Institut: Geographie und Geologie Studiengang: Nachhaltigkeitsgeographie

Potenzialanalyse der Ernährungssouveränität Berlins unter Einbezug verschiedener Ernährungsszenarien und regionaler Raumgrößen

Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Titels Master of Science, M.Sc.

Vorgelegt von Norman Voigt Greifswald, den 12.04.2018

Erstgutachterin: M. Sc. Uta Schmidt

Zweitgutachterin: Dr. Henrike Rieken

Titelbild Die Zeit ist reif für Ernährungssouveränität! (nyeleni – Bewegung für Ernährungssouveränität) Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten.

Roger Willemsen Danksagung

Danksagung Die Masterthesis ist nicht nur Zeugnis meiner wissenschaftlichen Fähigkeit und die Beantwortung einer Forschungsfrage, sie ist auch das Ende eines Lebensabschnitts. Die letzten Jahre waren für mich ein großes Glück und eine große Freude. Ich durfte viele tolle Menschen kennenlernen, habe meinen Horizont erweitert und einen Lebensweg gefunden, der mir Sinn, Kraft und Halt gibt. Gerüstet, voll mit Wissen und intrinsischer Motivation zur Bewältigung kommender Aufgaben. Mein Wunsch ist natürlich, das gewonnene Wissen und die gewonnenen Erfahrungen so einsetzen zu können, dass wir uns eben doch selbst aufhalten, nachhaltige und transformatorische Wege einschlagen und der Bezeichnung Homo sapiens gerecht werden. Dazu möchte ich meinen Anteil leisten. Zu allererst möchte ich meinen Eltern und meiner Familie danken. Die gesamte Studienzeit wäre ohne sie deutlich schwieriger gewesen. Für all die Unterstützung, die Geduld, das Vertrauen und das Verständnis bin ich über alles dankbar! Bezogen auf diese Arbeit möchte ich meinen Betreuerinnen Uta Schmidt und Dr. Henrike Rieken für ihre stetige Unterstützung danken sowie Benedikt Härlin und Michael Wimmer für die geführten Experteninterviews. Niemals kann eine solche Arbeit ohne die Hilfe anderer abgeschlossen werden, die lesen, korrigieren und eigene Erfahrungen einbringen. Ganz besonders möchte ich mich dafür bei Julia, Ina und Kristin für ihre Korrekturen und Hinweise bedanken. Mir ist bewusst, dass dies nicht immer das reinste Lesevergnügen war. Auch möchte ich mich bei allen Personen, ob Kommilitonen und Kommilitoninnen, Dozenten und Dozentinnen, Betreuer und Betreuerinnen sowie bei allen anderen bedanken, die mich während meines Studiums motivierten genauer, kritischer und exakter zu werden und mit denen ich einfach eine schöne Zeit verleben durfte. Ich beende diese Danksagung daher recht knapp und sage einfach nur: Danke!

I Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Danksagung ...... I Abbildungsverzeichnis ...... V Tabellenverzeichnis ...... VIII Abkürzungsverzeichnung ...... IX Zusammenfassung ...... 1 Abstract ...... 2 1. Einleitung...... 3 1.1 Zielstellung ...... 4 1.2 Forschungsfrage ...... 4 1.3 Aufbau ...... 5 2. Ernährungssouveränität und Regionalität ...... 6 2.1 Definition Regionalität ...... 6 2.2 Definition Ernährungssouveränität ...... 9 2.3 Ernährungssouveränität im Kontext von Suffizienz, Postwachstum und Degrowth ...... 11 2.3.1 Suffizienz ...... 11 2.3.2 Postwachstum ...... 13 2.3.3 Degrowth ...... 14 2.4 Ernährungssouveränität unter heutigen Strukturen globaler Lebensmittelerzeugung ...... 15 2.4.1 Abkopplung und Folgen ...... 15 2.4.2 Konzentrationsprozesse in der Lebensmittelwertschöpfungskette ...... 18 2.4.3 Globaler virtueller Landhandel ...... 21 2.5 Ernährungssouveränität im urbanen Raum ...... 23 2.5.1 Geschichtliche Entwicklung ...... 23 2.5.2 Unterscheidung von urbaner und städtischer Landwirtschaft ...... 24 2.5.3 Formen urbaner Lebensmittelerzeugung ...... 25 2.6 (Weiter-) Entwicklung ernährungssouveräner Strukturen ...... 26 2.6.1 Stadtplanung und Ernährungsstrategien ...... 26 2.6.2 Ernährungsräte ...... 30 2.6.3 Milan Urban Food Policy Pact ...... 33 2.6.4 Food Smart Cities For Development...... 34 2.6.5 Alternativkonzept „Kursbuch Agrarwende 2050“ ...... 35 2.6.6 Regionalförderung durch Regionalinitiativen ...... 36 2.6.7 Solidarische Landwirtschaft, Bodengenossenschaften und Regional AGs ...... 37 2.6.8 Transition Town Bewegung ...... 39 2.6.9 Gesellschaftliches Bündnis „Wir haben Agrarindustrie satt!“ ...... 40 2.7 Experteninterview mit Benedikt Härlin ...... 40 2.8 Zusammenfassung ...... 44

II Inhaltsverzeichnis

3. Lebensmittelerzeugung, -verluste und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin- ...... 48 3.1 Lebensmittelerzeugung in Deutschland ...... 48 3.1.1 Aktuelle Situation ...... 48 3.1.2 Unterscheidung von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft ...... 50 3.1.3 Vorteile des ökologischen Landbaus bei der Lebensmittelerzeugung ...... 55 3.2 Lebensmittelerzeugung im Stadtstaat Berlin ...... 57 3.2.1 Staatsverträge Berlin-Brandenburg ...... 57 3.2.2 Landwirtschaftliche Flächenverteilung ...... 57 3.2.3 Nutztierhaltung ...... 59 3.2.4 Kleingartenanlagen ...... 59 3.2.5 Brachflächen ...... 62 3.2.6 Dachbegrünung ...... 64 3.2.7 Grünflächen ...... 64 3.3 Lebensmittelerzeugung im Bundesland Brandenburg ...... 66 3.3.1 Landwirtschaftliche Flächenverteilung ...... 66 3.3.2 Nutztierhaltung ...... 69 3.3.3 Energiepflanzenanbau ...... 70 3.3.4 Ackerbauliches Ertragspotenzial ...... 72 3.4 Lebensmittelverluste in der Lebensmittelwertschöpfungskette...... 74 3.5 Flächenfußabdrücke durch den Lebensmittelkonsum...... 76 3.6 Experteninterview mit Michael Wimmer...... 79 3.7 Zusammenfassung ...... 82 4. Methodenbeschreibung ...... 88 4.1 Ziel der Untersuchung ...... 88 4.2 Methodisches Vorgehen ...... 88 4.3 Erstellung der Ernährungsszenarien ...... 89 4.3.1 Auswahl der Lebensmittelgruppen ...... 89 4.3.2 Auswahl der Ernährungsszenarien ...... 90 4.3.3 Beschreibung der Berechnung der Kilokalorien ...... 92 4.3.4 Beschreibung der Berechnung Flächenfußabdrücke ...... 92 4.3.5 Beschreibung der Berechnung der Lebensmittelverluste ...... 93 4.3.6 Beschreibung der Querschnittsberechnung ...... 93 4.3.7 Beschreibung des Einbezugs des Energiepflanzenabbaus ...... 94 4.4 Datengrundlage zur Erstellung der Gebietskulissen ...... 95 4.5 Definition der Gebietskulissen ...... 96 4.5.1 Region 1.1 ...... 96 4.5.2 Region 1.2 ...... 96 4.5.3 Region 2 ...... 97 4.5.4 Region 3 ...... 97 4.6 Methodenkritik ...... 98 4.6.1 Methodenkritik an der Erstellung der Ernährungsszenarien...... 98 4.6.2 Methodenkritik an der Datengrundlage der Gebietskulissen ...... 99 4.6.3 Methodenkritik an der Erstellung der Gebietskulissen ...... 100 III Inhaltsverzeichnis

5. Ergebnisauswertung ...... 101 5.1 Flächenfußabdrücke der jeweiligen Ernährungsszenarien ...... 101 5.1.1 Ernährungsszenario (1): Status quo ...... 101 5.1.2 WWF-Vergleichsszenario ...... 102 5.1.3 Ernährungsszenario (2): DGE...... 103 5.1.4 Ernährungsszenario (3): ProVeg vegetarisch ...... 104 5.1.5. Ernährungsszenario (4): ProVeg vegan ...... 106 5.1.6 Ernährungsszenario (5): Ein fleischfreier Tag pro Woche ...... 107 5.1.7 Flächenfußabdruck Ernährungsszenario (6): Zwei fleischfreie Tage pro Woche ...... 107 5.1.8 Flächenfußabdruck Ernährungsszenario (7): Drei fleischfreie Tage pro Woche ...... 108 5.1.9 Zusammenfassung der Ernährungsszenarien ...... 109 5.2 Selbstversorgungsgrad Region 1.1 - Berlin ...... 110 5.3 Selbstversorgungsgrad Region 1.2 - Berlin ...... 111 5.4 Selbstversorgungsgrad Region 2 – 50 Kilometer-Radius ...... 113 5.5 Selbstversorgungsgrad Region 3 – 100 Kilometer-Radius ...... 115 5.6 Zusammenfassung der Regionen ...... 118 5.7 Einbezug von Lebensmittelverlusten ...... 120 5.8 Querschnittsberechnung ...... 122 5.9 Einbezug des Energiepflanzenabbau in Brandenburg ...... 123 5.10 Zusammenfassung ...... 124 6. Diskussion ...... 128 6.1 Beantwortung der Forschungsfragen ...... 128 6.2 Vergleich mit anderen Studien ...... 136 6.3 Umsetzung ernährungssouveräner Strukturen in Berlin ...... 137 6.4 Förderung von Ernährungssouveränität in Berlin durch Urbanität...... 139 6.5 Ernährungssouveränität im Zeichen von Suffizienz und Postwachstum ...... 141 7. Kritische Reflektion der Forschung ...... 145 7.1 Forschungsfrage ...... 145 7.2 Methodik ...... 146 7.3 Ergebnisse ...... 146 8. Schlussbetrachtung...... 148 Literaturverzeichnis ...... 150 Anhang ...... 163 Eidesstattliche Erklärung

IV Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Auf der Etikettenbezeichnung des im Jahr 2014 eingeführten Regionalfensters ...... 7 Abbildung 2: Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität kann eine große Bandbreit der Sustainable Development Goals abdecken (UN (a) 2017) ...... 11 Abbildung 3: Die Thünen'schen Kreise werden durch die Lagerrente bestimmt. Frische, schwierig zu transportierende Lebensmittel haben eine hohe Lagerrente und müssen in unmittelbarer zur Stadt produziert werden. Produkte mit geringer Lagerrenter befinden sich in den äußeren Kreisen (PH. STIERAND (e) 2014, S. 42 f.)...... 15 Abbildung 4: Machtkonzentration in der globalen Wertschöpfungskette der Lebensmittel- und vorgelagerten Rohstoffindustrie (ILA Kollektiv 2017, S. 5) ...... 20 Abbildung 5: Gegenüberstellung deutscher Nettoimporte (+) und Nettoexporte (-) an landwirtschaftlicher genutzter Fläche, Durchschnitt der Jahre 2011-2013 (WWF (c) 2015, S. 19) ...... 22 Abbildung 6: Ziele der Studie "Kursbuch Agrarwende 2050“ (Greenpeace (a) 2017, S. 6 f.) ...... 35 Abbildung 7: Notwendige Einflussfaktoren zur Zielerreichung einer ökologisierten Landwirtschaft im Jahre 2050 (Greenpeace (a) 2017, S. 9)...... 35 Abbildung 8: Die durch die Greenpeace-Studie angenommenen Ernährungswenden im Jahr 2050 (Greenpeace (a) 2017, S. 9) ...... 36 Abbildung 9: Fazit der Hochrechnung der Ernährungswenden für das Jahr 2050 (Greenpeace (b) 2017, S. 64) ...... 36 Abbildung 10: Durchschnittlicher Selbstversorgunggrad Deutschlands in ausgewählten Lebensmittelgruppen (BMEL (b) 2016, S. 5) ...... 48 Abbildung 11: Veränderung der Betriebszahlen sowie durchschnittlicher Betriebsgrößen von 1970 bis 2013 (BMEL (b) 2016, S. 7) ...... 49 Abbildung 12: Erhebung des BÖLW zur Situation des ökologischen Landbaus in Deutschland für das Jahr 2016 ...... 50 Abbildung 13: Karte zur Flächenausdehnung des ökologischen Landbaus je Bundesland in Deutschland (BfN 2017) ...... 51 Abbildung 14: Entwicklung des ökologischen Landbaus in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten (BMEL (h) 2017, S. 23) ...... 52 Abbildung 15: Vergleich des durchschnittlichen Gewinns und Anteil der EU-Agrarsubventionen pro Hektar bei konventionell und ökologisch wirtschaftenden Betrieben (F. v. PAEPCKE 2017) ...... 52 Abbildung 16: Fördersätze für den Ökolandbau in Brandenburg ab 2014 in EUR (A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 25) ...... 53 Abbildung 17: Vergleichsentwicklung des Gewinns in EUR zwischen Ökobetrieben und konventionellen Betrieben von 1995/96 bis 2013/14 (A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 26)...... 54 Abbildung 18: Klimabilanz für Nahrungsmittel aus konventioneller und ökologischer Landwirtschaft beim Einkauf im Handel (BMEL (i) 2016, S. 1) ...... 56 Abbildung 19: Lage der landwirtschaftlichen Flächen Ackerland, Dauerkulturen und Dauergrünland Berlins (eigene Darstellung) ...... 58 V Abbildungsverzeichnis

Abbildung 20: Viehbestand in Berlin von 2003 bis 2013 (Statistisches Jahrbuch Berlin 2016, S. 352) .....59 Abbildung 21: Kleingartenanlagen nach Bezirken (Statistisches Jahrbuch Berlin 2016, S. 354) ...... 59 Abbildung 22: Lage der Kleingartenkolonien Berlins (eigene Darstellung) ...... 61 Abbildung 23: Lage der Brachflächen Berlins (eigene Darstellung) ...... 63 Abbildung 24: Lage der Grünflächen Berlins (Eigene Darstellung) ...... 65 Abbildung 25: landwirtschaftliche Betriebe und genutzte Fläche von 2006 bis 2015 sowie deren Betriebsgrößen für das Jahr 2015 (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 360) ...... 66 Abbildung 26: Auflistung landwirtschaftsfremder Mehrheitseigentümer an landwirtschaftlichen Unternehmen und Flächen (A. TIETZ 2017)...... 67 Abbildung 27: Brandenburgs landwirtschaftliche Betriebe von 2003 bis 2013 nach betriebswirtschaftlicher Ausrichtung (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 361) ...... 67 Abbildung 28: Brandenburgs genutzte landwirtschaftlichen Flächen und Angaben zu den Verwaltungsbezirken (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 365) ...... 68 Abbildung 29: Klassen des SQR-Ratings zum Ertragspotenzial der Böden (BGR 2017) ...... 72 Abbildung 30: Ackerbauliches Ertragspotenzial der Böden nach SQR-Rating in Berlin-Brandenburg (eigene Darstellung nach Datenquelle: SQR1000 V1.0, BGR, Hannover, 2013) ...... 73 Abbildung 31: Ackerbauliches Ertragspotenzial der Böden nach SQR-Rating in Berlin (Eigene Dartstellung nach Datenquelle: SQR1000 V1.0, BGR, Hannover, 2013) ...... 73 Abbildung 32: Bandbreite der gesamten Lebensmittelabfälle in Deutschland (Summe Haushalte inkl. Getränke, Großverbraucher, Handel, Industrie) (M. KRANERT et al. 2012, S. 204) ...... 75 Abbildung 33: Verteilung der Lebensmittelabfälle innerhalb der Wertschöpfungskette für Lebensmittel (M. KRANERT et al. 2012, S. 205) ...... 76 Abbildung 34: Verbrauch von Lebensmitteln in Deutschland im Jahr 2015 (kg/Einwohner) (eigene Darstellung unter Verwendung von Daten des BMEL (f) 2017) ...... 77 Abbildung 35: Lage Gebietskulisse Region 1.1 und Region 1.2 Berlin (eigene Darstellung) ...... 96 Abbildung 36: Lage Gebietskulisse Region 2 Berlin-Brandenburg mit einem 50 km Radius (eigene Darstellung) ...... 97 Abbildung 37: Lage Gebietskulisse Region 3 Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit einem 100 km-Radius (eigene Darstellung)...... 97 Abbildung 38: Ernährungskreis der DGE ...... 103 Abbildung 39: Ernährungspyramide von ProVeg zur vegetarischen Ernährungsempfehlung ...... 105 Abbildung 40: Ernährungspyramide von ProVeg zur veganen Ernährungsempfehlung ...... 106 Abbildung 41: Darstellende Zusammenfassung der Flächenfußabdrücke in Quadratmetern pro Person und Jahr der einzelnen Ernährungsszenarien (eigene Darstellung) ...... 109 Abbildung 42: Flächendefizite (in ha) der jeweiligen Ernährungsszenarien zur regionalen Versorgung der Region 1.1 (eigene Darstellung) ...... 110 Abbildung 43: Flächendefizite (in ha) der jeweiligen Ernährungsszenarien in Region 1.2 (eigene Darstellung) ...... 112 VI Abbildungsverzeichnis

Abbildung 44: Vergleich der Selbstversorgungsgrade der Bevölkerung (in Anzahl Personen) für die Region 1.1 und Region 1.2 (eigene Darstellung) ...... 112 Abbildung 45: Gesamtbevölkerung und Anbauflächen zur Lebensmittelproduktion (in ha) in Region 1.1, 1.2 und 2 (eigene Darstellung) ...... 113 Abbildung 46: Flächendefizite (in ha) der jeweiligen Ernährungsszenarien in Region 2 (eigene Darstellung) ...... 114 Abbildung 47: Selbstversorgungsgrad in Bevölkerungsgröße je Ernährungsszenario in Region 2 (eigene Darstellung) ...... 115 Abbildung 48: Gesamtbevölkerung und Anbauflächen zur Lebensmittelproduktion (in ha) in den Regionen 1.2, 2 und 3 (eigene Darstellung) ...... 116 Abbildung 49: Flächendefizite und -überschüsse (in ha) der jeweiligen Ernährungsszenarien in Region 3 (eigene Darstellung) ...... 117 Abbildung 50: Selbstversorgungsgrad in Bevölkerungsgröße je Ernährungsszenario in Region 3 (eigene Darstellung) ...... 118 Abbildung 51: Vergleich der Selbstversorgungspotenziale der Bevölkerung (in Anzahl) in den Regionen 1.1, 1,2, 2 und 3 sowie Ernährungsszenarien (eigene Darstellung) ...... 119 Abbildung 52: Vergleich der Selbstversorgungsgrade (in Prozent) in den Regionen 1.1, 1,2, 2 und 3 sowie der Ernährungsszenarien (eigene Darstellung) ...... 120 Abbildung 53: Flächendefizite und -überschüsse (in ha) des Querschnittszenarios für die Regionen 1.1, 1.2, 2 und 3 (eigene Darstellung) ...... 123 Abbildung 54: Flächenbewertung zur Selbstversorgung mit und ohne Einbezug des Energiepflanzenanbaus in Region 2 (eigene Darstellung) ...... 123 Abbildung 55: Flächenbewertung zur Selbstversorgung mit und ohne Einbezug des Energiepflanzenanbaus in Region 3 (eigene Darstellung) ...... 124 Abbildung 56: Flächendefizite und -überschüsse unter Einbezug von Lebensmittelverlusten und des Energiepflanzenanbaus aller Regionen sowie Ernährungsszenarien (eigene Darstellung) ...... 126

VII Tabellenverzeichnis Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Vergleich der jährlich konsumierten Lebensmittel im Vergleich der Jahre 2013 und 2015 (eigene Darstellung unter Verwendung von Daten des WWF (d) 2015 & des BMEL (f) 2017)...... 78 Tabelle 2: Flächenverbrauch der einzelnen Lebensmittelgruppen in Deutschland (Eigene Darstellung unter Verwendung von WWF (c) 2015, S. 22) ...... 78 Tabelle 3: Übersicht der Lebensmittelverbräuche des jeweiligen Ernährungsszenarios in kg/Jahr pro Person in Deutschland...... 91 Tabelle 4: Flächenfußabdrücke der jeweiligen Lebensmittelgruppen in Quadratmeter/Kilogramm (eigene Berechnung) ...... 92 Tabelle 5: Flächenbedarf vermeidbarer Lebensmittelverluste in Deutschland (WWF (a) 2015, S. 12)...... 93 Tabelle 6: Querschnitt der Ernährungsweisen und Bevölkerungsanteile in den Regionen 1.1, 1.2, 2 und 3 94 Tabelle 7: Zusammenfassung der landwirtschaftlichen Nutzflächen abzüglich Energiepflanzenanbaus in der Region 2 und 3 ...... 95 Tabelle 8: Ernährungsszenario (1) - Status quo (eigene Darstellung) ...... 102 Tabelle 9: Ernährungsszenario - WWF (eigene Darstellung) ...... 103 Tabelle 10: Ernährungsszenario (2) – DGE (eigene Darstellung) ...... 104 Tabelle 11: Ernährungsszenario (3) – ProVeg vegetarisch (eigene Darstellung) ...... 105 Tabelle 12: Ernährungsszenario (4) - ProVeg vegan (eigene Darstellung) ...... 106 Tabelle 13: Ernährungsszenario (5) - ein fleischfreier Tag pro Woche (eigene Darstellung) ...... 107 Tabelle 14: Ernährungsszenario (6) - zwei fleischfreie Tage pro Woche (eigene Darstellung) ...... 108 Tabelle 15: Ernährungsszenario (7) - drei fleischfreie Tage pro Woche (eigene Darstellung) ...... 109 Tabelle 16: Vergleichende Kennzahlen aller Ernährungsszenarien und potenzieller Selbstversorgungsgrade der Region 1.1 (eigene Berechnung) ...... 110 Tabelle 17: Vergleichende Kennzahlen aller Ernährungsszenarien und potenzieller Selbstversorgungsgrade der Region 1.2 (eigene Berechnung) ...... 111 Tabelle 18: Vergleichende Kennzahlen aller Ernährungsszenarien und potenzieller Selbstversorgungsgrade der Region 2 (eigene Berechnung) ...... 113 Tabelle 19: Vergleichende Kennzahlen aller Ernährungsszenarien und potenzieller Selbstversorgungsgrade der Region 1.1 (eigene Berechnung) ...... 117 Tabelle 20: Vergleichende Kennzahlen der Gesamtflächen zur Lebensmittelerzeugung und Lebensmittelverluste (in ha) aller Regionen (eigene Berechnung) ...... 121 Tabelle 21: Zusammenfassung der Auswirkungen der Lebensmittelverluste auf die Bevölkerungszahlen aller Regionen sowie Ernährungsszenarien (eigene Berechnung) ...... 121 Tabelle 22: Zusammenfassung des Querschnittszenarios aller Regionen (eigene Berechnung) ...... 122 Tabelle 23: Zusammenfassung des Selbstversorgungsgrads unter Einbezug von Lebensmittelverlusten und des Energiepflanzenanbaus aller Regionen sowie Ernährungsszenarien (eigene Berechnung) ...... 124

VIII Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnung AbL: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AK: Ackerfläche BB: geografischer und verwaltungstechnischer Raum Berlin-Brandenburg BfN: Bundesamt für Naturschutz BMEL: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft BÖLW: Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft DGE: Deutsche Gesellschaft für Ernährung DK: Dauerkulturen EIG-AGRI: European Innovation Partnership ELER: Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums EU: Europäische Union FAO: Food and Agricultural Organization of the United Nations FÖL: Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau GAP: Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union GAK: Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes gha: Globaler Hektar GL: Dauergrünland ha: Hektar Jhd.: Jahrhundert kcal: Kilokalorien KULAP: Förderung umweltgerechter landwirtschaftlicher Produktionsverfahren und zur Erhaltung der Kulturlandschaft der Länder Brandenburg und Berlin MaN: Menschenrecht auf Nahrung MHD: Mindesthaltbarkeitsdatum MLUL: Brandenburger Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft NVS: Nationale Verzehrs Studie RI: Regionalinitiativen SDGs: Sustainable Development Goals SoLaWi: Solidarische Landwirtschaft SQR: Müncheberger Soil Quality Rating TAB: Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag THG: Treibhausgase UBA: Umweltbundesamt VZBV: Verbraucherzentrale Bundesverband

IX Zusammenfassung Zusammenfassung Diese Arbeit untersucht die theoretischen Möglichkeiten ernährungssouveräner Strukturen im Großraum Berlins anhand von Flächenfußabdrücken der Lebensmittelproduktion und der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Anbauflächen. Als Untersuchungsräume wurden die Verwaltungsgrenzen des Stadtstaates Berlin und Radien von 50 bzw. 100 Kilometern um das Stadtzentrum gewählt und die Größen der dort lebenden Bevölkerung ermittelt. Innerhalb der verschiedenen Untersuchungsgebiete, die sich zum Teil bis in die Bundesländer Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt erstrecken, wurden die potentiellen landwirtschaftlichen Anbauflächen mit GIS-Methoden und durch Datenrecherche analysiert und in die Kategorien Ackerland, Dauergrünland, Dauerkulturland sowie im urbanen Raum zusätzlich in Kleingärten, Brach- und Grünflächen und Dachbegrünung unterteilt. Anhand verschiedener Ernährungsszenarien wurde der jährliche Flächenverbrauch pro Kopf bei einer durchschnittlichen Ernährung nach derzeitigem Stand in Deutschland, nach der fleischreduzierten Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und nach den vegetarischen und veganen Verzehrempfehlungen der Organisation ProVeg e. V. berechnet. Zusätzlich wurden drei Szenarien mit ein bis drei fleischfreien Tagen pro Woche erstellt und die Faktoren der Lebensmittelverluste und des brandenburgischen Energiepflanzenanbaus in die Berechnungen integriert. Als Ergebnis zeigt sich, dass lediglich mittels einer veganen Ernährungsweise innerhalb eines Radius von 100 Kilometern um den Stadtkern Berlins ein Überschuss an landwirtschaftlicher Fläche (246.706 Hektar) vorhanden ist, die eine souveräne, regionale und lokale Ernährungsstruktur ermöglichen würde. In allen anderen Untersuchungsgebieten reichen die vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen in keinem der untersuchten Ernährungsszenarien für eine Selbstversorgung bzw. regionale Lebensmittelsouveränität aus. Um einen Längsschnitt verschiedener Ernährungsweisen und Flächenfußabdrücke, die die derzeitige Verteilung der Ernährungsgewohnheiten (derzeitiger, flexitarischer, vegetarischer und veganer Ernährungsstil) Deutschlands aufzeigen darzustellen, wurde eine Querschnittsberechnung durchgeführt. Dabei zeigt sich, dass selbst ohne den Einbezug der Faktoren Lebensmittelverluste und Energiepflanzenanbau ausschließlich der Untersuchungsraum des 100 Kilometer-Radius genügend landwirtschaftliche Flächenüberschüsse für eine regionale Produktion aufweist (82.000 Hektar Flächenüberschuss). Es zeigt sich jedoch, dass bereits durch eine moderate Reduktion des Fleischkonsums der Flächenverbrauch pro Person und Jahr deutlich gesenkt wird, so dass eine regionale Lebensmittelproduktion durch freiwerdende Flächen ermöglicht werden kann. Auch die Förderung lokaler Selbstversorgung in Kleinprojekten wie Urban Gardening, Selbsternte-, Klein- und Gemeinschaftsgärten trägt zu einer Stärkung der Ernährungssouveränität urbaner Bevölkerung bei und ist im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung politisch und administrativ unbedingt zu unterstützen.

Seite | 1 Abstract Abstract The present research thesis examines structures and possibilities of food sovereignty in the area Berlin- Brandenburg using land footprints of agricultural production and nutritional consumption patterns. The chosen research area is identified by the administrative borders of the city state Berlin and radii of 50 and 100 Kilometer around the city centre. Population sizes of the research areas stretching into adjacent federal states Mecklenburg Western-Pomerania, Saxony and Saxony-Anhalt were determined by public data. Existing and potential agricultural farmland was identified in various categories such as cropland, permanent grassland, permanently cultivated land and urban specific types as garden plots, fallow land and roof greening by using GIS data. The annual per capita land footprint of nutritional consumption was evaluated for different types of diets: the current average diet of the German population, the diet recommendation of Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) with a reduction of meat consumption and the references for vegetarian and vegan diets as given by ProVeg e.V. In addition, three diet scenarios of one, two and three meat-free days per week were calculated and used in this study. The land footprints of food waste and bioenergy crop cultivation were included as well. To get a realistic average scenario of the current distribution of dietary types and induced land footprints of the German population, a cross-sectional calculation of the current, flexitarian, vegetarian and vegan nutrition was done. It is shown that without regarding the land footprints (and therefore lost farmland) of food waste and bioenergy crop cultivation only the research area of a 100 Kilometer radius around Berlin could provide a regional agricultural production and supply by a surplus of farmland – but only if the average diet type is changed to a vegan diet. Thus only on this scale and in this scenario a sovereign regional nutritional structure and production seems possible. None of the other defined research areas and scenarios could cover their nutritional needs by the locally available farmland without using the regional surroundings and therefore carry on an import trade. One of the most important results of this study is the possibility of a significant reduction of the annual per capita land footprint by switching to a meat reduced dietary type. The released farmland gives opportunity for local food production and self-supply as supported by small scale projects of Urban Gardening, community gardens and self-harvest garden plots. This type of development supports food sovereignty of urban populations and is highly recommended to be supported by political persons in charge to force a sustainable development.

Seite | 2 Einleitung 1. Einleitung Zwischen den Jahren 2011 und 2013 importierte Deutschland circa 5,5 Mio. Hektar Agrargüter, um die inländischen Flächendefizite zu kompensieren (WWF (d) 2015, S. 19). Die Nettoimporte zeigen, dass die derzeit zur Verfügung stehenden 16,7 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Flächen (BMEL (b) 2016, S. 6) für die Eigenversorgung der Bevölkerung nicht ausreichen und mindestens 21,7 Mio. Hektar für den Konsum von Agrargütern benötigt werden (WWF (c) 2015, S. 19). Aus diesem Grund widmet sich die vorliegende Forschungsarbeit der Frage, inwieweit Ernährungssouveränität in einem entwickelten Industrieland umgesetzt werden kann. Diese Frage ist insofern interessant, als dass Deutschland in seinen Strukturen der Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung seit Mitte des 20 Jahrhunderts (Jhd.) eine Abkehr von lokalen, regionalen und nationalen hin zu globalen Wertschöpfungsketten durchlief. In dieser Entwicklung wurden kleinbäuerliche Strukturen, landwirtschaftliche Familienbetriebe, Hofläden und Märkte sowie andere lokal und regional vorhandene Erzeuger und Erzeugerinnen sowie Vertriebsstrukturen im Zuge der Kapitalisierung, Exportorientierung, durch Betriebsmodelle mit größtmöglichen Skaleneffekten und Flurbereinigung, – dabei sind die ostdeutschen Bundesländer durch die politische Ausrichtung der DDR noch weitaus stärker betroffen als die jemals Westdeutschen (Interview B. HAERLIN) – in ein global wirtschaftendes Marktsystem überführt, welches regional verwurzelte Strukturen nicht förderte sondern diese Strukturen vielmehr minimierte. Derzeit kontrollieren nur noch wenige global agierende Unternehmen im vor- und nachgelagerten Bereich die Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung in den entwickelten Industriestaaten, mit steigenden Tendenzen der Ausdehnung auch in „weniger“ industriell entwickelten Länder des globalen Südens. Verbraucher und Verbraucherinnen folgen diesen Tendenzen mit ihrem Konsumverhalten durch den Einkauf bei global ausgerichteten Lebensmitteleinzelhändlern und Discountern. Marktplätze, Hof- und Bioläden bleiben dabei zunehmend außen vor. Wird die Definition der Ernährungssicherheit der FAO zu Grunde gelegt, in der Sicherheit als passiver Versorgungszustand beschrieben wird, bei dem alle Menschen ausreichende physische Befriedigung ihrer Bedürfnisse erfahren, wäre diese Situation zumindest in den Industriestaaten gegeben (FAO 2011). In Deutschland sind in den letzten Jahrzehnten in vielen Bereichen der Lebensmittelwertschöpfungskette verfestigte Konzentrations- und Verdrängungszustände zu dokumentieren. So sind z. B. seit dem Jahr 1970 bis zum Jahr 2013 rund 75 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe verschwunden (BMEL (b) 2016, S. 7). In Ostdeutschland werden derzeit 34 Prozent der Landwirtschaftsunternehmen und 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche von landwirtschaftsfremden Investoren kontrolliert (A. TIETZ 2017). Circa 75 Prozent der Nutzpflanzen sind seit dem 20. Jhd. verschwunden (Heinrich Böll Stiftung et al. 2018, S. 20). Die Lebensmittelpreise sind dagegen im Vergleich zum Jahr 1950 von 44 auf 14 Prozent der durchschnittlichen Lebensunterhaltkosten gesunken (statista 2018), gleichzeitig sind die vermeidbaren Lebensmittelverluste in Deutschland auf 10 Mio. Tonnen (t) gestiegen (WWF (a) 2015, S. 7). Da heute viermal mehr Fleisch als noch Mitte des 19 Jhd. konsumiert wird, stiegen die Futtermittelimporte sowie die durchschnittlichen Flächenfußabdrücke über ein weltweites Mittel von 2.000 Quadratmetern pro Person und Jahr an, welcher ein maximalen Flächenanspruch zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse pro Person symbolisiert (WWF (e) 2011, S. 1 und Zukunftsstiftung Landwirtschaft 2016, S. 4). Fünf Lebensmitteleinzelhändler kontrollieren dabei 90 Prozent des deutschen Nahrungsmittelhandels (ILA Kollektiv 2017, S. 11). Diese Verdrängungseffekte, Machtkonzentrationen und agrarpolitischen Ausrichtungen Deutschlands sowie vieler anderer Industriestaaten haben dabei globalen Einfluss. Zwar werden 70 Prozent des weltweiten Nahrungsmittelanbaus durch kleinbäuerlichen Strukturen produziert, doch geraten diese durch die Globalisierung der Lebensmittelindustrie immer mehr in Bedrängnis: 50 Prozent der weltweit hungernden Menschen sind in kleinbäuerlichen Strukturen vorzufinden (ILA Kollektiv 2017, S. 2 & Weltagrarbericht 2013). Seite | 3 Einleitung

Gegen diese Tendenzen spricht sich das Konzept der Ernährungssouveränität, entwickelt von der Organisation La Via Campesina, aus dem Jahre 1996 aus. Es setzt sich, anders als die Definition Ernährungssicherheit der FAO, für eine aktive demokratische Beeinflussung und Transformation der Lebensmittelwertschöpfungskette von den Anbauflächen bis zum Endverbraucher und Endverbraucherinnen ein. Globalen Maßstäben werden lokale, regionale sowie nachhaltige Strukturen der Lebensmittelerzeugung entgegengesetzt, deren kleinstrukturierte Bewirtschaftungsweisen, die unter fairen Bedingungen stattfinden und durch deren Anbauweisen Nahrungsmittel mit und nicht gegen die Natur Nahrungsmittel produziert werden. Ziel ist nicht, globale Maßstäbe zu befriedigen, sondern vielmehr in kleinräumigen Wirtschaftssystemen die Bevölkerung vor Ort und im regionalen Kontext mit qualitativ hochwertigen und naturschonenden Nahrungsmitteln zu versorgen (IAASTD 2009, S. 13 & I. SALZER & J. Fehlinger 2016, S. 1). 1.1 Zielstellung Die Zielstellung dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, wie das Konzept der Ernährungssouveränität unter der Prämisse regionaler Bezüge für das Untersuchungsgebiet Berlin im Kontext der derzeitigen globalen Strukturen der Lebensmittelproduktion umgesetzt werden kann. Dazu wird erörtert, wie es zu den heutigen globalen Strukturen der Lebensmittelerzeugung kam und wie die derzeitigen Gegebenheiten sind. Darüber hinaus wird geprüft, inwieweit das Konzept Anlehnungen an Suffizienz- und Postwachstumsansätze aufweist und welche praktischen zivilgesellschaftlichen, administrativen sowie unternehmerischen Umsetzungs-, Förderungs- und Lösungsstrategien im urbanen, periurbanen und regionalen Raum dabei hilfreich sind. Zur Analyse der aktuellen Situation wird die konventionelle und ökologische Landwirtschaft in Deutschland sowie in den Bundesländern Berlin und Brandenburg erläutert, um Rückschlüsse auf vorhandene oder fehlende ernährungssouveräne Strukturen der Lebensmittelerzeugung ziehen zu können. Zur Bewertung der potenziellen urbanen und landwirtschaftlichen Anbauflächen findet eine Berechnung der Flächenfußabdrücke unterschiedlicher Ernährungsweisen statt und wird auf drei verschiedene Gebietskulissen, die sich auf die Definition regionaler Raumgrößen beziehen, abstrahiert. Zur Vervollständigung der qualitativen Aussagen werden ebenso die Flächenfußabdrücke der Lebensmittelverluste in Deutschland, Flächenverbräuche durch den Energiepflanzenanbau sowie eine Querschnittsberechnung unterschiedlicher Ernährungsweisen durchgeführt. Zusammenfassend wird abschließend eine Diskussion über die gewonnenen Ergebnisse der Berechnungen und die theoretisch gewonnenen Erkenntnisse geführt. Ideengebend für diese Arbeit war die landwirtschaftlichen Regionalanalyse Can regional, organic agriculture feed the regional community? für die Regionen und Norddeutschland von S. JOSPEH (2016). 1.2 Forschungsfrage Die zentrale Forschungsfrage lautet: „Welche Ernährungsweisen und Raumgrößen sind erforderlich, um regionale und im weiteren Sinne souveräne Ernährungsstrukturen für den Stadtstaat Berlin und darüber hinaus zu gewährleisten?“ Unterfragen: 1. Wie groß sind die Flächenfußabdrücke der verschiedenen Ernährungsweisen? 2. In welcher Größenordnung stehen urbane und landwirtschaftliche Anbauflächen in den gewählten Gebietskulissen zur Verfügung?

Seite | 4 Einleitung

3. Wie wirken sich die jeweiligen Ernährungsweisen und deren Flächenfußabdrücke auf die urbanen und landwirtschaftlichen Anbauflächen unter Einbezug der dort lebenden Bevölkerungsgrößen aus? 4. Welchen Einfluss haben die Faktoren Lebensmittelverluste und Energiepflanzenanbau auf die verschiedenen Szenarien? 5. Wie wirken sich die Arbeitsergebnisse auf die Diskurse der Ernährungssouveränität und der Regionalität aus? 1.3 Aufbau Der Aufbau der vorliegenden Arbeit ist unterteilt in einen theoretischen und einen empirischen Forschungsteil. In Kapital 1 werden mittels einer Einleitung die Forschungsfrage und Ziele der Arbeit vorgestellt. Definition und Konzept der Ernährungssouveränität mit Ableitungen zu anderen Konzeptionen, derzeitige Strukturen der Lebensmittelerzeugung, Formen ernährungssouveräner Gestaltung im urbanen Raum sowie Förderungsmöglichkeiten, Umsetzungsstrategien und andere Lösungsansätze zur Erreichung bzw. Annährung an die Ziele der Ernährungssouveränität werden in Kapitel 2 beschrieben. Zudem findet eine definitorische Analyse des Begriffes Regionalität statt. Geschlossen wird das Kapitel mit einem Experteninterview und einer Zusammenfassung. In Kapitel 3 wird die derzeitige Lebensmittelerzeugung in Deutschland und Berlin-Brandenburg analysiert und werden die Größenordnungen der Lebensmittelverluste und Flächenfußabdrücke der Lebensmittelherstellung, bezogen auf das Gebiet der Bundesrepublik, thematisiert. Auch dieses Kapitel wird mit einem Experteninterview und einer Zusammenfassung geschlossen. Das Kapitel 4 dient der Beschreibung der Methoden, welche in Kapitel 5 zur Anwendung kommen. Eine Diskussion der erhobenen Ergebnisse und die Verbindung mit den theoretischen Teilen der Kapitel 1 und 2 findet in Kapitel 6, eine kritische Reflektion der Forschungsfrage in Kapitel 7 statt. Eine Schlussbetrachtung der gesamten Arbeit bildet das Kapitel 8.

Seite | 5 Ernährungssouveränität und Regionalität 2. Ernährungssouveränität und Regionalität 2.1Definition Regionalität Die Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung kann regionale Bezüge aufweisen. Durch das Zusammenspiel von Klima, Boden und traditionellem Handwerk entstehen Produkte mit spezifischen regionalen Merkmalen wie zum Beispiel Wein, Käse oder Mineralwasser. In Deutschland gibt es rund 300 Spezialitäten, die mit ihrem Herstellungsraum verbunden sind. Vier Gruppen der Lebensmittelerzeugnisse weisen eine Beziehung von Region und Lebensmittelproduktion auf: Produktionscluster, klassische Produktionsbezeichnungen mit Ortsbezug sowie Produkte mit geschützter Ursprungsbezeichnung und geschützten geografischen Herkunftsangabe. Unter Produktionsclustern sind beispielsweise zusammengefasste Intensivtierhaltungsregionen oder Fruchtgemüseanbauregionen1 gemeint. Die Kennzeichnung Produktionsbezeichnungen mit Ortsbezug gibt wieder, wo das Produkt hergestellt und verarbeitet wurde jedoch ohne Bezug zur Region in der die Rohstoffe erzeugt wurden.2 Produkte mit geschützter Ursprungskennzeichnung haben, anders als die beiden vorherigen, einen starken Bezug zur regionalen Wertschöpfungskette, da diese Form der Bezeichnung durch eine EU-Verordnung3 gesetzlich geschützt ist. Dabei muss ein Produkt in einer Region erzeugt und verarbeitet werden sowie in seiner Charakteristik essenziell oder exklusiv durch die Umgebung bestimmt sein, etwa klassische Käsesorten wie z. B. Parmesan. Dagegen geben Produkte mit einer geschützten geografischen Herkunftsangabe ausschließlich wieder, dass eine Produktionsstufe in der jeweiligen Herkunftsregion erfolgt. Ein Beispiel ist Dortmunder Bier, welches nicht zwingend in der Region Dortmund gebraut werden muss, um diese Bezeichnung zu tragen. Beide Arten der Bezeichnung haben gemein, dass sie als Allgemeingüter gelten und mit ihnen nicht gehandelt werden darf, was kleine und regionale Anbieter schützen kann (PH. STIERAND (e) 2014, S. 102 f.). Eine genaue Definition von Regionalität wird aus der Literatur nicht deutlich, da ein feststehender, gesetzlich geschützter Begriff Regionalität nicht abzuleiten ist (vgl. KLEINSCHMIDT 2017, S. 2). Hierbei gibt es eine deutliche Unterscheidung zur Kennzeichnung von Biolebensmitteln, die durch das Bio-Siegel nach EG-Öko- Verordnung oder durch die jeweiligen Verbände4 einer solchen Definition unterliegen. Eine ähnliche (europäische) Rechtslage findet sich bei regionalen Begrifflichkeiten für Nahrungsmittel nicht (vgl. Deutscher Bundestag (a) 2016, S. 4). Produkte aus geschützter Ursprungskennzeichnung sind dabei ein erster Ansatz, jedoch kann auch hier die „Ursprungsbezeichnung“ einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes zur Kennzeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels verwandt werden (Verordnung (EG) Nr. 510/2006, S. 93/14). Eine genaue räumliche Abgrenzung fehlt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) kritisiert offen die mangelnde begriffliche Regelung und warnt vor daraus resultierender Verbrauchertäuschung, da bei vielen als regional gekennzeichneten Lebensmitteln weder der Ort der Verarbeitung noch der Rohstoffursprung erkenntlich sind (vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband 2017). Eine definitorische Begriffsannäherung erarbeiten in Deutschland verschiedene Autoren, indem sie eine Region als Gebiet innerhalb Deutschlandlands5, z. B. durch Naturräume6, Bundesländer7 oder kleinere

1 Z. B. die Region Almería in Spanien. 2 Z. B. Frankfurter Würstchen. 3 Verordnung (EG) Nr. 510/2006. 4 Bei Verbänden kann es sich um Anbauverbände wie Bioland, Naturland oder Demeter handeln, die zumeist strengere Kriterien als die der EG-Öko-Verordnung aufweisen. 5 Räumliche-geographische Einheit unterhalb der nationalen, aber oberhalb der lokalen Ebene (vgl. Deutscher Bundestag (a) 2016). 6 Natürliche Merkmale wie Boden, Klima, Gewässerverlauf u. ä. 7Räume mit wirtschaftliche und administrative Vernetzung. Ebenfalls werden darunter zwei geografisch zusammenliegende Bundesländer verstanden.

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Raumeinheiten8 (vgl. SAUER und MEYER 2003, 25 f. & BMEL (a) 2014, S. 2) bezeichnet. Als grober räumlicher Anhaltspunkt von Regionalität wird in der Literatur ein Radius zwischen 50 und 100 Kilometern genannt (vgl. CZECH et al. 2002, S. 12 f.). Verschiedene Bundesländer haben bereits den Versuch unternommen, Lebensmittel mit einer Regionalkennzeichnung zu versehen. Dabei sind die Anforderungen an das jeweilige Produkt- und die Herstellungsqualität jedoch nicht kohärent. In einigen Bundesländern gibt es derartige Siegel für konventionelle und biologische Produkte, z. B. in Bayern. Die größten Unterschiede zeigen sich bei den Regelungen zur Rohstoffherkunft: In Thüringen müssen 50,1 Prozent, in Bayern 100 Prozent der Inhaltsstoffe einen regionalen Bezug aufweisen, um die regionalen Siegel zu erhalten. Ebenfalls sind die Kontrollsysteme sehr unterschiedlich konzipiert (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 105). Seit Anfang 2014 wird durch das Regionalfenster9 versucht, eine bundesweit einheitliche Herkunftskennzeichnung durchzusetzen. Es darf verwendet werden, wenn 100 Prozent der Hauptzutat aus einer definierten Region stammen. Verbraucher und Verbraucherinnen können durch das Label erkennen, woher die Zutaten des Produktes kommen und wo sie verarbeitet wurden. Jedoch liegt auch dem Regionalfenster kein einheitlicher Regionalbegriff zugrunde. Es wird ausschließlich dargestellt, welche Abbildung 1: Auf der Etikettenbezeichnung des im Jahr Bezeichnung welchen geografischen Raum betrifft. Wie 2014 eingeführten Regionalfensters groß der Radius der Region ist, aus der der Hersteller eine Zutat bezieht, wird von diesem selbst festgelegt (vgl. Deutscher Bundestag (a) 2016, S. 8 f. & vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 106). Der Bundesverband der Regionalbewegung kritisiert dieses Label insofern, als dass keinerlei Herkunftsangaben zu den verarbeiteten landwirtschaftlichen Vorprodukten gemacht werden, z. B. für Milch als ausgehenden Inhaltsstoff für Käse. Jedoch könnten durch den Einbezug der Vorprodukte regionale Entwicklungsprozesse und Wertschöpfungsketten verbessert und ausgebaut werden, etwa bei der Produktion von Futtermitteln. Die Angabe Regionalität kann mittels des Regionalfensters jedoch nicht glaubhaft und zweifelsfrei wiedergegeben werden. Zudem wurden verschiedenste Verbände des Lebensmittelhandwerks, Naturschutz- und Umweltverbände sowie Landschaftspflegeverbändebei bei der Entwicklung der Regionalkennzeichnung im Jahr 2014 durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), unter der Leitung der damaligen Ministerin Ilse Aigner, nicht berücksichtigt. Der Bundesverband der Regionalbewegung schlägt eine direkte Siegelvergabe an Regionalinitiativen vor Ort vor, was einem „Regional-TÜV“ gleichzusetzen wäre. Darauf aufbauend spricht sich der Verband für eine regionale Qualitätsangabe auf Ebene der Europäischen Union (EU) aus, um die missbräuchliche Verwendung zu vermeiden und Werbung für regionale Produkte überprüfbar und ahndungsfähig zu machen (Bundesverband der Regionalbewegung (d) 2012). Eine weitere Möglichkeit, regionale Produkte auszuweisen, sind die im vorherigen Absatz angesprochenen Regionalinitiativen. In diesen schließen sich Erzeuger und Erzeugerinnen, Verarbeiter und Verarbeiterinnen sowie Händler und Händlerinnen zusammen. In Deutschland wird die momentane Zahl auf etwa 150 Initiativen geschätzt. Ähnlich der Regelungen auf Ebene der Bundesländer werden durch die Regionalinitiativen Vorschriften zu Regionalbezug und Produktqualität erlassen. Die Regionen bzw. die Regionalbezeichnungen sind dabei im Gegensatz zu den regionalen Handelsmarken der Lebensmitteleinzelhändler meist spezifischer und strenger kategorisiert.10 Dennoch finden sich auch bei den

8 Durch historische und kulturelle Prägungen. 9 Abrufbar unter: http://www.regionalfenster.de 10 Etwa durch die Kennzeichnung von Landschaftsräume, Landkreise oder Regierungsbezirke. Seite | 7 Ernährungssouveränität und Regionalität

Regionalinitiativen keine festen Regelungen zum Einbezug der Rohwaren. Es sind Spannweiten von zehn bis einhundert Prozent Zutatenanteil möglich, die je nach Regelwerk aus der definierten Region bezogen werden müssen. Auch innerhalb der Kontrollsysteme finden sich ähnliche Bandbreiten (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 106). Zusammenfassend kann die Regionalkennzeichnung vermutlich eher als ein Marketinginstrument verstanden werden, wobei gerade Lebensmitteleinzelhändler ein Interesse daran haben könnten, möglichst viele Produkte als regional zu vermarkten, auch wenn die zugrundeliegenden Kriterien nicht ausreichend sind. Direktvermarkter und Direktvermarkterinnen sowie Regionalinitiativen fokussieren sich durch festgelegte Kriterien deutlicher auf das aus der Region stammende Produkt einschließlich dessen Inhaltsstoffen (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 106). Jedoch gibt die große Bandbreite an verschiedensten Regionalsiegeln, hinterlegt mit diversen Kriterien und einer generell fehlenden Definition des Begriffs, den Verbrauchern und Verbraucherinnen nur unzureichende Anhaltspunkte beim Kauf der Produkte. Die Verbraucherzentrale weist auf diesen Missstand öffentlich hin. Dass Regionalität und Kennzeichnung von Produkten von Konsumenten und Konsumentinnen als ein wichtiges Kaufargument angesehen wird, zeigt der Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aus dem Jahr 2017: Nach dem persönlichen Geschmack (97 Prozent der Befragten) ist die regionale Herkunft (73 Prozent der Befragten) das wichtigste Kaufkriterium, gefolgt von Produktinformation und Preis (57 Prozent der Befragten). Bestimmte Marken sind 45 Prozent wichtig, bestimmte Siegel und Label 35 Prozent der Befragten (BMEL (j) 2017, S. 12). Bei der Wahl von Produkten müssen Verbraucher und Verbraucherinnen meist zuvor erworbenes Wissen anwenden, um möglichst ökologisch produzierte Lebensmittel zu erwerben. Durch die Kopplung von Regionalität und Saisonalität, die Etikettierung von nachgewiesenen ökologischen Kriterien, eine möglichst geringe Verarbeitungsstufe des Produktes, eine umweltfreundliche Verpackungsart und den Konsum vorwiegend pflanzlicher Kost lässt sich eine möglichst positive Ökobilanz erreichen. Für Städte und Regionen macht der Begriff Regionalität nur dann Sinn, wenn er ganzheitlich im Sinne des Produktions- und Handelszusammenhangs gedacht wird. Die widerlegte Aussage "Regionalität sorgt für gute Lebensmittel" muss so umformuliert werden, dass gute Lebensmittel unter Einbezug sozialer Aspekte wie Kommunikation und Verantwortung zu einem regionalen System führen können. Folgende Vorteile bringt eine regionale Produktionsweise bzw. Kennzeichnung:

· Sicherung der regionalen Ebene, um Einfluss durch Endkonsumenten und Endkonsumentinnen auf die Lebensmittelversorgung zu nehmen. · Stärkung der lokalen Wertschöpfungskette, bestehend aus Landwirtschaft, Handwerk, Wirtschaft und Konsumenten sowie Konsumentinnen. · Kann als Marketinginstrumente dienen. · Kann die Umwelt schonen.11 · Soll Verbraucher und Verbraucherinnen Sicherheit geben und Produktionswissen sichern (vgl. PH. STIERRAND 2014, S. 110 f.).

11 Etwa kann nicht generell ausgesagt werden, dass lokale Produkte, z. B. Äpfel, per se weniger Umweltkosten im Vergleich zu importierten und gelagerten bzw. gekühlten Produkten der gleichen Klasse verursachen. Während der Saison verzehrte Produkte weisen jedoch eine bessere CO2-Bilanz auf (vgl. VAN PASSEL 2010). Seite | 8 Ernährungssouveränität und Regionalität

2.2 Definition Ernährungssouveränität Die Umsetzung einer regionalen Lebensmittelversorgung setzt ein nachhaltiges Ernährungssystem mit geschlossenen Kreisläufen innerhalb einer Region auf den Ebenen der Produktion, Vermarktung und des Endverbrauchs voraus. Ziel ist das Erreichen von Ernährungssicherheit (vgl. Deutscher Bundestag (a) 2016, S. 6). Ernährung sollte im Nachhaltigkeitsdiskurs folgende Punkte miteinschließen:

· Gesundheitsförderung, · Ressourcenschutz, · Widerstandfähigkeit gegen Klimawandel, Schädlinge und Verteuerung von Wasser- und Energieressourcen, · Diversität in Methoden der Produktion, Verarbeitung, Konsum und Entsorgung, · Fairness und Chancengleichheit innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette sowie · Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Mitwirkungsmöglichkeit (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 161). Damit jedoch eine Emanzipation der regionalen Lebensmittelversorgung von der derzeitig global organisierten Lebensmittelproduktion und -industrie entsteht, in der alle Marktteilnehmer und - teilnehmerinnen gleichberechtigt für Ihre Ernährungssicherheit und das monetäre Auskommen sorgen können, wurde auf dem Welternährungsgipfel 199612 von der Organisation La Via Campesina13 das Konzept der Ernährungssouveränität (food sovereignty) vorgestellt und wie folgt definiert: "Ernährungssouveränität bezeichnet das Recht der Bevölkerung und souveräner Staaten, ihre Landwirtschafts- und Ernährungspolitik auf demokratische Weise selbst zu bestimmen.“ (IAASTD 2009, S. 13) "Dabei werden die Rechte aller Menschen beachtet sowie über die Art und Weise, wie produziert, verteilt und konsumiert wird, demokratisch bestimmt. […] Ernährungssouveränität verpflichtet dazu, solidarisch zu sein. […] Handlungsstrategien sind dabei Widerstand leisten – sozial-ökologische Transformation herstellen – Alternativen aufbauen.“ (I. SALZER & J. Fehlinger 2016, S. 1 f.) Wichtige Prinzipen der Ernährungssouveränität sind im Jahre 2007 durch das Nyéléni-Forum14 aufgestellt worden. Dabei wurden folgende Kriterien definiert:

· Wertschätzung der Lebensmittelhersteller und Lebensmittelherstellerinnen, · Vorrang, die eigene Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen (keine Exportfokussierung oder durch faire Handelbeziehungen mit fairer Preisbildung gedeckt), · lokale Produktionssysteme und -märkte mit Zugang zu fruchtbarem Land, · die Etablierung von Weiden und Fischgründen, · die Stärkung lokaler Kontrolle und Organisationsbildung,

12 Der Welternährungsgipfel WFS (World Food Summit) versammelte hochrangige Vertreter von 185 Nationen und der Europäischen Union, vom 13. bis 17. November 1996, in der Zentrale der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO (Food and Agricultural Organization of the United Nations) in Rom. Die beinahe 10.000 Teilnehmer bildeten ein riesiges Forum. Der Welternährungsgipfel zielte vor allem auf eine Erneuerung der globalen Verpflichtung zur Bekämpfung des Hungers in der Welt ab (Lexikon der Nachhaltigkeit (a) 2017). 13 Globale Allianz von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, Landarbeitern und Landarbeiterinnen, Fischern und Fischerinnen, Landlosen und Indigenen, die Ernährungssouveränität als Instrument der Umgestaltung des von Konzerninteressen dominierten und auf Profit ausgerichteten globalen Agrar- und Ernährungssystem (vgl. I. SALZER & J. Fehlinger 2016, S. 1). 14 Nyéléni ist eine globale Bewegung für Ernährungssouveränität. Seite | 9 Ernährungssouveränität und Regionalität

· der Aufbau und Förderung von Wissen (z. B. zur Herstellung bzw. Vermehrung von lokalem Saatgut) und Fertigkeiten (z. B. durch die Bestellung von Ackerflächen unter gegebenen klimatischen Bedingungen) sowie · die Arbeit der Landwirtschaft mit und nicht gegen die Natur. Dabei handelt es sich um lokale Umsetzungsstrategien, die in ihrem Universalrecht eine globale Perspektive aufweisen und dadurch Ansätze zur lokalen und regionalen Selbstversorgung und engen Beziehungen zwischen Produktion und Verbrauch darstellen. Damit wird eine breite Dimension an Themenfeldern angesprochen:

· Agrarreformen · Förderung lokaler Märkte · Biodiversität · Autonomie · Kooperationen · Gesundheit im Zusammenhang mit lokaler und regionaler Lebensmittelproduktion Dabei dient Ernährungssouveränität als Leitbild für:

· Ernährungssicherheit, · ländliche Entwicklung, · faire Beschäftigung sowie · die Aufrechterhaltung oder Entwicklung nachhaltiger landwirtschaftlicher Strukturen (vgl. Weltagrarbericht 2013, S. 10 f.). Vergleichend dazu wurde der Begriff Ernährungssicherheit (food security) durch der FAO Welternährungsgipfel im Jahr 1996 wie folgt definiert: „[…] passiver Versorgungszustand […], bei dem alle Menschen ausreichende physische und wirtschaftliche Befriedigung ihrer Bedürfnisse sowie Vorlieben haben, um ein aktives und gesundes Leben zu führen.“ (FAO 2011). Diese Definition bezieht sich einzig auf die ernährungsphysiologische Aufrechterhaltung und bezieht keine sozialen Funktionen im Ernährungssystem mit ein. Dabei ist die Ernährung durch kulturelle Hintergründe, Traditionen und soziale Verbindungen der Ausdruck der Stellung einer Person und grundlegendste Form der Beteiligung an der Gesellschaft (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 32). Aus den Definitionen des Konzepts der Ernährungssouveränität geht hervor, dass die die Demokratisierung der Lebensmittelproduktion aktiv anstrebt und Produzenten und Produzentinnen sowie Konsumenten und Konsumentinnen zur direkten Mitgestaltung auffordert. Im Gegensatz dazu spricht die FAO von einem passiven Versorgungszustand, bei dem die Komponenten der aktiven Mitgestaltung, die vom Konzept der Ernährungssouveränität gefordert werden, nicht mit einbezogen werden. Fundamentale Unterschiede beider Ansätze liegen somit darin, dass durch Ernährungssouveränität die derzeitigen Machtverhältnisse bei Produktions- und Distributionssystemen und Produktionsmethoden aufgelöst, in eine gemeinschaftliche Kontrolle der Landwirte und Landwirtinnen bis hin zu Konsumenten und Konsumentinnen zurückgeführt werden. Die Menschen vor Ort sollen dabei in den Mittelpunkt gestellt werden (vgl. I. SALZER & J. Fehlinger 2016, S. 1 f.).

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Weitere Instrumente zur Stabilisierung und Sicherung der weltweiten Ernährungssicherheit, soll durch die Sustainable Development Goals (SDGs) gewährleistet werden. Explizit fordert das zwölfte Ziel, namentlich Nachhaltiger Konsum und Produktion folgendes: "Der Wandel zu einer Wirtschafts- und Lebensweise, die die natürlichen Grenzen unseres Planeten respektiert, kann nur gelingen, wenn wir unsere Abbildung 2: Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität kann eine große Bandbreit der Konsumgewohnheiten und Produktionstechniken Sustainable Development Goals abdecken (UN (a) 2017) umstellen. Dazu sind international gültige Regeln für Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz wichtig.” (UN (b) 201715). Weitere Ebenen der Ernährungssouveränität werden durch die weiteren Zielstellungen der SDGs: Zero Hunger, Good Health And Well-Being, Decent Work And Economic Growth, Sustainable Cities And Communities, Climate Action, Life Below Water und Life On Land angesprochen. Durch die Verfolgung des Konzeptes der Ernährungssouveränität könnten diese Ziele in ihren nachhaltigen und transformatorischen Umsetzungen unterstützt werden. Neben La Via Campesina, der FAO und den SDGs spricht sich auch die UN-Sozialcharta aus dem Jahre 1966 für das Menschenrecht auf Nahrung (right to food) aus und definiert dieses als: „[…] grundlegendes Recht eines jeden, vor Hunger geschützt zu sein.“ Der Vollzug des Menschenrechts auf Nahrung (MaN) tritt dann ein, wenn jederzeit ausreichender Zugang zu angemessenen Lebensmitteln oder Mitteln der Beschaffung zugestanden wird, und ist somit eng mit der naturgegebenen Würde des Menschen verbunden. Zugesichert wird dieses Recht16 durch die Allgemeine Erklärung der Menschen (AEMR) sowie durch den im Jahr 1966 von der UN-Vollversammlung angenommenen und im Jahr 1976 ratifizierten Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte17, kurz UN-Sozialpakt18. Dadurch tritt der Staat in eine Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht. Unternehmen sind an diese Verpflichtung insoweit gebunden, als dass sie Menschenrechte wie das MaN respektieren müssen und durch eigene Handlungen nicht dazu beitragen dürfen, dass dieses konterkariert wird (BPB (a) 2014). 2.3 Ernährungssouveränität im Kontext von Suffizienz, Postwachstum und Degrowth 2.3.1 Suffizienz

Da der Begriff der Suffizienz weit gefasst und ohne einheitliche Definition ist, gestaltet sich die Übertragung auf Ernährung und Ernährungssouveränität schwierig. Grundsätzlich wird Suffizienz als die Veränderung von Handlungs- und Konsummustern, der Verzicht auf material- und energieintensive Produkte und Dienstleistungen sowie als eine generelle Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem und der Konsumgesellschaft verstanden, da der Gebrauch von Konsumgütern und Dienstleitungen das Aufbringen von Zeit und Geld impliziert und dadurch neue Abhängigkeiten schafft. Im Gegensatz zu rein technisch orientierten Lösungen, wie sie bei Effizienz- und

15 Übersetzung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). 16 Artikel 3: Recht auf Leben und Artikel 25: Recht auf die Gesundheit. 17 Engl.: International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR). 18 Die wichtige rechtliche Basis ist in den Unterparagrafen des Artikel 11 verankert: Artikel 11.2 das Recht vor Hunger geschützt zu sein einschließlich Satz 1 des Artikels 11.1 mit dem Recht auf angemessene Ernährung.

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Konsistenzmaßnahmen propagiert werden, stehen beim Konzept der Suffizienz der tatsächliche Verzicht, die Reduktion, das Nutzen statt Besitzen, die Idee eines einfachen und guten Lebens sowie das Selbermachen, die Eigenproduktion und das gemeinsame Nutzen von Natur- und Konsumgütern im Vordergrund. Suffizienz ist insoweit relevant, dass eine sofortige Umsetzung ohne große technische Lösungen im individuellen und gesamtgesellschaftlichen Kontext19 möglich wäre. Jedoch fehlen momentan Grundsätze und Leitbilder, an denen sich Verbraucher und Verbraucherinnen orientieren können sowie politische Anstöße. Der Gedanke weniger zu konsumieren schreckt viele Menschen ab, wird er doch mit sozialem Abstieg verbunden. Ein Konzept der Suffizienz sollte daher eine Langzeitperspektive enthalten. M. SPECK (2016) zeigt verschiedene Konzepte und Handlungsempfehlungen zur Umsetzung von Suffizienz durch verschiedene Autoren auf, die auch die Idee der Ernährungssouveränität tangieren:

· Anti-Consumption: Temporäre Vermeidung von Genussgütern (z. B. Fleisch). · Nachhaltiger Konsum: Klassischer Kauf von Bio-Lebensmitteln. · Voluntary Simplicity: Verringerung des generellen Konsums und Erweiterung der Kompetenzen des Selbermachens. · Downshifting: Verringerung der Arbeitszeit und Erweiterung der Kompetenzen des Selbermachens. · Suffizienz: Umstieg auf eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise aus saisonalen und regionalen Anbauverfahren. · Radical Simplicity: Verringerung des monetär getriebenen Lebensstils sowie Verringerung des ökologischen Fußabdrucks, etwa durch vegetarische oder vegane Ernährungsweisen und das Mitwirken in zivilgesellschaftlichen Projekten. · Subsistenzstrategie: Prinzip der Selbsterhaltung durch Erweiterung der Kompetenzen des Selbermachens (vgl. M. SPECK 2016, S. 7 f.). Die Auflistung zeigt, dass schon eine vegetarische und vegane Ernährungswiese einen suffizienten Lebensstil fördert. Gleichzeitig kann der Bezug von Nahrungsmitteln durch den Kauf von biologisch zertifizierten, saisonalen und regionalen Produkten das Konsumverhalten suffizient verändern und durch Mitwirken in Initiativen, z. B. zum Lebensmittelanbau, fördern. Können die Nahrungsmittel auf eigenen Flächen (z. B. im eigenen Kleingarten) oder gemeinschaftlich produziert werden (z. B. Urban Gardening), werden weitere Suffizienz-Aspekte wie Selbermachen (eigenständiger Anbau), Reduktion (z. B. Einsparung Verpackungsmaterialen) und Nutzen statt Besitzen (z. B. Tausch von Gartengeräten in Gemeinschaftsgärten) angesprochen und damit ein suffizienter Lebensstil gefördert, der gleichzeitig Ernährungssouveränität darstellt.

19Z. B. gibt STENGEL (2011, S. 142) im Punkt Ernährung folgende Handlungsempfehlung: „Freiwillige Einschränkung bei der Wahl umweltbelastender Lebensmittel – vor allem von Fleisch und Fisch, aber auch von Milchprodukten.“ Eine sofort umsetzbare Vorgehensweise beim Konsum von Lebensmitteln.

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2.3.2 Postwachstum

Der Begriff des Postwachstums oder der Postwachstumsökonomie entstammt einer von N. PAECH und anderen Autoren geprägten Theorie, nach der aus vier Gründen eine Abkehr vom strukturellen20 und kulturellen21 Wachstumsprimat erreicht werden muss:22 1. Es entstehen immer mehr Ressourcenengpässe in allen Bereichen der Wirtschaft, die auf Dauer nicht mehr durch neue Explorationen und Erschließungen neuer Rohstoffquellen geschlossen werden können. 2. Es bestehenden Verteilungsdisparitäten, durch die die Ungleichheit bei der Zuweisung von Ressourcen immer größer wird. 3. Durch weitere Steigerung des Wachstums wird keine weitere Steigerung des Glücks des Einzelnen erreicht, da ein gesättigtes Wohlstandniveaus erreicht ist.23 4. Wachstum, einschließlich der Idee des grünen Wachstums24, kann nie ohne ökologische Schäden vollzogen werden. Zudem ist der Klimawandel ein entscheidender Grund, das Wirtschaftswachstum zu drosseln. Derzeit produzieren deutsche Staatsbürger und Staatsbürgerinnen durchschnittlich 11 Tonnen CO2-Emissionen pro Person pro Jahr. Um die wissenschaftliche akzeptierte 2 °C-Klimagrenze25 einhalten zu können, ist ein

Verzicht unumgänglich. Rechnerisch dürfte dazu der Ausstoß von jährlich drei Tonnen CO2-Emissionen pro Person nicht überschritten werden. Um diese Leitplanken einhalten zu können, ist ein Verzicht unumgänglich (vgl. N. PAECH 2015, S. 113 f.). PAECH fordert eine Reduzierung von Konsum- und Mobilitätsansprüchen (mehr Genügsamkeit, Entschleunigung, weniger Stressanfälligkeit); punktuell ist hier eine Deindustrialisierung gemeint. Kleinräumige Produktionssysteme sowie Lokal- und Regionalökonomien mit kürzeren Wertschöpfungsketten stärken die Resilienz gegen globale Wirtschaftskrisen. Verkürzte Wertschöpfungsketten führen zu mehr „ökonomisierter Nähe“ in den Regionen. Ersteres kann durch die schon beschriebenen Suffizienzstrategien und zweites mit sogenannten Subsistenzstrategien (Selbstversorgungsstrategien) erreicht werden. Die Konsumenten und Konsumentinnen werden zu Prosumenten und Prosumentinnen. Das bedeutet, dass sie gleichzeitig Produzenten und Produzentinnen sowie Konsumenten und Konsumentinnen in einer Person darstellen, was durch Arbeitszeitverkürzungen erreicht wird. Das gewonnene Zeitbudget soll zur Selbstversorgung26 genutzt werden. Dabei versteht N. PAECH unter Selbstversorgung Repariertätigkeiten, Eigenproduktion und gemeinschaftliches Nutzen in einem intelligenten und merklich verkleinerten industriellen Wirtschaftsraum. Partielle De-Globalisierung führt zu preis- und konsumsenkender materieller Kaufkraft, welche durch die Strategien der Subsistenz und Suffizienz ausgeglichen werden soll (vgl. E. EPPLER, N. PAECH 2016, S. 189 f. & vgl. N. PAECH 2015, S. 113 f.). Gerade der Subsistenzgedanke wird auch von der Bewegung zu mehr ernährungssouveränen Strukturen als integraler Bestandteil einer Regionalisierung befürwortet. Eine Umsetzung ist in den hoch technologisierten, reichen Industriestaaten wahrscheinlicher als in den wirtschaftlich schwächeren Staaten des globalen Südens.

