Plenarprotokoll 17/32

Deutscher

Stenografischer Bericht

32. Sitzung

Berlin, Freitag, den 19. März 2010

I n h a l t :

Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundesre- 18 Einzelplan 15 gierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 17/614, 17/623) ...... setzes über die Feststellung des Bun- 2951 B deshaushaltsplans für das Haushalts- (SPD) ...... jahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010) (Drucksachen 17/200, 17/201) ...... 2951 C 2951 A Ulrike Flach (FDP) ...... 2953 D b) Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- Dr. (SPD) ...... schusses zu der Unterrichtung durch die 2954 B Bundesregierung: Finanzplan des Bun- des 2009 bis 2013 (DIE LINKE) ...... 2955 C

(Drucksachen 16/13601, 17/626) ...... (CDU/CSU) ...... 2951 B 2957 A Ewald Schurer (SPD) ...... 2958 C Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 2960 B (CDU/CSU) ...... 2961 B Dr. Karl Lauterbach (SPD) ...... 2962 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Steffen-Claudio Lemme (SPD) ...... Tagesordnungspunkt II: 2963 D Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über (SPD) ...... die Feststellung des Bundeshaushaltsplans 2964 C für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsge- setz 2010) Elke Ferner (SPD) ...... (Drucksachen 17/200, 17/201, 17/601 bis 2965 C 17/616, 17/619 bis 17/622, 17/623, 17/624, 17/625, 17/1077) ...... Dr. Erwin Lotter (FDP) ...... 2979 B 2966 B Petra Merkel (Berlin) (SPD) ...... Dr. Philipp Rösler, Bundesminister BMG ...... 2979 C 2967 C (CDU/CSU) ...... (BÜNDNIS 90/ 2981 C DIE GRÜNEN) ...... (BÜNDNIS 90/ 2969 B DIE GRÜNEN) ...... Dr. Philipp Rösler, Bundesminister 2982 C BMG ...... Bettina Hagedorn (SPD) ...... 2969 D 2983 B (DIE LINKE) ...... Johannes Kahrs (SPD) ...... 2970 A 2984 C (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... Norbert Barthle (CDU/CSU) ...... 2971 B 2985 A Dr. (CDU/CSU) ...... Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 2972 D 2985 B Dr. Karl Lauterbach (SPD) ...... Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) ...... 2974 B 2986 C (CDU/CSU) ...... Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 2976 B 2988 C Dr. Karl Lauterbach (SPD) ...... Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister 2976 D BMF ...... 2990 D 19 Einzelplan 32 Joachim Poß (SPD) ...... Bundesschuld 2992 D (Drucksache 17/621) ...... 2978 C (FDP) ...... 2994 D

20 Einzelplan 60 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) ...... Allgemeine Finanzverwaltung 2996 A (Drucksache 17/622) ...... Dr. (CDU/CSU) ...... 2978 D 2997 D Klaus Brandner (SPD) ...... 21 Haushaltsgesetz 2010 (Drucksachen 17/624, 17/625) ...... 3000 B 2979 A Dr. h. c. (CDU/CSU) ...... 3001 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 III

Florian Toncar (FDP) ...... Berichtigung ...... 3003 B 3012 D (CDU/CSU) ...... 3004 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten ...... Namentliche Abstimmungen ...... 3013 A 3006 B, 3006 B

Ergebnisse ...... Anlage 2 3007 C, 3009 D Amtliche Mitteilungen ...... 3013 D Nächste Sitzung ...... 3012 C

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2951

32. Sitzung

Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Beginn: 9.00 Uhr

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind Vizepräsident Dr. h. c. : für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgese- Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe hen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das Kolleginnen und Kollegen! so beschlossen. Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tages- (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Man muss ordnungspunkt I – fort: die Zeit nicht ausschöpfen!) a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kol- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- legen Ewald Schurer für die SPD-Fraktion das zes über die Feststellung des Bundes- Wort. haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010) (Beifall bei der SPD) – Drucksachen 17/200, 17/201 – Ewald Schurer (SPD): b) Beratung der Beschlussempfehlung des Guten Morgen, Herr Präsident! Werte Kollegin- Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu nen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen der Unterrichtung durch die Bundesregie- und Herren! Der Einzelplan 15 hat in den letzten rung Jahren einen deutlichen Aufwuchs erfahren, einen Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013 höheren als andere Einzelpläne, und zwar durch die Zuschüsse aus dem Steuertopf für den – Drucksachen 16/13601, 17/626 – Gesundheitsfonds. Dieser Fonds ist zwar nur eine Berichterstattung: Kapitalsammelstelle, aber die Zuwächse sind vor- Abgeordnete Norbert Barthle handen. Im Haushalt 2010 sind das 15,7 Milliarden (Erfurt) Euro, die sich wie folgt aufsplitten: 11,8 Milliarden Otto Fricke Euro für gesellschaftlich notwendigen Bedarf, also Zuschüsse an die GKV, und 3,9 Milliarden Euro für Alexander Bonde die zunächst einmaligen krisenbedingten Zuschüs- se für die Ausfälle in der GKV durch die Wirt- Dazu rufe ich den Tagesordnungspunkt I.18 auf: schafts-, Finanz- und Konjunkturkrise. Einzelplan 15 Der materielle Kern des Einzelplans beträgt Bundesministerium für Gesundheit nach ursprünglich 467 Millionen Euro nach eige- – Drucksachen 17/614, 17/623 – nen Berechnungen nur noch circa 430 Millionen Euro. Da wurden Sparvorstellungen zum Haushalt Berichterstattung: realisiert. Wenn ich mir das Sparen anschaue, Abgeordnete Alois Karl werte Kolleginnen und Kollegen, dann muss ich Ewald Schurer aber sagen: Da machen Sie schon Ihre ersten Ulrike Flach Fehler. Michael Leutert Sven-Christian Kindler Ich erwähne ausdrücklich einen Bereich, der für mich und auch für uns, glaube ich, eine große poli- Zu Einzelplan 15 liegen drei Änderungsanträge tische Bedeutung hat, nämlich: Prävention, Auf- der Fraktion Die Linke vor. klärung und Programmmaßnahmen, zum Beispiel auf dem sehr wichtigen Gebiet des Drogen- und 2952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Suchtmittelmissbrauchs. Wer die praktischen Zah- den genauen Ausdruck nicht mehr erinnern – len kennt, Herr Minister, und weiß, was die Studien Kopfgeldpauschale. aussagen, die von Ihrer Amtsvorgängerin veröf- (Heinz Lanfermann [FDP]: Falsche Begrif- fentlicht wurden, müsste einsehen, dass es einen fe kommen von Herrn Lauterbach! – großen und anhaltenden Bedarf gibt, Modell- oder Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Am bes- Aufklärungsmaßnahmen zu finanzieren. Was ma- ten, du bleibst gesund!) chen Sie? Genau an dieser Stelle fangen Sie an, rigide zu kürzen. Titel 531 66 – Aufklärungsmaß- Sie variieren Ihre fachlichen Begründungen. Aber nahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Sucht- am Schluss bleibt folgende Erkenntnis: Alle sollen mittelmissbrauchs –: minus 500 000 Euro. Titel einkommensunabhängig die gleichen Beiträge 684 69 – Modellmaßnahmen und Forschungsvor- zahlen. Es ist also egal, wie viel man verdient. haben auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmit- (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wer weniger telmissbrauchs –: minus 740 000 Euro. Das sind verdient, hat es schwerer!) die falschen Weichenstellungen bei dem ansons- ten natürlich wichtigen Bestreben, den Haushalt zu Sie wollen 40 Millionen Menschen zu Bittstellern konsolidieren. eines komplizierten Antragsverfahrens machen. Damit verunsichern Sie die Menschen. Viele wer- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven- den sich fragen, ob sie die eine oder andere medi- Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zinische Leistung noch bezahlen können, vor allen NEN]) Dingen wenn man in Vorleistung treten muss. Herr Minister, natürlich beschäftige ich mich als Herr Minister, ich unterstelle Ihnen, dass Sie ei- Haushälter auch mit Ihren gesundheitsökonomi- nen Paradigmenwechsel im Gesundheitssystem schen Überlegungen. Ich frage mich, welche Logik wollen; das ist offensichtlich. Liebe Freunde von sie in sich tragen, wenn es um das Ziel geht, das der CSU, haben Herr Söder und Herr Seehofer System umzubauen. nicht recht, wenn sie – wie Seehofer vorgestern in (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Du hart aber fair – von einer geplanten Demontage musst über den Haushalt reden und nicht der Solidarität im System sprechen? Liegt Herr über die Logik!) Seehofer damit so falsch? – Ich komme dazu. – In der Generaldebatte am (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir Mittwoch hatte die Frau Bundeskanzlerin Angela haben hier doch keine Fragestunde! – El- Merkel nun wirklich alles versucht, um Herrn Rös- ke Ferner [SPD]: Er liegt völlig richtig!) ler beizuspringen; das kann man wirklich sagen. Hat er nicht recht, wenn er Herrn Karl Lauterbach Sie hatte zwei Grundaussagen getroffen. Sie hat oder der geschätzten Kollegin Elke Ferner bei- erstens ihre Hausphilosophie noch einmal erneu- springt? ert, dass künftig Solidarität im System nur noch über den Steuerausgleich zu bewerkstelligen ist. (Beifall bei der SPD) Das ist ja die Formel, die Sie im Land predigen. Herr Minister, so wie es aussieht, würden Die zweite war das Bekenntnis dazu, die Lohnne- 50 Millionen Versicherte der GKV – einschließlich benkosten von den steigenden Gesundheitskos- der Mitversicherten sind es sogar 70 Millionen ten zu entkoppeln. Das waren also die beiden Menschen – im Extremfall zu Bittstellern. Ich muss Grundaussagen, die die Frau Bundeskanzlerin in Ihnen unterstellen, dass Ihre Strategie auf eine den Mittelpunkt gestellt hat. Abschaffung des Sachkostenprinzips hinausläuft (Heinz Lanfermann [FDP]: Zu Recht!) und dass schließlich ein Kostenerstattungsprinzip gilt. Das alleine würde nach meiner Meinung zu ei- – Ich hoffe, dass Sie nachher die Chance haben, ner manifesten Leistungsausgrenzung der Men- sich wirklich manifest dazu zu äußern. schen führen, die keinen dicken Geldbeutel haben. So wollen Sie die Gesundheitskosten begren- Diese müssen sich dann zweimal überlegen, ob zen. Das ist zunächst einmal ein ehrenwertes Ziel, sie in Vorleistung gehen. Schon wenige Hundert geht aber, so glaube ich, zulasten der Versicher- Euro wären eine große ökonomische Belastung für ten; ich werde auch sagen, warum. viele Haushalte mit Kindern oder für Menschen, die keine Gutverdiener sind. Wenn Sie die Arbeitgeberbeiträge im Rahmen der volkswirtschaftlichen Wertschöpfungskette ein- (Beifall bei der SPD) frieren, dann gefährden Sie das bewährte paritäti- Blackboxmodelle haben einen gewissen sche System. Im Gesundheitsbereich gibt es Charme. Es herrschen Laborbedingungen. Wenn 4,6 Millionen Beschäftigte und zahlreiche hochqua- Sie aber die Fachwelt und die Leistungserbringer lifizierte Jobs. Dort wird mittlerweile ein Neuntel im System fragen, dann werden Sie feststellen, des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet. Sie ge- dass diese von Ihrem System – so ist es in der fährden diese Wertschöpfungskette durch ein ideo- Ärzte Zeitung zu lesen – nicht überzeugt sind. Ak- logisches Versatzstück namens – ich kann mich an tuelle Umfragen haben ergeben: Mehr als 80 Prozent der Versicherten sowie der Patientin- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2953 nen und Patienten versprechen sich von Ihrer stellt, auf die zu verzichten sich die Menschen Kopfprämie oder Kopfgeldprämie – wie immer sie schlicht und einfach nicht leisten können. Das ist auch heißen mag – nichts Gutes. Sie haben eine für mich der entscheidende Punkt. negative Gefühlslage, ohne vielleicht immer genau Am Schluss möchte ich Ihnen sagen: Sie müss- zu wissen, worum es geht. ten drei Aufgaben erfüllen, um diesen Irrweg zu Herr Minister, wenn Sie das bewährte Finanzie- verlassen. Ich meine das nicht persönlich und nicht rungssystem, durch das Arbeitgeber und Arbeit- böse. Ich glaube, dass Sie subjektiv einen guten nehmer im Rahmen der Wertschöpfungskette zu Weg finden wollen, objektiv aber die falschen Re- gleichen Teilen belastet werden – das ist der zepturen haben. Ich möchte Ihnen daher drei Bit- Grundsatz – und in das auch Steuermittel zur Er- ten bzw. Empfehlungen geben: Erstens. Halten Sie füllung gesellschaftlich notwendiger Aufgaben flie- an der paritätischen Finanzierung fest. Bauen Sie ßen, durch eine fragile Konstruktion eines steuerfi- diese wieder aus und ergänzen Sie sie da, wo ge- nanzierten Sozialausgleichs ersetzen wollen, dann samtgesellschaftliche Aufgaben erfüllt werden muss ich Ihnen als Haushälter sagen: Das Geld ist müssen, durch Steuermittel. nicht da. Der Gesamthaushalt hat ein Volumen von (Beifall bei der SPD – [Müns- über 320 Milliarden Euro. Der Anteil der Nettokre- ter] [FDP]: Ihr habt doch die paritätische ditaufnahme liegt bei 25 Prozent. Finanzierung aufgehoben!) (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Aber Zweitens. Versuchen Sie die Kostensteigerungen, 75 Prozent nicht! 75 Prozent sind keine die im System tatsächlich vorhanden sind – Kran- Nettokreditaufnahme! Man muss das mal kenhäuser, Pharmamarkt –, durch Effizienzsteige- positiv sehen!) rung in den Griff zu bekommen. Packen Sie den Allein der Bund muss aufgrund der Folgewirkun- Stier der Pharmaindustrie bei den Hörnern! Bewei- gen der internationalen Finanzkrise neue Kredite in sen Sie Ihre Kraft! Das ist ganz wichtig. Drittens. Höhe von rund 80 Milliarden Euro aufnehmen. Steuern Sie die ärztliche Versorgung, vor allen Herr Rösler, in der letzten Stufe Ihres Modells geht Dingen durch eine gute Abstimmung zwischen Kli- es nicht um 10 Milliarden, sondern um niken und niedergelassenen Ärzten. – Wenn Sie 35 Milliarden Euro steuerfinanzierte Zuschüsse. diese drei Punkte beherzigen würden, hätten Sie Das ist objektiv eine ökonomische Unmöglichkeit. eine Chance, aus der verfahrenen Situation her- Sie müssen sich darauf einstellen: Sie werden auf auszukommen. Dann hätte das Gesundheitssys- diesem Weg, auf den Sie sich katapultiert haben, tem eine gute Zukunft. keinen Erfolg haben. Sie werden keine Chance Wir Sozialdemokraten sind doch die Letzten, die haben. nicht für Beratung zur Verfügung stünden. Nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nur der Kollege Lauterbach, der dafür prädestiniert des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ist, Wenn ich mir Herrn Singhammer und den Kollegen (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo der gelan- Karl von der CSU anschaue, dann weiß ich, dass det ist, haben wir schon mal gesehen! – sie aus München kein Go! für Ihr Hasardeurspiel, Heinz Lanfermann [FDP]: Das haben wir Herr Minister, bekommen werden, das ein bewähr- im letzten Antrag gesehen!) tes Finanzsystem in Gefahr bringt. sondern auch andere Kolleginnen und Kollegen Ideologie ist sicherlich nicht schlecht. Bei wohl- bieten Ihnen jede Menge Sachverstand an. Das ist wollender Betrachtungsweise ist Ideologie so et- besser, als sechs oder sieben Ministerkollegen was wie Programmatik, also ein Ansinnen, etwas einzuladen, die im Wesentlichen fachfremd sind zu verändern. Sie sollten aber darüber nachden- und zum Thema Gesundheit nichts beizusteuern ken, dass Sie hier ideologische Versatzstücke in haben. Holen Sie sich Sachverstand von den den praktischen Vollzug bringen wollen. Sie und Krankenkassen, von den Leistungserbringern, den auch der Herr Staatssekretär machen den Men- Patienten und den Versicherten. Versammeln Sie schen, wie ich finde, bei Ihren Auftritten Angst, an- diese an einem Know-how-Tisch und lassen Sie statt ihnen Orientierung zu geben. Die Menschen sich von diesen beraten. Das täte uns allen gut. müssen Angst um den sozialen Ausgleich in der Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Gesellschaft und davor haben, wie es weitergehen soll. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Heinz Lanfermann [FDP]: Sie machen doch Angstkampagnen!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wenn man die Entwicklung von Reichtum und Ar- Das Wort hat nun Ulrike Flach für die Fraktion mut in dieser Gesellschaft betrachtet, dann kommt der FDP. man zu dem Schluss, dass das Sachleistungs- prinzip für die Menschen eine wichtige ökonomi- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten sche und gesundheitspolitische Grundlage dar- der CDU/CSU) 2954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Ulrike Flach (FDP): auf vernünftige Programme der neuen Regierung Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! wartet. Als Hauptberichterstatterin für dieses Ministerium (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke möchte ich mich erst einmal bei den Kollegen be- Ferner [SPD]: Da wartet er aber lange!) danken, die uns positiv begleitet haben. Ich möch- te mich auch bei Ihnen, Herr Schurer, bedanken, (Ewald Schurer [SPD]: Gebe ich zurück, Frau Übrigens stellt sich in diesem Zusammenhang Flach!) auch die Frage: Warum müssen Kitakinder in Ber- lin dazu bewegt werden, an einem Zirkuspro- auch wenn wir inhaltlich an vielen Stellen ver- gramm teilzunehmen? schiedener Meinung sind. Ich möchte mich weiter- hin beim Ministerium bedanken. Es hat uns auch in schweren Stunden positiv begleitet und uns viel Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: zugeliefert. So können wir weitermachen. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lauterbach? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Lieber Herr Schurer, der Haushalt des Bundes- Ulrike Flach (FDP): gesundheitsministeriums hat bekanntlich eine et- Ja, natürlich. was eigenwillige Struktur. Wir haben den gesetz- lich vorgeschriebenen Zuschuss zum Gesund- Dr. Karl Lauterbach (SPD): heitsfonds, in diesem Jahr übrigens mit einem Frau Flach, ich kann Ihrer Logik nicht folgen. einmaligen Zuschuss von 3,9 Milliarden Euro, die notwendig waren, weil Sie, lieber Herr Schurer, (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten uns eine Lücke hinterlassen haben. Wenn wir uns der FDP – Heinz Lanfermann [FDP]: Das auf Ihren Sachverstand verlassen würden, hätten erleben wir öfter!) wir wahrscheinlich noch größere Lücken. Sie tragen vor, Prävention habe Priorität für Sie. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Gleichzeitig entfallen die einzigen konkreten Kür- der CDU/CSU) zungen, die Sie bisher vorgeschlagen haben, auf diesen Bereich. Diese Logik erschließt sich mir Die neue Regierung hat schnell gehandelt und nicht, Frau Flach. verhindert, dass die Beiträge erhöht werden müs- sen. Auch das muss wieder gesagt werden. Wir (Beifall bei Abgeordneten der SPD) haben daneben Programmtitel und die nachgeord- neten Behörden, die nur rund 450 Millionen Euro Ulrike Flach (FDP): ausmachen. Lieber Herr Lauterbach, hätten Sie die Sparvor- schläge der FDP in Ruhe zur Kenntnis genommen Wenn man diese Struktur sieht, wird klar, dass und würden Sie auf das warten, was ich Ihnen in wir mit den Einsparungen von immerhin wenigen Sekunden erzähle, dann wüssten Sie, 40 Millionen Euro das Ministerium doch recht hart dass das natürlich nicht die einzigen Kürzungsvor- herangenommen haben. Wir haben einen Haus- schläge sind. Das ist der eine Punkt. halt vorgefunden, der noch von dem politischen Wunschzettel von geprägt war. Wir (Ewald Schurer [SPD]: Meinen Sie die haben auch feste Verträge vorgefunden, aus de- Staatssekretäre? – [Hei- nen wir, die wir eine neue politische Einstellung delberg] [SPD]: Es geht ja um die Fakten, haben, nicht sofort aussteigen können. Wir haben nicht um die Erzählungen!) trotzdem einige Pflänzchen, die, ehrlich gesagt, Das Zweite: Jede Regierung hat das Recht, ihre eher der medialen Darstellung der Vorgängerin politischen Schwerpunkte zu setzen. von Herrn Rösler dienten, beschnitten, so zum Beispiel im Zusammenhang mit der von Ihnen (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie kön- eben angesprochenen Prävention oder bei Mo- nen kürzen, wo Sie wollen! Das stimmt!) dellmaßnahmen zum Suchtmittelmissbrauch. Die Schwerpunkte der Ulla Schmidt sind nicht die (Ewald Schurer [SPD]: Da können Sie Schwerpunkte des Philipp Rösler. doch nicht kürzen, Frau Flach! Das geht (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten doch nicht!) der CDU/CSU) Damit kein Irrtum aufkommt: Prävention ist für uns Wir werden die Fehler der Ulla Schmidt natürlich ein Schwerpunktthema. Nur, wollen Sie den Leu- nicht in die nächste Generation weitertragen. – ten wirklich klarmachen, dass wir eine Telefonhot- Herzlichen Dank. line brauchen, über die die Leute angerufen und gefragt werden, ob sie aufgehört haben, zu rau- (Zuruf von der LINKEN: Antworten!) chen? Das hat uns Ulla Schmidt hinterlassen. Wol- Ich will in meiner Rede fortfahren und damit ein len Sie dafür Geld ausgeben? Ich frage mich, ob bisschen zur Erleuchtung beitragen. Angesichts der Steuerzahler sein Geld nicht lieber behält und Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2955 der Haushaltslage sind wir an solche Titel heran- bach. Von dieser Versicherung höre ich jetzt in der gegangen, bei denen zu kürzen dem Hause weh- vierten oder fünften Sitzung etwas, ohne dass wir tut. Wir haben Kürzungen bei den Bezügen der von Ihnen auch nur eine einzige Seite vorgelegt Beamten durchgeführt, bei Dienstreisen, bei der bekommen haben. Öffentlichkeitsarbeit – bei Ulla Schmidt ein sehr (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – beliebtes Spektrum –, beim Geschäftsbedarf und Heinz Lanfermann [FDP]: Wo bleibt denn bei der Software. Ganz nebenbei haben wir Spar- der Antrag? – Christian Lange [Backnang] vorschläge in Höhe von immerhin noch 6 Millionen [SPD]: Sie sind doch an der Regierung! Euro aus unserem hochgeliebten Liberalen Spar- Wo bleibt denn Ihr Konzept? Bis heute buch umgesetzt. nichts!) (Beifall bei der FDP – Christian Lange Sie bleiben uns Ihr Konzept schuldig. Immer wie- [Backnang] [SPD]: Welchen Staatssekre- der verweisen Sie pauschal, auch im Hinblick auf tär haben Sie gestrichen?) die Ausgabenseite. Ich weiß nicht, was Sie da quält. Die Haushälter (Zuruf des Abg. Christian Lange [Backnang] der FDP haben an diesem Haushalt ziemlich mas- [SPD]) siv gearbeitet. – Ich rede doch mit Herrn Lauterbach, lieber Herr Die vor dem Hintergrund der milliardenschweren Lange. Steuerzuschüsse an den Gesundheitsfonds klei- nen Korrekturen werden natürlich nicht ausreichen. Angesichts Ihrer Vorschläge im Ausgabenbe- Da befinden wir uns mit unserer Sorge um das reich muss ich an dieser Stelle noch einmal darauf Gesundheitssystem auf demselben Weg, Herr verweisen, dass die SPD von 1998 bis 2009 an Schurer. Wenn wir die Wachstumsschwäche der der Regierung war. Die Ausgaben der GKV für GKV-Einkommensbasis nachhaltig verbessern und Arzneimittel haben sich in dieser Zeit von Beitragserhöhungen verhindern wollen – darum 19,2 Milliarden Euro auf 32,4 Milliarden Euro er- geht es –, dann brauchen wir eine große und eine höht. Was sind das denn für Arbeitsergebnisse? nachhaltige Korrektur bei der Finanzierung der Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir an dieser gesetzlichen Krankenversicherung. Stelle irgendetwas von Ihnen übernehmen. ( [FDP]: Sehr richtig!) (Ewald Schurer [SPD]: Sie haben uns ja früher nie unterstützt an dieser Stelle! Niemals!) 170 Milliarden Euro werden in diesem Jahr vom Gesundheitsfonds an die Kassen verteilt. Es fehlen Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haus- 4 Milliarden Euro – das ist eine Erbschaft von Ih- halt, der erste Haushalt der Ära Rösler, zeigt, dass nen –, was über Zusatzbeiträge ausgeglichen wer- die Koalition auf dem richtigen Weg ist. Die Regie- den muss. Die Experten haben uns in diesen Ta- rungskommission wird eine tragfähige Finanzie- gen gesagt: Für die nächsten Jahre müssen wir rung mit einer einkommens-unabhängigen Prämie mit Fehlbedarfen bis zu 15 Milliarden Euro rech- mit steuerlichem Sozialausgleich vorlegen. nen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Nach (Ewald Schurer [SPD]: Aber die internationale der NRW-Wahl! Sie wollen die Menschen Finanzkrise ist doch ein FDP-Folge- hinters Licht führen!) Modell!) Die Vorschläge zur Kostendämpfung bei den pa- Das, lieber Herr Schurer, sind – trotz allem, was tentgeschützten Arzneimitteln sind eine gute Basis Sie eben so filibusternd von sich gegeben haben – für Eingriffe auf der Ausgabenseite. Der Haushalt die Auswirkung und die Logik Ihrer Gesetze. des BMG zeigt, dass die Zeit der Schmidt’schen Klientelpolitik vorbei ist (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Das stimmt doch (Lachen bei der SPD – Christian Lange [Back- überhaupt nicht, Frau Flach!) nang] [SPD]: Das ist ein guter Witz!) Die SPD stiehlt sich angesichts dieser desolaten und dass endlich Platz für nachhaltige Strukturen finanzpolitischen Lage gesundheits- und haus- geschaffen wird. haltspolitisch aus der Verantwortung. Herzlichen Dank. (Ewald Schurer [SPD]: Selbst das ist falsch! (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Da passt ja nichts zusammen bei Ihnen!) Wer fordert, die Zusatzbeiträge wieder abzu- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: schaffen – die er selbst eingeführt hat – und den Das Wort hat nun Michael Leutert für die Frakti- unter Rot-Grün eingeführten Sonderbeitrag der on Die Linke. Versicherten und die Praxisgebühr, der muss ernsthaft die Frage beantworten, wie diese Ausfäl- (Beifall bei der LINKEN) le kompensiert werden sollen. Da kommen Sie mit Ihrer Bürgerversicherung, lieber Herr Lauter- Michael Leutert (DIE LINKE): 2956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Union zu dem werden kann, was Hartz IV für die Die Bürgerinnen und Bürger interessiert im SPD geworden ist. Gesundheitsbereich in erster Linie, dass sie im (Beifall bei der LINKEN – Ulrike Flach [FDP]: Krankheitsfall die bestmögliche Versorgung erhal- Ach, Herr Leutert!) ten und dass diese auch bezahlbar ist. Um die Fi- nanzierung dieser Leistungen wird in der Politik Wenn die Kopfpauschale kommt, bringt das für seit Jahren heftig gestritten. Was den Bürger aller- Millionen von Haushalten in Deutschland eine dings als Ergebnis dieser Debatten erreicht, kann Schlechterstellung mit sich. Millionen würden dann man mit den Worten „permanente Verschlechte- zu Bittstellern gegenüber dem Staat gemacht. Das rung“ zusammenfassen. sind alles Wählerinnen und Wähler, auch von Ih- nen. Wenn die Union zwischen der Einführung ei- Da ist zum Beispiel der Ärztemangel und die ner Kopfpauschale – und als Folge Wahlniederla- damit verbundenen langen Wartezeiten auf einen gen – oder dem Kopf des Ministers wählen muss, Arzttermin zu nennen. Insbesondere in den ländli- dann ist, wie ich denke, der Kopf des Ministers ein chen Räumen fehlen Ärzte; die Wege sind zu lang. lukrativeres Geschäft. Da geht es zum Beispiel um das Thema der schlechteren Behandlung und der schlechteren (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der Pflege. Das Schlagwort „blutige Entlassung“ ist ja CDU/CSU) jedem hier ein Begriff. Da sind zum Beispiel die Nun haben Sie zur Ablenkung die Debatte um Arztpraxen, die privatversicherte Patienten bevor- die Ausgabenbegrenzung bei den Arzneimitteln zugt behandeln oder, noch schlimmer, nur diese angeschoben. Der Nebel hat sich wieder verzo- behandeln. Die erste Frage beim Arzt lautet eben gen. Was allerdings während des Nebels geschah, nicht mehr: „Was fehlt Ihnen?“, sondern die erste ist genau das Gegenteil – Stichwort: Klientelpolitik Frage beim Arzt lautet heutzutage: „Sind Sie privat – davon, der Pharmalobby Paroli zu bieten. Die versichert oder Kassenpatient?“. einzige sinnvolle Maßnahme, die im Zuge der (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Gesundheitsreform des Jahres 2004 unter Ulla Stimmt doch gar nicht!) Schmidt eingeführt wurde, haben Sie begonnen zu schleifen. Sie haben erst einmal im Apparat aufge- – Na, dann gehen Sie einmal zum Arzt und fragen räumt und den Chef des Instituts für Qualität und nach. Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Bei mir beiseiteräumen lassen. hat er das letzte Mal gesagt: Herr (Beifall des Abg. Dr. Lutz Knopek [FDP] – Schirmbeck, Sie sehen gut aus!) Zurufe von der LINKEN: Pfui! – Johannes Und es findet natürlich immer wieder der Griff in Singhammer [CDU/CSU]: Beachten Sie die Geldbörse der Bürgerinnen und Bürger statt: die Wortwahl!) Zuzahlung zu Arzneimitteln, Praxisgebühr, Erhö- Was am 15. März in Spiegel Online unter der hung der Kassenbeiträge usw. usf. Überschrift „Operation Hippokrates“ zu lesen war, Herr Minister Rösler, Sie setzen diese Politik der liest sich wie ein Räuberroman. Mit allen erdenkli- Verschlechterung nahtlos fort und führen seit chen Mitteln und Tricks ging es dem Chef des In- Amtsantritt eine Debatte um die Kopfpauschale. stituts, Peter Sawicki, zielgerichtet an den Kragen. Aber ob 25 oder 29 Euro – was bei den Bürgerin- (Jens Spahn [CDU/CSU]: Kannten Sie das In- nen und Bürgern wieder einmal ankommt, ist, dass stitut überhaupt vor dem Spiegel-Artikel?) es bald wieder einen Griff in die private Haushalts- kasse geben wird. Jeder bereitet sich natürlich auf Der war natürlich Ihnen und der Pharmaindustrie – diese weiteren Einschnitte vor. Unklug war es al- ich nenne wieder das Stichwort Klientel – seit lan- lerdings von Ihnen, Herr Minister, die Einführung gem ein Dorn im Auge. Das ist ja auch kein Wun- einer Kopfpauschale mit dem eigenen Kopf, der ei- der, wenn der Chef des Instituts, welches für die genen politischen Zukunft, zu verbinden. Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln ver- antwortlich ist, feststellt: Die pharmazeutische In- (Jens Spahn [CDU/CSU]: Gähn!) dustrie betrachtet Deutschland als Selbstbedie- Wie lange wollen Sie eigentlich noch bis zu Ihrem nungsladen. Rücktritt warten, frage ich Sie. (Ulrike Flach [FDP]: Es ist doch bekannt, (Jens Spahn [CDU/CSU]: Tätä! Tätä! dass wir überhaupt keine Stimme bei der Tätä! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Entscheidung hatten! – Heinz Lanfermann Ihre Witze waren auch schon mal besser!) [FDP]: Sie wissen noch nicht einmal, wer was abgestimmt hat!) Die Kanzlerin hat Ihnen in Ihrer Kommission sie- ben weitere Minister als Aufpasser zur Seite ge- Das, Herr Rösler, sind zusammengefasst die stellt. Die Minister der Union sympathisieren zwar Ergebnisse Ihrer bisherigen Zeit als Gesundheits- mit Ihren Ideen – davon bin ich überzeugt –, aber minister. Dabei könnten Sie doch mit ganz einfa- sie wissen auch, dass die Kopfpauschale für die chen Mitteln vorweisbare Ergebnisse bringen, Er- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2957 gebnisse im Übrigen, die bei den Menschen auch Bürgerinnenversicherung für einen geeigneteren einmal für eine positive Erfahrung sorgen würden: Weg, eine soziale und gerechte Finanzierung des Gesundheitssystems zu realisieren. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Sozialismus!) (Heinz Lanfermann [FDP]: Eine Bürger- Sie könnten zum Beispiel zur Senkung der Arz- verunsicherung!) neimittelkosten den Vorschlag der Linken unter- stützen. Ich fordere Sie auf: Senken Sie die Mehr- Solange Sie diese Forderung im Haushalt nicht re- wertsteuer auf Arzneimittel. alisiert haben, können und werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen. (Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/ CSU]: Das sagt der Haushälter!) (Beifall bei der LINKEN – Ulrike Flach [FDP]: Das überrascht uns jetzt wirklich! – Für Steuersenkungen ist die FDP doch immer zu Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Da sind haben. In dem Bereich könnten wir es doch einmal wir jetzt aber enttäuscht!) machen. ( [CDU/CSU]: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wissen Sie, wie viel wir aus der Steuer- Das Wort hat nun Kollege Alois Karl für die kasse in diesem Jahr geben?) CDU/ CSU-Fraktion. Sie könnten auch unserem Antrag zustimmen, die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – nichtkommerzielle Pharmaforschung zu stärken. Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Jetzt er- Das wäre doch auch in Ihrem Interesse, Herr Mi- klär ihnen das mal!) nister, wenn es Ihnen wirklich um die Beschrän- kung der Macht der Pharmakonzerne geht. Alois Karl (CDU/CSU): (Beifall bei der LINKEN) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehr- ten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Sie könnten sich mit uns gemeinsam an anderer Lieber Herr Dr. Rösler! Herr Kollege Leutert, ich Stelle dafür einsetzen, dass der Investitionsstau möchte kurz auf Ihre Rede eingehen. Ich muss sa- von 50 Milliarden Euro bei den Krankenhäusern gen, das war eine von den Reden, von der ich den aufgelöst wird. – Das wären Maßnahmen, mit de- Anfang schon wieder vergessen habe. nen altbekannte Probleme gelöst oder die Fehl- entwicklungen der vergangenen Jahre korrigiert (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Das ist ja werden könnten. Im Übrigen wären das Maß- das Problem bei Ihnen!) nahmen, von denen die Bürgerinnen und Bürger Den mittleren Teil habe ich nicht verstanden. Das tatsächlich etwas hätten und die sie sofort spüren Ende habe ich herbeigesehnt. So ist das mit man- würden. chen Reden, die man hier hört. Die Linke – das ist bekannt – ist gegen eine wei- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und tere Privatisierung und Kommerzialisierung im der FDP) Gesundheitswesen. Ich danke dem Ältestenrat – der nicht häufig ge- (Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Zöller lobt wird –, dass er den Haushaltsansatz des [CDU/CSU]: Ihr seid für Verstaatlichung! – Gesundheitsministers als Höhepunkt, Jens Spahn [CDU/CSU]: „VEB Kranken- kasse“ nennt sich das!) (Elke Ferner [SPD]: Ja, das ist wirklich ein Höhepunkt!) Krankenhäuser und Arztpraxen sind keine Profit- center, sondern Einrichtungen der öffentlichen Da- quasi als Schlussstein wie in einem gotischen Ge- seinsvorsorge. Sie gehören dementsprechend ge- wölbe, an das Ende der politischen Auseinander- schützt. setzung gesetzt hat. (Beifall bei der LINKEN – Ulrike Flach (Beifall des Abg. Georg Schirmbeck [FDP]: Sie müssen uns sagen, wo die Mil- [CDU/ CSU] – Christian Lange [Back- liarden herkommen, lieber Herr Leutert!) nang] [SPD]: So sind wir!) Sie wissen genau, dass die Menschen in unse- Ich danke auch Ihnen, Herr Rösler, rem Land keine Zweiklassenmedizin wollen. ( [DIE LINKE]: Reden Sie (Ulrike Flach [FDP]: Wir auch nicht!) doch mal über Seehofer!) Die Linke steht an ihrer Seite. Deshalb sind wir der und Ihren eloquenten Staatssekretären für die – Meinung, dass der solidarische Charakter der „Einflüsterungen“ hätte ich beinahe gesagt – guten Krankenversicherung erhalten und gestärkt wer- Gespräche. Auch mit Ihnen, liebe Frau Flach, ha- den muss. Letztlich halten wir eine solidarische ben wir den vorliegenden Haushalt nach vielen Bürgerversicherung für den geeigneteren Weg, Sitzungen auf den Weg gebracht. die Gesundheitsversorgung auf gleichem Niveau für alle sicherzustellen. Wir halten die Bürger- und 2958 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Es wurde bereits angesprochen, dass der Es geht zum Beispiel um die Gelder, die wir für Haushalt ungewöhnlich ist. Es ist ein Rekordhaus- Aidsvorsorge und -aufklärung in der Ukraine halt. In Zeiten, in denen Sparen angesagt ist, ist einsetzen. Sextourismus ist sicherlich eine unap- das für sich gesehen kein Ruhmesblatt. Trotzdem petitliche Sache, aber in Zeiten der völligen Frei- haben wir das Volumen des Haushalts um über zügigkeit, in Zeiten der offenen Grenzen können 16 Milliarden Euro – um über 39 Prozent – anstei- wir das nicht kontrollieren. Die bisherigen Maß- gen lassen. nahmen werden fortgesetzt, aber wir können auch im nächsten Haushalt die Mittel nicht so erhöhen, (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist mehr als um die Aufklärungsmaßnahmen auch auf das die Mehrwertsteuersenkung!) sonstige Osteuropa, auf Afrika und auf Asien aus- Wir mussten durch die krisenbedingten zusätzli- zudehnen. Wir müssen in den nächsten Haus- chen Ausgaben dem Haushalt einmalig haltsberatungen auf diesem Gebiet mehr Haus- 3,9 Milliarden Euro zuschießen, um die Zuschüs- haltsdisziplin an den Tag legen. se an den Gesundheitsfonds einigermaßen in den (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Griff zu bekommen. Ich hatte eigentlich gedacht – GRÜNEN]: Unglaublich!) in den Gesprächen mit Ihnen, Herr Bundesminis- ter, deutete einiges darauf hin –, dass diese Erfreulich ist, dass wir 25 Millionen Euro 3,9 Milliarden Euro nicht nötig sein werden, weil entsperren konnten für die Stiftung, die jenen ma- sich die Konjunktur gegenüber 2009 verbessern terielle Hilfe zukommen lässt, die vor über wird. Trotzdem ist es richtig, was Sie gesagt ha- 20 Jahren mit HIV infiziert worden sind. ben: Die 3,9 Milliarden Euro gehen nicht verloren, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten sondern fließen in die Rücklagen des Gesund- der CDU/CSU) heitsfonds. – So wird das sicherlich auch kommen. So können wir diese Stiftung wenigstens materiell Ich glaube übrigens schon, dass es eine starke unterstützen. Die immaterielle Not dieser Men- Leistung des Bundesgesundheitsministers war, schen kann sowieso nicht gelindert werden. dass er in den ersten Tagen seiner Amtszeit – ich glaube, es war am 2. November – mit dem Fi- Trotz des Willens, zu sparen, haben wir auf der nanzminister verhandelt und 3,9 Milliarden Euro anderen Seite auch investiert. Wir werden inves- bekommen hat. Es wurde, wie in dieser Koalition tieren, und zwar intelligent. üblich ist, eine schnelle Lösung gefunden und (Elke Ferner [SPD]: Das wäre etwas Neues!) saubere Arbeit geleistet. Herzlichen Glückwunsch, sehr geehrter Herr Dr. Rösler. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medi- zinprodukte, das BfArM, wird in personeller Hin- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sicht deutlich gestärkt. Das hat damit zu tun, dass dieses Institut jedes Arzneimittel, bevor es auf den Markt kommt, auf seine Unbedenklichkeit unter- Dieser Haushalt zeichnet sich auf der einen Sei- sucht. Dafür fallen Gebühren an. Durch das zu- te durch Sparsamkeit aus. Frau Kollegin Flach ist sätzliche Personal können jetzt in kürzerer Zeit darauf ja schon eingegangen. Ich brauche nur mehr Arzneimittel getestet werden. Das will die In- noch einige wenige Punkte zu erwähnen: dustrie so. Das kommt dem Patienten zugute. Die Die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit sind um Pharmaindustrie muss die Zulassungskosten so- 20 Prozent gekürzt worden. Auch die Zuschüsse wieso bezahlen. Also fließt das Geld lieber jetzt als für die Erstattung der GKV-Beiträge für Aussiedler später. Ich finde, das, was wir hier auf den Weg konnten deutlich gekürzt werden. Ich muss auch gebracht haben, ist intelligentes Investieren. sagen, dass ich die Sache mit den Präventions- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bzw. Aufklärungsmaßnahmen anders sehe als Sie, der FDP) Herr Schurer: 13,2 Millionen Euro standen in den letzten Jahren immer im Haushalt. So ist es auch Wir investieren auch in das Robert Koch- bei diesem Haushalt. Keine Kürzung, was die Prä- Institut, die zentrale Forschungs- und Referenz- vention auf diesem Gebiet anbelangt. Keine Kür- einrichtung der Bundesrepublik, wenn es um die zung, was die Aufklärung anbelangt. Biomedizin geht. Das Robert Koch-Institut ist auch zuständig für die Erkennung und Schadensbe- (Ewald Schurer [SPD]: Kollege Karl, was sa- grenzung bei Anschlägen mit biologischen Agenzi- gen Sie zu Seehofer?) en. 2001, nach den Anschlägen von New York, hat Herr Schurer, ich bin allerdings schon der Mei- die Regierung Schröder/Fischer die Neu- nung, dass wir dieses Thema im Rahmen der baumaßnahme auf den Weg gebracht. Aber es nächsten Haushaltsberatungen in den Mittelpunkt krankt bei der Umsetzung, um in der Sprache des rücken müssen. Haushaltes zu bleiben. Obwohl jetzt neun Jahre vergangen sind, ist vor lauter Planung, vor lauter (Ewald Schurer [SPD]: Kollege Karl, sagen Sie Visionen und vor lauter Kostenschätzungen noch was zu Seehofer!) nichts Wesentliches geschehen. Ich hoffe, dass mit unseren Haushaltsansätzen, sehr geehrte Frau Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2959

