CSU-LG – 9. WP Landesgruppensitzung: 21. 6. 1982

21. Juni 1982: Sitzung der Landesgruppe

ACSP, LG 1982: 11. Überschrift: »Protokoll der 32. Sitzung der CSU-Landesgruppe am 21. Juni 1982 in der Landesvertretung Baden-Württemberg«. Zeit: 20.00–22.05 Uhr. Vorsitz: Zimmermann.

Anwesend: Althammer, Biehle, Bötsch, Brunner, Faltlhauser, Fellner, Glos, Götz, Handlos, Hartmann, Höffkes, Höpfinger, Graf Huyn, Jobst, Keller, Klein, Kraus, Kreile, Krone- Appuhn, Kunz, Lemmrich, Linsmeier, Lowack, Müller, Niegel, Rainer, Regenspurger, Rose, Rossmanith, Schneider, Seehofer, Spilker, Graf von Stauffenberg, Stücklen, Voss, Warnke, Wittmann, Zimmermann.

Sitzungsverlauf:

A. Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Zimmermann u. a. über den Bruch der sozial- liberalen Koalition in Hessen, die Koalitionsaussage der hessischen FDP zugunsten der CDU, den Zustand der sozial-liberalen Koalition in Bonn und die Wirtschaftssanktionen der USA gegen die Sowjetunion wegen der Verhängung des Kriegsrechts in Polen. B. Erläuterungen des Parlamentarischen Geschäftsführers Bötsch zum Plenum der Woche und zu anstehenden Terminen. C. Allgemeine Aussprache. D. Bericht des Abg. Kreile über den Nachtragshaushalt 1982 und den Haushalt 1983 mit anschließender Aussprache.

[A.] TOP 1: Bericht des Vorsitzenden Dr. Zimmermann gratuliert den Kollegen Rainer und Niegel zu ihren Geburtstagen. Dr. Zimmermann geht auf den Beschluß der FDP in Hessen, zugunsten der CDU eine Koalitionsaussage gemacht zu haben, ein. Die Abstimmung habe gezeigt, daß nicht, wie im Vorfeld zu hören gewesen sei, eine 2/3-Mehrheit für diesen Schritt vorhanden gewesen sei, sondern lediglich ein Verhältnis von 63 : 37. Diese Entscheidung werde für die FDP Schwierigkeiten mit sich bringen. Wie könne man in Hessen einen sinnvollen Wahlkampf führen, wenn Genscher1, Baum2 oder Graf Lambsdorff3 in den Wahlkampf eingreifen, die sozial-liberale Koalition in Bonn loben und in Hessen für beendet ansehen. Dieser Beschluß führt dazu, daß sich wohl in Bonn innerhalb der Koalition nichts mehr bewegen werde. Es sei ein Grad von Irrationalität erreicht, bei welchem man nicht mehr sagen könne, wie lange die Koalition in Bonn hält. Inzwischen zeige sich offener Unmut gegen den Vorsitzenden Genscher. Der linke Flügel der FDP habe sich sofort zu Wort gemeldet. Wer mag schon erfolglose Vorsitzende, das sei in jeder Partei so, betont Dr. Zimmermann. Genscher zeige in dieser schwierigen Situation Entscheidungsschwäche. Graf Lambsdorff vermeldet aus Bagdad, daß er einen Sonderparteitag für das Zweckmäßigste halte. Der

1 Hans-Dietrich Genscher, Bundesaußenminister, Vizekanzler, Bundesvorsitzender der FDP. 2 , Bundesinnenminister (FDP). 3 , Bundeswirtschaftsminister (FDP).