20 Meint die globalen Strukturen aus langen Transportwegen und Wertschöpfungsketten. 21 Meint das ungebremste und unreflektierte Konsum- und Mobilitätsverhalten, begünstigt durch Werbung und andere Marketingmaßnahmen, die zum Ziel haben, möglichst viel Zeit des Konsumenten und der Konsumentin abzuschöpfen bzw. an das Produkt zu binden. 22 In diesem Kapitel wird auf das Postwachstumskonzept von N. PAECH eingegangen. 23 Diese These trifft eher auf die schon entwickelten Industriestaaten des globalen Nordens zu. 24 Auch beim grünen Wachstum ist physischer Aufwand und Ressourcenverbrauch notwendig. 25 Bestätigt durch das völkerrechtlich verbindliche Pariser Klimaschutzabkommen (COP21) aus dem Jahr 2015, in dem das Ziel auf deutlich unter 2 °C Begrenzung definiert wurde (EU Commission 2017). 26 Etwa in Gemeinschaftsgärten, in der solidarischen Landwirtschaft und Urban Gardening-Projekten. Seite | 13 Ernährungssouveränität und Regionalität

Dort reicht die reine Subsistenzlandwirtschaft oftmals nicht aus, um Produzenten und Produzentinnen ein gutes und unabhängiges Leben zu ermöglichen. Anders als N. PAECH erhebt die Bewegung der Ernährungssouveränität keinen Anspruch auf Selbstbeschränkung und Genügsamkeit, gerade im globalen Süden (vgl. I. SALZER & J. Fehlinger 2016, S. 7 f.). Einen etwas abgeschwächten Vorschlag beschreibt E. EPPLER (2016), in welchem der Wachstumsgedanke nicht so radikal abgelehnt wird wie durch N. PAECH. Er skizziert, dass durch das ökonomisch betriebene Wachstumsprimat die Macht der Politik an die Ökonomie abgegeben wurde. Alle Maßnahmen, Gesetze und monetären und administrativen Förderungen richten sich nach dieser ökonomisch orientierten Klasse aus. Dabei könnte ein „selektives Wachstum“ die Macht wieder an die Politik zurück übertragen, indem durch gesellschaftlichen Diskurs bestimmt werden soll, welche Bereiche einer selektiven Wachstumssteigerung bedürfen. Beispielsweise könnte die gesellschaftlich nicht in vollem Umfang akzeptierte Massentierhaltung nicht weiter dem Wachstumsparadigma unterstehen und stattdessen einem Schrumpfungsprozess ausgesetzt werden; auch aus der Einsicht heraus, dass dieser Wirtschaftszweig neben den unzureichenden tierethischen Bedingungen auch anerkannte Umweltschäden verursacht. Dagegen sollten die regionalen Wirtschaftszweige, etwas durch den Gemüseanbau oder anderer pflanzlicher Anbauweisen, Wachstumsprozessen unterzogen werden. Dabei könnte die Politik durch Gesetze, Förderungen und Programme aktiv eingreifen, um letztendlich gesamtgesellschaftlich nützliches Wachstum, Stagnation und Schrumpfung gezielt zuzulassen (vgl. E. EPPLER, N. PAECH 2016, S. 183 f.). 2.3.3 Degrowth

Die Degrowth-Bewegung verfolgt das Ziel einer Abkehr vom Fokus der Konkurrenz, Ausbeutung und des permanenten Wachstums hin zu mehr Kooperation, Solidarität und Orientierung, die sich nach den konkreten Bedürfnissen des Menschen ausrichtet. Kernidee ist eine Wirtschaftsweise und Gesellschaftsform, die ein möglichst „gutes Leben“ aller zum Ziel hat und dabei die ökologischen Lebensgrundlagen erhält. Dabei ist die Bewegung nach eigenen Aussagen Teil einer bereits breit existierenden Sozialbewegung, die wiederum kritisch und konstruktiv diskutiert. Soziale Bewegungen definieren sich durch folgende drei Punkte: 1. Akteure und Akteurinnen haben eine gemeinsame und kollektive Idee. 2. Untereinander herrscht ein großes Maß an informeller Vernetzung. 3. Es besteht eine konflikthafte Beziehung mit klar identifizierten Gegnern. Daneben existieren theoretische Bewegungen, z. B. Bewegungen, die alternative und wirtschaftliche Denkmodelle entwickeln oder handlungs- und konfliktorientierten Sozialbewegungen. Die Akteure und Akteurinnen der Ernährungssouveränität gehören durch Ökodörfer, urbane Gärten, Permakulturen und andere Formen der direkten Umsetzung landwirtschaftlicher Systeme zur praktischen und handlungsorientierten Ausrichtung in der Degrowth-Bewegung. Alle Strömungen haben jedoch einen emanzipatorischen Ansatz und den Grundgedanken des guten Lebens in allen Lebensbereichen als Zielstellung. Dabei setzen sie an der Kritik des derzeitigen Wachstumsmodells mit den ökosystemzerstörerischen Praktiken an. Im Fokus der Kritik steht das kapitalistische Leitprinzip „Höher, Schneller, Weiter“. Die Degrowth-Bewegung setzt sich daher für einen Wandel der oben genannten Werte hin zu mehr Achtsamkeit, Solidarität und sozialen Kooperationen ein (C. BURKHARDT et al. 2016, S. 1 f.). Eine Verbindung zwischen ernährungssouveränen Strukturen und den Degrowth Konzepten wird durch die Begriffe Wohlstand, sozial-ökologische Produktionsfaktoren und eine umfassende Demokratisierung der Gesellschaft sowie Wirtschaft gefunden. Beide Strömungen streben die Schaffung neuer Werte hin zu einer solidarischen und ökologischen Lebensweise an, die ein gutes Leben für alle ermöglicht. Dieses Ideal kann

Seite | 14 Ernährungssouveränität und Regionalität nur global gedacht werden. Die Strömungen sprechen ähnliche aktivistische Gruppen27 und Initiativen an und erschließen ähnliche alternative Wege28. Dabei handelt es sich noch um Experimentierfelder, die in ein umfassendes Gesellschaftsmodell umgewandelt werden sollen. Das Zusammenspiel von Wissenschaft, sozialen Bewegungen sowie praktische und kollektive Erfahrungen spielen eine wichtige Rolle in der Umsetzung (vgl. I. SALZER & J. Fehlinger 2016, S. 4 f.). 2.4 Ernährungssouveränität unter heutigen Strukturen globaler Lebensmittel- erzeugung 2.4.1 Abkopplung und Folgen

Mitte des 19. Jahrhunderts übernahmen von Bauern und Bäuerinnen sowie Aufkaufhändlern und Aufkaufhändlerinnen belieferte Märkte die Hauptversorgung der Bevölkerung. Im Jahr 1885 besaß Berlin circa 20 Wochenmärkte mit etwa 10.500 Ständen. Um das Jahr 1880 wurden diese durch das Errichten permanenter Markthallen, die vor Witterungseinflüssen schützten, abgelöst. Großmärkte versorgten Endverkäufer und Endverkäuferinnen, Zwischenhändler und Zwischenhändlerinnen sowie Großverbraucher und Großverbraucherinnen. Auf den Straßen boten außerdem "fliegende Händler" ihre Waren an. Ab Ende des 19. Jahrhunderts ging deren Anzahl durch das Aufkommen spezialisierter Lebensmittelhändler und Lebensmittelhändlerinnen ebenfalls zurück. Faktoren für die Ausdehnung des Lebensmittelhandels sowie der Lebensmitteltransporte waren die steigende Kaufkraft, veränderte Konsumwünsche sowie die verbesserte Transportinfrastruktur und sinkende Transportkosten (vgl. W. KÖNIG 2000, S. 138 f.) Die Abkopplung von Ernährungssouveränität durch Selbstversorgungs- zu Konsumentenstrukturen und dem damit einhergehenden käuflichen Erwerb von Lebensmitteln, ist ebenfalls zurückzuführen auf den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft im 19. und 20. Jhd. Ende des 19. Jhds. erlebte die landwirtschaftliche Produktivität eine massive Steigerung, die sich im gleichen Zuge in den Erwerbsstrukturen wiederspiegelte. In Deutschland waren Anfang des 20. Jhd. rund 38 Prozent der Erwerbtätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, Mitte des 20 Jhd. noch 24 Prozent und aktuell ein bis zwei Prozent. Gleichzeitig wurden Nahrungsmittel immer billiger. Im Vergleich zu den Nachkriegsjahren müssen Konsumenten und Konsumentinnen heute dreimal weniger für den Kauf ausgeben (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 16 f. & statista 2018). Im gleichen Zuge kam es zu einer sozialen und räumlichen Verstädterung. Diese war ein entscheidender Antriebsfaktor für die Etablierung und Ausweitung von Lebensmittelmärkten ähnlich denen der heutigen Strukturen. Anfänglich waren Städte durch den Abbildung 3: Die Thünen'schen Kreise werden durch die Lagerrente bestimmt. Frische, schwierig zu schwierigen und langwierigen Transport der Lebensmittel transportierende Lebensmittel haben eine hohe Lagerrente und durch die eingeschränkten Konservierungs- und und müssen in unmittelbarer zur Stadt produziert werden. Lagerungstechniken noch bemüht, zusätzliche Produkte mit geringer Lagerrenter befinden sich in den Selbstversorgung durch die Stadtbewohner zu betreiben. äußeren Kreisen (PH. STIERAND (e) 2014, S. 42 f.) Städte mussten sich selbst oder aus dem unmittelbaren Umland mit Obst, Gemüse und Fleisch versorgen. So kamen in London Mitte des 19. Jhds. circa 80 Prozent des konsumierten Obsts und Gemüses aus dem direkten Umland. Der maximale Radius des Erwerbs betrug

27 Z. B. städtisches Gärtnern, solidarische Landwirtschaft, Food Coops oder Feldbesetzer sowie Feldbestzerinnen. 28 Z. B. Subsistenz, bindungsloses Grundeinkommen, Commons, Umwelt- und Klimagerechtigkeit. Seite | 15 Ernährungssouveränität und Regionalität hierbei lediglich 30 Kilometer. Die beschriebenen räumlichen Strukturen passen gut mit dem von Thünen konzipierten Bild der Thünen‘schen Kreise überein. Durch eigene Gärten konnten Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen einen Teil dieser Versorgung selbst gewährleisten. Durch einen immer stärkeren Zuzug in die Städte sowie Fortschritte in der Technisierung öffnete sich das städtische Ernährungssystem im ersten Schritt für regionale Beziehungen. Frische Lebensmittel wurden weiterhin in der Stadt produziert, mehr und mehr jedoch auch in der umliegenden Region. Für haltbare Lebensmittel entwickelte sich ein nationaler Markt und Getreide kam teilweise aus den Kolonien. Im nächsten Schritt wurden auch die regionalen Verknüpfungen gesprengt, so dass jahreszeitlicher, saisonaler und lokaler Anbau gänzlich keine Rolle mehr spielte. Diese Entwicklung wird auch als „Delokalisierung“ bezeichnet (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 16 f.). In dieser Zeit wurden die Anbauflächen in Gärten durch Rasenflächen ersetzt. Damit gingen auch Kompetenzen zur Eigenversorgung mit der Zeit verloren und das Konsum- und Ernährungsverhalten verändert sich von Produzenten- zu reinen Konsumentenstrukturen. Um die neuartigen erschaffenen Produkte und Markenartikel wie Margarine an die Kunden und Kundinnen zu bringen, nutzten Lebensmittelunternehmen das expandierende Pressewesen. Bis 1930 waren beworbene Lebensmittel an der Spitze der geschalteten Annoncen, bevor sie von der Automobilindustrie überholt wurden. Durch neuartige Konservierungstechniken, Marketingstrategien, Massenproduktion und - distribution übernahmen Lebensmittelkonzerne nach und nach die Vormachtstellung. Konservierungstechniken führten zu einer zunehmenden Standardisierung und Technisierung von Nahrungsmitteln. Geschlossene Kühl- und Tiefkühlketten sowie die Möglichkeit des Schockgefrierens29 hatten zur Folge, dass Anfang bis Mitte des 20 Jhds. der Fleisch-, Fisch- und Bierkonsum30 deutlich stiegen. Hierdurch fand zwischen dem 19. und 20. Jhd. eine Entwicklung von regionalen zu nationalen und globalen Lebensmittelproduktionsstrukturen statt. Das deutsche Kaiserreich verweigert sich durch Abschottung seiner Märkte und zum Schutze der Landwirtschaft dieser Entwicklung. Spätestens im Zuge der Nachkriegszeit, des sogenannten "Wirtschaftswunders" und der nicht mehr ausreichenden Versorgung mit heimischen Lebensmitteln wurde Deutschland Teil des globalen Lebensmittelhandels. Kosteneffiziente Produktion und die Ausnutzung von Skaleneffekten kappten die Verbindungen von Produzenten und Produzentinnen sowie Konsumenten und Konsumentinnen durch immer globalere räumliche Abstände und anonymisierte Versorgungsketten. Versinnbildlicht wird dieses Bild durch die Einführung des Kühlschranks. Private Haushalte konnten in den USA ab den 1930er Jahren, in Deutschland ab den 1960er Jahren, durch die erschwinglich werdenden Kühlschränke und Gefriertruhen die „globale Kühlkette“ auch im heimischen Bereich umsetzen. Verbesserte Kühltechnik und die Internationalisierung der Märkte führten zu einer verbilligten Versorgung mit Fleisch, Obst, Gemüse und Milchprodukten. Für die Verbraucher und Verbraucherinnen waren die Quellen ihrer Nahrungsmittel nicht mehr nachvollziehbar, da lokale Lebensmittelhändler und Lebensmittelhändlerinnen von nationalen Verteilungszentren beliefert wurden. Ab den 1970er/1980er Jahren nahm vor allem der Anteil an tiefgefrorenen zubereiteten Gerichten, Backwaren und Pommes frites deutlich zu. Selbst der lokale Bäcker und die lokale Bäckerin sind mittlerweile meist Teil einer Handelskette mit zentraler Steuerung und Lieferung von Teiglingen (vgl. W. KÖNIG 2000, S. 159 f.) Neben dem Erwerb veränderten sich zusehends die Strukturen der Mahlzeiten, was durch die Einführung des Fast Foods noch einmal forciert wurde. Mehr und mehr kam es zu einer Loslösung der Tradition der gemeinschaftlichen Nahrungsaufnahme im Kreise der Familie, hin zu einer schnellen Tätigkeit, die meist nicht mehr als 20 Minuten andauert. Dafür hat die Häufigkeit des Nahrungsmittelkonsums deutlich zugenommen. Ernährungstheoretiker sprechen vom „grasen“ sowie von einer Ubiquität und Omnitemporalität der Nahrungsaufnahme. Weitere Verbreitungsgründe des Fast Foods waren die mit der

29 Wichtig für die Konservierung von Fisch. 30 Hierbei handelt es sich um eine deutsche Besonderheit, denn die Etablierung von Kühlketten wurde in Deutschland durch den Bierkonsum vorangebraucht. Seite | 16 Ernährungssouveränität und Regionalität aufkommenden Mobilisierung entstandenen Schnellrestaurants inkl. der Drive-Ins sowie Warenautomaten, an denen man anfänglich Schokolade und andere Süßwaren, später auch Getränke beziehen konnte. Die globale Ausbreitung unter anderem von Getränkeherstellern wie Coca-Cola und Pepsi wäre ohne diese Warenautomaten nicht denkbar gewesen. Zusammenfassend lässt sich die Entwicklung von der Speise durch Selbstversorgung zum Fast Food und damit zur Abhängigkeit von vorgefertigten Nahrungserzeugnissen folgendermaßen charakterisieren: Industrialisierung, Technisierung, Globalisierung und Externalisierung31 (vgl. W. KÖNIG 2000, S. 181 f. & vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 64 f.). Aktuelle Auswertungen zum derzeitigen Konsum- und Ernährungsverhalten gibt dabei der Ernährungsreport (2017) des BMEL. Er zeigt zum Beispiel auf, dass Verbraucher und Verbraucherinnen am häufigsten Fleischgerichte (53 Prozent der Befragten) konsumieren und Wert auf eine einfache und schnelle Zubereitung (55 Prozent der Befragten) legen. Dieses Verhalten ist besonders bei den 19- bis 29-Jährigen (72 Prozent der Befragten) ausgeprägt. Entsprechend konsumieren deutlich mehr als die Hälfte der unter 30-Jährigen Tiefkühlpizza oder Fertiggericht (19- bis 29-Jährige: 60 Prozent der Befragten, 14- bis 18-Jährige: 54 Prozent der Befragten). Ein weiterer Trend ist die sinkende tägliche Zubereitung von Lebensmitteln am Herd, die von 41 Prozent im Jahr 2015 auf 39 Prozent im Jahr 2016 gesunken ist. Noch deutlicher ist der Rückgang bei den Personengruppen zu spüren, die zwei- bis dreimal pro Woche aktiv kochen; von 37 Prozent auf 33 Prozent. Im Einkaufsverhalten nutzten rund zwei Drittel der Verbraucher und Verbraucherinnen den Supermarkt, um dort fast alle oder den Großteil der Lebensmittel einzukaufen (62 Prozent der Befragten zu 59 Prozent der Befragten im Jahr 2015). Zwei von fünf Befragten nutzten (auch) den Discounter (43 Prozent der Befragten zu 35 Prozent der Befragten im Jahr 2015). Der Besuch im Lebensmittelfachgeschäft (30 Prozent der Befragten 34 Prozent der Befragten im Jahr 2015), auf dem Markt (8 Prozent der Befragten zu 14 Prozent der Befragten im Jahr 2015), im Bioladen (6 Prozent der Befragten zu 8 Prozent der Befragten im Jahr 2015) sowie direkt beim Landwirt (5 Prozent der Befragten zu 10 Prozent der Befragten im Jahr 2015) ist dagegen rückläufig (BMEL (j) 2017, S. 6 f.). Gleichsam hat sich mit der industriellen Landwirtschaft auch eine imperiale Lebens- und Ernährungsweise herausgebildet. Imperial beschreibt den scheinbar unbegrenzten und billigen Zugriff auf Ressourcen, Raum und Arbeitsvermögen sowie Senken32 anderorts und setzt diesen Zustand als selbstverständlich voraus. Dabei wird diese Lebensweise nicht nur durch ökonomische Akteure aufrechterhalten, sondern es handelt sich dabei um hegemoniale Produktions-, Distributions- und Konsummuster, die tief in die Alltagspraktiken der Ober- und Mittelklassen des globalen Nordens und zunehmend auch in den Schwellenländern des globalen Südens zu finden sind. Produktions- und Konsummuster werden durch staatliche-politische-Unterstützung zunehmend verfestigt (vgl. U. BRAND 2011, S. 2 f. & I.L.A Kollektiv 2017, S. 2 f.). In den beschriebenen Schritten und Prozessen, die zu unseren heutigen Nahrungsmittelmustern führten, ist jedoch nicht der eigentliche Aufwand der Nahrungsmittelproduktion einbezogen; dieser wurde lediglich externalisiert (PH. STIERAND (e) 2014, S. 17). Deutlich wird dies durch die in den Jahren 2004 und 2012 veröffentlichen Umweltgutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) in denen es heißt, dass die Befriedigung der aktuellen Ernährungsgewohnheiten durch die eingesetzte Landwirtschaft die Ökosysteme und Biodiversität reduziere, eine natürliche Bodenfunktion durch Erosion und Humusabbau beeinträchtige, Grund- und Oberflächengewässer belaste, mit einem hohen Wasserverbrauch arbeite, die Vielfalt von genutzten Pflanzen und Tieren stark reduziere, übermäßig viele Pestizide, Antibiotika, Arzneimittelrückstände, Stickstoff und Phosphor in die Umwelt eintrage sowie einen erheblichen Anteil an klimarelevanten Gasen durch den hohen Energieeinsatz und die Anbauverfahren erzeuge. Daher seien die

31 Der Begriff Externalisierung meint die Verlagerung von Tätigkeiten, Ressourcen, Arbeitszeit und Senken, die mit der Nahrungsaufnahme im Zusammenhang stehen, jedoch nicht durch den Haushalt selbst aufgebracht, sondern stattdessen „einkauft“, importiert und exportiert werden. 32 Mit Senken ist die Externalisierung von negativen Umweltauswirkungen gemeint. Seite | 17 Ernährungssouveränität und Regionalität

Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft offenkundig und trügen zur Zerstörung der vorhandenen Biokapazität der Erde bei (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 19; SRU 2004, S. 173 & vgl. SRU 2012, 106). Ein Messinstrument für den Verlust der Biokapazität ist der weltweit und jährlich erhobene ökologische Fußabdruck33 der jeweiligen Länder. In Deutschland betrug der durchschnittliche ökologische Fußabdruck in den vergangenen Jahren circa fünf globale Hektar (gha) pro Person und Jahr. Bedeutende Faktoren des ökologischen Fußabdrucks sind Acker-, Weide- und Forstflächen (31 Prozent) sowie der Energiesektor (63 Prozent) (Global Footprint Network 2017). Hochgerechnet auf die weltweite Gesamtbevölkerung werden für deutsche Produktions- und Konsummuster momentan 3,2 Erden benötigt. Dieser hohe Flächenverbrauch kann nicht durch die vom Planeten zur Verfügung gestellten Biokapazitäten gedeckt werden. Soll die Biokapazität für alle heutigen und zukünftigen Generationen ausreichen, ist die Senkung auf 1,2 gha notwendig. Der Deutsche Erdüberlastungstag34 fiel im Jahr 2017 auf den 24. April. Dies bedeutet, dass für die restlichen Kalendertage die benötigten Ressourcen der „zukünftigen Generationen“ in Anspruch genommen werden und aktuell keine nachhaltige Ressourcennutzung vorliegt (Germanwatch 2017). 2.4.2 Konzentrationsprozesse in der Lebensmittelwertschöpfungskette

Die Herstellung von Lebensmitteln ist zu einer Aufgabe mit globalem Umfang geworden, wobei eine Verkürzung der Wertschöpfungskette auf immer weniger Akteure stattfindet, die eine immer größere globale Unternehmensausrichtung bzw. -strategie verfolgen. Dabei scheint es paradox, dass 70 Prozent der weltweit produzierten Nahrungsmittel in Form von kleinbäuerlicher Landwirtschaft angebaut werden und diese aktuell für ein Drittel der Menschheit eine Lebensgrundlage35 bildet (vgl. ILA Kollektiv 2017, S. 2). Gerade auf dem afrikanischen und dem asiatischen Kontinent handelt es sich dabei um die wichtigste Erwerbs- und Bezugsquelle für Nahrungsmittel. Im Gegensatz dazu setzt die industriell agierende und stark subventionierte36 Landwirtschaft des globalen Nordens seit ungefähr 50 Jahren auf massive Produktions- und Skaleneffektsteigerung. Dabei werden hochgradig technisierte, chemische und Technologien der genetischen Veränderung von Saatgut mit dem Argument genutzt, dass deren Einsatz den globalen Hunger bekämpfe (vgl. Weltagrarbericht 2013 S. 21 f.). Tatsächlich verdoppelte sich in der Zeit von 1961 bis 2001 die landwirtschaftliche Produktion pro Kopf in vielen Regionen der Welt. Dies wurde durch massiven Energieeinsatz, hochspezialisierte Sorten von Saatgut, Monokulturen, starke Bewässerung, Überdüngung, Pestizide und genetische veränderte Organismen erreicht. Zudem begünstigten die fossilen Energieträger die industrielle Landwirtschaft, als diese von einem energieproduzierenden zu einem energiekonsumierenden System umgewandelt wurde, wobei der durchschnittliche Energieeinfluss in den vergangenen 60 Jahren um das fünfzigfache angestiegen ist. Da fossile Energieträger zu den nicht erneuerbaren Ressourcen zählen, kann das derzeitige landwirtschaftliche System nicht als nachhaltig und resilient angesehen werden. Der Preis für diese Produktionssteigerung kann indes als hochgradig bezeichnet werden. Seit einigen Jahren treten trotz des massiven Inputs an Betriebsmitteln und Energieaufwand Stagnationen und Rückgange bei Ernteerträgen in vielen Regionen der Welt auf. Zudem haben Landwirte und Landwirtinnen mit neuartigen Problemen wie zum Beispiel den

33 Grundlage für die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks wurde im Jahr 1994 von W. REES und M. WACKERNAGEL entwickelt. Der Wert sagt aus, wieviel (Bio-)Kapazitäten an natürlichen Güter bereitgestellt werden müssen (gemessen in Hektar), um die Ressourcen für eine definierte Region bereitzustellen (vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit (b) 2017). 34 Engl. Earth Overshotday. Beschreibt nach M. WACKERNAGEL den Tag, an dem mehr Ressourcen verbraucht sind, als die Erde zur Verfügung stellen kann und zeigt auf, wann die Menschheit über ihre „Verhältnisse“ lebt (vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit (c) 2017). Weltweit fiel dieser Tag im Jahr 2017 auf den 2. August. 35 Gemeint sind Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, Subsistenzlandwirtinnen und Subsistenzlandwirte, Hirtinnen und Hirten, Fischerinnen und Fischern sowie indigene Volksgruppen. 36 Die OECD schätzt die Agrarsubventionen im Jahr 2012 auf 201,2 Mrd. EURO (OECD 2013).

Seite | 18 Ernährungssouveränität und Regionalität sogenannten Superweeds37 zu kämpfen. Vorhersehbarer Energiemangel durch den Rückgang von fossilen Energieträgern, Klimaemissionen durch Landnutzungsänderungen, Mangel an verfügbarem Süßwasser, degradierte und versalzene Böden, gerodete Wälder, eutrophierte und vergiftete Wasserläufe und Grundwasserspeicher, fortschreitendes Artensterben, soziale Ungerechtigkeit, gewaltsame Konflikte um Ressourcen und Land, verwahrloste ländliche Gemeinden und Regionen sowie Vertreibung, Landflucht und Land Grabbing sind weitere Folgen dieser auf Ertragssteigerungen ausgerichteten landwirtschaftlichen Produktionsmethoden. Zudem wurde das internationale Gebot, den „Hunger auf der Welt“ zu stillen, nicht vollständig umgesetzt. Über 800 Mio. Menschen weltweit leiden derzeit an Hunger und Unterernährung, obwohl die Landwirtschaft, global gesehen, Überschüsse in ihren Erträgen aufweist. Rein rechnerisch könnten heute zehn bis vierzehn Milliarden Menschen mit ausreichend Kilokalorien versorgt werden. Es scheint sich im jetzigen industriellen Produktionssystem weniger um einen Mangel an Agrarrohstoffen zu handeln als um ein Verteilungs- bzw. Nutzungsproblem38 (vgl. Heinrich Böll Stiftung (a) 2017, S. 32 f.; vgl. ILA Kollektiv 2017, S. 3; & vgl. Weltagrarbericht 2013, S. 21 f.). Im Bereich des Agrarhandels, der Herstellung von Lebensmitteln sowie im Vertrieb durch Lebensmitteleinzelhändler und -einzelhändlerinnen werden die Lieferketten von immer weniger und dafür global agierenden Unternehmen kontrolliert. Der Markt der drei wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Weizen, Mais und Soja) wird durch fünf global handelnde Konzerne39 bestimmt, die je nach Marktlage, Qualität und Preis Weizen, Mais und Soja als Nahrungsmittel, Agrarrohstoffe oder Futtermittel in den Weltmarkt einbringen. Das gleiche Bild ist bei den Lebensmittelherstellern zu beobachten: 50 Unternehmen40 erwirtschaften 50 Prozent des weltweiten Umsatzes. Marktsättigungen im nordamerikanischen und europäischen Raum werden durch expansive Ausdehnung in die Schwellen- und Entwicklungsländer sowie durch Firmenzusammenschlüsse und -übernahmen ausgeglichen, was wiederum zu vermehrten Konzentrationsprozessen führt. Ebenso sind starke Marktkonzentrationen in der letzten Stufe der Lieferkette entstanden. Lebensmitteleinzelhändler wirken dabei als wichtiger „Türsteher“ und wichtige Schnittstelle zwischen Lebensmittelindustrie und Endverbrauchern sowie -verbraucherinnen. Gerade im letzten Abschnitt der Wertschöpfungskette fanden in den letzten Jahrzehenten starke Konzentrationsprozesse statt. In Deutschland, einem der größten europäischen Lebensmittelmärkte, haben sechs der weltweit 20 größten Lebensmitteleinzelhändler ihren Firmensitz. Dabei kontrollieren die fünf führenden Supermarktketten Edeka, Rewe, Aldi, Lidl (Schwarz Gruppe) und Metro rund 90 Prozent des Marktes, in Österreich dominieren die Unternehmen Rewe, Spar und Hofer 87 Prozent der Absatzgebiete. Die vier größten Firmen erwirtschaften in Deutschland mehr als zwei Drittel des hiesigen Umsatzes mit Lebensmitteln. Diese Konzentration lässt Verbrauchern und Verbraucherinnen Produkte und Nahrungsmittel diktieren und setzt Lebensmittelproduzenten und Lebensmittelproduzentinnen sowie Bäuerinnen und Bauern unter starke Zwänge. Es kommt zu einem Ausschluss und zu Verdrängungsprozessen kleiner landwirtschaftlicher Produzentinnen und Produzenten bzw. kleinerer landwirtschaftlicher Familienbetriebe und Hofstrukturen, z. B. mit Direktvermarktung in der Region. Der Preisdruck auf Zulieferer und Zulieferinnen sowie Erzeuger und Erzeugerinnen ist durch die „Niedrigpreispolitik“ im Lebensmittelhandel gestiegen, angetrieben durch die Discounter. Die Konformität und die vorgeschriebene Art und Weise der Qualität der Produkte durch die Lebensmitteleinzelhändler erzeugt bei Zulieferern und Zulieferinnen eine Austauschbarkeit. Statt kleinbäuerlicher Strukturen wird auf in- und ausländische industrielle

37 Unter Superweeds werden Gräser verstanden, die Resistenzen gegen gängige Herbizide (z. B. Glyphosat) ausgebildet haben. 38 Repräsentative spiegelt die Teller oder Tank-Problematik das heutige industrielle Produktionssystem wieder, indem trotz 800 Mio. hungernder Menschen Agrotreibstoffe statt Lebensmittel angebaut werden. 39 Top fünf Agrarhändler: Cargill, Archer Daniels Midland, Bunge, Louis Dreyfus und Cofco. 40 Top zehn Lebensmittelhersteller: Nestlé, JBS, Tyson Foods, Mars, Mondelez, Kraft Heinz, Unilever, Danone, Generals Mills und Smithfield (weltgrößter Schweineproduzent). Seite | 19 Ernährungssouveränität und Regionalität landwirtschaftliche Großbetriebe gesetzt, die durch Massenproduktion und Abpackfähigkeiten den Bedürfnissen nach konformer Produktqualität der Firmenstrategien deutlicher entsprechen. Durch diesen Trend sind in Deutschland zwischen den Jahren 2003 und 2010 ein Viertel und in Europa ein Fünftel der landwirtschaftlichen Betriebe verschwunden. Durch die Konzentrationsprozesse findet eine Spirale zu einer immer weiterführenden Oligo- oder Monopolisierung der Vertriebswege und Lieferketten statt. Hinzu kommt eine immer engere Vernetzung der Rohstofflieferanten und -lieferantinnen, Lebensmittelproduzenten und -produzentinnen und Lebensmittelhändlern und -händlerinnen untereinander. Ein gerechter, ökologischer und auf Ernährungssouveränität zielender Handel mit klein bis mittelgroß agierenden (landwirtschaftlichen) Unternehmen scheint dabei nicht das Ziel des global agierenden Lebensmittel- und Rohstoffhandels zu sein (vgl. Weltagrarbericht 2013, S. 21 f.; vgl. Heinrich Böll Stiftung (a) 2017, S. 26 f.; vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 58; vgl. ILA Kollektiv 2017, S. 11 & vgl. BMEL (a) 2016, S. 6 f.).

Abbildung 4: Machtkonzentration in der globalen Wertschöpfungskette der Lebensmittel- und vorgelagerten Rohstoffindustrie (ILA Kollektiv 2017, S. 5) Ernährungssouveränität kann für die beschriebene Situation der Marktkonzentration in der Wertschöpfungskette der industriellen Lebensmittelindustrie ein Gegenkonzept darstellen und globale Strukturen diversifizieren indem Produktionsmodelle erprobt werden, die lokale und regionale Ökonomien stärken, weniger fossilen Energieeinsatzes bedürfen, Wertschöpfungsketten verkürzen, einzelne Akteure, zivilgesellschaftliches Engagement sowie kleinbäuerliche Strukturen stärken, wertschätzen und mit Fachwissen ausstatten, um z. B. agroökologische Produktionsweisen41 anzuwenden, und die höhere Resilienzen gegen kommende Verknappungs- und Klimaereignisse aufweisen. Im Bereich der

41 Z. B. samenfestes und gentechnikfreies Saatgut, Reduzierung der Erdölabhängigkeit und die Etablierung einer landwirtschaftlichen Kreislaufwirtschaft. Seite | 20 Ernährungssouveränität und Regionalität

Lebensmittelversorgung können Konsumenten und Konsumentinnen sowie Produzenten und Produzentinnen Netzwerke aufbauen, indem herkömmliche Märkte durch solidarische Beziehungen (CSA (community supported agriculture) oder solidarische Landwirtschaft) ersetzt werden sowie Einkaufsgemeinschaften ein existenzsicherndes Einkommen für die Produzenten und Produzentinnen garantieren. Alternative Bildungsnetzwerke schaffen Wissenstransfer, die Kompetenzen des „Selbermachens“ fördern und Begegnungsräume schaffen, in denen beteiligte Akteure unter gleichen Voraussetzungen Agrar- und Landwirtschaftswissen weitergeben und akkumulieren können (vgl. I. SALZER & J. Fehlinger 2016, S. 3). 2.4.3 Globaler virtueller Landhandel

Die starke Individualisierung der Ernährungsgewohnheiten spricht gegen den Grundgedanken der Ernährungssouveränität in Städten und Regionen. Gerade durch den hohen Konsum tierischer Produkte findet eine Globalisierung des Ernährungssystems, wie in Kap. 2.4.2 beschrieben, statt; dabei vor allem durch den Import von Futtermitteln für die Fleischproduktion. Diese Verschiebung von Ressourcen wird als virtueller Landhandel bezeichnet. Unter virtuellem Boden oder virtuellem Landhandel wird die Flächeninanspruchnahme zur Befriedigung der Konsumbedürfnisse eines Landes oder einer (politischen) Region (z. B. der Europäischen Union) über die eigentlichen geographischen und politischen Grenzen hinaus verstanden (WWF (b) 2011, S. 10). In Bezug auf Lebensmittelimporte ist der Grund hierfür, dass für kein anderes Konsumgut der Welt so viel Land benötigt wird wie für die Herstellung von Fleisch- und Milchprodukten. Obwohl nur 17 Prozent des Kalorienbedarfs der Menschheit aus tierischen Kalorien stammen, werden 77 Prozent des globalen Agrarlands dafür aufgewandt, davon knapp zwei Drittel als Weide- und ein Drittel als Ackerflächen. Neben der wachsenden Bevölkerung steigt gleichzeitig die generelle Kaufkraft und Nachfrage nach Lebensmitteln, und zwar stärker als das Bevölkerungswachstum selbst. Von 2006 bis 2050 wird eine Steigerung der Nachfrage um 75 Prozent vorhergesagt; dem Konsumgut Fleisch eine Steigerung um 85 Prozent. Zudem wird prognostiziert, dass der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch für Fleischprodukte in den Industrieländern (zwischen den Jahren 2006 und 2050 von 77 auf 95,7 kg) und den Entwicklungsländern (von 31 auf 44 kg) zunimmt. Der Fleischkonsum der Industrieländer ist damit vergleichsweise hoch: 20 Prozent der Weltbevölkerung konsumieren etwa 40 Prozent der globalen Produktion. Für diesen Konsum muss virtueller Boden aus dem globalen Süden oder Schwellenländern in den globalen Norden und zunehmend auch in die sogenannten Schwellenländer importiert werden und steht damit den Menschen in den betroffenen Ländern nicht mehr zur Verfügung. Insbesondere in Schwellenländern werden Weidefläche, Getreide- und Sojafelder zur Futtermittelproduktion genutzt. Insgesamt werden mittlerweile 40 Prozent der Getreide- und 90 Prozent der Sojaproduktion an Tiere verfüttert. Stellenweise findet die Aneignung der Flächen durch Land Grabbing42 statt. Eine hohe Analphabetenrate und mangelnde politische Unterstützung gewährt diesen Gruppen nur unzureichender Schutz vor Strukturen der global agierenden Agroindustrie und Land Grabbing- Tendenzen. Neben Agrotreibstoffen43 ist es vor allem der Fleischkonsum, der diese Entwicklungsprozesse forciert und ernährungssouveräne Strukturen auflöst. Der durchschnittliche Flächenverbrauch eines Kilogramms Fleisch ist mit 157 Quadratmetern etwa um das 130-fache größer als die durchschnittlich benötigten 1,2 Quadratmeter eines Kilogramms Gemüse. Im Bereich der Geflügelfleischprodukte liegt die Umwandlungsrate bei 1,5 zu 1 und bei Rindfleischprodukten bei 7 bis 10 zu 1. (vgl. B. DIETSCHY 2013, S. 30 f. & Heinrich Böll Stiftung et al. 2018, S. 10 f.).

42 Unter Land Grabbing sind großflächige Käufe hauptsächlich von privaten, aber auch staatlichen Investoren und Agrarunternehmen gemeint, die Agrarflächen kaufen oder langfristig pachten, um sie in eigener Regie zur Herstellung von Agrarrohstoffen zu nutzen (Weltagrarbericht 2013). 43 Weltweit für 50 Prozent des Land Grabbing verantwortlich. Seite | 21 Ernährungssouveränität und Regionalität

Je nach Methodik der Berechnungsgrundlage importierte die EU zwischen den Jahren 2011 und 2013 etwa 30 bis 35 Mio. Hektar an virtuellen Landflächen. Dies entspricht circa 700 Quadratmetern pro Person und Jahr. Hiervon sind 20 Mio. Hektar Soja-Importe aus Südamerika, eine Fläche die der Größe Ungarns und Portugals entspricht. Gerade für den Futtermittelanbau werden weltweit 120 Mio. Hektar vorgehalten, mit steigend Tendenzen. Verglichen dazu waren es im Jahr 1997 65 Mio. Hektar. Deutschland spielt dabei Abbildung 5: Gegenüberstellung deutscher Nettoimporte (+) und mit seinen virtuellen Flächenimporten von 5,5 bis Nettoexporte (-) an landwirtschaftlicher genutzter Fläche, sieben Millionen Hektar eine entscheidende Rolle,44 Durchschnitt der Jahre 2011-2013 (WWF (c) 2015, S. 19) circa 25 Prozent der Gesamtimportmenge der EU. Dies entspricht in etwa der Größe des Bundeslandes Bayern. Hauptverursacher sind Ölsaatenkomplexe, vor allem aus Soja, aber auch Palmöl nimmt eine immer größer werdende Importstellung ein. Das Umweltbundesamt (UBA) schätzt die Flächenimporte Deutschlands im Jahr 2010 auf 18,2 Mio. Hektar.45 Davon stammt mit 2,8 Mio. Hektar ein Großteil aus Sojaimporten, was 18 Prozent der landwirtschaftlichen Gesamtflächen Deutschlands entspricht. Nach aktuellen Einschätzungen des World Wide Fund For Nature (WWF) (WWF (c) und (d) 2015) benötigt Deutschland insgesamt 21,7 Mio. Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, wovon aktuell 16,135 Mio. Hektar zur Verfügung stehen. Circa 19,4 Mio. Hektar (89 Prozent der Anbauflächen) werden dabei für Nahrungsmittel benötigt, während die restlichen Flächen als Rohstoffreservoire für bioenergetische und industrielle Bedürfnisse dienen. Etwa 70 Prozent, demnach 14 Mio. Hektar 46, stehen dabei der Produktion tierischer Produkte zur Verfügung und circa 5,45 Mio. Hektar (30 Prozent der Anbauflächen) für pflanzliche Erzeugnisse. Im Gegenzug dazu exportiert Deutschland weltweit Weizen, Futtergetreide, Kartoffeln, Zuckerpflanzen, Schweinefleisch und Eier, was den Importüberschuss jedoch nicht ausgleicht. Zudem externalisieren Europa und Deutschland durch virtuellen Landhandel negative Landnutzungsänderung und Umweltschäden in andere Regionen der Welt. In Südamerika wurden bisher vier Mio. Hektar Regenwälder gerodet und Weideflächen umgebrochen, was, neben den schon beschriebenen sozialgesellschaftlichen Folgen, zudem negative Effekte auf Klima und Biodiversität aufweiset. Virtuelle Bodenimporte verhindern gleichzeitig den dringend benötigten Diskurs der Flächenkonkurrenz durch Futtermittelanbau und nachwachsende Rohstoffe auf den Ackerflächen, Ausdehnung der Siedlungs- und Verkehrsflächen47 (Flächenversiegelung) sowie technologische Flächeninanspruchnahme durch erneuerbare Energien (z. B. durch Windparks und Photovoltaikfelder) sowie Aufforstungsmaßnahmen in Deutschland nur begrenzt geführt, indem Landflächen aus anderen Regionen der Welt importiert werden. (WWF (b) 2011, S. 5 f., WWF (c) 2015, S. 15 f., WWF (d) 2015, S. 10 f., UBA (b) 2014, S. 58 f., MEIER T. 2013, S. 55 f., DRÄGER T. 2014, S. 216 f., Heinrich Böll Stiftung et al. 2018, S. 10).

44 Hierbei handelt sich um den methodisch korrigierten Faktor der WWF Studien (a) und (b) 2015. 45 Zusammensetzung aus 8,9 Mio. Hektar für die Erzeugnisse tierischen Ursprungs und Futtermittel sowie 9,3 Mio. Hektar von Ernährungsgütern aus pflanzlichen Ursprung (ohne Futtermittel und Energiepflanzen). 46 Davon werden circa 40 Prozent für die Erzeugung Fleischerzeugnissen und 25 Prozent für Erzeugung von Milchprodukten. aufgewendet. 47 Das Ziel der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2020 30 Hektar am Tag zu versiegeln konnte nicht umgesetzt werden (derzeit circa 70 Hektar am Tag) und wird durch die Neuauflage auf das Jahr 2030 übertragen. Seite | 22 Ernährungssouveränität und Regionalität

2.5 Ernährungssouveränität im urbanen Raum 2.5.1 Geschichtliche Entwicklung

Ernährungssouveränität kann in urbanen Räumen auf vielfältige Art und Weise erreicht werden, wobei in der öffentlichen Wahrnehmung verschiedene Begrifflichkeiten vorhanden sind. Grundsätzlich ist urbane oder städtische Landwirtschaft kein neues Phänomen. In vorindustrialisierten Städten war urbane Landwirtschaft ein gängiges Bild, wie schon in Kapitel 2.4.1 beschrieben. Die heutigen zivilgesellschaftlichen Projekte sind dabei eher ein Zeichen eines wiederentdeckten Bewusstseins, welches während der Industrialisierung verloren gegangen ist. Bauern und Bäuerinnen konnten ab Mitte bis Ende des 19. Jhd. und Anfang des 20. Jhd. durch die unproduktive Landwirtschaft kaum ihre eigene Selbstversorgung sichern, weshalb viele Städter und Städterinnen bäuerliche Strukturen im Nebenerwerb betrieben. Zudem waren Transportwege und Konservierungstechniken noch so wenig entwickelt, dass ein Verzehr der Lebensmittel vor Ort unumgänglich war. In Berlin initiierten Landesherren und Fabrikbesitzer von 1833 bis 1897 sogenannte Armengärten mit dem Ziel, kinderreiche Familien mit ausreichend Lebensmitteln zu versorgen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs an den Stadträndern Klein- und Schrebergärten, die zur Lebensmittelversorgung dienten. Mit der großindustriellen Lebensmittelproduktion verloren die meisten Gärten ihren Zweck der Lebensmittelversorgung und dienten vorrangig der Erholung und Freizeitgestaltung. Landwirtschaft war jedoch immer ein Teil deutscher Städte und Ballungsräume, so sind zum Beispiel 40 Prozent der Fläche des Ruhrgebiets landwirtschaftlich genutzt. Was sich verändert hat ist die Wahrnehmung der Landwirtschaft selbst. Städter und Städterinnen ignorieren durch den Lebensmittelerwerb Lebensmitteleinzelhändlern weitestgehend landwirtschaftliche Flächen in unmittelbarer städtischer Umgebung und deren Potenziale der Direktvermarktung, Stadtverwaltungen sehen diese eher als Entwicklungs- und Ausgleichflächen an und Landwirte und Landwirtinnen produzieren eher für den Weltmarkt als direkt für die umliegende Stadtbevölkerung. Verbesserte Konservierungstechniken und Transportwege trieben diesen Trend ebenfalls voran. Dadurch wurden insbesondere Städte zeitlich und räumlich immer weiter vom Ort der Produktion getrennt und saisonale Verfügbarkeit wurde aufgehoben48 (vgl. STIERAND (b) 2016, vgl. KLEINSCHMIDT 2017, S. 23 f. & vgl. HÖNLE, MEIER 2016, S. 1 f.). Als Gegenreaktion zum globalen Ernährungssystem werden auf lokaler und regionaler Ebene neue Ansprüche an die Ernährung formuliert. Dabei liegen die Ansprüche nicht mehr nur auf der Grundversorgung, sondern auch auf individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen wie Vertrauen, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Fairness. Diese Bedürfnisse beziehen sich auf die gesamte Wertschöpfungskette der Lebensmittelerzeugung (PH. STIERAND (e) 2014, S. 67). Erste urbane Gärten und Landwirtschaftsinitiativen, die die Form des heutigen Verständnisses von urbaner Landwirtschaft und ebenso die individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnisse achten, sind in den USA der 1970 Jahre durch die Counterculture-Bewegung und die Hippie Movement-Bewegung entstanden. Im Jahr 1973 eröffnete in New York der erste urbane Gemeinschaftsgarten. Dabei besetzten sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen Brachflächen, um sie zu bepflanzen. Weitere Aspekte der Bewegung waren die zunehmende Ablehnung der Konformität der Lebensmittel, Kritik an der Ausbeutung des Ökosystems Erde, steigende Lebensmittelpreise sowie die Angst vor Pestizidrückständen in den Lebensmitteln49. In den 1980er Jahren wurde durch das Open-Space Movement die Gartenbewegung in den USA noch weiter bestärkt, indem Bürger aktiv aufgefordert wurden, Flächen öffentlichen Raums stärker zu nutzen. In Göttingen wurde im Jahr 1996, im Rahmen der Integration bosnischer Flüchtlinge, der erste deutsche Gemeinschaftsgarten eröffnet. Ziel dieser Gärten ist nicht nur die Produktion von Lebensmitteln. Sie sind gleichzeitig Raum, Ort

48 Dabei wird von einer Delokalisierung der Lebensmittelproduktion gesprochen. 49 Im Jahr 1962 veröffentliche RACHEL CARSON das Buch The Silent Spring und wies damit eindringlich auf die Folgen des massiven DDT-Einsatz hin. Seite | 23 Ernährungssouveränität und Regionalität und Anlaufstelle für soziale Begegnungen, bieten Möglichkeiten der Vernetzung und sind Lernort und Wissensspeicher zum Erhalt und zur Förderung von Ernährungskompetenzen. Sie werfen Fragestellungen zur Wertschätzung von Lebensmitteln auf und ermöglichen die Wiedererlangung gärtnerischer und landwirtschaftlicher Fähigkeiten zur eigenständigen Gestaltung von Ernährungssouveränität. Ernährungskompetente Bürger und Bürgerinnen schonen durch verantwortungsvollen Konsum die Umwelt, leben gesünder, bereichern die Stadt und sind Nutzer und Nutzerinnen von urbanen Landwirtschaftsflächen und regionalen Lebensmitteln. Zudem können landwirtschaftliche Initiativen politisches Engagement aufbauen, indem sie über Raum- und Stadtgestaltung sowie Raumaneignung, Gestaltung von Nah- und Sozialräumen sowie die Erarbeitung von Ernährungsstrategien direkten und nachhaltigen Einfluss auf die Stadtgesellschaft ausüben und verändern. Urbane Landwirtschaft ist somit ein Bildungsraum, fungiert als sozialer Kitt, Raumgestalter und Mobilmacher. Der direkte Einfluss auf politische Entscheidung kann dabei als neues Phänomen bezeichnet werden (vgl. KLEINSCHMIDT 2017, S. 23 f. & PH. STIERAND (e) 2014, S. 87 f.). Damit findet durch die neu entstehenden Perspektivwechsel mittels der urbanen Landwirtschaft eine „Entmystifizierung“ der Produktion statt. Gleichzeitig wird die Abhängigkeit des eigenen Lebens durch die Raumgestaltung von Stadtraum und Boden und des eigenen Anbaus von Obst und Gemüse im Zusammenspiel mit der Natur aufgezeigt. Dadurch wird dem Glauben an den immerwährenden Fortschritt und das industrialisierte Ernährungssystem eine Alternative entgegensetzt (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 85). 2.5.2 Unterscheidung von urbaner und städtischer Landwirtschaft

STIERAND (2016) und STEICHBUCH (2017) unterscheiden bei städtisch urbanen Landwirtschaftsinitiativen zwischen Urbaner Landwirtschaft und Städtischer Landwirtschaft. Urbane Landwirtschaft steht dabei für eine Landnutzung von Einzelpersonen oder Gruppen, meist in Ballungsräumen oder in der Peripherie von Städten. Im Vordergrund steht i. d. R. der Anbau von Lebensmitteln zum Eigenbedarf bzw. zur Eigenversorgung. Jedoch geht die Nutzung stark mit städtisch sozialer Interaktion einher und ist mit ökologischen sowie wirtschaftlichen Kreisläufen verbunden. Formen sind dabei individuelle Gärten, zum Beispiel Schreber- und Kleingärten50, Grabeland51 und verschiedenste Formen der Gemeinschaftsgärten, wie spontane gemeinschaftliche Gärten52, Guerilla Gardening53 und organisierte gemeinschaftliche Gärten54. „Bei der Produktion von Lebensmitteln im urbanen Raum geht es um Mitwirkung und Mitbestimmung, geht es um Raumaneignung und -gestaltung, geht es um das Ausprobieren neuer Arbeits- und Lebensformen, geht es letztlich um Empowerment und neue Governance-Ansätze.“ (PH. STIERAND (b) 2016)

50 Der partielle „Selbstversorgungsgedanke“ aus ideologischer und finanziellen Erwägungen Gärten, auf den eigenen Balkon, Dachgarten, Fensterbank sowie Wohnung (window farming), steht im Vordergrund. Wichtig ist das „Selbermachen“, der Wunsch nach eigenen Nahrungsmitteln und der Freizeitbeschäftigung durch körperliche Betätigung im Freien. Neben Obst und Gemüse wird auch Tierhaltung, Imkerei und Aquakulturen betrieben. 51 Laut Bundeskleingartengesetz (BKleingG § 1, Abs. 2, Satz 5) handelt es sich dabei um ein Grundstück, welches vertraglich nur mit einjährigen Pflanzen bestellt werden darf. 52 Gemeinschaftsbildung, lokale Versorgung mit frischen Lebensmitteln und die Freizeitbeschäftigung stehen hier im Vordergrund. Dabei ist die Nutzung von größeren Flächen von mehreren tausend Quadratmeter nicht selten, etwa auf Brachland, welches temporär zur Verfügung stehen. Regeln für ein konfliktfreies arbeiten werden gemeinschaftlich festgelegt und Probleme im Plenen besprochen. Die Durchführungen von Kulturprogrammen (Konzerte, Lesungen, Informationsabende) sind dabei nicht unüblich. 53 Aneignung von öffentlichen Flächen durch die Stadtbewohner mittels Bepflanzung. Verschönerung und Protest gegen trostlose und vernachlässigte Stadtgestaltung (pflegeleichtes Abstandsgrün). Übergang zur „essbaren Stadt“. 54 Interkulturelle, internationale Projekte oder Schulgärten zur Nahrungsmittelproduktion mit dem Ziel, verschiedene Kulturkreise, Gemeinschaften und Nachbarn miteinander in Kontakt zu bringen sowie Umweltbildung für Kinder, Schüler und Jugendliche anzubieten. Seite | 24 Ernährungssouveränität und Regionalität

Urbane Landwirtschaft steht in der Kritik, die Stadtbewohner nicht selbstversorgen zu können, doch konnte nachgewiesen werden, dass eine circa 70 Quadratmeter große Fläche ausreicht, um für eine Person jährlich den Obst- und Gemüsedarf zu decken, was eine deutliche finanzielle Entlastung des Haushaltsbudgets bedeuten kann. Jedoch bleiben Städte beim Bezug einer gesamtstädtischen Lebensmittelversorgung von Importen aus dem Umland abhängig (vgl. WBGU 2016, S. 209 f.). Unter Städtischre Landwirtschaft sind stadtnahe (in Ballungsräumen oder Peripherie) landwirtschaftliche Betriebe (Garten-, Ackerbau, Tierproduktion) zur Herstellung von Primärprodukten für Stadt und Umland zu verstehen. Zwar werden die Betriebe durch die Stadt beeinflusst, doch haben diese Betriebe eine weit weniger enge Beziehung zum städtischen Kontext als die urbane Landwirtschaft. Anbaumethoden und - verfahren sind ähnlich denen der ländlichen Landwirtschaftsstrukturen. Die stadtnahen Flächen sind jedoch oftmals kleiner parzelliert und benötigen eine größere Arbeitsintensität bzw. Einsatzes von Betriebsmitteln. Durch den Gebrauch von Dünger und Pestiziden, Viehhaltung und die konkurrierende Freizeitgestaltung zwischen Stadtbewohnern und Stadtbewohnerinnen und der Arbeitswelt der Landwirte und Landwirtinnen können Konflikte auftreten. Preisdruck auf die vorhandenen Flächen bereiten den Landwirten und Landwirtinnen außerdem oft Probleme ihre Flächen gegen Interessen, etwa der Bauindustrie, durchzusetzen oder Anbauflächen zur Lebensmittelproduktion durch Pacht oder Kauf zu erweitern. 2.5.3 Formen urbaner Lebensmittelerzeugung

Bei Formen der solidarischen Landwirtschaft55, Community Supported Agriculture (CSA) und Selbsterntegärten56 arbeiten professionelle Landwirte und Landwirtinnen sowie Verbraucher und Verbraucherinnen zusammen. Dabei ist das Erscheinungsbild eher das einer städtischen Landwirtschaft, jedoch durch die enge Kooperation und enge Integration mit dem städtischen Raum Form einer urbanen Landwirtschaft. Projekte wie etwa Indoor Farming bzw. Vertical-Farming oder Aqua- und Aquaponic Farming, die zwar direkt auf städtischem Raum angesiedelt sind, sind gleichzeitig durch ihre geringe Integration in den städtischen Bezug eher der städtischen Landwirtschaft zuzuordnen (vgl. STIERAND (b) 2016). Bei Verfahren wie dem Hydroponic und Aeroponic Farming sowie Vertical Farming oder Sky Farming, handelt es sich um sehr aufwendige Arten des Nahrungsmittelanbaus, die meist in geschlossenen Umgebungen stattfinden. Vorteile des Aeroponic Farmings sind vor allem die fehlende Verwendung herkömmlichen Bodens mit Humusanteil und der geringe Wasserverbrauch. Als Substrat dienen recycelte Fasern, die z. B. aus Plastikflaschen erzeugt werden können. Dieses sogenannte Vlies hält die Pflanze in den vorgesehenen Einrichtungen. Aeroponic Farming benötigen 70 Prozent weniger Wasser als Hydroponic Farming, bei denen die Pflanzen im Wasser stehen. Diese Systeme wiederum benötigen 70 Prozent weniger Wasser als die reguläre Landwirtschaft. Durch den geringen Wasserverbrauch und fehlenden Humuseinsatz eignen sich solche Methoden, um die Anbauflächen in die räumliche Höhe zu bauen oder die Stapelung von Ebenen, der großflächige Anbau auf Dachflächen oder die Integration technisch-orientierter Anbaumethoden an oder auf bestehenden Gebäuden. Die Pflanzen erhalten bei beiden Verfahren Licht mittels LED-

55 Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Städtern und stadtnaher Landwirtschaft. Erzeugung und Verteilung von landwirtschaftlichen Produkten mit kooperierenden Landwirten und Landwirtinnen an Konsumenten und Konsumentinnen. Solidarische Gestaltung von Prozessen gegenseitigen Vertrauens sowie der Freiheit vor ökonomischen Zwängen, kann zu ernährungssouveränen Strukturen führen und ist in größeren Maßstäben umsetzbar. Etwa wird dieses Konzept in Südkorea durch 2.000, nicht nach profistrebende Höfe, umgesetzt, die 1,6 Mio. Menschen versorgen. Dabei wirken 21 Verteilerkooperativen, 180 Bio-Läden und Liefersystem mit. In Südkorea wird in diesem Zusammenhang von Hansalim (übersetzt: Alle lebenden Dinge schützen) gesprochen. 56 Landwirte verpachten meist für ein Jahr circa 50 bis 100 Quadratmeter an ungeschulte Konsumenten und Konsumentinnen. Dabei bieten der Landwirte und die Landwirtin z. B. Anleitung, Gartengerätschaften und Gießdienste zur Unterstützung an.

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Beleuchtung. Um das Wachstum der Pflanzen zu erhöhen, wird die Raumluft auf ein für die Pflanzen 57 günstiges CO2-Verhältnis gebracht. Im Bereich des Aeroponic Farmings werden die Pflanzen mit einer Nährstoff-Wasser-Lösung (meist Kalzium und Magnesium) besprüht, die das Wachstum begünstigt. Nachteile dieser von der Außenwelt abgeschotteten Systeme ist das sehr hohe Technologie- und

Energiebedürfnis zur Aufrechterhaltung von Temperatur, CO2-Verhältnis, Licht, Feuchtigkeit und pH-Wert. Nichts desto trotz werden in die vorgestellten Verfahren Hoffnungen zur Sicherung der Nahrungsmittelproduktion für den urbanen Raum gesetzt und sie als Alternativen zum herkömmlichen Nahrungsmittelanbau angesehen. Weitere genannte Vorteile bei Installation dieser Technologien im urbanen Räumen sind die kurzen Transportwege und geschlossenen Kreisläufe. Kritisch werden hingegen die ökonomischen und ökologischen Kosten bezogen auf den Bau der Gebäude sowie der benötige Energieverbrauch kritisiert (vgl. I. FRAZIER 2017, vgl. K. SPECHT & R. SIEBERT 2017, S. 101 f. & vgl. STEICHBRUCH 2017, S. 67). Neben den oben beschriebenen geschlossenen Systemen könnten auch offene Systeme wie Dachfarmen und „essbare Fassaden“ (edible facades) die Lebensmittelversorgung in der Stadt sichern. Dachfarmen werden meist von kommerziellen und gewinnorientierten Unternehmungen betrieben. Die Produkte werden meist über Direktvermarktung und Abnahmeverträge an lokale Betriebe vertrieben. „Essbare Fassaden“ sind an die Idee der Fassadenbegrünung angelehnt und werden im Gegensatz zu diesen mit geniebaren Pflanzen (z. B. Erdbeeren) vertikal an den Außenfassaden eines Gebäudes bepflanzt (vgl. K. SPECHT & R. SIEBERT 2017, S. 100). Bei der Idee, landwirtschaftliche Produkte mit einem möglichst geringen Flächenverbrauch zu erzeugen, wird von ZFarming gesprochen. Dazu wird die Produktion mit städtischen Gebäuden kombiniert und unter dem Begriff Zero-Acreage Farming zusammengefasst. Der Begriff grenzt sich dadurch ab, dass Anbautechniken nicht bodenbezogen genutzt werden. Darunter fallen Dachgewächshäuser, Dachgärten, „essbare Fassaden“ und Formen des Vertical Farmings. Es handelt sich um ein sehr junges Forschungsfeld und befindet sich derzeit in der Pionierphase. Umsetzung und Erfolg ist von geographischen Gegebenheiten (z.B. klimatischen Bedingungen), standortspezifischen Gegebenheiten und Akzeptanz in der Bevölkerung abhängig. So ist beispielsweise das Baurecht im Vergleich zu Deutschland in den Vereinigten Staaten weniger strikt, was es Pionieren und Pionierinnen und Entwicklern und Entwicklerinnen weniger erschwert, Konstruktionen wie Dachgewächshäuser zu errichten (vgl. K. SPECHT & R. SIEBERT 2017, S. 98 f.). 2.6 (Weiter-) Entwicklung ernährungssouveräner Strukturen 2.6.1 Stadtplanung und Ernährungsstrategien

K. MORGEN unterscheidet die wichtigsten städtischen Narrative als das urban narrative, in welchem Städte eine immer größere Bedeutung für die ökonomische und politische Bedeutung bekommen, und das sustainability narrative, in welchem Städten die wichtigste Bedeutung bei der Lösung der Klimawandelmigration und -adaption zugesprochen wird. Sie seien das Herz ökonomischer, politischer und ökologischer Debatten. Allerdings sieht er die größte und wichtigste Entwicklungsherausforderung für die wachsenden urbanen Räume in der nachhaltigen Versorgung mit Lebensmitteln. “Indeed, how to feed sustainably an increasingly urbanised world constitutes one of the main development challenges of our era.” Städte spielen dabei eine Schlüsselrolle für die Antwort einer nachhaltigen Ernährungssicherheit und bilden einen transitorischen Raum der Veränderung, in welchem neue (politisch gesteuerte) Ernährungssysteme entwickelt werden, z. B. durch öffentliche Unterstützung nationaler, regionaler und lokaler

57 Meist über 500 ppm CO2-Konzentration. Seite | 26 Ernährungssouveränität und Regionalität

Ernährungssysteme oder durch die Veränderung städtischer und kommunaler Politik durch Ernährungsinitiativen in Zusammenschluss mit privaten Interessen und daraus neu entstehenden Märkten. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei strategische Ansatzpunkte in delokalisierten Ernährungssystemen: Erstens, die gesamte Lebensmittelwertschöpfungskette in den kommunalen Politikbereich zurückzuholen; doch kann hierbei nicht garantiert werden, dass der Anteil regionaler Lebensmittel an der Gesamtmenge signifikant steigt. Teilbereiche wie gesundheitliche, soziale und ökologische Aspekte werden meist außen vorgelassen. Daher ist eine zweite Strategie vielversprechender: Städtische Akteure und Akteurinnen müssen ihre Interessen bündeln und städtische Bedürfnisse und Anforderungen sammeln, um neue Ebenen des Austausches und der Ideenbündelung zu organisieren. Es muss ein Umfeld geschaffen werden, in dem ein allgemeines Verständnis für die Aufgaben des Ernährungssystems geschaffen wird und in welchem Akteure und Akteurinnen neben dem Ernährungssystem auch andere städtische Aufgaben erfassen und erfüllen. Ein notwendiger Schlüssel ist die Ernährungsdemokratie. Dafür ist eine Transformation von Verbrauchern und Verbraucherinnen zu aktiven und gebildeten Stadtbewohnern und Stadtbewohnerinnen, oder wie es N. PAECH (2016) beschreibt: zu Prosumenten und Prosumentinnen notwendig, indem Aufgaben der Stadtentwicklung übernommen werden. Wichtig dabei ist, in entstehenden Konflikten Entscheidungen zu treffen und zu vertreten sowie entstehenden und noch nicht in Gänze abzusehenden Konsequenzen standzuhalten, um daraus Werte zu entwickeln, die in Instrumente und Methoden übertragbar sind. Dafür können fünf Ebenen benannt werden, die zu einer Manifestation von Ernährungsdemokratie beitragen: Kollaboration, Ideenaustausch, Kompetenzentwickelung, Entwicklung von Effizienz und Wirksamkeit und Aufrechterhaltung von Gemeinwohl. Diese Ebenen sollen einen ganzheitlichen zivilgesellschaftlichen Fokus aufweisen. Die Entstehungsprozesse neuer Ebenen und Räume, schaffen verschiedenste formelle und institutionelle Umsetzungsformen wie food policy councils, food boards und food partnerships u. a. Arten der Zusammenarbeit. Sie bilden Plattformen und Treffpunkte der Zivilgesellschaft, privater und unternehmerischer Akteure und Akteurinnen sowie regionaler und lokaler staatlicher Institutionen, die in Richtung eines demokratischen, gerechten und nachhaltigen Ernährungssystems streben. Der herausragendste Punkt ist dabei nicht die Problemanalyse des heutigen Ernährungssystems und deren Lösungsansätze, sondern auf welchem emanzipatorischen Weg die Ziele letztendlich erreicht werden. Ernährung kann als Symbol für die Entwicklung und Festigung demokratischer Strukturen dienen, genutzt, entwickelt und weiterentwickelt werden (vgl. A. MORAGUES-FAUS; PH. STIERAND (e) 2014, S. 147 f.; vgl. R. ILIEVA 2016, S. 131 & K. MORGAN 2015, S. 1558 f.). Eine Möglichkeit der Kanalisation „rebellischer“ Bürger und Bürgerinnen sowie Initiativen (z. B. in Ernährungsräten, -boards und -partnerschaften), die eine Kritik an dem derzeitigen Ernährungssystem üben, die den physischen Raum für die Produktion von Lebensmitteln fordern und sich diesen unter dem Sichtwort „Recht auf Stadt“ auch aneignen und dabei die Verantwortung der Städte und derer Stadtentwicklung selbst tangieren, sind städtische Ernährungspläne und -strategien. Sie übernehmen den gesellschaftlichen Diskurs und sind Entwicklungsprogramme für das regionale und lokale Ernährungssystem, indem sie Ziele und Wege beschreiben, die zu dessen Umsetzung führen. Wenn dabei die Ernährungspolitik mit städtischen Themen außerhalb der eigentlichen Themenstellung kombiniert wird, kann die Wirkung für den städtischen Raum, die Bürger und Bürgerinnen und deren Ernährung weiterentwickelt werden (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 178). Dabei handelt es sich noch um ein sehr neues Phänomen, welches Stadt- und Ernährungsplanung vereint. Jedoch haben Ernährungspläne in der Stadtplanung eine herausragende Stellung und erfahren Aufmerksamkeit in städtischen Agenden sowie auf lokaler Ebene. Vancouver, ein Vorbild bei der Etablierung einer solchen Ernährungsstrategie, definiert sie wie folgt:

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“A food strategy is an official plan or road map that helps city governments integrate the full spectrum of urban food system issues within a single policy framework that includes food production (typically referred to as urban agriculture), food processing, distribution, access and food waste management. Not only do food strategies coordinate and integrate stand-alone food policies, they also embed them within broader sustainability goals.” (City of Vancouver 2013, S. 3) Vorläufer sind sogenannte Ernährungscharten, die Leitbilder für Entwicklung der städtischen Ernährungssysteme beschreiben, ohne diese mit konkreten Maßnahmen zu untersetzen. Die Stadt Toronto war dabei 2001 Vorbild und Vorreiter.58 In der letzten Dekade wurden weltweit über 100 lokale oder regionale Ernährungspläne/-strategien auf der Ebene staatlicher Verwaltungen etabliert. Dabei wird die staatliche Institutionalisierung von breiten gesellschaftlichen Bündnissen getragen, die Ernährung nicht mehr als „ländliches Problem“ wahrnehmen oder Ernährungssicherheit ausschließlich als Fragestellung für Entwicklungsregionen ansehen. Ganz im Gegenteil: Ernährungspläne sind Entwicklungsprogramme für das Ernährungssystem auf lokaler Ebene. Sie hinterfragen nicht nur, wie das Ernährungssystem verbessert werden kann, sondern wie letztendlich die gesamte regionale und lokale Ebene oder Stadt nachhaltig entwickelt wird. Dabei spielt der ganzheitliche Ansatz eine wichtige Rolle, denn so werden alle Bereiche des Ernährungssystems, von Erzeugung und Verarbeitung bis Versorgung und Entsorgung, abgedeckt. Wichtige Inhalte einer Ernährungsstrategie sollten sein:

· Vision oder Leitbild für eine ernährungsfreundliche Stadt. · Bestandsaufnahme des derzeitigen Ernährungssystems. · Ziele für die Entwicklung des Ernährungssystems. · Maßnahmen und Verantwortliche für dessen Umsetzung.59 · Kriterien, an denen ein Erfolg oder Misserfolg gemessen werden kann (vgl. R. ILIEVA 2016, S. 130 & vgl. PH. STIERAND (c) 2013). Stadt- und Ernährungsplanung findet dabei auf zwei Ebenen statt. Auf der theoriebezogenen Ebene findet eine Beschreibung von Arbeitsfeldern, in denen eine Integration möglich ist, statt; konzeptionell, indem Identifikationen von Gemeinsamkeiten in Raum-, Stadt-, und Ernährungsplanung durchgeführt werden und analytisch, indem eine Betrachtung durch eine sogenannte food lense mittels diverser Instrumente der Stadtplanung stattfindet. Durch ein Design von konkreten Projekten, Ernährungsstrategien, und -plänen soll die Entwicklung auch in die Raumpläne umgesetzt werden, evtl. unterstützt durch finanzielle Anreize. Organisatorisch kann dieses von Ernährungsräten und anderen Initiativen in der Umsetzung unterstützt werden. Auf der zweiten praxisbezogenen Ebene findet eine konkrete Integration der Ernährung in Stadtplanung statt. Dabei muss zunächst ein Fundament aufgebaut werden, in dem Kenntnisse der allgemeinen Pläne und der Bedürfnisse der kommunalen Institutionen vorhanden sind. Mittels socialising werden informelle Kontakte im Bereich Ernährung, die zum Teil schon über einen langen Zeitraum bestehen können, berücksichtig und gewürdigt. Es müssen Brücken gebaut werden, denn Ernährungsplanung erfordert eine interdisziplinäre Arbeitsweise, sowie messbare Größen, Indikatoren und Ziele vereinbart werden, anhand derer die Ernährungsplanung bewertet wird. Da sich die Ernährungsplanung direkt auf die städtischen Strukturen

58 Dabei wurden 10 Punkte verfasst, mit denen Toronto durch Ernährungssicherheit, z. B. Hunger vermeiden, die Stadt bezahlbarer und umweltfreundlicher gestalten, weniger medizinische Versorgung benötigen, Luftverschmutzung durch Verkehr reduzieren und weniger Müll und mehr nachbarschaftliche Solidarität entstehen lassen (Toronto‘s Food Policy Coucil 2001, S. 1 f.). 59 Hier unterscheiden sich die Ernährungsstrategien zum Teil erheblich. New York arbeitet mit „Food Works“, die sich im Stadtrat ein eigenes Arbeitsprogramm, mit festen Ansprechpartnern und Ansprechpartnerinnen, aufgelegt haben. Vancouver nennt für jede Maßnahme Zeithorizonte, die von unterschiedlichen Behörden und Akteuren bearbeitet werden. Seite | 28 Ernährungssouveränität und Regionalität auswirkt, müssen diese Strukturen ebenfalls berücksichtigt werden. Um „alte Planungsprobleme“ zu lösen, müssen Ernährungspläne möglichst breit in die Stadtplanung eingebunden werden und sollten nicht als Ergänzungsmaßnahme zur bisherigen Planung dienen. Auch auf Ebene der Kostenstrukturen können sie vielfach kostengünstigere Lösungen aufzeigen und als entscheidendes Argument dienen (PH. STIERAND (d) 2012). Dabei sind die Zeitachsen zur Umsetzung von Ernährungsstrategien meist sehr lang, wie an den Beispielen der Städte Bristol und Malmö illustriert wird: Bristol war die erste Stadt in Großbritannien, die eine Ernährungsstrategie entwickelte und damit im Jahre 2015 den European Green Capital Award gewann. Zurückzuführen ist die Entwicklung auf das Jahr 1997. Im Rahmen der Local Food Agenda 21 etablierte Bristol den Bristol Food Link, eine Schirmorganisation zur Förderung von gesunden, nachhaltigen und bezahlbaren Nahrungsmitteln und diente als Anlaufstelle verschiedenster Initiativen, die sich in diesen Sektor engagierten. Im Jahr 1998 wurde der Bristol Landwirtschaftsmarkt initiiert, der zweite dieser Art in Großbritannien. Im Jahr 2007 benannte sich die Initiative in das Bristol Food Network (BFN) um und etablierte sich als Netzwerkorganisation für private Aktivisten, Community-Projekte, Organisationen sowie wirtschaftliche Akteure, die Bristol in eine nachhaltige food city transformieren wollten. Im Jahr 2009 entwickelte das BFN die Sustainable Food Strategy for Bristol. Dabei wurde die Food Charter, ein 10-Punkte-Plan, entwickelt, um die interne Arbeit zu lenken sowie Behörden und gemeinnützige Interessen in Bezug auf Ernährung zusammenzubringen. Im selben Jahr wurde der Bristol Peak Oil Report von der Organisation in Auftrag gegeben, um eine Stärken- und Schwächenanalyse des dortigen Ernährungssystems durchzuführen. Die Resultate wurden im Who Feeds Bristol?-Papier zusammengefasst. Es handelte sich um das erste Audit zur nachhaltigen Ernährung auf britischem Boden. In der ersten Ernährungskonferenz im Jahr 2010 wurden daraus resultierende Ideen für eine Ernährungsstrategie vorgestellt, angefertigt durch den Bristol Food Policy Council (BFPC). Mit einem festen Budget und formaler Rechtskraft versuchte das Council, eine Debatte über die Transformation zu einem nachhaltigen Ernährungssystem in der Stadt zu beginnen. Dabei wurden diverse Stakeholder eingebunden, darunter die Parlamentsmitglieder der Grünen Partei, welche im Jahr 2012 in das Stadtparlament gewählt wurden. Die erste Aufgabe des Multi-Stakeholder-Zusammenschlusses war die Erstellung einer holistischen good food Vision, um eine nachhaltige Ernährungstransformation umzusetzen. Der entstandene Ernährungsplan schloss eine Transformation der Essenskultur, die Sicherung eines diversifizierten Lebensmittelhandel, die Sicherung von Land zum Nahrungsmittelanbau, eine wachsende urbane Nahrungsmittelherstellung und -distribution, Umverteilung, Recycling, Kompostierung von Nahrungsmittelabfällen, Schlüsselinfrastrukturen zur Lebensmittelversorgung, Steigerung der Marktfähigkeit lokaler Lebensmittelhändler und Lebensmittelhändlerinnen sowie die Unterstützung von gemeinschaftlichen Ernährungsbetrieben ein. Innerhalb dieser Ausarbeitung wurde im November 2012 der Bristol Good Food Plan entwickelt und beschlossen. Zusammengefasst dauert es von den ersten Ansätzen im Jahr 1997 bis zum November 2012, bis der Bristol Good Food Plan mithilfe partizipativer Methoden und unter Einbezug aller relevanten Stakeholder entwickelt und beschlossen wurde (vgl. A. MORAGUES-FAUS & K. MORGAN 2015, S. 1565 f.). Beim zweiten Beispiel handelt es sich um die schwedische Stadt Malmö, die im Jahr 2010 die Ernährungsstrategie Policy of sustainable development and food verabschiedete. Die Hauptziele sind die komplette Umstellung des Nahrungsmittelerwerbs auf 100 Prozent ökologisch produzierte Lebens- und Nahrungsmittel sowie eine Senkung der durch Lebensmittel verursachten Klimagase um 40 Prozent bis zum Jahr 2020, gemessen am Jahr 2002. Malmös Ernährungsstrategie ist an das S.M.A.R.T.-Modell des Public Health Institute Stockholm angelehnt, dessen Ziel es ist, Gesundheits- und Umweltvorteile ohne steigende Kosten zu generieren. Dabei steht S(maller) für die Reduzierung der Menge an Fleisch, M(inimise) für die durch Fast Food aufgenommen Kalorien, A(n) für die Förderung ökologischer Produkte, R(ight) für den Seite | 29 Ernährungssouveränität und Regionalität

Erwerb von ethisch zertifizierten Produkten und T(ransport) für eine effiziente Beförderung. Als erste Fair Trade City Schwedens, ausgezeichnet im Jahr 2006, unterstützte die Stadt nachhaltige Geschäftszweige und ermutigte die Lebensmittelproduzenten und Lebensmittelproduzentinnen im urbanen und periurbanen Raum, die gesteckten Ziele umzusetzen. Im Jahr 1996 wurden die ersten ökologischen Produkte in Schulkantinen eingeführt. Wichtiges Momentum waren die Einführung des Landwirtschaftsmarkts im Jahr 2001, eine durch die Stadt in Auftrag gegebene Studie zur Thematik Klimawandel und Ernährung im Jahr 2003 und die Einbindung des Malmö Environmental Programme for 2003-2008 mit dem Ziel einer ökologischen Anbauweise auf 10 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen und des Erwerbs von mindestens 20 Prozent ökologisch erzeugter Nahrungsmittel, gemessen an der konsumierten Gesamtmenge. In diesem Rahmen setzten engagierte Bürger im Jahr 2007 eine hundertprozentige Schulverpflegung aus ökologisch erzeugten Lebensmitteln um. Eine Steuerungsgruppe kreierte mit verschiedenen Behörden der Stadt eine erste Phase zur Entwicklung einer Ernährungsstrategie, veranstaltete verschiedenste Workshops und führte Interviews mit interessierten Gruppen einschließlich NGOs, Landwirten und Landwirtinnen, Gewerkschaften, Schulen, Vorschulen, Gastronomen und Gastronominnen sowie dem privaten Sektor. Diese Arbeit brachte den Entwurf einer Ernährungsstrategie hervor und nach weiteren Anpassungen wurde die endgültige Version verabschiedet. Die Stadt wurde dabei von verschiedensten sozialgesellschaftlichen Netzwerken unterstützt, etwa mittels dem Mycorrhiza Network, eine soziale Bewegung mit dem Fokus auf Themen wie Umwelt, Gesundheit und globaler Gerechtigkeit bei der Lebensmittelproduktion. Die Stadt stellte der Initiative Landflächen zum Guerilla Gardening zur Verfügung und es entstand der erste Community Garden der Stadt. Diese Zusammenarbeit führte zu dem städtisch finanzierten Projekt Farming in the city ground – when problems are turned into opportunities, um unterschiedlichste ökologische Techniken zur Säuberung und Messung von kontaminierten Böden, ein großes Problem in der einstigen Industriestadt, zu erforschen und zu fördern. Zur gleichen Zeit kam es in Malmö zu einem rapiden Anstieg von Initiativen einschließlich Restaurants, Geschäften, Kooperativen und urbanen Landwirtschaftsprojekten. Das Mycorrhiza Network bildete einen Kooperative mit dem Namen Concrete Farming, welche den Nahrungsmittelanbau, die Planung und das Design von urbanen Gärten, Trainings und Beratungsservice zur Kultivierung der Flächen anbot. Aus diesem Prozess entwickelte sich die im Jahr 2010, vom Stadtparlament verabschiedete, Ernährungsstrategie. Zusammengefasst dauerte die Umsetzung der Ernährungsstrategie Policy of sustainable development and food, ähnlich wie in der ersten Beispielstadt Bristol, 14 Jahre. Prozess dieser Art können daher als sehr langwierig betrachtet werden (vgl. A. MORAGUES-FAUS & K. MORGAN 2015, S. 1562 f.). 2.6.2 Ernährungsräte

Die im Englischen sogenannten Food Policy Councils wurden im Jahr 1982 in Knoxville, Tennessee, USA gegründet. Vorrangiges Ziel war die Nahrungsmittelbeschaffung für die ärmere Bevölkerung, welche nicht mehr in der Lage war, dies durch mangelnde Infrastruktur und öffentliche Liefernetze selber zu bewerkstelligen. Durch Frühstücksprogramme wurde betroffenen Familien geholfen und ein Verkehrsnetz geschaffen, das nicht-Autobesitzern und nicht-Autobesitzerinnen einen Zugang zur Lebensmittelbeschaffung ermöglichte. Dieses System der Food Policy Councils ist heute in 214 amerikanischen und 60 kanadischen Städten verbreitet. Auch in Großbritannien und Südamerika60 sind Ernährungsräte vertreten. In Deutschland sind sie eine neuere Reaktion auf die derzeitige Landwirtschaft, das „Höfesterben“, die hohen Pacht- und Bodenpreise, die Marktkonzentrationen der global agierenden Lebensmittelindustrie, nicht

60 Brasiliens 1993 gegründeter Nationaler Rat für Ernährungssicherheit ein Instrument der direkten politischen Beratung des/der Präsidenten und Präsidentin, Mitinitiator von Sozial- und Ernährungsprogrammen (z. B. Schulverpflegungsprogram) und Kontroll- und Evaluierungsinstrument der staatlichen Aktivitäten. Dabei besteht die Mehrheit der Räte aus zivilgesellschaftlichen Gruppen. Die Ernährungsräte sind auf Ebene der Bundesstaaten und Landkreise aktiv. Seite | 30 Ernährungssouveränität und Regionalität nachvollziehbaren Rohstoffbezug und Anonymität der Landwirtschaft, die negativen Klimaauswirkungen, den Dünger- und Pestizideinsatz sowie das systembedingte Tierleid (vgl. PH. STRIEGLER 2016 & vgl. PH. STIERAND (a) 2015). Die derzeit aktivsten Räte sind in Berlin und Köln zu finden, aber auch in anderen Städten bilden sich ähnliche Organisationsstrukturen. Ernährungsräte sind dabei als ein Instrument der Stadtplanung zu verstehen, wobei die Lebensmittelversorgung der Bürger und Bürgerinnen und Kommunen in den Vordergrund gerückt werden soll. Ansatzpunkt sind dabei die lokale und regionale Ebene. Ziel ist die Vernetzung von verschiedensten Akteuren aus und um das Ernährungssystem. Die Besonderheit liegt darin, dass Ernährungsräte von Akteuren und Akteurinnen mit starken Tendenzen und Orientierungen in den Sozial- und Umweltbereich vertreten werden. Eine Einbindung der öffentlichen Administrations- und Verwaltungsbereiche findet zumeist nicht statt, Vertreter und Vertreterinnen der Verwaltungen können sich jedoch als Ratsmitglieder und Ratsmitgliederinnen einbringen. Im Grunde möchten Ernährungsräte einen breiten Ansatz aufzeigen, um Akteure und Akteurinnen sowie Themen des Ernährungssystems auf lokaler und regionaler Ebene einzubinden und zu gestalten. Dabei wird eine Ernährungspolitik von unten (bottom-up) durch „Graswurzelbewegungen“ wie Urban Gardening, Solidarische Landwirtschaft und Bodengenossenschaften angestrebt. Initiativen, privat Interessierte sowie Wissenschaft, Wirtschaft und lokale Politik werden zusammengebracht und vernetzt. Die Mitbestimmung und das Veränderungsstreben auf lokaler und regionaler Ebene bildet dabei die Basis. Ziel ist die Entwicklung eines nachhaltig gerechten, effektiven und ökologischen Ernährungssystems über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Aufgaben und unterstützende Tätigkeiten der Ernährungsräte sind dabei die Forschung und Entwicklung, Weiterbildung, Lobbyarbeit, community development, lebensmittelspezifische Dienstleistungen und die Sammlung von Informationen, spezifisch angepasst auf urbane Ernährungssysteme. Aktivitäten, die diese Ziele erreichen können, sind die Erarbeitung von Ernährungsstrategien für die jeweilige Stadt, die Förderung von urbaner Landwirtschaft, Einrichtung und Förderung von Gemeinschaftsküchen, die Förderung regionaler Ernährungssysteme, Bekämpfung sozialer Benachteiligung im Ernährungsbereich, Optimierung der Gemeinschaftsverpflegung und Veranstaltung von Konferenzen und anderen Formaten zur Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung des regionalen und lokalen Ernährungssystems (vgl. PH. STRIEGLER 2016, vgl. PH. STIERAND 2015, Ernährungsrat Köln 2017 & INKOTA 2015). Eine Ausnahme der politischen Einbindung stellt der im April 2016 gegründete Ernährungsrat Berlins dar, der zwar ebenso wenig in öffentliche Verwaltungsstrukturen eingebunden ist, durch die Nennung und Bekundung zur Zusammenarbeit im Koalitionsvertrag der grünen, linken und sozialen Regierungsparteien, aus dem Jahr 2015 aber an Bedeutung im Regierungshandeln bekam. Darin ist vereinbart, dass die Koalition zusammen mit dem Ernährungsrat Berlin eine zukunftsfähige, regional gedachte Berliner Ernährungsstrategie entwickelt. Eine auf Landesebene begonnene Zusammenarbeit61 wird fortgesetzt und Bezirke sollen in Zusammenarbeit mit der Stadtgesellschaft Umsetzungsschritte festlegen62. Teil der Strategie ist es unter anderem, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Mit dem Land Brandenburg möchte die Koalition Optionen zur regionalen Lebensmittelerzeugung abwägen (vgl. Berlin Koalitionsvereinbarung 2016, S. 156 & vgl. Ph. STRIEGLER 2016). Am 20. Oktober 2017 führte die Stadt Berlin eine Kick-off-, Diskussions- und Workshop-Veranstaltung für die Entwicklung einer Ernährungsstrategie durch, die durch die Unterzeichnung des Milan Urban Food Policy Acts für die Stadt verpflichtend wird. Dabei spielt das Kopenhagener Modell eine zentrale Rolle, mit dem eine 90 prozentige Umsetzung nachhaltiger und ökologisch produzierter Lebensmittel in städtischen Einrichtung realisiert wurde.

61 Namentlich Forum gutes Essen. 62 Eine genauere Definition dazu ist im Koalitionsvertrag nicht beschrieben. Seite | 31 Ernährungssouveränität und Regionalität

Der Berliner Ernährungsrat veröffentlichte im gleichen Monat sein Konzept für ein demokratisches und zukunftsfähiges Ernährungssystem in der Stadt, welches eine Regionalisierung ermöglichen soll. Kernforderungen des Konzeptes sind folgende: 1. Langfristiger Ausbau des Ökolandbaus in Berlin-Brandenburg durch einen angepassten Förderrahmen63. Zugang zu entsprechenden landwirtschaftlichen Flächen inkl. der Aufstellung transparenter Kriterien64 bei der Vergabe durch die BVVG65 sowie die Gründung regional verankerter Flächenpools für dort niedergelassene Landwirte und Landwirtinnen. Zurückgewinnung der Kompetenz Berlins auf landwirtschaftlicher Ebene durch Neuverhandlung des vorhandenen Staatsvertrags66 zwischen Berlin-Brandenburg sowie zur Rückgewinnung von Gestaltungsspielräumen bei der EU-Direktzahlung im Agrarbereich für regional, ökologisch und diversifiziert erzeugte Lebensmitteln. 2. Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten einschließlich der Erfassung und Veröffentlichung von Struktur- und Produktionsdaten zur Sichtbarmachung regionaler Versorgungsdefizite, Ausbau regionaler umweltfreundlicher Logistik- und Weiterverarbeitungsstrukturen (inkl. digitaler Infrastruktur und Flächenpools für Flächen und Räume, etwa der Lagerung), Aufbau von Netzwerken zwischen den Akteursgruppen sowie Erweiterung des Brandenburger Clusters Ernährungswirtschaft. 3. Aufbau einer innovativen und diversifizierten Versorgungs- und Verteilungsstruktur der Lebensmittel durch „LebensMittelPunkte“ (z.B. Markthallen) in allen Bezirken Berlins, Förderung von Start-Ups mit innovativen Versorgungsmodellen (z. B. Erzeuger und Erzeugerinnen bzw. Händler und -innen-Plattformen zur Sichtbarmachung kleiner regionaler Erzeuger und Erzeugerinnen), Konzeptentwicklung der Nahversorgung der Lebensmitteleinzelhändler und - händlerinnen sowie der Gastronomie und Gemeinschaftsversorgung. Der Raumanspruch großer Lebensmittelhändler und Lebensmittelhändlerinnen soll begrenzt und stattdessen kleine Händler und Händlerinnen gefördert und WochenmarktbetreiberInnen an Nachhaltigkeitskriterien gebunden werden. Erstellung eines Aktionsplans zur Gestaltung einer lebendigen Esskultur als partizipativer Ansatz in der gesamten Stadt ohne die Einschränkung durch Einkommen, Bildung, Geschlecht und Religion. 4. Einstellung von Lebensmittelverschwendung durch Erhöhung der Abfallgebühren, verpflichtende Regelungen und Steueranreize sowie Sichtbarmachung der Verluste in der Wertschöpfungskette. Beratung von Gastronomie- und Catering-Unternehmen, um Lebensmittelverluste zu vermeiden. 5. Ermittlung von Flächenpotenzialen/-pools (z.B. Grün-, Brach- und Dachflächen) als unbürokratische Nutzung von Vorrangflächen zum Lebensmittelanbau, Weiterverarbeitung, Lagerung und Handel. Nutzung von „LebensMittelPunkten“ für lokale Erzeuger und Erzeugerinnen, auch Produktion von urbanen Gärten, Gartenarbeitsschulen und von Kleingärtnern. Pflanzung von essbarem Grün statt Ziergehölzen. Schaffung von Kompetenzen in der Verwaltung unter Einbezug bestehender regionaler Initiativen (etwas durch die Grüne Liga, Mundraub, Gemüseackerdemie, Allmende-Kontor). Ökologischer Anbau in den Berliner Stadtgrenzen durch Kriterien bei Neuverpachtung und Anreizmodelle für bestehende landwirtschaftliche Erzeuger und Erzeugerinnen.

