BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks

Sendung vom 17.11.2009, 20.15 Uhr

Martin Zeil Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie im Gespräch mit Werner Reuß

Reuß: Verehrte Zuschauer, ganz herzlich willkommen zum alpha-Forum. Unser heutiger Gast ist Martin Zeil, er ist Mitglied der FDP, Mitglied des Bayerischen Landtages seit 2008 und seit dieser Zeit auch Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie. Zudem ist Martin Zeil stellvertretender Ministerpräsident. Ich freue mich, dass er hier ist, ganz herzlich willkommen, Herr Staatsminister. Zeil: Grüß Gott. Reuß: "Mein Amt ist nach dem des Ministerpräsidenten das Schönste in Bayern", haben Sie einmal gesagt. Gilt das auch in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise? Oder da gerade erst recht? Zeil: Man sucht sich die Zeit, in der man politisch tätig wird, ja nicht aus. Da wird man einfach in die Verantwortung gestellt. Meine Aufgabe ist eine herausfordernde Aufgabe, das ist auch eine Aufgabe, die ihre schönen Seiten hat, weil das Amt ja sehr vielfältig ist. Aber man muss jetzt natürlich schon auch anpacken und man muss sich jetzt in nicht ganz leichten Zeiten in der Verantwortung bewähren. Reuß: "Wir sind ein Schlüssel- und Eliteministerium", haben Sie über das Wirtschaftsministerium gesagt. Sehen Sie das Wirtschaftsministerium so ein bisschen als Primus inter Pares zwischen den Ministerien? Und wenn ja, warum? Zeil: Es hat insofern eine Schlüsselrolle, als es ja die Zukunftsthemen vereinigt. Wir haben für die wirtschaftliche Entwicklung die Grundlagen zu legen, wir sind verantwortlich für die Landesentwicklung und wir sind eben auch für die Technologie zuständig, d. h. für die Zukunftsthemen, die in Bayern immer wichtig waren. Bayern war hier immer führend, es hat immer schon rechtzeitig Anstöße gegeben für die Zukunftstechnologien. Das wollen und werden wir genauso machen. Gerade in schwierigen Zeiten einer weltumfassenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise müssen wir den ordnungspolitischen Kompass behalten und dafür sorgen, dass er auch eingehalten wird. Insofern ist dieses Ministerium in der Tat ein sehr wichtiges Ministerium mit vielen Querschnittsaufgaben. Reuß: In diesen Zeiten ist die Erwartungshaltung an die Politik ja sehr, sehr hoch. Von mancher Seite in der Politik wird sie möglicherweise sogar noch ein bisschen geschürt. Sie haben einmal gesagt, auch als Wirtschaftsminister können Sie nicht alle Erwartungen erfüllen, die die Menschen haben. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister und Parteifreund von Ihnen, der leider viel zu früh verstorbene Günter Rexrodt, meinte einmal ganz knapp und kurz: "Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht!" Ist das nicht auch ein Eingeständnis bzw. Zugeständnis, dass die Politik auch in Krisenzeiten Grenze hat, dass Politik nicht immer die Verantwortung übernehmen kann für den Abbau von Arbeitsplätzen, für die Schaffung von Arbeitsplätzen? Wo sehen Sie die Grenzen und Chancen von Politik? Zeil: Wir haben ja jetzt in dieser außergewöhnlichen Krisensituation erlebt, dass es ohne Staat nicht geht, dass man eine Entwicklung wie diejenige auf den Finanzmärkten, wo selbst berühmte Banken zusammenbrechen, nur dadurch zu lösen und dem entgegenzuwirken versuchen kann, indem der Staat handelt: indem der Staat beispielsweise Schirme aufspannt, und zwar selbst noch in Höhen, die wir noch vor wenigen Jahren für außerhalb unserer Vorstellungswelt gelegen gehalten hätten. Insofern ist es klar, dass in Fällen außerordentlichen Staats- und Marktversagens – denn das sind die beiden Ursachen für diese Krise – der Staat mit seinen Möglichkeiten und auch mit außergewöhnlichen Schritten gefordert ist. Auf der anderen Seite darf man aber auch keine falschen Erwartungen wecken; man darf den Staat nicht überfordern. Man darf auch nicht den Eindruck erwecken, als könnte es selbst in einer außergewöhnlichen Krise Aufgabe des Staates sein, alles und jedes zu reparieren, was z. B. an Fehlern lange vor der Finanzmarktkrise begangen worden ist und dann eben auch in der Wirtschaft zu Fehlentwicklungen geführt hat. Unsere Aufgabe, und vor allem meine Aufgabe als Ordnungspolitiker, besteht natürlich darin, hier immer wieder auch auf die Grenzen staatlichen Handelns hinzuweisen. Reuß: Wir kommen später noch einmal zur Wirtschaftspolitik zurück, aber mich würde zu Beginn unserer Sendung doch noch Ihr allgemeines Politikverständnis interessieren. "Politik ist die Kunst des Möglichen", soll Otto von Bismarck einst gesagt haben. Der Lyriker Hugo von Hofmannsthal meinte einmal: "Politik ist Verständigung über das Wirkliche." Das klingt nicht sehr visionär, sondern eher nach einem pragmatischen Ansatz. Ist das auch Ihr Politikverständnis? Was ist Politik für Martin Zeil? Zeil: Mir gefällt das Wort von Max Weber sehr gut, wonach es in der Politik mit Augenmaß und Beharrlichkeit um das Bohren dicker Bretter geht. Ich glaube, dass wir hier zwei Dinge als Kompass haben, einen