durch die Stadtverordneten Flugplatz gab der Naturschutz. Die Wie- zur Eingliederung der Militärfläche in den dergewinnung der alten Nidda-Auenland- GrünGürtel Frankfurt erfolgt, doch schwie- schaft stand im Vordergrund, ein klassischer rige Grundstücksverhandlungen verzöger- Landschaftspark sollte nicht entstehen. Die ten ihre Renaturierung. Erst ab 2002, nach- wichtigste Innovation bei der Renaturierung + dem die Grundstücke vom Bund an die Stadt des Alten Flugplatzes liegt daher in der Ver- übertragen waren, konnten die geplanten bindung von Erholungsnutzung und Na- Maßnahmen umgesetzt werden. Das plane- turschutz. Dies gelingt einerseits durch die rische Konzept integrierte die neu entstan- gestalterische Inszenierung der Natur und denen, informellen Nutzungen (Inline Ska- die intensive kulturelle Bespielung des Ortes ten, Drachen steigen, etc.) und inszenierte und andererseits durch die Vermittlung der die Wiedereroberung des Flughafengelän- spezifischen Schutzbedürfnisse der sich re- des durch die Natur. Diese Doppelstrategie generierenden Natur.

Stadt: Frankfurt am Main Bundesland: HE Stadttyp: Großstadt

Einwohner 1992: 663.952 Einwohner 2007: 659.021 Lage: Stadtrand

Konzept: gesamtstädtisch Projektfläche: 10 ha Umsetzungsstand: realisiert Zwischen Sparta und Arkadien – Alter Flugplatz Frankfurt 97

Ziele und Maßnahmen • Öffnung des abgeschirmten Geländes • Integration des Flugplatzes in den GrünGürtel • Anlage einer siedlungsnahen Grünflä- che für die Stadtteile Bonames und Kal- bach • Wiedergewinnung der Niddaauen, Ein- beziehung in den Nidda-Uferweg • Entwicklung einer neuen Stadtnatur • Verbindung von Geschichte des Ortes, Erholungsnutzung und Naturschutz • Extensive und pflegearme Gestaltung • Etablierung eines Veranstaltungsortes Alter Flugplatz, Entwurfsplan von 2003 (Entwurf: GTL Gnüchtel Triebswetter Landschaftsarchitekten, Kassel) • Offenheit sowohl in den Nutzungen als auch in der Landschaftsentwicklung zung des Projektes war das Umweltamt der Zur Beschleunigung der natürlichen Suk- Stadt Frankfurt in enger Zusammenarbeit zession wurden ca. 3 ha Asphalt- und Beton- mit dem Grünflächenamt (Bau und Pflege). flächen aufgebrochen und liegen gelassen. Das Umweltamt begleitet die Entwicklung Gleichzeitig blieben 750 m Landebahn er- des GrünGürtels Frankfurt auf der Grund- halten, um die informellen Nutzungen wie lage des politischen Auftrages zur „innova- das Inline Skaten weiterhin zu ermöglichen. tiven Weiterentwicklung des GrünGürtels“. Der Auensteg und eine neu gebaute Brücke Von den ehemaligen Zwischennutzern sind schließen den Flugplatz für Fußgänger und der Verein Feuerwehrmuseum RheinMain Radfahrer an das übergeordnete Wegenetz und die Werkstatt Frankfurt e.V. noch aktiv. an. Neben der Landebahn wurde ein langer Es entstehen vielfältige Synergieeffekte zwi- Baumhain mit standorttypischen Bäumen schen den Akteuren. Die Werkstatt Frankfurt gepflanzt. Das bestehende Feuerwehrmuse- e.V. bewirtschaftet als Ausbildungs- und um, ein renovierter Hangar und das neu an- Qualifizierungsbetrieb das Tower-Café und gelegte Tower-Café runden das Angebot ab. pflegt mit dem Garten- und Landschafts- Mit extensiven Mitteln ist ein intensiver und bau-Eigenbetrieb einen Teil des Geländes. multifunktionaler Ort entstanden, der sich Der Verein Feuerwehrmuseum RheinMain bei jedem Besuch verändert zeigt. betreibt das Feuerwehrmuseum. Die Natur- schule Hessen GmbH bietet für Kinder und Akteurskonstellation und neue Träger- Erwachsene Naturerlebnisse an und beteiligt schaften sich am Programm „Entdecken, Forschen, Die Aktivitäten können nur gemeinsam Lernen im GrünGürtel“. Die Aeronauten- mit vielen Partnern entwickelt und finan- werkstatt (Verein Umweltexploratorium e.V.) ziert werden. Nach Einschätzung des Um- führt auf der Landebahn und im Kleinen weltamtes war die aktuelle Akteurs- und Hangar Experimente zum Thema „Fliegen“ Trägerkonstellation nicht gezielt gesteuert, durch. Das Forschungsinstitut Senckenberg setzte aber ausgedehnte Netzwerke voraus. stellt eine Langzeitbeobachtung zur ökolo- Hauptakteur bei der Initiierung und Umset- gischen Entwicklung der Flächen an.

Aufgebrochene Landebahn, Alter Flugplatz (Foto: bgmr Landschaftsar- chitekten) 98 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Die Werkstatt Frankfurt finanzierte den Aus- bau des Tower-Cafés mit Eigenmitteln. Diese Mittel werden mit der Miete an das Liegen- Alter Flugplatz schaftsamt verrechnet.

Pflege und Unterhaltung Der Pflege- und Unterhaltungsaufwand ist auf die Nidda-Wiesen, den Baumhain und die Unterhaltung der Wege beschränkt. Die Sukzessionsflächen bleiben sich selbst über- lassen, so genannte „Müllpicker“ sammeln den anfallenden Müll auf. Für die Wiesen Lernstation bestehen Pflegeverträge mit benachbarten Landwirten. Sie werden zwei Mal im Jahr un- ter Berücksichtigung des Vogel- und Arten- Lage im GrünGürtel Frankfurt (Plan: Stadt Frankfurt am Main, Stadtvermessungsamt und Umweltamt) schutzes gemäht. Die Pflege des Baumhains soll in die Verantwortung des Grünflächen- Planungs- und Rechtsinstrumente amtes übergehen. Die Pflege erfolgt durch den Garten- und Landschaftsbaubetrieb Für den Erfolg des Projektes ist die vorbe- der Werkstatt Frankfurt e.V., mit der ein Un- haltlose Unterstützung durch die Politik ein tervertag abgeschlossen wurde. Die Finan- entscheidender Faktor. Diese spiegelt sich zierung der Pflege des Baumhains soll aus u.a. in zahlreichen Beschlüssen der Stadtver- Spenden erfolgen. ordneten zur Förderung des Regionalparks RheinMain und des GrünGürtels Frankfurt Kommunikationsstrategien wider. Im FNP 2007 ist das gesamte Gelände des Alten Flugplatzes als ökologisch bedeut- Die enge Verbindung zwischen Stadtwild- sames Grünland ausgewiesen. Der konkre- nis und Erholung wird mit immer neuen ten Umsetzung liegt ein Objektentwurf des Kommunikationsstrategien vermittelt. Zur Landschaftsarchitekturbüros GTL Gnüchtel Berücksichtigung der Wünsche von zukünf- Triebswetter, Kassel zugrunde. tigen Nutzern fanden vorab viele Gesprä- che mit lokalen Akteuren statt (Ortsbeirä- Finanzierung und Inwertsetzung te Bonames/Kalbach, Naturschutzbeirat, Die Finanzierung basiert auf einer umfas- Anwohner, Planer). Mit unterschiedlichen senden Bündelung verschiedener Finanzie- Veranstaltungen (Froschkonzert, Raketen- rungelemente: Flugtag, Luftschifftag) werden ökologische Themen veranschaulicht und erfahrbar ge- • Ausgleichsabgabe Land Hessen macht. Die Spielregeln zum Umgang mit den • Europäische Union (SAUL Interreg geschützten Bereichen werden nicht ord- IIIb/Tems Programm) nungsrechtlich durchgesetzt, sondern über • Regionalpark RheinMain Taunushang Information und Kommunikation erreicht. GmbH Unter dem Motto „Alles im grünen Bereich“ werben „Landschaftslotsen“ um Verständnis • Planungsverband Ballungsraum Frank- für die Bedürfnisse der Natur. Basierend auf furt/RheinMain deren Erfahrungen soll 2009 ein gezieltes In- Kontakt: Stadt Frankfurt am Main • Stadt Frankfurt am Main (Umweltamt) formationskonzept entwickelt werden. Die Umweltamt Broschüre „Alter Flugplatz im GrünGürtel“ Galvanistraße 28 Sie finanzierten u.a. die Planungsleistungen, 60486 Frankfurt am Main die Entsiegelung, die Sanierung und den bietet zusätzliche Informationen über den Tel. 069 212 39-100 Ort. Zentrales Element des Alten Flugplatzes umwelttelefon@stadt-frankfurt. Neubau der Fuß-/Radwege, Parkplätze, die de Nidda-Brücke und den Auesteg, die Pflan- ist das Bildungsprogramm „Entdecken, For- zung des Baumhains, den Umbau des Grü- schen, Lernen im Frankfurter GrünGürtel“, Weiterführende Informationen nen Klassenzimmers und des Hangars, die das von Schulen und Kindergärten intensiv • www.gruenguertel.de Sanierung des Kleinen Hangars für die Ae- genutzt wird. Über Patenschaften für Bäu- • www.frankfurt.de/ ronautenwerkstatt, das Bildungsprogramm me werden langfristige Bindungen an den umweltbildung „Entdecken, Forschen, Lernen“, das Infor- Ort hergestellt und Geldmittel akquiriert. • www.aeronauten.org mationssystem, die Landschaftslotsen, Bro- Ein zukünftiges Ziel neuer Kommunikati- • www.naturschule-hessen. de schüre Alter Flugplatz und die Langzeitstu- onsstrategien wird die Erschließung neuer die des Forschungsinstituts Senckenberg. Besuchergruppen sein. Zwischen Sparta und Arkadien – Alter Flugplatz Frankfurt 99

Chancen und Lösungswege • Es deuten sich Konflikte zwischen zu- nehmenden Besucherzahlen und dem • Gestaltung von Stadtwildnis als neue Naturschutz an urbane Landschaft • Sukzession führt zur Verringerung der • Wiedergewinnung der Nidda-Auen als Artenvielfalt. Status erhaltende Eingrif- Teil des Frankfurter GrünGürtels fe sollen jedoch unterbleiben • Offenheit in den Nutzungen ermöglicht Dynamik und Flexibilität Innovation und Vorbildcharakter • Ästhetische Setzungen setzen vermeint- Die enge Verbindung zwischen Stadtwild- lich Wertloses in Wert nis und Erholung sowie die Offenheit für • Zwischen Sparta und Arkadien erhält informelle Nutzungen erzeugt neue urbane die Geschichte des Ortes und ermög- Landschaften. Wesentliches Element dabei licht Renaturierung ist die ästhetische Inszenierung der natür- lichen Sukzessionsprozesse, die Natur in • Beschäftigungseffekte durch unter- Wert setzt. Damit dieser Prozess verstanden schiedliche Trägerschaften wird und um die Kooperationsbereitschaft zu erhöhen, werden die Spielregeln durch Probleme und Hemmnisse Information statt durch Restriktion vermit- • Mit dem Anstieg der Besucherzahlen telt. verändern sich Anforderungen an bau- Erst durch die Bündelung vielfältiger Finan- liche Einrichtungen. Investive Mittel für zierungsbausteine und Partner wird Multi- eine dynamische Anpassung der Bau- funktionalität möglich und werden Syner- lichkeiten fehlen gien erzeugt.