63 Finanzielle Unterstützung und Beratung der Landwirte und Landwirtinnen während des Umstellungszeitraums sowie Kredite, Prämien und Förderung von Neu- und Quereinsteigern durch Existenzgründungs-Fonds. 64 Sozialverträgliche, standortangepasste und nachhaltige Produktionsweise. 65 Einschließlich der Vergabe der Berliner Staatgüter. Sie sind eine Immobiliengesellschaft des Stadtstaats Berlin, die u. a. landwirtschaftliche Güter und Flächen betreut (vgl. Berliner Stadtgüter 2017). 66 Gemeint ist der Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet der Landwirtschaft (Landwirtschaftsstaatsvertrag). Siehe Kap. 3.2.1. Seite | 32 Ernährungssouveränität und Regionalität

6. Förderinstrumente passend zum derzeitigen Innovationsniveau. Förderung von kleinen und mittleren Strukturen und mittelfristig für (auch bestehende) Unternehmen, die das regionale Ernährungssystem zu einer urbanen Ernährungswende transformieren können. Installation eines Innovationscampus zur Vernetzung, Beratung der Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Bildung und Sozialem sowie die gezielte Entwicklung von Ideen und Prototypen. 7. Sofortige Evaluierung der öffentlichen Lebensmittelversorgung sowie den derzeitigen Bio-Anteil. Stufenweise Umstellung zur bio-zertifizierten Versorgung mit einem Anteil von 100 Prozent bis zum Jahr 2030 (nach dem Kopenhagener Modell67). Vergabekriterien müssen so geändert werden, dass auch Regionalität Einzug in die Berücksichtigung findet. Öffentliche Verpflegung muss die Aspekte des Klimaschutzes wiederspiegeln, z. B. durch Klimateller und dem Angebot von veganen und vegetarischen Gerichten. Alle Produkte müssen fair gehandelt werden und Berlin sich zu einer zertifizierten Fairtrade Town entwickeln. Für Außer-Haus-Verpflegung (AHV)68 soll eine realistische Kostenspanne für den Erwerb von ökologisch produzierten Lebensmitteln zugestanden werden. Erstellung eines Umwelt- und Sozialleitfadens zur Bewertung von Vergabekriterien für Produkte und Dienstleistung durch die Verwaltung. 8. Rahmenpläne für Schulen, die die Bedeutung von Ernährung, ökologischer Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung gerecht wiederspiegeln, mit eigenen Küchen in Kitas und Schulen. Daneben sollen Erwachsene ihr Wissen und ihre Fähigkeiten ausbauen, um aktive Akteure und Akteurinnen zu werden, z. B. an Orten wie den „LebensMittelPunkten“. Zur Umsetzung der Ziele soll vorbereitetes Personal angestellt werden (u.a. Ökotrophologen und Ökotrophologinnen, Ernährungsberater und Ernährungsberaterinnen). Für Großküchen werden Weiterbildungs- und Begleitungsangebote, Rezeptvorschläge u. Ä. entwickelt. 9. Koordinierung verschiedener Fachresorts in der Verwaltung durch eine übergreifende Senatspolitik. Bereitstellung von Ressourcen für ein Wertschöpfungskreislaufmanagement zur Regionalisierung Berlin-Brandenburgs mit der Einrichtung einer zentralen Stelle zur Bündelung von Informationen und Koordinierung von ressortübergreifenden Aktivitäten, um Stadt-Land-Beziehung sowie regional und faire Wertschöpfungsketten aufzubauen. Transparenz in der Umsetzung der Ernährungsstrategie für alle Akteure und Akteurinnen und die gewollte Einbindung von Zivilgesellschaft. Die Dokumentation soll dabei mittels eines interaktiven Fortschrittberichts zugänglich gemacht werden (vgl. Ernährungsrat Berlin 2017, S. 9 f.). 2.6.3 Milan Urban Food Policy Pact

Im Rahmen der Mailänder Expo 2015, die unter dem Motto „Den Planeten ernähren, Energie fürs Leben“ stand, wurde erstmalig der Milan Urban Food Policy Pact (MUFPP) aufgesetzt, welcher Städte bei der freiwilligen Unterzeichnung verpflichtet, die Erarbeitung eines nachhaltigen Ernährungssystems voranzubringen. Dadurch sollen urbane Ernährungssysteme integrativer, resilienter, sicherer und diversifizierter werden. Ziel ist die Bereitstellung von gesunden und erschwinglichen Lebensmitteln für alle Bewohner und Bewohnerinnen der Stadt, die Lebensmittelabfälle und -verschwendung zu minimieren sowie die Biodiversität zu bewahren und die Folgen des Klimawandels abzuschwächen. Die Ziele sollen unter Zuhilfenahme von sektorübergreifender Koordination auf Gemeindeebene sowie auf lokalen, regionalen, subnationalen, nationalen, und internationalen politischen Ebenen und durch Politikinstrumente wird

67 Die Stadt Kopenhagen hat in ihrer im Jahr 2007 formulierten Version, die Stadt zur Ökometropole zu entwickeln, auch den Beschluss gefasst, ökologisch erzeugte Lebensmittel in öffentlichen Küchen bis zum Jahr 2015 auf 90 Prozent anzuheben (City of Copenhagen 2007, S. 20). 68 Der Kauf und Konsum von Speisen und Getränken sowie alle Verpflegungsformen und Lebensmittelverbräuche, die außerhalb des privaten Haushaltes stattfinden. Die AHV umfasst die Individualverpflegung in Einrichtungen der Gastronomie sowie die Angebote der Gemeinschaftsverpflegung (Spektrum 2001).

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Ernährungspolitik in Sozial-, Wirtschafts- und Umweltpolitik integriert werden. Hierbei sollen wichtige Akteure69 sektorübergreifend eingebunden, bestehende städtische Politikinstrumente überarbeitet und erweitert und Pläne und Gesetzgebungen im Rahmen der Ernährungspolitik angepasst werden. Mittels Aktionsrahmen soll die Entwicklung eigner städtischer Ernährungssysteme vorangetrieben werden und dabei zwischen den jeweiligen Organisationen Erfahrungen ausgetauscht sowie andere Städte bestärkt werden, ernährungspolitische Maßnahmen durchzuführen. Im Rahmen dieses Abkommens wurden 37 Maßnahmen zur Herstellung günstiger Rahmenbedingungen entwickelt (MUFPP (a) 2015, S. 1 f.). Derzeit haben weltweit 148 Stadtverwaltungen mit insgesamt circa 470 Mio. Einwohnern und Einwohnerinnen dem freiwilligen Abkommen zugestimmt (MUFPP (b) 2017). Berlin unterzeichnete den MUFPP im Jahr 2015 unter dem damaligen SPD-Bürgermeister Michael Müller und bestätigte das zentrale Ziel, eine regionale Lebensmittel- und Ernährungspolitik im Berliner Verwaltungsgebiet zu entwickeln (vgl. SPD 2016, S. 1). 2.6.4 Food Smart Cities For Development

Die EU-Kommission startete im Jahr 2015 im Europäischen Jahr für Entwicklung das Programm Food Smart Cities for developement (FSC4D), welches Teil des EU DEAR (Developement Education and Awarness Raising) Programms ist und dessen Ziele die Förderung des Rollenwandels von Praktiken der Lebensmittelproduktion und des Lebensmittelkonsums sowie Senkung der Lebensmittelabfälle, Stärkung der gesunden Ernährung, der respektvolle Umgang mit natürlichen Ressourcen bei der Lebensmittelbeschaffung und die Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte sind. Bis Ende des Jahres 2016 sollten die 12 im Programm beteiligen Städten des FSC4D-Programms unter Leitung der Mailänder Stadtverwaltung food policies und internationale Kooperationen aufbauen. Hauptziele waren:

· die Steigerung des Bewusstseins der Auswirkungen bei europäischen Kooperationen mit spezieller Betonung auf dezentraler Lebensmittelsicherheit und der nachhaltigen Entwicklung; · die Stärkung der Rolle europäischer Städte als Vermittler in der Förderung nachhaltiger Entwicklung und Fokussierung auf Strategien der globalen Lebensmittelsicherheit sowie · die Ermutigung von Partnerstädten und zivilgesellschaftlichen Organisationen, sich an den Debatten der Post-2015 Development Agenda zu beteiligen. Dabei werden die Städte bestärkt, ein nachhaltiges Regelwerk durch den Austausch von best practices Erfahrungen und dem Aufbau zukünftiger action frameworks im Rahmen einer Food Guideline zu erstellen, indem auf lokaler Ebene die Ernährungspolitik zusammen mit Akteuren und Akteurinnen der Zivilgesellschaft gestärkt, fairer Handel als Werkzeug des verantwortlichen und bewussteren Konsums integriert sowie in dezentralen Kooperationen Lösungsstrategien für drängendste globale Probleme entwickelt werden (EU Commission 2015, S. 3 f.). Berlin im Rahmen der FSC4D nicht involviert.

69 Eingeschlossene benachbarte Behörden, technische und akademische Institutionen, Zivilgesellschaft, Kleinerzeuger und Kleinerzeugerinnen sowie der Privatsektor. Seite | 34 Ernährungssouveränität und Regionalität

2.6.5 Alternativkonzept „Kursbuch Agrarwende 2050“

Zur Illustration einer theoretischen Alternativumsetzung von ernährungs- souveränen Strukturen, wird auf die Studie Kursbuch Agrarwende 2050, entstanden im Auftrag von Greenpeace Deutschland und ausgearbeitet durch das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), verwiesen. Es sollte unter anderem die Frage beantwortet werden, unter welchen Bedingungen sich Deutschland bis zum Jahr 2050 aus Ernährungsgesichtspunkten selbst versorgen kann, demnach eine Ernährungssouveränität geschaffen wird. Dabei ging es den Autoren auch darum aufzuzeigen, welche Voraussetzung für eine Wende des landwirtschaftlichen Gesamtsystems hin zu einem aus ökologischen Werten heraus Abbildung 6: Ziele der Studie "Kursbuch Agrarwende 2050“ handelnden System notwendig sind. Neben der (Greenpeace (a) 2017, S. 6 f.) Selbstversorgung wurde untersucht, unter welchen Bedingungen Klimaemissionen aus der Landwirtschaft gesenkt und die biologische Vielfalt verbessert werden können, welche Bedingungen für geschlossene Nährstoffkreisläufe notwendig sind70, welche Minderungspotenzial von Schadstoffeinträgen aus chemisch-synthetischen Pflanzenschutz sowie Stickstoff und Phosphat möglich sind und wie es zu einer Verbesserung des Tierwohls kommen kann. Dabei wird deutlich darauf verwiesen, dass es durch die Absenkung des Pestizideinsatzes gleichzeitig zu einer Ertragsminderung von bis zu 40 Prozent kommen kann. Auch senken ökologische Vorrangflächen das nationale Flächenbudget für die Nahrungsmittelerzeugung.

Abbildung 7: Notwendige Einflussfaktoren zur Zielerreichung einer ökologisierten Landwirtschaft im Jahre 2050 (Greenpeace (a) 2017, S. 9)

70 Gemeinte sind geschlossene Stickstoff- und Phosphatkreisläufe, die ebenso die Wasserqualität fördern und schützen. Höchsteintrag von 30 kg je ha und Jahr.

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Gerade der angestrebte einhundertprozentige Selbstversorgunggrad aus einheimischen Ressourcen, ein Stop der Überproduktion von Fleisch- und Milchprodukten71 sowie die fünfzigprozentige nationale Versorgung mit Obst und Gemüse72 soll durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden. Zum einen geht die Studie von einem leichten Bevölkerungsrückgang bis 2050 auf 76 bis 80 Mio. in Deutschland lebende Menschen aus.73 Weiter soll es zu einer Abnahme der Tierbestände mit gleichzeitiger Verbesserung des Tierwohls kommen. Aus der Abnahme resultierend würden deutlich weniger Futtermittel eingesetzt werden müssen. Jedoch ist der entscheidende Faktor zum Erreichen des angestrebten Selbstversorgungsziels die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, speziell der Verzicht auf tierische Lebensmittel. Dazu nahm die Studie drei verschiedene Ernährungswenden an.

Abbildung 8: Die durch die Greenpeace-Studie angenommenen Ernährungswenden im Jahr 2050 (Greenpeace (a) 2017, S. 9) Die Studie kommt zu dem Fazit, dass eine erfolgreiche Umsetzung der Agrarwende nur durch eine „große Ernährungswende“74 und die Halbierung der Lebensmittelabfälle zu bewerkstelligen ist. In diesem Szenario reichen die Annahmen der zur Verfügung stehenden ökologisierten Flächen aus, anders als bei der „kleinen Ernährungswende“ und dem „as usual“-Szenario. Für alle Szenarien bleibt zu erwähnen, dass die Studie ein Restflächenpotenzial von 900.000 Hektar für Berechnungsungenauigkeiten oder weitere Produktionsoptionen einkalkuliert hat.

Abbildung 9: Fazit der Hochrechnung der Ernährungswenden für das Jahr 2050 (Greenpeace (b) 2017, S. 64) 2.6.6 Regionalförderung durch Regionalinitiativen

Regionalinitiativen (RI) fungieren meist als Vermittler zwischen Lebensmitteleinzelhändler und - händlerinnen und Direktvermarkter und Direktvermarkterinnen sowie als Dachverband. Sie überprüfen die Qualität von Produkten und helfen Betrieben bei der Einhaltung und Umsetzung von Kriterien und Bestimmungen, sind dabei auch Ansprechpartner bei ökonomischen Fragen und vermitteln bei Verhandlungen und Preisfindungen mit Lebensmitteleinzelhändlern und -händlerinnen. Meist handelt es sich dabei um Regionalmarken. Innerhalb der Regionalinitiativen bilden sich Netzwerke, in denen Waren ausgetauscht und Sortimente erweitert werden können. Für den Lebensmitteleinzelhandel gewährleistet die Netzwerkfunktion die Vermeidung von Lieferengpässen. Regionalinitiativen betreiben Werbung für

71 Im Jahr 2013 wurden 109 Prozent Rind- und Kalbsfleisch, 118 Prozent Schweinefleisch, 109 Prozent Geflügelfleisch sowie 121 Prozent Milcherzeugnisse produziert (Agrar-Lexikon 2017). 72 Im Jahr 2013 lag dieser Wert in Gemüseproduktion bei 39 Prozent und in der Obstproduktion bei 13 Prozent (Agrar-Lexikon 2017). 73 Derzeit leben 82.175.684 Menschen (Stand 31.12.2015) in Deutschland (Statistik-Portal 2017). 74 Hier werden bei der Annahme von 80 Mio. Einwohner 8,47 Mio. Hektar Ackerflächen benötigt sowie 3,3 Mio. Hektar Dauergrünland. Seite | 36 Ernährungssouveränität und Regionalität

Direktvermarkter und Direktvermarkterinnen und betreiben gleichzeitig Aufklärungsarbeit sowie gezielte Aufklärung für Verbraucher und Verbraucherinnen. Jede Initiative entwickelt dabei ihre eigenen Bestimmungen, Richtlinien und Kriterien, die zur Teilnahme verpflichtend sind. Plattformen wie Apps und Webseiten ermöglichen es Konsumenten und Konsumentinnen, Direktvermarkter und Direktvermarkterinnen, Erzeuger und Erzeugerinnen sowie andere Teilnehmer und Teilnehmerinnen und Initiativen der jeweiligen Region zu finden und gezielt nach Hofläden oder Bauernmärkten zu suchen (vgl. DVS 2017). Die Zahl an Regionalinitiativen (einschließlich Regionalvermarktungsinitiativen) wurde 2013 auf über 500 Initiativen im gesamten Bundesgebiet geschätzt (Bundesverband der Regionalbewegung (a) 2013). Es ist zu vermuten, dass diese Zahl weiter angestiegen ist. Als Beispiel zur Zusammenführung verschiedener regionaler Initiativen kann der Bundesverband der Regionalbewegung e.V. genannt werden, der als Dachorganisation eine Zusammenarbeit und Vertretung von vielfältigen Akteuren und Akteurinnen anstrebt, um dabei die nachhaltige Regionalentwicklung und Stärkung des ländlichen Raums zu fördern sowie als Interessenvertretung gegenüber der Politik (Land-, Bundes- und EU-Ebene) sowie der Gesellschaft fungiert. Dabei möchte der Dachverband eine Beziehung zwischen Konsumenten und Konsumentinnen und Produzenten und Produzentinnen fördern, die Wertschöpfung in der Region belassen, den nachhaltigen Umgang mit heimischen Ressourcen fördern und dabei eine stärkere Berücksichtigung regionaler ökonomischer und sozialgesellschaftlicher Interessen mittels Bildungsangeboten, Informationsplattformen, Einkommenserhöhung der Erzeuger und Erzeugerinnen vereinen und verbesserte Mitbestimmungsrechte in der Wertschöpfungskette durchsetzen (vgl. Bundesverband der Regionalbewegung (b) 2017). Dabei ist neben zahlreichen Schwerpunkten der regionalen Entwicklung die Nahversorgung mit Lebensmitteln des täglichen Bedarfs Priorität. Mittels des Projekts Geprüfte Regionalität erarbeitet der Verband eine regionale Kennzeichnung von Lebensmitteln. Zurzeit wird das Regionalsiegel in Bayern in den Produktgruppen Eier, Rapsöl und Weizenmehl getestet. Kriterien für die Kennzeichnung eines Produktes sind die Rohstoffherstellung sowie Ver- und Bearbeitung in der Region, Einsatz von heimischen Futtermitteln und das strikte Verbot von Gentechnik, auch bei den Vorprodukten. Die Gebietskulisse „Region“ muss schlüssig definiert werden, worüber im Anschluss eine Kommission befindet. Die Vermarktung darf nur in der definierten Region mit Anschluss an den nächsten Ballungsraum erfolgen und dabei nur durch qualitativ orientierte Lebensmitteleinzel und -händlerinnen und Direktvermarkter und Direktvermarkterinnen beliefert werden. Besonderheiten sind Einschränkungen bei Bestands- und Flächenobergrenzen bei der Viehhaltung in Rahmen der Bioland-Kriterien und die Umsetzung verschiedener Naturschutz- und Energiesparmaßnahmen.75 Erzeuger und Erzeugerinnen sowie Verarbeiter und Verarbeiterinnen sind dazu verpflichtet, Preisfestlegungen zu Marktpreisen, jedoch nicht zu Dumpingpreisen auszuhandeln. Weiterhin verpflichten sich die Unternehmen zu einer fairen Bezahlung sowie zu fairen Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Zudem wird von ihnen Engagement und Öffentlichkeitsarbeit für die Region erwartet (vgl. Bundesverband der Regionalbewegung (c) 2014). 2.6.7 Solidarische Landwirtschaft, Bodengenossenschaften und Regional AGs

Solidarische Landwirtschaft76 wird als Form der Landwirtschaft verstanden, die Mitglieder aus der Region bündelt, um deren Lebensmittelwünsche zu befriedigen sowie dem Landwirt und der Landwirtin die Möglichkeit einer lokalen und regionalen Versorgung zu ermöglichen. Lebensmittel werden nicht mehr über Markt und Handel vertrieben, sondern fließen in einen eigenen Wirtschaftskreislauf. Entstanden ist das

75 Dabei handelt es sich um einen Katalog verschiedenster Maßnahmen aus den Bereichen zur Förderung Biodiversität, Landschaftspflege, Ressourcenschutz (Boden, Grundwasser, Oberflächengewässer und Luft), ökologischer Landbau sowie Energiesparmaßnahmen. 76 Weitere Bezeichnungen: SoLaWi, im schweizerischen Raum Regionale Vertragslandwirtschaft, im US- amerikanischen Raum Community-supported agriculture (CSA).

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Konzept im Japan der fünfziger Jahre und verbreitete sich über die USA weltweit. Konkret bedeutet es, dass ein Hof so bewirtschaftet wird, wie die Mitglieder der solidarischen Landwirtschaft es wünschen. Die Wünsche werden gesammelt und vom Landwirt und Landwirtin ein konkretes Budget übersetzt, welches für Saatgut77, Maschinenkosten und faire Löhne benötigt wird. Gemeinsam werden die Kosten zwischen Landwirt und Landwirtin und den Mitgliedern reflektiert. Die Ernte wird im Anschluss an alle Mitglieder verteilt. Das Budget wird mittels Bieterrunden eingesammelt, wobei jedes Mitglied anonym eine bestimmte Summe bietet. Wird in der ersten Runde das benötigt Budget nicht erreicht, findet eine zweite und dritte Runde statt. Sind auch danach die Betriebskosten nicht gedeckt, muss neu über die Wünsche der Mitglieder reflektiert werden. Diese Vorgehensweise sorgt für Transparenz und demokratische Prozesse bei den Arbeitsbindungen und -weisen zur Herstellung der Lebensmittel. Damit wird der Hof an seinem konkreten Wert bemessen und muss sich nicht an seiner Rentabilität orientieren. Dadurch ist der Anbau von seltenen und speziellen Obst- und Gemüsesorten möglich, die auf den freien Agrarmärkten wenig Chancen im Verkauf hätten. Eine Differenzierung nach Marktkriterien und -richtlinien, z. B. bei Aussehen und der Größe der Produkte, sind dabei nebensächlich. Alles wird verteilt und Lebensmittel bekommen eine höhere Wertschätzung. Durch die verschiedenen Wünsche der Mitglieder findet eine größere Diversifizierung im Anbau statt. Dagegen weist ein auf Rentabilität ausgerichteter Betrieb eher zwangsläufig eine Spezialisierung und Konformität in seinen Produktgruppen auf. Solidarische Landwirtschaft fördert damit bäuerliche Strukturen, stellt regionale Lebensmittel zur Verfügung und ermöglicht ihren Mitgliedern neue Erfahrungs- und Bildungsräume. Die differenzierten Wünsche der Mitglieder und Mitgliederinnen sowie Anbauverfahren wirken sich ebenso auf das Landschaftsbild aus, welches geprägt ist von Diversifizierung und damit mehr natürlichen Lebensräume und einer höheren Agrobiodiversität. Durch die Strukturen soll es ermöglicht werden, verantwortungsvolle Landwirtschaft sowie nachhaltige Entwicklung zu betreiben, die die Existenz der Menschen mit Nahrungsmitteln und im Anbau gleichermaßen sicherstellt, ohne dabei eine Ausbeutung von Natur und Nutztieren durch den Rentabilitätsgedanken in den Vordergrund zu stellen. Derzeit sind in Deutschland 166 solidarisch wirtschaftende Betriebe tätig (vgl. Chr. SIMPFENDÖRFER 2017, S. 90 f. & vgl. Solidarische Landwirtschaft e. V. 2017). Bodengenossenschaften fördern meist (Bio-)Anbauflächen und damit den ökologischen Landbau in Deutschland. Vorangetrieben wird die Initiative von BioBoden Genossenschaften und der GSL Bank bzw. Treuhand. Landwirte und Landwirtinnen aus dem ökologischen Landbau haben oftmals Schwierigkeiten, biologisch wirtschaftende Betriebe zu halten, Anbauflächen zu erwerben oder zu pachten. Dabei zählen zu geringe Preise für landwirtschaftliche Produkte, eine im Ertrag deutlich erträglichere Energiepflanzenproduktion im industriellen Maßstab, zu wenig frei erwerbbares Land oder stark steigende Preise durch spekulative Ausrichtung78 der Eigentümer und Eigentümerinnen sowie eine sehr geringe Eigenkapitalquote, gerade bei Junglandwirten und Junglandwirtinnen zu den dringlichsten Problemen. Bodengenossenschaften möchten den Trend durch die Sicherung von Flächen, aber auch Höfen für den ökologischen Landbau entgegenwirken und Erzeugern und Erzeugerinnen ermöglichen, gesunde und regionale Lebensmittel zu produzieren. Regionale und ökologische Landwirtschaft mit nachhaltigen Gesichtspunkten des Umweltschutzes und der Gesundheit des Menschen stehen dabei im Vordergrund. Genossenschaften erwerben Anbauflächen und Höfe, bewirtschaften sie selber oder verpachten diese. Landwirte und Landwirtinnen verpflichten sich bei der Übernahme, nach strengen ökologischen Anbaukriterien zu wirtschaften. Dabei müssen die jeweiligen Landwirte und Landwirtinnen mit den Genossenschaften aus eigener Initiative heraus zusammenarbeiten, denn die Genossenschaften verstehen sich nicht als Investoren, sondern haben das Ziel, dem Markt sukzessive Boden als Spekulationsobjekt zu

77 Dabei wird ausschließlich samenfestes Saatgut eingesetzt. Dies bedeutet, dass es anderes als bei Hybridsaatgut auch in den Folgejahren zum Anbau genutzt werden kann. Saatgut muss dann nicht jährlich von vordefinierten Händler und Händlerinnen erworben werden, an die der Landwirt und Landwirtin vertraglich gebunden ist. 78 Zwischen Jahren 2003 und 2016 sind die Pachtpreise für Ackerflächen um 45 Prozent gestiegen. Seite | 38 Ernährungssouveränität und Regionalität entziehen und zu schützen. Durch die Einlage vieler verschiedener Akteure und Akteurinnen verstehen sich Bodengenossenschaften auch als Netzwerkelement zwischen Erzeugern und Erzeugerinnen sowie Verbrauchern und Verbraucherinnen. Im Jahr 2016 investierten in Deutschland circa 2.500 Bodengenossenschaften etwa 13 Mio. EUR in die ökologische Flächenbewirtschaftung. 2.000 Hektar konnten bis dato für 20 ökologische Betriebe gesichert werden. Ein weiterer Schritt sind Verbindungsmodelle regionaler Höfe mit Formen der solidarischen Landwirtschaft oder anderen Formen sozialer Vereine, um gleichzeitig den Gemeingutcharakter zu stärken und weiter zu entwickeln. Circa zehn Prozent der 1.450 deutschlandweit arbeitenden biodynamischen Höfe wirtschafteten im Jahr 2016 in genossenschaftlichen Strukturen (vgl. BioBoden Genossenschaften 2017; vgl. Demeter 2016 & vgl. C. DOHMEN 2015). Der Kerngedanke einer Regional AG ist die Einlage von Finanzkapital durch Konsumenten und Konsumentinnen mittels Gesellschaftsanteilen, welche in Boden, Landwirtschaft- und Ernährungsbetriebe investiert werden. Ziel ist der Aufbau eines Regionalverbundes zur Erzeugung ökologisch und sozial nachhaltiger Lebensmittel. Eine Besonderheit ist zudem, dass diese Investitionen neben den klassischen Strukturen auch dem Handel zugutekommen und damit die gesamte Wertschöpfungskette79 abdecken. Sie verstehen sich somit als verbindendes Instrument zwischen regionalen Unternehmen der Wertschöpfungskette sowie den Konsumenten und Konsumentinnen. Durch die erbrachten Einlagen und die gesellschaftlichen Leistungen entsteht eine breitgefasste Verantwortung in der Lebensmittelbeschaffung. Grundwerte und Vorzüge bäuerlicher Landwirtschaft sollen dabei erhalten und in zeitgemäßer Form angepasst werden. Gerade junge Landwirte und Landwirtinnen bekommen durch das eingesetzte Kapital eine Möglichkeit, landwirtschaftliche Flächen und Höfe zu erwerben. Grund für die Investition in die gesamte Wertschöpfungskette ist die geringe Rentabilität von landwirtschaftlichen Strukturen. Kapitaleinsatz und Ertrag stehen dabei in einem Missverhältnis. HIß (2017) schreibt dazu, dass ein Arbeitsplatz in der Landwirtschaft durchschnittlich 400.000 EUR Kapital benötigt, um 80.000 EUR Umsatz zu generieren. Durch Veredlung der Roherzeugnisse sei dieses Verhältnis im Handel umgedreht. Durch Investitionen in die gesamte Wertschöpfungskette können Gewinne mangelhaften Rentabilitäten entgegenrechnet werden, sodass sie im Idealfall die Differenz aufheben. Regionale AGs findet man derzeit in Städten wie Freiburg, dem Raum München, Hamburg, Schleswig-Holstein und im Rheinland. Freiburg konnte im Jahr 2016 drei Millionen EUR akquirieren und in 25 Betriebe investieren. In Bundesland Brandenburg sind Regional AGs noch nicht vorhanden, die ersten Gründungen jedoch in der Planung. Im ersten Schritt wird die Handelsgesellschaft einschließlich Geschäftsführung ins Leben gerufen. In den ersten beiden Jahren fällt die Konzentration auf Kapitalbeschaffung, Prospekterstellung, Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und die Erhöhung des Eigenkapitalpuffers. Zeitnahe werde erste Aktien ausgegeben und erste Betriebe gefördert (vgl. Chr. HIß 2017, S. 283 f. & Regionalwert AG Berlin-Brandenburg 2017). 2.6.8 Transition Town Bewegung

Die Transition-Initiativen sind eine Kritik und Gegenbewegung zum derzeitigen Wachstumsparadigma und der Illusion, dass permanente Aufklärung langfristig zu einem umweltfreundlichen und nachhaltigen Leben führt. Transition steht dabei für Übergang, Wandel und Veränderung. ROB HOPKINS arbeitete mit seinen Studenten und Studentinnen darauf basierend im Jahr 2005 einen Energie- und Kulturwendeplan für die irische Stadt Kinsale aus. Dabei stützten sie sich auf Ideen der Permakultur, die den Erhalt, die Pflege und den achtsamen Umgang mit Umwelt und Mensch zum Ziel hat, dabei Ressourcen gerecht und fair verteilt werden und diese für heutige und zukünftige Generationen zur Verfügung stellt. Die Bewegung stellt sich die Frage, wie die Erde ohne fossile Energieträger, mit einer regionalen Wirtschaftsstruktur und einem sinnvollen und guten Leben aussehen kann. Dabei wird besonders das Ernährungssystem in die Überlegungen miteinbezogen. Die Ideen und Bewegungen breiteten sich über die gesamte Welt aus.

79 Gemeint sind damit Bauernhöfe, das Lebensmittelhandwerk, der Lebensmittelhandel und die Gastronomie. Seite | 39 Ernährungssouveränität und Regionalität

Mittlerweile gibt es weltweit 4.000 Transition-Initiativen in circa 50 Ländern. Im deutschsprachigen Raum wird von 50 Initiativen ausgegangen. Das Grundprinzip der Bewegung ist das selbstermächtigte Handeln, da Staat und Politik dazu, aus Sicht der Bewegung, derzeit nicht in der Lage sind. Zur Umsetzung nutzt die Bewegung bestehende Werkzeuge und Maßnahmen, die an die jeweilige Region angepasst werden. Dabei kann es sich um Projekte zu ernährungssouveräner Strukturbildung, aber auch zur alternativen Mobilität, zu Regionalwährungen, um Gemeinschaftswohnprojekte, um Projekte zu erneuerbaren Energien, Bildungsprojekte u. v. m. handeln. Für die Wiedergewinnung von Ernährungssouveränität werden meist durch schon vorhandene Instrumente, wie die Konzepte von Gemeinschaftsgärten, der solidarischen Landwirtschaft, Lebensmittelkooperativen, Urban Gardening, Volksküchen, Slow Food, Essbare Städte u. a. Konzepte genutzt. Alle durchgeführten Projekte hängen von den Akteuren sowie den Verbindungen vor Ort ab und werden individuell gewählt. Durch die Netzwerkstrukturen innerhalb der Bewegungen und zu anderen Initiativen können Ideen weiterentwickelt und für die Akteure vor Ort bereitgestellt werden. Im Vordergrund steht, dass die jeweilige Initiative die Resilienz und Widerstandsfähigkeit der jeweiligen Region vor äußeren Einflüssen und Eruptionen erhöht, zum Beispiel einer Weltwirtschafts- oder Lebensmittelkrise. Kleine regionale wirtschaftende Einheiten sind aus Sicht der Bewegung resilienter als Einheiten, die von globalen Märkten abhängig sind (vgl. Maschkowski et al. 2016, S. 1 f. & vgl. Transition Initiative Deutschland 2017). 2.6.9 Gesellschaftliches Bündnis „Wir haben Agrarindustrie satt!“

Das Netzwerk Wir haben Agrarindustrie satt! ist ein Bündnis initiiert durch das Bündnis Meine Landwirtschaft und vernetzt über 50 Organisationen, bestehend aus konventionellen und biologisch wirtschaften Landwirten und Landwirtinnen von der Tierhaltung bis zum Ackerbau, dem Lebensmittelhandwerk, Natur-/Umwelt-/Tierschutzorganisationen, Aktiven aus der Entwicklungszusammenarbeit und aktiv kritischen Bürgern und Bürgerinnen. Einige Forderung des Netzwerkes sind unter anderem die Flächenimporte und das Flächendefizit von europaweit ca. 35 Mio. Hektar einzuschränken, subventionierte Agrarexporte zum Schutz von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen zu stoppen, eine nachhaltig regionale landwirtschaftliche Produktion und Verarbeitung zu etablieren, weitere Verluste durch Schließung betroffener landwirtschaftlicher Höfe zu stoppen, Überproduktion und Lebensmittelverschwendung zu beenden, Einführung eines Antidumping-Gesetzes in Land- und Lebensmittelwirtschaft, industrielle Tierhaltung und damit verbundenes Tierleid zu stoppen, Eiweißfutter in Europa zu erzeugen und Grünland zu erhalten, Agrobiodiversität durch die Reduktion synthetischer Dünger- und Pestizideinsätze zu schützen, Mindestfruchtfolgen einzuhalten und den ökologischen Landbau und agroökologische Lösungen zu fördern (vgl. Meine Landwirtschaft 2017). All diese Punkte fördern gleichsam die Ziele der Ernährungssouveränität. 2.7 Experteninterview mit Benedikt Härlin Im Rahmen der Beantwortung der Forschungsfrage nach der Umsetzung von ernährungssouveränen Strukturen in Berlin wurde im Interview mit Benedikt Härlin über das theoretische Konzept der Ernährungssouveränität und Missstände auf Ebene der lokalen und regionalen Wertschöpfungskette im Lebensmittelbereich in Berlin-Brandenburg gesprochen bzw. die Fragen gestellt, warum derzeit keine ernährungssouveränen Strukturen existieren, inwiefern eine längerfristige Umsetzung möglich ist, welche Organisationen und Initiativen sich auf regionaler und lokaler Ebene für die Einführung von Ernährungssouveränität einsetzen und wie zivilgesellschaftliche Bewegungen mit ähnlichen Themenausrichtungen gefördert werden können. Benedikt Härlin ist seit 1977 im Bereich des Umweltschutzes tätig. Er beteiligte sich an der Gründung der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz und dem Netzwerk Selbsthilfe, arbeitete in der

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Zeitschriftenkooperative radikal und beim Tagesspiegel in Berlin und war Abgeordneter der Grünen im Europäischen Parlament. Ab Ende der 1980 Jahre beschäftige er sich durch einen Aufenthalt in den USA mit den Folgen der aufkommenden „Grünen Gentechnik“ und war Begründer des Gen-ethischen Netzwerkes. Ab den 1990er Jahren wurde er beim Greenpeace-Magazin und Greenpeace selbst in der Kampagne zu Umweltgiften tätig. Er arbeitete am Cartagena-Protokoll80 und wechselte in den 2000er Jahren von Greenpeace zur Zukunftsstiftung Landwirtschaft. In diesem Zeitraum leitete er die europäische Initiative Save our Seeds (SOS), die sich für gentechnisch freies Saatgut einsetzt und organisierte Konferenzen der gentechnikfreien Regionen Europas. Als Vertreter von NGOs saß Herr Härlin in Aufsichtsräten des Weltagrarberichtes (IAASTD), der UN und der Weltbank. Derzeit engagiert er sich im Bündnis Meine Landwirtschaft, der europäischen Allianz ARC2020 und dem Projekt 2000 Quadratmeter. Als Hintergrund der gestellten Forschungsfrage wurde zu Beginn eine Begriffsbestimmung zur Ernährungssouveränität erfragt und das dahinterstehende Konzept von HAERLIN beschrieben, wobei die Landwirtschaft – so wie alle anderen Teile der Gesellschaft – auf demokratische Weise die Form der Lebensmittelwertschöpfungskette selbst bestimmt. (IAASTD 2009, S. 13). Kritik äußerte HAERLIN an der WTO, da Länder „gezwungen werden zollfreie Einfuhren durchzuführen“ (Z. 10). Ernährungssouveränität bedeutet jedoch nicht „lokale Autarkie“ (Z. 13). Die Tradition der Ernährungsautarkie „wirke stark in nationalsozialistische Wurzeln“ (Z. 14 & 15) vor denen man sich „hüten“ (Z. 15) soll. Demokratische Selbstbestimmung in der Wahl der Ernährung bedeute auch das „Recht Kaffee zu trinken“ (Z. 16 & 17) und Ernährungssouveränität bedeute nicht „eine totale Absage an internationalen Handel und Austausch“ (Z. 17 & 18). Dabei stellt sich die Frage, warum wir nicht schon heute Produkte vor Ort produzieren können, die man durch geografische Bedingungen und im Kontext souverän ähnlicher Strukturen hier produzieren könnte. Stattdessen werden diese Produkte importiert. Der Begriff ist eher als Debattengrundlage zu verstehen so HAERLIN, der das „Recht“ (Z. 20) eröffnet, diese Debatte zu führen, in der gesellschaftlich entschieden wird, „gehen wir zu Lidl oder auf den Wochenmarkt“ (Z. 21 & 22). Hier stellt sich nun die Frage, ob die Wahl überhaupt besteht, damit dieses Recht ausgeführt werden kann. Diese Wahlmöglichkeiten sind jedoch „total wichtig an der Ernährungssouveränität“ (Z. 26). Das Nyéléni-Forum fordert in seinen im Jahr 2007 durch formulierte Prinzipien, Grundlagenwissen und Fertigkeiten die Umsetzung einer Ernährungssouveränität (Weltagrarbericht 2013, S. 10 f.). HAERLIN zählt zu diesen Fertigkeiten etwa „kochen zu können“ (Z. 27), eine Fähigkeit, ohne die die Umsetzung der „Ernährungssouveränität ganz erheblich eingeschränkt“ (Z. 28) ist, denn „wenn ich nicht mehr weiß was mir gut tut an Ernährung, wenn ich nicht weiß was meinen Kindern gut tut an Ernährung und nicht in der Lage bin bei ihnen im frühen Kindesalter die Gewohnheiten zu prägen, die ihnen dann ein Leben lang anhängen können, sondern das Nestle und Syngenta überlasse, dann habe ich entscheidende Bereiche von Ernährungssouveränität aufgegeben.“ (Z. 29 bis 33) Die Wiedererlangung der engen Beziehung zwischen Produktion und Verbrauch und das damit verbundene „Bewusstsein“ (Z. 42) für Nahrungsmittel und deren Erzeugung ist ein weiterer Baustein zur Erlangung von Ernährungssouveränität. Unter Bewusstsein ist zu verstehen, „dass mit jedem Bissen ein Ort verbunden ist“ (Z. 42 & 43). Gerade im Kontext der Debatte über die Landnutzungsänderungen beim Fleischkonsum, wie etwa durch Sojafuttermittelimporte sowie mit gleicher Gültigkeit für die lokale und regionale Ebene der Lebensmittelversorgung, muss dem „durchschnittlichen Konsumenten hier in den Industrieländern“ (Z. 46

80 Das Cartagena-Protokoll thematisiert die biologische Sicherheit und biologische Vielfalt durch genetisch veränderte Organismen (GVO) und hat das Ziel, weltweit und auf völkerrechtlicher Ebene einheitlich hohe Anforderungen an Entscheidungen über den Import und Export (grenzüberschreitende Verbringung) von GVO zu definieren. Damit soll verhindert werden, dass GVO die biologische Vielfalt gefährden. Auch Risiken von GVO für die menschliche Gesundheit sollen hier mit betrachtet werden (BVL 2018). Seite | 41 Ernährungssouveränität und Regionalität

& 47) bewusstgemacht werden, durch seine Kaufentscheidung „diesen ganz speziellen Ort gestaltet“ (Z. 44) zu haben. Einen der Gründe für die fehlende Ernährungssouveränität in Berlin-Brandenburg sieht HAERLIN in der Geschichte begründet. Von einer „Tradition seit dem Mittelalter“ (Z. 52), von wenig „freier Bauernschaft“ (Z. 53) bis zum späteren Angestelltenverhältnis als „Traktorist der LPG“ (Z. 56), gebe es in Berlin- Brandenburg ein „massives Defizit an bäuerlichem Wissen und bäuerlicher Kultur“ (Z. 56 & 57). Auch habe die „sozialistische Landwirtschaft“ (Z. 59) das Kredo verfolgt: „je größer, desto besser“ (Z. 60) und „die Verantwortung des einzelnen Landwirts und auch die vielseitige Bildung des einzelnen Landwirts, wie wir sie in der bäuerlichen Landwirtschaft kennen, hat eigentlich keine Rolle mehr gespielt.“ (Z. 68 & 69) Ebenso hat die derzeitige „wachse oder weiche Mentalität […] neue Gipfel erreicht“ (Z. 71 & 72). In der Politik säßen Verantwortliche, die aus der „LPG-Tradition kommen“ (Z. 172), die eher den „Weltmarkt und die Energie stark bevorzugen, als dieses kleine Biozeugs“ (Z. 174 & 175). Neuerdings spielen dabei auch investorengesteuerte „Holdings“ (Z. 72) in Brandenburg eine Rolle, denen gleich „zwei- bis dreitausend Hektar-LPGs“ gehören, die massive „Maisproduktion nur für Biogas“ (Z. 74) und die „Fleischwirtschaft“ (Z. 75) „bieten wenige Ansätze tatsächlich eine Kultur rund um die Stadt zu entwickeln, die die Stadt direkt mit Frischware versorgt“ (Z. 75 & 76). Darüber hinaus gebe es ein „deutliches Defizit an Gemüseanbau, obwohl vieles möglich wäre“ (Z. 76 & 77). Dabei könne man „rund um Berlin immer Gemüse anbauen“ (Z. 79), denn die „wenigsten Gemüsearten brauchen so große Flächen, dass dort nicht entsprechende Bodenqualität hergestellt werden könnte“ (Z. 80 & 81). „Das hat aber auch damit zu tun, insgesamt in ganz Deutschland, dass wir wenig Ernährungssouveränität haben, was das Gemüse betrifft. Sondern die Tomate kommt aus Almeria. Ganz vieles was hier produziert werden könnte, wird stattdessen importiert aus überall von der Welt.“ (Z. 182 bis 184) Dabei stelle sich die Frage, ob es sich bei der Ernährungssouveränität um ein zu teures Konzept handle? Dabei spielen „Subventionen eine ziemlich entscheidende Rolle“ (Z. 189). Damit würden Produkte „künstlich“ verbilligt, die schlecht seien, und Produkte die gut seien wären „teuer“ (Z. 190). Dies hänge auch an „Vorschriften“ (Z. 191). Durch die billigen Produkte würden hohe negative Umweltkosten erkauft, etwas durch den übermäßigen Einsatz von Dünger und Pestiziden. Diese externalisierten Umweltkosten müssten später durch die „öffentliche Hand“ (Z. 192) bereinigt werden, sind aber indessen in den Nahrungsmitteln und Gewinnen der Lebensmittelhändler und Lebensmittelhändlerinnen nicht verrechnet worden. Auch sei die „Massenlogistik unserer Einzelhandelsgiganten schwer zu toppen“ (Z. 193 & 194), da „weniger Arbeit pro Kalorien“ (Z. 194) in der gesamten Verteilung stecke, im Gegensatz zu Angeboten durch „kleine Organisationen mit kleinen Händlern“ (Z. 195 & 196). Die „Marktmacht gegenüber den Produzenten sei einfach unfair“ (Z. 197). „Bäuerliche Produktion ist für Lebensmitteleinzelhandel Sand im Getriebe.“ (Z. 200) Dabei sehe er auch Chancen, mithilfe des Lebensmitteleinzelhandels regionale Produkte in die Verkaufsmärkte, wie etwa bei „REWE“ und „Edeka“, platzieren zu können und regionale Produktplatten sowie Angebote so „in Schwung zu bringen“ (Z. 204). „Eine Todfeindschaft mit den Supermärkten können wir uns nicht leisten, wenn wir das ändern wollen.“ (Z. 205) Zu der Frage, wie er Regionalität definiere, sagte HAERLIN, dass man sich bei einer zu statischen Definition „verheddere“ (Z. 212) und „die soziale Kontrolle die besten Ergebnisse liefere“ (Z. 212 & 213). Aus seiner Sicht ist „der Austausch zwischen Stadt und Land, Verbrauchern sowie Produzenten die entscheidende Stellschraube, die entscheidende Größe“ (Z. 214 bis 216). Dabei handele es sich um „Durchbrüche“ (Z. 219), die kein Label erreichen könne.

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Zur konkreten Umsetzung der Ernährungssouveränität durch landwirtschaftliche Strukturen, Organisationen und Initiativen äußerte sich HAERLIN wie folgt: Landwirtschaftliche Modelle wie Solidarische Landwirtschaft u. ä. gäbe es in Berlin-Brandenburg „zu wenig“ (Z. 82) „gemessen an dem Potential“ (Z. 95). Zwar gäbe es „Leuchtturmprojekte“ (Z. 83) wie „Brodowin81“ (Z. 84), die sich um landwirtschaftliche Diversifizierung „bemühen“ (Z. 85), jedoch gebe es noch „unglaublich viel zu kultivieren, zu rekultivieren rund um Berlin“ (Z. 86 & 87). Dabei mangele es auch an „entsprechenden Strukturen und Angeboten“ (Z. 90), obwohl es ein „viel größeres Potenzial an Kundinnen und Kunden gäbe, die bereit wären zu investieren in eine solche Versorgung, im Sinne von solidarischer Landwirtschaft“ (Z. 91 & 92). Verbraucher und Verbraucherinnen müssten nicht „Stunden ableisten“ (Z. 93), sondern das System könne man auch „professioneller organisieren“ (Z. 94 & 95). Zwar ist es sehr schön, wenn solche Modelle „im kleinen funktionieren“ (Z. 102), doch müsse man die Strukturen rund um Berlin nutzen und im Sinne der regionalen Versorgung auch „LPGs82, wie sie vom Zuschnitt her rund um Berlin existieren“ (Z. 102 & 103) einbeziehen. Bei der Umsetzung seien mit „entsprechenden Konzepten auch größere Schritte zu gehen“ (Z. 116 & 117). Aus der Sicht von HAERLIN sollten Grundkonzepte wie „Direktversorgung von Kundinnen und Kunden in verschiedenen Konzepten“ (Z. 121 & 122) wie etwa „Biokisten“ (Z. 122) oder Supermärkten, die man nur als „Mitglied in einer Erzeugergenossenschaft“ (Z. 124) nutzen kann, münden. Auch sind „Zwischenschritte“ (Z. 125) möglich, in den lokalen Biosupermärkten „intensive Kooperationen mit bestimmten Betrieben im Umland“ (Z. 126 & 127), auch unter „streng kapitalistischen“ (Z. 127) Maßstäben, eingehen. Der entscheidende Punkt sei dabei, dass Produkte „im Umland direkt produziert und möglichst direkt geliefert werden, an die Kunden in Berlin“ (Z. 131 & 132). Wenn zwischen Verbraucher und Verbraucherinnen sowie Produzenten und Produzentinnen die „Verarbeitung ins Spiel kommt“ (Z. 133 & 134) sollte diese auch „Teil der gemeinsamen Organisation sein“ (Z. 135). Das würde „Arbeitsplätze“ (Z. 136) schaffen und es „wäre durchaus möglich, dass wir auch investieren in Manufakturen und kleinere Formen der Verarbeitung, nicht die großindustrielle Rohstoffverarbeitung, sondern Veredelung, wo Menschen dahinter stehen“ (Z. 138 bis 140). Auch müssen in Brandenburg „bestimmt Traditionen“ (Z. 140) wiedererlangt werden, um typische Nahrungsmittel für den Berliner Raum zu produzieren, denn es gebe „eine wilde Kultur“ die eigentlich danach „schreit“ (Z. 142). „Berlin hätte auch viel zu geben. An Kultur, an Engagement, an privaten Kleininvestitionen, an solchen Möglichkeiten und da gibt es für meine Begriffe zu wenig politischen Willen, der ganz schlecht ausgeprägt ist. Im Senat von Berlin kenne ich eigentlich überhaupt niemanden, obwohl wir rot-rot-grün haben.“ (Z. 154 bis 157). Auf die Frage, ob der im Koalitionsvertrag mit einbezogene Ernährungsrat keine Kompetenz einbringe, antwortete HAERLIN mit „überhaupt nicht“ (Z. 165) und „bisher kann man nicht behaupten, dass mit hoher Kompetenz Alternativen entwickelt worden sind“ (Z. 165 & 166). Auf die Frage, inwiefern die städtische Bewirtschaftung durch Urban Gardening, Gemeinschaftsgärten, Vertical Farming und andere Formen der Lebensmittelerzeugung im urbanen Raum eine Selbstversorgung sichergestellt werden könne, zeigt sich HAERLIN skeptisch. In absehbarer Zeit würden solche Projekte „nicht den entscheidenden Beitrag zur Kalorienversorgung leisten“ (Z. 225 & 226). Es wäre nach seiner Auffassung nur „teilweise ein interessanter Beitrag zur Versorgung mit Frischgemüse in der Saison“ (Z.226 & 227). Als „Rückgrat dieser Versorgung“ sehe er die „70.000 Kleingärtner und Kleingartenkolonien“ (Z. 227 & 228). Jedoch nutzten die meisten Kleingärtner und Kleingärtnerinnen ihre Flächen „einfach nur zum Rasenmähen und Grillen“ (Z. 231 & 232). HAERLIN sieht aber einen „Generationenwechsel“ (Z. 233) und

81 Bei dem Ökodorf Brodowin handelt es sich um einen Demeter-Ökobetrieb im Nordosten Brandenburgs. 82 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. Seite | 43 Ernährungssouveränität und Regionalität das Gärtnern in Berlin insgesamt als „klassische Tradition und lebendige Tradition aus der DDR-Zeit“ zur saisonalen Lebensmittelversorgung. Methoden wie Vertical Farming oder ZFarming könne HAERLIN „nicht so richtig beurteilen“ (Z. 238), sehe aber aus „Klimagründen“ und zur Verbesserung des „Mikroklimas“ (Z. 239 & 243) die Initiativen positiv an. Wenn man es dann „teilweise auch essen könne, ist das super“ (Z. 224). Neben den positiven Klimawirkungen sehe er Technologien wie etwa Vertical Farming kritisch und bezeichnet sie als „Methoden von primitiven Hilfsnaturen“ (Z. 270). „Unsere Aufgabe ist es, echte Ökotope und echte langfristige ökologische Kreisläufe zu fördern und nicht primitive Abbilder davon, noch als einen Technotriumph zu feiern und zum Schluss noch zu behaupten das müsse sein, weil wir immer weniger Fläche und immer mehr Menschen wären. Da bin ich skeptisch.“ (Z. 272 bis 275) Als großes Problem nannte HAERLIN das „Substrat“ (Z. 246), welches durch „Altlasten in Böden“ (Z. 249) verseucht sei und eine „erfrischende Risikobereitschaft“ (Z. 251) zu dessen Verzehr notwendig sei. In aller Regel gebe es in den Böden eine „Schwermetallbelastung, die eigentlich nicht akzeptabel sein“ (Z. 253). Neben dieser Problemstellung nannte er den Berliner Honig, der in der Großstadt Berlin „weniger belastet“ (Z. 262) sei, als im Umland. Diese läge an dem geringeren „Pestizideinsatz“ (Z. 262) in der Stadt. Ebenso sieht HAERLIN die fehlenden organischen Kreisläufe als große Herausforderung an. Berlin importiere große Mengen an „organischem Material“ (Z. 283), die nach der Nutzung erstmal „Sondermüll“ (Z. 284) seien. Diesen Sondermüll können man nicht „einfach als Kompost für die Lebensmittelproduktion nutzen“ (Z. 285). Es müssten Kreisläufe „zur Humusbildung und Kohlenstoffspeicherung“ (Z. 292) etabliert werden. Als positives Beispiel der Technologiesynthese sieht HAERLIN die Abwärme der Stadt. Diese könne man nutzen, „um auf Dächern Gemüse zu produzieren“ (Z. 276 & 277). Gerade „Glashausproduktion […] hätte richtig viel Potenzial“ (Z. 281). 2.8 Zusammenfassung In Kapitel 2 werden die theoretischen Ansätze der Begriffe Regionalität und Ernährungssouveränität (food souvereignty) wiedergegeben und im Anschluss durch praktische Umsetzungsbeispiele, etwa von Organisationen, Initiativen, Strategien und anderen Formen beschrieben. Im Fokus der Betrachtung liegt dabei die Umsetzungsfähigkeit der Ernährungssouveränität in lokalen und regionalen Räumen. Darüber hinaus wird aufgezeigt, welche Unschärfe der Begriff Regionalität aufweist. In Kontextualitäten von Suffizienz, Postwachstum und der Degrowth-Bewegung werden Verbindungen zum Konzept der Ernährungssouveränität analysiert. Aktuelle Strukturen der Lebensmittelversorgung in globalen Zusammenhängen und Konzentrationsprozessen zeigen Diskrepanzen zur Idee ernährungssouveräner Strukturen der Lebensmittelversorgung auf. Die Literaturrecherche zur Definition Regionalität zeigt fehlende Kriterien auf nationaler und europäischer Ebene. Als Gegenbeispiel kann die EU-Ökozertifizierung mit fest definierten Kriterien genannt werden (vgl. Deutscher Bundestag (a) 2016, S. 4). In diesem Zusammenhang kritisiert die Verbraucherzentrale Deutschland den Mangel an „festgelegter“ Transparenz und die daraus resultierende Unschärfe, die durch eine ungenaue Deklarierung mit der Kennzeichnung „regional“ zu Verbrauchertäuschung führt (vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband 2017). In der Literatur wird Regionalität als der Raum angesehen, welcher sich in Radien von 50 bis 100 Kilometern um eine Gebietskulisse anschließt (vgl. CZECH et al. 2002, S. 12 f.). Ein zweiter zentraler Punkt der Kritik ist die mangelnde Ausweisung von Inhaltsstoffen mit regionalem Kontext bei der Lebensmittelproduktion. Inwieweit können z. B. Vorprodukte in die Deklarierung einbezogen werden und müssen diese die Regionen des Rohstoffanbaus wiederspiegeln oder reicht es aus, wenn die Produkte ausschließlich in diesen produziert wurden? Kennzeichnungen wie die

Seite | 44 Ernährungssouveränität und Regionalität geschützte Ursprungsbezeichnung oder geschützte geografische Herkunftsangabe geben dem Verbraucher und der Verbraucherin Orientierung, spiegeln jedoch kein ganzheitliches Bild (regionaler) Wertschöpfungsketten wieder. Eine weitere in Deutschland gängige Kennzeichnung ist das Regionalfenster zur Schließung von Transparenzlücken. Der Bundesverband der Regionalbewegung kritisiert diese Kennzeichnung durch die fehlende Kenntlichmachung der Vorprodukte und die nicht festgelegten Bewertungen von regionalen Bezugsgrößen (Bundesverband der Regionalbewegung (d) 2012). Neben dem Regionalfenster findet man in den Bundesländern verschiedenste Regionalsiegel, die wiederum mit eigens definierten Kriterien hinterlegt sind. In Deutschland wird die aktuelle Zahl auf etwa 150 Initiativen geschätzt. Die Regionalbezeichnungen sind dabei im Gegensatz zu den regionalen Handelsmarken der Lebensmitteleinzelhändler meist spezifischer und strenger kategorisiert. Eine feste regionale Regelung und Ausdifferenzierung findet jedoch nicht bei allen Regionalsiegeln statt. Auch innerhalb der Kontrollsysteme finden sich ähnliche Bandbreiten (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 106). Derzeit haben Verbraucher und Verbraucherinnen nur sehr wenige Möglichkeiten, die Regionalität der gesamten Wertschöpfungskette eines Produktes nachzuvollziehen. Möglichkeiten wären der direkte Kauf bei Landwirten und Landwirtinnen oder der Produktbezug von saisonalen und ökologisch kennzeichneten Lebensmitteln auf Marktplätzen oder in Hof- und Bioläden. Der bewusste und wertschätzende Konsum von aus der Region stammenden Lebensmitteln ist ein zentraler Baustein für den Aufbau ernährungssouveräner Strukturen. Das im Jahr 1996 von der südamerikanischen Organisation La Via Campesina vorgestellte Konzept beschreibt das Recht der Bevölkerung und souveräner Staaten, ihre Landwirtschaft- und Ernährungspolitik auf demokratische Weise selbst zu bestimmen (IAASTD 2009, S. 13). Das Ziel ist die Durchsetzung einer neu gewonnenen Wertschätzung von Lebensmitteln und deren Produzenten und Produzentinnen. Die Exportfokussierung soll dabei verringert und die regionalen und lokalen Lebensmittelproduktionssysteme gestärkt werden. Landwirtschaftlicher Wissenstransfer ist ein zentraler Baustein zum Wiederaufbau und zur Wiedererlangung verlernter Traditionen und Selbstversorgung im souveränen Kontext. Dabei soll Landwirtschaft mit und nicht gegen die Natur betrieben werden (vgl. Weltagrarbericht 2013, S. 10 f.). Diese Definition steht im Gegensatz zur Definition der Ernährungssicherheit (food security) der FAO, bei der Menschen in einem passiven Versorgungszustand gehalten werden (BPB (a) 2014). Selbstbestimmung über die eigene Lebensmittelproduktion wird dabei Menschen und Räumen nicht zugestanden. Die Eigenermächtigung über die Wertschöpfungskette der Lebensmittelproduktion und Produktionsweisen ist durch das Konzept der Ernährungssouveränität deutlich klarer definiert. Eine Gleichsetzung mit Ernährungsautarkie sollte dabei nicht erfolgen, da diese Bezeichnung nach B. HAERLIN nationalsozialistisch besetzt ist. Darüber hinaus tangiert das Konzept der Ernährungssouveränität die Sustainable Development Goals sowie das Menschenrecht auf Nahrung (MaN). Der Gedanke der Ernährungssouveränität spiegelt sich auch in den Konzepten der Suffizienz wieder. Dabei wird der Terminus Ernährungssouveränität zwar nicht genannt, dessen Ideen finden sich jedoch in den Beschreibungen und den verschiedenen Formen der Suffizienz-Ansätze wieder. Neben den Konzepten der Suffizienz lassen sich auch in der Postwachstumstheorie von N. PAECH Annährungen finden. Kleinräumige Produktionssysteme mit einer Stärkung lokaler und regionaler Ökonomien sowie kurzen Wertschöpfungsketten werden in der Theorie präferiert. Als bedeutender transformatorischer Ansatz werden Subsistenz- bzw. Selbstversorgungsstrategien beschrieben, die zu mehr Autonomie über die Lebenszeit führen und den Selbstversorgungsgrad steigern sollen. Ziel ist es, die heutigen Konsumenten und Konsumentinnen zu ermutigen, sich zu Prosumenten und Prosumentinnen (Konsument + Produzenten) zu entwickeln, um ein „gutes Leben“ führen zu können. Durch demokratische Prozesse auf zivilgesellschaftlicher und politischer Ebene soll entschieden werden, welches Wachstum für dieses „gute Leben“ benötigt wird. Bezogen auf die Lebensmittewirtschaft wird nach E. EPPLER (2016) z. B. kein Wachstum der Fleischwirtschaft, jedoch des Gemüse- und Obstanbaus benötigt (vgl. E. EPPLER, N. Seite | 45 Ernährungssouveränität und Regionalität

PAECH 2016, S. 189 f. & vgl. N. PAECH 2015, S. 113 f.). Die Ableitungen von N. PAECH und E. EPPLER (2016) können zur Förderung ernährungssouveräner Strukturen genutzt werden, denn der Postwachstumswachsgedanke spricht sich für Regionalisierung, Lokalisierung und eine demokratisierte Wertschöpfungskette aus, um die Selbstbestimmung aller Teilnehmer und Teilnehmerinnen zurückzuerlangen und die Resilienz des Ernährungssystems zu steigern. Das Konzept der Ernährungssouveränität wird im Rahmen der Degrowth-Bewegung weiterentwickelt. Diese Bewegung ist globalisierungskritisch und durch verschiedene Strömungen aktiv in den Änderungen der derzeitigen Wirtschaftsverhältnisse (mittels des Strebens nach neuen Werten in solidarischen und ökologischen Kontexten) tätig. Ziel ist auch hier, ein „gutes Leben“ für alle Menschen zu ermöglichen (vgl. I. SALZER & J. Fehlinger 2016, S. 4 f.). Ernährungssouveränität wird dabei durch die Umsetzung von Ökodörfern, urbanen Gärten, Permakulturen und anderen landwirtschaftlichen Systemen zur praktisch orientierten Bewegungsrichtung der Degrowth-Bewegung zugeordnet (C. BURKHARDT et al. 2016, S. 1 f.). Angetrieben wird der Willen zur Veränderung des derzeitigen Wirtschafts- und Ernährungssystems z. B. durch den jährlichen und nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauch Deutschlands von schätzungsweise 3,2 Planeten, wobei der Bedarf von Acker-, Weide und Forstflächen neben dem Energiesektor den zweitgrößten Ressourcenverbrauch ausmacht (Germanwatch 2017). Studien weisen darauf hin, dass mittel- und langfristig die Acker- und Weideflächen für eine tierische Nahrungsmittelversorgung nicht ausreichen werden. Lösungsansätze sind dabei Ernährungsumstellungen auf vegetarische und vegane Ernährungsweisen, denen auch bei wachsender Bevölkerung und gleichbleibenden Anbauflächen eine Deckung der Ernährung von 94 bzw. 100 Prozent im Jahre 2050 vorausgesagt wird (B. DIETSCHY 2013 & K.-H. ERB et al. 2016). Dagegen ist das aktuelle Nahrungsmittelsystem global orientiert, was sich an der Bedarfsdeckung zur Herstellung tierischer Lebensmittelgüter durch Sojaimporte zeigt. Die europäische Union nimmt dabei Landflächen von circa 30 Mio. Hektar in Anspruch, Deutschland etwa 5,5 bis 7 Mio. Hektar. Dies führt zu Landnutzungsänderungen, der Externalisierung von Umweltschäden, Land Grabbing und der Abhängigkeit der dort verorteten Landwirtschaft von virtuellen Bodenimporten durch Länder des globalen Nordens (WWF (c) und (d) 2015). Der Aufbau regionaler Produkt- und Wertschöpfungsketten wird durch die Importausrichtung erschwert. Zudem haben sich Konsumgewohnheiten des Lebensmittelerwerbs von regionalen Bezügen gelöst und wurden durch global agierenden Lebensmittelunternehmen ersetzt, was zu deregionalisierten und delokalisierten Ökonomien führte (vgl. KÖNIG 2000, S. 138 f.) Diese Tendenzen werden von Schwellenländern und Ländern des globalen Südens übernommen und bedrohen bestehende ernährungssouveräne Strukturen. Auch in Deutschland sind diese Prozesse nicht abgeschlossen, ersichtlich etwas durch weitere Verluste in landwirtschaftlichen Strukturen (z. B. das „Höfesterben“). Zwischen den Jahren 2003 und 2010 wurden in Deutschland rund ein Viertel der landwirtschaftlichen Betriebe geschlossen, in ganz Europa etwa ein Fünftel (BEML (a) 2016). Eine Studie des Forschungsinstitutes für biologischen Landbau (FiBL) im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace aus dem Jahr 2017 zeigt in diesem Zusammenhang, wie bis zum Jahr 2050 eine erfolgreiche Selbstversorgung Deutschlands aus eigener ökologischer oder ökologisierter Landwirtschaft möglich ist. Dabei spielt die Änderung des Ernährungsverhaltens hin zu einem höheren Konsum pflanzlicher Erzeugnisse eine zentrale Rolle. Die Wiederherstellung ernährungssouveräner Strukturen in urbanen Räumen muss in Verbindung mit periurbanen und ruralen Räumen geschehen. Formen des Urban Gardenings, Klein- und Gemeinschaftsgärten und andere. Formen der nicht-professionellen Lebensmittelversorgung haben die reine Eigenversorgung zum Ziel. Konzepte der solidarischen Landwirtschaft, Community Supported Agriculture, Regional-AGs, Bodengenossenschaften und Selbsterntegärten arbeiten dabei mit professionellen Landwirten und Landwirtinnen zusammen oder unterstützen diese. Sie geben ihnen die Möglichkeit, selbstbestimmt und

Seite | 46 Ernährungssouveränität und Regionalität unabhängig von aktuellen Marktlagen zu wirtschaften (STIERAND (b) 2016). Indoor Farming, Vertical Farming, Aqua- und Aquaponic Farming sind landwirtschaftliche Konzepte, die den urbanen Raum nutzen, jedoch technisch teilweise hochkomplexe Anlagen darstellen, zumeist abgekoppelt von äußeren Umweltbedingungen und sozialen Stadtstrukturen (K. SPECHT & R. SIEBERT 2017). Auf politischer Ebene geben internationale Übereinkünfte wie der Milan Urban Food Policy Pact Städten und Kommunen erste Maßnahmen zur Gestaltung eines nachhaltigen Ernährungssystems vor. Ziel ist die Bereitstellung von gesunden und erschwinglichen Lebensmitteln für alle Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen, die Lebensmittelabfälle und -verschwendung zu minimieren sowie die Biodiversität zu wahren und die Folgen des Klimawandels abzuschwächen. Städte können sich freiwillig dazu verpflichten, diese Ziele umzusetzen (MUFPP (a) 2015). Um eine Verbindung verschiedener Ernährungsinitiativen und der Stadt herzustellen, mit dem Ziel Ernährungssouveränität im gesamten städtischen Raum als städtische Agenda mit festen Zielen und Zeithorizonten zu integrieren, können Ernährungspläne und Ernährungsstrategien ein passendes Instrument darstellen. Ziel dieser ist die Entwicklung des Ernährungssystems hin zu lokalen und regionalen Strukturen unter gesunden, klimafreundlichen und fairen Gesichtspunkten. Die Konzepte müssen für jede Stadt gesondert an die Grundvoraussetzungen, Bedürfnisse und Wünsche angepasst werden (R. ILIEVA 2016 & P. STIERAND (c) 2013). Es zeigt sich, dass durch die Einbindung möglichst vieler Akteure und Akteurinnen und eine enge Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Administrationen ein breiter öffentlicher Konsens gefunden werden kann, der den Ernährungsstrategien eine breite legitime Basis verleihen kann. Zusammenschlüsse, wie sie etwa die Ernährungsräte darstellen, können für die genannten Ernährungsstrategien vorbreitende Prozesse leisten, Wissen generieren und Akteure vernetzen. Ernährungsräte sind dabei als ein Instrument der Stadtplanung zu verstehen, wobei die Lebensmittelversorgung der Bürger und Bürgerinnen sowie der Kommunen in den Vordergrund gerückt werden. Ziel ist die Vernetzung von verschiedensten Akteuren aus dem regionalen und lokalen Ernährungssystem (STRIEGLER 2016 & Ernährungsrat Köln 2017). Zusammenfassend kann aus der Literaturrecherche extrahiert werden, dass ernährungssouveräne Strukturen im Sinne des Konzepts der Ernährungssouveränität aktuell im globalen Norden unterrepräsentiert sind. Zwar gibt es weltweit funktionierende Ansätze wie die beschriebenen Ernährungsräte und Umsetzung von Ernährungsstrategien wie in Bristol und Malmö, doch ist ein Großteil der derzeitigen Strukturen der Nahrungsmittelversorgung nicht regional, sondern global aufgestellt. Die industrialisierte Lebensmittelproduktion und Agrarwirtschaft zeigen in Deutschland eher Konzentrationstendenzen auf einige wenige Akteure auf, anstatt eine Diversifizierung zu gestalten. Kleinräumige landwirtschaftliche Strukturen und Anbauverfahren, die sich durch Diversifizierung auszeichnen, werden dabei nur in geringem Umfang gefördert und entwickelt (Interview B. HAERLIN). Vorgestellte Initiativen und Planungsinstrumente versuchen in städtischen und ruralen Bereichen Trendwenden einzuläuten und umzusetzen. Zur Wiedererlangung souveräner Kontexte muss gleichzeitig über die Art und Weise unseres Konsumverhaltens diskutiert werden, damit regionale und lokale Strukturen überhaupt befähigt werden Lebensmittelproduktion vor Ort umzusetzen. Administrative Rahmensetzungen mittels Ernährungsstrategien und anderer. Förderinstrumente können dazu dienen, möglichst viele Akteure und Akteurinnen zusammenzuführen und Ernährungssouveränität planbar in Städten und Gemeinden zu integrieren. Dabei kann auf bestehende Konzepte und Theorien zurückgegriffen werde, die verschiedenste Ansätze zur Erlangung einer Selbstversorgung in kleinräumigen Maßstäben beschreiben. Wichtig ist dabei, dass die Umsetzungen in demokratischen Prozessen von einer möglichst breiten Basis der Bevölkerung getragen werden.

Seite | 47 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg 3. Lebensmittelerzeugung, -verluste und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg 3.1 Lebensmittelerzeugung in Deutschland 3.1.1 Aktuelle Situation

Deutschland verfügt derzeit über landwirtschaftliche Nutzflächen von 16,7 Mio. Hektar, was etwa 47 Prozent der Gesamtfläche (35,7 Mio. Hektar) Deutschlands entspricht. Dabei unterteilen sich die landwirtschaftlichen Nutzflächen in (Dauer-)Grünland (4,7 Mio. Hektar), entsprechen 13 Prozent) sowie Ackerland und Dauerkulturen (12 Mio. Hektar, entsprechen zusammen 34 Prozent) (BMEL (b) 2016, S. 6). Die EU-Verordnungen (EG) 795/2004 sowie 796/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates definieren die Kategorien Dauergrünland, Ackerland und Dauerkulturen in Artikel 2 wie folgt: Ackerland: Für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen genutzte Flächen und stillgelegte oder in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhaltene Flächen nach Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 1782/200383 sowie Flächen unter Gewächshäusern oder anderen festen oder beweglichen Abdeckungen. Dauergrünland: Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras- oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind. Dauerkulturen: Nicht in die Fruchtfolge einbezogene Kulturen außer Dauergrünland, die für die Dauer von mindestens fünf Jahren auf den Flächen verbleiben und wiederkehrende Erträge liefern, einschließlich Baumschulen. Angesicht dieser nutzbaren Flächengröße ist in Deutschland ein rechnerischer Selbstversorgungsgrad von 93 Prozent möglich. Dabei ist die Situation in den einzelnen Produktgruppen sehr unterschiedlich. Produkte wie Fleisch und Milch werden exportiert, Produkte wie Obst und Gemüse Abbildung 10: Durchschnittlicher importiert. In beiden Kategorien ist Deutschland der weltweit Selbstversorgunggrad Deutschlands in ausgewählten drittgrößte Handelspartner (BMEL (b) 2016, S. 5). Lebensmittelgruppen (BMEL (b) 2016, S. 5) Bei der Erzeugung von Lebensmitteln haben regionale Bezüge einen immer geringeren Stellenwert. Mit dem Strukturwandel der aufkommenden Technisierung konnte die Produktivität bei abnehmendem Arbeitskräfteeinsatz gesteigert werden. Im Jahr 1800 arbeiteten noch 75 Prozent, im Jahr 1900 noch 45 Prozent und heute nur noch 1 bis 2 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland in der Landwirtschaft, was bedeutet, dass eine Arbeitskraft Lebensmittel für über 100 Menschen erwirtschaftet (vgl. AbL (a) 2017, S. 283). Diese Entwicklung ging mit einem starken Wachstumsprozess und einer starken Kapitalisierung der Landwirtschaft einher, was immer weniger Betrieben eine immer größere Flächenbewirtschaftung erlaubt. Dabei bewirtschaften ein Zehntel der 275.000 Betriebe, ein Betriebsgrößenrückgang von über 40 Prozent im Vergleich zu den Jahren 1999/2000, circa die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen (Destatis (a) 2016). Die 1.500 größten Betriebe mit jeweils über 1.000 Hektar

83 „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle landwirtschaftlichen Flächen, insbesondere diejenigen, die nicht mehr für die Erzeugung genutzt werden, in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten bleiben. [..] sie berücksichtigen dabei die besonderen Merkmale der betreffenden Flächen, einschließlich Boden- und Klimaverhältnisse, Bewirtschaftungssysteme, Flächennutzung, Fruchtwechsel, Wirtschaftsweisen und Betriebsstrukturen. […]“ Seite | 48 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Land verwalten dabei 2,5 Mio. Hektar Fläche. Auch in der Tierhaltung ist eine Konzentration der Tierbestände auf immer weniger Betriebe zu beobachten. Die 2.700 größten der 49.100 Schweinehalter halten dabei mehr als ein Drittel des Bestandes (11 Mio. Tiere). Ähnliche Entwicklungen sind ebenso bei Masthähnchen und Legehennen zu beobachten. Im Jahr 2017 wurden in der Bundesrepublik 27,1 Mio. Schweine, 12,4 Mio. Rinder, 1,8 Mio. Schafe und 41 Mio. Legehennen gehalten. Anstelle von Bauernhöfen, die ihre Tiere mit eigenen Futtermittelgrundlagen versorgen und die anfallende Gülle in den hofeigenen Nährstoffkreislauf zurückführen, dominieren isolierte Betriebseinheiten, die von Futtermittelimporten abhängig sind (siehe Kap. 2.4.3), zum größten Teil automatisiert und von betriebseigenen Nährstoffkreisläufen durch ein Übermaß an Gülle abgekoppelt sind. Konzentrationen dieser Entwicklung sind vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu beobachten, besonders in den Landkreisen Vechta, Cloppenburg und Grafschaft Bentheim. Zudem ist die Landwirtschaft hochspezialisiert. 86 Prozent der Betriebe spezialisieren sich auf einen Produktionszweig, hauptsächlich Ackerbau oder die Nutztierhaltung einer Tierart. Unter anderem diese Spezialisierungsprozesse führten zum Rückgang der Vielfalt von Nutzpflanzen um 75 Prozent im 20. Jhd. Resultierend daraus herrschen auf den landwirtschaftlichen Flächen monotone Strukturen vor (BMEL (b) 2016, S. 7 f.; vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 55 & BMEL (c) 2015, 48 f. & Heinrich Böll Stiftung et al. 2018, S. 20). Ebenso sind die Bestandsgrößen regional wirtschaftender Höfe seit Mitte des 20. Jhd. stark rückläufig. Gab es im Jahre 1949 noch 1,6 Mio. Betriebe, so reduzierte sich die Zahl bis 1980 auf knapp die Hälfte und wiederum um die Hälfte bis zum heutigen Zeitpunkt. Die durchschnittliche Betriebsgröße hat sich stattdessen verfünffacht. Dabei weisen gerade kleinere Betriebsstrukturen die Fähigkeit auf, sich auf spezielle Verbraucher und Verbraucherinnen wünsche einzustellen, etwa bei Wahl der traditionell produzierten Lebensmittel (vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 53 f.).

Abbildung 11: Veränderung der Betriebszahlen sowie durchschnittlicher Betriebsgrößen von 1970 bis 2013 (BMEL (b) 2016, S. 7) Der Absatz der erzeugten Rohstoffe erfolgt bei den meisten landwirtschaftlichen Betrieben noch auf traditionelle Weise über große verarbeitende Betriebe wie etwa Molkereien, die für den nationalen oder internationalen Vertrieb aufgestellt sind. Einen anderen Weg gehen Betriebe, meist kleinere Höfe, die direkt den regionalen Markt beliefern und auf kurze Wertschöpfungsketten setzen. Sie verkaufen ihre Produkte auf Bauernmärkten, in eigenen Hof- oder zentral gelegenen Bauernläden oder mit einem eigenen Lieferdienst (Direktvermarktung): Sechs bis acht Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland setzen bereits so ihre Produkte um. Die Direktvermarktung ist für Betriebe am Rand von Ballungsräumen mit ihrem großen Nachfragepotenzial besonders interessant. Neben dem Direktvertrieb setzen gerade kleinere Betriebe, ökologisch oder konventionell bewirtschaftet, ihre Produkte direkt in der Region ab, indem sie dort mit Metzgereien und dem Einzelhandel kooperieren. Sie können auf ihren Produkten mit kurzen Transportwegen

Seite | 49 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg werben und ihren Kundinnen und Kunden Auskunft darüber geben, wo die Produkte herkommen (Heinrich Böll Stiftung et al. 2018, S. 34 f.). 3.1.2 Unterscheidung von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft

Von den in Deutschland bestehenden 275.000 landwirtschaftlichen Betrieben werden 19.900 (7,2 Prozent) dem ökologischen Landbau und 13.900 der ökologischen Tierhaltung zugeordnet und bewirtschaften gemeinsam eine Fläche von 1.135.500 Hektar (6,8 Prozent der landwirtschaftlichen Gesamtfläche) (Destatis (a) 2016). Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW 2017) spricht für das Jahr 2016 von 1.185.471 Mio. Hektar. Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt dabei bei 33,6 Hektar. Wie in nachfolgender Abb. 12 der BÖLW zu entnehmen ist, wird die Gesamtzahl ökologisch wirtschaftender Betriebe deutlicher höher eingeschätzt:

Abbildung 12: Erhebung des BÖLW zur Situation des ökologischen Landbaus in Deutschland für das Jahr 2016 Ökologisch wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe können sich dabei nach der EG-Öko-Basisverordnung84 oder von Verbänden zertifizieren lassen. Zertifizierungsverbände sind dabei z. B. Bioland, Demeter, Naturland und Gäa. Von den biologisch bewirtschafteten Gesamtflächen werden 67,1 Prozent von Verbandsbetrieben verwaltet, insgesamt sind 52 Prozent der Biobetriebe in Verbänden organisiert. Im Unterschied zu den konventionellen Betriebsformen wuchs die Zahl der Bio-Erzeuger und Erzeugerinnen 2016 um 2.119 Betriebe auf derzeit 26.855 an. Im Vergleich dazu sank die Zahl der konventionellen Betriebsstrukturen im gleichen Zeitraum um 4.800 Höfe (BÖWL 2017, S. 6). Bei Umsatz und Erlös stehen Öko-Betriebe mit 1,8 Mrd. EUR (2015) noch weit im Schatten der konventionellen Konkurrenz, die 43,3 Mrd. EUR umsetzte. Dabei wachsen die Verkaufserlöse bei den ökologisch erzeugten Produkten, im Gegensatz zu sinkenden konventionellen Verkaufserlösen. Trotz des Unterschiedes bei den Gesamterlösen im Lebensmittelsektor von 8,6 Mrd. EUR (biologische Einnahmen 2015) zu 182,98 Mrd. EUR (konventionelle Einnahmen 2015), gehört die Biobranche mit 10 Prozent85 Wachstum zu den Top- Wachstumsbranchen in Deutschland (BÖWL 2017, S. 4 f.). Die Ausdehnung der ökologischen Anbauflächen je Bundesland ist sehr verschieden. Die geringste Ausdehnung ist in Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorzufinden, die größte in Mecklenburg- Vorpommern, Brandenburg, Hessen und dem Saarland.

84 Verordnung (EG) 834/2007 des Rates über ökologische/biologische Produktion und Kennzeichnung. 85 Im Jahr 2016 erwirtschaftete die Bio-Lebensmittelindustrie in Deutschland 9,48 Mrd. EUR (BMEL (g) 2017). Seite | 50 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Abbildung 13: Karte zur Flächenausdehnung des ökologischen Landbaus je Bundesland in Deutschland (BfN 2017) Alle ökologisch aufgestellten Betriebe müssen sich in den Anbauverfahren an der EG-Öko-Basisverordnung ausrichten. Zusätzlich können die einzelnen Verbände Vorschriften erlassen, die über die EU- Rechtsvorschriften hinausgehen (vgl. BMEL (d) 2017, 5 f.). Der BÖLW vertritt wiederum als Spitzenverband die einzelnen Verbände. Jede Bio-Zertifizierung und die regelmäßig durchgeführten Audits86 sind für die Betriebe mit Kosten verbunden, die vom jeweiligen Erzeuger und Erzeugerinnen verband festgelegt werden. Daher können Landwirte und Landwirtinnen durchaus biologische Erzeugnisse produzieren, ohne dabei bio- zertifiziert zu sein. Der Absatz kann über ein regionales oder lokales Kundennetz erfolgen. Im Unterschied zu konventionell wirtschaftenden Betrieben wird die ökologische Landwirtschaft als besonders ressourcenschonende und umweltverträgliche Landwirtschaftsform angesehen, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert. Hauptgedanken sind die Bewirtschaftung im Einklang mit der Natur, bei der noch stärker als bei anderen Anbauverfahren auf geschlossene betriebliche Nährstoffkreisläufe gesetzt wird; dass Futter- und Nährstoffgrundlagen vom eigenen Hof stammen; Bodenfruchtbarkeit erhalten und gemehrt wird und die Tierhaltung besonders artgemäß ist (BMEL (g) 2017). Auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) konstatiert dem ökologischen Landbau im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft durch zahlreiche Untersuchungen einen größeren positiven Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaften, zum Schutz von Böden und Gewässern und eine tendenziell größere Vielfalt an Pflanzen und Tieren in deren Umgebung (BfN 2017). Der Anteil der Flächenausdehnung der ökologischen Landwirtschaft soll daher auf 20 Prozent der gesamtdeutschen Landwirtschaftsflächen ausgedehnt werden. Dieses Ziel der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist ebenso Bestandteil der Neuauflage der Strategie von 2016 (Die Bundesregierung

86 Ist die Überprüfung eines Betriebs durch eine unabhängige Instanz zur Kontrolle der Einhaltung der vom Erzeuger und Erzeugerinnen verband aufgelegten Regelungen und Pflichten. Seite | 51 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

(a) 2012, S. 30 und Die Bundesregierung (b) 2016, S. 67). Dabei wird jedoch kein fester Zeithorizont zur Zielerreichung festgelegt, sondern es handelt sich hierbei um eine politisch gesetzte Zukunftsstrategie. Die Forderung ist zudem nicht neu und wurde schon in älteren Nachhaltigkeitsstrategien der Bundesregierung aufgestellt. Durch die nur schleppende Umsetzung der Flächenausweitung handelt es sich dabei eher um eine sich immer wieder wiederholende Zielstellung. Dabei zeigen Länder wie Österreich (20,3 Prozent ökologischer Flächenanteil), Schweden (17,1 Prozent ökologischer Flächenanteil) und Estland (15,7 Prozent ökologischer Flächenanteil), dass der Anteil schon heute erreicht werden kann (BMEL (h) 2017, S. 22 f.).

Abbildung 14: Entwicklung des ökologischen Landbaus in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten (BMEL (h) 2017, S. 23) Österreich erreichte die Zielmarke bereits 2015 durch die Umsetzung von im Jahr 2001 begonnenen Aktionsplänen. Dabei war eine positive Marktentwicklung und umfassende Förderung ausschlaggebend (BMEL (h) 2017, S. 23). Eine Förderung ist insofern wichtig, als dass die Erträge pro Hektar im ökologischen Landbau geringer sind als im konventionellen und dadurch die Preise höher. Es ist also eine zusätzliche Förderung der ökologischen Landwirtschaft notwendig, da trotz der höheren Verkaufserlöse die ökologisch arbeitenden Betriebe durch den geringeren Gewinnerlös deutlich stärker an die die EU-Prämie gebunden sind (F. v. PAEPCKE; 2017). Eine Umsetzung und Etablierung der ökologischen Wirtschaftsweise funktioniert umso besser, je mehr Konsumenten und Konsumentinnen dazu bereit sind, höhere Preise für Lebensmittel zu zahlen und gezielt zu zertifizierter Ware greifen.