Kompass, der mich auch persönlich leitet: Man muss Politik auf der Basis einer klaren geistigen Grundhaltung betreiben. Bei mir ist das der Liberalismus mit den beiden Begriffspaaren "Freiheit" und "Verantwortung". Zum anderen muss man auf der Basis dieser geistigen Grundlagen die Probleme lösen: mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Das heißt, die Menschen müssen spürten, dass hier einer am Werke ist, der nicht nur als Apparat funktioniert, sondern der sehr wohl um die Sorgen und Nöte der Menschen weiß – gerade auch in dieser außergewöhnlichen Krise. Sie müssen aber auch erkennen, dass er mit Augenmaß handelt, dass er ihnen nichts vormacht, sondern immer die Wahrheit sagt. Das ist jedenfalls mein Politikverständnis, das ich insbesondere in meiner kommunalpolitischen Tätigkeit gelernt und auch immer gelebt habe. Reuß: Die Menschen erwarten ja, dass die Politiker Verständnis haben für ihre Alltagssorgen, für ihre Probleme. Das heißt, für jeden Politiker wird es ja auch notwendig und wichtig sein, den Menschen aufs Maul zu schauen, wenn ich das mal so salopp formulieren darf. Der ehemalige baden- württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel meinte einmal: "Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wir allerdings bald Witwer sein." Besteht die Gefahr, dass man dann, wenn man dem Volk zu sehr aufs Maul schaut, dem Volk auch zu sehr nach dem Munde redet? Die Gefahr des Populismus ist sicherlich eine Versuchung für Politiker. Wie begegnet man ihr? Zeil: Dieser Gefahr sollte man nach meinem Verständnis begegnen durch Wahrhaftigkeit, durch Offenheit und durch eine klare Linie, die nicht immer dem entspricht, was gerade vielleicht populär ist oder für populär gehalten wird. Wir haben das jetzt erneut wieder erlebt. Es war ja so, dass manche schon aufgeregt gefragt haben: "Wie kann es eigentlich sein, dass in einer Zeit, in der es auch um das Versagen des Marktes geht, in der sich jetzt in der Krise auch so manche marktwirtschaftliche Verzerrungen als Ursache gezeigt haben, gerade die Freien Demokraten so viel Zulauf haben?" Ich habe darauf immer geantwortet: Ich habe den Eindruck, dass die Menschen spüren, dass wir mit der Sozialen Marktwirtschaft seit über 60 Jahren als einzige Partei durchgängig ein Gesellschaftsmodell und auch ein Wirtschaftsmodell vertreten, das eben eine Wirtschaftsordnung mit klaren Wertmaßstäben verfolgt und letzten Endes auch die Grundlage ist für eine Gesellschaft mit menschlichem Antlitz. Ich glaube, das ist etwas, das man auch den Aufgeregtheiten, dem allzu durchsichtigen tagespolitischen Ansatz entgegensetzen muss. Reuß: "Früher machten die Politiker Politik und die Medien berichteten darüber. Heute machen die Medien Politik und die Politiker führen sie aus", so Rita Süssmuth, die ehemalige Bundestagspräsidentin. Sie spitzt das vielleicht ein bisschen zu scharf zu, aber ist es nicht tatsächlich so – zumindest hat man als politischer Beobachter diesen Eindruck –, dass es heute sehr stark auf die Wirkung eines Politikers ankommt und weniger auf die Inhalte, die er vertritt? Teilen Sie diese Einschätzung? Wie geht man mit dieser Gefahr um? Zeil: Diese Erscheinung ist unverkennbar vorhanden. Sie hängt natürlich auch eng mit dem Medium zusammen, in dem wir uns soeben unterhalten. Das ist unbestreitbar. Die Frage ist nun, wie man als Politiker, wie man als Bürger damit umgeht. Ich meine, es kommt bei aller medialen Wirksamkeit, die selbstverständlich zu jedem Politiker hinzukommen muss, sehr darauf an, dass wir echt bleiben, dass die Menschen das Gefühl haben, da steckt jemand dahinter, der meint und macht, was er sagt, der sagt Dinge nicht einfach nur der Wirkung wegen so dahin, sondern hat im Grunde genommen auch einen inneren Kompass, den er verfolgt, an dem er sich messen lässt. Ich glaube, das ist das Entscheidende: dass wir versuchen, einerseits auch als Politiker einen Mittelweg zu gehen, indem wir selbstverständlich die Wirkung der Medien, die mediale Wirksamkeit im Auge behalten, und andererseits auch authentisch bleiben, uns nicht verbiegen lassen und z. B. auch nicht in jedes Mikrophon, das sich uns entgegenstreckt, immer und zu jedem Zeitpunkt irgendetwas, und sei es nur etwas völlig Belangloses, hineinzusagen. Auf der anderen Seite ist hier aber auch der Bürger gefordert: dass er auch denjenigen Politikern eine Chance gibt, die ein nachhaltigeres Politikverständnis pflegen, die eine eigene Meinung haben, die sich eben auch mal durchaus kritisch gegenüber dem sogenannten Mainstream verhalten. Auch der Bürger selbst kann also sehr viel dazu beitragen, dass wir in unserem Land trotz und vielleicht auch gerade wegen der starken Rolle der Medien farbige, kantige Politiker haben. Reuß: "Politik kann so etwas wie eine Sucht werden", meinte einmal. Und wenn ich noch einmal Günter Rexrodt zitieren darf, der einmal gesagt hat: "Politik ist eine Droge. Wenn man einmal infiziert ist, kommt man nicht mehr davon los." Sie sind nun erst seit relativ kurzer Zeit