Copyright © 2019 KGParl 1 CSU-LG – 9. WP Landesgruppensitzung: 21. 6. 1982

Fraktionsvorsitzende der SPD4 schreibt einen Brief an seine Fraktionsmitglieder, in welchem er der FDP indirekt vorwirft, daß sie zuerst die Wende fordere, dann wackele und schließlich den Wechsel wolle. Dies sei eine offene Drohung an die FDP. So werde sich im Laufe der Haushaltsberatungen in dieser Woche zeigen, ob die FDP bereit sei, den Bruch zu suchen. Innerhalb der SPD könne es nun zu einer Trotzreaktion kommen. Neuwahlen seien nunmehr nicht auszuschließen. Dr. Zimmermann betont, daß sich die CSU in dieser Lage nicht zu äußern brauche. Die Äußerungen aus München und Baden-Württemberg seien nicht sehr hilfreich gewesen. In München sollte man nicht solche Angst haben, denn der Trend spreche für die Union, das werde auch noch bis zu den Landtagswahlen im Herbst reichen. Insbesondere wenn man bedenke, daß beispielsweise Frau [Grunenberg]5 in der Wochenzeitung »Die Zeit« die SPD Bayerns als Sekte umschreibt. Was nunmehr die Union brauche, sei Gelassenheit, Ruhe und Zeit zum Abwarten, vor allem aber dürfe sie keine Personaldiskussion beginnen. Die Reaktion der hessischen CDU dürfe nicht überbewertet werden. Die Logik für den Wechsel müsse die FDP dem Wähler erst einmal klar machen. Dies halte, so erklärt Dr. Zimmermann, er für ein äußerst schwieriges Unterfangen. In diesem Zusammenhang geht Dr. Zimmermann auf den Kommentar von Hans Jörg Sotow im »Handelsblatt« ein und unterstreicht seine Aussagen. Dr. Zimmermann macht darauf aufmerksam, daß sich morgen Walter Scheel6 in der »Bild-Zeitung« zu Wort melden werde. Er sage dort, wenn man nicht mehr miteinander könne, dann sollte man sich trennen. Es werde sich zeigen, wie die Entwicklung in dieser Woche weitergehe. Die Koalition werde für genügend Sprengstoff sorgen. Die Union könne dieser Angelegenheit mit Gelassenheit entgegensehen. Zu den vom amerikanischen Präsidenten Reagan7 erlassenen Wirtschaftssanktionen sagt Dr. Zimmermann, daß man nicht mit Betroffenheit, so wie es der Regierungssprecher getan habe, reagieren könne. Nach dem Versailler- Weltwirtschaftsgipfel habe man mit einer solchen Aktion rechnen müssen. Die »FAZ« habe dies heute richtig in ihrem Kommentar klargestellt. Dr. Zimmermann gibt den Rat, daß man in dieser Frage die Position des amerikanischen Präsidenten nicht zu vehement verteidigen solle, man müsse wissen, daß sich der Präsident hier auf ein unsicheres Rechtsgebiet gewagt habe. Zum AEG-Dilemma, so führt Dr. Zimmermann aus, daß der AEG nicht durch Bürgschaften oder andere staatliche Garantien geholfen werden könne. Die AEG müsse ihren großen Konzern entflechten. Nur so sei eine Sanierung möglich. Franz Josef Strauß habe sich in einem internen Gespräch gegen eine Bürgschaft zugunsten der AEG ausgesprochen. Hier dürfe man nicht nachgeben. Breche dieser Damm, so sei dies ein Beispiel für viele andere Fälle. In der Stahlbranche, wo Bürgschaften und staatliche Beihilfen gegeben werden, sehe dies anders aus, hier sei eine ganze Branche bedroht, jedoch nicht nur ein einzelnes Unternehmen. Weiter sagt Dr. Zimmermann, daß die Bundesregierung mit dem Swing-Abkommen eine weitere Niederlage erlitten habe. Sie habe Zugeständnisse gemacht, ohne dafür etwas erreicht zu haben. Dies werde am Donnerstag mit in die Debatte einbezogen.

4 , Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. 5 Nina Grunenberg. – In der Vorlage: »Kronenburg«. 6 1974–1979 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland (FDP). 7 Ronald Reagan (Republikanische Partei).

Copyright © 2019 KGParl 2 CSU-LG – 9. WP Landesgruppensitzung: 21. 6. 1982

Zur Debatte selbst kündigt Dr. Zimmermann an, daß für die CSU der Kollege Graf Stauffenberg reden werde. Dr. Zimmermann sagt, daß er auf seinem Beitrag zugunsten Dreggers8 verzichtet habe. Abschließend gibt Dr. Zimmermann bekannt, daß der Vorstand sich darauf geeinigt habe, eine Verfassungsklage wegen Verletzung des Art. 115 GG einzureichen. Es sei sehr umstritten, ob diese Klage Erfolg haben werde. Franz Josef Strauß habe sich im Kern gegen diesen Schritt ausgesprochen. Keiner wisse, wie es weitergehe. Sollten wir morgen die Verantwortung zu übernehmen haben, so könnten wir durch ein Verfassungsgerichtsurteil gebunden sein.

