Deutscher Drucksache 7/ 3246 7. Wahlperiode 19.02.75

Sachgebiet 12

Bericht und Antrag des 2. Untersuchungsausschusses

zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

— Drucksache 7/2193 —

A. Bericht der Abgeordneten Dr. Hirsch und Gerster (Mainz)

Seite

Erstes Kapitel

Einsetzung des Ausschusses und Gang des Verfahrens

A. Einsetzung des Ausschusses und dessen Auftrag 5

I. Einsetzungsbeschluß 5

II. Verfahrensregeln 5

III. Mitglieder des Untersuchungsausschusses 6

B. Vorgeschichte und Parallelverfahren 6

I. Vorgeschichte 6

II. Parallelverfahren 6

C. Ablauf des Untersuchungsverfahrens 7

I. Konstituierung, Berichterstatterbenennung 7

II. Beweisaufnahme 7 Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Zweites Kapitel Ergebnis der Untersuchung

Seite 1. Abschnitt: Begründung zur allgemeinen Einstellungs- und Umsetzungs- praxis im Bundeskanzleramt und im Bundesministerium des Innern sowie in deren Geschäftsbereichen unter dem Gesichts- punkt der Sicherheitsüberprüfung und der fachlichen Qualifi- kation (Eins. Beschl. Nr. 1, 2 / 3. Bew. Beschl. Nr. 6 bis 8, 1 bis 4) Einstimmige Auffassung der Mitglieder des Ausschusses

A. Sicherheitsüberprüfung 8 (Eins. Beschl. Nr. 1 a, 2)

B. Fachliche Qualifikationserfordernisse 14 (Eins. Beschl. Nr. 1 b, 2)

2. Abschnitt: Begründung zu den Untersuchungsgegenständen „Guillaume" und „Aktenvernichtung im BND" (Auffassung der Mehrheit)

— Abg. Dr. Hirsch, FDP —

A. Vorbemerkung zur Vollständigkeit der Aktenvorlage 18

B. Der Untersuchungsgegenstand „Guillaume" 19

I. Die Einstellung Guillaumes in das Bundeskanzleramt unter dem Gesichtspunkt der fachlichen Qualifikation (Eins. Beschl. Nr. 1 b, 2/ 3. Bew. Beschl. Nr. 5) 19 1. Der berufliche Werdegang Guillaumes bis zu seiner Einstel- lung in das Bundeskanzleramt 19 2. Der Einstellungsvorgang im Bundeskanzleramt 19

II. Die Sicherheitsüberprüfung bei der Einstellung Guillaumes im Bundeskanzleramt (Eins. Beschl. Nrn. 1 a, 3 bis 6 / 3. Bew. Beschluß Nr. 9 bis 14, 20, 29, 35, 36) 21 1. Die Maßnahmen des Bundeskanzleramts 21 2. Die Maßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz 27

III. Die Entscheidung über die Einstellung Guillaumes im Bundeskanz- leramt (Eins. Beschl. Nr. 3 / 3. Bew. Beschl. Nr. 37 bis 40) 33

IV. Die Berufung Guillaumes als Referent in das Büro des Bundes- kanzlers (Eins. Beschl. Nr. 7 / 3. Bew. Beschl. Nr. 15) 34

V. Die Entstehung des Verdachtsfalles Guillaume (Eins. Beschl. Nr. 8 / 3. Bew. Beschl. Nr. 21 bis 24) 35

VI. Die Unterrichtung von Mitgliedern der Bundesregierung und Frak- tionen des Deutschen Bundestages über die Verdachtsmomente gegen Guillaume (Eins. Beschl. Nr. 8 / 3. Bew. Beschl. Nr. 16, 19, 30 bis 32) 37 1. Die Unterrichtung des Bundesinnenministers 37 2. Die Unterrichtung des Bundeskanzlers 39 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Seite 3. Die Unterrichtung des Chefs des Bundeskanzleramtes 41

4. Die Unterrichtung des Fraktionsvorsitzenden der SPD 41

VII. Die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung Guillaumes im Bundeskanzleramt (Eins. Beschl. Nr. 8 / 3. Bew. Beschl. Nr. 25 bis 28) 41

VIII. Die Frage der Sicherheitsvorkehrungen (Eins. Beschl. Nr. 11 / 3. Bew. Beschl. Nr. 17) 42

IX. Die Maßnahmen zur Überführung Guillaumes (Eins. Beschl. Nr. 13 / 3. Bew. Beschl. Nr. 33, 34) 44

C. Untersuchungsgegenstand „Aktenvernichtung im Bundesnachrichten- dienst" (Eins. Beschl. Nr. 14 / 3. Bew. Beschl. Nr. 18) 45

I. Anordnung und Durchführung von Aktenvernichtungen 45

II. Innenpolitische Aufklärung durch den BND 47 1. Der Auftrag des Bundesnachrichtendienstes 47 2. Sonderkartei des ehemaligen Präsidenten Gehlen 51 3. Praktiken einer Außenstelle (SPD-Akte) 56 4. Die Zusammenarbeit des BND mit Journalisten (Heysing-Unter- lagen) 57 5. Sonstige Feststellungen 60

3. Abschnitt: Begründung zu den Untersuchungsgegenständen „Guillaume" und „Aktenvernichtung" (Auffassung der Minderheit)

— Abg. Gerster, CDU/CSU —

A. Vorbemerkung zum Verfahrensablauf 62

B. Das Ergebnis der Beweisaufnahme zum Fall Guillaume 63

I. Die Einstellung Guillaumes in das Bundeskanzleramt unter dem Gesichtspunkt der fachlichen Qualifikation 63

II. Die Einstellung Guillaumes in das Bundeskanzleramt unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden Geheimschutzes 66 1. Die Einleitung der Sicherheitsüberprüfung durch das Bundes- kanzleramt 66 2. Die Bearbeitung der Voranfragen des Bundeskanzleramtes beim Bundesnachrichtendienst 68 3. Die Fortführung der Sicherheitsüberprüfung im Bundeskanz- leramt nach Eingang der nachrichtendienstlichen Hinweise 68 4. Bewertungsfehler und Verfahrensmängel bei der Geheim- schutzüberprüfung durch das Bundeskanzleramt bei der Ent- scheidung über die Anordnung weiterer Sicherheitsermittlun- gen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz 70 Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Seite 5. Die Sicherheitsermittlungen des Bundesamtes für Verfassungs- schutz 71 6. Die bei den Sicherheitsermittlungen im Bundesamt für Verfas- sungsschutz und bei den angefragten Dienststellen aufgetre- tenen Mängel 72 7. Der Abschluß der Sicherheitsermittlungen 74 8. Die Einstellungsentscheidung des Bundeskanzleramtes unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden Geheimschutzes 75 9. Der weitere Werdegang Guillaumes im Bundeskanzleramt . 77

III. Die Enttarnung des Spions Günter Guillaume 77 1. Die Entstehung des Verdachts 77 2. Die Unterrichtung über den Verdacht 79 3. Maßnahmen zur Abschirmung des Spions nach Bekanntwerden des Verdachts 84

C. Das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Frage der Aktenvernichtung im Bundeskanzleramt und beim Bundesnachrichtendienst 86 1. Die Bahr-Akte im Bundeskanzleramt 86 2. Die Anlage und Vernichtung von Akten im BND 86 3. Zur Funktionsfähigkeit des BND 86 4. Innenpolitischer Mißbrauch der BND? 87 5. Innenpolitische Aufklärung durch den BND? 87 6. Die Sonderkartei von Präsident Gehlen 88 7. Die sogenannte SPD-Akte 89 8. Die sogenannten Heysing-Unterlagen 90 9. Unerlaubte Inlandsaufklärung durch Journalisten? 90

B.

Antrag des Ausschusses 91

Anlagen

Anlage 1: Zeugen- und Sachverständigenliste 93

Anlage 2: Beweisbeschlüsse 96

Anlage 3: Liste der beigezogenen Akten, schriftlichen Auskünfte und son- stigen Unterlagen 107

Anmerkung:

Die im Bericht in Klammern angegebenen Zahlen bezeichnen die Fundstellen in den Stenographischen Protokollen des Ausschusses, wobei die vor dem Schräg- strich stehende Zahl die Nummer der Sitzung und die hinter dem Schrägstrich an- gegebene Zahl die Seitenzahl des Sitzungsprotokolls wiedergibt.

Die Abkürzung „Dok" kennzeichnet die zur Beweiserhebung beigezogenen Akten, schriftlichen Auskünfte und sonstigen Unterlagen, die in Anlage 3 aufgeführt sind und im Text nach ihrer Lfd. Nr. zitiert werden. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

A. Bericht der Abgeordneten Dr. Hirsch und Gerster (Mainz)

Erstes Kapitel Einsetzung des Ausschusses und Gang des Verfahrens

A. Einsetzung des Ausschusses und 7. Ist bei der Berufung Guillaumes als Referent in dessen Auftrag das Büro des Bundeskanzlers eine neuerliche Sicherheitsüberprüfung vorgenommen worden, oder aus welchen Gründen ist ggf. eine erneute I. Einsetzungsbeschluß Überprüfung unterblieben? Der 7. Deutsche Bundestag beschloß in seiner 8. Zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang 105. Sitzung am 6. Juni 1974 einstimmig auf Antrag sind dem früheren Bundeskanzler Verdachts- der Fraktion der CDU/CSU vom 5. Juni 1974 (Druck- momente gegen seinen Referenten Guillaume sache 7/2193) gemäß Artikel 44 GG einen Unter- von wem mitgeteilt worden? suchungsausschuß, bestehend aus sieben Mitgliedern (drei SPD, drei CDU/CSU, einer FDP), einzusetzen, 9. In welchem Umfang konnte sich Guillaume Zu- zur Überprüfung folgender Fragen: gang zu geheimen Akten oder Unterlagen ver- schaffen? 1. Sind im Bundeskanzleramt und im Bundesmini- sterium des Innern sowie in deren Geschäfts- 10. In welchem Umfang war Guillaume über poli- bereichen Beschäftigte eingestellt oder umge- tische Absichten des Bundeskanzlers und der setzt worden, obwohl Bundesregierung oder sonstige nachrichten- dienstlich wertvolle Vorgänge informiert? a) gegen ihre Einstellung oder ihre Verwen- dung auf bestimmten Dienstposten aufgrund 11. Welche Vorkehrungen sind nach Bekanntwer- der geltenden Sicherheitsrichtlinien des Bun- den konkreter Verdachtsmomente gegen Guil- des von den für die Sicherheitsüberprüfung laume im Bundeskanzleramt getroffen worden, zuständigen Stellen Einwendungen oder um ihm den Zugang zu den in Ziffern 9 und 10 Vorbehalte geltend gemacht wurden oder genannten Erkenntnisquellen zu verwehren? bei strikter Einhaltung und voller Anwen- dung der Richtlinien hätten geltend gemacht 12. In welchem Umfang sind nach diesem Zeitpunkt werden müssen, gleichwohl geheime Unterlagen für Guillaume b) ihre fachlichen Qualifikationsnachweise den zugänglich gewesen oder zugänglich gemacht geltenden beamtenrechtlichen oder tarif- worden? lichen Erfordernissen nicht genügten? 13. Von welchem Zeitpunkt ab und auf welche 2. Welches waren die Gründe für solche Einstel- Weise ist Guillaume observiert worden? lungen oder Umsetzungen, und wer war für sie verantwortlich? 14. Sind im Bundeskanzleramt und im Bundesmini- sterium des Innern sowie in deren Geschäfts- 3. Trifft es zu, daß bei der Anstellung des unter bereichen Akten, Schriftstücke oder sonstige Spionageverdacht verhafteten Günter Guillaume Unterlagen über politische Parteien, Vereini- im Bundeskanzleramt Hinweise nachrichten- gungen oder Personen und deren Kontakte oder dienstlicher Stellen vorlagen, die die Anstel- Verbindungen, insbesondere zu kommunisti- lung Guillaumes unter dem Gesichtspunkt des schen Regierungen, Parteien, Vereinigungen Geheimschutzes als bedenklich erscheinen las- oder ihren Funktionären vernichtet, beseite- sen? geschafft oder sonst der Verfügung der Stellen, bei denen sie entstanden sind, entzogen wor- 4. Welchen Stellen und Personen sind derartige den? Hinweise bekanntgemacht worden?

5. In welchem Umfang ist eventuellen Hinweisen II. Verfahrensregeln auf eine frühere Agententätigkeit Guillaumes Der Beschluß des Deutschen Bundestages lautet wei- während dessen Beschäftigungszeit bei dem ost- ter: zonalen Verlag „Volk und Wissen" nachgegan- gen worden? Dem Verfahren des Untersuchungsausschusses wer- den die Regeln zugrunde gelegt, die von Mitglie- 6. Wer hat ggf. veranlaßt, daß in dieser Richtung dern der Interparlamentarischen Arbeitsgemein- weitere Nachforschungen unterblieben sind? schaft im Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode und Verfahren von Untersuchungsausschüssen for- Bundeskanzler Brandt erklärte am 6. Mai 1974 in muliert wurden, soweit sie geltendem Recht nicht einem Schreiben an den Bundespräsidenten seinen widersprechen und wenn nach übereinstimmender Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers und begrün- Auffassung der Mitglieder des Untersuchungsaus- dete diesen Schritt damit, daß er die politische Ver- schusses keine sonstigen Bedenken dagegen be- antwortung für Fahrlässigkeiten im Zusammenhang stehen. mit der Agentenaffäre Guillaume übernehme. Die Bundesregierung veröffentlichte am 7. Mai 1974 durch das Presse- und Informationsamt eine Doku- III. Mitglieder des Untersuchungsausschusses mentation zur Einstellung Guillaumes in das Bun- deskanzleramt. Mit Beschlüssen vom 14. und 29. Mai Die Fraktionen haben folgende Ausschußmitglieder 1974 setzte die Bundesregierung eine unabhängige benannt: Kommission zur Prüfung von Sicherheitsfragen im SPD Ordentliche Mitglieder Zusammenhang mit dem Fall Guillaume ein. Dr. Claus Arndt (Hamburg), Am 6. Juni 1974 wurde der Fall Guillaume in der Helmuth Becker (Nienberge), Fragestunde des Deutschen Bundestages angespro- Günther Metzger chen und im Anschluß daran dieser Untersuchungs- ausschuß durch den Bundestag eingesetzt. Stellvertretende Mitglieder Dr. Alfons Bayerl, Einen weiteren Anlaß für die Einsetzung des Unter- Manfred Schulte (Unna), suchungsausschusses bildeten seit langem anhal- Dr. Dietrich Sperling tende Gerüchte, wonach nachrichtendienstliche Un- terlagen rechtswidrig vernichtet, beiseitegeschafft CDU/CSU Ordentliche Mitglieder oder auf andere Weise den darüber verfügungs- berechtigten Stellen entzogen worden sein sollen. Johannes Gerster (Mainz), So berichtete die Presse im März 1971, es seien aus Carl-Dieter Spranger, den Panzerschränken des Bundesnachrichtendienstes Dr. Personalakten und Dossiers entfernt worden. Der Stellvertretende Mitglieder Deutsche Bundestag behandelte ferner in seiner Dr. Günther Müller (München), Fragestunde vom 21. September 1972 das Thema, ob Friedrich Vogel (Ennepetal), der Bundesnachrichtendienst entgegen seinem Auf- Jürgen Wohlrabe trag Dossiers über bundesdeutsche Politiker ange- legt habe und was mit diesen Unterlagen geschehen FDP Ordentliches Mitglied sei. Endlich erörterte der Deutsche Bundestag in Dr. seiner Fragestunde vom 8. November 1974 u. a. die Frage, ob in den letzten Jahren beim Ausscheiden Stellvertretendes Mitglied von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes in Victor Kirst größerem Umfang Akten verschwunden seien, wie der STERN vom 25. Oktober 1973 berichtet habe. An die Stelle des Abgeordneten Jürgen Wohlrabe Bereits im Jahre 1971 wurde in diesem Zusammen- trat am 5. November 1974 der Abgeordnete Gerhard hang erwogen, ob nicht ein Untersuchungsausschuß O. Pfeffermann. diesen Gerüchten nachgehen solle.

II. Parallelverfahren B. Vorgeschichte und Parallelverfahren Ermittlungen des Generalbundesanwalts Der Generalbundesanwalt leitete am 7. März 1974 I. Vorgeschichte gegen Günter Guillaume ein Ermittlungsverfahren Den Anstoß zur Einsetzung des Untersuchungsaus- wegen des Verdachts der Spionage ein. Das Ermitt- schusses bildete der Fall Guillaume. Günter Guil- lungsverfahren — Az: 4 BJs 44/74 — war zum Zeit- laume war einer der persönlichen Mitarbeiter des punkt der Berichterstellung noch nicht abgeschlos- Bundeskanzlers im Bundeskanzleramt. sen. Der Ausschuß führte am 27. Juni 1974 ein Infor- Er wurde am 24. April 1974 wegen des Verdachts mationsgespräch mit Generalbundesanwalt Buback der geheimdienstlichen Tätigkeit gegen die Bundes- über die Abstimmung der Arbeit des Ausschusses republik Deutschland festgenommen. Der Ermitt- mit den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. lungsrichter des Bundesgerichtshofs erließ gegen ihn und seine Ehefrau Christel am 24. und 25. April Kommission „Vorbeugender Geheimschutz" 1974 auf Antrag der Bundesanwaltschaft Haftbefehle. Die Bundesregierung hat mit Beschlüssen vom 14. Die Bundesregierung unterrichtet am 25. April 1974 und 29. Mai 1974 eine unabhängige Kommission das Parlamentarische Vertrauensmännergremium „Vorbeugender Geheimschutz" zur Prüfung von über die bisherigen Erkenntnisse in diesem Spio- Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit dem Fall nagefall. Am 26. April 1974 fand unter dem Thema Guillaume eingesetzt. Die Kommission hat ihren „Spionageverdacht gegen einen leitenden Mitarbei- Bericht am 11. November 1974 vorgelegt. Ein Ge- ter im Bundeskanzleramt" eine Aussprache im Bun- spräch zwischen dem Ausschuß und der Kommission destag statt. fand nicht statt. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

C. Ablauf des Untersuchungsverfahrens schutz, des Senators für Inneres von Berlin, des Lan- desamtes für Verfassungsschutz Berlin, des ehemali- L Konstituierung gen Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen sowie den Bericht des 2. Untersuchungsausschusses Der Ausschuß wurde am 12. Juni 1974 durch die der 5. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages Präsidentin des Deutschen Bundestages konstituiert. bei. Darüber hinaus holte der Ausschuß mehrere Er bestimmte nach Vereinbarungen im Ältestenrat schriftliche Stellungnahmen, Gutachten und sonstige die Abgeordneten Dr. Walter Wallmann zum Vor- Unterlagen ein (Anlage 3). sitzenden und Dr. Claus Arndt (Hamburg) zum Stell- Der Ausschuß beschließt, die Frage 9, 10 und 12 des vertretenden Vorsitzenden. Einsetzungsbeschlusses über den Zugang Guil- Der Ausschuß bestellte als Berichterstatter die Ab- laumes zu geheimen Unterlagen und sonstigen nach- geordneten Dr. Burkhard Hirsch und Johannes Ger- richtendienstlich wertvollen Vorgängen nicht zu be- ster. handeln. Der Ausschuß hatte diese Frage nach dem Informationsgespräch mit dem Generalbundesanwalt zu Beginn seines Verfahrens bereits vorläufig zu- II. Beweisaufnahme rückgestellt, um die Ermittlungstätigkeit der Bun- desanwaltschaft nicht zu beeinträchtigen. Die Mit- Der Ausschuß trat außer zu der konstituierenden glieder des Ausschusses sind einhellig der Ansicht, Sitzung insgesamt 28mal zusammen, davon einmal die Fragen 9, 10 und 12 auch nach dem bevorstehen- in München. Er vernahm in 18 öffentlichen und nicht- den Abschluß des Ermittlungsverfahrens der Bun- öffentlichen Sitzungen 59 Zeugen und Sachverstän- desanwaltschaft nicht aufzugreifen, um den Eindruck dige (Anlage 1) aufgrund der als Anlage 2 beigefüg- zu vermeiden, der Untersuchungsausschuß könne ten Beweisbeschlüsse. Mehrere Zeugen wurden wie- durch seine Ermittlungen den Ablauf des Strafver- derholt vernommen und im Rahmen der Verneh- fahrens vor dem zuständigen Gericht beeinflussen. mungen einander gegenübergestellt. In zehn nicht- Der Ausschuß ist zudem der Ansicht, daß in diesem öffentlichen Sitzungen erörterte der Ausschuß das Strafverfahren der mögliche Zugang Guillaumes zu Verfahren der Beweisaufnahme, die Beweiswürdi- geheimen Unterlagen und Informationen soweit als gung und die Gestaltung des Berichts. Die Sitzung irgendmöglich aufgeklärt wird. in München diente zur Vernehmung des Präsidenten a. D. Gehlen, der wegen einer Erkrankung nicht Der Ausschuß stellt zu den übrigen Fragen des Ein- reisefähig war. Anträge auf Vereidigung von Zeu- setzungsbeschlusses fest, daß die Unterschiede in gen und Sachverständigen wurden nicht gestellt. den Auffassungen seiner Mitglieder über die Würdi- Der Ausschuß zog zur Beweisaufnahme u. a. auch gung der Beweisaufnahme weithin kein einheitliches die einschlägigen Akten des Bundeskanzleramtes, Votum zulassen. Der Ausschuß beschließt daher nach des Bundesnachrichtendienstes, des Bundesministe- Maßgabe der in dem Bericht zum Ausdruck gebrach- riums des Innern, des Bundesamtes für Verfassungs ten Auffassungen.

- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Zweites Kapitel Ergebnis der Untersuchung

Vorbemerkung

Der Ausschuß ist zur Frage der allgemeinen Einstellungs- und Um- setzungspraxis im Bundeskanzleramt und im Bundesministerium des Innern sowie in deren Geschäftsbereichen unter dem Gesichtspunkt der Sicherheitsüberprüfung und der fachlichen Qualifikation zu ein- stimmiger Auffassung gelangt (1. Abschnitt).

Der Ausschuß hat zu den übrigen Fragen beschlossen, die Auffassun- gen der Mehrheit und der Minderheit jeweils in sich geschlossen darzustellen.

Die Auffassung der Mehrheit, die im 2. Abschnitt dieses Kapitels wiedergegeben ist, wird von den Abgeordneten Dr. Arndt (Hamburg), Becker (Nienberge), Dr. Hirsch und Metzger vertreten. Die von der Minderheit, den Abgeordneten Gerster (Mainz), Spranger und Dr. Wallmann vertretene Auffassung ist im 3. Abschnitt dieses Kapitels dargestellt.

1. Abschnitt: Begründung zur allgemeinen Einstellungs- und Umsetzungspraxis im Bundeskanz- leramt und im Bundesministerium des Innern sowie in deren Geschäftsbereichen unter dem Gesichtspunkt der Sicherheitsüberprüfung und der fachlichen Qualifi- kation (Einsetzungsbeschluß Nummer 1, 2 / 3. Beweisbeschluß Nummer 6 bis 8, 1 bis 4) (Einstimmige Auffassung der Mitglieder des Ausschusses)

A. Sicherheitsüberprüfung waren nach den Feststellungen des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes erforderlich, um Scha- I. (Nummer 1 a und 2 Einsetzungsbeschluß) den für die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes oder für Informanten und Quellen abzuwenden oder um Hinweise auf andere Mitarbeiter oder Ein- richtungen des Bundesnachrichtendienstes zu ver- Der Ausschuß hat zu Nr. 1 a) und 2) des Ein- meiden. setzungsbeschlusses aufgrund der Nr. 6 bis 8 des Zu den vom Ausschuß angeforderten Sicherheits- 3. Beweisbeschlusses (Anlage 2) aus dem Bundes- akten in drei weiteren Fällen aus dem Bundesnach- kanzleramt und dem Bundesministerium des Innern richtendienst hat der Chef des Bundeskanzleramts die in Anlage 3 unter lfd. Nr.: 16, 17, 25, 27, 37 im Schreiben vom 26. August 1974 ausgeführt, daß bis 41, 47 und 50 bis 54 aufgeführten Sicherheits- Sicherheitsakten im Sinne der Richtlinien der Bun- akten, Sicherheitsvorgänge und sonstigen Unter- desregierung nicht geführt wurden, da es sich um lagen beigezogen. keine hauptberuflichen Mitarbeiter des Bundes- Der Chef des Bundeskanzleramts hat mit Schreiben nachrichtendienstes handelte. Er hat darauf hinge- vom 24. August 1974 mitgeteilt, daß in drei weite- wiesen, daß die im Bundesnachrichtendienst über ren vom Ausschuß genannten Fällen ehemaliger diese Mitarbeiter befindlichen zum Teil sehr um- Angehöriger des Bundeskanzleramts (aus den 50er fangreichen Akten sowohl Personal- wie auch si- Jahren) Sicherheitsakten nicht geführt wurden und cherheitsrelevante Unterlagen enthielten. die hierzu noch verfügbaren Personalakten in zwei Der Chef des Bundeskanzleramts hat jedoch in Über- Fällen keine Sicherheitsvorgänge enthielten. einstimmung mit dem Präsidenten des Bundesnach- Er hat weiter mit Schreiben vom 26. August 1974 richtendienstes seine Bereitschaft erklärt, den drei darauf hingewiesen, daß in den fünf dem Ausschuß stellvertretenden Mitgliedern des Ausschusses Man- zugeleiteten Sicherheitsvorgängen ehemaliger An- fred Schulte (Unna), Friedrich Vogel (Ennepetal) gehöriger des Bundesnachrichtendienstes Auslas- und Victor Kirst, die gleichzeitig Mitglieder sungen vorgenommen wurden. Diese Auslassungen des Parlamentarischen Vertrauensmännergremiums Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 sind, in allen genannten Fällen Einsicht in die voll- Durch Beschluß des Bundeskabinetts vom 13. Juli ständigen Originalunterlagen zu gewähren. 1955 wurde zunächst folgende Regelung getrof- fen: Der Bundesminister des Innern hat auf die Anfor- derung des Ausschusses, ihm die Sachakten (BMI Angehörige von Bundesbehörden, denen staat- und BfV) über Sicherheitsrichtlinien, entsprechende liches Geheimmaterial anvertraut ist oder an- Vorschriften und Anweisungen einschließlich der vertraut werden soll, sind durch die Beschäfti- Akten zu übersenden, die Gründe für ihre Änderung gungsbehörde zu überprüfen. Das Bundesamt enthalten, am 19. Juli 1974 mitgeteilt, unter ande- für Verfassungsschutz ist in geeigneter Weise rem wegen des Umfanges dieser Akten zunächst von an ,der Überprüfung zu beteiligen. Es sind die der Übersendung Abstand zu nehmen. Er hat statt vom Nordatlantikrat aufgestellten Richtlinien dessen zur Erleichterung der Arbeit des Ausschusses über 'den Geheimschutz zu beachten. Die Über- eine Übersicht über die Entwicklung des Vor- prüfung hat nach einheitlichen Merkmalen zu beugenden Geheimschutzes gefertigt und mit den erfolgen. Die für den Vollzug erforderlichen seit 1955 erlassenen „Richtlinien für die Sicher- Regelungen sind von einem Staatssekretäraus- heitsüberprüfungen von Bundesbediensteten" in der schuß auszuarbeiten. jeweils geltenden Fassung übersandt. Ferner hat der Bundesminister des Innern den Mitgliedern des Aus- Für die Zulassung von NATO-Verschlußsachen schusses Einsichtnahme in die gesamten Sachakten höchster Geheimhaltungsgrade (COSMIC-Mate- oder Teile davon angeboten. rial) wurde den Bundesressorts mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 8. August Der Chef des Bundeskanzleramts hat auf die gleiche 1955 sodann folgendes Verfahren vorgeschlagen: Anforderung des Ausschusses mit Schreiben vom Das Bundesamt für Verfassungsschutz über- 1. August 1974 mitgeteilt, er sehe von der Über- prüft die für die Bearbeitung von COSMIC- sendung der erbetenen Sachakten einschließlich der Angelegenheiten vorgesehenen Bediensteten, besonders umfangreichen Sicherheitssachakten des die ihm von der Beschäftigungsbehörde be- Bundesnachrichtendienstes zunächst ab, da der vom nannt werden. Aufgrund der Überprüfung teilt Bundesministerium des Innern gefertigte Vermerk das Bundesamt für Verfassungsschutz der Be- über die Entwicklung des Vorbeugenden Geheim- schäftigungsbehörde mit, ob gegen eine Zulas- schutzes auch die Rechtslage im Bundeskanzleramt sung des Betreffenden zu COSMIC-Material wiedergebe. Er hat den Mitgliedern des Ausschus- sicherheitsmäßige Bedenken bestehen. Die Ent- ses ebenfalls angeboten, alle einschlägigen Sach- scheidung über die Zulassung trifft die Be- akten zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen, schäftigungsbehörde. falls dies gewünscht werde. Mit Schreiben vom 23. September 1955 empfahl der Bundesminister des Innern, die für eine Be- arbeitung von COSMIC-Angelegenheiten vorge- II. Die Entwicklung des vorbeugenden personellen sehenen Bediensteten bis zu einer Einigung über Geheimschutzes seit Bestehen der Bundesrepu- eine für alle verbindliche Regelung zumindest blik hat der Bundesminister des Innern wie folgt schon einer Karteiüberprüfung durch das Bundes- dargestellt (Fassung im wesentlichen ungekürzt): amt für Verfassungsschutz zu unterziehen. Durch Beschluß des Bundeskabinetts vom 12. Sep- 1. Zeitraum von 1949 bis 1955 tember 1956 wurdedarüber hinaus festgelegt, daß alle Geheimnisträger, die Zugang zu COS- In der Zeit von 1949 bis 1955 gab es kein geregeltes MIC-Dokumenten oder zu Dokumenten der Ge- Verfahren und keine Vorschriften für Sicherheits- heimhaltungsstufe „STRENG GEHEIM" erhalten, überprüfungen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz einer besonderen Überprüfung (Hintergrundüber- hat jedoch während dieser Zeit bereits Sicherheits- prüfung) zu unterziehen sind, wobei insbeson- überprüfungen im Auftrag verschiedener Bundes- dere an die Befragung geeigneter Auskunftsper- ministerien vorgenommen. Der Kreis derjenigen Be- sonen gedacht war. Der Beschluß bestimmte fer- werber für den Bundesdienst, deren Überprüfung ner, daß diese besonderen Überprüfungen durch notwendig erschien, wurde in Einzelbesprechungen die Ressorts unter Beteiligung des Bundesamtes des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit dem für Verfassungsschutz vorgenommen werden. Geheimschutzbeauftragten bzw., soweit solche noch nicht bestellt waren, mit den Personalreferenten b) Am 2. September 1957 beschloß der Ausschuß verschiedener Ressorts festgelegt. Überprüft wurden der Staatssekretäre für Fragen des Geheimschut- im wesentlichen die Bearbeiter von Verschluß- zes die „Richtlinien für eine einheitliche Bewer- sachen. tung von Sicherheitsrisiken bei der Überprüfung öffentlicher Bediensteter" . Die Bewertungsrichtlinien enthielten im wesent- 2. Zeitraum von 1955 bis 1960 lichen folgende Regelung: a) Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutsch- Es werden politische und charakterliche Sicher- land in die NATO zwang in der Folgezeit dazu, heitsrisiken unterschieden. Umfang und Verfahren der Sicherheitsüberprü- aa) Politische Sicherheitsrisiken sind insbe- fung zu regeln. sondere alle Umstände im Verhalten eines Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Bediensteten und Bewerbers, die bezwei- über hinaus die örtlich zuständigen feln lassen, daß er sich zur freiheitlichen Landesämter für Verfassungsschutz, die demokratischen Grundordnung bekennt ihrerseits die Polizeidienststellen um und bereit ist, jederzeit für ihre Erhaltung Auskunft aus ihren Unterlagen ersu- einzutreten. Als politisches Sicherheitsri- chen. Dabei werden diejenigen Dienst- siko kommt auch die Auswirkung der Spal- stellen um Auskunft gebeten, in deren tung Deutschlands auf die persönlichen Bezirk der Bedienstete innerhalb der Verhältnisse ,des Betreffenden in Betracht. letzten zehn Jahre seinen Wohn- oder Eine Gefährdungslage kann sich hieraus Aufenthaltsort hatte. Die Anfrage er- insbesondere dann ergeben, wenn sich der streckt sich auf das gesamte vorlie- Wohnsitz des zu Überprüfenden oder sei- gende Material, auch auf Erkenntnisse, ner nächsten Angehörigen in kommuni- die länger als zehn Jahre zurücklie- stisch beherrschten Gebieten befindet. gen. Das Bundesamt für Verfassungs- schutz befragt außerdem den Bundes- bb) Für charakterliche Sicherheitsrisiken wer nachrichtendienst, die Nachrichten- den einige typische Beispiele genannt. dienste der Drei Mächte und, wenn der zu überprüfende Bedienstete vor dem Über die Bewertung der Sicherheitsrisiken ent- 1. Januar 1927 geboren ist, die Doku- scheidet die Beschäftigungsbehörde; bei politi- mentenzentrale in Berlin. schen Sicherheitsrisiken wird hierbei eine Be- teiligung des Bundesamtes für Verfassungs- — Sicherheitsermittlungen sind aktive schutz empfohlen. Nimmt die Beschäftigungs- Nachforschungen über den Bedienste- behörde das Bundesamt für Verfassungsschutz ten. Sie ergänzen die umfassende Kar- in Anspruch (bei Karteiüberprüfungen ist dies teiüberprüfung durch grundsätzlich stets der Fall), so teilt das Bundesamt für Ver- mündliches Befragen von Auskunfts- fassungsschutz aufgrund des Ergebnisses sei- personen über das Vorleben und die ner Ermittlungen der Beschäftigungsbehörde persönlichen Verhältnisse des Betrof- mit, ob gegen die beabsichtigte VS-Zulassung fenen. Sicherheitsermittlungen werden bzw. gegen die Beschäftigung des Bewerbers von den obersten Bundesbehörden in Behörden mit Sicherheitsrisiko oder generell durchgeführt. im Bundesdienst Bedenken bestehen. bb) für Bearbeiter, Verwalter und Beförderer c) Als erste umfassende Regelung der Sicherheits- von Verschlußsachen der Geheimhaltungs- überprüfungen wurden vom Bundeskabinett am grade GEHEIM und VS-Vertraulich die 24. August 1960 die „Richtlinien für die Sicher- umfassende Karteiüberprüfung. heitsüberprüfung von Bundesbediensteten" (Si- cc) für alle übrigen Bediensteten bei obersten cherheitsrichtlinien — 60) beschlossen. Die Be- Bundesbehörden und bei sonstigen Behör- wertungsrichtlinien wurden in ihrer bisherigen den mit erhöhtem Sicherheitsrisiko die Fassung unverändert als Teil der Sicherheits- einfache Karteiüberprüfung. Sie be- richtlinien übernommen. Die Sicherheitsricht- schränkt sich auf die Inanspruchnahme linien — 60 sahen im wesentlichen folgende Re- des Karteimaterials der Verfassungs- gelung vor: schutzbehörden und Polizeidienststellen. Die Sicherheitsüberprüfung wird durch die Be- schäftigungsbehörde vorgenommen. Sie ent- Die bei der Sicherheitsüberprüfung anfallenden scheidet aufgrund des Überprüfungsergebnis- schriftlichen Unterlagen sowie der gesamte in ses, ob der Bedienstete mit der für ihn vorge- Sicherheitsangelegenheiten geführte Schriftwech- sehenen Tätigkeit betraut werden kann. sel sind in besonderen Akten (Sicherheitsakten) zusammenzufassen, die den personalbewirtschaf- Überprüft werden alle Bearbeiter, Verwalter tenden Stellen nicht zugänglich gemacht werden und Beförderer von Verschlußsachen der Ge- dürfen. - heimhaltungsgrade VS-Vertraulich und höher In der Regel reicht eine einmalige Überprüfung sowie alle übrigen Bediensteten bei obersten nicht aus. Sie muß ja nach Lage des Falles in an- Bundesbehörden und bei sonstigen Behörden gemessenen Zeitabständen wiederholt werden, mit erhöhtem Sicherheitsrisiko. Folgende Über- regelmäßig aber dann, wenn einem Bediensteten prüfungsverfahren sind vorgesehen: eine besonders verantwortliche Tätigkeit über- aa) für Bearbeiter, Verwalter und Beförderer tragen werden soll. von Verschlußsachen höchster Geheimhal- tungsgrade (STRENG GEHEIM, COSMIC- STRENG GEHEIM) die umfassende Kartei- 3. Zeitraum von 1960 bis 1974 überprüfung und Sicherheitsermittlungen. Aufgrund von Erfahrungen, die vor allem aus der — Die umfassende Karteiüberprüfung Auswertung einer Reihe von Spionagefällen in der wird vom Bundesamt für Verfassungs- Bundesrepublik gewonnen wurden, sowie aufgrund schutz durchgeführt. Es bedient sich einer Verschärfung der NATO-Regelungen über den hierzu seiner Kartei und befragt dar- vorbeugenden Geheimschutz wurde bereits bald Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 nach dem Inkrafttreten der Sicherheitsrichtlinien — — Bedienstete, die mit der Bewachung oder 60 an deren Verbesserung im Sinne einer Verschär- Kontrolle von Diensträumen beauftragt fung gearbeitet. sind, in denen Verschlußsachen der Ge- heimhaltungsgrade GEHEIM und VS-Ver- Vom Bundesministerium des Innern wurde ein Refe- traulich bearbeitet oder verwaltet wer- rentenentwurf für eine Änderung und Ergänzung der den Sicherheitsrichtlinien — 60 erarbeitet, der auch ver- — sämtliche Bedienstete oberster Bundes schiedene Empfehlungen des Ausschusses der behörden Staatssekretäre für Fragen des Geheimschutzes be- rücksichtigte. Der Entwurf wurde mit Schreiben des — Bedienstete von Behörden mit erhöhtem Bundesministers des Innern vom 14. Juni 1963 den Sicherheitsrisiko obersten Bundesbehörden sowie dem Bundesamt für — Dienststellenleiter der unteren Bundes- Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichten- behörden sowie ihre Stellvertreter und dienst mit der Empfehlung zugeleitet, bei den Sicher- die bei diesen Behörden bestellten Ge- heitsüberprüfungen bereits nach den neuen Grund- heimschutzbeauftragten und deren Stell- sätzen zu verfahren. Im wesentlichen waren fol- vertreter gende Änderungen der Sicherheitsrichtlinien vorge- sehen: cc) Bedienstete, die nicht nach aa) bzw. bb) zu überprüfen sind, jedoch eine Vertrauensstel- a) Durchsicht und Ergänzung der Sicherheitsakten lung innehaben oder übernehmen sollen, in Abständen von zwei bis drei Jahren, regel- sind einer einfachen Karteiüberprüfung zu mäßig aber dann, wenn einem Bediensteten eine unterziehen. Welche Personengruppen hier- besonders verantwortungsvolle Tätigkeit über- von betroffen sind, bestimmt die zuständige tragen werden soll. Hierbei sind die Personal- oberste Bundesbehörde im Einvernehmen akten beizuziehen und der Bedienstete zu befra- mit dem Bundesminister des Innern. gen. Soweit erforderlich sind weitere Auskünfte einzuholen oder zusätzliche Ermittlungen zu füh- dd) Beziehungen in den kommunistischen ren. Die früher getroffene Entscheidung über die Machtbereich sowie längerer Aufenthalt in Zulassung zum Zugang oder zum Umgang mit diesem Bereich werden ausdrücklich als Si- Verschlußsachen ist zu überprüfen. cherheitsrisiko angesprochen. b) Verschiedene Personengruppen werden schärfer c) Zu einer Verabschiedung des vorerwähnten Ent- überprüft als bisher, der Kreis der zu Überprüfen- wurfs durch das Bundeskabinett kam es nicht. den wird insgesamt erweitert. Im einzelnen gilt Die Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung folgendes: von Bundesbediensteten wurden vielmehr auf- aa) Einer umfassenden Karteiüberprüfung und grund eines erneuten Entwurfs des Bundesmini- Sicherheitsermittlungen sind nunmehr neben steriums des Innern durch Beschluß der Bundes- Bearbeitern, Verwaltern und Beförderern regierung vom 15. Februar 1971 neu gefaßt. Die von Verschlußsachen höchster Geheimhal- Neufassung berücksichtigt die vor allem auf- tungsgrade ebenfalls zu unterziehen: grund von Spionagefällen in der Zwischenzeit gesammelten Erfahrungen. Neben einer klareren — Bedienstete, die aufgrund ihrer Stellung Gliederung und Regelung des Verfahrens sorgt voraussichtlich dauernd Zugang zu einer sie insbesondere durch folgende Änderungen für erheblichen Menge von Verschlußsachen eine wirksamere Gestaltung des personellen Ge- des Geheimhaltungsgrades GEHEIM oder heimschutzes und für eine Verschärfung der entsprechender Geheimhaltungsgrade er- halten oder dauernd in erheblichem Um- Sicherheitsüberprüfungen: fang Verschlußsachen dieses Geheimhal- aa) Ersatz der einfachen und umfassenden Kar- tungsgrades zu befördern haben teiüberprüfung durch eine Karteiüberprü- — Bedienstete, die mit der Bewachung oder - fung, die im wesentlichen der umfassenden Kontrolle von Diensträumen beauftragt Karteiüberprüfung der Sicherheitsrichtlinien sind, in denen Verschlußsachen höchster — 60 entspricht. Geheimhaltungsgrade bearbeitet oder verwaltet werden bb) Ausdehnung der Karteiüberprüfung auf — Leiter der Bundesober- und Mittelbehör- Ehegatten und Verlobte, und zwar bei den und ihre Stellvertreter sowie die bei Schlüsselpersonal (Bedienstete mit beson- diesen Behörden bestellten Geheim- ders sicherheitsempfindlicher Tätigkeit) schutzbeauftragten und deren Stellvertre- stets, bei den übrigen Bediensteten, soweit ter im Einzelfall erforderlich. cc) Verschärfung der Sicherheitsermittlungen bb) Einer umfassenden Karteiüberprüfung sind neben Bearbeitern, Verwaltern und Beförde- durch folgende Maßnahmen: rern von Verschlußsachen der Geheimhal- — Zentralisierung der Ermittlertätigkeit für tungsgrade GEHEIM und VS-Vertraulich alle Bundesbehörden beim Bundesamt für auch folgende Bedienstete zu unterziehen: Verfassungsschutz Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

— Ausschließlich mündliche Befragung von leramt keine Personen eingestellt worden, gegen Auskunftspersonen, die sich nicht auf die von den zuständigen Sicherheitsbehörden die vom Überprüften benannten Refe- Einwendungen oder Vorbehalte geltend gemacht renzpersonen beschränken sollen. wurden. Einwendungen oder Vorbehalte von Sicherheitsbehörden wären stets beachtet, d. h. — Ausdehnung auf Schlüsselpersonal. die betroffenen Bediensteten wären nicht auf dem „gesperrten" Dienstposten verwendet wor- dd) Wiederholungsüberprüfungen in fünfjähri- den. Das gleiche gelte für Umsetzungen innerhalb gem Zeitabstand. des Amtes, bei denen in der Regel das Bundes- ee) Gleichbewertung von Rechts- und Linksradi- amt für Verfassungsschutz nicht erneut einge- kalismus durch Neuformulierung der politi- schaltet worden sei. Dies beruhe darauf, daß alle schen Sicherheitsrisiken. Bediensteten des Bundeskanzleramtes zum Zu- gang zu Verschlußsachen der Geheimhaltungs- ff) Erstmalige Bewertung von längeren Auf- grade „VS-VERTRAULICH" und „GEHEIM" enthalten im kommunistischen Machtbe- überprüft wären, so daß bei einer evtl. kurzfri- reich, außer im amtlichen Auftrag sowie feh- stig erforderlich werdenden Ermächtigung auf das lender Möglichkeiten einer ausreichenden Überprüfungsergebnis habe zurückgegriffen wer- Überprüfung als „sonstige, unverschuldete den können (Dok. Nr. 83, S. 3, 7, 8). Der Sachver- Sicherheitsrisiken". ständige hat weiter darauf hingewiesen, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Einwen- gg) Stärkung der Stellung des Geheimschutz- dungen oder Vorbehalte (die ein fachliches Vo- beauftragten insbesondere durch Einräu- tum und keine Entscheidung darstellten, da die mung eines unmittelbaren Vortragsrechts Entscheidung über Einstellung oder Weiterbe- beim Dienststellenleiter. schäftigung der Einstellungs- bzw. Beschäfti- gungsbehörde obliege) stets begründet habe, so daß für den Geheimschutzbeauftragten in jedem III. Falle einsichtig gewesen sei, warum eine Be- schäftigung im Bundeskanzleramt nicht oder nur Die Bundesregierung hat für die Beweiserhebung in begrenztem Bereich möglich war (Dok. Nr. 83, dem Ausschuß auf dessen Ersuchen Sachverständige S. 3) . benannt, und zwar für das Bundeskanzleramt Mini- sterialrat Grünewald, für den Geschäftsbereich des Der Sachverständige hat sich darauf berufen, Bundesministeriums des Innern Ministerialrat Paul langjährige Erfahrungen im Bereich der perso- und für den Bundesnachrichtendienst Direktor Merz. nellen Sicherheitsüberprüfungen zu besitzen. Er Die Sachverständigen Paul und Merz wurden in öf- hat weiter ausgeführt, seine Feststellungen nach fentlicher Sitzung gehört. Der Sachverständige Überprüfung der im Bundeskanzleramt noch vor- Grünewald hat sein Gutachten schriftlich erstattet. handenen Sicherheitsakten und durch Befragung

von Bediensteten des Geheimschutzreferate . s des Der Ausschuß hat davon abgesehen, die Spionage- Bundeskanzleramts getroffen zu haben (Dok. Nr. oder Spionageverdachtsfälle, zu denen Sicherheits- 83, S. 2, 3) . akten oder sonstige sicherheitsrelevante Vorgänge aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzleramts und des Bundesministeriums des Innern seit 1949 2. Der Sachverständige Paul hat aufgrund der beigezogen worden waren, mit in die Sachverständi- durchgeführten Überprüfungen die Überzeugung genaussagen einzubeziehen. Es handelt sich zum gewonnen, daß es im Geschäftsbereich des Bun- großen Teil um Fälle aus den 50er Jahren und An- desministeriums des Innern (BMI und BfV) keine fang der 60er Jahre. Spektakuläre und auch die Fälle von Einstellungen oder Umsetzungen gege- Öffentlichkeit beschäftigende frühere Spionagefälle ben hat, obwohl aufgrund der geltenden Sicher- (z. B. der Fall Felfe, BND) sind dagegen im Zuge der heitsrichtlinien von den zuständigen Stellen Ein- Beweisaufnahme zu den weiteren Untersuchungsge- wendungen oder Vorbehalte geltend gemacht genständen mehrfach angesprochen worden. Das wurden oder bei strikter Einhaltung und voller - Bundeskanzleramt hat darauf hingewiesen, daß der Anwendung der Richtlinien hätten geltend ge- Präsident des Bundesnachrichtendienstes a. D. Geh- macht werden müssen (8/48, 8/49, 8/50). Er hat len im Dezember 1968 dem 2. Untersuchungsaus- allerdings auch darauf verwiesen, daß eine rest- schuß der 5. Wahlperiode anhand des Falles Felfe lose Aufklärung den Einsatz einer besonderen über die Behandlung von Sicherheitsfällen berichtet Kommission erfordert hätte (8/50). hat (Dok. Nr. 25). Der Ausschuß konnte davon aus- Wie der Sachverständige im einzelnen dargelegt gehen, daß aus allen beigezogenen Fällen für die hat, beruhen seine Feststellungen auf eigenen Beurteilung des Untersuchungsgegenstandes zu Nr. Wahrnehmungen als Geheimschutzbeauftragter 1 a und 2 des Einsetzungsbeschlusses wesentliche des Bundesministeriums des Innern, auf der oder zusätzliche Erkenntnisse nicht anfallen würden. Überprüfung von Sicherheitsakten und der Befra- Die Beweisaufnahme hat im einzelnen folgendes er- gung von Mitarbeitern. Er hat ferner hervorge- geben: hoben, alle Sicherheitsvorgänge daraufhin über- prüft zu haben, inwieweit den vom Bundesamt 1. Nach den von dem Sachverständigen Grünewald für Verfassungsschutz in Einzelfällen erhobenen getroffenen Feststellungen sind im Bundeskanz Bedenken Rechnung getragen wurde (8/49). Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

3. Der Sachverständige Merz (BND) hat bei seiner amt dem Ausschuß im einzelnen im Zusammen- Anhörung durch den Ausschuß für die Zeit ab hang mit der Darstellung des Verfahrens bei der 1968 bestätigt, daß im Bundesnachrichtendienst Besetzung von Dienstposten im Bundesnachrich- keine Bediensteten eingestellt oder umgesetzt tendienst erläutert (Dok-Nr. 26). worden sind, obwohl nach den geltenden Sicher- heitsrichtlinien Einwendungen oder Vorbehalte 2. Zu der im Bundeskanzleramt bei Sicherheitsüber- geltend gemacht wurden oder bei voller Anwen- prüfungen bestehenden Praxis hat der Sachver- dung der Sicherheitsrichtlinien hätten geltend ge- ständige Grünewald ausgeführt, die heute gel- macht werden müssen. Er hat sich jedoch nur mit tenden Richtlinien vom 15. Februar 1971 würden Vorbehalt dazu äußern können, ob die Sicher- im Bundeskanzleramt bereits seit 1963 angewen- heitsrichtlinien bei der Einstellung und Umset- det. zung von Bediensteten im Bundesnachrichten- dienst bis 1968 immer voll beachtet worden sind. Er hat dazu folgendes dargelegt (Dok-Nr. 83, Er hat weiter einschränkend darauf hingewiesen, S. 6 bis 8) : daß wegen der früher dezentralisierten Zustän- Nach Ziffer 3.2 der geltenden Richtlinien (1971) digkeiten in Sicherheitsangelegenheiten und der müsse der Geheimschutzbeauftragte des Bun- zahlreichen Umgliederungen seit 1956 im Bundes- deskanzleramtes davon ausgehen, daß das Amt nachrichtendienst selbst eine lückenlose Über- aufgrund seiner Aufgabenstellung und seines prüfung aller früheren Sicherheitsvorgänge zu politischen Gewichts insgesamt nachrichten- keinen präzisen Nachweisen geführt haben dienstlich besonders gefährdet sei (Behörde würde. mit erhöhtem Sicherheitsrisiko). Daher würden Für die von ihm getroffenen Feststellungen hat alle Bediensteten einer Sicherheitsüberprüfung sich der Sachverständige auf Auskünfte und unterzogen. Stellungnahmen früherer und jetziger in Sicher- Für alle Bediensteten führe das Bundesamt für heitsangelegenheiten zuständiger Bediensteter Verfassungsschutz eine Karteiüberprüfung des Bundesnachrichtendienstes gestützt (8/33, durch, die sich auch auf Ehegatten und Ver- 8/34) . lobte der Mitarbeiter erstrecke. Dabei würden vom Bundesamt für Verfassungsschutz die Iv. Landesämter für Verfassungsschutz (von die- sen wiederum die Polizeidienststellen der Der Ausschuß hat weiter die Frage geprüft, für wel- Wohn- bzw. Aufenthaltsorte der letzten zehn che Dienstposten im Bundeskanzleramt und im Bun- Jahre), die Strafregisterbehörden und gegebe- desministerium des Innern und deren Geschäftsbe- nenfalls der Bundesnachrichtendienst, die reichen Sicherheitsüberprüfungen von VS-Vertrau- Nachrichtendienste befreundeter Länder sowie lich aufwärts erforderlich waren und sind (Nr. 8 des die Dokumentenzentrale in Berlin eingeschal- 3. Beweisbeschlusses, Anlage 2.) tet. Bei Zuwanderern aus der DDR fordere das Bundesamt für Verfassungsschutz die Notauf- 1. Nach den Sicherheitsrichtlinien 60 war für alle nahmeakten zur Einsichtnahme an (Nr. 5.1 der Bediensteten bei obersten Bundesbehörden und Richtlinien). bei sonstigen Behörden mit erhöhtem Sicherheits- Diese Überprüfung sei für eine Ermächtigung risiko die einfache Karteiüberprüfung durchzu- zum Zugang zu Verschlußsachen der Geheim- führen. Dagegen sah bereits der Referentenent- haltungsstufen „VS-Vertraulich", und „Ge- wurf des Bundesministeriums des Innern vom heim" ausreichend. Jahre 1963 vor, daß einer umfassenden und für den Umgang mit Verschlußsachen der Geheimhal- Zusätzlich (d. h. außerhalb dieser Richtlinien) tungsgrade VS-Vertraulich und GEHEIM erfor- werde im Bundeskanzleramt vor jeder Neu- derlichen Sicherheitsüberprüfung neben den Be- einstellung eine sogenannte „Schnellüberprü- arbeitern, Verwaltern und Beförderern von Ver- fung" (Karteinachfrage) beim Bundeskriminal- schlußsachen u. a. sämtliche Bedienstete oberster amt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz - Bundesbehörden (bzw. Bedienstete von Behör- und dem Bundesnachrichtendienst durchge- den mit erhöhtem Sicherheitsrisiko) zu unterzie- führt, und zwar sowohl für den Bediensteten hen sind. Der Referentenentwurf war (wie be- als auch für seine Ehefrau; bei Jugendlichen reits oben erwähnt) den obersten Bundesbehör- würden außerdem die Eltern einbezogen. Diese den sowie dem Bundesamt für Verfassungsschutz Überprüfung habe in mehreren Fällen dazu und dem Bundesnachrichtendienst mit der Emp- geführt, daß von einer Einstellung abgesehen fehlung zugeleitet worden, bei den Sicherheits- wurde. überprüfungen nach diesen neuen Grundsätzen zu verfahren. Die Sachverständigen haben bestä- Der Umfang der Überprüfung führe dazu, daß tigt, daß in ihren Bereichen diese Empfehlungen alle Bediensteten des Bundeskanzleramtes zum ab 1963 beachtet wurden (Grünewald Dok-Nr. 83, Zugang zu Verschlußsachen der Geheimhal- S. 6 bis 8; Paul 8/50, 8/52, 8/53; Merz 8/34). Die tungsgrade „VS-Vertraulich" und „Geheim" Besonderheiten der Sicherheitsmaßnahmen, die überprüft wären, so daß bei einer evtl. kurz- der Bundesnachrichtendienst dienststellenintern fristig erforderlich werdenden entsprechenden vor Personalentscheidungen (Einstellung, Umset- Ermächtigung auf das Überprüfungsergebnis zung usw.) durchführt, hat das Bundeskanzler zurückgegriffen werden könne und grundsätz- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

lich kein neues Überprüfungsverfahren ein- und dem Bundesministerium des Innern die in An- geleitet werden müsse. Dies gelte auch bei lage 3 unter lfd. Nr.: 18, 26, 32 bis 36, 45, 46, 49 Umsetzungen innerhalb des Amtes, falls dabei und 56 aufgeführten Unterlagen beigezogen. nicht eine höhere Ermächtigung notwendig Bundeskanzleramt und Bundesministerium des In- werde. nern haben darauf hingewiesen, daß die dem Aus- In solchen Fällen — tatsächliche Ermächtigung schuß überreichten Listen (Dok. Nr. 33, 34, 46 und 49) eines bereits überprüften Bediensteten zum Zu- über die Mitwirkung des Bundespersonalausschus- gang zu VS der Stufen „VS-Vertraulich" und ses (BPA) anhand der bei der Geschäftsstelle des „Geheim" — werde unverzüglich die weiter- BPA vorhandenen Kurzprotokolle gefertigt wurden. gehende Überprüfung für den Zugang „Streng Der Bundesminister des Innern hat außerdem im geheim" eingeleitet (Sicherheitsermittlungen ge- Schreiben vom 23. August 1974 (Dok. Nr. 31) mitge- mäß Nr. 5.2 der geltenden Richtlinien). Einer teilt, die Listen hätten nicht wie vom Ausschuß solchen weitergehenden Überprüfung wer- gewünscht danach untergliedert werden können, de auch das sogenannte „Schlüsselpersonal" ob der BPA unmittelbar aus Anlaß einer Über- unterzogen. Dazu gehörten im wesentlichen: nahme oder einer Umsetzung auf einen höherwerti- Persönliche Referenten, Vorzimmerkräfte so- gen Dienstposten beteiligt wurde; er hat jedoch an- wie andere Mitarbeiter im Leitungsbereich geboten, nach Auswertung der jeweiligen Personal- (Bundeskanzler/Chef des Bundeskanzleramtes/ akten ergänzende Angaben zu übermitteln, falls Parlamentarischer Staatssekretär), VS-Regi- der Ausschuß dies wünsche. stratoren, ferner Mitarbeiter in besonders si- Auf Vorlage einer lückenlosen Auflistung aller Kon- cherheitsempfindlichen Bereichen, z. B. Bedien- fliktfälle zwischen Personalrat und Dienstbehörde stete im Bereich Geheimschutz, Dienstaufsicht seit 1949 aus dem Geschäftsbereich des Bundesmini- Bundesnachrichtendienst, Verteidigung, In- steriums des Innern hat der Ausschuß nach Hinweis nere Sicherheit u. ä. des Personalrats des Bundesministeriums des Innern Das Bundeskanzleramt habe 1971 zusätzlich auf die umfangreichen und in absehbarer Zeit nicht bei Bediensteten in besonders sicherheitsemp- durchzuprüfenden Unterlagen nicht bestanden. Der findlichen Stellen sowie beim Schlüsselper- Bundesminister des Innern hat hierzu am 23. Au- sonal Ergänzungsüberprüfungen durch Bera- gust (Dok. Nr. 31) mitgeteilt, eine erste Durchsicht ter des Bundesamtes für Verfassungsschutz un- der Unterlagen habe keine Anhaltspunkte dafür er- ter Beiziehung der Personalakten durchgeführt. geben, daß Meinungsverschiedenheiten mit dem Außerdem wären alle ermächtigten Mitarbeiter Personalrat bei Einstellung oder Umsetzung von erneuten Karteianfragen beim Bundesnach- Bediensteten nicht beigelegt werden konnten. richtendienst, beim Bundesamt für Verfas- sungsschutz und beim Bundeskriminalamt un- Bundeskanzleramt und Bundesministerium des In- terzogen und bei Zuwanderern aus der DDR nern haben dem Ausschuß schriftlich die wesent- außerdem die Notaufnahmeakten zur Einsicht- lichen Grundsätze des Verfahrens bei der Besetzung nahme angefordert worden. von Dienstposten in ihren Geschäftsbereichen seit dem Jahre 1949, die gesetzlichen Grundlagen, Auf- Die nach den Richtlinien durchzuführenden gaben und Befugnisse des Bundespersonalausschus- Wiederholungsüberprüfungen (Nr. 8.2 der gel- ses, die Beteiligungsrechte des Personalrates (Um- tenden Richtlinien) für das „Schlüsselpersonal" wandlung der im früheren Personalvertretungsrecht (alle 5 Jahre) hätten dagegen wegen Personal- [1955] weitgehend vorherrschenden Mitwirkungs- mangels beim Bundesamt für Verfassungsschutz rechte in Mitbestimmungsrechte nach dem PersVG noch nicht realisiert werden können. Im Nor- vom 15. März 1974) sowie die seit 1949 geltenden malfall erschienen diese Wiederholungsüber- beamten- und tarifrechtlichen Vorschriften dargelegt prüfungen durch das Bundesamt für Verfas- (Dok. Nr. 18, 26 und 36). Hervorgehoben wird in sungsschutz entbehrlich, weil das System der beiden Darstellungen, daß der Personalrat schon in zentralen Hinweiskartei des Bundesamtes für den zurückliegenden Jahren auch ohne gesetzliche Verfassungsschutz in Verbindung mit einer Beteiligungspflicht weitgehend über beabsichtigte „Verkartung" aller Geheimnisträger grundsätz- Personalmaßnahmen im Rahmen des Grundsatzes lich gewährleiste, daß die Behörden unterrich-- der vertrauensvollen Zusammenarbeit unterrichtet tet würden, wenn nach der Sicherheitsüber- wurde und die nach dem Personalvertretungsgesetz prüfung bedeutsame Erkenntnisse anfielen. zur Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten vorgesehene Einigungstabelle bisher nicht angerufen zu werden brauchte. Die Mitarbeiter werden in beiden Geschäftsbereichen B. Fachliche Qualifikationserfordernisse durch Stellenausschreibungen, eigene Bewerbungen und persönliche Ansprachen gewonnen und nach (Nummer 1 b und 2 Einsetzungsbeschluß) dem allgemeinen Grundsatz der Eignung, Befähi- gung und fachlichen Leistung unter Berücksichti- gung allgemeiner personalwirtschaftlicher Gesichts- punkte ausgewählt. Das Bundeskanzleramt hebt Der Ausschuß hat zu Nr. 1 b und 2 des Einsetzungs hervor, von Stellenausschreibungen aufgrund der beschlusses aufgrund der Nr. 1 bis 4 des 3. Beweis besonderen Gegebenheiten in diesem Amte nur in beschlusses (Anlage 2) aus dem Bundeskanzleramt geringem Umfang Gebrauch zu machen. Einem Be- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache. 7/3246 schluß des Bundeskabinetts vom 25. März 1970 zu- 2. Die Sachverständigen haben — je für ihren Be- folge soll ferner der in früherer Zeit regere und reich — übereinstimmend hervorgehoben, daß dann stagnierende Personalaustausch zwischen den sich die Qualifikationen der im Kanzlerbüro oder Bundesministerien und dem Bundeskanzleramt, ins- im Ministerbüro des Bundesministeriums des besondere für den höheren Dienst, wieder verstärkt Innern tätigen Beamten und Angestellten grund- in Gang gebracht werden. Das Verfahren wird als sätzlich nach den allgemeinen beamten- und ta- ein zusätzliches Mittel bei der Besetzung der Dienst- rifrechtlichen Vorschriften und den üblichen An- posten angesehen, das jedoch andere Mittel der forderungen im Bundeskanzleramt und im Bun Personalgewinnung nicht überflüssig macht. desministerium des Innern zu richten haben. Kanzler und Minister hätten jedoch darauf An- Die Bundesregierung hat für die Beweiserhebung spruch, ihre Büros ausnahmslos mit tüchtigen dem Ausschuß auf dessen Ersuchen Sachverständige Beamten und Angestellten zu besetzen, die ent- benannt, und zwar für das Bundeskanzleramt Mini- sprechend der politischen Natur der Tätigkeit in sterialdirigent Dr. Haacke (BMF), für den Geschäfts- einem derartigen Büro darüber hinaus das unein- bereich des Bundesministeriums des Innnern Mini- geschränkte Vertrauen des Kanzlers bzw. des sterialrat Dimpker (BMI) und für den Bundesnach- Ministers genießen (Gutachten Dok. Nr. 84, S. 2/3, richtendienst Erster Direktor Rieck (BND). Dimpker 8/28, 8/29) . Die Sachverständigen Dimpker und Rieck wurden in Der Sachverständige Dr. Haacke hat nach Über- öffentlicher Sitzung gehört. Der Sachverständige prüfung des bei der Besetzung von Dienstposten Dr. Haacke hat sein Gutachten schriftlich erstattet. im Bundeskanzleramt seit 1949 gehandhabten Verfahrens und nach Einsichtnahme in Personal- akten der beamteten Referenten und Hilfsrefe- II. renten im Kanzlerbüro seit 1949 keine Abwei- chungen von den gesetzlichen Bestimmungen Die Beweisaufnahme hat im einzelnen folgendes des Beamtenrechtes feststellen können (Gut- ergeben: achten Dok. Nr. 84 S. 13, 14). Er hat sich jedoch mit gewissen Einschränkungen zur Eingruppie- 1. Die Sachverständigen Dr. Haacke (Gutachten rung der im Kanzlerbüro seit 1949 im höheren Dok. Nr. 84, S. 5 bis 8) und Dimpker (8/12) be- Dienst tätigen Angestellten geäußert. Der Sach- grüßen die im Beamtenrecht vorgesehene Rege- verständige hat mit Ausnahme derjenigen An- lung, „andere Bewerber" zu berücksichtigen, gestellten, die nur für kurze Zeit im Kanzler- wenn sie — ohne die laufbahnmäßigen Voraus- büro beschäftigt worden waren, sämtliche Per- setzungen zu erfüllen — die für die vorgesehene sonalakten daraufhin überprüft, ob im jeweiligen Verwendung erforderliche Lebens- und Berufs- Einzelfall die tariflichen Vorschriften beachtet erfahrung innerhalb oder außerhalb des öffent- worden sind. Er bemängelt die nicht immer ge- lichen Dienstes erworben haben (§§ 7 Abs. 1 nauen Beschreibungen der Tätigkeitsmerkmale Nr. 3 b, 21 BBG, § 32 Abs. 1 BLV). Dadurch würde in den Personalakten. Diese übrigens auch in den es .der Verwaltung in Einzelfällen ermöglicht, auf Personalakten anderer Behörden immer wieder die besonderen Fähigkeiten und Erfahrungen von feststellbaren Versäumnisse hätten jedoch in den Fachleuten zurückzugreifen, die sich auf einem letzten Jahren zunehmend behoben werden kön- der künftigen Laufbahn entsprechenden Gebiet nen. Im Ergebnis bescheinigt der Sachverstän- und in vergleichbarer Position qualifiziert haben dige dem Bundeskanzleramt, auch in den Auf- (Feststellung der Befähigung durch den Bundes- baujahren nach 1949, als eine Personalvertretung personalausschuß). Die zunehmende Zahl der Be- bei Einzelpersonalmaßnahmen noch nicht mit- schäftigung „anderer Bewerber" — besonders in wirkte (1949 bis 1955), trotz weitherziger An- der höheren Laufbahn hat der Sachverständige wendung der Bestimmungen bemüht gewesen zu Dimpker für den Bereich des Bundesministeriums sein, die Grenzen des Tarifrechts nicht zu über- des Innern hervorgehoben (8/19, 8/20). schreiten (Gutachten Dok. Nr. 84, S. 14/15). Beide Sachverständige haben grundsätzlich auf Nach den Feststellungen des Sachverständigen die Schwierigkeiten bei der im Tarifrecht übli- Dimpker sind bei der Besetzung des Minister- chen Eingruppierung nach Tätigkeitsmerkmalen büros des Bundesministeriums des Innern die hingewiesen. Der Sachverständige Dr. Haacke hat allgemeinen Grundsätze des Beamten- und Tarif- Zweifel geäußert, ob — bedingt durch die in den rechtes stets beachtet worden. Er hat betont, daß Tätigkeitsmerkmalen enthaltenen unbestimmten es sich bei den Persönlichen Referenten der je- Rechtsbegriffe und der ,damit verbundenen weiligen Minister (seit 1949) sowie bei den übri- schwierigen Rechtsanwendung — in der Tarif- gen Referenten und Hilfsreferenten des Minister- wirklichkeit stets so verfahren wird, wie es bei büros fast ausschließlich um Beamte handelte, enger Auslegung der Tätigkeitsmerkmale und die eine abgeschlossene wissenschaftliche Aus- des Tarifvertrages zulässig gewesen wäre (Gut- bildung und die für den höheren Dienst vorge- achten Dok. Nr. 84, S. 10/11). Im Geschäftsbereich sehene Laufbahnausbildung durchlaufen hatten des Bundesministeriums des Innern wurden nach (8/23) . den Ausführungen des Sachverständigen Dimp- ker in jüngerer Zeit in Zweifelsfällen der Ein- 3. Die Sachverständigen Dr. Haacke und Dimpker gruppierung Arbeitsplatzüberprüfungen durchge- haben ihre grundsätzliche Überzeugung bekun- führt (8/19). det, daß auch im übrigen im Bundeskanzleramt Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

und im Geschäftsbereich des Bundesministeriums richtendienstes seit 1956 in den gesetzlich vorge des Innern (BMI und BfV) bei der Einstellung schriebenen Fällen nicht beteiligt wurde (7/210). oder Umsetzung von Bediensteten die beamten- und tarifrechtlichen Vorschriften eingehalten Der Sachverständige schließt jedoch nicht aus, worden sind. Sie haben jedoch darauf hingewie- daß eine gründliche Überprüfung aller früheren sen, daß ein gewisser Bereich (bis Mitte der 50er Personalvorgänge, die allerdings den Einsatz Jahre) nicht mehr voll überschaubar gewesen einer Sonderarbeitsgruppe erfordert hätte, zu sei (Dr. Haacke Dok. Nr. 84, S. 12, 19, 20; Dimp- anderen Ergebnissen führen könnte (7/195). Dies ker 8/16, 8/17). gelte besonders für den Angestelltenbereich, da erst ab 1965 für die betreffenden Dienstposten Der Sachverständige Dr. Haacke stützt seine genaue Arbeitsplatzbeschreibungen von den zu- Überzeugung auf die persönliche Befragung von ständigen Stellen im Bundesnachrichtendienst Personalreferenten, die seit dem Jahre 1957 und angefertigt wurden, um die leistungsgerechte 1959 ununterbrochen mit der Bearbeitung von Eingruppierung entsprechend den geltenden tarif- Personalangelegenheiten befaßt waren, auf die rechtlichen Bestimmungen sicherzustellen (7/195). stichprobenartige Einsichtnahme in Personal- Die vorher bestehenden sehr groben Anforde- akten des Bundeskanzleramtes sowie auf die rungsprofile hätten nicht als Arbeitsplatzbe- Darstellungen des Bundeskanzleramtes über das schreibungen im Sinne der tarifrechtlichen Be- Verfahren bei der Besetzung von Dienstposten, stimmungen angesehen werden können (7/199). der Beteiligung der Personalvertretung sowie des Bundespersonalausschusses Gutachten Dok. Als mitursächlich für eine nach seiner Auffas- Nr. 84, S. 12). Er hat bei den von ihm vorgenom- sung nicht auszuschließende Verletzung tarif- menen Überprüfungen in keinem Fall den Ein- rechtlicher Bestimmungen bezeichnet der Sach- druck gewonnen, daß z. B. bei dem Fehlen von verständige die früher übliche Dezentralisierung Laufbahnvoraussetzungen die erforderliche Ent- aller Aufgabenbereiche im Bundesnachrichten- scheidung des Bundespersonalausschusses nicht dienst, die es Organisationseinheiten ermöglicht eingeholt oder der Ermessenspielraum bei der hätte, Einstellungen im Angestelltenbereich ohne Eingruppierung von Angestellten nach den Ta- Beteiligung der Personalstellen vorzunehmen rifbestimmungen überschritten worden wäre (7/195, 7/199). Arbeitsverhältnisse, die (in drei (Gutachten Dok. Nr. 84, S. 20). oder vier Fällen) aufgrund einer im Bundes- nachrichtendienst bestehenden Regelung des Der Sachverständige Dimpker hat sich bezüg- Verbotes der Beschäftigung naher Angehöriger lich der von ihm getroffenen Feststellungen auf von Bediensteten im Bundesnachrichtendienst ab seine langjährige Praxis im Personalwesen des Besoldungsgruppe B 3 aufwärts („Verwandten- Geschäftsbereichs des Bundesministeriums des erlaß") im Wege der gütlichen Einigung aufge- Innern sowie auf die Befragung von Mitarbei- löst wurden, haben dagegen nach Meinung des tern berufen, jedoch einschränkend darauf hin- Sachverständigen die Frage der fachlichen Quali- gewiesen, daß Personalakten aus der Zeit von fikation dieser im Dienst beschäftigten nahen 1949 bis Mitte der fünfziger Jahre größtenteils Angehörigen nicht berührt (7/204, 7/205). nicht mehr zugänglich waren (8/16, 8/17). Die An- wendung des Tarifrechtes im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern wird von ihm III. dahin gehend gekennzeichnet, daß die zwingen- den Tarifmerkmale stets eingehalten, gleichwohl Der Ausschuß hat weiter im Zusammenhang mit im wohlverstandenen Interesse der Bediensteten dem Untersuchungsgegenstand die Frage geprüft, in nicht besonders engherzig ausgelegt wurden welchen Fällen und gegebenenfalls warum es zu (8/22). Er hat weiter versichert, daß der Bundes- Konflikten zwischen Personalrat und Dienstbehörde personalausschuß im Geschäftsbereich des Bun- gekommen ist (Nr. 4 des 3. Beweisbeschlusses). Die desministeriums des Innern in jedem Falle be- Beiweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte dafür er- teiligt wurde, soweit eine Personalmaßnahme geben, daß im Bundeskanzleramt und im Geschäfts- bereich des Bundesministeriums des Innern die Be- ohne eine entsprechende Ausnahme von lauf-- bahnrechtlichen Vorschriften nicht zulässig ge- teiligungsrechte des Personalrates nicht beachtet wesen wäre (8/31). worden sind. Die Sachverständigen Dr. Haacke und Dimpker haben vielmehr bestätigt, daß der Personal- rat früher auch " in den gesetzlich nicht zwingend 4. Der Sachverständige Rieck hat für den Bereich vorgeschriebenen Fällen beteiligt wurde und die des Bundesnachrichtendienstes gestützt auf ent- vom Personalvertretungsgesetz vorgesehene Eini- sprechende Auskünfte der mit Einstellungen be- gungsstelle bislang nicht angerufen werden mußte faßten Personalbearbeiter sowie (für die Zeit (Gutachten Dok. Nr. 84, S. 21/22; Dimpker 8/31, 8/32). von 1961 bis 1969) aufgrund von Stellungnahmen der damaligen Unterabteilungsleiter Personal Im Bereich des Bundesministeriums des Innern hat ausgeführt, er habe keine Einzelfälle von Einstel- nach den Ausführungen des Sachverständigen Dimp- lungen oder Umsetzungen unter Nichtbeachtung ker der Personalrat lediglich in zwei Fällen Perso- beamten- und tarifrechtlicher Vorschriften fest- nalmaßnahmen widersprochen, wobei in dem einen stellen können (7/195, 7/229). Auch wären ihm Fall eine gesetzliche Beteiligungspflicht des Perso- keine Fälle bekanntgeworden, daß der Bundes- nalrates nicht bestanden habe (8/31). Der Sachver- personalausschuß im Bereich des Bundesnach ständige Dr. Haacke hat zu der dem Ausschuß vor- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 liegenden Liste der Konfliktfälle im Bundeskanzler- fällen angesichts der Tatsache, daß die Personalver- amt (15 Einzelfälle) festgestellt, es habe sich hierbei tretung seit dem Jahre 1955 nahezu bei jeder einzel- fast ausschließlich um Mitwirkungsfälle gehandelt, nen Personalmaßnahme von Beamten und Angestell- so daß sich die Dienststelle über die Einwendungen ten bei der Einstellung, Beförderung, Versetzung und der Personalvertretung nach dem Personalvertre- Entlassung beteiligt werden mußte, als außerordent- tungsgesetz hinwegsetzen konnte. Nach Auffassung lich gering bezeichnet werden (Gutachten Dok. des Sachverständigen muß die Zahl von 15 Konflikt Nr. 84, S. 21/22).

- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

2. Abschnitt: Begründung zu den Untersuchungsgegenständen „Guillaume" und „Aktenvernich- tung im BND" (Auffassung der Mehrheit) — Abg. Dr. Hirsch, FDP —

A. Vorbemerkung zur Vollständigkeit der In der 6. Sitzung des Ausschusses, nämlich am Aktenvorlage 14. August 1974, wurde dieses vereinbarte und schriftlich bestätigte Verfahren der Aktenvorlage Art und Umfang der Aktenvorlage ist vom Unter- von dem Abgeordneten Gerster beanstandet, indem suchungsausschuß mehrfach erörtert worden. Unmit- er behauptete, in der vorerwähnten Besprechung telbar nach Anforderung der ersten Akten durch den vom 11. Juli 1974 nicht zugestimmt zu haben (6/18 ff., Ausschuß hat der Parlamentarische Staatssekretär 6/126 ff.). Dr. Schmude um eine Besprechung mit Vertretern Der Ausschuß beschloß auf seinen Antrag, die Bun- aller im Ausschuß vertretenen Fraktionen gebeten, desregierung zu ersuchen, den drei Mitgliedern des die am 11. Juli 1974 stattfand und an der die Abge- Ausschusses, die gleichzeitig Mitglieder des sog. ordneten Dr. Arndt, Gerster, Dr. Hirsch und Vogel Parlamentarischen Vertrauensmännergremiums sind, (Ennepetal) sowie der Parlamentarische Staatssekre- Einsicht in die vollständigen Originalakten zu ge- tär Dr. Schmude und der Ministerialdirektor Smoyd- währen. Er beschloß ferner auf Antrag des Abg. Dr. zin (BMI) teilgenommen haben. Hirsch, daß eine geschwärzte oder herausgenom- Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schmude er- mene Stelle jeweils dem gesamten Ausschuß zur klärte dabei, es gebe nach Auffassung der Bundes- Kenntnis zu bringen sei, wenn auch nur einer der regierung Angaben, die in den Akten durch Schwär- drei Vertrauensmänner das verlange. zung oder Herausnahme unleserlich zu machen Der Bundesminister des Inneren und der Chef des seien, nämlich Bundeskanzleramtes erklärten sich durch Schreiben vom 23. bzw. 24. August 1974 bereit, den stellvertre- 1. alle Hinweise, die unmittelbar oder mittelbar tenden Ausschußmitgliedern Manfred Schulte (Unna, eine besondere Quelle des Verdachts gegen Guil- SPD), Friedrich Vogel (Ennepetal, CDU) und Victor laume erkennen ließen (— die im folgenden Be- Kirst (FDP) volle Einsicht in die Originale der dem richt als besondere nachrichtendienstliche Me- Ausschuß übersandten Ablichtungen zu gewähren. thode bezeichnet wird —), Die Einsichtnahme in die Akten des BMI erfolgte am 2. alle Hinweise auf noch akute und im Ermittlungs- 28. August 1974. Daraufhin wurden 12 Aktenblätter stadium befindliche Verdachtsfälle (zwei Perso- nachgereicht und von 37 Blättern Inhaltsangaben nen) und vorgelegt. 3. alle Hinweise auf Personen, die ihre Angaben Die vom Bundeskanzleramt angebotene Einsicht- (zum Teil Vermutungen) in der Erwartung ge- nahme in die Originale aller von dort übersandten macht haben, daß sie im BfV absolut vertraulich Ablichtungen ist weder erfolgt noch auch nur von behandelt werden (Quellenschutz). einem der drei Vertrauensmänner gewünscht wor- Es solle jedoch jeweils kenntlich gemacht werden, den. welche Stellen unleserlich gemacht bzw. herausge- In der 10. Sitzung des Ausschusses wurde auf An- nommen würden und aus welchem der drei genann- trag des Abg. Dr. Hirsch beschlossen, die Bundes- ten Gründe das jeweils geschehe. regierung zu ersuchen, den drei Vertrauensmännern Nach eingehender Aussprache wurden am Ende der Einsicht in das Original des sog. Mercker-Berichtes Besprechung keine Bedenken gegen dieses Verfah- zu gewähren, sofern die Bundesregierung es für er- ren geltend gemacht. Dem Ausschuß stand es über- forderlich halte, bestimmte Stellen des Berichtes zu dies frei, dazu weitere Beschlüsse zu fassen. schwärzen (10/10 f.). Mit Schreiben vom 6. Septem- Nach einer Unterredung mit dem Generalbundes- ber 1974 erklärte sich der Chef des Bundeskanzler- anwalt war außerdem vereinbart worden, daß Akten, amtes damit einverstanden. die erst nach dem 1. März 1974 entstanden sind, zu- In der 7., 9., 11., 15. und 21. Sitzung des Untersu- nächst nicht vorzulegen seien. Bei der Vorlage der chungsausschusses wurde erneut über die Vollstän- Akten wurde entsprechend verfahren. Mit Schreiben digkeit der Aktenvorlage verhandelt (7/15 ff., vom 19. Juli 1974 an den Vorsitzenden des 2. Unter- 9/111 ff., 162 ff., 11/121 ff., 15/34 ff., 21/20 ff.). Soweit suchungsausschusses Dr. Wallmann bestätigte der dabei von einem Ausschußmitglied der Vorwurf er- Bundesminister des Inneren die getroffene Verein- hoben wurde, die Bundesregierung habe Teile der barung, versicherte die Übereinstimmung von Origi- angeforderten Akten zurückgehalten, wurde jeweils nal und Ablichtungen und erklärte sich bereit, einem vom Ausschuß unverzüglich die Beweisaufnahme vom Ausschuß zu ermächtigenden Mitglied, das das beschlossen und durch Vernehmung von Vertretern Vertrauen des Ausschusses besitze, Einblick in alle der Bundesregierung sowie nachgeordneter, mit der Unterlagen zu gewähren. Ablichtung der angeforderten Akten beschäftigter Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Beamter durchgeführt. Der Ausschuß hat dabei fest- Im Anschluß daran führte Guillaume ein Geschäft gestellt, daß ein mit den Ablichtungen betrauter Be- seiner Schwiegermutter weiter, das diese seit dem amter versehentlich einzelne wenige Blätte r nicht 9. Juli 1956 als Kaffeestube mit Einzelhandel be- vervielfältigt und in einem anderen Fall deswegen trieb. nicht abgelichtet hatte, weil er sie für unbedeutend Seit Anfang der sechziger Jahre übernahm hielt, so einen Zeitungsartikel aus „Bild am Sonn- Guillaume in zunehmendem Maße Aufträge als tag" vom 20. Mai 1973 und eine private Postkarte Werbefotograf und Journalist für die Monatszeit- Guillaumes. Der Ausschuß hat festgestellt, daß die schrift und Wahlschriften des Bezirks Hessen-Süd Bundesregierung in keinem Fall Akten ganz oder der SPD. teilweise dem Ausschuß vorenthalten hat, und daß es sich bei den festgestellten Fehlern um Versehen Hierbei handelte es sich um eine freiberufliche in der Absicht gehandelt hat, dem Ausschuß die Tätigkeit. Das Einzelhandelsgeschäft wurde im Mai angeforderten umfangreichen Unterlagen so schnell 1963 abgemeldet. wie möglich vorzulegen. Der Vorwurf der Manipula- Nachdem Guillaume 1957 in die SPD eingetreten tion ist durch die Beweisaufnahmen überzeugend war und in der Folgezeit verschiedene Parteifunk- widerlegt worden. tionen auf örtlicher Ebene ausgeübt hatte, wurde er am 1. März 1964 Geschäftsführer für den Unter- bezirk Frankfurt der SPD. Ab Mai 1968 arbeitete er B. Der Untersuchungsgegenstand „Guillaume" als Geschäftsführer der SPD-Stadtverordnetenfrak- tion in Frankfurt; außerdem wurde er im Oktober 1968 in die Stadtverordnetenversammlung gewählt 1. Die Einstellung Guillaumes in und war im Frankfurter Wahlkreis 140 Wahlkreis- das Bundeskanzleramt unter dem Gesichtspunkt beauftragter des Bundesministers , der der fachlichen Qualifikation bei der Bundestagswahl 1969 einen hohen Anteil an Erststimmen erreichen konnte. Der Untersuchungsausschuß prüfte diese Frage unter dem Gesichtspunkt, ob Günter Guillaume im Bundes- Die Ehefrau Guillaumes arbeitete zunächst in einem kanzleramt eingestellt worden ist, obwohl seine Verlag in Frankfurt/Main, von 1957 bis 1964 als fachliche Qualifikation nicht den geltenden dienst- Sekretärin im Bezirk Hessen-Süd der SPD und an- oder tarifrechtlichen Erfordernissen entsprach. schließend in der Staatskanzlei in Wiesbaden. Dort war sie zunächst Sekretärin des damaligen Staats- sekretärs Birkelbach, danach Sachbearbeiterin. Im 1. Der berufliche Werdegang Guillaumes bis zu seiner Februar 1971 übernahm sie eine Stellung als Sach- Einstellung im Bundeskanzleramt bearbeiterin in der Landsvertretung Hessen beim Bund in Bonn. Aus den verschiedenen von Günter Guillaume abge- gebenen Erklärungen und vorgelegten Papieren er- gibt sich folgender beruflicher Werdegang; 2. Der Einstellungsvorgang im Bundeskanzleramt Von 1933 bis 1941 besuchte Guillaume die Volks- Nach dem Regierungswechsel im Oktober 1969 be- schule in Berlin, der eine Ausbildung als Fotograf stand ein besonderes Interesse am Ausbau der ge- folgte. Im Jahr 1944 gehörte Guillaume drei Monate setzgeberischen Arbeit auf sozialpolitischem Gebiet. dem Reichsarbeitsdienst an, bis er am 6. Januar 1945 In der Regierungserklärung hatte Bundeskanzler zur Wehrmacht einberufen wurde. Nachdem er im Brandt u. a. die Zusammenfassung des Arbeitsrechts Mai 1945 für die Dauer von etwa sechs Wochen in einem Arbeitsgesetzbuch, des Sozialrechts in in britische Kriegsgefangenschaft geraten war, ar- einem Sozialgesetzbuch, die Reform des Betriebs- beite er bis zum Jahresende in Schleswig-Holstein verfassungsgesetzes und des Personalvertretungs- als Landarbeiter. Von dort kehrte Guillaume 1946 gesetzes sowie die Erörterung des Mitbestimmungs- nach Berlin zurück. Er arbeitet dort als Fotograf, zu- berichts angekündigt. Der damalige Leiter der Ab- letzt als Technischer Redakteur im Ostberliner Ver- teilung III im Bundeskanzleramt („Wirtschafts-, Fi- lag „Volk und Wissen". Am 13. Mai 1956 erreichte nanz- und Sozialpolitik"), Ministerialdirektor Dr. Guillaume mit seiner Frau West-Berlin und von dort Ehrenberg, hielt daher die Besetzung einer Stelle auf dem Luftweg die Bundesrepublik, wo sich das in seiner Abteilung für dringend erforderlich, die Ehepaar am 13. Mai 1956 in Frankfurt/Main nieder- für die Verbindung zu Arbeitgeberverbänden und ließ. Gewerkschaften unter Berücksichtigung besonderer Probleme zuständig sein sollte. Dort eröffnete er mit seiner Frau am 15. August 1956 ein Schreibbüro und übernahm zum 1. September Nachdem Guillaume an Dr. Ehrenberg wegen einer 1956 auch Vervielfältigungen und Fotokopien. Die- möglichen Verwendung in Bonn herangetreten war, ses Geschäft wurde bis zum 1. April 1957 betrieben. beabsichtigte dieser, ihn als Hilfsreferenten in sei- In der Zeit vom 5. November 1956 bis 28. Februar ner Abteilung für diesen speziellen Aufgabenkreis 1957 war Guillaume als kaufmännischer Angestell- einzustellen. Am 11. November 1969 stellte er ihn ter im Baubüro Auweiler in Frankfurt tätig. Im An- dem damaligen Chef des Bundeskanzleramtes, Bun- schluß war er bis zum 31. Mai 1957 im Finken-Verlag desminister Prof. Dr. Ehmke, und den zuständigen in Oberursel/Taunus in der Abteilung Herstellung Herren der Personalabteilung vor. Hierbei wurde und Vertrieb sowie als Werber bei Ausstellungen eine Einstellung Guillaumes zum 1. Januar 1970 in beschäftigt. Aussicht genommen, ohne daß jedoch eine rechts- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode verbindliche Zusage gegeben wurde, wie alle hierzu gekündigten Reformen bedürfen sorgfältiger gehörten Zeugen übereinstimmend bekundet haben Vorbereitung, die nicht allein in den Ressorts (Ohlsson 7/126; Kern 7/53). erfolgen kann. Herr Guillaume soll speziell für diese Aufgaben in der Abteilung III eingestellt Am 13. November 1969 übersandte das Personal- werden. Er bringt hierfür aufgrund seiner bis- referat Guillaume einen Personalbogen sowie den herigen Tätigkeit und seines Lebensalters mehr Fragebogen für die Sicherheitsüberprüfung; danach und bessere Erfahrungen mit, als ein Hilfs- hatte Guillaume u. a. Angaben zu machen zu referent nach abgeschlossenem Studium und — seinem Lebenslauf nach einigen Jahren Tätigkeit bei einer Bun- desbehörde auch bei großer persönlicher Eig- — seiner Berufsausbildung nung haben kann. Die Einstellung von Herrn — seiner bisherigen Berufstätigkeit Guillaume steht deshalb auch mit den bereits in der 5. Legislaturperiode noch neu formulier- — seiner jetzigen und früheren Zugehörigkeit oder Mitarbeit in kommunistischen oder anderen Or- ten Grundsätzen über eine 'Öffnung des öffent- lichen Dienstes und über eine Verbesserung ganisationen in der DDR (Parteien, Gewerk- der personellen Mobilität im Einklang. Den schaften) vom Personalrat geäußerten Verdacht, daß ein — sonstigen Betätigungen oder Kontakten, die für nicht geeigneter Bewerber nur mit Rücksicht die Bewertung eines eventuellen Sicherheits- auf seine politische Betätigung und Einstellung risikos von Bedeutung sein können bevorzugt werden soll, muß ich entschieden zu- — Personen, die über seine berufliche Qualifika- rückweisen. Die vorgesehene Eingruppierung tion und seine Person Auskunft geben können. von Herrn Guillaume entspricht seinen Kennt- nissen und seiner Aufgabe. Sein Gehalt im Neben dem ausgefüllten Personal- und Sicherheits- Bundeskanzleramt wird in etwa seinen Ein- bogen reichte Guillaume am 28. November 1970 ver- kommensverhältnissen als Geschäftsführer der schiedene Zeugnisse ein: — Baubüro Auweiler vom Frankfurter Rathausfraktion entsprechen." — 31. Januar 1957, SPD-Bezirk Hessen-Süd vom 18. Mai Von dem Angebot des Zeugen Prof. Dr. Ehmke, die 1968, SPD-Fraktion der Stadtverordnetenversamm- vorgetragenen Bedenken gegen Guillaume münd- lung Frankfurt/Main vom 31. Dezember 1969. lich zu erörtern, hat der Personalrat keinen Ge- brauch gemacht. Den späteren Höhergruppierungen Am 4. Dezember 1969 teilte der Leiter der Gruppe Guillaumes hat der Personalrat jeweils ohne Ein- Personal des Bundeskanzleramtes dem Personalrat wendungen zugestimmt. mit, daß die Einstellung Guillaumes zum 1. Januar 1970 in der Vergütungsgruppe II a BAT unter Ver- Zu den nach dem Bundesangestellten-Tarifvertrag wendung in der Abteilung III vorgesehen sei und erforderlichen Voraussetzungen hat der Ausschuß bat um Stellungnahme. festgestellt: Mit Schreiben vom 10. Dezember 1969 lehnte der Die Vergütungsgruppe II a BAT umfaßt „Angestellte Personalrat die Einstellung Guillaumes mit der Be- mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschul- gründung ab, die Verwendung als Hilfsreferent in bildung und mit entsprechender Tätigkeit sowie der Wirtschaftspolitischen Abteilung des Bundes- Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Tätigkeit kanzleramtes habe bisher eine wissenschaftliche und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten Hochschulbildung vorausgesetzt und der Bewerber ausüben" (Allgemeine Vergütungsordnung für den Guillaume besitze nicht die entsprechenden fach- Bereich des Bundes und der Länder — Anlage 1 a lichen Voraussetzungen. Nach Rücksprache mit Dr. zum BAT). Ehrenberg und nachdem die Sicherheitsüberprüfung Bei der Frage, ob die fachliche Qualifikation Guil- Guillaumes abgeschlossen war, antwortete Prof. Dr. laumes diesen geltenden dienstrechtlichen Erforder- Ehmke unter dem 28. Januar 1970 dem Personalrat, nissen entsprach, kommt es also darauf an, ob er daß er trotz der ablehnenden Stellungnahme des nach seiner Vorbildung und seiner beruflichen Tätig- Personalrates die Einstellung Guillaumes beabsich- keit Fähigkeiten und Erfahrungen erworben hatte, tige und auf Wunsch zu einer ergänzenden münd- die denen eines akademisch Vorgebildeten gleich- lichen Stellungnahme bereit sei. Zur Begründung- wertig sind. Zur Definition der „gleichwertigen" führte er aus: Fähigkeiten führt das Bundesarbeitsgericht ,aus, daß diese zwar nicht dieselben seien, wie sie ein abge- — „In den Zuständigkeitsbereich der Abteilung III schlossenes Hochschulstudium vermittle, wohl aber fallen ohne Nennung einiger Nebenbereiche ähnliche und deshalb nicht geringere Fähigkeiten neben der Wirtschaftspolitik auch die Finanz- (BAG in AP Nr. 38 zu BAT § 22). Außerdem kam es und Sozialpolitik; da der sozialpolitischen Ar- darauf an, ob der Bewerber Guillaume eine „ent- beit in der Regierungserklärung vom 28. Okto- sprechende Tätigkeit" ausüben sollte. ber 1969 eine besonders große Bedeutung ge- geben worden ist, muß ihr in der Abteilung III Zu der Frage, ob Guillaume über solche Fähigkeiten auch eine entsprechende Aufmerksamkeit ge- verfügte und daher für die vorgesehene Funktion widmet werden. Dies erfordert u. a. einen en- eines Hilfsreferenten mit der speziellen Zuständig- gen Kontakt zu den verschiedenen gesell- keit für Verbindung zu Gewerkschaften und Arbeit- schaftlichen Gruppen und eine laufende Beob- geberverbänden geeignet war, bekundete der Leiter achtung der Meinungsbildung bei Gewerk- der Personalabteilung, der Zeuge Ministerialdirek- schaften und Arbeitgeberverbänden. Die an tor Dr. Kern: Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

- Guillaume sei damals in vierjähriger Tätigkeit Guillaume nicht ermessensfehlerhaft gehandelt hat als Geschäftsführer des SPD-Unterbezirks (vgl. Dok. Nr. 84, S. 18). Frankfurt/Main tätig gewesen. Dieser sei mit Aufgrund dieser Ergebnisse der Beweisaufnahme etwa 12 000 Mitgliedern und 40 Ortsvereinen hat der Untersuchungsausschuß festgestellt, daß die der stärkste Unterbezirk gewesen. Guillaume fachlichen Qualifikationen des Günter Guillaume bei hätte dabei mehrere hauptamtliche Mitarbeiter seiner Einstellung den tariflichen Erfordernissen der unter sich gehabt. Seine Aufgaben wären or- Vergütungsgruppe II a BAT entsprachen, in die er ganisatorischer und kommunikativer Art ge- eingruppiert werden sollte. wesen. Er hätte zahlreiche Verbindungsauf- gaben zu erledigen gehabt, zu kommunalen und anderen staatlichen Stellen, Verbänden, Gewerkschaften und Presse. Ferner sei Guil- II. Die Sicherheitsüberprüfung bei der Einstellung laume etwa 1 1/2 Jahre tätig gewesen als Ge- Guillaumes im Bundeskanzleramt schäftsführer der SPD-Fraktion des Stadtpar- laments Frankfurt/Main mit den oben geschil- Der Ausschuß untersuchte den Ablauf der Sicher- derten Aufgaben. Darüber hinaus sei er verant- heitsüberprüfung unter dem Aspekt, ob bei der An- wortlich gewesen für die Aufstellung der Ta- stellung 'des unter Spionageverdacht verhafteten gesordnungen für Fraktions- und Fraktions- Günter Guillaume im Bundeskanzleramt Hinweise vorstandssitzungen, Protokollführung und nachrichtendienstlicher Stellen vorlagen, die die An- Kontrolle der Durchführung gefaßter Be- stellung Guillaumes unter dem Gesichtspunkt des schlüsse (7/47). Geheimschutzes als bedenklich erscheinen ließen Aus diesen Gründen sei Guillaume für die und welchen Stellen und Personen derartige Hin- vorgesehene Position sehr gut geeignet gewe- weise bekanntgemacht worden sind. sen. Für einen Laufbahnbeamten wäre es schwer gewesen, den Anforderungen gerecht zu werden (7/71). Es sei bei dieser Position ja 1. Die Maßnahmen des Bundeskanzleramtes nicht so sehr darauf angekommen, daß man im Am 4. Dezember 1969 teilte der Gruppenleiter ministeriellen Bereich Erfahrungen habe, son- Personal der Gruppe Sicherheit des Bundeskanzler- dern mehr, daß man den Ansprechpartner ab- amtes mit, daß die Einstellung Guillaumes als Hilfs- schätzen könne, ihn und das Metier kenne referent in der Abteilung III beabsichtigt sei. Er (7/63) . fügte die von Guillaume ausgefüllte Sicherheits- Ein abgeschlossenes Hochschulstudium habe er erklärung vom 28. November 1969 bei und bat um auch bei den Vorgängern Guillaumes in diesen Äußerung, ob sicherheitsmäßige Bedenken gegen Positionen nicht erkennen können (7/48). die Beschäftigung im Bundeskanzleramt bestünden. Diese Einschätzung wurde von den übrigen Beamten Daraufhin leitete der Sicherheitsbeauftragte die bei des Personalreferates, die der Ausschuß als Zeugen allen Personaleinstellungen übliche Sicherheitsüber- vernommen hat, geteilt. prüfung ein, die im Bundeskanzleramt aus zwei Überprüfungsvorgängen besteht: Dabei wurde von den Zeugen, die unmittelbar mit ihm zu tun hatten, insbesondere seine Kontakt- — einem nicht in den Sicherheitsrichtlinien vor- fähigkeit, sein Organisationstalent und die dabei gesehenen Vorverfahren, in dem das Bundes- bewiesene Zuverlässigkeit, aber auch die Intelli- kanzleramt selbst Auskünfte aus Karteien der genz, die er in Gesprächen zeigte und sein Fleiß Sicherheitsbehörden einholt, und hervorgehoben (Kern 7/74, 85, 125; Ohlsson 7/149). — dem Sicherheitsüberprüfungsverfahren nach Der zu der Frage der erforderlichen Qualifikations- den Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung merkmale für die Vergütungsgruppe II a BAT von Bundesbediensteten vom 24. August 1960, (zweite Alternative) gehörte Sachverständige Mini- das im wesentlichen vom Bundesamt für Ver- sterialrat Dimpker wies zudem darauf hin, daß im fassungsschutz durchgeführt wird. Gegensatz zum Beamtenrecht das Angestelltenrecht - von dem Prinzip der Tätigkeitsmerkmale beherrscht a) Am 5. Dezember 1969 forderte die Gruppe werde, so daß es im Tarifrecht entscheidend auf die Sicherheit des Bundeskanzleramtes beim Leiter des Ausübung der Tätigkeiten und nicht auf den Bil- Notaufnahmeverfahrens in Gießen die Notauf- dungsgang und den Werdegang ankomme (8/12 f.). nahmeakten zur Einsicht an. Am 8. Dezember 1969 Der ebenfalls befragte Sachverständige Ministerial- wurden die Sicherungsgruppe Bonn des Bundeskri- dirigent Dr. Haacke kam zu dem Ergebnis, die Ein- minalamtes, die Verbindungsstelle Bonn des Bun- gruppierung des Bewerbers Guillaume in der Vergü- desnachrichtendienstes (BND) und das Bundesamt tungsgruppe II a BAT habe deshalb nicht gegen das für Verfassungsschutz in Köln (BfV) um baldige Tarifrecht verstoßen, weil er aufgrund seiner Fähig- Karteiüberprüfung in bezug auf Guillaume und Mit- keiten und Erfahrungen eine Tätigkeit als Hilfs- teilung des Ergebnisses gebeten. Beigefügt wurden referent ausüben sollte, die der Tätigkeit eines An- je zwei Formblätter mit den Personalaufgaben des gestellten mit abgeschlossener beruflicher Hoch- Guillaume und seiner Ehefrau. schulbildung gleichwertig war. Er sprach die Über- Die drei Schreiben trugen — entsprechend der vom zeugung aus, daß das Bundeskanzleramt bei der BfV schon mit Schreiben vom 13. Januar 1966 ge Einstellung und Eingruppierung 'des Bewerbers äußerten Bitte und seither im Bundeskanzleramt Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode eingehaltenen Übung (26/120) — die Aufschrift Differenz verständlich erscheinen, rechtfertigte je- „EILT. Einstellungsüberprüfung". Auf den beige- doch nicht die Abfassung eines Vermerks, in dem fügten Belegen wurden vom BfV — nicht vom Bun- die Übereinstimmung aller Angaben festgestellt deskanzleramt — Stempel „eilt sehr" angebracht, wurde. wie bei allen vom Bundeskanzleramt kommenden Einstellungssachen (26/120). Die Sicherungsgruppe Bonn übersandte dem Bundes- kanzler auf seine Anfrage hin folgendes Fernschrei- Am 11. Dezember 1969 teilte der Karteiführer des ben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 10. De- BW als Ergebnis dieser einfachen Karteiüberprüfung zember 1969, in dem auf eine Mitteilung des Unter- telefonisch mit, daß keine Erkenntnisse über suchungsausschusses freiheitlicher Juristen (UfJ) Guillaume und seine Frau Christel vorlägen. vom 22. November 1955 hingewiesen wurde. Darin sei mitgeteilt worden, daß ein Unter dem Datum vom 10. Dezember 1969 über- sandte der Leiter des Notaufnahmelagers Gießen die — „Günter Guillaume, ca. 1925 geboren, wohn- Notaufnahmeakte Guillaumes aus dem Jahre 1956 haft: Birkenwerder (SBZ), beschäftigt als Foto- an das Bundeskanzleramt zur Einsichtnahme. Der graf beim Ostberliner Verlag „Volk und Wis- Zeuge Regierungsdirektor Hollenbach, Hilfsreferent sen", der Agententätigkeit in Berlin (West) im Sicherheitsreferat des Bundeskanzleramtes, nahm und der BRD verdächtigt wird. Im Juli 1956 einen Vergleich zwischen den Angaben Guillaumes soll Günter Guillaume in die BRD geflüchtet im Notaufnahmeverfahren und seinen Angaben in sein. Personengleichheit kann vermutet wer- der Sicherheitserklärung vom 28. November 1969 den. vor. Er fertigte einen handschriftlichen Vermerk, Beim LfV Berlin (Landesamt für Verfassungs- in dem es hieß, die Angaben in der Notaufnahme- schutz) sind keine Unterlagen vorhanden. akte stimmten mit denen der Erklärung überein. Die- Christel Guillaume, geb. Boom, hier nicht in ser Vermerk wurde dem Geheimschutzbeauftragten, Erscheinung getreten." — Ministerialdirigent Schlichter, zur Kenntnis gege- ben und von diesem am 12. Dezember 1969 abge- Wie der Untersuchungsausschuß durch Beiziehung zeichnet. Am 15. Dezember 1969 wurden die Akten der Akten des Untersuchungsausschusses freiheit- an das Notaufnahmelager in Gießen zurückgesandt. licher Juristen und des Polizeipräsidenten von Ber- lin festgestellt hat, hatte der UfJ in seinem Schrei- Die Angaben Guillaumes im Notaufnahmeverfahren ben vom 22. November 1955 die wesentlichen Punkte und in der Sicherheitserklärung vom 28. November einer Mitteilung weitergegeben, die er über Guil- 1969 wiesen jedoch Widersprüche auf. Im Notauf- laume erhalten hatte. Das Schreiben des UfJ vom nahmeverfahren hatte Guillaume angegeben, von 22. November 1955, gerichtet an den Polizeipräsiden- 1946 bis 1949 als Fotograf bei zwei Berliner Firmen ten von Berlin, hat folgenden Wortlaut: tätig gewesen zu sein, in der Sicherheitserklärung hatte er dagegen angegeben, von 1946 bis 1950 frei — „Betr.: Günter Guillaume, wohnhaft Birken- beruflich tätig gewesen zu sein. In der Notaufnahme- werder, ca. 30 bis 35 Jahre alt, beschäftigt akte hatte Guillaume angegeben, 1949 in den Ver- beim Ostberliner Verlag ,Volk und Wissen'. lag „Volk und Wissen" eingetreten zu sein, während Uns wird mitgeteilt, daß Guillaume oft seiner er in der Sicherheitserklärung behauptete, erst ab Arbeit unmotiviert fernbleibe. Seinem Ab- 1951 dem Verlag "Volk und Wissen" als technischer teilungsleiter, der der Sache nachgehen Redakteur angehört zu haben. Zur FDGB-Mitglied- wollte, sei von der SED-Parteileitung bedeu- schaft hatte Guillaume in der Notaufnahmeakte den tet worden, daß er sich darum nicht zu küm- Zeitraum von 1950 bis April 1956 angegeben, in der mern habe. Unser Berichter will wissen, daß Erklärung vom 28. November 1969 den Zeitraum Guillaume häufig nach West-Berlin geschickt von 1950 bis 1955. worden sei, um Aufnahmen von Exmittierun- Zu den Widersprüchen befragt, bekundete der Zeuge gen, Verhaftungen von Demonstrationsteilneh- Regierungsdirektor Hollenbach: mern, Anbringen von kommunistischen Losun- gen usw. zu machen. In der letzten Zeit sei — Er habe sicher einen Vergleich angestellt, die Guillaume häufig im Auftrage nach West- unterschiedlichen Angaben aber — zumal we-- deutschland gefahren. Vor vier Wochen sei gen des Zeitablaufes von 13 Jahren — darauf er nun völlig aus seinem Beschäftigungsbe- zurückgeführt, daß sie aus Unwissen abgege- trieb ausgeschieden. Unser Berichter vermu- ben worden seien (11/128 f.). Aus der Praxis tet, daß Guillaume nun ganz für ,Westarbeit' könne er sagen, schon viele Notaufnahmeakten freigemacht worden sei. Vor einiger Zeit habe gesehen zu haben, die unterschiedliche Anga- er im übrigen an einem Lehrgang teilgenom- ben gegenüber der später abgegebenen Erklä- men. Es sei strikt darauf geachtet worden, daß rung enthielten (11/125 f.). Er gebe aber zu nichts über die Art der Schule bekannt würde. und übernehme auch dafür die Verantwortung, Wir stellen Überprüfung der Person bei Auf- einen inhaltlich nicht richtigen Vermerk ge- tauchen anheim." — schrieben zu haben (11/134). — Aus dieser Aussage ergibt sich, daß der Zeuge zwar Am 3. August 1956 hatte der UfJ dem Polizeipräsi- Unterschiede festgestellt, diesen jedoch keine be- denten in Berlin noch folgendes mitgeteilt: sondere Bedeutung beigemessen hatte. Diese Wer- — „Betr.: Günter Guillaume, bislang beschäftigt tung mag in Ansehung der jeweils zeitlich geringen beim Ostberliner Verlag ,Volk und Wissen' Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Bezug: Unser Schreiben vom 22. November desministers des Innern eine Absprache, wo- 1956 nach das Bundeskanzleramt bei Einstellungen Anfragen direkt an die Sicherungsgruppe rich- Mit Bezug auf den Vorgang teilen wir Ihnen ten könne. Auf die Anfrage des Bundeskanz- mit, daß der Fotograf Guillaume vor etwa vier leramtes im Fall Guillaume habe die Siche- Wochen ,geflüchtet' sein soll. Irgendwelche rungsgruppe ein Fernschreiben nach Berlin, näheren Angaben hierzu wurden nicht ge- Frankfurt/Main und zum Landeskriminalamt macht. Wir stellen Nachprüfungen in Ihr Er- Wiesbaden abgesetzt. messen." — Das Antwortschreiben aus Berlin habe er an Aus dem Vergleich zwischen den Schreiben des das Bundeskanzleramt weitergeleitet. Irgend- UfJ, die dem Polizeipräsidenten in Berlin vorlagen, welche Nachfragen in bezug auf den Hinweis und seinem Fernschreiben an die Sicherungsgruppe auf die Erkenntnisse des UfJ seien nicht ange- Bonn ergibt sich, daß der Gehalt der Aussage des stellt worden (9/231 ff.). UfJ vom Polizeipräsidenten nur in stark verkürzter Form wiedergegeben worden ist und die wesent- Die Sicherungsgruppe habe davon ausgehen lichen Momente, nämlich Fernbleiben vom Arbeits- können — auch in anderen Fällen — alle Er- platz, Hinweise auf Lehrgang usw. weder erwähnt kenntnisse vermittelt zu bekommen. Auf Vor- noch angedeutet wurden. Der Verfasser des Fern- halt erklärte der Zeuge, bei den Anforderungs- schreibens an die Sicherungsgruppe Bonn, der Zeuge schreiben werde in der Regel nur nach Erkennt- Polizeiamtsrat a. D. Boehlke, bekundete: nissen gefragt, ein Grund, weshalb die An- frage erfolge, werde nicht angegeben. Auch bei — Als Leiter der Zentralkartei der Abteilung I den Anfragen aus dem Bundeskanzleramt sei in Berlin habe er die Aufgabe gehabt, das, nicht in jedem Fall erkenntlich gewesen, für was Kriminalpolizeibeamte ermittelt hätten, welche Position eine Einstellung vorgesehen den Stellen, die dazu berechtigt seien, mitzu- gewesen sei (9/234 f.). teilen, d. h. entweder davon Abschriften zu machen oder eine Zusammenfassung zu ge- Hieraus ergibt sich, daß die Anfrage routinemäßig ben (9/192). Bei der Abfassung des Fernschrei- so knapp wie möglich beantwortet und weitergege- bens an die SG Bonn habe ihm das Schreiben ben wurde. Zwar mag sich eine Erklärung für die des UfJ vom 22. November 1955 vorgelegen. verkürzte Darstellung des Tatbestandes durch den Er habe davon einen Auszug gemacht, soweit Zeugen Boehlke in großer Arbeitsbelastung finden ihm die Information wichtig erschienen sei. lassen; sinnvoller wäre es jedoch gewesen, wenn er Den vollen Wortlaut der Information habe er auch die Momente mitgeteilt hätte, die aus der Sicht deshalb nicht weitergegeben, weil es sich des UfJ die Vermutung für eine Agententätigkeit nach den ganzen ihm vorliegenden Unterla- begründeten, anstatt sich auf das Ergebnis der Mit- gen um eine Routinesache gehandelt habe teilung des UfJ zu beschränken. Denn schließlich (9/195 f.). können auch routinemäßige Anfragen bei den ver- Auf Vorhalt, ob ihm nicht aufgefallen sei, schiedensten Behörden im Rahmen einer Sicherheits- daß die Information des UfJ viel plastischer überprüfung nur dann sinnvoll sein, wenn diese Be- war und ob dies nicht hätte Verdacht erwek- hörden dann, wenn ihnen Material vorliegt, dieses ken müssen, führte der Zeuge aus, der Ab- auch zur Verfügung stellen. wesenheit von der Arbeitsstelle hätte er keine besondere Bedeutung beigemessen. Im übrigen Der BND beantwortete die Anfrage vom 8. Dezem- hätte dies der Kriminalpolizei auffallen müs- ber 1969 folgendermaßen am 17. Dezember 1969: sen und nicht ihm als Verwaltungsbeamten, — Nach einer auf ihren Wahrheitsgehalt hin nicht dem die Sache zugeschrieben worden sei, um mehr überprüfbaren Karteinotierung vom April eine Karteikarte anzulegen und sonst nichts 1954 soll Günter Guillaume, geb. am 1. Februar weiter zu veranlassen (9/198 f.). Aus den Akten 1927 in Berlin, damals wohnhaft Lehnitz, Flora- habe sich ergeben, daß die Kriminalpolizei straße 6, im Auftrag des Verlages „Volk und selbst die Angelegenheit für eine unbedeu- Wissen" die BRD mit dem Zweck bereist ha- tende Sache gehalten habe. Deshalb habe - ben, um Verbindungen zu Verlagen, Drucke- auch er zu der Erkenntnis kommen müssen, reien und Personen herzustellen und diese daß es kein Fall von wichtiger Bedeutung sei. dann östlich zu infiltrieren. Keine weiteren Er- So habe er nur eine Zusammenfassung gefer- kenntnisse. tigt und keine Abschrift des Schreibens des Die Ehefrau Christel G., geb. 6. Oktober 1927, UfJ (9/200 f.). hat hier keine Vormerkungen. Der Untersuchungsausschuß befaßte sich mit der Der Zeuge Schlichter unterrichtete den damaligen Frage, wie üblicherweise die Zusammenarbeit und Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Prof. der Informationsaustausch zwischen dem Bundes- Dr. Ehmke, über die vorliegenden Hinweise des BND kanzleramt und den anderen Behörden verlaufe. und des UfJ und erklärte, mit der Einstellung Guillaumes zum 1. Januar 1970 nicht einverstanden Dazu bekundete der Zeuge Oberregierungskriminal- zu sein. Der Zeuge Prof. Dr. Ehmke hielt es eben- rat Bürger vom Bundeskriminalamt, falls für notwendig, die Einstellung hinauszuschie- — zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Bun- ben. Er ordnete an, daß der Präsident des BND, Wes- deskriminalamt bestehe mit Billigung des Bun sel, der am 23. Dezember 1969 zu einer Routinebe- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode sprechung im Bundeskanzleramt sein sollte, bei die- 1969 zu Guillaume sowie die von der Unterabteilung ser Gelegenheit den Hintergrund und die Quellen des BND am 16. Dezember 1969 gegebene Antwort. eigenschaft der Meldung des BND näher erläutern Außerdem berichtete der Vermerk über den Hinter- sollte. grund der Quelle. Nicht erwähnt wurde jedoch der inzwischen gegebene Hinweis des Bundeskanzler- Der Zeuge Schlichter fertigte nach seinem Vortrag amtes, daß es auch eine Quellenmeldung des UfJ bei dem Zeugen Prof. Dr. Ehmke eine vom 23. De- gebe. zember 1969 datierte Notiz, in der er die für das wei- tere Vorgehen wesentlichen Punkte festhielt, und In der Antwort des Präsidenten des Bundesnachrich- versah sie mit dem Vermerk „zunächst nicht für die tendienstes, die er wegen Erkrankung am 23. De- Akten". zember 1969 fernschriftlich an den damaligen Chef des Bundeskanzleramtes richtete, ging er auch nicht Wie der Zeuge Schlichter erklärte, darauf ein, daß es einen Hinweis auf die Meldung — diente ihm diese Notiz als Gedächtnisstütze, des UfJ gab und welche Bedeutung diesem Umstand damit er — bei der Fülle der Sachen, die zu beizumessen sei. erledigen waren — hinterher wieder weiß, was er sich damals gedacht hat und wie es weiter- Das Fernschreiben hatte folgenden Wortlaut: gehen soll (11/44 f.). — „Betr.: G. Daraus und aus der Formulierung „zunächst nicht 1. Quelle ist zuverlässig, war zu der Zeit im für die Akten" ergibt sich, daß damit nicht der Zweck gleichen Verlag und hatte entsprechende Ein- verfolgt wurde, die persönliche Einschaltung des blicksmöglichkeiten. Chefs des Bundeskanzleramtes in dieser Sache nicht 2. Mein Votum: aktenkundig zu machen. Im übrigen war die persön- a) G. gezielt fragen, ob die Behauptung stim- liche Einschaltung des Chefs des Bundeskanzleram- me. Seine Reaktion wird vielleicht entspre- tes ohnehin schon aus den Akten an anderer Stelle chende Rückschlüsse zulassen. Er kann z. B. den zu entnehmen. Entgegengesetzte Mutmaßungen ent- Auftrag nur zum Schein angenommen haben, behren schon deshalb jeder Grundlage. oder er kann alles zugeben und das Recht auf Die Bitte um nähere Aufklärung über den Hinter- Irrtum in Anspruch nehmen. grund der Meldung trug der Zeuge Schlichter im b) Wichtig wird Prüfung des Lebenslaufes von Anschluß an seinen Vortrag bei Minister Ehmke der G. nach 1954 sein — hier nicht bekannt. Verbindungsstelle des BND in zwei Telefonaten vor, c) Verwendung im BK ist auf jeden Fall her- zunächst dem Leiter der Verbindungsstelle des BND, ausgehoben. Ich schlage Prüfung der Verwen- Torgau, der inzwischen verstorben ist, und in einem dung in einer anderen Behörde vor. zweiten Gespräch dem Zeugen Dr. Rafoth. Dabei wies der Zeuge Schlichter darauf hin, daß der UfJ d) Die BND-Meldung von 1954 gibt allein eine ähnliche Meldung abgegeben habe. Daraufhin keinen ausreichenden Grund für etwaige Be- wurde der Zeuge Regierungsdirektor Hagemann nachteiligung, zwingt aber zur eingehenden (BND) fernmündlich von der Verbindungsstelle um Hintergrundüberprüfung durch den Verfas- Auskunft über die Herkunft und Bonität der Quelle sungsschutz. gebeten. Am 19. Dezember 1969 richtete die Verbin- gez.: Wessel" dungsstelle zusätzlich folgendes Fernschreiben an den BND unter Bezugnahme auf die Karteianfrage Zu dem scheinbaren Widerspruch zwischen der ersten des Bundeskanzleramtes nach Guillaume: und zweiten Meldung des BND, nämlich zum einen — „1. Zu Bezug stellt BK, Ministerialdirigent „nach einer auf ihren Wahrheitsgehalt hin nicht Schlichter, zusätzliche Frage nach Quellenhin- mehr überprüfbaren Karteinotierung ..." und zum tergrund und möglichst zusätzlicher Bewertung anderen „Quelle ist zuverlässig ..." erklärte der des Wahrheitsgehaltes. Zeuge Wessel: Grund: UfJ hat zu G. ähnliche Auskunft gege- — Das eine beziehe sich auf den Meldungsinhalt. ben. Die zusätzliche Frage hebt darauf ab,- ob Ob der Meldungsinhalt der Wahrheit entspre- die Karteinotierung des BND unabhängig von che, würde auch die Quelle wahrscheinlich der Aussage des UfJ steht. unter Eid nicht aussagen können. Das andere beziehe sich auf die Quelle, die beim BND als 2. Laut Zwischennotierung ... ist ein klarer zuverlässig und im allgemeinen richtigmeldend Quellenhintergrund gegeben. Ich bitte, für den bekannt gewesen sei (10/23). Präsidenten einen Vermerk zu erarbeiten, auf- grund dessen Präsident dem Minister gegen- Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß dem BND über die Karteinotierung erläutern kann." 1969 jedoch noch weitere Erkenntnisse im Zusam- Auf diesem Fernschreiben vermerkte der zuständige menhang mit Guillaume vorlagen. Dabei handelte es Beamte des BND, der Zeuge Hagemann, handschrift- sich einmal um eine Karteinotierung über die Mit- lich am 19. Dezember 1969, daß der Vorgang bereits gliedschaft Guillaumes in der Gesellschaft für am Vormittag erledigt worden sei. deutsch-sowjetische Freundschaft. Diese Karteikarte war in phonetischer Schreibweise auf den Namen Die von ihm für den Präsidenten gefertigte Vor „Guiome" bezogen. Eine weitere Karteikarte ent- lage enthielt die erste Anfrage vom 9. Dezember hielt aber den Hinweis auf die richtige Schreibweise Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

des Namens. Diese Karten waren jedoch in der Zen- ligen Zeitpunkt nicht erfahren hatte, daß ein Hin- tralkartei nicht enthalten und wurden erst im Jahre weis auf die Quelle des UfJ vorlag. Denn dieser 1974 im Zusammenhang mit der Zusammenstellung Hinweis war in dem Aktenvermerk, der ihm als von Akten für den Untersuchungsausschuß aufge- Grundlage für seine Antwort diente, nicht aufge- funden. Der Zeuge Hagemann erklärte hierzu: nommen worden. Dieser Umstand muß als ein Feh- — Es handele sich hierbei um Erkenntnisse aus ler des Beamten bewertet werden, der diesen Ver- merk verfaßte. einer bei einer früheren Außenstelle angeleg- ten und an die Zentrale abgegebenen Kartei, Das Fernschreiben des Präsidenten des BND vom die dort aber aus Mangel an Arbeitskapazität 23. Dezember 1969 wurde im Hinblick auf eine et- nicht habe integriert werden können (9/289). waige Urlaubsvertretung dem damaligen Staats- Die Kartei der Außenstelle müsse vor 1962 an sekretär im Bundeskanzleramt Bahr zur Kenntnis die Zentrale abgegeben worden sein (9/290). gebracht. Dieser vermerkte handschriftlich: Auf die Frage, warum in dieser Kartei damals — „Selbst wenn Sie einen positiven Eindruck (1969) nicht nachgesehen worden sei, erklärte haben, bleibt ein gewisses Sicherheitsrisiko, ge- der Zeuge, dies sei zwar theoretisch, nicht aber rade hier". praktisch möglich gewesen, aus Kapazitäts- mangel. Im übrigen hätten stichprobenartige — Der Zeuge Prof. Dr. Ehmke erklärte hierzu, Bahr Nachprüfungen ergeben, daß die Erkenntnisse sei offenbar davon ausgegangen, Guillaume aus dieser Kartei schon mit dem Entstehen der würde, wenn er in der Befragung einen ordent- großen Kartei in diese mit eingeflossen seien lichen Eindruck mache, eingestellt. Dies sei ein (9/290 f.). Mißverständnis gewesen, da Sinn der geplan- ten Befragung gewesen sei, Vergleichsmaterial Weiterhin verfügte der BND über die Erkenntnis, zu bekommen und die Sicherheitsüberprüfung daß der Verlag „Volk und Wissen" als Residentur durch das BfV noch in jedem Fall habe folgen für Mitglieder des Ministeriums für Staatssicherheit müssen und sollen (13/73 f.). Es sei ohnehin diente. Auf die Frage, warum er darüber dem Zeu- beabsichtigt gewesen, das BfV im Rahmen gen Prof. Dr. Ehmke nichts mitgeteilt habe, erklärte der Sicherheitsüberprüfung mit diesen Er- der Zeuge Wessel: kenntnissen zu befassen, also gerade nicht mit — Die Anfrage des Kanzleramtes sei gezielt ge- der Überprüfung Schluß zu machen und einzu- wesen auf Guillaume; es habe sich um eine stellen (13/73 f., 11/30 ff.). Vorunterrichtung gehandelt, die so zu sehen Am 5. Januar 1970 fand eine Besprechung zwischen gewesen sei, ob soviel vorliege, daß überhaupt den Zeugen Prof. Dr. Ehmke und Schlichter über eine Einstellung von vornherein nicht in Frage den Stand der Angelegenheit statt. Wie der Zeuge käme. Wenn weiter gefragt worden wäre, hätte Schlichter in einem Vermerk vom 6. Januar 1970 man wahrscheinlich auch die Erkenntnisse über als Ergebnis festhielt, wollte sich der Minister „Volk und Wissen" aus einer anderen Kartei durch ein Gespräch mit Guillaume entsprechend herangezogen (10/17). Die Frage sei für ihn Nr. 424 der Richtlinien vom 14. August 1960 einen damals nicht vorrangig und vordringlich ge- persönlichen Eindruck verschaffen und Minister wesen (10/31). Leber um schriftliche Äußerung bitten, ob er für Es wäre sinnvoll gewesen, wenn der Präsident des Guillaume gutstehen könne. Weiterhin sollte Guil- Bundesnachrichtendienstes seinen Erkenntnisstand laume eröffnet werden, daß er einer eingehenden über den Verlag „Volk und Wissen" weitergegeben Überprüfung durch das BfV unterzogen werde. hätte, zumal sich ein Hinweis auf diesen Verlag in der Karteimeldung über Guillaume befand. Gerade b) Die Anhörung Guillaumes im Bundeskanzler- wenn er den Sinn seiner Vorunterrichtung darin ge- amt fand am 7. Januar 1970 durch die Zeugen Prof. sehen hat, Grundlagen für die Entscheidung zu lie- Dr. Ehmke und Schlichter statt. Außerdem war der fern, von der Einstellung Guillaumes überhaupt ab- Zeuge Dr. Ehrenberg anwesend, der beteiligt worden zusehen, schien eine soweit wie möglich gehende In- war, da man Guillaume nicht von vornherein zu er- formation um so notwendiger — auch wenn nicht - kennen geben wollte, daß es sich um eine Befra- ausdrücklich nach einer Charakterisierung des Ver- gung im Zusammenhang mit seiner Sicherheitsüber- lages gefragt worden war. prüfung handeln würde.

Der BND hätte auch, entsprechend der vom Bundes- Über den Verlauf dieses Gesprächs fertigte der kanzleramt geäußerten Bitte, untersuchen sollen, ob Zeuge Schlichter einen Vermerk vom 7. Januar die Informationen des UfJ und des BND aus den 1970, der von dem Zeugen Prof. Dr. Ehmke abge- fünfziger Jahren identisch waren, oder ob es sich zeichnet und von Guillaume am 12. Januar 1970 mit hierbei um Meldungen verschiedener Quellen han- unterzeichnet wurde. Danach nahm das Gespräch delte. Die Aufklärung dieser Frage hätte für die Be- im wesentlichen folgenden Verlauf: urteilung des Gewichts der damaligen Notierungen -- Bundesminister Prof. Dr. Ehmke wies auf die von nicht unerheblicher Bedeutung sein können. Vertraulichkeit des Gespräches hin, sowie darauf, daß normalerweise Sicherheitsbeden- Aufgrund der Beweisaufnahme muß der Unter ken mit dem Betroffenen nicht erörtert wür- suchungsausschuß jedoch davon ausgehen, daß der den. Das Gespräch würde für zweckmäßig Präsident des Bundesnachrichtendienstes zum dama gehalten, um die Vorgänge, um die es hier Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

gehe, nochmals zu überprüfen. Bundesminister war. Als parteiloser Gewerkschaftsfunktionär Prof. Dr. Ehmke teilte Guillaume sodann mit, habe er bei Wahlen besondere Vertrauensbe- daß aufgrund von zwei Quellen der Verdacht weise von parteilosen Kollegen erhalten. bestehe, daß er — Guillaume — während sei- ner Tätigkeit im Verlag „Volk und Wissen" Er sei gezwungen gewesen, an sogenannten von 1951 bis 1955 nachrichtendienstlich gegen Solidaritätseinsätzen in West-Berlin teilzuneh- die Bundesrepublik tätig gewesen sei, und men. Dabei hätte er in einer Exmittiertensied- zwar im Zusammenhang mit Reisen nach lung in Spandau kommunistisches Werbema- West-Berlin und in die Bundesrepublik. terial und Lebensmittelpäckchen zu verteilen gehabt. Es sei ferner aufgefallen, daß eine politische Auch sei er als Beobachter bei einer öffent- Zwangslage für seine Obersiedlung in die lichen Stimmenauszählung in einem Span- Bundesrepublik Deutschland im Notaufnahme dauer Wahllokal eingesetzt gewesen. verfahren nicht anerkannt worden sei. Ferner wurden nähere Angaben über seine freiberuf- Am 12. Januar 1970 übergab Guillaume dem Zeugen liche Tätigkeit von 1946 bis 1956 in der DDR Schlichter weiterhin Zeugnisse des Finken-Verla- sowie von 1958 bis 1963 als Selbständiger in ges und der Firma Kreutzinger sowie zwei Zei- der Bundesrepublik Deutschland erbeten. tungsausschnitte aus dem Frankfurter Bereich vom 10. Dezember 1969. In diesen Artikeln war davon Guillaume bestritt mit Nachdruck, jemals die Rede, daß Guillaume zum 1. Januar 1970 ins nachrichtendienstlich tätig gewesen zu sein. Bundeskanzleramt übersiedeln würde. Auch wurde Richtig sei, daß er zweimal in die Bundes- bereits sein Nachfolger vorgestellt, der ihn in sei- republik gereist sei, um mit Hilfe von Ver- nem Frankfurter Amt ablösen sollte. Guillaume be- wandten seiner Frau die Übersiedlung vorzu- merkte bei dieser Gelegenheit, wie unangenehm bereiten. Aus dem gleichen Grunde habe er diese Situation für ihn sei. Der Zeuge Schlichter er- ein halbes Jahr vor seiner Ausreise seine klärte ihm, er müsse solange warten, bis die Sicher- Tätigkeit beim Verlag „Volk und Wissen" auf- heitsüberprüfung abgeschlossen sei (11/21). gegeben und sich freiberuflich als Bildrepor- ter betätigt. Dies habe ihm ermöglicht, sich Das Bundeskanzleramt hat mit den von ihm selbst mit seiner Familie nach Leipzig abzumelden, durchgeführten Voranfragen eine Reihe wesentlicher tatsächlich aber zu seiner Schwiegermutter Erkenntnisse über Guillaume beschafft, die vollstän- nach Frankfurt/Main zu fahren. dig dem BfV als Grundlage für die Sicherheitsüber- prüfung und mit dem ausdrücklichen Ersuchen um Im Notaufnahmeverfahren habe er keine poli- Überprüfung zur Verfügung gestellt wurden. tische Zwangslage geltend gemacht. Die Auf- enthaltserlaubnis nach Artikel 11 GG sei in Der Untersuchungsausschuß hat festgestellt, daß der dieser Form ohne sein Zutun erteilt worden. Chef des Bundeskanzleramtes, Prof. Dr. Ehmke, die ihm für die weitere Abklärung von Sicherheitsrisi- 1946 bis 1950 sei er freiberuflich als Bildrepor- ken im Falle Guillaume vom Präsidenten des BND, ter, vorwiegend an den Berliner Bühnen, tätig Wessel, in seinem Fernschreiben vom 23. Dezember gewesen. In der Bundesrepublik habe er von 1969 erteilten vier Ratschläge sämtlich befolgt bzw. 1958 bis 1963 das Geschäft seiner Schwieger- ernsthaft geprüft und entsprechende Maßnahmen mutter geführt, nachdem seine Frau wieder eingeleitet hat. berufstätig gewesen sei und seine Schwieger- mutter den Haushalt und die Betreuung sei- Es mag zweifelhaft sein, ob der Ratschlag Wessels nes am 8. April 1957 geborenen Sohnes über- richtig war, Guillaume zu den in der Karteinotiz ent- nommen habe. haltenen Behauptungen schon im damaligen Sta- dium des Verfahrens persönlich zu hören. Zweck- In der DDR sei er im FDGB tätig gewesen. dienlicher wäre es gewesen, wenn der BND vor Auch um den Eintritt in die SED zu vermei- einer Befragung Guillaumes das Material genauer den, sei er in die Bundesrepublik Deutschland ausgewertet, z. B. insbesondere die Originalakte des übergesiedelt. UfJ beigezogen und die Frage geklärt hätte, ob die Bundesminister Prof. Dr. Ehmke teilte Guillau-- Information des UfJ und des BND auf einer oder auf me abschließend mit, daß seine Angaben mehreren Quellen beruhten. nochmals genau überprüft würden. Prof. Dr. Ehmke kann jedoch kein Vorwurf daraus Die zusätzlich von Guillaume verlangte eingehende gemacht werden, daß er diesen Rat befolgte und schriftliche Darlegung seines Werdegangs unter Be- Guillaume schon zu diesem Zeitpunkt gezielt nach rücksichtigung der Sicherheitsaspekte reichte den ihn belastenden Verdachtsmomenten und nach Guillaume am 12. Januar 1970 ein. Eine schriftliche seinem Lebenslauf und den darin festgestellten Lücken befragte. Er verband damit die Absicht, Ver- Zusatzerklärung über seine Mitgliedschaft im gleichsmaterial über Guillaume zu erhalten, das FDGB enthielt erstmals den Hinweis, noch in die Überprüfung durch das BfV miteinbezo- — daß er während seiner Tätigkeit beim Verlag gen werden sollte. Deshalb wurde Guillaume auch „Volk und Wissen" in die Betriebsgewerk- noch um eine zusätzliche schriftliche Äußerung zu schaftsleitung gewählt und zuletzt Vorsitzen- seinem Lebenslauf und zu seiner Tätigkeit in Ost der der Abteilungsgewerkschaftsleitung der Berlin und im FDGB aufgefordert. Die damals gel- Hauptabteilung Berufsausbildung des Verlages tenden Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 sahen außerdem vor, daß der Bedienstete dazu Bundeskanzleramt als einer sicherheitsempfindli- grundsätzlich zu hören ist (Nr. 424). Zuständig für chen Dienststelle war es jedoch schon damals — wie diese Anhörung war nach den Richtlinien der Sicher- in anderen Bundesministerien auch — üblich, die in heitsbeauftragte der Dienststelle, also der Zeuge der Neufassung der Richtlinien vom 15. Februar Schlichter. Eine vorherige Einschaltung des Bundes- 1971 vorgeschriebene Sicherheitsüberprüfung auch amtes für Verfassungsschutz kam nach den Richt- bereits im Hinblick auf die Einstellung durchzufüh- linien (Nr. 424 i. V. m. 242) nicht in Betracht, da die ren, unabhängig davon, ob der Betreffende später Erkenntnisse nicht vom BfV, sondern vom BND ge- zu Geheimsachen Zugang erhalten sollte oder nicht. meldet waren und dieser ausdrücklich die gezielte In dieser Weise, nämlich die Sicherheitsüberprüfung Befragung angeregt hatte. Der Chef des Bundes- jeweils eine Stufe höher anzusetzen als in den Richt- kanzleramtes hat nach gründlicher Vorbereitung linien vorgesehen, ist auch im Falle Guillaume ver- durch seinen Sicherheitsbeauftragten, Ministerial- fahren worden. Im Hinblick auf die vom BND und dirigent Schlichter, einem erfahrenen Strafrichter UfJ eingegangenen Meldungen wurde diese Über- und langjährigen Staatsschutzreferenten, diese Be- prüfung sogar im Laufe des Verfahrens noch eine fragung gemeinsam mit ihm sachgemäß und mit Stufe höher angesetzt und nach dem für den Um- aller Energie und Intensität durchgeführt. Der Zeuge gang mit Verschlußsachen „Streng geheim" vorge- Prof. Dr. Ehmke hat nach seiner Einlassung damit sehenen Verfahren durchgeführt. Ferner wurden verhindern wollen, daß die Sache als Routinefall be- zusätzliche Sicherheitsermittlungen angeordnet. Das handelt wird. Die bei dieser Befragung erzielten Er- entsprach den Richtlinien (Nr. 313). gebnisse wurden auch tatsächlich Grundlage der wei- teren Überprüfung des Guillaume durch das BfV. Die Das Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 8. De- Zuziehung eines besonders geschulten Vernehmungs- zember 1969, mit dem die Sicherheitsüberprüfung beamten des BND oder des Verfassungsschutzes Guillaumes beim BfV eingeleitet wurde, trug wie (10/16) im damaligen Stadium des Verfahrens hätte bei allen Einstellungsüberprüfungen den Vermerk Guillaume warnen müssen und deshalb nicht zu wei- „Eilt" (26/120). teren Angaben von seiner Seite geführt. Im übrigen war durch diese Befragung, die im Anfangsstadium Am 13. Januar 1970 übergab der Sicherheitsrefe- der Sicherheitsüberprüfung des BfV stattfand, nicht rent des Bundeskanzleramtes dem Leiter der für die ausgeschlossen, daß aufgrund weiterer Ermittlungen Sicherheitsüberprüfung zuständigen Abteilung V des BW auch eine weitere Befragung Guillaumes des BfV, Ltd. Regierungsdirektor Hermenau, fol- hätte stattfinden können. gende Unterlagen: Die weiteren Ratschläge und die Prüfung des Le- — Einen Vermerk der Sicherheitsabteilung des benslaufes und die eingehende Hintergrundüberprü- Bundeskanzleramtes vom 13. Januar 1970, der fung hat der Zeuge Prof. Dr. Ehmke ebenfalls befol- den Wortlaut der Karteinotierung des BND gen lassen. Den dritten Rat des Zeugen Wessel, die sowie den Wortlaut der Mitteilung des Poli- Verwendung in einer anderen Behörde zu prüfen, zeipräsidenten von Berlin enthielt, hat sich der Zeuge Prof. Dr. Ehmke nicht zu eigen — Vermerk vom 7. Januar 1970 über die Befra- gemacht, weil er der Auffassung war, daß eventuelle gung des Guillaume durch den Chef des Bun- Sicherheitsrisiken zu Ende geprüft werden müß- deskanzleramtes, jedoch ohne den Einleitungs- ten, und der Fall nicht ungeprüft an eine andere abschnitt, in dem u. a. gesagt ist, daß normaler- Dienststelle weitergereicht werden dürfe (13/72). weise Sicherheitsbedenken nicht mit dem Be- Der Zeuge Prof. Dr. Ehmke stimmte auch inso- troffenen erörtert würden, weit mit dem Zeugen Wessel überein, als dieser der — eine Ablichtung der „Sicherheitserklärung" Meinung war, die Bedenken müßten eingehend ge- des Guillaume vom 28. November 1969, prüft werden, die BND-Meldung von 1954 reiche allein für eine Benachteiligung des Bewerbers — ein Duplikat des Fernschreibens des Präsiden- nicht aus. ten des BND vom 23. Dezember 1969, — auszugsweise eine Notiz zur Vorbereitung der Befragung des Guillaume vom 6. Januar 1970, 2. Die Maßnahmen des Bundesamtes für - Verfassungsschutz — sowie Ablichtungen der von Guillaume abge- gebenen schriftlichen Äußerungen vom 12. Ja- Das Bundeskanzleramt hatte zugleich mit den Vor nuar 1970 mit Anlagen. anfragen beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), der Sicherungsgruppe des Bundeskriminal- Die Überprüfung im Bundesamt für Verfassungs- amtes und beim Bundesnachrichtendienst am 8. De- schutz nahm folgenden Verlauf: zember 1969 bei BfV eine umfassende Karteiüber- prüfung des Guillaume für den Geheimhaltungs- Am 14. Januar 1970 forderte das BfV die Notauf- grad „Geheim" erbeten. Zwar sahen die „Richt- nahmeakten des Lagers Gießen an. linien für die Sicherheitsüberprüfung von Bundes- Am 15. Januar 1970 richtete das BfV eine Anfrage bediensteten" vom 24. August 1960 keine Sicher- an den Senator für Inneres von Berlin zu Händen heitsüberprüfung von Bewerbern lediglich für die des Ltd. Senatsrats Zachmann. In diesem Schreiben Einstellung in den Bundesdienst vor, sondern nur wurde als Grund für die Anfrage angegeben, daß dann, wenn ein Bediensteter oder Bewerber mit Guillaume gegenwärtig einer Sicherheitsüberprü- Verschlußsachen befaßt werden sollte, was bei fung unterzogen werde, weil er als Hilfsreferent im Guillaume damals noch nicht beabsichtigt war. Im Bundeskanzleramt Zugang zu Verschlußsachen er- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode halten solle. Ferner wird in dem Schreiben auf die Verlag „Volk und Wissen" handele es sich um einen Meldung des BND, die durch den Polizeipräsidenten reinen Schulbuchverlag, der bis 1965 überhaupt nicht in Berlin erfolgte Mitteilung auf die Meldung des in Erscheinung getreten sei. 1965 habe dieser Ver- UfJ sowie auf den Beschluß des Notaufnahmelagers lag in Hamburg vor kleinerem Kreis eine Ausstel- vom 3. Dezember 1956 hingewiesen. Das Schreiben lung von Büchern durchgeführt. Erkenntnisse über enthielt außerdem Hinweise auf Angaben, die die Funktion des Verlages als legale Residentur für Guillaume am 12. Januar 1970 gemacht hatte, näm- Mitglieder des Ministeriums für Staatssicherheit der lich über seine Mitgliedschaft im FDGB und die da- DDR lagen der Abteilung III des BfV nicht vor. Wie mit zusammenhängenden „Solidaritätseinsätze" in der Untersuchungsausschuß festgestellt hat, verfügte West-Berlin sowie auf seine Angabe, er sei von jedoch die Abteilung IV (Spionageabwehr) des BfV 1946 bis 1950 freiberuflich tätig gewesen, wofür aus dem Verdachtsfall „Nenninger" seit 1961 über Guillaume als Referenzperson einen Herrn Kreut- solche Erkenntnisse. Da ein solcher Hinweis in der zinger genannt hatte. Das Schreiben endete mit der Zentralkartei jedoch nicht enthalten war, kam es Bitte um Prüfung und Mitteilung, ob der Überprüfte nicht zu einer Verbindung zu dieser Abteilung des dort karteimäßig bekannt ist und ob der jetzige BfV. Hierdurch unterblieb die Verwertung dieser Aufenthalt der Referenzperson Kreutzinger, die da- Erkenntnisse im Verfahren zur Sicherheitsüberprü- mals im Ostsektor der Stadt wohnte, festgestellt fung Guillaumes. werden könne. Sollte Herr Kreutzinger inzwischen nach West-Berlin übergesiedelt sein, werde gebe- Am 21. Januar 1970 wandte sich die Abteilung V ten, ihn über Guillaume zu befragen. Wenn mög- des BfV an die Abteilung III (BfV) mit der Bitte um lich, werde außerdem um die Ermittlung und Befra- Mitteilung, ob von dort Auskunftspersonen aus- gung weiterer geeigneter Auskunftspersonen gebe- findig zu machen seien, die u. a. etwas über die ten. Der UfJ sei gleichfalls angefragt worden. Tätigkeit des Guillaume beim Verlag „Volk und Wissen" sagen könnten. Das Schreiben enthielt nä- Ebenfalls am 15. Januar richtete das BfV ein Schrei- here Hinweise zu den Angaben des Guillaume über ben an den Untersuchungsausschuß freiheitlicher seine Tätigkeit bei diesem Verlag und die Bitte um Juristen, der bereits seit dem 1. Juli 1969 dem Ge- bevorzugte Erledigung wegen der besonderen Eil- samtdeutschen Institut eingegliedert war, z. Hd. des bedürftigkeit. Dienststellenleiters, mit Bleichlautendem Wortlaut Am 21., 22. und 23. Januar 1970 führte das BfV die in bezug auf den Grund der Anfrage, die BND- und Befragung der von Guillaume genannten vier Re- UfJ-Meldung sowie den Notaufnahmebeschluß und ferenzpersonen aus dem Frankfurter Raum durch, folgender Bitte: „Falls aus den dortigen Unterlagen die positiv ausfiel. noch nähere Einzelheiten über die Tätigkeit des Überprüften in Ost-Berlin ersichtlich sind, oder ge- Am 21. Januar 1970 ging das Schreiben des Gesamt- eignete Auskunftspersonen namhaft gemacht wer- deutschen Instituts vom 20. Januar 1970 mit folgen- den können, die in der Lage sind, ein sachliches dem Wortlaut ein: Urteil über die Eignung des Überprüften als Ge- — „Nach den Unterlagen des ehemaligen UfJ heimnisträger unter besonderer Berücksichtigung wurde auf Günter Guillaume am 14. November seines Verhaltens in der SBZ abzugeben, wird um 1955 durch einen im gleichen Verlag (,Volk und entsprechende Mitteilung gebeten." Wissen') tätigen Informanten aufmerksam ge- Am 19. Januar 1970 sandte das BfV ein zusätz- macht, was dann seitens des UfJ zu dem zitier- liches Fernschreiben an den Senator für Inneres ten Schreiben vom 22. November 1955 an den in Berlin mit der Bitte, zur Vervollständigung der Polizeipräsidenten von Berlin führte. Einzel- Anfrage an den UfJ dieses Fernschreiben an den heiten über die Tätigkeit des Guillaume in Ost- UfJ weiterzuleiten. Das Schreiben enthält Hinweise Berlin wurden nicht bekannt. Im Juli 1956 auf die Angaben Guillaumes zu seiner Funktion im berichtete derselbe Gewährsmann, daß FDGB und zu den sogenannten „Solidaritätseinsät- Guillaume vor drei bis vier Wochen ,geflüchtet' zen". Der Abschluß des Schreibens lautet: „Es wird sei. Auch dies wurde unter dem 3. August 1956 um Prüfung und Mitteilung gebeten, ob die dort vor- dem Polizeipräsidenten von Berlin mitgeteilt. liegenden Erkenntnisse mit dieser Tätigkeit des Seitdem wurde weder über Guillaume noch Überprüften im Zusammenhang stehen. — Wegen über die Auskunftsperson etwas bekannt ..." der besonderen Eilbedürftigkeit wäre das BfV für eine baldmögliche Erledigung dankbar." Am 26. Januar 1970 entschied sich die Abteilung V des BfV, die umfassende Karteiüberprüfung abzu- Der Sachbearbeiter im BfV, der Zeuge Oberregie- schließen. Das Ergebnis der umfassenden Kartei- rungsrat Wegener, befragte im übrigen die Perso- überprüfung wurde vom BfV im Schreiben vom nen- und Objektzentralkartei des Bundesamtes für 26. Januar 1970 zusammengefaßt und dem Sicher- Verfassungsschutz nach dem Verlag „Volk und Wis- heitsreferenten des Bundeskanzleramtes, dem Zeu- sen". gen Schlichter, am 27. Januar 1970 nach fernmünd- licher Ankündigung am Vortage durch den Zeugen Hieraus ergab sich ein Hinweis auf Kenntnisse der Ltd. Regierungsdirektor Dr. Otto persönlich über- Abteilung III — Linksradikalismus — des BW. Am geben. Dieses Schreiben hatte folgenden Wortlaut: 20. Januar 1970 fand daraufhin zwischen den Zeugen Wegener und Wolk (Abteilung III des BfV) eine Be- — „Die umfassende Karteiüberprüfung und die sprechung über den Verlag „Volk und Wissen" Sicherheitsermittlungen sind abgeschlossen. Sie statt. Hierbei teilte der Zeuge Wolk mit, bei dem haben keine Erkenntnisse erbracht, die einer Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Ermächtigung zum Umgang mit Verschluß scheidung über die Einstellung hinauszögere oder sachen bis ,Geheim' entgegenstehen. eine Einstellung ablehne. Dem stimmte der Zeuge Schlichter zu. Gleichwohl waren sich beide Zeugen Die Darstellung, die Herr Guillaume in seiner einig, daß die Ermittlungen des BfV nach Auskunfts- Befragung am 7. Januar 1970 und in seiner zu- personen über Guillaume aus seiner Berliner Zeit sätzlichen Erklärung vom 12. Januar 1970 zu fortgeführt werden sollten. den Informationen des Bundesnachrichtendien- tes und des Untersuchungsausschusses freiheit- Man vereinbarte mit dem BfV, das Bundeskanzler- licher Juristen gegeben hat, entspricht den hie amt zu unterrichten, wenn zusätzliche Erkenntnisse sigen Erkenntnissen. Es gehört zu den Pflichten erzielt würden (13/77 f.). eines FDGB-Mitgliedes, derartige ,politische Aufträge, wie die Verteilung von Propaganda- Noch am 27. Januar 1970 teilte der Zeuge Schlichter material zur Wahlbeeinflussung in West-Ber- als Leiter der Gruppe Sicherheit des Bundeskanzler lin durchzuführen. amtes dem Zeugen Dr. Kern — Leiter der Gruppe Auch über Versuche östlicher Infiltrierung Personal — mit, daß die umfassende Karteiüberprü- westdeutscher Verlage und Büchereien durch fung des Guillaume keine Erkenntnisse erbracht den Verlag ,Volk und Wissen' ist der zustän- habe, die der beabsichtigten Beschäftigung vom Si- digen Fachabteilung nichts bekannt. cherheitsstandpunkt aus entgegenstünden. Durch Ar- beitsvertrag vom 28. Januar 1970 wurde Guillaume Die Befragung der angegebenen Referenzen hat mit Wirkung vom 1. Januar 1970 auf unbestimmte keine Anhaltspunkte für nachrichtendienstliche Zeit beim Bundeskanzleramt als Angestellter mit Betätigung Guillaumes und darüber hinaus einer sechsmonatigen Probezeit eingestellt, inner- keinerlei charakterliche Sicherheitsrisiken er- halb deren eine jederzeitige Auflösung des Ver- bracht. tragsverhältnisses ohne Angabe von Gründen mög- Es wird jedoch darauf aufmerksam gemacht, lich gewesen wäre. Guillaume trat seinen Dienst im daß Herr Guillaume als Angehöriger des Bun- Bundeskanzleramt am 28. Januar 1970 an. deskanzleramtes bei Reisen in Ostblockstaaten Am 29. Januar 1970 teilte der am 16. Dezember 1969 einer besonderen Gefährdung durch Kontakt befragte amerikanische Nachrichtendienst mit,. daß versuche kommunistischer Nachrichtendienste Guillaume dort nicht registriert sei. ausgesetzt wäre. Hinzu kommt, daß seine Mut- ter noch in der DDR lebt. Es wird deshalb an- Am 3. Februar 1970 erfolgte durch den Senator für geregt, Herrn Guillaume vor seiner Ermäch- Inneres von Berlin folgende Antwort an das BfV: tigung eine Reiseverzichtserklärung unter- zeichnen zu lassen. Besuchsreisen der Mutter — „Der oben Genannte war bisher weder hier - als Rentnerin — in die Bundesrepublik dürf- noch bei der Abteilung K des Polizeipräsiden- ten auf keine Schwierigkeiten stoßen. ten in Berlin in Erscheinung getreten. Seitens der Abteilung I des Polizeipräsidenten Als Anlage werden vier Durchschriften von wurde lediglich auf ein Schreiben des früheren Referenzbefragungen für die dortigen Sicher- UfJ vom 22. November 1955 hingewiesen, in heitsakten beigefügt. dem 'Herr Guillaume, wie bereits bekannt, der i. A. gez.: Hermenau" Agententätigkeit verdächtigt wurde In ihrem Gespräch haben die Zeugen Dr. Otto und Weitere Feststellungen konnten nicht getrof- Schlichter das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung fen werden. Da sowohl der Überprüfte als auch durch das BfV erörtert, es seien Bedenken aus der die von Ihnen erwähnte Referenzperson Kreut- Sicht des Geheimschutzes nicht zu begründen, wie zinger für Berlin (West) als polizeilich gemeldet das der Zeuge Hermenau entschieden hatte. Der oder gemeldet gewesen nicht ermittelt werden Zeuge Dr Otto brachte zum Ausdruck er habe ein. konnten, bieten sich auch keine Ansatzpunkte ungutes Gefühl. Es sei noch nicht gelungen, weitere für geeignete Hintergrundermittlungen. Auskunftspersonen ausfindig zu machen, die Von der an sich am 21. Januar d. J. beabsich- Guillaume aus seiner Zeit in Berlin kannten. Darum - tigten Kenntnisgabe des Inhalts Ihres FS vom bemühe sich zur Zeit noch die Abteilung III des BfV. 19. Januar an den ehemaligen UfJ wurde ab- Außerdem regte er an, über das Notaufnahmelager gesehen, da dieser nach der mir erteilten Aus Gießen ehemalige Mitarbeiter Guillaumes im Verlag kunft Ihre Anfrage bereits am 20. Januar ab- „Volk und Wissen" zu erkunden, ein Vorschlag, der schließend beantwortet hatte." wegen der außerordentlich hohen Zahl von Notauf- nahmeverfahren jedoch kaum Aussicht auf Erfolg Am 2. März 1970 teilte die Abteilung III des BfV hatte. Man einigte sich, die Suche über das Not- der Abteilung V auf ihr Schreiben vom 21. Januar aufnahmelager dann noch aufzunehmen, wenn die 1970 mit, daß die Suche nach Auskunftspersonen, die Ergebnisse der Abteilung III etwas Negatives über Guillaume aus der Zeit seines Aufenthaltes in Ost Guillaume erbringen würden (Schlichter 11/23 f., Berlin kennen, im wesentlichen ergebnislos verlau- 64 ff.; Dr. Otto 8/168). Der Zeuge Schlichter unter- fen sei. Es habe lediglich eine Frau ausfindig ge- richtete anschließend den Zeugen Prof. Dr. Ehmke macht werden können, die seinerzeit in Ost-Berlin über dieses Ergebnis. Dieser vertrat die Auffassung, gewohnt und die Familie Guillaume gekannt habe. er würde sich den Vorwurf der Willkür zuziehen, Eine andere Auskunftsperson habe nur etwas über wenn er jetzt noch aus Sicherheitsgründen die Ent die Mutter Guillaumes mitteilen können. Die Ab- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode teilung III bemerkte ferner, daß mit dem Anfall zu- Akten des UfJ und von Nachrichtendiensten sätzlicher Erkenntnisse nicht mehr zu rechnen sei nicht, weil diese Akten unter den gleichen Ge- und daher weitere Nachforschungen nicht vorgese- sichtspunkten gelesen und ausgewertet wür- hen wären. den, wie es das BfV auch tue. Es gebe außer- dem noch eine Reihe weiterer materieller Si- Es ist also festzuhalten, daß bei Abschluß der Sicher- cherheitsgesichtspunkte, das Verfahren sei heitsüberprüfung in verschiedenen Dienststellen üblich bei allen Nachrichtendiensten der gan- nachrichtendienstlich bedeutsame Erkenntnisse über zen Welt, denn nur ein Nachrichtendienst Guillaume vorlagen. Hierbei handelte es sich ins- könne selbst bestimmen, was mitgeteilt wer- besondere um die detaillierte Quellenmeldung des den solle und dürfe. Zwar sei der UfJ kein UfJ sowie über -die Erkenntnisse des BND und des Nachrichtendienst, habe aber unter dem Ge- BW über nachrichtendienstlich relevante Hinweise sichtspunkt gearbeitet, politische Nachrichten auf die Funktion des Verlages „Volk und Wissen". zu sammeln und haben in vielen anderen Fäl- Diese Erkenntnisse waren jedoch weder der Ab- len auch sehr zufriedenstellende Unterlagen teilung V des BW im Rahmen der umfassenden gegeben (8/202). Karteiüberprüfung noch dem Bundeskanzleramt auf seine Anfragen hin zur Kenntnis gekommen. Der Zeuge Ltd. Regierungsdirektor Rosenthal hat als Abteilungsleiter des Gesamtdeutschen Instituts Der Untersuchungsausschuß befaßte sich daher mit Anfang 1970 die Anfrage des BfV - gerichtet an den den Fragen, warum man sich mit dem Hinweis auf nicht mehr existierenden UfJ - selbst bearbeitet das Schreiben des UfJ begnügt hat und warum die und beantwortet. Zu dem Vorgang bekundete der Erkenntnisse der Abteilung IV des BW über den Zeuge im einzelnen: Verlag ,, Volk und Wissen" nicht aus der Zentral- kartei ersichtlich waren. — Er habe nach Eingang des Schreibens des BfV in den Akten des UfJ nachgesehen und dessen a) Der zuständige Referent für die Überprüfung von Schreiben aus den Jahren 1955 und 1956 an den Geheimnisträgern im Behördenbereich beim BfV und Berliner Polizeipräsidenten gefunden (9/261). Verfasser des Schreibens an den UfJ, der Zeuge Das Schreiben von 1955 habe vollständig die Wegener, erklärte dazu folgendes: Wiedergabe der Information enthalten (9/262). - Er habe in seinem Schreiben an den UfJ den Er habe allerdings vor der Auskunft an wörtlichen Inhalt der Information so, wie er BW die Originalmeldung nicht gesehen, son ihm vorgelegen habe, zitiert und im Anschluß dern lediglich das Aktenstück Gui llaume; be- daran die Frage gestellt, welche Tatsachen nun ginnend mit dem Schreiben vom November diesem geäußertes Verdacht zugrunde lägen 1955 an die Berliner Polizei. Den Originaltext {81228). Seine Bitte habe umfaßt, alle zusätz habe er erst im August 1974 mit einigem Er lichen sicherheitsrelevanten Unterlagen mit schrecken in der Zeitung gelesen (9/263). zuteilen, die für die Eignung des Überprüften Er sei bei seinem Schreiben von 1970 an das in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit von Be- BfV davon ausgegangen, daß das Schreiben deutung sein konnten (8/230). Der UfJ habe von 1955 an die Berliner Polizei dem BfV. vor- aufgrund seiner Mitteilung nicht davon aus- liege und damit selbstverständlich bekannt gehen können, daß ihm die Originalmeldung sei (9/265). Mit der Möglichkeit, daß auch das vorgelegen habe (8/231). Die Auskunft des Polizeipräsidium in Berlin seinerseits die In- UfJ habe er so verstanden, daß tatsächlich formation verkürzt an die anfragende Stelle keine weiteren substantiellen Erkenntnisse weitergegeben habe, habe er nicht rechnen kön- vorlagen. Er habe nicht den Argwohn gehabt, nen (9/265). daß dies nicht alles sein könnte (8/235). Auf Vorhalt antwortete der Zeuge, der Ge- — Der Zeuge Hermenau bekundete hierzu, man danke, besondere Sorgfalt walten zu lassen, habe davon ausgehen müssen, daß das Ant weil es sich um einen Mann im Bundeskanzler wortschreiben des UfJ, der als nachrichten- amt gehandelt habe, sei ihm nicht gekommen. dienstlich sachverständig zu beurteilen sei, das - Warum solle er noch eine Fotokopie schicken, zur Beurteilung Wesentliche enthielt. Daß es wenn er annehme, daß diese Unterlage bereits sich um eine völlig -dürftige und unzulängliche im BfV sei (9/267). Antwort gehandelt habe, sei aus dem Text des Schreibens nicht zu entnehmen gewesen Vermerke über Besuchergespräche seien im (8/98 f.). Die vollständige beim UfJ vorliegende übrigen nie weitergeleitet worden, nur eine Meldung hatte die Verdächtigung sehr viel gra Wiedergabe in Briefform (9/267). vierender gemacht (8199). Der Zeuge räumte schließlich ein, er gebe Es sei üblich, sich auf Mitteilungen zu verlas- heute zu, wenn er rückwirkend die Angelegen sen. Aktenübersendungen zwischen den Ver heit mit aller Schärfe sehe, habe man damals fassungsämtern fänden in der Regel nicht statt. 1970 zu dem Ergebnis kommen können, das Man gehe davon aus, daß fachverständige Be- Schreiben des UfJ vom 15. November 1955 hörden kompetent genug seien, ihre Akten ent- liege dem BfV nicht vor. Damals jedoch sei er sprediend den Anfragen auszuwerten (8/108f.). anderer Auffassung gewesen (9/269). Das BW .— Audi der Zeuge Dr. Otto bekundete, regel- hätte aber die Unterlagen anfordern müssen, mäßig würden nur Strafakten angefordert; um sein Anliegen deutlich zu machen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Das Ergebnis dieser Beweisaufnahme zeigt, daß die sidenturen benutzt worden seien, sei gerade Ursache für die unzulängliche Information des BfV an dem einen Fall sichtbar geworden, so daß über die Erkenntnisse des UfJ in einer Reihe von im Verkartungsprogramm der Abteilung IV Mißverständnissen, zum Teil aber auch in Gedan- der Begriff der legalen Residentur noch nicht kenlosigkeit zu sehen ist. Während der Zeuge Ro- enthalten gewesen sei. Diese Erkenntnis habe senthal davon ausging, daß dem BfV bereits detail- sich erst ab 1962 verdichtet (9/14, 18). liertere Erkenntnisse vorlagen, als es in Wirklich- Die Aufnahme des Wortes „Legale Residentur" keit der Fall war, kamen die Beamten des BfV auf- sei 1962 in das Verkartungsprogramm erfolgt grund des Antwortschreibens von Rosenthal zu dem (9/29). Da aber ein neues Verkartungspro- Schluß, daß es mehr Erkenntnisse nicht gebe. Auf- gramm nur die Vorgänge aufnehmen könne, grund der Korrespondenz hätte jedoch jeder der die sich danach ereigneten, wären erst die Beteiligten bei genügender Sorgfalt erkennen kön- legalen Residenturen verkartet worden, die ab nen, daß der Informationsstand eben nicht voll- 1962 ins Blickfeld des BfV gerieten. Das BfV ständig war. sei nicht in der Lage gewesen, alle Akten von 1950 bis 1962 daraufhin durchzusehen. Wenn Der Untersuchungsausschuß prüfte daher, ob die 1962 die Anordnung ergangen wäre, alle alten mangelnde Sorgfalt bei der Beurteilung der einzel- Akten durchzusehen, dann hätte die Abtei- nen Schreiben auf die Eilbedürftigkeit der ganzen lung IV ihre Arbeit für einige Zeit einstellen Angelegenheit zurückzuführen war. müssen (9/14, 23). Die Zeugen betonten jedoch, daß die Eilbedürftigkeit Der Untersuchungsausschuß ist daher zu der Auf- nur bewirkt hätte, daß sie die Bearbeitung anderer fassung gekommen, daß die Nichtverkartung des Vorgänge zurückgestellt und die vom Bundeskanz- Verlags „Volk und Wissen" unter dem Stichwort leramt gewünschte Überprüfung Guillaumes vorge- „legale Residentur" auf einem Organisationsmangel zogen hätten. Die Entscheidung in der Sache sei je- beruhte. Es muß unverständlich bleiben, daß das doch davon nicht berührt worden. (Rosenthal 9/267; Bundesamt für Verfassungsschutz im Jahre 1962 Wegener 8/237 f. ; Dr. Otto 8/209 f.) . nicht in der Lage gewesen ist, Personal für die Ver- Das Anforderungsschreiben des Zeugen Wegener vollständigung einer Kartei abzustellen. Schließlich zeigt auch deutlich, daß es ihm um eine umfassende stellt eine gut geführte und umfassende Kartei eine Sachaufklärung ging. Sinnvoll wäre es jedoch noch wesentliche Grundlage für die Funktionsfähigkeit gewesen, wenn er einen deutlicheren Hinweis dar- einer nachrichtendienstlichen Behörde dar. auf gegeben hätte, daß es unter anderem auch dar- Zusammenfassend ist festzustellen, daß sowohl der auf ankam festzustellen, ob die Quelle des UfJ und Hinweis auf die Funktion des Verlages „Volk und des BND ein und dieselbe war. Hierzu hätte es Wissen" als auch die Original-Information des Unter- einer gezielten Frage nach dem Informanten bedurft. suchungsausschusses freiheitlicher Juristen Anhalts- punkte für den Verdacht einer möglichen Agententä- b) Die Tatsache, daß die Abteilung V nicht zu der tigkeit hätten bieten können. Wären zum damaligen Erkenntnis kam, daß die Tätigkeit Guillaumes in Zeitpunkt diese Erkenntnisse der Abteilung V des dem Ostberliner Schulbuchverlag „Volk und Wis- Bundesamtes für Verfassungsschutz zugegangen, sen" nachrichtendienstlich relevant sein konnte, ist hätte diese Abteilung bei sachgerechter Einschät- darauf zurückzuführen, daß die bei der Abteilung IV zung des Materials den Überprüfungsvorgang aus dem Spionagefall Nenninger seit 1961 vorhan- Guillaume abbrechen und an die Abteilung IV (Spio- denen Erkenntnisse über die Eigenschaft dieses Ver- nageabwehr) weiterleiten müssen. Dann hätten lages als Residentur für Mitglieder des Ministeriums schon zum damaligen Zeitpunkt die vorliegenden für Staatssicherheit nicht als Hinweis in der objekt- weiteren Erkenntnisse der Abteilung IV auf Guillau- bezogenen Zentralkartei des BfV verkartet, d. h. in me Anwendung finden können mit der möglichen die Kartei aufgenommen waren. Folge, daß schon damals operative Maßnahmen ein- geleitet worden wären. Der Zeuge Hermenau vertrat vor dem Untersu- chungsausschuß die Auffassung, Eine Pflicht zur Koordinierung mit der Abteilung - IV bestand nach den Richtlinien jedoch nur dann, — die Abteilung IV hätte ihr Wissen an die Kar- wenn die Abteilung V zu der Erkenntnis kam, daß tei geben müssen. Da der Fall Nenninger abge- das ihr vorliegende Material einen nachrichten- schlossen war, hätte „Volk und Wissen" ver- dienstlichen Verdacht gegen Guillaume begründete. kartet sein müssen (8/101). Dies war jedoch infolge der fehlenden Erkenntnisse über den Verlag „Volk und Wissen" und die Origi- Der Untersuchungsausschuß befragte zu diesem nalmeldung des UfJ nicht der Fall. Vielmehr sprach Komplex den jetzigen Präsidenten des Bundesamtes die Meldung des BND, die sich allerdings auf eine für Verfassungsschutz, Dr. Nollau, als Sachverstän- als zuverlässig bewertete Quelle stützte, nicht von digen. Er führte hierzu aus, Agententätigkeit, sondern von einer Infiltrations- — im Jahre 1961, als der Fall Nenninger aufge- tätigkeit. Da bekannt war, daß solche Infiltrations- kommen sei, sei es für die Abteilung IV des tätigkeit im Rahmen der Westarbeit von Gewerk- BfV zwar klar gewesen, daß legale Residen- schaftsmitgliedern üblicherweise verlangt wurde, turen zum Beispiel in allen Botschaften der ist den Beamten des Bundesamtes für Verfassungs- Sowjetunion im Ausland bestünden; daß auch schutz kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie diese Institutionen in der DDR selbst als solche Re Tätigkeit nicht als Begründung eines Spionagever- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode dachts für ausreichend hielten. Auch die übrigen Er- Entscheidung. Denn die Überlegungen, die dazu kenntnisse der Abteilung V reichten nicht aus, um führten, Sicherheitsbedenken zu verneinen, waren einen Verdacht auf Agententätigkeit zu begründen. in sich folgerichtig. Der diesbezügliche Hinweis des UfJ blieb zu wenig substantiiert. Die im einzelnen geringfügigen Zeit- Hierzu bekundete der Zeuge Dr. Otto (BfV): differenzen in den verschiedenen Angaben Guillau- — Die Beurteilung in seiner Abteilung hätte auch mes konnten eine harmlose Erklärung in einem un- bei längerer Bearbeitungsdauer im Ergebnis genauen Erinnerungsvermögen finden, das in einer genauso ausgesehen. großen Zahl von Fällen vorkam und daher nicht un- gewöhnlich war. Die nach den Richtlinien erforderliche Sicher- heitsempfehlung mußte eine klare Entschei- Der Untersuchungsausschuß ist dennoch zu der Über- dung enthalten. Wenn man Bedenken hätte zeugung gekommen, daß es richtiger gewesen wäre, erheben wollen, hätte man diese begründen wenn die Abteilung V auch nach ihrem damaligen müssen. Es hätte ein konkreter nachrichten- Erkenntnisstand die Abteilung IV eingeschaltet dienstlicher Verdacht oder eine mangelnde hätte. Eignung aufgrund politischen Verhaltens oder Die Mitarbeiter der Abteilung V hätten dabei be- charakterlicher Mängel festgestellt werden rücksichtigen müssen, daß sie ihre Entscheidung müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Nach trafen, ohne über die besonderen Erkenntnismög- Anfrage bei allen Stellen, die Auskünfte ha- lichkeiten der Abteilung IV zu verfügen. ben konnten, hätte man zu keinem anderen Ergebnis kommen können (8/167). Festzustellen ist weiterhin, daß die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz über den So habe die befragte Fachabteilung (Kommu- Abschluß der Sicherheitsprüfung zu einem Zeitpunkt nismus), der man die BND-Meldung zusammen fiel, in dem verschiedene Antworten angefragter mit dem Protokoll der Befragung Guillaumes Stellen noch nicht eingegangen waren. Hierzu ge- zur Beurteilung vorgelegt habe, geantwortet, hört die Auskunft des amerikanischen Nachrichten- die Äußerung von Guillaume zu dem, was ihm dienstes vom 29. Januar 1970 und vom Senator für vorgehalten worden sei, sei glaubhaft. Tat- Inneres in Berlin vom 3. Februar 1970. Außerdem sächlich seien in der damaligen Zeit solche stand noch das Ergebnis von Ermittelungen aus, die Solidaritätseinsätze beobachtet worden, dies die Abteilung III des BfV mit der Suche nach Aus- könne man nicht entkräften, es erscheine kunftspersonen, die Guillaume aus der Zeit seines glaubhaft (8/166). Aufenthaltes in Ost-Berlin kannten, vornehmen Über den Verlag „Volk und Wissen" sei mit- wollte. Der Bericht über die Anhörung von zwei geteilt worden, dies sei ein Schulbuchverlag, Auskunftspersonen ging erst am 2. März 1970 ein. der Tausende von Broschüren und Büchern Daraus folgt, daß das Bundesamt für Verfassungs- herausgebe, der zum Teil auch versuche, diese schutz aufgrund der verschiedentlich gegebenen Hin- hier in der Bundesrepublik zu vertreiben. Ein weise auf die Eilbedürftigkeit der Einstellung zu nachrichtendienstlicher Hintergrund hätte je- einem Abschluß der Prüfung kommen wollte. Es doch nicht festgestellt werden können (8/166). steht jedoch fest, daß die später eingegangenen Mit- Die befragten Auskunftspersonen hätten mit teilungen dieser drei Stellen keine neuen Hinweise aller Entschiedenheit verneint, daß Guillaume gegeben haben, die zu einer anderen Beurteilung möglicherweise eingeschleust sein könnte des Überprüfungsergebnisses geführt hätten. Die (8/167). vorweggenommene Entscheidung entsprach also in- haltlich dem späteren Erkenntnisstand. Da keine neuen Tatsachen bekanntgeworden seien, die den BND-Hinweis hätten bestätigen Der Untersuchungsausschuß hat jedoch festgestellt, können, sei die Überlegung angestellt worden, daß die Entscheidung des Bundesamtes für Verfas- daß es vielleicht möglich wäre, daß der An- sungschutz, gegen Guillaume keine Sicherheitsbe- schein des Agentenverdachts nur durch die von denken zu erheben, ohne inhaltliche Beeinflussung Guillaume zugegebenen Agitationsreisen ent- durch Dritte zustande kam (8/114, 150, 185, 210, standen sei (8/204) . 237 f., 252; 9/122). Die Sicherheitsüberprüfung sei praktisch nie Der Ausschuß hat weiter festgestellt, daß die Zeit- abgeschlossen. Bis zu einem gewissen Zeit- not auf den Inhalt der Entscheidung keinen Einfluß punkt müsse eine Sicherheitsempfehlung ge- hatte (u. a. 8/113, 209, 212, 238; 10/20). geben werden. Wie der Ablauf der Überprüfung zeigt, beruhte diese Bei den vielen Flüchtlingen aus Ostblockstaa- — nach gegenwärtigem Erkenntnisstand — fehler- ten, insbesondere aus der DDR, sei es prak- hafte Beurteilung nicht darauf, daß die Beamten der tisch doch so, daß letzte Klarheit in allen Fäl- Abteilung V etwaige Verdachtsmomente bewußt len nicht zu gewinnen sei und daß man des- verharmlost hätten. Vielmehr waren ihnen die Tat- wegen eben abwägen müsse, ob das Sicher- sachen, die zu einer anderen Wertung gezwungen heitsrisiko überschaubar sei und daher eine hätten, nicht bekannt, nämlich die Erkenntnis über Sicherheitsempfehlung gegeben werden könne. die Funktion des Verlages „Volk und Wissen" und die Originalmeldung des UfJ. Dagegen rechtfertig- Daher sei man zu dem Ergebnis gelangt, nach ten diejenigen Erkenntnisse, die den Beamten der dem augenblicklichen Stand sei nicht mehr zu Abteilung V tatsächlich vorlagen, die getroffene tun, aber es sei möglich zu versuchen, noch Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