im Landtag, erst seit relativ kurzer Zeit Staatsminister, aber Sie machen schon sehr, sehr lange Politik: Sie waren im Gemeinderat, Sie waren stellvertretender Bürgermeister, Sie waren stellvertretender Landrat, Sie waren im Kreistag, Sie waren Mitglied des Bundestags, Sie kennen die Politik seit Jahrzehnten. Kann denn die Politik tatsächlich süchtig machen? Und wenn ja, was macht denn den Suchtcharakter aus? Zeil: Das ist nicht mein Verständnis und das ist auch nicht mein Gefühl. Spannend in der Politik ist sicherlich das Gestalten. Für mich war Politik immer etwas sehr Grundsätzliches in dem Sinne, dass ich sage: Es ist diese Aufgabe, neben dem Beruf, neben der Familie, neben dem, was man für sich selbst tut, auch etwas für die Gemeinschaft zu tun, einen Gemeinschaftsdienst zu leisten. Das machen viele Menschen außerhalb der Politik in vielfältiger Weise. Und es gibt eben Menschen, die das innerhalb der Politik machen. Darum war ich ja 20 Jahre ehrenamtlich tätig in der Kommunalpolitik. Das habe ich mit großer Freude gemacht, weil es mir auch immer darum ging, etwas zu bewegen, etwas zu gestalten, am Gemeinwesen mitzuwirken. In diesem Verständnis mache ich also Politik. Ich mache das gerne und ich bin sehr dankbar für die Chance, die man mir mit diesem Amt gegeben hat, die die Wählerinnen und Wähler mir nach einem langen Berufsleben gegeben haben. Aber ich bin auch froh, dass ich 24 Jahre lang in einem wunderbaren Beruf gewesen bin: Das gibt einem eine große innere Unabhängigkeit und auch innere Freiheit. Ich wünschte mir, dass es in der Politik mehr Menschen gibt, die aus einer beruflichen Praxis heraus einen Weg in die Parlamente finden und dass es nicht mehr diese strenge Teilung gibt zwischen Berufspolitikern, die ihr Leben lang nichts anderes gemacht haben und machen werden als Politik, und denen, die nur im Beruf sind. Wir bräuchten hier stattdessen sehr viel mehr Wechselbeziehungen. Reuß: Sie haben es vorhin fast schon beantwortet, dennoch möchte ich diese Frage noch einmal etwas zugespitzt stellen. Sie sind Mitglied der FDP. Nun werden der FDP viele Attribute zugeschrieben, einige möglicherweise etwas unglücklichere Attribute hat sie sich zu bestimmten Zeiten aber auch selbst zugeschrieben, denn da war auch mal von der "Spaßpartei" die Rede, von der "Partei der Besserverdienenden" usw. Was ist denn die FDP für Martin Zeil? Zeil: Die FDP ist für mich die Partei, die aus der Geschichte des Liberalismus heraus, aber auch immer wieder aktuell für die Freiheit des Einzelnen und die Verantwortung für die Gemeinschaft steht. Ich glaube, es war Friedrich Naumann, der einmal von der Freiheit zur Verantwortung gesprochen hat, was mir persönlich als Gedanke ebenfalls sehr gut gefällt. Das ist für mich die FDP. Sie ist eine Partei, die ihre Fehler hat – wie alle anderen Parteien – , die in ihrer langen Geschichte auch ihre Irrungen und Wirrungen hatte, die aber auch immer vor allem eine Sache ausgezeichnet hat: dass sie in entscheidenden Momenten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bereit war, auch ihre eigene Existenz aufs Spiel zu setzen, um wichtige Wegentscheidungen für unser Land voranzubringen. Sei es, dass es um die Soziale Marktwirtschaft ging, dass es die Ostpolitik war, dass es die Wiedervereinigung war: Immer war die FDP an verantwortlicher Position zur Stelle. Das hat mich immer schon fasziniert. Mich haben aber auch die Persönlichkeiten fasziniert, die die Freien Demokraten geprägt haben. Insofern ist die FDP für mich eine Verantwortungsgemeinschaft und eben auch eine Gemeinschaft, auf deren geistigen Grundlagen man politisch arbeiten kann. Das bedeutet nicht, dass mir nicht auch einmal das eine oder andere nicht gefällt. Aber es ist für mich entscheidend, dass ich dort auch eine Gruppe von Gleichgesinnten gefunden habe, mit der man viel für unser Land bewirken kann. Reuß: Politiker sollten authentisch sein, wie Sie vorhin gesagt haben. Deshalb versuchen wir hier in der Sendung, auch immer ein wenig den Menschen hinter der Funktion vorzustellen. Sie sind am 28. April 1956 hier in München geboren und dann im oberbayerischen Gauting, also wenige Kilometer vor den Toren Münchens, aufgewachsen. Wie würden Sie denn Ihre Kindheit beschreiben? Wie war Ihr Verhältnis zu den Eltern? Wie sind Sie aufgewachsen? Zeil: Ich hatte eine wunderschöne Kindheit: in einer Familie, die von den Eltern, von den Geschwistern, aber auch von einer sehr dominierenden Großmutter geprägt war, die viel Gutes – was ich damals aber nicht immer sofort erkannt habe – an meiner Erziehung geleistet hat. Sie hat uns sehr streng, aber mit einer liebevollen Strenge erzogen. Ich habe dort viele Freunde gefunden, mit einigen von ihnen habe ich bis heute Kontakt. Ja, das war eine sehr behütete Zeit, eine Zeit, die mich dann auch noch später geprägt hat, weil bei uns zu Hause immer viel diskutiert worden ist. Mein Vater hat, obwohl er selbst nie politisch tätig gewesen ist, immer sehr wichtige politische Themen in der Familie angesprochen. Es