Nr. 27A Besprechungsunterlage Des Landesvorsitzenden Für Die Sitzung
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216 Nr. 27a Nr. 27a Besprechungsunterlage des Landesvorsitzenden für die Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstands der Christlich-Sozialen Union am 5. Dezember 1949 in München ACSP, LGF-LV1 [Politische Lage'.] Wichtige außenpolitische und innenpolitische Ereignisse haben sich seit der letz- ten Sitzung des geschäftsführenden Vorstands unserer Partei am 3. Oktober 1949 abgespielt2. Zu unserem Bedauern hat sich seither durch die Gründung des Ost- staates die Kluft zwischen den beiden Zonen stetig erweitert3. Die immer deut- licher werdende einseitige Vorherrschaft der SED in der Ostzone erschwert eine an sich wünschenswerte Abstimmung der beiderseitigen Zoneninteressen in stei- gendem Maße. Die Bestrebungen des Noack4-Kreises sind nicht geeignet, den Ge- gensatz zu überbrücken, da sie die Erfahrungen aus der Entwicklung in der Tsche- choslowakei und den übrigen Staaten des Ostblockes außer acht lassen5. Die Ver- schiebung der Wahlen läßt befürchten, daß bis zum festgesetzten Zeitpunkt im nächsten Jahr die Ost-CDU bis zu der gewünschten Bedeutungslosigkeit zer- schlagen sein wird6. Es bleibt also nur übrig, den Güteraustausch auf möglichst breiter Grundlage zu begünstigen und dadurch die Bevölkerung der Ostzone in- direkt zu unterstützen, ohne die sogenannte Ostregierung formal oder de facto anzuerkennen. ' Die Ausarbeitung trägt das Datum vom 3.12. 1949 und wurde von Heinz Heggenreiner gezeich- net. Ein längerer Bericht über diese Sitzung findet sich unter dem Titel „Mitbestimmungsrecht und Einheit Deutschlands" in: CS-Union vom 10. 12. 1949. 2 Vgl. Nr. 25. 3 Am 7. 10. 1949 hatte sich in der SBZ die Deutsche Demokratische Republik konstituiert. Der Deut- sche Volksrat hatte sich zur provisorischen Volkskammer erklärt und eine Verfassung angenom- men. Der in den folgenden Tagen gebildeten Regierung der DDR gehörten zwar auch Mitglieder der CDU (Otto Nuschke) und der LDPD (Hermann Kastner) an, die wichtigsten Ressorts wurden jedoch mit SED-Funktionären besetzt. Vgl. Weber, DDR, S. 28-32. 4 Dr. Ulrich Noack (1899-1974), ev., Studium der Geschichte in Berlin, München und Göttingen, 1925 Promotion, 1929 Habilitation, nach 1933 als Mitglied der Bekennenden Kirche trotz mehrerer Rufe aus politischen Gründen nicht zum Professor ernannt, 1938-1945 Dozent in Greifswald, nach dem 20. 7. 1944 vorübergehend verhaftet, 1945 Mitbegründer der CDU in Greifswald, 1946 Refe- rent des hessischen Ministerpräsidenten Geiler, seit 1946 CSU-Mitglied, 1947-1964 Professor für Neuere politische Geschichte und Geistesgeschichte in Würzburg, 1948 Mitbegründer des Nauhei- mer Kreises, 1951 aus der CSU ausgeschlossen, 1956-1960 FDP-Mitglied. 5 Der Nauheimer Kreis, der maßgeblich von den Ideen Noacks inspiriert war und unter seiner Lei- tung stand, trat publizistisch für die Neutralisierung Deutschlands und den Ausgleich mit der So- wjetunion ein, die Noack als Vorbedingung für die Wiederherstellung eines gesamtdeutschen Staa- tes begriff. Vgl. Heinrich Euler, Ulrich Noack - Ein Leben aus freier Mitte, in: Leben aus freier Mitte, S. VII-XXXII, hier S. XXIII-XXX. Friedrich Wilhelm von Prittwitz-Gaffron und Franz Josef Strauß hatten sich bereits am 29.10.1949 in der CSU-Correspondenz von Noacks Thesen zur Neutralisierung Deutschlands distanziert. 