Flach, wir es wenigstens noch erleben können, hier eine eigene Meinung, oder haben Sie die glei- dass der erste Stein gelegt wird. Das zieht sich in che Meinung? der Tat schon neun Jahre so hin. (Abg. Ewald Schurer [SPD] meldet sich zu ei- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: ner Zwischenfrage) Herr Kollege.

– Der Herr Schurer möchte eine Zwischenfrage Ewald Schurer (SPD): stellen. Man muss da ein bisschen Orientierung schaf- fen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich wollte Sie gerade fragen. Jetzt fragen Sie Danke schön. mich. Daher erteile ich großzügig Genehmigung. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP) Danke schön,

Ewald Schurer (SPD): Alois Karl (CDU/CSU): Herr Kollege Karl, wir beide sind ja Haushälter Lieber Herr Schurer, ich verstehe ja Ihre Intenti- und deswegen noch mehr als alle anderen zur on, noch einmal ein Referat über das zu halten, Wahrheit verpflichtet. was Sie vorhin schon nicht ganz klar vorgetragen (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU haben. und der FDP – Wolfgang Zöller (Ewald Schurer [SPD]: Ich frage Sie! – Harald [CDU/CSU]: Sehr gut!) Weinberg [DIE LINKE]: Das liegt an Ihnen!) Wahrheit und Klarheit! Kontrolle des Parlaments! – Meine Redezeit beträgt noch 3 Minuten und 33 Kollege Karl, haben Sie schon einmal etwas von Sekunden. Ich komme auf dieses Thema also dem Programm „RKI 2010“ gehört? Da ist über noch zu sprechen. drei Jahre im Personalbereich und bei der Ausstat- tung dieses Spitzeninstitutes, dieses Referenzinsti- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Du kannst doch tutes der deutschen Gesundheitsmedizin viel ge- die Zeit jetzt nutzen!) macht worden, auch mit viel Geld. Ich wollte Ihnen Sie können es offensichtlich kaum erwarten. Dass das begleitend andienen und dazu sagen: Die dieses Thema – ich nehme es jetzt vorweg – noch Probleme des RKI sind nach meiner Meinung nicht nicht abgeschlossen ist, hat der Bundesgesund- umfänglich, aber weitgehend gelöst worden, auch heitsminister häufig gesagt. Auch die Bundeskanz- durch gute Planungen der ehemaligen Bundesre- lerin hat hier häufig ausgeführt, dass uns dieses gierung. Haben Sie das zur Kenntnis genommen? Thema in den nächsten Jahren sehr intensiv be- Das ist Punkt eins. gleiten wird. Punkt zwei ist: Sie arbeiten sich jetzt an guten, Um Ihre Frage zu beantworten: Ich bin der Mei- substanziellen Themen aus dem Bereich des BMG nung, dass es nicht sein kann, dass sich die Kos- ab; das akzeptiere ich. Aber etwas vermisse ich. ten der Arbeit jedes Mal erhöhen, wenn die Ge- Ich habe den Freundinnen und Freunden der CSU, sundheit teurer wird. Das ist ein Stück, das wir mit denen ich immer wieder sehr gerne diskutiere nicht weiterführen können. und den Dialog suche, ein Dialogangebot ge- macht; ich nenne es einmal so. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Ja, ge- Dass eine gewisse Abkopplung der Nebenkosten nau! – Ulrike Flach [FDP]: Oh!) von den Gesundheitskosten stattfinden muss, muss doch jedem klar sein. Ich habe aber noch nichts gehört. Ich würde Sie oder Ihre Kollegen um eine manifeste Einschät- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da müssen wir zung bitten, wie Sie die Einwürfe sozusagen von uns einig sein!) der Seite des Spielfelds sehen, die der bayerische Auf die Ergebnisse dieser Kommission, Herr Rös- Gesundheitsminister, Herr Söder, und der bayeri- ler, sind wir natürlich gespannt. Politischer Dialog sche Ministerpräsident, , immer und politische Auseinandersetzung müssen sein. wieder machen. Sie sagen: Nein, diesen Paradig- Sie können aber nicht im Vorfeld beendet werden, menwechsel weg von der Solidarität, eine Durch- Herr Schurer. Sie werden sich noch wundern, brechung der Parität können wir nicht mitmachen. welch tolle Ergebnisse wir am Ende der Diskussion Mit uns geht das auf jeden Fall nicht. – Ich würde und des Dialogs haben werden. Sie bitten, hier einmal eine Einschätzung vorzu- nehmen. Ich bin davon überzeugt, dass die Men- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – schen im Lande auf eine Antwort vonseiten der Ewald Schurer [SPD]: Ich bedanke mich CSU warten. Man ist ein biss-chen verunsichert, für die Antwort!) was jetzt zählt. Zählt das aus München, haben Sie 2960 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Ich fahre in meiner Rede fort. Ich bin der Mei- wenn es sich um Analogpräparate handelt. Diese nung – das ist vorhin schon ausgeführt worden –, müssen in die Verträge, die zwischen den Kran- dass wir auch im Gesundheitswesen auf die kenkassen und der Pharmaindustrie geschlossen Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in Stadt werden, einbezogen werden. und Land achten müssen. Die Frage der Ärztever- Meine sehr geehrten Damen und Herren, die sorgung auf dem flachen Land wird uns in den Arzneimittelkosten sind in den letzten zehn Jahren nächsten Jahren umtreiben. Die ländlichen Räu- um 50 Prozent oder mehr gestiegen. me könnten deutlich ärmer werden, wenn wir es nicht schaffen, dort in der Zukunft genügend Ärzte (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: 30 Prozent!) zu installieren. Man hat geradezu den Eindruck, dass in das Der Bundesminister legt sich augenblicklich mit Gesundheitssystem gar nicht so viel Geld hinein- vielen Interessengruppen an. gepumpt werden kann, wie Jahr für Jahr durch übermäßige Medikation und viel zu hohe Medika- (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: CSU!) mentenpreise hinausfließt. Wer sich mit der Pharmaindustrie anlegt, muss Ich meine, hier ist der richtige Ort, um darauf harte Bandagen anlegen. hinzuweisen, dass die Arzneimittelbepreisung für (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Anlegen! – El- niemanden ein Selbstbedienungsladen sein darf. ke Ferner [SPD]: Ach!) Bei der Gestaltung der Arzneimittelpreise scheint jegliche Disziplin verlorengegangen und Maßlosig- Kurzfristige Erfolge wird es kaum geben. Trotzdem keit aufgekommen zu sein. meine ich: Viel Feind, viel Ehr, lieber Herr Gesundheitsminister, das wird eine Überschrift für (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Und wer hat das Ihre Arbeit sein. Aber wenn Sie diese Pläne wei- befördert? Das wart doch ihr!) terhin mit Konsequenz, Nachdruck und großem Hier müssen wir in der Tat eingreifen und Verglei- Einsatz betreiben, werden Sie unsere Unterstüt- che im Hinblick auf Kosten und Nutzen auf den zung haben. Weg bringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Dr. [DIE LINKE]: Dann tut es Elke Ferner [SPD]: Wo ist ein konkreter doch! Los, anfangen!) Vorschlag?) Das IQWiG ist nicht geschwächt worden, das Die Monopolstellung der Pharmaindustrie bei IQWiG ist in seiner vollen Blüte erhalten. der Gestaltung der Preise für Arzneimittel muss gebrochen werden. (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Ach du meine Gü- te! Das ist seine volle Blüte?) (Lachen des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE] – Elke Ferner [SPD]: Sie müssen Der Haushaltsansatz betrug in den letzten Jahren sich einmal einen anderen Redenschrei- und beträgt in diesem Jahr 800 000 Euro. ber suchen! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS Lieber Herr Bundesminister, wir sind gespannt, 90/DIE GRÜNEN]: So einen Stuss muss was Sie im Hinblick auf die Handelsspannen des man doch nicht vorlesen!) Pharmagroßhandels und damit auch bezüglich der Ich glaube, dass das von Ihnen zunächst ins Spiel Gestaltung der Rabatte für Apotheken unterneh- gebrachte Einsparvolumen von 2 Milliarden Euro – men werden. Wir sind auch gespannt, welche Ein- die Literatur spricht davon, dass noch genug Po- sparpotenziale Sie hier feststellen, was zulasten tenzial nach oben vorhanden ist – zunächst einmal des Großhandels und was zulasten der Apotheken ein guter Anfang ist. Zwangsrabatte und Preismo- geht. Lassen Sie sich dabei nicht von Querschüs- ratorien sind gewiss schnell wirkende Kosten- sen aus Bayern irritieren. Ich meine namentlich bremsen. Wenn man bedenkt, dass eine Anhe- den dortigen Wirtschaftsminister, Ihren Partei- bung der Herstellerrabatte um nur 1 Prozent eine freund , der sich dazu geäußert hat. Einsparung zugunsten der GKV in Höhe von etwa (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten 100 Millionen Euro bedeutet, dann wissen wir, auf der CDU/CSU und der FDP sowie des welchem Gebiet wir angreifen müssen. Hierbei ha- Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD]) ben Sie unsere Unterstützung, Herr Rösler. Meine Damen und Herren, der demografische (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Wandel erfordert viel. Er erfordert auch ein Um- und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Wo denken bei der Finanzierung. bleiben Ihre Vorschläge?) (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das wird ja ein Fi- Es geht aber nicht allein um kurzfristige, son- libuster!) dern auch um langfristige Lösungen. Ich habe es angesprochen: Es kann nicht richtig (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Richtig!) sein, dass die Gesundheitskosten allein an den Ich denke an Festbetragslösungen auch für pa- Lohnnebenkosten hängen. tentgeschützte Arzneimittel, insbesondere dann, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2961