weitere Dinge zu klären (8/172). Die Aufklä- lagen dem Bundeskanzleramt folgende Ergebnisse rung des Lebenslaufs von Guillaume vor 1956 der Sicherheitsüberprüfung vor: sei schließlich nicht so gelungen, wie es wün- schenswert gewesen wäre. Dies sei aber bei 1. sämtliche Unterlagen, die im Bereich des Bun- sehr vielen Überprüfungen von sehr vielen deskanzleramtes vorgelegen hatten und dem Flüchtlingen der Fall. Deshalb könne man Bundesamt für Verfassungsschutz zur Auswer- nicht ohne weiteres Sicherheitsbedenken an- tung übergeben worden waren, melden. Dann müsse schon wirklich näher kon- 2. das Schreiben mit dem Votum des Leiters der kretisiert werden können, warum und weshalb Abteilung V, Hermenau, vom 26. Januar 1970 (8/221) . und Man habe angeboten, zu versuchen, weitere 3. die Protokolle des Bundesamtes für Verfassungs- Klärungen vorzunehmen. Die Entscheidung des schutz über die Befragung von Referenzpersonen. BfV habe deshalb aber nicht „gelb" bedeutet. Aus der damaligen Situation und aus dem da- Nach dem Votum des Leiters der Abteilung V des maligen Erkenntnisstand habe das BfV grünes Bundesamtes für Verfassungsschutz bestanden ge- Licht gegeben (8/214). gen die Einstellung Guillaumes aus der Sicht des Im gleichen Sinne äußerte sich der Zeuge Her- Bundesamtes für Verfassungsschutz keine Beden- menau (BfV) : ken. Die Formulierung „es bestehen keine Beden- ken" entsprach den geltenden Richtlinien. Nach III Die Meldungen des BND und des UfJ hätten Abs. 3 lit. a der Bewertungsrichtlinien vom 2. Sep- in der ihm vorliegenden Fassung eine Ableh- tember 1957 hat sich das Bundesamt für Verfas- nung nicht gerechtfertigt, zumal die dazu von sungsschutz in Fällen, in denen die Sicherheitsüber- Guillaume gegebenen Erklärungen glaubwür- prüfung positiv ausfällt, der Erklärung zu bedienen: dig gewesen seien (8/99). Auch die Befragung von Referenzpersonen „Es bestehen keine Bedenken gegen eine Be habe nichts Nachteiliges erbracht (8/99). schäftigung des ... mit Verschlußsachen." Er habe deshalb gesagt: „Nein, das langt mir Gründe sind vom Bundesamt für Verfassungsschutz nicht, das sind mir nicht hinreichende Gründe, nur mitzuteilen, wenn Bedenken geltend gemacht um einen Mann abzulehnen, der aus der Zone werden (III Abs. 4 der Bewertungsrichtlinien). kommt und hier nun also schon ... (vierzehn) Jahre zum Teil doch in sehr dürftigen wirt- Bei dieser Sachlage hatte das Bundeskanzleramt, so- schaftlichen Verhältnissen lebt" (8/100). weit es keine zusätzlichen eigenen Erkenntnisse hatte, unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit Der Untersuchungsausschuß hat daher festgestellt, „Grünes Licht" für die Einstellung Guillaumes. Das daß bei der Einstellung des Günter Guillaume Hin- haben der Sachverständige und die aus dem Bun- weise nachrichtendienstlicher Stellen vorhanden wa- desamt für Verfassungsschutz und dem Bundeskanz- ren, die seine Einstellung unter dem Gesichtspunkt leramt angehörten Zeugen bekundet: des Geheimschutzes als bedenklich erscheinen lie- ßen, und zwar beim UfJ, dem BND und dem BfV. Ministerialrat Paul, Geheimschutzbeauftragter Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist nicht dar- im BMI, als Sachverständiger: an gehindert gewesen, seine Ermittlungen fortzu- setzen. Die bei dem BfV, dem BND und dem UfJ „Ich habe dargelegt in meinen anfänglichen vorhandenen nachrichtendienstlichen Hinweise bei Ausführungen, daß wir der Bewertung der der Einstellung des Günter Guillaume wurden auf- Sicherheitslage des einzelnen durch das Bun- grund von organisatorischen und personellen Män- desamt für Verfassungsschutz eine entschei- geln, die bei den Nachrichtendiensten bei ihrer Über- dende Bedeutung beimessen, einmal weil nahme durch die neue Bundesregierung 1969 bestan- diese Behörde die größere Erfahrung hat, weil den, nicht ordnungsgemäß ausgewertet. sie die Unterlagen hat. Es wäre geradezu töricht, wenn ich glauben würde, ich wüßte es - besser. Ich folge diesen Anregungen natürlich" III. Die Entscheidung über die Einstellung (8/76) . Guillaumes im Bundeskanzleramt Direktor a. D. Hermenau, BfV: Da für die Einstellung Günter Guillaumes das Bun- deskanzleramt als Einstellungsbehörde die Ver- „Im Grunde genommen war der (das Bundes- antwortung trug, hat der Untersuchungsausschuß kanzleramt) exkulpiert. Das hat hier ja auch geprüft, ob die dem Bundeskanzleramt vorliegenden der Sachverständige am Vormittag ausgeführt. nachrichtendienstlichen Erkenntnisse Anlaß gebo- Wenn ich grünes Licht bekomme und nichts ten hätten, von der Einstellung Guillaumes abzuse- Zusätzliches weiß! Aber es blieb ja dem Mini- hen. Ein solcher Anlaß hätte dann bestanden, wenn ster unbenommen, der Empfehlung von Herrn das Bundeskanzleramt hätte erkennen können, daß Wessel und den Bedenken von Herrn Bahr das Votum des Leiters der Abteilung V des BW nachzugehen ... Das bleibt ihm unbenommen. fehlerhaft war. Aber im Grunde genommen mußte er davon ausgehen, daß wir die Fachleute sind" Als der Chef des Bundeskanzleramtes am 27. Januar (8/138 f.; Dr. Otto: 8/214, 113, 170; Schlichter: 1970 die Entscheidung traf, Guillaume einzustellen, 11/22, 48, 82, 87, 104, 107, 109) . Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Nach diesen Aussagen ist die Verantwortung des — Er habe nicht nur in der Sache Guillaume, Bundesamtes für Verfassungsschutz für die Sicher- sondern im gesamten Sicherheitsüberprüfungs- heitsüberprüfung zur Einstellung differenzierter als bereich unter dem schrecklichen Leitmotiv es in der Formel „die Einstellungsbehörde sei Herr zu leiden: fertig vorgestern. Dies sei eine ganz des Verfahrens" zum Ausdruck kommt — ein Um- normale Sache. Bei Einstellungsvorgängen sei stand, dem die Neufassung der Richtlinien vom das Personalreferat stets interessiert daran, 15. Februar 1971 durch eine Streichung der frühe- daß die Sicherheitsüberprüfungen so rasch ren unklaren Passagen Rechnung getragen hat. wie möglich durchgezogen würden. Die Be- werber müßten ja auch ihre nötigen Vorberei- Die Einstellungsbehörde hat die Sicherheitsüber- tungen treffen können. Normalerweise sei es prüfung für ihre Beschäftigten einzuleiten und auch auch so, daß innerhalb von sechs Wochen die die abschließende Entscheidung über die Einstellung Sicherheitsüberprüfung abgeschlossen wer- zu treffen. Bei der Ermittlung und Bewertung politi- den könne. Das läge auch daran, daß das Bun- scher Sicherheitsrisiken greift sie jedoch ständig desamt für Verfassungsschutz das Kanzleramt auf das für diesen Bereich sachverständige Bundes- sehr gut und vorrangig bediene. Im konkre- amt für Verfassungsschutz zurück. So erfolgen die ten Fall sei ein besonderer Zeitdruck dadurch Karteiüberprüfung und im Regelfall auch die Sicher- entstanden, daß die Feiertage, Weihnachten heitsermittlungen durch das Bundesamt für Verfas- und Neujahr, vorher nicht einkalkuliert wor- sungsschutz (Direktor Fabian, BfV: 8/158). den seien (11/34). Er sei jedoch überhaupt nicht gedrängt worden, besonders schnell mit Im Bundeskanzleramt mußte angesichts der Tat- der Sicherheitsüberprüfung Guillaumes fertig sache, daß das BfV zu einem Votum gekommen war, zu werden. Verschiedene Rückfragen seien nunmehr die Entscheidung getroffen werden, ob die allerdings gekommen (11/36). Inhaltlich habe gegenwärtigen Erkenntnisse eine Ablehnung der er sich jedoch niemals unter Druck gefühlt Einstellung erforderten, also ob infolge mangelnder (11/38). Man könne aus der vorrangigen Be- Aufklärungsmöglichkeiten entscheidungserhebliche handlung jedoch nicht ableiten, daß deswegen Bedenken bestehengeblieben waren. Bei dieser die Qualität der Prüfung gelitten hätte. Ihm Abwägung kamen die Zeugen Prof. Dr. Ehmke und gegenüber sei auch niemals eine Klage von Schlichter zu der Überzeugung, daß die gegenwärti- seiten des Bundesamtes für Verfassungs- gen Erkenntnisse entsprechend dem Votum des BfV schutz geführt worden, in dem Sinne, daß die Ablehnung der Einstellung nicht rechtfertigen man ja bei dem, was das Kanzleramt von dem würden. Das schriftlich mitgeteilte Votum des BfV BfV fordere, die Überprüfung nicht mehr war eindeutig. Es gab auch keinen Hinweis irgend- gründlich durchführen könne (11/40). welcher Art dafür, daß bei der Durchführung der Überprüfung mangelnde Sorgfalt oder Unterlassun- Die Aussagen der Zeugen Ministerialdirigent Neusel gen irgendwelcher Art vorgelegen hätten. Die Zeu- und Dr. Jenninger, MdB haben andere Tatsachen gen mußten also davon ausgehen, daß bei diesem nicht ergeben (vgl. 26/95 ff., 107 ff., 132 ff.). Votum alle nachrichtendienstlich vorhandenen Er- kenntnisse ausgewertet worden seien, um die aus Der Untersuchungsausschuß hat daher festgestellt, lange zurückliegender Zeit stammenden Hinweise daß der Geheim schutzbeauftragte des Bundeskanz- aufzuklären. Auch die weiteren Überlegungen des leramtes in seinen Entscheidungen frei war und Zeugen Dr. Otto konnten berücksichtigt werden, nicht beeinflußt worden ist. ohne daß deswegen die Einstellung hätte aufge- schoben werden müssen, zumal Guillaume vorläu- fig noch nicht zum Umgang mit Geheimakten er- Iv. Die Berufung Guillaumes als Referent in das mächtigt werden sollte und das Arbeitsverhältnis Büro des Bundeskanzlers während der sechsmonatigen Probezeit ohne Schwie- Der Untersuchungsausschuß befaßte sich schließlich rigkeiten hätte aufgelöst werden können. Die Zeugen mit der Frage, ob bei der Berufung Günter Guil- Prof. Dr. Ehmke und Schlichter kamen daher zu der laumes als Referent in das Büro des Bundeskanzlers Überzeugung, daß es willkürlich wäre, von der Ein- eine erneute Sicherheitsüberprüfung vorgenommen stellung abzusehen, zumal der Leumund des Guil- wurde oder aus welchen Gründen eine erneute laume und seine Zeugnisse über seine Tätigkeit Überprüfung unterblieben ist. während der letzten 15 Jahre tadellos waren. Dazu gehörte auch die Beurteilung, die der Zeuge Bundes- Durch Hausanordnung vom 30. November 1972 minister Leber in seinem Schreiben vom 22. Januar wurde Guillaume dem Büro des Bundeskanzlers zu- 1970 über Guillaume abgegeben hatte. geteilt. Er hatte schon Monate vorher das Aufgaben- gebiet des Verwaltungsangestellten Reuschenbach Insoweit bestand für das Bundeskanzleramt kein wahrgenommen, das die „Verbindung zu Partei und Anlaß, von einer Einstellung Guillaumes aufgrund Fraktion, soweit der Bundeskanzler als Parteichef des damaligen Erkenntnisstandes abzusehen. und Abgeordneter des Deutschen Bundestages be- Unabhängig von dieser Beurteilung hat der Unter- troffen ist", umfaßte. Reuschenbach wurde im No- suchungsausschuß dennoch die Frage untersucht, vember 1972 in den Deutschen Bundestag gewählt ob die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und war schon vorher für den Wahlkampf beur- des Bundeskanzleramtes unter dem Eindruck mehr- laubt worden. facher Anmahnungen zustande kam. Hierzu bekun- Aus Anlaß der Versetzung Guillaumes in das Büro dete der Zeuge Schlichter: des Bundeskanzlers fand eine neuerliche Sicher- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 heitsüberprüfung nicht statt, weil im Juli 1970 vor- Einem Beamten der Abteilung IV (Spionageabwehr) sorglich die Überprüfung auf „Streng Geheim" ver- des BfV fiel Anfang Februar 1973 bei der Bearbei anlaßt worden war, obwohl nicht vorgesehen war, tung der Ermittlungsverfahren gegen Siberg und Guillaume mit Akten dieses Geheimgrades zu be- Gronau/Kuhnert wegen Landesverrats bzw. nach- fassen. Diese zweite Stellungnahme des Bundesam- richtendienstlicher Beziehungen auf, daß in beiden tes für Verfassungsschutz vom 8. September 1970 Fällen der Name Guillaume als Zeuge genannt hatte ergeben, daß „gegen eine Ermächtigung zum wurde, der ihm aus der Bearbeitung des Spionage- Umgang mit Verschlußsachen bis einschließlich falles Gersdorf im Mai 1972 noch in Erinnerung war. ,Streng Geheim' keine Bedenken erhoben wurden". Dieses Zusammentreffen veranlaßte den Beamten, Die Überprüfungen des Bundesamtes für Verfas- weitere Nachforschungen anzustellen. Seine An- sungsschutz hatten nämlich keine zusätzlichen Er- frage bei der zentralen Personenkartei des BfV er- kenntnisse erbracht. gab einen Hinweis auf den Sicherheitsüberprüfungs- — In diesem Zusammenhang bekundete der vorgang der Abteilung V aus dem Jahr 1969/70. Die Zeuge Schlichter, daß er von der Umsetzung Auswertung der daraufhin beigezogenen Akte er- Guillaumes in das Kanzlerbüro nicht unter- gab für den Beamten Anhaltspunkte, die ihm nach- richtet worden sei. Es habe aber nach Ablauf richtendienstlich bedenklich erschienen. Seinen Ver- von 1 1/2 bis 2 Jahren kein Anlaß bestanden, dacht erwähnte er Mitte April 1973 gegenüber die Streng-Geheim-Überprüfung nochmals einem anderen Sachbearbeiter der Abteilung IV, der durchzuziehen (11/71 f.). seinerseits bereits seit Jahren einen Agenten suchte, der möglicherweise in die Parteiorganisation der — Der Zeuge Fabian (BfV) sagte aus, erneute SPD eingeschleust worden war. Dieses war für den Sicherheitsüberprüfungen wären nicht schon Sachbearbeiter Anlaß, die Daten Guillaumes mit dann üblich, wenn sich der Aufgabenbereich Quellenmaterial zu vergleichen, über das seine Ab- wie bei Guillaume erweitere. Sie wären auch teilung verfügte und das sich in mehreren Fällen als nach den Richtlinien nicht vorgeschrieben ge- zur Enttarnung von Agenten geeignet erwiesen wesen, weil Guillaume ja bereits bis zu dem hatte. Aufgrund dieses Vergleiches, der eine Über- Grad „Streng Geheim" überprüft gewesen sei einstimmung mit Daten der Familie Guillaume er- (8/152 f.). gab, übernahm er den Vorgang und zog weiterhin die Notaufnahmeakten des Lagers Gießen bei. Das Obwohl das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Ergebnis der Auswertung rechtfertigte eine Über- seinem Votum vom 8. September 1970 erklärt hatte, nahme und Weiterbearbeitung als Verdachtsfall. daß gegen eine Ermächtigung Guillaumes zum Um- gang mit Verschlußsachen bis zum Grad „Streng Hierfür wurden in einem Aktenvermerk des BfV Geheim" keine Bedenken bestünden, ist eine solche vom 11. Mai 1973 folgende Gründe angegeben: Ermächtigung auch in der Folgezeit nicht ausge- sprochen worden. — Die Tätigkeit Guillaumes bei dem Verlag „Volk und Wissen", der aus dem Fall Nen- Der Untersuchungsausschuß ist daher zu dem Ergeb- ninger als legale Residentur der Hauptverwal- nis gekommen, daß für das Bundeskanzleramt keine tung „Aufklärung" des Ministeriums für Veranlassung bestand, bei der Umsetzung Guil- Staatssicherheit der DDR bekannt war. laumes in das Büro des Bundeskanzlers eine erneute Sicherheitsüberprüfung zu veranlassen. Dies ergibt — Die Karteinotierung des BND vom April 1954, sich auch daraus, daß ein erweiterter Zugang Guil- die einen Hinweis auf östliche Infiltration laumes zu Geheimakten nicht vorgesehen war. durch Guillaume enthielt. — Die Hinweise des UfJ auf eine Agententätig- keit Guillaumes. V. Die Entstehung des Verdachtsfalles Guillaume — Die Erklärung Guillaumes über seine freibe- rufliche Tätigkeit, die er fünf Monate vor sei- Der Untersuchungsausschuß prüfte die Fragen, wann ner Einreise in die Bundesrepublik ausgeübt und aufgrund welcher Erkenntnisse das Bundesamt - haben will, um seine Flucht unauffällig vorzu- für Verfassungsschutz zu der Auffassung kam, bereiten, die man als „die Legende zur Ab- Günter Guillaume und seine Ehefrau seien als deckung seiner nachrichtendienstlichen Aus- Agenten des Ministeriums für Staatssicherheit aus bildung und Vorbereitung der Übersiedlung" der sowjetischen Besatzungszone in die Bundesrepu- wertete. blik eingeschleust worden, und welche Maßnahmen im Bundesamt für Verfassungsschutz nach Vorlie- — Voneinander abweichende Erklärungen Guil- gen dieser Verdachtsmomente gegen Guillaume er- laumes: wogen worden sind. — Zur FDGB-Mitgliedschaft gab Guillaume in Die ersten Verdachtsmomente gegen Günter Guil- der Notaufnahmeakte den Zeitraum von laume wurden im April 1973 erkannt und verdich- 1950 bis April 1956 an, in der Erklärung teten sich im Laufe des Monats Mai, wie sich aus vom 28. November 1969 den Zeitraum von den Akten des BfV und den übereinstimmenden 1950 bis 1955. Aussagen der zu dieser Frage vernommenen Zeu- In der Notaufnahmeakte erklärte er, als gen Dr. Nollau, Bardenhewer, Rausch, Bergmann, FDGB-Mitglied eine Funktion in der Lohn- Watschounek und Schoregge ergibt. und Prämienkommission des Verlages von Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

1953 bis 1955 gehabt zu haben, in der An- — Die Einreise der Eheleute Guillaume am hörung vom 12. Januar 1970 gab er an, er 13. Mai 1956 ohne die Inanspruchnahme des sei im Verlag in die Betriebsgewerkschafts- Notaufnahmelagers Gießen und die Zeitdiffe- leitung gewählt worden und zuletzt Vorsit- renz zwischen der Einreise und dem Notauf- zender der Abteilungsgewerkschaftsleitung nahmeantrag, der erst am 13. September 1956 der Hauptabteilung Berufsausbildung des in Gießen einging, zeige an, daß der schrift- Verlages gewesen. liche Antrag einer gründlichen und langen Vorbereitung bedurfte. Seine erste Angabe, nur eine Funktion in der Lohn- und Prämienkommission gehabt - Als auffällig wurde auch die zeitliche Diffe- zu haben, wurde als bewußte Verschleie- renz zwischen der Einreise und der polizei- rung des wirklichen politischen Engage lichen Anmeldung in Frankfurt gewertet, die ments für das System der DDR gewertet. erst am 1. Juli 1956 erfolgte. Weiterhin wurde bemerkt, daß Guillaume in seiner Erklärung - In der Notaufnahmeakte hatte Guillaume vom 25. November 1959 bei der Bezeichnung angegeben, von 1945 bis 1949 für mehrere von Referenzpersonen keinen der Namen ge- Arbeitgeber gearbeitet zu haben und 1949 nannt hatte, die er noch im Notaufnahmever- in den Verlag „Volk und Wissen" einge- fahren angegeben hatte. — Der Verfasser treten zu sein, während er in späteren Er- nahm als Tatsache an, daß die Einsätze in klärungen behauptete, von 1946 bis 1950 West-Berlin der Erprobung der Zuverlässig- freiberuflich als Pressefotograf gearbeitet keit und Eignung für spätere Verwendung als zu haben und 1951 in den Verlag „Volk und Agent in der Bundesrepublik dienten. Die Rei- Wissen" eingetreten zu sein. sen in die Bundesrepublik bezweckten das Die ungenauen Erklärungen wurden als Sammeln von Kenntnissen und das Kennenler- auffällig gewertet, ebenso die nichtssagen- nen von Personen zur Vorbereitung der spä- de Fluchtbegründung, wie sie aus der Not- tern Legalisierung. aufnahmeakte ersichtlich ist. — Der Verfasser kam zu dem Ergebnis, daß für — Verdächtig fand man auch das Verhalten eine schlüssige Beweisführung der Identität Guillaumes bei seiner Anhörung am 7. Ja- mit dem seit langem gesuchten Agenten um- nuar 1970 und seiner schriftlichen Erklä- fangreiche Hintergrundermittlungen erforder- rung vom 12. Januar 1970: Während Guil- lich seien. Voreiliges Handeln — exekutives laume in seiner mündlichen Befragung Vorgehen oder Befragung — sei falsch. Es sei seine Reisen in die Bundesrepublik mit einzukalkulieren, daß kein beweiskräftiges Vorbereitungen für seine Übersiedlung be- Material gefunden werde, da mit erhöhter gründete, gab er am 12. Januar 1970 erst- Vorsicht Guillaumes auf Grund der Fälle Si mals seine Funktionärstätigkeit in der Be- berg, Gronau und Gersdorf zu rechnen sei. triebsgewerkschaftsleitung des Verlages zu — Der Vermerk endet mit einer Auflistung der und versuchte, die durch Quellen bekannt- im einzelnen zu klärenden Punkte. gewordenen Westeinsätze mit sogenannten „Solidaritätseinsätzen" in West-Berlin zu Die Akten wurden daraufhin dem Abteilungsleiter erklären. IV vorgelegt und dann über den Vizepräsidenten — Weiterhin wurde die betont „rechte" Ein- am 23. Mai 1973 an den Präsidenten des BfV weiter- stellung Guillaumes als typisch für einen geleitet. Auf Anordnung des Präsidenten fand am geplanten Angriff auf den rechten Flügel 28. Mai 1973 eine Besprechung statt, an der neben der SPD gewertet. dem Präsidenten der Vizepräsident, der Abteilungs- leiter IV und der Gruppenleiter IV A teilnahmen. — Der bisher im wesentlichen auf den wider- sprüchlichen Angaben Guillaumes gegrün- Hierbei kam man zu dem Ergebnis, daß es sich um dete Verdacht wurde durch die bekanntge- einen dringenden Verdachtsfall handele, der durch vorsichtige Observation weiter aufgeklärt werden wordenen Kontakte in den Fällen Siberg,- Gronau und Gersdorf verstärkt. müsse. Die Gesprächsteilnehmer waren sich dar- über einig, daß das vorliegende Material für die — Der Vermerk schließt mit der Empfehung, Einleitung eines Verfahrens durch den Generalbun- eine Observation einzuleiten, um den Er- desanwalt nicht ausreichend sei. Die Beschaffung mittlungsbehörden entsprechendes Beweis- von Beweismaterial solle daher Ziel der einzulei material zur Verfügung zu stellen. Man tenden Operationen sein. Ohne daß man über die solle sich nicht darauf verlassen, erst durch Funktion Guillaumes im Bundeskanzleramt sprach, einen Zugriff belastendes Material zu fin- gingen die Gesprächsteilnehmer nach ihren Aussa- den. gen übereinstimmend davon aus, daß daran nichts Ein zweiter Vermerk vom 17. Mai 1973 enthält im geändert werde. Weiterhin kam man zu dem Ergeb- wesentlichen die Punkte des Vermerks vom 11. Mai nis, daß es notwendig sei, den Bundesinnenminister und als Ergebnis der Auswertung den dringenden über den Verdachtsfall zu unterrichten und sein Ein- Verdacht für die Einschleusung des Ehepaares verständnis zur Observierung einzuholen, im übri- Guillaume in die Bundesrepublik im Jahre 1956. gen aber die Unterrichtung weiterer Personen die Folgende zusätzliche Momente wurden aufgezeigt: Aufklärung des Falles gefährden könne. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

VI. Die Unterrichtung von Mitgliedern der er erreichen wolle, daß ein Minister eine be- Bundesregierung und Fraktionen des Deutschen stimmte Entscheidung treffe, nämlich den Be- Bundestages über die Verdachtsmomente ginn einer Operation zu genehmigen, so werde gegen Guillaume er ihn nicht noch eine halbe Stunde länger mit irgendwelchen Bagatellen aufhalten, sondern Hierbei ging es dem Untersuchungsausschuß um die mache Schluß, sobald er merke, daß er darauf Fragen, wann, von wem und in welchem Umfang eingehe. So sei es geschehen (15/95). Er habe die einzelnen Informationen erfolgten. zwar keiner förmlichen Erlaubnis bedurft, er hätte es aber in diesem Fall für taktlos und nicht angezeigt gehalten, Observationen ein- 1. Die Unterrichtung des Bundesinnenministers zuleiten, ohne eben das den politischen Instan zen mitzuteilen, die das wissen müßten (15/121; Die Unterrichtung des damaligen Bundesinnenmini- vgl. 15/190 bis 191). sters Genscher durch den Präsidenten des Bundes- amtes für Verfassungsschutz Dr. Nollau erfolgte am Er habe das nicht vorgetragen, was ihm nicht 29. Mai 1973 um 10.30 Uhr im Büro des Bundes- wesentlich erschienen sei. Als Beispiel führte innenministers, wobei der Leiter des Minister- der Zeuge Dr. Nollau an, daß er kaum glaube, büros, Ministerialrat Dr. Kinkel, anwesend war. Dr. etwas von dem Zettel in der Tasche des Agen- Nollau erklärte, gegen Guillaume hätten sich im ten Kuhnert im Falle Gronau gesagt zu haben, BfV Verdachtsmomente ergeben, die auf eine Agen- auf dem u. a. der Name Guillaumes notiert war. tentätigkeit für die DDR schließen ließen. Dabei Im Vergleich mit den anderen Sachen, die er kam zur Sprache, daß Guillaume inzwischen die habe vortragen können, sei ihm das als irre- Aufgaben Reuschenbachs übernommen hatte, der levant erschienen (27/40, 65). Den Zettel habe zuvor im Büro des Bundeskanzlers für Parteiange- er sich selbst auch nie angesehen (27/64). Auch legenheiten zuständig gewesen war. Wie die drei den wesentlichen Inhalt der Sicherheitsakte Gesprächsteilnehmer übereinstimmend aussagten, habe er nicht vorgetragen, da dieser für die führte Dr. Nollau zur Erläuterung des Verdachtes Überführung des Guillaume als Spion gänzlich an, daß bestimmte Erkenntnisse aus einer beson- unzulänglich gewesen sei (15/168, 27/40). So deren nachrichtendienstlichen Methode auf die Per- komme die schriftliche Meldung beim Notauf- son des Guillaume zuträfen und daß der Lebenslauf nahmeverfahren in Gießen in vielen Fällen Guillaumes eine Lücke von fünf Monaten vor seinem — tausendfach — vor. Dieses sei kein Indiz Übertritt in die Bundesrepublik aufweise, die er für Spionagetätigkeit (27/18). Er habe auch nicht habe belegen können. Aus diesen Gründen nicht die in der Sicherheitsakte enthaltenen halte das BfV eine Observation des Guillaume für Quellenmeldungen des UfJ oder des BND er- notwendig. Der Bundesinnenminister erklärte dar- wähnt. Diese Momente seien ihm nicht als gra- aufhin, er müsse davon sofort den Bundeskanzler vierend erschienen. Er hätte allerdings das unterrichten, eine Maßnahme, die der Präsident des Schreiben des UfJ vom 22. November 1955 vor- BfV zunächst ablehnte, schließlich aber ebenfalls be- getragen, wenn es ihm im Wortlaut bekannt jahte. gewesen wäre, denn dieses sei wirklich gra- vierend gewesen (15/169). Der Untersuchungsausschuß befaßte sich ausführlich Die sog. Methode habe er ausführlich vorge- mit der Frage, ob die Erkenntnisse aus der Methode tragen. Er habe nicht bloß gesagt, diese Me- und der Umstand, daß Guillaume die Zeit von fünf thode sei angewandt worden, sondern da sei Monaten vor seinem Übertritt nicht belegen konnte, das und das dabei herausgekommen, was nur die einzigen Indizien waren, über die der Präsident auf die Personen zutreffe. Darauf nämlich habe des Bundesamtes für Verfassungsschutz den Bun- seine Überzeugung beruht (27/17). Er könne desminister des Innern informierte. dieses nicht als „einen Punkt" bezeichnen. Es — Die Zeugen Genscher und Dr. Kinkel sagten sei eine Darstellung der für ihn wichtigsten übereinstimmend aus, Dr. Nollau habe nur Verdachtsgründe gewesen, die Herrn Gen- diese beiden Verdachtsmomente genannt (16/6; scher überzeugt hätten, daß hier etwas getan 15/268). Diese Aussagen werden durch einen - werden müsse. Damit habe er, Nollau, sein Ziel Aktenvermerk bestätigt, den Dr. Kinkel un- erreicht (27/39). mittelbar im Anschluß an das Gespräch am 29. Mai 1973 fertigte. Aus diesen Aussagen ergibt sich deutlich, daß für den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungs- — Der Zeuge Dr. Nollau sagte dagegen aus, er schutz die aufgrund der bestimmten Methode er- wende sich dagegen zu sagen, er hätte nur zwei zielten Erkenntnisse den entscheidenden Verdachts- Punkte vorgetragen. Er könne aber dem Aus- faktor darstellten und er daher bei der Unterrich- schuß nicht sagen, welche weiteren Details er tung des Bundesministers des Innern das Haupt- noch erwähnt habe. Daran erinnere er sich nicht gewicht seiner Argumentation auf die Beschreibung mehr (27/18). und die Ergebnisse der Anwendung dieser Methode — Er bekundete, die Unterrichtung Genschers sei verlagerte. Zwar mag seine Bewertung zutreffend soweit umfassend gewesen, wie es ihm — sein, daß aus nachrichtendienstlicher Sicht diese Nollau — zu dem dort verfolgten Zweck ge- Umstände den „harten Kern" des Verdachts bilde- boten erschienen sei (15/92; auch 15/176 bis ten, obwohl sie, wie übereinstimmend von allen 177, 15/190 bis 191) . Dazu führte er aus, wenn Beteiligten ausgesagt wurde, nicht gerichtsverwert- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

bar waren. Ebenso ist es zutreffend, daß die in den anderen Fällen auch zum Erfolg geführt habe Vermerken vom 11. und 17. Mai 1973 aufgezeigten (16/31, vgl. auch 16/7, 12, 32, 65 f.). übrigen Momente für sich allein nicht geeignet wa- ren, einen Spionageverdacht zu begründen. Diese — Der Zeuge Dr. Kinkel sagte aus, die von Dr. Momente stellten jedoch wesentliche Indizien dar, Nollau erwähnten nachrichtendienstlichen Ver- den aus anderer Quelle begründeten Verdacht zu dachtsmomente seien seiner Erinnerung nach verdichten und zu erhärten. Wie sich aus den o. a. in dem Gespräch nicht bewertet worden Vermerken und den Aussagen der beteiligten Be- (15/277). Aufgrund des Vortrags von Dr. Nol- amten des BfV ergibt, bildeten diese übrigen Um- lau sei es Genscher und ihm so erschienen, daß stände auch eine wichtige Grundlage für ihre Mei- nachrichtendienstlich gewisse Verdachtsmo- nungsbildung. Der Untersuchungsauschuß befaßte mente vorlagen, die aber eben in keiner Form sich daher mit der Frage, ob die Beurteilung der und in gar keiner Weise zu dem damaligen Situation durch den Bundesinnenminister in An- Zeitpunkt beweisbar waren, zumal die Methode sehung der unvollständigen Information der Beur- in einem ähnlich gelagerten Fall kurz zuvor teilung des BfV entsprechen konnte und entsprach. versagt hätte (15/269). Dr. Nollau habe nicht — Auf die Frage, ob er die Erkenntnis des BfV gesagt, Guillaume sei nach Ansicht der Ex- „für uns war klar, Guillaume ist ein Agent" perten im BfV mit Sicherheit ein Agent; er in dieser klaren Form Herrn Minister Gen- habe vielmehr vorgetragen, daß es sich um scher vorgetragen habe, antwortete der Zeuge einen nachrichtendienstlich ernst zu nehmenden Dr. Nollau: „Nicht mit diesen Worten, aber Verdacht handele, der aber eben in keiner mit dieser Meinung." Auf die weitere Frage, Weise erhärtet sei. Die Verdachtsmomente ob der Minister habe erkennen können, daß er seien hinsichtlich ihrer Beweisbarkeit „relativ dieser Meinung gewesen sei, erwiderte der dünn oder ganz dünn sogar" gewesen 15/237). Zeuge Dr. Nollau, der Minister habe das er- Dr. Nollau habe in dem Gespräch zum Aus- kannt, seiner Meinung nach. Er sei ja gleich druck gebracht, daß man immerhin überlegen zum Bundeskanzler gegangen (15/177). Er, Dr. müsse, ob noch ein nachrichtendienstlicher Nollau, habe sich mit Energie dafür eingesetzt, Kontakt zu diesem Zeitpunkt bestand (15/269). dem Minister diese Überzeugung zu vermit- Das in seinem, Kinkels, Vermerk im Zusam- teln (15/197). menhang mit dem Wort ,Verdacht' genannte Adjektiv ,schwerwiegend' beziehe sich auf das — Der Zeuge Genscher führte hierzu aus, sein vorgeworfene Delikt (15/287). Eindruck aus dem Gespräch sei gewesen, daß Herr Dr. Nollau die Sache sehr ernst genom- — Auf die Frage, warum er sich im Verlauf der men habe. Er habe sie genauso ernst genom- Zeit nicht die Akten habe übermitteln lassen, men (16/47). Dagegen sei ihm nicht übermit- obwohl es sich damals von Anfang an um telt worden, daß die Beamten des BfV subjek- einen politisch außerordentlich bedeutsamen tiv der Überzeugung gewesen seien, daß Guil- Falle gehandelt habe, antwortete der Zeuge laume auch zu diesem Zeitpunkt noch als Genscher, er sei davon ausgegangen, daß das, Agent tätig sei (16/31, 50) . was für diesen Fall für die Beurteilung wichtig gewesen sei, ihm mitgeteilt worden sei. Er Er sei am Ende des Gesprächs nicht davon habe keinen Anlaß gehabt, ein Mißtrauen in überzeugt gewesen, Guillaume sei ein Agent, die Behörde zu setzen (16/63). Das, was Herr sondern er sei überzeugt gewesen, der Ver- Dr. Nollau ihm am 29. Mai 1973 vorgetragen dacht müsse ernst genommen werden. Für ihn habe, sei in sich schlüssig und für ihn auch seien die Verdachtsmomente, die er kannte, ausreichend gewesen, um der Observation zu- nicht begründet genug gewesen (16/50). Für zustimmen und den Bundeskanzler zu infor- ihn habe sich das Gewicht der Sache aus der mieren. Aber es sei für ihn nicht erkennbar Funktion des Betreffenden und natürlich aus gewesen, daß es noch eine Fülle anderer der Tatsache ergeben, daß es sich um das De- Punkte gegeben habe (16/58). likt der Spionage gehandelt habe. In einem solchen Fall bewerte man auch einen geringen- Als Ergebnis dieser Beweisaufnahme ist demnach Verdacht höher als einen schweren Verdacht festzuhalten, daß der Präsident des Bundesamtes bei einem geringen Delikt oder bei einer un- für Verfassungsschutz seinen Gesprächspartnern die tergeordneten Position (16/31). Auch Herr Dr. Überzeugung vermittelt hat, daß gegen Guillaume Nollau sei sich sehr wohl darüber klar gewe- ein Verdacht vorlag, der die Einleitung einer Obser- sen, was an Beweismitteln wirklich zur Ver- vation dringend erforderlich machte. Außerdem ist fügung gestanden habe (16/32, 47). Die Frage, ihnen verdeutlicht worden, daß der Zeuge Dr. Nol ob Guillaume ein Spion sei, sei für ihn damals lau diesen Verdacht nachrichtendienstlich ernst nicht entschieden gewesen, nicht zuletzt unter nahm. Nicht bekannt wurde den Zeugen Genscher dem Eindruck des vorangegangenen Falles, in und Dr. Kinkel dagegen, daß Dr. Nollau und die dem sich der aufgrund der Methode entstan- Fachleute des BfV subjektiv der Überzeugung wa- dene Verdacht eindeutig als unzutreffend er- ren, Guillaume sei ein Spion und als solcher noch wiesen habe (16/19 f.). Trotz dieses Mißerfol- tätig, und auf welche weiteren Details sie ihre An- ges sei es aber selbstverständlich gewesen, sicht stützten. Dies hatte notwendigerweise zur daß man einem solchen Verdacht mit großer Folge, daß der Bundesminister des Innern und der Energie nachgehen müsse, da die Methode in Leiter seines Büros diese subjektive Überzeugung Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 nicht teilen konnten. Vielmehr stellte sich ihnen die unterscheiden zwischen den Dingen, die z. B. Situation so dar, daß es Anhaltspunkte für einen etwa dem Kabinettsreferenten und dem Leiter Verdacht gab, die zwar zutreffen konnten, aber nicht des Ministerbüros zugehen, und demjenigen, mußten, in jedem Fall keinen gerichtsverwertbaren der, wie der Bundeskanzler gesagt habe, die Beweis darstellten und daher mehr eine Motivation Parteitermine mache (16/70). darstellen konnten, im Rahmen einer Observation nach Beweismaterial und weiteren Indizien zu su- Der Bundesinnenminister erläuterte daraufhin dem chen. Die Zeugen ließen erkennen, daß sie den Fall Bundeskanzler die Erkenntnisse aus der Methode mit einer gewissen Skepsis beurteilten, die jedoch des BfV und die sich daraus ergebenden Verdachts- durch das Versagen der Methode in einem jüngsten momente gegen Guillaume. Er wies zudem darauf Verdachtsfall nicht nur verständlich, sondern auch hin, daß 'diese Methode in einem anderen Fall, den geboten erscheinen muß, selbst wenn die Methode er bezeichnete, zu einem Fehlschlag geführt habe in einer Vielzahl von Fällen zum Erfolg geführt hat. (16/8) . Wenn auch der Untersuchungsausschuß aus Grün- den der Geheimhaltungspflicht den Wert und die Er- — Die Frage, ob der Zeuge Brandt am Ende des kenntnismöglichkeiten aus der Methode nicht im Gesprächs das gewußt habe, was er selber einzelnen erörtern kann, so machten doch verschie- wußte, bejahte der Zeuge Genscher. Außer der dene Aussagen deutlich, daß die Quelle nicht ge- Darstellung der Methode habe er dem Bundes- richtsverwertbar war und die in Verdacht geratene kanzler mitgeteilt, daß noch ein Zeitraum von Person nicht auswies, so daß auf jeden Fall weitere fünf Monaten im Lebenslauf Guillaumes nicht Feststellungen über ihre Identität notwendig waren belegt sei (16/59). (vgl. 15/149; 16/11, 20, 32, 46). Zudem muß berück- — Der Zeuge Brandt bekundete hierzu, der Zeuge sichtigt werden, daß die Erkenntnisse aus der Quelle Genscher habe ihm mitgeteilt, der Verdacht nur bis zu einem über zehn Jahre zurückliegenden ergebe sich aus einer Quelle besonderer Art, Zeitpunkt reichten (vgl. Nollau: 15/149 f.; Genscher: zurückliegend, wie er glaube, bis in die 50er 16/20) . Jahre. Er habe inzwischen zu seinem Erstaunen von einer Vielzahl von Punkten gelesen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle gespielt 2. DIe Unterrichtung des Bundeskanzlers hätten (16/94). Wenn auch inzwischen eine ge- Der Bundeskanzler wurde vom Bundesminister des wisse Zeit verstrichen sei, so meine er sich Innern in zwei Gesprächen unterrichtet, nämlich am mit Bestimmtheit erinnern zu können, daß nur 29. Mai 1973 im Anschluß an ein Koalitionsgespräch von dieser einen Quelle die Rede gewesen sei und am 30. Mai 1973 (16/8, 93; 15/224). (16/127, 135 f.).

Hierbei vergewisserte sich der Bundesminister des Er habe sich aber gleichzeitig daran erinnert, Innern zunächst, welche Funktion Guillaume im Bun- daß ihm der frühere Chef des Bundeskanzler- amtes, Prof. Dr. Ehmke, im Jahre 1970 oder deskanzleramt innehatte. 1971 einen Hinweis gegeben habe, was Anlaß — Der Zeuge Brandt bekundete hierzu, er habe zu einer Prüfung und Untersuchung Guillau- gesagt, daß Guillaume innerhalb des Kanzler- mes gegeben habe. Dies habe sich bei der da- büros für seine, des Kanzlers Kontakte zu sei- maligen Überprüfung als gegenstandslos er- ner Partei zuständig sei und daß er sich vor- wiesen (16/96). nehmlich um seine auswärtigen Termine zu kümmern habe, dort, wo sie an, wenn man das Dieser Globaleindruck sei ihm haften geblie- so nennen dürfe, der Grenzlinie zwischen Re ben. Er könne sich aber nicht daran erinnern, gierungsätigkeit und Parteitätigkeit gelegen dies in der Unterhaltung mit Genscher erwähnt hätten (16/93). Dies sei für den Bundestags- zu haben (16/133 f.). wahlkampf 1972 besonders wichtig gewesen. Es habe auch für Informationsreisen, für Ein- Nach den weiteren Feststellungen des Untersu- zelveranstaltungen im Lande und deren Vor- chungsausschusses gab der Bundesminister des In- - bereitung, für Besuchergruppen und für Kor- nern unter Berufung auf den Präsidenten des Bun- respondenz gegolten, die mit diesen Vorgän- desamtes für Verfassungsschutz dem Bundeskanz- gen zusammenhängen (16/93 f.). Er habe Gen- ler auf dessen Frage hin den Rat des Verfassungs- scher jedenfalls deutlich gemacht, daß es sich schutzes weiter, Guillaume am Platz zu belassen, um jemanden handele, der neben den Persön- und nicht durch Veränderungen in seiner Funktion lichen Referenten sich vor allem um seine Par- oder auch nur durch verändertes Verhalten ihm ge- teikontakte kümmere, daß er überhaupt dort- genüber ihm eine Warnung zukommen zu lassen hin gekommen sei, um technisch im Wahlkampf (16/8 f.). zur Verfügung zu stehen und spätere ent- sprechende Veranstaltungen vorzubereiten — Zur Frage der Bewertung des Verdachts in (16/130 f.). diesem Gespräch erklärte der Zeuge Genscher, er habe dem Bundeskanzler erklärt, es könne Der Zeuge Genscher ergänzte hierzu, er habe sehr wohl sein, daß ein Zeitpunkt kommt, in sich daraufhin in dem Sinne geäußert, „dann dem er sage, es gehe an den Generalbundes- kommt er ja an Regierungssachen nicht heran". anwalt, es könne auch sein, daß er sage, der Mit dem Begriff Regierungssachen wolle er Verdacht habe sich als unbegründet herausge- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