Gürteltier-Sammelpunktepass mit Sticker (Illustration: Philip Waechter) >> Wildnis ist mit Müll 1991 Beschluss zur Entwicklung des Grün- nicht mehr schön! << Gürtel Frankfurt durch die Stadtverord- netenversammlung Klaus Hoppe, Umweltamt Frankfurt, 15.09.08 Kind mit Rakete (Foto: Stefan Cop) 1992 Einstellung der militärischen Nutzung

ab 2003 Bildungsprogramm „Entdecken, Forschen und Lernen im Frankfurter GrünGürtel“

2003/2004 Neubau des Auenstegs und der Nidda- Brücke/Fertigstellung des Tower-Cafés

2003/2005 Fläche war Teil des EU Programmes SAUL/Interreg IV

2005 Deutscher Landschafts-Architektur- Preis

2008/2009 Neugestaltung des Geländes des Landebahn, ehemaligen Tanklagers Alter Flugplatz (Foto: Stefan 2011 Aussichtsplattform auf dem Tower-Café Cop) 100 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Jena, Thüringen Durch Weniger Mehr – Ein Stadtplatz in der Grünen Achse Lobeda

Mit der Achse entsteht sukzessiv eine Verbindung zwischen Drackendorf und der Saa- leaue. Der neue Freiraum für die Bewohner Lobedas ist auch ein attraktiver Standort für das Universitätsklinikum, das als neuer Motor den Stadtteil wirtschaftlich beleben soll.

Kontext bereits bestehende Freiflächen Lobedas ver- wendet er klassische Gestaltungsmittel, um Jena hat sich in den letzten Jahren wirt- die Anforderungen an einen urbanen Stadt- schaftlich und städtebaulich sehr dyna- platz umzusetzen: Die Formensprache der misch entwickelt. Durch die Stärkung der umliegenden Architektur wird aufgegriffen, Stadt als Technologiestandort ist es gelun- fehlende Raumkanten durch erhöhte Grün- gen, die Wirtschaftskraft zu beleben, Ar- flächen, Baumreihen und bauliche Raum- beitsplätze zu schaffen und einen Teil des teiler ersetzt. Besonders inszeniert wird Strukturwandels zu bewältigen. Auf einem die Grüne Achse Lobeda als verbindendes guten Weg befindet sich Jena auch bei der Element zwischen der reizvollen hügeligen Bewältigung des hohen Leerstandes in der Landschaft und dem Stadtplatz z.B. durch Großwohnsiedlung Jena-Lobeda, der 1998 zahlreiche Sitzmöglichkeiten mit Blick in die bei rund 12% lag. freie Landschaft und auf die Lobdeburg. Unter dem Motto „Durch weniger Mehr“ + wurden dort bis 2005 1.060 Wohneinheiten Landschafts- und Freiraumkonzept vom Markt genommen. Die frei geworde- Die Stadt Jena geht bei der Nachnutzung ih- nen Flächen sind wichtige Potenziale für die rer Rückbauflächen einen anderen Weg als Quartiersentwicklung. Hochwertige Grün- viele andere Kommunen. Sie nutzt einen Teil anlagen und gewerbliche Nutzungen erwei- der Flächen für den gezielten Aufbau einer terten das Nutzungsprofil des Stadtteils. Mit großzügigen Freiraumstruktur und setzt sie dem Bau des Klinikums der Friedrich-Schil- durch vielfältige und intensiv gestaltete Frei- ler-Universität in Lobeda-Ost eröffnet sich räume in Wert. So entstanden bereits eine für den Stadtteil eine weitere Chance, die Vielzahl an Fuß- und Radwegen, öffentliche wirtschaftliche Entwicklung und Arbeits- Stadtplätze, Parkanlagen, kleinere Gemein- marktsituation positiv auszurichten. schaftsgärten und ein Park entlang der Saa- le. Die Vision ist: Aus der monostrukturel- Projekt len Großwohnsiedlung einen lebenswerten Auf den Rückbauflächen des Wohnungsun- „grünen Universitäts-Stadtteil“ zu machen. ternehmens jenawohnen GmbH soll der öf- Eine Schlüsselrolle nimmt dabei die „Grüne fentliche Salvador-Allende-Platz als integra- Achse Lobeda“ ein, mit der der Goethepark ler Teil eines dort geplanten Geschäfts- und Jena-Drackendorf über Lobeda und die Au- Dienstleistungszentrums entstehen. Die tobahn bis in das Mittlere Saaletal verbunden Planung greift die Zielsetzung der Rahmen- werden soll, um den Stadtteil an die durch planung auf, die an der Schnittstelle zwi- das Relief geprägte Landschaft der Umge- schen Lobeda-Ost und Lobeda-West einen bung anzubinden. Damit sollen Lobeda-Ost urban geprägten Stadtplatz in Verbindung und -West als lebenswerte Wohnstandorte mit einem neuen lebendigen Stadtzentrum aufgewertet und auch die Lagequalitäten vorsieht. Nach dem Gebäudeabriss in 2005 für das Universitätsklinikum und zukünfti- war die Fläche temporär gestaltet worden. ge Unternehmen aus dem Gesundheitssek- Mit der dauerhaften Gestaltung des Platzes tor entscheidend verbessert werden. Als ein wurde 2006 der Landschaftsarchitekt Holgar Glied in der Kette der Grünen Achse wird der Ehrensberger beauftragt. In Anlehnung an Salvador-Allende-Platz umgesetzt.

Stadt: Jena Bundesland: TH Stadttyp: Großstadt

Einwohner 1992: 103.570 Einwohner 2007: 102.752 Lage: Stadtrand

Konzept: objektbezogen Projektfläche: 1,9 ha Umsetzungsstand: realisiert Durch weniger Mehr – Ein Stadtplatz in der Grünen Achse Lobeda 101

Ziele und Maßnahmen • Städtebauliche Neuordnung durch die Anlage eines Geschäfts- und Dienstleis- tungszentrums • Schaffung eines qualitativ hochwerti- gen Stadtplatzes mit hoher Aufenthalts- qualität als Teil des Stadtteilzentrums • Sicherung des von Drackendorf bis Lo- beda-West durchgehenden Grünzuges • Gestalterische und funktionale Ver- knüpfung von Lobeda-Ost und -West • Sicherung fußläufiger Querverbindun- gen innerhalb des Stadtteils, Anbindung an überregionalen Radweg • Schaffung eines barrierefreien Durch- gangs zwischen Lobeda-Ost und -West Salvador-Allende-Platz, Entwurf 2007 (Plan: Holgar Ehrensberger, Freier Landschaftsarchitekt, Jena) • Erneuerung des Fußweges und der Be- grünung entlang der Erlanger Allee Der Abriss von 420 Wohnungen ist 2005 er- folgt. Anschließend sind die entstandenen Brachflächen temporär gestaltet worden. Die Umsetzung des Stadtplatzes ist für 2009 geplant.

Akteurskonstellation und neue Träger- schaften Nach ersten Rückschlägen bei der Akzep- tanz des Rückbaus war eine Erkenntnis der Stadt, dass Stadtumbau nur unter Be- teiligung möglichst aller Akteure und mit größter Transparenz erfolgreich sein kann. Ein offener Beteiligungsprozess von Ver- waltung, Politik, Wohnungsgesellschaften und Bürgerschaft am Stadtumbau war da- her ein wichtiges Ziel bei Fortschreibung des städtebaulichen Rahmenplans (2002). Salvador-Allende-Platz, Entwurf 2007 (Modell: Holgar Ehrensberger, Freier Landschaftsarchitekt, Jena) In zahlreichen Bürgerversammlungen und Anwohner-Sprechstunden wurden neue Ideen und Kritik gesammelt, die Eingang in den Sanierungsprozess fanden. Auch die Anlage als Teil der Grünen Achse war ein Ergebnis des Abstimmungsprozes- ses. Vorangetrieben und kontinuierlich begleitet wurde und wird das Projekt vom Fachbe- reich Stadtentwicklung/Stadtplanung, den Flächeneigentümern und dem Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität.

Temporäre Freiflächengestaltung stock+partner (Foto: Stadt Jena) 102 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

men, die von den unterschiedlichen Eigen- tümern aufgebracht werden.

Pflege und Unterhaltung Die intensiv gestalteten Freiflächen ziehen auch hohe Pflege- und Unterhaltungskosten nach sich. Die Stadt oder andere Flächenei- gentümer übernehmen die dafür anfallen- den Kosten. Laut Aussage der jenawohnen GmbH bedeutet eine großzügige Renatu- rierung von Rückbauflächen eine Attrakti- vitätssteigerung für das Gesamtgebiet und einen Standortvorteil gegenüber anderen städtischen Lagen.

Kommunikationsstrategien Gestaltungskonzept, Jena-Lobeda, Städtebaulicher Rahmenplan Fortschreibung 2002 (Plan: PLAN 4D, Stuttgart, Stadt Jena, Stadtplanungsamt, Bettina Kynast) Die erste öffentliche Darstellung der grünen Projekte Jena Lobedas erfolgte im Zusam- menhang mit der Expo 2000. In diesem Rah- men konnte internationale Aufmerksamkeit Planungs- und Rechtsinstrumente auf das Gebiet gelenkt werden. Der städtebauliche Rahmenplan hat sich Intern halfen die intensive Bürgerbeteiligung als wichtigstes informelles Instrument zur und ein effektives Umzugsmanagement die Steuerung der Stadterneuerung in mehrfa- Akzeptanz für den Stadtrückbau zu steigern cher Hinsicht bewährt. Zwischen 2000 und und die positive Sichtweise „Durch weniger 2002 erfolgte die Fortschreibung unter einer mehr“ allmählich durchzusetzen. umfangreichen Beteiligung der Bewohner. Ein jährliches Monitoring zur Wohnzufrie- Gleichzeitig ist nicht nur ein Plan entstan- denheit zeigt, dass diese im Stadtteil sehr Die geplante Überdecke- den, sondern ein handlungsorientiertes Pro- hoch ist – Tendenz steigend. Allein das Au- lung der Autobahn A 4 als gramm, das schrittweise umgesetzt werden Modellsimulation ßenimage hat sich noch nicht gebessert. Die kann. Die Grüne Achse Lobeda ist darin ein (Foto: Stadt Jena) Stadt plant aus diesem Grund ein werbe- zentrales Element der Freiflächenentwick- wirksames Stadtmarketing. lung, das auch im gleichzeitig aufgestellten Landschaftsplan enthalten ist. Wichtig im internen Vermittlungsprozess ist das Stadtteilbüro Lobeda, das im Rahmen Als formelle Instrumente spielen der FNP der sozialen Stadt im Gebiet tätig ist. Es be- 2006 und die verbindliche Bauleitplanung gleitet den Prozess von Beginn an, organi- eine Rolle zur planungsrechtlichen Absiche- siert Bürgerversammlungen und führt Bera- rung der städtebaulichen Neuordnung des tungen durch. Eine kleine Galerie wurde vor Gebietes rund um den Stadtplatz. Mit der dem Abriss bewahrt und beherbergt jetzt Aufstellung des Bebauungsplanes 2004 ist das Stadtteilbüro, an das auch der Verein für das Gebiet als Stadtteilzentrum (Sonderge- Kommunikation und Medien (KOMME e.V.) biet Großflächiger Einzelhandel/Mischge- angebunden ist. biet/Grünzug) festgesetzt worden.