(Elke Ferner [SPD]: Auch an den Versicher- Aber nun wird sich die „unfaire“ Opposition ein- ten, oder nicht?) mal den Fakten widmen. Wenn das Versprechen eines umfassenden Sozialausgleichs erfüllt wer- Es liegen schwierige Aufgaben vor uns, die wir den soll, dann wird die Einführung einer Kopfpau- auch im Rahmen der nächsten Haushalte zu be- schale erstens teuer für den Bundeshaushalt und wältigen haben. Für den Haushalt 2010, sehr ge- zweitens für die Bürgerinnen und Bürger zu einem ehrter Herr Gesundheitsminister, gebe ich Ihnen bürokratischen Mehraufwand führen. unser Plazet. Wir stimmen dem Haushalt zu. Wir meinen, dass Sie gute Arbeit geleistet haben. Die Rahmendaten sind im Wesentlichen klar. Bei der vollen Umwandlung des bisherigen Sys- Vielen herzlichen Dank. tems in ein Kopfpauschalensystem ist ein Sozi- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) alausgleich mit Steuermitteln in Höhe von 22 bis 35 Milliarden Euro notwendig. Fragt man den Fi- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: nanzminister, wie sich dann die Einkommensteuer Das Wort hat nun Sven-Christian Kindler für die verändern müsste, erfährt der erstaunte Haushäl- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ter: Der Spitzensteuersatz müsste im günstigsten Fall auf 73 Prozent steigen, im ungünstigsten Fall Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sogar auf 100 Prozent. Das ist anscheinend die NEN): neue FDP-Steuerpolitik. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- wie bei Abgeordneten der SPD) gen! Die Bundeskanzlerin hat am Mittwoch in ihrer Rede zum Kanzleramtsetat erklärt, es sei nicht fair, dass die Opposition beim Thema Gesundheit im- Aber auch die kleine Zusatzpauschale, gewis- mer Dinge behauptet, die nicht stimmen. sermaßen 29,99 Euro, kann nicht der richtige Weg (Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist ja auch so!) sein. Denn selbst für den mit ungefähr 5 Milliarden Euro vergleichsweise günstigen Sozialausgleich Die Beobachtung, dass viel über die Unsinnigkeit würde der Bundeshaushalt 2010 die Mittel nicht der Kopfpauschale hergezogen wird, ist richtig. Die hergeben, erst recht nicht, wenn die Steuersen- Behauptung der Kanzlerin ist dennoch in mehrfa- kung kommt, die die FDP zumindest bis zur NRW- cher Hinsicht falsch. Wahl fordern wird. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was? Wieso?) (Ulrike Flach [FDP]: Die wird weiter gefordert! Erstens wird die Kopfpauschalendiskussion we- Und sie wird umgesetzt!) sentlich durch Mitglieder der Parteien, die die Re- Wie sich die innere Logik dieser Reformen zu- gierungsfraktionen stellen, mit Hohn und Spott be- sammenbringen lässt, kann anscheinend nur ein feuert. Oder zählt Frau Bundeskanzlerin die Her- Orakel sagen. Die einzige Antwort der FDP ist: ren Seehofer, Söder und Dobrindt mittlerweile Das geht irgendwie. Eigentlich muss einen das er- schon zur Opposition? staunen: Nach elf Jahren in der Opposition hat die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN FDP gerade einmal zwei politische Themen, näm- sowie bei Abgeordneten der SPD – Ha- lich Steuersenkung und Kopfpauschale, und sie rald Weinberg [DIE LINKE]: Das könnte hat anscheinend keine Minute überlegt, ob diese man meinen!) beiden Konzepte überhaupt zusammenpassen. Zweitens stützen wir Grünen uns bei der Bewer- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tung des Regierungshandelns auf Fakten, die uns sowie bei Abgeordneten der SPD und der die Regierung liefert. LINKEN) Beim Thema Gesundheitsreform treiben Sie ein Am schlimmsten finde ich persönlich, dass Sie, doppeltes Spiel: Einerseits wird im Hinblick auf die wenn der Steuerzuschuss kommt, Millionen Men- Regierungskommission immer darauf verwiesen, schen, die sich ihre Krankenversicherung bisher dass nichts feststehe. Andererseits gackert der leisten konnten, zu Bittstellern degradieren, die Hühnerhaufen täglich wild aufs Neue los. Auch der zum Sozialamt gehen müssen. Bundesgesundheitsminister beteiligt sich rege am (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Diskussionsprozess. So verkommt Ihre Gesund- sowie bei Abgeordneten der SPD und der heitspolitik doch in Wahrheit zur Gesprächsthera- LINKEN) pie in Ihrer zerrütteten eheähnlichen Wunschkoali- tion. Man kann also nur zu der Bewertung kommen, dass die Kopfpauschale Kleinverdiener und Ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ringverdiener stärker belasten würde als Besser- sowie bei Abgeordneten der SPD – Ha- verdiener, dass die Kopfpauschale Nonsens sei, rald Weinberg [DIE LINKE]: Das ist eine dass die Kopfpauschale blanke Illusion sei, dass Wunschehe!) die Kopfpauschale – egal ob groß oder klein – un- 2962 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 solidarisch sei usw. usf. Diese Bewertung finden (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Sie vielleicht unfair; aber dann melden Sie sich bit- der FDP) te bei der CSU. Wer sich diesen Herausforderungen stellen will Vielen Dank. und die Qualität, die wir haben, halten will, der wird auf die Kostenentwicklung eine Antwort finden (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN müssen. Denn eines ist klar: Es wird auf jeden Fall sowie bei Abgeordneten der SPD und der teurer werden. Soviel wir uns auch bemühen wer- LINKEN) den, Effizienzreserven zu heben und da, wo es geht, ohne Qualitätsverlust zu sparen, die ehrliche Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Botschaft muss lauten: Es wird teurer. Das Wort hat nun Kollege Jens Spahn für die CDU/ CSU-Fraktion. Wir haben in dieser Woche erste Schätzungen gehört, wie sich das Defizit im nächsten Jahr ent- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wickeln wird. Je nachdem, wovon man ausgeht, der FDP) wird das Defizit zwischen 7 und 15 Milliarden Euro liegen. Der Wert in der Mitte – 11 Milliarden Euro – Jens Spahn (CDU/CSU): macht die Größe der Herausforderungen, vor de- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nen wir stehen, deutlich, macht deutlich, dass das Gesundheitspolitik ist im Grunde die soziale Frage Gesundheitssystem so, wie es heute ist, aber auch des 21. Jahrhunderts; denn anders als bei den an- das System mit dem Zusatzbeitrag, das wir übri- deren sozialen Sicherungssystemen geht es hier gens gemeinsam verabschiedet haben, liebe Kol- nicht nur und nicht unmittelbar um Geld, sondern leginnen und Kollegen von der SPD, spätestens im um Lebensqualität und, wenn es ganz hart kommt, nächsten Jahr an Grenzen stoßen wird. Das Sys- um zusätzliche Lebensjahre. tem kann also nicht bleiben, wie es heute ist. Da- rauf braucht es Antworten, liebe Kolleginnen und (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Sie sollten Kollegen von der SPD, Geschrei hilft nicht. die Beschäftigten nicht vergessen!) Wir stehen bei diesem wichtigen sozialen Siche- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Wo rungssystem vor großen Herausforderungen. Die erste ist die demografische Entwicklung. Wir sind denn Ihre Antworten?) werden alle gemeinsam – auch Sie, Frau Bunge – Wenn man Sie so reden hört – Herr Schurer hat älter in diesem Land. 2050 wird ein Drittel der Be- geredet; gleich wird Herr Lauterbach reden –, be- völkerung über 60 sein. kommt man öfters den Eindruck, es wäre der (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist nicht 2. Februar. schlimm!) (Heinz Lanfermann [FDP]: Da ist Mariä Licht- Das ist an und für sich schön; aber für die sozialen mess!) Sicherungssysteme ist es eine Herausforderung. Am 2. Februar ist nämlich Murmeltier-Tag. Die zweite Herausforderung ist der medizini- (Heinz Lanfermann [FDP]: Den kennen wir gar sche Fortschritt. Erkrankungen, die vor zwanzig nicht!) oder dreißig Jahren nicht einmal diagnostiziert Wenn ich Sie in den Debatten, die wir führen, re- werden konnten, können heute behandelt werden. den höre, geht es mir wie Phil in Und täglich grüßt So sind viele zusätzliche Lebensjahre möglich. das Murmeltier. Woche für Woche wird Ihre Abkehr Eine dritte große Herausforderung für uns – das von elf Jahren Regierungspolitik immer deutlicher. sage ich als Münsterländer, also als jemand, der Ihr neuer Parteivorsitzender, , hat aus einer eher ländlichen Region kommt – ist die kürzlich gesagt, künftig gelte: „Zuerst die Partei, Frage, wie wir eine flächendeckende Versorgung dann das Land“, das sei das neue Motto der SPD. sicherstellen. (Widerspruch bei der SPD – Elke Ferner (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und [SPD]: Wo soll er das gesagt haben?) der FDP) – Das hat er so gesagt. Das können wir gerade in Ich behaupte: Gerade die gute flächendeckende der Gesundheitspolitik sehr deutlich erleben. medizinische Versorgung – 365 Tage im Jahr, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, und das nicht nur in Berlin, nicht nur in Hamburg, nicht nur Sie verabschieden sich von allem, was Sie in in Düsseldorf, nicht nur in München, sondern auch den letzten elf Jahren an Erkenntnissen gewonnen in den ländlichen Regionen: in der Eifel, in Meck- haben: lenburg-Vorpommern, im Bayerischen Wald – ist ( [SPD]: Ekelhaft!) das Qualitätsmerkmal des deutschen Gesund- heitssystems, durch das sich unser System von in der Frage der Entlastung der Arbeitskosten von anderen Gesundheitssystemen deutlich abhebt. den steigenden Gesundheitskosten, in der Frage Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2963 der Zuzahlung, in der Frage der Zusatzbeiträge, Regierungszeit gewonnen hatten und die wir auch die wir in der Großen Koalition verabschiedet ha- hier schon diskutiert haben, dass nämlich die von ben. Sie machen im Grunde eine Abrechnung – mir dargestellte ständige Steigerung der Kosten im das haben wir Ihnen schon deutlich gesagt; das Gesundheitswesen nicht automatisch und ständig setzen Sie hier fort – vor allem mit den Ministerjah- die Arbeitskosten belasten darf, ren von Ulla Schmidt. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das bestreitet (Ewald Schurer [SPD]: Wir entwickeln weiter!) niemand! Ich bitte Sie!) Sie müssen den Menschen erklären, warum heute heute von Ihnen infrage gestellt werden. Sie müs- nicht mehr gelten soll, was noch vor einem Jahr in sen beantworten, warum das so ist. Dieser Frage den Debatten auch im Deutschen Bundestag von müssen Sie sich einmal stellen. Ihrer Seite aus klar und deutlich gesagt wurde. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Das ist im Moment in den Debatten Ihr Problem. Heinz Lanfermann [FDP]: Sie waren doch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Karl mal klüger!) Lauterbach [SPD]: Ablenkung!) Angesichts dieser Debatten scheinen Sie eher – Ablenkung ist ein gutes Stichwort, Herr Kollege erschrocken zu sein, dass wir in einigen Feldern Lauterbach. Jede Woche kündigen Sie aufs Neue das, was Sie in elf Jahren Regierungszeit im Bun- ein durchgerechnetes Konzept zur Bürgerversi- desministerium für Gesundheit nicht geschafft ha- cherung an. ben, nun tatkräftig angehen. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Sie regieren (Lachen bei Abgeordneten der SPD – El- doch! Kommen Sie zur Sache! Einfach ke Ferner [SPD]: Was denn? – Christian zur Sache! Ihre Vorschläge! – Harald Lange [Backnang] [SPD]: Das ist das Weinberg [DIE LINKE]: Was denken Sie?) Problem, dass Sie nichts angehen!) Sie haben hier im Deutschen Bundestag im De- Wir werden – darauf hat der Kollege gerade zember angekündigt, Sie würden ein durchgerech- schon hingewiesen – bei der Preisfindung im netes Konzept – ich habe mir das Protokoll geben Arzneimittelbereich das, was Sie in elf Jahren lassen – zur Bürgerversicherung vorlegen. Auf nicht geschafft haben, durchsetzen, dieses durchgerechnete Konzept warten wir bis (Elke Ferner [SPD]: Sie haben doch blockiert!) heute ebenso wie auf eine Antwort. nämlich dass wir bei Arzneimitteln nur für einen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: tatsächlich erwiesenen Zusatznutzen dauerhaft Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage mehr Geld zahlen, sodass es hier eine Verbindung des Kollegen Lauterbach? zwischen Preis und Nutzen gibt. Sie haben elf Jah- re lang regiert und das nicht geschafft. Jens Spahn (CDU/CSU): (Ewald Schurer [SPD]: Sie haben uns nicht Bitte schön. unterstützt!) Nun sind Sie erschrocken darüber, dass es nun Dr. Karl Lauterbach (SPD): gerade eine bürgerliche Koalition ist, die das errei- Herr Spahn, können Sie uns erklären, weshalb chen wird. Warten Sie ab! Wir werden das noch Sie uns mit falschen Darstellungen dessen, was dieses Jahr hinbekommen! Sie glauben, was wir in der Vergangenheit ge- macht oder gesagt hätten, die Zeit stehlen, statt Ih- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – re konkreten Vorschläge – Sie regieren doch, Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Wir warten nicht wir – schon ewig und drei Tage!) (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ich will noch einige Sätze zum IQWiG sagen, Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]) zum Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und seiner Kosten- vorzulegen? Erklären Sie uns doch, weshalb von Nutzen-Bewertung. Warten Sie erst einmal ab, Ihrem Minister nichts kommt, sodass Sie über un- was am Ende herauskommt! Ich sage Ihnen: Wir sere vergangene Regierung reden müssen und werden das IQWiG, das Institut für die Nutzenbe- nicht über das sprechen, was Sie jetzt tun könnten, wertung von Arzneimitteln, im Zweifel personell, Herr Spahn. inhaltlich und in den Verfahren eher stärken als (Beifall bei der SPD) schwächen. (Ulrike Flach [FDP]: So ist es!) Jens Spahn (CDU/CSU): Messen Sie uns an unseren Taten, nicht an Ihren Über Ihre vergangene Regierung muss man eigenen Worten! deswegen reden, weil wichtige Erkenntnisse, die wir in der Großen Koalition gemeinsam gewonnen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – haben und die Sie auch schon in der rot-grünen Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das 2964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

versuchen wir verzweifelt! Wenn Sie wel- die Regierungskommission erteilt, die in dieser che hätten!) Woche zum ersten Mal getagt hat. Sie scheinen in noch einem weiteren Punkt er- Ich empfehle Ihnen, diese Kommission jetzt schrocken darüber zu sein, dass wir etwas wahr- einmal in Ruhe arbeiten zu lassen, damit sie die machen, wovon Sie viele Jahre lang nur geredet Ergebnisse nach und nach erarbeiten und dann haben. vorlegen kann, (Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD]) (Elke Ferner [SPD]: Wen meinen Sie denn jetzt? Herrn Söder oder Herrn Seehofer?) Sie haben immer eingefordert – in der Zielsetzung nicht einmal zu Unrecht –, dass es für die gesetz- also einfach noch zwei, drei Monate zu warten, bis liche Krankenversicherung eine breitere Finan- es erste Ergebnisse der Regierungskommission zierungsgrundlage geben muss. Es kann nicht und eine erste Richtung gibt, um dann tatsächlich sein, dass alleine die abhängig Beschäftigten und in die inhaltliche Auseinandersetzung einzustei- insbesondere ihre Arbeitgeber mit ihren Beiträgen gen, anstatt hier murmeltierartig jede Woche mit das Gesundheitswesen finanzieren. uns die gleiche Debatte zu führen. (Elke Ferner [SPD]: Welche Steuern wol- (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das größ- len Sie denn erhöhen? – Ewald Schurer te Murmeltier steht vor uns!) [SPD]: Sie haben uns dabei nicht unter- Lieber Herr Kollege Lauterbach, vielleicht haben stützt!) Sie bis dahin ja auch ein paar Zahlen zu Ihrem ei- Wir haben dankenswerterweise in der Großen genen Konzept. Dann könnten Sie sich inhaltlich Koalition einen ersten Schritt gemacht, indem wir so einbringen, wie der Kollege Schurer das gerade die Zusatzbeiträge eingeführt haben, die sich nun für die SPD-Fraktion angekündigt hat. Das wäre ja langsam entwickeln. Der entscheidende Punkt, um auch schon einmal eine Menge wert. den es jetzt geht, ist, dass wir einen steuerfinan- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) zierten Sozialausgleich einführen wollen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: der – das wissen wir im Übrigen ganz genau – na- Es gibt eine weitere Anfrage bezüglich einer türlich möglichst einfach und möglichst ohne gro- Zwischenfrage, und zwar des Kollegen Lemme. ßen zusätzlichen bürokratischen Aufwand funktio- nieren muss, Jens Spahn (CDU/CSU): Bitte. (Elke Ferner [SPD]: Sie haben den Sozial- ausgleich blockiert!) Steffen-Claudio Lemme (SPD): der aber als steuerfinanzierter Sozialausgleich das Herr Abgeordneter Spahn, woher nehmen Sie Gesundheitswesen und insbesondere den Sozial- denn die notwendigen Steuermittel in Höhe von ausgleich auf breitere Schultern stellen wird. Er 5 Milliarden Euro? Der Haushalt wird ja heute hier wird auch zusätzliche Einnahmen wie Zinsen und verabschiedet. Wenn Sie das anpeilen, was Minis- Miet- und Kapitaleinkünfte durch die Steuern, die ter Rösler der Öffentlichkeit schon angedeutet hat, darauf erhoben werden, berücksichtigen. nämlich eine Kopfpauschale von 29 Euro, dann (Elke Ferner [SPD]: Aha!) fehlt Ihnen ja dieser steuerliche Anteil. Woher nehmen Sie den aus dem Nachtragshaushalt, und Damit erreichen wir das, wovon Sie seit vielen Jah- wann ist damit zu rechnen? ren reden, aber bis heute nicht ansatzweise ein Konzept vorgelegt haben. Das ist es doch, was Sie (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Auf Fehlinfor- an dem, was wir jetzt angehen, so wurmt. mationen brauchen wir nicht zu antwor- ten!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Ist das Jens Spahn (CDU/CSU): eine Androhung von Steuererhöhungen?) Herr Kollege, wir reden gerade über den Haus- Insofern kann ich Ihnen, weil Sie gerade ja auch halt 2010. Im Übrigen hat das mit diesem Haushalt nach konkreten Vorschlägen fragten, nur sagen: noch gar nichts zu tun. Die Grundlinie ist klar, die Zielrichtung auch. Wir (Ewald Schurer [SPD]: Das macht die wollen den Einstieg in eine lohnunabhängige Fi- Kommission, oder!? – Birgitt Bender nanzierung – insbesondere auch für eine zukünfti- [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegdu- ge moderate Kostenentwicklung –, bei der es nicht cken vor der Zukunft!) automatisch aufgrund der Steigerungen der Aus- gaben im Gesundheitswesen zu einer Erhöhung Daneben sind die Zahlen, die Sie genannt haben, der Arbeitskosten kommt. Mit dieser klaren Ziel- keine Zahlen, die – das hat der Minister auch vorgabe haben wir einen ebenso klaren Auftrag an schon dargestellt – irgendetwas mit dem Ministeri- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2965 um zu tun haben, sondern sie sind Gott weiß wo damals gemeinsam angehört haben, war für die aus der Welt gegriffen worden. Jahre 2007 bis 2016 eine Unterfinanzierung von aufsummiert 90 Milliarden Euro absehbar. Diese Ohne Zweifel haben Sie aber recht, dass wir für kam durch die Leistungen zustande, die wir in der den steuerfinanzierten Sozialausgleich auch Geld Großen Koalition gemeinsam und solidarisch für aus dem Bundeshaushalt brauchen; das ist ja die Menschen und für die Patienten wollten, für die überhaupt keine Frage. es aber noch keine Gegenfinanzierung gab – au- (Elke Ferner [SPD]: Ja! Woher nehmen Sie es ßer dem, was wir gemeinsam wollten und auch ge- denn?) macht haben: Wir haben zugesagt, dass das aus Steuermitteln geschehen wird. Wir wollten damals Genau deswegen sitzen ja die mitbeteiligten und eine solide Gegenfinanzierung aufbauen. auch mitbetroffenen Ressorts in dieser Regie- rungskommission mit am Tisch, um gemeinsam (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Gibt es noch ei- eine Lösung zu finden. ne Frage?) (Elke Ferner [SPD]: Sie sollen dann einen Das ist damals an der CDU/CSU gescheitert. Sparbeitrag leisten, oder wie!?) Kollege Spahn, jetzt ist es aber so, dass dieser Eines geht aber eben nicht: Die Linke stellt hier in Treppenform ansteigende Steuerzuschuss ge- Anträge, 3 Milliarden Euro zusätzlich für Kranken- blieben ist häuser und andere Dinge zur Verfügung zu stellen, (Ulrike Flach [FDP]: Frage!) ohne zu sagen, wie das finanziert werden soll. Ihr Kollege Lauterbach sagte in einer gemeinsamen und dass Sie mit der neuen Koalition beschlossen Diskussion allgemein – ich kann mich noch gut da- haben, die Arbeitgeberbeiträge zu deckeln. ran erinnern –: Die künftigen Kosten der demogra- (Ulrike Flach [FDP]: Frage! – Heinz Lanfer- fischen Entwicklung sollten wir einfach irgendwie mann [FDP]: Frage!) aus dem Bundeshaushalt finanzieren. Stimmen Sie mir zu, Glauben Sie mir: Wir werden ein sauber finan- ziertes Konzept vorlegen. Dafür sitzt die Regie- (Heinz Lanfermann [FDP]: Nein!) rungskommission zusammen, dass Sie die Versicherten und die Steuerzahler (Elke Ferner [SPD]: Da sind wir aber ge- durch die Deckelung der Arbeitgeberbeiträge ab spannt, Herr Spahn! – Christian Lange 2011 mit diesen Mehrausgaben letzten Endes al- [Backnang] [SPD]: Das wäre das erste leinlassen, ohne ein Gegenfinanzierungskonzept Mal!) zu haben? und sie diskutiert eben nicht nur in Überschriften, wie man sich das in der Opposition wohl leider er- lauben kann. Jens Spahn (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die einfache Antwort wäre: Nein. Ich möchte aber zu zwei Dingen, die Sie mir unterstellt haben, Deswegen bleibe ich bei dem, was ich auch in etwas sagen. Erstens. Sie haben mal wieder den den vergangenen Debatten gesagt habe. Begriff der Kopfpauschale, von dem ich nicht weiß, (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Man woher er kommt, verwendet. kann das Falsche auch immer wiederho- (Lachen bei der SPD) len; das ist klar!) – Sie können einmal versuchen, darüber nachzu- Wir werden – – denken. Wir gehen jetzt schließlich ins Wochenen- (Abg. Bettina Hagedorn [SPD] meldet sich zu de. – Allein der Umstand, dass wir die beitragsfreie einer Zwischenfrage) Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern bei- behalten, – Herr Präsident. (Elke Ferner [SPD]: Das ist aber sehr konstru- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: iert!) Es gibt den Wunsch, eine weitere Zwischenfra- macht deutlich, dass es im Ergebnis nicht um ei- ge zu stellen. – Bitte schön. nen Pro-Kopf-Beitrag gehen wird, (Elke Ferner [SPD]: Pro Kopf Mitglied GKV!) Bettina Hagedorn (SPD): Kollege Spahn, ich spreche Sie als Haushälterin sondern dass wir eine Lösung jenseits dessen fin- und unabhängig von dem an, was wir hier jetzt den werden. Dies wird im Übrigen im Rahmen ei- über die Kopfpauschale diskutieren. nes vernünftigen steuerfinanzierten Sozialaus- gleichs geschehen. Vielleicht geht das zur Ab- Ich möchte Sie an die Gesundheitsreform wechslung in Ihren Kopf hinein. 2007 erinnern. Im Haushaltsausschuss, dem wir 2966 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

