Mal Hier, Mal Da

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Mal Hier, Mal Da DEUTSCHLAND politik mit einem Schuß Rechtspopulis- Koalition mus.“ In einem Dringlichkeitsantrag wird die bedrängte Liberale dem Parteitag die strittigen Themen ihres Hauses zur Mal hier, Abstimmung präsentieren. Die Dele- gierten sollen bekennen, was sie vom Lauschangriff und der doppelten Staats- mal da bürgerschaft halten, ob sie Sitzblocka- den bestrafen wollen und die Gleichstel- Die liberale Justizministerin riskiert lung nichtehelicher Lebensgemeinschaf- den Krach mit der eigenen Partei – ten akzeptieren. Etwa zehn Punkte ent- hält der Katalog, den die Ministerin zur der Kanzler befürchtet Folgen für die Debatte stellt. Koalition. Frau Leutheusser-Schnarrenberger möchte in Mainz erfahren, ob sie noch dem richtigen Verein angehört. Sie will ie die FDP sich aus der Niederla- K. B. KARWASZ wissen, ob die FDP, wie Hans-Dietrich ge helfen könne, ist unter den Partei-Rechter Solms Genscher im Bundesvorstand forderte, WParteirechten schon ausgemacht: Machtkampf mit den Freiburgern noch „die ganze Breite des Angebots“ „die Kleine“ soll weg. bereithält oder ob sie ihr Heil in der „Die Kleine“ ist die abfällige Bezeich- stige Gelegenheit: In einem großen Auf- „Verengung“ als Wirtschaftspartei nung, die der FDP-Rechtspolitiker Det- wasch, glaubte der Kleinert-Clan, kön- sucht. „Mit halbiertem Liberalismus“, lef Kleinert für die Justizministerin Sabi- ne das ungeliebte „Sabinchen“ (Partei- klagt sie, „haben wir keine Chance.“ ne Leutheusser-Schnarrenberger, 43, jargon) ganz unauffällig abserviert wer- Ob die couragierte Kämpferin, „die gefunden hat. Kleinert und seine kon- den. nichts sagt oder nur das, was sie denkt“ servativen Parteifreunde haben die Doch der Plan klappt nicht. Die Ju- (ein Vertrauter), die Konfrontation ge- Streiterin für Rechtsstaat und Bürger- stizministerin wehrt sich und droht mit winnt, ist offen. Die Justizministerin hat rechte seit langem im Visier: Frau Leut- dem großen Krach auf dem Parteitag in ihren Parteifreunden klargemacht: Sie heusser-Schnarrenberger stellt sich hart- der nächsten Woche. näckig gegen den großen Lauschangriff In einem Hintergrundgespräch des und ficht für die Einführung einer dop- Freiburger Kreises, der unter Leitung Fünf Abtrünnige aus pelten Staatsbürgerschaft. des Ex-Innenministers Gerhart Baum der FDP – Die Ministerin, die vielen als letzte li- Gesinnungsfreunde sammelt, forderte berale Bannerträgerin der maroden sie statt „Durchlavieren“, statt einer Kohl wäre am Ende Pünktchenpartei gilt, hatte bisher in „Suche nach Wählergruppen, mal hier, Parteichef Klaus Kinkel einen Gönner. mal da“, eine „klare Richtungsentschei- wird ihr Amt nur weiterführen, wenn Der Rücktritt Kinkels schien den Partei- dung“. „Eine liberale Programmpartei“, der Parteitag ihre Rechtsstaatspolitik rechten, die sich im Schaumburger Kreis kommentiert Leutheusser-Unterstützer mit einem klaren Votum stützt. zusammengefunden haben, da eine gün- Baum die Alternative, „oder Klientel- Der Entschluß der Ministerin hat die FDP-Spitze in Ängste gestürzt: Vor ei- nem „Richtungsparteitag“ warnte der noch amtierende Parteichef Kinkel. Das Mainzer Treffen, so die Befürchtung, könnte sich zu einem Debakel auswach- sen. Was passiert, so die bange Frage, wenn „die Kleine“ wirklich zurücktritt? Könnten die enttäuschten Delegierten dann dem designierten Kinkel-Nachfol- ger, Wolfgang Gerhardt, die Mehrheit verweigern? Gerhardt ist den Leutheus- ser-Getreuen schon deshalb ein Ärger- nis, weil er sich für den großen Lausch- angriff stark macht. Die Aufsässigkeit der Justizministerin hat auch den großen Koalitionspartner alarmiert. Ein Wechsel im Justizministe- rium, so ein Mitglied der CDU-Füh- rung, sei ein „zu großes Risiko“. Erinnerungen an die knappe Mehr- heit der sozial-liberalen Koalition wer- den wach. Die Regierung Willy Brandts wurde damals durch Überläufer ge- schwächt. Abweichler bedrohten stän- dig die Handlungsfähigkeit des brüchi- gen Bündnisses. Kanzler Helmut Kohl wünscht daher R. JANKE / ARGUS dringend Ruhe in seinem Kabinett. Liberale Leutheusser-Schnarrenberger, Kinkel: Günstige Gelegenheit Schon ist in seiner Umgebung von 34 DER SPIEGEL 22/1995 DEUTSCHLAND „Abspaltungsgefahren“ die Rede. Kohl Zu den Verfassern des Positionspa- plagt die „ernste Sorge“, die knappe piers, das die Berliner veröffentlichten, Spione Mehrheit der Koalition gerate in Ge- gehört eine der führenden Figuren der fahr. neuen Rechten, Rainer Zitelmann. Die Fünf Abtrünnige aus den Reihen der Junge Freiheit, das Leitorgan der neuen FDP – Kohl wäre am Ende. Fraktions- Rechten, fordert ungeniert zur Unter- Ungeheuer chef Hermann Otto Solms, kritisiert die wanderung der „Partei ohne Unterbau“ frühere Parteivizin Irmgard Schwaetzer, auf. Eine gewendete FDP wird als „einzi- setze „die Mehrheitsfähigkeit der Koali- ges erfolgversprechendes rechtsdemo- profitiert tion aufs Spiel“. kratisches Projekt“ angepriesen: „Die Dabei ist Kohl nicht unschuldig dar- FDP wird 1998 rechts sein oder gar Das Bundesverfassungsgericht will an, daß seine Justiz-Frau so verbittert nicht.