Finanzierung und Inwertsetzung Die Zwischennnutzung der Fläche des zu- künftigen Slavador-Allende-Platzes wurde Kontakt: Stadt Jena durch die Eigentümerin jenawohnen GmbH Fachbereich Stadtentwicklung/ aus Eigenmitteln finanziert. Stadtplanung Fachdienst Stadtentwicklung Die Stadt übernimmt die Finanzierung der Am Anger 26 07743 Jena dauerhaften Platzanlage mit Mitteln aus dem Tel. 03641 49-5200 Bund-Länderprogramm „Soziale Stadt“. [email protected] Die Finanzierung der Teilbereiche der Grü- Weiterführende Informationen nen Achse, wie das Klinikgelände oder die • www.jena.de Autobahnüberdeckelung, setzt sich aus ei- Intensiv gestalteter Lobdepark nem Mix unterschiedlicher Gelder zusam- (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) Durch weniger Mehr – Ein Stadtplatz in der „Grünen Achse Lobeda“ 103

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter

• Verknüpfung einer konsequenten Der Rückbau von Wohnraum aus woh- Standortpolitik zur gezielten Ansied- nungswirtschaftlichen Gründen konnte lung von bestimmten Unternehmen zur Weiterentwicklung und Stabilisierung (Aufwertungsstrategie durch die Anlage der Großwohnsiedlung unter veränderten intensiv gestalteter Freiräume) ökonomischen und sozialen Bedingungen • Aufwertung des Stadtteils zu einem le- genutzt werden. Die beiden stadtentwick- benswerten Wohnort mit einem diffe- lungspolitischen Ziele – die gezielte Stand- renzierten Nutzungsprofil und vielfälti- ortpolitik durch die Ansiedelung des Kli- gen Erholungsangeboten nikums der Friedrich-Schiller-Universität • Verbesserung des Stadtteil-Images und und die Anlage hochwertiger Grünanlagen damit Erzeugung eines Anreizes für und Freiraumstrukturen – führten zu einer weitere neue Unternehmen Aufwertung des Stadtteils, zu einer Verbes- serung der Wohnqualität und des Lebens- Probleme und Hemmnisse gefühls und einer Erweiterung des Nut- zungsprofils. So konnte ein Zeichen für die • Gefahr der Konterkarierung der lang- positive Weiterentwicklung des Gebietes fristigen städtischen Entwicklungsab- gesetzt werden. sichten als Klinikstandort wegen kurz- fristigem Discounter-Interesse Die Grüne Achse Lobeda ist dabei ein ent- • Gefahr der Brachenbildung und dem scheidendes Element. Sie führt den Stadt- Einsetzen einer Spirale nach unten teil zusammen, integriert die umgebende Landschaft in den Stadtteil und schafft eine • Hohe Pflege- und Unterhaltungskosten identitätsstiftende Adresse für den Klinik- der intensiv gestalteten Freiräume die standort und Folgeunternehmen. bei Wohnungsunternehmen nicht auf die Miete umgelegt werden können

>> Wir entwickeln auf unseren Rückbauflächen Parks und Stadt- plätze, um neue gute Adressen für die Bewohner und Unternehmen Bürger arbeiten an der Fortschrei- zu schaffen. << bung des Rahmenplans (Foto: Stadt Jena) Bettina Kynast, Fachbereich Stadtentwicklung/ Stadtplanung, 10.09.08

Grünflächen vor dem Klinikum der Friedrich- Schiller-Universität (Foto: Angelika Wanke)

ab 1993 Umfangreiche Sanierung der Wohnge- bäude und Realisierung von Einzel- maßnahmen im Wohnumfeld und im öffentlichen Raum

1993/1996 Erarbeitung des ersten städtebaulichen Rahmenplans

1998 Eröffnung des Stadtteilbüros Lobeda

1998/2003 Fortschreibung der städtebaulichen Rahmenplanung

2000 Präsentation als weltweites EXPO- Projekt

2002 Aufnahme in das Programm „Stadtum- bau Ost“

ab 2003 Jährliches Monitoring zum Stadtumbau

2004 Aufstellungsbeschluss B-Plan Salvador- Allende-Platz für das Geschäfts- und Isometrie, Grüne Achse Lobeda, 2005 Gesundheitszentrum (Plan: stock+partner, Freie Landschaftsarchitekten, Jena) 104 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Gelsenkirchen, Nordrhein-Westfalen Zukunftsenergien auf Montanstandort – Biomassepark Hugo

Die Zeche wird – eingebunden in den „Industriewald Ruhrgebiet“ – zur ersten größeren Kurzumtriebsplantage in einem europäischen Ballungsraum. Die produktive Nachnut- zung erzeugt Wertschöpfung und keine zusätzlichen Kosten für Pflege und Unterhalt.

Kontext Das Gelände ist eingebettet in ein Flächen- konglomerat aus landwirtschaftlichen Flä- Gelsenkirchen ist durch seine Lage in der chen, Wohnsiedlungen, und der rekultivier- Metropolregion Ruhr vom Strukturwandel, ten Berghalde Rungenberg, die Bestandteil der die altindustrielle Montanregion bereits der Route „Industriekultur Ruhrgebiet“ ist. seit Jahrzehnten begleitet, betroffen. Mit Der Biomassepark wird über Fuß- und Rad- starken regionalen (Masterplan Emscher wege mit der Region und dem benachbarten Landschaftspark) und lokalen Strategien Stadtteil Gelsenkirchen-Buer vernetzt. versuchen das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) und die Stadt Gelsenkirchen Wege Landschafts- und Freiraumkonzept aus der Krise zu entwickeln. Der Biomassepark ist Teil einer zweigleisi- Zur ökonomischen Stabilisierung setzt Gel- gen Strategie des Landes NRW zum Umgang senkirchen auf neue Wirtschaftscluster, die mit nicht verwertbaren Industrieflächen: Im auf alternative Energien ausgerichtet sind. Projekt „Industriewald Ruhrgebiet“ werden + Mit dem Motto „Solarstadt Gelsenkirchen – Sukzessionsflächen vernetzt und Erholungs- Stadt der Zukunftsenergien“ knüpft sie an raum für Mensch und Natur zur Verfügung die Tradition der Energiegewinnung an und gestellt. Das „Biomasselabor“ hingegen setzt zielt darauf, Unternehmen aus dem Bereich verstärkt auf die Inwertsetzung brachgefal- der erneuerbaren Energien anzusiedeln. An lener Flächen. Beide Strategieteile sind in dieses Cluster schließt auch das Projekt Bio- die Initiative „Bildung für nachhaltige Ent- massepark Hugo an, das die RAG Montan wicklung 2005–2014“, die NRW im Rahmen + Immobilien GmbH gemeinsam mit der RAG des Agenda 21-Prozesses gestartet hat, ein- Aktiengesellschaft initiiert hat. gebunden. Der Biomassepark Hugo besteht aus einer Projekt Palette an flexiblen und definierten Baustei- Nach 127 Jahren Bergbaugeschichte wur- nen. Er wird als öffentlicher Raum gestaltet, de die Zeche Hugo im Jahr 2000 geschlos- der auch für Projekte der Umweltbildung sen. Der Flächeneigentümer RAG AG und und für Freizeit- und Erholungsnutzung of- + fen steht. Wichtige Elemente des Parks wer- die RAG Montan Immobilien entschieden sich 2007 für das Pilotprojekt Biomassepark den daher ein Laborpfad, Flächen für „Na- Hugo zur Gewinnung alternativer Brennstof- tur auf Zeit“ und offene Aneignungsflächen fe in Form schnell wachsender Gehölze wie sein. Pappeln und Weiden, da auf der 22 ha gro- Das Gestaltungskonzept verknüpft intelli- ßen Zechenfläche zurzeit keine ökonomisch gent die betrieblichen Anforderungen der + hochwertige Folgenutzung möglich ist. Die Kurzumtriebsplantage mit den Erfordernis- Ernte soll als Holzhackschnitzel vermarktet sen des öffentlichen Raumes: Die notwen- werden. Mit dem Pilotprojekt soll die Mach- digen Wendeflächen der Erntemaschinen barkeit einer Kurzumtriebsplantage auf werden als breite Blickachsen mit Wegen einem stillgelegten Bergbaustandort unter ausgestaltet. Wachstum und Veränderung technischen, forst- und betriebswirtschaftli- können auf diagonal querenden Radwegen chen sowie sozialen und ökologischen Fra- erlebt werden. Ein öffentlicher Platz wird am gestellungen erprobt werden. Bergbau-Museum entstehen.