gab darüber selbstverständlich auch etliche Auseinandersetzungen. Insgesamt hat mich das jedenfalls sehr geprägt. Meine Eltern haben mir auch schon sehr früh die Chance gegeben, mich in der Welt umzusehen: Ich durfte z. B. eine Zeit lang im Ausland zur Schule gehen. Dafür bin ich sehr dankbar. Reuß: Sie haben das Gymnasium in Starnberg besucht und waren, wie Sie gerade andeuteten, auch an einer Highschool in Los Angeles. Nach dem Abitur studierten Sie Jura hier an der Ludwig-Maximilians-Universität München und haben dann Ihr Referendariat einerseits im Landratsamt Starnberg und andererseits in einer Anwaltskanzlei in London gemacht. Wussten Sie denn zu dieser Zeit bereits, was Sie beruflich eines Tages machen wollten? War da schon etwas vorgeprägt? Zeil: Ich habe mich damals für Jura entschieden, weil ich durch viele Gespräche – und letztlich auch durch Gespräche mit meinem Vater und mit Freunden der Familie – festgestellt habe, dass das eine sehr breite Grundlage ist: Da kann man sehr viel Verschiedenes machen. Ich wollte mir auch immer die Chance offen halten, vielleicht auch politisch tätig zu werden, sei es ehrenamtlich, sei es vielleicht auch mal in einem Parlament. Deswegen bin ich diesen Weg gegangen. Ich wollte mich als Jurist eigentlich nicht unbedingt beim Staat in der Verwaltung betätigen, sondern es stand für mich schon sehr früh fest, dass ich in einem Unternehmen und in der Wirtschaft arbeiten möchte. Und so ist es dann auch gekommen. Reuß: Bereits als Schüler und damit noch vor dem Abitur sind Sie, wenn ich das richtig nachgelesen habe, im Jahr 1974 in die FDP eingetreten. Dieses Jahr 1974 war ja auch in politischer Hinsicht ein unglaublich spannendes Jahr. In diesem Jahr wurde, wenn ich mich nicht täusche, auch das Alter der Volljährigkeit von 21 Jahren auf 18 Jahre gesenkt. Spannender war jedoch, was sich damals in Bonn getan hat: Es gab die Guillaume-Affäre, Bundeskanzler Brandt musste zurücktreten; Walter Scheel wurde zum Bundespräsidenten gewählt; Hans-Dietrich Genscher wurde Außenminister und Helmut Schmidt neuer Bundeskanzler. Auch weltpolitisch hat sich in diesem Jahr viel getan: Der amerikanische Präsident Richard Nixon musste in diesem Jahr wegen der Watergate-Affäre zurücktreten. Was hat denn bei Ihnen den Ausschlag gegeben, in die FDP einzutreten? In Ihrer Familie hat es, wenn ich Sie richtig verstanden habe, keine parteipolitische Vorprägung gegeben. Warum gingen Sie also in dieser Zeit zur FDP? Hätte das vielleicht auch die CSU bzw. CDU oder auch die SPD sein können? Zeil: Im Grunde waren es zwei Dinge. Ich hatte mich, auch dank eines exzellenten Geschichtslehrers, aber auch auf Anregung von zu Hause sehr intensiv mit der Geschichte und dem Scheitern der Weimarer Republik auseinandergesetzt. Dabei habe ich für mich als einen der Gründe für das Scheitern mitgenommen, dass es dort nicht gelungen ist, eine starke Partei oder mehrere Parteien der politischen Mitte zu bilden. Stattdessen waren sie im Grunde genommen am Schluss fast gar nicht mehr vorhanden, während die politischen Ränder mit den bekannten Folgen immer stärker geworden waren. Deswegen stand für mich immer fest, dass ich mich in der politischen Mitte engagieren möchte. Damals habe ich aber auch einen persönlichen Weg zur FDP gefunden. Den letzten Ausschlag gab aber die bayerische Landtagswahl im Herbst 1974. Ich wollte einfach nicht verstehen, warum auch die FDP mit ihren knapp über 5 Prozent so schwach abgeschnitten hat, während die CSU damals mit 62 Prozent ihr bestes Ergebnis unter Alfons Goppel eingefahren hat. Das war dann für mich der ausschlaggebende Punkt, mich zu engagieren und zu sagen: "Hier gibt es eine Partei und auch eine Gruppierung, bei der ich mithelfen möchte, damit es vielleicht auch in Bayern mal wieder anders wird." Reuß: Sie haben ja, wenn man Ihren Werdegang verfolgt, immer sowohl das Nahe wie auch das etwas Übergeordnete gesucht. Sie haben damals mit die Jungen Liberalen gegründet, Sie waren dann in Bayern auch lange Zeit Landesvorsitzender der JuLis. Aber Sie haben sich auch schon früh in Ihrem Heimatort Gauting in der Kommunalpolitik engagiert: Sie waren Ortsvorsitzender der FDP, Sie waren 15 Jahre lang Mitglied des Gemeinderats, Sie waren ehrenamtlicher zweiter Bürgermeister, Mitglied des Kreistages, stellvertretender Landrat. Sie sind also kommunalpolitisch sehr stark verwurzelt. Es gibt ja dieses amerikanische Sprichwort, das besagt, dass alle Politik von der Kommunalpolitik ausgehe. Sehen Sie das auch so und wenn ja, was kann man denn in der Kommunalpolitik für die Landes- und Bundespolitik lernen? Zeil: Da kann man sehr viel lernen. Was mich dabei immer sehr beschäftigt und angetrieben hat, war dieser ganz direkte Bezug zu den Mitbürgerinnen und -bürgern. Auch das Gestalten vor Ort über Partei- oder Fraktionsgrenzen hinweg hat mich fasziniert, das miteinander Gestalten für das Gemeinsame, das Überzeugen, das Schaffen von Mehrheiten in so einem Gemeinderat, in dem die Zusammenarbeit ja wesentlich