6 Die ersten Volkskammerwahlen wurden allen Protesten von CDU und LDPD zum Trotz erst im Oktober 1950 abgehalten und erfolgen auf der Basis von Einheitslisten einer Nationalen Front der Parteien und Massenorganisationen. Vgl. Weber, DDR, S. 31 f. 5. Dezember 1949 217 Das vom Bundeskanzler Dr. Adenauer in völliger Übereinstimmung mit der parlamentarischen Mehrheit vereinbarte Abkommen mit den Hochkommissaren7 der Westmächte stellt einen ersten außenpolitischen Erfolg nicht nur unserer Par- tei, sondern der Bundesrepublik dar. Die heftige Opposition der SPD gegen dieses Abkommen bedient sich der Argumente und Ausdrücke, die bereits in der Wei- marer Republik gegen die erfolgreiche Außenpolitik Stresemanns8 vorgebracht wurden. Es ist erstaunlich, daß die SPD trotz ihrer traurigen Erfahrungen aus die- ser Zeit sich nicht scheut, nun ihrerseits gegen eine Mehrheit der Mittelparteien die gleiche Rolle des Ultranationalismus zu spielen. Da sie jedoch außer ihrer Ent- täuschung bei den eigenen Annäherungsversuchen an die englische Labour Party auch das Scheitern ihrer Sozialisierungspläne im Ruhrgebiet infolge der letzten Entwicklung befürchten muß9, müssen wir wohl trotz der raschen Beilegung des persönlichen Konflikts Adenauer-Schumacher mit erbitterten Auseinanderset- zungen mit der SPD in nächster Zeit rechnen, die mehr und mehr auf das Gebiet der Innenpolitik übergreifen werden. Auf diesem Gebiet sind sie infolge der Entscheidung des Verfassungsgerichts- hofes in der Wahlgesetzfrage auch mit der Bayernpartei zu erwarten10. Der Stand- punkt der Christlich-Sozialen Union bleibt in dieser Frage unverändert: „Es liegt im Interesse der Stetigkeit der politischen Entwicklung, die Legislaturperiode des jetzigen Landtages voll auslaufen zu lassen."11 7 Das Petersberger Abkommen vom 22. 11. 1949 zwischen der Bundesrepublik und den drei west- lichen Besatzungsmächten beendete die Demontage von Industrieanlagen und sah die Wiederauf- nahme von Handels- und Konsularbeziehungen sowie den Beitritt der Bundesrepublik zur Inter- nationalen Ruhrbehörde vor. Während die Bundesregierung in diesem Abkommen einen wichti- gen Schritt zur internationalen Gleichberechtigung sah, interpretierte es die Opposition als einen Sieg der französischen Hegemonialpolitik und warf Adenauer vor, das Parlament im Stile eines au- toritären Monarchen umgangen zu haben. Kurt Schumacher verstieg sich im Bundestag sogar zu dem Vorwurf, Adenauer sei ein „Kanzler der Alliierten". Vgl. Schwarz, Ära Adenauer 1949-1957, S. 67 ff. 8 Dr. Gustav Stresemann (1878-1929), Politiker, seit 1907 MdR (zunächst Nationalliberale Partei), 1918 Gründer der DVP, 1923 Reichskanzler, 1923-1929 Reichsaußenminister, 1926 Verleihung des Friedensnobelpreises für seine Politik des Ausgleichs mit Frankreich und den Westmächten. 9 Vgl. dazu Klotzbach, Staatspartei, S. 133-154. 10 Diese Aussage dürfte sich auf die Anfechtung des am 26. 1. 