Stadt: Gelsenkirchen Bundesland: NW Stadttyp: Großstadt

Einwohner 1992: 295.368 Einwohner 2007: 264.765 Lage: Zwischenstadt

Konzept: objektbezogen Projektfläche: 22 ha Umsetzungsstand: in Planung Zukunftsenergien auf Montanstandort – Biomassepark Hugo 105

Ziele und Maßnahmen • Nachnutzung von Industriebrachen • Ökonomisch orientierte Bewirtschaf- tung der ehemaligen Bergbaufläche • Rohstoff-Produktion ohne Flächenkon- kurrenz zur Nahrungsmittelproduktion (nicht „Teller oder Tank“) • Einbindung in die landesweite Initiative „Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005 – 2014“ • Städtebauliche und soziale Einbindung der ehemaligen Bergbaufläche in lokale und regionale Strukturen • Verknüpfung von wirtschaftlicher Nut- zung und Gestaltung als Freiraum Mit der Sanierung der Fläche wird 2009 begonnen. 2011 wird sie voraussichtlich Ausschnitt Biomassepark Hugo, Strukturkonzept 1/2008 abgeschlossen. Parallel wird 2009 mit dem (Plan: lohrberg stadtlandschaftsarchitektur, Stuttgart) Auftrag von 2-3 m Füllboden begonnen. Der Füllboden ist zur Bodenverbesserung vor den Pflanzungen und zur Anpassung des Stadtteilgruppen, Kirchen) sind im Stadtteil Geländereliefs an die planerischen Ziele er- aktiv und werden zur Teilnahme an Projek- forderlich. ten auf der Fläche aufgefordert. Als Impuls gebende Einrichtung hat das Regionalforst- Akteurskonstellation und neue Träger- amt des Landesbetriebes Wald und Holz schaften Nordrhein-Westfalen 2008 seinen neuen Verwaltungssitz auf dem Gelände des Bio- Der Biomassepark Hugo wurde bereits früh masseparks Hugo bezogen. in unterschiedlichen Netzwerken und Pro- jekten verankert. Zentrale Bedeutung hat die durch das Ministerium für Umwelt NRW getragene und vom Büro lohrberg stadtland- schaftsarchitektur vertretene „Plattform Ur- bane Waldnutzung“. Sie bringt die „Waldak- teure“ des Ruhrgebiets an einen Tisch, entwickelt die Kooperationsangebote und setzt neue Projekte urbaner Waldnutzung in Gang. Zur Aufnahme des Biomasseparks Hugo ins Biomasselabor wird zwischen der RAG Aktiengesellschaft, der RAG Montan Immobilien GmbH und dem Ministerium für Umwelt NRW eine Kooperationsverein- barung geschlossen. Die ingenieurbiologische Beratung zu den Pflanzen erfolgt durch Borgman Beheer Ad- vies B.V. und zu den Böden durch die Uni- versität Bochum. Beide übernehmen auch die wissenschaftliche Begleitforschung des Pilotprojektes. Weitere Netzwerke, in die das Projekt eingebunden ist, sind die Loka- le Agenda Gelsenkirchen und die Projekte der Stadt Gelsenkirchen (Kulturhauptstadt 2010, entente florale, etc.). Ein Förderverein betreibt bereits den Schacht II sowie das da- zugehörige Maschinenhaus als Bergbaumu- Notwendige Wendeflächen der Erntemaschinen werden als breite Blickachsen mit seum, zahlreiche weitere Akteure (Schulen, Wegen inszeniert (Perspektive: lohrberg stadtlandschaftsarchitektur, Stuttgart) 106 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Bergwerk Hugo mit Schacht II, vor und nach der Beräumung (Luftbilder: RAG Montan Immobilien GmbH)

Planungs- und Rechtsinstrumente Vermarktung von Ökopunkten, aber auch die Einsparung der Flächenpflege sollen zur Die Biomassestrategie des Landes NRW von Wirtschaftlichkeit der Flächenunterhaltung 2007 bildet einen wichtigen politischen und beitragen. strategischen Rahmen des Projektes. Mit ihr werden innovative Biomasseprojekte von Pflege und Unterhaltung der Forschung und Entwicklung bis hin zur Markteinführung gefördert und vernetzt. Der Standort wird zur Bewirtschaftung an die HVG Vogelsang, ein Unternehmen im Planerisch ist das Projekt durch den Master- Verbund der RAG Stiftung, verpachtet, das plan Emscher Landschaftspark untersetzt, auf die Verwertung nachwachsender Roh- dessen wesentliche Botschaft die Neuaus- stoffe spezialisiert ist. Der Pächter über- richtung altindustrieller Flächen auf eine le- nimmt die anfallenden Kosten für die Pflege bendige und produzierende Stadtlandschaft und Unterhaltung der Fläche. ist. Die Darstellung des Biomasseparks Hugo im Regionalen FNP ist noch strittig, da Kommunikationsstrategien der Flächenstatus Wald oder Landwirtschaft noch nicht geklärt ist. Ob der Standort dau- Speziell auf den Biomassepark Hugo zuge- erhaften Bestand haben wird, entscheiden schnittene Kommunikationsstrategien sind der Markt und die planungsrechtliche Si- in der Vorbereitung und sollen bereits ab cherung. 2009 umgesetzt werden. Ergänzend stehen mit der Plattform „Urba- Finanzierung und Inwertsetzung ne Waldnutzung“, der Initiative Umweltbil- Die Finanzierung der Anlage erfolgt weit- dung des Landes NRW und dem Industrie- gehend aus Mitteln der Inwertsetzung im wald Ruhrgebiet Netzwerke zur Verfügung, die bereits Kommunikationsstrukturen auf- Zusammenhang mit der Beendigung der gebaut haben. Gerade das Industriewald- Bergaufsicht. Projekt setzt sehr stark auf Kommunikation, Es ist eine steigende Nachfrage nach Flä- indem die „neue Wildnis“ durch pädagogi- Kontakt: chen für erneuerbare Energien sowie nach sche Angebote, Kunst und Veranstaltungen RAG Montan Immobilien Biomasse festzustellen. Ziel ist es daher mit- umfassend vermittelt wird. Gleiches gilt für GmbH Am Technologiepark 28 tel- und langfristig Gewinne aus dem Ver- den Biomassepark Hugo, der den Menschen 45307 Essen kauf von Biomasse zu erzielen. Zukünftige als neue produktive Landschaft erst noch er- Tel. 0201 378-0 info@rag-montan-immobilien. Erlöse aus Grundstücksverpachtungen, der klärt werden muss. de lohrberg stadtlandschafts- architektur Silberburgstraße 49 70176 Stuttgart Tel. 0711 305845-0 [email protected]

Weiterführende Informationen • www.zeche-hugo.com Gelände des zukünftigen Biomasseparks Hugo mit Schacht II (Fotomontage: bgmr Landschaftsarchitekten) Zukunftsenergien auf Montanstandort – Biomassepark Hugo 107

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter • Integriertes Gestaltungskonzept als Der Biomassepark Hugo wird die erste groß- Grundlage flächige Kurzumtriebsplantage in einem eu- • Übertragbarkeit der Ergebnisse auf ver- ropäischen Ballungsraum auf einer ehemals gleichbare Standorte bergbaulich genutzten Fläche in der Metro- pole Ruhr sein. • Entwicklung städtebaulich wirksamer Strukturen durch produktive Land- Das Ziel ist eine öffentliche Grünfläche ohne schaft Pflegekosten auf der Basis eines integrierten Gestaltungskonzeptes. • Aufhebung der Trennwirkung der Brachfläche und damit Chance zur In- Durch die Verknüpfung von Produktion, tegration benachbarter Stadtteile sozialen Aspekten und städtebaulicher Ent- • Steigerung der Attraktivität angrenzen- wicklung geht das Pilotprojekt über die rein der Entwicklungsflächen (langfristige wirtschaftlichen Zielsetzungen hinaus und Auswirkungen auf Bodenmarkt/Grund- nutzt den Freiraum als Motor für eine inte- stückspreise) grierte Stadtentwicklung. • Einsparung der Pflegekosten Spannend ist die Frage, ob der neue Weg, städtische Brachflächen mit geringem Ent- • Beitrag zum Klimaschutz wicklungspotenzial durch Energieholzan- bau nutzbar zu machen, wirtschaftlich und Probleme und Hemmnisse sozial erfolgreich sein wird. • Abschließende Prüfung der wirtschaftli- Erklärtes Ziel ist es, das Modell als Zukunfts- chen Machbarkeit des Projektes option auf andere Standorte zu übertragen. • Mögliche negative Aneignung der Flä- chen (Müllaufkommen, Vandalismus)

>> Vom „Schwarzen“ Gold zum „Grünen“ Gold – eine zukunftsfähige Nachnutzungsoption für die Zeche Hugo << Klaus Busemann, RAG Montan Immobilien GmbH, 18.09.08

Ernte auf einer Kurzumtriebsplantage (Foto: FIB Finsterwalde)

2000 Stillegung der Zeche Hugo

bis 2006 Suche nach ökonomisch hochwertiger Nachnutzung

2007 Beschluss des Biomassepark Hugo

ab 2009 Flächensanierung

ab 2009 Umsetzung des Biomasseparks

Zweigleisige Strategie des Landes NRW zum Umgang mit nicht verwertbaren Indust- rieflächen (Diagramm: MUNLV NRW 2006) 108 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Halle (Saale)-Neustadt, Sachsen-Anhalt Nachwachsende Rohstoffe vor der Haustür – Kurzumtriebsplantage Lüneburger Bogen

Ein einzigartiges Pilotprojekt wurde von der Stadtwirtschaft Halle ins Leben gerufen. Ab- rissflächen eines Wohnungsunternehmens werden für eine Kurzumtriebsplantage ge- nutzt, um nachwachsende Rohstoffe im städtebaulichen Kontext zu plazieren.

Kontext Holzhackschnitzel aus den Kurzumtriebs- plantagen gelöst werden. Im Jahr 2007 wur- Halle-Neustadt wurde in den 1960er bis den daher 18.000 Stecklinge gesetzt, deren 1980er Jahren als eines der städtebaulichen Holz optimistisch geschätzt alle 3 bis 4 Jah- Vorzeige-Projekte der DDR errichtet. Nach ren „geerntet“ werden soll. der Wende verlor der Stadtteil bis 2005 ca. 44% seiner Einwohner, ist aber mit etwa Das Projekt wurde als Pilotprojekt definiert, 51.000 Einwohnern noch immer der größte da eine Klassifizierung als landwirtschaft- Stadtteil Halles. liche Fläche kurzfristig nicht durchsetzbar Zur wirtschaftlichen Konsolidierung des war. Mit dem Pilotprojekt soll die Durchführ- Wohnungsmarktes entwickelte die Stadt be- barkeit auf einer Abrissfläche erprobt, das reits 2001 gemeinsam mit den Wohnungsun- Wuchsverhalten der Weichhölzer beobach- ternehmen eine gesamtstädtische Abbruch- tet und die Rentabilität bewertet werden. konzeption. Wegen der randstädtischen Ein Energiewald in einer Wohnsiedlung + Lage, des niedrigen Sanierungsstandes und ist ein völliges Novum. Der Anbau von hoher Leerstandsquoten liegt ein strate- nachwachsenden Rohstoffen auf ehemals gischer Rückbau-Schwerpunkt im Wohn- baulich genutzten Flächen steht nicht in komplex VI. Dort soll auf den Abrissflächen Konkurrenz zu Flächen für die Nahrungs- laut Integriertem Stadtentwicklungskonzept mittelproduktion. (ISEK) der angrenzende Landschaftsraum erweitert und als Grünfläche zur Naherho- Landschafts- und Freiraumkonzept lung, zum Gartenbau genutzt oder land- wirtschaftlich bewirtschaftet werden. Trotz Das Projekt hat auch für die Bewohner des des Leitbildes gab es für die Abrissflächen Stadtteils positive Effekte. Der sich perio- des Lüneburger Bogens im Wohnkomplex VI disch verändernde „Stadtwald“ leistet so- keine konkrete Nachnutzungsnachfrage. wohl einen Beitrag zur landschaftlichen Aufwertung des Wohnumfeldes als auch Projekt zur Inwertsetzung einer „wertlosen“ Fläche durch eine innovative und produktive Land- Aus einer spontanen Idee entwickelte die schaftsform. Stadtwirtschaft GmbH Halle in Zusammen- arbeit mit der Gesellschaft für Wohn- und Die Kurzumtriebsplantage Lüneburger Bo- Gewerbeimmobilien (GWG) das innovative gen stellt einen Baustein zur Umsetzung des Konzept, auf der 0,8 ha großen Abrissflä- vom ISEK gesetzten Leitbildes der Erwei- che Lüneburger Bogen eine Kurzumtriebs- terung des Landschaftsraumes in die Sied- plantage aus schnell wachsenden Balsam- lung dar. Demnach soll ein neuer Freiraum pappeln anzulegen. Motivation für die auf Abrissflächen die Verbindung zwischen Stadtwirtschaft ist die Gewinnung eines ver- der Stadt, den Neustädter Seen, der Dölauer marktbaren Brennstoffes (Holzhackschnit- Heide und der agrarisch ausgerichteten Kul- zel und Holzpellets) aus dem anfallenden turlandschaft herstellen. Eine gestalterisch- Grünschnitt. Der bisherige Holzanteil des räumliche Gesamtkonzeption ist geplant, ist Grünschnitts ist für die Vermarktung aller- aber abhängig von der weiteren Entwicklung dings zu gering. Dieses Problem soll künf- des WK VI. Die Plantage kann durchaus auch tig durch die Beimischung hochqualitativer nur eine temporäre Funktion haben.