Abbildung 15: Vergleich des durchschnittlichen Gewinns und Anteil der EU-Agrarsubventionen pro Hektar bei konventionell und ökologisch wirtschaftenden Betrieben (F. v. PAEPCKE 2017)

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Die EU-Agrarförderung reagiert auf den noch unterdurchschnittlichen Anteil der biologischen Landwirtschaft mit einer Anhebung der Förderbeträge bzw. Subvention je Hektar. Ein konventioneller Landwirt erhält aus der 1. Säule der EU-Förderung pro Hektar (Flächenprämie) ebenso viel wie ökologisch wirtschaftende Betriebe. Die Gelder der Agrarsubventionen machen circa 45 Prozent des EU-Haushaltes aus. Dabei stehen Deutschland in der Förderperiode von 2014 bis 2020 jährlich circa 4,8 Mrd. EUR zur Verfügung, zusammengesetzt aus der Basisprämie bzw. Flächenprämie einschließlich Cross Compliance87. Dabei stehen 175 EUR je Hektar für Greening-Maßnahmen,88 85 EUR je Hektar zur Förderung von kleineren und mittleren Betrieben, aufgeteilt in 50 EUR je Hektar für die ersten 30 Hektar und weiteren 30 EUR für die weiteren 16 Hektar sowie Förderungen für Junglandwirte und Junglandwirtinnen89 zur Verfügung (vgl. BMEL (c) 2015 S. 14 f). Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kritisiert die ungleiche Verteilung an den derzeitigen Direktzahlungen: Etwa ein Prozent der größten Betriebe Deutschland bekommt mehr Direktzahlungen als die 62 Prozent der kleinen und mittleren Betriebe zusammen (top agrar 2018). Die 2. Säule der EU-Agrarförderungen umfasst das „Programm zur Entwicklung ländlicher Räume“ (ELER) und wird derzeit mit 1,3 Mrd. EUR jährlich gefördert. Der Bund beteiligt sich über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) an Entwicklungsmaßnahmen, die die Bundesländer in ihren jeweiligen Förderprogrammen umsetzen. Innerhalb der Förderprogramme werden verschiedene Maßnahmen, zum Teil nur für ökologische Landwirtschaft, umgesetzt, so z. B. die Umstellungs- und Beibehaltungsförderung. Zusätzlich beinhaltet die GAK einen Strategie- und Rahmenplan in der Förderperiode 2015 bis 2018 für den ökologischen Landbau. Dabei obliegt die Durchführung den Bundesländern. Unter Einbezug des Subsidiaritätsprinzips90 können die Förderhöhen von Bundesland zu Bundesland abweichen. (vgl. BMEL (c) 2015 S. 10; vgl. A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 23 f.). Seit dem Jahr 2014 fördert etwa das Bundesland Brandenburg den Ökolandbau durch die Richtlinie „Förderung umweltgerechter landwirtschaftlicher Produktionsverfahren und zur Erhaltung der Kulturlandschaft der Länder Brandenburg und Berlin“ (KULAP). Dabei werden die Basisförderung und weitere zusätzliche Flächenprämien für den ökologischen Landbau ausgeschüttet (vgl. A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 24 f.).

Abbildung 16: Fördersätze für den Ökolandbau in Brandenburg ab 2014 in EUR (A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 25) Zusätzlich können in Brandenburg-Berlin zur Verbesserung der Vermarktungsförderung durch das Förderinstrument „European Innovation Partnership“ (EIG-AGRI) Erzeuger und Erzeugerinnen Organisationen für Obst und Gemüse gestärkt werden. Die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau (FÖL) sieht darin einen Lückenschluss für den Berliner Lebensmittelmarkt mit verkaufsfähigen Bio-

87 Ausgleich für gesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft. Ökologische Betriebe sind per se davon befreit, da die Bewirtschaftung die Ansprüche der Cross Compliance erfüllt. 88 Darunter fallen der Erhalt von Grünland, Anbau unterschiedlicher Kulturen auf Ackerflächen und die Bereitstellung von ökologischen Vorrangflächen auf mind. 5 Prozent des Ackerlands. 89 In der ersten fünf Jahren 44 EUR je Hektar, bis max. 90 Hektar. 90 Nach dem Subsidiaritätsprinzip soll eine (staatliche) Aufgabe soweit wie möglich von der untersten Ebene bzw. kleinsten Einheit wahrgenommen werden (BPB (b) 2009). Seite | 53 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Produkten aus der Region Berlin-Brandenburg und den Aufbau und die Qualifizierung dieser regionalen Wertschöpfungsketten. Daneben werden auch Projekte im Pflanzen- und Ackerbau, in der Tierhaltung und im Gartenbau gefördert. Für die Förderung stehen knapp 25 Mio. EUR zur Verfügung. Bisher werden 20 Brandenburger Projekte im Rahmen von EIP-AGRI gefördert, dabei sind 81 Agrarbetriebe in die Projekte eingebunden. Weiterhin sind 30 Wissenschaftler aus 15 Einrichtungen, 20 Firmen aus dem Bereich Landtechnik und 14 Vertreter aus insgesamt elf Verbänden und Vereinen sowie elf Berater beteiligt. Die unterschiedlichen Akteure arbeiten in operationellen Gruppen zusammen und widmen sich gemeinsam der Lösung der jeweiligen Projektaufgabe (vgl. FÖL (a) 2017; vgl. Land Brandenburg (c) 2017 & vgl. A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 25 f.). Die neuen Fördersätze sind dabei eine Reaktion auf die mangelnden ökonomischen Vorzüge des Ökolandbaus in den letzten Jahren. Bis zum Jahr 2012 haben die Ökobetriebe mehr als ihre konventionellen Kollegen und Kollegeninnen verdient. Ab 2012 änderte sich dies jedoch, Gründe sind die international stark angestiegenen Preise aller Agrarprodukte und die stark steigenden Bodenpreise. Teilweise kam es auch zu Rückumstellungen der Betriebe aus ökonomischen Gründen (vgl. A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 26 f.)

Abbildung 17: Vergleichsentwicklung des Gewinns in EUR zwischen Ökobetrieben und konventionellen Betrieben von 1995/96 bis 2013/14 (A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 26) Um zukünftig in Deutschland das Ziel eines Flächenanteils von zwanzig Prozent der ökologischen Landwirtschaft zu erreichen, müssen, neben der angepassten Förderung durch EU-Agrarsubventionen, die heutigen Flächen verdreifacht werden und zusätzlich 30.000 bis 40.000 Betriebe zu einer Umstellung bewegt bzw. Neubetriebe mit Öko-Zertifizierung eingerichtet werden. Für diese mittel- bis langfristige Zielmarke hat das BMEL Handlungsfelder identifiziert, die zur Erreichung beitragen sollen:

· Entwicklung eines Rechtsrahmens, der Wirtschaftsbarrieren beseitigt und verhindert · Zugänge in die ökologische Landwirtschaft erleichtern (Umstellung, Wissensvermittlung, Beratung) · Nachfragepotenzial nach Bioprodukten voll nutzen und weiter ausbauen · Leistungsfähigkeit ökologischer Agrarsysteme verbessern (Forschungs-, Wissenschaftstransfer und Vernetzung) · die angemessene Honorierung von Umweltleistungen (Prüfung der bestehenden Fördersysteme) gewähren (BMEL (h) 2017, S. 24 f.) Eine 2017 erschienene Studie untersuchte die aktuelle Stimmungslage gegenüber dem ökologischen Landbau in Deutschland. In dieser wurden Betriebsleiter gebeten, rückblickend auf die letzten 10 Jahre eine kurze Beurteilung der Entwicklung für a) den eigenen Betrieb, b) den ökologischen Erzeuger und Erzeugerinnen betrieben in Deutschland und c) des gesamten Ökosektors in Deutschland anhand eines sechsstufigen

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Schemas von sehr positiv bis sehr negativ abzugeben. Aus der Studie lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Mehrheit der befragten Betriebe eine optimistische Meinung zum ökologischen Landbau hat. Von insgesamt 92 befragten Betrieben sahen 83 Prozent die aktuelle Situation als eher positiv bis sehr positiv an. Die Befragung zeigt einen Kontrast zum eher negativen Stimmungsbild konventioneller Betriebe. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Interesse am ökologischen Landbau auch wachsen könnte, um die Ziele der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie umsetzen zu können (M. RODEWALD et al. 2017, S. 633 f.). 3.1.3 Vorteile des ökologischen Landbaus bei der Lebensmittelerzeugung

Der ökologische Landbau hat in seinen unterschiedlichen Formen der biologisch-dynamischen, organisch- biologischen oder naturgemäßen Wirtschaftsweisen eine lange Tradition, die auf Anfang des letzten Jahrhunderts zurückgeht. Dabei spielt ein möglichst geschlossener betrieblicher Nährstoffkreislauf eine entscheidende Rolle. Die eigens produzierten Futter- und Nährstoffgrundlagen werden auf dem Hof verarbeitet und nicht von außen hereingetragen. Um diesen ökologischen Ansatz umzusetzen, stehen folgende Maßnahmen im ökologischen Landbau im Vordergrund:

· kein Pflanzenschutz mit chemisch-synthetischen Mitteln, Anbau wenig anfälliger Sorten in geeigneten Fruchtfolgen, Einsatz von Nützlingen, mechanische Unkraut-Bekämpfungsmaßnahmen wie Hacken und Abflammen · keine Verwendung leicht löslicher mineralischer Düngemittel, Ausbringen von organisch gebundenem Stickstoff vorwiegend in Form von Mist oder Mistkompost, Gründüngung durch Stickstoff sammelnde Pflanzen (Leguminosen) und Einsatz langsam wirkender natürlicher Düngestoffe · Pflege der Bodenfruchtbarkeit durch ausgeprägte Humuswirtschaft · abwechslungsreiche, weite Fruchtfolgen mit vielen Fruchtfolgegliedern und Zwischenfrüchten · keine Verwendung von chemisch-synthetischen Wachstumsregulatoren · begrenzter, streng an die Fläche gebundener Viehbesatz; zwei Großvieheinheiten auf einem Hektar. (2 GVE entspricht zwei Kühen, zehn schlachtreifen Schweinen oder 666,6 Masthähnchen91) · Fütterung der Tiere möglichst mit hofeigenem Futter, wenig Zukauf von Futtermitteln (Flächenbindung) · weitestgehender Verzicht auf Antibiotika Damit soll ein verbesserter Boden-, Gewässer-, Arten- und Tierschutz erreicht werden. Für einzelne Kernpunkte bei der Bewirtschaftung durch Pflanzenbau, Tierhaltung, Aquakulturen und Wein bestehen wiederum gesonderte Anforderungen (BMEL (d) 2017 & Heinrich Böll Stiftung et al. 2018, S. 20). Zwar gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zur Gesundheitsförderung durch biologische Produkte im Vergleich zu konventionellen und diese zeigen wiederum unterschiedliche Ergebnisse, doch sind Bioprodukte aus chemisch-analytischer Sicht häufig geringer belastet, da auf den Einsatz von chemisch/synthetischen Dünger- und Pflanzenschutz, Fungiziden, Cadmium u. a. Einsatzformen verzichtet wird und die Produkte somit kaum Rückstände aufweisen.92 Zudem wird biologisch erzeugten Produkten ein vermindertes Allergiepotenzial zugesprochen, da die EU-Ökorechtsvorschriften nur eine sehr begrenzte Zahl

91 Die Reduzierung der GVE reduziert die Belastung mit Gülle und die dahinterstehenden Umweltbelastungen. Der niedersächsische Landkreis Vechta steht mit 3,64 GVE pro ha in Deutschland auf Platz eins der Tierbesatzdichte gefolgt von Cloppenburg mit 3,05 GVE, dem Kreis Borken in Nordrhein-Westfalen mit 2,66 GVE und der Grafschaft Bentheim mit 2,55. 92 Jedoch können gelegentlich durch Abdrift konventioneller Felder Belastungen des Bodens mit Pflanzenschutzmitteln oder Kontamination mit Umweltschadstoffen auftreten (BMEL (d) 2017, 4).

Seite | 55 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg an Zutaten, Zusatzstoffen und Hilfsstoffen zur Verarbeitung (50 von 320) zulassen. Einzelne Erzeuger und Erzeugerinnen verbände schränken diese noch weiter ein. Untersuchungen fanden einen höheren Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und sekundären Pflanzenstoffen bei pflanzlichen Bio- Produkten. 93 In Bio-Eiern wurden weniger Rückstände von Antibiotika sowie ein höheres Dottergewicht als in Eiern aus konventioneller Tierhaltung nachgewiesen (vgl. BMEL (d) 2017). Im Rahmen der Feldstudie „Urinale“94, wurden 2001 menschliche Urinproben auf Glyphosat-Bestandteile untersucht, wobei 99,6 Prozent der Proben positive Befunde aufwiesen. Bei 79 Prozent der Probanden war die Belastung um das fünf- bis zweiundvierzigfache höher als der Rückstandshöchstwert für Pestizide in Trinkwasser95. Wissenschaftliche Studien zu den Auswirkungen von Glyphosat im menschlichen Körper sind sehr widersprüchlich und wurden von den zuständigen Behörden bisher nicht akzeptiert (vgl. KRÜGER et al. 2015). Außer den positiven Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt bietet die ökologische Landwirtschaft gegenüber der konventionellen Landwirtschaft zudem den Vorteil des geringeren Energieverbrauchs. Fruchtfolge und -vielfalt helfen, Kunstdünger und Pestizide zu vermeiden. Je nach Kulturpflanzenzusammensetzung kann die ökologische Landwirtschaft (circa 1,5 Megajoule Äquivalent), über ein Megajoule mehr im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft pro Quadratmeter einsparen. In Bezug auf ein Kilogramm Trockenmasse können somit mehr als 2,5 MJ-eq. eingespart werden (vgl. Zukunftsstiftung Landwirtschaft 2016, S. 24).

Der Energieverbrauch eines Lebensmittelproduktes kann dabei auch an der Menge freigesetzter CO2- Emissionen gemessen werden. Zum einen hat die Produktion von tierischen Produkten grundsätzlich einen höheren CO2-Verbrauch als die Produktion pflanzlicher Erzeugnisse, zum anderen weist auch die Herstellung durch den konventionellen Landbau im Vergleich zum ökologischen Landbau Unterschiede auf:

Abbildung 18: Klimabilanz für Nahrungsmittel aus konventioneller und ökologischer Landwirtschaft beim Einkauf im Handel (BMEL (i) 2016, S. 1)

93 Nachgewiesen, u.a. durch die Studie Are Organic Foods Safer or Healthier Than Conventional Alternatives?: A Systematic Review. 94 Im Rahmen der Untersuchung »Urinale« haben insgesamt 2.011 Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland im Zeitraum von Oktober 2015 bis Januar 2016 ihren Urin durch das unabhängige und akkreditierte Labor »Biocheck« in Leipzig zum Kostendeckungsbeitrag von 53,55 EUR pro Test untersuchen lassen. Diese privat finanzierte Feldstudie ist damit die weltweit größte Datensammlung zur Glyphosatbelastung der Bevölkerung (KRÜGER et al. 2015). 95 Beträgt 0,1 Nanogramm pro Milliliter (KRÜGER et al. 2015). Seite | 56 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

3.2 Lebensmittelerzeugung im Stadtstaat Berlin 3.2.1 Staatsverträge Berlin-Brandenburg

Die enge Kooperation zwischen Berlin und Brandenburg wird zwischen den beiden Bundesländern in 29 Staatsverträgen geregelt. Darunter fällt der Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet der Landwirtschaft (Landwirtschaftsstaatsvertrag) vom 17. Dezember 2003, in dem eine enge Verflechtung der ländlichen Produktion und des Absatzes von landwirtschaftlichen Gütern beschrieben ist. Ziel des Vertrags ist es, den Aufwand der Verwaltung für diesen Bereich zu senken, regionale Verflechtungen weiterzuentwickeln und Leistungsangebote für Landwirte und Landwirtinnen weiter zu verbessern. Dabei ist die oberste Landbehörde des Landes Brandenburgs für die Erfüllung dieser Aufgaben zuständig. Darunter fallen etwa die Vergabe der EU-Agrarsubventionen, EU-Direkthilfen oder Ordnungsaufgaben wie die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (EG-Öko-Verordnung) (Berlin-Brandenburg 2015 & Land Brandenburg (c) 2003). Ein weiterer Staatsvertrag mit Rückkopplungen auf die die regionale landwirtschaftliche Situation ist der Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über das Landesentwicklungsprogramm 2007 (LEPro 2007) und die Änderung des Landesplanungsvertrages. Darin wird die Nutzung der regenerativen Energie beschrieben, die als Teil der Kulturlandschaft weiterentwickelt werden soll. Die Primärproduktion von Nahrungsmitteln verschiebt sich dabei zu Gunsten des Anbaus nachwachsender Rohstoffe für die Erzeugung von regenerativen Energien, darunter Biomasse, um regionale Entwicklungspotenziale wirksam auszuschöpfen (Land Brandenburg (d) 2007). Im Rahmen der Debatte zur regionalen Versorgung und Ernährungssouveränität in Berlin werden diese Staatsverträge mit der Begründung der begrenzten Einflussnahme Berlins kritisiert. Da die Zuständigkeiten größtenteils in Brandenburg und den dortigen Verwaltungen liegen, werden EU-Subventionen und erneuerbare Energien zu einer De-Regionalisierung eingesetzt – anstatt wie im Staatsvertrag Landwirtschaft beschrieben, regionale Verflechtungen weiterzuentwickeln (Ernährungsrat Berlin 2017, S. 8 f.). 3.2.2 Landwirtschaftliche Flächenverteilung

Die Landwirtschaft in der Stadt Berlin ist mit 3.832 Hektar der flächenmäßig viertgrößte Landnutzer der Stadt hinter Verkehrs-, Wald- und Wasserflächen. Die Bezirke Pankow, Spandau und Lichtenberg sind dabei die größten landwirtschaftlichen Flächeninhaber (Statistisches Jahrbuch Berlin 2016, S. 31). Die statistische Erfassung der landwirtschaftlichen Flächen umfasst Anbauflächen die dem Ackerbau, der Wiesen- und Weidewirtschaft (Dauergrünland), dem Gartenbau, dem Obstbau oder dem Weinbau dienen und eine Flächengröße von über fünf Hektar aufweisen. Die letzte statistische Erhebung der exakten Bodennutzungsarten stammt aus dem Jahr 2013. Zu diesem Zeitpunkt wurden 1.220 Hektar für die Getreideerzeugung genutzt und lediglich 19 Hektar für Hackfrüchte, 7 Hektar für Kartoffelanbau und 10 Hektar für Gemüseanbau und die Erzeugung von Erdbeeren bestellt (Statistisches Jahrbuch Berlin 2016, S. 25 f.). Der ökologisch bewirtschaftete Flächenanteil belief sich 2016 auf 336 Hektar und wurde von 29 erzeugenden Betrieben umgesetzt. Insgesamt arbeiteten 623 ökologisch zertifizierte Betriebe96 in der Wertschöpfungskette Berlins (BLE-Strukturdaten (a) 2016).

96 Darunter fallen erzeugende und verarbeitende Betriebe, Importeure, Betriebe der Futtermittelerzeugung und reine Handelsunternehmen. Seite | 57 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Abbildung 19: Lage der landwirtschaftlichen Flächen Ackerland, Dauerkulturen und Dauergrünland Berlins (eigene Darstellung)

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3.2.3 Nutztierhaltung

Der Viehbestand Berlins belief sich im Jahr 2013 auf 1.504 Nutztiere. (494 Rinder, 65 Schweine, 440 Schafe und 505 Geflügel). Es kann angenommen werden, dass diese nicht in Form von Massentierhaltung gehalten werden.

Abbildung 20: Viehbestand in Berlin von 2003 bis 2013 (Statistisches Jahrbuch Berlin 2016, S. 352) 3.2.4 Kleingartenanlagen

Kleingärten, die ebenfalls zur Nahrungsmittelerzeugung bzw. zur Selbstversorgung der Berliner Bevölkerung beitragen können und auch aus geschichtlichen Gesichtspunkten eine traditionelle Form der Eigenversorgung darstellen (Interview B. HAERLIN), haben mit 2.990 Hektar in Berlin fast die gleichen Ausdehnungen wie landwirtschaftlichen Flächen, sind jedoch weniger konzentriert. In Abbildung 22 ist ersichtlich, dass Kleingärten im gesamten Stadtgebiet verteilt sind. Die durchschnittliche Parzellengröße beläuft sich bei den 73.030 Parzellen auf 400 Quadratmeter pro Parzelle. Dieses entspricht dem deutschen Bundeskleingartengesetz, laut dem Parzellen nicht größer als 400 Quadratmeter sein dürfen (Senatsverwaltung Berlin (a) 2015, S. 66). Abbildung 21: Kleingartenanlagen nach Bezirken (Statistisches Jahrbuch Berlin 2016, S. 354) Kritiker versuchen, diese Art der Subsistenzwirtschaft im städtischen Raum als nicht umsetzbar zu bezeichnen. Dies stimmt zum Teil: Eine Stadt wie Berlin wird sich nicht ausschließlich durch Kleingärten selbstversorgen können. Dennoch ist die Bedeutung und Nutzung von Kleingärten an der eigenen Versorgung größer, als zu vermuten ist. Eine Einzelperson kann auf geschätzten 70 Quadratmetern den jährlichen Eigenbedarf mit Obst und Gemüse decken (PH. STIERAND (e) 2014, S. 86). Bezogen auf die Kleingartenflächen Berlins könnten sich somit 427.143 Menschen saisonal selbstversorgen. Der Selbstversorgungsgrad durch die Bewirtschaftung eines Gartens in Bezug auf den jährlichen Gesamtverzehr liegt nach einer Studie des Umweltamtes des Landes Nordrhein-Westfalens (LANUV) bei Gemüse bei 34,7 Prozent97 und bei Obst (ohne

97 Bei einer durchschnittlichen Anbaufläche von 88,5 Quadratmetern.

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Südfrüchte) bei 51,9 Prozent98 (LANUV 2001, S. 94). Eine Essener Untersuchung in Auftrag des LANUV ermittelte den saisonalen Selbstversorgungsgrad bei Gemüse und Kartoffeln mit 69,5 Prozent. Die Zentrale Markt und Preisberichtstelle schätzt, dass circa 10 Prozent des in Deutschland verzehrten Gemüses aus gärtnerischer Eigenproduktion stammen (PH. (e) STIERAND 2014, S. 73). Im Rahmen einer TAB-Studie (Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag) aus dem Jahr 2002 wurde geschätzt, dass die Gemüseproduktion aus Haus- und Kleingärten 25 Prozent der Gesamtgemüseernte ausmacht, wobei die Zahlen rückläufig sind (R. MEYER & A. SAUTER 2002, S. 154). Der Landesverband der Kleingärtner im Rheinland konnte 2017 ermitteln, dass auf einer 321 Quadratmeter großen Kleingartenparzelle durch die Selbstversorgung mit Obst- und Gemüse 710 EUR eingespart werden konnten (BDG 2017). Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass Kleingärten ein großes Potenzial zur Selbstversorgung mit Obst und Gemüse aufweisen und dadurch Haushaltsbudgets entlasten können. Bezugnehmend auf die Kleingartenfläche Berlins würde die Bewirtschaftung ein Einsparpotenzial von 66.133.956 Millionen EUR aufweisen.

98 Bei einer durchschnittlichen Anbaufläche von 34,8 Quadratmetern. Seite | 60 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Abbildung 22: Lage der Kleingartenkolonien Berlins (eigene Darstellung)

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3.2.5 Brachflächen

Brachflächen werden in Berlin nicht gesondert erfasst, obwohl sie sie als Ressource zur städtischen Selbstversorgung mit Lebensmitteln dienen könnten. Ein Großteil von informellen Gärten verortet sich auf ehemaligen Brachflächen, wobei es sich stellenweise auch um sehr große Flächen handeln kann. So haben sich die Prinzessinnen Gärten auf einer Brachfläche von 6.000 Quadratmeter entwickelt. Innerstädtische Brachflächen stellen für Urban Gardening-Projekte nicht nur eine Möglichkeit unter vielen dar, sondern werden sogar primär als Standorte gewählt (C. TOBSICH 2013, S. 56 f.). Berlin hat momentan einen Brachflächenanteil von 4.380 Hektar. Dabei lassen sich die Brachflächen in verschiedene Kategorien einteilen: Brachflächen, Mischbestand aus Wiesen, Gebüschen und Bäumen. Alle Flächen, die nicht eindeutig einer der anderen Brachflächen- oder Waldkategorien zugeordnet werden können, werden unter dieser Kategorie kartiert. Brachfläche, vegetationsfrei: Hierzu zählen nicht oder nicht mehr genutzte Flächen, die weitestgehend vegetationsfrei sind. Hierbei handelt es sich zumeist um Abgrabungen, Aufschüttungen oder Abrissflächen, auf denen sich aufgrund einer zeitnahen Nutzungsaufgabe noch keine Vegetation angesiedelt hat. Brachfläche, wiesenartiger Vegetationsbestand: Hierzu zählen nicht oder nicht mehr genutzte Flächen mit überwiegend wiesenartigem Vegetationsbestand (Stadtverwaltung Berlin 2015, S. 68 f.).

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Abbildung 23: Lage der Brachflächen Berlins (eigene Darstellung)

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3.2.6 Dachbegrünung

Begrünte Dachflächen sind in Berlin in einer Größe von etwa 400 Hektar vorhanden. Gründächer können zur gemeinnützigen Verwendung und gärtnerischen Nutzung umgestaltet, aus- und neugebaut werden (Ernährungsrat Berlin 2017, S. 17). Zum Vergleich dazu weist der gesamte ökologische Gemüseanbau in Brandenburg ebenso eine Fläche von lediglich 400 Hektar auf (MLUL (a) 2017). Dabei fließt keine Potenzialanalyse mit ein, sondern es handelt sich um tatsächlich begrünte Dachflächen von unterschiedlichsten Flächentypen. Bei den größten mit über 10.000 Quadratmeter handelt es sich dabei um folgende Kategorien:

· Gewerbe- und Industriegebiet, großflächigen Einzelhandel, geringe Bebauung · Sportanlagen, gedeckt · Verwaltungen · Krankenhäuser · geschlossene und halboffene Blockbebauung, Schmuck- und Gartenhöfe (1870er - 1918), viergeschossig (Senatsverwaltung (b) 2016) 3.2.7 Grünflächen

Grünanlagen sind in Berlin über das gesamte Stadtgebiet verteilt und belaufen sich auf eine Fläche von 4.593 Hektar (Senatsverwaltung Berlin (c) 2017). Der im Jahr 2014 aufgelegte Landschaftsplan Berlins beinhaltet verschiedene Leitbilder, darunter das Leitbild der „produktiven Landschaft“, welches die urbane Landwirtschaft und Imkerei als einen integrativen Bestandteil der Grünflächennutzung ansieht. Es steht dabei nicht nur der Konsum von Grünflächen im Vordergrund, sondern die bewusste Aneignung der Flächen unter dem Motto „Berlin Selbermachen“. Die Stadt beabsichtigt, zukünftig in größerem Umfang ungenutzte Grünflächen für den Anbau von Lebensmitteln bereitzustellen und die Bürger bei der Raumaneignung zu unterstützen. Dieser Rahmenplan ist nicht rechtsverbindlich, gilt aber als ein wesentlicher strategischer Schritt für die Anerkennung und Förderung der neuen urbanen Landwirtschaftsinitiativen in Berlin sowie als Möglichkeit, eine nachhaltige und gesundheitsfördernde Ernährung zu unterstützen. Grünflächen sind für die Ideenumsetzung der essbaren Stadt insofern attraktiv, als dass auf öffentlichen Grünflächen z. B. robuste Obststräucher und -bäume sowie Gemüsepflanzen angebaut werden können. Um diesen Anbau auf Grünflächen zu bestärken, könnten diese zu Gärten für die Bürger und Bürgerinnen umgestaltet werden. In Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg wurden bereits Parks und öffentliche Plätze mit essbaren Pflanzen begrünt. Die Mehrheit der Bevölkerung empfindet Pflanzen- und Grünflächen nachweislich als ansprechend, ausgleichend und entspannend. Infolgedessen kann das Wohnen in der Umgebung einer neuen urbanen Landwirtschaftsinitiative als attraktiver wahrgenommen werden - auch ohne aktive Beteiligung. Damit würde neben dem Lebensmittelanbau, der Erhöhung des städtischen Selbstversorgungsgrades und der damit einhergehenden Entstehung ernährungssouveräner Strukturen das Stadtbild als attraktiver und lebenswerter angesehen werden (vgl. CHR. KLEINSCHMIDT 2017, S. 45 f., vgl. Ernährungsrat Berlin 2017, S. 16 f. & vgl. Senatsverwaltung Berlin (d) 2014, S. 54 f.).

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Abbildung 24: Lage der Grünflächen Berlins (Eigene Darstellung)

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3.3 Lebensmittelerzeugung im Bundesland Brandenburg 3.3.1 Landwirtschaftliche Flächenverteilung

Wie in Berlin werden in Brandenburg Betriebe mit landwirtschaftlichen Flächen ab einer Größe von fünf Hektar in die Statistik aufgenommen. Dabei nutzten im Jahr 2015 5.300 Betriebe etwa 1.321.700 Mio. Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Zwischen 2010 und 2016 verringerte sich die Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe Brandenburgs um etwa vier Prozent. Die Anzahl der Gartenbaubetriebe lag sogar 37 Prozent unter der des Jahres 2010. In größerem Umfang verringerte sich auch die Zahl der Viehhaltungsverbund- (-6 Prozent), Futterbau- (-10 Prozent) und Dauerkulturbetriebe (-9 Prozent). Allein die auf den Ackerbau spezialisierten Betriebe erfuhren stärkere Zuwächse, sowohl hinsichtlich der Anzahl der Betriebe (um etwa 12 Prozent), als auch der landwirtschaftlich genutzten Fläche (um etwa 22 Prozent). Sollte sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren fortsetzen, so ist davon auszugehen, dass Ackerbaubetriebe in Brandenburg die Abbildung 25: Brandenburgs landwirtschaftliche Betriebe und genutzte Fläche von 2006 bis 2015 sowie deren landwirtschaftliche Situation bestimmen. Etwa 6,7 Betriebsgrößen für das Jahr 2015 (Statistisches Jahrbuch Prozent (ca. 400 Höfe) der Betriebe mit einer Größe über Brandenburg 2016, S. 360) 1.000 Hektar bewirtschafteten mehr als 44 Prozent der Gesamtanbauflächen. Zum Vergleich bewirtschafteten 600 Höfe (10,9 Prozent der Gesamtbetriebe) lediglich 3,1 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Brandenburgs (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 360 & Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2017). Im Jahr 2016 waren 37 Prozent aller Betriebe Futterbaubetriebe. Auf Ackerbau ausgerichtete Betriebe stellten mit 36 Prozent den zweitgrößten Anteil dar. Hierbei entfielen 57 Prozent auf die Spezialisierungsrichtungen Getreide-, Ölsaaten- und Eiweißpflanzenbetriebe. Weitere 27 Prozent verteilten sich hauptsächlich auf die Produktionsrichtungen Pflanzenbau-Viehhaltungsverbund- (u. a. Ackerbau- Veredlungsbetriebe), Veredlungs- (u. a. spezialisierte Schweine- und Geflügelbetriebe), Gartenbau- (z.B. spezialisierte Blumen- und Zierpflanzenbetriebe) und Dauerkulturbetriebe (z. B. Weinbaubetriebe) (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2017). Die Konzentration der landwirtschaftlichen Fläche wird von der Landwirtschaft sowie von anderen Marktakteuren forciert. Bei rund einem Drittel der ostdeutschen Höfe sind mittlerweile Finanzinvestoren die Mehrheitseigentümer, was sie gleichzeitig zum Eigentümer der Ackerländer macht. Diese Tendenz zeigt sich in einer im November 2017 erschienen Studie des Thünen-Instituts Braunschweig (Thünen-Report 52). Diese beschreibt, dass Ackerflächen als Kapitalanlagen genutzt werden, da diese neben dem Wertgewinn durch Pacht und andere Erträge auch Zinsen akkumulieren. Daher wird diese Form der Finanzgeschäfte von den Investoren als lukrative Geldanlagequellen angesehen. Weiter wurden in der Studie 853 Unternehmen in zehn Landkreisen der fünf ostdeutschen Bundesländer auf Veränderungen in der Eigentümerstruktur hin untersucht. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass Anfang 2017 bei rund einem Drittel der

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Landwirtschaftsbetriebe ortsfremde und überregional aktive Investoren die Mehrheitseigentümer waren. In Brandenburg liegt diese Quote bei 36 Prozent (top agrar (b) 2018 & A. TIETZ 2017).

Abbildung 26: Auflistung landwirtschaftsfremder Mehrheitseigentümer an landwirtschaftlichen Unternehmen und Flächen (A. TIETZ 2017) Im Jahr 2013 spezialisierte sich ein Großteil der Betriebe (1.800) in Brandenburg auf Ackerbau mit einer Gesamtanbaufläche von 463.900 Hektar. Der Futteranbau für Weidevieh nahm eine Fläche von 365.200 Hektar ein und stellt damit den drittgrößten Flächennutzer dar. Betriebe des Gartenbaus (200) und des Anbaus von Dauerkulturen (100) kamen dagegen nur auf eine Flächenausdehnung von 7.100 Hektar. Auch nehmen Betriebe der Veredlung mit 16.100 Hektar (ca. 200) nur einen kleinen Teil der landwirtschaftlichen Flächen ein (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 361). Im ökologischen Anbau beliefen sich die Flächenanteile beim Ackerland auf 83.437 Hektar und beim Dauergrünland auf 52.579 Hektar (MLUL (a) 2017).

Abbildung 27: Brandenburgs landwirtschaftliche Betriebe von 2003 bis 2013 nach betriebswirtschaftlicher Ausrichtung (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 361) Flächen des Dauergrünlands waren im Jahr 2015 neben der Landnutzung durch Ackerflächen (1.021.000 Mio. Hektar) mit 296.300 Hektar die zweitgrößten landwirtschaftlichen Flächennutzer. Flächen für Dauerkulturen wiesen lediglich eine Fläche von 5.155 Hektar auf. Der Landkreis Ueckermark ist dabei der Verwaltungsbereich mit den größten landwirtschaftlichen Anbaugebieten. Neben den Städten Brandenburg an der Havel, Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam ist der Verwaltungsbezirk Oberspreewald-Lausitz die

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Region mit den geringsten landwirtschaftlichen Flächenanteilen (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 365). Die ökologische Landwirtschaft bewirtschaftete im Jahr 2016 145.812 Hektar Brandenburgs, und damit circa elf Prozent und die Hälfte im Vergleich zum Bundesland Bayern mit einer ökologischen Anbaufläche von 285.243 Hektar. Insgesamt sind etwa 600 Betriebe in der gesamten Wertschöpfungskette der ökologischen

Erzeugung eingebunden. Fast die Hälfte weist einen hohen Diversifizierungsgrad auf. Bezogen auf die bewirtschaftete Fläche, liegt der Anteil der Betriebe mit einer Fläche zwischen 200 bis unter 500 Hektar höher als der Anteil von Betrieben mit einer Fläche von Betrieben mit einer Fläche zwischen 20 bis unter 50 Hektar. Betracht man nur die erzeugenden Betriebe, ergibt sich eine Anzahl von 272. Im Vergleich mit dem Bundesland Baden- Württemberg, welches mit 151.111 Hektar circa die gleiche Flächenausdehnung an ökologischen Anbauflächen wie Brandenburg aufweist, sind jedoch 6.742 Betriebe in die gesamte Wertschöpfungskette zur Erzeugung von Bioprodukten eingebunden und dabei 1.635 Betriebe in die direkte Erzeugung von Lebensmitteln (BLE-Strukturdaten (a) 2016). Dies lässt den Rückschluss zu, dass der ökologische Landbau in Baden-Württemberg kleinteiliger strukturiert ist. Bei Auswertung der Daten Brandenburgs zeigt sich zudem, dass sich die Größenordnungen ökologischer Landwirtschaftsflächen im Vergleich zum Vorjahr mit 135.942 Hektar und zum Jahr 2010 mit 142.710 Hektar kaum verändert haben und eher stagnieren. Abbildung 28: Brandenburgs genutzte landwirtschaftlichen Bundesländer wie Baden-Württemberg lagen 2010 Flächen und Angaben zu den Verwaltungsbezirken (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 365) noch bei 107.416 Hektar, 2015 bei 130.436 Hektar und 2016 bei den bereits genannten 151.111 Hektar (BLE-Strukturdaten (c) 2010 und BLE-Strukturdaten (b) 2015 & BLE-Strukturdaten (a) 2016). Im Vergleich zu den landwirtschaftlichen Gesamtflächen aus dem Jahr 2015 von 1.321.700 Hektar liegt die Quote der ökologischen Landwirtschaftsflächen bei 10,3 Prozent und ist damit knapp 10 Prozent vom Ziel der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, dem zwanzigprozentigen Ökoflächenanteil, entfernt. Im Bereich des Gemüseanbaus bewirtschafteten 231 Betriebe 5.712 Hektar Gesamtfläche und erzielten 2015 eine Erntemenge von 94.533 Tonnen. Dabei ist zu beobachten, dass in Brandenburg der Anteil des Gemüseanbaus mit der Größe der bewirtschafteten Fläche abnimmt. Der Anteil der Gemüseanbauflächen nimmt mit 0,43 Prozent einen im Vergleich zu den landwirtschaftlichen Gesamtflächen unterrepräsentierten Anteil ein. Die häufigsten Anbauprodukte sind Kürbis, Kohl, Rüben, Möhren, Kartoffeln und Salat. Eine Untersuchung des Landwirtschaftsministeriums Brandenburg aus dem Jahr 2017, an der 31 Prozent der Seite | 68 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

ökologischen Betriebe Brandenburgs teilnahmen, zeigt, dass Betriebe des Gemüseanbaus kleinteiliger strukturiert sind als jene ohne diese Bewirtschaftungsform. Der Anteil der Betriebe mit Gemüseanbau, welche weniger als fünf Hektar bewirtschaften, liegt bei 24 Prozent. Bei Betrieben ohne Gemüseanbau sind es nur zwei Prozent. Auch bei der Förderung zeigten sich Unterschiede: 24 Prozent der Betriebe mit Gemüseanbau erhielten keine Förderung oder nahmen diese nicht in Anspruch. Direktzahlungen beantragten 74 Prozent der Ökobetriebe mit Gemüseanbau, 96 Prozent bei Betrieben ohne Gemüseanbau. Ein ähnliches Bild zeigte sich beim Förderprogramm „Ökologische Anbauverfahren“, welches 94 Prozent der Betriebe ohne Gemüseanbau beantragten. Bei Betrieben mit Gemüseanbau lag der Wert bei 70 Prozent. Die Beanspruchung von Fördergeldern scheint mit der Betriebsgröße in Zusammenhang zu stehen. Etwa 56 Prozent der Ökobetriebe mit weniger als 5 Hektar Fläche nahmen keine Förderprogramme in Anspruch. Nur 22 Prozent waren es bei Betrieben zwischen 5 bis unter 10 Hektar, 8 Prozent bei Betrieben, die 10 bis unter 20 Hektar bewirtschaften. Alle Betriebe mit Flächen größer als zwanzig Hektar nahmen nahezu 100 Prozent der staatlichen Förderungen in Anspruch. Die Mindesthöhe des Fördersatzes für den ökologischen Gemüseanbau sahen die meisten Befragten bei durchschnittlich 880 EUR pro Hektar. Den Wunsch nach landwirtschaftlicher Beratung äußerten 71 Prozent der Betriebe mit Gemüseanbau. Hürden für den Gemüseanbau sahen die Befragten vor allem in ihrer „mangelnden Erfahrung“ (23 Prozent), den „hohen Technikinvestitionen“ (17 Prozent) und in weiteren Gründen (23 Prozent): Neben fehlenden Arbeitskräften, dem hohen Personalbedarf, der fehlenden Zeit und hoher Arbeitsintensität wurden auch das hohe Risiko und die fehlenden Vermarktungsmöglichkeiten genannt. Bei den Vermarktungswegen von Bio-Gemüse lag die Direktvermarktung mit 48 Prozent an erster Stelle. Darauf folgte der Naturkosteinzelhandel mit 24 Prozent. Weitere Vermarktungswege waren Kooperationen mit sozialen Einrichtungen oder Restaurants. Je kleiner der Gemüseanbaubetrieb, desto mehr wurde im eigenen Landkreis vermarktet. Je größer die bewirtschaftete Fläche, desto mehr Bio-Gemüse wurde über den Großhandel und die verarbeitenden Betriebe abgesetzt (MLUL (a) 2017 & MLUL (b) 2017, S. 5 f.). Lediglich 0,2 Prozent der landwirtschaftlichen Gesamtfläche Brandenburgs wurden von Dauerkulturen wie Obstbäumen, Erd- und Strauchbeerenanbau eingenommen. Der Kartoffelanbau nahm 2015 9.200 Hektar und der Hülsenfruchtanbau zur Körnergewinnung 24.400 Hektar (zusammen 2,5 Prozent) an Fläche ein. Damit waren sie, neben dem schon genannten Obst- und Gemüseanbau Brandenburgs, als eher unterrepräsentiert einzuschätzen (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 366 f.) Im ökologischen Anbau belegt der Gemüse- und Erdbeeranbau im Jahr 2016 lediglich 393 Hektar, bei Dauerkulturen 979 Hektar und im Kartoffelanbau 403 Hektar (MLUL (a) 2017). 3.3.2 Nutztierhaltung

Der Viehbestand lag im Jahr 2015 bei 566.855 Rindern, 843.273 Schweinen, 10.693.60099 Geflügel100 und 74.300 Schafen. Damit wurden in Brandenburg über 12 Millionen Nutztiere gehalten. Bei Rindern blieben die Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren konstant. Der Schweinebestand legte zum Vergleichsjahr 2010 um fünf Prozent zu, während sich die Anzahl der Schafe um 28 Prozent verringerte. Der Geflügelbestand nahm im Verhältnis zum Vergleichsjahr 2005 um 31 Prozent zu. Die 2.982.950 Legehennen produzierten im Jahr 2015 circa 871.021.400 Eier, was etwa 292 Eier je Huhn bedeutet. Im Jahr 2016 hielten 479 Betriebe mit ökologischer Wirtschaftsweise und Viehbestand insgesamt 50.035 Vieheinheiten, darunter 57.611 Rinder, 8.357 Schweine, 13.979 Schafe, 1.349 Ziegen und 411.833 Geflügel (MLUL (a) 2017). Im Vergleich zur konventionellen Haltung hatten Schweine aus ökologischer Haltung einen Anteil von 1,04 Prozent, Geflügel von 4,78 Prozent und Rinder von 10,83 Prozent. 42 Betriebe unterhielten in Brandenburg

99 Die letzte statistische Erhebung stammt aus dem Jahr 2013. 100 Legehennen miteingeschlossen. Seite | 69 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Aquakulturen und erzeugten dabei im Jahr 2015 933.337 kg Nahrungsmittel. Obwohl die Tierdichte nur bei der Hälfte des Bundesdurchschnitts liegt, gehört Brandenburg zu den Bundesländern mit den größten Betriebsgrößen101 und liegt damit bei der Massentierhaltung neben Mecklenburg-Vorpommern an der Spitze Deutschlands. Der landesweit größte Schweinemastbetrieb befindet sich im Verwaltungsbezirk Oberspreewald-Lausitz (Tornitz) mit 62.000 Stellplätzen, wobei eine Erweiterung auf 80.000 Stellplätze geplant wird. Neben der Nutztierhaltung in Massentierhaltungsanlagen sind in Brandenburg Schlachthöfe entstanden, die möglichst große Mengen der Nutztiereinheiten verarbeiten können. Zur Auslastung der Anlagen werden neben Nutztieren aus Brandenburg auch Nutztiere aus anderen Regionen importiert und in den Schlachthöfen verarbeitet. So wurden 2015 in Brandenburg 1.158.298 Rinder, Schweine und Schafe geschlachtet. Der Geflügelbestand ist dabei statistisch nicht erfasst, würde die Zahl jedoch weiter ansteigen lassen. Zum Vergleich wurden 2015 deutschlandweit insgesamt 6.719.661 Tiere geschlachtet, wovon Brandenburg 17,23 Prozent der Schlachteinheiten besetzte (vgl. Heinrich Böll Stiftung (b) 2016, S. 26 f., Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 378 f. & Destatis (d) 2017). Gegen die Massentierhaltung in Brandenburg formierte sich 2014 das Aktionsbündnis Agrarwende Berlin- Brandenburg, dass von 50 Organisationen und von privat engagierten Bürgen getragen wird. Dabei fand das Bündnis mit einer Volksinitiative, bei der 34.000 Unterschriften gesammelt wurden, im brandenburgischen Landtag kein Gehör. Der nächste Schritt war ein bundeslandweites Volksbegehren, wobei 80.000 Unterschriften gesammelt werden mussten. Auch dieses wurde erfolgreich umgesetzt. Und vom Landtag am 19.April 2016 in veränderter Form angenommen. Dabei wurden die Forderungen eines Landestierschutzplans102, die Einstellung einer oder eines hauptamtlichen Landtierschutzbeauftragten103 und die Änderung der landwirtschaftlichen Förderpolitik104 mit dem Ziel, weniger große Massentierhaltungsanlagen im Bundesland zu bauen, umgesetzt. Das Bündnis konnte sich mit der Forderung des Tierschutzverbandsklagerechts nicht durchsetzen (vgl. Heinrich Böll Stiftung (b) 2016, S. 27 & Aktionsbündnis Agrarwende Berlin/Brandenburg 2017). 3.3.3 Energiepflanzenanbau

Der Verbrauch von landwirtschaftlichen Flächen durch nachwachsende Rohstoffe steht im Spannungsverhältnis der Lebensmittel- und Energieproduktion (sogenannte „Teller oder Tank“-Debatte) und ist auch in der brandenburgischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft eine kontrovers diskutierte Thematik. Das Land Brandenburg reagierte durch die Erstellung einer Biomassestrategie. Darin wurde eine Potenzialabschätzung unter Einbezug der Studie Bioenergie-Potenzial in Brandenburg der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, verfasst von PIORR et al. 2010, vorgenommen. Im Ergebnis wurden 300.000 Hektar als potenzielle Anbaufläche identifiziert. In die Berechnung wurden eine Absenkung des Brachflächenanteils auf null bis fünf Prozent angenommen. Zum Vergleichsjahr 2010 gab es in Brandenburg einen Brachflächenanteil von rund 10 Prozent. Innerhalb dieser Potenzialabschätzung wurde von einer vollständigen Eigenversorgung der Bevölkerung Berlin-Brandenburgs ausgegangen.

101 In der Schweinehaltung 1.125 Tiere pro Betrieb (Bundesdurchschnitt: 459), Geflügelbestand 7.853 Tiere pro Betrieb (Bundesdurchschnitt: 2.132) und Rinder 216 Tiere pro Betrieb (Bundesdurchschnitt: 87). Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2010 (Heinrich Böll Stiftung (b) 2016, S. 26). 102 Kupierverbot bis zum Jahr 2019, Aufbau von alternativen Demonstrationsbetrieben, Verbesserung der Tierhaltung, Reduktion der Antibiotikaabgabe und wissenschaftlich begleitete und evaluierte Maßnahmenkontrolle. 103 Unabhängiger Beauftragter mittels fehlender Weisungsgebundenheit, Anlaufstelle für Initiativen und Bürger und berechtigt, Stellungnahmen bei Umweltverträglichkeitsprüfungen von Stallneubauten abzugeben. 104 Kopplung der Fördermenge an Flächenbindung von 2 Großvieheinheiten je Hektar (entspricht bei 100 ha 1.400 Schweine und 25.000 Hennen) sowie Reduktion der Fördersumme von 25 Prozent auf 600.000 EUR je Stallneubau. Damit soll eine Verringerung des Anreizes, diese zu bauen, erreicht werden.

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Diese Eigenversorgung bezieht sich jedoch ausschließlich auf die schon angebauten Erzeugnisse Weizen, Roggen, Gerste, Körnermais, Zuckerrüben und Raps. Die Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln sollte jedoch aus einer weitaus diverseren Ernährung auch mit Gemüse und Obst bestehen, deren potenzieller Anbaubedarf nicht berücksichtigt wurde. Diese ganzheitliche Eigenversorgung und die notwendigen Umbaumaßnahmen der Wertschöpfungskette in Berlin-Brandenburg wurden jedoch nicht untersucht und einbezogen. Dieses Vorgehen ist insofern zu kritisieren, dass so das Bild einer Eigenversorgung Berlin- Brandenburgs105 und einer gleichzeitigen maximalen Ausnutzung des Biomassepotenzials gezeichnet wird, obwohl dieses Narrativ so nicht richtig ist. Auch wurde nicht untersucht, inwieweit sich der Ausbau von ökologisch erzeugten Lebensmitteln auf das Potenzial auswirken würde. Die Prämisse der Ausweitung des ökologischen Landbaus durch die Nachhaltigkeitsstrategie ist zwar nicht in die Studie eingeflossen, war jedoch schon vor dem Erscheinungsjahr der Studie publik. Grundsätzlich benötigt die ökologische Landwirtschaft durch die geringeren Ernteerträge größere Anbauflächen (siehe Kapitel 2.6.6 sowie 3.1.2). Neben dem Argument zur verkürzten Betrachtung der Selbstversorgung wurde ebenso wenig das naturschutzfachliche Potenzial bzw. nur das Potenzial der Ackerflächen in den schon bestehenden Naturschutzgebieten aufgenommen. Dabei sind gerade Brachflächen auch außerhalb von Naturschutzgebieten für den Naturschutz wertvoll. In Form von ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) zeichnen sich Brachen durch eine höhere Strukturvielfalt, eine größere Vielfalt krautiger Pflanzenarten, eine größere Blütenvielfalt und einen größeren Blütenreichtum, eine größere und diversere Arthropodenfauna und mehr Nützlinge aus (BfN (b) 2017, S. 30 f.). Da Grünlandumbruch vermieden werden soll, bezieht sich die Abschätzung lediglich auf Ackerland. Dabei entsprechen die 300.000 Hektar etwa 30 Prozent der derzeit genutzten landwirtschaftlichen Flächen. Nach Aussagen der Energiestrategie 2030 Brandenburgs wird ebenfalls von einer dreißigprozentigen Nutzung der Ackerflächen ausgegangen. Aktuelle Zahlen zum Flächenverbrauch für nachwachsende Rohstoffe werden vom Statistikamt Berlin-Brandenburg nicht erfasst. Die Agentur für Erneuerbare Energie sprach 2011 von einer Flächennutzung von 175.177 Hektar oder 13 Prozent der landwirtschaftlichen Ackerflächen. Aufgrund der ökonomischen Vorzüge des Energiepflanzenbaus kann diese Entwicklung zu einer verstärkten Flächenkonkurrenz zwischen konventionellen Betrieben im Energiepflanzenanbau und ökologisch wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betrieben führen. Dem Preisedruck, etwa auf Anbauflächen in Bezug auf Pacht- und Kaufpreise, können dabei die meisten ökologisch wirtschaftenden Betriebe nicht standhalten (Land Brandenburg (a) 2012, S. 10 f.; Land Brandenburg (b) 2012, S. 40; Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 366; RLI 2016, S. 19; vgl. A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 20; & AEE (a) 2013).

105 Zitat aus der Biomassestrategie von Berlin-Brandenburg: „Dabei wurde von einer vollständigen Eigenversorgung der Bevölkerung Brandenburgs und Berlins ausgegangen.“ Seite | 71 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

3.3.4 Ackerbauliches Ertragspotenzial

Zur Bewertung des ackerbaulichen Ertragspotenzials der Böden ist in Deutschland das Müncheberger Soil Quality Rating (SQR) das von Behörden und Wissenschaft genutzte Bewertungsverfahren. Es dient der Bewertung der Eignung für die landwirtschaftliche Nutzung und zur Abschätzung des Ertragspotenzials im globalen Maßstab. Dabei werden Standorte von acht Basisindikatoren (Basic Indicators)106 sowie Indikatoren für Risiken und extreme Limitierung der Bodenfunktionalität (Hazard Indicators)107 unter Verwendung unterschiedlicher Gewichtungsfaktoren zu einem Summenwert zusammengefasst, um im

Abbildung 29: Klassen des SQR- Anschluss die ertragslimitierenden Gefährdungsindikatoren, wie die Ratings zum Ertragspotenzial der Durchwurzelungstiefe oder Trockenheitsgefährdung, bewerten zu können. Böden (BGR 2017) Nur der höchste Gefährdungsindikator geht in die Berechnung ein. Das Rating bewertet die Standorte auf einer Skala zwischen 0 und 102, wobei der Mittelwert in Deutschland 62 Punkte beträgt. Hohe Einstufungen erfahren z. B. Böden der Lösslandschaften in der Magdeburger Börde. Die dortigen Böden weisen eine maximale Durchwurzelungstiefe und ein sehr hohes Speichervermögen, welches sich positiv auf das pflanzenverfügbare Bodenwasser ausübt, auf. Die leichten Sandböden in den Alt- und Jungmoränenlandschaften in Teilen der östlichen Bundesländer weisen ein geringeres Ertragspotenzial auf, falls ein Defizit in der klimatischen Bilanz des Sommerhalbjahrs verzeichnet wird (BGR 2017 & L. MUELLER et al. 2016, S. 2). In Brandenburg weist der Großteil der Böden einen SQR-Wert von 35 bis 50 bzw. von 50 bis 60 auf. Im Osten Brandenburgs, im Verwaltungsbezirk Märkisch-Oderland, sind Böden mit SQR-Werten von 50 bis 60 und im Südwesten in den Verwaltungsbezirken Teltow-Fläming und Potsdam-Mittelmark Böden mit SQR- Werten von 70 bis 85 zu finden. Im Durchschnitt erreichen die Böden Brandenburgs einen Wert von 52. Das Minimum liegt bei 27. Diese Böden finden man vornehmlich in der Ueckermark. Das Maximum liegt bei 79,5, vornehmlich in Teltow-Fläming sowie mit Ausläufern in Potsdam-Mittelmark und Dahmen-Spreewald.

106 Bodensubstrat, Tiefe des A-Horizontes, Struktur des Oberbodens, Struktur des Unterbodens, Durchwurzelungstiefe, Bodenwasserspeicherung, Vernässung, Gefälle und Relief. 107 Kontamination, Versalzung, Solodisierung, Versauerung, extrem geringes Nährstoffniveau, geringe Bodentiefe über Festgestein, Trockenheit, Überflutung und extreme Vernässung, steiles Gefälle, Fels an der Oberfläche, hoher Gehalt an Steinen oder Artefakten, ungünstiges Bodenwärmeregime, sonstige extreme Risiken (z. B. Erosion in Flussauen, Wasser- und Winderosion, Bodensackung). Seite | 72 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Abbildung 30: Ackerbauliches Ertragspotenzial der Böden nach SQR-Rating in Berlin-Brandenburg (eigene Darstellung nach Datenquelle: SQR1000 V1.0, BGR, Hannover, 2013) Die landwirtschaftlichen Flächen konzentrieren sich in Berlin auf den nördlichen Teil des Stadtgebiets und weisen im Durchschnitt einen SQR-Wert von 49 auf, wobei das Minimum im Norden in den Bezirken Reinickendorf, Pankow und Lichtenberg mit einen SQR-Wert von 43 liegt und das Maximum (55) im Bezirk Spandau erreicht wird.

Abbildung 31: Ackerbauliches Ertragspotenzial der Böden nach SQR-Rating in Berlin (Eigene Dartstellung nach Datenquelle: SQR1000 V1.0, BGR, Hannover, 2013)

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3.4 Lebensmittelverluste in der Lebensmittelwertschöpfungskette Wo genau Lebensmittelverschwendung bzw. Nahrungsmittelverluste beginnen und enden, wie die Verluste genau definiert werden108 und wie die Methodik der Erfassung der Verluste in den jeweiligen Studien aufgebaut ist, verändert die Mengen der errechneten Lebensmittelabfälle. Über die Verschwendung von Lebensmitteln und deren Ausgangsrohstoffen in der Wertschöpfungskette109 in großem Ausmaß findet man in der Wissenschaft einen breiten Konsens. Die Verluste beginnt bereits auf dem Feld durch (Un-)Wetter, Schädlinge und Unkraut und endet bei der Verarbeitung bis hin zu Verbrauchern und Verbraucherinnen. Weitere Faktoren sind die Fehlplanung des Absatzes in der Gastronomie und des Handels bzw. bei Endverbraucher und Endverbraucherinnen. Schon auf dem Feld findet ein Aussortieren genießbarer Nahrungsmittel nach fragwürdigen Qualitätskriterien des Handels statt und setzt sich bis zu Endverbrauchern und -Endverbraucherinnen fort. Als Beispiel für das stellenweise detaillierte Regelungswerk der EU lässt sich die EU-Norm aus dem Jahr 1988, die zu stark gekrümmte Gurken verbot, als Beispiel anführen. Auch die Fülle der im Lebensmitteleinzelhandel vorhandenen Produkte und die niedrigen Preise führen zu einer Geringschätzung von Lebensmitteln und damit verbundenem Verlust. In der Außer-Haus-Verpflegung sind lange Speisekarten und große Portionen ein wichtiges Vermarktungsinstrument, welches Lebensmittelverlust ebenso eher forciert, statt ihn zu verhindern. Die Hauptanteile der Lebensmittelabfälle sind dabei bei Gemüse (26 Prozent) und Obst (18 Prozent) zu finden, gefolgt von Backwaren (15 Prozent) und Speiseresten (12 Prozent) (vgl. PH. STIERAND (e) 2014 S. 25 f.). Die FAO Studie Global Food Losses and Food Waste aus dem Jahr 2011 spricht von etwa einem Drittel aller Nahrungsmittel (1,3 Mrd. Tonnen pro Jahr), die für den menschlichen Verzehr produziert wurden und verloren gingen, wobei gleichsam die aufgebrachten Ressourcen ungenutzt vernichtet und trotzdem Treibhausgase emittiert wurden. Eine EU Studie im Rahmen des FUSION-Projektes110 aus dem Jahr 2016 gibt an, dass 2012 durch die EU- 28 Mitgliedsstaaten 88 Mio. Tonnen Lebensmittelabfälle entstanden sind. Bei einem Lebemittelverbrauch von 865 kg je EU-Einwohner und Jahr sind somit 173 kg als Verlust eingerechnet. Dabei spielen die privaten Haushalte mit 46,5 Mio. Tonnen (53 Prozent) und der verarbeitende Sektor mit 16,9 Mio. Tonnen (19 Prozent) die größte Rolle. Der wirtschaftliche Schaden wird dabei auf 143 Mrd. EUR geschätzt. Legt man die Bevölkerungszahl der EU-28 Mitgliedsstaaten von 2012 in Höhe von 504,060,345 Mio. Menschen (eurostat (a) 2017) zu Grunde, hätte jeder EU-28 Bürger 284 EUR durch Lebensmittelverschwendung verloren. In Deutschland werden circa 21 Prozent der gekauften Lebensmittel ungenutzt entsorgt, was etwa 80 kg und 300 EUR bedeutet. Dabei gehen tatsächlicher Verlust und Wahrnehmung weit auseinander, denn Verbraucher und Verbraucherinnen gehen selbst davon aus, nur sechs Prozent der gekauften Lebensmittel ungenutzt zu entsorgen (PH. STIERAND (e) 2014, S. 27). Das UBA spricht in einem Diskussionspapier zur Lebensmittelverschwendung von 89 Mio. Tonnen Gesamtverlust oder 179 kg pro Kopf in den EU-28 Staaten. Dabei steht Deutschland im Ländervergleich zwar nur auf Platz 18., in der Gesamtmenge der Verluste aber auf Platz zwei hinter Großbritannien. Darunter fallen auch die 11 Mio. Tonnen Lebensmittelabfälle mit einem Warenwert von 234 EUR pro Person und

108 Es findet eine definitorische Unterscheidung zwischen food losses (Nahrungsmittelverlust) und food waste (Lebensmittelverschwendung). Food losses treten vor allem in der Produktionskette durch mangelnde technologische, infrastrukturelle Voraussetzungen oder Restriktionen von Landwirten und Einzelhandel auf. Bei Food waste handelt es sich meist um schon verbrauchsfertige Nahrungsmittel, die in der finalen Stufe nicht verzehrt werden (vgl. WWF (a) 2015, S. 20). 109 Die Verluste der Wertschöpfungskette bestehrn aus Ernteverlusten, Nachernteverlusten, Prozessverlusten, Verteilungsverlusten sowie Konsumverlusten (vgl. WWF (a) 2015, S. 20). 110 Einrichtung einer Datenbank, die die Lebensmittelverluste der EU-28 erfasst und bewertet. Seite | 74 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Jahr. In Folge der Verluste werden gut 500 Quadratmeter pro Person und Jahr an landwirtschaftlicher Fläche belegt (vgl. UBA (c) 2018, S. 9 f). Die Studie Saving Water From Field to Fork aus dem Jahr 2008 zeigt den täglichen Verlust von Kilokalorien (kcal) in der Wertschöpfungskette auf. Bei einer Produktion von rund 4.600 Kilokalorien essbarer Erntemenge gehen rund 50 Prozent der produzierten Kilokalorien verloren; 600 Kilokalorien durch Nachernteverluste, 1.700 Kilokalorien als Tierfutter (wobei 500 Kilokalorien in Fleisch- und Milchprodukte umgewandelt werden, was einem Nettoverlust von 1.200 Kilokalorien entspricht) sowie 800 Kilokalorien bei der weiteren Verteilung und in den Haushalten. In Summe entspricht dies einem tatsächlichen Nettokonsum von circa 2.000 Kalorien. Der WWF betrachtet in seiner auf Deutschland bezogenen Studie Das grosse Wegschmeissen aus dem Jahr 2015 die gesamte Wertschöpfungskette. Dabei gehen von circa 54 Mio. Tonnen produzierten Lebensmitteln 18 Mio. Tonnen in der Wertschöpfungskette verloren. Davon sind aus technischer Sicht (Atmungs-, Kühl-, Koch-, Säuberungs- und Schnittverluste) acht Mio. Tonnen nicht vermeidbar. Der WWF wandelt die übrigen 10 Mio. Tonnen in einen Flächenfußabdruck um und kommt so zu dem Schluss, dass in Deutschland Agrarrohstoffe in einer Größenordnung von 2,6 Mio. Hektar oder 320 Quadratmeter pro Person angebaut werden, nur um diese Erträge in der späteren Wertschöpfungskette verlorengehen zu lassen. 111 Das entspricht einer Fläche größer als das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern112 von 15 Prozent der insgesamt in Deutschland zur Lebensmittelerzeugung benötigten Gesamtfläche (vgl. WWF (a) 2015, S. 7 f.). Eine Studie des Instituts für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart aus dem Jahr 2012 bestätigte die Aussagen der WWF-Studie und ermittelte eine Gesamtmenge von 10.970.000 Tonnen Lebensmittelverlusten pro Jahr. Als Gründe für die starke Entwicklung der Entsorgung von essbaren Lebensmitteln gaben die Forscher und Forscherinnen folgende Gründe an.

· Die Abnahme der Verbrauchsausgaben für Ernährung · Das Überangebot an Lebensmitteln · Zunehmende Entfremdung · Zunehmende Mobilisierung, Flexibilisierung und Beschleunigung des Alltags · Soziodemographische Veränderungen (Zunahme von Ein-Personen-Haushalten, Verstädterung, zunehmende soziale Disparitäten) (M. KRANERT et al. 2012, S. 217)

Abbildung 32: Bandbreite der gesamten Lebensmittelabfälle in Deutschland (Summe Haushalte inkl. Getränke, Großverbraucher, Handel, Industrie) (M. KRANERT et al. 2012, S. 204)

111 Zusätzlich werden dabei circa 26,1 Mio. Tonnen. Treibhausgase durch Landnutzungsänderungen umsonst produziert, das entspricht fast 40 Prozent des landwirtschaftlichen Gesamtausstoßes. Rechnet man die 21,8 Tonnen CO2-Verluste der Wertschöpfungskette hinzu, summieren sich beide Faktoren auf knapp 48 Mio. Tonnen vermeidbare CO2- Belastung (WWF (a) 2015, S. 8 & UBA (a) 2017). 112 Die Flächenausdehnung von Mecklenburg-Vorpommern beträgt 23.211 Quadratmeter. Seite | 75 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Der Ernährungsreport 2017 des BMEL zeigt, dass jedes zwanzigste Lebensmittel nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums sofort entsorgt wird. Drei Viertel der Befragten (76 Prozent) prüfen, ob das Produkt nicht doch noch genießbar ist. Rund ein Fünftel entscheidet von Fall zu Fall (19 Prozent). Vor allem Jugendliche zeigen sich als umsichtige Lebensmittelprüfer (84 Prozent), zugleich werfen sie aber auch am meisten direkt weg (13 Prozent). Wo Kinder Abbildung 33: Verteilung der Lebensmittelabfälle im Haushalt leben, werden Lebensmittel eher entsorgt (10 innerhalb der Wertschöpfungskette für Lebensmittel Prozent) als bei Kinderlosen (3 Prozent). Einen Verzicht auf (M. KRANERT et al. 2012, S. 205) das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) bei nicht verderblichen Lebensmitteln bejahen neun von zehn Befragten (89 Prozent). Handelt es um verderblichen Waren, wäre ein generelles Verbrauchs- oder Verfallsdatum sinnvoller als die mitunter verwirrende Angabe eines MHD, gaben zwei Drittel der Befragten an (70 Prozent) (BMEL (j) 2017 S. 18). Wie bereits erwähnt, leiden weltweit mehr als 800 Millionen Menschen aus verschiedensten Ursachen Hunger. Eine davon sind schwankende und in Krisenzeiten erhöhte Lebensmittelpreise. Würde das Maß der Verschwendung gesenkt, würden mehr Lebensmittel zur Verfügung stehen, Marktpreise sinken und gleichzeitig Anbauflächen entlastet werden, die der ökologischen Landwirtschaft zur Verfügung gestellt oder der Naturschutzaufgaben übertragen werden könnte. Darüber hinaus könnten ernährungsbedingte Landnutzungsänderungen vermieden werden, was zu Einsparungen bei den landwirtschaftlich bedingten

CO2-Emissionen führen und ebenso Land Grabbing-Tendenzen zurückdrängen würde. Der Gedanke der Ernährungssouveränität und der Anbau regionaler und lokaler Produkte auf ökologischer Basis könnte ohne zwingende Ertragssteigerungen gestärkt werden, da durch die Reduzierung der Lebensmittelverluste mehr potenzielle Flächen zur Verfügung ständen. Es müssten weniger Futtermittel und andere Lebensmittel importiert werden, was den Selbstversorgungsgrad Deutschland ansteigen ließe. 3.5 Flächenfußabdrücke durch den Lebensmittelkonsum Derzeit leben etwa sieben Milliarden Menschen auf der Erde und müssen sich dabei aus landwirtschaftlicher Perspektive 3,3 Mrd. Hektar Wiesen und Weideland, 1,4 Mrd. Hektar Acker und 0,2 Mrd. Hektar Dauergrünland teilen. Das sind etwa 38 Prozent der eisfreien Landflächen der Erde. Pro Person stehen durchschnittlich 2.000 Quadratmeter Ackerland und 4.500 Quadratmeter Weideland zur Verfügung, wobei geschätzt wird, dass diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 1.500 Quadratmeter absinken könnte. Ackerland ist dabei die Wachstumsgrundlage diverser Produkte113, vor allem aber unserer Lebensmittel. Auch für die Erzeugung von tierischen Produkten sind Ackerflächen unerlässlich, denn auf ihnen reifen die benötigten Futtermittel. Im Jahr 2016 wurden weltweit 43 Prozent der gesamten Getreideerzeugnisse für Lebensmittel, 36 Prozent für Futtermittel und 21 Prozent für sonstige Nutzung aufgewendet (vgl. Zukunftsstiftung Landwirtschaft 2016, S. 6 f., vgl. S. HÖNLE & T. MEIER 2016, S. 12). In Deutschland werden 61 Prozent der Ackerflächen zur Produktion tierischer Lebensmittel und nur 32 Prozent für die Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel aufgewandt. Der hohe Flächenverbrauch hängt vor allem mit dem Fleischkonsum zusammen, da fast die gesamte im Futtermittel enthaltene Energie nicht in das Produkt Fleisch selbst, sondern in die Lebenserhaltung der Tiere fließt (PH STIERAND 2014, S. 19). Fast jedes erzeugte Lebensmittel hat mittels seiner Rohstofferzeugung eine Geschichte, die auf den Ackerflächen beginnt. Diese Lebensmittel bzw. deren Rohstoffe müssen angebaut werden und verbrauchen

113 Darunter fallen ebenso Produkte wie z. B. Baumwolle, Agrotreibstoffe, Futtermittel und Industrierohstoffe. Seite | 76 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg damit eine Fläche. Deutschland hat eine eher hohe Kilokalorienaufnahme von durchschnittlich 3.500 Kilokalorien pro Person/Tag. Die DGE spricht bei einer gesunden Lebensweise von durchschnittlich 2.050 Kilokalorien (DGE (a) 2015). Auch mit einer Gesamtmenge der jährlich verzehrten Lebensmittel von 958 kg114 liegt Deutschland deutlich vor Ländern wie Indien (495 kg). Verzehrte Mengen sowie die Ernährungsweise lassen deutliche Unterschiede in den Flächenfußabdrücken verschiedener Länder erkennen. Der europäische Durchschnitt liegt bei 2.140 Quadratmetern, in China bei 780 Quadratmetern, in den USA bei 5.000 Quadratmetern und in Argentinien bei circa einem Hektar. Der deutsche Flächenfußabdruck liegt nach Studien des WWF 2015 bei 2.397 Quadratmeter pro Person im Jahr (vgl. Zukunftsstiftung Landwirtschaft 2016, S. 14 f. & WWF (c) 2015, S. 22) Die Größe des Flächenfußabdrucks wird dabei auch durch die Zusammensetzung der konsumierten Lebensmittel bestimmt. Lebensmittel tierischen Ursprungs haben einen deutlich höheren Flächenverbrauch als Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs. Der durchschnittliche Flächenverbrauch eines Kilogramms Fleisch ist mit 157 Quadratmetern im Vergleich zu den 1,2 Quadratmetern eines Kilogramms Gemüse schätzungsweise 130-mal so hoch. Der durchschnittliche jährliche deutsche Verbrauch von 74,5 kg Kartoffeln benötigt dafür eine Fläche von 22,3 Quadratmeter pro Person - im Gegensatz zu 11,1 kg Rindfleischverbrauch, welcher eine Fläche von 290,6 Quadratmeter pro Person beansprucht, das 13-fache an benötigter Fläche (vgl. B. DIETSCHY 2013, S. 30 f. & S. HÖNLE & T. MEIER 2016, S. 14). Im Folgenden (Abb. 34) wird der aktuelle Nahrungsmittelverbrauch in Deutschland mittels des Pro-Kopf- Verbrauchs von spezifischen Lebensmitteln in Deutschland, erfasst vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dargestellt.

Abbildung 34: Verbrauch von Lebensmitteln in Deutschland im Jahr 2015 (kg/Einwohner) (eigene Darstellung unter Verwendung von Daten des BMEL (f) 2017) Die Bevölkerung Deutschlands konsumiert jährlich durchschnittlich insgesamt 688 kg an Lebensmitteln, was einem täglichen Verbrauch von 1,8 kg entspricht. Am häufigsten werden mit einer Menge von 127 kg Milchprodukte115 verzehrt. Es schließen sich Obst116 mit 116,7 kg, Gemüse mit 98,6 kg sowie Fleisch mit 88,2 kg an. Auch Zuckererzeugnisse werden mit 49,2 kg häufig konsumiert. Fischerzeugnisse weisen einen Konsum von 13,9 kg, Reis von 5,4 kg, Schalenfrüchte von 3,9 kg und Hülsenfrüchte von 0,9 kg auf (BMEL (f) 2017).

114 Zusammengesetzt aus 395 kg tierischen und 568 kg pflanzlichen Produkte. 115 Darunter fallen Frischmilcherzeugnisse (auch Sauermilch- und Milchmischgetränke), Sahneerzeugnisse, Kondensmilcherzeugnisse, Vollmilchpulver, Magermilchpulver, Ziegenmilch, Käse (auch Frischkäse). 116 Darunter fallen Marktobst, Zitrusfrüchte und Trockenobst. Seite | 77 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Im Vergleich zur Studie des WWFs 2015 zum Nahrungsmittelverbrauch und Flächenfußabdrücken, deren Werte zum Gesamtverzehr in Kilogramm aus dem Jahr 2013 stammen, zeigen sich Veränderungen in den Essgewohnheiten. Schalenfrüchte werden dabei nicht separat aufgelistet:

Tabelle 1: Vergleich der jährlich konsumierten Lebensmittel im Vergleich der Jahre 2013 und 2015 (eigene Darstellung unter Verwendung von Daten des WWF (d) 2015 & des BMEL (f) 2017)

Lebensmittelgruppen Absolut (kg/Einwohner) Relativ (Prozent) Getreideerzeugnisse -16,6 -17,4 Kartoffelerzeugnisse 1,0 1,4 Reis 0,1 1,9 Hülsenfrüchte 0,5 125,0 Zuckererzeugnisse 1,2 2,5 Gemüse 3,2 3,4 Obst 5,7 5,3 Öle und Fette -0,5 -2,5 Fleisch 1,2 1,4 Fisch -0,2 -1,4 Milcherzeugnisse 8,2 6,9 Eier 1,1 8,3 Zwischen 2013 (679 kg) und 2015 (684 kg) kam es zu einem Anstieg der jährlichen Verbrauchsmenge von Lebensmitteln von etwa fünf Kilogramm. Bei der Lebensmittelgruppe Getreide ist ein starker Rückgang zu verzeichnen. Deutliche Zuwächse erfahren die Hülsenfrüchte, wobei der Gesamtkonsum im Vergleich zu anderen Lebensmittelgruppen immer noch deutlich geringer ausfällt. Auch Milcherzeugnisse erfuhren einen Anstieg von über acht Kilogramm. Bei den anderen Erzeugnissen fallen der Verlust und Anstieg moderat aus (WWF (d) 2015, S. 8 f.). Den jährlichen Verbrauch der Fläche für den Lebensmittelkonsum beziffert die WWF-Studie 2015 auf 2.270 Quadratmeter pro Person in Deutschland117. Insgesamt werden dabei landwirtschaftliche Flächen von 18,37 Mio. Hektar benötigt (WWF (c) 2015, S. 22).

Tabelle 2: Flächenverbrauch der einzelnen Lebensmittelgruppen in Deutschland (Eigene Darstellung unter Verwendung von WWF (c) 2015, S. 22)

Flächenverbrauch pro Einwohner Gesamter Flächenverbrauch aller Lebensmittelgruppen (Quadratmeter) Einwohner (Mio. ha) Getreideerzeugnisse 231 1,87 Kartoffelerzeugnisse 21 0,17 Reis 11 0,09 Hülsenfrüchte 4 0,03 Zuckererzeugnisse 30 0,25 Gemüse 30 0,25 Obst 99 0,79 Öle und Fette 119 0,97 Fleisch 1.019 8,23 Fisch 18 0,15 Milcherzeugnisse 602 4,86 Eier 84 0,68

117 Die Flächenfußabdrücke der Getränke wurden dem summierten Flächenfußabdruck abgezogen. Seite | 78 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Dabei nehmen Erzeugnisse aus pflanzlicher Herkunft eine Fläche von 545 Quadratmetern pro Einwohner gegenüber 1,723 Quadratmetern für die Erzeugung von tierischen Produkten ein, was mehr als das Dreifache des Flächenverbrauchs ausmacht. Bezogen auf den landwirtschaftlichen Flächenverbrauch benötigen pflanzliche Lebensmittel 4,42 Mio. Hektar im Vergleich zu den 13,92 Mio. Hektar für die Produktion tierischer Lebensmittel, wobei der Flächenverbrauch für die Fleischerzeugung mit 8,23 Mio. Hektar fast das doppelte der gesamten pflanzlichen Erzeugungen beansprucht. Eine internationale Studie des World Resources Management Institute (WRI) ermittelte alle Länder (insgesamt 1,9 Mrd. Menschen), in denen die durchschnittliche tägliche Proteinaufnahme aus tierischen und pflanzlichen Erzeugnissen über 60 Gramm liegt. Der von der FAO geschätzte durchschnittliche Bedarf pro Person und Tag liegt bei 50 Gramm Protein118 und insgesamt 2.353 Kilokalorien aus tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Im Modell wurde nun die Einnahme von Proteinen aus Fleisch, Milch und Eiern so weit reduziert, dass die gesamte Proteinzufuhr 60 Gramm pro Kopf nicht überstieg. Zugleich sollte die Energiezufuhr nicht unter 2.500 Kilokalorien sinken. 1,9 Milliarden Menschen (Stand 2009) würden durch diese Änderung der Ernährungsweise wesentlich weniger tierische Proteine zu sich nehmen, so z. B. in den USA, Kanada und der EU. Global würden 17 Prozent weniger tierische Lebensmittel verzehrt werden. Der Flächenbedarf für Nutztiere sänke um 508 Millionen Hektar oder 15 Prozent des Grünlandes, bei Futtermitteln um 133 Millionen Hektar oder 8,5 Prozent bei Produktion auf Ackerland. 3.6 Experteninterview mit Michael Wimmer Micheal WIMMER studierte an der TU München-Weihenstephan Landespflege mit der Vertiefungsrichtung Landschaftsökologie und schloss im Jahr 1999 das Studium mit einer Diplomarbeit zum Thema "Konzeption einer verbandsübergreifenden Öffentlichkeitsarbeit zum Ökologischen Landbau in Berlin und Brandenburg" ab. Am 13. März 2000 gründete er mit 16 Gleichgesinnten die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) e.V. Seit dem Jahr 2002 ist WIMMER deren Geschäftsführer. Zu seinen Aufgaben gehören Kommunikation und Kooperation mit anderen Akteuren und Institutionen, die sich für den Ökolandbau und den Ländlichen Raum engagieren, Verantwortung der politischen Vertretung, Projektakquise und Finanzierung, Strategie und Organisationsentwicklung und Teilnahme am Agrarpolitischen Arbeitskreis der Anbauverbände (FÖL (b) 2017). „Wir haben hierzulande die politische Diskussion, wer ist der Effizienteste und die Ökis könnten uns ja gar nicht ernähren. Dann wird das aufgebauscht mit Flächenverbrauch. Letztendlich ist es so, dass wir in Deutschland extremes Glück haben, da wir auf besten klimatischen und geografischen Ressourcen sitzen und wir könnten uns locker inländisch selbst ernähren, wenn die Rahmenbedingungen entsprechend wären.“ (Z. 1 bis 5) Durchschnittlich konsumiert jeder Bundesbürger im Schnitt fast 90 kg Fleisch im Jahr (BMEL (f) 2017, WWF (d) 2015). Dieser hohe Konsum hat Auswirkungen auf die in der Wertschöpfungskette benötigte Fläche. In Deutschland beläuft sich der Flächenverbrauch ausschließlich für Fleischprodukte auf 1.019 Quadratmeter pro Person und Jahr (WWF (d) 2015). „Wenn der Deutsche seinen Fleischkonsum und Konsum tierischen Ursprungs um zwei Drittel senkt, könnten wir uns nicht nur konventionell, sondern auch unter Bioproduktionsbedingungen komplett selbst organisieren“, (Z. 12 bis 13) so WIMMER. Diese Aussage wird durch Studien von z.B. Greenpeace, dem WWF, der Heinrich Böll Stiftung und anderen Wissenschaftlern gedeckt. Jedoch ist eine Ernährungswende zu mehr oder gänzlich pflanzlichen Ernährungsweisen unumgänglich (Greenpeace (a) 2017 & K.-H. ERB et al. 2016).