weniger fest gefügt ist entlang der Parteilinien als in übergeordneten Gremien. Das hat mich immer fasziniert, das hat mir immer große Freude gemacht. Ich habe auch deswegen gerne Kommunalpolitik betrieben, weil man schon dabei die Vielfalt unserer Gesellschaft ziemlich genau kennenlernt – viel besser als bei anderen "Freizeitbeschäftigungen" oder im Beruf. Man lernt einfach die Gesellschaft und die Menschen in ihrer Vielfalt kennen, man lernt, wie viele Menschen sich für die Gemeinschaft tagtäglich engagieren, für die ich größten Respekt habe. Diesen Respekt gegenüber den Mitmenschen, auch gerne mit und für die Mitmenschen zu arbeiten, das lernt man in der Kommunalpolitik. Das hat mich auch sehr geprägt. Nach meinen Erfahrungen im und im Landtag wünsche ich mir manchmal, dass noch mehr Politiker als bisher diesen Weg gehen, dass sie in der Kommunalpolitik zunächst einmal das politische Handwerk lernen, bevor sie sich dann in Parlamente auf höherer Ebene aufmachen. Reuß: Sie haben in Gauting drei Mal erfolglos für das Amt des Bürgermeisters kandidiert, Sie haben drei Mal erfolglos für den Bayerischen Landtag kandidiert: Obwohl Sie jedes Mal mit das beste Erststimmenergebnis hatten, für die FDP hat es jeweils doch nicht gereicht. Sie haben einmal gesagt: "Bei uns ist es so" – ich nehme an, dass Sie mit "uns" die FDP meinten –, "dass der Idealismus größer sein muss als die Chancen." Braucht man nach solchen Niederlagen, die sicherlich auch ein bisschen schmerzlich sind, nicht doch auch noch andere Qualitäten? Muss man eine große Portion Idealismus mitbringen, damit man dabei bleibt? Zeil: Wenn man sich die Geschichte der bayerischen FDP seit 1946 anschaut, dann sieht man, dass sie es nie leicht hatte. Selbst unter so prägenden Persönlichkeiten wie Thomas Dehler oder Josef Ertl, war es für uns nicht so, dass wir da im Hinblick auf Wählerstimmen im Schlaraffenland gelebt hätten. Nein, es war immer schon schwer. Man muss halt zu seiner Überzeugung stehen und man muss auch miteinander schwierige Zeiten durchstehen, so wie wir das hier in Bayern ja lange Jahre über gemacht haben. Und man darf nie aufgeben. Man darf nie aufgeben, für seine Ideen zu kämpfen. Wenn sich die Situation und auch die Stimmung fügen, dann ist es so, wie wir das in den letzten Jahren gezeigt haben, wie weit auch die FDP in Bayern kommen kann. Deswegen sind wir heute dort, wo wir stehen: dank vieler, die uns vorausgegangen sind, die selbst unter schwersten Bedingungen immer für diese Idee gekämpft haben, bis wir nun in die Verantwortung gekommen sind und diese Ergebnisse erzielen konnten. Reuß: Sie wurden 2005 in den Bundestag gewählt, 2007 wurden Sie Generalsekretär der bayerischen FDP und Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl in Bayern im Jahr 2008. Es war sicherlich nicht einfach für Sie, in dieser Zeit auch noch Wahlkampf zu machen. Im Herbst 2008 kam es dann zu dieser berühmten Landtagswahl, bei der die CDU um über 16 Prozent auf 43,4 Prozent abstürzte. Die FDP hingegen konnte ihren Stimmenanteil verdreifachen, von 2,6 auf 8 Prozent, und stellt heute in der Bayerischen Staatsregierung zwei Minister und eine Staatssekretärin. Was sind Ihrer Ansicht nach die Ursachen für diesen Absturz der CSU und dieses doch überraschend starke Ergebnis der FDP? Oder hängen diese beiden Ergebnisse auch zusammen? Zeil: Hier gibt es, wie das bei so sehr großen Bewegungen immer der Fall ist, keine einfache Erklärung. Hier sind viele Faktoren zusammengekommen, auch Langzeitentwicklungen. Bayern hat sich natürlich auch verändert, die Beweglichkeit der Wählerinnen und Wähler hat sich erhöht, die Bindungskraft der sogenannten Volksparteien hat bereits seit längerer Zeit nachgelassen. Manchmal ist das aber noch überdeckt worden durch außergewöhnliche Ergebnisse wie z. B. bei den bayerischen Landtagswahlen 2003. Und es ist eben auch immer so, dass es dann, wenn Parteien zu lange alleine an der Regierung sind, die üblichen Verschleißerscheinungen gibt: Man gerät außer Tritt mit dem Lebensgefühl der Menschen usw. All das ist passiert, all das hat natürlich mitgeholfen. Dazu kam sicherlich die Große Koalition in Berlin und deren Unbeweglichkeit, der Widerspruch zwischen dem Reden in München und dem Handeln in Berlin. Nicht zuletzt hat natürlich auch eine Rolle gespielt, dass die bayerische FDP geschlossen war wie nie zuvor, im Team gekämpft hat und dadurch natürlich auch eine positive Ausstrahlung hatte auf die Menschen. Gewählt wurden wir auch wegen unserer klaren Haltung: Wir haben gesagt, was wir nach der Wahl machen würden, wenn wir in die Verantwortung gestellt werden sollten. All das hat zu diesem Ergebnis beigetragen. Das heißt, das war eine Gemeinschaftsleistung, der natürlich viele Jahre an gemeinsamer Arbeit vorangegangen ist – und es gab eben auch Langzeitentwicklungen, die sich in diesem Fall positiv für uns ausgewirkt haben. Reuß: Im Bayerischen Landtag sitzen nun fünf Parteien. Die FDP ist mit ihren 8 Prozent ganz klar in den Landtag gekommen, dennoch