Stadt: Halle (Saale) Bundesland: ST Stadttyp: Großstadt

Einwohner 1992: 299.884 Einwohner 2007: 234.295 Lage: Stadtrand

Konzept: objektbezogen Projektfläche: 0,8 ha Umsetzungsstand: realisiert Nachwachsende Rohstoffe vor der Haustür – Kurzumtriebsplantage Lüneburger Bogen 109

Ziele und Maßnahmen

Allgemein: • Substanzieller Beitrag zum Klimaschutz durch Herstellung eines CO2- neutralen Brennstoffs • Gewährleistung einer nachhaltigen Biomasseproduktion und damit Beitrag zur Schonung der natürlichen endli- chen Ressourcen wie Kohle, Erdöl und Erdgas • Reduzierung von Pflegekosten

Lüneburger Bogen: • Verbesserung des Wohnumfeldes durch die Bewirtschaftung und Aufwertung Verdichtete Wohnnutzung brachliegender Flächen Augelockerte Wohnnutzung, Aufwertung von Freiflächen, • Möglichkeit einer Bewertung der Wirt- neue Baustrukturen

schaftlichkeit unter realen Bedingun- Stadtnaher Landschaftsraum gen innerhalb des Pilotprojektes Stadtumbaukonzept Neustadt, Städtebauliches Leitbild, ISEK Teil 2, 2007 Nach Abriss und Tiefenenttrümmerung war (Plan: Stadt Halle (Saale) FB Stadtentwicklung und -planung) zur Vorbereitung der Pflanzfläche ein Ober- bodenauftrag von 30-40 cm erforderlich. Die Stadtwirtschaft GmbH Halle ist Toch- Das Gedeihen der Stecklinge wurde im ers- tergesellschaft der stadteigenen Stadtwerke ten Jahr durch unerwarteten und massiven Halle und Dienstleistungsunternehmen für Wildkrautaufwuchs erschwert. Nachdem die Entsorgung und Reinigung. Die Gesellschaft Fläche noch 2007 manuell vom Wildkraut für Wohn- und Gewerbeimmobilien (GWG) befreit wurde, setzte 2008 ein sprunghaftes ist Eigentümerin von etwa einem Drittel des Wachstum der Pappeln ein. Wohnungsbestandes in Halle-Neustadt und 2007 erfolgte der Abbruch von zwei weiteren hat ein starkes Interesse an kostenneutralen Häusern im Quartier auf benachbarten Flä- Nachnutzungsformen für Rückbauflächen. chen, woraufhin 2008 auch eine Ausweitung Somit stellt die Verpachtung der Fläche an der Kurzumtriebsplantage erfolgen konnte. die Stadtwirtschaft eine Win-Win-Situation für die beteiligten Akteure dar, die Vorbild- wirkung für andere Flächen entwickeln Akteurskonstellation und neue Träger- schaften kann. Das Pilotprojekt Kurzumtriebsplantage Lü- neburger Bogen ist beispielhaft für eine in- novative Kooperation zwischen zwei kom- munalen Unternehmen. Entstanden ist die Idee bei einem informellen Treffen von Ver- tretern der Wohnungs- und Stadtwirtschaft.

Pappelsteckling Standort der Pilot-Kurzumtriebsplantage im Wohnkomplex VI (Foto: BEC GmbH Biotechnic) (Luftbild 2003 bearbeitet: Stadt Halle) 110 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Wildkrautbekämpfung durch Mitarbeiter der Stadtwirtschaft im Juni 2007 (Foto: BEC GmbH Biotechnic)

Planungs- und Rechtsinstrumente Mit Kurzumtriebsplantagen können auch sekundäre Wertschöpfungsketten erschlos- Das 2007 fortgeschriebene ISEK bildet den sen werden. Die Knospen der Balsampappel strategischen Rahmen des Rückbaus und können beispielsweise an die Pharmaindus- der Nachnutzung als Grünfläche. trie zur Herstellung kosmetischer Produkte Da die Frage, ob Kurzumtriebsplantagen verkauft werden. den Flächenstatus „Wald“ oder „Landwirt- schaft“ haben, kurzfristig nicht geklärt wer- Pflege und Unterhaltung den konnte, wurde das Projekt als Pilotpro- Im Optimalfall benötigen Kurzumtriebs- jekt ausgewiesen. Auf Bundesebene fehlt plantagen bis zur Ernte kaum Pflege. Bereits eine abschließende rechtliche Regelung des zu Beginn zeigte das Pilotprojekt jedoch Flächenstatus und das Landeswaldgesetz eine unerwartete Entwicklung, die Pflege- Sachsen-Anhalt hat Kurzumtriebsplantagen maßnahmen erforderlich machte. Unge- nicht explizit als Nicht-Waldflächen ausge- planter Wildkrautaufwuchs gefährdete die nommen. Stecklinge in ihrem Bestand. Da die Wild- Privatrechtlich wurde zwischen der Stadt- krautbekämpfung manuell erfolgen musste, wirtschaft und der GWG ein Pachtvertrag jedoch keine Personalkosten eingestellt wa- geschlossen, der die Bewirtschaftung als ren, wurde sie im Rahmen eines freiwilligen Kurzumtriebsplantage für maximal 20 Jahre Arbeitseinsatzes der Mitarbeiter der Stadt- vorsieht. wirtschaft durchgeführt.

Finanzierung und Inwertsetzung Kommunikationsstrategien Das Projekt ist in die Kommunikationsstruk- Die Gebäudeabrisse wurden im Rahmen des turen, die im Rahmen des Stadtumbaus Bund-Länderprogramms Stadtumbau Ost etabliert wurden, eingebunden. Die Beson- Kontakt: gefördert. Die Kosten des Oberbodenauftra- Stadt Halle derheit des Pilotprojektes wirbt allerdings ges und der Anpflanzung der Kurzumtriebs- Stadtplanungsamt für sich selbst und trifft sowohl auf Bewoh- Team Grünordnung und Land- plantage wurden von der Stadtwirtschaft schaftsplanung nerseite als auch bei anderen Wohnungsun- ohne Inanspruchnahme von Fördergeldern Marktplatz 1 ternehmen auf eine sehr hohe Akzeptanz. 06100 Halle (Saale) übernommen. Für die Stadtwirtschaft fällt Tel. 0345 221-0 Es haben bereits weitere Wohnungsunter- kein Miet- oder Pachtzins an, im Gegenzug [email protected] nehmen Interesse an der Umsetzung von reduzieren sich für die GWG die Kosten für Stadtwirtschaft GmbH Halle Kurzumtriebsplantagen auf Rückbauflächen Äußere Hordorfer Straße 12 Pflege und Unterhalt der Flächen. bekundet. 06114 Halle (Saale) Tel. 0345 581-4306 Mittelfristig strebt die Stadtwirtschaft die Er- kontakt@stadtwirtschaft-halle. schließung neuer Marktchancen an, da die de Klimadiskussion und die Ziele des Erneuer- Grundlageninformationen: bare Energien Gesetzes (EEG) eine Verknap- Stadt Halle Stadtplanungsamt pung biogener Brennstoffe erwarten lässt. Marktplatz 1 Kurzumtriebsplantagen werden allerdings 06100 Halle (Saale) erst ab einer Flächengröße von mindestens Weiterführende 2 ha rentabel, da erst dann Großmaschinen Informationen für die Pflege und Ernte zum Einsatz ge- • www.stadtwirtschaft-halle. de bracht werden können. Die Einnahmen wer- Kosmetische Produkte aus der Balsampappel den auf rund 600 Euro/ha/Jahr geschätzt. (Montage: bgmr Landschaftsarchitekten) Nachwachsende Rohstoffe vor der Haustür – Kurzumtriebsplantage Lüneburger Bogen 111

Chancen und Lösungswege • Böden mussten aufgrund der baulichen • Reduzierung des Pflegeaufwandes für Vornutzung vorbereitet werden die Wohnungsunternehmen durch öko- nomisch orientierte Nachnutzung der • Anwuchsschwierigkeiten durch starken Rückbauflächen Wildkrautaufwuchs • Identifikation der Bevölkerung mit • Geringe Flächengröße wertschöpfender Nachnutzung der Ab- • Zeitlich versetzter Abriss im Quartier rissflächen • Verbesserung des Wohnumfeldes durch Innovation und Vorbildcharakter produktive Landschaft Innovation erfordert den Mut zum Experi- • Verbesserung des Mikroklimas, u.a. ment. Diesen Mut haben die an der Kurzum- durch Staubbindung und Windschutz triebsplantage beteiligten städtischen Ak- • Erhalt des Bauland-Status für 20 Jahre teure bewiesen, indem sie trotz unklarer wirtschaftlicher Konsequenzen und diffuser • Interesse seitens weiterer Wohnungs- Rechtslagen eine gemeinsame Lösungsstra- gesellschaften an Nachnutzung durch tegie für ihre spezifischen Problemlagen Kurzumtriebsplantagen entwickelten. Die Problemlage der Woh- nungsunternehmen, zu viele unproduktive Probleme und Hemmnisse Grünflächen pflegen zu müssen, traf auf den • Unklare Wirtschaftlichkeit der Kurzum- Bedarf der Stadtwirtschaft nach kostengüns- triebsplantage tigen Flächen zur Entwicklung eines neuen Produktes für die Energiegewinnung. • Unklarheit im Flächenstatus (Landwirt- schaft oder Wald)

>> Innovationen erfordern eben manchmal auch Mut. << Matthias Lux, Stadtwirtschaft GmbH Halle, 26.04.07

Logo der Stadtwirtschaft GmbH Halle

Vorne gejähtet, hintern noch Wildkrautaufwuchs (Foto: BEC GmbH Biotechnic)

2006 Fortschreibung des InSEK

2005 Abriss des Gebäudeblocks am Lüne- burger Bogen und Oberbodenauftrag

2007 Setzen der Stecklinge

2007 Maßnahmen zur Wildkrautbeseitigung

2008 Ausweitung der Kurzumtriebsplantage Kurzumtriebsplantage Lüneburger Bogen (Foto: Stadtwirtschaft GmbH Halle) ab 2011 Erste Ernte 112 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Köln, Nordrhein-Westfalen Hochwasserschutz als ein Motor der Renaturierung – Westhovener Aue

Auf dem ehemaligen Kasernengelände erobern sich Brachvögel, Menschen und bei Hoch- wasser auch der Rhein Flächen zurück. Die Mehrdimensionalität der Interessen (Hoch- wasserschutz, Naturschutz, Erholung) half bei der Abwehr der geplanten Bebauung.