118 In Europa werden pro Tag durchschnittlich 85 Gramm Protein aus tierischen und pflanzlichen Erzeugnissen aufgenommen (J. RANGANATHAN et al. 2016, S. 3). Seite | 79 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Auf die Frage nach derzeitigen und zukünftigen lokalen und regionalen Versorgungsstrukturen in Berlin- Brandenburg spricht WIMMER die derzeitigen Strukturen der Biobranche an: „Grundsätzlich funktioniert es im Biosegment um Länger besser als im konventionellen Bereich, da Bio und regional von Anfang an ein Pärchen waren und weil es im Biobereich regionale Strukturen seit Anbeginn gab.“ (Z. 16 bis 18). Nimmt man für Regionalität einen größeren als den in der Arbeit genutzten Radius von 100 Kilometern (CZECH et al. 2002) an, so ist Regionalität durch die Biobranche in der „ganzen Republik“ (Z. 18) gegeben, da der Markt von „regionalen Großhändlern“ (Z. 18) aufgeteilt wurde und diese versuchen „nur im Umkreis von 150 Kilometern […] Strukturen aufzubauen, Stichwort Brodowin119“ (Z. 20 & 21). Schon im Interview mit HAERLN in Kapitel 2.7 wurde beschrieben, dass die landwirtschaftlichen Strukturen Brandenburgs nicht lokale und regionale Märkte im Blick haben, sondern stattdessen seit der Wiedervereinigung Strukturen mit „Ausrichtung auf den Weltmarkt“ (Z. 24) aufweisen. Die regionale Marktsituation und der boomende Biomarkt (BÖLW 2017) wurden „bis vor drei Jahren noch gar nicht gesehen“ (Z. 28). Maßnahmen zur „Marktstrukturverbesserung120, die Landwirten einen Zuschuss gewährt, wenn sie in die weitere Verarbeitung, Veredlung und Verfügbarmachung ihrer Rohstoffproduktion für den regionalen oder sonstigen Markt investieren“ (Z. 30 bis 33), gebe es erst seit „Anfang 2017“ (Z. 30). Zudem sei die hiesige Landwirtschaft „total erschrocken, dass dieser Regionalboom an allen vorbeigeht. Langsam registriert man, dass man sich diversifizierter aufstellen sollte“ (Z. 36 bis 37), so WIMMER. Diese Aussagen decken sich mit Zahlen, dass lediglich 145.812 Hektar der 1.321.700 Hektar landwirtschaftlicher Gesamtfläche Brandenburgs bio-zertifizierte Anbauflächen sind (BLE-Strukturdaten (a) 2016). Eine sofortige Kurswende hin zu mehr Rohstoffen und Produkten aus regionaler Bioproduktion sei aber schwierig. Brandenburg weist z. B. einen hohen Viehdichtenbesatz durch die Massentierhaltung auf (Heinrich Böll Stiftung (b) 2016 & Interview HAERLIN). In industriellen Produktionsformen wie der Massentierhaltung habe es „ein Schweinemäster […] null in der Hand irgendwie eine Regionalmarke aufzubauen und damit am Berliner Markt irgendwie erfolgreich zu sein.“ (Z. 42 bis 44) Nur ein Prozent der Schweine stammen in Brandenburg aus ökologischer Haltung (MLUL 2017). Die konventionellen Halter müssten sich der Marktsituation stellen. „Da wird derartig mit Zehntelcent pro Kilogramm gerungen und am Ende entscheidet der, der am Ende zwei Cent günstiger ist.“ (Z. 49 bis 51) Auch der Landwirt der auf „2.000, 3.000 Hektar“ (Z. 51) Getreide anbaue „hat nicht von heute auf morgen die Chance, irgendwie an dem Thema was zu drehen.“ (Z. 52) Zudem fehle es neben dem Anbau an regionaler Wertschöpfung zur Weiterverarbeitung der Rohstoffe, wie etwa „regionalen Mühlen“ (Z. 52), da es „an dieser Stelle in den letzten Jahren null Förderung gegeben hat. Es war einfach nicht Politik. Wirtschaftsförderung, Investitionsförderung, das war an der Stelle einfach nicht.“ (Z. 55 bis 57) Diese Aussagen decken sich mit der geringen Betriebsanzahl im ökologischen Landbau. Etwa 600 Betriebe sind in der gesamten Wertschöpfungskette eingebunden. In Baden-Württemberg sind es auf einer ähnlich großen Fläche 6.742 zertifizierte Betriebe (BLE-Strukturdaten (a) 2016). Die produzierten Rohstoffe Brandenburgs im Biobereich gehen zu „90 Prozent […] in den Westen, werden verarbeitet und kommt als fertiges Müsli oder andere Produkte auf den Berliner Markt zurück.“ (Z. 69 bis 71) Als Lösungsansatz schlägt WIMMER vor, durch „Ernährungsräte, Ernährungsstrategien usw.“ (Z. 69) die Ansprüche des Berliner „Verbraucherpools“ (Z. 70) zu evaluieren und das „auch in den politischen Raum hineinzutragen.“ (Z. 70 & 71) Weiterhin solle eine „Gründungsoffensive“ (Z. 87), „Regionalitätsoffensive oder eine Diversifizierungsoffensive“ (Z. 100 bis 101) angeschoben werden, um „Rahmenbedingungen für

119 Beim Ökodorf Brodowin handelt es sich um einen Demeter Betrieb im Nordosten Brandenburgs. 120 Wie etwa das Förderinstrument „Förderung umweltgerechter landwirtschaftlicher Produktionsverfahren und zur Erhaltung der Kulturlandschaft der Länder Brandenburg und Berlin“ (KULAP). Seite | 80 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg die Ansiedlung und für die Umstellung von entsprechenden Betrieben, gerade bei den Stätten der Weiterverarbeitung […] und zwar informell durch Softskills (Beratung und politische Unterstützung (Z. 114), als auch durch entsprechende Förderprogramme“ (Z. 88 bis 90) zu schaffen. Die Versorgung mit pflanzlicher Ernährung in einem maximalen Radius von 100 Kilometern war in Brandenburg in der Vergangenheit möglich, so Wimmer. „Wir hatten hier in der Region, im Umkreis von 100 Kilometern, genug geeignete Standorte, um in Größenordnungen Kartoffeln und Gemüse anzubauen. Das haben wir heute nicht mehr, da das alles nach der Wende weggebrochen ist, aber die Standorte sind da“ (Z. 97 bis 99) Durch die Abgabe der landwirtschaftlichen Aufgaben Berlins im Rahmen des zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg geschlossenen landwirtschaftlichen Staatsvertrags (Land Brandenburg (c) 2003), sei es „im Kern […] Aufgabe des Brandenburger Landwirtschaftsministeriums“ (Z. 105) diese Maßnahmen umzusetzen. Dabei könnten Aufgaben von „gesellschaftlichen Leistungen“ (Z. 109), worunter auch „regionale Versorgung“ (Z. 109) fällt, durch die EU-Förderinstrumente durch die 2. Säule der EU-Agrarförderungen mittels des dort integrierten Programms „Programm zur Entwicklung ländlicher Räume“ bezahlt werden (ELER) (BMEL (c) 2015 & A. WOLFF & H. TREU 2015). Der Aufbau eines „Wertschöpfungskompetenzzentrums“ (Z. 118) könnte diese Entwicklung weiter fördern. Wie schon im Interview mit HAERLIN argumentiert auch WIMMER, dass auf dieser Ebene in den „letzten 25 Jahrne gnadenlos gepennt“ wurde (Z. 120). Hauptbestreben der Landregierung der Nachwendezeit sei es gewesen, die „soziökonomische Strukturen der Großbetriebe […] in die Zukunft zu retten“ (Z. 124). Die Bio- und Ökobewegung wurde dabei nur als „eine Mode, eine urbane Spinnerei“ (Z. 128) angesehen, „die vorbeigeht.“ (Z. 128) „Wir sitzen auf dem Erbe dieser extrem einseitigen Ausrichtung von dieser ständigen Wiederholung dieses „Wachse oder Weiche“- Dogmas. Wachse oder Weiche heißt auch Preisführerschaft, heißt Ausblendung von Prozessqualität.“ (Z. 131 bis 132) Die Frage, ob gesellschaftliche und soziale Strukturen der Lebensmittelversorgung Berlins aus Sicht von WIMMER Potenzial hätten, wird bejaht. Jedoch sehe er Projekte, wie etwa die Urban Gardening-Bewegung, vor allem als ein „sozioökonomisches und soziales Phänomen“ (Z. 169), die die „Entfremdung zu der Art und Weise, wie […] produziert wird“ (Z. 169 & 170), wieder in ein natürliches Gleichgewicht „zurückpendeln“ (Z. 171) wollen. Lokale Produktion sei laut WIMMER auch ein Mittel der „Sensibilisierung“ (Z. 198) und „Wertschätzung“ (Z. 199) für Lebensmittel. „Aber in Puncto der klassischen Lebensmittelversorgung wird es eine absolut nachrangige Rolle spielen und auch in allen Versuchen, dass man versucht Urban Gardening-Produkte professionell zu vermarkten, sehe ich kein Erfolg. Die drei Erdbeeren, die derjenige hegt und pflegt, will er selber essen.“ (Z. 177 bis 180) Produktionsweisen wie Aquaponic Farming, die HAERLIN zwar als Technotriumph bezeichnet, ihnen aber gleichzeitig skeptisch gegenübersteht, sind für WIMMER „spannender“ (Z. 181). Jedoch müsse sich die Biobranche einig werden, wie mit den Verfahren des Anbaus, etwa durch humusloses Substrat mittels „Kokos-, Hanf- oder andere“ (Z. 161 & 162), umgegangen werden müsse (I. FRAZIER 2017). „Leider sind die [Biobranche, Anm. Autor] zu ideologisch, nach dem Motto: „Es geht um die Natürlichkeit.“ Ja, Hanffasern hat es in der Natur einfach nicht gegeben.“ (Z. 166 & 167). Neben diesen unterschiedlichen Einstellungen zu technologischen Anbauverfahren sind sich WIMMER und HAERLIN in der Analyse einig, die „Nährstoffkreisläufe“ (Z. 182) zu schließen und dort „gerade diejenigen Seite | 81 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Nährstoffe, die im globalen Maßstab richtig endlich sind“ (Z. 188) wiederzugewinnen. Diese sei eine der „absoluten Nachhaltigkeitsfragen […] sonst leben wir in einer Produktionsblase.“ (Z. 192 bis 194) Zur Frage der Lebensmittelverschwendung sagt WIMMER, er verorte „die Probleme woanders. Nämlich die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel produzieren. In dem heutigen Produktionsstil, der nicht nachhaltig ist.“ (Z. 201 & 202) Dabei seien die „negativen externen Effekte einfach nicht eingepreist“ (Z. 203) und das führe dazu, dass „die Lebensmittel einfach so billig sind, wie sie sind.“ (Z. 204) Billig hieße dabei „keine Wertschätzung“ (Z. 205) für Lebensmittel. Insofern würde WIMMER alle Energie dazu aufwenden, „den negativen externen Effekt“ (Z. 211) zu internalisieren, sodass „Lebensmittel einen ehrlichen Preis bekommen.“ (S. 212) 3.7 Zusammenfassung Landwirtschaftliche Situation in Deutschland sowie Berlin-Brandenburg Die landwirtschaftlichen Nutzflächen von 16,7 Mio. Hektar machen etwa 47 Prozent der Gesamtfläche (35,7 Mio. Hektar) Deutschlands aus. Dabei unterteilen sich die landwirtschaftlichen Nutzflächen in (Dauer-) Grünland (4,7 Mio. Hektar, 13 Prozent) sowie Ackerland und Dauerkulturen (zusammen 12 Mio. Hektar, 34 Prozent) (BMEL (b) 2016, S. 6). Die landwirtschaftlichen Landnutzungstypen werden von den EU- Verordnungen (EG) 795/2004 sowie 796/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates definiert (siehe Kap. 3.1.1). Angesicht dieser nutzbaren Flächengröße ist es rechnerisch möglich, einen inländischen Selbstversorgungsgrad von 93 Prozent in Deutschland zu erreichen. Dabei ist die Situation in den einzelnen Produktgruppen sehr unterschiedlich. Produkte wie Fleisch und Milch werden exportiert, Produkte wie Obst und Gemüse importiert. In beiden Kategorien ist Deutschland der weltweit drittgrößte Handelspartner (BMEL (b) 2016, S. 5). Im Interview äußert sich WIMMER zum Selbstversorgungsgrad wie folgt: „Wenn der Fleischkonsum um zwei Drittel gesenkt werden würde, könnte sich Deutschland nicht nur unter konventionellen, sondern auch unter Bioproduktionsbedingungen komplett selbstversorgen.“ Bei der Erzeugung von Lebensmitteln haben regionale Bezüge einen immer geringeren Stellenwert. Heute arbeiten ein bis zwei Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland in der Landwirtschaft, was bedeutet, dass eine Arbeitskraft Lebensmittel für über 100 Menschen erwirtschaftet (vgl. AbL (a) 2017, S. 283). Dies hatte einen starken Kapitalisierungs- und Konzentrationsprozess zur Folge. Ein Zehntel der 275.000 Betriebe (Destatis (a) 2016) bewirtschaftet circa die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen. Die 1.500 größten Betriebe mit über 1.000 Hektar bewirtschaften aktuell 2,5 Mio. Hektar. Seit dem Jahr 1970 verschwanden rund 76 Prozent der Betriebe. Gleichzeitig findet eine immer größere Spezialisierung der Anbauverfahren und Nutztierhaltungen statt. Immer mehr Betriebe spezialisieren sich auf die Erzeugung weniger Produkte, was zu einem Rückgang der Vielfalt der Nutzpflanzen von 75 Prozent im 20. Jhd. führte und monotone Strukturen auf den Äckern zur Folge hat (Heinrich Böll Stiftung et al. 2018, S. 20). Berlin und Brandenburg haben zusammen eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 1.325.532 Hektar, wobei die landwirtschaftliche Bedeutung Berlins dabei mit 3.832 Hektar deutlich geringer ist (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016 & Statistisches Jahrbuch Berlin 2016). Neben diesen Landwirtschaftsstrukturen weist Berlin ebenso urbane Anbaupotenziale auf, mit denen eine saisonale Eigenversorgung, jedoch keine Selbstversorgung organisiert werden könnte. Kleingärten besitzen mit 2.990 Hektar fast die gleiche Flächenausdehnung wie die landwirtschaftlichen Anbauflächen Berlins, sind jedoch im Stadtgebiet viel weniger konzentriert (Senatsverwaltung Berlin (a) 2015, S. 66). Die Bedeutung der Eigenversorgung durch Nutzung von Kleingärten besitzt ein großes Potenzial in der geernteten Menge und dem monetären Einsparpotenzial. Eine Einzelperson kann durch circa 70 Quadratmeter den Eigenbedarf mit Obst und Seite | 82 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Gemüse decken und durch die Eigenversorgung rund 710 EUR einsparen (PH. STIERAND (e) 2014, S. 86 & BDG 2017). Bezogen auf die Kleingartenflächen Berlins könnten sich rund 430.00 Menschen saisonal selbstversorgen und dabei über 65 Mio. EUR einsparen. Brachflächen sind eine weitere Ressource Berlins. Ein Großteil von informellen Gärten in Urban Gardening- Projekten verorten sich auf ehemaligen Brachflächen (C. TOBSICH 2013, S. 56 f.). Berlin hat momentan einen Brachflächenanteil von 4.300 Hektar. Eine noch etwas größere Ausdehnung ist bei Grünanlagen mit einer Fläche von 5.667 Hektar (Senatsverwaltung Berlin (c) 2017) anzutreffen. Beide Landnutzungstypen sind im gesamte Stadtgebiet verteilt. Der im Jahr 2014 aufgelegte Berliner Landschaftsplan beinhaltet verschiedene Leitbilder, darunter das Leitbild der „produktiven Landschaft“, welches die urbane Landwirtschaft und Imkerei als einen integrativen Bestandteil der Grünflächennutzung ansieht. Begrünte Dachflächen sind in Berlin mit knapp 400 Hektar weniger ausgeprägt. Sie können zu einer gemeinnützigen Verwendung und gärtnerischen Nutzung umgestaltet sowie aus- und neugebaut werden (Ernährungsrat Berlin 2017, S. 17). Im Vergleich dazu weist der gesamte ökologische Gemüseanbau Brandenburgs eine ähnlich große Fläche (um die 400 Hektar) auf (MLUL (a) 2017). Es zeigt sich, dass Berlin neben seinen landwirtschaftlichen Flächen viele ausgewiesene und kartierte Potenziale zur städtischen Selbstversorgung aufweist und deren Ausdehnung bei gezielter Steuerung (z. B. durch Verabschiedung der entworfenen Ernährungsstrategie) weiter forciert werden könnte. Jedoch sieht WIMMER Projekte wie etwa Urban Gardening in puncto Lebensmittelversorgung als absolut nachrangig an. WIMMER und HAERLIN sehen als wichtigste Aufgabe Berlins die Schließung der Nährstoffkreisläufe an und erklären diesen Lückenschluss zur absoluten Nachhaltigkeitsfrage. Städte dürften nicht länger nur als Rohstoffverbraucher fungieren, sondern müssten diese z. B. zur Lebensmittelgewinnung zurückgeben, etwa durch die Wiedergewinnung von Phosphaten aus Abwässern. Durch den hauptsächlichen Import von Rohstoffen leben wir laut WIMMER in einer Produktionsblase, die als nachhaltiges Produktionssystem nicht fungieren kann. In Brandenburg wird die ackerbauliche Nutzfläche nicht nur zur Lebensmittel-, sondern ebenso zur Energiegewinnung genutzt. Das Bundesland beschreibt in seiner Biomassestrategie sowie in der Energiestrategie 2030 den ackerbaulichen Energiepflanzenanbau. In der erstgenannten Strategie fand eine Potenzialabschätzung unter Bezugnahme der Studie Bioenergie-Potenzial in Brandenburg der Hochschule Eberswalde statt. Das Potenzial des Energiepflanzenanbaus wird auf 300.000 Hektar geschätzt. Da Grünlandumbruch vermieden werden soll, findet die Ausdehnung auf derzeitigen Acker- und Brachflächen statt. Aktuelle statistische Erhebungen zur Flächennutzung nachwachsender Rohstoffe werden vom Statistikamt Berlin-Brandenburg nicht erfasst. Die Agentur für Erneuerbare Energie sprach für das Jahr 2011 von einer Flächennutzung von 175.177 Hektar oder 13 Prozent der landwirtschaftlichen Ackerflächen. Brandenburgs Das ackerbauliche Ertragspotenzial der Böden Brandenburgs weist einen SQR-Wert von 35 bis 60 Punkten auf. Die höchsten Bodenpunktzahlen finden sich im Osten Brandenburgs. Im Verwaltungsbezirk Märkisch- Oderland liegen die SQR-Werten bei 50 bis 60 Punkten sowie im Südwesten in den Verwaltungsbezirken Teltow-Fläming und Potsdam-Mittelmark bei 70 bis 85 Punkten. Im Durchschnitt erreichen die Böden Brandenburgs einen Wert von 52 Bodenpunkten. Der Anbau von Dauerkulturen wie Baumobstarten mit einer Flächeninanspruchnahme von 1.516 Hektar oder Erd- und Strauchbeerenanbau mit insgesamt 1.148 Hektar nehmen zusammengenommen lediglich 0,2 Prozent der landwirtschaftlichen Gesamtfläche ein. Im Bereich des Gemüseanbaus bewirtschafteten 231 Betriebe 5.712 Hektar Gesamtfläche und erzielten im Jahr 2015 eine Erntemenge von 94.533 Tonnen. Dabei

Seite | 83 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg ist zu beobachten, dass in Brandenburg der Anteil des Gemüseanbaus mit Größe der bewirtschafteten Betriebsfläche abnimmt. Der Anteil der Gemüseanbauflächen nimmt 0,43 Prozent der landwirtschaftlichen Gesamtflächen ein. Die häufigsten Anbauprodukte sind Kürbis, Kohl, Rübe, Möhre, Kartoffel und Salat. Eine Untersuchung des Landwirtschaftsministeriums Brandenburg aus dem Jahr 2017, an der 31 Prozent der ökologischen Betriebe teilnahmen, zeigt, dass Betriebe mit Gemüseanbau kleinteiliger strukturiert sind. Der Anteil der Betriebe mit Gemüseanbau, welche weniger als fünf Hektar bewirtschaften, liegt bei 24 Prozent. Bei Betrieben ohne Gemüseanbau sind es nur zwei Prozent. (MLUL (a) 2017 & MLUL (b) 2017, S. 5 f.). Gemüseanbau und der Anbau von Dauerkulturen sind in Brandenburg, gemessen an der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Gesamtfläche, unterrepräsentiert. Die regionale Vermarktung von Lebensmitteln und die Stärkung der Regionalstrukturen, etwa durch Direktvermarktung, Hofläden und andere Formen, findet unter heutigen Strukturen bei sechs bis acht Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland statt (Heinrich Böll Stiftung et al. 2018, S. 20 f.). Diese Vermarktungsstrukturen sind in der Nähe von Ballungsräumen, wie im Falle Berlins, besonders sinnvoll. Im Bundesland Brandenburg funktioniert die regionale Versorgung in den regionalen Wertschöpfungsketten durch ökologischer Betriebe laut WIMMER deutlich besser als bei konventionellen Strukturen. Ökologischer Landbau in Deutschland und Berlin-Brandenburg Im Bereich der biologischen Erzeugung werden 19.900 (7,2 Prozent) Betriebe dem ökologischen Landbau und 13.900 Betriebe der ökologischen Tierhaltung zugeordnet und bewirtschaften zusammen in Deutschland eine Fläche von 1.135,500 Hektar (6,8 Prozent der landwirtschaftlichen Gesamtfläche) (Destatis (a) 2016). Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt damit bei 33,6 Hektar. Landwirtschaftliche Betriebe können sich dabei nach der EG-Öko-Basisverordnung oder innerhalb von Verbänden zertifizieren lassen. Bekannte Verbände sind z.B. Bioland, Demeter, Naturland und Gäa. Rund 67 Prozent der Gesamtfläche werden von Verbandsbetrieben bewirtschaftet. Bei Umsatz und Erlös stehen Öko-Betriebe mit 1,8 Mrd. EUR (2015) noch weit im Schatten der konventionell wirtschaftenden Betriebe mit 43,3 Mrd. EUR (2015). Durch die Erlöse bei Lebensmittelverkäufen von 8,6 Mrd. EUR gehört die Biobranche mit circa 10 Prozent Wachstum zu den Top-Wachstumsbranchen in Deutschland (BÖWL 2017, S. 4 f.). Die Ausdehnung der ökologischen Anbauflächen ist von Bundesland zu Bundesland sehr verschieden. Ökologische Landwirtschaft fand in Brandenburg im Jahr 2016 auf 145.812 Hektar statt. Das sind circa 11 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Brandenburgs und circa die Hälfte verglichen mit dem Bundesland Bayern, wo auf 285.243 Hektar ökologischer Landbau betrieben wird. Insgesamt sind rund 600 Betriebe in der gesamten Wertschöpfungskette der ökologischen Erzeugung eingebunden. Im Vergleich mit dem Bundesland Baden-Württemberg, welches mit 151.111 Hektar in etwa die gleiche Flächenausdehnung an ökologischen Anbauflächen wie Brandenburg aufweist, sind dort jedoch 6.742 Betriebe in die gesamte Wertschöpfungskette zur Erzeugung biologischer Produkten eingebunden (BLE-Strukturdaten (a) 2016). WIMMER beschreibt die derzeitige politische Situation zur Förderung des biologischen Anbaus in Brandenburg als katastrophal. Die Politik setze seit der Wendezeit auf eine exportorientierende Landwirtschaft und habe die biologischen Anbauverfahren als unwichtige Nische angesehen. Ebenso wurde der hochproduktive Brandenburger Gemüseanbau in der Nachwendezeit aufgegeben. Erst in den letzten Jahren gebe es erste Förderungsansätze und Investitionsprogramme im Bereich der Verarbeitung, Veredlung und Verfügbarmachung der gewonnenen Rohstoffproduktion für den regionalen oder sonstigen Markt. Jedoch sei es schwer, hochspezialisierte Betriebe, die für den Weltmarkt produzieren, wieder regional ausrichten (vgl. Interview WIMMER).

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Im Rahmen der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie soll der Anteil der ökologischen Landwirtschaft bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent der gesamtdeutschen Landwirtschaftsflächen ausgedehnt werden (Die Bundesregierung (a) 2012, S. 30 und Die Bundesregierung (b) 2016, S. 67). Von dieser Zielsetzung sind neben Brandenburg auch alle anderen Bundesländer weit entfernt. Im Jahr 2015 lag der deutsche Anteil der Flächen des ökologischen Anbaus bei 6,5 Prozent. Länder wie Österreich (20,3 Prozent), Schweden (17,1 Prozent) und Estland (15,7 Prozent) sind in der Entwicklung deutlich weiter. Vorteile des ökologischen Landbaus sind dabei unbestritten. Im Unterschied zu konventionell wirtschaftenden Betrieben wird die ökologische Landwirtschaft als besonders ressourcenschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsform angesehen, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert. Hauptgedanke ist eine Bewirtschaftung im Einklang mit der Natur, bei der noch stärker als bei anderen Anbauverfahren auf geschlossene betriebliche Nährstoffkreisläufe gesetzt wird; Futtermittel und die Nährstoffgrundlagen stammen von den eigenen Betrieben, Bodenfruchtbarkeit wird gezielt erhalten und gemehrt sowie die Tierhaltung als besonders artgerecht angesehen (BMEL (g) 2017). Der EU-Agrarförderung unterstützt Agrarbetriebe mit Subventionen pro Hektar. Konventionelle Betriebe erhalten aus der 1. Säule der EU-Förderung pro Hektar 175 EUR, ebenso die ökologisch wirtschaftenden Betriebe. Deutschland stehen jährlich 4,8 Mrd. EUR Fördermittel aus der 1. Säule zur Verfügung. Neben der 1. Säule besteht für Umweltmaßnahmen die weniger finanzstarke 2. Säule der EU-Agrarförderungen, die das „Programm zur Entwicklung ländlicher Räume“ (ELER) enthält und derzeit von 1,3 Mrd. EUR jährlich gespeist wird. Innerhalb der Förderprogramme werden verschiedene Maßnahmen umgesetzt, z. T. nur für ökologische Landwirtschaft, etwa durch die Umstellung- und Beibehaltungsförderung. Zusätzlich beinhaltet die GAK (Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes) einen dreijährigen Strategie- und Rahmenplan (von 2015 bis 2018) für den ökologischen Landbau. Zusätzliche erhält dieser Subventionen von 209 EUR pro Hektar (bei der Bewirtschaftung von Ackerland) bis maximal 655 EUR pro Hektar (bei der Bewirtschaftung von Dauerkulturen) (vgl. BMEL (c) 2015 S. 10; vgl. A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 23 f.). Seit 2014 fördert das Land Brandenburg den Ökolandbau durch die Richtlinie „Förderung umweltgerechter landwirtschaftlicher Produktionsverfahren und zur Erhaltung der Kulturlandschaft der Länder Brandenburg und Berlin“ (KULAP). Dabei werden die Basisförderung und weitere zusätzliche Flächenprämien für den ökologischen Landbau ausgeschüttet (vgl. A. WOLFF & H. TREU 2015, S. 24 f.). Zudem können Betriebe des Obst- und Gemüseanbaus in Brandenburg-Berlin durch das Förderprogramm „European Innovation Partnership“ (EIG-AGRI) in der Verbesserung der Vermarktungsstrukturen gestärkt werden. Für die Förderung stehen knapp über 25 Mio. EUR bereit. Bisher werden 20 Brandenburger Projekte im Rahmen von EIP-AGRI unterstützt (vgl. Land Brandenburg (c) 2017). Die zusätzlichen Beihilfen für die ökologische Landwirtschaft sind notwendig, da trotz der höheren Verkaufserlöse die ökologisch arbeitenden Betriebe durch den geringeren Gewinnerlös deutlich mehr an die die EU-Prämie gebunden sind (F. v. PAEPCKE; 2017). Um Nachhaltigkeitsziel Deutschlands mit einem zukünftigen Flächenteil von 20 Prozent ökologischer Landwirtschaft zu erreichen, muss neben den Beihilfen durch EU-Agrarsubventionen die heutige Fläche verdreifacht werden und 30.000 bis 40.000 Betriebe zu einer Umstellung bewegt bzw. Neubetriebe mit Öko-Zertifizierung errichtet werden (BMEL (h) 2017, S. 24 f.).

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Flächenfußabdruck durch Lebensmittelkonsum Momentan leben etwa sieben Milliarden. Menschen auf der Erde und müssen sich dabei aus landwirtschaftlicher Perspektive 3,3 Mrd. Hektar Wiesen und Weideland, 1,4 Mrd. Hektar Acker- und 0,2 Mrd. Hektar Dauergrünland aufteilen. Das sind etwa 38 Prozent der eisfreien Landflächen der Erde. Pro Person stehen jedem Menschen durchschnittlich 2.000 Quadratmeter Ackerland und 4.500 Quadratmeter Weideland zur Verfügung. Es wird geschätzt, dass diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 1.500 Quadratmeter absinken könnte. Im Jahr 2016 wurden weltweit 43 Prozent der gesamten Getreideerzeugnisse für Lebensmittel aufgewandt und die restlichen Mengen für Futtermittel (36 Prozent) und sonstige Nutzung (21 Prozent) (vgl. Zukunftsstiftung Landwirtschaft 2016, S. 6 f., vgl. S. HÖNLE & T. MEIER 2016, S. 12). In Deutschland werden dagegen 61 Prozent zur Produktion von tierischen Lebensmittel und nur 32 Prozent für die Erzeugung von pflanzlichen Lebensmitteln genutzt (PH STIERAND 2014, S. 19). Deutschland weist eine hohe tägliche Kilokalorienaufnahme von durchschnittlich 3.500 Kilokalorien pro Person auf. Die DGE spricht sich für eine gesunde Lebensweise von täglich 2.050 Kilokalorien (Männer 2.300 Kilokalorien, Frauen 1.800 Kilokalorien) aus (DGE (a) 2015). Auch in der Gesamtmenge der jährlich aufgebrachten 688 kg Lebensmittel pro Person liegt Deutschland deutlich vor Ländern wie Indien mit 495 kg. Die verzehrten Mengen und der Flächenfußabdruck sind daher deutlich verschieden. Der europäische Durchschnitt liegt bei 2.140 Quadratmetern, in China bei 780 Quadratmetern, in den USA bei 5.000 Quadratmetern und in Argentinien bei circa einem Hektar. Der deutsche Flächenfußandruck lag nach Studien des WWF im Jahr 2015 bei 2.397 Quadratmetern pro Person (vgl. Zukunftsstiftung Landwirtschaft 2016, S. 14 f. & WWF (c) 2015, S. 22). Die Größe des Flächenfußabdrucks wird dabei auch durch die Zusammensetzung der konsumierten Lebensmittel bestimmt. Lebensmittel tierischen Ursprungs haben dabei einen deutlich höheren Flächenverbrauch als Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs. Der durchschnittliche Flächenverbrauch eines Kilogramms Fleisch ist mit 157 Quadratmetern im Vergleich zu den 1,2 Quadratmetern eines Kilogramms Gemüse um das etwa 130-fache höher. Der durchschnittliche jährliche deutsche Verbrauch von 74,5 kg Kartoffeln benötigt z. B. eine Fläche von 22,3 Quadratmetern pro Person im Gegensatz zu den 290,6 benötigten Quadratmetern pro Person für den durchschnittlichen jährlichen Verzehr von 11,1 kg Rindfleisch (vgl. B. DIETSCHY 2013, S. 30 f.; BMEL (f) 2017 & S. HÖNLE & T. MEIER 2016, S. 14). Die Bevölkerung Deutschlands konsumiert jährlich durchschnittlich 688 kg Lebensmittel, was einem täglichen Verbrauch von 1,8 kg entspricht. Am häufigsten werden mit 127 kg Milchprodukte verzehrt. Es schließen sich Obst mit 116,7 kg, Gemüse mit 98,6 kg sowie Fleisch mit 88,2 kg an (BMEL (f) 2017) Insgesamt werden für diesen Verzehr landwirtschaftliche Flächen von 18,37 Mio. Hektar benötigt. Dabei nehmen pflanzliche Erzeugnisse eine Fläche von 545 Quadratmetern pro Einwohner ein und Produkte aus tierischer Herkunft 1,723 Quadratmeter, was einer Verdreifachung des Flächenverbrauchs entspricht. Bezogen auf den landwirtschaftlichen Gesamtflächenverbrauch Deutschlands benötigen pflanzliche Lebensmittel 4,42 Mio. Hektar im Vergleich zu 13,92 Mio. Hektar des tierischen Konsums (WWF (c) 2015, S. 22 f.). Lebensmittelverschwendung Wo genau Lebensmittelverschwendung bzw. Nahrungsmittelverluste beginnen und enden, wie die Verluste genau definiert werden und wie die Methodik der Erfassung der Verluste in den jeweiligen Studien aufgebaut ist, verändert die Menge der errechneten Lebensmittelabfälle. Über die Verschwendung von Lebensmitteln und deren Ausgangsrohstoffe in der Wertschöpfungskette findet man in der Wissenschaft einen breiten Konsens. Seite | 86 Lebensmittelerzeugung, -verschwendung und -flächenfußabdrücke in Deutschland und Berlin-Brandenburg

Verschiedene Studien zeigen, wie groß die Lebensmittelverschwendung ist und wo sie stattfindet. Die FAO Studie Global Food Losses and Food Waste aus dem Jahr 2011 spricht von einem Drittel produzierter Lebensmittel (1,3 Mrd. Tonnen pro Jahr), die verloren gehen. Eine EU-Studie im Rahmen des FUSION- Projektes aus dem Jahr 2016 gibt an, dass im Jahr 2012 durch die EU-28 Mitgliedsstaaten 88 Mio. Tonnen Lebensmittelabfälle entstanden sind. Bei einem Lebemittelverbrauch von 865 kg je EU-Einwohner im Jahr gelten somit davon 173 kg als Verlust. Dabei spielen die privaten Haushalte mit 46,5 Mio. Tonnen (53 Prozent) und der verarbeitende Sektor mit 16,9 Mio. Tonnen (19 Prozent) die größte Rolle. Der wirtschaftliche Schaden wird dabei auf 143 Mrd. EUR geschätzt (eurostate (a) 2017). Die Studie Saving Water From Field to Fork aus dem Jahr 2008 zeigt den Kilokalorienverlust pro Tag in der Wertschöpfungskette auf. Bei einer Produktion von rund 4.600 Kilokalorien essbarer Erntemenge gehen rund 50 Prozent der produzierten Kilokalorien verloren. Der WWF weist in seiner Studie Das grosse Wegschmeissen aus dem Jahr 2015 rund 18 Mio. der insgesamt 54 Mio. Tonnen produzierter Lebensmittel in Deutschland als Verluste aus. Davon sind aus technischen Gründen (Atmungs-, Kühl-, Koch-, Säuberungs- und Schnittverluste) 8 Mio. Tonnen nicht vermeidbar. Insgesamt handelt es sich um eine Anbaufläche von 2,6 Mio. Hektar. oder 320 Quadratmetern pro Person, größer als das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, die ungenutzt verloren geht. Eine Studie der Universität Stuttgart errechnete mit durchschnittlich 11 Mio. Tonnen ähnliche Größenordnungen. Gründe sind die Abnahme der Verbrauchsausgaben für Ernährung, das Überangebot an Lebensmitteln, zunehmende Entfremdung, zunehmende Mobilisierung, Flexibilisierung und Beschleunigung des Alltags und soziodemographische Veränderungen (Zunahme von Ein-Personen- Haushalten, Verstädterung, zunehmende soziale Disparitäten) (M. KRANERT et al. 2012, S. 217). Der BMEL Ernährungsreport aus dem Jahr 2017 zeigt auf, dass jedes zwanzigste Lebensmittel (5 Prozent) nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums sofort entsorgt wird. (BMEL (j) 2017 S. 18).

Seite | 87 Methodenbeschreibung 4. Methodenbeschreibung 4.1 Ziel der Untersuchung Ziel ist die Ermittlung der landwirtschaftlichen Flächeninanspruchnahme Berlins sowie des brandenburgischen Umlands in vorher definierten Gebietskulissen durch die Analyse verschiedener Ernährungsstile bezogen auf die Bevölkerungsgröße Berlins und die umliegenden Regionen. Hierfür findet eine Ermittlung der spezifischen Flächenverbräuche (land footprints) für die jeweiligen Ernährungsszenarien (pro Person und Jahr) durch abgeleitete Lebensmittelgruppen in der Flächeneinheit Quadratmeter statt. Zur Illustration des landwirtschaftlichen Flächenverbrauchs wird eine Hochrechnung der Szenarien auf die Gesamtbevölkerung je Region im Vergleich mit den zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen in der jeweils definierten Region durchgeführt. Weiter werden neben dem landwirtschaftlichen Lebensmittelanbau auch urbane Flächenpotenziale (z. B. Kleingärten), Lebensmittelverluste und der Energiepflanzenanbau miteinbezogen. 4.2 Methodisches Vorgehen Als Grundlage findet die Sammlung von Daten aus der Literatur- und Internetrecherche zur Bearbeitung folgender Punkte statt:

· Recherche der verschiedenen Ernährungsszenarien · Recherche der Lebensmittelgruppen, die den Ernährungsszenarien zu Grunde liegen · Recherche der Flächenverbräuche der jeweiligen Lebensmittelgruppen zur Einschätzung des Verhältnisses von Quadratmetern pro Kilogramm · Recherche der Kilokalorien-Angaben der jeweiligen Lebensmittelgruppen zur Erfassung der Einschätzung des Verhältnisses von Quadratmetern pro Kilokalorien · Recherche der Gebietskulissen unter dem Kriterium der Regionalität Für die Erstellung der Gebietskulissen ist die Aufbereitung von Geodaten durch das Geoinformationsprogramm ArcGIS121 notwendig. Folgende Punkte werden erhoben:

· Erstellung der Umkreise für die definierten Regionen · Ermittlung der Einwohnerzahlen in den definierten Regionen auf Ebene der Gemeinden · Ermittlung der landwirtschaftlichen Flächen (Ackerflächen, Dauergrünland und Dauerkulturen) in den definierten Regionen und urbanen Flächenpotenzialen (Brach- und Grünflächen sowie Flächen der Kleingärten und Dachbegrünung) Berlins Am Schluss werden die gesammelten Daten für folgende Analysen zusammengeführt:

· Erstellung der Ernährungsszenarien einschließlich der Flächenfußabdrücke (Quadratmeter/Kilogramm) und Kilokalorien-Größen (Quadratmeter/Kilokalorien) · Zusammenführung der statistischen sowie der in ArcGIS erstellten Daten zu landwirtschaftlichen Flächen, urbanen Flächenpotenzialen und Einwohnerzahlen mit den Ernährungsszenarien · Ermittlung des Selbstversorgungspotenzials je Ernährungsszenario in Umrechnung auf die zur Verfügung stehende landwirtschaftlichen Fläche je definierter Region · Erstellung eines Querschnittszenarios zur Erfassung der derzeitigen Ernährungssituation in Deutschland · Ermittlung der Flächeninanspruchnahme durch Lebensmittelverluste und des Energiepflanzenanbaus in den definierten Regionen

121 Genutzt wird die ArcGIS-Version 10.5.1. Seite | 88 Methodenbeschreibung

4.3 Erstellung der Ernährungsszenarien 4.3.1 Auswahl der Lebensmittelgruppen

In der vorliegenden Arbeit werden verschiedene Ernährungsszenarien als Grundlage für die Berechnungen der jeweiligen Flächenverbräuche (in Quadratmetern) pro Einwohner in den definierten Regionen herangezogen. Die in den Szenarien vorhandenen Lebensmittelgruppen setzen sich aus der Recherche der Nationalen Verzehrsstudie (NVS) II 2008 (BMEL (e) 2008), dem Kursbuch Agrarwende 2050 von Greenpeace (2017 Greenpeace (b) (2017), Studien des WWF zum Flächenfußabdruck Deutschlands (WWF (c) 2015 und WWF (d) 2015) sowie den Vorgaben der Ernährungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der Organisation ProVeg e. V., ehemals VEBU, zusammen. In den Studien und Ernährungsempfehlungen wird in leicht abgewandelter Form von identischen Lebensmittelgruppen ausgegangen. Es kann dabei zwischen pflanzlichen und tierischen Lebensmittelgruppen unterschieden werden: Pflanzliche Lebensmittelgruppen:

· Getreideerzeugnisse · Kartoffelerzeugnisse · Reis · Hülsenfrüchte · Zuckererzeugnisse · Gemüse · Obst122 · Öle und Fette · Schalenfrüchte Tierische Lebensmittelgruppen:

· Fleischerzeugnisse mit Klassifizierung in o Rindfleisch o Schweinefleisch o Geflügelfleisch o Sonstiges Fleisch (Schaf-, Ziegen, Pferdefleisch sowie Innereien) · Fischerzeugnisse · Milcherzeugnisse123 · Eier Getränkegruppen wie Kaffee, Tee u. Ä. werden auf Grund ihrer Importabhängigkeit sowie der hier reinen Fokussierung auf essbare Lebensmittel nicht mit in die Betrachtung aufgenommen.

122 Darunter fallen Marktobst, Zitrusfrüchte und Trockenobst. 123 Darunter fallen Frischmilcherzeugnisse (darunter Sauermilch- und Milchmischgetränke), Sahneerzeugnisse, Kondensmilcherzeugnisse, Vollmilchpulver, Magermilchpulver, Ziegenmilch, Käse (darunter Frischkäse). Seite | 89 Methodenbeschreibung

4.3.2 Auswahl der Ernährungsszenarien

Die gewählten Ernährungsszenarien bilden verschiedene Möglichkeiten der Ernährung ab. Aufgenommen wurden folgende Ernährungsweisen: Status quo: Eigenständig erstelltes Ernährungsszenario. Die jährlichen Lebensmittelverbräuche stammen aus statistischen Erhebungen des BMEL (BMEL (f) 2017) mit einer Datengrundlage aus dem Jahr 2015. WWF: Einbezug tierischer und pflanzlicher Lebensmittelgruppen unter Berücksichtigung des Ernährungsverhaltens eines durchschnittlichen Bundesbürgers und einer durchschnittlichen Bundesbürgerin. Die Datengrundlage stammt aus dem Jahr 2012. Bei den Studien handelt es sich um eine Bestandsaufnahme der verzehrten Menge Nahrungsmittel je Lebensmittelgruppe (in Kilogramm) sowie die dahinterstehenden Flächenverbräuche. Als Quellengrundlage dienen die 2015 erstellten WWF-Studien Das grosse Fressen (WWF (c) 2015) sowie die Studie Nahrungsmittelverbrauch und Fußabdrücke des Konsums in Deutschland (WWF (d) 2015). Dieses Ernährungsszenario dient durch die Ähnlichkeit der Lebensmittelverbräuche als Vergleichsindikator zur Erstellung der Flächenfußabdrücke des Status-quo-Szenarios. DGE-Empfehlung: Die Empfehlung der DGE umfasst bis auf wenige Ausnahmen (kein Einbezug von Reis, Hülsenfrüchten und Schalenfrüchten) gleichartig die Lebensmittelgruppen des Status quo-Szenarios. Die DGE empfiehlt jedoch einen stark reduzierten wöchentlichen Fleischkonsum (DGE (b) (2017). Im August 2017 aktualisierte die DGE ihre Empfehlung, wonach Obst, Gemüse und Vollkornprodukte zu den bevorzugten Lebensmittelgruppen der täglichen Ernährung zählen und ausreichend Milch- und Fischprodukte verzehrt werden sollten. Ergänzend sollte weiterhin nur wenig Fleisch konsumiert werden. Bei der Aufnahme von Fetten ist auf gesundheitsfördernde Produkte zu achten, also in erster Linie pflanzliche Fette wie Rapsöl und daraus hergestellte Streichfette. Besonders zuckerreiche Lebensmittel und Getränke sollten ebenso wie salzreiche Produkte vermieden werden. Hervorgehoben wird die Empfehlung, ausreichend Wasser zu trinken und Nahrungsmittel schonend zuzubereiten. Eine Aktualisierung in den täglichen Mengenangaben, die zur Berechnung des Flächenfußabdrucks dienen, fand dabei nicht statt (vgl. DGE (c) 2017 & vgl. TAZ 2017). ProVeg-Empfehlung vegetarisch: Die ovo-lacto-vegetarische Ernährungsempfehlung des ProVeg Deutschland e. V. schließt tierische Produkte wie Vogeleier und Milchprodukte mit ein, Fleisch- und Fischprodukte sowie Zuckererzeugnisse jedoch aus (ProVeg (c) (2017). ProVeg-Empfehlung vegan: Bei dieser Ernährungsempfehlung werden nur Erzeugnisse aus der pflanzlichen Lebensmittelgruppe einbezogen (ausgenommen sind Zuckererzeugnisse) (ProVeg (b) (2017). 1 fleischfreier Tag pro Woche: Dieses Szenario geht vom Status quo-Szenario aus und reduziert die wöchentliche Fleischmenge um 14 Prozent. Da sich die aufgenommenen Kilokalorien weit oberhalb derer der DGE-Empfehlung bewegen, muss dieses nicht mit einer Erhöhung in anderen Lebensmittelgruppen substituiert werden. Es folgt eine Senkung der Kilokalorien-Aufnahme durch Fleischerzeugnisse von 416,70 auf 358,40 Kilokalorien pro Woche. 2 fleischfreie Tage pro Woche: Dieses Szenario orientiert sich ebenso am Status quo-Szenario und reduziert die Fleischmenge um 28 Prozent pro Woche. Ebenso liegt die Kilokalorien-Aufnahme oberhalb der DGE Empfehlung und muss nicht substituiert werden. Es folgt eine Senkung der Kilokalorien-Aufnahme durch Fleischerzeugnisse von 416,70 auf 300 Kilokalorien pro Woche. 3 fleischfreie Tage pro Woche: Dieses Szenario orientiert sich ebenso am Status quo-Szenario und reduziert die Fleischmenge um 43 Prozent pro Woche. Ebenso liegt die Kilokalorien-Aufnahme oberhalb der DGE Empfehlung und muss nicht substituiert werden. Es folgt eine Senkung der Kilokalorien-Aufnahme durch Fleischerzeugnisse von 416,70 auf 237,50 Kilokalorien pro Woche. Seite | 90 Methodenbeschreibung

Tabelle 3: Übersicht der Lebensmittelverbräuche des jeweiligen Ernährungsszenarios in kg/Jahr pro Person in Deutschland

ProVeg-Empfehlung ProVeg-Empfehlung 1 fleischfreier 2 fleischfreier 3 fleischfreier Lebensmittelgruppen Status-quo 2015 WWF-Studien DGE-Empfehlung vegetarisch vegan Tag/Woche Tag/Woche Tag/Woche Getreideerzeugnisse 79,0 96 91 64 135 79 79 79 Kartoffelerzeugnisse 71,7 71 82 100 100 72 72 72 Reis 5,4 5,30 n/a 29 14 5,40 5,40 5,40 Hülsenfrüchte 0,9 0,40 n/a 41 47 0,90 0,90 0,90 Zuckererzeugnisse 49,2 48 11 n/a n/a 49 49 49 Gemüse 98,6 95 146 146 146 99 99 99 Obst 116,7 111 91 110 91 103 103 103 Öle und Fette 19,4 20 13 11 15 19 19 19 Schalenfrüchte 3,9 n/a n/a 16 47 4,70 4,70 4,70 Fleisch 88,2 87 24 n/a n/a 76 64 50 Fisch 13,9 14 32 n/a n/a 14 14 14 Milcherzeugnisse 127,0 119 102 91 n/a 85 85 85 Eier 14,4 13 11 25 n/a 14 14 14 Eier Stück 233,0 n/a n/a n/a n/a 233 233 233 Gesamtverbrauch 688 679 603 633 595 621 609 596 kg/Jahr:

Quellen: Status Quo-Szenario: Verbrauch von Nahrungsmitteln je Kopf (BMEL (f) (2017) WWF-Studien: WWF-Studien Das grosse Fressen (WWF (c) 2015) sowie Nahrungsmittelverbrauch und Fussabdrücke des Konsums in Deutschland (WWF (d) 2015) DGE-Empfehlung: DGE-Ernährungskreis (DGE (b) (2017) ProVeg-Empfehlung vegetarisch: Vegetarische Ernährungspyramide (ProVeg (a) (2017) ProVeg-Empfehlung vegan: Vegane Ernährungspyramide (ProVeg (b) (2017) 1 bis 3 fleischfreie Tage/Woche: basierend auf dem Status quo-Szenario

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4.3.3 Beschreibung der Berechnung der Kilokalorien

Die Berechnung der Kilokalorien-Angaben, die zur Kontrolle der Hochrechnung der jeweiligen Szenarien dient, wird durch die Kilokalorien-Energiezufuhr pro Person der aufgenommenen Szenarien auf eine nachweisbare und qualitative Aussage hin geprüft. Weiterhin kann damit eine Hochrechnung des Kilokalorien-Outputs je Quadratmeter und Lebensmittelgruppe errechnet werden, was Vergleiche zwischen pflanzlichen und tierischen Lebensmittelgruppen zulässt. Die tägliche Mindestzufuhr an Kilokalorien liegt nach DEG-Empfehlungen bei Männern bei circa 2.300 Kilokalorien und bei Frauen bei circa 1.800 Kilokalorien. Um eine Vergleichbarkeit beider Geschlechter in diese Arbeit vornehmen zu können, wird der Durchschnittswert von 2.050 Kilokalorien als Prüfwert für alle Szenarien betrachtet (DGE (a) 2015). Um den Lebensmittelgruppen die jeweiligen Erzeugnisse zu hinterlegen, wurde sich an der NVS II (BMEL (e) 2008), dem Saisonkalender des Bundesverbands der Verbraucherzentrale für Obst und Gemüseerzeugnisse sowie den Ernährungsempfehlungen von DGE und ProVeg orientiert. Die Kilokalorien- und Kilojoule-Angaben wurden den Nährwerttabellen aus dem IVB-Internetportal (IVB 2017) entnommen, welches zur Datengrundlage auf folgende Quellen verweist:

· Heseker/Heseker: Die Nährwerttabelle. Hg. v. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. 3. Auflage 2014/2015. an der Weinstraße: Neuer Umschau Buchverlag · Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE): Vollwertige Ernährung · Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) · Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BmEL) Die detaillierte Auflistung der Erzeugnisse je Lebensmittelgruppe ist im Anhang ersichtlich. 4.3.4 Beschreibung der Berechnung Flächenfußabdrücke

Die Berechnung der Flächenfußabdrücke der jeweiligen Lebensmittelgruppen wird durch das Verhältnis von verbrauchter Fläche in Quadratmetern zum Gewicht der produzierten Lebensmittel in Kilogramm bestimmt. Dieser Wert sagt aus, wieviel Quadratmeter terrestrischer Landfläche für die Erzeugung eines Produktes in Kilogramm notwendig sind. In dieser Arbeit wird sich dabei nicht auf einzelne Produkte, sondern auf die übergeordneten Lebensmittelgruppen bezogen. Die Flächenfußabdrücke werden damit den Lebensmittelgruppen zugeordnet. Als Quellengrundlage zur Ermittlung dieser dienen Destatis (b) (2017), Destatis (c) (2017), UBA (b) (2014), HÖNLE S. E., MEIER T. (2016), MEIER T. (2013), WWF (c) (2015) und WWF (d) (2015). Die aus der Literatur gebildeten Flächenfußabdrücke werden durch die Bildung des arithmetischen Mittels zu einem eigenen Wert zusammengefasst.

Tabelle 4: Flächenfußabdrücke der jeweiligen Lebensmittelgruppen in Quadratmeter/Kilogramm (eigene Berechnung) Lebensmittelgruppe Durchschnittlicher Flächenfußabdruck in m²/kg Getreideerzeugnisse 2,00 Kartoffelerzeugnisse 0,27 Reis 2,00 Hülsenfrüchte 6,05 Zuckererzeugnisse 2,64 Gemüse 0,39 Obst 0,79 Öle und Fette 8,52 Nüsse und Samen 4,80 Fleischerzeugnisse 15,71 Fischerzeugnisse 0,54 Milcherzeugnisse 7,10 Eier 4,98 Seite | 92 Methodenbeschreibung

4.3.5 Beschreibung der Berechnung der Lebensmittelverluste

Auf Grundlage der Studien des WWF (a) Das grosse Wegschmeissen (2015) und der Universität Stuttgart (2012) zu weggeworfenen Lebensmitteln findet eine Berechnung der Lebensmittelverluste pro Region statt. Der WWF geht in seiner Studie davon aus, dass es in Deutschland zu Lebensmittelverlusten von 18 Mio. Tonnen pro Jahr kommt. Davon sind 8 Mio. Tonnen durch verschiedene Arbeitsschritte entlang der Wertschöpfungskette nicht vermeidbar, 10 Mio. Tonnen werden als vermeidbar klassifiziert. Die Wertschöpfungskette setzt sich dabei aus Prozessverlusten, Verteilungsverlusten im Groß- und Einzelhandel, Verlusten bei Großverbrauchern und Verlusten bei Endverbrauchern und Endverbraucherinnen zusammen. Die nachfolgende Tabelle 5 skizziert die Verbräuche der einzelnen Wertschöpfungsstufen.

Tabelle 5: Flächenbedarf vermeidbarer Lebensmittelverluste in Deutschland (WWF (a) 2015, S. 12) Anteil der Verluste in Anteil der Verluste Anteil der Verluste Prozent Quadratmeter pro Mio. ha Person/Jahr Prozessverlust 2,33 7,5 0,06 Verteilungsverluste Groß- 12,79 40,9 0,33 und Einzelhandel GroßverbraucherInnen 27,16 86,9 0,70 EndverbraucherInnen 57,72 184,7 1,48 Gesamt 100 320 2,57 Für die Berechnung der Flächenverbräuche durch Lebensmittelverluste in den einzelnen Regionen wird die Bevölkerungsgröße der jeweiligen definierten Region anhand der ermittelten 320 Quadratmeter hochgerechnet. Die Gesamtsumme wird im Anschluss den zur Verfügung stehenden Anbauflächen entzogen. Die entstehende Gesamtsumme lässt Rückschlüsse auf die vermeidbaren landwirtschaftlichen Flächenverluste zu. 4.3.6 Beschreibung der Querschnittsberechnung

Um eine Verbindung verschiedener Ernährungsverhalten und damit eine bessere Aussagekraft in Bezug auf die tatsächliche Verteilung in der Bevölkerung zu generieren, werden die Ernährungsszenarien Status quo, DGE, ProVeg vegetarisch sowie ProVeg vegan in einem Querschnitt zusammengefasst. Im Rahmen aktueller Ernährungserhebungen (BMEL (g) 2016, TK 2017, RKI 2016, S. 2 & GfK 2016, S. 1) werden die Anteile fleischbetonten Ernährungsverhaltens auf 84 Prozent, flexitarischen Ernährungsverhaltens124 auf 13 Prozent, vegetarischen Ernährungsverhaltens auf 2 Prozent und veganen Ernährungsverhaltens auf ein Prozent geschätzt. Flexitarisches Ernährungsverhalten wird durch das Szenario der DGE dargestellt. Im Rahmen einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wurde der Anteil flexitarischer Haushalte auf 37 Prozent und vegetarischer Haushalte auf 5,1 Prozent geschätzt (GfK 2016, S. 1). Eine Umfrage im Rahmen einer Studie des Robert-Koch-Instituts im Jahr 2016 zur Ermittlung vegetarischer Haushalte ergab, dass etwa 4,3 Prozent aller Deutschen vegetarisch leben (RKI 2016, S. 2). In einer Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2017 (siehe Kap. 2.6.5) ergibt sich eine Zusammensetzung in der Bevölkerung aus 2 Prozent Veganern und Veganerinnen, 10 Prozent Vegetariern und Vegetarierinnen, 18 Prozent Flexitariern und Flexitarierinnen und einer Gruppe mit fleischbetonter Ernährung von 70 Prozent (Greenpeace (b) 2017, S. 44). Da sich die Zahlen zum Teil stark unterscheiden, werden Durchschnittswerte zur Berechnung der Querschnittsberechnung angenommen.

124 Flexitarier, oder Teilzeitvegetarier versuchen weitestgehend auf Fleisch- und Wurstwaren zu verzichten, verzichten auf diese jedoch nicht gänzlich, anders als bei einer vegetarischen oder veganen Ernährungsweise. (vgl. TK 2017 S. 10). Seite | 93 Methodenbeschreibung

Tabelle 6: Querschnitt der Ernährungsweisen und Bevölkerungsanteile in den Regionen 1.1, 1.2, 2 und 3 Vegetarier Fleischbetont Flexitarier Veganer (ProVeg (ProVeg (Status quo) (DGE) vegan) vegetarisch) Verteilungs- 70,15 % 23 % 5,35 % 1,5 % verhältnis Bevölkerungs- anteil Region 1.1 2.469.301 809.607 188.322 52.800 und 1.2 Bevölkerungs- 3.475.738 1.139.586 265.078 74.321 anteil Region 2 Bevölkerungs- 4.318.894 1.416.031 329.381 92.350 anteil Region 3 Ableitend daraus werden die jeweiligen Flächenfußabdrücke der jeweiligen Ernährungsszenarien als Grundlage für die Berechnung des kumulierten Flächenbedarfs je Region herangezogen. Die Erstellung der Gebietskulissen Region 1.1 bis Region 3 wird in Kap. 4.5 dargestellt. 4.3.7 Beschreibung des Einbezugs des Energiepflanzenabbaus

Um eine Berechnung der Auswirkungen des Energiepflanzenanteils auf die regionale Lebensmittelproduktion in Brandenburg vorzunehmen, wird die Anbaugröße des Energiepflanzenanbaus bestimmt und auf die Regionen 2 und 3 angewandt. Durch das Auslaufen der Energiepflanzenprämie aus dem Jahr 2008 gestaltet sich diese Berechnung jedoch schwierig, da Bundesländer keine offiziellen Statistiken zum Energiepflanzenanbau führen müssen. Daher ist eine genaue Ableitung aus den statistischen Jahrbüchern Brandenburgs zur Anbaugröße von Nutzpflanzen zur Energiegewinnung nicht möglich. Aus diesem Grund wird auf die Erhebung der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE 2013) aus dem Jahr 2011 zurückgegriffen, in der 175.177 Hektar als genutzte landwirtschaftliche Flächen für den Energiepflanzenabbau in Brandenburg genannt werden. Inwieweit diese Zahl im Jahr 2018 noch aktuell ist, kann nicht ermittelt werden. Um eine Annährung zu schaffen, wird im Folgenden der Maisanbau in Brandenburg aus dem Jahr 2011 mit dem des Jahres 2015 verglichen. Im Jahr 2011 wurden 51.000 Hektar Mais für Biogasanlagen genutzt, was knapp 26 Prozent des gesamten Maispflanzenanbaus (191.000 Hektar) entspricht. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015 rund 198.900 Hektar Mais in Brandenburg angebaut. Legt man hier die 26 Prozent aus dem Jahre 2011 zu Grunde, erhöht sich die Anbaufläche für Mais zur Energieerzeugung im Jahr 2015 um 700 Hektar und ist damit nahezu konstant (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 369 & AEE (b) 2013, S. 38). Es kann davon ausgegangen werden, dass die Anbaumenge von Energiepflanzen in Brandenburg in etwa gleichgeblieben ist. Gemessen an der ackerbaulichen Gesamtflächengröße von 1.021.00 Mio. Hektar (Stand 2015), nehmen die 175.177 Hektar der AEE-Studie aus dem Jahr 2011 etwa 17,16 Prozent ein. Übertragen auf die Region 2 mit 206.104 Hektar landwirtschaftlicher Ackerflächen und den 843.434 Hektar der Region 3 bedeutet dies eine Flächenreduzierung zur regionalen Versorgung von knapp 35.367 Hektar in Region 2 und 144.733 Hektar in Region 3. Im Gegensatz zu Brandenburg liegen für Berlin keine Daten zu Flächen für den Anbau von Energiepflanzen vor. Daher werden die Regionen 1.1 und 1.2 nicht beachtet.

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Tabelle 7: Zusammenfassung der landwirtschaftlichen Nutzflächen abzüglich Energiepflanzenanbaus in der Region 2 und 3 Ackerbauliche Geschätzter Ackerbauliche Nutzfläche zur Regionen Energiepflanzenanteil Nutzfläche in ha Lebensmittelproduktion in ha in ha Region 2 206.104 35.367 250.534 Region 3 843.434 144.733 698.701 4.4 Datengrundlage zur Erstellung der Gebietskulissen Die Erstellung der Gebietskulissen wurde mit dem Programm ArcGIS, Version 10.5.1 vom Softwarehersteller ESRI durchgeführt. Mit ArcGIS werden geographische Informationen erfasst, organisiert und analysiert. Folgende Informationen mussten für die Erstellung der Gebietskulissen aufgenommen werden: 1. Übersichtskarte von Berlin, Brandenburg sowie angrenzender Bundesländer, auf der die Grenzen der jeweiligen Bundesländer, Regierungsbezirke und Landkreise ersichtlich sind. Hierfür wurde auf die Kartengrundlagen Verwaltungskarte Deutschland (Länder, Regierungsbezirke, Kreise), welche als Open Data durch das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) zur Verfügung gestellt wird, zurückgegriffen (BKG (a) 2017) 2. Übersichtskarte der Bezirke Berlins sowie der Gemeinden und Städte Brandenburgs, einschließlich der jeweiligen Einwohnerzahlen, für die Abschätzung der in den definierten Raumgrößen lebenden Menschen. Hierfür wurde auf die Kartengrundlagen Verwaltungsgebiete mit Einwohnerzahlen 1:250 000 - Stand 31.12.2015, welche ebenfalls als Open Data durch BKG zur Verfügung gestellt wird, zurückgegriffen (BKG (b) 2017) 3. Zur Erstellung der Radien von 50 und 100 Kilometern wurde der Mittelpunkt Berlins mit den Koordinaten 52° 30′ 10.4″ N, 13° 24′ 15.1″ E bestimmt (GeoHack 2017 & WELT 2002) 4. Zur Ermittlung der landwirtschaftlichen Flächen Ackerland, Dauergrünland und Dauerkulturen wurden für die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf verschiedene Datensätze zurückgegriffen. Rein auf Berlin bezogen wurden die Gebietskulissen von Kleingärten, Brachflächen, Grünflächen und Dachgrünflächen erhoben Berlin und Brandenburg: Für Ermittlung der landwirtschaftlichen Flächen in Berlin und Brandenburg wurde das Digitale Feldblockkataster (DFBK) genutzt. Dabei handelt es sich um ein landwirtschaftliches Flächenkataster. Es enthält alle landwirtschaftlich genutzten und förderfähigen Flächen Brandenburgs und Berlins einschließlich ihrer Lage, Größe und weiterer Informationen (LGB 2017). Berlin: Nutzung der Open Source WFS-Daten durch den Geodatenkatalog FIS Broker zum Bezug der Geodaten für die Landnutzungstypen Kleingärten, Brachflächen, Grünflächen und Dachgrünflächen. Eine spezifische Illustration der Lage der jeweiligen Flächen wurde durch ArcGIS realisiert. Dieses gelang nicht bei Flächen der Dachbegrünung, hier konnte nur die Gesamtfläche ermittelt werden (Senatsverwaltung Berlin (e) 2017). Mecklenburg-Vorpommern: Nutzung des Feldblockkatasters MV, durch das Geoportal Mecklenburg-Vorpommern als WFS zur Verfügung gestellt (GeoPortal.MV 2017). Sachsen-Anhalt und Sachsen: Auf Grund nicht frei zugänglicher Geodaten wurde auf die Open Source CORINE Land Cover 10 Hektar Geodaten des BKG zurückgegriffen. Durch CORINE wird eine Beschreibung der Landschaft im Vektorformat unter der Nomenklatur der CLC-Klassen dargestellt, welche einerseits die Landbedeckung wiederspiegeln und andererseits auch Aspekte der Seite | 95 Methodenbeschreibung

Landnutzung beinhalten. Grundlage für CLC10 ist das Landbedeckungsmodell Deutschlands aus dem Jahr 2012 (LBM-DE2012) mit seiner detaillierten Gliederung in Landbedeckung (LB) und Landnutzung (LN) auf der Mindestgröße von einem Hektar. Aus den Kombinationen von LB und LN werden eindeutige CLC-Klassen abgeleitet („CLC2012“). Diese Daten werden für CLC10 anschließend auf eine Größe von zehn Hektar generalisiert. Als Datengrundlagen zur Bewertung der landwirtschaftlichen Flächen dienen die CLC-Klasse 211 (Nicht bewässertes Ackerland), 231 (Wiesen und Weiden) sowie 242 (Komplexe Parzellenstrukturen125) (BKG (c) 2017). 4.5 Definition der Gebietskulissen Der Untersuchungsraum erstreckt sich über drei definierte geographische Räume. Dabei wird die Landhauptstadt Berlin innerhalb ihrer Verwaltungsgrenzen betrachtet. Aufgrund der Annahme, dass das Selbstversorgungspotenzial Berlins nicht ausreicht, werden zwei weitere geographische Teilräume über die Verwaltungsgrenzen Berlins hinaus mit einbezogen. Um den Bezug zum Begriff Regionalität zu wahren, ergeben sich die Teilräume aus der Definition zur Regionalität im Kap. 2.1. Es werden die beschriebenen Radien von 50 und 100 Kilometer genutzt, wobei der zentrale Stadtkern als Ausgangspunkt definiert wird. Innerhalb des 50 Kilometer-Radius werden ausschließlich Verwaltungsgebiete von Berlin-Brandenburg in die Berechnung einbezogen. Daneben werden im 100 Kilometer-Radius auch benachbarte Bundesländer, jedoch nicht die Landesfläche Polens, einbezogen. In der weiteren Arbeit werden die jeweiligen Gebietskulissen als „Region“ bezeichnet. Der Untersuchungsraum Berlin teilt sich in die Region 1.1 und 1.2, der 50 Kilometer-Radius in Region 2 und der 100 Kilometer-Radius in Region 3 auf. 4.5.1 Region 1.1

In der Region 1.1 wird die Stadt Berlin in ihren Landesgrenzen betrachtet. Die Gesamtfläche (Stand: 31.12.2015) beträgt 891 Quadratkilometer und die Einwohnerzahl (Stand: 31.12.2015) 3.520.031 Mio. Die landwirtschaftlichen Flächen haben eine Flächenausdehnung von 3.861 Hektar. Ackerflächen weisen dabei 2.482 Hektar, Grünland 1.374 Hektar und Dauerkulturen fünf Hektar auf. Auf einen Quadratmeter landwirtschaftliche Nutzfläche entfallen 91.169 Bewohner. 4.5.2 Region 1.2

Die Gebietskulisse der Region 1.2 bezieht sich ebenfalls auf die Landesgrenzen Berlins. Im Unterschied zu Region 1.1 werden zusätzlich zu den landwirtschaftlichen Flächen Kleingärten (2.990 Hektar), Brachflächen (4.380 Hektar), Grünflächen (4.593 Hektar) und Flächen mit Abbildung 35: Lage Gebietskulisse Region 1.1 und Region Dachbegrünung (400 Hektar) aufgenommen. In Summe 1.2 Berlin (eigene Darstellung) erweitert sich die zu betrachtende potenzielle Anbaufläche auf 16.224 Hektar. Auf einen Quadratkilometer aller Landnutzungstypen entfallen 21.696 Bewohner.

125 Unter die Definition komplexe Parzellenstrukturen fallen auch Dauerkulturen (THIEMANN 2009). Seite | 96 Methodenbeschreibung

4.5.3 Region 2

Ausgehend vom Mittelpunkt Berlins wird ein Radius von 50 Kilometern gezogen. Die Gebietskulisse der Region 2 umfasst somit neben der Stadt Berlin auch Landkreise Brandenburgs. Die einbezogenen Landkreise und Gemeinden sind dem Anhang zu entnehmen. Die Gesamtfläche der Region 2 umfasst 7.851 Quadratkilometer126, während sich die Einwohnerzahl auf 4.954.725 Mio. erhöht (Stand: 31.12.2015). Das landwirtschaftliche Flächenpotential umfasst insgesamt 291.831 Hektar. Davon entfallen 208.586 Hektar auf Ackerflächen, 79.176 Hektar auf Grünland und 4.069 Hektar auf Dauerkulturen. Auf einen Quadratkilometer landwirtschaftliche Nutzfläche entfallen 16.876 Bewohner.

Abbildung 36: Lage Gebietskulisse Region 2 Berlin- Brandenburg mit einem 50 km Radius (eigene Darstellung) 4.5.4 Region 3

Erneut ausgehend vom Mittelpunkt Berlins mit einem Radius von 100 Kilometern definiert sich die Gebietskulisse der Region 3. Sie umfasst daraufhin neben der Stadt Berlin auch Landkreise Brandenburgs sowie nordöstliche Landkreise Sachsen-Anhalts, einen nördlichen Landkreis Sachsens und südliche Landkreise Mecklenburg-Vorpommerns. Die einbezogenen Landkreise und Gemeinden sind dem Anhang zu entnehmen. Die Flächen des polnischen Staatsgebiets werden dabei nicht mit in die Berechnung aufgenommen. Die Gesamtfläche umfasst 29.570 Quadratkilometer127 bei einer Einwohnerzahl von 6.156.656 Mio. (Stand: 31.12.2015). Die landwirtschaftlichen Nutzflächen haben eine Flächenausdehnung von 1.324.995 Hektar. Davon entfallen 993.636 Hektar auf Ackerflächen, 323.058 Abbildung 37: Lage Gebietskulisse Region 3 Berlin- Hektar auf Grünland und 8.301 Hektar auf Dauerkulturen. Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Auf einen Quadratkilometer landwirtschaftliche Sachsen-Anhalt mit einem 100 km-Radius (eigene Nutzfläche entfallen 465 Bewohner. Darstellung)

126 Berlin 891 Quadratmeter, Brandenburg 6.933 Quadratmeter 127 Berlin 891 Quadratmeter, Brandenburg 24.492 Quadratmeter, Sachsen-Anhalt 3.265 Quadratmeter, Mecklenburg- Vorpommern 905 Quadratmeter, 16 Quadratmeter Seite | 97 Methodenbeschreibung

4.6 Methodenkritik 4.6.1 Methodenkritik an der Erstellung der Ernährungsszenarien

Die Darstellung der Lebensmittelgruppen versucht ein breitgefasstes Bild an Ernährungsmöglichkeiten abzubilden. Die Auswahl der Gruppen beruht auf Recherchen gängiger Studien (siehe Kapitel 4.3.1), kann jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da Ernährungsweisen komplex und individuell geprägt sind. Zur Annäherung an die Realität verschiedenster Ernährungsweisen wurde zusätzlich ein Querschnittsszenario berechnet. Getränke wie Kaffee, Tee und Softgetränke wurden aus Betrachtung herausgelassen, vor allem aufgrund der Annahme, dass ein Großteil dieser Produkte importiert wird und hiesige landwirtschaftliche Flächen nicht tangiert. Ein derartiger Flächenfußabdruck würde eher einen virtuellen Landverbrauch wiederspiegeln. Da jedoch eine Betrachtungsweise für die Flächen in Berlin und Brandenburg sowie der benachbarten Bundesländer angestrebt wird, wurden nur essbare Lebensmittelgruppen in die Forschungsarbeit aufgenommen. Die Ernährungsszenarien spiegeln den Flächenfußabdruck einer Person pro Jahr zur Deckung der Nahrungsbedürfnisse und der dafür benötigten Anbauflächen wieder. Jeder Lebensmittelgruppe wurde dazu ein spezifisches Quadratmeter je Kilogramm-Verhältnis zu Grunde gelegt. Dieses gibt die Fläche an, die für die Produktion von einem Kilogramm des jeweiligen Lebensmittels benötigt wird. Die berechneten Werte sind ein arithmetisches Mittel der im Kapitel 4.3.2 genannten Studien und beruhen auf unterschiedlichen Hypothesen und Annahmen. So stellen die erzeugten Größen nur ungefähre Werte dar und sind eher als Tendenz anzusehen. Zudem decken die gewählten Studien selbst nicht alle in dieser Arbeit verwendeten Lebensmittelgruppen gleichsam ab. Die Auswahl der Ernährungsszenarien wird durch die Anzahl verschiedener Ernährungsweisen als sehr umfassend angesehen. Die Institutionen DGE und ProVeg geben seit vielen Jahren Ernährungsempfehlungen heraus. In der Betrachtung wird im vegetarischen Ernährungsszenario von einer ovo-lacto-vegetarischen Ernährungsweise ausgegangen. Andere vegetarische Ernährungsformen128 werden nicht berücksichtigt. Zur Überprüfung des Status quo-Ernährungsszenarios wurde ein Szenario des WWF verwendet. Grund ist die Ähnlichkeit der Ausgangsdaten. Es konnte damit kontrolliert werden, ob die Recherche der Flächenfußabdrücke der jeweiligen Studien sowie die Erstellung der arithmetischen Mittel eine methodische Annäherung darstellen. Ein Vergleich der beiden Gesamtwerte (Status quo: 2.579 Quadratmeter pro Person und Jahr; WWF: 2.269 Quadratmeter pro Person und Jahr) zeigt insofern eine Übereinstimmung auf, als dass beide deutlich mehr als 2.000 Quadratmeter aufweisen. Es muss jedoch berücksichtig werden, dass die genutzten statistischen Daten aus unterschiedlichen Zeiträumen stammen und es so zu Differenzen kommt. Aus dem WWF-Szenario wurde aus Gründen der Vergleichbarkeit die Lebensmittelgruppe „Getränke“129 herausgerechnet. Würden die in Betrachtung aufgenommen, beliefe sich der Flächenfußabdruck durch den WWF auf 2.397 Quadratmeter. Die selbsterstellten fleischfreien Szenarien (ein bis 3 fleischfreie Tage/Woche) unterscheiden sich nur insofern vom Status-quo Szenario, dass ein geringerer Fleischkonsum angenommen wird. Ein Ausgleich durch andere Lebensmittelgruppen wurde nicht angestrebt. An Hand der Kalorienangaben ist ersichtlich, dass die aufgenommenen Mengen in allen drei Szenarien genug Energie für eine gesunde Ernährung zur

128 Bei anderen Formen der vegetarischen Ernährung kann es sich um ovo-vegetarische, lacto-vegetarische und rohvegetarische Ernährungsformen handeln (Vegucation 2014, S. 9). 129 Kakao, Kaffee, Tee Seite | 98 Methodenbeschreibung

Verfügung stellen. Als Grundlage zur täglich empfohlenen Kilokalorien-Aufnahme wurden Aussagen der DGE herangezogen (DGE (a) 2015). Die Hochrechnung der Kilokalorien je Lebensmittelgruppe dient ebenfalls als Kontrollwert. Die durchschnittliche Mindestaufnahme von 2.050 Kilokalorien am Tag (DGE (a) 2015) sollte bei keinem Ernährungsszenario unterschritten werden. Die Ermittlung der Erzeugnisse, die zur Bewertung der Lebensmittelgruppen führt, erfolgt durch die Orientierung an die Studie NVS II (BMEL (e) 2008). Dabei ist in Tabelle A 2 des zweiten Teils der NVS die Einteilung der Lebensmittelgruppen mit Beispielprodukten beschrieben. Für Obst und Gemüse wurde der Saisonkalender der Verbraucherzentrale (Verbraucherzentrale Bundesverband (b) 2017) zu Grunde gelegt. Die den Erzeugnissen zugewiesen Kilokalorien-Mengen wurden in der Gesamtbetrachtung durch die Bildung des arithmetischen Mittels auf die jeweilige Lebensmittelgruppe übertragen. Auch hier spiegeln die Werte nur eine Tendenz für die einzelnen Lebensmittelgruppen wieder und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Berechnung des Flächenbedarfs in Quadratmetern pro Kilokalorie130 kann nur als Hypothese und Tendenz angesehen werden. Die Ernte von Lebensmittelerzeugnissen und deren Kilokalorien-Wert ist abhängig von verschiedensten landwirtschaftlichen Faktoren (z. B. Zusammensetzung der Bodenstruktur) und regional unterschiedlich. Verarbeitungs- und Zubereitungsarten verändern ebenfalls die Kilokalorien- Werte. Die Berechnung der Lebensmittelverluste erfolgt nicht spezifisch auf die in den Gebietskulissen lebenden Menschen, sondern beruht auf aus Studien entnommenen Werten, bei deren Auswertung Deutschland als Gesamtheit betrachtet wurde. Eine weitere Differenzierung findet nicht statt. Es ist nach Erhebungen des Robert-Koch-Instituts anzunehmen, dass in Großstädten tendenziell mehr Vegetarier und Vegetarierinnen leben (RKI 2016, S. 1). Auch die Organisation ProVeg verortet den größten Anteil von Vegetariern und Vegetarierinnen sowie Veganern und Veganerinnen in Städten mit über 500.000 Einwohnern (ProVeg (c) 2017). Diese Annahmen finden in der Methodik der Querschnittsberechnung keine Berücksichtigung. Die Anteile der Ernährungsweisen werden gleichbedeutend für die gesamten Gebietskulissen angewandt. Die Erhebung des Energiepflanzenanteils in den definierten Gebieten kann nur eine Tendenz wiederspiegeln, da keine aktuellen Geodaten oder statistischen Erfassungen hierzu vorliegen. Dabei wurde auf Datenmaterial der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) aus dem Jahr 2011 zurückgegriffen. Inwieweit die Flächengrößen mit den heutigen Anbaugrößen übereinstimmen, wurde mittels einer Analyse der prozentualen Silomaiserträge aus den Jahren 2011 und 2015 berechnet. 4.6.2 Methodenkritik an der Datengrundlage der Gebietskulissen

Die genutzten Daten des Feldblockkataster Brandenburgs weichen in ihren Aussagen zu landwirtschaftlichen Flächengrößen leicht von den publizierten Daten des Statistikamtes Berlin-Brandenburg ab. Als Kontrollindikator kann dabei Berlin angesehen werden, da hier die komplette landwirtschaftliche Fläche erfasst wird. Dabei weist das Statistikamt eine landwirtschaftliche Fläche von 3.750 Hektar aus (Statistik Berlin-Brandenburg (a) 2017). Die selbstständig für diese Arbeit erstellte ArcGIS-Analyse weist eine Fläche von 3.861 Hektar aus. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch bei den anderen Datensätzen Abweichungen vorliegen. Nichtsdestotrotz bewegen sich diese Abweichungen in einem tolerierbaren Bereich, so dass weiterhin mit den Angaben der ArcGIS-Analyse fortgefahren wird.

130 Bestimmung Kilokalorien-Erzeugung je Quadratmeter pro Lebensmittelgruppe. Seite | 99 Methodenbeschreibung

Für die Regionen Sachsen-Anhalt und Sachsen (Region 3) müssen die landwirtschaftlichen Flächen an Hand vom BKG zur Verfügung gestellten CORINE-Daten erhoben werden. Diese Daten stammen aus dem Jahr 2012 und es werden in ihrer Methodik nur Flächen ab einer Größe von 10 Hektar erfasst. Es ist davon auszugehen, dass die in der Analyse aufgenommenen Flächengrößen von den derzeitigen landwirtschaftlichen Flächenausmaßen abweichen. 4.6.3 Methodenkritik an der Erstellung der Gebietskulissen

Die Erzeugung der Einwohnerzahlen durch die Nutzung der Daten des BKG stammt aus dem Jahre 2015. Aktuelle Bevölkerungszuwächse, etwa im Rahmen der Flüchtlingsaufnahme in den Jahren 2015, 2016 und 2017, konnten nicht mit einbezogen werden. Die in Region 1.2 aufgenommenen urbanen Landnutzungsformen Kleingärten, Grünanlagen, Brachflächen und Gründächer und deren Flächenanteile beziehen sich auf die Gebietsgrenzen Berlins. Es wird keine Differenzierung unternommen, inwieweit diese schon durch andere stadtbauliche Maßnahmen überlagert sind und in der Nutzung stehen. Stattdessen wird das ausschließliche Potenzial der Flächengröße bewertet. Der berechnete Radius von 100 Kilometern umfasst auch Flächen, die dem Staatsgebiet Polens angehören. Durch die methodische Fokussierung auf die innerdeutsche Ernährungssouveränität wurden die polnischen Landwirtschaftsflächen nicht analysiert. Damit werden auch schon vorhandene, grenzüberschreitende Kooperationen sowie zusätzliches Potenzial nicht mit in die Arbeit aufgenommen.