(Zuruf der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Das Wort hat nun Elke Ferner für die SPD- Fraktion. – Ich bin gerade dabei, Ihre Frage zu beantworten. (Beifall bei der SPD) Zweitens. Sie haben gesagt, wir hätten die Ab- sicht, den Arbeitgeberbeitrag festzuschreiben. Ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern, dass wir Elke Ferner (SPD): das bereits zusammen mit Ihnen gemacht haben. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Reden der schwarz-gelben (Elke Ferner [SPD]: Nein! Nicht dauerhaft, Koalition anhört, Herr Spahn! Lügen Sie hier nicht! Das ist nicht dauerhaft!) (Jens Spahn [CDU/CSU]: Christlich-liberal! – [CDU/CSU]: Der Mit- Wir haben mit der Einführung des Gesundheits- te!) fonds die automatische Beitragssatzentwicklung bei den Krankenkassen durch eine zentrale Fest- dann kann man wirklich nur sagen: Die schwarz- setzung des Beitragssatzes durch die Bundesre- gelben Chaostage gehen weiter. Ich hätte mir ge- gierung nach vorheriger Befassung durch den wünscht, dass die Kollegen von der CSU einmal Bundestag abgelöst. klar und deutlich sagen, ob sie denken, dass der bayerische Gesundheitsminister und der bayeri- (Elke Ferner [SPD]: Aber nicht dauerhaft, Herr sche Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende recht Spahn!) haben, und ob sie deren Haltung unterstützen. Das ist nichts anderes als eine Festschreibung des (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Arbeitgeberbeitrags, die Sie vor wenigen Monaten noch für notwendig gehalten haben. Wir fragen uns auch, ob sie die Kosten, die sich durch die demografische Entwicklung und den (Elke Ferner [SPD]: Das stimmt nicht!) medizinischen Fortschritt ergeben, künftig allein Ich bleibe dabei: Sie müssen einmal erklären, und unsolidarisch – es ist unsolidarisch, den Ar- wieso heute nicht mehr gelten soll, was noch vor beitgeberbeitrag einzufrieren – auf die Mitglieder wenigen Monaten gegolten hat. Dieses Glaubwür- der gesetzlichen Krankenversicherung verlagern digkeitsproblem haben Sie in all diesen Debatten, wollen; so wollen es die schwarz-gelbe Koalition liebe Frau Kollegin Hagedorn. und insbesondere Herr Rösler. Eine Antwort da- rauf habe ich heute Morgen noch nicht gehört. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das wissen (Beifall bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]: Das Sie besser, Herr Spahn!) ist eine reine Verzerrung!) Insofern bleibe ich im Ergebnis bei dem, was ich Man muss sich einmal anschauen, was in den auch schon in den vergangenen Wochen gesagt letzten Tagen so hin- und hergeworfen wurde: So habe: Wir gehen frohen Mutes gemeinsam mit bezeichnet zum Beispiel der eine den anderen als dem Minister und unserem Koalitionspartner an Quartalsspinner. Herr Söder sagt: Er ist gegen ei- diese Aufgabe heran, ne Kopfprämie, egal ob groß oder klein. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist (Ulrike Flach [FDP]: Die sind alle nicht im mal eine neue Botschaft!) Bundestag!) weil wir glauben, dass die Perspektive steigender Frau Merkel sagte am Mittwoch in Ihrer Rede: Das Gesundheitskosten, die sich aus der demografi- Wichtigste in der Gesundheitspolitik ist, dass die schen Entwicklung und dem medizinischen Fort- Arbeitgeberbeiträge festgeschrieben werden. schritt ergeben, und das Ziel, für den sozialen (Jens Spahn [CDU/CSU]: Aber Sie haben es Ausgleich eine breitere Finanzierungsgrundlage zu doch gemacht!) schaffen, es notwendig machen, über Wochen und Monate intensiv und gründlich zu diskutieren und Da frage ich mich, in welchem Land wir eigentlich daran zu arbeiten. Wir müssen sehen, wie man leben. Das Wichtigste in der Gesundheitspolitik ist, dies umsetzen kann, ohne es mit Kampfbegriffen auch künftig sicherzustellen, dass alle Menschen, kaputtzumachen. Wir wollen dieses Ziel erreichen, unabhängig von ihrem Einkommen und unabhän- weil es ein hehres Ziel ist, das nicht die Partei in gig von ihrer Krankenversicherung, eine medizi- den Vordergrund stellt. Es soll ein zukunftsfähiges nisch hochwertige Versorgung bekommen, und Konzept für das Land erarbeitet werden. Sie soll- zwar dann, wenn sie sie brauchen, und nicht nur ten an Inhalten arbeiten, nicht an Überschriften. dann, wenn sie das Geld dafür haben. Vielleicht wäre das ein Ansatz dafür, sich in der (Beifall bei der SPD) Opposition eine neue Rolle zu suchen. Wer den Arbeitgeberbeitrag festschreiben will, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) muss den Menschen klar und deutlich sagen, wie der Rest bezahlt werden soll. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist es!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2967

Aber das tun Sie nicht. Sie faseln hier davon, wenn (Beifall bei Abgeordneten der SPD) das über Steuern finanziert werde mit einem Sozi- Wenn Sie den Arbeitgeberbeitrag festschreiben, alausgleich – der weder finanzierbar noch erreichen Sie zunächst einmal eines: dass ein organisierbar ist –, sei das alles viel gerechter. wichtiger Player in dem ganzen Finanzierungssys- Herr Spahn, welche Steuern wollen Sie denn er- tem künftig überhaupt kein Interesse mehr daran höhen? Sie haben eben gesagt, künftig sollen hat, auf die Ausgabenseite zu achten. auch Zinseinkünfte, Kapitaleinkünfte zur Finanzie- rung herangezogen werden. Welche Steuer wollen (Ulrike Flach [FDP]: Aber das ist doch Ihr Sie ganz konkret erhöhen? Gesetz! Das ist doch Schizophrenie! – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das (Christian Lange [Backnang] [SPD], an haben Sie doch selbst so gemacht!) den Abg. Jens Spahn [CDU/CSU] ge- wandt: Ja, sagen Sie das mal!) Wenn Sie sagen, das führe dazu, dass mehr ver- schrieben wird – in Klammern: das kostet dann Wenn Sie keine Steuer erhöhen wollen, heißt das, auch mehr – und dass das dann bezahlt werden es gibt keinen Sozialausgleich, zumindest keinen kann, frage ich Sie: Von wem soll das denn be- ausreichenden, und das wiederum bedeutet, dass zahlt werden? Von den Versicherten oder von den die Menschen höhere Krankenversicherungsbei- Patienten über Zuzahlungen? Das werden Sie uns träge zahlen müssen, und zwar die GKV-Mitglieder hoffentlich irgendwann noch erzählen, vor der allein. Das ist der Ausstieg aus einem bewährten, NRW-Wahl sicher nicht mehr, solidarisch finanzierten System. (Ulrike Flach [FDP]: Wir warten erst mal auf (Beifall bei der SPD) Ihre Bürgerversicherung!) Das kann man vielleicht als kleine Fraktion wie die weil das dann doch zu viele abschrecken würde, FDP wollen; aber eine große Fraktion wie die einen gravierenden Fehler bei ihrer Wahlentschei- CDU/CSU ist wirklich schlecht beraten, einen sol- dung zu machen. Das zeigt genau, wes Geistes chen Weg zu gehen. Kind Sie sind. Sie wollen die Versicherten mehr (Beifall bei der SPD) belasten als bisher und die Arbeitgeber aus der Kostenverantwortung entlassen. Das wird mit uns Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: nicht zu machen sein. Die Menschen in Nordrhein- Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage Westfalen werden am 9. Mai an der Wahlurne die des Kollegen Lotter von der FDP-Fraktion? Möglichkeit haben, darüber abzustimmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Elke Ferner (SPD): des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber sehr gerne. Ein zweiter Punkt, dem ich mich jetzt widmen will: Wir haben von Herrn Rösler die ganze Zeit Dr. Erwin Lotter (FDP): nichts anderes gehört, als dass er die Kopfpau- Frau Kollegin Ferner, die strikte Bindung der schale will. Gesundheitskosten an die Arbeitskosten hat, weil man die Arbeitskosten nicht ausufern lassen woll- (Lars Lindemann [FDP]: Hat er nicht ge- te, zu einem Budgetierungsdruck geführt, der sagt! – Ulrike Flach [FDP]: Was hören Sie schon nah an der Rationierung war. Stimmen Sie eigentlich?) mir zu, dass, wenn die Arbeitgeberkosten festge- Es soll einen automatischen Sozialausgleich ge- schrieben werden, ein enormer Druck aus diesem ben – kein Mensch weiß, wie das gehen soll. Au- System herausgenommen wird ßerdem hören wir, die Arzneimittelausgaben sollen (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS jetzt begrenzt werden und der Pharmaindustrie 90/ DIE GRÜNEN – Birgitt Bender gehe es an den Kragen. [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ein (Ulrike Flach [FDP]: Jetzt wird es bizarr!) Quatsch! Ausgerechnet bei den Versi- cherten! Da ist viel Geld zu holen! So Wo sind denn die Vorschläge dazu? Ich habe denkt ihr!) bisher noch keinen Vorschlag auf dem Tisch die- ses Hauses gesehen. und die am Gesundheitswesen Beteiligten dann in der Lage sind, das für ihre Patienten zu tun und zu (Heinz Lanfermann [FDP]: Er bespricht gar nicht al- verordnen, was notwendig und angezeigt ist? les mit Ihnen! Das ist das Problem!) (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie – Es ist sehr parlamentarisch, Herr Lanfermann, war das mit Netto vom Brutto?) dass Sie es nicht für notwendig halten, das, was in Gesetzen geregelt werden soll, dem Bundestag zur Beratung vorzulegen. Elke Ferner (SPD): Ich bedanke mich sehr für diese Frage. Sie zeigt (Heinz Lanfermann [FDP]: Zur rechten nämlich wirklich, wes Geistes Kind Sie sind. Zeit, Frau Ferner! Bei den Vorplanungen 2968 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

wird die Opposition nicht so sehr einbe- beitgeberbeitrages und eine Entsolidarisierung im zogen! Das ist durchaus in Ordnung so!) Gesundheitswesen wollten. Drittens will ich einen Blick auf die Defizitent- (Ulrike Flach [FDP]: So kann man sich die wicklung werfen. Das Bundesversicherungsamt Welt schönreden!) geht von bis zu 15 Milliarden Euro im nächsten Der Unterschied zwischen Schwarz-Gelb und Jahr aus. In Sachen Ausgabenbegrenzung ge- uns ist folgender: Sie wollen die Versicherten allei- schieht nichts, zumindest bisher nicht. ne die zukünftig zusätzlichen Kosten tragen las- (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Warten sen. Wir wollen eine solidarische Finanzierung. Sie Sie es mal ab!) machen Politik gegen die Mehrheit der Bevölke- rung, und wir machen Politik für die Mehrheit der – Je länger Sie warten, umso schwieriger wird es. Bevölkerung. Das weiß eigentlich jeder, der sich in dem System auch nur ein bisschen auskennt. – Wenn man sich (Zurufe von der FDP: Oh!) einmal anschaut, was diese 15 Milliarden Euro für Die Wähler und Wählerinnen in Nordrhein- die Mitglieder der GKV bedeuten, kommt man auf Westfalen werden das am 9. Mai entsprechend 24 Euro pro Monat und Kopf. Das kann man ja quittieren. wollen; aber dann sagen Sie mir bitte, mit welcher Begründung die Sekretärin genauso 24 Euro be- Herzlichen Dank. zahlen soll wie ihr Chef. (Beifall bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]: (Ewald Schurer [SPD]: Ökonomischer Unsinn Das glaube ich aber nicht, Frau Ferner! – ist das!) Heinz Lanfermann [FDP]: Traumtänzerei!) Weil sie ein niedrigeres Einkommen hat? Weil sie von einer Steuerentlastung, die Sie durchführen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: wollen – dann wieder nicht und dann wieder doch Das Wort hat nun der Bundesminister für Ge- –, weniger profitiert als ihr Chef? Warum soll das sundheit, Philipp Rösler. eigentlich so geregelt werden? Ich frage mich, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) welches Verständnis von Solidarität Sie haben. Keines, muss ich feststellen. Das Schlimme ist, Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Gesundheit: dass auch die Union sich davon verabschiedet hat. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen (Beifall bei der SPD) und Herren! Zunächst einmal möchte ich die gute Tradition fortsetzen und mich bei den Berichter- Jetzt möchte ich noch etwas zu den Vorwürfen stattern des Einzelplans 15 ausdrücklich auch im von Herrn Spahn sagen. Wir haben nie den Ar- Namen aller meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbei- beitgeberbeitrag ter für die gute Zusammenarbeit bedanken. Die (Heinz Lanfermann [FDP]: Na?) Ergebnisse für den Haushalt waren nicht immer angenehm, aber zumindest die menschliche Zu- einfrieren wollen. Nie! Das wissen Sie ganz genau. sammenarbeit. (Heinz Lanfermann [FDP]: Nur festsetzen! Die Gesundheitspolitik steht vor großen Aufga- Nicht einfrieren!) ben. Sie wurden schon zu Recht beschrieben. Wir – Nein, schauen Sie mal in das Gesetz. Lesen bil- werden immer älter, wir werden auch gesünder äl- det bekanntlich, Herr Kollege. Wir haben ihn nicht ter. Wir freuen uns über den medizinisch- dauerhaft eingefroren. technischen Fortschritt. Er ist ein Segen für die Menschheit. Aber all das muss natürlich auch be- (Heinz Lanfermann [FDP]: Sie haben ihn zahlt werden. Deswegen müssen wir hier alle ehr- per Gesetz festgesetzt! – Ulrike Flach lich zu den Menschen sein. Zur Wahrheit gehört [FDP]: Das ist doch Ihr Gesetz gewesen!) dann eben, dass Gesundheit und Gesundheitsver- Sie wollten erst wieder an den Beitrag heran, wenn sorgung in Zukunft besser werden, aber eben nicht die Einnahmen des Fonds nur noch 90 Prozent der billiger. Diese Wahrheit gehört zur Ehrlichkeit einer Ausgaben der GKV ausmachen. Wir haben ge- jeden gesundheitspolitischen Debatte einfach da- sagt, dass schon bei 98 Prozent eingegriffen wer- zu. den muss. Das Ganze ist ein Kompromiss gewe- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf des sen. Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE]) (Ulrike Flach [FDP]: Sie haben es doch ge- Weil das so ist, brauchen wir ein robustes Fi- macht!) nanzierungssystem. Die Menschen müssen die Das wissen Sie genauso gut wie ich. Vor allen Sicherheit haben und die Gewissheit bekommen, Dingen können Sie uns nicht vorwerfen, dass wir dass das Geld, das sie heute einbezahlen, morgen unsere Position durchsetzen wollen genauso wie auch für Vorsorge und Versorgung tatsächlich zur Sie, die Sie schon immer das Einfrieren des Ar- Verfügung steht. Diese Gewissheit haben sie bis- her nicht. Wir sind als christlich-liberale Regie- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2969 rungskoalition angetreten, diese Gewissheit herzu- stellen. Zusammen zahlen sie 329,17 Euro an die (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Krankenkasse. Das sind gut 30 Euro mehr als ihr Chef. Ihr Finanzierungssystem, in dem wir uns heute befinden, Das, meine Damen und Herren, sind keine Zahlen von CDU/CSU oder FDP, sondern Zahlen aus dem (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Reden Sie Spiegel der letzten Woche. Der Spiegel steht ja über Ihres!) nicht im Verdacht, ein reines Regierungsverlautba- ist nicht in der Lage, diese Sicherheit den Men- rungsblatt zu sein. schen weiterhin zu geben, (Heiterkeit und Beifall bei der FDP) (Elke Ferner [SPD]: Ihres erst recht nicht!) Deswegen darf ich das Zitat weiterführen: weil es sich im Prinzip in einem Zustand befindet Willkommen in der gesetzlichen Krankenversi- wie eine Straße nach einem elf Jahre langen Win- cherung – dem vermutlich einzigen Solidar- ter. Überall tun sich neue Löcher auf. Es reicht system der Welt, wo Putzfrauen bisweilen ihre eben nicht, einfach nur Notreparaturen durchzu- Chefs subventionieren … führen. Statt Flickschusterei brauchen wir endlich ein solides Finanzierungsfundament für unsere Wer das System noch solidarisch nennt, der hat gesetzliche Krankenversicherung. es nicht verstanden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Elke Ferner [SPD]: Nach Flickschusterei Das ist das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit, wollen Sie Abriss!) und deswegen werden wir das System verbessern. Gerade jetzt in Krisenzeiten sehen wir doch die (Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD]) Konjunkturanfälligkeit reiner lohnbezogener Bei- träge. Wir gleichen einen Großteil durch Die Regierungskommission wird dazu die richtigen 3,9 Milliarden Euro aus, weil wir alle wissen, dass Vorschläge unterbreiten. es fatal wäre, den Beitragssatz in der jetzigen Kri- Wir wollen die Einnahmeseite stabilisieren, senzeit zu erhöhen. Das würde nämlich zu mehr Arbeitslosigkeit und zu weniger Einnahmen aus (Elke Ferner [SPD]: Durch mehr Niedriglöhne, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung füh- oder wie?) ren. Dieses System schadet dem Arbeitsmarkt, und zwar durch einen höheren Anteil einkom- auch der Krankenversicherung und damit den mensunabhängiger Beiträge. Wir werden jeden, je Menschen insgesamt. Deswegen ist es richtig, die nach seiner Leistungsfähigkeit, zu einem steuerfi- Krankenversicherungskosten auf der einen Seite nanzierten Solidarausgleich heranziehen. Wir wer- von den Lohnzusatzkosten auf der anderen Seite den dafür sorgen, dass nur diejenigen Hilfe erhal- stärker zu entkoppeln als bisher; denn wir wollen ten, die unsere Unterstützung wirklich benötigen. nicht weniger Arbeitsplätze, sondern endlich wie- der mehr. (Elke Ferner [SPD]: Das hört sich sehr unbü- rokratisch an!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) In unserem System wird es jedenfalls keinen Soli- Wir wollen auch mehr Gerechtigkeit. Ich habe darausgleich für Banker geben. Unser System ist Ihnen eine kurze Situationsbeschreibung mitge- gerechter und sorgt endlich für mehr Solidarität in bracht. Ich darf zitieren: Angenommen, ein Bankdi- der Krankenversicherung. rektor mit 1 Million Euro Jahresgehalt wäre bei der AOK versichert. Als Spitzenverdiener zahlt er (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – 296,25 Euro. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist abstrakt! Sagen Sie es mal konkret!) (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Die Bei- tragsbemessungsgrenze könnte wegfal- Wir werden aber nicht nur die Einnahmeseite len! – Gegenruf des Abg. Jens Spahn stabilisieren, sondern auch auf die Ausgaben ach- [CDU/CSU]: Die kann nicht wegfallen aus ten. Wir sind es den Menschen schuldig, dafür zu verfassungsrechtlichen Gründen!) sorgen, dass sie nicht mehr als notwendig für die Krankenversicherung bezahlen. Das entspricht einem Beitragssatz von 0,36 Prozent seines Bruttogehaltes. Wörtlich heißt (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber wie?) es weiter: – Das beste Beispiel ist der Arzneimittelsektor. Die Haushälterin des Bankiers und ihr als Sie, Herr Kollege, mit all Ihren Vertretern der ehe- Gärtner angestellter Ehemann, Jahresgehalt mals großen Volkspartei SPD hatten elf Jahre lang jeweils 25 000 Euro, sind auch noch bei der Zeit, etwas im Arzneimittelsektor zu tun. AOK. (Elke Ferner [SPD]: Bundesrat!) 2970 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Sie haben einfach weggesehen, als die Arzneimit- (Elke Ferner [SPD]: Hauptsache, es passiert telindustrie den Menschen die Preise diktiert hat. was, egal welche Auswirkungen!) Sie sind die Letzten, die uns an dieser Stelle Rat- und endlich wieder sozial gerecht ist. Das haben schläge erteilen sollten. wir den Menschen versprochen, und das, meine (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Damen und Herren, werden wir auch einhalten. Jens Spahn [CDU/CSU]: Ich sage nur: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Rotweingipfel im Kanzleramt!) (Anhaltender Beifall bei der FDP und der Wir brauchen Innovationen im Arzneimittel- CDU/CSU) markt. Wir wollen auch eine schnelle Markteinfüh- rung. Trotzdem können wir nicht akzeptieren, dass die Industrie den Menschen die Preise diktiert. Das Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: geht nämlich zulasten der Versicherten, zulasten Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich der Patientinnen und Patienten. dem Kollegen Fritz Kuhn. Deswegen brauchen wir ein neues Preissystem. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Hat der keine Rede- Künftig muss jedes Unternehmen, das einen höhe- zeit gekriegt?) ren Preis haben will, zunächst einmal einen höhe- ren Nutzen für Patientinnen und Patienten bele- Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gen. Ich finde, die Industrie ist diesen Beweis bis- Herr Minister, Sie haben Ehrlichkeit als Prinzip her schuldig geblieben. Deswegen werden wir sie in der Gesundheitspolitik reklamiert. Das kann man gesetzlich dazu verpflichten, einen solchen Beweis natürlich immer tun, weil es niemanden gibt, der in Form von Studien vorzulegen. Wir jedenfalls gegen Ehrlichkeit ist. Aber Sie haben nicht gesagt, lassen unsere Patientinnen und Patienten nicht im was Sie wollen. Wenn die Forderung nach Ehrlich- Stich. keit und Glaubwürdigkeit irgendeinen Sinn haben soll, dann muss man in der aktuellen Diskussion (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sagen, in welche Richtung man gehen will. Das Diese Studien werden dann selbstverständlich haben Sie noch nicht einmal ansatzweise ge- die Grundlage für Vertragsverhandlungen zwi- macht. Sie sind im Allgemeinen geblieben. schen den Kassen auf der einen Seite und der In- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie dürfen nicht dustrie auf der anderen Seite sein. Seien Sie ver- schlafen!) sichert: Wir werden dafür sorgen, dass die Partner sich an einem Tisch zusammenfinden, um – So wach, wie ich bin, ist so schnell kein anderer. schnellstmöglich Verträge abzuschließen; (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Wer nicht Ich habe mich aus folgendem Grund zu dieser mehr weiterweiß, der gründet einen Ar- Kurzintervention gemeldet: Sie diskutieren über die beitskreis!) Einführung einer kleinen Kopfpauschale oder eines denn neben den mittel- und langfristigen Maßnah- kleinen Gesundheitsbeitrages, wie Sie es nennen. men werden wir selbstverständlich auch schnell Es ist übrigens kein besonderer Ausweis von Kon- wirksame Instrumente einsetzen, beispielsweise sequenz, wenn man nach 140 Tagen Regierung Preismoratorien oder verpflichtende Rabatte. Die- und Koalitionsverhandlungen eine Kommission se Maßnahmen und Instrumente werden so lange aus acht Ministern – das ist das halbe Kabinett – erhalten bleiben, bis die mittel- und langfristigen braucht, um endlich zu sagen, in welche Richtung Instrumente anfangen zu wirken. Gute Versorgung man gehen will. mit Medikamenten zu niedrigeren Preisen, das, (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Da- meine Damen und Herren, ist unser Ziel. niel Bahr [Münster] [FDP]: Sie hatten (Elke Ferner [SPD]: Das wollen wir mal doch die Rürup-Kommission! Was soll sehen, was Sie da vorlegen, Herr Rösler! das denn?) Wir sind ganz gespannt!) Wenn ich mir das Verhältnis von großer Kopf- Wir als Regierungskoalition werden dabei erfolg- pauschale zu kleiner Kopfpauschale anschaue, reich sein und dieses Ziel auch erreichen. dann fällt mir ein Vergleich aus der Landwirtschaft ein: Ob nun ein großer Haufen oder ein kleiner (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Haufen stinkt, beide stinken; beide sind Mist. Der Sie sehen bei diesen Haushaltsberatungen: Weg, den Sie gehen, ist nicht vernünftig. Selbstverständlich kann es gelingen, auf der Ein- (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) nahmeseite das System robuster und stabiler zu gestalten und die Ausgaben besser als bisher zu – Sie können doch niemandem im Land erklären, kontrollieren. Wir sind angetreten, damit im deut- warum Sie etwas Großes nicht machen können, schen Gesundheitssystem endlich etwas passiert. weil Teile der eigenen Regierung sagen, das sei Wir werden ein Gesundheitssystem auf den Weg Mist, wohl aber etwas Kleines nach dem Motto: bringen, das zukunftsorientiert zu Ende gedacht ist Das bekommen wir schon hin. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2971