Kontext auch der Bevölkerung zur Verfügung.

Die Region Köln/Bonn ist eine der Wachs- Aus der militärischen Vornutzung ergeben tumsregionen in Deutschland. Eine gezielte sich Restriktionen für die Benutzbarkeit der Sicherung und Entwicklung nachhaltiger Fläche. Es kann nicht sichergestellt werden, Freiraumsysteme und zusammenhängender dass alle Kampfmittel beräumt sind. Daher Landschaftsräume sind gegenüber bauli- ist das Betreten der Flächen nur auf den aus- chen Nutzungen oft schwer durchzusetzen. gewiesenen Wegen möglich. Die Zäune in Die Chancen für eine Renaturierung des Richtung Wohngebiet bleiben erhalten und ehemaligen Kasernengeländes Brasseur, das wurden nach Absprache mit dem Rechtsamt bis 1995 von den belgischen Truppen für nur für Stichwege geöffnet. militärische Zwecke genutzt wurde, standen Auf dem Gelände zeugt der preußische Fes- daher zunächst sehr schlecht. Trotz seiner tungsgürtel (Zwischenwerk IX A) von der Lage im äußeren Kölner Grüngürtel forcierte langen Tradition militärischer Nutzung. + die Stadt eine umfangreiche Bebauung des Geländes mit Wohngebäuden. Erst mit der Landschafts- und Freiraumkonzept Verabschiedung des Hochwasserschutzkon- zepts (1996) und der Ausweisung der Fläche Das Projekt ist in die Flächenkulisse zweier als Retentionsgebiet konnte die Bebauung sehr unterschiedlicher Planungsstrategien abgewendet werden. eingebunden: In den Kölner Grüngürtel aus den 1920er Jahren, der langfristig Orientie- + Projekt rung für die Entwicklung des städtischen Freiraumsystems gibt. Und in die Regionale Das ehemalige Kasernengelände liegt in der 2010, die charakteristische Landschaftsräu- Westhovener Aue am Rhein, an der Schnitt- me zur regionalen Identitätsbildung nutzt stelle zwischen der Niederterrasse und der und dafür ein interkommunales „Kultur- bis zu 3 m höher gelegenen Bergischen landschaftsnetzwerk“ aufgebaut hat. Heideterrasse. Der tiefere Teil ist als Reten- tionsfläche in das „Rheinauenkonzept“ ein- Das zugrunde liegende Freiflächenkonzept + gebunden, das Kompensationsräume für sieht die behutsame Weiterentwicklung der den Ausgleich des technischen Hochwas- vorhandenen Strukturen aus einer Kombi- serschutzes bereitstellt und dem Schutz und nation von Waldbereichen, Einzelgehölzen der Entwicklung von Auen dient. Lediglich und pflegearmen Auwiesen vor. Das Ge- der östliche Bereich oberhalb der Hangkan- lände wird zu einer offenen Landschaft mit te wird städtebaulich entwickelt. vielfältigen Blickbeziehungen entwickelt, Nach Erwerb des Areals im Jahr 2002 als Re- die auch die Anforderungen nach einem tentionsfläche durch die Stadt wurden die schnellen Abfluss des Hochwassers berück- Lagerhallen gesprengt, Wege entsiegelt und sichtigt. Die Erschließung der Fläche erfolgt das Gelände in eine naturnahe Auenland- im Wesentlichen über bereits vorhandene schaft verwandelt. Die Fläche dient vorran- Wege. Die neuen Hauptverbindungswege gig dem Arten- und Biotopschutz (Brach- entlang des Rheins (historischer Leinpfad) vogelvorkommen). Seit dem Frühjahr 2005 sind Bestandteil des Radwander-Weges von steht es zur „ruhigen“ Erholungsnutzung der Schweiz bis in die Niederlande.

Stadt: Köln Bundesland: NW Stadttyp: Großstadt/Gemeinde

Einwohner 1992: 960.631 Einwohner 2007: 995.397 Lage: Innenstadtrand

Konzept: gesamtstädtisch Projektfläche: 64 ha Umsetzungsstand: realisiert Hochwasserschutz als ein Motor der Renaturierung – Westhovener Aue 113

Ziele und Maßnahmen • Öffnung eines abgeschirmten Kaser- nengeländes für die Öffentlichkeit • Integration der Westhovener Aue in den äußeren Kölner Grüngürtel • Nutzung im Rahmen des Rheinau- enkonzepts als Flächenpool für Aus- gleichsmaßnahmen • Einbeziehung in den übergeordneten Radwander-Weg Leinpfad • Schaffung einer siedlungsnahen Grün- fläche für die benachbarten Stadtteile und die Gesamtstadt • Entwicklung und Schaffung von Bioto- pen, insbesondere für den Brachvogel • Extensive und pflegearme Gestaltung zur Minimierung der Pflegekosten 2002 kaufte die Stadt Köln das Gelände dem Bundesvermögensamt ab. Nach dem Eigen- tumswechsel folgte zwischen 2003 und 2005 der Abriss aller Gebäude im als Rententi- Westhovener Aue, Freiraumkonzept 2005 (Plan: Stadt Köln, Amt für Landschaftspflege und Grünflächen) onsbereich festgelegten Gebiet. Gleichzeitig erfolgten Entsiegelung und Rückbau von Wegen und Platzflächen, die nicht mehr für Landschaftspflege und Grünflächen genutzt wurden. Die entsiegelten Flächen meldet und Besucher bei Fehlverhalten an- wurden eingesät bzw. blieben nach Abriss spricht, wenn beispielsweise Hundebesitzer bewusst als Senken erhalten. ihre Hunde nicht anleinen. Die vorhandenen Kampfmittel wurden so- weit beräumt, dass die Verkehrssicherheit gewährleistet war. In 2005 erfolgten die Aufforstungs- und Renaturierungsarbeiten durch Entwicklung eines Waldmantels und bestehender Waldbestände, die Schaffung neuer Auengehölzbereiche, die Pflanzung von Solitärgehölzen und die Anlage extensi- ver Wiesenstandorte. Neue Wege wurden als Schotterrasenfläche angelegt.

Akteurskonstellation und neue Träger- schaften Wichtigste Partner im Renaturierungspro- zess waren die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (Steb), die für Hochwasserschutz zu- ständig sind und das Amt für Landschafts- pflege und Grünflächen der Stadt Köln. -Ge meinsam verhinderten sie gegen vielfache Widerstände eine vollständige Bebauung des ehemaligen Kasernengeländes. Unterstützung erfährt das Projekt auch durch den Bürgerverein „Ensen-Westhoven“, der informell in die weitere Entwicklung des Ge- ländes einbezogen ist. Der Verein sponserte nicht nur gemeinsam mit der Steb die Auf- stellung von Bänken. Er „kümmert“ sich um Interkommunales „Kulturlandschaftsnetzwerk“ die Fläche, indem er Probleme an das Amt (Plan: Regiolnale 2010, Stadt Köln) 114 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Die Beräumung und die Bepflanzung wur- den über die Ausgleichsmittel für den tech- nischen Hochwasserschutz finanziert.

Pflege und Unterhaltung Die Fläche erfordert lediglich eine exten- sive Pflege. Die Stadt Köln hat dafür mit einem Schäfer einen Beweidungsvertag ab- geschlossen. Zusätzlich zur Beweidung mit Moorschnucken und Ziegen mäht der Schä- fer die Flächen regelmäßig. Die Kosten für zusätzliche Pflegemaßnah- men, wie die Beseitigung von Müll und Van- dalismusschäden, werden durch die Stadt getragen. Neben dem Bürgerverein kümmern sich offiziell sogenannte Scouts des Ordnungs- Retentionsflächen der Westerhover Aue am Rhein amtes im Rahmen des Ordnungsrechts um (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) die Einhaltung der Verhaltensregeln im Au- enbereich. Planungs- und Rechtsinstrumente Aktuell wird der Einsatz von Landschafts- Innovativstes Instrument zur Umsetzung wächtern auf dieser Fläche diskutiert, die im von Auenbereichen in Köln ist das „Rheinau- Landschaftsgesetz NRW rechtlich verankert enkonzept“, mit dem Ausgleichsmittel der sind. Sie sollen die Untere Naturschutzbe- Maßnahmen des technischen Hochwasser- hörde über nachteilige Veränderungen in schutzes in die Auenbereiche fließen und so der Landschaft benachrichtigen und Schä- einen Beitrag zum flächenhaften Hochwas- den von Landschaft und Natur abwenden. serschutz leisten. Die Umsetzung des Auen- konzepts ist bereits abgeschlossen. Kommunikationsstrategien Planungsrechtlich ist die Fläche durch den Es werden durch das Grünflächenamt zwei Dreiklang aus Flächennutzungsplan (FNP), bis dreimal jährlich Führungen über das Landschaftsplan und gesetzlichen Hoch- Gelände durchgeführt, die nicht nur auf ein wasserschutz gesichert. Bis zur Änderung breites Besucherinteresse stoßen, sondern des FNP (2008) war die Fläche als „Sonder- auch ein positives Presse-Echo hervorru- nutzungsfläche“ bebaubar, seither ist sie als fen. Informiert wird über die Geschichte der „Grünfläche“ ausgewiesen. Laut Kaufvertrag Fläche und über die naturschutzfachlichen zwischen der Stadt und dem Bund besteht Aspekte des Auenbereiches. Auch Naturbe- allerdings eine Zweckbindung als Über- obachtung sind Teil der Führungen. schwemmungsgebiet. Nachzulesen sind die Informationen zum Seit 2002 ist das Areal auch in den kommuna- Gelände auch auf Stelltafeln, die die Stadt- len Landschaftsplan aufgenommen und als entwässerungsbetriebe an markanten Punk- Teil eines bestehenden Landschaftsschutz- ten des Geländes aufgestellt haben. gebietes mit „geschützten Landschaftsbe- Zusätzliche Aufmerksamkeit wird auf die standteilen“ gesichert. Das Pflege- und Ent- Fläche bei Führungen zum Preußischen Fes- wicklungskonzept für die Westhovener Aue tungsgürtel (Zwischenwerk IX A) gelenkt. berücksichtigt die Vorgaben aus dem Land- Kontakt: Stadt Köln schaftsplan und stellt einen Abgleich der Das Engagement des Bürgervereins „Ensen- Amt für Landschaftspflege und Ansprüche des Arten- und Biotopschutzes Westhoven“ für die Einhaltung der Verhal- Grünflächen Stadthaus und der Erholungsnutzung her. tensregeln auf der Fläche zum Schutz der Willi-Brandt-Platz 2 dort beheimateten Tiere und ihres Lebens- 50679 Köln Tel. 0221 221-225 72 Finanzierung und Inwertsetzung raumes zeigt, dass die Bürger die ruhige gruenflaechenamt@stadt- Form der Erholungsnutzung befürworten- Die Stadt Köln hat das ehemalige Kasernen- koeln.de und die Anliegen des Naturschutzes auf der gelände vom Bundesvermögensamt 2002 als Weiterführende Fläche akzeptieren. Informationen Bestandteil des Hochwasserschutzkonzepts • www.regionale2010.de erworben und 2005 dem Fachvermögen des Grünflächenamts zugeordnet. Hochwasserschutz als ein Motor der Renaturierung – Westhovener Aue 115