Seite | 100 Ergebnisauswertung 5. Ergebnisauswertung 5.1 Flächenfußabdrücke der jeweiligen Ernährungsszenarien In nachfolgenden Unterkapiteln werden die in Kapitel 4.3.4 erhobenen durchschnittlichen Flächenfußabdrücke in Quadratmeter je Kilogramm (Quadratmeter/kg) der einzelnen Lebensmittelgruppen für die jeweiligen Ernährungsszenarien zu einer Gesamtsumme zusammengeführt und aufgezeigt. Die grün hinterlegten Bereiche markieren dabei pflanzliche Lebensmittelgruppen, die rot hinterlegten Bereiche tierische Lebensmittelgruppen. 5.1.1 Ernährungsszenario (1): Status quo

Das Ernährungsszenario (1) basiert auf der Verzehrsstatistik vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL (f) 2017) und weist einen Flächenfußabdruck von 2.579 Quadratmetern pro Person und Jahr in Deutschland aus, die für die Lebensmittelerzeugung aufgebracht werden müssen. Dabei konsumiert jede Person im Durchschnitt täglich 3.622 Kilokalorien. Der Flächenanteil der pflanzlich erzeugten Lebensmittelgruppen beträgt 24 Prozent (639,2 Quadratmeter) und der der tierischen Lebensmittelgruppen 76 Prozent (2.021,5 Quadratmeter). In Bezug auf die Verteilung der Kilokalorien, die pro Quadratmeter erzeugt werden, kehrt sich das Bild um. Die pflanzlichen Lebensmittelgruppen erzeugen im Verhältnis der Kilokalorien pro Quadratmeter (75 Prozent (11.391,1 Kilokalorien/Quadratmeter), die tierischen Lebensmittelgruppen 25 Prozent (3.791 Kilokalorien/Quadratmeter) der Gesamtmenge (Gesamt: 15.187 Kilokalorien/Quadratmeter). Fischerzeugnisse weißen dabei das höchste Kilokalorien/Quadratmeter- Verhältnis auf. Zwar bekommen Fischerzeugnisse, die aus der Aufzucht in Aquakulturen stammen, neben den dem Futtermittel Fisch (je nach Fischarten verschieden) zusätzliche Futterrationen (meist Soja und Weizen) von circa vier Kilogramm pro Kilogramm Fisch zugefüttert, dennoch erzeugt diese Lebensmittelgruppe den geringsten Flächenfußabdruck. Klammert man diese Lebensmittelgruppe aus, sinkt das Verhältnis der Kilokalorien pro Quadratmeter aus tierischen Erzeugnissen auf neun Prozent (1.165 Kilokalorien/Quadratmeter) zur Gesamtsumme.

Seite | 101 Ergebnisauswertung

Tabelle 8: Ernährungsszenario (1) - Status quo (eigene Darstellung)

jährlicher Vergleich jährlicher Flächen- Vergleich Lebenmittel- tägliche Aufnahme Lebensmittel- %-Anteil am Flächen- Lebensmittel- verbrauch Lebensmittel- gruppen Kilokalorien (kcal) verbrauch verbrauch gruppen kcal/m² (m²/Person) gruppen kcal/m² (kg/Person) ohne Fisch

Getreideerzeugnisse 657,7 79,0 158,2 6,1 1.518 1.518 Kartoffelerzeugnisse 150,6 71,7 19,5 0,8 2.821 2.821

Reis 29,7 5,4 10,8 0,4 1.005 1.005

Hülsenfrüchte 3,3 0,9 5,4 0,211 222 222 Zuckererzeugnisse 514,4 49,2 130,0 5,0 1.445 1.445 Gemüse 118,5 98,6 38,9 1,5 1.111 1.111

Obst 294,6 116,7 92,4 3,6 1.163 1.163 Öle und Fette 442,6 19,4 165,2 6,4 978 978

Schalenfrüchte 58,1 3,9 18,7 0,7 1.133 1.133 Rindfleisch 13,5 59,9 399,4 15,5 55 55 Schweinefleisch 52,1 245,5 376,2 14,6 238 238 Geflügelfleisch 19,8 96,0 201,8 7,8 174 174 Sonstiges Fleisch 2,9 15,3 63,1 2,4 88 88 Fischerzeugnisse 53,9 13,9 7,5 0,3 2.626 n/a

Milcherzeugnisse 828,1 127,0 901,7 35,0 335 335

Eier 54,0 14,4 71,8 2,8 275 275 Gesamt 3.622 688 2.579 100 15.187 12.561

5.1.2 WWF-Vergleichsszenario

Das Ernährungsszenario WWF dient zum Vergleich des Ernährungsszenarios Status quo und der eigenen Berechnung des Flächenfußabdrucks und basiert auf den beiden Studien WWF (c) 2015 und WWF (d) 2015. Der Flächenfußabdruck liegt bei 2.269 Quadratmetern pro Person und Jahr und ist damit im Vergleich zum Status-quo Szenario etwas geringer. Das liegt daran, dass die WWF-Studien mit älteren Verzehrstatistiken des BMLE aus dem Jahr 2013 erhoben wurden, in denen statistisch circa 10 kg weniger Lebensmittelkonsum erfasst wurden (vor allem in der Lebensmittelgruppe Milchprodukte und aufgrund fehlender Abnahmen in den weiteren Lebensmittelgruppen der tierischen Erzeugnisse). Zudem wurde die Lebensmittelgruppe der Schalenfrüchte nicht mit in die Untersuchung aufgenommen. Die tägliche Kilokalorien-Aufnahme liegt in diesem Szenario bei 3.614 Kilokalorien. Auch der Flächenanteil, der für die pflanzlich erzeugten Lebensmittelgruppen beansprucht wird, liegt im Verhältnis 24 Prozent zu 76 Prozent mit den tierischen Lebensmittelgruppen und liegt im Vergleich zum Status quo-Szenario auf demselben Niveau. Da es sich bei diesem WWF-Szenario um ein Vergleichsszenario der Status-quo-Berechnung handelt, wird eine Weiterführung der Ergebnisse in Kapitel 5.2 nicht erfolgen.

Seite | 102 Ergebnisauswertung

Tabelle 9: Ernährungsszenario - WWF (eigene Darstellung)

tägliche jährlicher jährlicher Flächen- %-Anteil am Vergleich Lebenmittel- Aufnahme Lebensmittel- verbrauch Flächen- Lebensmittel- gruppen Kilokalorien verbrauch (m²/Person) verbrauch gruppen kcal/m² (kcal) (kg/Person)

Getreideerzeugnisse 795,9 95,6 231,00 10,2 1.258 Kartoffelerzeugnisse 148,5 70,7 21,00 0,9 2.581

Reis 29,2 5,3 11,00 0,5 968

Hülsenfrüchte 1,5 0,4 4,00 0,176 134 Zuckererzeugnisse 501,8 48,0 30,00 1,3 6.106 Gemüse 114,6 95,4 30,00 1,3 1.395

Obst 278,9 110,5 99,00 4,4 1.028 Öle und Fette 454,0 19,9 119,00 5,2 1.393

Schalenfrüchte n/a n/a n/a n/a n/a Rindfleisch 13 57,7 351,00 15,5 60

Schweinefleisch 52,6 247,9 468,14 20,6 193 Geflügelfleisch 18,5 89,7 149,85 6,6 219 Sonstiges Fleisch 2,9 15,3 51,48 2,3 108 Fischerzeugnisse 54,7 14,1 18,00 0,8 1.108

Milcherzeugnisse 774,6 118,8 602,00 26,5 470

Eier 49,9 13,3 84,00 3,7 217 Gesamt 3.614 679 2.269 100 17.238

5.1.3 Ernährungsszenario (2): DGE

Das Ernährungsszenario (2) der DGE basiert auf deren Ernährungsempfehlungen. Das Institut beschreibt eine vollwertige Ernährung mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen. Der dargestellte Kreis (siehe Abb. 38) unterteilt das Lebensmittelangebot in sieben Gruppen, wobei Getränke nicht mit einbezogen werden. Jede Lebensmittelgruppe liefert bestimmte Nährstoffe in unterschiedlichen Mengen. Je größer ein Segment des Kreises ist, desto größer die empfohlene Verzehrmenge der jeweiligen Lebensmittelgruppe. Lebensmittel aus kleinen Segmenten sollten dagegen zurückhaltend verzehrt werden. Neben Wasser sind pflanzliche Lebensmittel wie Getreideprodukte, Kartoffeln, Gemüse und Obst die Abbildung 38: Ernährungskreis der DGE Lebensmittelgruppen mit der größten Verzehrempfehlung. Sie stellen die Basis einer vollwertigen Ernährung dar und liefern Kohlenhydrate, Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Tierische Lebensmittel – möglichst fettarm – ergänzen in kleineren Portionen den täglichen Speiseplan. Sie versorgen den Körper mit hochwertigem Protein, Vitaminen und Mineralstoffen. Pflanzliche Öle liefern die essenziellen Fettsäuren DGE (b) 2017). Jedoch werden nicht für alle Lebensmittelgruppen Empfehlung ausgesprochen, so fehlen etwa Reis und Hülsenfrüchte.

Seite | 103 Ergebnisauswertung

Es zeigt sich, dass eine Empfehlung des verringerten Konsums tierischer Lebensmittel – gerade der Verzehr von Fleisch soll auf 300 bis 600 g pro Woche131 reduziert werden –positiv auf den Flächenverbrauch wirkt. In Summe reduziert sich der gesamte jährliche Lebensmittelkonsum um 12,5 Prozent auf 602 kg. Der damit verbundene Flächenfußabdruck sinkt deutlich von 2.579 Quadratmetern um 37 Prozent auf 1.637 Quadratmeter. Die Kalorienaufnahme des Szenarios sinkt um 25 Prozent, liegt mit 2.688 Kilokalorien pro Tag jedoch über der Empfehlung zur täglichen Aufnahme von durchschnittlich 2050 Kilokalorien (DGE (a) 2015). Der Anteil von tierischen Lebensmitteln am gesamten Flächenfußabdruck des Szenarios sinkt leicht auf 71 Prozent (im Vergleich zu 29 Prozent durch pflanzliche Lebensmittel).

Tabelle 10: Ernährungsszenario (2) – DGE (eigene Darstellung)

tägliche jährlicher Vergleich jährlicher Flächen- %-Anteil am Vergleich Lebenmittel- Aufnahme Lebensmittel- Lebensmittel- verbrauch Flächen- Lebensmittel- gruppen Kilokalorien verbrauch gruppen kcal/m² (m²/Person) verbrauch gruppen kcal/m² (kcal) (kg/Person) ohne Fisch

Getreideerzeugnisse 759,7 91,3 182,69 11,2 1.518 1.518

Kartoffelerzeugnisse 172,5 82,1 22,32 1,4 2.821 2.821

Reis n/a n/a n/a n/a n/a n/a

Hülsenfrüchte n/a n/a n/a n/a n/a n/a

Zuckererzeugnisse 116,7 11,2 29,49 1,8 1.445 1.445

Gemüse 175,4 146,0 57,64 3,5 1.111 1.111

Obst 230,3 91,3 72,27 4,4 1.163 1.163

Öle und Fette 291,5 12,8 108,80 6,6 978 978

Schalenfrüchte n/a n/a n/a n/a n/a n/a

Fleischerzeugnisse 113,0 23,5 368,51 22,5 112 112

Fischerzeugnisse 122,3 31,5 17,00 1,0 2.626 n/a

Milcherzeugnisse 666,4 102,2 725,61 44,3 335 335

Eier 39,9 10,6 53,00 3,2 275 275 Gesamt 2.688 602 1.637 100 12.384 9.758

5.1.4 Ernährungsszenario (3): ProVeg vegetarisch

Das Ernährungsszenario (3) basiert auf der vegetarischen Ernährungsempfehlung der Organisation ProVeg. Ähnlich dem Ernährungskreis der DGE erstellt ProVeg mit seiner Ernährungspyramide (siehe Abb. 39) eine Ernährungsempfehlung, die eine ausreichende Zufuhr der lebensnotwendigen Nährstoffe gewährleistet. Besonders empfehlenswerte Lebensmittel, wie Wasser, Gemüse, Obst und Vollkornprodukte stehen im unteren Teil und sollten häufiger verzehrt werden. Ernährungsphysiologisch weniger wertvolle Lebensmittel wie Süßigkeiten, Snacks und Alkohol bilden die Spitze der Pyramide und sollten sparsam verwendet oder sogar weggelassen werden (ProVeg (a) 2017). Der Flächenfußabdruck sinkt trotz des Verzichts auf Fleisch- und Fischprodukte im Vergleich zum Ernährungsszenario der DGE um gerade einmal 5,5 Prozent auf 1.547 Quadratmeter. Dies ist damit zu begründen, dass Produkte wie Reis, Hülsen- und Schalenfrüchte mit in die Empfehlung aufgenommen

131 Der jährliche Fleischverzehr von durchschnittlich 23,5 kg (im Vergleich zum Ernährungsszenario Status quo um knapp 73 Prozent reduziert). Seite | 104 Ergebnisauswertung

wurden und die Lebensmittelgruppe Ei eine deutlich höhere Empfehlung erfährt. Außerdem liegt die jährliche Gesamtmenge der empfohlenen Lebensmittel bei 633 kg. Auch die Menge der aufgenommenen Kilokalorien ist mit 2.687 Kilokalorien nahezu identisch. Im Vergleich zum Ernährungsszenario (1) sinkt der Flächenfußabdruck um knapp 40 Prozent. Der Anteil von tierischen zu pflanzlichen Lebensmitteln am gesamten Flächenfußabdruck des Szenarios ist gleichzusetzen, jedoch stammen 94 Prozent der Kilokalorien pro Quadratmeter aus pflanzlichen Lebensmittelgruppen und nur 6 Prozent aus tierischen. Abbildung 39: Ernährungspyramide von ProVeg zur vegetarischen Ernährungsempfehlung

Tabelle 11: Ernährungsszenario (3) – ProVeg vegetarisch (eigene Darstellung)

tägliche jährlicher Vergleich jährlicher Flächen- %-Anteil am Lebenmittel- Aufnahme Lebensmittel- Lebensmittel- verbrauch Flächen- gruppen Kilokalorien verbrauch gruppen (m²/Person) verbrauch (kcal) (kg/Person) kcal/m²

Getreideerzeugnissen 531,8 63,9 127,9 8,3 1.518

Kartoffelerzeugnisse 210,8 100,4 27,3 1,8 2.821

Reis 160,8 29,2 58,4 3,8 1.005

Hülsenfrüchte 149,3 40,5 245,1 15,8 222

Zuckererzeugnisse n/a n/a n/a n/a n/a

Gemüse 175,4 146,0 57,6 3,7 1.111

Obst 276,4 109,5 86,7 5,6 1.163

Öle und Fette 249,8 11,0 93,3 6,0 978

Schalenfrüchte 244,8 16,4 78,8 5,1 1.133 Fleischerzeugnisse

Schweinefleisch

Gefügelfleisch n/a n/a n/a n/a n/a Rindfleisch

Schaf- und Ziegenfleisch

Sonstiges Fleisch

Fischerzeugnisse n/a n/a n/a n/a n/a

Milcherzeugnisse 595,0 91,3 647,9 41,9 335

Eier 93,2 24,8 123,7 8,0 275 Gesamt 2.687 633 1.547 100 10.562

Seite | 105 Ergebnisauswertung

5.1.5. Ernährungsszenario (4): ProVeg vegan

Das Ernährungsszenario (4) basiert auf der veganen Ernährungsempfehlung von ProVeg, ähnlich dem Ernährungsszenario (3). Bei einer veganen Ernährung besteht der Unterschied zu einer vegetarischen Ernährungsform im vollkommenen Verzicht auf tierische Lebensmittelprodukte und einer verstärken Aufnahme von Gemüse, Obst und Vollkornprodukten zur Abdeckung aller lebensnotwendigen Nährstoffe (ProVeg (b) 2017). Der Flächenfußabdruck sinkt im Vergleich zum vegetarischen Ernährungsszenario um 30 Prozent Abbildung 40: Ernährungspyramide von ProVeg zur veganen auf 1.089 Quadratmeter und zum Ernährungsempfehlung Ernährungsszenario (1) um 58 -Prozent ab. Die jährliche Lebensmittelaufnahme liegt bei 595 kg und sinkt damit im Vergleich zum vegetarischen Ernährungsszenario (3) um 6 Prozent und gehört zu den Szenarien mit dem geringsten Lebensmittelkonsum pro Jahr und Person. Die Menge der aufgenommenen Kilokalorien ist trotz dessen mit 3.024 Kilokalorien höher als im vegetarischen Szenario und liegt 1.000 Kilokalorien über der Empfehlung der DGE.

Tabelle 12: Ernährungsszenario (4) - ProVeg vegan (eigene Darstellung)

jährlicher Vergleich tägliche %-Anteil am Lebenmittel- Lebensmittel- Flächenverbrauch Lebensmittel- Kilokalorien Flächen- gruppen verbrauch (m²/Person/Jahr) gruppen (kcal/Tag) verbrauch (kg/Person/Jahr) kcal/m²

Getreideerzeugnisse 1.127,3 135,4 271,1 24,9 1.518

Kartoffelerzeugnisse 210,9 100,4 27,3 2,5 2.821

Reis 75,4 13,7 27,4 2,5 1.005

Hülsenfrüchte 172,8 46,9 283,7 26,1 222

Zuckererzeugnisse n/a n/a n/a n/a n/a

Gemüse 175,4 146,0 57,6 5,3 1.111

Obst 230,5 91,3 72,3 6,6 1.163

Öle und Fette 333,1 14,6 124,3 11,4 978

Schalenfrüchte 699,0 46,9 225,1 20,7 1.133 Fleischerzeugnisse

Schweinefleisch

Gefügelfleisch n/a n/a n/a n/a n/a Rindfleisch

Schaf- und Ziegenfleisch

Sonstiges Fleisch

Fischerzeugnisse n/a n/a n/a n/a n/a

Milcherzeugnisse n/a n/a n/a n/a n/a

Eier n/a n/a n/a n/a n/a Gesamt 3.024 595 1.089 100 9.952

Seite | 106 Ergebnisauswertung

5.1.6 Ernährungsszenario (5): Ein fleischfreier Tag pro Woche

Dieses selbsterstellte Ernährungsszenario (5) basiert auf der Lebensmittelverzehrstatistik des BMEL (f) 2017. Dabei wird die Gewichtsangabe für die Lebensmittelgruppe Fleisch soweit reduziert, dass das Szenario einer Ernährung mit einem fleischfreien Tag in der Woche entspricht. Kontrollindikator ist die täglich aufgenommene Kalorienmenge, welche nicht unter die empfohlenen 2.050 Kilokalorien sinkt, da die aufgenommene Größe bei 3.257 Kilokalorien liegt. Der Flächenfußabdruck sinkt im Vergleich zum Ernährungsszenario 1 um 17 Prozent auf 2.134 Quadratmeter. Das Verhältnis des Flächenverbrauchs von 29 Prozent durch die pflanzlichen Lebensmittelgruppen zu 71 Prozent durch die tierischen Lebensmittelgruppen ist dem Ernährungsszenario (3) gleichzusetzen.

Tabelle 13: Ernährungsszenario (5) - ein fleischfreier Tag pro Woche (eigene Darstellung)

tägliche jährlicher jährlicher Flächen- %-Anteil am Vergleich Lebenmittel- Aufnahme Lebensmittel- verbrauch Flächen- Lebensmittel- gruppen Kilokalorien verbrauch (m²/Person) verbrauch gruppen kcal/m² (kcal) (kg/Person)

Getreideerzeugnisse 657,7 79,0 158,2 7,4 1.518

Kartoffelerzeugnisse 150,6 71,7 19,5 0,9 2.821

Reis 29,7 5,4 10,8 0,5 1.005 Hülsenfrüchte 0,9 3,3 5,4 0,255 222

Zuckererzeugnisse 514,4 49,2 130,0 6,1 1.445

Gemüse 118,5 98,6 38,9 1,8 1.111

Obst 260,3 103,1 81,7 3,8 1.163

Öle und Fette 442,6 19,4 165,2 7,7 978

Schalenfrüchte 58,1 3,9 18,7 / 1.133

Fleischerzeugnisse 358,4 75,9 840,6 39,4 555 Rindfleisch 11,6 51,5 343,5 16,1 55 Schweinefleisch 44,8 211,1 323,5 15,2 238 Geflügelfleisch 17,0 82,6 173,6 8,1 174 Sonstiges Fleisch 2,5 13,1 54,3 2,5 88

Fischerzeugnisse 53,9 13,9 7,5 0,4 2.626

Milcherzeugnisse 555,6 85,2 604,9 28,3 335

Eier 54,0 14,4 71,8 3,4 275 Gesamt 3.257 621 2.134 100 15.187

5.1.7 Flächenfußabdruck Ernährungsszenario (6): Zwei fleischfreie Tage pro Woche

Dieses selbsterstellte Ernährungsszenario (6) basiert wie das Szenario 5 auf der Lebensmittelverzehrstatistik des BMEL (f) 2017. Dabei wurde die Gewichtsangabe für die Lebensmittelgruppe Fleisch soweit reduziert, dass das Szenario zwei fleischfreien Tagen in der Woche entspricht. Kontrollindikator ist die täglich aufgenommene Kalorienmenge, welche nicht unter die empfohlenen 2.050 Kilokalorien sinkt. Die aufgenommene Menge liegt bei 3.199 Kilokalorien. Der Flächenfußabdruck sinkt im Vergleich zum Ernährungsszenario (1) um 23 Prozent auf 1.998 Quadratmeter ab. Das Verhältnis des Flächenverbrauchs von 31 Prozent durch die pflanzlichen Lebensmittelgruppen zu 69 Prozent durch die tierischen Lebensmittelgruppen ändert sich im Vergleich zum Ernährungsszenario (5) leicht.

Seite | 107 Ergebnisauswertung

Tabelle 14: Ernährungsszenario (6) - zwei fleischfreie Tage pro Woche (eigene Darstellung)

tägliche jährlicher jährliche jährlicher Flächen- %-Anteil am Lebenmittel- Aufnahme Lebensmittel- Kilokalorien verbrauch Flächen- gruppen Kilokalorien verbrauch (kcal) (m²/Person) verbrauch (kcal) (kg/Person)

Getreideerzeugnisse 657,7 240.067,1 79,0 158,2 7,9

Kartoffelerzeugnisse 150,6 54.970,0 71,7 19,5 1,0

Reis 29,7 10.854,0 5,4 10,8 0,5

Hülsenfrüchte 3,3 1.210,2 0,9 5,4 0,273

Zuckererzeugnisse 514,4 187.747,2 49,2 130,0 6,5

Gemüse 118,5 43.248,0 98,6 38,9 1,9

Obst 260,3 94.992,6 103,1 81,7 4,1

Öle und Fette 442,6 161.558,9 19,4 165,2 8,3

Schalenfrüchte 58,1 21.216,0 3,9 18,7 / Fleischerzeugnisse 63,6 300,0 109.516,1 703,7 35,2 Rindfleisch 9,7 43,1 15.746,4 287,6 14,4 Schweinefleisch 37,5 176,8 64.520,6 270,8 13,6 Geflügelfleisch 14,3 69,1 25.233,1 145,3 7,3 Sonstiges Fleisch 2,1 11,0 4.015,9 45,4 2,3

Fischerzeugnisse 53,9 19.668,5 13,9 7,5 0,4

Milcherzeugnisse 555,6 202.776,0 85,2 604,9 30,3

Eier 54,0 19.728,0 14,4 71,8 3,6 Gesamt 3.199 1.146.336 608 1.998 100

5.1.8 Flächenfußabdruck Ernährungsszenario (7): Drei fleischfreie Tage pro Woche

Dieses selbsterstellte Ernährungsszenario (7) basiert wie das Szenario (5) auf der Lebensmittelverzehrstatistik des BMEL (f) 2017. Dabei wurde die Gewichtsangabe für die Lebensmittelgruppe Fleisch soweit reduziert, dass das Szenario drei fleischfreien Tagen in der Woche entspricht. Kontrollindikator ist die täglich aufgenommene Kalorienmenge, welche nicht unter die empfohlenen 2.050 Kilokalorien sinkt Die aufgenommene Menge liegt bei 3.136 Kilokalorien. Der Flächenfußabdruck sinkt im Vergleich zum Ernährungsszenario (1) um 28 Prozent auf 1.851 Quadratmeter. Das Verhältnis des Flächenverbrauchs von 33 Prozent durch die pflanzlichen Lebensmittelgruppen zu 67 Prozent durch die tierischen Lebensmittelgruppen ändert sich im Vergleich zum Ernährungsszenario (6) leicht. Neben dem Szenario (5) ist der Lebensmittelkonsum hier mit 595 kg am geringsten.

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Tabelle 15: Ernährungsszenario (7) - drei fleischfreie Tage pro Woche (eigene Darstellung)

jährlicher tägliche jährliche %-Anteil am Vergleich Lebenmittel- Lebensmittel- Flächenverbrauch Kilokalorien Kilokalorien Flächen- Lebensmittel- gruppen verbrauch (m²/Person/Jahr) (kcal) (kcal) verbrauch gruppen kcal/m² (kg/Person/Jahr)

Getreideerzeugnisse 657,7 240.067,1 79,0 158,2 8,5 1.518

Kartoffelerzeugnisse 150,6 54.970,0 71,7 19,5 1,1 2.821

Reis 29,7 10.854,0 5,4 10,8 0,6 1.005

Hülsenfrüchte 3,3 1.210,2 0,9 5,4 0,294 222

Zuckererzeugnisse 514,4 187.747,2 49,2 130,0 7,0 1.445

Gemüse 118,5 43.248,0 98,6 38,9 2,1 1.111

Obst 260,3 94.992,6 103,1 81,7 4,4 1.163

Öle und Fette 442,6 161.558,9 19,4 165,2 8,9 978

Schalenfrüchte 58,1 21.216,0 3,9 18,7 / 1.133 Fleischerzeugnisse 50,3 237,5 86.700,2 557,1 30,1 555 Rindfleisch 7,7 34,2 12.465,9 227,7 12,3 55 Schweinefleisch 29,7 139,9 51.078,8 214,4 11,6 238 Geflügelfleisch 11,3 54,7 19.976,2 115,0 6,2 174 Sonstiges Fleisch 1,7 8,7 3.179,3 36,0 1,9 88

Fischerzeugnisse 53,9 19.668,5 13,9 7,5 0,4 2.626

Milcherzeugnisse 555,6 202.776,0 85,2 604,9 32,7 335

Eier 54,0 19.728,0 14,4 71,8 3,9 275 Gesamt 3.136 1.123.521 595 1.851 100 15.187

5.1.9 Zusammenfassung der Ernährungsszenarien

Die Flächenfußabdrücke unterscheiden sich in den jeweiligen Ernährungsszenarien deutlich. Wie im nachfolgenden Diagramm zu sehen ist, weist das Ernährungsszenario (1) mit 2.579 Quadratmeter den deutlich größten Flächenfußabdruck aller Szenarien auf. Das Vergleichsszenario (2) des WWF ist dabei etwas geringer und hat einen etwa ebenso großen Flächenfußabdruck wie das Szenario (5). Die Szenarien mit einem, zwei und drei fleischfreien Tagen in der Woche senken den Flächenfußabdruck auf bis zu 1.851 Quadratmeter, liegen jedoch immer noch deutlich über dem der Ernährungsszenarien zwei bis vier.

Abbildung 41: Darstellende Zusammenfassung der Flächenfußabdrücke in Quadratmetern pro Person und Jahr der einzelnen Ernährungsszenarien (eigene Darstellung)

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5.2 Selbstversorgungsgrad Region 1.1 - Berlin Die landwirtschaftlichen Flächen der Region 1.1 sind mit insgesamt 3.860 Hektar die geringsten aller Gebietskulissen. Die Bevölkerungsgröße liegt bei 3,5 Mio. Die statistischen Flächenfußabdrücke sowie der errechnete Selbstversorgungsgrad der untersuchten Ernährungsszenarien sind in nachfolgender Tab. 16 dargestellt.

Tabelle 16: Vergleichende Kennzahlen aller Ernährungsszenarien und potenzieller Selbstversorgungsgrade der Region 1.1 (eigene Berechnung) jährlicher Selbstver- jährlicher Flächen- Selbstver sorgungs- Flächenfuß- Ernährungsszenarien fußabdruck sorgungsgrad potenzial der abdruck der pro Person in in Prozent Bev. (in Anzahl Region in ha ha Personen) (1) Status quo 0,26 907.775 0,43 14.972 (2) DGE 0,16 576.346 0,67 23.581 (3) ProVeg vegetarisch 0,15 544.442 0,71 24.963 (4) ProVeg vegan 0,11 383.307 1,01 35.457 (5) 1 fleischfreier Tag/Woche 0,21 751.319 0,51 18.089 (6) 2 fleischfreie Tage/Woche 0,20 703.151 0,55 19.328 (7) 3 fleischfreie Tage/Woche 0,19 651.544 0,59 20.859 Es kann aufgezeigt werden, dass keines der untersuchten Szenarien eine vollständige Versorgung der Bevölkerung erreicht. Das Szenario (1), Status quo, benötigt im Vergleich zum DGE-Szenario (2) rund 37 Prozent, zum vegetarischen Szenario (3) 40 Prozent und zu den partiell fleischlosen Ernährungsszenarien (5), (6) und (7) im Schnitt 23 Prozent sowie zum veganen Ernährungsszenario (4) knapp 58 Prozent mehr Flächen zum Anbau regionaler Lebensmittel.

Fläche in 1.000 ha -904 (1) Status quo-Szenario -572 (2) DGE-Szenario -541 (3) ProVeg-Szenario vegetarisch -379 (4) ProVeg-Szenario vegan -747 (5) 1 fleischfreier Tag/Woche -699 (6) 2 fleischfreie Tage/Woche -648 (7) 3 fleischfreie Tage/Woche

Abbildung 42: Flächendefizite (in ha) der jeweiligen Ernährungsszenarien zur regionalen Versorgung der Region 1.1 (eigene Darstellung) Durch den geringsten Flächenfußabdruck kann eine vegane Ernährung (4) rund 35.000 Menschen Berlins nur durch regionale Flächen versorgen, was knapp einem Prozent der Gesamtbevölkerung Berlins entspricht. Im Gegensatz dazu können durch das Ernährungsszenario (1), welches den höchsten Konsumanteil tierischer Produkte wiederspiegelt, gerade einmal 15.000 Menschen regional versorgt werden. Das fleischreduzierte Szenario (2) sowie das vegetarische Szenario (3) reduzieren den Flächenverbrauch um 37 Prozent bzw. 40 Prozent und erhöhen den Versorgungsgrad auf über 20.000 Menschen in Berlin.

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5.3 Selbstversorgungsgrad Region 1.2 - Berlin Die Region 1.2 entspricht in ihrer Ausdehnung und Bevölkerungszahl der Region 1.1. Die Flächenfußabdrücke beider Regionen sind durch die angenommenen Ernährungsszenarien ebenfalls gleichzusetzen. Anders ist die Zusammensetzung der aufgenommenen Landnutzungstypen, mit denen eine potenzielle Selbstversorgung gewährleistet werden kann. Neben den landwirtschaftlichen Landnutzungstypen Ackerland, Grünland und Dauerkulturen wurden zudem die stadttypischen Landnutzungsformen Kleingärten, Brachflächen, Grünflächen und Flächen mit Dachbegrünung in die Studie aufgenommen. Die Anbaufläche steigt von 3.860 Hektar auf 16.224 Hektar und damit um das 4,2-fache. Die statistischen Flächenfußabdrücke sowie der errechnete Selbstversorgungsgrad der untersuchten Ernährungsszenarien sind in nachfolgender Tab. 17 dargestellt. Die Flächenfußabdrücke der Gebietskulisse sind mit denen der Region 1.1 durch gleichbleibende Bevölkerungsgröße identisch. Der Selbstversorgungsgrad der einzelnen Ernährungsformen steigt durch die Einbeziehung der urbanspezifischen Landnutzungsformen leicht an.

Tabelle 17: Vergleichende Kennzahlen aller Ernährungsszenarien und potenzieller Selbstversorgungsgrade der Region 1.2 (eigene Berechnung) Selbstver- jährlicher jährlicher Selbst- sorgungs- Ernährungs- Flächen- Flächenfuß- versorgungsgrad potenzial der Bev. szenarien fußabdruck pro abdruck der in Prozent (in Anzahl Person in ha Region in ha Personen) (1) Status quo 0,26 907.775 1,79 62.913 (2) DGE 0,16 576.346 2,81 99.088 (3) ProVeg 0,15 544.442 2,98 104.984 vegetarisch (4) ProVeg vegan 0,11 383.307 4,23 148.990 (5) 1 fleischfreier 0,21 751.319 2,16 76.012 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie 0,20 703.151 2,31 81.219 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie 0,19 651.544 2,49 87.652 Tage/Woche Trotz des Einbezugs weiterer Landnutzungsformen zur Nahrungsmittelproduktion ist ein deutliches Flächendefizit in allen Ernährungsszenarien ersichtlich. Damit ist der Großraum Berlin nicht in der Lage, sich ohne Lebensmittelimporte wie Roherzeugnisse oder Endprodukte eigenständig und souverän zu ernähren. Die Interaktion mit dem Umland ist daher essentiell. Die prozentualen Unterschiede der Szenarien entsprechen durch die gleichbleibenden Ausgangsindikatoren denen aus Region 1.1 (Tab. 16).

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Flächen in 1.000 ha -892 (1) Status quo-Szenario -560 (2) DGE-Szenario -528 (3) ProVeg-Szenario vegetarisch -367 (4) ProVeg-Szenario vegan -735 (5) 1 fleischfreier Tag/Woche -687 (6) 2 fleischfreie Tage/Woche -635 (7) 3 fleischfreie Tage/Woche

Abbildung 43: Flächendefizite (in ha) der jeweiligen Ernährungsszenarien in Region 1.2 (eigene Darstellung) Die Hinzunahme der urban-spezifischen Landnutzungstypen zur Nahrungsmittelerzeugung lassen den Selbstversorgungsgrad durch die Reduktion der Flächendefizite der Ernährungsszenarien leicht ansteigen. Dem Ernährungsszenario (1), welches den größten Flächenfußabdruck pro Person und Jahr aufweist, stehen dabei nur 1,79 Prozent der benötigten Anbauflächen zur Lebensmittelerzeugung zur Verfügung. Damit könnten knapp 63.000 Menschen ernährt werden. Der Selbstversorgungsgrad steigt im Vergleich zur Region 1.1 um 72 Prozent an. Dagegen erreicht eine vegane Ernährungsweise (4) 4,32 Prozent Flächenabdeckung und könnte damit knapp 150.000 Menschen Berlins regional versorgen, was einer Steigerung von 238 Prozent entspräche. Die fleischreduzierte Ernährungsempfehlung der DGE (2) steigert den Selbstversorgungsgrad um 157 Prozent, eine vegetarische Ernährung (3) um 167 Prozent im Vergleich zum Status quo-Szenario (1). In der nachfolgenden Abb. 44 ist ersichtlich, dass eine Ernährungssouveränität Berlins auf Basis der untersuchten Szenarien auch unter Einbezug weiterer Landnutzungsformen auszuschließen ist

Region 1.1 Region 1.2

160.000 140.000 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000 Bevölkerungszahl 20.000 0

Ernährungsszenarien

Abbildung 44: Vergleich der Selbstversorgungsgrade der Bevölkerung (in Anzahl Personen) für die Region 1.1 und Region 1.2 (eigene Darstellung)

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5.4 Selbstversorgungsgrad Region 2 – 50 Kilometer-Radius Nach der ausschließlichen Betrachtung Berlins werden in der Region 2 mittels eines 50 Kilometer-Radius auch Regionen Brandenburgs erfasst. Eine genaue Auflistung der erfassten Kreise ist im Anhang ersichtlich. Die Region 2 ist mit einer Gesamtfläche von 7.851 Quadratkilometern fast neunmal größer als die Regionen 1.1 und 1.2. Auch die erfasste landwirtschaftliche Gesamtfläche steigt auf 291.831 Hektar, was eine Steigerung um das 75-fache bedeutet. Anders als in Region 1.2 werden nur die landwirtschaftlichen Landnutzungstypen Ackerland, Grünland und Dauerkulturen in die Berechnung aufgenommen. Die Bevölkerungszahl steigt mit 4,95 Mio. Menschen weniger stark um das 1,4-fache. Nur knapp 29 Prozent der in diesem Radius ansässigen Bevölkerung stammen aus dem eher ländlich geprägten Brandenburger Raum.

Gesamtbevölkerung Anbauflächen in ha

6.000.000 350.000

5.000.000 300.000 250.000 4.000.000 200.000 3.000.000 150.000 2.000.000 Anbaufläche in ha Anbaufläche

Bevölkerungsanzahl 100.000 1.000.000 50.000 0 0

Abbildung 45: Gesamtbevölkerung und Anbauflächen zur Lebensmittelproduktion (in ha) in Region 1.1, 1.2 und 2 (eigene Darstellung) Bezogen auf den Schwerpunkt des Selbstversorgungspotenzials bei der Lebensmittelerzeugung kann eine deutliche Steigerung des Potenzials im Vergleich zu den Regionen 1.1 und 1.2 aufgezeigt werden. In nachfolgender Tab. 18 sind die jeweiligen Ernährungsszenarien, deren statistischer Flächenfußabdruck sowie deren regionaler Selbstversorgungsgrad aufgelistet.

Tabelle 18: Vergleichende Kennzahlen aller Ernährungsszenarien und potenzieller Selbstversorgungsgrade der Region 2 (eigene Berechnung) Selbstver- jährlicher jährlicher Selbstver sorgungs- Ernährungs- Flächen- Flächenfuß- sorgungsgrad in potenzial der szenarien fußabdruck pro abdruck der Prozent Bev. (in Anzahl Person in ha Region in ha Personen) (1) Status quo 0,26 1.277.723 22,84 1.131.655 (2) DGE 0,16 811.254 35,97 1.782.354 (3) ProVeg 0,15 766.346 38,08 1.886.799 vegetarisch (4) ProVeg vegan 0,11 539.535 54,09 2.679.977 (5) 1 fleischfreier 0,21 1.057.542 27,60 1.367.276 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie 0,20 989.742 29,49 1.460.928 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie 0,19 917.100 31,82 1.576.646 Tage/Woche

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Tendenziell steigen die Selbstversorgungsgrade aller Ernährungsszenarien durch den größeren Flächenzuwachs zum Anbau von Lebensmitteln und den eher geringeren Zuwachs der Bevölkerung an. Für das Ernährungsszenario (1) liegt die Flächendifferenz jedoch noch immer bei knapp 1 Mio. Hektar. Dagegen ist das Defizit des veganen Szenarios (4) um 75 Prozent geringer. Dieses Ergebnis ist auf den geringeren Flächenfußabdruck des veganen Szenarios (4) mittels des Konsumverzichts tierischer Lebensmittel zurückzuführen.

Fläche in 1.000 ha -986 (1) Status quo-Szenario -519 (2) DGE-Szenario -475 (3) ProVeg-Szenario vegetarisch -248 (4) ProVeg-Szenario vegan -766 (5) 1 fleischfreier Tag/Woche -698 (6) 2 fleischfreie Tage/Woche -625 (7) 3 fleischfreie Tage/Woche

Abbildung 46: Flächendefizite (in ha) der jeweiligen Ernährungsszenarien in Region 2 (eigene Darstellung) In Bezug auf den Selbstversorgungsgrad der Bevölkerung kann das Ernährungsszenario (1) knapp 1,13 Mio. Menschen versorgen, was einer Steigerung von knapp 23 Prozent im Vergleich zur vorherigen Gebietskulisse der Region 1.2 entspricht. Durch die Umsetzung einer fleischreduzierten Ernährungsweise, wie die Ernährungsempfehlung der DGE (2), könnte der Selbstversorgungsgrad um 26 Prozent auf 1,78 Mio. Menschen steigen. Durch den Verzicht auf den Konsum von Fleischprodukten der Szenarien (5) bis () steigt der Selbstversorgungsgrad um im Schnitt 10 Prozent auf 1,46 Mio. Menschen an. Die Umstellung auf eine vegane Ernährungsweise kann durch das Ernährungsszenario (4) über 50 Prozent der Bevölkerung (2,68 Mio. Menschen) aus regionalen Bezügen potenziell versorgen und damit das Potenzial im Vergleich zu Szenario (1) mehr als verdoppeln. Etwa 54 Prozent des Flächenbedarfs zum Lebensmittelanbau sind durch den geringeren Flächenfußabdruck einer veganen Ernährung von 1.089 Quadratmetern pro Person im Jahr gedeckt.

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Selbstversorgungsgrad in Bevölkerungsanzahl Gesamtbevölkerung Region 2

6.000.000 5.000.000 4.000.000 3.000.000 2.000.000 1.000.000 Bevölkerungsanzahl 0

Ernährungsszenarien

Abbildung 47: Selbstversorgungsgrad in Bevölkerungsgröße je Ernährungsszenario in Region 2 (eigene Darstellung) 5.5 Selbstversorgungsgrad Region 3 – 100 Kilometer-Radius Die Region 3 umfasst alle Teile Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsen, Sachsen-Anhalts und Polens innerhalb eines Radius von 100 Kilometern um die Landesgrenzen Berlin-Brandenburgs. Zu Polen zählende Flächen werden nicht in die Potenzialanalyse aufgenommen. Die erfasste Gesamtfläche umfasst 29.570 Quadratkilometer und wächst damit im Vergleich zu Region 2 um das 3,8-fache und zu den Regionen 1.1 sowie 1.2 um das 33-fache an. Die erfassten Landkreise sind im Anhang ersichtlich. Die landwirtschaftliche Gesamtfläche aller Bundesländer einschließlich Berlins beträgt insgesamt 1.324.995 Hektar und erweitert sich im Vergleich zu Region 2 um das 4,5-fache, zu Region 1.2 um das 82-fache und zu Region 1.1 um das 343-fache. Die Bevölkerungsanzahl steigt auf 6,16 Mio. Menschen, was einem Anstieg im Vergleich zu Region 2 um das 1,2-fache und zu Region 1.1 sowie 1.2 um das 1,7-fache entspricht.

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Gesamtbevölkerung Anbaufläche in ha

7.000.000 1.400.000

6.000.000 1.200.000

5.000.000 1.000.000

4.000.000 800.000

3.000.000 600.000 Bevölkerungsanzahl in ha Anbaufläche

2.000.000 400.000

1.000.000 200.000

0 0

Abbildung 48: Gesamtbevölkerung und Anbauflächen zur Lebensmittelproduktion (in ha) in den Regionen 1.2, 2 und 3 (eigene Darstellung) Wie aus nachfolgender Tabelle 19 zu entnehmen ist, hat die geringe Bevölkerungszunahme im Vergleich zum deutlichen Anstieg der landwirtschaftlichen Flächen die Auswirkung, dass die Ernährungsszenarien (2) bis (7) den Selbstversorgungsgrad von 100 Prozent erreichen und übersteigen. Damit wäre theoretisch eine regionale Eigenversorgung der Gesamtbevölkerung für diese Szenarien möglich. Die statistischen Flächenfußabdrücke sowie der errechnete Selbstversorgungsgrad der untersuchten Ernährungsszenarien sind in nachfolgender Tab. 19 dargestellt.

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Tabelle 19: Vergleichende Kennzahlen aller Ernährungsszenarien und potenzieller Selbstversorgungsgrade der Region 1.1 (eigene Berechnung) jährlicher Selbstver- jährlicher Flächenfuß- Selbstver- sorgungs- Ernährungs- Flächen- abdruck der sorgungsgrad in potenzial der szenarien fußabdruck pro Region Prozent Bev. (in Anzahl Person in ha in ha Personen) (1) Status quo 0,26 1.587.677 83,45 5.138.034 (2) DGE 0,16 1.008.051 131,44 8.092.390 (3) ProVeg 0,15 952.249 139,14 8.566.600 vegetarisch (4) ProVeg vegan 0,11 670.417 197,64 12.167.851 (5) 1 fleischfreier 0,21 1.314.083 100,83 6.207.778 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie 0,20 1.229.837 107,74 6.633.023 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie 0,19 1.139.573 116,27 7.158.415 Tage/Woche Die Flächenüberschüsse durch die Reduzierung tierischen Lebensmittelkonsums reichen von knapp 11.000 Hektar des Szenarios (5) bis zu 654.578 Hektar des Szenarios (4). Das fleischreduzierte DGE-Szenario (2) erreicht dabei knapp 24 Prozent, das vegetarische Szenario (3) knapp 28 Prozent. Einzig das Ernährungsszenario (1) kann eine komplette Eigenversorgung durch die vorhandenen landwirtschaftlichen Gesamtflächen nicht gewährleisten und weist ein Flächendefizit von 262.682 Hektar auf.

Fläche in 1.000 ha

-263 (1) Status quo-Szenario

317 (2) DGE-Szenario

373 (3) ProVeg-Szenario vegetarisch

655 (4) ProVeg-Szenario vegan

11 (5) 1 fleischfreier Tag/Woche

95 (6) 2 fleischfreie Tage/Woche

185 (7) 3 fleischfreie Tage/Woche

Abbildung 49: Flächendefizite und -überschüsse (in ha) der jeweiligen Ernährungsszenarien in Region 3 (eigene Darstellung) Zwar steigt im Ernährungsszenario (1) die Deckung des Flächenbedarfs im Vergleich zu Region 2 um knapp 61 Prozent an, doch reicht dieser Anstieg nicht aus, um eine vollständige Selbstversorgung zu erreichen. Es können circa 5,14 Mio. der insgesamt circa 6,16 Mio. Menschen potenziell regional versorgt werden. Knapp über die Schwelle der Eigenversorgung schaffen es die fleischreduzierten Szenarien (5) bis (7) und könnten damit im Schnitt 7,16 Mio. Menschen versorgen. Einen deutlich höheren Selbstversorgungsgrad durch Flächenüberschüsse erreichen die Ernährungsszenarien (2) und (3), die 31 Prozent bzw. 39 Prozent der Flächen einsparen oder 8,1 Mio. bzw. 8,6 Mio. Menschen im 100 Kilometer-Radius versorgen könnten. Die rein vegane Ernährung (4) verdoppelt den notwendigen Selbstversorgungsgrad und könnte in Gegenüberstellung zum Ernährungsszenario (1) circa 7,03 Mio. Menschen zusätzlich versorgen.

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Selbstversorgungsgrad in Bevölkerungszahl Gesamtbevölkerung Region 3

14.000.000 12.000.000 10.000.000 8.000.000 6.000.000 4.000.000 Bevölkerungsanzahl 2.000.000 0

Ernährungsszenarien

Abbildung 50: Selbstversorgungsgrad in Bevölkerungsgröße je Ernährungsszenario in Region 3 (eigene Darstellung) 5.6 Zusammenfassung der Regionen Es konnte aufgezeigt werden, dass die Regionen 1.1 und 1.2 durch ihre urbane Lage und die geringen Anbauflächen die dort lebende Bevölkerung in allen Ernährungsszenarien in einem nur sehr geringen Maße vorsorgen könnten. In der Region 2 steigert sich der Selbstversorgungsgrad durch den Anstieg der Anbauflächen und das eher mäßige Wachstum der Gesamtbevölkerung deutlich, so. könnte z.B. durch das vegane Ernährungsszenario (4) ein Selbstversorgungsgrad von 50 Prozent erreicht werden. Auch die anderen Ernährungsszenarien steigern sich deutlich im Vergleich zu den Regionen 1.1 und 1.2. Aber erst in der Region 3, mit einem Radius von 100 Kilometern um die Stadt Berlin herum, könnten alle Ernährungsweisen bis auf das Ernährungsszenario (1), welches den derzeitigen Ernährungsstil der deutschen Gesamtbevölkerung im Durchschnitt widerspiegelt, befriedigt werden. Gerade die fleischreduzierte Empfehlung der DGE (2) sowie die vegetarische (3) und vegane (4) Ernährungsform erreichen eine deutliche Potenzialsteigerung des Selbstversorgungsgrades auf weit über 100 Prozent. Im Rahmen einer veganen Ernährung könnten 12,17 Mio. Menschen im Umkreis regional versorgt werden, und damit fast doppelt so viele wie derzeit dort ansässig (6,16 Mio.).

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Region 1.1 Region 1.2 Region 2 Region 3 Gesamtbevölkerung Region 1.1 & 1.2 Gesamtbevölkerung Region 2 Gesamtbevölkerung Region 3 14.000.000

12.000.000

10.000.000

8.000.000

6.000.000

Bevölkerungsanzahl 4.000.000

2.000.000

0

Ernährungsszenarien

Abbildung 51: Vergleich der Selbstversorgungspotenziale der Bevölkerung (in Anzahl) in den Regionen 1.1, 1,2, 2 und 3 sowie Ernährungsszenarien (eigene Darstellung) Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Betrachtung der zur Verfügung stehenden Flächen zum Anbau regionaler Lebensmittel. Erst in einem Umkreis von 100 Kilometern reichen die Flächen für eine vollständige Bedarfsdeckung mit aus Ausnahme des Ernährungsszenarios (1), welches mit 2.579 Quadratmetern pro Person und Jahr einen hohen individuellen Flächenfußabdruck besitzt und dadurch nur maximal 83 Prozent Flächenbedarfsdeckung zur Eigenversorgung abdeckt, was im Vergleich zum veganen Ernährungsszenario (4) etwa 114 Prozent weniger sind.

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Region 1.1 Region 1.2 Region 2 Region 3

200 180 160 140 120 100 80 60 40 20

Selbstversorgungsgrad in Prozent Selbstversorgungsgrad 0

Ernährungsszenarien

Abbildung 52: Vergleich der Selbstversorgungsgrade (in Prozent) in den Regionen 1.1, 1,2, 2 und 3 sowie der Ernährungsszenarien (eigene Darstellung) 5.7 Einbezug von Lebensmittelverlusten Die Berechnung der Lebensmittelverluste basiert auf den Studien des WWF (a) Das grosse Wegschmeissen (2015) und KRANERT M. et al. (2012). In diesen Studien wurde ermittelt, dass in der Wertschöpfungskette Verluste von circa 18 Mio. Tonnen Lebensmitteln pro Jahr auftreten, wovon 8 Mio. Tonnen entlang der Wertschöpfungskette nicht vermeidbar sind. Die restlichen 10 Mio. Tonnen summieren sich auf eine Gesamtfläche von 2,57 Mio. Hektar, die in Deutschland ungenutzt verloren geht. Bei der Einberechnung dieser Zahlen würde sich der Flächenfußabdruck eines jeden Deutschen pro Jahr um 320 Quadratmeter erhöhen. Bezogen auf die Regionen und die dort lebende Bevölkerung bedeutet dies, dass in den Regionen 1.1 und 1.2 bei 3,5 Mio. dort lebenden Menschen 112.641 Hektar potenzielle Anbauflächen ungenutzt vernichtet werden. In der Region 2 beläuft sich die Größenordnung bei einer Bevölkerungsgröße von 4,95 Mio. Menschen auf 158.551 Hektar und in der Region 3 bei 6,16 Mio. lebenden Menschen auf 197.013 Hektar. Die nachfolgende Tab. 20 erzeugt eine Zusammenfassung der zum regionalen Lebensmittelanbau notwendigen Gesamtflächen unter Abzug der theoretischen Flächengrößen durch die Lebensmittelverluste. Daraus wird ersichtlich, dass in den Regionen 1.1 und 1.2 die gesamten Anbauflächen für die Lebensmittelverluste aufgezehrt werden. In der Region 2 sinken die zur Verfügung stehenden Flächen um knapp 54 Prozent, in Region 3 um 14 Prozent ab.

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Tabelle 20: Vergleichende Kennzahlen der Gesamtflächen zur Lebensmittelerzeugung und Lebensmittelverluste (in ha) aller Regionen (eigene Berechnung)

Gesamtflächen abzüglich Gesamtflächen zur Flächenansprüche der des Flächenanspruchs Regionen Lebensmittelerzeugung Lebensmittelverluste durch Lebensmittel- in ha in ha verluste in ha

Region 1.1 3.861 112.641 -108.780

Region 1.2 16.224 112.641 -96.417

Region 2 291.831 158.551 133.280 Region 3 1.324.995 197.013 1.127.982 Bezogen auf den Selbstversorgungsgrad verbrauchen Lebensmittelverluste so viel Fläche, dass sich die Regionen 1.1 und 1.2 gar nicht und Region 2 nur noch eingeschränkt aus eigener Kraft regional versorgen könnten. In Region 3 sinkt der Selbstversorgungsgrad so weit ab, dass nur drei der vormals sechs Szenarien eine vollständige Versorgung der Gesamtbevölkerung sicherstellen könnten. Dabei handelt es sich um die Ernährungsszenarien (3), (4) und (5), die einen reduzierten Konsum und gänzlichen Verzicht tierischer Lebensmittelprodukte aufweisen. Die Tab. 21 fasst die nach Abzug der Lebensmittelverluste potenziell zu vorsorgende Bevölkerung in absoluten Zahlen zusammen.

Tabelle 21: Zusammenfassung der Auswirkungen der Lebensmittelverluste auf die Bevölkerungszahlen aller Regionen sowie Ernährungsszenarien (eigene Berechnung)

Regionen/ Gesamt- Selbstversorgungspotenzial in Selbstversorgungspotenzial in Ernährungs- bevölkerung/ Bevölkerungszahl abzüglich Bevölkerungszahl szenarien Regionen der Lebensmittelverluste Region 1.1 3.520.031 (1) Status quo 14.972 0 (2) DGE 23.581 0 (3) ProVeg 24.963 0 vegetarisch (4) ProVeg vegan 35.457 0 (5) 1 fleischfreier 18.089 0 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie 19.328 0 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie 20.859 0 Tage/Woche Region 1.2 3.520.031 (1) Status quo 62.913 0 (2) DGE 99.088 0 (3) ProVeg 104.894 0 vegetarisch (4) ProVeg vegan 148.990 0 (5) 1 fleischfreier 76.012 0 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie 81.219 0 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie 87.652 0 Tage/Woche

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Region 2 4.954.723 (1) Status quo 1.131.655 516.830 (2) DGE 1.782.354 814.005 (3) ProVeg 1.886.799 861.705 vegetarisch (4) ProVeg vegan 2.679.977 1.223.951 (5) 1 fleischfreier 1.367.267 624.434 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie 1.460.928 667.209 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie 1.576.646 720.058 Tage/Woche Region 3 6.156.656 (1) Status quo 5.138.034 4.374.062 (2) DGE 8.092.390 6.889.135 (3) ProVeg 8.566.600 7.292.836 vegetarisch (4) ProVeg vegan 12.167.851 10.358.618 (5) 1 fleischfreier 6.207.778 5.284.746 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie 6.633.023 5.646.762 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie 7.158.415 6.094.033 Tage/Woche 5.8 Querschnittsberechnung Um eine Verbindung verschiedener Ernährungsweisen und damit eine höhere Aussagekraft in Bezug auf die tatsächliche Verteilung der Ernährungsgewohnheiten in der Bevölkerung zu generieren, werden die Ernährungsszenarien Status quo, DGE, ProVeg vegetarisch sowie ProVeg vegan in einem Querschnittszenario zusammengefasst. Dabei wird das Ernährungsszenario Status quo als durchschnittlicher Ernährungsstil, das DGE-Szenario als flexitarischer Ernährungsstil, das vegetarische ProVeg-Szenario als vegetarischer Ernährungsstil und das vegane ProVeg-Szenario als veganer Ernährungsstil herangezogen.

Tabelle 22: Zusammenfassung des Querschnittszenarios aller Regionen (eigene Berechnung) Vegetarier Fleischbetont Flexitarier Veganer (ProVeg Ernährungs- (ProVeg (Status quo) (DGE) vegan) weisen vegetarisch) 70,15 Prozent 23 Prozent 5,35 Prozent 1,5 Prozent Bevölkerungs- anteil Region 1.1 2.469.301 809.607 188.322 52.800 und 1.2 Bevölkerungs- 3.475.738 1.139.586 265.078 74.321 anteil Region 2 Bevölkerungs- 4.318.894 1.416.031 329.381 92.350 anteil Region 3 Aus der Abb. 53 wird ersichtlich, dass die Regionen 1.1, 1.2 und 2 ähnlich negative Flächensalden im Querschnittszenario aufweisen. Für eine Selbstversorgung stehen in der Region 1.1 lediglich 0,48 Prozent, in Region 1.2 nur 2,1 Prozent und in der Region 2 lediglich 35 Prozent der Anbauflächen, die zur Bedarfsdeckung der jeweiligen Bevölkerung mit regionalen Lebensmitteln notwendig wären, zur Verfügung. In der Region 3 verschiebt sich die Situation der potenziellen regionalen Selbstversorgung in ein positives Flächensaldo, in dem 106 Prozent der notwendigen Anbauflächen vorhanden sind und damit mehr Bewohner ernährt werden könnten, als derzeit im Umkreis ansässig sind. Seite | 122 Ergebnisauswertung

Region 3 82

-840 Region 2

-788 Region 1.2

-800 Region 1.1

-1.000 -800 -600 -400 -200 0 200 Flächen in 1.000 ha

Abbildung 53: Flächendefizite und -überschüsse (in ha) des Querschnittszenarios für die Regionen 1.1, 1.2, 2 und 3 (eigene Darstellung) 5.9 Einbezug des Energiepflanzenabbaus in Brandenburg Durch die Erfassung des Energiepflanzenanbaus Brandenburgs und die Übertragung auf die Regionen 2 und 3 mit einer Ausdehnung von 35.367 Hektar in der Region 2 sowie 144.733 Hektar in der Region 3, kann das Minderungspotenzial gegen über der regionalen Selbstversorgung ermittelt werden. Für die Region 2 sinkt das Flächenpotenzial zum Anbau regionaler Lebensmittel von 291.831 Hektar auf 256.464 Hektar. Damit wächst gleichzeitig das Flächendefizit zur Befriedigung des Selbstversorgungsgrades um im Schnitt 6 Prozent. Alle Ernährungsszenarien weisen unter Einbezug des Energiepflanzenanbaus ein größeres Flächendefizit als zuvor auf.

Flächen in 1.000 ha -1.200 -1.000 -800 -600 -400 -200 0 -986 -1.021 (1) Status quo-Szenario -519 -555 (2) DGE-Szenario -475 -510 (3) ProVeg-Szenario vegetarisch -248 -283 (4) ProVeg-Szenario vegan -766 -801 (5) 1 fleischfreier Tag/Woche -698 -733 (6) 2 fleischfreie Tage/Woche -625 -661 (7) 3 fleischfreie Tage/Woche

Flächen ohne Energiepflanzenanbau Flächen einschl. Energiepflanzenanbau

Abbildung 54: Flächenbewertung zur Selbstversorgung mit und ohne Einbezug des Energiepflanzenanbaus in Region 2 (eigene Darstellung) Für die Region 3 sinkt das Flächenpotenzial zum Anbau regionaler Lebensmittel von 1.324.995 Hektar auf 1.180.262 Hektar. Das vorhandene Flächendefizit des Ernährungsszenarios (1) steigt damit in dieser Region knapp über 400.000 Hektar an. Die ohne Einbezug des Energiepflanzenanbaus noch im positiven Saldo liegenden Szenarien (5) und (6) weisen nun negative Salden auf. Das Szenario der DGE (2) sowie das vegetarische (3), vegane Szenario (4) sowie das dreitägige fleischfreie Szenario (7) können ihre Flächendefizite soweit kompensieren, dass sie durch den geringeren Konsum tierischer Lebensmittelgruppen oder durch den gänzlichen Verzicht auf diese ihre positiven Flächenvoraussetzungen bewahren und die gesamte Bevölkerung der Region 3 weiterhin potenziell regional versorgen könnten.

Seite | 123 Ergebnisauswertung

Flächen in 1.000 ha -600 -400 -200 0 200 400 600 800 -263 -407 (1) Status quo-Szenario 317 172 (2) DGE-Szenario 373 228 (3) ProVeg-Szenario vegetarisch 655 510 (4) ProVeg-Szenario vegan 11 -134 (5) 1 fleischfreier Tag/Woche 95 -50 (6) 2 fleischfreie Tage/Woche 185 41 (7) 3 fleischfreie Tage/Woche

Flächen ohne Energiepflanzenanbau Flächen einschl. Energiepflanzenanbau

Abbildung 55: Flächenbewertung zur Selbstversorgung mit und ohne Einbezug des Energiepflanzenanbaus in Region 3 (eigene Darstellung) Da für die landwirtschaftlichen Flächen Berlins keine statistischen Erfassungen vorlagen, findet für die Regionen 1.1 und 1.2 keine Berechnung statt. 5.10 Zusammenfassung In nachfolgender Tab. 23 ist eine Zusammenfassung der Flächenfußabdrücke aller Regionen und der jeweiligen Ernährungsszenarien abgebildet. Diesen Flächenansprüchen werden die Flächenfußabdrücke der Lebensmittelverluste von 320 Quadratmeter pro Person und Jahr, aufsummiert auf die Bevölkerungsgröße der definierten Gebietskulissen, sowie die Flächen des Energiepflanzenanbaus gegenübergestellt.

Tabelle 23: Zusammenfassung des Selbstversorgungsgrads unter Einbezug von Lebensmittelverlusten und des Energiepflanzenanbaus aller Regionen sowie Ernährungsszenarien (eigene Berechnung) Region/ Flächenanspruch Flächenanspruch des Flächenbedarfs- Flächensaldo Ernährungs- der Lebensmittel- Energiepflanzen- deckung in ha in ha szenario verluste in ha anbaus in ha Region 1.1; Einwohner: 3,52 Mio.; Anbaufläche: 3.861 ha

(1) Status quo -903.884 -1.016.525

(2) DGE -572.486 -685.127

(3) ProVeg -540.582 -653.223 vegetarisch

(4) ProVeg vegan -379.446 112.641 n/a -492.087

(5) 1 fleischfreier -747.458 -860.099 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie -699.291 -811.932 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie -647.683 -760.324 Tage/Woche

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Region 1.2; Einwohner: 3,52 Mio.; Anbaufläche: 16.224 ha

(1) Status quo -891.521 -1.004.162

(2) DGE -560.123 -672.764

(3) ProVeg -528.219 -640.860 vegetarisch

(4) ProVeg vegan -367.083 112.641 n/a -479.724

(5) 1 fleischfreier -735.095 -847.736 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie -686.928 -799.569 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie -635.320 -747.961 Tage/Woche Region 2; Einwohner: 4,95 Mio.; Anbaufläche: 291.831 ha

(1) Status quo -985.892 -1.179.810

(2) DGE -474.515 -668.434

(3) ProVeg -247.704 -441.622 vegetarisch

(4) ProVeg vegan -765.711 158.551 35.367 -959.629

(5) 1 fleischfreier -765.711 -959.629 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie -697.911 -891.829 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie -625.269 -819.187 Tage/Woche Region 3; Einwohner: 6,16 Mio.; Anbaufläche: 1.324.995 ha

(1) Status quo -262.682 -604.428

(2) DGE 316.944 -24.802

(3) ProVeg 372.746 31.000 vegetarisch

(4) ProVeg vegan 654.578 197.013 144.733 312.832

(5) 1 fleischfreier 10.912 -330.834 Tag/Woche (6) 2 fleischfreie 95.158 -246.588 Tage/Woche (7) 3 fleischfreie 185.422 -156.324 Tage/Woche

Seite | 125 Ergebnisauswertung

Aus der Tab 23. ist zu entnehmen, dass der Einbezug der Faktoren Lebensmittelverluste und Energiepflanzenanbau die Anbauflächen der Regionen zum Teil deutlich verringert. In den Regionen 1.1 und 1.2 übersteigen die Lebensmittelverluste die vorhandenen Anbauflächen um das 29-fache bzw. 7-fache. Die Flächenansprüche der Lebensmittelverluste und des Energiepflanzenanbaus belegen in der Region 2 circa 66 Prozent der Gesamtflächen. Die Flächensalden der Ernährungsszenarien steigen im Schnitt um 29 Prozent. In der Region 3 weisen alle Ernährungsszenarien durch den Einbezug beider Faktoren, mit den beiden Ausnahmen des vegetarischen ProVeg-Szenarios (3) und des veganen ProVeg-Szenarios (4), negative Flächensalden auf. Dieses bedeutet eine Trendumkehr zur vorherigen faktorfreien Ermittlung der Ernährungsszenarien, denn zuvor wies nur das Szenario (1) eine negative Flächenbilanz auf. Durch Einbezug der beiden Faktoren ist es notwendig, durchschnittlich knapp 26 Prozent mehr Gesamtfläche zur Erreichung einer regionalen Selbstversorgung bereitzustellen, wobei der Faktor Lebensmittelverluste 15 Prozent und der Faktor Energiepflanzenanbau 11 Prozent der Flächeninanspruchnahme ausmacht. In der nachfolgenden Abb. 56 wird grafisch deutlich, dass alle Ernährungsszenarien, bis auf den veganen Ernährungsstil in der Region 3, ein Flächendefizit aufweisen und die in den Gebietskulissen lebenden Menschen zumeist nicht komplett regional versorgt werden können.

Flächen in 1.000 ha -1.200 -1.000 -800 -600 -400 -200 0 200 400

(1) Status quo

(2) DGE

(3) ProVeg vegetarisch

(4) ProVeg vegan

(5) 1 fleischfreier Tag/Woche

(6) 2 fleischfreie Tage/Woche

(7) 3 fleischfreie Tage/Woche

Region 1.1 Region 1.2 Region 2 Region 3

Abbildung 56: Flächendefizite und -überschüsse unter Einbezug von Lebensmittelverlusten und des Energiepflanzenanbaus aller Regionen sowie Ernährungsszenarien (eigene Darstellung) Die Ergebnisse zeigen, dass die Größe der Region sowie die darin vorhandene landwirtschaftliche Flächengröße in Verbindung mit der Bevölkerungsanzahl die Tendenzen der Selbstversorgung vorgeben. Berlin kann sich durch das geringe Eigenpotenzial an landwirtschaftlichen Flächen und den urbanen Landnutzungsformen Kleingärten, Brach- und Grünflächen sowie Flächen der Dachbegrünung nur in einem sehr geringen Maße selbstversorgen. Erst durch die Vergrößerung der Gebietskulissen durch die Radien von 50 und 100 Kilometern steigt der Selbstversorgungsgrad. Dabei gelingt eine Selbstversorgung umso besser, je weniger Flächeninanspruchnahme das jeweilige Ernährungsszenario aufweist. Mit dem derzeitigen Seite | 126 Ergebnisauswertung durchschnittlichen Nahrungsmittelverbrauch, symbolisiert durch das Status quo-Szenario mit dem größten der in Arbeit ermittelten Flächenfußabdrücke, gelingt in keiner der hier aufgestellten Gebietskulissen eine vollständige Selbstversorgung der Bevölkerung. Erweitert man die Ergebnisse mit den Faktoren der Lebensmittelverluste und des Energiepflanzenanbaus, ist eine Verringerung der Selbstversorgung in allen Regionen und allen Ernährungsszenarien ersichtlich. Die bei Nichtberücksichtigung der beiden Faktoren im Großteil positive Selbstversorgungssituation aller Ernährungsszenarien (bis auf das Szenario (1)) der Gebietskulisse der Region 3 sinken soweit, als dass ausschließlich die Ernährungsszenarien (3) und (4) noch eine positive Flächenbilanz aufweist. Die Zusammenfassung verschiedener Ernährungsstile durch das Querschnittszenario zeigt, dass eine Selbstversorgung generell nur in der Region 3 möglich wäre.

Seite | 127 Diskussion 6. Diskussion 6.1 Beantwortung der Forschungsfragen 1. Reichen die definierten Gebietskulissen der Regionen 1.1 und 1.2 für die Versorgung der Einwohner Berlins sowie der in den Umkreisen der erweiterten Gebietskulissen der Regionen 2 und 3 erhobenen Bevölkerungsgrößen aus? Beim derzeitigen Ernährungsstil: Der derzeitige Ernährungsstil wird definiert durch das Ernährungsszenario Status quo. Es spiegelt den durchschnittlichen Verbrauch an Nahrungsmitteln und den damit zugrundeliegenden Flächenbedarf der erzeugten Konsumgüter für eine in Deutschland lebende Person pro Jahr wieder. Der ermittelte Wert liegt bei 2.579 Quadratmetern je Jahr mit einem Verzehr von 688 kg. Die zu Grunde liegenden Lebensmittelgruppen sind in Kap. 4.3.1 ersichtlich. Die Gebietskulissen werden dabei in vier Regionen unterteilt, wobei sich die Regionen 1.1 und 1.2 auf die Stadtgrenzen Berlins beziehen. In der Region 1.1 findet eine ausschließliche Betrachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen statt, die mit knapp 3.800 Hektar im Vergleich zu den Regionen 2 und 3 sehr gering ausfällt. Vergleicht man die zur Verfügung stehenden Flächen mit der Bevölkerungszahl unter der Voraussetzung eines gängigen durchschnittlichen Ernährungsstils, ist eine Selbstversorgung Berlins nicht möglich. Aufsummiert benötigt die Gesamtbevölkerung Berlins 908.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche zur Selbstversorgung. Weil jedoch nur knapp 3.800 Hektar an Anbauflächen (0,43 Prozent der gesamten benötigten landwirtschaftlichen Flächen) zur Verfügung stehen, könnten potenziell knapp 15.000 der 3,52 Mio. Menschen versorgt werden. Mit gleichen Voraussetzungen an Bevölkerungsgröße sowie benötigter Nutzfläche könnten die zusätzlich für Region 1.2 ermittelten urbanen Landnutzungsformen Kleingärten, Brach- und Grünflächen sowie Flächen mit Dachbegrünung die potenzielle Anbaufläche auf knapp über 16.000 Hektar (entspricht 1,79 Prozent der benötigten Gesamtfläche zur Nahrungsmittelerzeugung) steigern. Diese Vervierfachung der Anbauflächen führt zu einer Erhöhung der potenziellen Selbstversorgung auf knapp 63.000 Menschen, ist gemessen an der Gesamtbevölkerung von 3,52 Mio. Menschen dennoch sehr gering. Positiv bei dieser Entwicklung ist, dass die Nutzung, Bestellung und Ernte von Kleingärten, von Brachflächen durch Urban Gardening und andere. Formen des Lebensmittelanbaus und der Eigenversorgung ein hohes Maß an Ernährungssouveränität voraussetzen bzw. hilfreich sind, um diese zu entwickeln, fördern und zu etablieren. Dabei dienen die urbanen Landnutzungsformen nicht nur dem reinen Nahrungsmittelerwerb, sondern haben darüber hinaus soziale Funktionen wie Vernetzung, ehrenamtliches Engagement, Vermittlung und Erwerb von Wissen zum Nahrungsmittelanbau. Durch den Anbau kann die Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln erhöht und die Lebensmittelverschwendung gesenkt werden. Hinzu kommt, dass durch Selbsternte eine verbesserte ökonomische Situation entstehen kann. Auch erfährt der Stadtraum eine Diversitätssteigerung an vorhandenen Nutzungsformen. Die urbanen Landnutzungsformen werden daher über die Messung absoluter Zahlen hinaus als positive Diversifizierung des urbanen Kulturraums angesehen. Für die dritte Gebietskulisse wurde ein Radius von 50 Kilometern um den geographischen Mittelpunkt Berlins in das Umland Brandenburgs gezogen, mit dem Ziel, regionale Strukturen mit in die Erhebung aufzunehmen. Regionalität wird dabei als ein maximaler Radius von 100 Kilometern angesehen, welcher durch die Gebietskulisse abgebildet wird. In der Region 2, bzw. dem 50 Kilometer-Radius, steigt die Größe vorhandener landwirtschaftlicher Flächen auf 291.000 Hektar an. Dabei liegt das Augenmerk ausschließlich auf landwirtschaftlichen Flächen. Der Zuwachs der Anbauflächen und die eher geringe Steigerung der Bevölkerungszahl von 3,52 Mio. auf 4,95 Mio. Menschen führt auch zu einer Erhöhung des regionalen

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Selbstversorgungsgrads auf knapp 23 Prozent beziehungsweise 1,13 Mio. Menschen. Dennoch fehlen, bedingt durch den hohen Verzehr tierischer Produkte, circa 940.000 Hektar Anbaufläche. Die Region 3 zeichnet sich mit einem Radius von 100 Kilometern als größte Gebietskulisse aus und schließt neben dem Berliner und Brandenburger Raum auch Flächen – wenn auch nur kleinräumig – der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen mit ein. Die landwirtschaftliche Flächengröße erweitert sich auf 1,32 Mio. Hektar und die Bevölkerungszahl auf 6,16 Mio. Menschen. Trotz der sehr großräumigen Anbauflächen kann die Selbstversorgung nur zu einem Grad von 83 Prozent abgedeckt werden. In Bevölkerungsgröße ausgedrückt heißt dies, dass 5,14 der 6,16. Mio. Menschen regional versorgt werden könnten. Bei alternativen Ernährungsstilen: Da es sich bei den alternativen Ernährungsstilen gänzlich um Ernährungsformen mit verringertem tierischen Konsum handelt, fallen in allen Gebietskulissen die Grade der Selbstversorgung höher aus, als es beim Status quo Szenario der Fall ist. Durch den reduzierten Fleischkonsum kann die benötigte Futtermittelanbaufläche verringert und damit der Flächenfußabdruck einer Person pro Jahr durch den Nahrungsmittelkonsum gesenkt werden. Bezogen auf die Flächenfußabdrücke ist das fleischreduzierte Szenario der DGE (2) dem vegetarischen ProVeg-Szenario (3) in Bezug auf die Größe des benötigten Flächenbedarfs in etwa gleichzusetzen (1.637 Quadratmeter zu 1.547 Quadratmetern pro Person und Jahr). Für die urbanen Gebietskulissen 1.1 und 1.2 sowie den 50 Kilometer-Radius der Region 2 können beide Szenarien die komplette Deckung durch eine regionale Lebensmittelversorgung nicht gewährleisten. Dennoch steigen die jeweiligen Versorgungsgrade an. Für die urbanen Gebietskulissen bedeutet dies eine Versorgung von durchschnittlich 23.500 Menschen (Region 1.1), 99.000 Menschen (Region 1.2) und 1,78 Mio. Menschen (Region 2) beim fleischreduzierten Ernährungsstil der DGE (2) sowie 25.000 Menschen (Region 1.1), 105.000 Menschen (Region 1.2) und 1,89 Mio. Menschen (Region 2) durch das vegetarische ProVeg-Szenario (3). Anders als beim Status quo- Szenario (1) wird in der Gebietskulisse des 100-Kilometer Radius der Region 3 für beide Szenarien eine Vollversorgung der Bevölkerung, ja sogar eine Überversorgung, prognostiziert. Dabei könnten 8,09 Mio. Menschen (DGE-Szenario) oder 8,57 Mio. (ProVeg vegetarisches Szenario) bei einer derzeitigen Gesamtbevölkerung von 6,16 Mio. regional versorgt werden. Mit Blick auf die Größe des Flächenfußabdrucks einer Person pro Jahr weist der vegane Ernährungsstil (4) der ProVeg-Ernährungsempfehlung durch die rein pflanzliche Ernährungsweise den mit Abstand geringsten Flächenbedarf auf. Mit 1.089 Quadratmetern pro Person und Jahr ist dies eine Verringerung von 57 Prozent im Vergleich zu den 2.579 Quadratmetern des Status quo-Szenarios (1). Auch für die Gebietskulissen bedeutet dies, dass die Versorgungsgrade mit 1,01 Prozent (Region 1.1), 4,23 Prozent (Region 1.2) und 54 Prozent (Region 2) deutlich höher ausfallen. In der Region 3, mit 12,17 Mio. potenziell regional versorgten Menschen (197 Prozent), verdoppelt sich der Selbstversorgungsgrad. Damit würden 650.000 Hektar der verfügbaren 1,32 Mio. Hektar nicht zum Nahrungsmittelanbau der umliegenden Bevölkerung benötigt werden. Die selbsterstellten Ernährungsszenarien (5) bis (7), bei denen einen (2.134 Quadratmeter pro Person/Jahr), zwei (1.998 Quadratmeter pro Person/Jahr) und drei Tage (1.851 Quadratmeter pro Person/Jahr) in der Woche auf Fleischkonsum verzichtet wird, senken ebenfalls den jeweiligen Flächenbedarf im Vergleich zum Ausgangsszenario Status quo (1), jedoch nicht so stark wie die drei zuvor beschriebenen. Für die Gebietskulissen der Region 1.1, 1.2 und 2 kann, wie in den anderen Szenarien, eine Selbstversorgung nicht sichergestellt werden, doch erhöhen sich die Selbstversorgungsgrade soweit, dass im Vergleich zum Ausgangsszenario (1) mehr Menschen versorgt werden könnten. Im Gegensatz dazu kann für die Region 3 Seite | 129 Diskussion festgestellt werden, dass durch die 1,32 Mio. Hektar zur Verfügung stehender landwirtschaftlicher Anbauflächen selbst bei einem Tag des Fleischverzichtes in der Woche die Gesamtbevölkerung regional versorgt (101 Prozent Versorgungsgrad) werden könnte. Bei den mehrtägigen Szenarien der Fleischreduktion steigern sich die Selbstversorgungsgrade dementsprechend (zwei fleischfreie Tage: 108 Prozent, drei fleischfreie Tage: 116 Prozent). Dadurch wird aufgezeigt, dass schon durch kleine Veränderungen im Ernährungsverhalten, ohne gänzlichen Verzicht auf den Konsum tierischer Produkte, der Flächenfußabdruck soweit reduziert wird, dass eine regionale Selbstversorgung in Bezug auf den Flächenbedarf zum Anbau der regionalen Lebensmittel gestärkt werden kann. 2. Reichen die vorhandenen Flächen der urbanen Landnutzungsformen und der landwirtschaftlichen Flächen für eine regionale Versorgung aus? Zur Beantwortung der Frage müssen die drei Gebietskulissen gesondert betrachtet werden. Für die Regionen Berlins reichen die landwirtschaftlichen Flächen sehr deutlich nicht aus. Zwar steigert der Einbezug der urbanen Landnutzungsformen wie Kleingärten, Brach- und Grünflächen sowie Flächen mit Dachbegrünung der Region 1.2 den Grad der Selbstversorgung, doch können auch hier nur maximal 4,32 Prozent der Bevölkerung unter der Voraussetzung einer komplett veganen Ernährungsweise (4) versorgt werden. Bei dem durchschnittlichen derzeitigen Ernährungsszenario Status quo (1) fällt der Wert auf 1,79 Prozent. Zieht man die urbanen Landnutzungsformen ab und betrachtet ausschließlich die landwirtschaftlichen Flächen, wie in Region 1.1 geschehen, werden 0,43 Prozent bzw. 15.000 Menschen unter Annahme des Ausgangsszenarios Status quo (1) versorgt werden könnten. Für die Gebietskulisse der Region 2 und einen 50-Kilometer-Radius um Berlin können die Grade der Selbstversorgung durch größere landwirtschaftliche Flächen und einen eher moderaten Anstieg der Bevölkerungszahl zwar gesteigert werden, reichen jedoch ebenfalls nicht aus, um die Gesamtbevölkerung mit regionalen Nahrungsmitteln zu versorgen. Die landwirtschaftlichen Flächen reichen im Status quo- Szenario (1) für 23 Prozent und im veganen Szenario (4) für maximal die Hälfte der Bevölkerungsgröße. Anders gestaltet sich die Situation in der größten Gebietskulisse der Region 3 mit einem Radius von 100 Kilometern. Hier ist es ausschließlich der derzeitige Konsum des Szenarios Status quo (1) mit einem hohen Verbrauch an tierischen Konsumgütern, der keine Selbstversorgung für alle im Umkreis lebende Menschen gewährleisten kann. Hingegen schaffen alle anderen Ernährungsszenarien in dieser Region den Schritt zur vollständigen Selbstversorgung. Mittels eines fleischfreien Tages in der Woche wäre es möglich, einen Selbstversorgungsgrad von 101 Prozent zu erreichen. Würden alle Menschen ein veganes Ernährungsszenario (4) einhalten, ist es potenziell möglich, über 190 Prozent der im Umkreis lebenden Menschen zu versorgen, Versorgungswege umzuleiten oder landwirtschaftliche Flächen um zu nutzen. Um eine größtmögliche Annäherung an die verschiedenen Ernährungsstile zu erreichen, wurde ein Querschnittsszenario erstellt. Dabei wurden die Anteile der verschiedenen Stile aus aktuellen Untersuchungen aufgenommen und auf die in den Umkreisen lebenden Gesamtbevölkerungen übertragen. Das Status quo-Szenario (1) bildet hierbei die fleischbetonte Ernährungsweise mit einem Anteil von 70,15 Prozent ab, das DGE-Szenario (2) eine fleischreduzierte flexitarische Ernährungsweise mit einem Anteil von 23 Prozent und das ProVeg vegetarische Szenario (3) mit 5,35 Prozent sowie das ProVeg vegane Szenario (4) mit 1,5 Prozent Anteil. Bezogen auf die Bevölkerungsgrößen in den einzelnen Gebietskulissen bedeutet dies für die Selbstversorgungsgrade, dass nur die Region 3 ausreichend landwirtschaftliche Flächen aufweisen kann, um die Gesamtbevölkerung nach dieser Einteilung komplett versorgen, und einen Flächenüberschuss von 6 Prozent oder 82.000 Hektar generiert. Im Gegensatz dazu fehlen in den Regionen 1.1, 1.2 und 2 im Schnitt circa 800.000 Hektar zur Befriedigung der regionalen Lebensmittelversorgung.