1949 vom bayerischen Landtag verab- schiedeten Landeswahlgesetzes durch die Fraktionen von SPD und FDP vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof beziehen, wobei insbesondere drei Punkte moniert wurden: die Abwei- chung vom Grundsatz des Verhältniswahlrechts, die Bildung von Stimmkreisverbänden und die vorgeschriebene Mindestbeteiligung bei Volksentscheiden. Am 2. 12. 1949 verwarf der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Klage gegen das sogenannte verbesserte Verhältniswahlrecht, gab den Beschwerdeführern jedoch hinsichtlich der Bestimmungen über das Volksbegehren recht. Vgl. Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes betreffend die Meinungsverschiedenhei- ten zwischen der Minderheit und der Mehrheit des Bayerischen Landtags über die Verfassungsmä- ßigkeit des Bayerischen Landeswahlgesetzes vom 29. 3. 1949, in: BGVB1. 1950, S. 1-16, und Karl- Ulrich Gelberg, Einleitung zu: Kabinett Ehard II - 1947/48, S. CVIIIf., sowie Karl-Ulrich Gel- berg, Einleitung zu: Kabinett Ehard II - 1949, S. LXXXIX. 11 Wilhelm Hoegner hatte nach der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 2. 12. 1949 die Auflösung des Landtags gefordert und für Januar 1950 einen entsprechenden An- trag im Landtagsplenum angekündigt. Aber wie schon nach der Niederlage der CSU bei der Bun- destagswahl, als aus den Reihen der Opposition wiederholt Stimmen laut geworden waren, die auf eine Neuwahl des bayerischen Landtags drängten, da die absolute Mehrheit der Union offensicht- lich nicht mehr dem Wählerwillen entspreche, erwies sich die CSU als geschlossen genug, um die- sen Forderungen eine Absage zu erteilen. Vgl. CSU-Correspondenz vom 10.12. 1949: „Um das Landeswahlgesetz", und Schlemmer, Aufbruch, S. 364. 218 Nr. 27a Zu unserer Entscheidung in der Frage der Bundeshauptstadt ist festzustellen, daß sie aus drei wichtigen Gründen für Bonn erfolgt ist12: 1. Aus praktischen Er- wägungen finanzieller Natur, die wir nicht näher zu erörtern brauchen, 2. aus Gründen der tatsächlich vorteilhafteren Unterbringung, 3. aus der Unmöglich- keit, der sozialdemokratischen Kampfparole für Frankfurt gegen die CDU zu fol- gen, obwohl uns Frankfurt aus geographischen und Traditionsgründen an sich willkommener gewesen wäre. Reorganisation der Partei: Es ist erfreulich festzustellen, daß die innere Festigung der Partei und ihre Aktivi- tät seit den Bundestagswahlen fortschreitet. Das Bestreben der Landesleitung, durch Betonung der mittleren Linie die Spannung zwischen den Flügeln zu ver- mindern, war erfolgreich und hat seinen erfreulichsten Ausdruck in der Tatsache gefunden, daß die so lange üblichen Auseinandersetzungen über interne Parteian- gelegenheiten in der Öffentlichkeit aufgehört haben. Im gleichen Maß steigt das Vertrauen zur Partei. Um diese Entwicklung im Sinne der Zusammenfassung aller Kräfte zu fördern, hat sich die Landesleitung entschlossen, anstelle einer soforti- gen und überstürzten Änderung der Statuten die Basis des geschäftsführenden Vorstandes entsprechend den zu behandelnden Problemen von Fall zu Fall durch Beiziehung prominenter Persönlichkeiten zu verbreitern. Wir begrüßen bei der heutigen Sitzung als Gäste: Generalsekretär Strauß, Staatssekretär Sedlmayr, Lan- desschatzmeister Schachtner, Direktor Elsen (Generalsekretär des Wirtschaftsbei- rates), Dr. von Prittwitz und Gaffron (Leiter des zwischenstaatlichen Ausschus- ses), Hugo Karpf (Gewerkschaftssekretär),