Chancen und Lösungswege Innovation und Vorbildcharakter • Sicherstellung der Renaturierung ei- Als eine von drei großen Militärflächen der ner ehemaligen Baufläche in einem Stadt Köln konnte die Westhovener Aue in Wachstumsraum durch den Hochwas- eine Grünfläche umgewandelt werden und serschutz damit zur langfristig angelegten Umsetzung • Erhalt und Weiterentwicklung der arten- des äußeren Kölner Grüngürtels beitragen. und erlebnisreichen Auenlandschaft Dabei gelang ein Kompromiss zwischen den Anforderungen einer Erholungsnut- • Finanzierung von Beräumung und zung und des Arten- und Biotopschutzes. Bepflanzung durch gezielten Einsatz Möglich wurde die Flächenentwicklung von Ausgleichsmitteln im Rahmen des nur durch die Einbeziehung des Areals als Rheinauenkonzepts Überschwemmungsgebiet in das Hochwas- • Einbindung der Renaturierungsfläche serschutzkonzept. Die Einbeziehung in das in übergeordnete Freiraumkonzepte Auenausgleichskonzept stellte die Finan- zierung der Renaturierung sicher und schuf Probleme und Hemmnisse eine effektive Verbindung zwischen dem technischen und einem flächenbezogenen • Restriktionen durch militärische Vor- Hochwasserschutz. nutzung, Erfordernis einer kostspieli- gen Kampfmittelberäumung Auf der Westhovener Aue überlagern sich die • Einschränkung der Multifunktionalität drei Nutzungsschichten Erholung, Hoch- der Fläche durch Ausschluss von Ent- wasserschutz und Arten- und Biotopschutz, wicklungen, die nicht konform mit Re- deren gleichberechtigte Entwicklung im tention und Naturschutz sind Zentrum des Freiraumkonzepts stand.

Technischer Hochwasserschutz am Rhein (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten)

>> Die Fläche wäre bebaut worden, wenn der Hochwasserschutz nicht gewesen wäre. << Das Betreten ist nur auf den Wegen gestattet Dr. Joachim Bauer, Amt für Landschaftspflege und Grünflächen,16.09.08 (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten)

1995 Abzug der belgischen Truppen

2002 Erwerb des Geländes vom Bundesver- mögensamt durch die Stadt Köln

2002/2004 Informelle Nutzung durch Schäfer mit 500 Tieren

2004 Überarbeitung des Nutzungskonzepts

2005 Übergabe der Fläche an das Fachver- mögen des Grünflächenamtes

2005 Öffnung des Geländes für die Öffent- lichkeit

2008 Änderung des FNP von Sondernut- Eröffnung der Westhovener Aue für die Öffentlichkeit 2005 zungsfläche in Grünfläche (Foto: Stadt Köln) 116 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

Strullendorf, Bayern Verzahnung von Ökologie, Hochwasserschutz und Gemeindeleben – Kachelmann-Gelände

Strullendorf geht neue Wege – Hochwasserschutz war der Auslöser. Das Gelände ist nun Teil eines “Grünen Bandes“, das den Ort mit den regionalen Freizeit-Routen verbindet. Neue Wege werden auch mit einer Zukunftswerkstatt mit lokalen Akteuren beschritten.

Kontext baufläche erhoben hatte. Mit Aufhebung des Bebauungsplanentwurfs stellte sich die Die zukünftige Entwicklung der Gemeinde Frage einer sinnvollen Nachnutzung. Der Strullendorf ist eng mit der Metropolregi- vorbeugende Hochwasserschutz wurde on Nürnberg (Erlangen, Fürth, ) zum Innovationsauslöser für die komplexe verbunden. Dies zeigt sich an ihrer wach- Renaturierung des Zeegenbaches zu einem senden Bedeutung für den Großraum als Hochwasserrückhaltegebiet im Rahmen des Wohnort, als Arbeitsort und insbesonde- re für die Naherholung. Die Gemeinde ist Gewässerentwicklungsplanes. Einerseits zwischen 1970 und 2000 von 5736 auf 7846 werden klassische Renaturierungsmaßnah- Einwohner gewachsen. Zwar stagniert in men durchgeführt (Erhöhung der Oberflä- den letzten Jahren die Einwohnerzahl, doch chenrauhigkeit, Anlage von Totholzhaufen), gab es verstärkt Zuzüge von jungen Familien andererseits werden Bereiche für die Erho- mit Kindern. Diese Entwicklung ist Ergebnis lungsnutzung gestaltet (Wasserspielplatz, einer aktiven Standortpolitik, die sich auf Wege, Amphitheater für bestehende Thea- + die Verbesserung der Naherholungsqualität tergruppen, etc.). und des Ortsbildes, die gezielte Schaffung Die Umgestaltung des Geländes ist in ein sozialer Infrastruktur sowie die Entwicklung übergeordnetes Konzept eingebunden, das der knappen Baulandreserven als Standort im Rahmen eines Flurbereinigungsverfah- für familiengerechtes Wohnen konzentriert. rens den Mündungsbereich des Zeegenba- Mit der Förderung weicher Standortfaktoren ches in die bis zum geplanten Sied- gelingt der Gemeinde die Ansiedelung neu- lungsbereich „Hinterer Bach“ renaturiert. + er Gewerbebetriebe. Trotz ihrer Lage in der Metropolregion Nürnberg ist die Gemeinde Landschafts- und Freiraumkonzept ländlich geprägt. Strullendorf liegt im Mün- dungsbereich des Zeegenbaches in die Reg- Die Gemeinde Strullendorf beabsichtigt, nitz und am Rhein-Main-Donau-Kanal. Die den Uferbereich des Zeegenbaches in einer Gefahr von Hochwasser wird zunehmend Breite von 10 Metern über 2-3 km als rena- Thema in der Region. turiertes „Grünes Band“ durch die gesamte Ortschaft zu führen. Das natürliche Poten- Projekt zial der Landschaft wird zum strukturieren- den Element, das einzelne innergemeind- Nach dem Konkurs der Zahnradfabrik Ka- liche Bereiche (Gewerbegebiet, Bahnhof, chelmann entstand durch die Beräumung Baugebiet „Hinterer Bach“, Mehrzweckhal- und Altlastensanierung hochwertiges Wohn- le) verbindet und die Gemeinde mit den bauland in unmittelbarer Bahnhofsnähe, Freizeitrouten der Region vernetzt. Darüber das die Gemeinde zu einem Einfamilien- hinaus entfaltet das „Grüne Band“ als wei- hausgebiet entwickeln wollte. Der Bebau- cher Standortfaktor ökonomische und als ungsplanentwurf musste jedoch aufgegeben Biotopverbund ökologische Wirkung. werden, nachdem das zuständige Wasser- wirtschaftsamt mit der Begründung, dass Das Kachelmann-Gelände ist dabei zentra- zwei Drittel der Fläche im Bereich des Hun- ler Baustein des Renaturierungskonzepts, dertjährigen Hochwassers (HQ 100) liegen, aber auch neuer öffentlicher Raum, der von Einspruch gegen eine Ausweisung als Wohn- der Gemeinde vielfältig zu nutzen ist.

Stadt: Strullendorf Bundesland: BY Stadttyp: Kleinstadt/Gemeinde

Einwohner 1992: 7.429 Einwohner 2007: 7.805 Lage: Innenstadt

Konzept: teilräumlich Projektfläche: 1,8 ha Umsetzungsstand: in Planung Verzahnung von Ökologie, Hochwasserschutz und Gemeindeleben – Kachelmann-Gelände 117

Ziele und Maßnahmen Das Kachelmann-Gelände ist ein Baustein der Aufwertung des Ortszentrums. Weitere Bausteine sind: • Bebauung entlang der Hauptdurch- gangsstraße mit Dienstleistung und Wohnen • Zentraler Platz an der Dorfkirche • Baugebiet „Hinterer Bach“ mit dem Zeegenbach als Identitätsmerkmal zur Standortbildung Ziele, die mit der Flächenentwicklung des Kachelmann-Geländes verbunden sind: Gewässerentwicklungsplan Strullendorf 2003 • Renaturierung des Zeegenbaches mit (Plan: TEAM 4 landschafts + ortsplanung, kaus bauernschmitt enders, Nürnberg) Retentionsfunktion innerhalb des HQ 100 – Bereiches • Randbebauung außerhalb HQ 100 mit Eine wichtige Rolle für die Einbeziehung der hochwertigem, experimentellem Woh- Landwirte spielte das vertraglich gebundene nungsbau (Niedrigenergiehäuser, hoch- Landschaftsplanungsbüro, das den Dialog wassergerechtes Bauen) zwischen Gemeinde und Landwirten mode- rierte. • Belebung des Ortszentrums (Wasser- spielplatz, Festplatz für Kirchweih, Ju- Zur Beantragung von EFRE-Fördermitteln biläen und Konzerte, Amphitheater) ist erstmalig in der Gemeindegeschichte eine • Anbindung an die überregionale Erho- Zukunftswerkstatt geplant, in der die lokalen lungsachse Rhein-Main-Donau-Kanal Akteure (Arbeiterwohlfahrt, Seniorenheim, Architekten, Gewerbe, Vereine, etc.) und en- • Einbindung in das regionale Natur- gagierte Bürger gemeinsam Grundlagen für schutzprojekt SandAchse Franken eine qualifizierte Planung durch Fachleute • Innerörtlicher Grünzug als strategische vorbereiten werden. Achse Angedacht sind auch Kooperationen mit Kindereinrichtungen, die z.B. Angebote zur Akteurskonstellation und neue Träger- Naturerfahrung in den renaturierten Berei- schaften chen betreuen könnten. Die Umsetzung des übergeordneten Renatu- rierungskonzepts und die Durchsetzung der städtebaulichen Ziele der Gemeinde, in die das Kachelmann-Gelände eingebunden ist, sind in enger und engagierter Zusammen- arbeit zwischen der Gemeindeverwaltung, dem Kreisbauamt, dem Wasserwirtschaft- samt Kronach, Stadt-, Landschafts- und Gewässerentwicklungsplanern entstanden.