[B.] Plenum der Woche und Termine Dr. Bötsch berichtet, daß am Dienstag normaler Fraktionstag sei. Der Mittwoch vormittag sei für Ausschüsse reserviert, am Nachmittag werde im Plenum der Nachtragshaushalt debattiert. Die Fragestunde beginne erst um 13.30 Uhr. Am Donnerstag sei die Fragestunde bereits von 8.00 Uhr bis 9.30 Uhr, danach gebe der Bundeskanzler eine Regierungserklärung ab. Eine mehrstündige Debatte werde sich anschließen. Gegen 18.00 Uhr sei mit dem Ende der Debatte zu rechnen. Am Freitag seien einige Sozialgesetze auf der Tagesordnung, insbesondere die Änderung des Sozialgesetzbuches. Dabei werden die Beschlüsse zum Taschengeld der Rentner und zur Kostenbeteiligung bei der Unterbringung von behinderten Kindern in Heimen durch die Familien korrigiert. Dr. Bötsch macht auf eine evtl. Sondersitzung am 23. Juli 1982 aufmerksam, ob es zu dieser Sondersitzung komme, hänge ganz von den Verhandlungen im Vermittlungsausschuß ab. Für die Woche vor der Landtagswahl in Bayern habe es die SPD abgelehnt, einer Verschiebung der Sitzungswoche zuzustimmen. In diesem Zusammenhang gibt Dr. Bötsch schon heute bekannt, daß an den Montagen vor der Landtagswahl keine Landesgruppensitzungen stattfinden werden. Sollte eine Sitzung notwendig sein, so werde diese jeweils am Dienstag um 13.00 Uhr kurzfristig einberufen.

[C.] TOP 3: Allgemeine Aussprache Glos geht auf das AEG-Problem ein. Er bittet, in dieser Sache nicht mit zweierlei Maß zu messen. Er lehnt eine Hilfe für die AEG ab. Er habe auch diesbezüglich Anfragen im Deutschen eingebracht. Graf Stauffenberg geht auf die Entscheidung der FDP in Hessen ein. Es werde nunmehr so sein, daß manche CDU-Wähler zur FDP gehen, um ihr das Überspringen der 5-Prozent-Hürde zu ermöglichen. Des weiteren betont Graf Stauffenberg, daß die FDP kein geborener Koalitionspartner sei, man bräuchte deshalb diesen Wechsel in Hessen seitens der Union nicht laut zu begrüßen. Im Wahlkampf könne man sich an den Sachpunkten orientieren und nach dem Wahltag sehen, ob Koalitionsgespräche notwendig seien. Dr. Voss berichtet über den Stand im Vermittlungsausschuß zum Thema Asyl. Er sagt, daß im Prinzip alle Punkte einigungsfähig seien. Lediglich das Verteilungsverfahren sei

8 , MdB (CDU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Copyright © 2019 KGParl 3 CSU-LG – 9. WP Landesgruppensitzung: 21. 6. 1982

noch strittig. Ministerpräsident Späth9 habe es übernommen, innerhalb der B-Länder zu koordinieren. Lowack kritisiert den FDP-Beschluß. Entweder gebe es eine gemeinsame Politik oder nicht. Aber das Sowohl-als-auch der FDP könne für die Union nicht hingenommen werden. Dr. Zimmermann liest die Erklärung Dreggers, die im »DUD«10 abgedruckt sei, vor. Er betont, daß er Dregger nicht ganz verstehen könne, daß er so positiv reagiert habe, andererseits müsse man natürlich die Lage Dreggers verstehen. Er gehe davon aus, lieber länger mit der FDP zu regieren, als einmal mit einer absoluten Mehrheit. Dr. Warnke stimmt den Ausführungen Graf Stauffenbergs und Glos zu. Man müsse dem Koalitionspartner deutlich machen, daß man bereit sei, eine Koalition einzugehen, aber gleichzeitig die Hürden entsprechend hoch hängen. Rossmanith geht auf das Problem fehlender Ausbildungsplätze ein. Schon im Vorfeld zum Herbst sei hierüber eine Diskussion entbrannt. Angeblich würden zum Herbst