Zur Gerechtigkeit. Wenn Sie sagen, eine Kopf- Harald Weinberg (DIE LINKE): pauschale – ob groß oder klein – sei gerechter, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen dann müssen Sie auch sagen, wie Sie sich das und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr steuerlich vorstellen. Herr Rösler, Sie, der Sie ei- Rösler sprach gerade von einer Gewissheit, die ner Partei angehören, die für Steuersenkungen man habe. Die einzige Gewissheit, die wir bisher eintritt und sogar eine Flattax von 35 Prozent für haben, ist, dass diese Gesundheitsprämie für die Bestverdienende will, können hier doch nieman- Versicherten, vor allem für die schlecht verdienen- dem erzählen, dass die zusätzlichen Belastungen den Versicherten, teurer wird. durch den Sozialausgleich im Gesundheitswesen (Beifall bei der LINKEN) von denen bezahlt werden, die Sie steuerlich mas- siv entlasten wollen. Sie werden nicht bestreiten Was wird tatsächlich angegangen? Die Bundes- können, dass eine Senkung des Spitzensteuersat- regierung verweigert bislang der Opposition sämt- zes von 42 auf 35 Prozent eine Entlastung für liche Auskünfte über ihre Vorhaben in der Bestverdienende ist. Gesundheitspolitik mit dem Hinweis, das werde die Regierungskommission schon regeln; so lange Vor diesem Hintergrund frage ich Sie – das ist müsse man eben Geduld haben. Aber weder wir ehrlich gemeint –: Warum behaupten Sie, dass ei- noch die Menschen draußen wollen sich weiter ne kleine Kopfpauschale für mehr Gerechtigkeit gedulden. Die Menschen draußen verlieren die sorgt, weil der Sozialausgleich über Steuern finan- Geduld – die Umfragen zeigen das deutlich –, ziert wird? wahrscheinlich weil ihre Erfahrungen mit Regie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und rungskommissionen – wenn man zum Beispiel an bei der SPD) die Hartz-Kommission denkt – nicht die allerbesten sind. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Beifall bei der LINKEN) Herr Minister. In der aktuellen gesundheitspolitischen Debatte gibt es immer wieder Auseinandersetzungen um Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Gesundheit: die Begriffe. Herr Spahn von der Union und Herr Vielen Dank. Ich helfe gern. – Zuerst zu der Lanfermann von der FDP würden uns ja am liebs- Frage, in welche Richtung die Arbeit der Regie- ten verbieten, von einer Kopfpauschale zu reden. rungskommission gehen soll. Das ist einfach und Stattdessen sollen wir schön brav immer „einkom- klar zu beschreiben. Das ist auch nachzulesen; mensunabhängige Gesundheitsprämie mit auto- das steht im Koalitionsvertrag. Ich schicke Ihnen matischem Sozialausgleich“ sagen. diesen gerne zu. Es lohnt sich übrigens, sich auch alle anderen Kapitel durchzulesen. Herr Kollege, (Beifall bei der FDP – Heinz Lanfermann die Aufgabe der Regierungskommission ist nicht, [FDP]: Richtig! Sie haben es ja doch ver- das endgültige System zu beschreiben – das steht standen!) bereits im Koalitionsvertrag –, sondern, den Weg Einmal abgesehen davon, dass das ein Begriffs- vom Zustand heute zum Idealzustand von morgen ungetüm ist, kann man nur sagen: Netter Versuch, genau vorzugeben; denn nach elf Jahren roter und Herr Spahn; netter Versuch, Herr Lanfermann. rot-grüner Gesundheitspolitik Herr Bahr von der FDP, heute Staatssekretär, hat (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Zu Ihren Plänen!) früher an dieser Stelle den Versuch unternommen, Begriffsklärungen mithilfe des Duden herbeizufüh- wird man nicht von heute auf morgen das System ren. Wir tun es Ihnen einfach einmal gleich: Unter schlagartig verbessern können. dem Stichwort „Kopfpauschale“ finden Sie dort – Wir werden daher in kleinen Schritten – das Zitat –: macht Sinn – auch einkommensunabhängige Bei- von allen Versicherten in gleicher Höhe zu träge einführen; denn wir dürfen weder die steuer- entrichtender Beitrag zur Krankenversiche- lichen Finanzierungssysteme noch die Menschen rung. überfordern. Diese Vorgehensweise ist richtig. Das Ziel ist klar benannt. Der Weg dorthin wird von der (Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist eben nicht Regierungskommission beschrieben. Wir wollen so!) eine vernünftige Gesundheitsversicherung, die so- Wenn wir von dem Detail der Familienversicherung lidarischer und gerechter ist als all das, was Sie einmal absehen, dann ist es genau das, was Sie bisher auf den Weg gebracht haben. einführen wollen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Heinz Lanfermann [FDP]: Das sind Millionen Versicherte!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Harald Weinberg für – Nun seien Sie einmal ruhig! – Jeder und jede soll die Fraktion Die Linke. denselben Beitrag zahlen. Was, denken Sie, Herr Lanfermann, steht im Duden unter dem Stichwort (Beifall bei der LINKEN) „Gesundheitsprämie“? Nichts, kein Eintrag. 2972 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

(Heinz Lanfermann [FDP]: Das wollen wir ja das Theater: Herr Rösler sagt in der Bild-Zeitung: füllen!) Ich lege die Pharmaindustrie an die Leine. Ihr dürft nicht mehr allen Krankenkassen zugleich die Prei- Laut Duden gibt es dieses Wort gar nicht. Es ist se diktieren, sondern müsst zukünftig Verhandlun- eine Erfindung von Ihnen und von Herrn Spahn, gen mit jeder einzelnen Kasse führen. – Die Phar- von all denen, die die Kopfpauschale einführen maindustrie tut so, als wäre sie hart getroffen, ist wollen, ohne dass die Bevölkerung es merkt. es aber nicht. Sie ist wieder einmal geschickt um (Beifall bei der LINKEN) eine wirkliche Preisregulierung der Arzneimittel herumgekommen. Das glauben Sie nicht? Im Ich sage Ihnen aber: Dieser Versuch geht schief. Spiegel vom 15. März – auch Herr Rösler hat ge- Die Menschen sind nicht so dumm, dass sie sich rade aus dem Spiegel zitiert – ist der Vorsitzende von Ihnen hinters Licht führen lassen. des Bundesverbands der Pharmazeutischen In- (Heinz Lanfermann [FDP]: So kommen wir so- dustrie, Bernd Wegener, zitiert. Er sagt dort wort- gar in den Duden!) wörtlich: Den Kampf um die Begriffshoheit haben Sie längst Interessant, dass man uns zu unseren eige- verloren. Deshalb wiederhole ich hier in aller Deut- nen Vorschlägen zwingen will. lichkeit: Die Kopfpauschale ist unsozial, die Kopf- Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. pauschale ist unfinanzierbar, auch die schrittweise Einführung der Kopfpauschale ist ein Anschlag auf Vielen Dank. den Sozialstaat. Die Kopfpauschale muss weg. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abge- (Beifall bei der LINKEN – Heinz Lanfer- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES mann [FDP]: Sie kann nicht weg! Sie ist ja 90/DIE GRÜNEN) noch gar nicht da!) Zum Schluss muss noch über ein Stück Schmie- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: rentheater gesprochen werden; es war gerade hier Das Wort hat nun Birgitt Bender für die Fraktion Thema. Der Gesundheitsminister merkt langsam, Bündnis 90/Die Grünen. dass er etwas machen muss. Er kann nicht immer nur unterhaltsame Anekdoten von sich geben, gute Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Miene zum bösen Spiel machen und ansonsten Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr untätig bleiben. Minister Rösler, wenn man Ihnen zuhört, dann muss man sagen: Sie unterschätzen den IQ Ihres (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Publikums erheblich. Heinz Lanfermann [FDP]: Freundliche Miene zum guten Spiel!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Heinz Das kauften Ihnen die Medien und die Öffentlich- Lanfermann [FDP]: Besser als andershe- keit vor einigen Monaten ab, jetzt aber nicht mehr. rum!) Es wird überall berichtet, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, vor allen Dingen die der Arzneimit- Denn wer soll glauben, was Sie da erzählen? Nach tel; das war gerade Thema. Nun denkt sich Minis- Ihrer Darstellung ist der Bankdirektor Mitglied der ter Rösler: Von mir als FDP-Mitglied – Sie wissen, gesetzlichen Krankenversicherung. Ha, ha! In eine Übersetzung von FDP ist: Freundeskreis der Deutschland ist er in der Regel Mitglied einer pri- Pharmaindustrie – vaten Krankenversicherung. Wollen Sie das än- dern und ihn in das Solidarsystem einbeziehen? (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der FDP: Nein, das wollen Sie nicht. Sie haben in den Koali- Oh!) tionsvertrag eine Bestandsgarantie für die PKV erwartet niemand, dass ich der Pharmaindustrie geschrieben. Also, was soll das Argument? die Rendite kürze, aber die Menschen im Land (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fänden das vielleicht gut. Also tue ich einmal so, sowie bei Abgeordneten der SPD und der als ob. Ich treffe mich mit den Vertretern der LINKEN) Pharmaindustrie hinter verschlossenen Türen und frage sie, welche Vorschläge sie haben, um die Ein kleiner Tipp: Da, wo es Kopfgeldsysteme, Pillen billiger zu machen. deren Fan Sie sind, gibt, nämlich in den Nieder- landen und in der Schweiz, ist der Bankdirektor al- Nun gut, die Pharmaindustrie macht dann einen lerdings mit dabei, immerhin. Aber genau das will Vorschlag, nämlich dass die großen Konzerne die FDP verhindern, um die Privilegien der Bes- nicht mehr für alle Krankenkassen zugleich die serverdienenden zu verteidigen. Preise festsetzen sollen, sondern zukünftig mit je- der einzelnen Kasse in Verhandlungen treten sol- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und len. Dreimal dürfen Sie raten, wer gewinnt, wenn bei der SPD) ein multinationaler Konzern mit einer Betriebskran- kenkasse in Verhandlungen tritt. Und nun kommt Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2973