stellt. Man müsse die Sache ernst nehmen Brandt und Genscher übereinstimmend aussagten (66/59). Bei der Erläuterung der Methode habe (16/9, 93, 95). er Brandt gesagt, es seien schon beachtliche Der Zeuge Grabert bestätigte, daß der Bundeskanz- Erfolge erzielt worden, aber es gebe auch ler ihm 'diesen Vorgang am 4. Juni 1973 genauso Fälle, in denen die Identifikation nicht ausrei- mitgeteilt habe (15/295). chend gelungen sei. Er habe dieses mit dem Wesen der Methode begründet, daß man ohne Ein solches Verfahren ist nur dann verständlich, weitere Feststellungen eben nicht mit Sicher- wenn der Zeuge Genscher inzwischen den Rat heit sagen könne, ob der Verdacht begründet Dr. Nollaus eingeholt hatte. sei oder nicht (16/87). Weiterhin erinnerte sich der Zeuge Bardenhewer, - Der Zeuge Brandt erklärte hierzu, er habe den wenn auch mit Vorbehalt, daß ihm der Zeuge Hinweis auf die Quelle nicht auf die leichte Dr. Nollau später einmal erzählt habe, er, Nollau, Schulter genommen (16/94, 96). Jedoch habe habe vor Antritt der Reise die Mitnahme Guillau- er den Verdacht gegen Guillaume für sehr un- mes empfohlen (12/275, 298 f., 338). Für die Aus- wahrscheinlich gehalten, zumal es sich ihm im sage des Zeugen Nollau könnte dagegen sprechen, Zusammenhang mit dem dargestellt habe, was daß sich in den Akten des BfV eine Notiz vom ihm Ehmke in den vorausgegangenen Jahren 4. Juli 1973 findet, in der es heißt, daß Guillaume gesagt hätte, daß nämlich Guillaume genau mit dem Bundeskanzler in Urlaub sei. Hieraus läßt überprüft worden sei (16/121). Für seine Beur- sich jedoch nur schließen, daß der Beamte, der den teilung habe auch eine Rolle gespielt, daß er Vermerk verfaßt hat, seinerseits von der Reise erst in den zehn Jahren als Berliner Bürgermeister zu diesem Zeitpunkt Kenntnis erhielt. mindestens einmal im Monat mit Vorgängen Als Ergebnis dieses Teils der Beweisaufnahme ist befaßt gewesen sei, von denen man glaubte, zunächst festzuhalten, daß auch der damalige Bun- sie könnten sich zu einem Verdacht verdichten, deskanzler nicht die subjektive Überzeugung der was dann meistens nicht geschehen sei (16/96 f., Fachleute im Bundesamt für Verfassungsschutz 122 f.). kannte und teilte, Guillaume sei ein Spion und als Es bedeute aber nicht, daß er die Sache nicht solcher noch tätig. Außer der Tatsache, daß die Er- ernst genommen hätte (16/121). Es sei eben kenntnisse aus der Methode einen solchen Ver- klar geworden, daß es sich um eine Quelle dacht ohnehin nicht mit Sicherheit begründen konn- handele, die weit zurückliege; es könne etwas ten, gab es dafür zwei weitere Gründe: der Bundes- daran sein, es könne sich auch, wie in anderen kanzler erinnerte sich daran, daß die umfassende Fällen, herausstellen, daß nichts daran sei; Überprüfung Guillaumes bei seiner Einstellung zu also müsse man der Sache nachgehen (16/99). keinem Ergebnis geführt hatte und daß sich häufig Verdachtsfälle während seiner Zeit als Regierender Am Ende des Gesprächs zeigte sich der damalige Bürgermeister von Berlin als unbegründet herausge- Bundeskanzler mit der vorgeschlagenen Observie- stellt hatten. Für die Bewertung seiner Beurteilung rung Guillaumes einverstanden. der Situation ist entscheidend, daß ihm keine der zahlreichen Verdachtsmomente bekannt waren, die Bei diesem Gespräch wurde im übrigen vom Bun- geeignet waren, die aufgrund der nachrichtendienst- deskanzler auch die Frage aufgeworfen, ob Guil- lichen Methode gewonnenen Erkenntnisse zu einem laume, wie bereits geplant und eingeteilt, ihn auf dringenden Verdacht zu erhärten oder zu verdich- seiner Urlaubsreise nach Norwegen begleiten solle. ten. Die Aussage ides Zeugen Dr. Nollau, daß er die Der Bundesinnenminister erklärte, er wolle dazu Angelegenheit Guillaume besser gekannt habe als Dr. Nollan fragen und überbrachte am darauffolgen- Genscher und sie dem Bundeskanzler drastischer den Tag dem Bundeskanzler die Antwort, auch hier- habe vortragen können (27/11), ist glaubwürdig. an solle nichts geändert werden, da sonst die Ge- Aber der Zeuge Dr. Nollau hat den Bundesminister fahr einer Warnung des Verdächtigen bestünde des Innern bei seinem Vortrag am 29. Mai 1973 nicht (16/95; 16/9). erkennen lassen, daß außer den vorgetragenen Ver- In diesem Zusammenhang besteht ein Widerspruch dachtsgründen noch weitere Verdachtsmomente im zwischen den Aussagen der Zeugen Dr. Nollau und BfV aufgetaucht waren, die der Zeuge Dr. Nollau Genscher, der nicht auszuräumen war. Während der selbst nicht für entscheidend hielt. Zeuge Genscher aussagte, er habe nach dem ersten Außerdem bleibt es eine hypothetische Frage, ob Gespräch mit dem Bundeskanzler den Zeugen der Zeuge Dr. Nollau von der Möglichheit weiterer Dr. Nollau am 30. Mai 1973 telefonisch 'befragt, ob Information Gebrauch gemacht hätte. Denn auch der sich an der geplanten Norwegen-Reise etwas ändern Bundeskanzler hatte erkannt, daß die Observierung sollte, was dieser verneint habe, bestand der Zeuge Guillaumes notwendig war und ihr zugestimmt. Dies Nollau darauf, hiervon erst nach Antritt der Reise war das einzige, was der Zeuge Dr. Nollau — zumin- Anfang Juli etwas erfahren zu haben (Genscher: dest bei der Unterrichtung Genschers — erreichen 16/9; Nollau: 15/136 ff; 27/12, 19). wollte und auch erreicht hat. Für die Aussage des Zeugen Genscher spricht zu- Es besteht daher kein Anlaß für die Annahme, daß nächst, daß er die endgültige Antwort auf die Frage die Unterrichtung des Bundeskanzlers anders aus- des Bundeskanzlers nach der Teilnahme Guillaumes gefallen wäre, wenn Dr. Nollau sie selbst vorgenom- an der Norwegen-Reise erst in seinem zweiten Ge- men hätte, zumal er sich zunächst auf den Stand- spräch am 30. Mai 1973 überbrachte, wie die Zeugen punkt gestellt hatte, daß außer dem Minister nie- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 mand sonst unterrichtet werden solle und die Ver- einem bereits überführten Agenten sprachen, son- ständigung des Kanzlers sich allein aus der Ent- dern von einem konkreten Verdacht gegen einen scheidung des Ministers ergab. Mitarbeiter im Kanzleramt. Der Zeuge Dr. Nollau teilte dem Zeugen Wehner weiter mit, daß der Bun deskanzler unterrichtet sei und der Observation 3. Die Unterrichtung des Chefs des Bundeskanzleramts Guillaumes zugestimmt habe (14/61). Außer dem Leiter des Kanzlerbüros, Dr. Wilke, den Zu den weiteren zur Sache jeweils nur wenige der damalige Bundeskanzler Brandt noch am 30. Mai kurze Hinweise enthaltenden Gesprächen bekun- 1973 oder am Tage danach unterrichtet hatte, infor- dete der Zeuge Dr. Nollau, mierte er den damaligen Chef des Bundeskanzler- — er habe am 11. September 1973 — ganz knapp amtes Grabert am 4. Juni 1973 unmittelbar nach — mitgeteilt, daß Guillaume observiert werde dessen Rückkehr von seinem Urlaub in Berlin und welche Ergebnisse das bis dahin gehabt (16/95; 15/295, 306). Der Zeuge Grabert glaubte habe (14/28). Im Gespräch vom 18. Februar aufgrund der Unterrichtung, es handele sich um 1974 habe er erwähnt, daß im Bundesamt für die notwendige Überprüfung alter Tatbestände. Er Verfassungsschutz der Abschlußbericht mit sah keine Anhaltspunkte dafür, daß es sich hier um dem Ziel vorbereitet werde, die Sache nun- eine ganz besonders gravierende Frage handelte mehr zu einem Ende zu bringen (14/28, 36). (15/299). Den Schluß eines aktuellen Tatverdachts gegen Guillaume hat Grabert nicht gezogen (15/306). Der Zeuge Wehner hat dazu ausgesagt, Im übrigen gab der Zeuge Brandt in diesem Ge- — Dr. Nollau habe ihn nicht über den jeweiligen spräch den Rat weiter, am Tätigkeitsgebiet Guil- Stand der Observation und irgendwelche De- laumes und am Verhalten diesem gegenüber nichts tails der Observationsergebnisse und auch zu ändern. Dieses wurde auch auf die Norwegen nicht über die bevorstehende Abgabe an den Reise bezogen (16/96; 15/296, 309). Generalbundesanwalt informiert (14/61, 62). Im September sei es darum gegangen, ob jemand 4. Die Unterrichtung des Fraktionsvorsitzenden der SPD behilflich sein könne, nachzusehen bzw. Per- sonen zu befragen (14/59). Aus allen drei Ge- Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungs- sprächen seien ihm keine Bemerkungen in schutz, Dr. Nollau, hat den Vorsitzenden der SPD- Erinnerung geblieben, aus denen er die Dichte Bundestagsfraktion, Wehner, erstmals am 4. Juni des Verdachts hätte erkennen können (14/64). 1973 über die Verdachtsmomente gegen Guillaume unterrichtet. Weitere Informationen erfolgten am Ob Dr. Nollau gegenüber Wehner nur davon gespro- 11. September 1973 und am 18. Februar 1974. chen hat, das BfV wolle die Sache nun zu Ende brin- gen und damit die für ihn selbstverständliche Vor- Der Zeuge Wehner war zu Beginn der sechziger stellung der Abgabe an den Generalbundesanwalt Jahre dem Bundesamt für Verfassungsschutz vom verband oder dieses letztere auch ausdrücklich Parteivorstand der SPD als Gesprächspartner für ausgesprochen hat, geht aus der Aussage Dr. Nol- Fragen benannt worden, die Sicherheitsinteressen laus nicht eindeutig hervor. der SPD berührten. In dieser Eigenschaft war der Jedoch kann die Frage, ob ein Unterschied in der Zeuge Wehner neben dem früheren Parteivorsitzen- Aussage der beiden Zeugen über ihre Gespräche den 011enhauer und dessen Stellvertreter Erler seit nicht nur im Wortlaut, sondern auch inhaltlich be- etwa 1961 mehrfach über dem Bundesamt für Ver- steht und welcher von beiden gegebenenfalls über fassungsschutz vorliegende Hinweise auf ein auf eine zutreffende Erinnerung verfügt, offenbleiben. die SPD angesetztes, in die Bundesrepublik einge- Der Untersuchungsausschuß hat nach den überein- schleustes Ehepaar unterrichtet und um Mithilfe bei stimmenden Bekundungen der Zeugen Wehner und dessen Indentifizierung gebeten worden (14/27, 35, Dr. Nollau festgestellt, daß der Fraktionsvorsit- 50, 51, 63). Die Unterrichtung des Zeugen Wehner zende der SPD nämlich nicht an einem Entschei- durch den Zeugen Dr. Nollau am 4. Juni 1973 er- dungsprozeß oder an bestimmten Maßnahmen der folgte — wie beide übereinstimmend bekundeten — Observation gegen Guillaume beteiligt war. mit wenigen Sätzen anläßlich eines längeren Ge- - spräches über andere Themen (14/28 f., 42, 45, 52 f.). Da dem Zeugen Wehner die Vorgeschichte der Be- mühungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, VII. Die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung dieses bisher nicht identifizierte Agentenehepaar Guillaumes im Bundeskanzleramt aufzuklären, bekannt war, genügte ein kurzer Hin- weis. Ob der Zeuge Dr. Nollau dabei, wie er sich er- Die Weiterbeschäftigung Guillaumes im Bundes- innert, gegenüber Wehner die Worte gebraucht hat: kanzleramt ging auf den Rat des Bundesamtes für „Den lange Gesuchten haben wir jetzt. Wir meinen, Verfassungsschutz zurück. In der Besprechung im ihn zu haben. Er heißt Guillaume und ist im Bundes Bundesamt für Verfassungsschutz am 28. Mai 1973, kanzleramt" (14/27 f., 31) oder — wie Wehner an der die Zeugen Dr. Nollau, Bardenhewer, Rausch meint — „daß man jemand im Auge habe" (14/59) und Watschounek teilnahmen, gingen die Beteilig- und „Wir müssen sehen, ob das auf Guillaume zu- ten stillschweigend davon aus, daß an der Position trifft oder nicht" (14/60), ist sachlich ohne Bedeu- von Guillaume im Bundeskanzleramt nichts verän- tung. Denn aus den zitierten Bekundungen beider dert werden sollte, da sie eine Observation für not- Zeugen ergibt sich eindeutig, daß sie nicht von wendig hielten und bei jeder Veränderung seiner Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Stellung befürchteten, daß er und denkbare Mit- anderen hätte er durch eine Versetzung täter dadurch gewarnt und nicht mehr überführt Guillaumes womöglich die Aufklärung er- werden könnten. Besonders deutlich ergibt sich das schwert. Schließlich hätte man dem Mann viel- aus der Aussage des Zeugen Rausch, der bekundete, leicht Unrecht getan. Man müsse dies immer er habe gehofft, Guillaume werde wie bisher weiter- vor dem Hintergrund früherer Fälle sehen, in beschäftigt. Eine Veränderung der Tätigkeit denen sich Verdachtsmomente nicht verdichtet Guillaumes hätte er unter allen Umständen, soweit hätten. das in seinen Möglichkeiten gestanden hätte, zu ver- Der Zeuge Brandt fügte dann im Rahmen sei- eiteln gedacht (12/36, 79). ner Aussage hinzu, daß er sich seitdem oft Auch der Zeuge Dr. Nollau, der zunächst von einer die Frage gestellt habe, ob er damals zu die- Unterrichtung des Bundeskanzlers absehen wollte, sem Punkt richtig gehandelt habe, dem ihm bat in seinem Gespräch mit den Zeugen Genscher gegebenen Rat zu folgen. Nach späterem Wis- und Dr. Kinkel am 29. Mai 1973 dringend darum, sensstand erscheine ihm das, was damals für Guillaume in seiner Stellung zu belassen. Dieser ihn plausibel war, eher als fragwürdig (16/94, Rat wurde in Kenntnis der Funktion Guillaumes ge- 98) . geben. Zumindest im Laufe des Gesprächs bestand — Der Zeuge Grabert erklärte, Brandt habe ihm Klarheit darüber, daß Guillaume im Kanzlerbüro für mitgeteilt, wichtig bei der ganzen Sache sei Parteisachen zuständig war. die absolute Vertraulichkeit des Vorgangs und die völlig ungestörte Tätigkeit des Verfas- Soweit der Zeuge Dr. Nollau in seiner letzten Ver- sungsschutzes. Dieses bedeute, nichts im Ver- nehmung insoweit den Vorbehalt machen wollte, er fahren zu ändern (15/296, 309). habe die von Guillaume zuletzt übernommene Funk- tion des früheren Mitarbeiters im Kanzlerbüro, Der Ausschuß ist der Auffassung, daß es vertretbar Reuschenbach, nicht genau gekannt, hat er einräu- ist, einen der Agententätigkeit Verdächtigten auch men müssen, daß er die von ihm behaupteten rest- über einen längeren Zeitraum auf einem exponierten lichen Unklarheiten jedenfalls nicht zum Ausdruck Arbeitsplatz zu belassen, wenn er erst durch eine gebracht hat. Observation überführt werden kann. — Der Zeuge Dr. Nollau führte dazu aus, er habe Zwar steht dem staatlichen Interesse, einen Agen- gesagt, seiner Meinung nach müsse man ver- ten und seine möglichen, unter Umständen zunächst suchen, den Bundeskanzler zu überzeugen, daß völlig unbekannten Mittäter zu überführen, ein er Guillaume noch an seinem Platz belassen anderes gleichwertiges Interesse gegenüber, eine müsse.r Die Position sollte nicht verändert we vermutete Spionagetätikeit so schnell wie möglich den, damit keine Tatsachen gesetzt würden, die zu unterbinden. In einem Rechtsstaat ist aber die von Guillaume als Warnung betrachtet und endgültige Ausschaltung eines Agenten nicht ohne vielleicht zur Flucht hätten führen können. seine Überführung möglich. Bei dem gegebe- Diesen Rat habe er in dieser Situation für an- nen Sachverhalt war die Weiterbeschäftigung gezeigt gehalten und er sei mit allen, die davon Guillaumes ein notwendiges Mittel seiner Überfüh- etwas verständen, in Einklang (15/99, 187). rung, zumal wesentliche nachrichtendienstliche Ver- dachtsmomente ohne weitere Ermittlungen zur Per- — Der Zeuge Genscher führte hierzu aus, wenn son weder aussagekräftig noch überhaupt gerichts- ein Verdachtsmoment aufkomme — dies seien verwertbar waren. Alle mit dem Vorgang beschäf- selten von vornherein sehr massive Verdachts- tigten sachkundigen Beamten waren übereinstim- momente —, habe man Anlaß, den Betreffen- mend der Auffassung, daß eine Veränderung seiner den in seinem Wirkungskreis weiter arbeiten Position Guillaume zu äußerster Vorsicht, wenn zu lassen, um zu sehen, ob er Kontakte unter- nicht zur Flucht, veranlaßt hätte. Dann hätte keine halte, wen er beliefere und ob er möglicher- Aussicht mehr bestanden, Art und Umfang seiner weise mit anderen zusammenarbeite. Deshalb Agententätigkeit und die von ihm benutzten Er- habe er diesen Rat der Experten des BfV kenntnismittel, Übermittlungswege oder Mittäter dem Bundeskanzler weitergegeben. Es sei festzustellen. Daraus hätte sich der Vorwurf erge- schließlich darum gegangen, die gegebenen- ben, daß durch die Mißachtung des übereinstimmen- Verdachtsmomente zu erhärten oder aber das den dringenden Rates der Fachleute die Aufklärung Gegenteil festzustellen (16/9). des als politisch erheblich erkannten Vorganges ver- — Der Zeuge Brandt sagte aus, daß er von Herrn hindert worden sei. Genscher den Ratschlag erhalten habe, es möge Der Ausschuß kommt deshalb zu der Feststellung, an den Aufgaben und dem Tätigkeitsbereich daß die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung von Herrn Guillaume nichts geändert werden, Guillaumes im Rahmen des pflichtgemäßen Ermes- und er möge sein Verhalten gegenüber sens getroffen worden ist. Guillaume nicht ändern, weil beides — eine Veränderung seiner Tätigkeit oder eine Ver- änderung seines Verhaltens zu ihm — zu La- sten der einzuleitenden Observation hätte ge- VIII. Die Frage der Sicherheitsvorkehrungen hen können. Dieser Rat sei ihm damals in mehr- facher Hinsicht plausibel erschienen. Er habe Der Untersuchungsausschuß prüfte weiterhin, ob die mit dazu beitragen können, zu einem Ergebnis Weiterbeschäftigung Günter Guillaumes uneinge zu kommen, wie es auch geschehen sei. Zum schränkt oder unter dem Vorbehalt von zu treffen- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 den Sicherheitsvorkehrungen empfohlen wurde. We- — Der Zeuge Grabert führte aus, er könne sich der in dem Gespräch zwischen den Zeugen Gen- nicht erklären, wie eine solche Aktennotiz zu- scher, Dr. Nollau und Dr. Kinkel noch in der an- stande gekommen sein könne; Bundeskanzler schließenden Unterrichtung des Bundeskanzlers Brandt habe ihm nur den Rat des Bundesinnen- durch den Bundesinnenminister wurde die Frage er- ministers und des Verfassungsschutzes mitge- örtert, ob gegen Guillaume Sicherheitsvorkehrun- teilt, am Geschäftsverfahren nichts zu ändern gen zu treffen seien, wie die insoweit übereinstim- (15/309 f.). menden Zeugenaussagen der jeweils Beteiligten er- geben haben. — Der Zeuge Dr. Nollau, der die Information an den Zeugen Rausch weitergegeben hatte, er- Diesem Bekunden widerspricht ein Vermerk des klärte zunächst, der Bundesinnenminister habe Zeugen Watschounek (BfV) vom 4. Juni 1973, in dem sich in dem Telefongespräch vom 30. Mai 1973, es u. a. heißt: in dem er ihn über sein Gespräch mit dem Bun- deskanzler unterrichtet habe, etwas verdeckt „Bundeskanzler Brandt will allerdings prüfen, ausgedrückt. Da sei etwa so eine Bemerkung wie der Zugang Guillaumes zu geheimen Un gewesen in dem Sinne, Guillaume könne wohl terlagen unauffällig reduziert werden kann." an Regierungssachen nicht heran oder so ähn- — Der Zeuge Watschounek erklärte hierzu, der lich. Die Bemerkung habe er darauf zurückge- Zeuge Rausch habe ihm über das Gespräch führt, daß Guillaume eben nur mit Partei- und zwischen Genscher und Brandt gesagt, der Gewerkschaftssachen zu tun hatte (15/124). Bundeskanzler wolle die Möglichkeiten prüfen, — Auf den Vorhalt des Aktenvermerks des BfV den Zugang zu sicherheitsempfindlichem Ma- erwiderte der Zeuge Dr. Nollau, er wisse na- terial eventuell zu reduzieren. Daraufhin habe türlich nicht, was der Bundesinnenminister mit er den Vermerk gefertigt (12/140). dem Bundeskanzler gesprochen habe. Er könne — Der Zeuge Rausch führte aus, der Zeuge Dr. nur sagen, was ihm gesagt worden sei. Daraus Nollau habe ihm über das Gespräch zwischen habe sich etwas ergeben, was seiner Auffas- den Zeugen Genscher und Brandt mitgeteilt, sung nach sinngemäß habe bedeuten sollen, der Bundeskanzler wolle prüfen, wie der Zu- daß Guillaume eben nicht an Regierungssachen gang Guillaumes zu sicherheitsempfindlichem herankommen sollte. So wolle er das einmal Material reduziert werden könne (12/34). ausdrücken. Wörtlich könne er sich an so etwas — Auch der Zeuge Bardenhewer erklärte, er habe nicht erinnern. Es sei aber davon die Rede von dem Zeugen Rausch über den Inhalt des gewesen, daß dafür gesorgt werden sollte, daß Gesprächs zwischen Genscher und Brandt ge- Guillaume nicht an Regierungssachen heran- hört, daß der Bundeskanzler dafür sorgen kommen sollte (15/129 f.). wolle, den Zugang Guillaumes zu Geheim- material möglichst zu reduzieren (12/300 f.). Aus diesen Aussagen ergibt sich, daß sich der Inhalt — Demgegenüber erklärte der Zeuge Genscher, des Vermerks vom 4. Juni 1973 ausschließlich auf eine solche Information habe er nicht an Nol eine Mitteilung stützt, die der Zeuge Dr. Nollau an lau weitergegeben. Denn von einer Reduzie- den Zeugen Rausch weitergegeben hatte. Die außer- rung des Zugangs zu Geheimsachen habe des- ordentlich unbestimmte und vage formulierten Aus- halb die Rede nicht sein können, weil der Bun- sagen des Zeugen Dr. Nollau über den Inhalt sei- deskanzler ja bestätigt habe, daß Guillaume nes Telefonats mit dem Zeugen Genscher vom mit Parteisachen befaßt sei (16/62). 30. Mai 1973 sowie seine Erklärung, Genscher habe bei diesem Gespräch etwas verdeckt gesprochen, — Auch der Zeuge Brandt erklärte dazu, der In- führen zu dem Schluß, daß wegen des Zugangs halt des Vermerks vom 4. Juni 1973 könne Guillaumes zu Geheimsachen ein Mißverständnis nicht stimmen. Denn dies befände sich ja im zwischen den Gesprächspartnern entstanden ist. Widerspruch zu dem erteilten Rat, nichts zu Denn es besteht kein Anhaltspunkt für die An- ändern (16/124). Er habe daher keine Anord- nahme, daß der Zeuge Genscher einen Vorgang er- nungen getroffen. Jede Maßnahme oder An- - wähnt haben sollte, über den er mit dem Bundes- ordnung hätte erstens völlig außerhalb dessen kanzler nicht gesprochen hatte. gelegen, womit ein Bundeskanzler zu tun habe, der für Fragen dieser Art nicht da sei, sondern Dieses mögliche Mißverständnis hatte jedoch zur allenfalls Herren aus seinem Amt, wenn zu- Folge, daß sich alle beteiligten Beamten des BfV — ständige Stellen dies wünschten. Er habe sich Watschounek, Rausch, Bardenhewer — bei der gedacht, jedes Tätigwerden im Kanzleramt Frage nach evtl. Sicherheitsvorkehrungen gegen hätte bedeutet, andere Personen einzuweihen Guillaume darauf beriefen, sie seien davon ausge- und dem zu Observierenden gegenüber unter gangen, daß im Bundeskanzleramt das Notwendige Umständen etwas zu erkennen zu geben, was getan werde, wenn es etwas zu tun gäbe. Sie hätten die Observation hätte beeinträchtigen oder ge- es daher nicht mehr als ihre Aufgabe angesehen, fährden können. Er sei als selbstverständlich sich um evtl. Sicherheitsrisiken zu kümmern (Wat- davon ausgegangen, daß die mit solchen Din- schounek: 12/152 f.; Rausch: 12/44 f.; Bardenhewer: gen befaßten Stellen das Notwendige tun wür- 12/330) . den und das Risiko, das damit verbunden war, den Mann in seiner Nähe zu belassen, so mini- Auch in bezug auf die Norwegenreise im Juli mal wie möglich halten würde (16/98). 1973, bei der Guillaume den damaligen Bundes- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode kanzler begleitete, wurden keine besonderen Emp- es nun notwendig, die Ermittlungen mit gro- fehlungen ausgesprochen. Es bestand außerhalb des ßer Intensität zum Abschluß zu bringen und Bundeskanzleramtes kein Anlaß zu der Annahme, sich schlüssig darüber zu werden, ob es zu daß Guillaume in Norwegen unter dem Gesichts- einer Abgabe des Falles an die Bundesan- punkt des Geheimschutzes weitergehende Funktio- waltschaft ausreiche (16/10). nen erhalten sollte als bei seiner Tätigkeit in Bonn. Deshalb wurde außerhalb des Bundeskanzleramtes Er habe Nollau sehr dringlich eigentlich fast auch die Frage nicht geprüft und entschieden, ob ein zeitliches Ultimatum gestellt; er habe ihm überhaupt und ggf. welche Maßnahmen möglich ge- gesagt, er, Nollau, müsse jetzt zu Ende kom- wesen wären, bei der üblichen Organisation einer men und so oder so eine Entscheidung tref- solchen Reise weitere Erkenntnisse des verdächtigen fen (16/30). Mitarbeiters zu verhindern, ohne ihn gleichzeitig Nollau habe sich daraufhin noch eine Frist notwendigerweise dadurch zu warnen. von vier Wochen erbeten und nach Ablauf dieser Frist erklärt, man könne jetzt den Ab Mit Rücksicht auf die Ermittlungstätigkeit des Gene- schlußbericht vorlegen und die Sache an den ralbundesanwalts im Strafverfahren gegen Guil- Generalbundesanwalt abgeben (16/10, 51). laume hat der Untersuchungsausschuß die Frage nicht untersucht, ob und welche Zugänge zu gehei- Der Zeuge Genscher führte weiter aus, er men Unterlagen sich Guillaume bis zu seiner Ver- habe wegen der Position Guillaumes ein so haftung beschaffen konnte. Deshalb kann auch nicht erhebliches Interesse daran gehabt, die Ange- beurteilt werden, ob durch eine Nichtanordnung von legenheit möglichst schnell zu Ende zu brin- Sicherheitsvorkehrungen tatsächlich ein Schaden gen und von daher wiederholt gemahnt und entstanden ist. Schließlich kann deshalb auch nicht anmahnen lassen; die Dauer der Beobachtung konkret untersucht werden, wie der Rat des BfV aus- sei ihm aber an sich nicht übermäßig lang gefallen wäre, wenn ihm alle Einzelheiten der Orga- erschienen (16/22, 56). nisation der Reise bekannt gewesen wären. Denn es ist denkbar, daß man sich hätte entschließen müs- 2. Bundeskanzler Brandt erkundigte sich ab Sep- sen, weitere Erkenntnisse des Agenten in Kauf zu tember 1973 mehrfach beim Chef des Bundes- nehmen, wenn anders seine Überführung und Fest- kanzleramtes nach der Sachlage. Dieser hat ihm stellungen über mögliche Mittäter nicht möglich ge- berichtet, daß nichts Neues vorliege. Der Zeuge wesen wären. Grabert hatte sich persönlich dreimal bei Bun- desminister Genscher nach dem Erkenntnisstand erkundigt. IX. Die Maßnahmen zur Überführung Guillaumes — Der Zeuge Grabert bekundete, er habe den Zeugen Genscher bei diesen Nachfragen auch Der Untersuchungsausschuß prüfte abschließend die gebeten, die Überprüfung oder die Observa- Frage, zu welchem Zeitpunkt und mit weichem In- tion zu intensivieren, damit der Vorgang ab- halt nach dem Mai 1973 zwischen dem Bundesmini- geschlossen werden könne (15/297, 308). sterium des Innern und dem Bundesamt für Verfas- sungsschutz sowie zwischen dem Bundeskanzleramt Die Unterrichtung des damaligen Bundeskanzlers und dem Bundesministerium des Innern Kontakte über die nunmehr geplante Abgabe an die Bundes- über den Stand der Aufklärung der Verdachts- anwaltschaft erfolgte am 1. März 1974 durch den momente gegen Günter Guillaume stattgefunden Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz haben. in Gegenwart des Bundesinnenministers. Zum Inhalt dieses Gesprächs erklärte der Zeuge Brandt, 1. Zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesamt für Verfassungsschutz fan- — auch aufgrund der detaillierten Unterrichtung den nach dem Auftreten der Verdachtsmomente durch Dr. Nollau selbst in Gegenwart von Gen- gegen Günter Guillaume und der Einleitung der scher sei er immer noch nicht davon überzeugt gewesen, daß es wirklich so sei. An ein Detail Observation mehrere Kontakte statt. Sowohl- der Zeuge Genscher als auch der Zeuge Dr. Kinkel dabei könne er sich besonders erinnern. Es sei erkundigten sich wiederholt bei dem Präsiden- in Verbindung mit der vorhin erwähnten Quelle ten des Amtes für Verfassungsschutz nach dem davon gesprochen worden, daß es sich bei der Stand der Angelegenheit. In diesen Gesprächen Familie Guillaume um eine Familie mit zwei unterrichtete der Zeuge Dr. Nollau auch über Ein- Kindern handele. Er habe damals eingewandt, zelheiten der bisherigen Observationsergebnisse. ihm sei bekannt, es gebe nur einen Sohn (16/121, Der Zeuge Genscher erklärte hierzu, 128) .

— für ihn sei es aber weniger darum gegangen, Zusammenfassend ist festzustellen, daß sowohl das einzelne Erkenntnisse zu erfahren, sondern Bundeskanzleramt als auch der Bundesinnenmini- darum, ob man weiter gekommen sei und ster wiederholt darauf gedrängt haben, die Obser- wann die Sache an den Generalbundesanwalt vation Guillaumes zu einem baldigen Abschluß zu abgegeben werden könne (16/53). bringen. Der Zeuge Bardenhewer bekundete dazu, Zu Beginn des Jahres 1974 habe er Nollau im Bundesamt für Verfassungsschutz sei ihm einmal gesagt, wegen der Position Guillaumes sei gesagt worden: Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

- „Jetzt drängen die da schon wieder im Innen (18/94 f.). Die aufgrund dieser Anweisung bei der ministerium." Zentralabteilung eingehenden Akten wurden zu- Er habe daraufhin erwidert, daß es dabei auch nächst gesondert im Gesamtkarteiraum aufbewahrt auf die politische Seite ankomme (12/323). und von dem Zeugen Wessel im Oktober 1969 zu sich in seinen Sicherheitsraum gezogen. Der Zeuge Der Untersuchungsausschuß ist der Auffassung, daß Wessel wollte dadurch erreichen, daß die fort eine Observationsdauer von neun Monaten ange- dauernden Gerüchte aufhörten und er jeden Miß- sichts der gegebenen Schwierigkeiten nicht über- brauch mit Sicherheit ausschließen könnte (18/153 f.; mäßig lang war. 182, 189) . Der Ausschuß hat die Frage geprüft, ob der Zeuge Wessel den damaligen Chef des Bundeskanzler amtes, den Zeugen Prof. Dr. Carstens, von der Exi C. Der Untersuchungsgegenstand stenz und dem Zusammenziehen der Akten unter ,,Aktenvernichtung im richtet hatte und was dieser daraufhin veranlaßt hat. Bundesnachrichtendienst" - Der Zeuge Wessel hat dazu erklärt, er nehme an, den Vorgang auch mit dem Chef des Bun- Der Untersuchungsausschuß hatte die Frage zu prü- deskanzleramtes besprochen zu haben. Er fen, ob im Bundeskanzleramt bzw. in dessen Ge müsse das rückblickend aus dem Gesamtzu- schäftsbereich Akten, Schriftstücke oder sonstige sammenhang seiner Maßnahme vermuten. Es Unterlagen über politische Parteien, Vereinigungen sei einfach naheliegend. Er könne es aber nicht oder Personen und deren Kontakte und Verbindun- mit Sicherheit sagen (18/100, 105, 154; 20/36). gen, insbesondere zu kommunistischen Regierun gen, Parteien, Vereinigungen oder ihren Funktionä- — Demgegenüber erklärte der Zeuge Prof. Car- ren angelegt, vernichtet, beiseite geschafft oder stens, er wisse nicht, ob der Präsident des Bun- sonst der Verfügung der Stellen, bei denen sie ent- desnachrichtendienstes ihm von der Existenz standen sind, entzogen worden sind. dieser Dossiers etwas gesagt habe. Er könne ein solches Gespräch nicht mit absoluter Sicher- Da die Beurteilung der Frage; ob Akten, Schrift heit ausschließen. -Er müsse aber sagen, daß er stücke oder sonstige Unterlagen nach intensiver Gedächtnisprüfung keine An — zu Recht vernichtet, oder haltspunkte für eine solche Unterrichtung ge- der Verfügung der Stellen, bei denen sie ent- funden habe. Er gehe davon aus, daß er sonst standen sind, entzogen worden sind, darin einen ungewöhnlichen Vorgang gesehen und die Dossiers hätte ansehen wollen (19/37, die Kenntnis des Inhalts und Verwendungszwecks 43 ff., 115 f.). dieser Unterlagen voraussetzt, hat sich der Unter- suchungsausschuß mit der Frage befaßt, ob die An- — Der Zeuge Prof. Carstens hat zwar bestätigt, daß legung dieser Akten und das Sammeln derartiger Er er mit dem Zeugen Wessel über den Aufgaben- kenntnisse dem Auftrag des Bundesnachrichtendien- bereich des BND gesprochen und sich dabei mit stes zur Auslandsaufklärung entsprach oder ob diese dem Zeugen Wessel darin einig gewesen sei, Unterlagen im Rahmen einer unzulässigen innen daß der BND sich strikt an die ihm gestellte politischen Aufklärung und Betätigung des Bundes- Aufgabe halten müsse (19/61, 132 f.). Er könne nachrichtendienstes entstanden und verwertet wor sich aber nicht daran erinnern, im Rahmen sei den sind. ner Dienstaufsicht konkrete Maßnahmen an- geordnet zu haben, die eine Inlandsaufklä rung ausschließen sollten (19/62). I. Anordnung und Durchführung von Aktenvernichtungen Die Aussagen der beiden Zeugen widersprechen sich nicht. Der Zeuge Wessel kann sich nicht an ein a) Kurz nach seinem Dienstantritt am 1. Mai 1968 bestimmtes Gespräch erinnern, sondern zieht nur waren dem Präsidenten des Bundesnachrichtendien- aus dem Zusammenhang die Schlüsse. Es ist daher stes, dem Zeugen Wessel, „Gerüchte über angeb- - davon auszugehen-, daß er sich mit dem Zeugen liche mißbräuchliche Verwendung von Erkenntnis- Prof. Carstens entsprechend dessen Aussage nur sen über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" über die Abgrenzung der Tätigkeit des BND über- zu Ohren gekommen. Er ordnete daher in einer Ab- haupt unterhalten hat, ohne dabei auf einzelne Ge teilungsleiterbesprechung am 7. Juni 1968 an „daß sichtspunkte einzugehen. von allen Abteilungen, in denen Unterlagen irgend- welcher Art über Persönlichkeiten des öffentlichen b) Am 9. Dezember 1969 unterrichtete der Präsi- Lebens vorhanden sind, diese an den Abteilungs- dent des Bundesnachrichtendienstes, der Zeuge Wes- leiter der Zentralabteilung abzugeben seien". An- sel, den damaligen Chef des Bundeskanzleramtes, fragen zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens den Zeugen Prof. Dr. Ehmke, über die Existenz von seien ihm vorzulegen; die Beantwortung erfolge, Akten, die Erkenntnisse über Persönlichkeiten des wenn überhaupt, ausschließlich mit seiner Geneh- öffentlichen Lebens enthielten. Dabei kann dahin- migung (18/94). Diese Anordnung hat der Zeuge gestellt bleiben, ob der Zeuge Wessel von sich aus Wessel später, auch gegenüber den Leitern von den Chef des Kanzleramtes aufsuchte oder ob von Außenstellen, Referenten und schließlich allen Mit- diesem die Frage nach der Existenz derartiger Akten arbeitern des Dienstes mehrfach wiederholt gestellt worden war (18/98 f., 54, 61). Jedenfalls wa- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode ren damals in der Zeit des Regierungswechsels die Dazu hat der Zeuge Gehlen, der ehemalige Präsi- Vorwürfe einer innenpolitischen Tätigkeit des BND dent des BND, zu dessen Amtszeit diese Akten ent- besonders intensiv und der Zeuge Prof. Ehmke standen waren, erklärt. wollte den Dienst „aus der grauen Zone herausbrin- — daß er gegen die Vernichtung dieser Akten gen" (18/98, 154). keine nachrichtendienstlichen Bedenken gehabt Hinzu kam, daß die sogenannte „Mercker-Kom- hätte — im Gegenteil — sie seien für seinen mission" am 24. Juli 1969 ihren Bericht vorgelegt persönlichen Gebrauch bestimmt gewesen, und hatte, in dessen zweiten Teil die von der Kommis- es sei nichts von nachrichtendienstlichem Wert sion festgestellten sachlichen Probleme, insbeson- verlorengegangen (25/142). dere die Gründe für die Mängel in seiner damaligen Diese Dossiers bestanden zum Teil aus einzelnen Leistungsfähigkeit und seiner inneren Lage behan- Blättern oder Karteikarten, zum Teil aus dünnen delt wurden. In den Empfehlungen dieser Kommis- Heften. Über einzelne Personen waren aber auch sion war festgestellt worden, daß eine intensive Be- umfangreichere Sammlungen mit über 80 bzw. über aufsichtigung des BND durch das Bundeskanzleramt 100 Seiten, in einem Fall ein schmaler Leitzordner, dringend erforderlich sei, um zu verhindern, daß der vorhanden (18/184; Vernichtungsverhandlung v. BND zum Staat im Staate werde (Drucksache 7/3083, 29. November 1973, Dok. Nr. 29). Den Gesamtum- S. 43). fang dieser Akten über die genannten 54 Perso- Der Zeuge Wessel überreichte dem Zeugen Prof. nen schätzte der Zeuge Wessel auf sieben bis Ehmke eine Liste mit 54 Namen von Politikern und acht Leitzordner (18/184). In den Akten waren die Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (Dok. verschiedensten Dinge, die sich über einen langen Zeitraum, zum Teil auch auf die Zeit vor .1955/56, er- Nr. 29) : streckten, hintereinander geheftet. „Es war nicht ein Prof. Dr. Wolfgang Abendroth, Dr. Viktor Agartz, Vermerk, sondern es war so eine Sammlung von Conrad Ahlers, Prof. Dr. , , allem Möglichen" (18/62, 190). Franz Barsig, Dr. , Helmut Bazille, Ausweislich der vorgelegten Vernichtungsproto- , Berthold Beitz, , Willy kolle, in denen die Aktenzeichen der vernichteten Brandt, Günther Bachmann, Sigismund von Braun, Einzelvorgänge erfaßt sind, stammen diese Dossiers Margarete Buber-Neumann, Dr. , Prof. fast ausschließlich aus der Zeit zwischen 1953 und Dr. , , Dr. Max Güde, Dr. 1965, mit Schwerpunkt aus 1957 bis 1963; also aus Helmut von, Grolmann, Dr. , Kai einer Zeit, in der das Bundesamt für Verfassungs- Uwe von Hassel, Dr. Dr. , Adolf schutz und die Landesämter für Verfassungsschutz Heusinger, Helmuth Heye, Dr. Karl Hohmann, Dr. längst aufgebaut waren. Hans-Edgar Jahn, Dr. , Hans Im Verlauf des Jahres 1970 wurden diese und wei- Kilb, , Dr. Heinrich Lübke, Ernst Ma- tere Akten auch über in der Liste nicht aufgeführte jonica, Dr. , Dr. Theodor Oberländer, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in den da- , Heinrich Ritzel, Philip Rosenthal, zu vorgesehenen Räumen des Bundesnachrichten- Prof. Dr. Carlo Schmid, Dr. Gerhard Schröder, Dr. dienstes unter Aufsicht des Präsidenten vernichtet, Hans-Christoph Seebohm, Dr. Hans Speidel, Dr. wie der Untersuchungsausschuß aufgrund der beige , Dr. Franz Josef Strauß, Heinz zogenen Vernichtungsprotokolle und aufgrund der Trettner, Friedrich-Karl Vialon, Dr. Hans-Jochen Aussage des Zeugen Wessel festgestellt hat. Der Vogel, , Prof. Dr. Herbert Weich- Zeuge Wessel nahm damals an, daß die Akten auf mann, Ludger Westrick, Dr. Günther Wetzel, Simon diese Weise vollständig vernichtet worden seien. Wiesenthal, Hans-Jürgen Wischnewski, Dr. Fried- Er bekundete, rich Zimmermann und Siegfried Zoglmann. — er sei nicht davon ausgegangen, daß die ver- Der Zeuge Wessel schlug dem Zeugen Prof. Ehmke nichteten Akten vorher ganz oder in Teilen vor, diese Akten zu vernichten, um den ständigen fotokopiert worden seien. Er könne sich nur Gerüchten den Boden zu entziehen, daß im BND dafür verbürgen, daß die Akten, die er dann Akten geführt würden, die nichts mit der Aufgabe in seinem Sicherheitsraum aufbewahrt habe, eines Auslandsnachrichtendienstes zu tun hätten- ohne Anfertigung von Duplikaten oder Foto- und weil sie „keine für den Auftrag des BND we- kopien vernichtet wurden. Tatsächlich aber sentlichen Erkenntnisse enthielten" (18/160, 112). habe nunmehr eine erneute Prüfung ergeben, Der Zeuge Prof. Ehmke ließ sich vier Akten als daß noch Fotokopien und ähnliches von diesen Stichproben vorlegen, und zwar aus dem Bereich Akten da seien. Er habe keinen Anlaß zu der jeder im Bundestag vertretenen Partei je eine. Er Annahme, daß derartige Kopien gezielt oder in sah diese Akten in Gegenwart des Zeugen Wessel der Absicht einer mißbräuchlichen Verwendung durch und ließ sich Einzelheiten von ihm erläutern gemacht worden seien. Es seien aber in einer (18/55 f.). Der Zeuge Prof. Ehmke überzeugte sich Vielzahl Durchschläge, Kopien usw. unkontrol- davon, daß sie „alles Mögliche, nur nichts über Aus- lierbar hergestellt worden und dementspre- landsaufklärung enthielten" (18/56). Nachdem ihm chend aufgrund der Vielfalt von Karteien und der Zeuge Wessel bestätigt hatte, daß auch die Unterlagen der Vergangenheit damals einfach übrigen über die auf der Liste genannten Persönlich- nicht gefunden und abgegeben worden (18/ keiten angelegten Akten gleichartigen Inhalts wa- 167 ff., 156 ff., 184 ff.; 20/39). ren, stimmte er der von Präsident Wessel vorge- Der Zeuge Wessel war im übrigen guten Glaubens schlagenen Vernichtung zu (18/56, 83). davon ausgegangen, daß diese Liste vollständig und Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 mit der Vernichtung dieser Akten der Komplex wesen, ist der Untersuchungsausschuß schon aus die- überhaupt aus der Welt geschafft sei (18/168). Auf- sem Grunde zu der Überzeugung gekommen, daß die grund weiterer Ermittlungen stellte sich aber im Anordnung und Durchführung der Aktenvernichtun- Laufe der folgenden Monate die Existenz weiterer gen legal war. Zu dem gleichen Ergebnis war bereits Akten heraus, auch über Persönlichkeiten, die nicht die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I auf der dem Zeugen Prof. Dr. Ehmke am 9. Dezember im Jahre 1973 gekommen, als sie das aufgrund einer 1969 übergebenen Liste mit 54 Namen enthalten Strafanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren we- waren. Nach Prüfung ließ der Zeuge Wessel auch gen Verwahrungsbruch mit dieser Begründung ein- diese Akten vernichten, soweit sie keine für den stellte. Hierzu wurde ausgeführt (Dok. Nr. 30) : Auftrag des Bundesnachrichtendienstes als eines — Die Vernichtung derartiger Vorgänge könne Auslandsnachrichtendienstes verwertbaren Erkennt- der jeweils Befugte anordnen und vollziehen. nisse enthielten. Die über Prominentenakten ange- Dies ergebe sich aus der Natur des BND, des- legten Vernichtungsprotokolle weisen insgesamt sen Aufgabe es sei, Nachrichten zu sammeln, mehr als 112 Personalvorgänge aus. dem es aber naturgemäß überlassen bleiben Tatsächlich war die Liste vom 9. Dezember 1969 un- müsse, welche dieser Nachrichten er in seinen vollständig. Dies geht aus den Aussagen der leiten- Unterlagen festhalten will oder des Aufbewah- den Mitarbeiter des BND hervor, die unter Präsi- rens nicht für wert hält. dent Gehlen für die Beschaffung verantwortlich bzw. Diesen Sachverhalt hat im übrigen der damalige über die unmittelbar im Stabe des Präsidenten ge- Chef des Bundeskanzleramtes, Prof. Dr. Ehmke, am führte Sonderkartei unterrichtet waren. Der Zeuge 21. September 1972 in der 198. Sitzung des 6. Deut- Weiss bekundete, schen Bundestages dem Plenum dargelegt (Stenogra- — diese Liste sei abolut unvollständig; sie ließe phischer Bericht 11677/78). sich dahin gehend erweitern, daß natürlich viele andere Persönlichkeiten, sei es, daß sie diffa- miert, angegriffen wurden, sei es, daß sie II. Innenpolitische Aufklärung durch den reisten oder in irgendwelchen Berichten auf- Bundesnachrichtendienst tauchten, registriert worden sind (22/12). Er Der Untersuchungsausschuß hat darüber hinaus die vermute, daß mit der 54er Liste nur ein Quer- 'die Vernichtung auch deshalb ge- Frage geprüft, ob schnitt habe ermittelt werden sollen (22/32, boten war, weil der BND bei der Anlage der ver- 104) ; er halte es aber auch für möglich, daß an nichteten Akten seine Kompetenzen überschritten den Zeugen Wessel nicht die ganze Sonder- hatte. kartei übergeben worden sei (22/35). 1. Der Auftrag des Bundesnachrichtendienstes In der Folgezeit bemühte sich der Zeuge Wessel a) Der Aufgabenkreis des Bundesnachrichtendien- darum, das weitere Entstehen solcher „Sonderakten" ster ist in den Beschlüssen der Bundesregierung vom zu verhindern. Zu Beginn des Jahres 1970 ordnete 11. Juni 1955 und vom 2. Oktober 1963 niedergelegt. er an, daß entsprechende Berichte, die nicht an die Die im Einklang damit ergangene Dienstanweisung Zentralkartei, sondern an die Sonderkartei des Prä- für den Bundesnachrichtendienst vom 4. Dezember sidenten oder an den „Präsidentenapparat" gerichtet 1968 bestimmt in § 1: wurden, einzustellen seien. Das wurde auch allen be- treffenden Stellen mitgeteilt. Soweit dennoch solche 1. Der Bundesnachrichtendienst hat folgende Auf- Berichte weiter dorthin geliefert worden sind, wur- gaben: den sie vernichtet. Eine Ausnahme wurde nur bei Die nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung Berichten gemacht, die Äußerungen über den Bun- durch Beschaffung und Auswertung von Informa- desnachrichtendienst selbst betrafen (22/38, 205). tionen auf außenpolitischem, wirts chaftlichem, rüstungstechnischem und militärischem Gebiet; c) Der Ausschuß hat sich mit der Frage beschäf- die Aufklärung der gegnerischen Nachrichten- tigt, welche Rechtsgrundlagen für die Vernichtung dienste (Gegenspionage) ; die Erledigung sonsti- der Akten bestanden. ger nachrichtendienstlicher Aufträge des Bundes- - Die Zulässigkeit der Aktenvernichtung ergibt sich kanzlers und der Bundesregierung im Ausland; aus der Geschäftsordnung des Bundesnachrichten- die Spionageabwehr innerhalb des Bundesnach- dienstes, die sich eng an die gemeinsame Geschäfts- richtendienstes, sofern der Chef des Bundeskanz- ordnung der oberen Bundesbehörden anlehnt und leramtes nicht im Einzelfall eine andere Rege- vorsieht, daß Geschäftsvorgänge jeder Art, die sach- lung trifft. lich erledigt sind, zu vernichten oder zu den Akten 2. Auf innenpolitischem Gebiet wird der BND nicht zur Verfügung zu stellen sind (18/93). Dem- tätig. entsprechend wurden außer den oben genannten 3. Akten der Sonderkartei auch laufend andere Unter- Exekutivbefugnisse besitzt der BND nur, soweit lagen vernichtet, die mit Personenerkenntnissen sie ihm für besondere Aufgaben durch Bundes- oder Personen zusammenhingen und für den Dienst gesetz übertragen werden. nicht mehr von Interesse waren (18/177 ff.). Nach dieser Bestimmung ist der Bundesnachrichten- Da die Zeugen Wessel und Prof. Ehmke übereinstim dienst grundsätzli ch von der Inlandsaufklärung aus- mend bekundeten, der Inhalt der Akten sei für den geschlossen. Seine Aufgabe ist nachrichtendienstli- BND als Auslandsnachrichtendienst ohne Belang ge cher, nicht polizeilicher Natur. Er hat aus offenen Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode und geheimen Quellen des Auslandes Nachrich- heiten des Verfassungsschutzes vom 27. September ten zu beschaffen, auf die die Bundesregierung bei 1950 (BGBl. I, S. 682) sowie entsprechende Landes- der Entscheidung außenpolitischer Fragen zurück- gesetze — den Ä mtern für Verfassungsschutz über- greifen kann. tragen ist. Diese gesetzliche Bestimmung kann nicht Lediglich in zwei eng miteinander verknüpften Be- durch Richtlinien der Exekutive geändert werden. reichen sind 'dem Bundesnachrichtendienst Aufga- Die Richtlinien können vielmehr nur Fragen, die ben übertragen, die ins Inland hineinreichen kön- nach Sinn und Zweck des Gesetzes offengeblieben nen: sind, im Einklang mit 'den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Grundsätzen ausfüllen. In den — im Bereich der Aufklärung der gegnerischen beiden Fällen bestand aus den genannten Gründen Nachrichtendienste (Gegenspionage), ein solcher Auslegungsspielraum. Jeder Einbruch — im Bereich der Spionageabwehr innerhalb des in 'den Zuständigkeitsbereich der Ämter für Verfas- Bundesnachrichtendienstes. sungsschutz ist dagegen rechtswidrig.

Der Grund für diese besondere Aufgabenzuweisung Dementsprechend ist in den sogenannten Zusam- ergibt sich hinsichtlich der Gegenspionage aus der menarbeitsrichtlinien die Monopolstellung der Äm- hier bestehenden Verzahnung von Auslands- und ter für Verfassungsschutz für Fragen der Inlandsauf- Inlandsaufklärung. Die Anwerbung im Inland ent- klärung sichergestellt. Alle Meldungen über ver- tarnter Agenten für die Aufklärung ausländischer fassungsfeindliche Bestrebungen haben der Bundes- Nachrichtendienste — insbesondere des sie entsen- nachrichtendienst und der Militärische Abschirm- denden Dienstes — ist eine selbstverständliche Ar- dienst unverzüglich dem Bundesamt für Verfas- beitsmethode jedes geheimen Nachrichtendienstes. sungsschutz zu berichten und weiterzuleiten (§ 4 In diesem Bereich ist daher ein enges Zusammen- Satz 1 der sogenannten Zusammenarbeitsrichtlinien). wirken der für die Auslands- und für die Inlands- Diese Meldungen müssen — auch in Zweifelsfäl- auffklärung zuständigen Behörden erforderlich. In len — dem Bundesamt für Verfassungsschutz voll- diesem Sinne 'bestimmen die dazu ergangenen soge- ständig und unaufgefordert weitergeleitet werden. nannten Zusammenarbeitsrichtlichen in der derzeit geltenden — inhaltlich gegenüber den früheren b) Der Bundesnachrichtendienst hatte bis zum Richtlinien insoweit unveränderten — Fassung vom Jahre 1956 als Organisation Gehlen unter amerika- 23. Juli 1973: nischer Treuhandschaft gearbeitet und war erst dann vom Bund übernommen worden. Bis zu diesem — „Personen, die in der Bundesrepublik Deutsch- Zeitpunkt war seine Zuständigkeit nicht eindeutig land von fremden Nachrichtendiensten ange- geregelt. Grundsätzlich war — wie der Zeuge Geh- worben oder in deren Auftrag in die Bundes- len bekundet hat — seine Aufgabe die Auslands- republik entsandt worden sind, können vom aufklärung mit den Mitteln des geheimen Nach- Bundesnachrichtendienst im Einvernehmen mit richtendienstes auf außenpolitischem, wirtschaftli- dem Bundesamt für Verfassungsschutz beauf- chem, militärischem und wissenschaftlichem Gebiet tragt werden" (§ 2 Abs. 1 Satz 2). und die Aufklärung gegnerischer Nachrichten- dienste. Außerdem sei er für seine eigene Sicher- Die Notwendigkeit für den zweiten genannten Auf- heit zuständig (25/11, 68). gabenkreis des Bundesnachrichtendienstes mit In- landsbezug — die Spionageabwehr innerhalb des Bei der Überführung in die Zuständigkeit des Bun- Bundesnachrichtendienstes — ergibt sich aus der des mußte die Leitung des BND entscheiden, ob sie besseren Kenntnis der Organisation und Arbeits- bestimmte Vorgänge nach der dargestellten Rechts- weise einschließlich der besonders sicherheitsemp- lage in den Verantwortungs- oder Bearbeitungsbe- findlichen Bereiche. Für diese Frage ist daher jeder reich des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder Behörde ein gewisser eigener Entscheidungsbereich, der Landesämter für Verfassungsschutz abzugeben der vom Sicherheitsreferenten wahrgenommen wird, hatte. Der Zeuge Weiss hat 'dazu erklärt, eingeräumt. Wegen der besonderen Aufgabenstel- — daß sich viele Überschneidungen nicht nur aus lung gewinnt dieser Bereich beim Bundesnachrich- dieser Entwicklung ergeben hätten, sondern tendienst eine besondere Bedeutung. Sie ist jedoch auch daraus, daß der BND ein Auslandsnach- gemäß § 2 Abs. 2 der sogenannten Zusammenar-- richtendienst sei, der seine Basen in der Bun- beitsrichtlinien darauf beschränkt, „innerhalb seines desrepublik habe (22/19 f., 53 f.). Die Organisa- Bereiches sein Personal, seine Einrichtungen, Anla- tion Gehlen habe von 1946 bis 1956 auch Auf- gen und Gegenstände ... zu schützen". Beispiels- gaben mit Wissen und Billigung der jeweiligen weise kann der Bundesnachrichtendienst operative Bundesregierung übernommen, die nach dem Maßnahmen, die in diesem eng begrenzten Aufga- heutigen Bild selbstverständlich in den Bereich benkreis im Inland erforderlich werden können, nur des Verfassungsschutzes gehörten (22/57 f.). im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfas- Die Zusammenarbeit zwischen BfV und BND sungsschutz treffen (§ 5 Satz 1 der Zusammenarbeits- sei in der Anfangsphase aus verschiedenen richtlinien). Gründen nicht so gewesen, wie das wünschens- Weitere Ausnahmen sind nicht vorgesehen und nach wert sei. Dabei seien auch übergeordnete In- der geltenden Rechtslage auch nicht möglich: Die teressen berücksichtigt worden, wie in dem genannten beiden Ausnahmefälle betreffen einen mehrfach zitierten Fall John. Bei der kompli- Bereich, der — durch das Gesetz über die Zusam- zierten Art, zwischen Auslandstätigkeit und In- menarbeit des Bundes und der Länder in Angelegen landsaufklärung oder Inlandsbeobachtung Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

durch den Verfassungsschutz zu trennen, wendung nach außen in Frage gekommen sei. könne es natürlich sein, daß der eine oder Solches Material werde erst dann zur innen- andere Fall auch bei dem BND weitergeführt politischen Aufklärung, wenn es einer syste- wurde oder seiner Meinung nach — werden matischen Auswertung zugeführt und zur Be- mußte (22/53, 57 f.). richterstattung benutzt werde. Eine solche Auswertung von „Inlandsgeschichten" habe Der Sachverständige Mercker hat dazu bestätigt, der BND nicht gehabt (25/12 f., 119). Seiner — daß das Prinzip der Abgabe an den BfV bei Meinung nach hätte eine innenpolitische Auf- innenpolitischen Vorgängen nicht immer ein- klärung erst stattgefunden, wenn er Meldun- gehalten worden sei. So habe auch im Fall gen an unberechtigte Empfänger weitergege- Guillaume der BND Material über Guillaume ben hätte. Natürlich seien aber Informationen gehabt, daß er nach den Richtlinien an das BfV unter Umständen auch für ihn selbst interes- hätte abgeben müssen (23/111 f.). Die Abgren- sant (25/74 f.). Es sei ihm nicht erinnerlich, daß zung der Kompetenzen von BfV und BND habe während seiner Dienstzeit bestimmten Persön- auch bei den Untersuchungen der „Mercker- lichkeiten im Inland nachgeschnüffelt worden Kommission", die ihren Bericht am 24. Juli sei (25/62). 1969 vorgelegt hatte, eine Rolle gespielt. Es habe von beiden Seiten Beschwerden gegeben, Der Zeuge Wessel war der Meinung, daß der eine Dienst in die Kompetenzen des — es sei selbstverständlich, daß im Rahmen der anderen hineinarbeite. Daraufhin sei eine Auslandsaufklärung sogenannte Randerkennt- Kommission eingesetzt worden, die wöchent- nisse anfallen könnten, die zum Beispiel für lich zusammentrat, um Grenzfälle zu behan- die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der deln (23/97 f.). Quelle von Bedeutung seien und daher fest- Die dargestellte Praxis entsprach nicht der Rechts- gehalten würden (18/93 f.). Es könne auch vor- lage. Der Untersuchungsausschuß ist daher zu dem kommen, daß Meldungen festgehalten würden, Ergebnis gekommen, daß trotz der eindeutigen die einen inländischen Politiker beträfen, aber rechtlichen Regelung jedenfalls bis zum Jahre 1969 im Ausland angefallen wären, wenn z. B. der nicht in allen Fällen eine klare Abgrenzung zwi- BND im Zusammenhang mit einer China- schen dem Tätigkeitsbereich des BND und der Ver- Reise des Vorsitzenden des Auswärtigen Aus- fassungsschutzämter verwirklicht worden ist, ob- schusses von einer Quelle in China eine Mel- wohl das möglich und das für die Dienstaufsicht zu. dung über den Eindruck der Gespräche oder den ständige Bundeskanzleramt dazu verpflichtet gewe- Eindruck bekomme, den der Politiker im Aus- sen wäre. land gemacht habe. In diesem Falle werde der Betreffende über die Erkenntnisse unterrich- c) Der Untersuchungsausschuß hat sich eingehend tet (18/198). Demgegenüber sei es aber kom- mit der Frage beschäftigt, wo die Grenzlinie zwi- promißlos abzulehnen, wenn der BND außer- schen außen- und innenpolitischer Aufklärung nach halb seines Auftrages gezielt Informationen Meinung der jeweils beteiligten Zeugen gezogen über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens worden ist. der Bundesrepublik Deutschland gewinnen sollte, um diese dann Parteien oder dritten Der Zeuge Gehlen erklärte, Personen zur Verfügung zu stellen oder für — entsprechend seinem eigenen Vorschlag an Dr. andere nicht dem Auftrag entsprechende Adenauer und Dr. Schumacher im Jahre 1950 Zwecke zu verwenden (18/94). sei vom BND innenpolitische Aufklärung zu seiner Zeit nicht betrieben worden (25/9, 16 f.). Der Zeuge Weiß erklärte, Er unterscheide dabei zwischen einer innen- — er verstehe unter innenpolitischer Aufklärung politischen Aufklärung einerseits und der In- die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, landsaufklärung andererseits. Innenpolitische die gesteuert und gezielt gegen bestimmte Ein- Aufklärung in diesem Sinne sei eine zielgerich- richtungen und Personen angesetzt werden. tete Aufklärung mit einer gesteuerten Nach- - Derartige nachrichtendienstliche Mittel seien richtenbeschaffung, bei der Aufklärungsforde- aber innerhalb der Bundesrepublik Deutsch- rungen gestellt werden und die den Zweck land nicht eingesetzt worden, es sei denn in einer Berichterstattung habe. Demgegenüber Fällen der Spionage-Abwehr, d. h. gegen Per- sei Inlandsaufklärung alles, was der Dienst im sonen, die der Spionage gegen den Dienst oder Inland zur Erfüllung seiner Aufgaben tun gegen andere Einrichtungen hier verdächtigt müsse, also z. B. die Klärung von Personen, worden sind (22/9). die nachrichtendienstlich beschäftigt werden sollen, zur Sicherung des Apparats und perso- Er halte es für absolut unzulässig, wenn der nal-spezifisch notwendige Maßnahmen, also Dienst dafür eingesetzt werde herauszufinden, alle Dinge, die der Erfüllung des Zwecks des was an personalpolitischen Vorstellungen über Auslandsnachrichtendienstes im Inland dien- den Dienst selbst vorhanden sei (22/92). Er ten (25/9, 38 f.). Innenpolitische Aufklärung halte es aber für völlig normal, wenn der habe der Dienst nicht betrieben. Er müsse na- Dienst sich auch Meldungen über sein eigenes türlich innenpolitische Erkenntnisse registrie- Bild in der Öffentlichkeit beschaffe (22/285). ren, ohne daß eine Auswertung und eine Ver Das sei aber nicht so gemacht worden, daß Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

irgend jemand angesetzt worden sei, um das dem Gesichtspunkt des Verfassungsschutzes von zu erfahren, „sondern das haben uns die Leute Bedeutung sind, sondern sich auf allgemeine innen- schon selbst erzählt" (22/287). politische Themen beziehen und die bei systema- tischer Aufbereitung selbst dann in besonders ho- Der Zeuge Höffer von Loewenfeld unterscheidet hem Maße die Gefahr des Mißbrauchs herauf- grundsätzlich zwischen Meldungen und Treffberich- beschwören, wenn sie nicht gezielt erfragt, sondern ten. lediglich systematisch festgehalten werden. — Bei den Treffberichten handele es sich um per- Der Untersuchungsausschuß ist der Auffassung, daß sönliche Gespräche, bei denen alle möglichen die eigentliche Sammlung solcher Informationen Themen angerührt würden, seien es mora- unter keinem Gesichtspunkt zum Aufgabenbereich lische, persönliche und finanzielle, um den des BND gehören kann und daher unzulässig ist. Hintergrund dieser Quelle insgesamt so deut- lich, so anschaulich wie möglich jederzeit zur d) Der Untersuchungsausschuß hat geprüft, ob der Verfügung zu haben (26/311 f.). Das sei nach- Inhalt der 54 vernichteten Akten und weiterer Unter- richtendienstlich im weitesten Sinne interes- lagen des BND von der eigentlichen Kompetenz des sant gewesen. „Wenn jemand unter seelischem BND als Auslandsnachrichtendienst gedeckt war und wirtschaftlichem Druck stehe und zum Ge- oder ob der Inhalt dieser Akten vielmehr darauf sprächspartner Vertrauen habe, erzähle er von schließen ließ, daß sich der BND mit unzulässiger seinen Nöten und seinen Hoffnungen, seinen innenpolitischer Aufklärung befaßt hatte. Freunden und seinen Gegnern, von für ihn po- sitiven und negativen Entwicklungen." Daß Da sich herausstellte, daß ein Teil der vernichteten der BND-Partner später über seine Gespräche Akten zuvor verfilmt worden war, die Filme aber für die Quellenakte Aufzeichnungen mache, jedenfalls nicht vollständig vernichtet worden wa- sei nicht nur legitim, sondern seine Pflicht ren, wurden dem Untersuchungsausschuß vom BND (26/168 f.). folgende wiedergefundene Verfilmungen vorgelegt: Verfilmungen von vernichteten Verschlußsachen Der Zeuge Prof. Carstens erklärte, über Agartz, Wischnewski und Verfilmung von ver- — er habe dem Zeugen Wessel klargemacht, daß nichteten Dossiers über Wehner und Bucerius; Ver- sich der BND strikt an seine Aufgabe halten filmungen von Karteikarten und weiteren 22 Unter- müsse. Wenn der BND im Ausland Erkennt- lagen über weitere Politiker und andere Persön- nisse gewinne, aus denen Sicherheitsbedenken lichkeiten des öffentlichen Lebens (Dok. Nr. 78, 85 gegen Politiker innerhalb unseres Landes er- und 88). wachsen könnten, dann müsse nach seiner Der Untersuchungsausschuß ist zu dem Ergebnis ge- Meinung der BND diese Mitteilungen festhal- kommen, daß der Inhalt der oben erwähnten ver- ten und an die dafür zuständigen Stellen wei- nichteten Akten, soweit feststellbar, nichts mit Aus- tergeben, nämlich das BfV und die jeweils be- landsaufklärung zu tun hat und daß in ihnen allen- troffene Partei (19/146). falls Grenzbereiche berührt wurden. Das entspricht Der Zeuge Prof. Ehmke erklärte, auch den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen Prof. Dr. Ehmke und Wessel (18/53 f., 61, — daß der BND grundsätzlich keine Inlandsauf- 111). Der Zeuge Wessel hat außerdem bekundet, klärung vornehmen dürfe, es könne natürlich daß er die Akten auch unter dem Gesichtspunkt auch Auslandsaufklärung im Inland geben. durchgesehen habe, ob sie Meldungen enthielten, Es gehe immer um den Gegenstand. Es könne die in den Zuständigkeitsbereich z. B. des Bundes- natürlich sein, daß den Auslandsbereich be- amtes für Verfassungsschutz gehört hätten. Er habe treffende Informationen im Inlandsbereich zu aber nichts Derartiges feststellen können (20/74). erhalten seien. Es komme darauf an, ob das Dem entspricht die Tatsache, daß diese Akten, die Aufklärungsziel außenpolitischer Natur sei teilweise schon in den fünfziger Jahren angelegt (18/60 f., 72 f.). worden waren, sich bis 1969 in der Verwahrung des BND befanden. Sie konnten also nicht unter dem Aus diesen Aussagen wird deutlich, daß im Rahmen Gesichtspunkt angelegt worden sein, sie anderen der Auslandsaufklärung Erkenntnisse über inlän- zuständigen Stellen weiterzuleiten. Aus den Akten dische Politiker anfallen können und daß anderer- selbst war nicht zu erkennen, in welchem Zusam- seits außenpolitische Informationen auch im Inland menhang sie angelegt worden waren. anfallen können. Die besondere Problematik jedes Nachrichtendienstes ist darin zu sehen, daß jede auf Der Zeuge Wessel erklärte dazu, daß er nicht von Aufklärung gerichtete Tätigkeit Erkenntnisse er- sich aus beurteilen könne, ob Dinge gezielt auf eine bringen kann, für deren Verwertung der tätige Erkenntnis über die betreffende Person gewonnen Dienst nicht zuständig ist. Es kann sachdienlich sein, wurden oder als Randerkenntnisse angefallen seien. solche Erkenntnisse festzuhalten, wenn sie anschlie- Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, ob diese ßend den zuständigen Stellen weitergeleitet werden, Akten das Ergebnis einer unerlaubten Inlandsauf- damit diese sie im Rahmen verfassungsrechtlich klärung gewesen seien (18/111). Er könne nicht aus- zulässiger Aufgaben verarbeiten können. Schließ- schließen, daß auch gezielt ermittelt worden sei, lich ergibt sich insbesondere aus der Aussage des er könne es aber nicht abschließend selbst beur- Zeugen Höffer von Loewenfeld, daß darüber hinaus teilen (18/151). Kenntnisse anfallen können, die weder unter dem Der Untersuchungsausschuß befaßte sich daher im Gesichtspunkt der Auslandsaufklärung, noch unter einzelnen mit der Frage, zu welchem Zweck und auf Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

wessen Veranlassung diese Akten angelegt worden Die vorgenannten Führungsunterrichtungen waren waren. Vermerke, insbesondere aus der Beschaffungsab- teilung, in denen aus dem Meldungsaufkommen be- stimmte Hinweise oder Sachverhalte zusammenge- 2. Sonderkartei des ehemaligen Präsidenten Gehlen faßt wurden, von denen die leitenden Mitarbeiter a) Im Jahre 1958 gab der damalige Präsident des annahmen, daß es Präsident Gehlen interessiere Bundesnachrichtendienstes, der Zeuge Gehlen, die (22/105 f., 280 d ff.). Anweisung, die auf seine Anordnung angelegten Es gab Führungsunterrichtungen für besondere Fälle, Akten von prominenten Persönlichkeiten unter be- bei denen es in der Entscheidung des Abteilungs- sonderem Verschluß zu lagern. Diese Sonderkartei, leiters lag, wem das vorgelegt wurde, und zwar in bestehend aus Akten und Karteikarten, befand sich besonders personenbezogenen Angelegenheiten. in dem Dienstgebäude des Präsidenten, dem soge- Diese wurden nicht — wie dies bei sämtlichen Aus- nannten Doktorhaus. Zum Grund der Anlegung und landsmeldungen geschah — an die Auswertung ge- nach den Auswahlkriterien wurden mehrere Zeugen geben, sondern direkt an den Präsidenten, weil sie befragt. die Auswertung zunächst nichts angingen, jedenfalls Der Zeuge Gehlen bekundete, nach Meinung des Abteilungsleiters (23/82 f.). — es habe sich die Notwendigkeit ergeben, die Zum Inhalt der Sonderkartei führten die Zeugen Prominentenakten unter Verschluß zu halten, weiter aus: damit kein Mißbrauch mit ihnen getrieben wer- Der Zeuge Gehlen bekundete, den konnte (25/12, 151) . — man könne den Inhalt auf den Nenner brin- Der Zeuge C. bekundete, gen, daß über die Personen, mit denen er Kon- — die Sonderkartei sei als solche eingerichtet takt gehabt habe, alles Mögliche in die Akten worden, um Akten zu prominenten Persönlich- gekommen sei, was sie betroffen hätte: z. B. keiten oder Persönlichkeiten des öffentlichen eine Zeitungsnotiz. Informationen aus dem Lebens dem allgemeinen Zugriff in der Kartei Intimbereich seien auf diesen Karteikarten zu entziehen, um zu verhindern, daß undurch- nicht enthalten gewesen. Jedenfalls habe er dachte Auskünfte gegeben würden oder sonst derartiges nicht gesehen. Wie solche Notizen in irgendeiner Richtung unvorsichtig damit um- auf die Karteikarten gekommen seien, wisse er gegangen wurde. Den Maßstab für die Aus- nicht. Es sei aber durchaus möglich, daß noch wahl dieser Vorgänge aus der Zentralkartei Dinge dazugekommen seien, von irgend je- kenne er nicht (27/185 f.). mandem, der geglaubt habe, das müsse da her- ein. Der Zeuge Weiß führte aus, Ungefähr 50 % dieser Sonderakten hätten Be- — die Anlage der Sonderkartei gehe auf eine An- sprechungsnotizen von Besprechungen enthal- ordnung des Präsidenten zurück. Dieser habe es ten, die er gehabt habe. Ein Beispiel dafür sei nicht für richtig gehalten, alle Erkenntnisse, die die Akte Adenauer. In diese Akte seien die im Dienst angefallen seien, unterschiedslos in Notizen über die Besprechungen mit Adenauer die Breite der großen Kartei zu geben (22/103). hineingekommen. Die Aufnahme in die Sonderkartei sei entweder vom Präsidenten angeordnet worden oder von Der Zeuge Wessel bekundete, den Mitarbeitern im Sinne der Richtlinien, die — bei den 54 Akten, die er zur Vernichtung vor- ihnen gegeben worden seien. So habe er es geschlagen habe, habe es sich um eine Abhef- z. B. nicht für gut gehalten, bestimmte Dinge tung von Einzeldingen gehandelt, die teils aus in die große Kartei laufen zu lassen, von denen Zeitungsausschnitten und ähnlichem bestan- er aber dennoch annahm, daß sie den Präsi- den, teils wohl aus Randerkenntnissen. Es sei denten interessieren würden. Auf der anderen für ihn nicht erkennbar gewesen, daß diese Seite habe der Präsident aber in bestimmten Akten das Ergebnis einer unerlaubten Inlands- Fällen von sich aus gewünscht, daß dieses nur aufklärung gewesen seien (18/111). ihm zugeschrieben würde (22/103 f.). Er habe die Akten selbst Blatt für Blatt durch- Die Kartei diente auch zur Aufnahme von Vortrags- gesehen (18/105) und festgestellt, daß sie für notizen und Führungsunterrichtungen. die Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes keine wesentlichen Erkenntnisse (18/105), son- Bei den Vortragsnotizen handelte es sich um Akten- dern „Unsinn" enthielten (18/112). Teils seien vermerke, in denen bestimmte Erkenntnisse über darin Fotokopien oder Auszüge aus „Who is Personen auf Weisung des Präsidenten Gehlen aus Who" und Zeitungsausschnitte (18/106), teils der Sonderkartei herausgezogen und zusammenge- Hinweise aus nicht mehr identifizierbaren faßt wurden. Sie dienten dem Präsidenten Gehlen „Quellen" abgeheftet gewesen, deren Wahr- als Besprechungsunterlage, wenn er nach Bonn zum heitsgehalt nicht mehr überprüfbar war (20/34). damaligen Chef des Bundeskanzleramtes, Staats- sekretär Dr. Globke, zu Bundeskanzler Dr. Adenauer Auf die Frage, ob in diesen Akten auch Eß-, oder zu anderen Politikern reiste. Diese Notizen Trink- und sonstige persönliche Gewohnheiten der sind dann ebenfalls in dieser Sonderkartei abgelegt betroffenen Personen festgehalten gewesen seien, worden (27/190; 22/181 ff.). antwortete der Zeuge, Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

— es könne sein; er könne sich aber dafür nicht tionen über den Betroffenen selbst zusammen- mehr verbürgen (18/105 f.). zustellen.

In einer späteren Vernehmung vermeinte sich der Bei Kiesinger, Lübke, Speidel und Heusinger Zeuge jedoch daran zu erinnern, sei es darum gegangen, Diffamierungskampag- nen aus dem Osten gegen diese Personen abzu- — daß auch über Trink- und Eß-Sitten oder ein wehren (23/37 f., 44 f., 50). Glas oder zwei Glas Whisky etwas dringe- standen habe. Er müsse gestehen, daß er dies Andere Persönlichkeiten hätten vom BND Un- im einzelnen nach bestem Wissen und Gewis- terlagen für Reisen gewünscht, so zum Beispiel sen nicht mehr rekonstruieren könne, weil er die Abgeordneten Majonica und Dr. Barzel, damals bewußt unter dem Gedankengang ge- auch der Bundestagspräsident Gerstenmaier handelt habe, sich von diesen Vergangenheits- (23/21, 25 f., 47). dingen zu lösen. An eine Information über das Freizeitleben von Reisenden, z. B. in Frankreich, könne Der Zeuge C. erklärte zum Inhalt der Sonderkartei, er sich nicht erinnern. Er wisse aber, daß in bestimmten Ländern ein Interesse für Meldun- — sie sei nach seinem Eindruck sehr unterschied- gen über Trinken und Freizeitleben bestehe. lich gewesen. Es habe sich um eine Sammlung Es könnte sich also bei einer solchen Meldung von Einzelerkenntnissen gehandelt, ohne daß um eine Meldung aus einem fremden Dienst die Akten vom ersten bis zum letzten Blatt handeln (23/61 f.). immer einen inneren Zusammenhang gehabt hätten (27/117). In Führungsnotizen habe er auch weitergege- ben, was ihm an Informationen darüber zuge- Es hätten sich darin nicht im größeren Um- gangen sei, was Prominente über den BND ge- fang Daten über die Lebensweise von promi- dacht hätten (23/68 f.). nenten Persönlichkeiten befunden (27/118). Der Inhalt der Sonderkartei habe sich wie folgt An Randerkenntnissen über politische Ereig- gegliedert: nisse usw. könne er sich nicht erinnern (23/45). Er halte es aber für möglich, daß auch Rand- — Altvorgänge und Uraltvorgänge (27/190) erkenntnisse über innenpolitische Vorgänge — Korrespondenz angefallen wären (23/70). — Akten aus Anlaß von Diffamierungskam- pagnen aus der DDR (27/118) Die Zeugin S. bekundete zum Inhalt der Sonder- — Akten zu prominenten Persönlichkeiten kartei, oder Persönlichkeiten des öffentlichen Le- — es sei alles berichtet worden, was bei der Aus- bens (27/224) und landsaufklärung über deutsche Politiker ange- — Vortragsnotizen (27/191). fallen sei. Wenn in einer Meldung außerdem z. B. Randerkenntnisse über Äußerungen pro- Die dem Zeugen vorgelegten Vortragsnotizen minenter Persönlichkeiten über den BND an- über Wehner und Bucerius (Dok. Nr. 85) be- gefallen seien, so sei auch das natürlich weiter handelten seiner Ansicht nach innenpolitische berichtet worden (22/199). Sie habe auch Äu- Sachverhalte. Sie wirkten ,ein bißchen kolpor- ßerungen ausgewertet, die sich nicht mit Aus- tagehaft', er wisse auch nicht, wie weit dort mit landsaufklärung beschäftigten, sondern mit Quellen operiert worden sei (27/199 f.). Er dem BND, anderen politischen Institutionen, stehe insgesamt unter dem Eindruck, daß man Meinungen von bestimmten Personen über vielleicht aus der räumlichen Distanz von Mün- Parteien oder andere Politiker (22/226). Sie chen heraus ganz gerne so an dem beteiligt sein hätte auch Meldungen über Äußerungen von wollte, was in Bonn ,in personalibus' gespro- Politikern im Inland über alle möglichen Ge- chen wurde. Man habe sich über die Einschät- biete erhalten. Sie hätte alle diese Berichte der zung des BND Klarheit verschaffen wollen Außenstellen entgegengenommen, aber bei (27/228). weitem nicht alles weitergemeldet (22/202 f.). - Dieses Meldungsaufkommen habe sich keines- Der Zeuge Langkau (BND) sagte aus, falls nur aus dem Ausland rekrutiert (22/240). — die Sonderkartei des Präsidenten sei in den Sie habe z. B. auch an den Präsidenten berich- Fällen, die ihm bekannt seien, durch Führungs- tet, was eine Außenstelle zur Frage der Nach- unterrichtungen entstanden. Diese Führungsun- folge in das Amt des Vizepräsidenten des Dien- terrichtungen seien veranlaßt gewesen durch stes gemeldet habe, wonach sich ein Politiker Wünsche von Persönlichkeiten an Präsident selbst angeboten haben sollte, diesen Posten Gehlen oder an den Zeugen (23/14). zu übernehmen. Das seien Randerkenntnisse Unter den 54 genannten Namen wisse er bei gewesen, die angefallen seien (22/229). 22 ziemlich genau, oder sehr genau, um was für Dinge es sich gehandelt habe (23/49). Bei Der Zeuge Weiß führte aus, 16 Namen stelle er sich das Zustandekommen — er könnne fast zu jedem der 54 Namen sagen, der Akte aufgrund von Wünschen der Be- warum er in den Akten des Dienstes irgend- troffenen vor (23/44 ff.). Bei keinem dieser wie aufgetaucht sei. Die Liste sei absolut un- Fälle habe es sich darum gehandelt, Informa vollständig, sie ließe sich dahin gehend erwei- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 tern, daß natürlich viele andere Persönlichkei- basierte, z. B. in den Fällen Heusinger, Speidel ten auch in irgendeinem Zusammenhang regi- oder Lübke. striert worden seien — sei es, daß sie diffa- In den anderen Fällen hätten sie aber nicht miert oder angegriffen wurden; sei es, daß sie auf Informationen gewartet, sondern man reisten oder in irgendwelchen Berichten auf- müsse annehmen, daß durch die Verbindungen, tauchten (22/12). die der BND habe, insbesondere aus dem jour- Die Akten beim Präsidenten seien u. a. dadurch nalistischen Bereich, in dem er sich für in ge- entstanden, daß aus seinem Bereich Informatio- wisser Weise etwas kompetent halte, sehr nen in Form von Führungsunterrichtungen und zahlreiche Berichte angefallen seien. Jeder Vortragsnotizen an den Präsidenten des Dien- habe so gut und so viel geliefert, wie er stes gegangen seien. Sie hätten das an den könne. „Wir haben diesen Informationsfluß zu Präsidenten geleitet, was sie nicht in den gro- einem großen Teil gar nicht steuern können ßen Verteiler von 25, 30 Blättern geben woll- und gar nicht steuern wollen" (22/25 ff.). ten, sondern von denen sie angenommen hät- ten, daß es den Präsidenten des Dienstes, der Auf Vorhalt dieser Aussage des Zeugen Weiß be- dies auch wiederholt bestätigt habe, aus den kundete der Zeuge Gehlen, verschiedenen Gründen interessiere (22/80 f.). — sicher könne so etwas gewesen sein, er er- Es habe sehr viel Verschiedenes darin gestan- innere sich aber nicht mehr daran (25/149). den. Er habe auf dem Standpunkt gestanden, Er kenne auch nicht den erwähnten Vermerk daß der Chef eines Nachrichtendienstes eine über Trinksitten eines Bundeskanzlers. Diese gewisse breite Palette haben müsse. Der Prä- Akte sei nicht über seinen Schreibtisch gelau- sident habe es selbst verantworten müssen, fen (25/47). was er mit diesen Dingen mache, ob er sie ver- wende (22/81) . Ein klares Bild über den Inhalt der Sonderkartei des ehemaligen Präsidenten Gehlen war also nicht zu Die Eintragungen hätten in sehr zahlreichen gewinnen. Insbesondere haben die Zeugen Weiß Fällen etwas mit Auslandsreisen zu tun ge- und Langkau ihre Aussagen nur zögernd und sehr habt (22/22). zurückhaltend gemacht. Wenn z. B. bei der Reise eines Ministers oder Abgeordneten von ihren Quellen zusätzliche Unaufgeklärt blieb der Widerspruch zwischen ihren Erkenntnisse gekommen seien, dann hätten sie Aussagen, bei den 54 Personenakten habe es sich geglaubt, daß solche Erkenntnisse vorgelegt zu einem Teil um die erwünschte Abwehr von Diffa- werden müßten, wobei es natürlich der Präsi- mierungskampagnen gehandelt, und der Aussage des dent habe verantworten müssen, ob er es dem Zeugen Wessel, er könne sich an einen solchen Fall Chef des Bundeskanzleramtes, dem Chef der nicht erinnern, obwohl er alle Akten gelesen habe. Opposition oder wem auch immer zeige oder nicht. Er habe gewisse Dinge kanalisieren wol- Aus den wiederaufgefundenen Karteikarten und len, um sie nicht in die Breite zu bringen Aktenteilen bzw. Kopien oder Repositivierungen (22/82 f.). von mikroverfilmten Akten, die dem Ausschuß vor- lagen, ist nur in wenigen Fällen ein Bezug zum Auf- Er wolle ein Bespiel erzählen. So könne es trag der Auslandsaufklärung des BND zu entnehmen. sein, daß ein prominenter Politiker sich im Der größte Teil hat ausschließlich innenpolitischen Ausland bewege und da etwas außerhalb der Inhalt bzw. betrifft Vorgänge, die allenfalls Bedeu- normalen Möglichkeiten gerate. Er gehe z. B. tung für den Verfassungsschutz haben. in die Amüsierviertel irgendeiner Stadt. Wenn sich dann die Presse des betreffenden Landes b) Die für die Beschaffung zuständigen leitenden Be- darüber aufrege, daß deutsche Politiker so un- amten haben das Material, das erkennbar mit dem schöne Dinge täten, könne es vorkommen, daß dem BND übertragenen Aufgabengebiet nichts zu einer der Informanten des BND auch dazu Stel- tun hatte, nicht zurückgewiesen. Auf die Frage, ob lung nähme. Dies fände er an sich ganz interes- ihm ein Fall einer solchen Zurückweisung bekannt sant (22/85). - sei, erklärte der Zeuge Weiß: Berichte über die Reise eines prominenten — man habe wiederholt darauf hingewiesen, wel- deutschen Politikers nach Paris und seine Er- ches der eigentliche und wesentliche Auftrag lebnisse im Pariser Nachtleben seien kein fik- sei, habe aber diese Berichte entgegengenom- tives Beispiel; das habe es sicher gegeben. men und der Leitung des Dienstes vorgelegt, Einen solchen Bericht habe er für ungeeignet wobei offengeblieben sei, was die Leitung des gehalten, ihn in einen großen Verteiler zu ge- Dienstes damit mache. Er nehme an, sie werde ben. Solches Material habe er zur Verwendung es sehr, sehr weitgehend zu ihrer eigenen Un- in die Sonderkartei direkt zum Präsidenten ge- terrichtung verwendet haben. geben. Er könne jedoch nicht wissen, ob der Präsident solche Unterlagen dann auch tatsäch- Der Chef des Dienstes habe ihm niemals ge- lich zur Sonderkartei verfügt habe. Er habe kei- sagt, daß er das nicht haben wolle (22/91 f.). nen Einfluß gehabt auf die Verwendung durch Bürotechnisch sind die Vorgänge systematisch gesam- den Präsidenten (22/290 ff.). melt worden (18/164). Die Zeugin, die diese Sonder- Der Zeuge Weiß betonte, daß ein Teil der Vor kartei führte, bekundete, daß sie nur die Vorgänge gänge auf einem Antrag der Betroffenen selbst aufgenommen und in dieser Sonderkartei abgelegt Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

habe, die ihr Präsident Gehlen zu diesem Zweck Auch Dritte hätten Auskünfte erhalten können, zugeschrieben habe (22/152, 160). Der Zeuge Gehlen allerdings sei ihr Zugang wesentlich einge- hingegen wollte nicht ausschließen, daß auch andere schränkt gewesen (27/184 ff.). Personen etwas an diese Kartei gegeben haben, weil er sich anders die Existenz bestimmter Notierungen Der Zeuge Weiß erklärte, nicht erklären konnte (25/147). Fest steht danach je- — es sei ihm nicht bekannt, daß Material aus denfalls, daß die Anlage derartiger Akten über be- der Sonderkartei an Angehörige außerhalb des stimmte Personen jeweils auf Weisung erfolgte. Dienstes gegeben worden sei. Zwar seien in Präsident Wessel, der alle diese Akten im einzelnen mehreren Fällen Unterrichtungen aus dem geprüft hat, fühlte sich nicht in der Lage, zu beurtei- Dienst an Politiker gegeben worden, zum Teil len, ob vor seiner Zeit bewußt auf das Gewinnen auch von ihm selbst. Das seien aber Angaben solcher Erkenntnisse angesetzt wurde. Aus den Un- gewesen, die nicht in die Sonderkartei gehört terlagen sei auch nicht festzustellen, ob es gezielt hätten, es sei denn, Angaben zum eigenen gewonnene Ergebnisse waren oder die von ihm Schutz dieser Politiker (22/112). Erpressungs- geschilderten Randerkenntnisse (18/99). Er könne fälle seien nicht vorgekommen, obwohl in den das nicht ausschließen, aber auch nicht abschließend Unterlagen der eine oder andere Punkt natür- selbst beurteilen (18/151). lich dem Betreffenden erhebliche Schwierig- Auch über Zweck und Verwendung dieser Akten keiten hätte bereiten können (22/81, 22/112 f.). wichen die Zeugenaussagen voneinander ab: Der Zeuge Wessel hat hierzu ausgesagt: Der Zeuge Gehlen bestätigte, — er habe keine beweisbaren Unterlagen, Ver- — daß die Akten — mit Ausnahme der Fallak- mutungen ja. Er könne nicht ausschließen, daß ten — nachrichtendienstlich uninteressant ge- Journalisten solche Unterlagen zugegangen wesen seien (25/96). Er habe sie aber benötigt, seien. Er könne auch nicht ausschließen, daß etwa, um sich über eine Person, z. B. einen sie an politische Parteien gegangen seien. Staatssekretär, zu informieren, bevor er ein Nach seinem menschlichen Ermessen schließe Gespräch mit ihm geführt habe (25/96). Die er aus, daß während seiner Amtszeit eine Sonderkartei habe ausschließlich seiner per- derartige mißbräuchliche Verwendung solcher sönlichen Unterrichtung gedient (25/91, 151). Akten vorgekommen sei. Hundertprozentig Er habe aber von den Sonderakten so gut wie könne er es nicht, weil er nicht seine Hand keinen Gebrauch gemacht (25/70, 73). für einige tausend Mitarbeiter ins Feuer legen Andere Persönlichkeiten habe er über den In- könne (18/159). halt der Sonderakten nicht unterrichtet, er habe auch verantwortlichen Politikern normaler- Der Sachverständige Mercker erklärte zu der Frage, weise daraus nichts vorgetragen (25/91). Er ob die dargestellte Tätigkeit des BND zu seiner könne allerdings nicht ausschließen, daß ein- legitimen Tätigkeit gehöre, mal eine Frage nach irgend jemandem gestellt — er könne sich dazu nicht klar äußern, da in worden sei. Er erinnere sich an einen Fall, in der Beweisaufnahme nichts völlig klargewor- dem er es abgelehnt habe, die Frage nach einer den sei. Entscheidend bleibe die Frage, ob politischen Persönlichkeit zu beantworten davon in unkorrekter Weise Gebrauch gemacht (25/97). Er halte es nicht für denkbar, daß aus werde. Diese Gefahr bestehe natürlich (23/109). der Kartei Informationen an die Presse oder Seines Wissens sei davon jedoch kein sach- Parteien gegangen seien (25/80) . widriger Gebrauch gemacht worden (23/115).