100 000 Ausbildungsplätze fehlen. Rossmanith betont, diese Zahl sei zu hoch, er gibt jedoch zu, daß es einen Mangel an Ausbildungsplätzen geben werde. Dies sei aber im Jahre 1982 ein einmaliger Vorgang, denn in den folgenden Jahren mache sich der Pillenknick bemerkbar. Engholm11 wolle aber die Gunst der Stunde nutzen und sehe eine letzte Chance, seine Berufsbildungsreform durchzusetzen. Er wolle insbesondere überbetriebliche Ausbildungsstätten einrichten. Rossmanith betont in diesem Zusammenhang, daß er es bedauert habe, daß eine Arbeitsgruppe des

Diskussionskreises Mittelstand die Zahl von 100 000 fehlender Arbeitsplätze bereits übernommen habe. Dr. Althammer macht darauf aufmerksam, daß die Begründung der FDP, die Koalition zu wechseln, mit bundespolitischen Themen erfolgt sei. Es sei deshalb die Frage zu stellen, ob die FDP in Bonn diese Koalition noch fortsetzen könne. Zum Erdgas-Röhren-Geschäfts betont Dr. Althammer, daß er von Anfang an für eine restriktive Haltung geworben habe. Die Fraktion habe eine mittlere Linie gefahren. Man könne sich in diesem Zusammenhang wie folgt einlassen. Man sei für Ost- Geschäfte, jedoch nicht zu Vorteilskonditionen. Im übrigen macht er darauf aufmerksam, daß die Getreidelieferungen aus den USA bar bezahlt werden müssen. Bei diesen Geschäften werden keine Sonderkonditionen eingeräumt. Zur Verfassungsklage sagt Dr. Althammer, daß der Zeitpunkt nicht sehr günstig sei. Im übrigen betont er, daß ein Urteil in Karlsruhe, in welchem die Haltung der Union bestätigt werde, auch für die Union nützlich sein könnte. Stücklen unterstützt Rossmanith bezüglich der fehlenden Ausbildungsplätze. Er macht den Hinweis, daß er an alle Betriebe in seinem Wahlkreis geschrieben habe mit der Bitte, ein oder zwei Lehrlinge mehr einzustellen. Die Reaktionen seien bisher gut gewesen. Zur FDP sagt er, daß diese in einer verzweifelten Situation sei. Sie habe das Etikett der Wackelpartei. Dies werde sie wohl so schnell nicht mehr los. Die FDP sei nunmehr unberechenbar. Es könne zu Kurzschlußhandlungen kommen. Zur Aussage Dreggers, sagt Stücklen, daß Dregger sich der Stärke der CDU in Hessen bewußt sein müsse, aus dieser Stärke heraus müsse er das Koalitionsangebot an die FDP

9 Lothar Späth, Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg (CDU). 10 Deutschland-Union-Dienst. 11 Björn Engholm, Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (SPD).

Copyright © 2019 KGParl 4 CSU-LG – 9. WP Landesgruppensitzung: 21. 6. 1982

formulieren. Man dürfe hier keinen Blankoscheck ausstellen, insbesondere die Führerschaft bei der Stimmabgabe im Bundestag dürfe der FDP nicht von vornherein überlassen werden. Die Bundes-FDP – so kennzeichnet Stücklen die Situation – sei nunmehr am Ende. Sie sei zerstritten. Sie trage diesen Streit nunmehr auch öffentlich aus. Hartmann betont, daß die Entwicklung für die Union laufe. Andererseits sagt er, daß die Grünen noch nicht isoliert seien. Es könne durchaus sein, daß wir nunmehr nicht nur gegen zwei Parteien, die SPD und die FDP, kämpfen, sondern gegen drei Parteien, die SPD, die FDP und die Grünen, zu kämpfen haben. Er fragt nach dem strategischen Konzept, welches die Union auf diese Veränderung der deutschen Parteilandschaft hat. Dr. Zimmermann geht nochmals auf die Äußerungen Dreggers im »DUD« vom 18. Juni ein. Er wünscht Dregger mehr Selbstvertrauen. Des weiteren betont Dr. Zimmermann, daß er immer noch davon überzeugt sein, daß die Grünen eine Zeiterscheinung seien. Brandt12 suche die Regeneration der SPD unter Einschluß der Grünen. Die Wähler, die dann für die SPD votieren, werden aber die Vierzig-Prozent- Grenze nicht überschreiten. Es habe sich gezeigt, daß es in der Bundesrepublik Deutschland keine sozialistische Mehrheit gebe. Sollte die SPD in die Opposition gehen, so betont Dr. Zimmermann, so sei er davon überzeugt, daß dies dann eine lange Phase der Opposition sein werde. In diesem Zusammenhang führt Dr. Zimmermann aus, daß heute Namen in der Politik nicht mehr die Rolle spielen, wie dies noch vor drei oder vier Jahren der Fall gewesen sei. Das politische Meinungsbild habe sich verändert. Der Trend spreche zur Zeit für die Union und gegen die sozialliberale Koalition. Es sei deshalb für die Union nicht so wichtig, welcher Mann an der Spitze als Kanzlerkandidat stehe. Schmidt habe keinen Bonus mehr, das habe die Wahl in Hamburg deutlich gezeigt. Dr. Zimmermann berichtet abschließend von einem Gespräch mit dem österreichischen Journalisten Bacher13, der ihm gegenüber sagte, daß es für ihn ein Wunder sei, daß die CDU/CSU nach dreizehn Jahren Opposition nicht in Flügelkämpfe verwickelt sei. Dies sei die Stärke der Union in dreizehn Oppositionsjahren gewesen. Sie brauche nunmehr nur zu warten, bis ihr die reifen Früchte in den Schoß fallen.