“ DDR-Geheimdienstler laufenlassen ist. Der Kanzler betrachtet sie als Stö- Während Leutheusser-Schnarrenber- renfried und läßt seine Aversionen deut- ger es „fast unerträglich“ findet, mit Leu- und stiftet damit Verwirrung. lich spüren. Bei Kanzleramtsminister ten wie Zitelmann in einer Partei zu sein, Friedrich Bohl muß die Ministerin ihre wiegelt Solms ab. Er kritisiert den Ab- anche Autoren haben mit Ge- Vorhaben regelmäßig absegnen lassen. grenzungsantrag, den die Freiburger für schichten aus der Welt der Agen- Aber auch FDP-Fraktionschef Solms den Parteitag vorgelegt haben, als Mten, der Helden und Antihelden, gehört zu den Leutheusser-Gegnern. Er „Aufwertung von Uralttraditionen, über viel Geld verdient. Allein der Engländer blockiert die Liberale, so gut er kann. die die Geschichte hinweggegangen ist“. John le Carre´, dessen Top-Spion aus der Der Konflikt um die Justizministerin Manches von den Parolen der Stahl- Kälte kam, hat Millionen von Büchern ist zugleich ein Machtkampf zwischen Mitstreiter aber findet gerade bei der verkauft. dem konservativen Flügel um Solms und großen Mehrheit der Bonner Liberalen Auch Klaus Rösler aus Ost-Berlin hat Kleinert und dem liberalen Freiburger Anklang. Auch dort wird „die ausufern- sich dem Thema gewidmet. Sein Werk, Kreis. Wer jetzt an Leutheusser-Schnar- renberger rühre, „riskiert den Domino- Effekt“, erklärte Präsidiums-Mitglied Carola von Braun: Der Bürgerrechtsflü- gel der Partei falle in sich zusammen. Wenn auf diese Weise die Solms-Truppe die Partei nach rechts rücke, „droht eine Spaltung“. „Die FDP wird 1998 rechts sein oder gar nicht“ Der Ehrenvorsitzende Genscher erin- nerte vorsorglich an das Schicksal der Freien Volkspartei, die sich 1956 unter Vizekanzler Blücher von der FDP ab- spaltete. Sie wurde ausgehalten von der Industrie, schlug nationale Töne an und warb um das Besitzbürgertum. Ein Jahr später endete der Ableger satt unter fünf Prozent. Nach dem Eindruck der Freiburger „Es geht halt nichts über eine rechtsstaatliche Verfassung!“ tz, München will Solms die FDP in eine ähnliche Rich- tung drängen. Sie sehen seit der Wieder- de Daseinsvorsorge“ beklagt. Nur spär- 338 Seiten stark, kam jedoch nicht auf vereinigung immer stärkere Rechtsten- licher Widerspruch ist von dort zu hören den Ladentisch. Das eher spröde Stück denzen in der Gesellschaft – und in der gegen den „Rückbau“ des Sozialstaates wanderte als vertrauliche Verschlußsa- FDP. Nunmehr soll die Wende nachge- und den Ausbau des Staates „als Ord- che in einen Panzerschrank des Ministe- holt werden, so ihr Verdacht, die 1982 nungsmacht“. Die „Schnittmengen“- riums für Staatssicherheit (MfS), Regi- nach Beginn der christ-liberalen Koaliti- Theorie des Abgeordneten Roland striernummer: 160 VVS 800/72, Höhe on in Halbheiten steckenblieb. Kohn, wonach Frei- und Christdemo- der Auflage: wahrscheinlich 34 Exem- Die Anzeichen einer Verschiebung kraten aus demselben Wählerreservoir plare. sind auffällig. Der ehemalige General- schöpfen, finden die weitaus meisten Die Rösler-Arbeit galt als Standard- bundesanwalt Alexander von Stahl einleuchtend. werk. Sie diente den Geheimdienstlern trommelt gemeinsam mit Berliner Par- Solms, nach dem Urteil von Irmgard der untergegangenen DDR als Leitfa- teifreunden seit einiger Zeit schon für ei- Schwaetzer „konservativ bis auf die den für eine zweifelhafte Aufgabe: Wie ne Art nationaler Sammlungsbewegung. Knochen“, bleibt beim Orakeln: „Wir finde, werbe und betreue ich den idea- Bundesweit wirbt Stahl für eine dürfen uns nicht verengen, aber auch len Spion? „Erneuerung in der FDP“. Und er hat nicht so erweitern, daß wir für bestimm- Stasi-Oberst Rösler war nicht nur in schon allerlei seltsame Gesinnungsfreun- te Gruppen in der Bevölkerung nicht Theorie stark. Zusammen mit Kollegen de gefunden. Eine „bürgerlich liberale mehr Ansprechpartner sind.“ gelang es ihm, den aktivsten Agenten al- Partei“ nach dem österreichischen Vor- Der Fraktionschef will die Mehrheit ler Zeiten für die DDR zu gewinnen und bild Jörg Haiders ist das gemeinsame für seinen Kandidaten Wolfgang Ger- zu führen – Rainer Rupp, Deckname Wunschziel. hardt nicht gefährden. Y „Topas“: 36 DER SPIEGEL 22/1995.
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