Auch die Zeugin K. sagte aus, c) Der Untersuchungsausschuß hat die Frage geprüft, — sie habe Unterlagen nur an den Präsidenten ob die in der Sonderkartei erfaßten Personen über herausgegeben. die Aktionen des BND informiert worden seien. Wenn er angeordnet habe, „ich brauche Unter- Der Zeuge Gehlen erklärte dazu, lagen über so und so", habe sie die Sachen zu- — daß der Betroffene über „eine Schweinerei" sammengestellt (22/156) ; dann hätten die ihr zugeschriebenen Papiere „auf Knopfdruck" in jedem Fall unterrichtet worden sei (25/93). greifbar sein müssen (22/160, 164). Dies sei Der Zeuge Weiß erklärte, nicht sehr häufig gewesen. Es sei davon abhän- gig gewesen, wie die Vorträge in Bonn gewe- — er glaube, daß die betroffenen Personen in den sen seien, welche Unterlagen damals zum meisten Fällen unterrichtet wurden. Er möchte Vortrag bei Herrn Globke hätten zusammenge- annehmen, daß die Betroffenen, die in irgend- stellt werden müssen (22/155). einer Form in Randerkenntnissen aufgetreten seien, nicht allesamt unterrichtet wurden. Er Von dieser Aussage weicht diejenige des Zeugen C. wisse es nur für einzelne Fälle (22/27 f.). insofern ab, als dieser bekundete, Der Zeuge Gehlen bestätigte jedoch, — aus der Sonderkartei seien Anfragen beantwor- tet worden. Allerdings habe darüber, ob eine — daß die Persönlichkeiten im politischen Bereich Auskunft erteilt wurde, im Einzelfall der Stab an sich von der Sonderkartei nichts gewußt des Präsidenten oder dieser selbst entschieden. hätten (25/74) . Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Aufgrund dieser Aussagen konnte der Untersu- e) Der Ausschuß hat sich schließlich mit der Frage chungsausschuß eine vollständige Unterrichtung der befaßt, wo die Kartei verblieben ist. Er hat dabei die in der Sonderkartei erfaßten Personen nicht fest- Beamten zeugenschaftlich vernommen, die die Kar- stellen. tei geführt haben, an ihrer Verfilmung beteiligt wa- ren und die schließlich auch die Abwicklung vorge- d) Zwar hat die Beweisaufnahme nicht erwiesen, daß nommen haben. Der Verbleib der Filme, die zu- der Zeuge Gehlen das in der im wesentlichen nur nächst zusammen mit den Akten aufbewahrt wor- ihm zugänglichen Sonderkartei gesammelte Wissen den waren, konnte nicht im einzelnen aufgeklärt politisch mißbraucht hat. Auch konnte nicht erwiesen werden. werden, daß es sich in allen Fällen um eine ge- zielte Aufklärung über inländische Politiker gehan- In einer dem Untersuchungsausschuß vorliegenden delt hat. Andererseits muß aus dem Inhalt der dienstlichen Stellungnahme (Dok. Nr. 89) hat der Akten, soweit er bekannt ist, geschlossen werden, Zeuge Wessel im einzelnen ausgeführt, daß der Zeuge Gehlen während seiner Amtszeit — daß er bei Amtsantritt 1970 angeordnet habe, nicht genügend darauf hingewirkt hat, jede Art von die Registratur seines Amtsvorgängers, des innenpolitischer Aufklärung zu unterbinden. Auch Zeugen Gehlen, abzuwickeln, die besondere haben alle Zeugen aus dem Bereich des Bundes- Berichterstattung in Form von Vortragsnotizen nachrichtendienstes bestritten, innenpolitische Auf- und Führungsunterrichtungen einzustellen und klärung gezielt betrieben zu haben. Andererseits alle Meldungen an die Auswertung bzw. die bemerkte der Zeuge Gehlen im Zusammenhang mit große Kartei zu geben. Daraufhin sei allen der Akte v. Grolmann, die rein innenpolitischer Stellen mitgeteilt worden, daß auf dera rtige Natur war (23/28), er habe immer versucht, seine Berichte und Randerkenntnisse kein Wert Leute zur Selbständigkeit zu erziehen, so daß nie- mehr gelegt werde. Soweit dennoch derartige, mand auf einen Auftrag gewartet habe (25/55). Er nicht mehr einzuordnende Meldungen eingin- konnte aber keinen Fall nennen, in dem ein Mit- gen, seien sie vernichtet worden. arbeiter des BND ernsthaft ermahnt worden wäre, nur solches Informationsmaterial beizubringen, das Soweit die Unterlagen den eigentlichen Zu- zum Tätigkeitsbereich des BND gehörte (25/55 ff.). ständigkeitsbereich des BND einschließlich sei- Der Zeuge Gehlen kann sich nicht daran erinnern, ner eigenen Sicherheit betroffen hätten, seien jemals einen Vermerk mit Berichten über die Paris- sie an die dafür zuständigen Abteilungen ab- Reise eines Bundestagsabgeordneten gesehen zu gegeben worden. haben. Für die Tatsache, daß z. B. die Verabredung Sonstige personenbezogene Unterlagen seien eines Vertreters der Industrie mit dem Präsidenten an das Personenzentralarchiv gegangen. Dieses eines Berufsverbandes auf einer der Karteikarten Archiv sei in der Folgezeit gesondert gesichert festgehalten worden war, fand der Zeuge Gehlen und von nicht auftragsbezogenen Unterlagen keine Erklärung (25/136). bereinigt worden. Wie die Aussage des Zeugen Weiß verdeutlicht, Die bekannten 54 Dossiers, die der Zeuge Wessel ist aufgrund des Verhaltens des Zeugen Gehlen je- an sich gezogen hatte, wurden entsprechend den denfalls bei einzelnen Beschaffern der Eindruck ent- vorliegenden Vernichtungsverhandlungen (Dok. Nr. standen, daß es eine Reihe von Informationen gebe, 29) vernichtet. Im Zuge späterer Überprüfungsmaß- die zwar weder für den Bundesnachrichtendienst, nahmen wurden im Oktober 1974 im Personenzen- noch für das Bundesamt oder die Landesämter für tralarchiv Filme mit Erkenntnissen über Personen Verfassungsschutz im Rahmen ihrer Aufgabenstel- aufgefunden, die zu den 54 bekannten Fällen gehör- lung von Bedeutung waren, wohl aber für den Prä- ten. Es handelte sich um die Repositivierung von sidenten des BND. Ausfertigungen einzelner Vortragsnotizen, die da- mals nicht nur an die sog. Sonderkartei gelangt Es hat sich als für das Ansehen des BND als ver- waren. Diese reproduzierten Unterlagen liegen dem hängnisvoll erwiesen, daß Beschaffer des BND ihre Untersuchungsausschuß vor (Dok. Nr. 78, 85 und 88). Aufgabe nicht nur in der Auslandsaufklärung für Entsprechendes Filmmaterial über weitere nicht zu die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in den 54 Fällen gehörende Personen wurde in vom der Vermittlung von Sondererkenntnissen für ihren BND an anderer Stelle gelagerten Behältern aufge- Präsidenten sahen. funden. Eine Aufstellung liegt dem Untersuchungs- ausschuß vor. Diese Unterlagen sind zur Vernichtung Der Untersuchungsausschuß hat demnach festge- vorgemerkt. Sie stammen — bis auf zwei Ausnah- stellt, daß der Inhalt der Sonderkartei zu einem er- men — aus den Jahren bis 1962. Spätere Verfilmun- heblichen, im einzelnen nicht mehr feststellbaren gen der sog. Sonderkartei haben nicht stattgefunden. Anteil unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zum Aufgabenbereich des BND gehörte und daß diese Es konnte nicht festgestellt werden, 'daß die 54 Dos- Kartei dazu diente, aufkommende Meldungen und siers ganz oder teilweise mit der Absicht verfilmt Nachrichten über inländische Persönlichkeiten des worden seien, um sie der Vernichtung zu entziehen. öffentlichen Lebens zu sammeln und auf Abruf ver- fügbar zu machen. Der Untersuchungsausschuß ist Aus einer Erklärung des Zeugen Wessel ergibt sich der Auffassung, daß Angehörige des BND damit bis ferner, daß bei Gelegenheit eines Umzuges ein er- zur Amtsübernahme durch den Präsidenten Wessel heblicher Teil der ursprünglich vorhandenen Filme am 1. Mai 1968 insoweit ihren Aufgabenbereich bereits vernichtet worden ist, und daß auch sonstige überschritten haben. Unterlagen, die nicht mehr benötigt wurden oder Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode zeitlich überholt waren, im Rahmen des normalen Gesprächspartner Vertrauen habe, erzähle er Dienstbetriebes fortlaufend vernichtet worden sind. von seinen Nöten und seinen Hoffnungen, sei- Der Untersuchungsausschuß hat festgestellt, daß nen Freunden und seinen Gegnern, von für ihn dieses Verfahren rechtlich nicht zu beanstanden ist. positiven und negativen Entwicklungen. Daß Aus einer Erklärung des Zeugen Wessel ergibt sich 'der nachrichtendienstliche Partner später über ferner, daß nach dem gegenwärtigen Erkenntnis- seine Gespräche für die Quellenakte Auf- und Überprüfungsstand nicht mehr damit gerech- zeichnungen mache, sei nicht nur legitim, son- net werden kann, daß sich im Besitz des BND noch dern seine Pflicht (26/168 f.). weitere, bisher nicht bekannte personenbezogene In Treff-Gesprächen mit Quellen würden alle Aufzeichnungen befinden, die nicht vom Auftrag des möglichen Themen angerührt, auch moralische, BND gedeckt wären. Es kann jedoch nicht ausge- persönliche und finanzielle, um den Back- schlossen werden, daß sich bei der fortlaufenden ground dieser Quelle insgesamt so deutlich, so Auswertung des bereits aufgefundenen Filmmate- anschaulich wie möglich jederzeit zur Verfü- rials noch weitere Verfilmungen über Personenun- gung zu haben (26/311 f.). terlagen ergeben, die zu den bereits vernichteten oder noch zu vernichtenden Unterlagen gehören. Die persönlichen Gespräche, die für die sog. Quellenführung von Wichtigkeit seien, wür- den in den Quellenakten geführt (26/209).

3. Praktiken einer Außenstelle (SPD -Akte) Es habe nie eine SPD-Akte gegeben; das, was hier als SPD-Akte bezeichnet werde, seien Im Frühjahr 1971 erhielt der damalige Chef des Blätter, die, wenn möglich, bei der Quellenakte Bundeskanzleramtes, der Zeuge Prof. Ehmke, einen aufbewahrt würden. Hinweis darauf, daß offenbar regelmäßig BND-Infor- mationen über die SPD an Außenstehende gingen. In Ansehung der detaillierten Berichte in der Akte Die daraufhin vom Präsidenten des BND, dem Zeu- über interne Vorgänge in der SPD vermag diese gen Wessel, durchgeführte Überprüfung bestätigte Erklärung des Zeugen Höffer von Loewenfeld jedoch im März 1971, daß in einer Dienststelle im Außen- nicht zu überzeugen. bereich auftragswidrig gearbeitet worden war. In dieser Außenstelle wurden Akten mit Berichten Der Fragestellung, ob es sich bei diesem Material über interne Vorgänge in der SPD aufgefunden, die nicht vielmehr um die gezielte Anlegung von Er- nicht an die Zentrale weitergegeben worden waren. kenntnissen über die SPD gehandelt habe, versuchte Der Präsident des BND ließ die damit zusammen- der Zeuge wiederholt damit auszuweichen, daß er hängenden Unterlagen in der Zentrale des Dienstes seine Unterscheidung zwischen „Meldungen" und unter Verschluß nehmen. Außerdem zog er entspre- „Treff-Berichten" verdeutlichte. Auf die Frage, ob chende personelle Konsequenzen, indem er die Ver- Bärwald gewußt habe, daß über die Gespräche bei setzung des Leiters der Außenstelle veranlaßte. den Treffs Berichte angelegt wurden, erklärte Höffer von Loewenfeld: Die durch den Untersuchungsausschuß beigezogene — daß und in welcher Form, wisse er nicht. Daß Akte über die SPD (Dok. Nr. 74) enthält eine Reihe Bärwald habe annehmen können, daß über von Meldungen, in denen ausschließlich über Interna seine Gespräche Berichte angelegt worden der SPD, u. a. etwa Überlegungen von Parteivor- seien, sei sehr wahrscheinlich. Aber dies sei standsmitgliedern zu allgemeinen politischen Fra- der Unterschied zwischen Meldung und Treff gen oder zu Personalproblemen, berichtet wird. Die Bericht. Eine Meldung werde entweder von Informationen stammten von dem ehemaligen Leiter dem Meldenden selbst abgefaßt, oder der Mel- des Ost-Büros der SPD, Bärwald. Der Zeuge Wessel dende habe genau von dem Inhalt Kenntnis. bekundete zum Inhalt dieser Akte Der Treff-Bericht hingegen werde ohne An- — eine Überprüfung des beigezogenen Materials wesenheit dieser Person in der Diktion des habe den Verdacht bestätigt, daß dort Unter- Gesprächspartners und auch nur über die Teile, lagen gesammelt worden seien, die innenpoli- die er entweder für wichtig halte oder die er tische Dinge betrafen und nichts mit der Auf- im Gedächtnis habe, gefertigt (26/266 f.). gabe eines Auslandsnachrichtendienstes zu tun - Seines Wissens sei Bärwald nie ein derartiger hatten (20/23) . Treff-Bericht vorgelegt worden (26/312). Der Untersuchungsausschuß prüfte daher die Frage, Er nehme aber an, daß Bärwald mindestens wer die Anlage dieser Akte veranlaßt hatte und zu wußte, daß Treff-Berichte angefertigt wurden welchem Zweck dieses geschehen war. Hierzu wurde (26/312, 315). vor allem der ehemalige Leiter der Außenstelle des Der Untersuchungsausschuß ist nach alledem zu dem BND, in deren Bereich die entsprechende Akte an- Ergebnis gekommen, daß es sich bei dem Informa- gelegt worden war, der Zeuge Höffer von Loewen- tionsaustausch zwischen Bärwald und seinem Ge- feld, gehört: sprächspartner beim BND nicht nur um Hintergrund- — Er bekundete, es habe niemals Meldungen gespräche gehandelt hat, die allein die Sonderver- über irgendwelche Vorgänge in der „Baracke" bindung betrafen, sondern daß hier bewußt weit- gegeben, sondern nur Aufzeichnungen von gehende Informationen über die SPD dem BND vertraulichen Gesprächen anläßlich sogenann- systematisch zugänglich gemacht worden sind. So ter Treffs. Wenn jemand unter seelischem und können z. B. ausführliche Berichte darüber, welche wirtschaftlichem Druck stehe und zu seinem Gruppen innerhalb des Parteivorstandes miteinander Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 verkehrten und welche Zielrichtungen sie entwickel- seines Wissens noch nie gegeben. In seiner ten, nicht anders bewertet werden. Somit hat ein ersten Vernehmung zu diesem Fall habe er Angehöriger des Bundesnachrichtendienstes über die dem Vernehmenden gesagt, es seien MfS- sogenannte Sonderverbindung Bärwald über einen Methoden (26/173). längeren Zeitraum hinweg gezielt die interne Wil- lensbildung der Sozialdemokratischen Partei Die von dem Zeugen eingeräumte Tatsache, daß er Deutschlands beobachtet. Auch diese nachrichten- die Treffberichte auch nicht mehr auszugsweise dienstliche Betätigung war vom Auftrage des Bun- an die Zentrale weitergab, nachdem die dortige Füh- desnachrichtendienstes nicht gedeckt. rung gewechselt hatte, andererseits diese Papiere aber systematisch weiter angelegt wurden, führte Der Untersuchungsausschuß prüfte weiter die Frage, zu der Frage, ob denn der Zeuge diese Akte an an wen Informationen aus der SPD-Akte weiterge- Dritte außerhalb des Dienstes weitergegeben hatte. geben worden sind. Dazu erklärte der Zeuge Höffer Dies bestritt der Zeuge Höffer von Loewenfeld nach- von Loewenfeld: drücklich (26/303 f.). — Es habe in seinem Ermessen gelegen, was er aus der SPD-Akte weitergemeldet habe. Er Der Zeuge Prof. Ehmke erklärte dagegen, habe auch aus den Treff-Berichten weiterge- — nach einem Hinweis, den er bekommen habe, meldet, die nichts mit Auslandsaufklärung zu seien die Unterlagen an Interessierte im politi- tun gehabt hätten. Dies halte er für legitim schen Bereich der Bundesrepublik gegangen (26/269) . (18/66). Bis zum Jahre 1969 habe er entweder Auszüge Im übrigen berief sich der Zeuge Prof. Ehmke oder die gesamten Berichte je nach Wichtig- auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, da ihm keit an die Zentrale gegeben, als Vortrags- diese Information in seiner Eigenschaft als Ab- notiz für den Präsidenten usw. Ab Mitte 1970 geordneter des Deutschen Bundestages zuge- jedoch habe er keine oder kaum eine Sa che gangen war. Er bekundete jedoch, daß er die mehr an die Zentrale gegeben (26/292). erste Vollzugsmeldung über die Sicherstellung Auf die Frage, warum er dann keine Berichte der Akten im Frühjahr 1971 nicht von der Lei- mehr weitergegeben habe, erklärte der Zeuge, tung des BND, sondern von Dr. Franz Josef er habe seine eigene Verbindung nicht zerstö- Strauß erhalten habe (18/58). ren wollen. Er sei ein Quellenbauer und nicht ein Quellenkiller. Die Treff-Berichte habe er Auf die Frage, auf welche Weise dieser von der nicht mehr weitergegeben, weil die notwendige Beiziehung dieser Akte habe erfahren können, er- Folgerung gewesen sei, daß der BND-Vizeprä klärte der Zeuge Wessel, sident Blötz diese Sache gelesen hätte und dann — es könne eigentlich nur geschehen sein durch für eine Abschaltung der Sonderverbindung einen direkten Kontakt zu irgend jemand aus gesorgt hätte (26/293). dem Bereich, aus dem die Akte herbeigezo- gen wurde. Von ihm und Herrn Blötz hätte Hieraus ergibt sich, daß sich der Zeuge selbst be- Herr Strauß die Information sicherlich nicht wußt war, daß die hier betriebene Information über bekommen; er möchte auch die Beamten der die SPD sowie die Aktenanlage weder vom Auftrag Zentrale ausschließen (20/32). des Bundesnachrichtendienstes gedeckt, noch von seinen Vorgesetzten geduldet wurde, und daß der Der Untersuchungsausschuß konnte daher nicht ab Zeuge sich auch der Unrechtmäßigkeit seines Tuns schließend klären, ob die in der SPD-Akte gesam- bewußt war. Dies wird durch die folgenden Aussa- melten Erkenntnisse an Dritte weitergegeben wor- gen noch verdeutlicht: den sind. -- Auf die Frage, was er dann ab Mitte 1970 mit Zusammenfassend ist festzustellen, daß in der von dem anfallenden Material gemacht habe, er- dem Zeugen Höffer von Loewenfeld geführten klärte der Zeuge Höffer von Loewenfeld, das Außenstelle des BND über Jahre hinweg die SPD, habe er aufbewahrt, wie alle anderen Quellen- - insbesondere Vorgänge im Parteivorstand und in unterlagen auch (26/294). der Parteizentrale der SPD beobachtet und gezielt Material aus der SPD und über sie gesammelt und Wenn aber die Zentrale die Treffberichte spe- für eine unzulässige innenpolitische nachrichten- ziell angefordert hätte, dann hätte er dieses dienstliche Tätigkeit ausgewertet und innerhalb des Material vernichtet (26/303). BND weitergeleitet wurde. Insbesondere aus dieser letzten Aussage wird auch deutlich, warum der Zeuge auch noch bei seiner Ver- 4. Die Zusammenarbeit des BND mit Journalisten nehmung vor dem Untersuchungsausschuß in Er- (insbesondere Heysing-Unterlagen) regung geriet, als er es nämlich als „Beschlagnahme" bezeichnete, daß Präsident Wessel im Frühjahr 1972 Die Frage der Weitergabe von nachrichtendienst die Akte an die Zentrale gezogen hatte. Diesen lich gesammeltem Material an Dritte außerhalb des Vorgang beurteilte er mit folgenden Worten: BND, insbesondere über innenpolitische Erkennt- nisse, führte den Untersuchungsausschuß dazu, die — Ein derartiges Ansichziehen von Akten in die- Formen der Zusammenarbeit des BND mit Journa- ser Form habe es im Bundesnachrichtendienst listen zu überprüfen. Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode a) Die Pressestelle des BND war bis zum Jahre - er weise auf die besonderen Zugangsmöglich- 1970 organisatorisch der Beschaffungsabteilung zu- keiten von Journalisten hin. Sie kämen an geordnet. viele Persönlichkeiten verschiedenster Macht- Die Zeugen Gehlen und Weiß betonten zunächst die bereiche heran. Sie hätten bestimmte Möglich- keiten, die andere nicht hätten. Warum hätte besondere Bedeutung der Public-Relations-Arbeit für den BND. der BND auf Hilfe verzichten sollen, zumal sich diese Journalisten z. T. sehr bereitwillig für die Der Zeuge Weiß bekundete, Arbeit- zur Verfügung gestellt hätten (22/116). — er babe den Auftrag gehabt, die Zusammen- Zur Frage der Dotierung dieser Leistungen ergab arbeit mit den Journalisten im wesentlichen sich aus den verschiedenen Zeugenaussagen, daß aufzubauen und zu organisieren. Es sei -eine hier keine einheitliche Regelung galt, sondern daß Selbstverständlichkeit, daß mit der Presse zu- stets auf den Einzelfall abgestellt wurde. sammen gearbeitet würde. Auf der einen Seite wendeten sich Journalisten ständig an den Im Rahmen seines Einsetzungauftrages hat sich der Untersuchungsausschuß nicht damit befaßt, zu prü- Dienst, um etwas zu erfahren. Auf der anderen fen, ob und in welchem Umfang Journalisten zur Seite sei es klar, daß auch der Dienst versucht Aufklärungsarbeit des BND auf außenpolitischem habe, mit Hilfe der Presse abträgliche Ver- Gebiet beitragen sollten und inwieweit diese Tätig- öffentlichungen über den BND zu verhindern keit zu einem Interessenkonflikt führen könnte. (22/13 f.). So habe man versucht, das berechtigte Inter- b) Jedoch ergab sich die Frage, ob diese Zusam- esse der Öffentlichkeit z. B. dadurch zu befrie- menarbeit auch zu innenpolitischer Aufklärung des digen, daß man 1964 den Film „Organisation BND geführt hat. Hierzu bekundete der Zeuge Gehlen/BND" freigegeben habe. Er begrüße es, Prof. Ehmke, daß der BND eine enge Zusammenarbeit mit — Mißstände habe es insoweit gegeben, als jour- vielen Journalisten gehabt habe, ohne sie zu nalistische Mitarbeiter des BND ihre Tätigkeit mißbraudien und ohne daß diese Journalisten zum Doppelverdienst nutzten, indem sie zu- nun einseitig festgelegt gewesen seien. Er nächst eine Meldung an den BND gaben und wolle keine Namen nennen, aber es sei so, daß einige Zeit später in ihrer Zeitung berichteten, sie durch die verschiedensten Parteien gegan- „wie man aus gut unterrichteter Quelle des gen seien (22/14). BND wisse, ..." Zur Zielsetzung der Kontakte zu Journalisten er- Die Berufung auf den Nachrichtendienst in gänzte der Zeuge Gehlen, Presseveröffentlichungen sei ein Teil eines — es sei seinerzeit gelungen, Journalisten aller Grundmusters zahlreicher gegen die deutsche Schattierungen zu Public-Relations-Zwecken Sozialdemokratie und gegen die sozial-liberale für den BND einzuschalten, z. B. zur Klarstel- Koalition gerichteten Kampagnen. Die Verzah- lung gegenüber diffamierenden oder unrichti- nung und Verfilzung des BND mit dem publi- gen Behauptungen des Ostens über den BND. zistischen Bereich habe dem Vorschub gelei- Der Osten habe ja in seinen Nachrichtendien- stet. Die Gegenleistung für die regelmäßigen sten besondere Abteilungen, die darauf hin- Geldleistungen an Presseangehörige habe arbeiteten (25/35). falls es ' überhaupt eine gegeben habe — jedenfalls nicht auf dem Gebiet der Auslands- Neben diesem berechtigten und notwendigen Inter esse des Bundesnachrichtendienstes an Öffentlich- aufklärung gelegen (18/57). keitsarbeit führte aber auch sein Interesse an Infor- Die Tatsache, daß Unterlagen des BND an Zeitungen mationsquellen aller Art zur Verstärkung des Kon- gelangt und dort veröffentlicht worden sind, bestä- taktes mit dem journalistischen Bereich. Die Zeugen tigte der Zeuge Weiß: Gehlen und Wessel wiesen in diesem Zusammen- hang darauf hin, daß z. B. im angelsächsischen Be- — Vermerke, die 1967 gefertigt worden waren, reich es eine Selbstverständlichkeit nicht nur. für seien einige Zeit später' in der Presse aufge- Journalisten, sondern überhaupt für Staatsbürger- taucht, und zwar im „Bayern-Kurier" und in sei, ihrem Nachrichtendienst zu helfen, da dies als „Konkret". Er, Weiß, sei damals verdächtigt nationale Pflicht empfunden würde (25/35, 18/174). worden, diese Vermerke an die Zeitungen ge- geben zu haben. Es sei ohne Ergebnis unter- Der Zeuge Wessel äußerte dazu die Ansicht, sucht worden, wie diese Unterlagen dorthin gekommen seien. Er habe damals unter Dienst- — er halte es für eine ehrenvolle und legitime eid ausgesagt, daß weder er noch seine Mitar- Mitarbeit von Journalisten, wenn sie dem BND beiter den beiden erwähnten Zeitschriften Ma- Erkenntnisse vermittelten, vor allen Dingen terial ausgehändigt hätten. Er und seine Mitar- Erkenntnisse, die sie zumindest in dieser Form in ihren Presseorganen, aus welchen beiter hätten niemals nachrichtendienstliches Gründen auch immer, nicht veröffentlichen Material an eine Zeitung oder Zeitschrift gege- ben (22/120 g bis k). könnten (18/174). Zur Art der Erkenntnisse durch Journalisten äußerte Der Zeuge Weiß bestätigte in anderem Zusammen der Zeuge Weiß unter Berufung auf seine be- hang, daß im BND Unterlagen über angebliche Ost schränkte Aussagegenehmigung lediglich, kontakte des damaligen Planungschefs im Auswär- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 tigen Amt, Ministerialdirektor Bahr, vorhanden ge- vollständigen Ruinierung verfolgt werden. Das Pro- wesen seien, die er aus Anlaß der 1968 erfolgten blem sei nur, daß der BND nicht offen als Fragestel- Überprüfung und auf Anforderung von Prof. Car- ler oder Materialsammler auftreten dürfe. stens zusammengestellt habe (22/288 ff.). Dabei han- In einer anderen Meldung Heysings wird der Kon- delte es sich um Behauptungen, die in bestimmten takt zu bestimmten Wirtschaftsunternehmen empfoh- Presseorganen, z. B. im „Bayern-Kurier", veröffent- len, um diese zu veranlassen, ihre Anzeigenaufträge licht worden sind. bei einem bestimmten Verleger zurückzuziehen, um ihn durch eine wirtschaftliche Pression zu einer Nachdem sich die im „Bayern-Kurier" veröffentlich- Richtungsänderung in seiner Zeitung zu bringen. ten Behauptungen als haltlos erwiesen hatten, hat der Vorsitzende der CSU, Dr. Strauß, in einem Brief Andere Berichte Heysings enthielten Empfehlungen an den Fraktionsvorsitzenden der SPD vom 3. De- für eine gezielte politische Tätigkeit des BND für zember 1968 erklärt, den CSU-Politiker Dr. Strauß und zugunsten der NPD. Andererseits schlug Heysing Angriffe auf die — er „habe der Redaktion des Bayern-Kurier SPD und den damaligen Außenminister Brandt vor. grundsätzlich auferlegt, keine ungeprüften In- formationen und Berichte mehr abzudrucken Zwischen Heysing und leitenden Mitarbeitern des und gerade in diesem Fall eine Überprüfung BND haben auch persönliche und schriftliche Kon- angeordnet. Dies nicht zuletzt deshalb, weil takte stattgefunden, ohne daß Heysing aufgefordert ich grundsätzlich die Berufung auf Geheim- worden wäre, seine unzulässige Berichterstattung dienstmaterial für sehr problematisch halte und einzustellen. Die Akten lassen erkennen, daß Hey- persönlich ablehne" (20/103). sing, wenn nicht bestimmte Aufträge, dann doch zu- mindest Hinweise von Stellen des BND darauf er- Demnach ist festzuhalten, daß es Fälle gegeben hat, halten hat, an welchen Informationen man dort auch in denen geheimdienstliches Material in unzulässi- noch interessiert wäre. ger Weise an Dritte außerhalb des BND weitergege- ben worden ist. So lassen bestimmte Verfügungen, die handschrift- lich auf Heysings Berichte gesetzt wurden, erkennen, c) Ein Beispiel unzulässiger innenpolitischer Auf- daß derartige Berichte von einem zuständigen lei- klärung einzelner Mitarbeiter des BND stellt die tenden Mitarbeiter als nützliche und gute Beschaffer- über mehr als ein Jahrzehnt andauernde Verbindung leistung gewertet worden sind. des BND mit dem Journalisten Heysing dar. Der Untersuchungsausschuß ist auf Grund der Akten- Dem Ausschuß lag eine Akte vor (Dok. Nr. 79), die lage zu dem Ergebnis gekommen, daß in denjenigen einen Teil von mehr als 2 000 Berichten enthielt, die Meldungen Heysings, die ihm vorlagen, nichts ent- in den Jahren von 1959 bis 1970 von dem Journali- halten ist, was unter irgendeinem Gesichtspunkt mit dem Auftrage des Bundesnachrichtendienstes in Ver- sten Heysing an die Zentrale des BND — zum Teil an bestimmte dort tätige Beamte — gerichtet wur- bindung gebracht werden könnte. Der Untersu- chungsausschuß konnte nicht feststellen, daß der den. In dieser Berichterstattung vermischt sich die Weitergabe von Informationen über private Lebens- BND Heysing vor der Amtsübernahme durch den Präsidenten Wessel aufgefordert hat, seine innen- verhältnisse oder geschäftliche Vorgänge in vorwie- gend norddeutschen Presseunternehmen und -ver politische Aufklärungsarbeit zu unterlassen. lagen mit persönlichen Betrachtungen über gesell- Vielmehr ergibt sich aus den handschriftlichen schaftliche, politische und wirtschaftliche Verhält- Aktennotizen, daß Teile seiner Meldungen mit In- nisse in der Bundesrepublik. Vielfach finden sich teresse zur Kenntnis genommen wurden. Schon al- auch Schilderungen darüber, wie Herr Heysing na- lein die Tatsache, daß die damaligen Verantwort- mentlich benannte Persönlichkeiten aus dem Bereich wortlichen es unterlassen haben, einen Mitarbeiter von Presse, Rundfunk und Verlagswesen charakter- wie Heysing in seine Schranken zu weisen bzw. die lich beurteilt. Verbindung zu ihm abzubrechen, begründet gegen diese den Vorwurf der Billigung innenpolitischer Heysing befaßte sich insbesondere mit den Möglich- keiten, wie ein Einfluß auf bestimmte Presseorgane Aufklärungsarbeit. ausgeübt werden könnte, um dort einen Gesinnungs- - Im Zuge der von dem Zeugen Prof. Ehmke 1970 wandel bzw. eine Berichterstattung und Kommen- durchgeführten organisatorischen und personellen tierung in bestimmter Richtung zu erreichen. Hierzu Veränderungen im Bundesnachrichtendienst wurde gehört als bezeichnendstes Beispiel eine Meldung die Pressestelle des BND aus der Beschaffungsabtei- aus dem Jahre 1968 über die „Personalüberprüfung lung herausgelöst, der Leitung des BND unmittelbar von Schädlingen". Darin wird eine genaue Überprü- unterstellt und ihre Zuständigkeit auf die Öffent- fung einschließlich von Nachforschungen über die lichkeitsarbeit beschränkt. Der Leiter der Beschaf- Vergangenheit jedes Verlegers, Publizisten, Künst- fungsabteilung, der in der Zeit vor 1970 die Presse- lers, Schauspielers oder „sonstigen Multiplikators" kontakte aufgebaut und besonders gepflegt hatte, hinsichtlich seines gesamten Lebenslaufes, seiner wurde mit einem anderen Aufgabenbereich außer- Produktion, seiner Familien-, Berufs- und Gesell- halb der Beschaffung und der Pressearbeit betraut. schaftsverbindungen, seiner persönlichen Eigenarten, Auch die von den Zeugen Prof. Ehmke und Wessel Vermögensverhältnisse, Sympathien und Aversio- mehrfach schriftlich und mündlich wiederholten Wei- nen angeraten, soweit diese sich mit Presse- und sungen, daß Inlandsaufklärung zu unterlassen und Öffentlichkeitsarbeit befassen. So sollen Personal- derartige Erkenntnisse nicht mehr gesammelt und karteien angelegt und bestimmte Personen bis zur ausgewertet werden dürfen, diente der Beschrän- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode kung der Tätigkeit des BND auf seinen Auslandsauf- der Journalisten- und Medienkartei des Presserefe- trag. rats erbeten; diese Auskünfte seien ohne Abstim- Wie aus einem Schreiben der Pressestelle des BND mung und ohne Auftrag der zuständigen Vorgesetz- an Heysing vom 1. Juli 1968 hervorgeht, wurde er ten oder der Leitung des Dienstes eingeholt wor- schon damals darüber unterrichtet, daß Analysen zu den. Dieses Schreiben sei ungeschickt formuliert innenpolitischen Themen nicht mehr erwünscht wa- worden (Stenographischer Bericht der 198. Sitzung ren. Dennoch schickte Heysing auch in der Folgezeit des 6. Deutschen Bundestages am 21. September noch einige solcher Berichte. 1972, S. 11677 ff.). Ferner wurde in der damaligen Sitzung darauf hin- Mit Schreiben vom 6. März 1972 wurde Heysing von gewiesen, daß es dem BND wegen der arbeitsrecht- der Pressestelle um Übersichten über die Publikatio- lichen Sicherungen erst nach jahrelangen Bemühun- nen des Bauer-, Springer- und Bertelsmann-Verlages gen gelungen sei, sich kürzlich von dem freien Mit- sowie deren Beteiligung an anderen Unternehmen arbeiter Heysing zu trennen. gebeten. In dem Schreiben wurde ausdrücklich dar- auf hingewiesen, daß ein Teil der von ihm unaufge- In der Beweisaufnahme vor dem Untersuchungsaus- fordert übersandten Berichte nicht mehr gefragt sei schuß wiederholte der Zeuge Prof. Ehmke diese Aus- und verwertet werden könnte. Hierzu heißt es in sagen. Auch der Zeuge Wessel erklärte, dem Schreiben u. a.: - bei dem 1972 an Heysing gegebenen Auftrag „Bitte machen Sie sich mit Dingen, die außerhalb habe es sich keinesfalls um eine gezielte In- der Thematik Presse- und Wirtschaftsdienste lie- landsaufklärung gehandelt; die unglückliche gen, keine Mühe für uns. Nun haben wir aber im Formulierung des Schreibens beruhe auf der Hinblick auf dieses — für uns als Pressereferat Gedankenlosigkeit einer Mitarbeiterin (18/101, einzig interessante — Thema einige Bitten an Sie 20/78). und hoffen, daß Sie uns helfen können ...". Der Untersuchungsausschuß ist aufgrund der ihm In einem weiteren Schreiben an Heysing vom 4. Mai vorliegenden Akten und der Zeugenaussagen der 1972, in dem der Eingang der am 6. März 1972 er- Auffassung, daß die Pressestelle des Bundesnach- betenen Angaben bestätigt wurde, bat die Presse- richtendienstes sich für ihre Arbeit notwendige An- stelle erneut, unverlangte Sendungen zu unterlassen: gaben aus offen zugänglichen Quellen hätte beschaf- fen können und sollen und die Beauftragung eines „Noch einmal die Bitte, uns nicht mehr mit Presse- freien Mitarbeiters hierfür nicht erforderlich war. ausschnitten zu beschicken, die sich nicht auf Jour- Festzustellen ist jedoch gleichzeitig, daß es sich da- nalismus/Medienlage beziehen. Wir werten ja sel- bei — wie aus den beiden zitierten Schreiben der ber aus und ersticken im Papier, das wir auch nur Pressestelle hervorgeht — nicht um einen Auftrag in den Papierkorb werfen können. Bitte sparen zur Inlandsaufklärung handelte. Sie sich Zeit und Mühe, was diese bisherigen Aus- schnitte betrifft. 5. Sonstige Feststellungen Die Bauer-Ausarbeitung gibt schon einen guten Überblick. An weiteren Einzelheiten sind wir in- a) Die sogenannte Bahr-Akte teressiert, soweit sie bei Ihnen anfallen. Studio Ende 1968 hat der damalige Chef des Bundeskanz- Hamburg wollen wir vielleicht noch einmal zu- leramtes, Prof. Dr. Carstens, persönlich Akten ange rückstellen, denn das neue Handbuch für Rufu legt und bei sich aufbewahrt, in denen Unterlagen und TV brachte jetzt näheres darüber." über behauptete Ost-Kontakte des damaligen Pla- Dieser Vorgang war im September 1972 Gegenstand nungschefs im Auswärtigen Amt, des Ministerial- einer Mündlichen Anfrage des CSU-Abgeordneten direktors , sowie ,die hierüber angestell- Wagner (Günzburg) an die Bundesregierung. Er ten Ermittlungen und ihre Ergebnisse zusammenge- fragte, ob der Bundesnachrichtendienst Verbindungs- stellt waren. Aus Anlaß von Vorwürfen, die von leute beauftragt habe, Informationen über Presse- einzelnen Presseorganen unter Berufung auf nach- organe und andere Privatunternehmen im Bundes- richtendienstliches Material gegen Bahr erhoben worden waren, hat der ,damalige Bundesaußenmini- gebiet zu beschaffen und ob die Bundesregierung -der Auffassung sei, daß der Bundesnachrichtendienst zu- ster Brandt im November 1968 in einer Kabinettsit- sätzlich zu seiner Aufgabe der Auslandsaufklärung zung den ehemaligen Bundeskanzler Dr. Kiesinger auch zu nachrichtendienstlicher Tätigkeit im Inland um Aufklärung dieser Meldungen im Bayern-Kurier, befugt sei, die mit der Auslandsaufklärung nicht im in der „Welt am Sonntag" und anderen Blättern er- Zusammenhang stehe. sucht. Bundeskanzler Dr. Kiesinger beauftragte dar- aufhin den Chef des Bundeskanzleramtes, Prof. Car- Der damalige Chef des Bundeskanzleramtes, Bun- stens, diesen Vorwürfen nachzugehen. Über den desminister Prof. Dr. Ehmke, beantwortete diese An- Abschluß der damaligen Prüfung durch den Zeugen frage im Deutschen Bundestag dahin, daß der BND Prof. Carstens hat der damalige Pressesprecher der keine Inlandsaufklärung betreibe, auch nicht gegen Bundesregierung, Staatssekretär Diehl, am 3. Fe- Presseorgane; Aufgabe des BND sei allein die Aus- bruar 1969 vor der Bundespressekonferenz erklärt: landsaufklärung und er sei zu nachrichtendienst- licher Aufklärung im Inland nicht befugt; eine Mit- „Aufgrund eines Berichts, den Staatssekretär Car- arbeiterin des Pressereferats des BND habe be- stens dem Bundeskanzler erstattet hat, und der stimmte Auskünfte von einem freien Mitarbeiter des auch dem Bundesaußenminister zugeleitet worden Dienstes, der Journalist sei, zur Vervollständigung ist, ist folgendes zu erklären: Das überprüfte Ma- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

terial hat keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit b) KPI-Kontakte von SPD-Politikern der aufgestellten Behauptung ergeben. Überdies Ende 1967/Anfang 1968 berichtete der Bundesnach- hat Herr Bahr den Bundeskanzler über die Kon- richtendienst über ein Gespräch, das drei Vertreter takte unterrichtet, die er mit Zustimmung zunächst der SPD in Rom mit Vertretern der KPI geführt hat- des Regierenden Bürgermeisters, später des Bun- ten. Über den Inhalt der Gespräche hat der Vor- desaußenministers im Laufe der letzten Jahre mit sitzende der SPD und damalige Bundesaußenmini- Persönlichkeiten aus dem östlichen Bereich ge- ster Brandt den damaligen Bundeskanzler Dr. Kie- habt hat" (20/102 f.). singer unterrichtet. Da jedoch der in anderem Zusammenhang geladene Akten, die darüber beim Bundesnachrichtendienst Zeuge Prof. Carstens vor dem Untersuchungsaus- angelegt worden waren, sind — wie der Ausschuß schuß behauptete, Bahr habe in einem Gespräch mit festgestellt hat — nicht vernichtet worden, also auch dem damaligen Bundeskanzler Kiesinger für einen nicht etwa auf Weisung des Zeugen Prof. Ehmke. Es seiner Ostkontakte keine plausible Erklärung ab- steht aber fest, daß diesen Vorgang betreffende Un- geben können (19/102 f., 121), wurden zu diesem terlagen ,auf bisher nicht geklärte Weise aus dem Komplex die Zeugen Bahr und Dr. Kiesinger gehört BND an außenstehende, politisch interessierte Dritte (20/98 ff.; Kiesinger 22/121 ff.). Die Beweisaufnahme weitergegeben worden sind. hat den von dem Zeugen Prof. Carstens geäußersten Verdacht nicht bestätigt. Vielmehr hat der Zeuge c) Waffengeschäfte des BND Dr. Kiesinger bekundet, Im Rahmen der Beweiserhebung des Untersuchungs- — Bahr habe ihm damals eine plausible Erklä- ausschusses ist verschiedentlich auch die Frage an- rung abgegeben und aus dem Gespräch mit gesprochen worden, ob der Bundesnachrichtendienst dem Eindruck herausgehen können, daß ihm sich selbst mit Waffenhandel befaßt bzw. Waffen- der Bundeskanzler weder vorher noch nachher geschäfte getätigt oder sich daran beteiligt hat. etwas vorgeworfen habe, und ,daß der entstan- Da dem Ausschuß keine konkreten Hinweise dar- dene Zweifel bereinigt sei (22/130 f., vgl. auch über vorlagen, daß in diesem Zusammenhang im 22/127, 134, 140). Bundeskanzleramt oder beim BND Akten vernichtet Die Akten verblieben im Bundeskanzleramt und ha- worden sind, hat er davon abgesehen, diesen Kom- ben dem Ausschuß vorgelegen (Dok. Nr. 72). plex in seine Prüfung mit einzubeziehen. Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

3. Abschnitt: Begründung zu den Untersuchungsgegenständen „Guillaume" und „Aktenvernichtung" (Auffassung der Minderheit) — Abgeordneter Gerster (Mainz), CDU/CSU —

A. Vorbemerkungen zum Verfahrensablauf sitzung vom 6. Juni 1974 beschlossen worden ist. Gleichwohl haben maßgebliche Vertreter der Regie- Am 24. April 1974 wurden der persönliche Mitarbei- rungskoalition den 2. Untersuchungsausschuß sofort, ter des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, der MdB Metzger schon in der der Abstimmung Günter Guillaume und seine Ehefrau Christine, geb. über den Einsetzungsantrag vorausgegangenen Bun- Boom, wegen des dringenden Tatverdachts nach- destagsdebatte am 6. Juni 1974 in Frage gestellt. richtendienstlicher Tätigkeit verhaftet. Auf die in (Stenographischer Bericht der 105. Sitzung des 7. der Öffentlichkeit zu Recht gestellten Fragen, Deutschen Bundestages vom 6. Juni 1974, S. 7107 ff.). Die gleichen Kreise haben nichts unversucht gelas- — wie konnte ein DDR-Spion an die Regierungs- sen, den 2. Untersuchungsausschuß unter Hinweis schaltstelle der Bundesrepublik Deutschland ge- auf Erfahrungen mit früheren Untersuchungsaus- langen? schüssen als unbrauchbares Instrument zur Wahr- — wann haben die Verantwortlichen in der Bun- heitsfindung in Mißkredit zu bringen. Die in der desregierung erstmals von dem Verdacht gegen Beweisaufnahme zu Tage getretenen Fehler und Günter Guillaume erfahren? Mängel haben später einsichtige Mitglieder des Ausschusses aus den Reihen der Koalition zum — was haben die Verantwortlichen in der Bundes- öffentlichen Bekenntnis gebracht, zum ersten Mal regierung im Interesse der Staatssicherheit un- Sinn, Zweck und Nutzen eines Untersuchungsaus- ternommen? schusses festgestellt zu haben. — welcher Schaden ist der Bundesrepublik Aus dem für jedermann sichtbar gewordenen Be- Deutschland durch die Tätigkeit des Spions ent- streben, von der Verantwortlichkeit der Bundes- standen und wer trägt dafür die Verantwortung? regierung und von Bundesbehörden abzulenken und hat die Bundesregierung, haben eine ganze Reihe zugleich den 2. Untersuchungsausschuß in Mißkre- von Behörden und Personen, die an der Karriere des dit zu bringen, haben die der Regierungskoalition Günter Guillaume unmittelbar oder mittelbar betei- angehörenden Abgeordneten versucht, Geschichts- ligt waren, unterschiedliche und sich zum Teil forschung zu betreiben. Alle im Bereich des Bundes- widersprechende Sachdarstellungen gegeben. Eine kanzleramtes und des Bundesministeriums des im Sinne der Bundesregierung und der Koalitions- Innern aufgetretenen Spionageverdachtsfälle vor parteien gewiß unverdächtige Kronzeugin und Sach- Guillaume sollten untersucht werden. Selbst Otto verständige ist die Schriftstellerin und Journalistin John, mit dem sich in der 2. Legislaturperiode des Carola Stern. Sie hat in einem Kommentar im West- Deutschen Bundestages ein Untersuchungsausschuß deutschen Rundfunk am 4. Mai um 19.10 Uhr aus- beschäftigt hatte, sollte noch einmal in die Unter- geführt: suchung einbezogen werden. Das ganze Vorhaben ist jedoch fallengelassen worden, nachdem sich „Angesichts des Falles Guillaume kann der Wunsch seine Unergiebigkeit herausgestellt hatte. der Woche nur lauten: Es möge endlich Schluß sein mit dem allzu forschen Drauflosreden von allen Sei- In der 4. Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses ten, von Schuld und Abschieben, von Verantwor- am 27. Juni 1974 fand ein Informationsgespräch mit tung von hier nach dort, von Amt zu Amt, mit die- dem Generalbundesanwalt statt. Es sollte dazu die- sem Mangel an Tatkraft im Regierungslager." Am- nen, aus den Untersuchungen des Ausschusses alle 6. Mai 1974 ist Bundeskanzler Brandt zurückgetre- Punkte auszuklammern, durch welche die Ermitt- ten. In seiner Rücktrittserklärung hat er die politi- lungen des Generalbundesanwaltes gegen Guil- sche und persönliche Verantwortung für Fahrlässig- laume behindert werden könnten. Es wurde Ein- keiten in der Affäre Guillaume übernommen. Am vernehmen erzielt, im Ausschuß die Nummern 9, Tage darauf, am 7. Mai 1974, hat die Bundesregie- 10 und 12 des Einsetzungsbeschlusses vom 6. Juni rung eine Dokumentation mit dem Titel „Die Ein- 1974 nicht zu untersuchen. Der Versuch eines Ab- stellung Guillaumes in das Bundeskanzleramt" vor- geordneten der Koaliton, dem Generalbundes- gelegt, die Aufklärung bringen sollte. Da diese Do- anwalt nahezulegen, die Ausklammerung weiterer kumentation nur die Einstellung (und in Verbindung Punkte des Einsetzungsbeschlusses zu erbitten oder damit die Sicherheitsüberprüfung) umfaßte und so- als zweckmäßig zu bezeichnen, fand bei diesem gar in diesem Bereich unvollständig und zweckbe- keine Gegenliebe (4/6). Auch diese Intervention stimmt ist, hat die CDU/CSU-Fraktion des Deut- sollte die Arbeit des Ausschusses erschweren und schen Bundestages die Einsetzung eines parlamen- entgegen den im Plenum des Bundestages abgege- tarischen Untersuchungsausschusses beantragt, der benen Aufklärungsbeteuerungen die Untersuchung mit den Stimmen der SPD und FDP in der Plenar im Ausschuß behindern. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Ein besonders auffälliger Versuch der Abgeord- B. Das Ergebnis der Beweisaufnahme neten der Koalition im Ausschuß war der wieder- zum Fall Guillaume holte unvermittelte Wechsel im Prozedieren unter Ausnutzung (Mißbrauch) der Stimmenmehrheit. Sprunghaft ging der Ausschuß gegen die Stimmen I. Die Einstellung Günter Guillaumes in das der Opposition dazu über, den Punkt 18 (Aktenver- Bundeskanzleramt unter dem Gesichtspunkt der nichtung) zu behandeln, als die Beweiserhebung zu fachlichen Qualifikation den übrigen Themen die Bundesregierung schlecht aussehen ließ, aber längst noch nicht abgeschlossen Der Regierungswechsel vom Oktober 1969 führte war. Da war dann besonders auffällig der Auftritt insbesondere im Bundeskanzleramt zu erheblichen des Ministers a. D. Prof. Dr. Ehmke, der die Namen personellen Veränderungen. Die von dem neuen von 54 Aktenvorgängen des BND verlas, die er als Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Prof. Dossiers charakterisierte, obwohl sie nach der Aus- Dr. Ehmke, veranlaßten personellen Veränderungen sage des Präsidenten Wessel keine waren. beschränkten sich nicht nur auf die sogenannten politischen Beamten, bei denen die Versetzung in Nach diesen Versuchen, den Ausschuß in Mißkredit den einstweiligen Ruhestand im Beamtenrecht vor- zu bringen und seine Arbeit zu behindern, haben gesehen ist, sondern es wurden Beamte bis hinunter die Ausschußmitglieder von SPD und FDP sich be- zur Referentenebene durch sogenannte Entpflich- müht, der Untersuchung der allgemeinen Einstel- tungserklärungen von ihren bisherigen Tätigkeiten lungspraxis im Bundeskanzleramt und im Bundes- entbunden. Die Tätigkeit der ausgeschiedenen Be- ministerium des Innern zeitliche Priorität einzuräu- amten übernahmen zum größeren Teil Beamte aus men, die Untersuchung des Komplexes Guillaume anderen Ressorts, so die Zeugen Ministerialdirektor dagegen zurückzustellen. Dies, obwohl die Person Kern und Ministerialdirigent Schlichter, die der des Kanzleramtsspions Guillaume das Kernthema neue Chef des Bundeskanzleramtes aus seinem frü- des Einsetzungsbeschlusses ist und war. heren Ressort, dem Bundesministerium der Justiz, Auch durch das Verhalten der Bundesregierung in das Bundeskanzleramt mitbrachte. Nach dem Re- wurde der Verfahrensablauf nicht gerade erleichtert. gierungswechsel sprach auch Günter Guillaume, der So gingen die vom Untersuchungsausschuß angefor- zu dieser Zeit Geschäftsführer der SPD- Stadtverord- derten Akten äußerst schleppend beim Sekretariat neten-Fraktion in Frankfurt/Main war, den Zeugen des Untersuchungsausschusses ein, mußte seitens Dr. Ehrenberg, der als Ministerialdirektor. die Ab- der CDU/CSU die Unvollständigkeit der vorgeleg- teilung für Wirtschaft-, Finanz- und Sozialpolitik ten Akten beanstandet werden. Das führte immerhin übernommen hatte, wegen einer Verwendung im dazu, däß die Bundesregierung in der Sitzung vom Bundeskanzleramt an. Dr. Ehrenberg kannte Guil- 29. August 1974 einen Aktenvermerk zu den zuvor laume seit dem Jahre 1964. Seit dieser Zeit gehörte als vollständig bezeichneten Akten nachreichte. So Dr. Ehrenberg, der von 1964 bis 1968 Leiter der besorgte sich die CDU/CSU die Hausanordnungen volkswirtschaftlichen Abteilung der IG Bau-Steine- 24/70 und 26/70 des Bundeskanzleramtes, aus denen Erden in Frankfurt gewesen war, dem dortigen Un- entgegen den bis dahin vorgelegten Akten hervor- terbezirksvorstand der SPD an, für den Guillaume ging, wann Guillaume in die Verbindungsstelle des als Geschäftsführer tätig war. Kanzleramtes versetzt wurde und wann er dort ein selbständiges Sachgebiet erhielt, selbst und reichte Guillaume hatte sich bei Dr. Ehrenberg nicht für sie zur Vervollständigung der Akten nach. Schließ- eine bestimmte Stelle, sondern generell um eine lich mußte die Bundesregierung auf Wunsch der Tätigkeit im Bereich des Bundeskanzleramtes be- stellvertretenden Mitglieder des 2. Untersuchungs- worben. Nach den Angaben von Dr. Ehrenberg habe ausschusses Schulte, Vogel und Kirst, die zugleich Guillaume aber jedoch die Vorstellung gehabt, eine Mitglieder des Parlamentarischen Vertrauensmän- auf Organisationen und Verbände gerichtete Tätig- nergremiums sind und auf Betreiben der CDU/CSU keit zu übernehmen. Der Zeuge Dr. Ehrenberg will im Untersuchungsausschuß die Originalakten über- bereits zur damaligen Zeit die Absicht gehabt ha- prüft hatten, von insgesamt 53 Seiten der Original- ben, in seiner Abteilung einen Hilfsreferenten für akten, 12 Seiten in Fotokopie und von 41 Seiten In- den Tätigkeitsbereich „Verbindung zu Gewerk- haltsangaben nachreichen. Dieser Sachverhalt ist in schaften und Arbeitgeberverbänden" einzustellen. einem Vermerk des Sekretariates vom 22. Oktober Für diese Aufgabe habe er Guillaume für beson- 1974 festgehalten. ders qualifiziert gehalten, da für Gespräche mit Es soll nicht unterstellt werden, daß die Vorgänge Verbänden, erst recht mit Gewerkschaften, zwar vorsätzlich nicht dem Untersuchungsausschuß vor- eine akademische Vorbildung vielleicht geeignet, gelegt worden waren. Dieser Sachverhalt spricht zu- aber sicher nicht die ausschließliche Voraussetzung mindest aber für eine allzu große Nachlässigkeit sei, „sondern der praktische Umgang mit Organisa- bei der Aufbereitung der Akten für den 2. Unter- tionen viel notwendiger sei." suchungsausschuß. Dabei ist festzuhalten, daß die Bundesregierung von Anfang an behauptet hatte, Der Zeuge Dr. Ehrenberg schlug daher dem damali- die Akten seien vollständig vorgelegt worden und gen Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister daß eine Ergänzung der vorgelegten Akten erst er- Prof. Dr. Ehmke, vor, Guillaume im Bundeskanzler- folgte, nachdem der Verdacht der Aktenmanipula- amt einzustellen. Am 11. November 1969 wurde tion geäußert und drei stellvertretende Mitglieder Guillaume dem Chef des Bundeskanzleramtes vor- des Untersuchungsausschusses nach Prüfung der gestellt. Als Ergebnis dieses Vorstellungsgespräches Originalakten die Ergänzung erbeten hatten. wurden dem für Personalangelegenheiten zustän- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode digen Gruppenleiter, dem Zeugen Ohlsson, von Bei den Bewerbungsunterlagen fehlte das Abschluß- Dr. Ehrenberg folgende Aktennotiz zugeschrieben: zeugnis der Volksschule, das Zeugnis der Berufs- fachschule sowie ein Lebenslauf, der Aufschluß über Referent für Verbindungen zu Gewerkschaften und die durch Zeugnisse nicht belegten Beschäftigungs- Parteien zeiten und Tätigkeiten hätte geben können. Die feh- Günter Guillaume 42, technischer Redakteur, lenden Unterlagen wurden vom Bundeskanzleramt von 1964 bis 1967 Geschäfts- auch später nicht angefordert. führer des Unterbezirks Frankfurt/M., seit 1968 Ge- Gleichwohl bat am 4. Dezember 1969 die Personal- schäftsführer der SPD-Rat- gruppe den Personalrat um Zustimmung zur Einstel- hausfraktion in Frankfurt/ lung. Mit Schreiben vom 10. Dezember 1969 verwei- Main. gerte der Personalrat aufgrund eines einstimmigen Beschlusses die Zustimmung zur Einstellung. Zur Unter diesen Angaben zur Person vermerkte Begründung führte der Personalrat u. a. aus, daß Dr. Ehrenberg handschriftlich: Guillaume offenbar für eine Verwendung in der Heute bei Minister Ehmke vorgestellt. Einstellung wirtschaftspolitischen Abteilung des Bundeskanzler- ab 1. Januar 1970 wie besprochen (II a). amtes vorgesehen sei, die bisher eine wissenschaft- liche Hochschulausbildung vorausgesetzt habe. Hier Am 13. November 1969 übermittelte das Bundes- fehle es indessen an den notwendigen fachlichen kanzleramt Guillaume den üblichen Personalbogen Voraussetzungen, zumal Guillaume keine gleicharti- sowie das Formular der für die Sicherheitsüberprü- gen Fähigkeiten und Erfahrungen vorzuweisen habe, fung abzugebenden Erklärung mit der Bitte, diese sondern lediglich eine Laufbahn als Funktionär und Unterlagen umgehend zurückzusenden. Am 29 No- Mandatsträger einer politischen Partei auf kommu- vember 1969 schickte Guillaume dem Bundeskanz- naler Ebene. Da diese Partei derzeit den Bundes- leramt die angeforderten Unterlagen zu und teilte kanzler und den Chef des Bundeskanzleramtes mit, daß er die Geschäftsführung der SPD-Standver- stelle, 'bestehe der Verdacht, daß durch diese Maß- ordnetenfraktion zum 31. Dezember 1969 nieder- nahme ein nicht geeigneter Bewerber nur mit Rück- legen könne und zum Dienstantritt am 1. Januar sicht auf seine politische Betätigung und Einstellung 1970 bereit sei. bevorzugt werden solle. Zu seiner schulischen Vorbildung und seinem beruf- Genügten die von Guillaume beigebrachten Bewer- lichen Werdegang machte Guillaume im Personal- bungsunterlagen als Qualifikationsnachweis für die bogen folgende Angaben: Einstellung in das Bundeskanzleramt nach Vergü- tungsgruppe II a BAT? 1933 bis 1941 Volksschule Die von Günter Guillaume mit seinen Bewerbungs- 1941 bis 1943 Berufsfachschule unterlagen beigebrachten Befähigungsnachweise ge- (graphisches Gewerbe) ben unter dem Gesichtspunkt der nach Vergütungs- 1943 bis 1944 Volontärzeit Atlantik-Verlag Berlin gruppe II a BAT geforderten Qualifikation in einem 1944 bis 1945 Reichsarbeitsdienst, Kriegsdienst, Ausmaß zu Zweifeln Anlaß, die die Stellungnahme Kriegsgefangenschaft des Personalrates als angemessen erscheinen lassen. Nach seinen eigenen Angaben verfügte Guillaume 1946 bis 1950 freiberuflich tätig über eine abgeschlossene Volksschulbildung und 1951 bis 1955 technischer Redakteur Verlag eine zweijährige Ausbildung in einer Berufsfach- „Volk und Wissen", Berlin schule. Eine abgeschlossene Berufsausbildung besaß Guillaume schon nach seinen eigenen Angaben nicht. 1956 Sachbearbeiter Baubüro Einzugruppieren nach Vergütungsgruppe II a BAT Hans Auweiler, Frankfurt/Main sind indessen nur Angestellte mit abgeschlossener 1957 technischer Redakteur Finken-Verlag wissenschaftlicher Hochschulbildung und mit ent- Oberursel im Taunus sprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, 1958 bis 1963 freiberuflich tätig die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. Der 1964 bis 1968 Geschäftsführer, SPD-Unterbezirk für die Personalgruppe zuständige Abteilungsleiter Frankfurt/Main im Bundeskanzleramt, Ministerialdirektor Dr. Kern, seit 1. Mai 1968 Geschäftsführer SPD-Stadtverordne- hat als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß er- tenfraktion Frankfurt/Main. klärt, daß diese Vorschrift im Bundeskanzleramt zu recht oder zu unrecht so ausgelegt worden sei, daß Seinem Personalbogen beigefügt hatte Guillaume ein eben die praktischen Erfahrungen in einer entspre- Zeugnis des Baubüros Hans Auweiler für die Zeit chenden Tätigkeit und die damit auch bewiesene vom 5. November 1956 bis zum 28. Februar 1957, Eignung für die Beherrschung dieser Tätigkeit als ein Zeugnis des Bezirks Hessen-Süd der SPD über Äquivalent für ein wissenschaftliches Hochschul- seine Tätigkeit während der Zeit vom 1. März 1964 studium anzusehen sei (7/66). Die für Guillaume vor- bis zum 30. April 1968 sowie ein Zeugnis der sozial- gesehene Aufgabe der Verbindung mit Gewerk- demokratischen Fraktion in der Stadtverordneten- schaften und Arbeitgeberverbänden sei nach seiner versammlung Frankfurt/Main über seine Tätigkeit Auffassung weniger einem Laufbahnbeamten zu- als Geschäftsführer der SPD-Stadtverordnetenfrak- gänglich, als vielmehr einer Kraft, die sich schon tion seit 1. Mai 1968. vorher mit diesen Bereichen beschäftigt habe und die Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

erforderliche Erfahrung mit sich bringe, diese Kon- Volksschulabschluß im Bundesministerium des In- takte zu pflegen (7/46, 47). In Übereinstimmung mit nern in der Regel für den einfachen Dienst oder den der Aussage des Ministerialdirektors Dr. Kern er- einfachen Bürodienst in Frage kämen (8/27). Damit klärte Ministerialdirigent Ohlsson, der für die Ein- übereinstimmend hat der Personalratsvorsitzende stellung Guillaumes zuständige Gruppenleiter, er des Bundeskanzleramtes, Ministerialrat Dr. See- habe selten einen Menschen erlebt, der so kontakt- mann, bei seiner Zeugenvernehmung ausgeführt, freudig gewesen sei und es auf Anhieb verstan- Guillaume habe nach der traditionellen Behörden- den habe, Vertrauen zu erwecken. Dieser persön- praxis über keinerlei Voraussetzungen verfügt, die liche Eindruck und .die Beurteilung seiner Tätigkeit ihn für die Einstellung ins Kanzleramt qualifiziert in Frankfurt hätten „ihm vermittelt", daß Guillaume hätten. die für die Eingruppierung in der Vergütungsgruppe II a BAT erforderlichen Fähigkeiten mitbringe. Im gleichen Teil seiner Aussage zog der Personal- ratsvorsitzende in Zweifel, daß es bei der Einstel- Die insoweit mit der Aussage von Dr. Ehrenberg lung Guillaumes überhaupt darum gegangen sei, für übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen Dr. eine bestimmte Tätigkeit, nämlich die Wahrnehmung Kern und Ohlsson machen deutlich, daß die Zeugen der Verbindung zu Gewerkschaften und Arbeitgeber- bei der Beurteilung der die Eingruppierung nach verbänden, eine entsprechende Persönlichkeit zu fin- Vergütungsgruppe II a BAT rechtfertigenden Fähig- den. Nach seiner Auffassung sei es vielmehr darum keiten Guillaumes ausschließlich auf dessen Ver- gegangen, für Guillaume eine „geeignete" Tätigkeit wendung als Kontaktmann zu Gewerkschaften und zu finden. Nach der Meinung des Personalratsvorsit- Arbeitgeberverbänden abhoben. Daß Guillaume nur zenden wurde daher nicht ein Mann für einen Posten für diesen eng zugeschnittenen Tätigkeitsbereich gesucht, sondern ein Posten für einen Mann (26/38). ausreichende Fähigkeiten mitbringe, mußte Mini- Diese Darstellung widerspricht der Aussage des sterialdirektor Dr. Kern in seiner Aussage zugeben. Zeugen Dr. Ehrenberg und der Bekundung des Zeu- Nach seiner Stellungnahme zu dem ablehnenden Be- gen Dr. Kern, nach dessen Aussage im Bundeskanz- scheid des Personalrates befragt, erwiderte der leramt ab Ende Oktober 1969 der Wunsch bestanden Zeuge Dr. Kern, der Personalrat habe damals nicht habe, für die wichtige „Verbindung zu Gewerkschaf- berücksichtigt, daß Guillaume eine Spezialaufgabe ten und Arbeitgeberverbänden" einen Hilfsreferen- bekommen sollte. Er müsse offen einräumen, daß ein ten einzusetzen (7/73). In der Aussage von Mini- Hilfsreferent, der in einer solchen Abteilung allseits sterialdirektor Dr. Kern könnte gleichzeitig jedoch verwendbar sein solle, ohne wissenschaftlichen auch eine Bestätigung für die Vermutung des Perso- Abschluß nicht auskomme (7/64, 65). Schon diese nalratsvorsitzenden gefunden werden, denn die Er- Bewertung allein hätte indessen Anlaß sein müs- örterung über die Notwendigkeit dieser Position sen, von der Einstellung Guillaumes in die Vergü- soll nach der Aussage von Dr. Kern Ende Oktober tungsgruppe II a BAT abzusehen. Es genügt nämlich 1969 eingesetzt haben und die Stelle soll nach einem nicht, daß sich die Fähigkeiten sonstiger Angestell- Stadium der Vorbereitung über Schwerpunkte der ter, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und künftigen Arbeit dann im vorläufigen Geschäftsver- Erfahrungen nach II a BAT eingruppiert werden teilungsplan vom 16. Februar 1970 klar ausgewor- sollen, auf ein eng begrenztes Teilgebiet beschrän- fen worden sein (7/73). Der stärkste Hinweis dar- ken, ein solcher Angestellter muß vielmehr viel- auf, daß über die beabsichtigte Verwendung Guil- seitiger verwendbar sein (so das Bundesarbeits- laumes bei Beginn des Einstellungsvorgangs noch gericht in seinem Urteil vom 26. Juli 1967, 4 AZ P 433/66 in AP Nummer 10 zu §§ 22, 23 BAT). Zu be- keine Klarheit bestand, ergibt sich indessen aus den anstanden ist indessen nicht nur die fehlerhafte An- Personalakten selbst. In der Aktennotiz Dr. Ehren- wendung der Eingruppierungsvorschriften, sondern bergs vom 11. November 1969 wird Guillaume als der damit gleichzeitig verbunde Verzicht, den Wer- Referent für „Verbindungen zu Gewerkschaften und degang Guillaumes anhand der üblichen Bewer- Parteien" bezeichnet. Es wird also noch nicht auf die bungsunterlagen nachzuprüfen. Die Zeugen haben angebliche Kontaktstelle zu den Sozialpartnern in sich bei der Erläuterung der angeblich ausreichen- der Abteilung III hingewiesen. Es handelt sich viel- den Fähigkeiten Guillaumes nahezu ausschließlich mehr um einen Tätigkeitsbereich, der durch die auf dessen Tätigkeit als Geschäftsführer des SPD- - Verbindungsstelle wahrgenommen wurde. Es fällt in Unterbezirks und der SPD-Stadtverordnetenfrak- diesem Zusammenhang auf, daß die Verbindung zu tion in Frankfurt bezogen. Den Beamten der Per- Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden nur im sonalgruppe wäre es nicht aufgefallen, wenn vorläufigen Geschäftsverteilungsplan vom 16. Fe- Guillaume beispielsweise die Berufsfachschule nicht bruar 1970 vorübergehend der Abteilung III zuge- besucht hätte oder gar im Extremfall ohne eigent- ordnet war und daß Guillaume selbst dieser Abtei- lichen Volksschulabschluß aus der 4. oder 5. Klasse lung auch nur für eine Zeit von etwas mehr als fünf der Volksschule entlassen worden wäre. Der Sach- Monaten unterstand. Schon am 8. Juli 1970 wurde verständige, Ministerialrat Dimpker, hat in seinen Guillaume, wie dann auch im endgültigen Geschäfts Ausführungen dazu erklärt, es sei an sich üblich, daß verteilungsplan vom 24. Juli 1970 zu ersehen, der man bei Bewerbungen Zeugnisse u. ä. beifüge. So- Verbindungsstelle zugeteilt, und zwar mit dem Tä- weit in seinem Hause, dem Innenministerium, Zeug- tigkeitsbereich, für den er nach dem Vermerk von nisse relevant erschienen und nicht beiliegen soll- Dr. Ehrenberg bereits am 11. November 1969 vorge- ten, würden sie ausdrücklich erbeten. Auf die Frage, sehen war. Demnach hat die vom Personalratsvorsit- ob dies auch für Volksschulzeugnisse gelte, verwies zenden Dr. Seemann ausgesprochene Vermutung, es der Sachverständige darauf, daß Bewerber mit sei darum gegangen, für einen ungeeigneten Mann Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode einen geeigneten Posten zu finden, zumindest eine sicht an. Am 8. Dezember 1969 wurden in gleichlau- gewisse Wahrscheinlichkeit für sich. tenden Schreiben die Sicherungsgruppe des Bundes- kriminalamtes, das Verbindungsbüro Bonn des Bun- Die gleiche Wahrscheinlichkeit hat der vom Perso- desnachrichtendienstes und das Bundesamt für Ver- nalrat in seinem Ablehnungsschreiben ausgespro- fassungsschutz unter Beifügung von je zwei Form- chene Verdacht für sich, die Einstellung Guillaumes blättern mit den Personalangaben Guillaumes und sei parteipolitisch motiviert. Zumindest die Beamten seiner Ehefrau um baldige Karteiüberprüfung und der Personalgruppe mußten bei der Einleitung des Mitteilung der Ergebnisse gebeten. Die Schreiben Einstellungsvorganges zum gleichen Schluß kom- trugen die Aufschrift „Eilt!", die beigefügten Belege men. Ihnen wurde von Dr. Ehrenberg eine Akten- notiz zugeleitet, die Guillaume aufgrund seiner Per- waren jeweils mit dem Stempelaufdruck „Eilt Sehr!" sonaldaten als Funktionär und Mandatsträger der versehen. SPD auswies. Aus der Aktennotiz ging weiter her- Am 10. Dezember 1969 teilte das Bundesamt für vor, daß Guillaume sich bei Bundesminister Prof. Dr. Verfassungsschutz dem Bundeskanzleramt fern- Ehmke bereits vorgestellt hatte und die Einstellung mündlich mit, daß weder Günter noch Christel zum 1. Januar 1970 aufgrund dieses Vorstellungs- Guillaume in der Kartei erfaßt seien. gespräches erfolgen solle. Folgerichtig führte also der Ministerialdirektor Dr. Kern in seiner Verneh- Am 12. Dezember 1969 gingen die Notaufnahme- mung als Zeuge aus, daß nach der Vorstellung bei akten ein. Sie wurden nach einem Vermerk vom Minister Prof. Dr. Ehmke sich für ihn die Sache so gleichen Tage durch den Zeugen Regierungsdirek- dargestellt habe, daß Guillaume eingestellt werden tor Hollenbach mit den Angaben in der Sicherheits- solle (7/55). Bei dieser Sachlage ist nicht auszuschlie- erklärung vom 28. November 1969 mit dem Ergebnis ßen, daß die Beamten der Personalgruppe zumindest verglichen, daß nach der Meinung des Bearbeiters unbewußt davon ausgingen, daß die Entscheidung die Angaben übereinstimmten. Im Gegensatz zu d ie- des Chefs des Bundeskanzleramtes, Prof. Dr. Ehmke, ser Feststellung waren zwischen den Angaben und seines damaligen Abteilungsleiters, Dr. Ehren- Guillaumes im Notaufnahmeverfahren und in der berg, parteipolitisch motiviert war. Sicherheitserklärung indessen folgende Abweichun- Unter dem Gesichtspunkt der Qualifikationserforder- gen festzustellen: nisse stellt sich also die Einstellung Guillaumes als eine Fehlentscheidung dar, bei der nicht ausge- 1. schlossen werden kann, daß sie ihre Ursache in sach- a) im Notaufnahmeverfahren hatte Guillaume ange- fremden Erwägungen hat. geben, in der Zeit von 1946 bis 1949 als Fotograf bei zwei Firmen tätig gewesen zu sein, und zwar von 1946 bis 1947 bei der Firma Sallein, und von II. Die Einstellung Guillaumes in 1947 bis 1949 bei der Firma „Foto Hai". das Bundeskanzleramt unter dem Gesichtspunkt b) In der Sicherheitserklärung hatte Guillaume da- des vorbeugenden Geheimschutzes gegen behauptet, von 1946 bis 1950 freiberuflich tätig gewesen zu sein. 1. Die Einleitung der Sicherheitsüberprüfung durch das Bundeskanzleramt 2. a) Im Notaufnahmeverfahren hatte Guillaume an- Trotz der vom Personalrat geltend gemachten Be- gegeben, von 1949 bis 1953 als Fotograf und von denken wurde das Einstellungsverfahren fortgesetzt. 1953 bis 1955 als Bildredakteur im Verlag „Volk Aufgrund der Stellungnahme des Personalrates bat und Wissen" gearbeitet zu haben. der Chef des Bundeskanzleramtes durch Verfügung vorn 10. Dezember 1969 den Zeugen Dr. Ehrenberg b) In der Sicherheitserklärung gab Guillaume an, um Rücksprache. Dieser legte am 23. Dezember 1969 von 1951 bis 1955 im Verlag „Volk und Wissen" dem Chef des Bundeskanzleramtes den Entwurf als technischer Redakteur tätig gewesen zu sein. einer Stellungnahme zu dem ablehnenden Schreiben