[D.] TOP 4: Nachtragshaushalt 1982, finanzpolitische Auswirkungen Berichterstatter: Dr. Reinhold Kreile, MdB. Dr. Kreile betont zum Nachtragshaushalt 1982, daß nunmehr die Neuverschuldung bei rund 34 Milliarden DM liegen werde. Die Erhöhung der Nettokreditaufnahme entspreche genau der Mehrbelastung für die Bundesanstalt für Arbeit sowie dem Steuerloch aufgrund der schlechteren gesamtwirtschaftlichen Daten. Die Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt seien von der Opposition bereits zu Jahresbeginn vorausgesagt worden. Für die Arbeitslosen sogar sehr exakt. Dr. Kreile erinnert dabei an die Debatte im Deutschen Bundestag, als der Kollege Friedmann14 die zusätzlichen Ausgaben auf 5 Milliarden DM bezifferte. Es sei nun zu fragen, warum die Koalition dieses Spiel zum wiederholten Male betreibe. Das Schauspiel werde immer nach demselben Szenario abgewickelt. Zunächst werde eine unrealistische

12 , Parteivorsitzender der SPD, MdB. 13 Gerd Bacher. 14 , MdB (CDU).

Copyright © 2019 KGParl 5 CSU-LG – 9. WP Landesgruppensitzung: 21. 6. 1982

Veranschlagung vorgelegt. Alle Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Ansatz werden als konjunkturbedingt bezeichnet und können demnach nach übereinstimmender Auffassung von SPD und FDP durch Kredite finanziert werden. Und schließlich werde die Ankündigung in Gestalt eines Nachtrags vollzogen, damit soll dokumentiert werden, wie seriös die gesamte Haushaltsplanung des Bundes sei. Die Entscheidung bei der FDP sei nicht von Sachgründen getragen. Die FDP kämpfe ums Überleben und werde jeden Strohhalm dazu ergreifen. Zum Haushalt 1983 führt Dr. Kreile aus, daß die Union bisher erfolgreich gewesen sei bei der Abwehr neuer Steuererhöhungen. An dieser erfolgreichen Linie, so betont Dr. Kreile, gelte es festzuhalten, das bedeute nicht nur Ablehnung direkter Steuererhöhungen, sondern auch Ablehnung von Steuererhöhungen unter dem Deckmantel sog. Abbaus steuerlicher Vergünstigungen. Nach den Ankündigungen aus dem Koalitionslager liege die Nettokreditaufnahme für den Haushalt 1983 bei 30 Mrd. DM. Einige in der FDP sagen zwar 26 Mrd. DM, andere in der FDP seien jedoch schon bei 30 Mrd. DM. Der Bundesfinanzminister15 habe sich auf eine Verschuldung um die 30 Mrd. DM festgelegt. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen sei aus dem Bundesministerium der Finanzen zu hören, daß erstens eine Verbesserung der steuerlichen Erfassung von Kapitalerträgen entweder durch Erweiterung des Kapitalsteuerabzugs oder durch die Pflicht der Banken zur Erteilung von Kontrollmitteilungen gegenüber den Steuerverwaltungen geplant sei, daß zweitens der Freibetrag für Freiberufler abgeschafft werden soll, daß des weiteren eine Halbierung des Freibetrages für Land- und Forstwirte diskutiert werden soll, daß die Abzugsfähigkeit von Bewirtungskosten gestrichen werden soll, daß eine Erhöhung des privaten Nutzungsanteils von Betriebs-PKWs erörtert werde und daß der Ehegatten-