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3. Trägt eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten dazu bei, die regionale Selbstversorgung zu stärken? Es konnte in allen definierten Gebietskulissen eine Steigerung der Selbstversorgungsgrade im Vergleich zum Ausgangsszenario Status quo (1) aufgezeigt werden. Daraus ableitend folgt nicht, dass sich dabei eine komplette Selbstversorgung der Regionen einstellt. Ausschließlich in der Region 3 kann nachgewiesen werden, dass ein reduzierterer Konsum tierischer Produkte den Selbstversorgungsgrad soweit anhebt, dass die Gesamtbevölkerung dieser Gebietskulisse vollständig versorgt werden könnte. Neben den Ernährungsstilen ist die Bevölkerungsgröße in Bezug auf die vorhandenen landwirtschaftlichen und urbanen, zum Lebensmittelanbau geeigneten Flächengrößen entscheidend. Trotzdem können auch in den Gebietskulissen, in denen keine vollständige Versorgung der Bevölkerung möglich ist, differenzierte Betrachtungen durchgeführt werden. Eine Reduktion des Konsums der tierischen Lebensmittelgruppen führt grundsätzliches zu einer Verringerung des Flächenverbrauchs und damit zu einer Stärkung der Unabhängigkeit von importieren Agrarrohstoffen, da es sich, wie in Kap. 2.4.3 aufgezeigt wurde, bei einem Großteil der Importe um Futtermittel handelt. Sänke der Fleischkonsum in Deutschland und anderen Industrieländern auf ein Maß, welches noch immer 20 Prozent oberhalb der empfohlenen Proteinzufuhr läge, könnten die derzeitigen Flächen, selbst bei gleichbleibender Produktivität, deutlich mehr Menschen ernähren (J. RANGANATHAN et al. 2016, S. 11 f.). Eine Großstadt wie Berlin hat dabei zwar nur wenig eigene Anbauflächen, kann jedoch eine eigene geringe Selbstversorgung und, unter Einbezug der angrenzenden Regionen mittels eines fokussiert umgesetzten regionalen Lebensmittelbezugs, eine Vollversorgung erreichen. Im Agglomerationsraum Berlin kann es zu einer Stärkung regionaler Bezüge kommen, wenn etwa Lebensmittelerzeuger und -erzeugerinnen in die Lage versetzt werden, Wirtschaftsweisen von globalen in regionale Maßstäbe zu verändern. 4. Ist eine Selbstversorgung in den Gebietskulissen ebenso möglich, wenn Flächenverluste durch Lebensmittelverschwendung und Energiepflanzenanbau mit einbezogen werden? Durch den zusätzlichen Einbezug der Flächen bedingt durch Lebensmittelverluste, welche durch die Studien Das grosse Wegschmeissen (WWF (a) 2015) sowie der Universität Stuttgart (M. KRANERT et al. 2012) auf 320 Quadratmeter pro Person und Jahr beziffert wurden, können anhand der Bevölkerungsgröße für die Regionen 1.1 und 1.2 Flächen von jeweils 112.641 Hektar, für die Region 2 von 158.551 Hektar und für die Region 3 von 197.013 Hektar ermittelt werden, die dem „Flächenbudget“ eines jeden Ernährungsszenarios hinzugerechnet werden müssen. Diese Ermittlung ist insoweit wichtig, als dass eine Veränderung der Ernährungsweise nicht gleichzusetzen ist mit einer Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. Beides sind separate Einflussgrößen mit dem gleichen Ziel der Reduzierung des Flächenverbrauchs. Zwar treten beim Endkonsumenten „nur“ 57 Prozent der Verluste auf (WWF (a) 2015, S. 12), doch ist aus Sicht des Autors bei einer angenommenen regionalen Versorgung auch der Gesamtverlust entlang der gesamten Wertschöpfungskette regional einzubeziehen. Ein weiterer Faktor, der zu einer Reduzierung der Anbauflächen führt, ist der Energiepflanzenanbau. Zwar können in den Verarbeitungsprozessen auch Tierfuttererzeugnisse gewonnen werden, bei der theoretischen Annahme einer veganen Ernährungsweise bräuchte es diese jedoch erst gar nicht. Die Ermittlung der Größenabschätzung in den Gebietskulissen erfolgte durch die zuletzt 2011 erhobenen Daten der Agentur für Erneuerbare Energie (AEE) und einer Ausweisung von knapp 175.000 Hektar Energiepflanzenanbau in Brandenburg sowie des dort aufgezeigten Anteils der Maisernte für Anlagen zur Energieerzeugung an der Gesamternte. Die prozentuale Flächengröße wurde stellvertretend auf die landwirtschaftlichen Flächen in den Gebietskulissen übertragen. Eine genauere Beschreibung der Methodik ist in Kap. 4.3.8 ersichtlich. Die laut Biomassestrategie des Land Brandenburgs angenommene Größenordnung von 300.000 Hektar Seite | 131 Diskussion

Energiepflanzenanbau in Brandenburg bis 2020 wurde nicht mit in die Berechnung aufgenommen. Für die Regionen 2 und 3 – die Regionen 1.1 und 1.2 konnten mangels fehlender statistischer Daten nicht mit einbezogen werden – führt dies zu einem Flächenentzug von 35.367 Hektar bzw. 144.733 Hektar für die Lebensmittelproduktion. Bündelt man beide Faktoren zu einer Gesamtsumme, müssen in der Region 2 193.918 Hektar und in der Region 3 341.746 Hektar dem Nahrungsmittelanbau entzogen werden. Für die Regionen 1.1 und 1.2 werden auf Grund mangelnder Datengrundlage nur die Flächen der Lebensmittelverluste von 112.641 Hektar den landwirtschaftlichen Anbauflächen entgegengestellt. Die Konsequenzen für letztgenannte Regionen sind dabei dramatisch, denn die geringe Größe an Anbauflächen im Stadtraum Berlins würde alleine durch die Lebensmittelverluste komplett aufgebraucht werden. Selbstversorgung fände in Berlin nicht mehr statt. Lebensmittelverluste werden in den beiden Regionen virtuell exportiert. Praktisch hieße das: Wenn in Berlin Lebensmittel ungenutzt entsorgt werden, werden Flächen außerhalb der regionalen Erzeugung ungenutzt „besetzt“. Für die Region 2 bedeutet der Einbezug beider Faktoren den Verlust eines Großteils der 291.831 Hektar landwirtschaftlicher Flächen, indem 66 Prozent dem Lebensmittelanbau entzogen werden würden. Der Selbstversorgungsgrad würde massiv zurückgehen. Die Region 3 kann durch ihre 1,32 Mio. Hektar großen Anbauflächen die 341.746 Hektar Abzug insoweit kompensieren, dass noch immer zwei Ernährungsszenarien die Gesamtbevölkerung vorsorgen könnte. Hierbei handelt es sich um den vegetarischen Ernährungsstil (3) und den veganen Ernährungsstil (4), welche ohne Einbezug der Faktoren Lebensmittelverluste sowie Energiepflanzenanbau fast 140 bzw. 200 prozentige Versorgungsgrade aufweisen würden. Die restlichen, ohne Einbezug noch über 100 Prozent kommenden Ernährungsstile (2 bis 7), könnten die Bevölkerung unter Einbezug der beiden Faktoren nicht mehr versorgen. Damit kann aufgezeigt werden, welche Konsequenzen der Verlust von Nahrungsmitteln und der Energiepflanzenanbau in Bezug auf die Lebensmittelproduktion haben. Nicht nur aufgrund der Flächenbeanspruchung und Verschwendung von Ressourcen wie Fläche und Boden sollten die Lebensmittelverluste reduziert werden, sondern auch aus ethisch-moralischen Gründen, solange Hunger und Mangelernährung in vielen Regionen der Welt noch ein Problem darstellen Auch danach sollte dieser Grundsatz gelten. Mithilfe des Energiepflanzenanbaus kann die „Teller oder Tank“- Thematik diskutiert werden, da in der Arbeit aufgezeigt wird, dass eine direkte Flächenkonkurrenz zwischen Anbauflächen und Flächen des Energiepflanzenanbaus besteht. Zudem stehen den landwirtschaftlichen Flächen noch weitere Flächenkonkurrenzen wie Versiegelung oder der Verlust von Boden durch Erosion u. a. Faktoren entgegen. 5. Müssen sich landwirtschaftliche Produktpaletten verändern, um die regionale Selbstversorgung zu gewährleisten? Aus den geführten Interviews mit WIMMER und HAERLIN wird deutlich, dass das Bundesland Brandenburg auf eine exportorientierte Landwirtschaft setzt und somit die Trends der regionalen Wertschöpfungsketten aus konventioneller und biologisch-ökologischer Landwirtschaft versäumte und an den steigenden Umsätzen dieser Wertschöpfungsketten nur im geringen Maß Teilhabe hat (siehe BÖLW 2017). Der Fokus der Diskussion wird auf Brandenburg gelegt, da dieses Bundesland für die regionale Versorgung Berlins durch die unmittelbare Nachbarschaft sowie die vorhandenen landwirtschaftlichen Flächenausprägungen das mit Abstand wichtigste ist. Ein Großteil der Flächen wird derzeit für den Anbau von Getreide-, Ölsaaten-, Eiweißpflanzen- oder Futtermittel genutzt. wobei in Brandenburg ein genereller Rückgang landwirtschaftlicher Betriebe zu

Seite | 132 Diskussion beobachten ist (seit dem Jahr 2010 wurde ein Rückgang von 4 Prozent verzeichnet). Die größten Rückgänge verzeichneten Gartenbaubetriebe, die eine regionale Versorgung mit Gemüse- und Obstprodukten sicherstellen könnten. Einzig spezialisierte Ackerbaubetriebe nahmen in Zahl und Flächenausdehnung zu. Das MLUL schätzt dieses wie folgt ein: Wenn dieser Trend der Ausdehnung der spezialisierten Ackerbaubetriebe anhält, führt er zu einer Bestimmung der landwirtschaftlichen Situation Brandenburgs (vgl. Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016, S. 360 & vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2017). Genau diese Spezialisierung wird von den beiden Interviewpartnern als Hinderungsgrund einer regionalen Versorgung kritisiert. Sie sprechen von einer notwendigen Diversifizierung der Anbaubedingungen Brandenburgs, um möglichst viele Lebensmittel- und Produktgruppen bedienen zu können. Die fehlenden regionalen Aspekte seien durch das Motto „Je größer, desto besser“ auch in der Vergangenheit zu suchen. Skaleneffekte bzw. maximale Produktionssteigerungen mittels immer höherer Einsätze von Produktionsmitteln (z. B. Dünger, Pestizide u. a.) zu Lasten biodiversitätswichtiger Faktoren (z. B. Flora, Fauna, Böden und Grundwasser) bestimmten das derzeitige Bild konventioneller landwirtschaftlicher Betriebe. Dadurch sei auch ein massives Defizit bäuerlichen Wissens und Kultur entstanden. Das Motto „Je größer, desto besser“ zeigt sich besonders in den derzeitigen Aufstellungen der Betriebe. Eine kleine Gruppe von Betrieben (6,7 Prozent bzw. circa 400 Höfe) bewirtschaftet 44 Prozent der brandenburgischen Fläche. Kleinere Höfe, die eine Mehrzahl der Betriebe darstellen, bewirtschaften einen deutlich geringeren Anteil der Fläche (600 Höfe mit lediglich 3,7 Prozent der Gesamtfläche). Daneben werden die Anbauflächen zu einem immer größeren Kapitalgut für Investoren, was zu steigenden Bodenpreisen führt. Infolge dessen fällt es (Jung-)Landwirten und (Jung-)Landwirtinnen immer schwerer, Flächen zu erwerben. In Brandenburg liegt die Quote ortsfremder, überregional aktiver Investoren, welche Mehrheitseigentümer von Betrieben und Boden sind, bei derzeit 36 Prozent, Tendenz steigend (Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2016; top agrar (b) 2018 & A. TIETZ 2017). Gegenbewegungen zum Erhalt von Anbauflächen für kleinere und regionale Betriebsstrukturen durch Bodengenossenschaften oder Regional AGs sind in Brandenburg noch nicht etabliert. Geplant ist jedoch die Gründung einer solchen Regional AG (Regionalwert AG Berlin-Brandenburg 2017) in Brandenburg. Auch wird der Verkauf von Flächen, gesteuert durch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), im Koalitionsvertrag 2018 überarbeitet. Ziel ist eine ausgewogene Agrarstruktur und die Vermeidung außerlandwirtschaftlicher Investitionen. Im Fokus stehen Junglandwirte und Junglandwirtinnen und Existenzgründer und Existenzgründerinnen, die bei der Vergabe besonders zu berücksichtigen sind (vgl. Entwurf Koalitionsvertrag 2018, S. 87). Ökologischer Landbau, der die notwendige Diversifizierung umsetzen könnte, findet in Brandenburg zwar auf knapp über 10 Prozent der Fläche statt, jedoch stagniert die Zahl der Flächenausdehnung seit einigen Jahren. Circa 600 Betriebe bewirtschaften mittels der ökologischen Landwirtschaft die Böden Brandenburgs, im Vergleich sind es in Baden-Württemberg auf einer ähnlichen Flächengröße 6.742 Betriebe (BLE- Strukturdaten (a) 2016). Diese Bild passt zu den Aussagen WIMMERS, dass in Brandenburg momentan keine ausreichende Wertschöpfungskette vorhanden ist – z. B. eine Mühle, die den Rohstoff Getreide zu Mehl oder anderen Produkten verarbeiten könnte –, um die dort erzeugten Produkte vor Ort zu verarbeiten und den Verbraucher und Verbraucherinnen in Berlin zur Verfügung zu stellen. Bedauerlicherweise wird in Brandenburg auch noch darüber diskutiert, so WIMMER, ob ein biologischer Anbau überhaupt Brandenburg, Berlin und Deutschland ernähren könnte. Obwohl in Brandenburg die Verflechtungen und regionalen Strukturen im ökologischen Landbau viel stärker vorhanden sind als in der konventionellen Landwirtschaft, wird Biolandbau laut WIMMER immer noch als Nische angesehen und erst in letzter Zeit durch Förderprogramme gezielt entwickelt, etwa durch die Richtlinie Förderung umweltgerechter landwirtschaftlicher Produktionsverfahren und zur Erhaltung der Kulturlandschaft der Länder Brandenburg Seite | 133 Diskussion und Berlins (KULAP), das Förderprogramm Ökologische Anbauverfahren oder das Förderinstrument European Innovation Partnership (EIG-AGRI). Diese Förderungen sind jedoch erst seit einigen Jahren aktiv. Zuvor wurden die Wertschöpfungsketten auf den Export ausgelegt. Ziel der Förderung soll es sein, eine Marktstrukturverbesserung anzuschieben. Gemeint ist die weitere Verarbeitung, Veredlung und Verfügbarmachung der landwirtschaftlichen Rohstoffprodukte für den regionalen oder sonstigen Markt. Der sofortige Umstieg wird aber als schwierig angesehen, da die bisherigen Strukturen dieses schwer zulassen. So kann ein Schweinemäster nicht einfach seine Produkte regional anbieten, sondern ist von Großabnehmern abhängig, die wiederrum nicht regional produzieren. Nur ein Prozent der Schweinehaltung findet nach ökologischen Richtlinien statt, wobei gerade diese ökologischen Strukturen eine schnelle regionale Umstellung bedingen würden. Aus Sicht von WIMMER wäre dieses nicht nur mit konventionellen, sondern auch durch biologische Anbauverfahren ohne weiteres mögliches, wenn der Fleischkonsum um etwa zwei Drittel sinken würde. Durch die Ergebnisse dieser Arbeit kann die von WIMMER geäußerte These unterstützt werden, dass ein reduzierter tierischer Konsum in Bezug auf die Flächenverfügbarkeit den Selbstversorgungsgrad durch die geringere Flächenausdehnung beim Anbau der pflanzlichen Lebensmittel, bei gleichbleibendem oder gesteigertem Kilokalorien-Output je Quadratmeter, steigern würde. Es kann zusammengefasst werden, dass die Produktpalette und Wertschöpfungskette Brandenburgs derzeit nicht großflächig und regional aufgestellt ist, um die Stadt Berlin mit regionalen Erzeugnissen aus dem Bundesland Brandenburg zu versorgen. Beispielsweise ist der dringend benötigte Gemüseanbau eher im Rückzug begriffen, obwohl Brandenburg nach dem Fall der Mauer im Jahre 1989 gute Strukturen aufgewiesen habe (Interviews HAERLIN & WIMMER). Dabei sind auch die derzeitigen Förderprogramme, z. B. für den an biologischen Gemüseanbaubetrieben, nicht umfassend genug, um eine regionale Transformation anzustoßen, wie auch in der Studie des Brandenburger Landwirtschaftsministeriums (MLUL (b) 2017) aufzeigte wurde. Zwar werden Förderprogramme und Richtlinien aufgelegt, um hier eine Lücke zu schließen, doch ist dieser Lückenschluss sehr langfristig wirksam. Zudem ist keine Agrarpolitik ersichtlich, die die landwirtschaftliche Diversifizierung fördert, welche einer breit aufgestellten Produktpalette bedarf. Erste Maßnahmen, wie die Änderung der Vergabekriterien der BVVG und Gründungen von Regional AGs könnten Instrumente einer Regionalisierung sein. Eine Veränderung ist daher dringend notwendig und benötigt auch durch die Agrarpolitik auf Landes-, Bundes- und Europaebene Unterstützung. 6. Kann das Konzept der Ernährungssouveränität dabei helfen, den Selbstversorgungsgrad in den untersuchten Gebietskulissen zu steigern? Das Konzept der Ernährungssouveränität beinhaltet Prinzipen der regionalen Konzentration der Versorgung der Bevölkerung und weniger eine Exportfokussierung. Lokalen Akteuren, Produktionssystemen und - märkten soll dabei ein Zugang zu Land und Boden ermöglicht und dieser unter lokaler Kontrolle gehalten werden. Wissen und Fertigkeiten innerhalb der landwirtschaftlichen Produktion und darüber hinaus werden aufgebaut und gefördert. Diese Grundsätze müssen dabei in Zusammenarbeit mit der naturräumlichen Ausstattung gedacht werden. Die Umsetzung setzt lokale Strategien voraus, welche diverse Themenfelder wie z. B. Agrarreformen, Förderung lokaler und regionaler Märkte, Biodiversität, Autonomie, Kooperationen und die Gesundheit mit regionalen Lebensmitteln betreffen. Ziele sind dabei Ernährungssicherheit, faire Beschäftigungsbedingungen und die Aufrechterhaltung nachhaltiger landwirtschaftlicher Strukturen (vgl. Weltagrarbericht 2013, S. 10 f.). Die Umsetzung einer nachhaltigen Landwirtschaft in regionalem Kontext muss die Ernährungssicherheit, im besten Fall innerhalb geschlossener Kreisläufe einer Region, auf den Ebenen der Produktion, der Vermarktung und des Verbrauches zum Ziel haben. Nachhaltigkeit bedeutet Gesundheitsförderung; Ressourcenschutz; Widerstandsfähigkeit gegen Klimawandel, Schädlinge und Seite | 134 Diskussion

Verteuerung von Wasser- und Energieressourcen; Diversität in Methoden der Produktion, Verarbeitung, des Konsums und der Entsorgung; Fairness und Chancengleichheit, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Mitwirkungsmöglichkeiten innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette (vgl. Deutscher Bundestag (a) 2016, S. 6 & vgl. PH. STIERAND (e) 2014, S. 161). Gerade die Punkte der Diversität in den Anbaumethoden, Produktionen, Verarbeitungen und des Konsums sind Punkte, die durch die Interviewpartner und die Analyse der landwirtschaftlichen Situation Berlin- Brandenburgs als Hemmnis herausgearbeitet wurde. Erhöhte Wertschätzung von Lebensmittelherstellern und Lebensmittelherstellerinnen, Landwirten und Landwirtinnen mit Zugang zu fruchtbaren Anbauflächen für lokale und regionale Produktionssysteme bedeutet, bezogen auf die Landwirtschaft Brandenburgs, dass es zu einer Abkehr von der Konzentration großflächiger landwirtschaftlicher Betriebe und des durch Investoren gestützten Flächen- und Betriebserwerbs kommen muss. Stattdessen beinhalten die genannten Punkte eine Förderung regionaler Marktplätze und Kooperationen sowie die Aufrechterhaltung nachhaltiger autonomer landwirtschaftlicher Strukturen. Der Erhalt der Biodiversität sichert die Lebensgrundlage der Menschen und auch die Existenzgrundlage der Produktionsteilnehmer und Produktionsteilnehmerinnen durch Erhalt der ökologischen Funktionen im landwirtschaftlichen Bereich. Gerade das Konzept der Ernährungssouveränität führt durch seine Umsetzung zu einer Stärkung der regionalen Versorgung der Menschen im Zusammenspiel mit den Akteuren in der Wertschöpfungskette, weil das Konzept genau darauf abzielt und nicht, wie die derzeitigen global kapitalintensiven Landwirtschaftsstrukturen, durch eine Ausdehnung ihrer wirtschaftlichen Basis gegen regionale Bezüge auf die Steigerung der Skaleneffekte. Jedoch spricht die Ernährungssouveränität ebenso von demokratischen Strukturen, in denen alle Menschen das Recht haben, selbstbestimmt zu entscheiden, wie sie ihre Lebensmittel konsumieren. Es ist somit nicht vorhersehbar, ob Verbraucher und Verbraucherinnen beim täglichen Lebensmittelerwerb Bio- oder Wochenmärkte einem Discounter vorziehen würden. In der aktuellsten repräsentativen Befragung des BMEL wird eine Stärkung der Discounter und eine Schwächung der Bio- und Hofläden durch die Konsumenten und Konsumentinnen festgestellt (BMEL (j) 2017). Die Erlangung von Ernährungssouveränität kann über eine Wissensmehrung in der gesamten Wertschöpfungskette gelingen. Fragen wie: „Wo kommen unsere Nahrungsmittel her? Wie werden sie erzeugt? Was sind die Konsequenzen einer Agroindustrie auf dem Acker?“ und „Wie kann man selbstständig tätig werden?“ sind zentral. Die Beantwortung dieser kann regionale Bezüge und auch die Wertschätzung von Lebensmitteln steigern. Erstens durch das Verständnis, dass Nahrungsmittel einen hohen Arbeitseinsatz erfordert, wo der Unterschied zwischen konventionell und biologisch erzeugten Lebensmitteln liegt und warum letztere besser für Umwelt und Verbraucher und Verbraucherinnen sind; zweitens durch den Erwerb von Wissen, etwa für die Selbstversorgung im eigenen Kleingarten, im Rahmen eines Urban Gardening- Projektes oder das Mitwirken innerhalb der solidarischen Landwirtschaft bis zur Verarbeitung von Nahrungsmitteln in der eigenen Küche. Diese Wertschätzung kann auch regional erzeugte Lebensmittel und deren Wertschöpfungsketten stärken und dabei gleichzeitig Lebensmittelverlusten vorbeugen. Auch können laut HAERLIN erste regionale Erzeugerstrukturen unter heutigen kapitalistischen Vorbedingungen aufgebaut werden, wenn z. B. ein genossenschaftlich organisierter regionaler Supermarkt (der die gleichen Vorzüge heutiger Discounter und Supermärkte bietet) nur den Einkauf von Kunden und Kundeninnen zulässt, die der Genossenschaft angehören, oder dass Kinder schon sehr früh an Themen der Lebensmittelerzeugung herangeführt werden, um ein Verständnis zu entwickeln, unter welchen Bedingungen Lebensmittel erzeugt werden. Auch darin sieht der Autor eine Stärkung regionaler Bezüge.

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Geschlossene Stoffkreisläufe, wie von beiden Experten gefordert, würden einer Regionalisierung insofern helfen, dass die durch kostbaren Input erzeugten Lebensmittel nach der Verwertung in den Produktionsprozess neuer Lebensmittel miteingeführt werden können und nicht, wie in derzeitigen Strukturen, verloren gehen. Zudem haben Stoffkreisläufe den Vorteil, eher kleinräumig organisiert zu werden. Zusammengefasst wird ersichtlich, dass Ernährungssouveränität ein entscheidendes Argument für eine regionale Wertschöpfungskette ist und diese fördern, stärken und erhalten kann. 6.2 Vergleich mit anderen Studien Die erstellten Ernährungsweisen und deren hinterlegte Flächenfußabdrücke sind eigene Ableitungen bzw. Berechnungen aus der Literaturrecherche. Durch diese wurde eine Übertragung der Flächenfußdrücke auf die Region Berlin-Brandenburg sowie die definierten Radien bewerkstelligt. Im Rahmen dessen ist es möglich, das regionale Selbstversorgungspotenzial aufzuzeigen und Ableitungen für eine potenzielle Transformation mit Hilfe ernährungssouveränen Strukturen, in Bezug auf den Flächenverbrauch bei der Lebensmittelproduktion, wiederzugeben. Die für das Status quo-Ausgangsszenario (1) erstellten Lebensmittelverbräuche, welche das durchschnittliche Ernährungsverhalten eines in Deutschland lebenden Menschen illustrieren, stammen aus den statistischen Erfassungen der Strukturdaten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL (f) 2017). Als Verbrauchsreferenzen wurden die Ernährungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE (b) (2017), die einen fleischreduzierten Konsum darstellt, sowie die Empfehlungen der Organisation ProVeg ((a) und (b) 2017) zu ovo-lacto-vegetarischen und veganen Ernährungsstilen aufgenommen (siehe Kap. 4.3.2). Die daraus abgeleiteten Verbrauchswerte wurden mit den aus den Literaturrecherchen ermittelten Flächenfußabdrücken unterlegt. Als Grundlage dienen hier die in Kap. 4.3.4 aufgelisteten Studien. Der daraus erstellte Flächenfußabdruck des Status quo-Szenarios (1) von 2.579 Quadratmetern Flächenverbrauch pro Person und Jahr, konnte im Abgleich mit der Literatur als soweit wissenschaftlich richtige Annährung validiert werden. Beispielsweise errechnet MEIER (2013) in seiner Dissertation über die Auswertung der NVS 2006 bei Männern zwischen 14 und 80 Jahren einen 2.765 Quadratmeter hohen Flächenbedarf und einen 1.896 Quadratmeter hohen Flächenbedarf bei Frauen zwischen dem 14. und 80. Lebensjahr für den jährlichen Konsum von Nahrungsmitteln. Im Durchschnitt entspricht dies einem Flächenbedarf von 2.331 Quadratmetern. Die zu Grunde liegenden Nahrungsmittelverbräuche sind mit einer Höhe von 639 kg jedoch niedriger als die vom Autor dieser Arbeit genutzten Nahrungsmittelverbräuche von 688 kg aus dem Jahr 2014/2015 der BMEL Strukturdaten. Zwar bezieht MEIER auch Erfrischungstränke, Bier, Wein und Spirituosen mit ein, doch sind deren Flächenverbräuche und Konsum geringer als die der essbaren Lebensmittel. Ein ähnliches Bild zeigt sich durch die Analyse der WWF-Studien (a) und (b) aus dem Jahr 2015, die beim Herausrechnen der Flächeninanspruchnahme von Getränken mit 2.269 Quadratmetern zwar einen geringeren Flächenbedarf pro Person und Jahr ermitteln, jedoch als Grundlage auf die BMEL- Verzehrdaten aus dem Jahr 2013 zurückgreifen, die einen Verbrauch von 679 kg erfassen. Unter gleichen Verzehrvoraussetzungen wurde in der Masterarbeit von JOSEPH (2016) ein Flächenfußabdruck von 2.388 Quadratmetern pro Person und Jahr ermittelt. Eine von HÖNLE (2016) durchgeführte Studie, die den Selbstversorgungsgrad Berlin-Brandenburgs untersuchte (wobei nicht mit regionalen Radien gearbeitet, sondern der Gesamtraum Brandenburgs analysiert wurde), kommt zu dem Schluss, dass sich der Flächenfußabdruck auf 2.374 Quadratmeter pro Person und Jahr summiert. Auch hier muss erwähnt werden, dass Getränke Einzug in die Studie fanden sowie die Annahme der Verzehrgröße essbarer Lebensmittel mit 632,5 kg geringer ausfällt. Das Statistische Bundesamt (e) 2013 ermittelte in seinem Bericht der

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Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (2010) eine Flächenbelegung von 2.461 Quadratmetern pro Person für den Inlandsverbrauch von Erzeugnissen pflanzlichen und tierischen Ursprungs. Bei einem vom Umweltbundesamt (UBA) organisierten Fachforum zum Themenbereich Lebensmittelverschwendung im Jahr 2017 wurde der Bedarf eines deutschen Staatsangehörigen auf 2.506 Quadratmeter pro Person und Jahr geschätzt (UBA (c) 2018, S. 9). Der vom Autor erstellte Flächenfußabdruck des Ausgangsszenarios Status quo (1), der im Schnitt 200 Quadratmeter höher ausfällt als der von der Umweltorganisation WWF berechnete Flächenverbrauch in Deutschland aus dem Jahr 2015 (WWF (c) & (d) 2015), hängt zum einem mit einer höheren Ausgangsannahme des jährlichen Nahrungsmittelverzehrs zusammen sowie mit der Bildung des arithmetischen Mittels durchaus unterschiedlicher Größen von Flächenfußabdrücken durch die Literaturauswertung. Zum Beispiel. käme die eigene Erhebung bei einem angenommenen Verzehrrückgang von 10 kg Rindfleisch auf einen Flächenfußabdruck von 2.283 Quadratmeter und wäre damit im Mittel der zitierten Studien. Dennoch spiegeln die 2.579 Quadratmeter einen Wert und damit eine Tendenz wieder, die nahe an den zitierten wissenschaftlichen Studien liegen und damit weit über dem angestrebten Flächenbedarf von 2.000 Quadratmetern pro Person und Jahr. 6.3 Umsetzung ernährungssouveräner Strukturen in Berlin Die Umsetzungsmöglichkeiten sind von der betrachteten Ebene abhängig. Unter Ebenen sind globale, europäische sowie nationale, regionale und lokale staatliche Administrationen zu verstehen; im Gegensatz dazu stehen private (zivil-)gesellschaftliche Akteure. Gerade auf zivilgesellschaftlicher Ebene kann das unspektakuläre Erleben urbaner Subkulturen, wie die Kenntnis lokal und regional gepressten Apfelsafts oder der Anbau bunter, lokaler Kartoffelsorten zu Trägern der Selbstversorgung und Ernährungssouveränität werden. Darüber hinaus werden die Orte des Anbaus zu politischen Räumen, in denen die folgenden Fragen gestellt werden können: Wo kommt unser Essen her und wie wird es produziert? Wem gehört das Land und wer holt die Ernte ein? Und kann es womöglich mit den eigenen Händen geschehen (vgl. CH. MÜLLER 2017, S. 290)? Ein Beispiel der administrativen Ebene ist die freiwillige Vereinbarung des Milan Urban Food Policy Act (MUFPP). Mit Unterzeichnung verpflichten sich die Städte, darunter auch die Stadt Berlin, zur Erarbeitung eines nachhaltigen Ernährungssystems welches integrativ, resilient, sicher und diversifiziert sein soll. Ziele sind die Bereitstellung von gesunden und preislich erschwinglichen Lebensmitteln für alle Menschen, die Lebensmittelabfälle und -verschwendung zu minimieren sowie die Biodiversität zu wahren und die Folgen des Klimawandels abzuschwächen. Mit Hilfe von sektorübergreifender Koordination auf allen politischen Ebenen und durch den Einsatz diverser Politikinstrumente (policies), werden Veränderungen in der Ernährungspolitik angestrebt. Unter den Ausgangspunkten dieses Aktionsrahmens, soll die Entwicklung eigener städtischer Ernährungssysteme vorangetrieben und dabei zwischen den jeweiligen Organisationen Erfahrungen ausgetauscht sowie andere Städte bestärkt werden, ernährungspolitische Maßnahmen durchzuführen. Im Rahmen dieses Abkommens wurden 37 Maßnahmen zur Herstellung günstiger Rahmenbedingungen entwickelt, die aus Sicht des Autors auch die Ernährungssouveränität fördern (MUFPP (a) 2015). Derzeit haben 148 Städte mit circa 470 Mio. Einwohnern dem freiwilligen Abkommen mit ihrer Unterschrift zugestimmt (MUFPP (b) 2017). Berlin unterzeichnete den MUFPP 2015 unter dem damaligen SPD-Bürgermeister Michael Müller und bestätigte das zentrale Ziel, lokale Lebensmittel- und Ernährungspolitik im Berliner Verwaltungsgebiet zu entwickeln (vgl. SPD 2016, S. 1). Ein weiteres Programm auf administrativer Ebene ist das von der EU-Kommission 2015 gestartete Projekt Food Smart Cities For Development. Ziele der Förderung sind ein Wandel von Praktiken der Lebensmittelproduktion und des Lebensmittelkonsums sowie eine Senkung der Lebensmittelabfälle, Seite | 137 Diskussion

Stärkung der gesunden Ernährung, der respektvolle Umgang mit natürlichen Ressourcen bei der Lebensmittelbeschaffung und die Einhaltung der Menschen- und Arbeiter und Arbeiterinnen-Rechte (EU Commission 2015). Als schon erfolgreich eingesetztes Instrument zur Umsetzung der Ernährungssouveränität in Regionen und Städten gelten Ernährungsstrategien wie in Kap. 2.6.1 beispielhaft durch Bristol und Malmö beschrieben. Sie sind jedoch nur dann erfolgreich, wenn es zu einer konvergenten Zusammenführung diverser Stakeholdergruppen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Administration der Stadt, Gemeinde, Kommune usw. kommt. Weiterführend sollten diese Strategien nicht gesonderter, sondern integraler Bestandteil der Stadtplanung werden, etwa durch die planerisch verbindliche Ausweisung von Flächen zur Realisierung der Idee der „essenbaren Stadt“. Um eine Koordinierung verschiedenster Akteure zu realisieren, sind in Köln und Berlin sogenannte Ernährungsräte derzeit sehr aktiv. In weiteren deutschen Städten sind ähnliche Organisationsstrukturen in Planung. Ernährungsräte dienen dabei als ein Instrument der Stadtplanung, wobei die Lebensmittelversorgung der Bürger und Bürgerinnen der Kommunen in den Vordergrund und Exportorientierung in den Hintergrund gerückt werden soll. Ansatzpunkte sind dabei die lokale und regionale Ebene, mit dem Ziel eine Vernetzung möglichst vieler Akteure aus dem Ernährungssystem zu schaffen. Die Besonderheit liegt darin, dass Ernährungsräte von Akteuren mit starken Tendenzen und Orientierungen in den Sozial- und Umweltbereich gebildet werden. Eine Einbindung in den öffentlichen Administrations- und Verwaltungsbereich findet zumeist nicht statt, Vertreter und Vertreterinnen der Verwaltungen können sich jedoch als Ratsmitglieder einbringen. Ernährungsräte können dabei einen breiten Ansatz zur regionalen Ernährungstransformation aufzeigen und damit aktiv diese Themenstellungen auf lokaler und regionaler Ebene gestalten. Dabei wird eine Ernährungspolitik im bottom-up-Format, durch Graswurzelbewegungen (z. B. Urban Gardening und Slow Food), Akteure und Akteurinnen alternativer Landwirtschaftsformen (etwa solidarische Landwirtschaft und Bodengenossenschaften), Akteure und Akteurinnen der Wissenschaft und Wirtschaft, regionaler und lokaler Politik sowie privat Interessierte durch die Ernährungsräte angestrebt. Die Mitbestimmung und das Veränderungsstreben auf lokaler und regionaler Ebene sind dabei die Basis. Ziel ist die Entwicklung eines nachhaltig gerechten, effektiven und ökologischen Ernährungssystems über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg (vgl. PH. STRIEGLER 2016, vgl. PH. STIERAND 2015, vgl. Ernährungsrat Köln 2017). Der Berliner Ernährungsrat ist dabei ein starker und aktiver Akteur bei der Umsetzung einer Berliner Ernährungsstrategie. Im Oktober 2017 wurde das Konzept für ein demokratisches und zukunftsfähiges Ernährungssystem in der Stadt vorgestellt und Regionalisierung dabei mit neun Kernforderungen unterlegt. Die Umsetzung ist durch den Koalitionsvertrag der 2015 gewählten Regierung aus Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke Teil des Regierungshandelns in Berlin. Darin ist vereinbart, dass die Koalition zusammen mit dem Ernährungsrat Berlin eine zukunftsfähige und regional gedachte Ernährungsstrategie entwickelt (Berlin Koalitionsvereinbarung 2016). Ziele der Berliner Ernährungsstrategie beziehen dabei die umliegenden Räume des Bundesland Brandenburgs mit ein, denn eine echte regionale Umsetzung wird nur in Zusammenarbeit beider Bundesländer und darüber hinaus möglich sein. Die Zusammenarbeit ist dabei nicht neu, sondern beruht auf einer engen Kooperation, welche im Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet der Landwirtschaft (Landwirtschaftsstaatsvertrag) vom 17. Dezember 2003 beschrieben ist und eine enge Verflechtung der ländlichen Produktion und des Absatzes von landwirtschaftlichen Gütern beinhaltet. Ziel des Vertrags ist es, den Aufwand der Verwaltung für diesen Bereich zu senken, regionale Verflechtungen weiter zu entwickeln und Leistungsangebote für Landwirte zu verbessern (Berlin-Brandenburg 2015 & Land Brandenburg (c) 2003).

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Jedoch fordert der Ernährungsrat im Rahmen der Ernährungsstrategie eine Neuverhandlung des Staatsvertrags Berlin-Brandenburg und eine Rückgewinnung der Berliner Kompetenzen in landwirtschaftlichen Entscheidungen. Nachfolgende Forderungen werden dabei aufgestellt:

· Einen langfristigen Ausbau des Ökolandbaus in Berlin-Brandenburg durch einen angepassten Förderrahmen. · Zugang zu entsprechenden Anbauflächen inkl. der Aufstellung transparenter Kriterien bei der Vergabe durch die BVVG sowie die Installation regional verankerter Flächenpools für dort niedergelassene Landwirte. · Die Rückgewinnung von Gestaltungsspielräumen bei der EU-Direktzahlung im Agrarbereich für regional, ökologisch und diversifiziert erzeugte Lebensmittel (vgl. Ernährungsrat Berlin 2017). Ernährungssouveränität wird durch die Einbindung möglichst vieler Ebenen und Akteure gestärkt. Zudem erfassen Ernährungsstrategien nicht nur den städtischen Raum selbst, sondern entwickeln eine Transformationswirkung über die Stadtgrenzen Berlins hinaus. 6.4 Förderung von Ernährungssouveränität in Berlin durch Urbanität Zwar konnte aufgezeigt werden, dass der Einbezug von urban spezifischen Landnutzungsformen wie Kleingärten, Brach- und Grünflächen sowie Flächen der Dachbegrünung eine Selbstversorgung Berlins nur in einem geringen Maße unterstützen kann, dennoch sind diese Formen der Lebensmittelerzeugung im Einbezug des Gesamtkontextes der Ernährungssouveränität nicht zu unterschätzen. Diese Flächen können als Ausgangspunkte verschiedenster Formen urbaner Nahrungsmittelerzeugung, von solidarischer Landwirtschaft, Community Supported Agriculture, bis hin zu Selbsterntegärten und ähnlichen Strukturen im Lebensraum der Stadt, gelten. Dabei sind sie eher als Formen einer grünen Kultur – die seit den 1950 Jahren im Zuge der „Grünen Revolution“ verbannt wurde und nun langsam wiederentdeckt wird – auf öffentlichen Flächen inmitten einer Großstadt anzusehen. Die „grüne Kultur“ ist dabei neues und altes Phänomen zugleich, da urbane Gärten schon Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts. als Armengärten fester Bestandteil von Städten waren, Urban Gardening in den 1970 Jahren als Counterculture oder Hippie Movement in den USA als Gegenbewegung zur grünen Revolution der Landwirtschaft und sozialen Missständen in der Gesellschaft entstanden und als Gemeinschaftsgärten ab Mitte der 1990 Jahre in Deutschland, in denen durch urbane Nahrungsmittelerzeugung Integrationsaufgaben übernommen wurden. Es sind partizipative und gemeinschaftsorientierte Lern- und Begegnungsorte des städtischen Sozialraums, die als Ausgangspunkt von Identitätsfindungsprozessen, Fruchtbarmachung von lokalem ökologischen Wissen, Aneignung öffentlichen Raums und urbane Kulturbewegung anzusehen sind. Als Beispiel sind hier die Prinzessinnengärten in Berlin zu nennen, die 6.000 Quadratmeter Brachfläche in Zwischennutzung auf einer Spekulationsfläche in ein blühendes und sozial engagiertes Umfeld verwandelt haben. Die Prinzessinnengärten entwickelten damit auch eine transformistische Auswirkung des Urban Gardenings, die mittlerweile weltweit bekannt ist. Ein weiteres Beispiel ist die Künstlergruppe „Pony Pedro“, die 2007 zwölf Parkplätze Berlins zu einem Ort der Selbstversorgung umgewandelt hat. Anders als Kleingärten treten Projekte des Urban Gardenings mit einem spärlichen Regelwerk in direkte Interaktion mit Urbanität und möchten in dieser wahrgenommen werden, um fester Bestandteil derer zu werden. Stadtbewohner wollen dabei Spuren hinterlassen und etwas in ihren Augen geistigen und körperlichen nachhaltiges gestalten. Kultivierung des Bodens und die Kultivierung des Geistes sind dabei wesensgleich und nicht nur ähnliche Tätigkeiten. (vgl. CH. MÜLLER 2017, S. 285 f., vgl. KLEINSCHMIDT 2017, S. 23 f). Die Produktion lokaler Lebensmittel steht dabei in Opposition zur globalen Nahrungsmittel- und Ressourcenkrise, Intensivlandwirtschaft, virtuellen Flächenimporten und Land Grabbing, Marktmacht Seite | 139 Diskussion national und international tätiger Lebensmittelkonzerne sowie als Reaktion auf die Versteppung, Verwüstung und Wassermangel, immer größerer Anbauflächen im Zuge des Klimawandels und anderer negativer Einflussfaktoren. globaler Ereignisse und Tendenzen. Die Rückbesinnung auf lokale und regionale Potentiale erscheint daher als ein Mittel, um diesen Tendenzen etwas entgegenzusetzen. Unsere derzeitigen vergleichsweise günstigen Nahrungsmittel basieren auf niedrigen Transportkosten, billigem Wasser und billiger Energie zur Erzeugung des Düngers. Dabei beruht unser derzeitig günstiges Nahrungsmittelangebot auf der Externalisierung von Produktionskosten, verseuchten Böden und einer Tierhaltung, die unter tierschutzrechtlich fragwürdigen Haltungsbedingungen strukturiert wird. Es besteht die Gefahr, dass diese Strukturen der Lebensmittelwertschöpfungskette noch sehr langfristig andauern und sich somit den Nachhaltigkeits-, Tranformations- und Tierschutzgedanken noch über lange Zeiträume wiedersetzen. Der Weltagrarbericht kommt dabei zu dem Ergebnis, dass eine Landwirtschaft, die solche massiven Probleme generiert und gegen und nicht im Einklang mit der Umwelt Nahrungsmittel produziert, keine Zukunft hat und die Menschen auf Dauer nicht nachhaltig ernähren kann. Gärtnern ist aus diesem Sinne heraus auch eine politische Handlung und als Nachhaltigkeits- und Gegenbewegung zur rücksichtslosen Ausbeutung der Ressourcen der Welt zu verstehen, indem so ein Stück Unabhängigkeit wiedergewonnen wird. Die Erfahrungen des Werdens und Vergehens, das Säen, Ernten, Kochen und Weiterverarbeiten, sensibilisiert gegenüber der Natur und vorhandenen natürlichen Bedingungen (vgl. CH. MÜLLER 2017, S. 286 f.). Der Anbau und Konsum eigenen Obst und Gemüses kann daneben auch ein sehr einfaches ökonomisches Argument aufwerfen: Eine Einzelperson kann auf geschätzten 70 Quadratmeter den Eigenbedarf mit Obst und Gemüse decken (PH. STIERAND (e) 2014, S. 86). Bezogen auf die Kleingartenflächen Berlins könnten sich 427.143 Menschen saisonal selbstversorgen. Der Landverband der Kleingärtner im Rheinland konnte 2017 ermitteln, dass auf einer 321 Quadratmeter großen Kleingartenparzelle durch die Selbstversorgung mit Obst- und Gemüse 710 EUR eingespart werden konnten (BDG 2017). Einer Form des lokalen und klimafreundlichen Anbaus eigener Früchte können sich die Selbsternter und Selbsternterinnen, wenn auch unbewusst, durch die Forderungen von La Via Campesina nach Ernährungssouveränität anschließen. Urbane Gartenaktivisten und Aktivistinnen verstehen sich aber auch ganz bewusst als Teil der globalen Kleinbauernopposition gegen die industrielle Landwirtschaft (vgl. Weltagrarbericht 2013).

Neben dem gesellschaftlichen Engagement von Zivilgesellschaft in der Stadt müssen auch die Kommunen ein ureigenes Interesse zur Freihaltung öffentlicher Räume vor Partikularinteressen und von Teilhabe aller Bewohner als Gegenmittel zur Gentrifizierung haben. In öffentlichen Räumen müssen Nachhaltigkeits- und Transformationsstrategien aller Art die benötigte Anerkennung erhalten und infrastrukturelle sowie rechtliche Vorrausetzungen geschaffen werden, die die Bereitstellung von Grund und Boden für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung ermöglichen (vgl. CH. MÜLLER 2017, S. 292).

Neben diesen Formen des zivilgesellschaftlichen Nahrungserwerbs sind professionelle Anlagen wie Indoor Farming, Vertical Farming, Aqua- und Aquaponic Farming oder ZFarming-Projekte kapitalintensive Maßnahmen, die durch Unternehmen in den urbanen Raum eingetragen werden, geringe Integration in den städtischen Bezug aufweisen und eher eine städtische Landwirtschaft mit hoher Technisierung wiederspiegeln, bei der die Stadtbewohner außen vor gehalten werden (vgl. STIERAND (b) 2016). Der Interviewpartner HAELIN spricht gar von einer Technokratisierung, die eine Nahrungsmittelerzeugung ohne die Nutzung kostenbaren Bodens suggeriere, die von den wahren Problemen ablenke. Es müssten echte Ökotope und echte langfristige ökologische Kreisläufe geschaffen werden und nicht primitive Abbilder jener. Jedoch verweist er auch auf die chemischen Belastungen der Böden Berlins und die gesunde Risikobereitschaft bei Selbsternten. WIMMER sieht hingegen die Urban Gardening-Bewegung als eine sozioökonomische Bewegung, die in Puncto klassischer Lebensmittelversorgung eine absolut nachrangige Seite | 140 Diskussion

Rolle spielt und Produktionsweisen wie Aquaponic Farming als spannende Alternative zur Nahrungsmittelerzeugung an. Tatsächlich ist es so, dass die Aquaponik ECF Farm in Berlin momentan neben der Fischaufzucht und deren nährstoffreichen Abwässern reine Basilikum Monokulturen für die Handelskette REWE produziert -anders als zu Beginn, als das Projekt verschiedenste Gemüsesorten produzierte. Zwar ist das Basilikum lokal erzeugt, jedoch ist das Konzept von einer Diversifizierung weit entfernt. Grundsätzlich sind derzeitige Systeme abgekoppelt von der städtischen Umwelt und sehr energieintensiv. Kritisch werden auch die ökonomischen und ökologischen Kosten bezogen auf den Bau der Gebäude gesehen sowie der nötige Energieverbrauch (STEICHBRUCH 2017, S. 67).

Beide Experten kommen jedoch zu dem Schluss, dass sich die Nährstoffkreisläufe auch im urbanen Räumen wieder schließen müssten. Gerade Nährstoffkreisläufe aus Ressourcen, die auf unserem Planeten als endlich gelten, z. B. Phosphor, sind auch unter nachhaltigen Gesichtspunkten zu schließen. Die Berliner Wasserbetriebe erproben dazu in einem Projekt die Phosphorrückgewinnung und produzieren unter dem Namen Berliner Pflanze seit 2008 einen hochwertigen, mineralischen Langzeitdünger aus den Berliner Abwässern (Berliner Wasserbetriebe 2017). 6.5 Ernährungssouveränität im Zeichen von Suffizienz und Postwachstum Die Suffizienz- und Postwachstumsbewegungen stellen die Frage, wie durch Verzicht, Reduktion, Teilen und Teilhabe, Selbermachen und Eigenproduktion ein „gutes Leben“ für alle zu gewährleisten ist. Die grundsätzliche Frage dahinter: Kann es noch akzeptabel sein, dass einige Menschen immer besser leben, viele aber immer schlechter - können nicht alle Menschen „einfach gut“ leben? Bezogen auf die in dieser Arbeit gesetzten Themenschwerpunkte Ernährung, Landwirtschaft und Selbstversorgung stehen sich derzeit zwei grundverschiedene Systeme bzw. Entwicklungsmodelle gegenüber, die eigentlich nicht kooperieren können: Die agroindustrielle Wertschöpfungskette von Landwirtschaft bis Discounter gegen die lokal und regional wirtschaftende bäuerliche Landwirtschaft in Verbindung mit zivilgesellschaftlichen Akteuren. Dabei stehen sich auch zwei grundlegende Gedankenmodelle gegenüber: Die permanente Produktionssteigerung mit immer neuen Inputs, aus denen immer größere Gewinne generiert werden müssen, auch auf Kosten der Biokapazitätsübernutzung, und auf der anderen Seite das Modell „Genug für alle“, das ein Handeln und Wirtschaften fordern, bei dem die Grenzen des Planeten und des Ökosystems geachtet, respektiert und geschützt werden (vgl. B. DIETSCHY 2013, S. 33 f.). La Via Campesina spricht im Konzept der Ernährungssouveränität auch ganz bewusst von einer (landwirtschaftlichen) Wirtschaftsweise die nicht gegen, sondern mit der Natur arbeitet. Im Zuge der Arbeit stellt sich die Frage, wie Ernährungsstile soweit umgestellt werden können, dass ein möglichst großer Bevölkerungsanteil den Flächenfußabdruck soweit senkt, dass zumindest eine regionale Ernährung theoretisch möglich wäre und die Grenzen der 2.000 Quadratmeter Flächennutzung pro Person eingehalten werden. Ernährungsumstellungen auf pflanzliche Lebensmittel haben neben der Reduktion der verbrauchten Fläche weitere positive Effekte wie die Reduzierung ernährungsbedingter Biodiversitätsverluste oder erzeugter Emissionen, die den Klimawandel forcieren (vgl. S. STOLL- KLEEMANN & U. SCHMIDT 2016, S. 1). Hierbei sind technische Maßnahmen eher weniger hilfreich. Im Bereich Ernährung kann der Flächenfußabdruck durch die Reduktion oder den Verzicht auf tierische Lebensmittel gesenkt und dadurch Biodiversität und Klima geschützt werden, was jedoch keine technische Maßnahme ist, sondern Verhaltensänderungen impliziert (vgl. F. EKARDT 2016, S. 5).

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Bezogen auf den genannten Verlust der Biokapazität untersuchte die Studie von K.-H. ERB et al. (2016) anhand verschiedener Ernährungsszenarien132, für das Jahr 2050 die bis dato zur Verfügung stehenden Biokapazitäten133. Dabei wurde ermittelt, dass 40 Prozent der genutzten Szenarien nicht durch die vorhandenen Flächen gedeckt sind; 11 Prozent der Szenarien sind durch fehlende Ackerflächen, 16 Prozent durch fehlendes Grünland und sieben Prozent durch beide Faktoren limitiert. Auch unter der Beachtung einer bis zu 70 Prozent erhöhten Ausdehnung der Ackerflächen können die fleischbetonten Szenarien nicht befriedigt werden. Zudem wird bei dieser Expansion auf Grünland zurückgegriffen, welches selbst eine wachsende Bedeutung einnimmt (z. B. die CO2-Bindung). Unter der Annahme, dass die konventionellen Erträge voll ausgeschöpft werden, konnten 71 Prozent der aufgestellten Szenarien positiv bewertet werden (unter Beachtung der schon heute vorhandenen negativen Umweltweltfolgen). Bei der Annahme eines ökologischen Anbaus werden lediglich 39 Prozent der fleischbetonten Szenarien durch das landwirtschaftliche Flächenpotenzial befriedigt. Eine weitere sehr wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass vegane Ernährungsszenarien mit ihrem ökologischen Fußabdruck zu 100 Prozent und vegetarische zu 94 Prozent von den derzeit vorhandenen Biokapazitäten getragen werden können. Wie bereits aufgezeigt, verursacht der Verzehr von tierischen Erzeugnissen neben dem erhöhten Flächenverbrauch einschließlich der negativen Auswirkung auf die Biokapazität der Erde im Vergleich zu pflanzlichen Erzeugnissen gleichsam einen weitaus größeren CO2-Abdruck. Laut einer WWF-Studie verursacht jeder Deutsche derzeit durch die stark von tierischen Inhaltsstoffen geprägte Ernährung 1.991 kg

CO2-Äquivalente im Jahr. Durch die Umstellung auf eine eher pflanzenbasierte Ernährung sowie Einbezug der Minimierung von Lebensmittelverlusten können bis zu 30 Prozent ernährungsbezogene THG- Emissionen eingespart werden (WWF (c) 2015, S. 38). S. WYNSE und K. A. NICHOLAS (2017) zählen die

Umstellung auf eine pflanzliche Ernährung (CO2-Reduktion von 0,8 Tonnen jährlich) neben dem Verzicht auf Kinder (CO2-Reduktion von 58,6 Tonnen jährlich), dem individuellen Gebrauch von Fahrzeugen (CO2-

Reduktion von 2,4 Tonnen jährlich) sowie das Reisen mittels Flugzeugen (CO2-Reduktion von 1,6 Tonnen jährlich) zu den größten CO2-Einsparungspotenzialen. Dabei ist eine pflanzliche Ernährung viermal effektiver als umfassende Recyclingbemühungen und elfmal effektiver als die Wechsel von energieeffizienten Glühbirnen im Haushaltsbereich. Der aktuell sehr starke Konsum tierischer Erzeugnisse hat verschiedene Gründe. Zum einen steigt in vielen  wichtige Rollen. Wie sehr diese Klischees verankert sind, konnte bei der Veggie-Day-Initiative der deutschen Partei Bündnis 90/Die Grünen im Bundestagswahlkampf 2013 beobachtet werden, bei dem die Partei zur Senkung des Fleischkonsums einen fleischfreien Tag pro Woche in Kantinen vorschlug. Zwar befürworteten nach einer Zeit Online Umfrage 45 Prozent den Vorschlag und43 Prozent lehnten ihn ab (C. STRÖBELE 2013), doch überraschten die eher negativen Reaktionen und Kampagnen die Partei. Im darauffolgenden Bundestagswahlkampf im Jahr 2017, wurde eine solche Forderung nicht mehr erhoben. Flexitarische, vegetarische und vegane Ernährungsweisen können sich durch soziale und kulturelle Werte, Normen und Einstellung derzeit nur schwer durchsetzen. Beispiele um diese Situation zu transformieren sind z. B. Kampagnen bekannter Persönlichkeiten und Firmen, NGOs und privater Foundations wie dem WWF, um Verhaltensänderungen gesellschaftlich leichter etablieren zu können.

132 Die Ernährungsszenarien vegan, vegetarisch und meat wurden dabei aus der Literatur ermittelt. Die Szenarien BAU sind eine FAO-Prognose für das 2050. Das Szenario RICH projiziert das Ernährungsverhalten der Nordamerikaner aus dem Jahr 2000 auf das Jahr 2050. 133 Die Studie geht davon aus, dass aus Klimaschutzgesichtspunkten keine weiteren Waldflächen für die Ernährungssicherheit zur Verfügung gestellt werden die vorhanden Acker- und Grünlandflächen die limitierenden Faktoren darstellen, was circa 1/3 der terrestrischen und eisfreien Oberfläche des Planeten ausmacht. Seite | 142 Diskussion

Verhaltensänderungen im Sinne der Suffizienz findet man dabei schon in vielen Suffizienzströmungen wieder, z. B. in der Consumption-Bewegung (Temporäre Vermeidung von Genussgütern (z. B. Fleisch), in Konzepten des nachhaltigen Konsums (klassischer Kauf von Bio-Lebensmitteln), in der Simplicity oder Simple living (Erweiterung der Kompetenzen des Selbermachens und Reduzierung des Konsums durch eine minimalistische Lebensweise), der (Erweiterung der Kompetenzen des Selbermachens), in Suffizienzleitbildern (vegetarische, vegane Ernährung, saisonal und regional), der Downshifting-Bewegung (vegetarische, vegane Ernährung, Urban Gardening) oder in Subsistenzstrategien (Erweiterung der Kompetenzen des Selbermachens) (M. SPECK 2016). Zum einen wird hier der Konsum selbst, bzw. Verzicht und Reduktion, hin zu vegetarischen oder veganen Ernährungsstilen und zum anderen das Selbermachen, im Kleinen wie im größeren Maßstab, angesprochen. Durch die Suffizienzkonzepte können ernährungsbedingte Flächenfußabdrücke gesenkt und das Konzept der Ernährungssouveränität durch saisonale und regionale Konsummuster sowie den Nahrungsmittelbezug abseits der großen Lebensmitteleinzelhändler (z. B. in Bioläden oder Food-Coops134) gestärkt werden. Die Konzepte des Selbermachens können etwa bei urbanen zivilgesellschaftlichen (z. B. Urban Gardening) oder landwirtschaftlich organisierten Konzepten, (z. B. solidarische Landwirtschaft) die Ziele und Werte der Ernährungssouveränität fördern und stärken. Auch die eigene Ernte im eigenen Kleingarten kann als suffiziente Maßnahme angesehen werden. Die Ideen der Postwachstumskonzepte setzen bei den Missständen der wirtschaftsverursachten Ressourcenknappheit und Ökosystemvernichtung (einschl. der grünen Revolution im landwirtschaftlichen Bereich), Verteilungsdisparitäten und mangelnden psychologischen Potenzialsteigerungen des Glück- und Selbstwertgefühls durch weiteres wirtschaftliches Wachstum an. Die Reduktion sowie der Verzicht unserer derzeitigen Konsum- und Mobilitätsmuster, wird als unumgängliche Maßnahme angesehen, um Klima sowie Ökosysteme in einem für die Menschen stabilen Gleichgewicht zu halten (vgl. N. PAECH 2015). Momentan stark global ausgerichtete und ressourcenverbrauchende Wirtschaftsweisen müssen im Zuge der Postwachstumslogik in lokale und kleinräumige Ökonomien umgewandelt werden, die kürzere Wertschöpfungsketten beinhalten. Daneben sollen durch die Werte Verzicht, Genügsamkeit und Entschleunigung Verhaltensänderungen, hin zu einer suffizienteren Lebensweise und deutlich geringeren Ressourcenverbrauch angestrebt werden. Darüber hinaus wird mittels Subsistenz- oder Selbstversorgungsstrategien die derzeitige konsumistische Lebensweise zu einer prosumistischen gewandelt. Prosumismus ist zu verstehen als gleichzeitiges konsumieren und produzieren. Dabei spielt das Zeitbudget eines jeden Menschen eine wichtige Rolle. Zeit soll hier nicht mehr nur für Konsum und Dienstleistungen aufgewandt werden, sondern mittels Arbeitszeitverkürzungen soll das freigewordene Zeitbudget für eigene Tätigkeiten, wie Selbstversorgungsmaßnahmen aber auch Reparieren, Tauschen usw., im kleinräumigen Maßstab eingesetzt werden. Verdiensteinbußen durch Arbeitszeitverkürzungen sollen durch das Selbermachen aufgefangen und in selbstständige, freiwillige Handlungen übersetzt werden. Arbeit wird hier als für den jeweiligen Menschen sinnvolle Tätigkeit angesehen um eine „gutes Leben“ führen zu können, in einer ressourcensparenden Art und Weise, z. B. durch die Eigenproduktion von Nahrungsmitteln. Postwachstum beschriebt damit mehr als nur Verhaltensänderungen, sondern vielmehr Änderungen der Wirtschaftssysteme in Gänze. Aspekte der Ernährungssouveränität finden sich durch die Umstellung auf lokal-regionale Ökonomien mit kurzen Wertschöpfungsketten und die eigene Selbstversorgung und Subsistenz wieder. Subsistenzmaßnahmen können zugleich die Wertschätzung für Konsumgüter (z. B.

134 Unter Food-Coops (engl. food cooperative) versteht man Zusammenschlüsse von privaten Personen, die den gemeinsamen Einkauf organisieren und dabei mittels des Bezugs großer Lebensmittelrationen, ähnlich wie der Großhandel, Nahrungsmittel direkt vom Erzeuger und Erzeugerinnen (Landwirt und Landwirtin) beziehen und im bestem Falle saisonale, regionale und biologische Aspekte mit in den Lebensmittelbezug einbeziehen. Seite | 143 Diskussion

Nahrungsmittel) und Produzenten steigern und damit Lebensmittelverluste vermeiden sowie regionale bäuerliche Landwirtschaft stärken. Der Schutz der Ökosysteme würde durch einen kleinräumigeren Bezug wieder in den Mittelpunkt des Handels rücken und umweltschädliche Externalisierungsprozesse begrenzen. Wertschöpfungsketten wären transparenter und nachvollvollziehbar, die Wertschätzung für Produkte könnte gesteigert werden sowie mehr Akzeptanz in fairen Handelsbeziehung entstehen. Kleinräumige Landwirtschaft kann die geforderten Diversifizierungsprozesse auf den Feldern forcieren. Selbstversorgung ist nur über Wissenserwerb möglich und müsste gefördert werden. Damit steigen gleichzeitig Resilienzprozesse gegenüber kommenden Veränderungen (z. B. Klimawandel oder Bevölkerungswachstum). Diese Werte entsprechen dem Sinn des Konzeptes der Ernährungssouveränität in hohem Maße.

Seite | 144 Kritische Reflektion der Forschung 7. Kritische Reflektion der Forschung Ein Teil jeder Forschungsarbeit ist die Kritik an der angewandten Methodik und den gewonnenen Ergebnissen, um eine Einschätzung bezüglich deren Aussagekraft vornehmen zu können. Diese Kritik geschieht an den für den Autor wesentlichen Punkten: 7.1 Forschungsfrage Bezogen auf die Frage nach der Ernährungssouveränität ist dieser Begriff zwar ein definierter, in seiner Umsetzung jedoch weitaus komplexerer Begriff, der über die Definitionen der in der Arbeit untersuchten Raumbezüge Berlin-Brandenburgs hinausgeht. Daher wurde auch die regionale Begrifflichkeit räumlich miteinbezogen. Auch wenn die Werte und Kriterien der Regionalität durch fehlende gesetzliche Definitionen nicht eindeutig sind, ermöglichen sie im Zusammenhang mit der hier gestellten Fragestellung eine Aussage, ob die Lebensmittelversorgung Berlin-Brandenburgs im regionalen Kontext möglich erscheint. Die transformatorische Idee der Ernährungssouveränität geht hingegen noch einen Schritt weiter, indem das gesamte Ernährungssystem bzw. die zugrundliegende Wertschöpfungskette in Frage gestellt wird. Grundlegender Ansatz ist die demokratische Selbstbestimmung aller Akteure. Wichtigster Grundgedanke ist eine emanzipatorische Teilhabe aller einbezogenen Akteure, von Produzenten bzw. Produzentinnen bis zu Konsumenten und Konsumentinnen. Für diese Teilhabe ist die Wissenssouveränität ein weiterer wichtiger Punkt der Ernährungssouveränität, denn nur durch diese lassen sich Forderungen aufstellen, Ideen entwickeln und die Umsetzung gestalten. Die Berliner Ernährungsstrategie z. B. ist ein Ansatz, die genannten Punkte mit Hilfe von Ernährungsräten und anderen Akteuren sowie der Stadt Berlin selbst zu vereinen und durchzuführen. Weiterhin ist die Ernährungssouveränität eng mit den Ideen und Konzepten z. B. der Suffizienz oder des Postwachstums verwoben. Sie fließen dabei bewusst oder unbewusst in den Diskurs mit ein, etwa beim Verzicht auf bestimmte Ernährungsweisen, billiger Nahrungsmittelbeschaffung, beim Erwerb eigener Kompetenzen zum Anbau von Lebensmitteln bzw. der Mitwirkung beim Anbau in kleinen oder größeren (zivilgesellschaftlicher) Strukturen, die eine Veränderung der derzeitigen Gewohnheiten und Strukturen fordern und forcieren. Ernährungsstrategien und -räte werden durch den Autor dennoch als guter direkter Ansatz zur Mitwirkung von möglichst vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren und Akteurinnen angesehen. Wichtig ist dabei der Wissenstransfer unter allen Beteiligten, um Mitgestaltungsprozesse durchführen zu können. Der Konsum regionaler Produkte bietet momentan noch nicht genügend Anreize, die groß genug wären, die notwendigen gesellschaftlichen Transformationsprozesse in ausreichender Geschwindigkeit und mit größtmöglichem Umsetzungswillen zu bestreiten. Derzeitige Strukturen des Nahrungsmittelerwerbs, z. B. der Erwerb regionaler Produkte bei den gängigen Lebensmitteleinzelhändlern, dient den Händlern und Händlerinnen derzeit eher als Marketinginstrument und beruht weniger auf der Notwendigkeit eines transformatorischen Systemwechsels. Produkte aus regionaler Herkunft und nach biologischen Kriterien erzeugt sind dabei erste, nicht zu unterschätzende Ansätze, wie B. HAERLIN im Interview richtigerweise feststellt, doch sind sie noch immer weit genug entfernt, um die etablierten Gewohnheiten des „einfachen“ Konsums nicht überwinden zu müssen, sondern weiterzumachen wie bisher, nur etwas regionaler und grüner. Dieses gilt für Endkonsumenten und Endkonsumentinnen und die national und global tätigen Lebensmitteleinzelhändler gleichermaßen. Leidtragende sind dabei nationale und internationale kleinbäuerliche Strukturen und familiäre Erzeuger und Erzeugerinnen sowie die Biodiversität, auf deren Kosten das derzeitige Ernährungssystem diese nicht nachhaltigen Praktiken betreibt. Ernährungssouveränität wäre dabei ein gutes Instrument, um Alternativen zu diesen Praktiken aufzuzeigen. Im europäischen Raum gelingt diese Umsetzung derzeit jedoch größtenteils nur im theoretischen Kontext. Seite | 145 Kritische Reflektion der Forschung

7.2 Methodik Inwieweit die Brandenburger Anbauflächen dem Getreideanbau, Futtermittelanbau oder Pflanzenbau- und Viehhaltungs-Verbünden zuzuordnen sind, ist dem Kap. 3.3.1 zu entnehmen. Ein Großteil der genutzten Ackerflächen wird für den Futtermittelanbau der Fleischerzeugung verwendet. Diese Verhältnisse haben jedoch keinen Einfluss auf die Ernährungsszenarien selber, da angenommen wird, dass die jeweiligen Szenarien bzw. die hinterlegten Flächenfußabdrücke die Gesamtflächen der jeweils betrachteten Gebietskulisse uneingeschränkt zur Verfügung haben. Hierdurch wird ein theoretisches Bild erzeugt, welches nicht auf die derzeitige Situation übertragbar ist. Die Erstellung der Gebietskulissen und untersuchten Regionen basiert auf einer sehr unspezifischen Definition regionaler Bezüge. Die aus der Literatur gewonnene Einschätzung eines 50 Kilometer sowie ein 100 Kilometer-Radius geschah in Abstimmung mit gängigen Definitionen in der Literatur, jedoch wird dabei nur eine Tendenz wiedergespiegelt. Gerade im Interview mit WIMMER wird deutlich, dass regionale Bezüge in Bezug auf die geografische Ausdehnung weiter definiert werden können. Auch der fehlende Einbezug des polnischen Staatsgebiets missachtet somit Potenziale, da regionale Bezüge nicht zwangsläufig an Ländergrenzen stoppen. Diese Betrachtung fehlt in dieser Arbeit. Auch kann die Methodik nur eine Tendenz der Auswirkungen unserer Lebensmittelproduktion auf die Umwelt aufzeigen. Ernährungsstile und Verhaltensweisen sind von Mensch zu Mensch sehr divers. Die erhobenen Annahmen geben lediglich die Auswirkungen des Flächenverbrauchs beim Lebensmittelanbau in den jeweiligen Gebietskulissen wieder. Indikatoren wie Wasserverbrauch, CO2-Emissionen u. a. Umweltauswirkungen wurden in dieser Arbeit nicht in die Methodik aufgenommen. Der Einbezug der Lebensmittelverluste und des Energiepflanzenanbaus kann ebenfalls nur eine Tendenz der Einflüsse auf die Anbauverhältnisse skizzieren, aber trotzdem zeigen beide Einflussfaktoren fragwürdige Situationen auf: Das Flächenkontingent der Bundesrepublik Deutschland ist sehr begrenzt. Daher ist die Frage, wie wir diese Flächen möglichst effektiv, umweltschonend und unter demokratischer Kontrolle bewirtschaften, wichtig. Begrenzte Anbaufläche durch Konsum und günstige Preisstrukturen zu verschwenden, etwa durch Lebensmittelverluste, ist daher wenig akzeptabel und eine Umsteuerung dringend erforderlich. Derzeit findet diese Umsteuerung durch eine imperiale Lebensweise, in der Lebens- und Futtermittelbedürfnisse durch virtuelle Flächenimporte gedeckt werden und negative Umweltkosten externalisiert werden, nicht statt. 7.3 Ergebnisse Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass pflanzlicher Lebensmittelkonsum in Bezug auf den Flächenfußabdruck deutlich geringer ausfällt. Dabei ist nicht nur der Verzicht auf Fleisch zu beachten, sondern der generelle Verzicht auf tierische Produkte. So hat die Ernährungsempfehlung der DGE (2), die einen geringeren Fleischkonsum nicht ausschließt, einen ähnlich hohen Flächenfußabdruck wie eine ovo- lacto-vegetarische Ernährungsweise nach Empfehlungen der Organisation ProVeg. Ebenso zeigt auch eine Ernährung mit zwei fleischfreien Tagen in der Woche eine Absenkung des Flächenfußabdrucks auf knapp unter 2.000 Quadratmeter pro Person und Jahr, eine Flächengröße, die statistisch weltweit allen Menschen zur Verfügung steht. Die für 2050 weltweit prognostizierten verfügbaren 1.500 Quadratmeter pro Person könnten jedoch nur mit einer vegetarischen und veganen Ernährungsweise erreicht werden. Dabei ist es eine grundlegende Nachhaltigkeitsfrage, die Ernährungsweise soweit zu transformieren, dass der in Deutschland 2.500 Quadratmeter große Flächenanspruch einer Person im Jahr um 1.000 Quadratmeter gesenkt wird. Vegetarische und vegane Ernährungsweisen spielen dafür derzeit die wichtigste Rolle - technische Lösungen sind derzeit für eine nachhaltige Ernährung der Gesamtbevölkerung noch als nachrangig zu betrachten - und

Seite | 146 Kritische Reflektion der Forschung müssen daher einen deutlich größeren gesellschaftlichen Zuspruch gewinnen, wie STOLL-KLEEMANN und SCHMIDT (2016) aufzeigen. Inwieweit das Konzept der Ernährungssouveränität diesen Wandel einleiten kann ist ungewiss, denn nur durch demokratische Entscheidungsprozesse in der Ernährungsfrage wird nicht gewährleistet, dass diese Entscheidungsprozesse auch tatsächlich zu einer Minderung oder zum Verzicht des Konsums tierischer Produkte führen. Die Wissensvermittlung und Eigeninitiativen fördern jedoch die demokratische Souveränität und damit die Wertschätzung von Nahrungsmitteln und deren Produktion. Der Diskurs über unsere Ernährungsweisen, der in dieser Arbeit in den Vordergrund gesetzt wurde, ist dabei Teil einer größeren Fragestellung: Wie gelingt es, vor dem Hintergrund global agierender Wertschöpfungsketten bei der Lebensmittelerzeugung die dringend notwendigen Transformationsprozesse umzusetzen? Eine Betrachtung aller Ebenen ist dabei essentiell. Anbau und die notwendigen Verfahren, Lebensmittelverluste sowie -verschwendung auf Ebene der gesamten Wertschöpfungskette, globale Lebensmittelverteilung, die globalen Strukturen multinationaler Konzerne sowie die agrarpolitische Ausrichtung von Ländern und Wirtschaftsräumen und der Umgang sowie die Bewirtschaftungsweise der uns zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen einschließlich des Flächenverbrauchs sind nur einige der Themenfelder, die es bei kommenden Analysen, Diskussionen und praktischen Umsetzungen zu beachten gilt. Dabei ist die Ernährungsweise eine bedeutsame Stellschraube, aber nicht die alleinige.

Seite | 147 Schlussbetrachtung 8. Schlussbetrachtung Abschließend lässt sich erkennen, dass derzeit nur schwach ausgeprägte bis keine ernährungssouveränen Strukturen in Berlin-Brandenburg vorherrschen. Dies bestätigt sich vor allem durch die geführten Interviews mit B. HAERLIN und M. WIMMER. Es muss jedoch eine Unterscheidung zwischen der Stadt Berlin und den umliegenden Regionen Brandenburgs getroffen werden, da die landwirtschaftliche Selbstversorgung einer Großstadt generell nicht voll möglich ist, diese aber durch urbane Initiativen unterstützt werden kann (vgl. WBGU 2016, S. 209); Städte sind jedoch immer auf das Umland angewiesen. Die Landwirtschaft im brandenburgischen Raum weist zum Großteil noch immer die exportorientierten, kapitalintensiven und auf hohe Skaleneffekte ausgerichteten konventionellen Strukturen auf, die vor und nach der deutschen Wiedervereinigung vor allem in den östlichen Bundesländern politisch gefördert wurden. Erst seit wenigen Jahren werden vermehrt gezielte Förderprogramme für die ökologische Landwirtschaft und zur Stärkung der gesamten regionalen Wertschöpfungskette in Brandenburg aufgelegt, die eine Umstellung beschleunigen sollen. Erste Ideen, Konzepte und Leuchtturmprojekte wie das Ökodorf Brodowin bieten Ansatzpunkte für eine Stärkung der regionalen, ökologischen und souveränen Lebensmittelversorgung. Nach WIMMER bilden ökologische Wertschöpfungsketten in Brandenburg eine generell stärkere regionale Verknüpfung und sollten daher gefördert werden. Innerhalb der Stadtgrenzen Berlins werden Ansätze wie Urban Gardening und Gemeinschaftsgärten von einer engagierten Zivilgesellschaft getragen und durch Initiativen wie den Berliner Ernährungsrat unterstützt. Mit der Idee und dem Entwurf einer Ernährungsstrategie durch den Ernährungsrat im Oktober 2017 wurde ein weiterer Schritt zur Transformation der urbanen Ernährungssouveränität Berlins mit dem Umland Brandenburg gegangen. Technisch orientierte Lösungsansätze wie Vertical Farming oder Aquaponic Farming werden von den für diese Arbeit interviewten Experten unterschiedlich bewertet, wobei WIMMER ihnen positiv gegenübersteht und HAERLIN diese eher kritisch sieht. Einig sind sich beide jedoch in der Aussage, dass nur eine Schließung der landwirtschaftlichen Kreisläufe zwischen Stadt und Umland zu einer dauerhaft nachhaltigen Lebensmittelversorgung führt. Da wichtige Daten zur Erstellung der Flächenfußabdrücke ökologisch produzierter Lebensmittel nicht verfügbar sind und eine Erhebung durch in Brandenburg ansässige, ökologisch wirtschaftende Betriebe nicht unterstützt wurde, konnten für die Berechnungen des Flächenverbrauchs verschiedener Ernährungsstile lediglich konventionelle Flächenfußabdrücke für die jeweiligen Lebensmittelgruppen berücksichtigt werden. Die Auswertung der verfügbaren Daten zur konventionellen Landwirtschaft zeigt jedoch eine eindeutige Möglichkeit der Flächenentlastung durch einen reduzierten Konsum tierischer Produkte. Die theoretisch freiwerdenden Flächen bei einer Reduktion oder dem kompletten Verzicht auf tierische Produkte ständen einer ökologischen Bewirtschaftung zur Verfügung. So könnte eine regionale und nachhaltige Versorgung mit ökologisch produzierten Lebensmitteln für einen Großteil der Bevölkerung realisiert werden. Das Konzept der Ernährungssouveränität kann als Symbol gesehen werden, als ein Selbstbestimmungskonzept in Industriestaaten, Metropolen und Städten mit der Einleitung eines aktiven Veränderungsprozesses gegenüber der Wirtschafts- und Kommunikationsmacht von Lebensmittel- und Handelskonzernen. Ernährungssouveränität kann als Emanzipations- und Resilienzinstrument vom derzeitigen Ernährungssystem begriffen werden, z. B. mittels der Zubereitung von vegetarischen und veganen Gerichten aus fairem, biologischen, lokalem oder regionalem Anbau und Verarbeitung. Der enge Bezug zu Lebensmitteln kann Lebensmittelabfälle vermeiden. Urbane Landwirtschaft in gemeinschaftlichen und interkulturellen Arrangements wie Schulen, Nachbarschaftsgärten, Imkereien, Lebensmittelkooperativen und solidarischen Landwirtschaftskooperationen (SoLaWi) fördert die Wiederherstellung von Ernährungssouveränität direkt. Dies geschieht durch Souveränität gegen die Entfremdung hiesiger Lebensmittelproduktion, durch die Entwicklung von zivilem Engagement, die Seite | 148 Schlussbetrachtung

Politisierung der Ernährung und wird getragen durch das Ziel, derzeitige Ernährungsweisen durch regionale und biologisch-ökologische Ernährungsformen zu reformieren (vgl. Weltagrarbericht 2013, S. 15). Jedoch baut der Grundgedanke ernährungssouveräner Strukturen auf demokratischen Prozessen auf, die nicht zwangsläufig zu einer Regionalisierung der Wertschöpfungskette führen müssen; denn gerade in diesem Konzept können Verbraucher und Verbraucherinnen frei entscheiden, welche Art des Nahrungsmittelbezuges sie anstreben.