Jetzt komme ich auf Ihr Rechenbeispiel zu im nächsten Jahr garantiert sagen wird: sprechen. Nehmen wir einmal an, der Bankdirektor 16 Milliarden Euro Steuerzuschuss, darüber reden wäre tatsächlich in der GKV und zahlte die wir aber noch einmal. 296 Euro Kopfpauschale. Wie sähe es bei Ihrem (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS Kopfgeldsystem aus? Dieser Bankdirektor würde 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- in Zukunft 140 Euro oder 150 Euro zahlen. ten der LINKEN) (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die hat es im- Herr Schäuble, ich bin mir sicher, dass ich in Ihrem mer noch nicht kapiert!) Sinne rede. Das, was die FDP plant, wird mit ei- Wenn man eine Grundschule besucht hat, dann nem Fragezeichen versehen, und dann wird die weiß man, dass das die Hälfte von dem ist, was er Kopfpauschale, durch die einseitig die Versicher- bis dahin gezahlt hat. ten belastet werden, noch einmal höher. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Fazit: Ruhe ist nur bis zur NRW-Wahl am SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) 9. Mai. Dann folgen vier weitere Sitzungen dieser Kommission. Diese Sitzungen wird man damit ver- Würde das durch Steuermittel kompensiert? Nein. bringen, einen Kompromiss zu inszenieren. Wie Sie wollen die Steuern doch gar nicht erhöhen. Im könnte dieser Kompromiss aussehen? Den Test- Gegenteil: Sie wollen den Spitzensteuersatz, den ballon mit 29 Euro Kopfpauschale, eingepreist 0,9 der Bankdirektor zahlt, auch noch reduzieren. Beitragssatzpunkte, die bisher von den Versicher- Dennoch erzählen Sie hier etwas von Solidarität. ten gezahlt werden, haben Sie schon steigen las- Dazu sagt man in der Umgangssprache: Hallo? sen. Wie geht es dann weiter? Die Geringver- (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ dienenden brauchen einen Sozialausgleich. In Ih- DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LIN- rer Rechnung sind das 5 Milliarden Euro – Geld, KEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Jetzt das Sie nicht haben. Durchschnittsverdienende passen Sie sich aber dem Niveau von zahlen im Jahr 100 Euro mehr und Gutverdienen- Herrn Kuhn an!) de ab einem Einkommen von 3 200 Euro würden entlastet. Ich gratuliere! Da stimmt doch etwas nicht. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Ein solcher Teil- Herr Minister, immer wieder hört man hier von ausstieg aus dem Solidarsystem ist ebenfalls ein Ihnen – es ist schon ein Hammer –: Große Aufga- Ausstieg. Natürlich verfolgen Sie damit das Ziel ben liegen vor uns; ein robustes Finanzierungssys- des Komplettausstiegs. Die Versicherten sollen in tem brauchen wir. Was passiert? Sie setzen eine Zukunft höher belastet werden – das hat der Kol- Kommission ein. Diese Kommission besteht noch lege Lotter vorhin mit bemerkenswerter Unbefan- nicht einmal aus Fachleuten; Fachkenntnis dürfte genheit gesagt; da spürt man den politischen Neu- da eher hinderlich sein. Ihnen assistieren zwei ling –, und die Arbeitgeber sollen an der Finanzie- FDP-Minister, die noch nie etwas vom Ge- rung nicht mehr beteiligt werden. Man glaubt, dass sundheitssystem gehört haben, und Sie werden man mehr Geld ins System holen kann, wenn man von fünf Ministern aus der Union misstrauisch den Versicherten in die Tasche langt. Das ist un- überwacht. Sie sind vor allem in dieser Kommissi- gerecht, und es wird auch nicht funktionieren. on, um zu verhindern, dass vor der NRW-Wahl ir- gendetwas Böses passiert. Bis dahin soll sowieso (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ruhe sein. und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD) Sollen wir glauben, dass die CDU das nach den Wahlen in NRW verhindern wird? Nein! Die CDU Ist das eine gute Nachricht? Nein, ist es nicht. wird sehr einverstanden sein. Sollen wir glauben, Es ist ein Skandal. Was ist denn mit dem Gesund- dass die CSU, die sich derzeit als Held des Soli- heitssystem los? Allein in diesem Jahr fehlen darsystems gibt, das verhindern wird? Schauen wir 4 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr sind es – das uns einmal an, was Markus Söder letzte Woche im ist kein Geheimnis; das haben Sie sich gerade vor- Bayerischen Landtag gesagt hat. Da wurde er von tragen lassen – 15 Milliarden Euro, die dem Sys- einer grünen Abgeordneten gefragt, wie er den tem fehlen. Woher könnte man dieses Geld neh- Passus im Koalitionsvertrag interpretiere, dass men? Ein Steuerzuschuss in Höhe von man einkommensunabhängige Arbeitnehmer- 15 Milliarden Euro? Haben Sie nicht. Beitragser- beiträge wolle. Seine Antwort war so: Die Anforde- höhungen, etwa 1,5 Beitragssatzpunkte paritä- rung der Einkommensunabhängigkeit beziehe sich tisch? Wollen Sie nicht. Kopfgeld – dies lässt sich nicht auf den ganzen Krankenversicherungsbei- umrechnen in 25 Euro pro Person –: Genau das trag, sondern nur auf den Zusatzbeitrag, eine könnte Ihr Ziel sein. Aber da ist noch nicht einge- Kopfpauschale in ihrer reinen Form lehne er ab. Im preist, dass der Finanzminister kommen und Klartext: Eine kleine Kopfpauschale ist mit der (Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble, CSU sehr wohl zu machen. Diese Haltung unter- kommt in den Saal – Heiterkeit) scheidet sich aber gar nicht von dem, was Sie, 2974 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Herr Minister, inzwischen sagen. Sie haben ja in- verschleppt. Wir müssen jetzt längst überfällige zwischen auch schon von der großen Ankündi- Weichenstellungen vornehmen und haben keine gung auf den kleinen Einstieg umgestellt. Zeit mehr zu verlieren, um tragfähige und nachhal- tige Lösungen auf den Weg zu bringen. Dabei geht Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: es nicht allein um die zukunftsfeste Finanzierung Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss unseres Gesundheitssystems, die seit Monaten im kommen. Zentrum der öffentlichen Diskussion steht, oder um Einsparungen im Arzneimittelbereich. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich rate den Kolleginnen und Kollegen der Op- Mache ich. – Der CSU wird nur wichtig sein, position, nicht immer jede Parole, die in irgendei- dass das Geld aus dieser Kopfpauschale nicht in nem sozialistischen Kampfblatt montagmorgens den Finanzausgleich der Kassen einbezogen wird, durch den Äther geistert, damit dieses Geld in Bayern hängen bleibt. Auch (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE das ist dann wieder ein Stück Entsolidarisierung. GRÜNEN]: Meinen Sie den Spiegel? – (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Ewald Schurer [SPD]: Bayernkurier! Herz- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Jesu-Marxisten! – Christian Lange [Back- nang] [SPD]: Spiegel oder Bayernkurier?) Wir glauben, dass diese Kommission dazu da ist, – hier gleich zur Grundlage bzw. zur Basis der Re- gierungspolitik zu machen, sondern einmal abzu- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: warten, was denn die sehr wohl kompetent besetz- Frau Kollegin! te Kommission der Regierung berät. Wir werden im Laufe dieses Jahres einen entsprechenden Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vorschlag auf dem Tisch haben und können die- – ein Theaterstück aufzuführen, bei dem das sen dann sicherlich auch mit dem von Herrn Lau- herauskommt, was ich eben gesagt habe. Wir terbach angekündigten durchgerechneten Konzept werden das zu verhindern wissen. einer Bürgerversicherung seitens der SPD ver- gleichen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem, was wir gemeinsam mit Minister Rösler und bei der SPD) der Regierungskommission dort entwickeln wer- den, am Ende zeigen können, dass es nachhalti- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: ger, gesellschaftlich verträglicher und vor allen Das Wort hat nun Kollege Rolf Koschorrek, Dingen auch gerechter sein wird. CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der FDP) Lassen Sie mich aber den Fokus auch auf eini- Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): ge andere Bereiche der Gesundheitspolitik der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nächsten Monate und auch Jahre richten. Wir ha- Wir sind in den Beratungen zum ersten Haushalt ben uns einige Baustellen vorgenommen. Neben der neuen Regierung und des neuen Ministers den mit der Neuordnung im Arzneimittelbereich Rösler selbstbewusst an die Arbeit gegangen und verbundenen Einsparungen haben wir noch mehr haben deutlich gemacht, dass wir zu dem stehen, vor. Ich möchte einige Stichworte nennen: was vorher in der Gesundheitspolitik gemacht worden ist, und dass es uns nicht darum geht, al- Wir werden uns der Sicherung der ärztlichen les schlechtzureden, was vorher gelaufen ist, aber Versorgung in der Fläche widmen. sehr wohl darum, die Dinge weiterzuentwickeln. Wir werden neue Approbationsordnungen für Wir führen Bewährtes fort und wollen die Finan- Ärzte und Zahnärzte auf den Weg bringen. zierung angefangener Projekte auch in Zukunft weiter sicherstellen. Ich nenne in diesem Zusam- Wir werden den Aufbau einer telematischen Inf- menhang die Verbesserung der Versorgung Pfle- rastruktur beschleunigen. gebedürftiger, die Förderung der Kindergesundheit Wir werden neue Gebührenordnungen zunächst und natürlich auch die Verbesserung der Versor- im privatärztlichen und privatzahnärztlichen Be- gung chronisch Kranker. Kurz gesagt: Wir machen reich auf den Weg bringen. nicht alles anders, aber Vieles und Wesentliches deutlich besser. Als letzte Baustelle haben wir uns die Anglei- chung der zahnärztlichen Honorare zwischen Ost Wichtige Entscheidungen, die angesichts der und West vorgenommen. Veränderungen in unserer immer älter werdenden Gesellschaft und auch infolge der Einflüsse der Das sind nur einige Beispiele für die Bereiche, in Globalisierung nötig sind, wurden jahrelang aus denen wir umgehend Initiativen ergriffen haben. ideologischen Gründen im BMG verhindert und Wir arbeiten daran, schnellstmöglich in Gesprä- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2975 chen mit den Betroffenen zu tragfähigen Ergebnis- ten Wirtschaft und der medizinische Fortschritt, der sen zu kommen. allen Patienten in unserem Lande zugänglich sein und bleiben muss, verlangen von uns Mut für Neu- Die längst überfällige Novellierung der seit 1988 erungen. Wir brauchen eine verbesserte telemati- unveränderten Gebührenordnung für Zahnärzte sche Infrastruktur. Angesichts der älter wer- bringen wir als Erstes auf den Weg. denden Bevölkerung, aber auch angesichts der (Zuruf von der SPD: Die armen Zahnärzte!) zunehmenden Zahl von chronisch erkrankten Menschen, die dank des medizinischen Fort- – Es geht nicht um arme Zahnärzte, liebe Kolle- schritts länger leben und damit länger chronisch ginnen und Kollegen, überhaupt nicht. Aber eine krank sind, können wir nicht darauf verzichten, uns Gebührenordnung, deren Inhalt in wissenschaft- der neuen technischen Möglichkeiten bei der Be- lich-fachlicher Hinsicht seit 1988 nicht weiterentwi- treuung dieser Patienten zu bedienen. ckelt worden ist, erfüllt die Bedürfnisse der Versor- gung für die Jahre 2010 und folgende nicht mehr. Wir müssen erhebliche Anstrengungen machen, Zur Finanzierung dieses Bereichs kommen wir dass die Infrastruktur für telematische Anwendun- später. Es geht zunächst um das Definieren einer gen in der Bundesrepublik verbessert wird. Wir wissenschaftlichen Gebührenordnung, die drin- haben das Problem, dass wir durch die in Teilen gend überfällig ist, sehr skurrile und auch durchaus unsinnige Diskus- sion über die Einführung und Organisation der E- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Card in den letzten Jahren einiges an Gelände und das nicht nur im zahnmedizinischen Bereich, verbrannt und Zeit verloren haben. Aber auch dort sondern auch im ärztlichen Bereich; denn die Ge- sind wir willens und in der Lage, die Bestandsauf- bührenordnungen sind nicht mehr zeitgemäß – das nahme sehr schnell voranzutreiben und zusam- müssen wir akzeptieren – und in Anbetracht der men mit den Kostenerstattern und Leistungserb- Tatsache, dass die derzeitige Gebührenordnung ringern tragfähige Konzepte zu erarbeiten, um zu seit 1988 gilt, mache ich keinen Hehl daraus, dass schlanken Strukturen und datensicheren Verhält- die ein oder andere wirtschaftliche Anpassung die- nissen zu kommen, um dafür zu sorgen, dass da- ser Gebührenordnung erforderlich ist. raus weitere telemedizinische Entwicklungen, Qua- litäten und Schnittstellen definiert werden, sodass Das werden wir in einer konstruktiven Zusam- ein Wettbewerb um die beste Versorgung und die menarbeit zwischen Politik, Leistungserbringern, beste Qualität auf dem Markt stattfinden wird. aber auch den Kostenerstattern im Bereich der pri- vaten Krankenversicherung sowie der Beihilfestel- Wir haben in den nächsten Jahren einiges vor. len lösen. Ich bin zuversichtlich – die Vorgesprä- Unter anderem wollen wir als Querschnittsaufgabe che sind gut verlaufen –, dass wir schon in den zusammen mit den Kollegen aus dem Bereich des nächsten Wochen Eckpunkte vereinbaren und zü- Bundesministeriums für Forschung und Bildung gig, möglichst noch im Laufe dieses Jahres, vor- und des Wirtschaftsministeriums dafür sorgen, un- schlagsreif entwickeln können. Die Gebühren- seren Nachholbedarf – zum Beispiel die Versor- ordnung für Zahnärzte wird eine Blaupause für das gungsforschung in der Bundesrepublik Deutsch- sein, was im ärztlichen Bereich ansteht. Ich bin zu- land – zu beheben und diesen Bereich nachhaltig versichtlich, dass wir auch dort zu tragfähigen und auf eine bessere Grundlage zu stellen. In den zukunftsfesten Konzepten kommen. Haushalten der drei Ministerien ist eine entspre- chende Steigerung der zur Verfügung stehenden Im Bereich der gesetzlichen Krankenversiche- Mittel vorgesehen. rung, was die Angleichung der Verhältnisse zwi- schen den neuen Bundesländern und den restli- Wir haben eine gute Versorgung, aber um sie chen Bundesländern angeht, ist eine letzte Aufga- besser zu machen, müssen wir wesentlich mehr be übriggeblieben, und zwar die Angleichung der über die Versorgungsstruktur in der Bundesrepub- Honorare im zahnmedizinischen Bereich. Auch lik Deutschland wissen. Dieses Vorhaben werden diese Aufgabe müssen wir angehen, das ist längst wir auf den Weg bringen. Wir wollen, dass überfällig. Es ist nicht mehr zu rechtfertigen, dass Deutschland auch in den nächsten Jahrzehnten unterschiedliche Honorare gezahlt werden, wenn eines der international besten Gesundheits- man bedenkt, dass sich die Lebens- und Arbeits- systeme behält. Nach all den Gesundheitsrefor- verhältnisse zum Großteil angeglichen haben, und men der letzten Jahre, die hauptsächlich der kurz- auch vor dem Hintergrund, dass in allen anderen fristigen Kostensenkung dienten, müssen wir das Bereichen eine Angleichung bereits durchgeführt System nachhaltig neu justieren und nicht immer worden ist. komplizierter, sondern transparenter machen und für alle Beteiligten die Mitwirkungsmöglichkeiten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und deutlich verstärken. Deshalb richten wir den Blick der FDP) nach vorne und arbeiten für ein System, das über Die Gesundheitspolitik darf sich nach unserer den Tag hinaus zukunftsfähig sein wird. Überzeugung den notwendigen Neuansätzen nicht Herzlichen Dank. länger verweigern. Die älter werdende Gesell- schaft in Deutschland, die Folgen der globalisier- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 2976 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ausstieg aus dem Solidarsystem, aus einer ge- Das Wort hat nun Karl Lauterbach für die SPD- rechten und durchfinanzierten Gesundheitsversor- Fraktion. gung, und das ist eine Aufgabe. (Beifall bei der SPD) Bei allem Respekt vor den zum Teil bereits ein- gearbeiteten, zum Teil fachfremden Ministern: Un- Dr. Karl Lauterbach (SPD): terschätzen Sie diese Aufgabe nicht. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und Herren! Ich habe mich extra an das Ende der Rednerliste meiner Partei setzen lassen, Es ist so: Selbst 75 Prozent der FDP-Wähler leh- nen die von Ihnen gewünschte Kopfpauschale ab (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie hät- ten sich auch streichen lassen können! – (Ulrike Flach [FDP]: Das wollen wir ja auch Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist schon in nicht!) Ordnung!) und 80 Prozent der Nicht-FDP-Wähler. Oder sollte weil ich auf die inhaltlichen Aussagen und Ankün- ich vielleicht sagen: 75 Prozent der ehemaligen digungen des Ministers reagieren wollte. Ich kann FDP-Wähler lehnen diese Kopfpauschale ab? nur sagen: Das hat sich nicht gelohnt. Es ist nichts (Beifall bei der SPD und der LINKEN so- gesagt worden, worauf ich reagieren könnte. wie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN] – Heinz Lanfermann [FDP]: Mit ehemaligen Wäh- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und lern kennen Sie sich ja aus!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heinz Lanfermann [FDP]: Dann können Herr Rösler, bei allem Respekt, Sie haben sich Sie sich ja wieder hinsetzen! – Georg Sorgen gemacht über die Größe der „ehemals Schirmbeck [CDU/ CSU]: Einfach setzen!) großen“ Volkspartei SPD. Zunächst einmal: Der Lack ist noch nicht ganz ab. Größer als Sie sind Was haben wir gehört? Was haben wir gelernt? wir allemal. Machen Sie sich lieber Sorgen über Ih- (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: re zukünftige Größe und nicht über unsere. Wir Sie haben nichts gelernt!) sind im Aufwind, Sie sind im Abwind, Wir haben gelernt, dass es die Wahrheit ist, dass (Ulrike Flach [FDP]: Also, in Nordrhein-West- wir älter werden und das Gesundheitssystem teu- falen nicht, lieber Herr Lauterbach!) rer wird. Wer hat das je bestritten? Wir haben nicht und das verdanken wir unter anderem Ihrer Arbeit, einen einzigen konkreten Vorschlag gehört. Gar Herr Rösler. nichts. (Beifall bei der SPD) (Ulrike Flach [FDP]: Doch! Natürlich! Wo wa- ren Sie denn?) Die einzige Verstärkung im Kabinett, die man sich hier gewünscht hätte, ich sage einmal: die Oder täusche ich mich? Ist hier jemand im Haus, einzige Fachfrau im Kabinett zur Kopfpauschale, der vom Minister heute einen einzigen konkreten ist nicht dabei. Vorschlag zur Gesundheitspolitik gehört hat? (Ulrike Flach [FDP]: Aber die Kopfpauschale (Zurufe von der SPD: Nein!) wollen wir ja nicht!) – Niemand. Das ist nämlich Frau Merkel selbst. Frau Merkel ist (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist dafür nicht dumm genug. Sie kennt den alten ein einziges Gegröle! – Lars Lindemann Spruch der Industrie: Einen Fehler zu machen, ist [FDP]: Ihr könnt beim nächsten Mal noch verzeihlich, aber wer den Fehler wiederholt, fliegt rote Fähnchen mitbringen! – Ulrike Flach raus. Die Gefahr ist hier groß; denn Frau Merkel, [FDP]: Sie müssen bei Herrn Gabriel ge- die Bundeskanzlerin, ist mit der Kopfpauschale wesen sein!) schon einmal auf die Nase gefallen. Sie wird zuse- hen, wie es Herrn Rösler ergeht. Sie selbst wird Somit kann ich nur auf das reagieren, was ich sich daran nicht die Finger verbrennen. Das Leip- schon vor der Rede wusste. Seit Mittwoch gibt es ziger Programm hat die Union damals Stimmen die Kommission zur Gesundheitsreform. So soll ohne Ende gekostet. Das ist der Weg, den die die Kopfpauschale in Deutschland eingeführt FDP jetzt antritt. Das ist das, was Ihnen bei der werden. Das ist, wenn man so will, die Abrissbirne Nordrhein-Westfalen-Wahl bevorsteht. Erinnern für unser Solidarsystem. Das ist, wenn man so will, Sie sich an meine Worte. ein Himmelfahrtskommando. Daher wird sofort das halbe Kabinett zur Verstärkung gerufen, um diese (Beifall bei der SPD) Aufgabe wuppen zu können, weil man ganz genau Was soll bis zur NRW-Wahl passieren? Mit Täu- weiß, wie unbeliebt das ist. Es soll nicht den Aus- schungsmanövern soll in der Öffentlichkeit die Ab- stieg aus der Kernenergie geben, sondern den sicht der Kommission verschleiert werden. Mal Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2977 heißt es, die Kopfpauschale ist gar keine Kopfpau- Wenn es so weit ist – bei allem Respekt vor die- schale, sondern nur eine Prämie pro Kopf. Aber ser Handelsgruppe; nicht alle Teppichhändler sind worin liegt der Unterschied zwischen einer Pau- unseriös; schale pro Kopf und einer Kopfpauschale? (Elke Ferner [SPD]: Aber die FDP schon!) (Ulrike Flach [FDP]: Sie werden das nie be- auch das sind Wähler –, dass selbst die Teppich- greifen!) händler die ehemalige Wirtschaftspartei FDP Ich frage Sie: Was sollen diese billigen semanti- schmähen, wie weit ist es gekommen, wie weit schen Tricks? Wen glauben Sie damit noch täu- sind die Vorschläge, die wir heute hören, von einer schen zu können? seriösen Gesundheits-, Haushalts- und Finanzpoli- tik entfernt? Wir hören keinen einzigen konkreten Dann heißt es, es gäbe einen Sozialausgleich. Vorschlag. Die Vorschläge, die wir hören, sind Man kann aber nicht sagen, wer diesen bezahlt, entweder unseriös oder nicht finanzierbar oder wie er bezahlt und wie lange er bezahlt wird. Das beides. Einzige, was wir hören, ist, dass er automatisch fließen soll. Das erinnert mich an den biblischen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Spruch von der wundersamen Brotvermehrung. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bitte machen Sie sich doch nichts vor: Wenn nicht Demnächst sollen bis zu 35 Milliarden Euro aus klar ist, wer bezahlt, woher das Geld kommt, wenn einem – ich nenne es einmal so – automatischen Bund, Länder und Kommunen pleite sind, was soll Sozialausgleich kommen. denn dann automatisch fließen? Das ist doch plumpe Wählertäuschung. (Ulrike Flach [FDP]: Das haben Sie schon ge- sagt!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Dabei sind Sie nicht in der Lage, die sinnvollen – Ulrike Flach [FDP]: Das ist Kasperle- Vorbeugeprogramme, die jetzt laufen, ausreichend theater, was Sie machen!) zu finanzieren. Sie müssen in diesem Haushalt 500 000 Euro bei Programmen für Bewegung und Daher würde es mich schon interessieren, was ausgewogene Ernährung sparen. Sie sparen Herr Schäuble wirklich über diese Pläne denkt, 400 000 Euro bei der Armutsbekämpfung. Sie was hier seiner Meinung nach wirklich gespielt schränken um 1,24 Millionen Euro bei Program- wird, wer das seiner Meinung nach bezahlen soll. men gegen den Drogenmissbrauch ein. Hier werden bis zu 35 Milliarden Euro notwendig. 400 000 Euro sparen Sie bei der Bekämpfung von Aber wir befinden uns im Prinzip in einer Situation, HIV-Infektionen. Sie müssen bei den Kränksten in der wir knapp an einem Nothaushalt vorbei- und Ärmsten einzelne kleine Eurobeträge ein- schrammen. sammeln. Sie müssen die Vorbeugung beschnei- (Lachen des Abg. Heinz Lanfermann [FDP]) den, und erzählen uns hier Märchen über einen – nicht finanzierten – automatischen Sozialaus- Was haben wir in der Gesundheitspolitik bisher gleich, erlebt? Wir haben nur eine allgemeine Verunsiche- rung der Bevölkerung erlebt (Ulrike Flach [FDP]: Sie erzählen wirklich ge- rade Unsinn, Herr Lauterbach!) (Lars Lindemann [FDP]: Die Sie betreiben!) für den niemand zahlen wird, zuletzt der Gutver- und einen absurden Vorschlag zum Thema Phar- dienende, der von Ihren Steuervorschlägen noch maindustrie. eine Entlastung erwartet. Auch das ist ein Teil der (Heinz Lanfermann [FDP]: Es sind doch Wahrheit. Ihre falschen Informationen, die die Leute verunsichern!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Den Vorschlag, den die Pharmaindustrie selbst un- Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. terbreitet hat, wollen Sie uns jetzt verkaufen. Bei (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dem Vorschlag geht es darum, dass die Pharma- der FDP) industrie wie die Teppichhändler erst die Preise um 20 Prozent erhöht, was dann wieder zurück- Dr. Karl Lauterbach (SPD): verhandelt werden soll. Dieser Vorschlag ist so Ich komme zum Ende; dies wird mein letzter schlecht, dass sich sogar die Teppichhändler bei Satz. – Die Wahrheit ist: Wir werden älter, und die mir beschwert haben, dass sie mit den unseriösen Gesundheitsversorgung wird teurer. Aber die Geschäftspraktiken der FDP nicht in Zusammen- Wahrheit ist auch: Es darf nicht allein um die Ent- hang gebracht werden wollen. lastung der Arbeitgeber und der Gutverdiener ge- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und hen. Es muss auch um die Weiterführung eines dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Solidarsystems gehen, auf welches wir bisher ge- bei Abgeordneten der LINKEN) meinsam stolz waren. Das werden Sie auch mit 2978 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 der Abrissbirne, mit Ihrem gesamten halben Kabi- Um das zu verdecken, arbeiten Sie mit semanti- nett nicht abreißen können. schen Tricks, die unglaublich sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- (Elke Ferner [SPD]: Nehmen Sie einmal ein ten der LINKEN und des BÜNDNISSES Blutdruckmittel!) 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Flach [FDP]: Verehrter Herr Kollege Lauterbach, Sie können Das war nun ein dickes Ende!) das eigentlich besser. Eigentlich sind Sie in der Lage, zu unterscheiden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Rudolf Henke für die (Ewald Schurer [SPD]: Sie scheinbar nicht! CDU/CSU-Fraktion. Sie nicht! Kein Vorschlag!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) – Ich bin sehr gut in der Lage, zu unterscheiden. – Ich habe mir genau gemerkt, Rudolf Henke (CDU/CSU): (Ewald Schurer [SPD]: Wieder nicht! Ein Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Wahnsinn!) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Lau- dass Herr Lauterbach hier behauptet und in den terbach, Sie waren jetzt vier Jahre lang in der Mittelpunkt stellt, dass die Politik der Koalition da- Schmollecke der SPD-Fraktion. rauf gerichtet sei, den Ausstieg aus dem Soli- (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das wäre das ers- darsystem herbeizuführen. te Mal in meinem Leben gewesen!) (Elke Ferner [SPD]: Ja, natürlich!) Vier Jahre lang haben Sie hinnehmen müssen, Ich sage Ihnen: Das, was Sie mit Ihrer Bürgerver- dass Ulla Schmidt die Gesundheitspolitik gestaltet sicherung anstreben, ist die Vorbereitung auf einen hat. Sie hatten vier Jahre Zeit, sich auf den Zeit- Ausstieg aus dem Solidarsystem. Ich werde Ihnen punkt der Übernahme der gesundheitspolitischen jetzt erklären, warum. Führungsrolle in der SPD vorzubereiten. Wie schlecht haben Sie sich eigentlich in den vier Jah- ren vorbereitet, um jetzt in dieser Haushaltsdebatte Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: eine solche Rede zu halten? Herr Kollege, gestatten Sie vorher eine Zwi- schenfrage des Kollegen Lauterbach? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Hier hätten Sie auftrumpfen können. Hier hätten Rudolf Henke (CDU/CSU): Sie die ganze Kritik, die Sie seit einem halben Jahr Ja, natürlich. Wenn mir das nicht von der Rede- vortragen, und Ihre Alternative beschreiben kön- zeit abgezogen wird, gerne. nen. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Sie regieren Dr. Karl Lauterbach (SPD): doch! Wer stellt denn die Regierung? Re- Herr Henke, ich bin konkret gewesen und habe gieren wir oder Sie? – Elke Ferner [SPD]: ein paar Vorschläge gemacht. Aber hier ist nie- Sie regieren!) mand, der sich mit den Vorschlägen von Herrn Rösler beschäftigt hat. Tragen Sie doch Ihre eige- Hier hätten Sie sagen können, wie Ihr Konzept ei- nen Vorschläge vor, ner Bürgerversicherung aussieht. Aber weder Sie erläutern Ihr Konzept einer Bürgerversicherung (Beifall bei Abgeordneten der SPD) noch die Grünen noch die Linke. Sie tun nur eines: ob positiv oder negativ, was auch immer. Aber ich Sie versuchen, mit Blick auf den Muttertag, auf den bin doch noch nicht der Minister, Termin der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, (Heiterkeit – Heinz Lanfermann [FDP]: (Elke Ferner [SPD]: Nein, das machen Sie!) Gott sei Dank! – Georg Schirmbeck durch das Erzeugen von Verhetzungspotenzial [CDU/CSU]: Um Himmels willen! Dazu Stimmung zu machen, Punkte zu machen, eine darf es niemals kommen!) unsachliche Debatte zu führen und in diese Wahl- sondern Herr Rösler ist der Minister. Wo sind denn auseinandersetzung einzugreifen. Ihre konkreten Vorschläge? Nennen Sie Ihre eige- (Lachen bei der SPD, der LINKEN und nen Vorschläge. Wir regieren doch noch nicht, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall Herr Henke. bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie missbrauchen diese Haushaltsdebatte zum Wahlkampf. Rudolf Henke (CDU/CSU): Lieber Herr Lauterbach, das, was Sie in den Mit- (Zuruf von der LINKEN: Wählerhetzer! – telpunkt der Debatte stellen, ist doch die Frage, Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Populismus!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2979

(Zuruf von der SPD: Kommen jetzt mal Vor- (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Elke schläge?) Ferner [SPD]: Nein! Sie lassen die Bürger im Unklaren!) ob mit einem steuerfinanzierten Sozialausgleich, Von der vermeintlich idealen Solidaritätsleistung (Elke Ferner [SPD]: Wer will den denn?) in der Bürgerversicherung sind gerade die ausge- wie er in allen Vorschlägen der Koalition und in der nommen, denen es am besten geht, während gesamten Philosophie des Gesundheitsministers gleichzeitig die durchschnittliche Belastung der enthalten ist, oder mit einem beitragsfinanzierten mittleren Schichten weit stärker steigt, als es bei Sozialausgleich besser auf die heutige Situation jedwedem einkommensunabhängigen Beitrag mit reagiert werden kann. Das, was Sie immer in den sozialem Ausgleich je der Fall sein könnte. Vordergrund rücken, ist, dass Sie unter allen Um- Wo wir soziale Verantwortung ernst nehmen, da ständen und egal zu welchen Kosten und Bedin- setzen Sie sich für ein Modell ein, das nichts und gungen am beitragsfinanzierten Sozialausgleich niemanden so sehr schont wie den leistungslosen als dem einzigen Instrument festhalten wollen, Wohlstand. dem Sie überhaupt attestieren, das Prädikat „soli- darisch“ zu verdienen. Genau damit zementieren (Elke Ferner [SPD]: Ach! Das ist doch Sie eine finanzielle Engführung dessen, was im Quatsch!) Gesundheitswesen zu leisten ist. Mittwochs beklagen Sie hier den leistungslosen Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie gesagt haben, Wohlstand, und freitags werben Sie mit Ihrem Ein- es besteht Konsens darüber, dass wir eine Alte- treten für die Bürgerversicherung dafür, leistungs- rung der Bevölkerung zu verzeichnen haben und losen Wohlstand zu belohnen. Unsere Überzeu- dass der demografische Wandel seinen Preis ver- gung ist, dass eine Zusatzfinanzierung, in der langt. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie sagen, Steuermittel den Sozialausgleich organisieren, ei- der medizinische Fortschritt führt dazu, dass das ne stärkere Beteiligung derer sicherstellt, die auf Gesundheitswesen teurer wird. Aber dann müssen der sonnigsten Seite des Lebens stehen. Das ist Sie doch auch eine Antwort auf die Frage geben, der Unterschied: Wir nehmen das Solidaritätsgebot wie Sie in dem von Ihnen propagierten Alterna- ernst, aber Sie tun nur so, als nähmen Sie es tivmodell einer Bürgerversicherung den Solidar- ernst, und versuchen, ein Verwirrspiel zu spielen. ausgleich verbessern wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Elke Ferner [SPD]: Sagen Sie doch erst einmal, wie Elke Ferner [SPD]: Sie wollen den Sozial- hoch Ihre Kopfpauschale sein wird!) staat plattmachen! Das ist die Wahrheit!) Mit genau dieser Frage möchte ich mich jetzt gerne auseinandersetzen, weil sie die Kernfrage Herr Lauterbach, vielleicht gestatten Sie mir, ist: Brauchen wir bei der Finanzierung der dass ich Ihnen in Erinnerung rufe, was die SPD- Gesundheitsversorgung eine Stärkung der steuer- Fraktion zu Zeiten Ihrer Vorgänger über die Bür- finanzierten Anteile, oder brauchen wir eine Kon- gerversicherung gedacht hat: zentration allein auf die Beitragsfinanzierung? Das ist die Kernfrage. Eine ganz entscheidende Frage bei der Bür- gerversicherung ist, bis zu welchem Einkom- (Zuruf von der SPD: So ist es!) men Beiträge gezahlt werden müssen. Sie weigern sich natürlich, Ihr angeblich klug kon- (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Darum geht struiertes Modell auch nur ein einziges Mal konkret es heute doch überhaupt nicht! Es geht zu beschreiben, um Ihre Vorschläge!) (Elke Ferner [SPD]: Legen Sie doch auch mal Hier gibt es die Überlegung, die Beitragsbe- etwas vor!) messungsgrenze deutlich anzuheben oder sie weil Sie wissen, dass dieses Modell ohne Zukunft ganz aufzuheben. Das wird uns aus verfas- ist, wenn die Bürger erfahren, wie Ihr Modell kon- sungsrechtlichen Gründen aber nicht gelin- kret aussieht. gen. Man kann nicht die Beitragsbasis beliebig ausweiten, ohne die Leistungen anzupassen. (Ewald Schurer [SPD]: Sie haben doch Das hat das Bundesverfassungsgericht in jetzt die Mehrheit! Sie müssen jetzt regie- mehreren Urteilen deutlich gemacht. Daher ren! Aber Sie machen es nicht!) wird die Grenze wohl in der Nähe des heuti- Sie wissen, dass es verfassungsrechtlich völlig gen Betrags … bleiben … Das heißt, auch bei ausgeschlossen ist, eine Bürgerversicherung ein- einer Bürgerversicherung werden die Gutver- zuführen, in der Abgaben erhoben werden, für die dienenden auf einen großen Teil ihres Ein- das Äquivalenzprinzip verlassen wird. Aber Sie kommens keine Beiträge zahlen. täuschen die Bürger, indem Sie sie darüber im Un- (Ulrike Flach [FDP]: So ist es! Das ver- klaren lassen. schweigt die SPD!) 2980 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Besonders deutlich wird das Problem, wenn Wir kommen nun zu der Abstimmung über den auch noch Zinsen oder Mieteinnahmen einbe- Einzelplan 15 in der Ausschussfassung. Wer zogen werden. Davon sind dann nämlich nur stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- die Bezieher von geringen und mittleren Ein- tungen? – Der Einzelplan 15 ist mit den Stimmen kommen betroffen. Die Reichen werden ver- der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen schont. Das ist nicht das, was ich mir unter ei- der drei Oppositionsfraktionen angenommen. ner guten Bürgerversicherung vorstelle. Ich rufe auf: Das hat Frau Schaich-Walch, damals stellvertre- Einzelplan 32 tende Fraktionsvorsitzende der SPD, im Jahr 2003 Bundesschuld erklärt. – Drucksache 17/621 – (Zuruf von der SPD: Fast zehn Jahre her!) Berichterstattung: Daran hat sich nichts geändert. Abgeordnete Norbert Barthle (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Carsten Schneider (Erfurt) Otto Fricke Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Dr. Gesine Lötzsch Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kom- Alexander Bonde men. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über den Rudolf Henke (CDU/CSU): Einzelplan 32 – Bundesschuld – in der Ausschuss- Ja. – Wir haben diese Debatte fortgeführt. Des- fassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage- wegen sind wir überzeugter denn je, dass es rich- gen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan ist mit den tig ist, den Solidarausgleich stärker auf Steuermit- Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die tel abzustellen, als Sie es wollen. Stimmen der drei Oppositionsfraktionen ange- nommen. (Widerspruch bei der SPD) Das ist der konzeptionelle Unterschied, der in die- Präsident Dr. : ser Debatte deutlich wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe jetzt (Zuruf von der SPD: Wieder nichts Neues!) auf: Ich bedanke mich sehr für die Aufmerksamkeit. Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) – Drucksache 17/622 – Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Berichterstattung: Ich schließe die Aussprache. Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider (Erfurt) Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- Otto Fricke plan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – in Dr. Gesine Lötzsch der Ausschussfassung. Hierzu liegen drei Ände- Alexander Bonde rungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck- Bevor wir dem Einzelplan 60 in der Ausschuss- sache 17/1037? – Wer stimmt dagegen? – Wer fassung zustimmen können, müssen wir über zwei enthält sich? – Der Änderungsantrag ist bei Zu- Änderungsanträge befinden, die die Fraktion Die stimmung der Fraktion Die Linke mit den Stimmen Linke eingebracht hat. des übrigen Hauses abgelehnt. Wir kommen zunächst zu dem Änderungsantrag Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck- auf der Drucksache 17/1040. Wer stimmt gegen sache 17/1038? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- diesen Änderungsantrag? – Wer enthält sich? – tungen? – Der Änderungsantrag ist mit der glei- Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. chen Mehrheit wie zuvor abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf der Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck- Drucksache 16/1041? – Wer stimmt dagegen? – sache 17/1039? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist abge- tungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim- lehnt. men der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 60 – All- von Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen gemeine Finanzverwaltung – in der Ausschussfas- der Linksfraktion bei Stimmenthaltung der SPD sung ab. Stimmt jemand gegen diesen Einzelplan abgelehnt. 60? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan ist in der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2981