Splitting-Vorteil auf 7 000 DM pro Jahr begrenzt werden soll. Zum letztgenannten Punkt seien verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden. Neben diesen Vorschlägen, so führt Dr. Kreile aus, gebe es noch eine Reihe weiterer Punkte, die insbesondere den Unternehmensbereich betreffen. Dr. Kreile betont, daß er sich auf diese allgemeinen Bemerkungen beschränken wolle. Zu den Einzelfragen wäre viel zu sagen. Er betont nochmals die grundsätzliche Haltung der Union, jegliche Steuererhöhungen abzulehnen. Die Haushaltssanierung müsse durch Sparvorschläge auf der Ausgabenseite erreicht werden. Dr. Zimmermann betont, daß heute keine Einzeldiskussion vorgenommen werden könne. Diese werde zum rechten Zeitpunkt geführt. Dieses Paket zeige jedoch deutlich, wieviel Zündstoff in den Beratungen zwischen FDP und SPD vorhanden sei. Man könne diese Diskussion vorerst ruhig der Koalition überlassen. Höpfinger macht noch auf eine weitere Verschiebung des Defizits der Bundesanstalt für Arbeit auf die gesetzlichen Krankenversicherungen und auf die Bundesanstalt für Arbeiter und Angestellte aufmerksam. Die Basis der Berechnung der Beitragszahlungen der BA an die BfA und die Krankenkassen soll auf 68 bzw. 75 % des letzten

Einkommens reduziert werden. Es werden dabei Beträge zwischen 2 ½ und 6 Milliarden DM eingespart. Dies habe aber zur Folge, daß sowohl bei den gesetzlichen Krankenversicherungen als auch bei den Rentenversicherungsträgern die Defizite steigen. Diese können nur durch Erhöhung der Beitragssätze ausgeglichen werden. Dies bedeute aber eine weitere Steuererhöhung.

15 (SPD).

Copyright © 2019 KGParl 6 CSU-LG – 9. WP Landesgruppensitzung: 21. 6. 1982

Seehofer geht noch auf einen wichtigen Punkt ein, der am Freitag dieser Woche im Plenum behandelt werde. Dabei gehe es um die Novellierung des Sozialgesetzbuches. Dies habe man zur Lokomotive für bestimmte sozialpolitische Maßnahmen gemacht. Man wolle damit insbesondere die Fehlentscheidungen aus 1982 korrigieren. Das seien zum einen das Zusatztaschengeld und zum anderen die Eigenleistungen der Familien für im Heim untergebrachte behinderte Kinder. Zum zweiten Punkt werde der alte Rechtsstand wiederhergestellt. Deshalb stimme man hier zu. Beim Taschengeld versuche die SPD eine Nivellierung herbeizuführen, indem sie das Grundtaschengeld erhöht und das von eigenen Leistungen abhängige Zusatztaschengeld auf maximal 27,– DM begrenzt. Dies führe zum Einheitstaschengeld. Dies sei aus ideologischen Gründen abzulehnen. Ein dritter Punkt sei die Sozialversicherungspflichtgrenze für Nebeneinkünfte bis zu 390,– DM. Hier wolle die Union ebenfalls wieder den alten Zustand hergestellt wissen. Die sozialliberale Koalition mache hier einen Vorschlag, der insbesondere die 1/6-Regelung nicht berücksichtigt. Deshalb sollte nicht zugestimmt werden. Bei der Schlußabstimmung schlägt die Arbeitsgruppe 13 vor, sich der Stimme zu enthalten. Dr. Zimmermann bittet Seehofer für diese komplizierten Sachverhalte ein kurzes Argumentationspapier zur Verfügung zu stellen. Höpfinger stimmt Seehofer in seinen Ausführungen zu. Er betont, daß in dieser Frage Initiativen der CDU/CSU-Fraktion vorlagen und ebenfalls der Freistaat Bayern initiativ geworden sei. Hartmann dankt ebenfalls. Höpfinger gibt zu bedenken, daß in dieser Sache sicherlich der Vermittlungsausschuß angerufen werde.

TOP 4: Verschiedenes Dr. Zimmermann stellt fest, daß keine weiteren Wortmeldungen vorliegen und beendet die Landesgruppensitzung.

Copyright © 2019 KGParl 7