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1. Auflistung der Anbauflächen der Region 1.1 2. Auflistung der Anbauflächen der Region 1.2 3. Auflistung der Anbauflächen der Region 2 4. Auflistung der Anbauflächen der Region 3 5. Auflistung der ausgewählten Erzeugnisse zu den jeweiligen Lebensmittelgruppen mit Angabe der kcal und kJ aus den Nährwerttabellen des IVB 2017 6. Auflistung der im 50 km-Radius aufgenommen Landkreise und Gemeinden 7. Auflistung der im 100 km-Radius aufgenommen Landkreise und Gemeinden 8. Interview mit Benedikt Härlin 9. Interview mit Michael Wimmer

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1. Auflistung der Anbauflächen der Region 1.1

Landwirtschaftliche Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Bundesland Einwohner Gesamtfläche Nutzungstypen Ackerflächen Dauergründland Dauerkulturen Zusammenfassung Bundesland in Mio. in km² in ha in ha %-Anteil an LW-Ges. in ha %-Anteil an LW-Ges. in ha %-Anteil an LW-Ges. Berlin 3.520.031 891 3.861 2.482 64 1.374 36 5 0,13 Lichtenberg 688 465 223 n/a Marzahn-Hellersdorf 188 121 67 n/a Neukölln 48 24 24 n/a Pankow 1.771 1.312 457 2 Reinickendorf 240 133 107 n/a Spandau 594 312 282 n/a Steglitz-Zehlendorf 27 15 9 3 Tempelhof-Schöneberg 43 40 3 n/a Treptow-Köpenick 262 60 202 n/a Gesamt: 3.861 2.482 1.374 5

2. Auflistung der Anbauflächen der Region 1.2

Nutzungstypen Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Bundesland Einwohner Gesamtfläche Zusammenfassung Ackerflächen Dauergründland Dauerkulturen

Bundesland in Mio. in km² in ha in ha %-Anteil an LW-Ges. in ha %-Anteil an LW-Ges. in ha %-Anteil an LW-Ges. Berlin 3.520.031 891 16.224 2.482 15 1.374 8 5 0,03 Lichtenberg 688 465 223 n/a Marzahn-Hellersdorf 188 121 67 n/a Neukölln 48 24 24 n/a Pankow 1.771 1.312 457 2 Reinickendorf 240 133 107 n/a Spandau 594 312 282 n/a Steglitz-Zehlendorf 27 15 9 3 Tempelhof-Schöneberg 43 40 3 n/a Mitte n/a n/a n/a n/a Friedrh.-Kreuzb. n/a n/a n/a n/a Charlbg.-Wilmersd. n/a n/a n/a n/a Treptow-Köpenick 262 60 202 n/a Gesamt 16.224 2.482 1.374 5

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Urbaner Landnutzungstyp Urbaner Landnutzungstyp Urbaner Landnutzungstyp Urbaner Landnutzungstyp Kleingärten Brachflächen Dachbegrünung Grünanlgen

in ha %-Anteil an LW-Ges. in ha %-Anteil an LW-Ges. in ha %-Anteil an LW-Ges. in ha %-Anteil an LW-Ges. 2.990 18 4.380 27 400 2 4.593 28,31 285 420 n/a 421 162 478 n/a 426 391 61 n/a 530 492 892 n/a 517 269 414 n/a 352 182 464 n/a 310 198 262 n/a 318 240 176 n/a 478 65 70 n/a 368 4 26 n/a 203 301 266 n/a 347 403 851 n/a 323 2.990 4.380 400 4.593

3. Auflistung der Anbauflächen der Region 2

Landwirtschaftliche Nutzungstypen Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Region Einwohner Gesamtfläche Zusammenfassung Ackerflächen Dauergründland Dauerkulturen Bundesland in Mio. in km² in ha Anteil in % in ha Anteil in % in ha Anteil in % in ha Anteil in % Berlin 3.520.031 892 3.861 1,32 2.482 1,19 1.374 1,74 5 0,12 Brandenburg 1.434.692 6.933 287.970 98,68 206.104 98,81 77.802 98,26 4.064 99,88 Barnim 170.931 967 36.077 31.747 5.287 365 Brandenburg an der Havel 71.574 4 62 140 126 0 Dahmen-Spreewald 117.228 658 18.829 12.953 4.358 228 Havelland 108.214 694 43.028 28.326 10.087 757 Märkisch-Oderland 155.913 871 40.467 37.121 3.636 458 Oberhavel 192.607 1.026 47.780 27.556 18.061 286 Oder-Spree 101.793 601 16.966 12.606 4.182 152 Ostprignitz-Ruppin 40.653 127 10.362 6.143 5.918 10 Potsdam 167.745 187 5.985 3.014 1.939 126 Potsdam-Mittelmark 172.305 816 34.196 19.559 10.047 1.516 Teltow-Fläming 135.729 982 43.831 26.939 14.161 166 Gesamt: 4.954.723 7.825 291.831 100 208.586 100 79.176 100 4.069 100

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4. Auflistung der Anbauflächen der Region 3

Landwirtschaftliche Nutzungstypen Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Landwirtschaftlicher Landnutzungstyp Region Einwohner Gesamtfläche Zusammenfassung Ackerflächen Dauergründland Dauerkulturen

Bundesland in Mio. in km² in ha Anteil in % in ha Anteil in % in ha Anteil in % in ha Anteil in % Berlin 3.520.031 892 3.861 0,29 2.482 0,25 1.374 0,43 5 0,06 Brandenburg 2.210.856 24.492 1.108.866 83,69 843.434 84,88 257.591 79,74 7.841 94,46 Mecklenburg-Vorpommern 48.763 905 28.352 2,14 20.713 2,08 7.627 2,36 12 0,14 Sachsen-Anhalt 370.202 3.265 182.762 13,79 126.030 12,68 56.289 17,42 443 5,34 Sachsen 6.804 16 1.154 0,09 977 0,10 177 0,05 0 0,00 Brandenburg Barnim 177.411 1.479 52.540 43.545 10.153 366 Brandenburg an der Havel 71.574 891 6.759 4.178 2.657 64 Cottbus 99.687 30 2.118 1.664 893 1 Dahmen-Spreewald 164.528 2.274 90.026 59.355 24.161 908 Elbe-Elster 67.113 950 47.583 32.737 12.765 99 Frankfurt-Oder 58.092 148 6.674 5.850 492 408 Havelland 158.236 1.728 105.348 62.335 33.605 924 Märkisch-Oderland 190.714 2.157 138.407 120.920 10.108 622 Oberhavel 207.524 1.806 80.400 49.626 25.222 403 Oberspreewald-Lausitz 36.327 449 21.415 13.479 5.016 184 Oder-Spree 182.397 2.210 83.077 64.777 13.190 479 Ostprignitz-Ruppin 99.110 2.355 131.594 89.828 35.098 679 Potsdam 167.745 187 5.985 3.014 1.939 126 Potsdam-Mittelmark 210.910 2.593 120.966 81.232 28.819 1.802 Prignitz 10.806 219 15.822 12.549 4.884 83 Spree-Neiße 32.309 451 18.260 11.645 5.656 34 Teltow-Fläming 163.553 2.104 99.515 76.098 18.803 426 112.820 2.461 141.760 110.602 24.130 233 Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburgische Seenplatte 46.864 894 32.526 20.011 7.533 12 Vorpommern Greifswald 1.899 11 978 702 94 Sachsen-Anhalt Stendal 84.188 666 40.006 24.412 15.538 37 Jerichower Land 64.537 898 47.315 31.279 15.894 92 Anhalt-Bitterfeld 22.055 152 6.842 5.351 1.491 Wittenberg 116.503 1.533 88.255 64.516 23.310 314 Dessau-Roßlau 82.919 16 528 472 56 Sachen Nordsachsen 6.804 16 1.154 977 177 Gesamt: 6.156.656 29.570 1.324.995 100 993.636 100 323.058 100 8.301 100

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5. Auflistung der ausgewählten Erzeugnisse zu den jeweiligen Lebensmittelgruppen mit Angabe der kcal und kJ aus den Nährwerttabellen des IVB 2017

Lebenmittelgruppen kcal kJ Getreideerzeugnisse Roherzeugnisse Weizen 305 1275 Roggen 300 1257 Gerste 321 1345 Hafer 332 1391 Hirse 357 1493 Dinkel 329 1377 Brot, Müsli, Vollkornnudeln Vollkornbrot 198 828 Knäckebrot 322 1349 Vollkornbrötchen 219 919 Müsli 346 1448 Haferflocken 342 1432 Vollkornnudeln 132 551 Mehl Weizenmehl 343 1437 Roggenmehl 326 1364 Dinkelmehl 342 1430 Mehl 343 1437 Vollkornmehl 309 1293 Kartoffeln Roherzeugnisse Kartoffel geschält roh 73 307 Kartoffeln geschält gegart 70 295 Kartoffel geschält gekocht 87 363 Reis Roherzeugnisse Reis 351 1469 Reis gegart 126 526 Reis gekocht 126 526 Hülsenfrüchte Roherzeugnisse Hülsenfrüchte reif roh 278 1162 Erbsen 278 1162 Erbsen gekocht 67 281 Kirchererbsen 141 592 Kirchererbsen gekocht 119 499 Zuckererbsen 59 249 Zuckererbsen gekocht 59 248 Bohnen 33 137 Bohnen gekocht 32 134 Linsen 309 1293 Linsen gekocht 77 324 Sojabohnen 144 601 Sojabohnen gekocht 152 635 Zuckererzeugnisse Erzeugnis Weißzucker 405 1697

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Glukosesirup 322 1348 Honig 306 1283 Kakaomasse 339 1420 Schokolade 536 2245 Gemüse Roherzeugnisse Blumenkohl 22 94 Brokkoli 28 118 Fenchel 19 81 Grünkohl 31 128 Gurken 12 51 Kohlrabi 25 104 Kürbis 271 1135 Porree 26 110 Radieschen 15 61 Rettich 16 66 Rhabarber 13 56 Rosenkohl 31 131 Rote Bete 40 169 Rotkohl 21 90 Schwarzwurzel 19 79 Sellerie 25 103 Spargel 79 164 Spinat 288 1205 Spitzkohl 23 96 Steckrüben 30 126 Tomaten 17 73 Weißkohl 24 100 Wirsing 25 106 Zucchini 22 91 Zwiebeln 75 316 Pilze 22 93 Feldsalat 15 62 Kopfsalat 11 48 Rucola 27 111 Obst Roherzeugnisse Äpfel 61 255 Aprikosen 43 178 Birnen 52 218 Brombeeren 36 167 Erdbeeren 32 135 Heidelbeeren 37 153 Himbeeren 34 142 Johannisbeeren 33 139 Kirschen süß 60 253 Kirschen sauer 52 219 Mirabellen 64 270 Pfirsiche 41 171

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Pflaumen 45 187 Quitten 39 162 Stachelbeeren 37 157 Trauben 70 291 Zitrusfrüchte 43 181 Trockenobst Äpfel getrocknet 247 1035 Aprikosen getrocknet 238 996 Birnen getrocknet 252 1054 Mirabellen getrocknet 293 1226 Pflaumen getrocknet 218 911 Öl und Fette Erzeugnisse Butter 741 3101 Sauerrahmbutter 741 3101 Margarine 709 2970 Sonnenblumenöl 884 3700 Olivenöl 884 3700 Rapsöl 884 3700 Leinöl 884 3700 Distelöl 884 3700 Palmöl 884 3700 Nüsse und Samen Roherzeugnisse Nüsse 576 2413 Cashewnüsse 592 2477 Erdnuss 576 2413 Walnüsse 714 2989 Hasselnuss 650 2720 Leinsamen 444 1860 Sonnenblumekerne 480 2008 Kürbiskerne 565 2364 Pinienkerne 575 2408 Grünkern 240 1005 Sesam 572 2393 Fleischerzeugnisse Roherzeugnisse Rind 211 883 Schweine 176 736 Geflügel 166 694 Schaf 270 1132 Ziege 198 831 Pferd 109 456 Fleischerzeugnisse Bratwurst 277 1159 Kassler 108 454 Salami 375 1568 Krakauer 237 992 Schinken 260 1087 Gulasch 118 492 Fischerzeugnisse Roherzeugnisse Fisch 100 417

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Thunfisch 224 939 Lachs 86 359 Forelle 103 433 Meerforelle 113 474 Dorsch 613 2568 Hering 884 3700 Krabben 91 382 Miesmuscheln 71 297 Garnelen 92 385 Milcherzeugnisse Erzeugnisse Milch 65 272 Buttermilch 37 156 Kuhmilch 65 272 Butter 741 3101 Hartkäse 294 1233 Schnittkäse 354 1482 Weichkäse 275 1152 Quark 73 304 Eier Roherzeugnisse Hühnerei 137 572

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6. Auflistung der im 50 km-Radius aufgenommen Landkreise und Gemeinden

Landkreise Gemeinden Einwohnerzahl Fläche in km² Barnim Ahrensfelde 12.954 58 Bernau bei Berlin 37.169 104 Biesenthal 5.679 61 Breydin 781 35 Britz 2.137 5 Chorin 2.265 1 Eberswalde 39.303 92 Hohenfinow 526 18 Joachimsthal 3.465 6 Marienwerder 1.745 40 Melchow 932 17 Niederfinow 619 0,45 Panketal 20.131 25 Rüdnitz 1.980 14 Schorfheide 9.908 178 Sydower Fließ 921 32 Wandlitz 22.095 164 Werneuchen 8.321 117 Berlin 3.520.031 891 Brandenburg an der Havel Brandenburg an der Havel 71.574 4 Dahme-Spreewald Bestensee 7.367 38 Groß Köris 2.253 69 Halbe 2.615 31 Heidesee 6.889 136 Königs 35.765 96 Märkisch Buchholz 773 5 Mittenwalde 8.898 99 Münchehofe 469 40 Schönefeld 14.190 82 Schulzendorf 7.872 9 Schwerin 814 7 Teupitz 1.813 48 Wildau 9.978 9 Zeuthen 11.106 13 Havelland Brieselang 11.484 45 Dallgow-Döberitz 9.700 66 Falkensee 42.634 43 Ketzin/Havel 6.412 94 Märkisch Luch 1.251 2 Nauen 16.943 265 Paulinenaue 1.238 22 Retzow 518 7 Schönwalde-Glien 9.351 97 Wustermark 8.683 53 Märkisch-Oderland Altlandsberg 9.158 107 Beiersdorf-Freudenberg 593 25 Buckow (Märkische 1.510 14 Schweiz) Falkenberg 2.208 47 Fredersdorf-Vogelsdorf 13.104 16

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Garzau-Garzin 716 26 Heckelberg-Brunow 668 36 Höhenland 1.026 54 Hoppegarten 17.636 32 Märkische Höhe 576 10 Müncheberg 6.783 76 Neuenhagen bei Berlin 17.593 19 Oberbarnim 1.380 53 Petershagen/Eggers-dorf 14.520 18 Prötzel 998 86 Rehfelde 4.789 46 Reichenow-Möglin 549 18 Rüdersdorf bei Berlin 15.313 70 Strausberg 26.213 68 Waldsieversdorf 819 16 Wriezen 7.355 28 Oberhavel Birkenwerder 8.019 18 Glienicke/Nordbahn 12.155 5 Hennigsdorf 26.264 31 Hohen Neuendorf 25.519 49 Kremmen 7.238 210 Leegebruch 6.678 6 Liebenwalde 4.261 142 Löwenberger Land 8.101 195 Mühlenbecker Land 14.795 52 Oberkrämer 10.876 103 Oranienburg 43.526 164 Velten 11.766 23 Zehdenick 13.409 28 Oder-Spree Bad Saarow 5.251 13 Erkner 11.668 18 Fürstenwalde/Spree 31.741 59 Gosen-Neu Zittau 3.055 14 Grünheide (Mark) 8.327 126 Rauen 1.979 21 Reichenwalde 1.115 22 Schöneiche bei Berlin 12.311 17 Spreenhagen 3.229 137 Steinhöfel 4.474 59 Storkow (Mark) 9.020 105 Woltersdorf 8.092 10 Ostprignitz-Ruppin 8.829 103 (Mark) 630 1 30.715 13 Rüthnick 479 10 Potsdam Potsdam 167.745 187 Potsdam-Mittelmark Beelitz 12.121 176 Beetzseeheide 675 0,39 Brück 4.095 7 Groß Kreutz (Havel) 8.133 92 Kleinmachnow 20.655 12 Kloster Lehnin 10.720 67 Linthe 928 3 Michendorf 12.178 69

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Nuthetal 8.930 48 Päwesin 531 21 Roskow 1.189 26 Schwielowsee 10.494 58 Seddiner See 4.349 24 Stahnsdorf 15.127 50 Teltow 25.483 22 Treuenbrietzen 7.379 8 Werder (Havel) 24.856 117 Teltow-Fläming Am Mellensee 6.628 105 Baruth/Mark 4.146 69 Blankenfelde-Mahlow 26.319 55 Großbeeren 8.398 52 Luckenwalde 20.358 33 Ludwigsfelde 25.030 110 Nuthe-Urstromtal 6.703 217 Rangsdorf 10.848 34 Trebbin 9.394 127 Zossen 17.905 180

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7. Auflistung der im 100 km-Radius aufgenommen Landkreise und Gemeinden

Landkreise Gemeinden Einwohnerzahl Fläche in km² Anhalt-Bitterfeld Zerbst/Anhalt 22.055 152 Barnim Ahrensfelde 12.954 58 Althüttendorf 614 19 Bernau bei Berlin 37.169 104 Biesenthal 5.679 61 Breydin 781 35 Britz 2.137 16 Chorin 2.265 121 Eberswalde 39.303 94 Friedrichswalde 807 45 Hohenfinow 526 22 Joachimsthal 3.465 122 Liepe 647 11 Lunow-Stolzenhagen 1.208 34 Marienwerder 1.745 40 Melchow 932 17 Niederfinow 619 13 Oderberg 2.199 36 Panketal 20.131 25 Parsteinsee 556 17 Rüdnitz 1.980 14 Schorfheide 9.908 238 Sydower Fließ 921 32 Wandlitz 22.095 164 Werneuchen 8.321 117 Ziethen 449 24 Berlin 3.520.031 891 Brandenburg an der Havel Brandenburg an der Havel 71.574 229 Cottbus Cottbus 99.687 30 Dahme-Spreewald Alt Zauche-Wußwerk 502 33 Bersteland 896 29 Bestensee 7.367 38 Byhleguhre-Byhlen 772 36 Drahnsdorf 611 27 Golßen 2.567 64 Groß Köris 2.253 69 Halbe 2.615 78 Heideblick 3.666 167 Heidesee 6.889 136 Jamlitz 534 44 Kasel-Golzig 685 34 Königs Wusterhausen 35.765 96 Krausnick-Groß Wasserburg 600 55 Lieberose 1.379 72 Lübben (Spreewald) 13.824 121 Luckau 9.533 207 Märkisch Buchholz 773 25 Märkische Heide 3.954 211 Mittenwalde 8.898 99 Münchehofe 469 62

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Neu Zauche 1.119 39 Rietzneuendorf-Staakow 613 28 Schlepzig 619 30 Schönefeld 14.190 82 Schönwald 1.129 45 Schulzendorf 7.872 9 Schwerin 814 7 Schwielochsee 1.499 132 Spreewaldheide 464 36 Steinreich 507 42 Straupitz 976 22 Teupitz 1.813 48 Unterspreewald 851 26 Wildau 9.978 9 Zeuthen 11.106 13 Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau 82.919 16 Elbe-Elster 1.222 22 Doberlug-Kirchhain 8.746 142 Falkenberg/Elster 6.431 27 673 32 16.548 13 Heideland 532 3 Herzberg (Elster) 9.067 140 646 43 Kremitzaue 809 23 789 34 Lichterfeld-Schacksdorf 1.121 1 Massen-Niederlausitz 1.962 70 1.458 4 484 5 2.452 79 Schönewalde 3.115 156 3.319 119 Tröbitz 712 4 Uebigau-Wahrenbrück 5.462 31 Frankfurt (Oder) Frankfurt (Oder) 58.092 148 Havelland Brieselang 11.484 45 Dallgow-Döberitz 9.700 66 Falkensee 42.634 43 Friesack 2.794 84 Gollenberg 408 30 Großderschau 437 20 Havelaue 878 75 Ketzin/Havel 6.412 94 Kleßen-Görne 339 42 Kotzen 585 43 Märkisch Luch 1.251 72 Milower Land 4.333 161 Mühlenberge 720 40 Nauen 16.943 269 Nennhausen 1.901 90 Paulinenaue 1.238 32 Pessin 650 20 Premnitz 8.422 46

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Rathenow 24.387 113 Retzow 518 15 Rhinow 1.625 32 Schönwalde-Glien 9.351 97 Seeblick 910 48 Stechow-Ferchesar 895 51 Wiesenaue 738 47 Wustermark 8.683 53 Jerichower Land Burg 22.970 1 Elbe-Parey 6.958 98 Genthin 14.610 232 Jerichow 7.019 272 Möckern 12.980 295 Märkisch-Oderland Alt Tucheband 766 31 Altlandsberg 9.158 107 Bad Freienwalde (Oder) 12.406 131 Beiersdorf-Freudenberg 593 25 Bleyen-Genschmar 468 30 Bliesdorf 1.223 35 Buckow (Märkische Schweiz) 1.510 14 Falkenberg 2.208 60 Falkenhagen (Mark) 711 27 Fichtenhöhe 506 23 Fredersdorf-Vogelsdorf 13.104 16 Garzau-Garzin 716 26 Golzow 836 17 Gusow-Platkow 1.222 38 Heckelberg-Brunow 668 36 Höhenland 1.026 54 Hoppegarten 17.636 32 Küstriner Vorland 2.605 46 Lebus 3.146 55 Letschin 4.035 142 Lietzen 736 29 Lindendorf 1.354 40 Märkische Höhe 576 34 Müncheberg 6.783 152 Neuenhagen bei Berlin 17.593 19 Neuhardenberg 2.715 78 Neulewin 921 41 Neutrebbin 1.409 37 Oberbarnim 1.380 53 Oderaue 1.605 66 Petershagen/Eggersdorf 14.520 18 Podelzig 855 25 Prötzel 998 86 Rehfelde 4.789 46 Reichenow-Möglin 549 23 Reitwein 463 24 Rüdersdorf bei Berlin 15.313 70 Seelow 5.387 43 Strausberg 26.213 68 Treplin 377 11 Vierlinden 1.581 70

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Waldsieversdorf 819 16 Wriezen 7.355 95 Zechin 638 28 Zeschdorf 1.242 40 Mecklenburgische Seenplatte Blankensee 1.689 23 Buchholz 148 11 Carpin 904 63 Feldberger Seenlandschaft 4.452 195 Godendorf 217 14 Grünow 293 23 Kieve 130 3 Lärz 510 37 Mirow 3.988 125 Möllenbeck 719 9 Neustrelitz 20.504 106 Priborn 352 2 Priepert 326 22 Rechlin 2.027 6 Schwarz 375 27 Userin 675 46 Wesenberg 3.078 91 Wokuhl-Dabelow 597 46 Woldegk 4.416 2 Wustrow 698 42 Nordsachsen Beilrode 4.240 14 Dommitzsch 2.564 2 Oberhavel Birkenwerder 8.019 18 Fürstenberg/Havel 5.854 214 Glienicke/Nordbahn 12.155 5 Gransee 5.814 122 Großwoltersdorf 793 53 Hennigsdorf 26.264 31 Hohen Neuendorf 25.519 49 Kremmen 7.238 210 Leegebruch 6.678 6 Liebenwalde 4.261 142 Löwenberger Land 8.101 245 Mühlenbecker Land 14.795 52 Oberkrämer 10.876 103 Oranienburg 43.526 164 Schönermark 446 12 Sonnenberg 823 50 Stechlin 1.187 84 Velten 11.766 23 Zehdenick 13.409 223 Oberspreewald-Lausitz Altdöbern 2.527 1 Bronkow 601 19 Calau 7.833 164 Lübbenau/Spreewald 16.237 139 Luckaitztal 822 21 Vetschau/Spreewald 8.307 105 Oder-Spree Bad Saarow 5.251 50 Beeskow 8.122 78 Berkenbrück 998 18

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Briesen (Mark) 2.806 111 Brieskow-Finkenheerd 2.320 14 Diensdorf-Radlow 564 9 Eisenhüttenstadt 30.416 64 Erkner 11.668 18 Friedland 3.017 174 Fürstenwalde/Spree 31.741 70 Gosen-Neu Zittau 3.055 14 Groß 1.734 15 Grünheide (Mark) 8.327 126 Grunow-Dammendorf 501 45 Jacobsdorf 1.863 51 Langewahl 850 13 Lawitz 602 6 Mixdorf 906 13 Müllrose 4.566 69 Neißemünde 1.610 8 Neuzelle 4.302 125 Ragow-Merz 516 44 Rauen 1.979 21 Reichenwalde 1.115 26 Rietz-Neuendorf 4.124 185 Schlaubetal 1.815 52 Schöneiche bei Berlin 12.311 17 Siehdichum 1.522 74 Spreenhagen 3.229 137 Steinhöfel 4.474 161 Storkow (Mark) 9.020 180 Tauche 3.875 122 Vogelsang 735 6 Wendisch Rietz 1.531 25 Wiesenau 1.270 30 Woltersdorf 8.092 10 Ziltendorf 1.570 29 Ostprignitz-Ruppin 908 45 599 12 1.157 65 Fehrbellin 8.829 270 4.441 135 Herzberg (Mark) 630 19 9.100 158 Lindow (Mark) 2.966 66 Märkisch Linden 1.178 44 Neuruppin 30.715 306 Neustadt (Dosse) 3.435 76 8.153 328 Rüthnick 479 18 Sieversdorf-Hohenofen 706 20 Storbeck-Frankendorf 478 42 Stüdenitz-Schönermark 578 24 Temnitzquell 756 66 1.461 52 463 22 812 32

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Wittstock/Dosse 14.380 321 Wusterhausen/Dosse 6.013 196 Zernitz-Lohm 873 38 Potsdam Potsdam 167.745 187 Potsdam-Mittelmark Bad Belzig 11.120 236 Beelitz 12.121 181 Beetzsee 2.512 21 Beetzseeheide 675 38 Bensdorf 1.235 34 Brück 4.095 86 Buckautal 492 40 Golzow 1.307 40 Görzke 1.240 75 Gräben 531 40 Groß Kreutz (Havel) 8.133 99 Havelsee 3.234 82 Kleinmachnow 20.655 12 Kloster Lehnin 10.720 201 Linthe 928 30 Michendorf 12.178 69 Mühlenfließ 921 59 Niemegk 2.006 45 Nuthetal 8.930 48 Päwesin 531 24 Planebruch 1.042 66 Planetal 959 43 Rabenstein/Fläming 820 79 Rosenau 933 50 Roskow 1.189 39 Schwielowsee 10.494 58 Seddiner See 4.349 24 Stahnsdorf 15.127 50 Teltow 25.483 22 Treuenbrietzen 7.379 212 Wenzlow 535 21 Werder (Havel) 24.856 117 Wiesenburg/Mark 4.420 220 Wollin 860 28 Wusterwitz 3.029 24 Ziesar 2.451 68 Prignitz Groß Pankow (Prignitz) 3.955 8 Gumtow 3.438 167 Plattenburg 3.413 44 Spree-Neiße Briesen 767 9 Burg (Spreewald) 4.338 35 Dissen-Striesow 1.006 20 Drachhausen 816 38 Drehnow 550 11 Guhrow 514 7 Kolkwitz 9.147 58 Peitz 4.445 7 Schenkendöbern 3.662 121 Schmogrow-Fehrow 813 30 Tauer 709 40

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Teichland 1.150 2 Turnow-Preilack 1.154 38 Werben 1.703 25 Stendal Arneburg 1.528 29 Eichstedt (Altmark) 892 0,0016 Hassel 950 7 Havelberg 6.619 143 Hohenberg-Krusemark 1.236 26 Iden 847 5 Kamern 1.212 68 Klietz 2.484 66 Sandau (Elbe) 881 18 Schollene 1.220 66 Schönhausen (Elbe) 2.147 75 Stendal 40.269 9 Tangerhütte 11.007 29 Tangermünde 10.447 56 Werben (Elbe) 1.142 1 Wust-Fischbeck 1.307 68 Teltow-Fläming Am Mellensee 6.628 105 Baruth/Mark 4.146 234 Blankenfelde-Mahlow 26.319 55 Dahme/Mark 5.073 165 Dahmetal 488 39 Großbeeren 8.398 52 Ihlow 705 48 Jüterbog 12.314 176 Luckenwalde 20.358 47 Ludwigsfelde 25.030 110 Niederer Fläming 3.160 186 Niedergörsdorf 6.084 205 Nuthe-Urstromtal 6.703 341 Rangsdorf 10.848 34 Trebbin 9.394 127 Zossen 17.905 180 Uckermark Angermünde 13.805 324 Berkholz-Meyenburg 1.257 12 Boitzenburger Land 3.213 218 1.893 87 Flieth-Stegelitz 546 47 (Oder) 2.478 16 1.604 97 1.901 66 Grünow 941 33 Hohenselchow-Groß Pinnow 817 40 3.135 112 1.014 45 1.466 64 Mittenwalde 372 23 4.288 218 1.698 85 Passow 1.473 52 Pinnow 853 13 19.275 106

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Randowtal 932 27 Schenkenberg 600 4 Schöneberg 851 47 /Oder 30.262 205 Temmen-Ringenwalde 548 63 16.067 379 948 46 583 32 Vorpommern-Greifswald Penkun 1.899 11 Wittenberg Annaburg 6.932 221 Bad Schmiedeberg 8.475 77 Coswig (Anhalt) 12.184 287 Jessen (Elster) 14.215 354 Kemberg 9.954 160 Oranienbaum-Wörlitz 8.980 42 Wittenberg 46.475 242 Zahna-Elster 9.288 150

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8. Interview mit Benedikt Härlin

1 Voigt: Erklärung des Begriffes der Ernährungssouveränität (ENS) 2 Haerlin: Dieser Begriff der ENS ist kein sonderlich definierter bzw. es gibt auf der einen Seite Liva 3 Campesina, die auch so eine gewisse Art an Copyright auf diesen Begriff erheben. Und die haben ein 4 ziemlich elaboriertes System was sie alles unter ENS fassen und es gibt, ich habe mal mitgearbeitet bei 5 so ner Geschichte, die hieß Weltagrarbericht International Assessment of Agricultural Knowledge 6 Science and Technology für Development. Und da gibt einen ganz schlanken einfachen Begriff, wenn 7 man so will die UN-Definition von ENS die besagt nur, es ist das Recht von Menschen und souveränen 8 Staaten, also beide Ebenen, demokratisch die Art und Weise zu bestimmen, wie sie sich ernähren und 9 ihre Nahrungsproduktion organisieren. Insgesamt ist dieser Begriff stark auf die WTO bezogen 10 ursprünglich, also sozusagen das souveräne Recht zunächst einmal von Staaten, die von WTO 11 gezwungen werden zollfreie Einfuhren zu machen und dann wurde runtergebrochen auf Regionen, 12 Gemeinden und Individuen zur Selbstbestimmung. ENS würde ich nicht mit lokaler Autarkie. 13 Es gibt so eine Tradition der Definition von Ernährungsautarkie, die wirkt auch stark in 14 nationalsozialistischen Wurzeln, von der würde ich mich versuchen etwas hüten. Und die demokratische 15 Selbstbestimmung in Bezug auf die Ernährung, bedeutet ja auch Recht Kaffee zu trinken unter mehr 16 oder weniger fairen Bedingungen behandeln. Es ist jetzt nicht eine totale Absage an internationalen 17 Handel und Austausch. 18 Voigt: Warum produziert man jedoch nicht die Produkte vor Ort, die man vor Ort produzieren könnte? 19 Haerlin: Das ist eine berechtigte Frage. Aber der Begriff ENS sagt nur, sie sollen das Recht haben, das 20 in die Debatte einzubringen und dann wird gemeinsam entschieden gehen wir zu Lidl oder auf den 21 Wochenmarkt. In dieser Weise. Demokratie hat auch ihre Schattenseiten für die total ökologische 22 Selbstversorgung. 23 Voigt: Aber dann unterstellt man ja, dass man die Wahl hat auf den Wochenmarkt zu gehen oder zu 24 Lidl. 25 Haerlin: Ja, das ist der Ansatz. Die Wahl sollten man haben und das ist auch total wichtig an der ENS. 26 Und für mich heißt ENS auch bspw. kochen können. Also wenn ich nicht mehr kochen kann und das 27 trifft auf viele Menschen gerade in Großstädten zu, dann ist meine ENS ganz erheblich eingeschränkt. 28 Wenn ich nicht mehr weiß was mir gut tut an Ernährung, wenn ich nicht weiß was meinen Kindern gut 29 tut an Ernährung und nicht in der Lage bin bei ihn in frühen Kindesalter die Gewohnheiten zu prägen, 30 die ihnen dann ein Leben lang anhängen kann, sondern das Nestle und Syngenta überlasse, dann habe 31 ich entscheidende Bereich von ENS aufgegeben, ganz egal wie später die regional oder lokal die 32 Versorgung ist. 33 Dieses Jahr machen wir so ein Projekt gemacht auf der Internationalen Gartenausstellung (IGA) und da 34 haben wir auch 50 Schulklassen auf dem Acker und ich war wirklich schockiert, was Berliner 35 Jugendliche alles nicht wissen. Also das die nur einen Bruchteil der Pflanzen die es dort gab überhaupt 36 benennen konnten. Und dass es welche gab, die waren erstaunt, dass Kartoffeln unter der Erde wachsen 37 und die wussten nicht was Raps ist, obwohl er gelb geblüht hat und so etwas. Und das sind auch Verlust 38 an ENS die ganz schwer in Kontor schlagen. 39 Voigt: Ich kann nur das schützen, was ich auch kenne und benennen kann!

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40 Haerlin: Was ich kenne, wozu ich ein Verhältnis habe usw. Also in diesem Sinne ist ENS und das auch 41 das, womit wir uns gerade stark beschäftigen, auch das Bewusstsein, dass mit jedem Bissen ein Ort 42 verbunden ist. Was immer ich mir auch gerade in den Mund stecke, ist irgendwo gewachsen und hat 43 einen speziellen Ort. Und diesen ganz speziellen Ort gestalte ich dadurch, dass ich den Auftrag geben 44 und es nicht anders produziere, dass ich dieses und jenes kaufe, das ist ein entscheidender Aspekt von 45 ENS, jetzt mal so aus der Sicht eines durchschnittlichen urbanen Konsumenten hier in Industrieländern 46 gesehen. 47 Voigt: Wo sehen Sie (Haerlin) gerade Missstände in der Nahrungsmittelproduktion, bezogen auf 48 Berlin/Brandenburg? Warum haben wir im Moment gerade keine ENS? Welches System haben wir 49 stattdessen? 50 Haerlin: Also hier, rund um Berlin, gibt eine letztlich – man sollte so anfangen – es gibt eine traurige 51 Tradition seit dem Mittelalter in Brandenburg. Es ist im grundgenommen eine Kolonie gewesen des 52 Deutschritterordenes und es gab in dieser Region nur wenig Tradition von freier Bauernschaft. 53 Eigentlich waren es schon immer Anwesen von Junkern, die ihre Hintersassen hatten und schlecht 54 behandelt haben. Erst waren sie Leibeigene und dann waren sie angestellt und später waren sie eben die 55 Traktoristen der LPG. Es gibt hier (Berlin/Brandenburg) ein massives Defizit an bäuerlichen Wissen 56 und bäuerlicher Kultur, die man gar nicht ein System alleine in die Schuhe schieben kann. Aber das 57 letzte System was hier rund um Berlin eben die Landwirtschaft geprägt hat, also die sozialistische 58 Landwirtschaft, hat noch stärker als die kapitalistische Variante im Westen auf „je größer, desto besser“ 59 gesetzt und hat riesige Einheiten angelegt, die ohne Rücksicht auf Ökologie- und Umwelteinflüsse in 60 der Landschaft, muss man schon sagen, rumgesaut hat. 61 Voigt: Auf Grund der Wirtschaftlichkeit? 62 Haerlin: Und das mit begrenzter Wirtschaftlichkeit im grundgenommen. Und es gibt auch eine Art von 63 Versagen der Wirtschaftlichkeit insgesamt in der ländlichen Entwicklung, die es ermöglicht, dass es hier 64 eben noch Kraniche gibt und Milane usw. Es gibt auch eine Naturschutzseite die eigentlich sehr schön 65 ist. Aber das was an landwirtschaftlicher Produktion tatsächlich da war, war tendenziell eine ziemlich 66 traurige Veranstaltung, war eine industrielle Veranstaltung und war eine in der die Verantwortung des 67 einzelnen Landwirts und auch die vielseitige Bildung des einzelnen Landwirts, wie wir sie in der 68 bäuerlichen Landwirtschaft kennen, eigentlich keine Rolle mehr gespielt hat. Sondern es war industrielle 69 Organisationen und so ist auch die Landschaft organisiert, zu einem Gutteil. 70 Jetzt sind 25 Jahre ins Land gegangen und die „wachse oder weiche Mentalität“ hat im Grunde 71 genommen neue Gipfel erreicht. Heute gibt es Holdings, rund um Berlin, die gehören gleich mehrere 72 dieser zwei- bis dreitausend Hektar-LPGs. Es gibt einen ganz starken Anteil an Biogasproduktion, 73 Maisproduktion nur für Biogas. Es gibt rund um Berlin auch eine nicht ganz unerhebliche 74 Fleischwirtschaft, also große Mastanlagen und es gibt wenige Ansätze tatsächlich eine Kultur rund um 75 die Stadt zu entwickeln, die die Städte direkt mit Frischwaren versorgt. Es gibt ein ganz deutliches 76 Defizit an Gemüseanbau, obwohl hier vieles möglich wäre. 77 Voigt: In welchen Regionen genau wäre dieser Gemüseanbau denkbar? 78 Haerlin: Überall. Rund um Berlin kann man immer Gemüse anbauen, Folientunnel usw. aufstellen. Für 79 Gemüse gibt es immer genug Kompost. Für die wenigsten Gemüsearten brauche es so große Flächen, 80 dass dort nicht entsprechende Bodenqualität hergestellt werden könnte. Und das ist traurig. Ich finde, 81 das ist auch bisher viel zu wenig in diesem Sinne von solidarischer Landwirtschaft, es von der Masse

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82 hergibt. Es gibt einzelne Leuchtturmprojekte. biologischer Unternehmen. Eines der bekanntesten ist 83 Brodowin. Es gibt verschiedene Ansätze dafür, aber in Uckermark gibt eine ganze Region von 84 Biogroßbetrieben, die sich auch etwas bemühen zu diversifizieren. Erstmal ist es in der Regel 85 Mutterkuhhaltungsveranstaltungen. Aber es gibt noch unglaublich viel zu kultivieren, zu rekultivieren 86 rund um Berlin herum. 87 Voigt: Wahrscheinlich ist es auch ein Prozess, dass man umsetzt, der in die Köpfe der Beteiligten 88 verankert werden muss. 89 Haerlin: Ja, dass man das macht, das es entsprechende Strukturen gibt und Angebote. Ich glaube hier 90 gibt ein viel größeres Potenzial an Kundinnen und Kunden die bereit wären zu investieren in ein solche 91 Versorgung, in dem Sinne von solidarischer Landwirtschaft, da gibt es viele Varianten muss jetzt nicht 92 unbedingt so sein, dass dort jetzt jeder seine Stunden ableisten muss und das die gesamte Verteilung 93 privat nach Feierabend organisiert werden muss. Das kann man ja auch professioneller organisieren. Es 94 gibt Ansätze, aber es gibt viel zu wenig. Also gemessen an dem Potential hier in Berlin, ist da wirklich 95 noch viel zu tun. 96 Voigt: Also professioneller in beispielsweise der Hinsicht, dass man den Landwirt Geld am Jahresanfang 97 zur Verfügung stellt um seinen Betrieb zu organisieren. 98 Haerlin: Sowas. Oder ich habe diesen Sommer eine Genossenschaft in Korea besucht, da sind das 2.200 99 Kleinbauern und 600.000 Genossenschaftsanteilseigner und die setzen fast eine halbe Milliarde Dollar 100 im Jahr um. Auch sowas ist denkbar. Es muss nicht alles klein sein. Es ist schön, wenn es klein ist und 101 im Kleinen funktioniert, aber es wäre durchaus auch denkbar ganze LPGs, wie sie vom Zuschnitt her 102 rund um Berlin existieren, zu übernehmen. Und es ist auch traurig, dass aus dieser einmaligen Chance 103 hatte als es seine Stadtgüter zurückbekommen hat. Es wurde am Anfang des letzten Jahrhunderts und 104 die Blütezeit war in den zwanziger Jahren nach dem ersten Weltkrieg, haben Stadtgüter Berlin-eigene 105 große Güter vor allem die Milchversorgung für Kinder organsiert. Viele große landwirtschaftliche 106 Betriebe gehörten Stadt Berlin, dem Land jetzt. Das haben die wiederbekommen und ganz wenig draus 107 gemacht, haben das einfach verscherbelt. Ignorant. 108 Voigt: Wann hat das Land Berlin die Stadtgüter verscherbelt? Jetzt erst oder zu früheren Zeitpunkten? 109 Haerlin: Jetzt erst in den 2000-Jahren. 110 Voigt: Nun haben wir die Probleme einmal benannt und Sie haben die ENS selbst erklärt. Nun ist die 111 Frage, ob eine Umsetzung in Brandenburg/Berlin mit der Idee der ENS und den Ansätzen die dahinter 112 stehen möglich ist? Welche Akteure brauch es für eine lokale und regionale Umsetzung? 113 Haerlin: Also das ist auf jeden Fall machbar. Ich denke, dass es einige gute Chancen gibt. Das es auch 114 denkbar ist, dass diese großen Einheiten als Chance zu begreifen sind und mit entsprechenden 115 Konzepten auch größerer Schritt zu gehen sind, als wenn das nur klein-klein ginge. Das ist einfach eine 116 Bedingung. 117 Voigt: Welche Konzepte meinen Sie expliziert um die von Ihnen angesprochene Größenordnung zu 118 erreichen? 119 Haerlin: Das Grundkonzept für meine Begriffe ist Direktversorgung von Kundinnen und Kunden und 120 das in den verschiedensten Konzepten, z. B. einer abonnierten Biokiste. Oder auch Distributionsort. Das 121 kann auch auf den ersten Blick aussehen wie ein Supermarkt, gehört aber eben den Kunden und man 122 kann nur einkaufen, wenn man Mitglied in einer Erzeuger-/Verbrauchergenossenschaft ist oder in

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123 welcher Form auch immer. Es ist auch denkbar, dass man Zwischenschritte geht. Das ein lokaler 124 Biosupermarkt sagt: Okay wir bauen erstmal eine intensive Kooperation mit bestimmten Betrieben im 125 Umland auf und wir organisieren das streng kapitalistisch. Aber immerhin, die Kundschaft wird 126 einbezogen in die Produktion. Darum geht es eigentlich. Da gibt es viele Wege nach Rom und es gibt 127 unterschiedliche Bedürfnisse und Möglichkeiten für die Kunden auf der einen Seite und die Produzenten 128 auf der anderen Seite. Ich würde da gar nicht sagen, es gibt nur einen Weg, aber der entscheidende Punkt 129 ist, es wird im Umland direkt produziert und möglichst direkt geliefert an die Kunden in Berlin. Das 130 wäre ein ganz wichtiger Schritt. Wo sich dann auch noch verbinden fänden, sagen wir mal mit 131 Beteiligungen an gärtnerischen Aktivitäten, wäre super. Dort wo Verarbeitung ins Spiel kommt, sollte 132 diese Verarbeitung auch Teil der gemeinsamen Organisation von Verbraucher*innen und 133 Produzenten*innen sein. Das wäre natürlich optimal. Das schafft Arbeitsplätze. Gerade in den 134 ländlichen Regionen rund um Berlin, jenseits den unmittelbaren Speckgürtel den man mit der S-Bahn 135 erreichen kann nicht so, dass dort Überbeschäftigung herrscht. Und da wäre durchaus möglich, dass wir 136 auch investieren in Manufakturen und kleinere Formen der Verarbeitung, nicht die Großindustrielle 137 Rohstoffverarbeitung, sondern Veredlung wo Menschen dahinterstehen. Man muss, glaube ich, in 138 Brandenburg bestimmt Tradition auch erst wieder erfinden. Was jetzt einen bestimmten Schinken oder 139 eine besondere Art von Käse oder auch von Gemüsechutney betrifft. Und da gibt es auch eine wilde 140 Kultur in Berlin, die schreit eigentlich danach. Es gibt natürlich eine Menge Leute die verbinden das 141 jetzt schon ein bisschen, aber da ist noch ganz viel machbar und das macht auch Spaß. 142 Ich persönlich bin jetzt selber sechzig geworden glaube, dass das auch Feld ist, was gerade 50+ 143 interessieren würde. Die also kein Bock mehr haben auf „rat race“ und hier der schnellste sein und 144 vielleicht auch ein bisschen in den fetten Jahr angespart haben was sie investieren wollen und können. 145 Also wenn man sich anschaut wieviel investiert wird in Wochenendhäuser rund um Berlin, wenn es da 146 Formen der Investitionen geben würde, die stärker eine Produktion miteinbeziehen und eine Beteiligung 147 an der landwirtschaftlichen Entwicklung in der Region in der ich da mich dann auch zurückziehe, das 148 wäre hervorragend. Das ist ja die alte Tradition hier rund um Berlin, die Junker die ihre Hintersassen 149 übelst ausgebeutet haben und dann das Geld nach Berlin getragen haben. Und es wäre ja schön, wenn 150 die neuen und etwas demokratischeren Junker*innen aus Berlin das heraustragen und dort tatsächlich 151 etwas entwickeln. Berlin hätte auch viel zu geben. An Kultur, an Arrangement, an privaten 152 Kleininvestitionen, an solchen Möglichkeiten und da gibt es für meine Begriffe zu wenig politischen 153 Willen, der ganz schlecht ausgeprägt ist. Im Senat von Berlin kenne ich eigentlich überhaupt niemanden, 154 obwohl wir rot-rot-grün haben. 155 Voigt: Aber dort gibt es doch die Ernährungsräte und diese sind sogar im Koalitionsvertrag 156 festgeschrieben. 157 Haerlin: Ich war da kürzlich und da hat mir die Staatssekretärin gesagt, wie ich dann gefragt habe: Was 158 machen sie denn hier? Ja, wenn wir Geld bekommen, dann erwägen wir eine Agentur zu beauftragen, 159 für die Ernährungsstrategie. Da ist kein echter politischer Wille zu beobachten. Auch keine Kompetenz. 160 Voigt: Auch nicht über die Ernährungsräte, die dort Kompetenz reintragen könnten? 161 Haerlin: Nee, überhaupt nicht. Es ist schön, es ist löblich und gut, dass es sich entwickelt, aber bisher 162 kann man nicht behaupten, dass mit hoher Kompetenz Alternativen entwickelt worden sind. Es gibt aber 163 leider Gottes auch nach meiner Beobachtung, ich bin da jetzt nicht total im Bild, aber es würde mich 164 wundern, wenn mir da jetzt große Dinge entgangen wären, bisher von der Brandenburger Seite und 165 Initiativen.

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166 Voigt: Da dort die Politik eher auf den globalen Maßstab blickt. 167 Haerlin: So sieht es aus. Und die haben andere Konzepte. Und dort sitzen auch traditionell, gerade in 168 der SPD, aber auch bei den Linken Leute eher aus dieser LPG-Tradition kommen. Also ehemalige LPG- 169 Betriebsleiter die dann bis zum stellvertretenden DBV-Chef (Deutscher Bauernverband) aufgestiegen 170 sind, aber diese großen Konzepte für den Weltmarkt und für die Energie stark bevorzugen und dieses 171 kleine „Biozeugs“ interessiert sie nicht wirklich. 172 Voigt: Aber Brandenburg ist doch das Bundesland mit größten Bioflächen. Und sie können auch nicht 173 verdrängen, dass dieser Biomarkt jedes Jahr wächst. 174 Haerlin: Richtig. Genau. Man muss unterscheiden zwischen Ackerfläche und Weide. Die große Fläche 175 hat viel mit den Mutterkuhhaltungsbetrieben zu tun, wo einfach Weide und dann geht es ziemlich in die 176 Fläche, einfach Bio ist. Schon wenn man auf die Getreideflächen guckt, ist es nicht mehr so überzeugend 177 und wenn sie auch die Gemüseproduktion gucken, schon gar nicht. Das hat aber auch damit zu tun, 178 insgesamt in ganz Deutschland, dass wir wenig ENS haben, was das Gemüse betrifft. Sondern die 179 Tomate kommt Almeria. Ganz vieles was hier produziert werden könnte, wird stattdessen importiert aus 180 überall von der Welt. 181 Voigt: Das liegt aber daran, dass es billiger ist die Produkte zu importieren. Heißt das, dass ENS ein zu 182 teures Konzept für unsere kapitalistische Ernährungswirtschaft ist? 183 Haerlin: Na ja, das ist immer solch ein Frage. Die eine Frage ist, wo und wie wird subventioniert, denn 184 in der gesamten Ernährungsbranche aber vor allem in der Agrarproduktion spielen staatlichen 185 Subventionen eine ziemlich entscheidende Rolle. Und wir subventionieren einfach das falsche. Und 186 damit machen wir künstliche Dinge billig die nicht gut sind und teuer die gut wären. Und das hat auch 187 mit Vorschriften zu tun. So lange ich rumsauen kann mit Pestiziden und Mineraldünger wie im Moment, 188 werden Sachen billiger die hinterher hohen Kosten für die öffentliche Hand verursachen. Aber es hat 189 auch damit zu tun, dass die unglaubliche Massenlogistik unserer Einzelhandelsgiganten natürlich 190 schwer zu toppen ist. Da steckt so viel weniger Arbeit pro Kalorien in der gesamten Verteilung, als wenn 191 ich das auf einen Wochenmarkt mache, in kleinen Organisationen mit kleinen Händlern usw. Und die 192 Skaleneffekte, die Aldi‘s, die Lidl’s haben in Bezug auf ihrer Marktmacht gegenüber den Produzenten, 193 die ist einfach unfair. Und dadurch können sie dann so billig anbieten. 194 Voigt: Und sie haben natürlich gar kein Interesse kleinen Betrieben. Sie wollen mittlere und großer 195 Betriebe, die am besten gleich Verpacken und das sehr gleichförmig in den Handel bringen. 196 Haerlin: So ist es. Bäuerliche Produktion ist für Lebensmitteleinzelhandel Sand im Getriebe. Und 197 deshalb ist auch eine Chance. Man muss eben um den Einzelhandel herum diese Sachen im 198 Wesentlichen organisieren. Und damit sie überhaupt im Geschäft bleiben und Image pflegen können, 199 haben besonders REWE und Edeka Regionalprogramme aufgelegt und das kann durchaus auch helfen, 200 diese Sache in Schwung zu bringen. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen. Eine Todfeindschaft mit 201 den Supermärkten können wir uns nicht leisten, wenn wir das ändern wollen. Wir müssen auch dort 202 gucken, wie können wir auf das Bewusstsein einwirken und wenn die schwere Werbung machen für 203 regional, dann kommt das auch an. Und irgendwann gehen die Leute dann auch zum original 204 Regionalmarkt. 205 Voigt: Wobei da haben wir das Problem was ist regional. Das kritisiert ja die Verbraucherzentale sehr 206 stark, dass mit Regionalität geworben wird, dieses mit Regionalität aber nichts mehr zu tun hat. Hier ist 207 eine Definitionshoheit ein Punkt, was diesem entgegenwirken könnte.

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208 Haerlin: Ja, kann man, aber dann verheddert man sich aber auch. Es ist, glaube ich, immer die soziale 209 Kontrolle die letztlich die besten Ergebnisse liefert, solange das geht. Aber auch die ist eben auch 210 organisierbar oder nicht-organisierbar. Tatsächlich ist der Austausch zwischen Stadt und Land, 211 Verbrauchern*Innen und Produzenten*innen ist die entscheidende Stellschraube, die entscheidende 212 Größe und wenn Kinder erstmal auf dem Feld sind und bei dem Gemüse gewesen sind, was sie dann 213 essen, dann kann man ihnen so schnell auch nicht wieder was Anderes erzählen. Wenn sie die Vielfalt 214 kennengelernt haben, wenn sie da irgendwie beteiligt waren, wenn sie wissen mein Gemüse kommt von 215 dem und dem Bauern. Das sind Durchbrüche, die sind durch kein Label zu ersetzen und ist es jetzt 100 216 und 150 km im Umkreis, was sich jetzt regional nennen darf, zu toppen. 217 Voigt: Eine letzte Frage zur Selbstversorgung in der Stadt, mittels Methoden wie Urban Gardingen, 218 Gemeinschaftsgärten, Vertical Farming, Aquaponik-Techniken usw. Sind das wirklich Methoden, die 219 wir weiter verfolgen müssen zur ENS oder sind das nur kleine „Spielerein“, da sie Stadt sowieso nie 220 selbstversorgen können? 221 Haerlin: Sie werden auf absehbare Zeit nicht den entscheidenden Beitrag zur Kalorienversorgung 222 leisten. Sie können teilweise einen interessanten Beitrag zur Versorgung mit Frischgemüse in der Saison 223 leisten. Da gibt es durchaus Möglichkeiten. Das Rückgrat dieser Versorgung sind die 70.000 224 Kleingärtner die Kleingartenkolonien und seit über 100 Jahren in Berlin wirtschaften. Und da ist immer 225 die Frage, wieviel wird denn da noch angebaut. Also die Kleingartenkolonien ist ja der Kampf der 226 Vorsitzenden. Die gehen rum und zwingen die Leute, sie müssen mind. ein Drittel anbauen auf ihrer 227 Fläche, sonst verliert die Kleingartenkolonie ihrer Status. Aber viele wollen eben einfach nur 228 Rasenmähen und Grillen. Da ist Luft nach oben. Da ist auch allerhand in Bewegung. Da ist ja auch ein 229 Generationenwechsel der sich nach und nach vollzieht. Und dort wird auch eine Menge produziert. Dort 230 wird eingemacht usw. Da gibt es auch klassische Traditionen, gerade in den Ausbezirken, in Spandau, 231 in Reinickendorf, in Köpenick. Es gibt ja auch sehr lebendige Tradition aus DDR-Zeiten, als da es 232 wichtig war einen Zugang zu einem Garten haben, um Frischeversorgung jederzeit gewährleisten zu 233 können. Das ist eine richtig wichtige Abteilung. 234 Das Vertical Farming kann ich nicht so richtig beurteilen. Was mit Sicherheit notwendig ist, dass Berlin 235 aus Klimagründen sehr viel mehr Grün in die Stadt, an die Fassaden und auf die Dächer bringt. Da geht 236 es in erster Linie gar nicht um Versorgung mit Lebensmitteln, sondern das viel mehr lebendige Organik 237 in der Stadt noch ist, wobei wir noch eine relativ grüne Stadt sind im Vergleich zu anderen Metropolen. 238 Aber das ist die Methode der Wahl, um die Stadt gegen Hitzewellen resistenter zu machen, müssen wir 239 hier versuchen in Berlin ein besseres Mikroklima zu schaffen. Und wenn wir das teilweise auch essen 240 können, ist das super. Und das hat auch den Aspekt, dass man bei der Gelegenheit darauf achtet, was 241 ich auch hier Anbau nicht verseucht ist. Das also die Luft sauber genug ist, das man auch darüber redet, 242 dass das Substrat – es geht hier nicht um klassischen Mutterboden im eigentlichen Sinne – sondern da 243 kommt irgendwas in diese „Tetra-Pack“-Gärtnerei, die Prinzessinnengärten sind voll mit Tetra-Packs. 244 Und das ist auch ein Problem. Wir haben hier Altlasten auf den Böden, die sind nicht von schlechten 245 Eltern. Für den Handel wäre das oft nicht geeignet, was die Kleingärtner anbauen und ernten. Und die 246 wollen das auch gar nicht so genau wissen und da gibt es auch erfrischende Risikobereitschaft. Es gibt 247 Untersuchungen, aber nicht alle wollen das, dass bei ihnen untersucht wird, weil die Untersuchungen 248 sagen, in aller Regel gibt es hier eine Schwermetallbelastung, die eigentlich nicht akzeptabel ist. Und da 249 muss auch wirklich aufpassen. PCB usw. 250 Voigt: Und das wandert über das Substrat auch in die Pflanze rein?

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251 Haerlin: Ja. Manche Pflanzen nehmen mehr davon auf, manche weniger. Aber so will man gar nicht 252 gärtnern. 253 Voigt: Und ist das auch bei den Kleingartenkolonien ein Problem? 254 Haerlin: Ja, natürlich. Wir haben einfach eine Menge Blei in die Luft geblasen, in den vergangenen 255 Jahrzehnten und das hat sich flächendeckend abgesetzt. Wir kriegen das noch eine ganze Zeit zurück. 256 Mittlerweile ist viel passiert. Also heute ist die Luft hier besser. Und das groteske ist auch, dass der 257 Honig in Berlin weniger belastet ist, als im Umland Brandenburg, weil der Pestizideinsatz in der Stadt 258 viel geringer geworden ist. 259 Also ich glaube, dass das wichtig ist. Rein quantitativ was wir alles verputzen, persönlich nicht dran, 260 dass es mal mehr als 5 % der Versorgung sein werden. Aber vielleicht bin ich da auch zu kleinmütig. 261 Ich bin auch kein Fan von dieser vertikalen Produktion, die auf Boden völlig verzichtet. Da gibt es ja 262 die unglaublichsten Unfug-Konzepte. Wenn ich bspw. anfange mit Tomaten und Fischen zu arbeiten 263 und dann behaupte, dass sei ein geschlossener Kreislauf, aber nicht davon spreche was ich den Fischen 264 füttere, dann ist das Rosstäuscherei. 265 Aus meiner Sicht sind die Methoden von primitiven Hilfsnaturen nicht wirklich revolutionär. Das 266 teilweise ein bisschen peinlich, teilweise ist auch im grundgenommen Fabrikproduktion mit durchaus 267 auch schädlichen Aufwand. Unsere Aufgabe ist es echt Ökotope und echte langfristige ökologische 268 Kreisläufe zu fördern und nicht primitive Abbilder davon, noch als ein Technotriumph zu feiern und 269 zum Schluss noch zu behaupten das müsse sein, weil wir immer weniger Fläche und immer mehr 270 Menschen wären. Da bin ich skeptisch. 271 Auf der anderen Seite, wenn wir mehr von der Abwärme nutzen würde, um auf den Dächern Gemüse 272 zu produzieren, dass wäre super. Energetisch wäre das super. Wie gesagt, auch klimapolitisch für die 273 Stadt wäre das hilfreich und da wäre es einiges zu holen. Wenn man mal hochrechnet, wieviel tausend 274 Hektar Dachfläche in Berlin verfügbar wären und wieviel Kilojoule an Abwärme produziert wird in 275 unseren Häusern, die genutzt werden könnten um Wärmeproduktion speziell für Glashausproduktion zu 276 ersetzen, dass hätte richtig Potenzial. Da ist Musik drin. 277 Die große Herausforderung ist, dass die Stadt im Moment ein Schwamm ist, der unglaublich Mengen 278 organischen Material aufsaugt und es wieder abgibt, in einer Form, die so in der Natur nicht nutzbar ist. 279 Auch unser Biomüll den wir hier brav sammeln, ist erstmal Sondermüll. Enthält so viel Schadstoffe, 280 dass ich ihn nicht einfach als Kompost für die Lebensmittelproduktion nutzen kann. Wir haben das 281 mitbekommen bei dem Weltacker auf der IGA. Und die IGA hat gesagt: Kein Problem, wir schütten 282 euch super Erde auf, mit 8 % Organik. Also ein vollkommen utopischer Wert. Aber die Belastung dieser 283 Organik ist eben dann auch entsprechend. Das kann man nicht essen. Das ist wurscht, wenn ich 284 Zierpflanzen drauf anbaue, aber nicht, wenn ich es essen will. Und das ist eine große Herausforderung 285 wieder Stück für Stück mehr Organik, der Pflanzenreste im Wesentlichen, die wir in der Stadt irgendwie 286 verarbeiten und wieder wegwerfen, dass wir das in Kreisläufe führen die wiederum zur Humusbildung 287 und Kohlenstoffspeicherung in der Erde, wieder nutzbar ist. Und dann auch wieder unsere Ernährung 288 beflügeln kann. Es ist ja auch ein Jammer, um all den schönen Humus den wir hier haben, aber den wir 289 nicht nutzen können. 290 Voigt: Wie wird es genau genutzt? Verbrannt? 291 Teilweise wird es verbrannt. Teilweise wird kompostiert. In Ziergartenbereich ist es kein großes 292 Problem. Teilweise wird es dann stark verdünnt wieder freigesetzt. Und teilweise kommt es auf die

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293 Deponien. Oder zu Biogas. Da könnten wir besser werden. Das dauert vielleicht eine Generation. Auch 294 dies eigene Ausscheidungen, die wir durch die Nutzung von Phosphaten besser nutzen könnten. 295 Phosphat ist ein echter Anreiz, da es weltweit knapp wird. Das könnte dann auch ökonomischer Anreiz 296 sein, die Sache wieder besser in den Kreislauf zu führen.

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9. Interview mit Michael Wimmer

1 Wimmer: Wir haben hierzulande die politische Diskussion, wer ist der Effizienteste und die Ökis könnten 2 uns ja gar nicht ernähren. Dann wird das aufgebauscht mit Flächenverbrach. Letztendlich ist es so, dass wir 3 in Deutschland haben extrem Glück, da wir auf besten klimatischen und geografischen Ressourcen sitzen 4 und wir könnten uns locker inländisch selbst ernähren, wenn die Rahmenbedingungen entsprechend wären. 5 Voigt: Ich möchte auf das Greenpeace Agrarwende Kursbuch 2050 hinweisen, in denen ein Szenario 6 beschrieben wird, wie wir bspw. ohne Pestizideinsatz Deutschland selbst versorgen können. Aber was dort 7 beschrieben wird ist, dass wir eine große Ernährungswende benötigen. Wir brauchen dafür mehr Vegetarier 8 und Veganer. 9 Wimmer: Ja, logisch. Wir haben auch schon vor Jahren darüber diskutiert und Losung herausgegeben, wenn 10 der Deutsche seinen Fleischkonsum und Konsum tierischen Ursprungs um zweidrittel senkt, könnten wir uns 11 nicht nur konventionell, sondern auch unter Bioproduktionsbedingungen komplett selbst organisieren. 12 Voigt: Um auf die lokale Erzeugung zurückzukommen, möchte ich von Ihnen gerne erfahren, wie lokale 13 Lebensmittel nach Berlin kommen? 14 Wimmer: Grundsätzlich funktioniert es im Biosegment um Länger besser, als im konventionellen Bereich, 15 da von Bio und regional von Anfang an ein Pärchen war und weil es im Biobereich regionale Strukturen seit 16 Anbeginn gab. Sprich die ganze Republik ist aufgeteilt zwischen regionalen Großhändlern, wie auch hier in 17 Berlin, wo des Großhandels und Logistikdrehscheibe nur im Umkreis von 150 km hat und natürlich versucht 18 in diesem Umkreis Strukturen aufzubauen, Stichwort Brodowin. Die liefern dann nach Berlin rein oder der 19 Großhändler es direkt holt und in den gleichen Umkreis wird dann wieder ausgefahren. 20 Während auf der anderen Seite, im konventionellen Bereich die letzten 30, 40 Jahre oder, wenn man es sich 21 in Brandenburg anguckt, die letzten 27 Jahre, hat die Strukturen eine einseitige Ausrichtung auf den 22 Weltmarkt. Und Ausrichtung auf den Weltmarkt heißt wirklich Konzentration auf Preisführerschaft. Auf den 23 Weltmarkt fragt keiner nach, wie diese Getreide produziert wurde. Es muss nur da sein und die 24 entsprechenden chemischen Eigenschaften aufweisen. Und darauf ist in Brandenburg die gesamte 25 Agrarpolitik ausgerichtet gewesen. Das es dort einen regionalen Markt gibt, haben die bis vor drei Jahren 26 noch gar nicht gesehen. Da hat es auch nie irgendwelche Förderinstrumente gegeben, in Punkto das dieser 27 nachgelagerte Bereich irgendwie gefördert wird. Anfang 2017 gibt es jetzt erst wieder eine 28 Marktstrukturverbesserung135, die Landwirten ein Zuschuss gewährt, wenn sie in der weiteren Verarbeitung, 29 Veredlung und Verfügbarmachung ihrer Rohstoffproduktion für den regionalen oder sonstigen Markt 30 irgendwas investieren. Wenn bspw. ein Kartoffellieferant eine Abpackstrecke baut, bekommt er seit 31 eineinhalb Jahren eine Förderung. Vorher war das nichts. 32 Voigt: Das wurde dann auch von der Politik verschlafen. 33 Wimmer: Ja total. Und jetzt man total erschrocken, dass dieser Regionalboom an allen vorbeigeht. Langsam 34 registriert man, dass man sich diversifizierter aufstellen sollte. 35 Voigt: Aber können die Landwirte das so einfach umstellen. Die sind 27 Jahre einen Weg gefahren und jetzt 36 sollen sie wieder regionaler und lokaler wirtschaften. Funktioniert das? Und auch erstmal diese Denkweise 37 des wirtschaftlichen eingepflanzt bekommen hat. Wird Regionalität gefordert, von den Landwirten vor Ort? 38 Wimmer: Es gibt Produktionsarten, bspw. ein Schweinemäster, da hat der Mäster es null in der Hand 39 irgendwie eine Regionalmarke aufzubauen und damit am Berliner Markt irgendwie erfolgreich zu sein. Das 40 müsste schon ein sehr ausgebuffter Fleischer sein, nicht nur die Edelteile vermarkten kann, sondern auch den

135 „Förderung umweltgerechter landwirtschaftlicher Produktionsverfahren und zur Erhaltung der Kulturlandschaft der Länder Brandenburg und Berlin“ (KULAP) Seite | 190 Anhang

41 gesamten Abschnitt - normalerweise gehen 40 % von ner Sau in die Wurscht - und wenn Du das nicht kannst, 42 hast du schon verloren. Und dieser Markt ist schon total versaut. 43 Der Fleischerverband sagt, dass 60 % an Schweinefleisch die Schlachthöfe verlässt, in Richtung 44 Einzelhandel, von vornherein für den Bereich Sonderangebot gedacht ist. D. h., da wird derartig mit 45 Zehntelcent pro Kilogramm gerungen und am Ende entscheidet der, der am Ende zwei Cent günstiger ist. 46 Oder jmd. Der nur Getreide macht, also ein großer Betrieb der 2.000, 3.000 ha hat, der hat nicht von heute 47 auf morgen die Chance irgendwie an dem Thema was zu drehen. Wenn eine regionale Mühle sagt: „Du, 48 wollen wir nicht gemeinsam eine regionale Marke aufbauen, dann lass uns zusammensetzen, wie Du deine 49 Produktion irgendwie veränderst, im Sinne nachhaltiger gestaltest, damit ich diese Prozessqualität in meiner 50 Produktion verkaufen kann“. Das gibt es nicht. Wir haben die Leute nicht. Aber auch, weil es an dieser Stelle 51 in den letzten Jahren null Förderung gegeben hat. Es war einfach nicht Politik. Wirtschaftsförderung, 52 Investitionsförderung, das war an der Stelle einfach nicht. 53 In anderen Regionen gibt es so mittelständische Player, die dann versuchen aus der Region entsprechende 54 Erzeugerbetriebe an sich zu binden und da dann im Sinne von Markenaufbau und Markenqualität versuchen 55 Zeichen zu setzen, die sich dann auch deutlich von Weltmarkt absetzt. Da ist Brandenburg dunkel, dunkel, 56 schwarz. 57 Und Ökodörfer wie Brodowin sind da so kleine Lichtblicke? 58 Wimmer: Ja, Nische, Nische, Nische. 59 Voigt: Kann man das mit Zahlen belegen? Und auch belegen, wie die Lebensmittel nach Berlin kommen? 60 Wimmer: Als was produziert wird bei Getreide, was in die Richtung Schweine/Rinder geht – Schwein und 61 Rind wird ja in Größenordnungen außerhalb von Brandenburg geschlachtet und geh zu Verarbeitungsstätten 62 wie Edeka in Co. Betrieben werden und kommt als Lebensmittel wieder zurück – aber im Getreidebereich 63 haben wir nicht eine nennenswerte Mühle. Auch im Biobereich geht 90 % was wir hier produzieren in den 64 Westen, wird verarbeitet und kommt als fertiges Müsli oder anderen Produkten auf den Berlin Markt zurück. 65 Voigt: Demnach haben wir keine regionalen Strukturen! 66 Wimmer: Nein. Natürlich gibt es Ausnahmen und kleine Lichtblicke. Aber global draufgeschaut, sind 67 ausgerichtet regionale Verarbeitungsstätten ganz ganz mau. Das beste Beispiel ist das Thema Molkerei. 68 Wenn Du als Berliner eine regionale Milch willst, dann kommst fast an Bio nicht vorbei. Die gläserne 69 Molkerei sind wenige Beispiele, wo mittelständige Unternehmen am Markt präsent sind und von unten her 70 aufwächst, das sind Mönchehofe, Browetal, Brodowin, drei Biobetriebe, während die konventionelle 71 Konzentration eine Abwanderung dieser Betriebe bewirkt. 72 Voigt: Was müsste sich demnach ändern, um solche Strukturen wieder zurückzuholen? Um wieder zu einer 73 regionalen und lokalen Versorgung zu gestalten? 74 Wimmer: Es sind drei Sachen. 1) Natürlich schadet es nicht, wenn in Berlin die Diskussion weitergeführt 75 wird zu Ernährungsräten, Ernährungsstrategien usw. Was hat ein Verbraucherpool wie Berlin für Ansprüche 76 um das auch in den politischen Raum hineinzutragen. Und dann da auch politisch das eine oder andere zu 77 bewegen. Wie das dann politisch umgesetzt durch Rahmenkriterien oder politisch auf die Brandenburger 78 zugehen, sei dahingestellt. 2) In der gesamten Region Berlin/Brandenburg bräuchte man eine Qualität oder 79 eine Gründungsoffensive, die versucht die Rahmenbedingungen für die Ansiedlung und für die Umstellung 80 von entsprechenden Betrieben, gerade bei den Stätten der Weiterverarbeitung, einfach zu fördern und zwar 81 informell, durch Softskills, als auch durch entsprechende Förderprogramme. 3) 82 Voigt: Eine Zwischenfrage: Haben wir dann noch genug Rohstoffe für die Lebensmittelproduktion? Seite | 191 Anhang

83 Wimmer: Natürlich. Das ist kein Problem. Gerade ist ja unser Problem eher, dass wir von allem zu viel haben, 84 außer im Bereich des Biosegments. Zu viel Fleisch, darum gibt es ja diese Sonderangebote, zu viel Milch, 85 darum die Milchpreiskrise. Wir haben ein Überflussproblem. Die 15 % Bioenergie sind da nur eine 86 agrarpolitische Marktentlastung. Und 40 % Prozent des Ackerbaus wird mit Mais angebaut, der zugeben die 87 höchste Ertragskraft hat, aber nur in die Futtertröge wandert, nicht für die menschliche Ernährung. Man 88 könnte auf den Flächen auch Kartoffeln oder Gemüse anbauen. 89 Wir haben hier in der Region im Umkreis von 100 km genug geeignete Standorte um in Größenordnungen 90 Kartoffeln und Gemüse anzubauen. Haben wir nicht, da das alles nach der Wende weggebrochen ist, aber 91 die Standorte sind. 92 D.h. man bräuchte bei den Betrieben der Verarbeitung und Erzeugung letztendlich eine 93 Regionalitätsoffensive oder eine Diversifizierungsoffensive die den ein oder anderen Landwirt der nur 94 Getreide oder Nutztiere bewirtschaftet, den davon zu überzeugen, dass es vielleicht sinnvoll wäre, jetzt zu 95 diversifizieren und auf 20 ha Möhren anzubauen. Haben wir nicht, da wir sie importieren. Das sind die 96 Stellschrauben. 97 Im Kern ist es eine Aufgabe des Brandenburger Landwirtschaftsministeriums. Es gibt einen 98 Instrumentenkasten an Förderprogrammen. Man könnte grundsätzlich von der 1. Säule die Förderung der 99 Agrarszene über die Gießkanne umzustellen in Richtung Finanzierung und Honorierung für gezielte 100 gesellschaftliche Leistungen, da würde das Thema regionale Versorgung auch dazugehören, das gibt es alles. 101 In Brandenburg ist es so, dass sich das Ministerium dagegen sperrt indem sie sagen, a) wir haben keine Ideen 102 was wir mit dem Geld machen könnten und b) wenn wir die Ideen hätten, wir hätten nicht das Personal um 103 diese zusätzlichen aufwendigeren Programme – mit der Gießkanne über das Land zu gehen und jeden Jahr 104 400 Mio. Euro in Brandenburg nur zu verteilen – ist die Stärkung der 2. Säule. Auf der einen Seite sind es 105 die Softskills, die kein Geld kosten, da geht es um Beratung und politische Unterstützung, dass der Minister 106 sagt: „Wir wollen und jeder sich auf den Weg macht verspreche ich, Euch wird geholfen“. Gibt es nicht. Und 107 das andere sind dann einfach die Instrumentarien, die man einfach dazulegen muss. Man muss halt mal 2, 3, 108 4 Mio. Euro ausgeben, um so etwas wie ein Wertschöpfungskompetenzzentrum in die Welt zu setzen, wo 109 Leute sich hinwenden können und ihnen dann geholfen wird. Es gibt alle Instrumente, aber man muss sie 110 bündeln, eine Strategie haben und die dann verfolgen und untersetzen. Da spielt die Musik. 111 In Brandenburg ist bei diesen Thema 25 Jahre gnadenlos gepennt wurden. Die hatten ein Abteilungsleiter 112 Landwirtschaft, der war ein Kind der großen LPG-Struktur. Der war beseelt davon, dass Brandenburg die 113 großen Betriebe hat. Die haben Skaleneffekte, davon träumen die kleinen bayrischen Bauern. Dabei wurde 114 auf den Weltmarkt richtig Gas gegeben. Dabei war ihm auch ein Anliegen, die soziökonomische Strukturen 115 der Großbetriebe in die Zukunft zu retten. Es war strukturell das Einzige, was von der DDR übriggeblieben 116 ist. Alles andere wurde abgewickelt. In Bereich Landwirtschaft ist ihm das gelungen. Aber mit negativen 117 Kollateralschaden das Betriebe unter 1.000 ha nicht stattgefunden haben. Sowas wie Öko war eine Mode, 118 eine urbane Spinnerei die vorbeigeht. Erst nachdem dieser Verantwortliche seit 3 Jahren in Rente ist, merkt 119 man das im Ministerium das ein oder andere aufbricht, dass die Reflektion einsetzt, aber das sind Prozesse 120 die dauern. Wir sitzen auf dem Erbe, dieser extrem einseitigen Ausrichtung von dieser ständigen 121 Wiederholung dieses wachse oder weiche Dogmas. Wachse oder weiche heißt auch Preisführerschaft, heißt 122 Ausblendung von Prozessqualität. 123 Voigt: Und auch Produktqualität? 124 Wimmer: Da gibt es in Deutschland eine ausreichende Zertifizierungskultur. Die reine Produktqualität ist 125 nicht das Problem. Dem deutschen ist über Jahrzehnte eingetrichtert worden, dass er sich um die Qualität

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126 keine Sorgen machen muss. Und wenn das Qualitätsthema abgehackt wurden ist, kannst Du noch auf den 127 Preis gucken. 128 Und dann wundern wir uns, dass 82 % im Bereich Tierwohl sagen: „Würden wir uns mehr wünschen.“ 129 Zweidrittel sagen sogar, sie wären bereit mehr Geld auszugeben. Wenn Du aber genau hinguckst, ist es 1 % 130 was bio oder Tierschutzlabel etc., danach seinen Konsum ausrichtet, weil die sonstigen Kaufbarrieren zu 131 heftig sind, von zu teuer, Relevanzeindruck („Was soll ich mit meinen kleinen Konsümchen an der großen 132 Massentierhaltungsproblematik drehen“) und und und. Aber vor allem, dass Glaubwürdigkeitsproblem. Nach 133 dem Motto: „Die verarschen mich doch ohnehin in Größenordnungen“. Guck dir doch die Tierwohlinitiative 134 an. Und der Verbrauch denkt: „Für den Preis Tierwohl, das ist doch klasse“. 135 Voigt: Meine abschließende Frage: Ich beschäftige mich auch Berlin und schau zivilgesellschaftliche 136 Prozesse an, wie Urban Gardening, Vertical Farming, was schon wieder in eine sehr wirtschaftliche 137 Richtung geht, oder Aquaponikfarmen wie in Schöneberg. Was halten Sie davon? Kann man das noch weiter 138 ausbauen? Berlin wird sich nie selbstversorgen können, aber steckt dort ein Potenzial aus ihrer Sicht? Was 139 sich durch die Förderung lohnt und wo man noch viel Kraft reinstecken sollte? Bspw. beliefert die 140 Aquaponikfarm den LHE REWE mit Basilikum, für mich ein lokales Versorgungskonzept. 141 Wimmer: Natürlich hat das Potenzial. Was man anmerken muss, dass REWE den derzeitigen Basilikum- 142 Bio-Lieferanten rausgeschmissen hat, da sie festgestellt haben, dass dieses Berliner-Lokal-Ding genauso gut 143 verkauft und sie verkaufen es tatsächlich teurer, als sie es bisher bei bio getan haben. Da gibt es auch 144 innerhalb der Biobranche ein paar Fragezeichen die bisher noch nicht geklärt sind. Stichwort ob die Art des 145 Substrates, die dort eingesetzt werden darf, weil das Basilikum eine Art ist, die wächst in einer Woche ran 146 und wird anschließend abgeschnitten und das Ding (Plastiktöpfe) wird wieder weggeworfen. Da wäre 147 eigentlich in Kombination der Aquaponik, wo die Nährstoffe für Pflanzen in wesentlichen über die 148 Exkremente von Fischen kommen, macht es natürlich keinen Sinn, dass Du darauf bestehst erdwüchsige 149 Kulturen hast. Man könnte auch mit irgendwelchen Kokos-, Hanf- oder anderen Phasern arbeiten und lässt 150 denen einfach dieses Wässerchen einsaugen und das Basilikum wächst und anschließend kann man dieses 151 ordentlich in die Biotonne entsorgen und man verschwendet damit kein guter Oberboden oder gar Torf. Ich 152 glaube, es sind 40 % Torfeinsatz. Im Sinne der Nachhaltigkeit muss dieses innerhalb der Biobranche geführt 153 werden. Leider sind die zu ideologisch, nach dem Motto: „Es geht um die Natürlichkeit.“ Ja, Hanfphasern 154 hat es in der Natur einfach nicht gegeben. 155 Natürlich muss auf der urbanen Produktivität noch viel genauer hingeguckt werden. Wobei ich unterscheide 156 zwischen dieser ganzen Urban Gardening-Bewegung. Das ist für mich vor allem ein sozioökonomisches und 157 soziales Phänomen und gleichzeitig Ausdruck dessen, dass die Entfremdung zu der Art und Weise wie 158 Gemüse produziert wird an der Stelle auch zurückpendelt und quasi das als Sehnsüchte auslöst, die man 159 irgendwie befriedigt. Man kann es auch marktwirtschaftlich argumentieren: „Das was knapp ist, ist wertvoll.“ 160 Einer der Gründe, warum bio in der Stadt so gut läuft, weil bio, also Umwelt in der Stadt ein knappes Gut ist 161 und dann kauft man sich auf der Stelle ein. Auf Land hat man Natur im Überfluss und eine andere Brille 162 darauf. Bis hin zu Innenstadtklima, Architektur. Das sind verschiedene Sachen und da wird noch viel 163 passieren. Dachbegrünung etc. Das kann man alle nur begrüßen. Aber in Puncto der klassischen der 164 Lebensmittelversorgung wird es eine absolut nachrangige Rolle spielen und auch alle Versuche, dass man 165 versucht Urban Gardening-Produkte professionell zu vermarkten, sehe ich kein Erfolg. Die drei Erdbeeren 166 die derjenige hegt und pflegt, will sie selber essen. 167 Während bei Sachen wie Aquaponik wird es schon wieder spannender und was das ober spannende Thema 168 ist: „Wie schaffe wir es, irgendwann diesen Nährstoffkreislauf zu schließen.“ Wir haben auch im Biobereich

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169 relativ große Betriebe, oder Betriebe die nur Getreide produzieren. Es kommt über 3, 4, 5 Strecken in die 170 Müslischüssel des Berliners und geht ins Klo. Und dann hast Du da die ganzen guten Nährstoffe. 171 Voigt: Wobei die Berliner die Wasserbetriebe schon Projekte starten, um das Phosphat zurückzugewinnen. 172 Wimmer: Ja eben. Da muss noch viel mehr passieren und muss gelingen gerade diejenigen Nährstoffe, die 173 im globalen Maßstab richtig endlich sind und Phosphor gehört da absolut dazu, die wieder in Kreislauf 174 zurückzuführen. Stickstoff kann man hier sauber ausfällen bzw. wieder mineralisieren, also wieder zu 175 natürlichen Stickstoff als Gasmedium zurückführen. An anderer Stelle, dort wo es benötigt wird über 176 Leguminosen etc. wieder binden, aber bei Phosphor. Das eine der absoluten Nachhaltigkeitsfragen, ob es uns 177 gelingt diese Frage zu lösen, weil sonst leben wir in einer Produktionsblase, weil wir so tun als sei Phosphor 178 nicht endlich. Irgendwann geht uns das Zeug aus und dann stößt diese Denke der permanenten 179 Ertragsmaximierung an ihre Grenzen. 180 Ich sehe die Lokalproduktion durchaus als von der rein sachlichen Ebene auch als Möglichkeit die urbane 181 Bevölkerung über einen erlebbaren Ansatz Gartenbau, Forstwirtschaft etc. heranzuführen und in Puncto 182 Qualität und Prozessqualität von Lebensmitteln zu sensibilisieren und auch die diese Wertschätzung wieder 183 steigt. 184 Lebensmittelverschwendung ist wieder ein ganz eigenes Thema. Ich persönlich bin da auch eher 185 desillusioniert. Ich sehe die Probleme woanders. Nämlich die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel 186 produzieren. In dem heutigen Produktionsstil, der nicht nachhaltig ist. Und deswegen, weil die ganzen 187 negativen Kollateraleffekte oder die sogenannten negativen externen Effekte einfach nicht eingepreist sind 188 und das führt dazu, dass die Lebensmittel einfach so billig sind wie sie sind. Und billig heißt einfach auch 189 keine Wertschätzung. Wertschöpfung, mir tut keiner Leid der sich da selbst ausbeutet, weil die verdienen 190 alle noch ihr Geld, aber letztendlich ist das Signal in Richtung Endverbraucher mit dieser extrem 191 arbeitsteiligen Organisation, dass das Zeug zu billig ist. Und so macht sich eine Otto-Normal-Hausfrau nicht 192 mehr in Kühlschrank guckt, bevor sie zum Einkaufen geht. Alle 14 Tage wird der Kühlschrank von hinten 193 nach vorne ausgeräumt und da wird alles weggeschmissen. Es ist Hürde, es tut nicht weh. Insofern würde 194 alle Energie aufwenden an der Stelle anzusetzen, dass wir diese negativen externen Effekte internalisieren 195 und das die Lebensmittel einen ehrlichen Preis bekommen und wenn es dann noch weggeworfen wird dann 196 okay. Aber in der jetzigen Phase wird so getan irgendeinen Afrikaner eine Scheibe Brot zuzuspielen. Das ist 197 nicht. Wir haben von allem zu viel. Und wenn wir die eine andere Tonnage rettet, haben wir noch mehr.

Seite | 194 Eidesstaatliche Erklärung Eidesstattliche Erklärung

Hiermit erkläre ich, Herr Norman Voigt, geboren am 19.04.1986 in Gera, diese Abschlussarbeit selbstständig verfasst und unter Verwendung der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt zu haben. Diese Arbeit wurde in keinem anderen Prüfungsverfahren eingereicht.

Greifswald, den 12. April 2018

Norman Voigt