, des Personalrates vor. Aus einer Verfügung des 3. - Ministerialdirigenten Ohlsson vom 7. Januar 1970 a) Im Notaufnahmeverfahren war für die Mitglied- ergibt sich, daß das Antwortschreiben an den Perso- schaft im FDGB die Zeit von 1950 bis April 1956 nalrat, obwohl von Ministerialdirektor Dr. Kern be- angegeben worden. reits mitgezeichnet, nicht abgesandt wurde, weil zwischenzeitlich im Rahmen der Sicherheitsüberprü- b) In ,der Sicherheitserklärung datierte er die Mit- fung gegen die Einstellung Guillaumes Bedenken gliedschaft im FDGB von 1950 bis 1955 und gab aufgetaucht waren, deren Klärung abgewartet wer- an, der Lohn- und Prämienkommission im Verlag den sollte. angehört zu haben. Den Auftrag zur Einleitung der Sicherheitsüberprü- 4. fung hatte die Personalgruppe bereits mit Schreiben a) Im Notaufnahmeverfahren hatte Guillaume mit- vom 4. Dezember 1969 an die für Sicherheitsfragen geteilt, er habe bis zu seiner Flucht in Lehnitz bei zuständige Gruppe I 2 des Bundeskanzleramtes über- Berlin gewohnt. mittelt. Diese forderte daraufhin am 5. Dezember 1969 beim Leiter des Notaufnahmeverfahrens in b) In .der Sicherheitserklärung gab Guillaume an, Gießen die Notaufnahmeakten Guillaumes zur Ein nur bis 1955 in Lehnitz gewohnt zu haben. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

5. Am folgenden Tage wandte sich Ministerialdirigent Schlichter nochmal an den Leiter ides Verbindungs- a) Im Notaufnahmeverfahren hatte Guillaume ange- büros des Bundesnachrichtendienstes in Bonn und geben, nach seiner Flucht zusammen mit seiner teilte als Grund seiner neuerlichen Anfrage mit, daß Frau in Frankfurt ein Schreibbüro eingerichtet eine Meldung des Untersuchungsausschusses frei und betrieben zu haben. heitlicher Juristen vorliege. Der Leiter des Bonner b) Eine entsprechende Angabe fehlt in der Sicher- Verbindungsbüros des BND sandte daraufhin an die heitserklärung völlig. Zentrale in Pullach nachfolgendes Fernschreiben: In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsaus- schuß hat der Regierungsdirektor Hollenbach dazu 1. erklärt, wenn er hier einen Fehler gemacht habe, Zu Bezug stellt BK, MD Schlichter, zusätzliche Frage dann stehe er dazu. Es sei aber nicht seine Aufgabe nach Quellenhintergrund und möglichst zusätzlicher gewesen, die Notaufnahmeakten auf ihren nachrich- Bewertung des Wahrheitsgehaltes. tendienstlichen Inhalt zu prüfen (11/133). Er habe sicher einen Vergleich zwischen den Angaben an- Grund: UfJ hat zu G ähnliche Auskunft gegeben. gestellt, die unterschiedlichen Angaben zumal wegen Die zusätzliche Frage hebt darauf ab, ob die Kartei- des Zeitablaufs von 13 Jahren aber darauf zurück- notierung des BND unabhängig von der Aussage geführt, daß sie nicht mit Willen und Wissen, son- des UfJ steht. dern in Unwissenheit abgegeben worden seien. Er gebe zu und übernehme auch dafür die Verantwor- 2. tung, einen inhaltlich nicht richtigen Vermerk ge- schrieben zu haben (11/134). Laut Zwischennotierung ist ein klarer Quellenhin- tergrund gegeben. Ich bitte für PR einen Vermerk Der inhaltlich nicht zutreffende Vermerk des Re- zu erarbeiten, aufgrund dessen PR dem Minister gierungsdirektors Hollenbach wurde dem zuständi- gegenüber die Karteinotierung erläutern kann. gen 'Gruppenleiter, dem Ministerialdirigenten Schlichter, am igleichen Tage zur Kenntnis gegeben Präsident Wessel war schon am 18. Dezember 1969 und dann die Rücksendung der Akten verfügt. durch das Verbindungsbüro in Bonn von der An- In 'den nachfolgenden Tagen -gingen beim Bundes- frage des Bundeskanzleramtes in Kenntnis gesetzt kanzleramt zwei Meldungen ein, die nachrichten- worden. Der Präsident ließ sich daraufhin mittels dienstliche Hinweise auf Guillaume enthielten. Zwi- eines Vermerks des zuständigen Referates vom 19. schen dem 15. und dem 19. Dezember 1969 - über- Dezember 1969 über die Angelegenheit unterrichten. sandte die 'Sicherungsgruppe dem Bundeskanzleramt Der Vermerk gab im wesentlichen diejenige Bewer- ein Fernschreibendes Polizeipräsidenten von 'Berlin tung der Quelle wieder, die dem Zeugen Dr. Rafoth vorn 10. Dezember 1969, in dem es u.. a. heißt: bereits fernmündlich aufgrund seines Anrufs mitge- teilt worden war. Das Fernschreiben des Verbin- „Der Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen dungsbüros vom gleichen Tage, in dem der Hinweis teilte mit Schreiben vom 22. November 1955 mit, auf die Meldung des Untersuchungsausschusses frei daß ein Günter 'Guillaume, ca. 1925 geboren, wohn- heitlicher Juristen enthalten war, wurde in dem haft: Birkenwerder (SBZ), beschäftigt als Fotograf Vermerk nicht aufgenommen. Dieses Fernschreiben beim Ostberliner Verlag ,Volk und Wissen' der wurde vielmehr, ohne daß es an den Präsidenten Agententätigkeit in Berlin (West) und der BRD ver- weitergeleitet wurde, mit dem Vermerk zu- den dächtigt wird. Im Juli 1956 soll Günter Guillaume Akten genommen: in die BRD 'geflüchtet sein. Personengleichheit kann vermutet werden. Beim LfV Berlin sind keine Unter- Bereits heute Vormittag erledigt mit Tagebuchnum- lagen vorhanden. Christel Guillaume, geborene mer 38955/69 vom 19. Dezember 1969. Boom, hier nicht in Erscheinung getreten." Davon, daß eine weitere Meldung des Untersu- Am 17. Dezember 1969 ging dem Bundeskanzleramt chungsausschusses freiheitlicher Juristen bezüglich ein Fernschreiben des Bundesnac hrichtendienstes Guillaume vorlag, erhielt der Präsident also keine zu, in dem mitgeteilt wurde, daß nach einer auf - Kenntnis. ihren Wahrheitsgehalt nicht mehr überprüfbaren Zwischen dem 19. und dem 23. Dezember 1969 fan- Karteinotierung des BND vom April 1954 Günter den zwischen dem Chef des Bundeskanzleramtes Guillaume im -Auftrage des Verlags „Volk und Wis- und dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes sen" 'die Bundesrepublik mit dem Zweck bereist ha- einige fernmündliche Gespräche statt. Prof. Dr. ben solle, Verbindungen zu Verlagen, Druckereien Ehmke beauftragte dabei den Präsidenten des Bun- und Personen herzustellen und diese dann östlich desnachrichtendienstes, zum Quellenhintergrund in zu infiltrieren. der Lagebesprechung vom 23. Dezember 1969 vor Aufgrund dieses Fernschreibens wandte sich Mini- zutragen. In seiner Vernehmung teilte Präsident sterialdirigent Schlichter an das Bonner Verbin- Wessel dem Untersuchungsausschuß mit, daß Prof. dungsbüro des Bundesnachrichtendienstes und bat Dr. Ehmke bei einem Telefonat erwähnt habe, daß den Zeugen Dr. Rafoth um eine Bewertung der Minister Leber sich für G auch verbürge oder ihn Quelle. Dieser rief noch am gleichen Tag fernmünd- für geeignet halte. Am 22. Dezember 1969 habe er lich in der Zentrale des BND in Pullach an, -ob die Prof. Ehmke davon unterrichtet, daß er wegen einer Glaubwürdigkeit der Quelle oder überhaupt die Grippeerkrankung nicht selbst nach Bonn kommen

Herkunft der Meldung geklärt werden könne. könne (10/4), Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Am 23. Dezember 1969 verfaßte Ministerialdirigent suchungsausschuß erklärt, die weiteren Karteinotie- Schlichter unter der Überschrift „Zunächst nicht für rungen seien nicht beigezogen worden, weil es sich die Akten" folgenden Vermerk: dabei um Karteimaterial einer aufgelösten Außen- stelle des Bundesnachrichtendienstes gehandelt habe, „Herr Minister, Herr MD Dr. Ehrenberg und Herr deren Erkenntnisse noch keine Aufnahme in die MR Ohlsson sind vom Überprüfungsergebnis unter- Zentralkartei gefunden hätten. Es hätte indessen richtet. zumindest bei den weiteren Rückfragen des Ver- Zunächst hat der Minister angeordnet, Präsident bindungsbüros Bonn des Bundesnachrichtendienstes Wessel solle am 23. Dezember 1969 das Hintergrund- vom 18. und 19. Dezember 1969 Veranlassung be- wissen und näheres über die Quelle mündlich vor- standen, im Bereich der Zentrale festzustellen, ob tragen. Präsident Wessel ist erkrankt. Nach Mittei- alle vorhandenen Unterlagen bei der Beantwortung lung von Herrn Minister vom 23. Dezember wird er der Anfrage beigezogen worden waren. Es unter- in einem FS zu den Fragen Stellung nehmen (Herr blieb jedoch nicht nur die vollständige Auswertung Minister scheint dazu zu neigen, mit Guillaume der vorhandenen Unterlagen, sondern der zustän- über die Sadie zu sprechen)". dige Referent erkannte überdies nicht, daß die fe rn Am gleichen Tage richtete der Präsident des Bundes- -mündliche Anfrage des Verbindungsbüros vom 18. nachrichtendienstes folgendes Fernschreiben an Mi- Dezember 1969 durch das Fernschreiben vom 19. De- nister Prof. Dr. Ehmke: zember 1969 in einem wesentlichen Punkt ergänzt worden war. In diesem Fernschreiben wurde zum 1. erstenmal auf die zusätzliche Meldung des Unter- suchungsausschusses freiheitlicher Juristen abgeho- Quelle ist zuverlässig, war zu der Zeit im gleichen ben und nachgefragt, ob die Meldungen des Bundes- Verlag und hatte entsprechende Einblicksmöglichkei- nachrichtendienstes und die Meldung des Unter-. ten. suchungsausschusses freiheitlicher Juristen aus ver- 2. schiedenen Quellen stammen. Er unterließ es, diese zusätzliche Frage -an den Präsidenten weiterzuleiten, Mein Votum: der dementsprechend in seinem Fernschreiben vom a) G. gezielt fragen, ob die Behauptung stimme. 23. Dezember 1969 auf diese zusätzliche Frâge auch Seine Reaktion wird vielleicht entsprechende nicht einging. Rückschlüsse zulassen. Er kann z. B. den Auf- trag nur zum Schein angenommen haben oder Schließlich hat es der Bundesnachrichtendienst auch er kann alles zugeben und das Recht auf Irrtum unterlassen, die ihm vorliegenden Erkenntnisse über in Anspruch nehmen. den Verlag „Volk und Wissen" auszuwerten. Dabei befand sich bei den Unterlagen des Bundesnachrich- b) Wichtig wird die Prüfung des Lebenslaufes von tendienstes über den Verlag „Volk und Wissen" G. nach 1954 sein — hier nicht bekannt. eine Meldung, wonach der Verlag u. a. die Auf- c) Verwendung im BK ist auf jeden Fall „heraus- gabe übernommen hatte, in eigenen Schulungshei- gehoben". Ich schlage Prüfung der Verwendung men SSD-Agenten und sogenannte Volkskorres- in einer anderen Behörde vor. pondenten auszubilden. Diese Meldung wäre jedoch d) Die BND-Meldung von 1954 gibt allein keinen geeignet gewesen, die sich ohnehin aus der Kartei- ausreichenden Grund für etwaige Benachteili- notierung vom April 1954 ergebenden Bedenken gung, zwingt aber zur eingehenden Hintergrund- weiter zu verstärken. Der Präsident des Bundes- überprüfung durch den Verfassungsschutz. nachrichtendienstes und der zuständige Referent haben in der Vernehmung dazu erklärt, die Unter- lagen über den Verlag „Volk und Wissen"' seien 2. Die Bearbeitung der Voranfrage des Bundeskanzleramtes deswegen nicht beigezogen worden, weil es sich beim Bundesnachrichtendienst um eine reine Personenanfrage gehandelt habe und Der Bundesnachrichtendienst hatte seine Mitteilung auf den Verlag „Volk und Wissen" nicht abgehoben über die Karteinotierung vom April 1954 mit dem worden sei. Nachdem jedoch Präsident Wessel in seinem Fernschreiben an den Chef des Bundeskanz- Zusatz versehen, daß keine weiteren Erkenntnisse- vorlägen. Tatsächlich aber lagen weitere Erkennt- leramtes selbst vorgeschlagen hatte, Guillaume ei- nisse vor, nämlich Karteinotierungen vom 5. März ner eingehenden Hintergrundsüberprüfung zu unter- und vom 3b. Mai 1951, die sich auf Guillaume be- ziehen, ist es wenig verständlich, daß er eine ent- zogen. In diesen Notierungen war auf eine Tätig- sprechende Prüfung im eigenen Hause nicht ver- keit Guillaumes für den Ostberliner Stadtbezirk anlaßte. Mitte der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft hingewiesen worden. Sie enthielten darüber hinaus Angaben über eine angebliche Ver- 3. DIe Fortführung der Sicherheitsüberprüfung im Bundeskanzleramt nach Eingang der lobung Guillaumes. Der Wahrheitsgehalt dieser Kar- nachrichtendienstlichen Hinweise teinotierung wurde 1974 gegenüber dem Landes- amt -für Verfassungsschutz in Berlin durch einen Nach Eingang des Fernschreibens des Präsidenten Zeugen insoweit erhärtet, als dieser die frühere des Bundesnachrichtendienstes wurde in Vertretung Verlobung von Guillaume bestätigte. des Chefs des Bundeskanzleramtes auch der da- Der zuständige Referent des Bundesnachrichtendien malige Staatssekretär Bahr über den Vorgang unter- stes hat bei seiner Vernehmung vor dem Unter richtet. Am 30.. Dezember 1969 vermerkte dieser für Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

den Chef des Bundeskanzleramtes handschriftlich seien. Einzelheiten hierzu erläuterte Ministerial- in den Akten: dirigent Schlichter. „Selbst wenn Sie einen positiven Eindruck haben, b) Auffällig sei ferner, daß im Notaufnahmeverfah- bleibt ein gewisses Sicherheitsrisiko gerade hier." ren Herrn Guillaume die Erlaubnis zum Aufent- halt in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund Diese Aktennotiz wurde von Minister Prof. Dr. des Artikel 11 des Grundgesetzes erteilt worden Ehmke am 4. Januar 1970 und von Ministerialdiri- sei. Eine politische Zwangslage sei in dem Ver- gent Schlichter am 5. Januar 1970 als erledigt ab- fahren nicht anerkannt worden. gezeichnet. Nach einem Gespräch mit Prof. Dr. c) Schließlich sei von Interesse, welche Tätigkeit Ehmke am 5. Januar -1970 fertigte Ministerialdiri- Herr Guillaume von 1946 bis 1956 freiberuflich gent Schlichter unter dem 6. Januar 1970 für den in der DDR sowie von 1958 bis 1963 als Selbstän- Minister Notizen für eine Besprechung mit Günter diger in der Bundesrepublik Deutschland ausge- Guillaume am 7. Januar 1970. Die Notizen enthal- übt habe. ten die Angaben über Guillaumes Werdegang aus der Sicherheitserklärung sowie einen Hinweis auf Der Vermerk enthält weiter eine Wiedergabe der die Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes und von Guillaume abgegebenen Erklärungen. Nach der des Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juri- Befragung setzte Prof. Dr. Ehmke Guillaume davon sten. Zur weiteren Sachbehandlung wurde vorge- in Kenntnis, daß seine Angaben in allen Einzelhei- schlagen, daß sich der Chef des Bundeskanzleramtes ten überprüft werden müßten. Er gab ihm auf, Aus- durch ein Gespräch mit Guillaume einen persön- kunftspersonen zu benennen, die seine Angaben be- lichen Eindruck verschaffen und sodann Herrn Mini- stätigen könnten und bis zum 12. Januar 1970 eine ster Leber um eine Äußerung bitten sollte, ob er eingehende schriftliche Darstellung seines Werde- für Guillaume gutstehen könne. Schließlich sollte ganges ab 1945 vorzulegen. Guillaume eröffnet werden, daß er einer eingehen- Am 12. Januar 1970 legte Guillaume zwei schrift- den Überprüfung durch das Bundesamt für Ver- liche Äußerungen vor. Eine enthielt den Werdegang fassungsschutz unterzogen werde. bis 1963, für den er auf einige bereits in der Sicher- Am 7. Januar 1970 fand die Befragung Guillaumes heitserklärung benannte Auskunftspersonen hinwies. durch Bundesminister Prof. Dr. Ehmke statt, an der Die weitere Erklärung enthielt Erläuterungen zur neben Ministerialdirektor Dr. Ehrenberg auch Mini- Mitgliedschaft im FDGB. In dieser räumte Guillaume sterialdirigent Schlichter teilnahm. Der über die erstmals ein, zuletzt Vorsitzender der Abteilungs- Befragung gefertigte und von Guillaume mitunter- gewerkschaftsleitung der Hauptabteilung Berufsaus- zeichnete Vermerk lautet eingangs wie folgt: bildung des Verlages „Volk und Wissen" gewesen zu sein und in dieser Eigenschaft über die Betriebs- Am 7. Januar 1970 hat bei Herrn Minister eine Be- arbeit hinaus gezwungen gewesen zu sein, an soge- sprechung stattgefunden, an der teilgenommen ha- nannten Solidaritätseinsätzen in West-Berlin teil- ben: zunehmen. Guillaume fügte den beiden Äußerungen Herr Günter Guillaume, ein Zeugnis des Finken-Verlages über seine Tätig- Herr Ministerialdirektor Dr. Ehrenberg, keit vom 1. März bis 31. Mai 1957, ein Zeugnis eines Herr Ministerialdirigent Schlichter. Fotografen Kurt Kreutzinger vom 4. Mai 1951 über seine Befähigung als Theaterfotograf, zwei Gehalts- Gegenstand der Besprechung waren die gegen Herrn bescheinigungen des Verlages „Volk und Wissen", Guillaume vorliegenden Sicherheitsbedenken. sowie drei Zeitungsausschnitte bei, die sich mit sei- nem Weggang aus Frankfurt nach Bonn beschäftig- Einleitend gab Herr Minister Herrn Guillaume be- ten. Nach dem Eingang der zusätzlichen Erklärun- kannt, daß das Gespräch absolut vertraulich zu be- gen Guillaumes ließ das Bundeskanzleramt die handeln sei. Es handele sich bei dem Gespräch um Sicherheitsermittlungen durch das Bundesamt für einen nicht üblichen Vorgang. Normalerweise wür- den Sicherheitsbedenken mit dem Betroffenen nicht Verfassungsschutz fortsetzen. erörtert. Angesichts der Tatsache, daß es sich hier Am 13. Januar 1970 wurden dem für die Sicherheits- jedoch um Vorgänge handele, die nochmals über- überprüfungen zuständigen Abteilungsleiter des prüft werden sollten, werde dieses Gespräch für Bundesamtes für Verfassungsschutz, dem Direktor zweckmäßig gehalten. Hermenau, durch Ministerialdirigent Schlichter fol- gende Unterlagen ausgehändigt: Herr Minister teilte Herrn Guillaume mit: Ein Vermerk vom gleichen Tage, der den Wortlaut a) Aufgrund von Angaben einer genau feststehen- der Karteinotierung des BND sowie den Wortlaut den Quelle sowie aufgrund von Angaben einer der Mitteilung des Polizeipräsidenten von Berlin zweiten Quelle bestehe der Verdacht, daß er, enthielt, Guillaume, während seiner Tätigkeit von 1951 der Vermerk vom 7. Januar 1970 über die Befragung bis 1955 als Redakteur im Verlag „Volk und Wis- Guillaumes durch den Chef des Bundeskanzleramtes, sen" in Berlin-Ost nachrichtendienstlich gegen die Bundesrepublik tätig gewesen sei. Er solle jedoch ohne den Einleitungsabschnitt, in dem u. a. während dieser Zeit nach Berlin-West und in die gesagt ist, daß normalerweise Sicherheitsbedenken nicht mit dem Betroffenen erörtert würden, Bundesrepublik zur Erfüllung von Aufträgen ge- reist sein, die ihm von östlichen Dienststellen eine Ablichtung der Sicherheitserklärung Guillaumes oder von Dienststellen der DDR erteilt worden vom 28. November 1969, Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

das Duplikat des Fernschreibens des Präsidenten des fügt. Zur Begründung ist dazu im Vermerk ausge- Bundesnachrichtendienstes vom 23. Dezember 1969, führt: die zur Vorbereitung der Befragung Guillaumes ge- „BfV nicht notwendig, Prüfung abgeschlossen, Er- fertigte Notiz vom 6. Januar 1970 in Auszügen, gebnis wird am 27. Januar überbracht." Ablichtungen der von Guillaume abgegebenen bei- den schriftlichen Äußerungen vom 12. Januar 1970 4. Bewertungsfehler und Verfahrensmängel bei der mit den Anlagen. Geheimschutzüberprüfung durch das Bundeskanzleramt Bereits zwei Tage nach Übergabe der Unterlagen an bei der Entscheidung über die Anordnung weiterer das BfV, am 15. Januar 1970, hielt Ministerialdiri- Sicherheitsermittlungen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz gent Schlichter in einem Vermerk fest, daß die Sicherheitsüberprüfung durch das Bundesamt für Nach Abschluß der vorläufigen Einstellungsüberprü- Verfassungsschutz noch nicht abgeschlossen sei und fung und vor Einleitung der Sicherheitsermittlun vermutlich noch zwei Wochen in Anspruch nehmen gen durch die Übergabe der im Rahmen der vorläu- werde. Die Ziffer 2 des Vermerks enthält einen von figen Einstellungsüberprüfung angefallenen Erkennt- Minister Prof. Dr. Ehmke bereits abgezeichneten nisse an den Zeugen Hermenau am 13. Januar 1970 Entwurf eines Briefes an Bundesminister Leber. Die- waren im Bundeskanzleramt folgende Sicherheits- ser Brief, der am 17. Januar abgesandt wurde, be- risiken bekanntgeworden: ginnt wie folgt: 1. Der Wohnsitz der Mutter Guillaumes befand sich „Lieber Georg, ich habe Herrn Guillaume in einem in Ost-Berlin. Gespräch am 7. Januar 1970 über die aufgetauchten Sicherheitsbedenken und die dadurch notwendig ge- 2. Trotz seiner angeblichen Republikflucht gab wordene eingehende Überprüfung unterrichtet. Seine Guillaume an, seine Mutter regelmäßig in Ost Angaben über seinen beruflichen Werdegang in der Berlin besucht zu haben. DDR, zu seiner dortigen politischen Tätigkeit und 3. Im Notaufnahmeverfahren war keine besondere zu den Verdachtsmomenten selbst waren wenig Zwangslage zur Flucht festgestellt worden. ergiebig" . 4. Die Zeitspanne zwischen dem Ausscheiden Guil- Das Schreiben enthält abschließend die Frage, ob laumes aus dem Verlag „Volk und Wissen" und Bundesminister Leber für die Vertrauenswürdigkeit seinem Übertritt in die Bundesrepublik Deutsch- Guillaumes gutstehen könne. land war nicht belegt. Das Antwortschreiben vom 22. Januar 1970 enthält 5. Die Notaufnahme erfolgte nicht in unmittel- eine positive Beurteilung Guillaumes auch hinsicht- barem Anschluß an die Flucht, sondern erst Mo- lich seiner Vertrauenswürdigkeit. Von Gutstehen ist nate nachher. allerdings nicht die Rede. Im einzelnen lautete das 6. Es gab zwei Hinweise nachrichtendienstlicher Schreiben wie folgt: Stellen auf eine Infiltrations- oder Agententätig- keit Guillaumes. „Sehr geehrter Herr Ehmke! Dem der Vorbereitung der Befragung dienenden Wie ich weiß, bewirbt sich Herr Günter Guillaume Vermerk des Ministerialdirigenten Schlichter vom um die Übernahme einer Aufgabe im Bundeskanzler- 6. Januar 1970 sowie dem Gesprächsvermerk vom amt. Ich kenne Herrn Guillaume seit längerer Zeit 7. Januar 1970 ist zu entnehmen, daß dem Geheim- aus der politischen Zusammenarbeit in Frankfurt/ schutzbeauftragten und dem Chef des Bundeskanz- Main. Er hat sich dabei stets durch Fleiß und Hin- leramtes die schwerwiegenden Sicherheitsbedenken gabe in der Erfüllung seiner Aufgabe bewährt und bereits vor der Befragung Guillaumes bekannt sie mit Geschick, Erfahrung und Intelligenz bewäl waren oder zum Teil während dieses Gesprächs tigt. Das, was ich an ihm immer besonders geschätzt noch bekannt gemacht wurden. habe, sind seine Zuverlässigkeit und sein verant- wortungsbewußtes Geradestehen für die freiheit- Bei der Befragung weist Prof. Dr. Ehmke nämlich liche Lebensart und die Demokratie. Er hat mir- in Guillaume auf die schwerwiegendsten Sicherheits- vielen schwierigen Situationen seine uneinge- bedenken ausdrücklich hin. So legt er Guillaume schränkte Vertrauenswürdigkeit bewiesen. Dieses dar, daß aufgrund von Angaben aus zwei Quellen gilt auch für seine Ehefrau Christel, die seit langen der Verdacht bestehe, daß Guillaume während sei- Jahren Mitarbeiterin von Herrn Staatssekretär Bir- ner Tätigkeit als Redakteur im Verlag „Volk und kelbach und gegenwärtig in der Staatskanzlei der Wissen" nachrichtendienstlich gegen die Bundes- Landesregierung Hessen in Wiesbaden tätig ist." republik tätig gewesen sei. Er teilt Guillaume weiter mit, daß im Notaufnahmeverfahren eine politische Aus einer Verfügung des Ministerialdirigenten Zwangslage nicht anerkannt worden sei und weist Schlichter vom 26. Januar 1970 ergibt sich schließ- schließlich auf die ungeklärten Erläuterungen seiner lich, daß eine Ablichtung des Antwortschreibens an freiberuflichen Tätigkeit in der DDR und in der Bun- den Abteilungsleiter Personal, Ministerialdirektor desrepublik hin. Guillaume seinerseits erläutert dem Dr. Kern, und an Ministerialrat Ohlsson weitergelei- Minister die schwächste Stelle seiner Agenten- tet wurde, nicht jedoch dagegen an das Bundesamt legende dahin gehend, daß er zur Vorbereitung der für Verfassungsschutz, wie von Minister Prof. Dr. Übersiedlung in die Bundesrepublik etwa ein halbes Ehmke am 23. Januar 1970 auf dem Schreiben ver- Jahr vor der tatsächlichen Ausreise seine Tätigkeit Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 beim Verlag „Volk und Wissen" aufgegeben habe Damit war aber für das Bundesamt für Verfassungs- und freiberuflich als Bildreporter tätig gewesen sei. schutz gleichzeitig erkennbar, daß das Bundeskanz- leramt nicht beabsichtigte, von der Einstellung Guil- Die danach ohnehin im Bundeskanzleramt bekann- laumes abzusehen, solange die vorliegenden Er- ten Sicherheitsbedenken wurden überdies in der kenntnisse nicht durch zusätzliche Tatsachen er- schriftlichen Erläuterung Guillaumes vom 12. Januar härtet werden konnten. Der Eindruck, daß es dem 1970 zum Teil inhaltlich bestätigt. Denn Guillaume Bundeskanzleramt in erster Linie um ein „Attest" gibt in dieser Erklärung nicht nur zu, innerhalb des für die trotz vorliegender Sicherheitsbedenken be- FDGB als Funktionär tätig gewesen zu sein, sondern absichtigte Einstellung Guillaumes ging, mußte sich er bestätigt mit seinen Erklärungen über die soge- noch verstärken, als das Bundeskanzleramt ausweis- nannten Solidaritätseinsätze nach West-Berlin den lich der Akten und nach Aussagen des Zeugen Dr. in der Karteinotierung des BND erhobenen Vorwurf Otto mehrfach nach dem Stand des Überprüfungs- der politischen Infiltrationstätigkeit. verfahrens anfragte. Es ist jedenfalls nicht auszu- schließen, daß diese für das Bundesamt für Verfas- Zudem bestätigen die Einleitungsworte des Schrei- sungsschutz klar erkennbare Zielrichtung zu der bens an Bundesminister Leber, daß Prof. Dr. Ehmke fehlerhaften Sachbehandlung bei den nachfolgen- die Sicherheitsrisiken nicht nur zutreffend erkannt, den Sicherheitsermittlungen mit beigetragen hat. sondern aufgrund der Angaben Guillaumes auch nicht als ausgeräumt ansah. Er weist ausdrücklich darauf hin, daß die Angaben Guillaumes zu den an- 5. Die Sicherheitsermittlungen des Bundesamtes gesprochenen Punkten wenig ergiebig gewesen für Verfassungsschutz seien. Nachdem bereits am 8. Dezember 1969 durch das Die Entscheidung, das Einstellungsverfahren gleich- Bundeskanzleramt beim Bundesamt für Verfassungs- wohl nicht abzubrechen, ist angesichts der von schutz neben der einfachen Einstellungsprüfung Prof. Ehmke im Schreiben an Bundesminister Leber unter „Eilt" eine umfassende Karteiüberprüfung abgegebenen Erklärung nicht nur völlig unverständ- Guillaumes für den Geheimhaltungsgrad „Geheim" lich, sondern stellt sich als der entscheidende Fehler erbeten worden war, veranlaßte das Bundesamt für dar, der auch auf die nachfolgenden Sicherheitser- Verfassungsschutz, nachdem ihm das Bundeskanz- mittlungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz leramt am 13. Januar 1970 die weiteren Unterlagen nicht ohne Einfluß geblieben ist. Indem nämlich das ausgehändigt hatte, folgende Maßnahmen: Bundeskanzleramt die Fortführung der Sicherheits- Am 14. Januar 1970 forderte es mit dem Stempel- ermittlungen anordnete, startete es den Versuch, aufdruck „Eilt sehr" die Notaufnahmeakten an. 15 Jahre nach Auftreten eines nachrichtendienst- lichen Verdachts noch einen Gegenbeweis zu erhal- Am 15. Januar 1970 ging eine Anfrage an das Lan- ten, der diesen Verdacht entkräften solle. Aufgabe desamt für Verfassungsschutz in Berlin, in der auf der Sicherheitsüberprüfung ist es aber nicht, Be- den Wortlaut der Karteinotierung des Bundesnach- weise zu liefern, sondern über Verdachtsmomente zu richtendienstes sowie den Wortlaut der durch den unterrichten. Sie ist zudem nicht geeignet, einen ein- Polizeipräsidenten in Berlin der Sicherungsgruppe mal aufgetretenen Verdacht eindeutig zu beseitigen. übermittelten Meldung hingewiesen wurde. Nach Nach aller Erfahrung war eine Widerlegung des weiteren Hinweisen auf die Funktion Guillaumes im nachrichtendienstlichen Verdachts auch von den FDGB, seine Angaben zu den sogenannten Solidari- weiteren Ermittlungen nicht zu erwarten. Im Gegen- tätseinsätzen in West-Berlin und seine freiberufliche teil mußte die Entscheidung, trotz gravierender Si- Tätigkeit von 1946 bis 1950 wird um Prüfung und cherheitsrisiken das Einstellungsverfahren fortzu- Mitteilung gebeten, ob der Überprüfte dort kartei- setzen und die Sicherheitsermittlungen durch das mäßig bekannt sei und ob der jetzige Aufenthalt Bundesamt für Verfassungsschutz fortführen zu las- der Referenzperson Kreutzinger, die damals im Ost- sen, bei den Beamten der zuständigen Geheimschutz- sektor der Stadt wohnte, festgestellt werden könne. abteilung im Bundesamt für Verfassungsschutz zu- Im Schreiben wurde ferner darum gebeten, Herrn mindest unterschwellig den Eindruck hervorrufen, Kreutzinger, sollte er inzwischen nach West-Berlin daß eine bestimmte Entscheidung gewünscht werde. übersiedelt sein, über Guillaume zu befragen. Die Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Außerdem wurde um die Ermittlung und Befragung mußten nämlich aus den ihnen am 13. Januar 1970 weiterer geeigneter Auskunftspersonen gebeten. übergebenen Unterlagen folgendes entnehmen: Am gleichen Tage ging ein ähnlich lautendes Schrei- 1. Der Chef des Bundeskanzleramtes hatte sich per- ben des Bundesamtes für Verfassungsschutz an den sönlich in den Überprüfungsvorgang eingeschal- Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen. Der tet. Schlußabsatz dieses Schreibens lautet: „Falls aus den dortigen Unterlagen noch nähere 2. Der Chef des Bundeskanzleramtes hatte wesent- liche Sicherheitsrisiken erkannt und diese zum Einzelheiten über die Tätigkeit des Überprüften in Gegenstand der Befragung von Guillaume ge- Ost-Berlin ersichtlich sind, oder geeignete Aus- kunftspersonen namhaft gemacht werden können, macht. die in der Lage sind, ein sachliches Urteil über die 3. Trotz der vorliegenden Sicherheitsbedenken war Eignung des Überprüften als Geheimnisträger unter der Einstellungsvorgang nicht abgebrochen, son- besonderer Berücksichtigung seines Verhaltens in dern die Fortführung der Sicherheitsermittlungen der SBZ abzugeben, wird um entsprechende Mittei- angeordnet worden. lung gebeten." Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Am 16. Januar 1970 schickte das Bundesamt für Daneben wurden in der Zeit vom 21. bis 23. Januar Verfassungsschutz eine weitere Anfrage an das Lan- 1970 die Befragungen der von Guillaume angegebe- desamt für Verfassungsschutz in Berlin mit der nen Referenzpersonen durchgeführt. Die Referenzper- Bitte, diese Anfrage an den Untersuchungsausschuß sonen vermittelten ein positives Bild über Guillaume. freiheitlicher Juristen weiterzuleiten. Im Anschluß an Hinweise auf die Angaben Guillaumes zu seiner Am 26. Januar 1970 entschloß sich die Abteilung Funktion im FDGB und zu den sogenannten Solidari- Geheimschutz des Bundesamtes für Verfassungs- schutz nach einer Besprechung zwischen dem zu- tätseinsätzen wurde die Frage gestellt, ob die dort vorliegenden Erkenntnisse mit dieser Tätigkeit des ständigen Abteilungsleiter, Direktor Hermenau, und Überprüften im Zusammenhang stehen. Wegen der dem Leitenden Regierungsdirektor Dr. Otto, die um- besonderen Eilbedürftigkeit wurde um baldmögliche fassende Karteiüberprüfung und die Sicherheits- Erledigung gebeten. ermittlungen als abgeschlossen zu betrachten. Direktor Hermenau und der Leitende Regierungs- Am 18. Januar 1970 gingen die Notaufnahmeakten direktor Dr. Otto kamen zu dieser Entscheidung, beim Bundesamt für Verfassungsschutz ein. Sie wur- obwohl die Antworten auf mehrere Anfragen noch den am 2. Februar 1970 an das Notaufnahmelager nicht eingegangen waren. So waren am 16. Dezem- zurückgesandt. Den Widersprüchen zwischen den ber 1969 bereits zwei Formblattanfragen des Bun- Angaben Guillaumes in den Notaufnahmeakten und desamtes für Verfassungsschutz an zwei der alliier- seinen späteren Angaben wurde, soweit sie über- ten Dienste abgegangen, doch ging die Antwort des haupt entdeckt wurden, keine Bedeutung beigemes- amerikanischen Dienstes erst am 29. Januar 1970 sen beim Bundesamt für Verfassungsschutz mit der Am 20. Januar 1970 fand eine Besprechung zwischen Bemerkung ein, daß dort Guillaume nicht erfaßt sei. dem Sachbearbeiter der für den vorbeugenden Ge- Am 3. Februar 1970 antwortete erst das Landesamt heimschutz zuständigen Abteilung V und einem für Verfassungsschutz in Berlin auf die Anfrage vom Sachbearbeiter der Abteilung Linksradikalismus 16. Januar 1970 und teilte gleichzeitig mit, daß es statt, nachdem in der Zentralkartei festgestellt wor- davon abgesehen habe, das Fernschreiben des Bun- den war, daß es in der Abteilung Linksradikalismus desamtes für Verfassungsschutz vom 16. Januar 1970 Vorgänge zum Verlag „Volk und Wissen" gebe. In an das Gesamtdeutsche Institut weiterzuleiten, weil dieser Besprechung wurde von dem Sachbearbeiter dieses die Anfrage des Bundesamtes für Verfas- der Abteilung Linksradikalismus die Auffassung sungsschutz vom 15. Januar 1970 bereits am 20. Ja- vertreten, daß es sich bei dem Verlag „Volk und nuar 1970 abschließend beantwortet habe. Wissen" um einen reinen Schulbuchverlag handele. Schließlich teilte die Abteilung Linksradikalismus Die in der Abteilung Spionageabwehr vorhandenen des Bundesamtes für Verfassungsschutz erst am Erkenntnisse über den Verlag „Volk und Wissen" 2. März 1970 mit, daß die Suche nach Auskunfts- aus dem Verfahren gegen die Agentin Dr. Nennin- personen, die Guillaume aus der Zeit seines Auf- ger, die im Verlag „Volk und Wissen" für eine enthaltes in Ost-Berlin kannten, im wesentlichen Agententätigkeit angeworben worden war, blieben ergebnislos verlaufen sei. Diese erst nach dem Ab- unentdeckt, da diese Erkenntnisse nicht unter dem schluß der Sicherheitsermittlungen eingegangenen Stichwort „Volk und Wissen" in der Zentralkartei Antworten wurden dem Bundeskanzleramt nicht erfaßt worden waren. mehr zur Kenntnis gebracht, da sie keine zusätz- Am 20. Januar 1970 antwortete das Gesamtdeutsche lichen Hinweise erbracht hatten. Institut auf das Schreiben des Bundesamtes für Ver- Trotz der noch ausstehenden Antworten kamen die fassungsschutz vom 15. Januar 1970. Das Schreiben Zeugen Hermenau und Dr. Otto zu dem Ergebnis, hat im wesentlichen folgenden Wortlaut: daß man im Augenblick nicht mehr tun könne, ob- „Nach den Unterlagen des ehemaligen UfJ wurde wohl nach der Meinung des Zeugen Dr. Otto der auf Günter Guillaume am 14. November 1955 auf- Lebenslauf Guillaumes nicht so durchforstet worden merksam gemacht, was dann seitens des UfJ zu dem sei, wie dies eigentlich wünschenswert gewesen zitierten Schreiben vom 22. November 1955 an den wäre. Dr. Otto und Direktor Hermenau wollen nach Polizeipräsidenten von Berlin, Abteilung I, führte. reiflicher Überlegung und Abwägung aller Dinge Einzelheiten über die Tätigkeit des Guillaume in zu dem Ergebnis gekommen sein, daß der nachrich- Ost-Berlin wurden nicht bekannt. Im Juli 1956 be- tendienstliche Verdacht nicht mehr haltbar sei. Da richtete derselbe Gewährsmann, daß Guillaume vor Dr. Otto gleichwohl ein ungutes Gefühl hatte, fuhr er drei bis vier Wochen geflüchtet sei. Auch dies wurde mit dem Abschlußbericht selbst ins Bundeskanzler- unter dem 3. August 1956 dem Polizeipräsidenten amt und übergab diesen Ministerialdirgent Schlich- von Berlin, Abteilung I, mitgeteilt. Seitdem wurde ter. weder über Guillaume noch über die Auskunftsper- son etwas bekannt." 6. Die bei den Sicherheitsermittlungen Im Bundesamt für Verfassungsschutz und bei den angefragten Am 21. Januar 1970 wandte sich der zuständige Dienststellen aufgetretenen Mängel Referent der Abteilung Geheimschutz an die Abtei- lung Linksradikalismus mit der Bitte um Mitteilung, Der Polizeipräsident in Berlin hatte bereits auf das ob von dort Auskunftspersonen ausfindig zu machen Fernschreiben der Sicherungsgruppe vom 9. Dezem- seien, die u. a. etwas über die Tätigkeit Guillaumes ber 1969 mitgeteilt, daß nach dem Schreiben des beim Verlag „Volk und Wissen" sagen könnten. Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 vom 22. November 1955 ein Günter Guillaume, der Aus dieser Aussage ergibt sich, daß die Weitergabe als Fotograf beim Ost-Berliner Verlag „Volk und der vollen Information über das Schreiben des Un- Wissen" beschäftigt sei, der Agententätigkeit in tersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen vom Berlin (West) und der Bundesrepublik Deutschland 21. November 1955 am Routinedenken eines Kartei verdächtigt werde. Im Juli 1956 solle Guillaume in sachbearbeiters gescheitert ist, der trotz wiederhol- die Bundesrepublik geflüchtet sein. ter Anfragen die Bedeutung der Sache nicht erkannt hat. Diese aus zwei Meldungen des Untersuchungs- Das Gesamtdeutsche Institut (früher Untersuchungs- ausschusses freiheitlicher Juristen zusammengestük- ausschuß freiheitlicher Juristen) sah seinerseits eben- kelte Mitteilung des Polizeipräsidenten in Berlin gab falls keinerlei Veranlassung, auf die Anfrage des den Inhalt des Schreibens des Untersuchungsaus- Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 16. Januar schusses freiheitlicher Juristen vom 22. November 1970 seinen vollständigen Mitarbeitervermerk mit- 1955 und des weiteren Schreibens vom 27. Juli 1956 zuteilen, da es nach dem Inhalt der Anfrage davon nur verkürzt wieder. Insbesondere wurden diejeni- ausging, daß das Schreiben des Untersuchungsaus- gen Tatsachen aus den beiden Schreiben des UfJ schusses freiheitlicher Juristen vom 21. November nicht mitgeteilt, die den Verdacht der Agententätig- 1955 dem Bundesamt für Verfassungsschutz über den keit hätten begründen können. Zur Mitteilung dieser Polizeipräsidenten von Berlin mitgeteilt worden sei. Tatsache hätte spätestens jedoch auf die Anfrage Der Leiter der zuständigen Abteilung des Gesamt- des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz deutschen Instituts, Leitender Regierungsdirektor vom 21. Januar 1970 Anlaß bestanden, nachdem Rosenthal, hat in seiner Vernehmung vor dem Unter- durch diese Anfrage um umfassende Auskunft und suchungsausschuß dazu bekundet, er sei bei seinem Mitteilung aller dortigen Erkenntnisse gebeten Schreiben an das Bundesamt für Verfassungsschutz worden war. davon ausgegangen, daß das Schreiben von 1955 an Wäre diese umfassende Auskunft erteilt worden, so die Abteilung I der Berliner Polizei dem Bundesamt hätte das Bundesamt für Verfassungsschutz von fol- für Verfassungsschutz vorliege und damit selbst- gendem Schreiben des Untersuchungsausschusses verständlich bekannt sei, so daß sich sein Schreiben freiheitlicher Juristen vom 22. November 1955 von 1970 gar nicht mit dem Besuchervermerk und dem Kenntnis erhalten: Schreiben von 1955 habe decken können. Mit der „Uns wird mitgeteilt, daß G. auffallend oft seiner Möglichkeit, daß auch das Polizeipräsidium in Berlin Arbeit unmotiviert fernbleibt. Seinem Abteilungs- seinerseits die Information verkürzt an die Anfrage- leiter, der der Sache nachgehen wollte, sei von der stelle weitergegeben habe, habe er nicht rechnen SED-Parteileitung bedeutet worden, daß er sich dar- können (9/265) . um nicht zu kümmern habe. Unser Berichter will Die routinierte Blindheit eines Karteiführers und wissen, daß G. häufig nach West-Berlin geschickt mißverständliche Formulierungen der Anfrage des worden sei, um Aufnahmen von Exmittierungen, Bundesamtes für Verfassungsschutz an das Gesamt- Verhaftungen von Demonstrationsteilnehmern, An- deutsche Institut, aus dem dieses entnehmen konnte, bringen von kommunistischen Losungen usw. zu sein Schreiben vom 21. November 1955 sei dem machen. In der letzten Zeit sei G. häufig im Auftrage Bundesamt bekannt, haben dazu geführt, daß die nach Westdeutschland gefahren. konkreten und für die Beurteilung des Verdachts wichtigen Mitteilungen des UfJ nicht zur Kenntnis Vor vier Wochen sei er nun völlig aus dem Beschäf- des Bundesamtes für Verfassungsschutz gelangten. tigungsbetrieb ausgeschieden. Unser Berichter ver- Die in der Meldung enthaltenen massiven und kon- mutet, daß G. nun ganz für ,Westarbeit' freigemacht kreten Anhaltspunkte wären für das Bundesamt worden ist. Vor einiger Zeit habe er im übrigen an sicher Veranlassung gewesen, die Sache von der einem Lehrgang teilgenommen. Es sei strikt darauf Abteilung Geheimschutz sofort an die Abteilung geachtet worden, daß nichts über die Art der Schule Spionageabwehr zur weiteren Bearbeitung abzuge- bekannt würde. Wir stellen Überprüfung der Person ben, wie der Regierungsdirektor Wegener vom Bun- bei Auftauchen anheim." desamt für Verfassungsschutz als Zeuge vor dem Der Verfasser des Fernschreibens des Polizeipräsi- Ausschuß ausgesagt hat (8/230). denten in Berlin an die Sicherungsgruppe, der Poli- - Jedoch hat auch die Geheimschutzabteilung des Bun- zeioberamtsrat Boehlke, hat bei seiner Vernehmung desamtes für Verfassungsschutz selbst nicht das Nö- vor dem Untersuchungsausschuß mitgeteilt, es habe tige und Erforderliche getan, um die im Bundesamt in seiner Entscheidung gelegen, ob er die Informa- vorhandenen Erkenntnisse zur Person Guillaume tion in vollem Wortlaut oder verkürzt weitergebe. und zum Verlag „Volk und Wissen" vollständig bei- Er sei auch heute noch der Auffassung, daß der zuziehen und auszuwerten. Zum Verlag „Volk und Wortlaut seines Fernschreibens der Information in Wissen" wurde nur die Abteilung Linksradikalismus vollem Umfang entsprach (9/196, 197). Nachdem im im Bundesamt befragt, nachdem eine Anfrage bei übrigen, wie sich aus den Akten ergebe, die Krimi- der Zentralkartei ergeben hatte, daß in dieser Ab- nalpolizei selbst die Angelegenheit für eine unbe- teilung Vorgänge über den Verlag „Volk und Wis- deutende Sache gehalten habe, habe er auch selbst sen" vorhanden waren. Jedoch lagen auch in der zu der Erkenntnis kommen müssen, daß es ein Rou- Abteilung Spionageabwehr Erkenntnisse über den tinefall war, kein Fall von wichtiger Bedeutung, und Verlag „Volk und Wissen" vor, die für die Beurtei- aus diesem Grunde habe er nur eine Zusammenfas- lung des Vorwurfs der Agententätigkeit gegen Guil- sung gemacht und keine Abschrift des Schreibens des laume von Bedeutung hätten sein können. Die Er- UfJ (9/200, 201) . kenntnisse der Abteilung Spionageabwehr rührten Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode aus einem Verfahren gegen Frau Dr. Nenninger aus Im einzelnen hat Dr. Otto dazu bekundet, der ganze dem Jahre 1961 her. Im Rahmen dieses Verfahrens Lebensweg von Guillaume sei ungewöhnlich gewe- war für die Abteilung Spionageabwehr offenbar ge- sen. Die Umstände der Überprüfung wären nicht die worden, daß es sich bei dem Verlag „Volk und Wis- routinemäßigen gewesen, weil das BfV schon eine sen" um eine sogenannte legale Residentur han- Vorauswertung durch das Bundeskanzleramt, prak- delte, die der Anwerbung nachrichtendienstlich ge- tisch eine perfekte Vorüberprüfung in die Hände be- eigneter Mitarbeiter diente und deren wirtschaft- kommen habe, weil bereits im Vorfeld der Sicher- liche Verbindungen in das Bundesgebiet für opera- heitsüberprüfung der Präsident des BND eingeschal- tive Zwecke ausgenutzt wurden. Der Zugang zu die- tet und die ganze Sache sehr eilig gewesen sei. Dies sen Erkenntnissen war der Abteilung Geheimschutz alles zusammen wären außergewöhnliche Umstände, indessen dadurch erschwert, daß diese Erkenntnisse die nicht bei jeder Überprüfung vorkämen (8/175, noch nicht unter dem Begriff der legalen Residentur 176). Außergewöhnlich sei auch gewesen, daß das in die Zentralkartei aufgenommen worden waren. BfV durch die Unterlagen des Bundeskanzleramtes Dieses Versäumnis wurde vom Präsidenten des einen Spionageverdacht mitgeliefert bekommen Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Nollau, bei habe, obwohl das BfV noch gar nichts dazu getan seiner Vernehmung darauf zurückgeführt, daß habe (8/212). Nach den Unterlagen über die Anhö- sichere Erkenntnisse über die sogenannten legalen rung durch Prof. Dr. Ehmke sei Guillaume ermahnt Residenturen im Staatsgebiet der sogenannten DDR worden, nunmehr seine Angaben genau zu präzisie- erst später angefallen seien und daß keine Möglich- ren. Diese Angaben bei der Anhörung durch Prof. keit bestanden habe, die zuvor angefallenen Er- Dr. Ehmke wären zur Grundlage des Überprüfungs- kenntnisse zusätzlich in die Zentralkartei aufzuneh- verfahrens gemacht worden, wobei das BfV davon men. ausgegangen sei, daß Guillaume sich in einigen Din- Gleichwohl hätten diese Erkenntnisse für die Bear- gen auch berichtigt habe (8/183). Im übrigen sei die beitung der Sicherheitsüberprüfung verwertet wer- Situation die gewesen, daß das Bundesamt für Ver- den können, wenn die Abteilung Geheimschutz, wie fassungsschutz vom Bundeskanzleramt gewußt habe, dies geboten war, die Abteilung Spionageabwehr bei die Überprüfung sei eilbedürftig (8/184, 185). der Überprüfung Guillaumes zumindest beteiligt Nach den Aussagen kann nicht mit der erforder- hätte. Die Notwendigkeit einer Beteiligung der Ab- lichen Sicherheit angenommen werden, daß auf das teilung Spionageabwehr ergibt sich schon aus den Bundesamt für Verfassungsschutz Druck im Sinne Aussagen des Leitenden Regierungsdirektors Dr. einer unmittelbaren Einflußnahme auf den Inhalt Otto, der bekundet hat, daß die Einstellung vom Ge- der Stellungnahme ausgeübt wurde. Gleichwohl sichtspunkt der Sicherheit aus nur hätte vermieden wurde durch die Vorwegmaßnahmen des Bundes- werden können, wenn ganz konkrete Hinweise im kanzleramtes und die mehrfach betonte Eilbedürftig- Zusammenhang mit den Angaben Guillaumes hätten keit das Votum des Bundesamtes beeinflußt. Der gefunden werden können, die ihn überführt hätten Chef des Bundeskanzleramtes, Prof. Dr. Ehmke und (8/168). Die damit angesprochene Aufklärung eines sein Geheimschutzbeauftragter, Ministerialdirigent nachrichtendienstlichen Verdachtes konnte aber nicht Schlichter, haben also wesentliche Fakten gesetzt, Sache der Abteilung Geheimschutz sein, sondern die zu dem „fehlerhaften Attest" des Bundesamtes hätte vielmehr eine Beteiligung der Abteilung Spio- für Verfassungsschutz beigetragen haben. nageabwehr erfordert. Wäre dies geschehen, wäre möglicherweise auch nicht unentdeckt geblieben, daß 7. Der Abschluß der Sicherheitsermittlungen Guillaume bereits im Jahr 1965 im Spionagever- dachtsverfahren der Eheleute Siberg dadurch in Er- Da dem Leitenden Regierungsdirektor Dr. Otto beim scheinung getreten war, daß er die Ehefrau Siberg in Abschluß der Sicherheitsermittlungen nicht wohl eine Stelle beim SPD-Bezirk Hessen Süd vermittelte. war, sah er sich veranlaßt, das Abschlußschreiben Schließlich ist ein weiterer Fehler bei der Bearbei- des Bundesamtes für Verfassungsschutz persönlich tung darin zu sehen, daß die Beamten der Abteilung in das Bundeskanzleramt zu bringen. Das Schreiben, Geheimschutz den Abschlußbericht an das Bundes- mit dem das Bundesamt für Verfassungsschutz am kanzleramt weitergegeben haben, bevor die von 27. Januar 1970 den Abschluß der Sicherheitsermitt- der Abteilung selbst eingeleiteten Anfragen und lungen mitteilte, hatte folgenden Wortlaut: Maßnahmen abgeschlossen waren. Wenn es, wie „Die umfassende Karteiüberprüfung und die Sicher- der Zeuge Dr. Otto bekundete, darum ging, kon- heitsermittlungen sind abgeschlossen. Sie haben krete Hinweise zu finden, die Guillaume hätten keine Erkenntnisse erbracht, die einer Ermächtigung überführen können, so wäre es geboten gewesen, zum Umgang mit Verschußsachen bis „Geheim" ent- das Ergebnis der eingeleiteten Anfragen abzuwar- gegenstehen. ten. Es wäre insoweit besser gewesen, der Leitende Die Darstellung, die Herr Guillaume in seiner Be- Regierungsdirektor Dr. Otto hätte sich mehr von fragung am 7. Januar 1970 und in seiner zusätzlichen seinen „unguten Gefühlen" als vom Wunsch des Erklärung vom 12. Januar 1970 zu den Informatio- Bundeskanzleramtes nach baldigem Abschluß der nen des Bundesnachrichtendienstes und des Unter- Überprüfung leiten lassen. suchungsausschusses freiheitlicher Juristen gegeben Wenn man der Aussage des Leitenden Regierungs- hat, entspricht den hiesigen Erkenntnissen. Es ge- direktors Dr. Otto folgt, bestätigt sich indessen auch, hörte zu den Pflichten eines FDGB-Mitgliedes, der- daß die Vorwegmaßnahmen des Bundeskanzler- artige „politische Aufträge" wie die Verteilung von amtes wesentlich zu der fehlerhaften Bearbeitung im Propagandamaterial zur Wahlbeeinflussung in West- Bundesamt für Verfassungsschutz beigetragen haben. Berlin durchzuführen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Auch über Versuche östlicher Infiltrierung west- Vorerst sehe er die Überprüfung als abgeschlossen deutscher Verlage und Büchereien durch den Ver- an. Er werde das Ergebnis mit Herrn Minister Prof. lag „Volk und Wissen" ist der zuständigen Fach- Dr. Ehmke persönlich besprechen." abteilung nichts bekannt. Ministerialdirigent Schlichter unterrichtete noch am Die Befragung der angegebenen Referenzen hat gleichen Tage den Chef des Bundeskanzleramtes keine Anhaltspunkte für nachrichtendienstliche Be- vom Ergebnis der Sicherheitsermittlungen des Bun- tätigung Guillaumes und darüber hinaus keinerlei desamtes für Verfassungsschutz. Als Ergebnis die- charakterliche Sicherheitsrisiken erbracht. ses Gesprächs teilte Ministerialdirigent Schlichter dem Ministerialdirektor Dr. Kern mit, daß die um- Es wird jedoch darauf aufmerksam gemacht, daß fassende Karteiüberprüfung des Guillaume keine Er- Herr Guillaume als Angehöriger des Bundeskanzler- kenntnisse gebracht habe, die der beabsichtigten amtes bei Reisen in Ostblockstaaten einer besonde- Beschäftigung vom Sicherheitsstandpunkt aus ent- ren Gefährdung durch Kontaktversuche kommuni- gegenstünden. stischer Nachrichtendienste ausgesetzt wäre. Hinzu Daraufhin wurde am 28. Januar 1970 durch den kommt, daß seine Mutter noch in der DDR lebt. Es Chef des Bundeskanzleramtes dem Personalrat mit- wird deshalb angeregt, Herrn Guillaume vor seiner geteilt, daß er die Bedenken des Personalrates gegen Ermächtigung eine Reiseverzichtserklärung unter- die Einstellung Guillaumes nicht teile und nach zeichnen zu lassen. Besuchsreisen der Mutter — als wie vor beabsichtige, Guillaume einzustellen. Guil- Rentnerin — in die Bundesrepublik dürften auf laume bringe für die vorgesehenen Aufgaben in der keine Schwierigkeiten stoßen. Abteilung III aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit Als Anlage werden vier Durchschriften von Refe- und aufgrund seines Lebensalters mehr und bessere renzbefragungen für die dortigen Sicherheitsakten Erfahrungen mit, als sie ein Hilfsreferent nach ab- beigefügt." geschlossenem Studium und einigen Jahren Tätig- keit bei einer Bundesbehörde auch bei großer per- In der Vorbemerkung zu den Referenzbefragungen, sönlicher Eignung haben könne. die dem Bundeskanzleramt ebenfalls ausgehändigt Den vom Personalrat geäußerten Verdacht einer wurden, heißt es u. a.: Bevorzugung Guillaumes aus parteipolitischen „Guillaume ist im Mai 1956 aus der Ostzone in die Gründen wies Prof. Dr. Ehmke in diesem Schreiben Bundesrepublik gekommen, hat hier kurze Zeit in zurück. einem Baubüro und einem Verlag gearbeitet, war Durch Arbeitsvertrag vom gleichen Tage wurde dann bis heute selbständig bzw. in der SPD tätig. Da Guillaume rückwirkend zum 1. Januar 1970 beim die beiden genannten Firmen (Baubüro Auweiler in Bundeskanzleramt als Angestellter eingestellt und Frankfurt/Main und Finken-Verlag in Oberursel) in die Vergütungsgruppe II a BAT eingruppiert. nicht mehr existieren, blieben zur Befragung nur die Guillaume trat noch am 28. Januar seinen Dienst von Guillaume benannten Referenzen übrig. Jede im Bundeskanzleramt an. dieser Referenzen hat Guillaume erst nach dem Übertritt in die Bundesrepublik kennengelernt, 8. Die Einstellungsentscheidung des Bundeskanzleramtes konnte also über die hier allein interessierende Fra- unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden ge nach dessen Verhalten in der Zone nichts sagen, Geheimschutzes bzw. nur Guillaumes Selbstdarstellung wiederge- Unter dem Gesichtspunkt des Geheimschutzes lag ben". nach den damaligen Sicherheitsrichtlinien die Ver- antwortung für die Durchführung der Sicherheits- Über das bei der Übergabe des Schreibens mit Mini- überprüfung und die Auswertung der anfallenden sterialdirigent Schlichter stattgefundene Gespräch Erkenntnisse bei der Einstellungsbehörde. Herr des fertigte Dr. Otto einen Vermerk mit folgendem Verfahrens war das Bundeskanzleramt (Ziffer 24 und Wortlaut: 423 a. E. der Sicherheitsrichtlinien 60). Unter diesem „Betr.: Guillaume, Günter, Gesichtspunkt ist die Entscheidung des Bundes- geboren am 1. Februar 1927 in Berlin; kanzleramtes, allein gestützt auf das Votum der Geheimschutzabteilung des Bundesamtes für Ver- Besprechung zwischen Ministerialdirigent Schlich- fassungsschutz Guillaume einzustellen, unverständ- ter und Herrn Regierungsdirektor Dr. Otto. lich. Schon bei dem Gespräch zwischen Ministerial- dirigent Schlichter und dem Leitenden Regierungs- Herrn Schlichter wurde mitgeteilt, daß die Möglich- direktor Dr. Otto wurde deutlich, daß das Bundes- keit bestehe, über das NA-Lager Gießen geflüchtete amt den Abschluß der Sicherheitsermittlungen mit- Personen ausfindig zu machen, die in den Jahren teilte, obwohl die Beantwortung verschiedener An- 1949 bis 1954 bei dem Verlag ,Volk und Wissen' fragen des Bundesamtes für Verfassungsschutz noch gearbeitet haben. Sie könnten noch zusätzlich be- ausstand. Ministerialdirigent Schlichter erklärte fragt werden über das politische Verhalten von dazu vor dem Untersuchungsausschuß, bei diesem Herrn Guillaume in der DDR. Gespräch habe Otto gesagt, es laufe seit etwa einer Herr Schlichter bittet, vorerst davon Abstand zu Woche die Suche nach Personen, die Guillaume aus nehmen. Sollten jedoch Erkenntnisse politischer der Zeit vor 1956 kennen (11/24). Otto habe auch ge- Art über Herrn G. anfallen, dann müßten derartige sagt, da sei noch nichts herausgekommen, er habe Befragungen noch zusätzlich durchgeführt und das aber ein dummes Gefühl oder ein ungutes Gefühl Ergebnis dem Bundeskanzleramt mitgeteilt werden. und ob es nicht eine Möglichkeit gebe, über das Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Notaufnahmelager Gießen an solche Leute heran- schlußberichtes des Bundesamtes für Verfassungs- zukommen (11/24). Während jedoch Ministerialdiri- schutz unterblieben. Denn eine Überprüfung des Ab- gent Schlichter bei seiner Vernehmung behauptete, schlußberichtes hätte ergeben müssen, daß sich die sodann sei abgesprochen worden, daß weiter ge- Stellungnahme des Bundesamtes ausschließlich auf sucht werden solle, bestätigte Dr. Otto den Inhalt die Angaben Guillaumes bei seiner Befragung durch seines Vermerks, wonach der Zeuge Schlichter Bundesminister Prof. Dr. Ehmke und seine späteren gebeten habe, von weiteren Maßnahmen abzusehen. Erläuterungen bezieht. Diesen Erklärungen Guillau- Die Aussage Dr. Ottos hat insoweit die größere mes, insbesondere seinen Angaben über die soge- Wahrscheinlichkeit für sich. Die Anordnung zusätz- nannten Solidaritätseinsätze wird eine gewisse Plau- licher Ermittlungsmaßnahmen seitens des Bundes- sibilität bescheinigt. Auf den Verdacht der Agen- kanzleramtes gegenüber dem Bundesamt für Ver- tentätigkeit geht der Bericht indessen überhaupt fassungsschutz hätte nämlich die Einstellung Guil- nicht ein. Zum weiteren war zu erkennen, daß das laumes weiter blockiert. Es wäre völlig unverständ- Bundesamt für Verfassungsschutz nur Referenzen lich gewesen, wenn das Bundeskanzleramt einerseits befragt hatte, die Guillaume selber genannt hatte. weitere Ermittlungen angeordnet, andererseits aber Die im Rahmen der Sicherheitsermittlungen übliche die Sicherheitsermittlungen als abgeschlossen ange- und erforderliche Befragung sonstiger Auskunfts- sehen und die Einstellung Guillaumes freigegeben personen war unterblieben. Dies ergab sich nicht hätte. Zudem hebt Ministerialdirigent Schlichter in zuletzt aus den Vorbemerkungen zu den Referenz- seiner Aussage immer wieder auf die noch laufende befragungen, in dem das Bundesamt für Verfas- Anfrage des Bundesamtes für Verfassungsschutz sungsschutz überdies klar zu erkennen gibt, daß ab, die an die Abteilung III des Bundesamtes gerich- die Referenzpersonen über die hier allein interes- tet war, während Dr. Otto zusätzliche Ermittlungs- sierende Frage nach dem Verhalten Guillaumes in maßnahmen über das Notaufnahmelager Gießen vor- der Zone nichts hatten sagen können. Zudem mußte geschlagen haben will. Andererseits muß Ministe- Ministerialdirigent Schlichter auffallen, daß zu der rialdirigent Schlichter aber einräumen, daß Dr. Otto Frage, ob es sich bei den Meldungen des BND und von der Möglichkeit gesprochen habe, über das des Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juri- Notaufnahmelager Gießen an Personen heranzu- sten um Meldungen aus zwei verschiedenen Quel- kommen, die Guillaume aus der Zeit vor 1956 ken- len handele, überhaupt nichts ausgesagt wird. Dies nen (11/24). hätte ihm um so eher auffallen müssen, als er am Im übrigen wird die Aussage von Dr. Otto indirekt 19. Dezember 1969 eine entsprechende Anfrage an durch die Ausführungen bestätigt, die die Zeugen das Verbindungsbüro Bonn des Bundesnachrichten- Ministerialdirigent Neusel und Dr. Jenninger, MdB, dienstes gerichtet hatte. vor dem Ausschuß gemacht haben. Danach hatte bei In gleicher Weise wie Ministerialdirigent Schlichter der Vorunterrichtung des Fraktionsvorsitzenden der ist der damalige Chef des Bundeskanzleramtes für CDU/CSU der Vizepräsident des Bundesamtes für die übereilte und ungerechtfertigte Einstellung Verfassungsschutz, der Zeuge Bardenhewer, u. a. auf Guillaumes verantwortlich. Prof. Dr. Ehmke erklärte den Vermerk Bezug genommen, den Dr. Otto über bei seiner Vernehmung, daß er etwas erstaunt ge- das Gespräch verfaßt hatte, das er mit Schlichter wesen sei, daß nach dem Attest des Bundesamtes nach Abschluß der Sicherheitsermittlungen geführt für Verfassungsschutz die Sicherheitsüberprüfungen hatte. Er habe dabei den Eindruck gehabt, daß abgeschlossen waren, obwohl noch etwas lief. Ange- Schlichter dieser Vermerk sehr peinlich gewesen sichts dieser Sachlage war es völlig unverständlich, sei, sagte der Zeuge Dr. Jenninger. Er sei ein biß- daß er sich allein auf das Attest des Bundesamtes chen konsterniert gewesen (26/99). Als er dann an für Verfassungsschutz verlassen haben will. Dies Schlichter die Frage gestellt habe, wieso die Sache ist um so unverständlicher, als er den Zustand der eigentlich in dieser Weise abgewickelt worden sei, Dienste selbst als unbefriedigend ansah. Vor dem habe Schlichter geantwortet: „Sie müssen verstehen, Hintergrund des Erkenntnisstandes, den der dama- wir standen unter Druck; ich hatte die Bitte der Per- lige Chef des Bundeskanzleramtes bei der Befragung sonalabteilung, macht doch schnell!" Er habe dann Guillaumes zu erkennen gab und den er in dem noch hinzugefügt, daß man doch auch Verständnis Brief an Leber dahin gehend präzisierte, daß er die für die Lage des Mannes hätte haben müssen, der - Erklärungen Guillaumes als unbefriedigend angese- die Aussicht gehabt habe, bis zum 1. Januar im Bun- hen habe, stellt sich die Frage, wie der Chef des deskanzleramt eingestellt zu werden und damals sei Bundeskanzleramtes zu der Auffassung kommen der 17. oder 18. Januar schon dagewesen, dieser konnte, der Verdacht der Agententätigkeit und die Mann habe in Frankfurt in seinem Bekanntenkreis darauf beruhenden Sicherheitsbedenken durch das davon erzählt, daß er zum 1. Januar zum Bundes- Bundesamt für Verfassungsschutz hätten in einem kanzler gehe, und das sei ja nun eigentlich auch Zeitraum von nur 14 Tagen endgültig ausgeräumt peinlich für diesen Mann, daß er nun noch immer oder belegt werden können. Daß eine derartige keine Zusage bekommen habe (26/97). Das bedeutet Klärung nicht zu erwarten war, mußte Prof. Dr. aber, daß nach Angaben dieser Zeugen Ministerial- Ehmke bewußt sein. Die dennoch vollzogene Ein- dirigent Schlichter nicht die Richtigkeit des Ver- stellung Guillaumes kann nur damit erklärt werden, merks bestritten, sondern seine Maßnahmen mit daß die Sicherheitsbedenken hinter anderen Erwä- einem zeitlichen oder auch inhaltlichen Druck der gungen zurückstehen mußten. Dabei ist zu berück- Personalgruppe entschuldigt hat. sichtigen, daß die Fakten, Tatsachen und Unge- Darüber hinaus ist offenbar aber auch die an sich reimtheiten im Lebensweg Guillaumes, die im Mai gebotene Überprüfung und Bewertung des Ab 1973 zur nachrichtendienstlichen Enttarnung ausge- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

reicht haben, mit wenigen Ausnahmen — wie der schleustes Ehepaar. Die Personalien des Ehepaares Aufdeckung des Spions Gronau und dessen Kon- waren dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht takte zu Guillaume — bereits bei der Einstellung bekannt; dagegen stand fest, daß das Ehepaar ge- Guillaumes im BK bekannt waren. Folgt man der zielte Aufträge zur Ausspähung der Sozialdemokra- Auffassung des Präsidenten des Bundesamtes für tischen Partei Deutschlands hatte (14/27). Verfassungsschutz, Dr. Nollau, daß dem Auftauchen Schon zu Beginn der sechziger Jahre pflegte deshalb des Namens Guillaume in drei Spionagefällen keine das Bundesamt für Verfassungsschutz zum Zwecke besondere Bedeutung bei der Enttarnung Guillaumes der Aufklärung, insbesondere der Identifizierung zukommt, dann muß folgerichtig davon ausgegangen des Ehepaares intensive Kontakte mit dem Partei- werden, daß dessen Überführung bereits 1969/1970 vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- möglich gewesen wäre, wenn die geschilderten Fehl- lands, insbesondere mit den Herren Erler, Ollen- entscheidungen bei der Sicherheitsüberprüfung ver- hauer und Wehner. mieden worden wären. Guillaume wäre nicht ins Bundeskanzleramt gelangt, Schaden für die Bundes- Der Versuch, das eingeschleuste Agentenehepaar zu republik Deutschland wäre abgewendet worden. identifizieren, scheiterte zunächst trotz der Unter- stützung, die das Bundesamt für Verfassungsschutz bei seinen Bemühungen seitens des Parteivorstands 9. Der weitere Werdegang Guillaumes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ge- im Bundeskanzleramt funden hatte. Die Nachforschungen des Bundesamtes Nachdem Guillaume am 28. Januar 1970 seinen für Verfassungsschutz gingen in der Folgezeit wei- Dienst im Bundeskanzleramt in der Abteilung III an- ter, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Im getreten hatte, wurde er bereits am 8. Juli 1970 in Rahmen der allgemeinen Kontaktpflege zwischen die Verbindungsstelle des Bundeskanzleramtes ver- Bundesamt für Verfassungsschutz und Parteivor- setzt. stand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat Präsident Dr. Nollau von Zeit zu Zeit dem Par- Am 19. August 1970 wurden innerhalb der Verbin- teivorstandsmitglied Wehner, das von der Partei- dungsstelle die Zuständigkeiten geändert. Während führung für die Kontaktpflege zum BfV beauftragt der Leiter der Verbindungsstelle, der Oberregie- war, über den jeweiligen Stand der Nachforschun- rungsrat Winkel, für die Verbindung zum Presse- gen nach dem 1956 eingeschleusten Agentenehepaar und Informationsamt verantwortlich blieb, wurde unterrichtet. Guillaume zum Referenten für den übrigen Bereich bestellt. Unter Hinweis auf die erweiterte Verant- Am 27. Februar 1973 hat im Bundesamt für Verfas- wortlichkeit Guillaumes schlug das Personalreferat sungsschutz der für die Auswertung von Spionage- am 14. Dezember 1970 vor, ihn in die Vergütungs- fällen zuständige Beamte mit dem für die objekt- gruppe I b BAT höherzugruppieren. Am 17. Dezem- bezogene Auswertung zuständigen Sachbearbeiter ber 1970 wurde der Arbeitsvertrag entsprechend ge- der Abteilung IV — Spionageabwehr — ein Fachge- ändert. spräch geführt. Gegenstand der Erörterung in die- sem Gespräch waren die Spionageverdachtsfälle Am 30. November 1970 wurde Guillaume mit der Eheleute Siberg (Az.: OJs 33/65 des Generalbundes- Wahrnehmung des Aufgabengebietes des wegen anwaltes in Frankfurt am Main), Gersdorf (Az.: 4 BJs seiner Wahl in den Bundestag ausgeschiedenen Ver- 6/73 des Generalbundesanwaltes) und Gronau/Kuh- waltungsangestellten Reuschenbach betraut, der die nert (Az.: 3 OJs 26/73 des Generalstaatsanwaltes in Verbindung zu Partei und Fraktion, soweit der Düsseldorf). Alle drei Spionageverdachtsfälle hatten Bundeskanzler als Parteivorsitzender und Abgeord- eines gemeinsam, nämlich das Auftauchen des Na- neter des Deutschen Bundestages betroffen war, mens Guillaume. wahrzunehmen hatte. Als Folge dieser Aufgaben- erweiterung wurde Guillaume mit Wirkung vom In dem Ermittlungsverfahren gegen die Eheleute 1. Januar 1973 in die Vergütungsgruppe I a BAT Siberg hatte Frau Siberg bei ihrer Vernehmung als höher gruppiert (entspricht der Besoldung eines Beschuldigte am 19. Oktober 1965 ausgesagt, Günter Regierungsdirektors). Guillaume — damals Unterbezirksgeschäftsführer der SPD in Frankfurt am Main — sei auf sie zuge- Mit Hausanordnung vom 5. Juni 1973 wurde Guil- kommen, um ihr zu der Stelle einer Sekretärin bei laume mit Wirkung vom 1. Juni 1973 schließlich als der SPD in Frankfurt am Main zu verhelfen. Günter Nachfolger des ausgeschiedenen Verwaltungsange- Guillaume war in diesem Verfahren am 21. Oktober stellten Reuschenbach dem Büro des Bundeskanzlers 1965 als Zeuge vernommen worden. Im Widerspruch als Referent zugewiesen. zur Aussage der Frau Siberg hat er damals bekun- det, er habe Frau Siberg nicht auf die Sekretärinnen- stelle aufmerksam gemacht; vielmehr sei Frau Siberg Ill. Die Enttarnung des Spions Günter Guillaume auf ihn zugekommen und habe ihn um seine Unter- stützung bei ihrer Stellenbewerbung gebeten.