Baustelle Biotopverbund westlich der Bahnanlage Ehemaliges Kachelmann-Gelände (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) 118 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

die Einspeisung von Flächen in Ökokonten und durch die Sicherung von Vorkaufsrech- ten der Gemeinde bei B-Plan Verfahren. Die Fläche ist aktuell im Eigentum einer Münchener Verwertungsgesellschaft. Der- zeit werden Verkaufsverhandlungen zum Er- werb des Grundstückes durch die Gemeinde geführt. Es gibt zur Finanzierung des Grund- stückserwerbs verschiedene Optionen: • Finanzierung des Grunderwerbs mit Hilfe der Städtebauförderung, die bis zu 60% der Kosten übernimmt. • Finanzierung ohne Städtebauförde- rung. Der Grundstücksverkauf der Bewirtschaftung durch Kamerun-Schafe (Foto: bgmr Landschaftsarchitekten) Randbebauung soll in diesem Fall die Renaturierung finanzieren (Bodenricht- Planungs- und Rechtsinstrumente wert für Bauland 150 Euro). Aufgrund hochwasserschutzrechtlicher Be- Der Antrag auf Fördermittel des Europä- denken wurde der Entwurf des Bebauungs- ischen Fonds für Regionale Entwicklung plans Kachelmann-Gelände verworfen. Im (EFRE) ist in Bearbeitung. FNP-Entwurf 2008 ist die gesamte Fläche Bereits renaturierte Flächen bestehen west- des Kachelmann-Geländes als öffentliche lich der Bahnanlagen. Die Gemeinde finan- Grünfläche angelegt. Die Fläche wird vom zierte dort den Bodenerwerb und auch die Landratsamt mittlerweile als Außenbereich Anlage eigenständig. im Innenbereich angesehen.

Die Aufstellung eines Landschaftsplanes Pflege und Unterhaltung zur konzeptionellen Vorbereitung eines Die Pflege der gemeindlichen Grünflächen Biotopverbundes in den intensiv genutzten wird zukünftig über Kamerun-Schafe erfol- Gemeindeteilen des Regnitztales war lange Zeit umstritten, da dadurch Flächentau- gen. Bislang umfasst die Herde 6 Tiere, die sche erforderlich wurden. Im Rahmen des zu einem Bestand von ca. 40 Tieren erweitert vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens werden soll. Die Beweidung mit den Scha- (§§ 103 a-i FlurbG) besteht jedoch die Mög- fen versteht die Gemeinde als Experiment lichkeit des Landtausches für ökologische zur Reduzierung der Pflegekosten. Die Ge- Zwecke auf freiwilliger Basis. Der Tausch meinde betreibt die Viehhaltung selbst. Die muss weder wertgleich (5 Cent/qm) noch Schafe kosteten pro Stück 40 Euro, die Rasse flächengleich erfolgen. Die Landwirte- neh ist pflegeleicht und genügsam. men diese Möglichkeit nach anfänglichen Akzeptanzschwierigkeiten in Anspruch. Es Kommunikationsstrategien entsteht eine Win-Win-Situation. Die Ge- Die Projekte im Städtebauförderungsgebiet meinde „belohnt“ die Bauern durch die An- sind z.B. durch gezielte Bürgerversammlun- lage von Erschließungswegen. Über diesen gen in verschiedene Kommunikationssträn- freiwilligen Landtausch und den Erwerb ge eingebunden. Ideen werden durch Kom- ökokontofähiger Flächen durch die Gemein- munikation mit Multiplikatoren wie z.B. den de wird der Biotopverbund Schritt für Schritt Pfarrer verankert. umsetzbar. Nach anfänglichen Widerständen gegen Grundlage für die konkrete Entwicklung der das ungewohnt partizipartive Verfahren im Planung und Renaturierung des Kachel- Kontakt: Rahmen der EFRE Bewerbung ist die Durch- mann-Geländes bildet der Gewässerent- Gemeinde Strullendorf führung einer Zukunftswerkstatt geplant. Bürger- und Bauamt wicklungsplan. Forchheimer Straße 32 Durch Aufrufe im örtlichen Mitteilungsblatt 96129 Strullendorf sollen die Sozialträger (Arbeiterwohlfahrt, Tel. 09543 8226-0 Finanzierung und Inwertsetzung [email protected] Seniorenheim, Architekten, Gewerbe, Ver- Die Gemeinde betreibt seit Jahren vorsor- eine, etc.) und engagierte Bürger gezielt zur Weiterführende Informationen gende Bodenpolitik durch den Ankauf von Beteiligung angesprochen werden. Die Par- • www.strullendorf.de Flächen für die Umsetzung ihrer Stadtent- tizipationsverfahren werden durch ein Mo- wicklungsziele, durch den o.g. Landtausch, derationsbüro begleitet. Verzahnung von Ökologie, Hochwasserschutz und Gemeindeleben – Kachelmann-Gelände 119

Chancen und Lösungswege Die dafür erforderliche Kooperation der • Qualifizierung des Freiraumes und Ver- örtlichen Landwirte und ihre Teilnahme an netzung mit der Region durch die Integ- dem für ökologische Projekte erforderlichen Flächentausch konnte durch eine gezielte ration des Kachelmann-Geländes in das Moderation bewirkt werden. „Grüne Band“ • Qualifizierung der Ortsmitte Die Gemeinde als Schäfereibetrieb sichert die Pflege der wachsenden Zahl an gemein- • Synergie-Effekte durch die Kombina- deeigenen Freiflächen und birgt mittelfristig tion verschiedener Maßnahmen und Potenzial als touristische Attraktion. Förderprogramme Die Bewerbung um EFRE-Fördermittel för- Probleme und Hemmnisse dert die Einbeziehung lokaler Akteure in den Stadtentwicklungsprozess. Die lang anhal- • Durch die Eigentümer zu hoch ange- tenden und grundsätzlichen Widerstände setzte Grundstückspreise der politischen Gremien gegen Partizipation • Die Modalitäten der bayerischen Städ- bei gemeindlichen Entwicklungsprozessen tebauförderung variieren von Jahr zu konnten durch die Aussicht auf Fördergel- Jahr. Vorausschauende und langfristige der überwunden werden. Planung wird dadurch erschwert.

Innovation und Vorbildcharakter Die Verbindung von Maßnahmen des Hoch- wasserschutzes, der Ökologie und der Schaf- fung eines an die Gemeindeaktivitäten an- gepassten öffentlichen Raumes führen zu einer unverwechselbaren Qualifizierung der Ortsmitte.

geplanter Flachwasserzone Fußweg Feuchtzone „Sandbank“ Trittsteine

Prinzipschnitt: Integration Freiflächennutzung und Renaturierung „Spielen am Wasser“ (Schnitt: TEAM 4 landschafts + ortsplanung, kaus bauernschmitt enders, Nürnberg)

>> Wir müssen uns mit den weichen Standort- faktoren am Markt behaupten. << Andreas Schwarz, Bürgermeister Strullendorf, 08.07.08

Kachelmann-Gelände und Umgebung (Luftbild: Gemeinde Strullendorf

2003 Gewässerentwicklungsplan

2006 Aufhebung des Bebauungsplanent- wurfs

geplant Zukunftswerkstatt

geplant Umsetzung Kachelmann-Gelände

Teilabschnitt des Biotopverbundes (Plan: TEAM 4 landschafts + ortsplanung, Nürnberg) 120 Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung Werkstatt: Praxis Heft 62

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Informationsgeber

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen, die durch Informationen über die Fallstudien an der Entstehung dieser Werkstatt: Praxis mitgewirkt haben.

WALD Dessau-Rosslau: Eisenhüttenstadt: Heike Brückner, Stiftung Bauhaus Dessau Christiane Nowak, Bereich Stadtentwicklung/ Dr. Kirsten Lott, Freiraum- und Grünplanung, Stadtumbau Dresden: Gelsenkirchen: Thomas Pieper, Geschäftsbereich Stadtent­ Michael Börth, Landesbetrieb Wald und Holz wicklung, Stadtplanungsamt NRW, Leiter Schwerpunktaufgabe Industrie­ wald Ruhrgebiet Thomas Jakob, Geschäftsbereich Wirtschaft, Umweltamt Halle: Iris Gleichmann, B.U.S. – Büro für Umweltpla­ Ulrike Neubert, Stadtplanungsamt nung und Stadtentwicklung Hoyerswerda: Essen: Annette Krzok, Amt für Planung, Hochbau, Simone Raskob, Geschäftsbereich 6A, Grün Bauaufsicht und Liegenschaften und Gruga Essen Reichenbach: Dr. Andreas Kipar, KLA KIPARLANDSCHAFTS- Sven Hörning, FB 3 Bauwesen ARCHITEKTEN, Milano-Duisburg Jochen Meth, FB 2 Innere Verwaltung Frankfurt am Main: Schwedt (Oder): Klaus Hoppe, Umweltamt Brigitte Berndt, Abteilung Stadtplanung Jena: Weißwasser: Bettina Kynast, Fachdienst Stadtentwicklung Detlef Krahl, Stadtplanung ENERGIEGEWINNUNG Thorsten Rennhak, Stadtentwicklung Essen: LANDWIRTSCHAFT Klaus Busemann, RAG Montan Immobilien GmbH Berlin-Gatow: Frank Lohrberg, lohrberg stadtlandschafts­ Susanne Bonk, Bundesministerium für Verkehr, architektur Bau und Stadtentwicklung, Referat SW24 Halle: Almut Jirku, Senatsverwaltung für Stadtent­ wicklung, Abteilung Städtebau und Projekte, Franziska Elstermann, Stadtplanungsamt Referat II D Ina Kuhn, Stadtplanungsamt Elke Hube, Bezirksamt Spandau, Naturschutz- Matthias Lux, Stadtwirtschaft GmbH Halle und Grünflächenamt HOCHWASSERSCHUTZ Berlin-Lichtenberg: Köln: Frank Schwabe, Amt für Umwelt und Natur Dr. Joachim Bauer, Amt für Landschaftspflege Karl-Heinz Riedel, Agrarbörse Deutschland und Grünflächen Ost e.V. Strullendorf: Cottbus: Tilman Daum, Bürger- und Bauamt Thomas Kramer, Fachbereich Stadtentwick­ lung ERHOLUNG Leipzig: Karmen Seidel, Amt für Stadtgrün und Gewäs­ ser