ist sie von diesen fünf Parteien die kleinste Partei. Mit der CSU zusammen hat die Koalition aus CSU und FDP jedoch eine starke und stabile Mehrheit. Rein theoretisch hätte es für die CSU auch mit den Freien Wählern und mit den Grünen für eine stabile Mehrheit gereicht. Solche Konstellationen gibt es ja inzwischen in Deutschland: In Hamburg regiert die CDU zusammen mit den Grünen, im Saarland gibt es die Jamaika-Koalition. Umgekehrt geht die Sache natürlich auch: Sie könnten zusammen mit allen anderen Parteien gegen die CSU, die alleine eben keine Mehrheit mehr hat, regieren. Aber Sie haben einmal auf diese Option hin, ob nicht die SPD, die Freien Wähler, die Grünen und die FDP zusammen regieren könnten, gesagt: "Wir brauchen keine Selbsterfahrungsgruppe mit politischen Geisterfahrern, wir brauchen a gscheite Regierung!" Gilt das für die ganze Legislaturperiode? Schließen Sie definitiv aus, dass es, wenn Sie von der CSU noch ein bisschen weiter geärgert werden, wenn ich das mal so salopp ausdrücken darf, eine andere Konstellation geben könnte? Zeil: Man muss immer darauf achten, nicht den Eindruck zu vermitteln, als seien die Parteien um ihrer selbst willen da. Nein, wir haben Wähleraufträge zu erfüllen. Und da stehen auch klare Inhalte dahinter. Deswegen habe ich immer gesagt: Wir machen doch keine Politik mit dem Rechenschieber, was also irgendwie in der Addition eine Mehrheit ergibt. Wir machen das selbst dann nicht, wenn man hier rein rechnerisch auch andere Mehrheiten zustande bringen könnte: Nein, das wäre ein völlig bunt zusammengewürfeltes und inhaltlich mit wenig Schnittmengen versehenes Gebilde. Die leiten uns aber in unseren Koalitionen. Es geht also nicht darum, was sich gerade mal rechnet, um an irgendwelche Posten zu kommen, sondern es geht uns immer um die inhaltliche Begründung, denn nur diese trägt auch über den Zeitraum einer Legislaturperiode – und wenn es nach uns geht, gerne auch noch darüber hinaus. Das ist der Grund, warum völlig klar ist, dass es da keine Alternativen gibt: Wir haben einen Koalitionsvertrag, wir haben im Sinne der Wählerinnen und Wähler diese Koalition gebildet. Wir merken ja auch an den Umfragen, dass die Wähler mit dieser Konstellation im Großen und Ganzen sehr zufrieden sind. Die FDP ist also inzwischen auch im Bewusstsein der Bevölkerung in der Regierung angekommen. Deswegen werden wir diese Arbeit fortsetzen. Es gibt von unserer Seite aus – auch angesichts von gewissen Aufgeregtheiten beim Koalitionspartner, bei dem man nicht immer den Eindruck hatte, dass er in der Koalition bereits angekommen ist – überhaupt keinen Grund, daran irgendetwas zu ändern. Die FDP hat sich ja in diesem ersten Regierungsjahr in dieser Koalition als der stabile Faktor erwiesen. Reuß: Sie haben es bereits angedeutet: Zu Beginn der Koalition zwischen CSU und FDP haben Sie gesagt, dass nun zwei Lernende zusammenkommen: der eine lernt Koalition, der andere lernt Regierung. Wenn man die letzten Wochen vor der Bundestagswahl jetzt im Jahr 2009 Revue passieren lässt, dann erinnert man sich, dass es da doch die eine oder andere Nickeligkeit gab zwischen den beiden Koalitionspartnern. Wer hat denn schneller gelernt, wer hat mehr gelernt, wer muss vielleicht noch etwas lernen? Zeil: Ich überlasse es gerne anderen, das zu bewerten. Aber es gibt ja einen bedeutenden bayerischen Politiker, der gesagt hat, die Wahrheit liege in der Wahlurne. Ich würde das gerne noch erweitern: Wenn die Wählerinnen und Wähler zur Wahl gehen, bewerten sie auch immer wieder die Leistung unserer Arbeit und die Art, wie wir uns darstellen. Die Wahl ist immer noch die aussagekräftigste Umfrage, die es gibt. Was unsere Arbeit vor allem in der Landespolitik betrifft, fiel das Urteil des Wählers beim bayerischen Wahlergebnis zur Bundestagswahl 2009 sehr deutlich und klar aus. Reuß: Ich würde gerne noch einmal zu Ihrer Arbeit als Wirtschaftsminister kommen. Gerade in der letzten Zeit gab und gibt es verständlicherweise viel Diskussion und manchen Streit darüber, wann die Politik intervenieren soll, wenn ein Unternehmen in die Krise gerät. Denn dafür gibt es ja genügend Beispiele in jüngster Zeit: der Automobilzulieferer "Schaeffler Gruppe", "Arcandor" bzw. "Quelle", "Karstadt", "Opel" usw. Es geht immer um viele Arbeitsplätze, aber Sie haben es vorhin bereits angedeutet: Nicht jede Unternehmenskrise ist der Wirtschafts- und Finanzkrise geschuldet, denn da mag es auch den einen oder anderen Fehler im Unternehmen selbst gegeben haben. Sie haben einmal gesagt: "Der volkseigene Betrieb Deutschland ist nicht die Lösung, der Staat kann und darf bestenfalls Schiedsrichter, nicht Mitspieler sei. Marktwirtschaft ist nicht ohne Risiko denkbar." Das ist eine klare Aussage, die sicherlich nicht überall freundlich aufgenommen wird. Die Bayerische Staatsregierung stellt jedoch ebenfalls Bürgschaften. Sie selbst haben diesbezüglich von einem Mittelstandsschirm gesprochen: Ich glaube, es sind 300 Millionen Euro, die da zur Verfügung stehen. Sind denn