1. Die Entstehung des Verdachts In dem Ermittlungsverfahren gegen Gersdorf waren Gesprächskontakte zwischen Gersdorf und Guil- Das Bundesamt für Verfassungsschutz war Ende der laume bekanntgeworden. Außerdem war in diesem fünfziger Jahre im Besitz zuverlässiger Erkenntnisse Verfahren von einer Duzfreundschaft zwischen Gers- über ein im Jahre 1956 aus der SBZ mit Spionage- dorf und Guillaume die Rede. Günter Guillaume ist aufträgen in die Bundesrepublik Deutschland einge- in diesem Verfahren nicht als Zeuge gehört, aber Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode dienstlich vor Gersdorf gewarnt und zur Vorsicht im Die Erörterung der Spionagefälle Siberg, Gersdorf Umgang mit ihm gemahnt worden. und Gronau/Kuhnert und in Verbindung damit der Sicherheitsakte Guillaume des Bundesamtes für In dem besonders schwerwiegenden Spionagever- Verfassungsschutz mit dem für die objektbezogene dachtsfall gegen den Gewerkschaftsfunktionär Gro- Auswertung zuständigen Sachbearbeiter brachte die- nau war am 22. September 1972 in Berlin ein Mann sen auf den ebenso einfachen wie großartigen Ge- namens Kuhnert festgenommen worden, der zwi- danken, jetzt endlich auf die Fährte des seit über schen Gronau und seinen nachrichtendienstlichen zehn Jahren gesuchten, mit Zielrichtung SPD 1956 Auftraggebern in Ost-Berlin als Kurier fungierte. aus der SBZ eingeschleusten Agentenpaares gestoßen Kuhnert trug eine Aufzeichnung in der Größe zu sein. Das Ergebnis des Fachgespräches war die DIN A 4 bei sich, die neben vielen anderen Notizen Übernahme des neuen Überprüfungsvorganges Guil- nicht nur den Namen Guillaume, sondern auch Hin- laume durch den Sachbearbeiter der objektbezogenen weise auf eine Funkverbindung des Guillaume nach Auswertung mit Zustimmung des vorgesetzten Grup- Ost-Berlin enthielt. Erst zu Beginn des Jahres 1973 penleiters. Dieser forderte noch die Notaufnahme- war es der Sicherungsgruppe des Bundeskriminal- akten Guillaumes vom Notaufnahmelager in Gießen amtes gelungen herauszufinden, daß es sich bei dem an und stellte unter Einbeziehung des eigenen Basis- auf dem Papier aus dem Besitz von Kuhnert ver- materials eine sorgfältige Analyse an. Das Ergebnis zeichneten Guillaume um den im Bundeskanzleramt legte er in einem Aktenvermerk vom 11. Mai 1973 beschäftigten Angestellten Günter Guillaume han- nieder. deln könne. Am 12. Februar 1973 ist Günter Guil- laume im Ermittlungsverfahren gegen Gronau und Der analytische Vermerk enthält folgende Beur- Kuhnert als Zeuge vernommen worden. Er hat aus- teilung (Blatt 2) : „Aufgrund des Ergebnisses dieser gesagt, er habe als zuständiger Referent des Bundes- Auswertung muß angenommen werden, daß die kanzlers für Partei- und Gewerkschaftsangelegen- Eheleute Guillaume Mitte des Jahres 1956 im Auf- heiten im Jahre 1972 die Teilnahme des Bundes- trage der HVA (Hauptverwaltung Aufklärung) in kanzlers an einer DGB-Veranstaltung in West-Ber- die Bundesrepublik Deutschland eingeschleust w or- lin vorbereitet. Während der Vorbereitungsarbeiten den sind." habe er erfahren, daß zur gleichen Zeit in Ost-Berlin eine Veranstaltung des FDGB stattfinden sollte. Zu „Nach dem Ergebnis der Auswertung ist mit ziem- seinen Aufgaben habe es gehört, sich auch über licher Sicherheit anzunehmen, daß die Eheleute Veranstaltungen des FDGB und die Einzelheiten der Günter und Christel Guillaume eingeschleuste Mit- Durchführung Klarheit zu verschaffen, um den Bun- arbeiter der HVA sind" (Blatt 12). In diesem Ver- deskanzler zu informieren. Zu diesem Zweck habe merk wird vorgeschlagen, nachrichtendienstliche er mit Gronau bei der DGB-Zentrale Düsseldorf Ver- Operationen — technische Maßnahmen und Obser- bindung aufgenommen, da dieser dort für FDGB- vationen - gegen das Ehepaar Guillaume einzulei- Fragen zuständig gewesen sei. Von ihm habe er ten, um den Fall mit gerichtsverwertbaren Beweis- auch die gewünschten Informationen über die FDGB- mitteln für die Abgabe an den Generalbundesanwalt Veranstaltung in Ost-Berlin bekommen. Möglicher- aufzubereiten. Nur für den Fall, daß diese Verfah- weise oder sogar sehr wahrscheinlich, bekundete rensweise nicht akzeptiert werden sollte, wird eine Guillaume abschließend bei seiner Zeugenverneh- Befragung der Eheleute Guillaume nach nachrich- mung, habe Gronau seinen Namen nach Ost-Berlin tendienstlichen Gesichtspunkten vorgeschlagen, um gemeldet; in Auswirkung dieser Meldung habe Kuh- entweder zu einem Geständnis oder zu einem non nert vielleicht gegen ihn, Guillaume, gerichtete Auf- liquet, d. h. es reicht nicht für den Tatnachweis, zu träge bekommen, deren Durchführung durch die kommen. Festnahme Kuhnerts am 22. September 1972 ge- scheitert sei. Den Vermerk vom 11. Mai 1973 mit Analyse und Vorschlag legte der Referent dem Gruppenleiter Zunächst hatte der für die Auswertung der Spiona- vor, der ihn durch eine eigene Analyse am 17. Mai geverdachtsfälle zuständige Beamte den Fall Siberg 1973 ergänzte und in der Beurteilung voll bestätigte. im Mai 1972 zum Anlaß einer Anfrage nach Guil- Vom Gruppenleiter gelangte der Vermerk vom laume bei der Personenzentralkartei des Bundes- 11. Mai 1973 mit Anlagen über den Abteilungsleiter amtes für Verfassungsschutz genommen. Guillaume zum Vizepräsidenten, der ihn nach Prüfung dem war in der Sache als Duzfreund des Gersdorf ge- Präsidenten mit dem Vorschlag weiterreichte, die nannt worden. In Ermangelung ausreichender Per- Angelegenheit mündlich zu erörtern. Dem stimmte sonaldaten blieb die Karteianfrage ohne Ergebnis. der Präsident am 25. Mai 1973 zu. Die Besprechung Als er im Frühjahr 1973 bei der Auswertung der fand unter Teilnahme des Präsidenten, des Vizeprä- Akten Gronau/Kuhnert auch dort auf Guillaume sidenten, des Abteilungsleiters Rausch und des und im Zusammenhang mit dessen Zeugenverneh- Gruppenleiters Watschounek am 28. Mai 1973 statt. mung vom 12. Februar 1973 auf dessen genaue Per- Sie endete nach gründlicher Erörterung mit der Fest- sonalien stieß, richtete er jetzt erneut eine Anfrage stellung, daß unter Berücksichtigung nachrichten- an die Personenzentralkartei des Bundesamtes für dienstlicher Erkenntnisse und Erfahrungen das Ehe- Verfassungsschutz. Nun hatte er Erfolg. Er erhielt paar Günter Guillaume dringend verdächtig sei, den Hinweis auf die auf Antrag des Bundeskanzler- 1956 mit nachrichtendienstlichen Aufträgen aus der amtes 1969/70 von der zuständigen Abteilung V des SBZ in die Bundesrepublik Deutschland einge- BfV durchgeführte Sicherheitsüberprüfung des Guil- schleust worden zu sein und hier zumindest einige laume. Diese Akten zog er daraufhin bei. Jahre Spionage getrieben zu haben. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

In der Beweisaufnahme haben die Zeugen des BfV nische Maßnahmen — darunter auch Observationen den Grad des Verdachts wie folgt umschrieben: - ins Auge gefaßt. Einvernehmen wurde auch dar- über erzielt, mit den technischen Maßnahmen bei a) Präsident des BfV Dr. Nollau: Frau Guillaume zu beginnen. Auf Grund der Zeugen- „Wenn ich mich präzis ausdrücken darf, schwer- vernehmung in den Spionagefällen Siberg und Gro- wiegende Verdachtsgründe, daß dieses Agenten- nau/Kuhnert und der ihm in der Spionagesache ehepaar im Jahre 1956 eingeschleust worden ist" Gersdorf erteilten Mahnung zur Vorsicht im Um- (14/30). Außerdem spreche eine gewisse Erfah- ' gang mit diesem ging man davon aus, daß Guil- rung dafür, daß sie noch als Agenten tätig seien I laume nachdrücklich und wiederholt gewarnt war (14/31). und Kontakte zu seinen Hintermännern nicht mehr selbst und unmittelbar, sondern allenfalls über seine b) Der Vizepräsident des BfV Bardenhewer: Ehefrau unterhalten würde. „Beides zusammen" — die beiden Säulen, auf Gegenstand des Gesprächs am 28. Mai 1973 war denen der Verdacht basierte — „begründete nach schließlich die Frage der Unterrichtung des vorge- meinem Dafürhalten einen ganz schwerwiegen- setzten Bundesministers des Innern. Während die den Verdacht. Ich würde sogar sagen, mit an Fachleute der Abteilung IV des Bundesamtes für Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stand Verfassungsschutz nach dem need to know-Prinzip damals schon fest, daß es sich hier um einen (jeder mit einer Sache Befaßte soll nur das wissen, Agenten handeln würde" (12/270). was er für die ordnungsmäßige Erledigung seiner Aufgabe wissen muß) zunächst jeder Unterrichtung c) der Ltd. Regierungsdirektor Watschounek: abgeneigt waren, bestand doch schließlich Einigkeit „Am 11. Mai 1973 waren die Merkmale so ge- darüber, daß der Bundesminister des Innern unter- wesen, daß man von einem Verdacht sprechen richtet werden müsse. Beginn und Umfang techni- konnte, der auf alle Fälle als nachrichtendienst- scher Maßnahmen im Spionageverdachtsfall wurden licher Verdachtsfall in Bearbeitung zu nehmen vom Ergebnis der Unterrichtung des Bundesmini- war" (12/138). sters des Innern abhängig gemacht. d) Der Direktor Rausch, Leiter der Spionageabwehr: 2. Die Unterrichtung über den Verdacht „Zu unserer Überzeugung war vollkommen klar: Guillaume ist der Agent, der gesuchte Agent" a) Unterrichtung des Bundesministers des Innern Genscher (12/32) . Am 28. Mai 1973, also unmittelbar nach dem Fach- gespräch der leitenden Beamten des Bundesamtes e) Der Zeuge Bergmann, der den Fall Guillaume als für Verfassungsschutz mit dem Präsidenten über den Sachbearbeiter bearbeitet und ein besonderes Spionageverdachtsfall Guillaume, rief Dr. Nollau Verdienst bei der Aufklärung, aber aus besonde- den Leiter des Ministerbüros, Ministerialrat Dr. rem Grund nicht an der Stabsbesprechung am Kinkel, fernmündlich an und teilte ihm mit, er 28. Mai 1973 im BfV teilgenommen hat, urteilt: habe dem Bundesminister des Innern eine wichtige „Für mich war es fast sicher, daß das Ehepaar Mitteilung zu machen. Die Mitteilung könne er nur Guillaume in die Bundesrepublik Deutschland als mündlich unter vier Augen machen; sie sei ihrem HVA-Agentenehepaar eingeschleust worden ist, Inhalt nach von erheblicher Bedeutung, aber keine basierend auf nachrichtendienstlichen Erkenntnis- Sofort- oder Eilmeldung. sen und Erfahrungswerten." Auf die Frage, ob er den Verdacht gehabt habe, daß die Eheleute Kurz nach dem Gespräch mit Präsident Dr. Nollau Guillaume noch am 11. Mai 1973 im Auftrag des wurde Ministerialrat Dr. Kinkel von Bundesinnen- MfS in Ost-Berlin als Agenten tätig gewesen minister Genscher, der sich in seiner Wohnung auf- seien, hat der qualifizierte Abwehrspezialist hielt, fernmündlich angerufen. Kinkel benutzte die Bergmann schlicht mit „Ja" geantwortet. Gelegenheit, Bundesinnenminister Genscher über den Wunsch des Präsidenten Dr. Nollau nach einer Unbeschadet des dringenden Verdachts unter Anle- mündlichen Unterredung in wichtiger Angelegen- gung nachrichtendienstlicher Maßstäbe waren sich heit zu informieren. Bundesminister Genscher wies die Gesprächsteilnehmer einig darüber, daß die ver- Kinkel in diesem Zusammenhang an, Präsident fügbaren Beweismittel ihrer nachrichtendienstlichen Dr. Nollau solle den Bundesinnenminister in seiner Natur wegen nicht zur Vorlage bei Gericht geeignet Wohnung anrufen. In Ausführung dieser Auffor- waren. Deshalb wurden Überlegungen angestellt, derung rief Dr. Notlau alsdann noch am Nachmittag wie man die notwendigen gerichtsverwertbaren Be- des 28. Mai 1973 fernmündlich Bundesinnenminister weismittel erlangen und dem Generalbundesanwalt Genscher in seiner Wohnung an. Den Wunsch des für die Strafverfolgung zur Verfügung stellen könne. Ministers auf Unterrichtung über die wichtige An- Dieses Verhalten wird nur begreiflich, wenn man be- gelegenheit am Telefon lehnte Präsident Dr. Nollau rücksichtigt, daß aus Staatssicherheitsgründen eine mit dem Hinweis ab, ,die Sache eigne sich nicht für Quelle, die maßgeblich zur Überführung Guillaumes eine Erörterung am Fernsprecher. Darauf verein- und seiner Frau beigetragen hat, in einem öffent- barte Bundesinnenminister Genscher mit Präsident lichen Gerichtsverfahren nicht vorgeführt werden Dr. Nollau einen Vortragstermin in seinem Dienst- konnte, und daher andere gerichtsverwertbare Be- zimmer für den 29. Mai 1973 um 10 Uhr. Entspre- weise beschafft werden mußten. Ohne eine abschlie- chend der Verabredung fand der Vortrag am ßende Entscheidung zu treffen, wurden daher tech- 29. Mai 1973 um 10.30 Uhr in Gegenwart des Leiters Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode des Ministerbüros Dr. Kinkel statt. Dieser hat den tigten Günter Guillaume und dessen Ehefrau zu- Ablauf des Vortrages von Dr. Nollau und die Erör- träfen. Das Ehepaar Guillaume sei aus der DDR ge- terung, die sich an den Vortrag (Dauer etwa eine kommen und vermutlich wie in ähnlich gelagerten Stunde) anschloß, in einem Aktenvermerk festge- Fällen gezielt als Agenten in die Bundesrepublik halten. Dieser Aktenvermerk trägt ,das Datum vom Deutschland eingeschleust worden. Ein Indiz in die- 29. Mai 1973. Bei seiner letzten Vernehmung am ser Richtung sei auch die Tatsache, daß der Ehe- 5. Dezember 1974 hat Dr. Nollau bekundet, er wisse mann Guillaume bei der Darstellung seiner beruf- zuverlässig, daß der streng geheime Aktenvermerk lichen Laufbahn keine Angaben über die letzten des Dr. Kinkel erst dm Jahre 1974 aus dem Auswär- fünf Monate vor seiner Übersiedlung in die Bundes- tigen Amt ins Bundesministerium des Innern ge- republik Deutschland im Mai 1956 gemacht habe. langt und erst zu diesem Zeitpunkt dort im Tage- Insoweit stimmen die Aussagen der Zeugen Gen- buch für streng geheime Schriftstücke registriert scher, Dr. Kinkel und Dr. Nollau überein. Dr. Nol- worden sei. lau, der von einem dringenden Verdacht der Ein- Auf entsprechenden Vorhalt hat Dr. Nollau in die- schleusung und der Spionage gegen die Eheleute sem Zusammenhang erklärt, als Zeuge berichte er Guillaume überzeugt war, behauptet, dem Zeugen nur Tatsachen aus dem Bereich eigener Wahrneh- Genscher seine Überzeugung vermittelt zu haben. mungen; Schlußfolgerungen oder Vermutungen über Es ist jedoch ungeklärt geblieben, warum er es un- den Zeitpunkt der Herstellung des Vermerks lehne terließ, die weiteren gravierenden Verdachtsmo- er ab. Weiter hat Dr. Nollau bekundet, Dr. Kinkel mente vorzutragen, wie sie in dem analytischen habe ihn im Mai 1974 nach seiner Versetzung vom Aktenvermerk vom 11. Mai 1973 zusammengefaßt Innen- ins Außenministerium im BfV angerufen und worden waren. So blieb bei dem Vortrag von habe mit ihm die Vorgänge aus dem Mai 1973 für Dr. Nollau am 29. Mai 1973 die Rolle des Guillaume seine Akten rekonstruieren wollen. in den Spionageverdachtsfällen Siberg, Gersdorf und Gronau/Kuhnert ebenso unerwähnt wie die Er- Als Dr. Kinkel von ihm habe wissen wollen, wie das kenntnisse des BND und des Untersuchungsaus- seinerzeit (am 29. Mai 1973) bei der Unterrichtung schusses freiheitlicher Juristen aus den Jahren 1954 des Bundeskanzlers Brandt gewesen sei, habe er ihn und 1955 über Guillaume und die Widersprüche in darauf hingewiesen, daß er bei der Unterrichtung den Angaben, die Guillaume 1956 im Notaufnahme- des Bundeskanzlers gar nicht dabei gewesen sei. verfahren und 1969/1970 bei seiner Einstellung im Diese Aussage des Dr. Nollau sollte offenbar den Bundeskanzleramt über seine persönliche Verhält- Verdacht begründen, daß Dr. Kinkel den Aktenver- nisse gemacht hatte. merk vom 29. Mai 1973 manipuliert hat. Vorschrifts- widrig habe er einen streng geheim eingestuften Da es Dr. Nollau bei seinem Vortrag darauf ange- Vermerk nicht in der Geheimregistratur registriert kommen sein will, seine Berichtspflicht gegenüber oder registrieren lassen, was z. B. durch symboli- dem vorgesetzten Bundesminister des Innern zu er- sche Vorlage ohne Preisgabe des Inhaltes möglich füllen, zugleich aber die zwar gesetzlich nicht er- gewesen wäre. Es ging ,dem Präsidenten Nollau er- forderliche, aber wegen der Stellung Guillaumes kennbar darum, dem Zeugen Dr. Kinkel vorzuwer- im Bundeskanzleramt erwünschte Zustimmung für fen, eindienstliches Schriftstück aus dem Herr- operative Maßnahmen zu erhalten, unterbreitete er schaftsbereich des Bundesministeriums des Innern dem Minister Vorschläge in dieser Richtung. Ent- kurzerhand und formlos wie private Papiere mitge- sprechend der Erörterung im Bundesamt für Ver- nommen zu haben. In gleicher Weise wollte fassungsschutz am 28. Mai 1973 schlug Dr. Nollau Dr. Nollau offensichtlich auch Dr. Kinkel mit der Minister Genscher vor, zunächst mit G10-Maßnah- Aussage belasten, dieser habe im Frühsommer 1974 men und Observationen gegen Frau Guillaume zu bei ihm angerufen und gesagt, er sei dabei, die Vor- beginnen. Guillaume sei mehrfach gewarnt und gänge von damals für die Akten zu rekonstruieren. werde etwaige Kontakte zu seinen Auftraggebern in Deshalb habe Dr. Kinkel wissen wollen, wie es Ost-Berlin nicht selbst, sondern über seine Ehefrau denn damals Ende Mai 1973 gewesen sei, als er, unterhalten. So hoffe man, in den Besitz gerichtsver- Dr. Nollau, mit Herrn Genscher bei Herrn Brandt wertbarer Beweise zu gelangen. gewesen sei. Diese durch die Aussagen Dr. Nollaus hervorgerufenen Verdachtsmomente haben sich- Schließlich wies Dr. Notlau darauf hin, daß der nicht bestätigen lassen. Die Bekundungen Dr. Kin- Sachverhalt geheim gehalten werden müsse und kels und seiner Sekretärin, Frau Reitzer, lauteten daß keine weitere Person unterrichtet werden solle, vielmehr, daß der sogenannte Kinkel-Vermerk un- um die Maßnahmen des Bundesamtes für Verfas- mittelbar nach der Unterrichtung Genschers durch sungsschutz zur Aufklärung des Verdachts nicht zu Dr. Nollau angelegt worden ist. gefährden. Gegen diesen Vorschlag des Dr. Nollau erhoben Minister Genscher und Dr. Kinkel überein- Es muß deshalb von ,der Richtigkeit des Aktenver- stimmende Bedenken. Sie wiesen darauf hin, daß merks vom 29. Mai 1973 ausgegangen werden. Da- man dem Bundeskanzler die Unterrichtung über nach hat Dr. Nollau am 29. Mai 1973 bei Minister einen so schwerwiegenden, allerdings bis jetzt nicht Genscher in Gegenwart von Herrn Dr. Kinkel vor- erhärteten Verdacht gegen einen seiner engeren getragen: Im Rahmen der systematischen Sicher- Mitarbeiter nicht vorenthalten könne. Dr. Nollau heitsüberprüfung des Bundeskanzleramtes habe sich ging darauf ein und stimmte der persönlichen Unter- ergeben, daß bestimmte gesicherte und dem Mini- richtung des Bundeskanzlers durch Bundesminister ster bereits bekannte Erkenntnisse auf den beim Genscher zu. Der Minister erklärte darauf, er wolle Bundeskanzler als persönlicher Mitarbeiter beschäf den Bundeskanzler möglichst anläßlich des Koali- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 tionsaesprächs am 29. Mai 1973 unterrichten. Die sei nach seiner Einschätzung der Darlegungen des Vernehmung der Teilnehmer des Gesprächs vom Dr. Nollau sehr unsicher und vagegewesen (15/277). 29. Mai 1973 ergaben in verschiedenen Punkten Dr. Nollau habe das Gewicht des Verdachts auch grundlegende Widersprüche zwischen Dr. Nollau nicht anders eingeschätzt. Sonst hätte er nicht von einerseits und Minister Genscher sowie Dr. Kinkel der Unterrichtung des Bundeskanzlers abraten kön- andererseits. Dr. Nollau hat bekundet, sein Erkennt- nen, wie er es am 29. Mai 1973 zunächst getan habe. nisstand über die Stellung Guillaumes im Bundes- kanzleramt sei nicht über die Ausführungen des b) Unterrichtung des Bundeskanzlers Brandt Aktenvermerks vom 11. Mai 1973 hinausgegangen. Nach diesem Vermerk war Guillaume „ (Hilf s) refe- Am Nachmittag des 29. Mai 1973 war Minister Gen- rent für Sozialpolitik und Gewerkschaftsfragen im scher im Rahmen eines Koalitionsgespräches mit Bundeskanzleramt". Dr. Nollau hatte den Vermerk Bundeskanzler Brandt zusammengetroffen. Im An- vorsorglich in seiner Aktentasche zu der Unter- schluß daran hat Minister Genscher nach seiner redung mitgebracht, ihn aber nicht hervorgeholt, Darstellung Bundeskanzler Brandt unter vier Augen sondern sich mit einem Zettel mit Gesprächsnotizen das mitgeteilt, was ihm Dr. Nollau am Vormittag begnügt. Er habe am 29. Mai 1973 keine Kenntnis zum Spionageverdachtsfall Guillaume vorgetragen davon gehabt, daß Guillaume persönlicher Referent hatte (16/7, 8, 59). des Regierungschefs gewesen sei. Erst in einer wei- Hier tritt wiederum ein gewichtiger Widerspruch teren Vernehmung ist er von dieser Version abge- zutage, diesmal in den Aussagen des Ministers Gen- rückt und hat erklärt (15/236) : Erst im Laufe des Gesprächs vom 29. Mai 1973 sei für ihn, Nollau, scher und des Bundeskanzlers a. D. Brandt. Gen- scher will den Bundeskanzler über die diesem bis klargeworden und mit den Herren Genscher und Dr. dahin nicht bekannte Methode, aus der heraus der Kinkel Übereinstimmung erzielt worden, daß Guil- Verdacht gegen Guillaume begründet werde, und laume ein enger bzw. persönlicher Mitarbeiter des über die Lücke im Lebenslauf des Guillaume für die Bundeskanzlers sei (15/249). Dagegen haben Mini- Zeit von Dezember 1955 bis zu dessen Übersiedlung ster Genscher und Dr. Kinkel bekundet, bis zu dem in die Bundesrepublik Deutschland im Mai 1956 Gespräch am 29. Mai 1973 Guillaume nicht einmal dem Namen nach gekannt zu haben. Deshalb hätten unterrichtet haben (16/8). sie Guillaume auch seiner Funktion nach nicht im Bundeskanzler a. D. Brandt dagegen bekundete, daß Bundeskanzleramt einordnen können. Dies hätten ihm zur Begründung des Verdachts nur die „Me- sie in dem Gespräch von Dr. Nollau erfahren. Beide thode" von Minister Genscher erläutert worden Zeugen schließen darüber jeden Irrtum und Zweifel sei (16/94). Auch zu diesem Punkt bleiben Wider- aus, Dr. Nollau habe beim Vortrag des Spionagever- sprüche bestehen. dachtsfalles Guillaume von einem persönlichen Mit- Minister Genscher hat bei der Unterrichtung am arbeiter des Bundeskanzlers gesprochen (16/61, 89, 29. Mai 1973 Bundeskanzler Brandt in dessen Dienst- 90 und 15/231, 239, 249 bis 251). zimmer auch wissen lassen, daß Dr. Nollau der Mei- nung gewesen sei, Bundeskanzler Brandt nicht zu Minister Genscher hat in seiner Aussage noch dar- unterrichten. Er, Genscher, habe es aber für richtig auf hingewiesen, daß die Unterhaltung über die gehalten, das doch zu tun, damit er es wisse und Unterrichtung des Bundeskanzlers Brandt sich auf sich darauf einrichten könne. Bundeskanzler Brandt die Frage zugespitzt habe, wenn ein Mann in der hat mit seinem Dank für die Unterrichtung die Frage unmittelbaren Nähe des Bundeskanzlers Brandt ob- verbunden, was man nun machen solle, ob man serviert werde, wenn der Verfassungsschutz sich Guillaume an seinem Platz lassen solle oder nicht. mit ihm beschäftige, dann könne man dem Bundes- Darauf hat Minister Genscher Bundeskanzler Brandt kanzler Brandt die Unterrichtung nicht vorenthal- entgegnet, über diese Frage habe er sich bereits ten. mit Dr. Nollau verständigt. Der Verfassungsschutz „Das war das, was mich elektrisierte und eigentlich bitte im Einverständnis mit Dr. Nollau dringend, die politische Bedeutung des Falles ausmachte. Des- Guillaume an seinem Platz zu lassen, um ihn nicht halb war es ganz unzweifelhaft, daß von Dr. Nollau durch Änderung seiner Funktionen oder auch nur durch verändertes Verhalten im Umgang mit ihm dargelegt wurde, daß Guillaume im Kanzlerbüro mißtrauisch zu machen und zu warnen. Dadurch tätig sei, wobei man sich jetzt nicht auf die Formu- könne die Aufklärung des bestehenden Verdachts lierung festlegen muß, ob er ,persönlicher Referent' gegen Guillaume sonst wesentlich erschwert oder oder ,persönlicher Mitarbeiter' gesagt hat" (16/8, 31). gar unmöglich gemacht werden. Am Ende des Vortrags von Dr. Nollau über den Im weiteren Verlauf des Gesprächs eröffnete Bun- Spionageverdachtsfall am 29. Mai 1973 war Mini- deskanzler Brandt Innenminister Genscher, er habe ster Genscher nicht davon überzeugt, daß Guillaume Guillaume aber schon für seinen Urlaub im Juli 1973 ein Agent sei. Ihm waren die von Dr. Nollau dar- eingeteilt; Guillaume solle mit nach Norwegen kom- gelegten Verdachtsmomente nicht „begründet ge- men. Mit dieser für ihn neuen Situation konfrontiert, nug", d. h. nicht ausreichend für die Annahme eines hat Minister Genscher gegenüber Bundeskanzler dringenden Tatverdachts. Gleichwohl war er der Brandt keinen Rat erteilt, sondern eine abschlie- Überzeugung, die Angelegenheit müsse ernst ge- ßende Äußerung und Empfehlung nach nochmaliger nommen werden (16/12, 50). In Übereinstimmung mit Rücksprache mit Dr. Nollau in Aussicht gestellt. der Aussage des Ministers Genscher hat der Zeuge Wahrscheinlich sei es aber, daß für die Norwegen- Dr. Kinkel bekundet, der Verdacht gegen Guillaume reise dasselbe wie für den Arbeitsplatz im Bundes- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode kanzleramt gelte. Kein Umdisponieren, um bei Guil- in Norwegen nicht zu observieren. Bestimmend für laume kein Mißtrauen zu erregen. diese Entscheidung sei die Überlegung gewesen, daß es höchst unwahrscheinlich sei, daß in dieser Am nächsten Tag, also am 30. Mai 1973, hat Minister einsamen Gegend ein Treffen des Guillaume mit Genscher Dr. Nollau fernmündlich über die Unter- einem Mitarbeiter des DDR-Dienstes stattfinde. Da- richtung des Bundeskanzlers Brandt informiert und zu sei die Erwägung gekommen, daß angesichts der grünes Licht für die geplanten operativen Maßnah- isolierten Lage der Häuser am Urlaubsort von Bun- men des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen deskanzler Brandt mit dem Auffallen der Observa- das Ehepaar Guillaume gegeben. In diesem Ge- tion gerechnet werden mußte (27/13). spräch habe er Dr. Nollau auch mitgeteilt, daß Bun- deskanzler Brandt für seine Urlaubsreise nach Nor- Bei der Würdigung der widersprüchlichen Aussagen wegen Guillaume bereits als Begleiter eingeteilt der Zeugen Genscher und Dr. Nollau bekommt die habe. Dr. Nollau und er seien nun übereinstimmend Bekundung des Zeugen Bardenhewer, Vizepräsident der Meinung gewesen, daß Guillaume mitreisen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Ver- solle, weil es sonst eine Veränderung seiner Tätig- treter des Zeugen Dr. Nollau, zur Norwegenreise keit gewesen und möglicherweise sein Mißtrauen des Bundeskanzlers und der Begleitung durch Guil- erregt worden wäre. Minister Genscher hat alsdann laume besondere Bedeutung, obwohl Bardenhewer bei einer Begegnung mit Bundeskanzler Brandt am sie wegen möglicher Erinnerungsschwächen mit gleichen Tage diesem von seinem Einvernehmen allem Vorbehalt gemacht hat. Hiernach hat Dr. Nol- mit Dr. Nollau über die Begleitung des Bundeskanz- lau dem Zeugen Bardenhewer zu einem späteren lers durch Guillaume während der Urlaubsreise nach Zeitpunkt erzählt, daß er auch mit dem Bundeskanz- Norwegen Mitteilung gemacht und dessen Zustim- ler über den Verdachtsfall Guillaume gesprochen mung gefunden (16/8,9). und daß der Bundeskanzler ihm gesagt habe: „Um Gottes willen, was soll ich denn machen, jetzt habe Bei dieser Regelung ist Bundeskanzler Brandt, ohne ich den Mann doch schon mit eingeteilt für Nor- es ausdrücklich hervorzuheben, davon ausgegangen, wegen!" Dr. Nollau habe nach seiner eigenen Dar- daß „die mit solchen Dingen befaßten Stellen" — stellung dem Bundeskanzler darauf geantwortet, nach gesetzlicher Vorschrift ist dafür allein der Ver- den — gemeint war Guillaume — müsse er dabe- fassungsschutz, hier speziell das Bundesamt für Ver- halten (12/275; 16/26,27). Im Zusammenhang mit den fassungsschutz zuständig — das tun würden, was geplanten operativen Maßnahmen sollte an keinem sie zu tun hatten, und daß sie das Risiko, das damit Punkt von der Norm abgewichen werden. Guillaume verbunden war, Guillaume in seiner Nähe zu be- sollte sich in Sicherheit wiegen, um die noch aus- lassen, so minimal wie möglich halten würden stehenden überzeugenden Beweise für den Spio- (16/98) . nageverdacht zu gewinnen. In bemerkenswert schroffem Widerspruch zur Dar- stellung des Ministers Genscher über die Urlaubs- Da der Zeuge Bardenhewer sein Wissen über die reise und die Begleitung durch Guillaume steht die Norwegenreise des Bundeskanzlers und die Beglei- Aussage des Zeugen Dr. Nollau. Dieser hat über tung durch Guillaume nur von Dr. Nollau haben das am 30. Mai 1973 mit Minister Genscher geführte konnte und im entscheidenden Punkt übereinstim- Telefongespräch den Abteilungsleiter Rausch am mend mit Minister Genscher ausgesagt hat, ist zu 4. Juni 1973 fernmündlich unterrichtet. Über den folgern, daß Dr. Nollau bereits am 30. Mai 1973 Inhalt des geführten Gesprächs hat ein Mitarbeiter durch Minister Genscher genaue Kenntnis über die des Zeugen Rausch einen Aktenvermerk gefertigt, Urlaubspläne des Bundeskanzlers und die Reisebe- der folgenden Wortlaut hat: gleitung durch Guillaume bekommen hat. Diese Kenntnis hat er bei der Unterrichtung der Abteilung „Am 29. Mai 1973 (morgens) wurde Minister Gen- IV des Bundesamtes für Verfassungsschutz am scher vom P. (Präsident) unter vier Augen über den 4. Juni 1973 aus nicht aufzuhellenden Gründen ver- Verdachtsfall informiert. Minister Genscher soll schwiegen, obwohl gerade diese Kenntnis für die in keine Möglichkeit gesehen haben, Bundeskanzler Aussicht genommenen Operativmaßnahmen gegen Brandt nicht zu unterrichten. die Eheleute Guillaume von ganz besonderer Bedeu- Die Unterrichtung soll am 30. Mai 1973 erfolgt sein. tung gewesen wäre. Vier Wochen hätten für die Pla- Bundeskanzler Brandt soll Minister Genscher zuge- nung operativer Maßnahmen in Norwegen mit oder sichert haben, die Information so lange für sich zu ohne Zusammenarbeit mit dem norwegischen Dienst behalten, bis die Klärungsmaßnahmen des BfV ab- zur Verfügung gestanden. Zumindest hätte unauf- geschlossen sind. Bundeskanzler Brandt will aller- fällig verhindert werden können, daß Guillaume dings prüfen, wie der Zugang Günter Guillaumes zu Einblick in den Fernschreibverkehr des Bundeskanz- geheimen Unterlagen unauffällig reduziert werden lers bekam. Nach dem need to know-Prinzip hätten kann." die vom BND abgeordneten Fernschreiber angewie- sen werden können, den Kurierdienst zusätzlich zur Dr. Nollau will erst zwischen dem 6. und 10. Juli Ver- und Entschlüsselung des Fernschreibverkehrs 1973 erfahren haben, daß Guillaume mit Bundes- des Bundeskanzlers zu übernehmen. kanzler Brandt nach Norwegen an dessen Urlaubs- ort gereist sei. In diesem Zusammenhang habe er Die Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. Nollau wird mit dem Zeugen Watschounek überlegt, ob das weiter dadurch erschüttert, daß er sein Wissen und Bundesamt für Verfassungsschutz dort observieren seine Kenntnisse aus den Gesprächen mit Minister solle. Sie seien übereinstimmend zu dem Schluß ge- Genscher am 29. und 30. Mai 1973 — ihre Bedeutung kommen, am Urlaubsort des Bundeskanzlers Brandt hätte es geboten, sie in einem eigenen Aktenver- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 merk festzuhalten — erst am 4. Juni 1974, also fünf Zur laufenden Unterrichtung des Bundeskanzlers Tage später (1) telefonisch dem Zeugen Rausch mit- Brandt nach dem 30. Mai 1973 ist erwiesen, daß sie geteilt hat. Seine Mitteilung an Rausch, Bundes- erst auf seine Nachfrage ab September 1973 erfolgt kanzler Brandt wolle prüfen, wie der Zugang Günter ist. Durch den Chef des Bundeskanzleramtes Grabert Guillaumes zu geheimen Unterlagen unauffällig re- ließ er entsprechende Erkundigungen einziehen — es duziert werden könne, erweist sich als unwahr- war zwei- oder dreimal — mit dem Ergebnis, daß scheinlich. Bundeskanzler Brandt hat bekundet, daß nichts vorliege, was über die am 29. Mai 1973 er- er davon ausgegangen sei, daß die mit solchen Din- folgte Unterrichtung hinausgehe. gen befaßten Stellen — hier das Bundesamt für Ver- fassungsschutz — das gewünschte Risiko, Guillaume c) Unterrichtung des Staatssekretärs Grabert und des in seiner Nähe zu belassen, so minimal wie möglich Ministerialdirigenten Dr. Wilke halten würden. Dann hat er folgerichtig nicht erklärt Bundeskanzler Brandt hat am 29. oder 30. Mai 1973 und nicht erklären können, er werde das mit Guil- den Leiter des Kanzlerbüros Dr. Wilke und den um laume in seiner Nähe verbundene Risiko selbst ver- diese Zeit abwesenden Chef des Bundeskanzleram- mindern. Die Aussage Dr. Nollaus in diesem Punkt tes Staatssekretär Grabert nach Wiederaufnahme wirkt um so unglaubwürdiger, weil ihm der seines Dienstes am 4. Juni 1973 über den Inhalt der Zeuge Minister Genscher bei dem Ferngespräch am am 29. und 30. Mai 1973 mit Minister Genscher ge- 30. Mai 1973 davon nichts gesagt hat, während Dr. führten Gespräche unterrichtet (16/95). Er hat bei Nollau sein ganzes Wissen über Vorgänge und Über- dieser Gelegenheit beiden Herren gesagt, der ihm legungen des Bundeskanzlers Brandt im Zusammen- von Minister Genscher im Einvernehmen mit Dr. hang mit Guillaume allein von dem Zeugen Minister Nollau erteilte Rat, am Tätigkeitsgebiet des Guil- Genscher vermittelt worden ist. Auf Vorhalt hat laume und am Verhalten im Umgang mit ihm nichts Präsident Dr. Nollau, der weder über die Gespräche zu ändern, gelte auch für sie. Selbst sollten beide mit Minister Genscher am 29. und 30. Mai 1973, noch Herren keine Initiative ergreifen. Dabei habe er al- über die Unterrichtung des Zeugen Wehner am 4. lerdings im Sinne gehabt, daß jene, die mit der Be- Juni, 11. September 1973 und 18. Februar 1974 selbst arbeitung des Falles befaßt waren, einen Ansprech- schriftlich etwas festgehalten hat, erklärend darauf partner finden sollten (16/96). hingewiesen, daß er, wenn er über alle Gespräche Vermerke fertige, nicht mehr zur Erfüllung seiner d) Unterrichtung Wehners wirklichen Aufgaben komme, der Führung des gro- ßen Amtes. Diese Erklärung kann Dr. Nollau nicht Nach der Unterrichtung des Ministers Genscher und abgenommen werden. Hier hat es sich nicht um eine dem wegen der operativen Maßnahmen erzielten Routine-Angelegenheit, sondern um einen die Sicher- Einvernehmen in dem Verdachtsfall Guillaume am heit und das Wohl der Bundesrepublik Deutschland 29./30. Mai 1973 hatte Präsident Dr. Nollau, wie er unmittelbar gefährdenden, in der engsten Umgebung mehrfach vor dem Ausschuß bekundet hat, die Ab- des Bundeskanzlers im Zentrum der Regierungs- sicht, den Zeugen Wehner zu unterrichten. Er konnte macht angesiedelten Spion gehandelt. Die Art, in ihn jedoch nicht erreichen. Auf Nachfrage erhielt er der Präsident Dr. Nollau den Spionagefall Guillaume die Auskunft, daß Wehner vielleicht in Berlin sei. behandelt hat, stellt eine schwere Verletzung der Ein Kontakt kam nicht zustande. Der Zeuge Weh- ihm obliegenden Pflichten dar. In seinen Zeugen- ner war, worauf Dr. Nollau verwiesen hat, am 29. aussagen ist es ihm lediglich darum gegangen, von Mai 1973 zu Gesprächen mit Honnecker in die DDR seinem eigenen Fehlverhalten abzulenken. Um so gefahren. Er unterrichtete den Zeugen Wehner, dem mehr ist zu bedauern, daß dadurch die gute und die Nachforschungen nach einem eingeschleusten, erfolgreiche Arbeit der Beamten der Abteilung IV auf die SPD angesetzten Agenten seit Beginn der — Spionageabwehr — mit der Entlarvung eines sechziger Jahre bekannt waren, am 4. Juni 1973 in Spitzenspions in der Umgebung des Bundeskanzlers Bonn im Rahmen eines auch anderen Themen ge- der Bundesrepublik Deutschland durch die in der Be- widmeten Gesprächs mit wenigen Sätzen. Dem weisaufnahme bekanntgewordenen Mängel und Sinne nach soll die Unterrichtung gelautet haben: Unzulänglichkeiten fast völlig überschattet worden „Wir haben den lange Gesuchten; er heißt Guillaume ist. und sitzt im Bundeskanzleramt. Der Bundeskanzler ist informiert." Bundeskanzler Brandt hat weiterhin bekundet, daß er den ihm von Minister Genscher mitgeteilten Ver- Weitere Informationen hat Dr. Nollau in dem Ver- dacht gegen Guillaume als politisch gravierend an- dachtsfall Guillaume Wehner am 11. September 1973 gesehen und ernst genommen habe. Er habe jedoch und am 18. Februar 1974 gegeben (15/158). Bei dem den Verdacht nicht für begründet oder dringend, Gespräch am 11. September 1973 habe er, so bekun- sondern eher für unwahrscheinlich gehalten. An die- det Dr. Nollau, Wehner wiederum mit nur ganz we- nigen Sätzen über den Stand der Operationen berich- ser seiner Einschätzung des Verdachts gegen Guil- laume habe sich auch auf Grund der detaillierten tet. Bei dem Gespräch am 18. Februar 1974 habe er Wehner mitgeteilt, man stehe vor dem Abschluß der Unterrichtung durch Dr. Nollau Anfang März 1974 Ermittlungen, sei bei der Fertigung des Abschluß- unmittelbar vor Abgabe der Sache an den General- berichts und werden die Sache in Kürze an den Ge- bundesanwalt nichts geändert. neralbundesanwalt abgeben (14/27, 28). Daß der damalige Regierungschef auch noch zu die- Über Art und Umfang der Unterrichtung durch Dr. sem Zeitpunkt leichtgläubig blieb, ist allerdings völ- Nollau hat der Zeuge Wehner abweichende und lig unverständlich. widersprüchliche Aussagen gemacht. Bei der ersten Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Unterrichtung sei nur von Hinweisen die Rede gewe- Weder im Bundeskanzleramt, noch im Bundes- sen, die überprüft werden müßten. Von einem gra- innenministerium noch im Bundesamt für Verfas- vierenden Verdacht sei nicht die Rede gewesen sungsschutz ist ein Mensch auf die Idee gekommen, (14/57, 60). Bei dem Gespräch am 18. Februar 1974 sich darüber Gedanken zu machen, ob und was ge- sei nicht von einem Abschlußbericht die Rede gewe- schehen müsse, um von der Bundesrepublik sen. Vielmehr habe er aus einer Handbewegung von Deutschland Schaden abzuwenden, wenn sich der Dr. Nollau gefolgert, daß die Angelegenheit noch am 29. Mai 1973 Minister Genscher und Bundes- im Stadium der Ermittlung sei (14/62). kanzler Brandt eröffnete Spionageverdacht gegen Guillaume als wahr herausstellen würde. Die Widersprüche sind während des Untersuchungs- verfahrens nicht aufgeklärt worden. Dr. Nollau blieb a) Dr. Nollau, Präsident des Bundesamtes für Ver- auf Vorhalt der abweichenden Angaben des Zeugen fassungsschutz, der nationalen Sicherheitsbe- Wehner bei seiner Darstellung (15/158). hörde, ist mit seinen Mitarbeitern aus der Spio- nageabwehrabteilung der Meinung, er habe nur Was den Umfang der Information des Abgeordneten Spione zu fangen. Obwohl das Aufspüren von Wehner durch Dr. Nollau und damit die wider- Spionen zu den Aufgaben des Bundesamtes für sprüchlichen Aussagen dieser beiden Zeugen an- Verfassungsschutz kraft Gesetzes gehört, — es geht, so spricht die Wahrscheinlichkeit für die Rich- ist nur eine von einer Vielzahl von Aufgaben — tigkeit der Bekundungen von Dr. Nollau. Der Zeuge wollte er die Jagd gegen Günter Guillaume Wehner wußte bereits seit Anfang der 60er Jahre, nicht ohne das Signal „die Jagd beginnt" durch daß das BfV ein im Jahre 1956 aus der damaligen Bundesminister Genscher beginnen. Dieser wie- SBZ eingeschleustes Ehepaar suchte, das gezielte derum wollte das nicht erforderliche, aber von Aufträge zur Ausspähung der SPD hatte. Dr. Nollau ihm gewünschte Jagdsignal nur nach Einsegnung hatte den Zeugen Wehner regelmäßig über den je- durch den Bundeskanzler geben. Nachdem die weiligen Stand der Nachforschungen in dieser Sa- Jagd am 30. Mai 1973 freigegeben war, began- che unterrichtet. Nachdem Dr. Nollau den damaligen nen die Beamten des BfV am 1. Juni 1973 — der Bundesinnenminister über den Fall Guillaume infor- 3L Mai 1973 war ein Feiertag — mit den Opera- miert hatte und dieser der Einleitung von Observa- tivmaßnahmen zur Aufklärung ,des Spionagever- tionsmaßnahmen zugestimmt hatte, erscheint es we- dachts gegen Guillaume in Bonn-Bad Godesberg. nig glaubhaft, daß er gegenüber Wehner, der die Kontaktperson des SPD-Vorstandes zum BfV war, Bei seiner Vernehmung am 5. Dezember 1974 hat nur von Hinweisen, die überprüft werden sollten, Präsident Dr. Nollau auf entsprechenden Vorhalt gesprochen haben soll. Hiergegen spricht, daß Guil- folgendes erklärt: Bei dem Gespräch mit Minister laume in der SPD-Parteibaracke ein Büro unterhielt, Genscher am 29./30. Mai 1973 habe er sich selbst daß Dr. Nollau zum Zwecke der Unterrichtung Weh- dann nicht über die Tätigkeit des Guillaume im ners diesem sogar während dessen Besuchsreise zu einzelnen informieren lassen, als ihm klar ge- Honnecker nach Berlin nachtelefoniert haben will, worden sei, daß Guillaume ein persönlicher Mit- und daß Dr. Nollau den Zeugen Wehner immerhin arbeiter von Bundeskanzler Brandt war. Dr. Nol dreimal über den Stand der Ermittlungen gegen lau war und ist auch heute noch der Meinung, für Guillaume unterrichtet hat, was wenig sinnvoll ge- die Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungs- wesen wäre, wenn nur allgemein und nicht konkret schutz, Spione zu überführen, sei es im Grunde von Hinweisen die Rede gewesen wäre. Daß Dr. unwesentlich, ob der Spion Ministerialdirektor Nollau, der ursprünglich nicht einmal den Bundes- oder persönlicher Referent (des Kanzlers) sei. kanzler über den Verdacht und die Maßnahmen ge- Die Unterrichtung des Ministers habe nur be- gen dessen persönlichen Mitarbeiter unterrichten zweckt, mit Kenntnis des Ministers des Innern wollte, dem Zeugen Wehner in diesem Verfahrens- Operativmaßnahmen gegen Guillaume durchzu- stadium überhaupt eine — durch den Telefonanruf führen. Niemand, so fuhr Dr. Nollau fort, sei im in Berlin als dringlich ausgewiesene — Mitteilung Bundesamt für Verfassungsschutz auf die Idee zu machen hatte, spricht ebenfalls dafür, daß der gekommen, Maßnahmen im Bundeskanzleramt zu Zeuge Wehner mehr als allgemeine Hinweise er- treffen. Das könne das Bundesamt für Verfas- halten hat. Ganz unverständlich wäre sonst auch- sungsschutz nicht; das sei auch nicht dessen dessen wiederholte Darstellung, daß zu Rückfragen Sache. Auf weiteren Vorhalt, ob er Sicherungs- keine Veranlassung bestanden hätte. maßnahmen vorschlagen könne, erklärte Dr. Nol lau: „Jawohl. Aber dafür ist in erster Linie der Dienststellenleiter und dessen mit der Sicherheit 3. Maßnahmen zur Abschirmung des Spions nach Beauftragter verantwortlich. Nicht mal der Bekanntwerden des Verdachts Sicherheitsreferent, der Geheimschutzbeauf- Die Frage, was von wem veranlaßt worden ist, um tragte." Für diese Abstinenz berief Dr. Nollau Schaden von der Bundesrepublik Deutschland abzu- sich auf § 13 der Verschlußsachenanweisung. Da- wenden oder wenigstens zu begrenzen, nachdem bis nach ist der Dienststellenleiter (im Bundeskanz- zum 4. Juni 1973 Bundeskanzler, Bundesinnenmini- leramt der Chef dieses Amtes) dafür verantwort- ster, Staatssekretär Grabert als Chef des Bundes- lich, daß das für den Umgang mit VS vorgeschrie- kanzleramtes, Ministerialdirigent Dr. Wilke, der bene Verfahren innerhalb seines Geschäftsberei- Leiter des Kanzlerbüros, Ministerialrat Dr. Kinkel ches durchgeführt wird. Nach dem Gespräch mit als Leiter des Ministerbüros im Innenministerium Minister Genscher, so erklärte Dr. Nollau weiter, unterrichtet waren, ist schlicht so zu beantworten: sei für ihn klar gewesen, daß der Bundeskanzler Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

unterrichtet werden müsse und unterrichtet wer- ringen Verdacht höher als einen schweren Ver- de. In dessen Hand habe es gelegen, die Leute dacht bei einem weniger schwerwiegenden De- in seinem Amt zu unterrichten. Hier widerspricht likt oder bei einem weniger bedeutsamen Ange- sich Dr. Nollau selbst; denn auf Vorhalt hat er hörigen eines Ministeriums (16/31). Auch wenn unmittelbar zuvor begründet, warum er den Vor- Dr. Nollau Minister Genscher nicht umfassend in- schlag gemacht habe, nur den Bundeskanzler zu formiert hat, ergibt sich die Frage, warum er unterrichten: nämlich aus Sorge um die Sicher- sich nicht die Akten zu diesem Komplex hat vor- heit der Operationen des Bundesamtes für Ver- legen lassen, um sie auf ihren Gehalt und ihr fassungsschutz (27/30). Gewicht hin zu überprüfen. Dabei ist zu berück- sichtigen, daß der Zeuge Genscher die politische Mit seinen tatsächlichen und rechtlichen Ausfüh- Bedeutung und Brisanz des Falles erkannt hatte. rungen zur Rechtfertigung seiner unverständ- lichen Tatenlosigkeit in der Frage der Abschir- d) Ein Vorwurf muß auch Bundeskanzler a. D. mung des Bundeskanzlers Brandt gegenüber dem Brandt aus Anlaß seiner völligen Tatenlosigkeit spionageverdächtigen Guillaume offenbart Dr. nach der Unterrichtung über den Spionagever- Nollau zumindest ein beachtliches Mißverständ- dacht gegen Guillaume gemacht werden. Bei sei- nis seines gesetzlichen Auftrages und seiner ner Zeugenvernehmung hat er zur Frage etwai- Pflichten bei der Durchführung der Verschluß- ger Maßnahmen oder Vorkehrungen bekundet, sachen-Anweisung. Nach § 3 Abs. 2 Verf. Schutz er sei selbstverständlich davon ausgegangen, daß ÄndG vom 7. August 1972 und §§ 82, 83 der Ver- die mit solchen Dingen befaßten Stellen — ge- schlußsachen-Anweisung haben Dr. Nollau und meint ist das für die Aufklärung des Spionage- sein Amt im Bundeskanzleramt keine Maßnahmen verdachts zuständige Bundesamt für Verfassungs- zu treffen. Sein Amt hat aber bei der Durchfüh- schutz — das tun würden, was sie zu tun haben, rung der Verschlußsachen-Anweisung mitzuwir- und daß sie das Risiko, 'das damit verbunden ken und den Dienststellenleiter (im Bundeskanz- war, Guillaume in seiner, des Bundeskanzlers leramt den Chef des Bundeskanzleramtes) in Brandt, Nähe zu belassen, so minimal wie mög- allen Fragen des Geheimschutzes zu beraten. lich halten würden (16/98). Diese Pflicht ist von Dr. Nollau gröblich verletzt worden. Präsident Nollau aber will sich stillschweigend darauf verlassen haben, daß Bundeskanzler Die Bundesrepublik Deutschland und Bundes- Brandt mögliche und notwendige Abschirmmaß- kanzler Brandt wären vor großem Schaden be- nahmen treffen werde. So kam es dahin, daß, ob- wahrt geblieben, wenn Dr. Nollau sich nicht mit wohl alle die Pflicht zum Handeln gehabt haben, dem Placet für die Operationen gegen Guillaume um die Bundesrepublik Deutschland vor Schaden begnügt hätte. Nach der Beweisaufnahme vor zu bewahren, keiner etwas getan hat. Jeder hat dem Untersuchungsausschuß hat sich Dr. Nollau sich stillschweigend auf den anderen verlassen. auf dem Gebiet der Spionageabwehr und des Geheimschutzes so schwere Fehler und Versäum- Für Bundeskanzler Brandt hätte, als er den für nisse zuschulden kommen lassen, daß er sich als den Schutz der Verschlußsachen im Bundeskanz- Leiter des BW disqualifiziert hat. leramt verantwortlichen Staatssekretär Grabert (§ 13 VS-Anweisung) am 4. Juni 1973 über den b) Auch dem Chef des Bundeskanzleramtes, Staats- Spionageverdacht gegen Guillaume unterrichtet sekretärs Grabert, heute Botschafter der Bundes- hat, nichts näher gelegen, als ihn an seine republik Deutschland in Österreich, sind wegen Pflichten zu erinnern, statt ihn zu völliger Taten- seiner völligen Tatenlosigkeit nach Unterrich- losigkeit anzuhalten. Bundeskanzler Brandt hätte tung durch Bundeskanzler Brandt am 4. Juni 1973 Staatssekretär Grabert anregen müssen, sich Ge- Vorwürfe zu machen. Er hätte überlegen und ent- danken zur Abschirmung zu machen. In Ausfüh- scheiden müssen, ob ohne Gefährdung der Ope- rung dieser seiner Pflicht hätte sich alsdann rationen ,des Bundesamtes für Verfassungs- Staatssekretär Grabert nach § 82 VS-Anweisung schutz zur Aufklärung des Spionageverdachts ge- der Mitwirkung des Bundesamtes für Verfas- gen Guillaume dessen Zugang zu Geheimsachen sungsschutz bedienen können. unterbunden oder eingeschränkt werden konnte. Nach §§ 82, 83 der Verschlußsachen-Anweisung Den Verantwortlichen des Kanzleramtes und hätte er sich dabei der Mitwirkung und Beratung Dr. Nollau ist noch ein weiterer Umstand anzu- des Bundesamtes für Verfassungsschutz bedienen lasten. Sie mußten prüfen: können, wenn er sich allein außerstande gesehen Wiegt die Überführung des Spions schwerer oder

haben sollte, die notwendigen Sicherungsmaß- , der Schaden, den er für die Sicherheit der Bun- nahmen zu treffen. desrepublik Deutschland bei weiterem Verblei- ben in seiner Funktion anrichten kann? c) Auch das Verhalten und die Reaktion des damali- gen Bundesinnenministers Genscher lassen Fra- Vorgeworfen werden muß schon das Versäum- gen offen. In der Beweisaufnahme unterstrich er, nis der Güterabwängung als solches. daß sich für ihn das Gewicht der Sache aus der Wie zuvor im einzelnen dargelegt, muß daher Funktion Guillaumes im Bundeskanzleramt und festgestellt werden, daß verantwortliche Politiker aus der Tatsache ergeben habe, daß es sich um und hohe Beamte versagt und der Bundesrepu- das Delikt der Spionage gehandelt habe. In blik Deutschland schweren Schaden zugefügt einem solchen Fall bewerte man auch einen ge- haben. Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

C. Das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Frage Präsident Wessel zu, sämtliche in der Liste ausge- der Aktenvernichtung im Bundeskanzleramt wiesenen 54 Akten zu vernichten (18/56). und beim Bundesnachrichtendienst Bei der Klärung der Frage, ob im BND Akten und Vorgänge, z. B. über politische Parteien, Vereini- Sind im Bundeskanzleramt und beim Bundesnach- gungen und Personen und deren Kontakte oder richtendienst Akten, Schriftstücke oder sonstige Un- Verbindungen, rechtswidrig angelegt oder rechts- terlagen über politische Parteien, Vereinigungen widrig vernichtet worden sind, hat der frühere Chef oder Personen und deren Kontakte oder Verbindun- des Bundeskanzleramtes, Dr. Ehmke, die Auffassung gen, insbesondere zu kommunistischen Regierungen, vertreten, Parteien, Vereinigungen oder ihren Funktionären 1. daß der von der sozial-liberalen Regierung im angelegt, vernichtet, beiseitegeschafft oder sonst Herbst 1969 von der CDU/CSU-Regierung über- der Verfügung der Stellen, bei denen sie entstanden nommene Sicherheitsdienst in einem schlechten, sind, entzogen worden? der BND durch das Altersregiment von Herrn Gehlen in einem teilweise desolaten Zustand gewesen sei (18/53), 1. Die Bahr-Akte im Bundeskanzleramt 2. daß sich am Vorgang der Aktenvernichtung zei- Die Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses gen lasse, in welchem Ausmaß der BND früher hat ergeben, daß im Bundeskanzleramt Akten ange- innenpolitisch mißbraucht worden sei (13/60), legt worden sind, die die vermuteten und tatsäch- lichen Kontakte von Bundesminister Bahr während 3. daß es auch illegale Tätigkeiten des BND, d. h. seiner Tätigkeit als Pressesprecher des Berliner Tätigkeiten außerhalb des ihm erteilten Auftra- Senats und als Ministerialdirektor im Auswärtigen ges, gegeben habe (18/53). Amt zu Mitgliedern des Zentralkomitees der SED und der KPI sowie zu Mitgliedern sowjetischer Die Beweisaufnahme hat zu diesen Vorwürfen fol- Dienststellen zum Gegenstand hatten. Diese Akten gendes ergeben: sind nicht vernichtet worden, sie haben dem Aus- schuß vielmehr vorgelegen. Zum Teil beruhen die 3. Zur Funktionsfähigkeit des BND Akten auf Meldungen, die dem BND zugegangen und dort aktenmäßig erfaßt worden waren. Präsident Wessel hat auf die Frage, ob der Zustand des BND im Zeitpunkt des Präsidentenwechsels (1. Mai 1968) als desolat bezeichnet werden könnte, 2. Die Anlage und Vernichtung von Akten im BND die Struktur des BND als „eine organisierte Un- Es konnte nicht geklärt werden, ob es die Vorgänge und Desorganisation" bezeichnet (18/100) und diese um die Ostkontakte Egon Bahrs waren, die zu den Strukturform damit begründet, daß es der Grundsatz Gerüchten über eine angebliche innenpolitische Auf- seines Vorgängers gewesen sei, „die Organisations- klärungstätigkeit des Bundesnachrichtendienstes form möglichst unübersichtlich zu halten, um dem führten, die Präsident Wessel bei seiner Verneh- Gegner Einbrüche zu erschweren, und wenn ein Ein- mung mit als Grund dafür anführte, entsprechende bruch erfolgt ist, ihn möglichst frühzeitig erkennen Nachforschungen in seiner Behörde angestellt zu zu können". Er fuhr weiter fort: „Ihre zweite Frage, ob es sich um einen desolaten — d. h. unbrauchba- haben. ren — Zustand gehandelt habe, muß ich verneinen. Jedenfalls hat im Dezember 1969 der Präsident des Das stimmt nicht" (18/100). BND, General Wessel, den Chef des Bundeskanz- leramtes, Dr. Ehmke, davon unterrichtet, daß er im Auf die Frage, wie er einen solchen Zustand kenn- BND Unterlagen zusammengezogen und unter be- zeichnen würde, wenn er ihn nicht als desolat be- sonderem Verschluß gehalten habe, die „keine für zeichnen wolle, antwortete Präsident Wessel: „Als den Auftrag des BND wesentlichen Erkenntnisse desolat müßte ich den Zustand bezeichnen, wenn der enthielten" (18/94). Diese Unterrichtung erfolgte an BND keine Meldungen mehr über Auslandsaufklä- Hand einer auf den 9. Dezember 1969 datierten rungserkenntnisse erbracht hätte. Das ist nicht der Liste, die 54 Namen von Persönlichkeiten des öffent- Fall, sondern er hat sie erbracht, nur in schwanken- lichen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland der Zahl und schwankender Qualität, aber er hat sie enthielt. Präsident Wessel hat dem Chef des Bundes- erbracht. Das ist ja die Aufgabe des Dienstes" kanzleramtes, Dr. Ehmke, die Vernichtung dieser (18/158). Präsident Wessel faßte seine Darstellung Unterlagen vorgeschlagen, um, wie er wörtlich aus- zusammen mit den Worten „er (gemeint der BND) führte, „den Behauptungen den Boden zu entziehen, war handlungsfähig, aber in einer organisatori- daß der Bundesnachrichtendienst sogenannte Dos- schen Form, die ich nicht für akzeptabel gehalten siers über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens habe" (18/196). zu Unrecht führe" (18/94). Der Zeuge Weiß hat die Aussagen von Präsident Der Chef des Bundeskanzleramtes, Dr. Ehmke, hat Wessel über die Organisationsform des Dienstes sich daraufhin vier dieser Akten, und zwar von je- unter Präsident Gehlen bestätigt und darauf hin- weils einem Mitglied der im Bundestag vertretenen gewiesen, daß gerade die Organisationsform der Parteien aushändigen lassen und sich im Beisein Abschottung unter Präsident Gehlen verhindert von Präsident Wessel davon überzeugt, daß diese habe, daß der Spion Felfe, obwohl er dazu den Auf- vier Akten angeblich nichts über Auslandsaufklä- trag gehabt habe, in andere Teile des Dienstes habe rung enthielten. Er stimmte dem Vorschlag von eindringen können (22/17). So hätten andere Teile Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