Ausschussfassung damit mehrheitlich angenom- wie über einen Entschließungsantrag der Fraktion men. der SPD namentlich abstimmen werden. Ich rufe nun auf: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Haushaltsgesetz 2010 Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so be- – Drucksachen 17/624, 17/625 – schlossen. Berichterstattung: Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kol- Abgeordnete Norbert Barthle legin Petra Merkel für die SPD-Fraktion das Wort. Carsten Schneider (Erfurt) (Beifall bei der SPD) Otto Fricke Roland Claus Alexander Bonde Petra Merkel (Berlin) (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Her- Auch hier ist eine Aussprache in der zweiten Be- ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der ratung nicht vorgesehen. Schlussrunde der ersten Lesung des Haushalts Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über 2010 im Januar stand ich auch hier und habe ge- das Haushaltsgesetz in der Ausschussfassung. sprochen. Wenn ich jetzt überlege, was in den letz- Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die ten acht Wochen dazwischen passiert ist, dann Linke auf der Drucksache 17/1009 vor, über den stelle ich fest, dass wir lange und intensive Bera- wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Ände- tungen hinter uns haben. rungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- Die einzelnen Fachausschüsse haben zum hält sich? – Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit Haushalt 2010 getagt. Meine Kolleginnen und Kol- abgelehnt. legen aus dem Haushaltsausschuss haben in Wer stimmt für das Haushaltsgesetz 2010 in der Berichterstatterrunden beraten. Vor allen Dingen Ausschussfassung? – Wer stimmt dagegen? – gab es lange Sitzungen im Haushaltsausschuss: Wer enthält sich? – Das Haushaltsgesetz ist mit 8 Sitzungen, runde 80 Stunden, über 1 130 Anträ- der Mehrheit der Koalition gegen die Oppositions- ge haben wir im Haushaltsausschuss abgestimmt, fraktionen angenommen. damit wir hier im Plenum in dieser Woche die ab- schließenden Beratungen des Haushalts 2010 Wir kommen nun zum Finanzplan des Bundes durchführen konnten. Wir sind jetzt wenige Meter 2009 bis 2013 auf den Drucksachen 16/13601 und vor dem Ziel. 17/626. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be- schlussempfehlung auf Drucksache 17/626, den „Sind Sie denn mit dem Ergebnis zufrieden?“, Finanzplan zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt wurde ich am Tag nach der Bereinigungssitzung für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt da- von der Presse gefragt. Na ja, ich war erst einmal gegen? – Wer enthält sich? – Die erkennbar große froh, dass ich nach der 14-stündigen Bereini- Mehrheit des Hauses ist bereit, den Finanzplan zur gungssitzung, die erst gegen 3.30 Uhr morgens Kenntnis zu nehmen, was hiermit so protokolliert beendet war, wieder aus den Augen gucken konn- wird. te. Das ging sicherlich allen Kolleginnen und Kol- legen so. Natürlich kann kein Haushälter und keine Ich rufe den Tagesordnungspunkt II auf: Haushälterin mit einer Nettokreditaufnahme von Dritte Beratung des von der Bundesregie- 80,2 Milliarden Euro zufrieden sein. rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wahr!) zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr Das ist nun einmal eine Rekordverschuldung. 2010 (Haushaltsgesetz 2010) (Otto Fricke [FDP]: Stimmt!) – Drucksachen 17/200, 17/201, 17/601 bis Das ist wahrlich kein Grund zum Jubeln. 17/616, 17/619 bis 17/622, 17/623, 17/624, 17/625, 17/1077 – (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Jetzt kommt sicherlich der Hinweis darauf, dass Carsten Schneider (Erfurt) im Verlauf der parlamentarischen Beratungen im- Otto Fricke merhin 5,6 Milliarden Euro eingespart werden Roland Claus konnten. Ja, das stimmt. Alexander Bonde (Otto Fricke [FDP]: Auch das!) Es wurden insgesamt 13 Entschließungsanträge Aber das ist nicht Ihr Verdienst, liebe Kolleginnen eingebracht, über die wir nach der Schlussab- und Kollegen von der schwarz-gelben Koalition. stimmung abstimmen werden. Ich weise darauf Das ist auf eine bessere Konjunktur und auf zum hin, dass wir später über das Haushaltsgesetz so- 2982 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Glück weniger Ausgaben für Arbeitslosigkeit zu- das einfach gemacht! Hauptsache 79, rückzuführen. weil sich das besser anhört! So seid ihr!) 80,2 Milliarden Euro schmerzen mich beson- Was fällt auf? Bei Steinbrück lag die strukturel- ders, weil Peer Steinbrück 2008 dicht vor dem Ziel le Verschuldung, nämlich die Verschuldung, die war, keine neuen Schulden mehr aufnehmen zu Investitions- und Wachstumsförderung bedingt, bei müssen. Dann kam die Finanz- und Wirtschaftskri- knapp 40 Milliarden Euro. Ihre liegt jetzt bei 68 Mil- se. Wir haben gehandelt. Wir mussten riesige liarden Euro. Sie müssen doch erklären, warum Summen in die Hand nehmen und wieder Schul- Sie trotz besserer wirtschaftlicher Entwicklung und den machen, um der Krise zu begegnen. trotz einer nicht so stark wie befürchtet gestiege- nen Arbeitslosigkeit eine so hohe Verschuldung Das war erfolgreich. Die Konjunkturpakete ha- aufnehmen. Sie hätten locker unter eine Neuver- ben gewirkt, die Kurzarbeit ist ein gutes Instru- schuldung von 80 Milliarden Euro kommen kön- ment, die wirtschaftliche Entwicklung verlief nen. Wenn Sie gewollt hätten, dann hätten Sie besser als erwartet. Der Haushalt 2009 – Steinb- durchaus bei 77 bis 78 Milliarden Euro landen rücks letzter – konnte mit fast 15 Milliarden Euro können. Das alles hat mit der Schuldenbremse zu geringerer Schuldenaufnahme als geplant abge- tun. schlossen werden. So weit zum vergangenen Jahr. Vom Haushalt 2011 an gilt die Schuldenbrem- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) se, das Ergebnis der Föderalismuskommission II. Davon profitieren jetzt Sie von der schwarz- Ich war dort Mitglied und kann mich gut an die gelben Koalition. Sie haben erst einmal noch einen Verhandlungen erinnern. Damals war die Haltung kräftigen Schluck genommen, statt sofort die zu- der Vertreter von Schwarz und der Vertreter von sätzlichen Einnahmen zu nutzen und auf die Gelb – noch nicht in einer Koalition, aber ganz im Schuldenaufnahme zu verzichten; denn das neue Geiste eines unsichtbaren Bandes – eindeutig: Er- Jahr begann mit dem Inkrafttreten Ihres schwarz- klärtes Ziel war die Nullschuldenregel. Der Staat gelben Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, das sollte keinen Puffer haben und keine strukturellen seinem Namen nicht gerecht werden wird. Selbst Schulden aufnehmen dürfen, also nicht die Mög- der Sachverständigenrat mahnt Sie in seinem Jah- lichkeit haben, Investitionen und Wachstum mit resgutachten, die Zukunft nicht aufs Spiel zu set- Schulden zu fördern – weder der Bund noch die zen. Länder. Die Regel konnte gar nicht streng genug sein. Und jetzt dieses Ergebnis im Haushalt 2010! Zurück zu den 80,2 Milliarden Euro Nettoneu- verschuldung in diesem Jahr. Ein Leitartikel in der Eines steht fest: Mit diesem Haushalt verschafft Berliner Morgenpost – wahrlich kein sozialistisches sich Schwarz-Gelb ein Polster. Mit diesem Haus- Kampfblatt, Herr Koschorrek – stammt von Jochim halt legt Schwarz-Gelb die Höhe der Stufen für die Stoltenberg und ist überschrieben mit: „Ein Haus- nächsten sechs Jahre fest; denn 2016 muss eine halt ohne politischen Ehrgeiz“. Ich zitiere daraus: Neuverschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eingehalten werden. Anders Das können die Schönfärber in der schwarz- ausgedrückt: 2016 dürfen die strukturellen Schul- gelben Koalition selbst wohl nicht ganz ernst den nicht höher als ungefähr 8 Milliarden Euro meinen: Als Sparkurs zu bewerten, was jetzt sein. Das bedeutet pro Jahr durchschnittlich nach den sogenannten Bereinigungsverhand- 10 Milliarden Euro bis zu 15 Milliarden Euro – lungen im Haushaltsausschuss mit den Stim- wenn die Zinsen steigen – Kürzungen im Haushalt. men von CDU, CSU und FDP für den Bun- Sie schaffen sich jetzt das Polster, aus dem Sie desetat 2010 beschlossen worden ist, kommt dann zumindest in den ersten Jahren wie bei einer im freundlicheren Betrachtungsfall ritualhafter Luftmatratze die Luft rauslassen können. Parteilichkeit gleich, bei realistischer Bewer- tung verantwortungsloser finanzpolitischer Ig- (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD] – Otto noranz. Fricke [FDP]: Großer Applaus!) Ich habe mich morgens nach der Bereinigungs- Ich komme jetzt zum nächsten Punkt. Das ist sitzung mit kleinen Augen, aber wachem Verstand Haushaltstechnik. Hier sehe ich gerade uns Haus- immer wieder gefragt: Warum hat Schwarz-Gelb hälter gefordert. Gerade bei einer so hohen Neu- nicht wenigstens versucht, unter 80 Milliarden Euro verschuldung müssen wir viel stärker als früher Neuverschuldung zu bleiben? Warum ist es nicht den tatsächlichen Mittelabfluss kontrollieren. „nur“ eine Verschuldung, die im Bereich der 70er- Man wirft uns ja durchweg in allen Fraktionen Marge bleibt? Meine Erfahrungen in einer Regie- Buchhaltermentalität vor. Manchmal ist Buchhal- rungsfraktion liegen ja noch nicht so lange zurück. tung aber ganz gut. Wir müssen das Soll durchge- Ich bin mir sicher, Peer Steinbrück hätte uns ge- hend mit dem Ist vergleichen. Wir müssen den ak- trieben, dass wir unter 80 Milliarden Euro kommen tuellen Stand des gesamten Haushalts regelmäßig – ganz sicher. bei der Verwaltung abfragen und von ihr erhalten. (Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Nur so können wir Haushälter erkennen, wo die Egal, ob vernünftig oder nicht: Ihr hättet Mittel abfließen, wo Reste sind und wo Luft ist. Es Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2983 reicht nicht mehr aus, einmal im Jahr die Liste mit langen Sitzungen vorbereitet, nachbereitet und uns den Istmitteln in die Hand zu bekommen. während der Sitzungen bis in die Morgenstunden begleitet haben. Einige von ihnen haben hinter der Bundesratsbank Platz genommen. Wir wissen doch: Der Bund hat kein Geld, die (Beifall) Kommunen erst recht nicht, und die Länder auch nicht. Gerade weil das so ist, muss es zumindest Ich bedanke mich außerdem bei den Mitarbeite- jetzt einen Konsens dahin gehend geben, dass die rinnen und Mitarbeitern der Ministerien, beim Par- Steuern in allen Bundesländern in gleichem Maße lamentarischen Staatssekretär Steffen Kampeter, erhoben werden müssen, Stichwort: Bundessteu- beim Rechnungshof und bei den Mitarbeiterinnen erverwaltung. Meine Fraktion hat sich im Rahmen und Mitarbeitern der Fraktionen sowie aus den der Föderalismuskommission dafür eingesetzt, Abgeordnetenbüros. Auch wenn Sie es nicht so dieses Thema endlich in Angriff zu nehmen. recht glauben: Ich freue mich schon auf die Bera- Schätzungen zufolge wurde von jährlichen Mehr- tungen für den nächsten Haushalt, die im Herbst einnahmen in Höhe von mindestens 8 Milliarden stattfinden werden. Euro ausgegangen. Die Bundessteuerverwaltung Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. bringt auch eine Vereinfachung und eine Entbüro- kratisierung mit sich. Herr Finanzminister Schäub- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie le, auch Sie müssen ein Interesse daran haben. bei Abgeordneten der LINKEN und des Diskutieren Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto aus den Ländern, auf welche Weise Steuern zu Fricke [FDP]: Ich glaube ihr das!) erheben sind. Diskutieren Sie mit ihnen bitte noch einmal über eine Regelung in Bezug auf eine Bun- Präsident Dr. Norbert Lammert: dessteuerverwaltung. Es gibt verschiedene Mo- Zunächst freuen wir uns auf die nächste Rede, delle; diese liegen alle vor. die vom Kollegen Norbert Barthle für die Es ist wirklich ein Skandal, wenn in einem Bun- CDU/CSU-Fraktion gehalten wird. desland Steuerfahnder aus dem Amt gedrängt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- oder gemobbt werden, weil sie zu erfolgreich sind. neten der FDP) In einer Zeit, in der diskutiert wird, ob Steuerdaten- CDs aus der Schweiz gekauft werden, um so Ich weise vorsichtshalber darauf hin, dass die Steuerhinterzieher zu verfolgen, müssen wir im ei- vorgesehene Redezeit zur Verlesung des dicken genen Land doch alle Möglichkeiten ausschöpfen, Bandes, das Sie mitgebracht haben, sicher nicht um die dem Staat zustehenden Steuern zu erhal- reicht. ten. (Heiterkeit) (Beifall bei der SPD) Norbert Barthle (CDU/CSU): Ich komme zum Schluss. Für mich war es eine In Ordnung. – Herr Präsident! Meine sehr ver- Premiere; denn es war der erste Etat, den ich als ehrten Damen und Herren! Ich will sagen: Heute Vorsitzende des Haushaltsausschusses begleiten ist ein schöner und ein guter Tag. konnte. Deshalb möchte ich mich jetzt bei einigen Menschen bedanken: Herr Finanzminister Schäub- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE le, ich danke Ihnen ganz besonders, dass Sie heu- GRÜNEN]: Ein schlechter Tag! – Zuruf te an der Abschlussrunde teilnehmen. Gestatten von der LINKEN: Für wen denn?) Sie mir außerdem ein ganz persönliches Wort: Wir Denn wir können heute den Bundeshaushalt 2010 alle haben uns Sorgen um Sie gemacht. Wir hoffen abschließend beraten. Nach langer harter Arbeit sehr, dass Sie die nächste Zeit nutzen, um Kraft zu wird er dem Bundespräsidenten und dem Bundes- tanken, und sich diese Zeit auch nehmen können. rat übergeben und somit in das Gesetzblatt ge- Sie haben harte Wochen und Monate vor sich. hievt. Damit endet nicht nur der Winter, sondern Denn Sie müssen Ihre Kolleginnen und Kollegen auch die vorläufige Haushaltsführung. von einem rigiden Sparkurs überzeugen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Otto Fricke [FDP]: Nein! Überzeugen muss er der FDP) nicht!) Lassen Sie mich nach diesen Beratungen zu- Dafür wünschen wir Ihnen viel Erfolg. nächst allen Kolleginnen und Kollegen im Haus- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP haltsausschuss und deren Mitarbeitern einen ganz und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) herzlichen Dank aussprechen. Ich weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt. Ich möchte auch dem Haus- Ich möchte mich ganz offiziell bei meinen Kolle- haltsausschusssekretariat, das uns unter neuer ginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss für Führung hervorragend unterstützt hat, ganz herz- die gute Zusammenarbeit bedanken. Mein Dank lich danken: herzliches Dankeschön. Ich danke na- gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des türlich auch der Frau Vorsitzenden für die gute gesamten Haushaltsausschusssekretariats, die die 2984 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Führung. Liebe Frau Kollegin, ich wünsche Ihnen Zins-ausgaben, eine globale Minderausgabe und noch eine jahrelange, vielleicht auch jahrzehnte- unrealistisch angesetzte Steuermehreinnahmen lange Ausübung dieser Aufgabe. erreicht werden sollten. Das sind, mit Verlaub, Luftbuchungen. (Heiterkeit und Beifall – Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Keine Hoffnung!) (Bettina Hagedorn [SPD]: Stimmt ja gar nicht!) Mein herzlicher Dank richtet sich auch an Bun- – Doch, schauen Sie es nach. desfinanzminister Wolfgang Schäuble und seine Ähnlich sieht es bei den Grünen aus. Die Grü- Staatssekretäre. Dies gilt natürlich auch für sein nen wollten über alle Haushalte hinweg Haus, das uns unter neuer Führung bestens unter- 14 Milliarden Euro mehr ausgeben. Auch hier soll- stützt hat. ten Einsparungen nur durch unrealistische Steu- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ermehreinnahmen und eine um 1,1 Milliarden Euro geringer veranschlagte Position bei den Zinsaus- Lassen Sie mich nun auf den Haushalt zurück- gaben erfolgen. Auch das sind Haushaltstricks. kommen. Die Fakten bleiben Tatsachen, auch wenn es vonseiten der Opposition immer wieder (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE anders dargestellt wird. Wir befinden uns in einer GRÜNEN]: Quatsch!) historischen Krisensituation. Dieser historischen Dass die Grünen überdies im Verteidigungsetat Krisensituation ist auch eine historisch hohe Net- mal eben 1,8 Milliarden Euro kürzen wollten, will tokreditaufnahme geschuldet. Das erfreut nie- ich nur am Rande erwähnen, vielleicht auch in manden in diesem Hause, im Gegenteil. Nicht nur Richtung des Kollegen Johannes Kahrs, der unse- wir Haushälter sehen das mit großer Sorge und re Einsparungen vehement kritisiert hat, obwohl empfinden diesen Schuldenberg sozusagen fast auch die SPD-Fraktion fast 140 Millionen Euro in als körperlich spürbare Last. Ich bin deshalb unse- diesem Etat einsparen wollte. Dann weiß der Kol- rer Bundeskanzlerin sehr dankbar, dass sie diese lege Kahrs, wo seine wahren Freunde sind. bedrückende Situation in aller Deutlichkeit darge- legt hat. Jetzt lassen Sie mich noch auf die Linken bli- cken. Die Änderungsanträge der Linken zeigen, Aber der Schuldenberg liegt nicht am mangeln- dass trotz einer Kürzungsorgie von 3,7 Milliarden den Sparwillen der christlich-liberalen Koalition, Euro im Verteidigungsetat (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) GRÜNEN]: Aber auch!) unter dem Strich 44 Milliarden Euro mehr ausge- weit gefehlt. Denn trotz der Krise haben wir die geben werden sollten, frei nach dem Motto: Im Nettokreditaufnahme durch schwierige, schmerz- Himmel ist Jahrmarkt, wir schöpfen aus dem Vol- hafte Einschnitte um 5,6 Milliarden Euro abge- len. senkt; (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Präsident Dr. Norbert Lammert: hatten wir doch schon mal!) Herr Kollege Barthle, der Kollege Bonde wollte das sind 6,5 Prozent. Eigentlich waren es sogar vermutlich zu Ihren Anmerkungen zu den Vor- 5,9 Milliarden Euro. Da wir aber auf der Einnah- schlägen der Grünen noch eine Zwischenfrage meseite sehr vorsichtig kalkuliert haben, verblei- stellen. ben 5,6 Milliar-den Euro. Nennen Sie mir eine an- dere Koalition als die der christlich-liberalen, die so Norbert Barthle (CDU/CSU): etwas schon einmal geschafft hätte! Da werden Gerne. Sie wahrscheinlich sprachlos bleiben müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Schauen wir uns einmal die Sparbemühungen Herr Kollege Barthle, sind Sie bereit, Ihre doch der Opposition an. Denn eines muss festgehalten sehr reduzierten Lesekünste auf das gesamte An- werden: Eine um 1 oder 2 Milliarden Euro niedrige- tragswerk der Grünen auszuweiten und zu bestäti- re Nettokreditaufnahme rettet die Welt nicht. Mehr gen, dass wir mit den Haushaltskonzepten, die wir war aber auch bei der Opposition nicht zu sehen. Ihnen vorgelegt haben, unter anderem durch den Schaue ich mir die Änderungsanträge der SPD Abbau von klima- und umweltschädlichen Subven- an, stelle ich fest, dass mit ihnen unter dem Strich tionen in Höhe von 9 Milliarden Euro und durch ei- eine um 2 Milliarden Euro niedrigere Nettokredit- ne vorgeschlagene Reduzierung im Haushalt in ei- aufnahme vorgesehen ist als bei der Koalition. So ner Größenordnung von 4,7 Milliarden Euro, ein weit, so gut. Bei genauerer Betrachtung der Ein- Paket geschnürt haben, mit dem wir einerseits be- zelpläne aber sieht man, dass in Summe legt haben, dass wir sowohl die eine oder andere 840 Millionen Euro mehr ausgegeben werden soll- von uns gewünschte Investition mehr hätten täti- ten, die Einsparungen aber nur durch niedrigere gen können, aber andererseits auch gezeigt ha- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2985 ben, dass die Nettoneuverschuldung für dieses sche ich mir für künftige Haushaltsberatungen Jahr um 7,5 Milliarden Euro niedriger hätte liegen wieder etwas mehr Kultur in den Debatten. können als bei Ihrer Rekordverschuldung? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Norbert Barthle (CDU/CSU): Präsident Dr. Norbert Lammert: Lieber Herr Kollege Bonde, ich gehe gerne Herr Kollege Barthle, möchten Sie eine Zwi- nochmals mit Ihnen jeden einzelnen Antrag der schenfrage der Kollegin Hagedorn beantworten? Grünen durch. Ich habe die Auflistung in meinem Büro; wir können sie uns gerne anschauen. Dann kann ich Ihnen zeigen, dass Sie zwar innerhalb der Norbert Barthle (CDU/CSU): einzelnen Einzelpläne durchaus Ge- Gerne. genfinanzierungen für die von Ihnen geplanten Mehrausgaben vorgesehen hatten, dass aber über Präsident Dr. Norbert Lammert: alle Einzelpläne hinweg – mit Ausnahme der Ein- Ich will zwischendurch darauf hinweisen, dass zelpläne 32 und 60 – unter dem Strich ich aufgrund der von uns vereinbarten Gesamtre- 14 Milliarden Euro Mehrausgaben blieben. Das dezeit nicht geneigt bin, eine sich abzeichnende können wir uns gerne noch einmal anschauen; substanzielle Ausweitung der Debattenzeit durch dann werden auch Sie vielleicht schlauer werden. eine Fülle von Zusatzfragen und Kurzinterventio- – Danke. nen zuzulassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vor diesem Hintergrund erscheinen viele der in Ich möchte daher schon jetzt um eine freiwillige dieser Woche hier aus den Reihen der Opposition Sortierung entsprechender Wünsche bitten. – Bit- vorgetragenen Vorwürfe in einem ganz anderen te, Frau Kollegin Hagedorn. Licht. Da wurde immer wieder behauptet, wir woll- ten gar nicht, nicht ernsthaft oder zu wenig sparen. Bettina Hagedorn (SPD): Das relativiert sich sehr schnell. Die Anzahl der Wünsche nach Zwischenfragen Lassen Sie mich an dieser Stelle noch kurz zu- wird sich sicherlich reduzieren, wenn das, was hier rückkommen auf die ominöse 900-Millionen-Euro- vorgetragen wird, auch den Tatsachen entspricht. Sperre bei den Eingliederungshilfen für Lang- Herr Kollege Barthle, zu der 900-Millionen-Euro- zeitarbeitslose. Sperre. Ich habe nicht von einer Kürzung, sondern (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE von einer faktischen Kürzung gesprochen. Sie ha- GRÜNEN]: Das ist in der Tat ominös, was ben vorhin gesagt, dass jede Sperre irgendwann Sie da gemacht haben!) einmal aufgehoben wird.