Interventionen für den Erhalt von Arbeitsplätzen sinnvoll und notwendig oder sind sie, wenn ich das mal so scharf formulieren darf, nicht doch auch manchmal nur Blendwerk? Zeil: Wir müssen diese Dinge auf der Basis einer klaren ordnungspolitischen Grundlage und mit einem klaren Kompass angehen. Das haben wir in Bayern bisher so gemacht, und zwar gelegentlich auch jenseits des ganzen Getöses, das darum in der Wahlkampfzeit gemacht worden ist. Es geht darum, dass auch die Kriterien stimmen müssen. Wir haben daher gesagt, dass wir in dieser Krise zuerst einmal den Mittelstand stärken wollen. Wir hier in Bayern waren damit das erste Bundesland, das das so gemacht hat. Denn der Mittelstand gerät ja völlig unverschuldet in Liquiditätsengpässe, wenn z. B. im Finanzmarkt die Dinge noch nicht wieder in Ordnung sind und die Banken nicht so wie bisher mit Krediten zur Verfügung stehen. Wir haben das gemacht, um ein klares Zeichen zu setzen, dass sich die Wirtschaftspolitik in Bayern eben nicht nur mit den Problemen von Großunternehmen beschäftigt. Das muss sie auch, aber zuallererst muss sie den Mittelstand im Blick haben. Das haben wir gemacht und das ist auch ein vertretbares Instrumentarium, das es bereits gegeben hat. Wir haben das jetzt nur krisenbedingt ausgeweitet. Bisher haben wir damit weit über 1400 Unternehmen sehr schnell und pragmatisch und oft auch sehr geräuschlos und auch nicht immer mit Geld helfen können. Denn Wirtschaftspolitik ist eben nichts, was man gerade dann, wenn es um Engpässe in Firmen geht, immer gleich mit großer medialer Aufmerksamkeit versehen darf. Stattdessen muss man hier oft auch schnell, pragmatisch und vor allem geräuschlos handeln. Das ist das eine, das mich leitet. Der andere Punkt ist, dass es eben auch größere Fälle gibt, bei denen wir nach einer Insolvenz gesagt haben: "Wenn vor allem in strukturschwachen Gebieten" – ich meine hier vor allem diese beiden Fälle, bei denen wir das mit Bürgschaften so gemacht haben, also in Jandelsbrunn in Niederbayern und in Selb in Oberfranken – "ein Investor kommt und ein zukunftsfähiges Konzept vorlegt, dann kann man ausnahmsweise dieses Konzept auch mit einer staatlichen Bürgschaft abstützen." Diese restriktive Haltung haben wir durchgehalten und werden sie auch weiter durchhalten. Reuß: Das kann man eigentlich sehr gut nachvollziehen. Aber der Staat hat ja auch für Banken, die sich, salopp formuliert, regelrecht verzockt haben, Hunderte von Milliarden Euro bereitgestellt, also Summen, bei denen es einem als Betrachter fast schon schwindelig wird. In der Öffentlichkeit ist daher so ein bisschen der Eindruck entstanden, dass hier von den Banken satte Gewinne privatisiert und Risiken und Fehler vergesellschaftet werden, die dann letztlich der Steuerzahler zahlen muss. Verstehen Sie den Unmut des einen oder anderen Wählers, der sagt: "Wenn mein Unternehmen ein bisschen in die Krise kommt und ich Geld brauche, dann muss ich mich quasi bis auf die Unterhose ausziehen, weil alles ganz genau geprüft und geprüft wird, und dann bekomme ich den notwendigen Kredit womöglich trotzdem nicht, während im anderen Fall Hunderte von Milliarden Euro in die gehätschelten Banken fließen, die die Krise eigentlich verursacht haben!"? Zeil: Ich kann das natürlich gut nachvollziehen. Ich spreche ja auch viel mit solchen Betriebsinhabern und Unternehmern. Aber es führt eben kein Weg daran vorbei, dass uns allen nichts Besseres eingefallen ist, um, wie das auch schon beschrieben worden ist, die "Kernschmelze auf den Finanzmärkten" abzuwenden. Deswegen musste zu diesem außergewöhnlichen Mittel gegriffen werden. Ich darf auch darauf aufmerksam machen, dass nicht alle Säulen des Bankensystems hier in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Reuß: Die Sparkassen betraf das z. B. so gut wie gar nicht. Zeil: Es gibt in diesem Bankensystem also immer noch Säulen, die nach wie vor ihrer Aufgabe hervorragend nachkommen, die Mittelstandsfinanzierung sicherzustellen – bei allen Schwierigkeiten, die es da im Detail geben mag. Insofern besteht die Aufgabe jetzt darin, die Rahmenbedingungen für die Unternehmen, aber selbstverständlich auch für die Banken so zu setzen, dass diese Blutzufuhr des Wirtschaftskreislaufs wieder so in Gang kommt, wie das auch bisher der Fall gewesen ist. Wir in der Politik müssen auf der anderen Seite eben auch dafür sorgen, und deswegen haben wir ja solche Dinge entwickelt wir den Mittelstandsschirm, dass die Unternehmen in der Realität spürbar nicht alleine gelassen werden vom Staat, dass es also nicht nur für die Banken, sondern auch für die Unternehmen und hier gerade für den Mittelstand Möglichkeiten gibt. Reuß: Ich würde gerne noch ein wenig gegen den Stachel löcken. Sie haben einmal sehr scharf und deutlich formuliert: Einiges von dem, was in der Vergangenheit im Bankensektor gelaufen ist, halte ich nach heutigem Bilanzrecht schlicht für glatten Bilanzbetrug." Dennoch hat man den Eindruck, dass das Ganze ohne Konsequenzen bleibt: Da werden bereits wieder