des Dienstes auch nach dem Fall Felfe voll arbeiten der Arbeit des BND deutlich gemacht hat, die auf können; ihre Funktionsfähigkeit sei nicht beein- eine Vertrauenskrise im Gefolge des Falles Felfe, trächtigt worden. Darauf seien die von Professor aber auch auf die frühere Organisationsstruktur zu- Ehmke erwähnten großen Erfolge des BND auch rückgeführt werden. in den 60er Jahren zurückzuführen gewesen (22/17). Auf der anderen Seite wurde deutlich gemacht, daß Der Zeuge Weiß unterstrich, daß die Organisations- gerade die Organisationsstruktur der Abschottung form Gehlens einmal aus der Entwicklung, zum an- ein weiteres Eindringen des Spions Felfe in den deren aus dem sicherheitsmäßigen Denken des Prä- Dienst verhindert hat, daß erst jüngere Entwicklun- sidenten erklärbar gewesen sei und daß die Frage, gen (Personalpolitik, Veröffentlichungen und Zeu- welches nun die endgültig richtige Organisations- genaussagen) zu einer Schwächung des Dienstes bei- form dieses Dienstes sei, mit letzter Sicherheit auch getragen haben. heute noch nicht zu beantworten sei (22/18). Da die Frage der Leistungsfähigkeit des BND nicht Der Zeuge von Loewenfeld hat zur Beurteilung des in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beweis- BND durch Dr. Ehmke ausgeführt, seine Dienststelle thema stand, konnte diese Frage nicht abschließend sei 1970 schlagkräftig gewesen, das gleiche gelte für geklärt werden. Der von Prof. Dr. Ehmke leichtfertig ihm bekannte Nachbardienststellen. Allerdings seien erhobene Vorwurf der Handlungsunfähigkeit wurde im BND Verunsicherungen entstanden dadurch, daß jedoch widerlegt. nach dem Regierungswechsel 1969 Herren von der SPD in Schlüsselfunktionen des BND eingeschleust 4. worden seien (Personalpolitik nach Parteibuch), so- Innenpolitischer Mißbrauch des BND? wie als Folge der Spiegel-Serie „Pullach intern", aus Während Dr. Ehmke noch in der 13. Sitzung des der hervorgegangen sei, daß Quellenunterlagen vom Untersuchungsausschusses dargelegt hatte, an dem Bundeskanzleramt angefordert worden seien Vorgang der Aktenvernichtung lasse sich zeigen, (26/166). „in welchem Ausmaß der BND früher innenpolitisch Professor Carstens wies als Sachverständiger darauf mißbraucht worden ist" (13/16) und damit den Ein- hin, daß er als Chef des Bundeskanzleramtes den druck vermittelt hatte, der BND sei von der Bundes- Wechsel an der Spitze des BND herbeigeführt habe regierung vor dem Regierungswechsel 1969 innen- und daß auf seine Veranlassung die Mercker-Kom- politisch eingesetzt worden, wich er in der 18. mission eingesetzt worden sei. Zum Zustand des Sitzung davon ab. Zu den vier ihm vom Präsidenten BND äußerte er, die Glanzzeit des BND habe sicher Wessel vorgelegten Akten befragt, ob in den Ak- vorher, in den 50er, Anfang der 60er Jahre gelegen. ten nichts enthalten war, was einen Schluß darauf Durch den Komplex Felfe sei der BND sehr schwer hätte ziehen lassen können, daß frühere Chefs des getroffen worden. Es sei dadurch auch eine erheb- Bundeskanzleramtes oder der Bundeskanzler selber liche Zahl von Quellen verlorengegangen. Es sei aus solchen Akten früher einmal mit Material be- sicher, daß dies einen Rückschlag für die Arbeit des dient worden seien, antwortete er bündig wie klar: BND dargestellt habe. Die Bezeichnung „desolat" „Nein, nein" (18/83 bis 84). halte er für unangebracht und unbegründet in bezug Da Dr. Ehmke seine Behauptung nicht spezifiziert auf die Arbeitsweise des BND in der Zeit der Jahre hat und von keinem anderen Zeugen eine ähnliche 1968/69. Der BND habe auch damals wichtige Infor- Behauptung aufgestellt und auch keine Fakten vor- mationen geliefert (19/47). getragen wurden, die einen entsprechenden Schluß Der Sachverständige Dr. Mercker führte aus, der Zu- rechtfertigen könnten, ist davon auszugehen, daß stand des BND im Jahre 1968 sei als eine Ver- ein innenpolitischer Mißbrauch des BND durch eine trauenskrise zu bewerten, deren auslösendes Mo- Bundesregierung ernsthafter Weise nicht behauptet ment der Fall Felfe gewesen sei (23/101). Man werden kann. könne aber „keineswegs davon sprechen, daß der Dienst in einem desolaten Zustand war" (23/102). 5. Innenpolitische Aufklärung durch den BND? „Ein einzelner Zweig war in desolatem Zustand. Alle anderen Zweige waren mehr oder weniger gut; Aufgrund eines Kabinettsbeschlusses aus dem Jahre verbesserungsfähig alles" (23/113). - 1956 sind dem BND folgende Aufgaben übertragen: Die allgemeine Behauptung, der von der CDU/CSU- Die nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung durch Regierung übernommene Sicherheitsdienst sei 1969 Beschaffung und Auswertung von Informationen auf in einem schlechten, der BND in einem teilweise außenpolitischem, wirtschaftlichem, rüstungstech- desolaten Zustand gewesen, habe in der Öffentlich- nischem, militärischem Gebiet, die Aufklärung der keit zu dem Meinungsbild geführt, der BND sei gegnerischen Nachrichtendienste, die Erledigung Ende der 60er Jahre desolat gewesen. sonstiger nachrichtendienstlicher Aufträge des Bun- Diese Beurteilung wurde durch die Beweisaufnahme deskanzlers und der Bundesregierung im Ausland, nicht bestätigt. Alle Zeugen haben übereinstimmend die Spionageabwehr innerhalb des BND, sofern der den „desolaten", auch den teilweise desolaten Zu- Chef des Bundeskanzleramtes nicht im Einzelfall stand des BND verneint. Eine abweichende Beur- eine andere Regelung trifft. teilung ergab sich lediglich für den Bereich der Zu dem Vorwurf von Professor Ehmke, daß es beim Gegenspionage. BND illegale Aufklärungstätigkeit, d. h. Tätigkeiten Gleichwohl muß festgehalten werden, daß die Be außerhalb des ihm erteilten Auftrages, gegeben ha- weisaufnahme Strukturmängel und Fehlerquellen in be, hat Präsident a. D. Gehlen erklärt, daß unter Drucksache • 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode unerlaubter innenpolitischer Aufklärung eine ziel- wenige Vertraute des Präsidenten Zugang hatten. gesetzte Aufklärung mit einer gesteuerten Nach- Diese Sonderkartei bestand seit dem Jahre 1958. richtenbeschaffung zum Zweck einer Berichterstat- Präsident a. D. Gehlen hat hierzu ausgeführt, es tung zu verstehen sei. Unter Inlandsaufklärung sei sei von ihm entschieden worden, Personalakten von alles das zu verstehen, was der BND im Inland zur besonderer Bedeutung, also empfindliche Akten, Erfüllung seiner Aufgaben tun müsse, z. B. die Klä- gesondert aufzubewahren, damit sie nicht jedem im rung von Personen, zu denen nachrichtendienstliche Dienst zugänglich sind. Das Kriterium zur Auswahl Kontakte aufgenommen werden sollten, also alle dieser Akten sei nicht ihre besondere innenpoliti- Dinge, die der Erfüllung des Zweckes des Auslands- sche Brisanz gewesen, sondern ihren Mißbrauch zu nachrichtendienstes im Inland dienen (25/38 bis 39). verhindern (25/47). Präsident a. D. Gehlen hat sehr nachdrücklich be- Zum Inhalt der Akten führte er aus: „Ich glaube, tont, daß innenpolitische Aufklärung entsprechend man kann das auf den Nenner bringen, daß über seinem eigenen Vorschlag zu seiner Zeit nicht be- diese Personen, mit denen ich Kontakt gehabt habe, trieben worden sei. Allerdings fielen die im Rahmen die Interessierten und so, alles mögliche reinge- der Sicherung des Apparates und personenspezifisch kommen ist, das mit denen zu tun hatte: also aus notwendigen Maßnahmen natürlich unter den Be- der Zeitung, wenn mal irgend eine beachtliche Sache griff der Inlandsarbeit (25/9). drinstand, jedenfalls nichts Bösartiges (25/144 Präsident Wessel hat keinerlei Zweifel daran ge- bis 145) . lassen, daß er es entschieden ablehne, wenn der Informationen aus dem Intimbereich seien auf die- BND außerhalb seines Auftrages dazu herangezogen sen Karteikarten nicht enthalten gewesen. Jeden- werden sollte, etwa gezielte Informationen über falls habe er nichts derartiges gesehen (25/145). Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Bun- desrepublik Deutschland zu gewinnen, um diese Auf den Vorhalt, daß derartige Informationen auf dann Parteien oder Personen zur Verfügung zu Karteikarten stünden, erklärte Präsident Gehlen, er stellen oder für andere nicht dem Auftrag entspre- wisse nicht, wie diese auf Karteikarten gekommen chende Zwecke zu verwenden (18/94). seien (25/145). Auf die Frage, ob es so etwas gegeben habe, ant- In die Sonderkartei seien auch „Führungsinforma- wortete er: „Nicht zu meiner Zeit, zumindest nicht tionen" aus dem ganzen Dienst gekommen, „wenn von mir angeordnet, von mir gebilligt oder mit sie wichtig waren" (15/44). Ungefähr 50 O/o dieser meinem Wissen. Ob das in der Zeit vor meiner Sonderakten hätten Notizen über Besprechungen Amtsführung geschehen ist, kann ich nicht beurtei- enthalten, die er gehabt habe (25/52). len". Ihm seien derartige Vorgänge nicht bekannt Zum Inhalt der Akten wurden von den Zeugen C., (18/99 bis 100) . K., Langkau, S., Weiß und Wessel folgende Angaben Die Zeugen Langkau, S., Weiß und von Loewen- gemacht: Nach Auffassung des Zeugen C. soll der feld haben übereinstimmend bekundet, daß es eine Inhalt „sehr unterschiedlich" gewesen sein und sich innenpolitische Aufklärung beim BND nicht gege- aus „sporadisch angefallenen Randerkenntnissen" ben habe. Der Zeuge Langkau beispielsweise er- zusammengesetzt haben (27/117). klärte, er habe als Leiter der Beschaffung bis zu Die Zeugin K. charakterisierte die Sonderakten als seinem Ausscheiden am 30. Juni 1968 weder einen alte nachrichtendienstliche Fälle aus dem Anfang Auftrag zur Bespitzelung, Observierung, Über- der 50er Jahre. Es waren nach ihrer Erinnerung wachung erhalten bzw. weitergegeben oder aus ei- weiter eine Menge unvollständiger Meldungen z. T. genem Entschluß durchgeführt (23/6). über Quellen und Sicherheitsuntersuchungen zu die- Ihm sei kein einziger Fall bekannt, wo der BND sen Quellen. Es seien Unterlagen über Leute, mit einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens nach- denen wir in Verbindung standen. Es waren Bespre- geschnüffelt habe (23/38). chungsnotizen und es waren Gelegenheitsmeldun- Er halte einen Auftrag der Bespitzelung einfach gen, Randerkenntnisse, wie sie halt so anfallen für unmöglich (23/40). Mit gleicher Deutlichkeit (22/151 bis 152). haben die Zeugen S., Weiß und von Loewenfeld be- Der Zeuge Langkau bekundete, die Sonderkartei des reits die Möglichkeit innenpolitischer Aufklärung Präsidenten sei in den Fällen, die ihm bekannt seien, ausgeschlossen. durch Führungsunterrichtungen entstanden. Diese Diese Aussagen wurden von dem Sachverständigen Führungsunterrichtungen seien z. B. veranlaßt ge- Dr. Mercker bestätigt, der ausführte, daß er sich nicht wesen durch Wünsche von Persönlichkeiten an Prä- daran erinnern könne, daß bei all den Anhörungen, sident Gehlen oder ihn selbst (22/14). Aus den 54 Na- die er im Ausschuß miterlebt habe, ein Fall von men benannte er Persönlichkeiten, bei denen es dar- rechtswidriger Bespitzelung von Persönlichkeiten um gegangen sei, Diffamierungskampagnen aus dem des öffentlichen Lebens zur Sprache gekommen sei Osten gegen diese abzuwehren (23/50; 23/37 bis 38; (23/113). 23/44 bis 45). Der Zeuge Weiß bestätigte, daß die Sonderakten im 6. Die Sonderkartei von Präsident Gehlen wesentlichen aus Vortragsnotizen und Führungs- unterrichtungen an den Präsidenten bestanden ha- Bis zum Ausscheiden des Präsidenten Gehlen aus ben (22/80). Der von ihm geschilderte Inhalt der dem Dienst bestand eine Sonderkartei, zu der nur Akten deckte sich im wesentlichen mit den Aussagen Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246 des damaligen Abteilungsleiters Langkau, und der richtendienst oder in Einzelfällen auch zum übrigen Zeugen. Bundeskanzleramt suchten. Präsident Wessel hat die Frage, ob die vernichteten c) In der Kartei erfaßt wurden auch solche Perso- Akten das Ergebnis einer illegalen oder aber auf- nen, die sich ihrerseits mit der Bitte um Hilfe- tragskonformen Tätigkeit des BND waren, nicht be- stellung etwa bei Auslandsreisen an den Bundes- antworten können (18/104). Er will diese Akten nachrichtendienst wandten. jedoch Blatt für Blatt durchgegangen sein. d) Im Bereich des BND wurden auch solche Vor- Dabei habe es sich nach seinem Eindruck um eine gänge aufbewahrt, die vor der Übernahme der „Abheftung von Einzeldingen" gehandelt, die teils Organisation Gehlen in die Verantwortung des aus Zeitungsausschnitten und ähnlichem bestanden, Bundes entstanden waren. Zu dieser Zeit hat die teils wohl aus Randerkenntnissen. Es sei für ihn Organisation unter der Treuhänderschaft der nicht erkennbar gewesen, daß diese Akten das Er- Amerikaner auch innenpolitische Aufklärungen gebnis einer unerlaubten Inlandsaufklärung gewesen betrieben. Diese war indessen nicht rechtswid- seien (18/111). rig, da es einen fest umrissenen Auftrag durch die in ihrer Souveränität beschränkte Bundes- Über den Inhalt der Sonderkartei könne er „nur regierung noch nicht gab. sehr fragmentarisch" etwas sagen „mit der Gesamt- beurteilung, daß er nach wie vor bezweifle, daß Soweit es die Sonderkartei und die aus dieser ver- hier gezielt deutsche Politiker beobachtet wurden, nichteten Akten anbetrifft, kann daher nicht fest- sondern, wenn überhaupt etwas derartiges anfiel, es gestellt werden, daß diese das Ergebnis einer auf- im Rahmen dieser Randerkenntnisse abgefallen sei, tragswidrigen innenpolitischen Aufklärung gewesen die dann zu irgendwelchen Akten genommen wor- wäre. Doch hat die Beweisaufnahme insoweit auch den seien (20/37). Er sei zu der Auffassung gekom- keine letzte Klarheit schaffen können, da die Unter- men, daß diese Unterlagen für den Auftrag des lagen nur noch zu einem Teil zur Verfügung Dienstes völlig nutzlos und sinnlos gewesen seien. standen. Daher habe er Dr. Ehmke vorgeschlagen, diese Auf der anderen Seite kann aus der Tatsache, daß Sachen zu vernichten, um sie aus der Welt zu schaf- die Auftragswidrigkeit der Entstehung dieser Akten fen (20/34 bis 35). nicht erwiesen wurde, auch nicht darauf geschlossen Allerdings habe er bei keiner der 54 Akten den werden, daß ihre Vernichtung rechtswidrig gewesen klaren Eindruck gehabt, hier sei etwas entgegen wäre. Denn jedenfalls scheint festzustehen, daß die dem Auftrag ,des Dienstes zusammengestellt worden vernichteten Unterlagen ohne nachrichtendienst- (20/64) . lichen Wert waren, wie Präsident Wessel erklärte. Diese Feststellungen schließen indessen nicht aus, Auf die Frage, ob das Zusammenstellen der vor dem daß in einer so großen Behörde in Einzelfällen auf- Ausschuß erörterten Informationen über inländische tragswidrige innenpolitische Aufklärung stattgefun- Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zur legiti- den hat. Es wäre sogar weltfremd anzunehmen, daß men Tätigkeit des BND gehöre, antwortete der in einer derartigen Behörde keine Fehler gemacht Sachverständige Dr. Mercker, er könne sich dazu worden wären. Unter diesem Gesichtspunkt hat sich nicht äußern, da in der Beweisaufnahme nichts völ- der Untersuchungsausschuß auch mit Akten befaßt, lig klargeworden sei. Er sehe keine Vorschrift, wo- die nicht im unmittelbaren Bereich der Leitung des nach derartiges verboten wird (23/107, 108). Dienstes geführt wurden, die aber gleichwohl An- Soweit es demnach die 54 vernichteten Akten anbe- haltspunkte dafür boten, daß nachgeordnete Dienst- trifft, die mit großer Wahrscheinlichkeit der soge- stellen und Referate auftragswidrig innenpolitische nannten Sonderkartei entstammen, ist nach der Be- Aufklärungen betrieben haben. kundung der Zeugen davon auszugehen, daß sie nicht das Ergebnis einer unerlaubten innenpoliti- 7. Die sogenannte SPD-Akte schen Aufklärung darstellten. Auch die dem Aus- schuß zugänglich gemachten Aktenteile lassen viel- Den Vorwurf der innenpolitischen Aufklärung er- mehr vermuten, daß die Akten unter folgenden Ge- hoben Präsident Wessel und Professor Dr. Ehmke sichtspunkten entstanden sind: gegen den Leiter einer Dienststelle, auf dessen An- a) Eingang in die Akten fanden Erkenntnisse über weisung interne Vorgänge innerhalb der SPD aus- Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, soweit gespäht worden sein sollten. solche Erkenntnisse im Ausland anfielen. Als Der betroffene Dienststellenleiter, der Zeuge Höffer Beispiele dafür wurden von den Zeugen Diffa- von Loewenfeld, hat bei seiner Vernehmung vor dem mierungskampagnen im Ausland gegen deutsche Ausschuß den Vorwurf der auftragswidrigen innen- Persönlichkeiten genannt und Meldungen, die im politischen Aufklärung zurückgewiesen. Nach sei- Ausland anläßlich von Besuchen deutscher Per- nen Angaben ist die sogenannte SPD-Akte Teil einer sönlichkeiten aufkamen oder die Beurteilung Quellenpersonalakte gewesen. In seiner Dienststelle deutscher Persönlichkeiten im Ausland ent- sei eine Sonderverbindung geführt worden, die als hielten. hauptamtlicher Mitarbeiter im SPD-Vorstand tätig b) Eine gezielte Aufklärung fand hinsichtlich sol- gewesen sei. Die Anbahnung der Sonderverbindung cher Personen statt, zu denen ein nachrichten- sei auf Wunsch und mit Billigung des früheren SPD- dienstlicher Kontakt angebahnt werden sollte Abgeordneten Fritz Erler geschehen. Um die Ent- oder die ihrerseits Kontakt zum Bundesnach- stehung dieser Akten, die der Führung dieser Son- Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode derverbindung dienten, richtig zu verstehen, müsse lassen jedoch den Schluß zu, daß der BND-Mitarbei- man zwischen Meldungen und sogenannten Treff- ter entgegen der Behauptung von Professor Ehmke berichten unterscheiden. Soweit die Sonderverbin- unter seinem Tarnnamen und unter Geheimtage- dung um die Aufklärung bestimmter, auf das Aus- buchnummer angeschrieben wurde, es also um eine land bezogener Vorgänge gebeten worden sei, habe Aufklärung mit nachrichtendienstlichen Mitteln ging. dies zu Meldungen geführt, die an die Auswertung,, Im übrigen lassen die Akten erkennen, daß die von weitergeleitet worden seien. Heysing an den BND gerichteten Meldungen nach- Bei den gelegentlichen Gesprächen mit der Sonder- richtendienstlich ohne jeden Wert waren. Die Wei- verbindung seien im Anschluß an diese Gespräche terbeschäftigung eines offenbar ungeeigneten Mit- ohne Wissen der Sonderverbindung sogenannte arbeiters ist nicht zu erklären und fand auch in der Treffberichte erstellt worden, die nicht weitergelei- Beweisaufnahme keine Erklärung. Es ist daher völ- tet wurden, sondern bei der sogenannten Quellen- lig unverständlich, daß nach Amtsantritt von Präsi- personalakte abgeheftet wurden. Die Aufzeichnung dent Wessel noch am 1. Juli 1968 Heysing offenbar dieser Gespräche habe dazu gedient, die jeweilige im Auftrag des Präsidenten gebeten wurde, be- Situation der Quelle festzuhalten und beurteilen zu stimmte Themen als Schwerpunktaufträge anzu- können, da nur aufgrund dieser Erkenntnisse ein sehen. Urteil darüber möglich gewesen sei, wie sich die Dieser Fall macht deutlich, daß zum Teil nachrich- Situation der Quelle auch im Hinblick auf ihre tendienstlich ungeeignete Mitarbeiter aus Erwägun- nachrichtendienstliche Tätigkeit darstellt. Die soge- gen, die mit dem eigentlichen Zweck des Nachrich- nannten Treffberichte seien also nicht Ergebnis tendienstes nichts zu tun hatten, weiterhin mit Auf- einer gezielten Aufklärung, sondern vielmehr Er- trägen versehen wurden. kenntnisse über die Quelle oder die Sonderverbin- dung, die bei Gelegenheit von Treffgesprächen an- fielen. 9. Unerlaubte Inlandsaufklärung durch Journalisten? Diese Darstellung des Zeugen läßt zumindest zwei- Professor Dr. Ehmke hat bei seiner Vernehmung felhaft erscheinen, ob der Vorwurf der innenpoli- u. a. auch erklärt, daß Journalisten für den Bundes- tischen Aufklärung gerechtfertigt ist. Zumindest nachrichtendienst gegen Entgelt tätig gewesen seien, kann der Nachweis nicht geführt werden, daß die deren Gegenleistung sicher nicht auf dem Gebiet Aufzeichnung der Treffgespräche Ergebnis eines der Auslandsaufklärung gelegen habe. Diese Aus- zielgerichteten Ausspähungsauftrags war. sage ist von keinem der beteiligten Zeugen konkret bestätigt worden. Wenn man von dem Sonderfall 8. Die sogenannten Heysing-Unterlagen Heysing absieht, fehlt es für diese Behauptung an konkreten Anhaltspunkten. Es kann zwar nicht aus- Den Verdacht der innenpolitischen Aufklärung be- geschlossen werden, daß Journalisten für den Bun- gründet daneben der Inhalt der Meldungen, die der desnachrichtendienst im Rahmen der legalen Aus- frühere BND-Mitarbeiter Heysing dem Pressereferat landsaufklärung tätig gewesen sind, doch insoweit des BND zugeleitet hat. Aus den dem Ausschuß vor- konnte und durfte die Beweisaufnahme nicht zu Er- liegenden Akten ist zu entnehmen, daß ein Teil die- gebnissen führen, da die Preisgabe von im Ausland ser Meldungen Ergebnis von Ermittlungsaufträgen tätigen oder tätig gewesenen Mitarbeitern des BND war, die mit dem Auftrag des Bundesnachrichten- dem unbedingt erforderlichen Quellenschutz abträg- dienstes nicht zu vereinbaren sind. Das gilt insbe- lich gewesen wäre. Für die behauptete illegale Tä- sondere für einen Auftrag, den Heysing mit Schrei- tigkeit hat es auch seitens der Bundesregierung ben vom 6. März 1972 erhielt und in dem um keinerlei Hinweise an den Ausschuß gegeben. die Ausforschung der Verlage Bauer, Springer und Bertelsmann sowie des Studio Hamburg gebeten Insgesamt kann also festgestellt werden, daß keine wurde. Im einzelnen bat das Pressereferat um Mit- Akten angelegt wurden, die das Ergebnis einer von teilung über die gesellschaftsrechtlichen Verhält- der Leitung des Dienstes angeordneten innenpoli- nisse, Beteiligungen der Verlage und um Auskünfte tischen Aufklärungstätigkeit waren. Auf der ande- über die Geschäftsleitung und deren politische Ein- ren Seite läßt sich jedoch nicht ausschließen, daß es stellung. gleichwohl auf der unteren Ebene des Dienstes Maßnahmen gegeben hat, die als auftragswidrig an- Professor Dr. Ehmke hat bei seiner Vernehmung zusehen waren. Soweit Akten vernichtet wurden, dazu erklärt, daß es dem Pressereferat darum ge- geschah dies nach den Feststellungen des Ausschus- gangen sei, seine Pressekartei zu vervollständigen. ses nur aus dem Grund, weil diese Unterlagen einen Es habe sich um einen Auftrag gehandelt, der in nachrichtendienstlichen Wert nicht oder nicht mehr einem offenen Brief mitgeteilt worden sei. Die Akten hatten.

Bonn, den 31. Januar 1975

Dr. Hirsch Gerster (Mainz) Berichterstatter Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246.

B. Antrag des Ausschusses

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Bericht des 2. Untersuchungsausschusses wird zur Kenntnis genommen. 2. Der 2. Untersuchungsausschuß wird aufgelöst.

3. Die eingegangenen Petitionen und Eingaben werden für erledigt erklärt.

Bonn, den 31. Januar 1975

Dr. Wallmann Dr. Hirsch Gerster ( Mainz) Vorsitzender Berichterstatter

Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Anlage 1

Zeugen- und Sachverständigenliste

Name Vorname Beruf und frühere Tätigkeit (in Klammern)

Bahr Egon Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Von Oktober 1969 bis 11. Dezember 1972 Staatssekretär im Bundeskanzleramt) Bardenhewer Hans Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Bergmann Helmut Oberregierungsrat im Bundesamt für Verfassungsschutz Boehlke Hugo Polizeiamtsrat a. D. (Polizeipräsidium Berlin) Brandt Willy Mitglied des Deutschen Bundestages (Von Oktober 1969 bis Mai 1974 Bundeskanzler) Bürger Wolfgang Oberregierungskriminalrat im Bundeskriminalamt Wies- baden Carstens Prof. Dr. Karl Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (Fehmarn) (Vom 1. Januar 1968 bis 21. Oktober 1969 Chef des Bun- deskanzleramtes) C. Bundesnachrichtendienst Dimpker Alfred Ministerialrat, Personalreferent im Bundesministerium des Innern Ehmke Prof. Dr. Horst Mitglied des Deutschen Bundestages (Von Oktober 1969 bis Dezember 1972 Chef des Bundes- kanzleramtes) Ehrenberg Dr. Herbert Mitglied des Deutschen Bundestages (Von Oktober 1969 bis April 1971 Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik im Bundeskanzler- amt) Fabian Roderich Direktor beim Bundesamt für Verfassungsschutz Gehlen Reinhard (Von 1956 bis 30. April 1968 Präsident des Bundesnach- richtendienstes) Genscher Hans-Dietrich Bundesminister des Auswärtigen (Von Oktober 1969 bis Mai 1974 Bundesminister des Innern) Grabert Horst Botschafter (Vom 18. Dezember 1972 bis 16. Mai 1974 Chef des Bun- deskanzleramts) Gumbel Karl (Vom 1. Januar 1967 bis 23. Oktober 1969 Staatssekretär im Bundesministerium des Innern) Hagemann Heinz Regierungsdirektor im Bundesnachrichtendienst Hermenau Johann-Gottlieb Direktor a. D. beim Bundesamt für Verfassungsschutz (Vom 1. Juli 1964 bis 14. Juni 1970 Leiter der Abteilung Geheimschutz im Bundesamt für Verfassungsschutz) Hoch Werner Oberregierungsrat im Bundesamt für Verfassungsschutz Höffer von Loewenfeld Wilhelm Friedrich Oberstleutnant a. D. (Von 1964 bis 1971 Leiter einer Außenstelle des Bundes- nachrichtendienstes) Hollenbach Ulrich Regierungsdirektor im Bundeskanzleramt Jenninger Dr. Philipp Mitglied des Deutschen Bundestages Kern Dr. Ernst Ministerialdirektor, Leiter der Abteilung Recht und Ver- waltung im Bundeskanzleramt seit dem 22. Oktober 1969 K. Bundesnachrichtendienst Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode noch Anlage 1

Name Vorname Beruf und frühere Tätigkeit (in Klammern)

Kiesinger Dr. Kurt-Georg Mitglied des Deutschen Bundestages (Von Dezember 1966 bis Oktober 1969 Bundeskanzler) Kinkel Dr. Klaus Ministerialdirigent im Auswärtigen Amt (Vom 15. Januar 1972 bis 19. Mai 1974 Leiter des Minister- büros des Bundesministers des Innern) Knieper Dr. Werner Staatssekretär a. D. (Vom 7. Dezember 1966 bis 31. Dezember 1967 Chef des Bundeskanzleramts) Langkau Wolfgang Brigadegeneral a. D. (Von 1959 bis 30. Juni 1968 Leiter der Beschaffung des Bundesnachrichtendienstes) Leber Georg Bundesminister der Verteidigung Lindemann Gerdt Regierungsdirektor im Bundesamt für Verfassungsschutz Lucha Franz Verwaltungsangestellter im Bundesnachrichtendienst Meier Dr. Richard Erster Direktor im Bundesnachrichtendienst, Leiter der Beschaffung im Bundesnachrichtendienst seit Mai 1970 (Von Februar 1964 bis 30. April 1970 Leiter der Abteilung Spionageabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz) Mercker Dr. Reinhold Staatssekretär a. D. (Seit 1956 zunächst als Unterabteilungsleiter, dann als Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt und später als Gut- achter mit Fragen des Geheimschutzes und der Organi- sation der Nachrichtendienste befaßt) Merz Ludwig Direktor im Bundesnachrichtendienst, Geheimschutzbeauftragter im Bundesnachrichtendienst Neusel Hans Ministerialdirigent, seit 1973 Persönlicher Referent des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Nollau Dr. Günter Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Ohlsson Karl-Heinz Ministerialdirigent, seit 22. Oktober 1969 Leiter der u. a. für Personalangelegenheiten zuständigen Gruppe des Bun- deskanzleramts Ordolff Wolfgang Ministerialrat, seit 27. November 1969 Personalreferent im Bundeskanzleramt, zunächst nur für den einfachen bis gehobenen Dienst Otto Dr. Hans Leitender Regierungsdirektor im Bundesamt für Verfas- sungsschutz Paul Erwin Ministerialrat, Geheimschutz- und Sicherheitsbeauftragter im Bundesministerium des Innern Rafoth Dr. Heinz Oberst, Leiter des Verbindungsbüros des Bundesnachrich- tendienstes in Bonn Rausch Albert Direktor beim Bundesamt für Verfassungsschutz, Leiter der Abteilung Spionageabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz Reitzer Gisela Sekretärin im Auswärtigen Amt (Von 1969 bis Mai 1974 im Ministerbüro des Bundesmini- sters des Innern) Rieck Herbert Erster Direktor im Bundesnachrichtendienst, Leiter der Zentralabteilung Rosenthal Walther Leitender Regierungsdirektor im Gesamtdeutschen Institut (dem früheren Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juri- sten) Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

noch Anlage 1

Name Vorname Beruf und frühere Tätigkeit (in Klammern)

Schaub Heinrich Regierungsamtmann im Bundesamt für Verfassungsschutz Schlichter Franz Ministerialdirigent, ab 22. Oktober 1969 Leiter der für die Dienstaufsicht über den Bundesnachrichtendienst und bis zum 31. Mai 1973 auch für den Geheimschutz zustän- digen Gruppe im Bundeskanzleramt Schoregge Heinrich Regierungsoberamtsrat im Bundesamt für Verfassungs- schutz S. Bundesnachrichtendienst Schrubbers Hubert (Von 1955 bis 30. April 1972 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz) Seemann Dr. Klaus Ministerialrat, seit 2. Dezember 1965 Mitglied des Perso- nalrats im Bundeskanzleramt Smoydzin Werner Ministerialdirektor, Abteilungsleiter Öffentliche Sicherheit im Bundesministe- rium des Innern Weiß Kurt Erster Direktor im Bundesnachrichtendienst, zunächst Stellvertreter, dann von Juli 1968 bis 30. April 1970 Leiter der Beschaffung im Bundesnachrichtendienst Watsehounek Hans Leitender Regierungsdirektor im Bundesamt für Verfas- sungsschutz Wegener Werner Regierungsdirektor im Bundesamt für Verfassungsschutz Wehner Herbert Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion Wessel Gerhard Präsident des Bundesnachrichtendienstes Wolk Walter Verwaltungsangestellter im Bundesamt für Verfassungs- schutz Zachmann Eberhard Senatsdirigent beim Senator für Inneres Berlin Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode

Anlage 2

2. Untersuchungsausschuß des 7. Deutschen Bundestages

Erster Beweisbeschluß vom 21. Juni 1974 in der Fassung vom 3. Juli 1974

Es soll Beweis erhoben werden, 9. in welchem Umfang sich Guillaume Zugang zu geheimen Akten oder Unterlagen verschaffen 1. ob im Bundeskanzleramt und im Bundesmini- konnte, sterium des Innern sowie in deren Geschäfts- bereichen Beschäftigte eingestellt oder umge- 10. in welchem Umfang Guillaume über politische setzt worden sind, obwohl Absichten des Bundeskanzlers und der Bundes- regierung oder sonstige nachrichtendienstlich a) gegen ihre Einstellung oder ihre Verwen- wertvolle Vorgänge informiert war, dung auf bestimmten Dienstposten aufgrund der geltenden Sicherheitsrichtlinien des Bun- 11. welche Vorkehrungen nach Bekanntwerden des von den für die Sicherheitsüberprüfung konkreter Verdachtsmomente gegen Guillaume zuständigen Stellen Einwendungen oder im Bundeskanzleramt getroffen worden sind, um Vorbehalte geltend gemacht wurden oder bei ihm den Zugang zu den in Ziffern 9 und 10 strikter Einhaltung und voller Anwendung genannten Erkenntnisquellen zu verwehren, der Richtlinien hätten geltend gemacht wer- den müssen, 12. in welchem Umfang nach diesem Zeitpunkt b) ihre fachlichen Qualifikationsnachweise den gleichwohl geheime Unterlagen für Guillaume geltenden beamtenrechtlichen oder tarif- zugänglich gewesen oder zugänglich gemacht lichen Erfordernissen nicht genügten, worden sind,

2. welches die Gründe für solche Einstellungen 13. von welchem Zeitpunkt ab und auf welche oder Umsetzungen waren und wer für sie ver- Weise Guillaume observiert worden ist, antwortlich war, 14. ob im Bundeskanzleramt und im Bundesministe- 3. ob es zutrifft, daß bei der Anstellung des unter rium des Innern sowie in deren Geschäftsberei- Spionageverdacht verhafteten Günter Guillaume chen Akten, Schriftstücke oder sonstige Unter- im Bundeskanzleramt Hinweise nachrichten- lagen über politische Parteien, Vereinigungen dienstlicher Stellen vorlagen, die die Anstellung oder Personen und deren Kontakte oder Ver- Guillaumes unter dem Gesichtspunkt des Ge- bindungen, insbesondere zu kommunistischen heimschutzes als bedenklich erscheinen lassen, Regierungen, Parteien, Vereinigungen oder ihren Funktionären vernichtet, beiseitegeschafft 4. welchen Stellen und Personen derartige Hin- oder sonst der Verfügung der Stellen, bei denen weise bekanntgemacht worden sind, sie entstanden sind, entzogen worden sind,

5. ob und in welchem Umfang eventuellen Hinwei- sen auf eine frühere Agententätigkeit Guillau- und zwar zunächst durch Beiziehung folgender mes während seiner Beschäftigungszeit bei dem Akten: ostzonalen Verlag „Volk und Wissen" nachge- gangen worden ist, 1. die Personalakten des Bundeskanzleramtes betr. Günter Guillaume, 6. wer gegebenenfalls veranlaßt hat, daß in dieser Richtung weitere Nachforschungen unterblieben 2. die Sicherheitsakten des Bundeskanzleramtes sind, betr. Günter Guillaume,

7. ob bei der Berufung Guillaumes als Referent 3. die Sicherheitsakten des Bundesamtes für Ver- in das Büro des Bundeskanzlers eine neuerliche fassungsschutz betr. Günter Guillaume, Sicherheitsüberprüfung vorgenommen worden oder aus welchen Gründen gegebenenfalls eine 4. die Fallakten des Bundesamtes für Verfassungs- erneute Überprüfung unterblieben ist, schutz Abt. IV betr. Günter Guillaume, soweit sie vor dem 1. März 1974 entstanden sind, 8. zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang dem früheren Bundeskanzler Verdachtsmomente 5. die Sachakten des Bundesamtes für Verfas- gegen seinen Referenten Guillaume von wem sungsschutz über den Verlag „Volk und Wis- mitgeteilt worden sind, sen", Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

no ch Anlage 2

6. die Akten des Bundesministeriums des Innern 9. die Akten des Bundesnachrichtendienstes zur über Günter Guillaume, soweit sie vor dem Person des Günter Guillaume, soweit sie vor 1. März 1974 entstanden sind, dem 1. März 1974 entstanden sind,

7. die Akten des Bundeskriminalamtes, Abt. 10. die Sachakten des Bundesnachrichtendienstes Staatsschutz, die im Zusammenhang mit den über den Verlag „Volk und Wissen" in Ost- vom Bundeskanzleramt im Jahre 1969/Anfang berlin, 1970 veranlaßten Sicherheitsüberprüfungen des Günter Guillaume entstanden sind, 11. die Protokolle des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Akten des Generalstaatsanwalts beim Ober- über die Vernichtung, Beiseiteschaffung oder landesgericht Frankfurt/Main in Sachen Siberg, Abgabe von Akten und sonstigen Unterlagen, soweit sie sich auf die Vernehmung des Günter Guillaume beziehen, 12. die Akten des Polizeipräsidenten in Berlin über Guillaume, die Akten des Generalbundesanwalts in Sachen Gronau, soweit sie sich auf die Vernehmung 13. die Akten und sonstigen Vorgänge des Unter- des Günter Guillaume beziehen, sowie den von suchungsausschusses freiheitlicher Juristen zum einem Kurier stammenden Zettel, auf dem der Ostberliner Verlag „Volk und Wissen" und zur Name Guillaume zu finden ist, Person des Günter Guillaume.

8. die Akten des Notaufnahmelagers Gießen betr. Änderungen und Ergänzungen dieses Beweisbe- Günter Guillaume, schlusses bleiben vorbehalten.

Beglaubigt: (Oberamtsrat)

gez. Dr. Wallmann Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode noch Anlage 2

2. Untersuchungsausschuß des 7. Deutschen Bundestages

Zweiter Beweisbeschluß vom 21. Juni 1974 in der Fassung vom 3. Juli 1974

A. Es soll Beweis erhoben werden über folgende II. Fragen: 1. Sind im Bundeskanzleramt und im Bundesmini- I. sterium des Innern sowie in deren Geschäftsbe- reichen Akten, Schriftstücke oder sonstige Unter- 1. Sind im Bundeskanzleramt und im Bundesmini- lagen über politische Parteien, Vereinigungen sterium des Innern sowie in deren Geschäftsbe- oder Personen und deren Kontakte oder Verbin- reichen Beschäftigte eingestellt oder umgesetzt dungen, insbesondere zu kommunistischen Regie- worden, obwohl gegen ihre Einstellung oder ihre rungen, Parteien, Vereinigungen oder ihren Verwendung auf bestimmten Dienstposten auf- Funktionären, angelegt, vernichtet, beiseitege- grund der geltenden Sicherheitsrichtlinien des schafft oder sonst der Verfügung der Stellen, bei Bundes von den für die Sicherheitsprüfung zu- denen sie entstanden sind, entzogen worden? ständigen Stellen Einwendungen oder Vorbe- halte geltend gemacht wurden oder bei strikter Aus welchen Gründen und Zwecken ist dies ge- Einhaltung und voller Anwendung der Richt- schehen? linien hätten geltend gemacht werden müssen? Wer war dafür verantwortlich?

2. Welches waren die Gründe für solche Einstel- 2. Welche Vorschriften bestanden und bestehen lungen und Umsetzungen, und wer war für sie über die Vernichtung von amtlichem Schriftgut? verantwortlich?

3. Welche Richtlinien und sonstigen Vorschriften III. für die Sicherheitsüberprüfungen von Beschäftig- ten des Kanzleramtes und des Bundesministe- 1. Sind im Bundeskanzleramt und im Bundesmini- riums des Innern sowie ihrer Geschäftsbereiche sterium des Innern sowie in deren Geschäftsbe- haben bestanden und bestehen; wann und aus reichen Beschäftigte eingestellt oder umgesetzt welchen Gründen wurden sie geändert und in- worden, obwohl ihre fachlichen Qualifikations- wieweit bestanden und bestehen Unterschiede zu nachweise den geltenden beamtenrechtlichen den Richtlinien anderer oberster Bundesbehörden und tariflichen Erfordernissen nicht genügten? und ihrer Geschäftsbereiche? 2. Welches waren die Gründe für solche Einstel- 4. Wer war und ist für die Sicherheitsüberprüfung lungen und Umsetzungen, und wer war für sie der unter Nummer 3 angegebenen Beschäftigten verantwortlich? zuständig? Wurden diese Zuständigkeiten geändert? Gege- 3. Welche Qualifikationen für Beamte und Ange- benenfalls wann und aus welchem Grunde? stellte des Kanzlerbüros bzw. des Ministerbüros des Bundesministers des Innern waren und sind 5. Für welche Dienstposten im Bundeskanzleramt, nachzuweisen? im Bundesministerium des Innern und ihrer Ge- In welchen Fällen und warum wurde hiervon schäftsbereiche waren und sind Sicherheitsüber- abgewichen? prüfungen von VS-Vertraulich aufwärts erforder- lich? 4. Welche Mitwirkungsrechte hatten und haben

6. Welche Beschäftigten des Bundeskanzleramtes, — der Bundespersonalausschuß, des Bundesinnenministeriums und ihrer Ge- — die Personalräte des Bundeskanzleramts und schäftsbereiche sind wegen Spionage oder Agen- des Bundesministeriums des Innern sowie tentätigkeit oder des Verdachts der Spionage deren Geschäftsbereiche oder Agententätigkeit aus dem Dienst ausge- bei der Einstellung, Beförderung, Versetzung schieden oder anderweitig verwendet worden? und Entlassung von Beamten und Angestellten? In welchen Fällen kann der Tod einer solchen In welchen Fällen und warum ist es zu Kon- Person damit in Zusammenhang gebracht wer- flikten zwischen Personalrat und Dienstbehörde den? gekommen? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

noch Anlage 2

IV. 1. Beide Teile des Berichts des 2. Untersuchungs- ausschusses der 5. Legislaturperiode sowie sämt- 1. Trifft es zu, daß bei der Einstellung des unter liche dazugehörenden Unterlagen (Hirsch-Be- Spionageverdacht verhafteten Günter Guillaume richt) ; im Bundeskanzleramt Hinweise nachrichten- dienstlicher Stellen vorlagen, die die Anstel- 2. der Bericht über Tätigkeiten des Bundesnach- lung Guillaumes unter dem Gesichtspunkt des richtendienstes, den Staatssekretär a. D. Dr. Geheimschutzes als bedenklich erscheinen Reinhold Mercker erstattet hat; ließen? 3. die Sachakten des Bundeskanzleramts und des 2. Welchen Stellen und Personen sind derartige Bundesministeriums des Innern über Sicher- Hinweise bekanntgemacht worden? heitsrichtlinien und entsprechende Vorschriften und Anweisungen einschließlich der Akten, die 3. Ist und gegebenenfalls in welchem Umfang ist Gründe über ihre Änderung enthalten; dies gilt eventuellen Hinweisen auf eine frühere Agen- auch für die entsprechenden Akten des Bundes- tentätigkeit Guillaumes während seiner Be- nachrichtendienstes und des Bundesamtes für schäftigungszeit bei dem Ostberliner Verlag Verfassungsschutz; „Volk und Wissen" nachgegangen worden? 4. eine Aufstellung über die Personalakten und 4. Wer hat gegebenenfalls veranlaßt, daß in die- Sicherheitsakten der wegen Spionage oder ser Richtung Nachforschungen unterblieben Agententätigkeit oder des Verdachts der Spio- sind? nage oder Agententätigkeit aus dem Dienst aus- geschiedenen und unter Nummer I. 6 genannten 5. Ist bei der Berufung Guillaumes als Referent in Personen; das Büro des Bundeskanzlers eine erneute Sicherheitsüberprüfung vorgenommen worden? 5. eine Darstellung des Verfahrens bei der Beset- Aus welchen Gründen ist gegebenenfalls eine zung von Dienstposten zunächst im Bundes- solche unterblieben? kanzleramt, des Ministerbüros, der Abteilung Offentliche Sicherheit und der Leitungen der 6. Zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang Abteilungen des Bundesministeriums des Innern sind dem früheren Bundeskanzler Verdachts- einschließlich der im Bundesministerium des momente gegen seinen Referenten Guillaume Innern aufgegangenen früher selbständigen von wem mitgeteilt worden? obersten Bundesbehörden sowie deren Ge- schäftsbereiche unter Schilderung der Beteili- 7. In welchem Umfang konnte sich Guillaume Zu- gung der Personalvertretungen und des Bundes- gang zu geheimen Akten oder Unterlagen ver- personalausschusses; schaffen? 6. 8. In welchem Umfang war Guillaume über poli- die Personalakten des Bundeskanzleramts betr. Günter Guillaume; tische Absichten des früheren Bundeskanzlers und der Bundesregierung oder über sonstige 7. die Sicherheitsakten des Bundeskanzleramtes nachrichtendienstlich wertvolle Vorgänge infor- betr. Günter Guillaume; miert? 9. Welche Vorkehrungen sind nach Bekanntwer- 8. die Sicherheitsakten des Bundesamtes für Ver- den konkreter Verdachtsmomente gegen Guil- fassungsschutz betr. Günter Guillaume; laume im Bundeskanzleramt getroffen worden, 9. die Fallakten des Bundesamtes für Verfassungs- um ihm den Zugang zu den in den Nummern 7 schutz, Abt. IV, betr. Günter Guillaume, soweit und 8 genannten Erkenntnisquellen zu verweh- sie vor dem 1. März 1974 entstanden sind; ren? 10. In welchem Umfang sind nach diesem Zeitpunkt 10. die Akten des Bundesministeriums des Innern gleichwohl geheime Unterlagen für Guillaume über Günter Guillaume, soweit sie vor dem zugänglich gewesen oder zugänglich gemacht 1. März 1974 entstanden sind; worden? 11. die Akten des Bundesnachrichtendienstes zur 11. Ab wann und in welcher Weise wurde Guil- Person des Günter Guillaume, soweit sie vor laume observiert? dem 1. März 1974 entstanden sind;

12. die Akten des Notaufnahmelagers Gießen betr. V. Günter Guillaume;

Die Beweise zu den Nummern I, II und III werden 13. die Akten des Polizeipräsidenten von Berlin für die Zeit ab 1949 erhoben. betr. Günter Guillaume;

B. Die Beweise sollen zunächst durch Beiziehung 14. die Akten des Landesamtes für Verfassungs- folgender Unterlagen erhoben werden: schutz Berlin betr. Günter Guillaume; Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode noch Anlage 2

15. die Akten und Vorgänge des Untersuchungs- ausschusses freiheitlicher Juristen zum Ostber- liner Verlag „Volk und Wissen" zur Person des Günter Guillaume;

16. die Vorschriften über die Vernichtung von amt- lichem Schriftgut, insbesondere die Vorschriften über die Vernichtung von Geheimsachen;

17. die Protokolle über die Vernichtung der in A II. 1. angeführten Akten und Schriftstücke.

Änderungen und Ergänzungen dieses Beweisbe- schlusses bleiben vorbehalten.

beglaubigt: (Oberamtsrat)

gez. Dr. Wallmann Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

noch Anlage 2

2. Untersuchungsausschuß des 7. Deutschen Bundestages

Dritter Beweisbeschluß vom 14. August 1974 in der Fassung vom 5. Dezember 1974

Es soll Beweis darüber erhoben werden, 8. für welche Dienstposten im Bundeskanzleramt, im Bundesministerium des Innern und ihren 1. welche Qualifikationen für Beamte und Ange- Geschäftsbereichen Sicherheitsüberprüfungen stellte des Kanzlerbüros und des Ministerbüros von VS-Vertraulich aufwärts erforderlich waren des Bundesministeriums des Innern nachzuwei- und sind, sen waren und sind, in welchen Fällen und warum davon abgewichen 9. ob es zutrifft, daß bei der Einstellung Günter wurde, Guillaumes im Bundeskanzleramt Hinweise nachrichtendienstlicher Stellen vorlagen, die 2. ob im Bundeskanzleramt und im Bundesmini- seine Einstellung unter dem Gesichtspunkt des sterium des Innern sowie in deren Geschäfts- Geheimschutzes als bedenklich erscheinen lie- bereichen Beschäftigte eingestellt oder umge- ßen, setzt worden sind, obwohl ihre fachlichen Qua- lifikationsnachweise den geltenden beamten- 10. welchen Stellen und Personen derartige Hin- rechtlichen und tarifrechtlichen Erfordernissen weise bekanntgemacht worden sind, nicht genügten, 11. wann dem Bundesamt für Verfassungsschutz, 3. welches die Gründe für solche Einstellungen dem Bundesnachrichtendienst und der Siche- oder Umsetzungen waren und wer für sie ver- rungsgruppe des Bundeskriminalamtes der antwortlich war, Wortlaut des Schreibens des Untersuchungs- ausschusses freiheitlicher Juristen vom 22. No- 4. welche Mitwirkungsrechte der Bundespersonal- vember 1955 zur Kenntnis gelangt ist, ausschuß, die Personalräte des Bundeskanzler- amtes und des Bundesministeriums des Innern warum sich die genannten Behörden mit dem sowie deren Geschäftsbereiche bei der Einstel- Hinweis auf dieses Schreiben begnügt haben, lung, Beförderung, Versetzung und Entlassung welche Bemühungen unternommen worden sind, von Beamten und Angsetellten hatten und um den vollen Text dieses Schreibens vom Ge- haben, samtdeutschen Institut oder vom Polizeipräsi- in welchen Fällen und warum es zu Konflikten denten in Berlin zu erhalten, zwischen Personalrat und Dienstbehörde gekom- aus welchen Gründen dieses Schreiben vom men ist, Polizeipräsidenten in Berlin und vom Gesamt- 5. ob es zutrifft, daß Günter Guillaume im Bundes- deutschen Institut nicht im Wortlaut weiterge- kanzleramt eingestellt worden ist, obwohl seine geben worden ist, fachliche Qualifikation nicht den geltenden dienstrechtlichen oder tarifrechtlichen Erforder- 12. ob und in welchem Umfang eventuellen Hinwei- nissen entsprach, sen auf eine frühere Agententätigkeit Günter Guillaumes während seiner Beschäftigungszeit 6. ob im Bundeskanzleramt und im Bundesministe- beim Ostberliner Verlag „Volk und Wissen" rium des Innern sowie in deren Geschäftsberei- nachgegangen worden ist, chen Beschäftigte eingestellt oder umgesetzt worden sind, obwohl gegen ihre Einstellung 13. wer gegebenenfalls veranlaßt hat, daß in dieser oder ihre Verwendung auf bestimmten Dienst- Richtung weitere Nachforschungen unterblieben posten aufgrund der geltenden Sicherheitsricht- sind, linien des Bundes von den für die Sicherheits- 14. warum die beim Bundesnachrichtendienst und überprüfung zuständigen Stellen Einwendungen beim Bundesamt für Verfassungsschutz vorhan- oder Vorbehalte geltend gemacht wurden oder denen Vorgänge über den Verlag „Volk und bei strikter Einhaltung und voller Anwendung Wissen" nicht beigezogen, genau ausgewertet der Richtlinien hätten geltend gemacht werden und gegebenenfalls damals dem Bundeskanzler- müssen, amt vorgelegt worden sind, 7. welches die Gründe für solche Einstellungen welche Personen beim Bundesnachrichtendienst und Umsetzungen waren und wer für sie verant- und beim Bundesamt für Verfassungsschutz da- wortlich war, für verantwortlich waren, Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode noch Anlage 2

15. ob bei der Berufung Günter Guillaumes als Re- dachtsmomente gegen Günter Guillaume er- ferent in das Büro des Bundeskanzlers eine er- wogen worden sind, neute Sicherheitsüberprüfung vorgenommen wie es zu der Empfehlung kam, Günter Guil- worden oder aus welchen Gründen eine erneute 25. laume im Kanzleramt weiter zu beschäftigen, Überprüfung unterblieben ist, 26. ob zwischen der Leitung des Bundesamtes für 16. zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang Verfassungsschutz (Präsident Dr. Nollau, Vize- der frühere Bundeskanzler oder Mitglieder der präsident Bardenhewer), der Abteilung IV Bundesregierung oder Mitglieder von Fraktio- des Bundesamtes, dem Bundesministerium des nen des Deutschen Bundestages über Verdachts- Innern und dem Bundeskanzleramt Einverneh- momente gegen Günter Guillaume unterrichtet men über die Weiterbeschäftigung Günter Guil- worden sind, laumes bestand, 17. welche Vorkehrungen nach Bekanntwerden kon- ob die Weiterbeschäftigung Günter Guillaumes kreter Verdachtsmomente gegen Günter Guil- 27. uneingeschränkt oder unter dem Vorbehalt von laume getroffen worden sind, um ihm den Zu- zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen empfoh- gang zu geheimen Akten und Unterlagen zu len wurde, verwehren, 28. welches die Gründe für diese Empfehlung waren, 18. ob im Bundeskanzleramt und im Bundesministe- rium des Innern sowie in deren Geschäftsberei- 29. ob Mängel in der Koordination zwischen dem chen Akten, Schriftstücke oder sonstige Unter- Bundesnachrichtendienst und dem Verfassungs- lagen über politische Parteien, Vereinigungen schutz und in der internen Organisation und oder Personen und deren Kontakte und Verbin- Koordination dieser Dienste bewirkt haben, daß dungen, insbesondere zu kommunistischen Re- um die Jahreswende 1969/1970 etwa vorhan- gierungen, Parteien, Vereinigungen oder ihren dene nachrichtendienstliche Hinweise bei der Funktionären angelegt, vernichtet, beiseitege- Einstellung Günter Guillaumes unter Sicher- schafft oder sonst der Verfügung der Stellen, bei heitsgesichtspunkten nicht berücksichtigt wur denen sie entstanden sind, entzogen worden den, sind, aus welchen Gründen und Zwecken dies gesche- 30. zu welchem Zeitpunkt, mit welchem Inhalt und hen ist, durch wen der damalige Bundesminister des wer dafür verantwortlich war, Innern von den Verdachtsmomenten gegen Gün- ter Guillaume unterrichtet worden ist, a) ob der Präsident des Bundesamtes für Ver- 19. 31. zu welchem Zeitpunkt, mit welchem Inhalt und fassungsschutz, Dr. Nollau, Vermerke über durch wen der damalige Bundeskanzler von den seine Gespräche angefertigt hat, die er am Verdachtsmomenten gegen Günter Guillaume 4. Juni 1973, im September 1973 und im unterrichtet worden ist, Februar 1974 mit dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herbert Wehner, in Sachen Guil- 32. wann und in welcher Weise der damalige Chef laume geführt hat, des Bundeskanzleramts Kenntnis von den Ver- b) welchen Inhalt diese Gespräche hatten, dachtsmomenten erhalten hat, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt 20. warum die Abteilung IV des Bundesamtes für 33. Verfassungsschutz ihre Erkenntnisse über den nach dem Mai 1973 zwischen dem Bundesmini- Verlag „Volk und Wissen" nicht zur Verkartung sterium des Innern und dem Bundesamt für Ver- an die Zentralkartei des Bundesamtes gegeben fassungsschutz Kontakte über den Stand der Aufklärung der Verdachtsmomente gegen Gün- hat, ter Guillaume stattgefunden haben, - 21. wann die ersten Verdachtsmomente gegen Gün- welche Personen in diesen beiden Behörden der- ter Guillaume im Bundesamt für Verfassungs- artige Nachfragen bzw. Gespräche geführt schutz angefallen sind, haben, 22. wann das Bundesamt für Verfassungsschutz zu 34. zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt der Auffassung kam, Günter Guillaume und Kontakte zwischen dem Bundeskanzleramt und seine Ehefrau seien als Agenten des Ministe- dem Bundesministerium des Innern nach dem riums für Staatssicherheit aus der sowjetischen Mai 1973 über den Stand der Aufklärung der Besatzungszone in die Bundesrepublik Deutsch- Verdachtsmomente gegen Günter Guillaume land eingeschleust worden, stattgefunden haben, 23. aufgrund welcher Erkenntnisse das Bundesamt welche Personen in diesen beiden Behörden der- für Verfassungsschutz zu dieser Auffassung artige Nachfragen bzw. Gespräche geführt kam, haben, 24. welche Maßnahmen im Bundesamt für Verfas- 35. inwieweit es Empfehlungen für Günter Guil- sungsschutz nach dem Vorliegen dieser Ver laume oder Informationen über seine Fähigkei- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

noch Anlage 2

ten und seine charakterliche Eignung anläßlich Walther Rosenthal, Ltd. Regierungsdirektor seiner Einstellung in das Bundeskanzleramt von Gesamtdeutsches Institut Personen gegeben hat, die ihn aufgrund seiner 1 Berlin 15, Bundesallee 216-218 Tätigkeit als Geschäftsführer des SPD-Unterbe- zirks Frankfurt/Main und später der SPD-Stadt- Eberhard Zachmann, Senatsdirigent, verordneten-Fraktion in Frankfurt/Main kann- Senator für Inneres ten, 1 Berlin 30, Fehrbelliner Platz 2 36. welchen Inhalt derartige Empfehlungen und In- zu 9., 10., 12. und 13. formationen hatten, 37. bei wem die Verantwortung für die Einstellung Dr. , MdB Guillaumes unter dem Gesichtspunkt des Ge- — Staatssekretär a. D. — heimschutzes nach den im Jahre 1970 geltenden 2940 Wilhelmshaven, Ulmenstraße 1 c Sicherheitsrichtlinien lag, 38. ob die dem Bundeskanzleramt vorliegenden zu 9., 10., 12. bis 14. nachrichtendienstlichen Erkenntnisse Anlaß ge- Prof. Dr. , MdB boten hätten, von der Einstellung Günter Guil- — Bundesminister a. D. — laumes abzusehen, 534 Bad Honnef-Rhöndorf, 39. ob die Handhabung des Bundeskanzleramtes in- Dr.-Konrad-Adenauer-Straße 19 soweit der bei Personaleinstellungen ständig geübten Praxis entsprach, zu 9. bis 14. 40. ob es Hinweise dafür gibt, daß die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten des Kanzler- Wolfgang Bürger, Oberregierungskriminalrat a. D. amtes, gegen die Einstellung Günter Guillaumes 53 Bonn-Bad Godesberg, Niersteiner Straße 1 trotz vorliegender nachrichtendienstlicher Er- Heinz Hagemann, Regierungsdirektor kenntnisse keine Bedenken zu erheben und wei- Bundesnachrichtendienst tere Ermittlungen nicht abzuwarten, unter dem 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße Eindruck mehrfacher Anmahnungen zustande kam? Johann Gottlieb Hermenau, Direktor a. D. 5541 Kobscheid/über Auw Werner Hoch, Oberregierungsrat durch Vernehmung als Zeuge Bundesamt für Verfassungsschutz 5 Köln 30, Barthelstraße 75 zu 5. Franz Lucha, Verwaltungsangestellter Bundesnachrichtendienst Prof. Dr. Horst Ehmke, MdB 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße — Bundesminister a. D. — 534 Bad Honnef-Rhöndorf, Dr. Heinz Rafoth, Oberst Dr.-Konrad-Adenauer-Straße 19 Bundesnachrichtendienst 53 Bonn-Bad Godesberg, Im Gries 22 Dr. Herbert Ehrenberg, MdB — Staatssekretär a. D. — Heinrich Schaub, Regierungsamtmann 2940 Wilhelmshaven, Ulmenstraße 1 c Bundesamt für Verfassungsschutz 5 Köln 30, Barthelstraße 75 Dr. Ernst Kern, Ministerialdirektor 53 Bonn, Bundeskanzleramt Werner Wegener, Oberregierungsrat - Bundesamt für Verfassungsschutz Georg Leber, Bundesminister der Verteidigung 5 Köln 30, Barthelstraße 75 53 Bonn, Hardthöhe Gerhard Wessel, Präsident des Bundes- Karl Heinz Ohlsson, Ministerialdirigent nachrichtendienstes 53 Bonn, Bundeskanzleramt 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße Wolfgang Ordolff, Ministerialrat Walter Wolk, Verwaltungsangestellter 53 Bonn, Bundeskanzleramt Bundesamt für Verfassungsschutz Dr. Klaus Seemann, Ministerialrat 5 Köln 30, Barthelstraße 75 53 Bonn, Bundeskanzleramt zu 9. bis 15. zu 9. bis 13. Roderich Fabian, Direktor Hugo Boehlke, Polizeiamtsrat a. D. Bundesamt für Verfassungsschutz 1 Berlin 37, Gilgestraße 12 5 Köln 30, Barthelstraße 75 Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode noch Anlage 2

Ulrich Hollenbach, Regierungsdirektor Kurt Weiß, Erster Direktor, Bundesnachrichtendienst 53 Bonn, Bundeskanzleramt 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße

Gerdt Lindemann, Oberregierungsrat Gerhard Wessel, Präsident des Bundesamt für Verfassungsschutz Bundesnachrichtendienstes 5 Köln 30, Barthelstraße 75 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße

Dr. Günther Nollau, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu 19 a und b 5 Köln 30, Barthelstraße 75 Dr. Günther Nollau, Präsident des Dr. Hans Otto, Ltd. Regierungsdirektor Bundesamtes für Verfassungsschutz Bundesamt für Verfassungsschutz 5 Köln 30, Barthelstraße 75 5 Köln 30, Barthelstraße 75 zu 19 Franz Schlichter, Ministerialdirigent b 53 Bonn, Bundeskanzleramt Herbert Wehner Hubert Schrubbers, Präsident a. D. Vorsitzender der SPD-Fraktion des des Bundesamtes für Verfassungsschutz Deutschen Bundestages 5 Köln 31, Mörickestraße 12 53 Bonn, Bundeshaus zu 16. zu 20.

Dr. Günther Nollau, Präsident Dr. Richard Meier, Erster Direktor, des Bundesamtes für Verfassungsschutz Bundesnachrichtendienst 5 Köln 30, Barthelstraße 75 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße Hubert Schrubbers, Präsident a. D. zu 18. des Bundesamtes für Verfassungsschutz 5 Köln 51, Mörickestraße 12 Egon Bahr, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit 53 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 114-116 zu 20 bis 28. Zeuge C., Bundesnachrichtendienst Helmut Bergmann, Regierungsrat 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße Bundesamt für Verfassungsschutz 5 Köln 30, Barthelstraße 75 Professor Dr. , Staatssekretär a. D., Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion Dr. Günther Nollau, Präsident des des Deutschen Bundestages Bundesamtes für Verfassungsschutz 53 Bonn, Bundeshaus 5 Köln 30, Barthelstraße 75

Professor Dr. Horst Ehmke, MdB Albert Rausch, Direktor — Bundesminister a. D. — Bundesamt für Verfassungsschutz 534 Bad Honnef-Rhöndorf, 5 Köln 30, Barthelstraße 75 Dr.-Konrad-Adenauer-Straße 19 Heinrich Schoregge, Regierungsoberamtsrat Reinhard Gehlen, Präsident a. D. Bundesamt für Verfassungsschutz des Bundesnachrichtendienstes 5 Köln 30, Barthelstraße 75 8131 Berg am Starnberger See, Waldstraße 27-29 Wilhelm-Friedrich Höffer von Loewenfeld, Hans Watschounek, Ltd. Regierungsdirektor Oberstleutnant a. D. Bundesamt für Verfassungsschutz 8 München 40, Düsseldorfer Straße 9 5 Köln 30, Barthelstraße 75 Zeugin K., Bundesnachrichtendienst 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße zu 21. bis 28. Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger, MdB Hans Bardenhewer, Vizepräsident - Bundeskanzler a. D. — des Bundesamtes für Verfassungsschutz 47 Tübingen, Engelfriedshalde 48 5 Köln 30, Barthelstraße 75 Wolfgang Langkau, Brigadegeneral a. D. 8 München 40, Thiemestraße 7 zu 30. Zeugin S., Bundesnachrichtendienst Gisela Reitzer, Sekretärin 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße 53 Bonn, Auswärtiges Amt Deutscher: Bundestag - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

noch Anlage 2 zu 30., 31. und 33. zu6. bis 8. Dr. Günther Nollau, Präsident des Ludwig Merz, Direktor Bundesamtes für Verfassungsschutz Bundesnachrichtendienst 5 Köln 30, Barthelstraße 75 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße Erwin Paul, Ministerialrat zu 30. bis 34. Bundesministerium des Innern Willy Brandt, MdB 53 Bonn, Rheindorfer Straße — Bundeskanzler a. D. — 53 Bonn-Venusberg, Am Paulshof 15 zu 9. Hans Dietrich Genscher, Dr. Günther Nollau, Präsident des Bundesminister des Auswärtigen Bundesamtes für Verfassungsschutz 53 Bonn, Auswärtiges Amt 5 Köln 30, Barthelstraße 75 Horst Grabert, Botschafter Auswärtiges Amt zu 9. bis l5. 533 Vinxel, Im Herrengarten 17 Werner Smoydzin, Ministerialdirektor Dr. Klaus Kinkel, Ministerialdirigent 53 Bonn, Bundesministerium des Innern 53 Bonn, Auswärtiges Amt zu 18. zu 35. und 36. Dr. Reinhold Mercker, Staatssekretär a. D. Georg Leber, Bundesminister der Verteidigung 53 Bonn, Hittorfstraße 19 53 Bonn, Hardthöhe zu 20. zu 40. Hubert Schrübbers, Präsident a. D. Dr. , MdB — Ministerialrat a. D. — des Bundesamtes für Verfassungsschutz 6992 Weikersheim, Am Winterberg 1 5 Köln 51, Mörickestraße 12 Hans Neusel, Ministerialdirigent Werner Smoydzin, Ministerialdirektor 53 Bonn-Röttgen, Am Kottenforst 50 53 Bonn, Bundesministerium des Innern Franz Schlichter, Ministerialdirigent 53 Bonn, Bundeskanzleramt durch Beiziehung durch Vernehmung als Zeuge und/oder Sachverstän- zu 1. bis 3. diger einer Liste sämtlicher im Kanzlerbüro und im Mini- zu 29. sterbüro des Bundesministeriums des Innern seit Professor Dr. Horst Ehmke, MdB 1949 beschäftigten Referenten und Hilfsreferenten — Bundesminister a. D. — unter Angabe ihrer Aufgabenbereiche, 534 Bad Honnef-Rhöndorf, Dr.-Konrad-Adenauer-Straße 19 zu 1. bis 4. Karl Gumbel, Staatssekretär a. D. eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen 7801 Stegen über Freiburg, Andreasstraße 21 Ministerialdirigent Dr. Heinz Rolf Haacke im Bun- Dr. Werner Knieper, Staatssekretär a. D. desministerium der Finanzen 5 Köln-Marienburg, Ulmenallee 41 zu 4. durch Anhörung als Sachverständiger vom Bundeskanzleramt, dem Bundesministerium des Innern sowie den amtierenden Personalräten beider zu 1. bis 4. Häuser eine Liste über die im Bundeskanzleramt, im Alfred Dimpker, Ministerialrat Bundesministerium des Innern und in ihren Ge- Bundesministerium des Innern schäftsbereichen Eingestellten, die unter Mitwirkung 53 Bonn, Rheindorfer Straße des Bundespersonalausschusses übernommen oder auf höherwertige Dienstposten umgesetzt worden Herbert Rieck, Erster Direktor sind oder bei deren Einstellung oder Umsetzung es Bundesnachrichtendienst zu einem Konflikt mit dem Personalrat gekommen 8032 Pullach/b. München, Heilmannstraße ist, und zwar seit dem Jahre 1949, Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode noch Anlage 2 zu 6. bis 8. Sachen Guillaume an die SPD, die CDU, die CSU und die FDP bzw. an deren Fraktionen, sowie eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen über die Unterrichtung des Bundesministers des Ministerialrat Hans-Edgar Grünewald im Bundes- Innern über den Spionageverdacht gegen Guil- kanzleramt laume am 29. Mai 1973 gefertigt hat; zu 6. und 7. b) des Aktenvermerks, der über die Dienstbespre- chung des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Sicherheitsakten über folgende Personen: des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit den früher Bundeskanzleramt Abteilungsleitern am 28. Mai 1973 gefertigt wor- Erich Helbig den ist; Dr. c) des Aktenvermerks, den der frühere Bundeskanz- Kaiser ler Willy Brandt über die Unterrichtung durch Bundesinnenminister Genscher am 29. Mai 1973 Schwarz sowie die daran anschließenden Maßnahmen in bezug auf den Zugang Guillaumes zu geheimen früher Bundesnachrichtendienst Unterlagen und Vorgängen gefertigt hat. Hans Clemens Heinz Felfe zu 18. Dr. E. Klein 1. der Originale, gegebenenfalls der Duplikate und Fritz Scholz der Vernichtungsprotokolle der im Bundeskanz- leramt und dessen Geschäftsbereich vernichteten Dr. St. Akten, Erwin Tiebel 2. a) der Nachschrift des Tonbandes, auf das sich Horst Wendland Staatssekretär a. D. Prof. Dr. Karl Carstens W. (Fehmarn) in seiner Zeugenaussage am 10. Oktober 1974 bezogen hat; früher Bundesministerium des Innern b) des Vermerks, den Staatssekretär a. D. Prof. Willi Knipp Dr. Karl Carstens bei Übergabe der Geschäfte R. an Bundesminister Prof. Dr. Ehmke im Okto ber 1969 gefertigt hat; früher Bundesdisziplinarhof c) der Anlagen zu diesem Vermerk; Dr. B. d) insbesondere des Vermerks, den Staatssekre- früher Bundesamt für Verfassungsschutz tär a. D. Prof. Dr. Karl Carstens nach seinem Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Dr. Otto John Kiesinger über dessen Gespräch mit dem da- maligen. Ministerialdirektor Egon Bahr ange- früher Bundeskriminalamt fertigt hat. P. zu 29. zu 16. und 17.

der diesbezüglichen Teile des von Staatssekretär a) der Aktenvermerke, die Präsident Dr. Nollan seit a. D. Dr. Reinhold Mercker erstatteten Berichts über dem 1. Januar 1973 über seine Mitteilungen in Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes. -

beglaubigt: (Amtsrat)

gez.: Dr. Wallmann Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

Anlage 3

Zur Beweiserhebung beigezogene Akten, schriftliche Auskünfte und sonstige Unterlagen

Doku lfd. Absende- oder Inhalt Eingangsdatum Nr. er Numm

1 Schriftlicher Bericht des 2. Untersuchungsausschusses der vom 16. Mai 1969 V 4 5. Wahlperiode des Deutschen Bundestages — Drucksache V/4208 — („Hirsch-Bericht", Teil 1) 2 Schreiben des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses vom 21. Mai 1969 M der 5. Wahlperiode des Deutschen Bundestages an Bundes- kanzler Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger betr. Zusammenarbeit und Organisation der Nachrichtendienste („Hirsch-Bericht", Teil 2) 3 Unterlagen betr. Inoffizielle Besprechungen deutscher Sozial- am 20. Juni 1974 B 10 a demokraten mit leitenden Persönlichkeiten der KPI („Löwen- thal-Papiere") 4 Schreiben des Senators für Inneres von Berlin betr. Akten aus vom 12. Juli 1974 L 1 seinem Geschäftsbereich 5 Akten des Polizeipräsidenten in Berlin betr. Guillaume am 17. Juli 1974 L 2 6 Akten des Landesamtes für Verfassungsschutz Berlin betr. am 17. Juli 1974 L 3 Guillaume 7 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes betr. Akten aus vom 18. Juli 1974 A 1 seinem Geschäftsbereich 8 „Mercker-Bericht", Kurzfassung vom 27. August 1971 am 19. Juli 1974 A 2 9 Akte des Bundesnachrichtendienstes betr. Günter Guillaume am 19. Juli 1974 A 3 10 Sachakte des Bundesnachrichtendienstes betr. Verlag „Volk und am 19. Juli 1974 A 4 Wissen", Ostberlin 11 Sicherheitsakte des Bundeskanzleramtes betr. Günter Guillaume am 19. Juli 1974 A 5 12 Ermächtigung Guillaumes zum Umgang mit Verschlußsachen am 19. Juli 1974 A 6 bis zum Geheimhaltungsgrad „Geheim" vom 12. Mai 1970 und Belehrungsnachweise 13 Personalakte des Bundeskanzleramtes betr. Günter Guillaume am 19. Juli 1974 A 7 14 Sonderheft zur Personalakte Günter Guillaumes am 19. Juli 1974 A 8 15 Schreiben des Bundesministers des Innern betr. Akten aus sei- vom 19. Juli 1974 H 1 nem Geschäftsbereich 16 Vermerk über die Entwicklung des vorbeugenden personellen am 19. Juli 1974 H 2 Geheimschutzes seit Bestehen der Bundesrepublik 17 Aufstellung über die Personalakten und Sicherheitsakten der am 19. Juli 1974 H 3 seit dem Jahre 1949 wegen Spionage oder Agententätigkeit oder -ment des Verdachts der Spionage oder der Agententätigkeit aus dem Dienst des Bundesministeriums des Innern und seiner Geschäfts- bereiche ausgeschiedenen oder anderweitig verwendeten Per- sonen 18 Darstellung über die Verfahren der Besetzung von Dienst- am 19. Juli 1974 H 4 posten des Bundesministeriums des Innern und seines Geschäfts- bereichs 19 Vermerk des Bundesamtes für Verfassungsschutz über den Ver- am 19. Juli 1974 H 5 lag „Volk und Wissen", Ostberlin 20 Vermerk vom 29. Mai 1973 betr. Unterrichtung Bundesminister am 19. Juli 1974 H 6 Genschers über den Verdachtsfall Guillaume durch Präsident Dr. Nollau („Kinkel-Vermerk") 21 Sicherheitsakte des Bundeskriminalamtes — Abt. St. — betr. am 19. Juli 1974 H 7 Guillaume Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode noch Anlage 3

Doku lfd. Absende- oder Inhalt Nr. Eingangsdatum Nummer

22 Fallakte des Bundesamtes für Verfassungsschutz betr. Guillaume am 19. Juli 1974 I—K 23 Schreiben des Bundesministers für Innerdeutsche Beziehungen vom 19. Juli 1974 L 4 mit Unterlagen des Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen zum Ostberliner Verlag „Volk und Wissen" und zur Person Guillaumes 24 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes betr. Unterlagen vom 1. August 1974 B 1 aus seinem Geschäftsbereich 25 Aufstellung über die wegen Spionage- oder Agententätigkeit am 1. August 1974 B 2 oder des Verdachts der Spionage- oder Agententätigkeit aus dem Dienst des Bundeskanzleramtes und des Bundesnachrichten- dienstes ausgeschiedenen oder anderweitig verwendeten Per- sonen 26 Darstellung des Verfahrens bei der Besetzung von Dienstposten am 1. August 1974 B 3 im Bundeskanzleramt und im Bundesnachrichtendienst unter Schilderung der Beteiligung der Personalvertretungen und des Bundespersonalausschusses seit dem Jahre 1949 27 Darstellung über die Zusammenarbeit des Bundesnachrichten- am 1. August 1974 B 4 dienstes mit anderen Behörden des Bundes und der Länder bei Sicherheitsüberprüfungen vom 24. Juni 1974 28 Vorschriften des Bundeskanzleramtes und des Bundesnachrich- am 1. August 1974 B 5 tendienstes über die Vernichtung von amtlichem Schriftgut, ins- besondere die Vorschriften über die Vernichtung von Geheim- sachen 29 Von Präsident Wessel abgezeichnete Vernichtungsverhandlun- am 1. August 1974 B 6 a gen vom April 1970 und November/Dezember 1973 u. a. 30 Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft bei dem Landge- am 1. August 1974 B 6 b richt München vom 28. Dezember 1972 und Beschwerde-Ent- scheidung des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München vom 16. Januar 1973 betr. Anzeige gegen Bundes- minister Professor Ehmke wegen Verwahrungsbruchs 31 Schreiben des Bundesministers des Innern betr. u. a. Akten- vom 23. August 1974 I 1 unterlagen aus seinem Geschäftsbereich 32 Liste der Persönlichen Referenten der jeweiligen Bundesminister am 26. August 1974 I 2 des Innern und der Referenten und Hilfsreferenten des Minister- büros seit 1949 33 Aufstellung über Personalmaßnahmen im Geschäftsbereich des am 26. August 1974 I 3 Bundesministers des Innern unter Beteiligung des Bundesperso- nalausschusses

34 Aufstellung betr. Entscheidungen des Bundespersonalausschus--ment am 26. August 1974 I 4-6 ses über Anträge des Bundesministers des Innern auf Feststel- lung der Befähigung für eine bestimmte Laufbahn 35 Verzeichnis der im Geschäftsbereich des Bundesministeriums am 26. August 1974 I 7 des Innern üblichen Abkürzungen 36 Zusammenstellung dienstrechtlicher Vorschriften am 26. August 1974 I 8 37 Sicherheitsakte Willi Knipp am 26. August 1974 I 9 38 Auszug aus den Personalakten Dr. B's am 26. August 1974 I 10 39 Auszug sicherheitsrelevanter Vorgänge aus den Personalakten am 26. August 1974 I 11 Dr. Otto Johns 40 Personalunterlagen über R. am 26. August 1974 I 12 41 Sicherheitsakte P. am 26. August 1974 I 13 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

noch Anlage 3

Absende- oder lfd. Inhalt Doku Nr. Eingangsdatum Nummerment

42 Schreiben des Bundesministers des Innern betr. Unterlagen und vom 23. August 1974 IV 1 Erklärungen zur Vernichtung und Aussonderung von Verschluß- sachen 43 Die seit 1951 für die Bundesbehörden geltenden Vorschriften am 26. August 1974 IV 2 über die Vernichtung und Aussonderung von Verschlußsachen 44 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes betr. Aktenunter- vom 24. August 1974 II 1 lagen aus seinem Geschäftsbereich 45 Liste sämtlicher im Kanzlerbüro seit 1949 beschäftigten Referen- am 24. August 1974 II 2 ten und Hilfsreferenten unter Angabe ihrer Aufgabenbereiche 46 Liste über die im Bundeskanzleramt seit 1949 Eingestellten, die am 24. August 1974 II 3 unter Mitwirkung des Bundespersonalausschusses übernommen oder auf höherwertige Dienstposten umgesetzt worden sind oder bei deren Einstellung oder Umsetzung es zu einem Konflikt mit dem Personalrat gekommen ist 47 Sicherheitsvorgänge betr. Erich Helbig am 24. August 1974 II 4 48 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes betr. Aktenunter- vom 26. August 1974 B 7 lagen aus seinem Geschäftsbereich 49 Liste über die in den Bundesnachrichtendienst Eingestellten, die am 26. August 1974 B 8 mit Hilfe des Bundespersonalausschusses übernommen oder auf höherwertige Dienstposten umgesetzt worden sind, und zwar seit dem Jahre 1956 50 Sicherheitsakte betr. W. am 26. August 1974 C 51 Sicherheitsakte betr. Heinz Felfe am 26. August 1974 D 52 Sicherheitsakte betr. Hans Clemens am 26. August 1974 E 53 Sicherheitsakte betr. Horst Wendland am 26. August 1974 F 54 Sicherheitsakte betr. Fritz Scholz am 26. August 1974 G 55 Schreiben des Vorsitzenden des Personalrats im Bundeskanzler- vom 27. August 1974 III 1 amt 56 Liste der Personen, bei deren Einstellung oder Beförderung es am 27. August 1974 III 2 zu Konflikten mit dem Personalrat im Bundeskanzleramt kam 57 Schreiben des Bundesministers des Innern mit Vermerk des vom 28. August 1974 H 8 Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 22, Februar 1974 betr. Unterrichtung Bundesminister Genschers durch Präsident Dr. Nollau über den Verdachtsfall Christine 58 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes betr. Übersichts- vom 4. September 1974 B 9 blätter für die übersandten Sicherheitsakten 59 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramts vom- 6. September am 6. September 1974 M 1974 mit Bericht und Gutachten über das Ergebnis der Unter- suchung einzelner Beschwerden von Angehörigen des Bundes- nachrichtendienstes vom 24. Juli 1969 („Mercker-Bericht") 60 Schreiben des Abgeordneten Gerster mit Hausanordnungen vom 6. September 1974 III 3 24/70 und 26/70 des Bundeskanzleramtes 61 Schreiben des Bundesministers des Innern betr. Ergänzung der vom 27. September 1974 Q 1 übersandten Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz 62 „Die heimlichen Herrscher von Bonn" aus „Bild am Sonntag" am 1. Oktober 1974 Q 2 vom 20. Mai 1974 63 Kartengruß Guillaumes aus Frankreich vom 24. September 1973 am 1. Oktober 1974 Q 3 64 Pressemeldungen über den Urlaub von Bundeskanzler Willy am 1. Oktober 1974 Q 4 Brandt in Frankreich vom Oktober 1974, u. a. Drucksache 7/3246 Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode noch Anlage 3

lfd. Doku Inhalt Absende- oder Nr. Eingangsdatum ment Nummer

65 Ablichtung der Sicherheitsakte Guillaumes aus der Original- am 1. Oktober 1974 Q 5 Fallakte des Bundesamtes für Verfassungsschutz 66 Ablichtung der Notaufnahmeakte Guillaumes aus der Original- am 1. Oktober 1974 Q 6 Fallakte des Bundesamtes für Verfassungsschutz 67 Auszug aus dem Einwohnermeldeamtsregister von Bonn-Bad am 1. Oktober 1974 Q 7 Godesberg betr. Übierstraße 107 68 Ablichtung eines leeren Umschlages mit Hinweis auf Fotos am 1. Oktober 1974 Q 8 „Forschung Christine" 69 Handschriftlicher Observationsbericht des Bundesamtes für Ver- am 1. Oktober 1974 Q 9 fassungsschutz 70 Adremaausszüge des Einwohnermeldeamtes Bonn-Bad Godes- am 1. Oktober 1974 Q 10 berg betr. Ubierstraße 101 und 108 71 Ergänzende Kopien aus den Akten des Bundesamtes für Verfas- am 22. Oktober 1974 Q 11 sungsschutz zum Fall Guillaume 72 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes mit Unterlagen vom 11. Oktober 1974 B 10 betr. Ostkontakte Egon Bahrs 73 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes betr. Aktenunter- vom 31. Oktober 1974 S 1 lagen aus seinem Geschäftsbereich 74 Ordner „Kennziffer 207" mit Material des Bundesnachrichten- am 31. Oktober 1974 S 2 dienstes über innenpolitische Angelegenheiten („SPD-Akte") 75 Schreiben des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU Professor vom 4. November 1974 V 1 Karl Carstens mit Vermerken betr. Ostkontakte Egon Bahrs 76 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes betr. Aktenunter- vom 12. November 1974 T 1 lagen aus seinem Geschäftsbereich 77 Erklärung Präsident Wessels vom 8. November 1974 betr. Ver- am 13. November 1974 T 2 bleib der „Sonderkartei" Präsident a. D. Gehlens und ihrer Ver- filmungen 78 „Dossiers" und Karteikarten des Bundesnachrichtendienstes am 13. November 1974 T 3 betr. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Bundesrepu- blik Deutschland 79 Ordner „Unterlagen Heysing" am 13. November 1974 U 80 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes mit dienstlichen vom 18. November 1974 B 11 Erklärungen Präsident a. D. Gehlens vom 11. November 1974 und dreier Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes vom 16. November 1974 über den Verbleib der „Sonderkartei" und ihrer beiden Verfilmungen 81 Erklärungen Präsident a. D. Gehlens zu den Themen „innen- am 19. November 1974 R 25 politische Aufklärung", „Sonderverbindungen", u. a. - 82 Schreiben des MinDirig a. D. Hans-Georg von Koester mit Er- vom 28. November 1974 V 6 klärungen zu Nr. 37 bis 39 des 3. Beweisbeschlusses 83 Gutachten des MinRat Hans-Edgar Grünewald im Bundeskanz- vom 29. November 1974 V 2 leramt zu den Ziffern 6 bis 8 des 3. Beweisbeschlusses 84 Gutachten des Sachverständigen MinDirig Dr. Heinz Rolf Haacke vom 30. November 1974 V 3 im Bundesministerium der Finanzen zu den Ziffern 1 bis 4 des 3. Beweisbeschlusses 85 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramts betr. Unterlagen vom 4. Dezember 1974 T 4 aus seinem Geschäftsbereich mit „Dossiers" des Bundesnach- richtendienstes über Herbert Wehner, Fabian von Schlabren- dorff und Gerd Bucerius 86 Berichte des Personalrats des Bundeskanzleramts an die Perso- am 4. Dezember 1974 V 5 nalversammlung vom 4. Februar 1970 und 21. Oktober 1970, u. a. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode Drucksache 7/3246

noch Anlage 3 lfd. Doku Inhalt Absende- oder Nr. Eingangsdatum r Numme

87 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramts betr. Akten aus vom 14. Januar 1974 T 5 seinem Geschäftsbereich 88 Repositivierungen von 19 Unterlagen zum Komplex „Dossiers" am 14. Januar 1974 T 6 des Bundesnachrichtendienstes über Persönlichkeiten des öffent- lichen Lebens der Bundesrepublik Deutschland 89 Erklärung des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes vom am 14. Januar 1974 T 7 11. Januar 1975 zum Verbleib der beiden Verfilmungen der Sonderkartei Präsident a. D. Gehlens und zusammenfassende Darstellung zum Komplex „Dossiers" nebst vier Anlagen

-ment