Boni bezahlt, da gibt es sogar Halteprämien für Bankmanager, die die Krise verursacht haben, weil man meint, dass man ohne sie aus der Krise nicht wieder herauskäme. Gibt es denn keine Möglichkeit, hier Verantwortung festzumachen? In der Politik ist es ja auch so, dass die Verantwortung irgendwann an Personen festgemacht wird – sie zumindest politisch festmacht an einer konkreten Person, selbst wenn diese keine persönliche Schuld trifft. In diesem Fall der Bankenkrise liegt aber womöglich sogar persönliches Verschulden vor. Gibt es hier keine Rechenschaftspflicht, keine Konsequenzen? Zeil: Meine Äußerung bezog sich damals ja vor allem auf diese Gesellschaften außerhalb der Bilanz, die es verschiedentlich gegeben hat – übrigens eben auch und gerade bei der Mittelstandsbank IKB. Bei den Landesbanken hat man mit dem Geld des Steuerzahlers, bei der IKB mit dem Geld des Mittelstandes international Monopoly gespielt. Hier müssen die Leute natürlich schon, so weit ihnen persönlich schuldhaftes Verhalten vorgeworfen wird, zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu reicht unser Rechtssystem aus und es gibt in einzelnen Fällen nun auch schon strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Im Hinblick z. B. auf die Landesbank werden durch die Kommission des Landtages, die auch auf unser Betreiben hin zustande gekommen ist, die Verantwortlichkeiten in der Vergangenheit durch ein Gutachten bewertet werden. Das alles geschieht also. Vor allem im Hinblick auf die internationalen Finanzmärkte kann man nun nicht mehr jeden, der dort irgendwo in anderen Ländern falsche Entscheidungen getroffen hat, persönlich zur Rechenschaft ziehen. Wir hier in Deutschland können das jedoch und das wird auch so geschehen. Mindestens genauso wichtig ist es, wenn nicht für die Zukunft sogar noch wichtiger, dass man heute die richtigen Lehren daraus zieht. Hier muss man selbstverständlich erneut differenzieren. Ich stimme daher nicht ein in den Chor derer, die sagen, dass man nun überhaupt keine Boni an die Mitarbeiter mehr auszahlen könne. Denn sehr häufig waren und sind es ja nicht die Mitarbeiter, die hier Schuld tragen oder die falsche Entscheidung getroffen haben, sondern das war das Management. Bei den Managern herrscht jedoch seitens der EU und seitens des Bankenschirms ein strenges Regime, was die Deckelung von Geldern angeht. Das ist alles richtig, aber auch das muss man differenziert betrachten. Ich kann den Unmut also schon sehr gut verstehen, aber entscheidend ist jetzt, dass die Politik die richtigen Schlüsse zieht und dass diese Vereinbarungen auf den Gipfeln der G20 oder auch der G8 für die Reform des Finanzmarktsystems auch wirklich umgesetzt werden. Reuß: Es gäbe noch viele Themen zu besprechen wie z. B. Infrastruktur, Verkehr, Technologie usw. Auch Europa wäre noch ein ganz wichtiges Thema mit Blick auf die Autarkie der Wirtschaftspolitik im föderalen System. Aber mit Blick auf die Uhr würden wir keinem Thema mehr wirklich gerecht werden. Deswegen würde ich Sie bitten, Sätze, die ich Ihnen vorgebe, zu Ende zu führen. Freiheit ist für mich … Zeil: … ein ganz wesentlicher Grundwert unserer Gesellschaft und übrigens auch das Vermächtnis der friedlichen Revolution auf deutschem Boden vor 20 Jahren. Reuß: Wenn jemand sagt, die FDP ist eine Klientelpartei, dann … Zeil: … liegt er falsch, denn die FDP ist eine Partei, die sich an die gesamte Bevölkerung richtet. Reuß: An Ministerpräsident Horst Seehofer schätze ich … Zeil: … dass er einen Neuanfang in der bayerischen Landespolitik eingeleitet hat und hier wirklich versucht hat, mit uns gemeinsam neue Weichen zu stellen. Reuß: Im Jahr 2013 wird die FDP bei der nächsten Landtagswahl … Zeil: … hoffentlich zunehmen und weiterhin in der Regierung bleiben dürfen. Reuß: Am Ende meiner ersten Amtszeit als Staatsminister für Wirtschaft sollten die Menschen sagen … Zeil: Er hat Akzente gesetzt für Bayern, er hat einen klaren Kompass der Sozialen Marktwirtschaft und er hat vor allen Dingen Bayern gut durch eine der schwersten Krisen gesteuert. Reuß: Ein schönes Schlusswort, ganz herzlichen Dank, Herr Staatsminister. Ich würde gerne, wenn Sie erlauben, mit zwei kurzen Zitaten über Sie unser Gespräch beenden wollen. Das eine stammt vom ehemaligen bayerischen Umweltminister und Bundestagsabgeordneten von der CSU, der über Sie gesagt hat: "Martin Zeil ist ein bedächtiger Mann, er ist nicht dieser übertriebene Politikertyp." Und die "Bayerische Staatszeitung" schrieb über Sie: "Martin Zeil ist ein bodenständiger Mann, einer, der lieber sachlich debattiert als das Politrumpelstilzchen zu geben, einer, der mehr sein als scheinen will." Ich glaube, das ist auch in dieser Sendung deutlich geworden. Noch einmal ganz herzlichen Dank, Herr Staatsminister. Verehrte Zuschauer, das war unser alpha-Forum, heute mit Martin Zeil, dem Bayerischen Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie. Herzlichen Dank für Ihr Interesse, fürs Zuschauen und Zuhören und auf Wiedersehen.

© Bayerischer Rundfunk