Das war schon eine besondere Nummer. Da stel- Norbert Barthle (CDU/CSU): len die Haushälter der SPD-Fraktion diese Sperre Nicht jede, aber viele. als Kürzung dar. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bringt es gar fertig, öffentlich per Presse- mitteilung nur noch von Kürzung zu reden. Dabei Bettina Hagedorn (SPD): kennen die erfahrenen Kollegen im Haushaltsaus- Irgendwann, haben Sie gesagt. schuss den Unterschied zwischen einer Sperre Als wir in der Bereinigungssitzung mit Frau von und einer Kürzung ganz genau. Darüber hinaus der Leyen über die Sperre gesprochen haben, ha- wissen sie sogar, dass wir in aller Regel – mit we- be ich sie gefragt, wann diese Sperre aufgehoben nigen Ausnahmen – diese Sperre irgendwann im sein muss, damit die 900 Millionen Euro noch in Haushaltsausschuss aufheben. diesem Jahr für aktive Arbeitsmarktpolitik ausge- (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das muss aber geben werden können. Die Ministerin hat daraufhin schnell passieren! In der April-Sitzung!) gesagt, sie müsste spätestens in der Plenarwoche im April aufgehoben werden, damit das Geld noch Sie wird also nicht zu einer Kürzung führen. Das ausgegeben werden kann. Können Sie das be- wissen Sie genau. Trotzdem stellen Sie es in der stätigen? Wird Schwarz-Gelb die Sperre am Öffentlichkeit anders dar. Das finde ich nicht kor- 21. April in der Haushaltsausschusssitzung aufhe- rekt. ben? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Norbert Barthle (CDU/CSU): An diesem geradezu paradigmatischen Beispiel Verehrte Frau Kollegin, ich möchte Ihnen Fol- kann man sehen, dass viele der hier aus den Rei- gendes antworten: hen der Opposition vorgetragenen Kritikpunkte bil- lige Effekthascherei und teilweise Polemik waren. Erstens. Sie haben tatsächlich von einer fakti- Leider ist in dieser Woche die Kritik teilweise in schen Kürzung gesprochen. Aber darunter ver- persönliche Diffamierungen ausgeartet. Da wün- 2986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 steht die Öffentlichkeit eben eine Kürzung. Ihre Wir haben den Blick schon auf die Maastricht- feine Unterscheidung versteht kein Mensch. Kriterien und auf die Schuldenbremse gerichtet. Das steht vor uns. Die Bundeskanzlerin hat in ihrer (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Rede dazu gesagt: Es wird eine Herkulesaufgabe Abg. Dr. Michael Meister [CDU/CSU]) sein, die Vorgaben zu erfüllen. Wir werden uns mit Zweitens. Sie haben vollkommen recht: Die großem Elan daranmachen. Frau Ministerin hat im Ausschuss dargelegt, dass Die Schuldenbremse ist ein historischer Erfolg es sinnvoll und gut wäre, wenn diese Sperre noch der letzten Legislaturperiode. Gerade in dieser Kri- in den ersten beiden Quartalen aufgehoben wer- senzeit zeigt die Schuldenbremse bereits, dass sie den könnte, möglichst bis Ende April. In diesem ihre Wirkung entfalten wird. Das wird den Druck Monat haben wir noch eine Sitzungswoche. Ich bin zur Konsolidierung aufrechterhalten, und dafür bin sehr zuversichtlich, dass es unserer Ministerin, die ich sehr dankbar. sehr tüchtig ist, gelingen wird, bis zu diesem Ter- min ein Konzept vorzulegen, das zeigt, wie dieses Nun gab es in diesen Tagen die Aufforderung Geld zweckentsprechend, zielgerichtet und öko- der EU-Kommission an Deutschland, noch mehr nomisch sinnvoll eingesetzt werden kann. zu sparen. Das betrifft aber nicht den jetzigen Haushalt; das betrifft kommende Haushalte. Das Verehrte Frau Kollegin, ich muss Ihnen noch ei- betrifft natürlich insbesondere unsere Partnerlän- nes sagen: Die SPD hat dieses Land elf Jahre lang der. Wenn ich dorthin schaue, stelle ich fest, dass regiert. Da kann es nicht falsch sein, einmal nach- wir mit unserer Defizitquote von 5,5 Prozent an zuschauen, ob das Geld tatsächlich ökonomisch der Spitze liegen. Das ist im Vergleich zu Frank- sinnvoll und zielgerichtet eingesetzt wird. Dies ist reich – 8 Prozent –, Spanien – rund 10 Prozent – im Sinne von uns Haushältern. und Großbritannien – rund 13 Prozent – deutlich (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten besser. Das heißt, dieses Land wurde und wird gut der CDU/CSU) regiert. Wir stehen in dieser Krisenzeit besser da als so manch andere. Deshalb hat Jean-Claude Zurück zum Haushalt 2010. Wir haben erste Juncker dieser Tage das deutsche Modell der Signale hin zu einer Konsolidierungspolitik für Schuldenbremse als ein Modell für die Euro-Zone künftige Haushalte bereits in diesem Gesetz gege- in ganz Europa dargestellt. Dem ist eigentlich ben. Ich erinnere daran: Im Bereich der Verwal- nichts mehr hinzuzufügen. tungs- und Personalkosten haben wir 500 Millionen Euro eingespart. Rund 2 600 Stel-len (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Dann kön- brutto werden durch eine wieder eingeführte pau- nen wir ja aufhören!) schale Stelleneinsparung abgebaut. Meine Damen und Herren, damit Sie auch se- An dieser Stelle möchte ich gerne mit Erlaubnis hen, dass wir nicht nur in Milliarden- oder Millio- des Präsidenten aus der Neuen Osnabrücker Zei- nenbeträgen denken, habe ich den ersten Band tung zitieren. Dort gab es am 16. März Lob vom des Haushalts 2009 mitgebracht. Der gesamte Bund der Steuerzahler. Das ist ja eher die Aus- Haushalt erscheint ja in zwei Bänden. Die sind mir nahme als die Regel. Der Präsident des Bundes zu schwer; deshalb habe ich nur einen Band mit- der Steuerzahler, Herr Däke, wird folgendermaßen gebracht. Wir Haushälter haben auch im Kleinen zitiert: gespart. Wir werden den Haushalt 2010 nicht mehr vielhundertfach in zwei solch dicken Bänden dru- Die Änderungen zeigten, „dass das Parlament cken, sondern nur noch in geringer Stückzahl. Wir sein Budgetrecht ernst nimmt und nicht jedem werden ihn für die Kolleginnen und Kollegen in Wunsch der Bundesregierung erliegt“ … elektronischer Form zur Verfügung stellen. Dann Das bestätigt die Anstrengungen von uns Haushäl- kann sich jeder den Part ausdrucken, den er tern. Ich gebe dieses Lob gerne an die gesamte braucht, und wird nicht von zwei schweren Bänden christlich-liberale Koalition weiter. sozusagen erschlagen. Auch da sparen wir also Geld ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie sehen: Wir Haushälter lassen keine Gele- genheit aus, mit dem Geld der Steuerzahler sorg- Wir alle wissen, dass man es sich beim Sparen sam umzugehen. In diesem Sinne freue ich mich bei den Ausgaben nicht leicht machen darf. Das ist auf die künftigen Haushaltsberatungen. ein schwieriges Unterfangen. Dabei gibt es immer Danke schön. wieder auch scharfen Gegenwind aus den Reihen der Fachpolitiker, aus den Ländern, aus den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Kommunen. Deshalb haben wir uns in mühevoller Kleinarbeit darangemacht, diese 5,9 Milliarden Eu- Präsident Dr. Norbert Lammert: ro einzusparen. Das lassen wir uns von nieman- Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege dem, auch nicht von der Opposition, madigma- Kahrs das Wort. chen. Das ist eine großartige Leistung in diesem Haushalt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2987

Johannes Kahrs (SPD): (Beifall bei der SPD) Lieber Norbert, du hast gesagt, dass die SPD sich zu Recht über die Kürzungen im Verteidi- Präsident Dr. Norbert Lammert: gungsbereich aufgeregt hat. Herr Kollege Barthle, da Sie offenbar erwidern (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nein!) wollen: Ich habe eigentlich den Eindruck, dass es noch genügend Redner gibt – angefangen mit dem Den Vorgang muss man sich einmal auf der Zunge Finanzminister bis zu den Kollegen aus der Frakti- zergehen lassen. Der Inspekteur des Heeres hat on –, die auf die angesprochenen Fragen antwor- alle 91 Flugabwehrpanzer Gepard, jede Menge ten können, sodass wir wiederum im Sinne des Schützenpanzer Marder und die Panzerhaubitzen vereinbarten Gesamtzeitbudgets auf eine weitere stillgelegt, weil schon jetzt kein Geld mehr für Mu- Erwiderung verzichten können. Können wir das nition und Instandhaltung vorhanden ist. In dieser machen? Situation der – mit Einsätzen in Af- ghanistan, auf dem Balkan und anderswo – habt Norbert Barthle (CDU/CSU): ihr in laufender Sitzung über 450 Millionen Euro Nur einen Satz. Ich mache es ganz kurz. aus dem Verteidigungsetat herausgestrichen: 100 Millionen Euro beim A400M, 30 Millionen Euro beim Tiger, 30 Millionen Euro beim NH-90 usw. Zu Präsident Dr. Norbert Lammert: allem gibt es feste Verträge. Da kommt man gar Gut, einen Satz. nicht heran. Das heißt, der Staatssekretär Wolf muss im laufenden Haushaltsjahr 450 Millionen Norbert Barthle (CDU/CSU): Euro aus dem Verteidigungsetat herausstreichen, Herr Kollege Kahrs, ich will nicht auf die Einzel- wo doch schon jetzt Panzer stillgelegt werden, weil heiten eingehen, da das zu weit führen würde. Nur nicht genug Geld da ist. so viel: Wir erleben hier ein Phänomen, das man häufiger beobachten kann. Dort, wo wir gespart Das Ganze habt ihr gemacht, ohne eure eige- haben, schreien die jeweiligen Fachpolitiker: Hilfe, nen Fachpolitiker, die von der CDU/CSU, zu betei- bei uns nicht, lieber woanders! – Dort, wo es Zu- ligen. Das Ganze habt ihr gemacht ohne Wissen wächse gibt, heißt es: Ihr habt zu wenig draufge- eures Ministers. Das Ganze habt ihr gemacht ohne legt. Warum nicht mehr? – Das kann man durch Absprachen mit den Staatssekretären. Das heißt, jeden Einzelplan durchdeklinieren. Aber dieses ihr habt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Ver- Spiel hilft uns nicht weiter. teidigungshaushalt rasiert. Nichts gegen Sparen, aber es muss schon schlau sein. Das ist hier nicht Herzlichen Dank. der Fall. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Im nächsten Jahr werden die Soldaten an allen Ecken und Enden bespart werden: bei Infrastruk- Präsident Dr. Norbert Lammert: tur, bei Instandhaltung; das tägliche Leben wird Die Kollegin Gesine Lötzsch ist die nächste eingeschränkt – und das nach all den warmen Rednerin für die Fraktion Die Linke. Worten, die ihr bei dem Beschluss zu Afghanistan gefunden habt, dass nämlich den Soldaten, die wir (Beifall bei der LINKEN) irgendwo hinschicken, immer das beste Gerät mit- gegeben wird. Ich finde, das ist schäbig. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und Herren! Sie, Frau Bundeskanzlerin Merkel, Ihr hättet wenigstens mit euren Fachpolitikern, haben am Mittwoch in Ihrer Rede kein Wort darü- dem Kollegen Beck und den anderen Kollegen aus ber verloren, wie Sie den Haushalt langfristig sa- dem Verteidigungsausschuss, reden können, um nieren wollen. Wir reden hier über 80 Milliarden zu erfahren, was sie zu dem Thema sagen. Fragt Euro Neuverschuldung. Hinzu kommen über doch mal den Minister, warum er in der Debatte 27 Milliarden Euro Kapitalhilfen und fast über den Einzelplan seines Ministeriums nicht ge- 17 Milliarden Euro für den Tilgungsfonds. Das redet hat! Fragt doch mal die Staatssekretäre und macht in der Summe über 124 Milliarden Euro. die Berichterstatter! Frau Merkel, mehr Haushaltsnotstand geht wirklich nicht. Ich finde, so kann man mit der Bundeswehr, der Truppe nicht umgehen: auf der einen Seite schö- (Beifall bei der LINKEN) ne, wohlfeile Sonntagsreden halten und auf der Frau Merkel, Sie haben eine Rede gehalten, die anderen Seite unabgestimmt einen Haushalt regel- ich – um einen Begriff der Börsensprache aufzu- recht rasieren, der sowieso schon knapp genäht greifen – als einen typischen Leerverkauf bezeich- ist, ohne eine Alternative anzubieten. Norbert, das ne. hat nichts mit Sparen zu tun. Das ist eine unintelli- gente Schikane eines Ministers. Das hat die Ar- (Otto Fricke [FDP]: Da kennst du dich ja mit mee nicht verdient. aus!) 2988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Sie haben eine große Steuerreform versprochen, wenn Steuern und Sozialabgaben spärlicher flie- ohne dafür einen einzigen Euro in der Tasche zu ßen. Darum brauchen wir endlich den gesetzlichen haben. Was Sie wirklich haben, ist über 1 Billion flächendeckenden Mindestlohn und vernünftige Euro Schulden. Damit sich die Zuschauer das vor- Arbeitsverhältnisse. stellen können: 1 Billion ist eine Zahl mit zwölf Nul- (Beifall bei der LINKEN) len. Sie, Frau Merkel, gehen riskante Wetten ein und hoffen, dass die Einnahmeverluste durch Damit hätten wir nebenbei endlich auch europäi- Wunder ausgeglichen werden. Aber solche Wun- schen Standard erreicht, wo sich die Regierung der gibt es in der Politik nicht. Machen Sie endlich doch gerne als Lehrmeister Europas aufspielt. eine vernünftige, nachhaltige Politik und sichern Wenn wir uns an europäischen Standards orientie- Sie die Einnahmeseite des Haushaltes! ren würden, dann müssten wir diese Maßnahme endlich im Bundestag beschließen. (Beifall bei der LINKEN) Wir als Linke wollen nicht, dass der Bundes- Statt die Einnahmen zu sichern, diskutieren Sie haushalt das gleiche Schicksal wie das Kölner über eine wirklich irrwitzige Idee. Sie wollen noch Stadtarchiv erleidet. Darum fordern wir, dass wie- vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen quasi als Ge- der starke Pfeiler in unser Steuersystem eingezo- schenk für die Wählerinnen und Wähler – eigent- gen werden. Das ist nämlich die Voraussetzung für lich als Geschenk für Herrn Rüttgers, den Sie vor einen funktionierenden Sozialstaat. Wir, die Linke, dem Untergang retten wollen – Steuersenkungen sind die einzige Partei, die wirklich eine deutliche mit einem Volumen von 10 Milliarden Euro be- Umverteilung von oben nach unten will. Ich sage schließen. Sie haben das halbherzig dementiert. Ihnen, meine Herren und Damen von der FDP, Aber ich glaube, wenn wir am kommenden Sonn- auch: Armut kann man nur bekämpfen, wenn man tagabend den Fernseher einschalten, dann werden Reichtum begrenzt. Das ist unsere Position. Ihre wir sehen, dass Sie Ihre Meinung geändert haben. ist es nicht, das weiß ich. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Für mich wäre es wirklich ein Missbrauch der Demokratie, wenn die (Beifall bei der LINKEN) Vorsitzenden der Koalitionsparteien am Sonntag Die Bundeskanzlerin und auch andere haben im- eine Blitzsteuerreform, wie sie es offensichtlich mer wieder darauf hingewiesen, dass wir immer geplant haben, beschließen würden. Es darf nicht mehr Geld für Soziales ausgeben müssen. Das sein, dass wir hier im Parlament eine ganze Wo- wird als Ausweis einer besonders guten Sozialpo- che um einen vernünftigen Haushalt ringen und litik angeführt. Das stimmt nicht. Das ist kein Aus- dann am Wochenende eine Steuerreform von drei weis einer guten Sozialpolitik, sondern Ausweis ei- Parteivorsitzenden beschlossen wird. So sieht se- ner ganz schlechten Arbeitsmarkt- und Wirt- riöse, demokratische Politik nicht aus, Frau Merkel. schaftspolitik. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Ich will Ihnen erklären, welche Gemeinsamkei- Wenn diese Regierung prekäre Arbeitsverhältnisse ten zwischen der Arbeit der Bundesregierung und und Minijobs zur Dauereinrichtung machen will, dem Kölner U-Bahn-Bau bestehen. Beide haben dann wird sich diese Situation immer mehr ver- die Stützpfeiler verkauft und wundern sich nun, schärfen. Wir brauchen, um unseren Haushalt zu dass alles zusammenbricht. Der Bundeshaushalt, stützen, um die Sozialkassen zu stärken und um über den wir reden, hat nur noch zwei Stützpfeiler: den Menschen die Möglichkeit zu geben, in Würde die Lohnsteuer und die Mehrwertsteuer. Den zu arbeiten, endlich gute Arbeit zu guten Löhnen, Stützpfeiler Gewinnsteuer haben die Regierungen aber keine prekären Verhältnisse. der letzten 20 Jahre für ein paar Spenden an ihre Klientel verkauft. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Die Bundeskanzlerin hat die Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelobt Der Anteil der Einnahmen aus der Gewinnsteuer und die Gier der Manager getadelt. Schauen wir am gesamten Steueraufkommen betrug 1960, also uns einmal an, ob die Manager diesen Tadel be- vor 50 Jahren, 35 Prozent. Heute beträgt er nur herzigen. Er hat sie überhaupt nicht beeindruckt. noch 20 Prozent. Das heißt, um es zu übersetzen: Es ist doch geradezu unanständig, dass Herr Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen Ackermann, der diese Krise durch sein Verhalten nahezu die gesamte Steuerlast allein tragen. Das mit verursacht hat und der durch hochriskante ist verantwortungslos, und das ist keine soziale Spekulationen sein Geld verdient, jetzt schon wie- Politik. der ein Gehalt von fast 10 Millionen Euro im Jahr (Beifall bei der LINKEN) bekommt. Da können Sie sehen, Frau Merkel, wie Ihre Tadel wirken. Augenscheinlich sind die gar Ich füge hinzu: Der Pfeiler Lohnsteuer gerät durch nicht ernst gemeint. Was tun Sie wirklich, um die den wachsenden Niedriglohnsektor weiter unter Gier zu begrenzen? Wir brauchen endlich Gesetze Druck. Wer prekäre Arbeitsverhältnisse zum Stan- zur Finanzmarktregulierung. dard machen will, der darf sich nicht wundern, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2989

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. ausschusses einen ganz herzlichen Dank sagen. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Ich möchte mich auch für die faire Zusammenar- GRÜNEN]) beit mit den Kolleginnen und Kollegen aller Frakti- onen bedanken, bei dem einen mehr, bei dem an- Der Internationale Währungsfonds, IWF, soll deren weniger; das ist ganz klar. noch in diesem Jahr einen Vorschlag zur Beteili- gung der Banken an den Krisenkosten vorlegen. Wir hatten einen schwierigen Haushalt zu bera- Warum eigentlich nur eine Beteiligung? Warum, ten. Schwierig war er dadurch, dass er noch vom frage ich Sie, gilt nicht die alte Regel, dass derje- Finanzminister Steinbrück vorgelegt wurde. nige, der einen Schaden verursacht, auch dafür (Johannes Kahrs [SPD]: Steinbrück, guter aufkommen muss? Wir als Linke werden uns nicht Mann! – Zurufe von der SPD) damit abfinden, dass die Banken nur einen symbo- lischen Beitrag zahlen sollen. Wir haben klare For- – Ja, sicher. Das ist doch bekannt; das ist kein derungen an die Banken. An dieser Stelle zeigt Geheimnis. – Er hatte eine sehr hohe Neuver- sich, dass unsere Forderung richtig war, den Ret- schuldung vorgesehen. Unsere Koalition hatte tungsschirm für die Banken mit klaren Bedingun- sich ganz fest vorgenommen, sich mit einer Neu- gen zu verbinden. Sie haben das abgelehnt. Jetzt verschuldung in der von Steinbrück geplanten haben Sie keinerlei Druckmittel gegen die Banken Höhe nicht der deutschen Öffentlichkeit zu präsen- in der Hand. Das ist nicht hinnehmbar. Sie lassen tieren. Uns war zwar klar, dass wir mit einer hohen sich weiter von den Banken erpressen. Diese Poli- Neuverschuldung leben müssen; aber sie sollte tik muss endlich beendet werden. weniger hoch ausfallen. (Beifall bei der LINKEN) Kollegin Merkel von der SPD – Sie sind hier heute als haushaltspolitische Sprecherin aufgetre- Wenn ich die Kanzlerin am Mittwoch richtig ver- ten –, Sie sagen, die Neuverschuldung könnte ge- standen habe – davon gehe ich aus –, dann will ringer als 80 Milliarden Euro sein. sie den Bankenschirm zu einer Dauereinrichtung machen. Das heißt im Klartext: Die Banken kön- (Bettina Hagedorn [SPD]: Deutlich!) nen jetzt die Gewissheit haben, dass der Staat sie – „Deutlich“. – Dazu sage ich Ihnen Folgendes: immer auffangen wird, auch wenn sie in den Kasi- nos der Welt weiter zocken und die Banker dicke Erstens. Wir betreiben keine Schönfärberei, Boni einstreichen. sondern wir wollen Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Eben nicht!) Zweitens. Dieser Vorwurf geht doch ins Leere. Ich kann wiederholen, was ich schon am Dienstag Würden wir all den von Ihnen gestellten Erhö- gesagt habe: Dieser Haushalt ist gut für Spekulan- hungsanträgen folgen, dann würde die Neuver- ten, aber schlecht für Menschen, die einer ehrli- schuldung noch höher als von Steinbrück vorge- chen Arbeit nachgehen, und ganz schlecht für Ar- sehen ausfallen. beitslose. Kehren Sie endlich um! Gestalten Sie eine soziale, gerechte und nachhaltige Politik! Die (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- ist an diesem Haushalt nicht ablesbar. Darum wer- ten der CDU/CSU – Widerspruch bei Ab- den wir ihn ablehnen. geordneten der SPD) Vielen Dank. – Empören Sie sich ruhig. – Ich nenne nur ein Bei- spiel: Haben Sie in der Kulturdebatte hier einen (Beifall bei der LINKEN) einzigen Streichvorschlag gemacht, oder haben Sie eine einzige Kürzung für in Ordnung erklärt? Stattdessen haben Sie zig Erhöhungsvorschläge Präsident Dr. Norbert Lammert: gemacht und haben uns dafür kritisiert, dass wir an Nächster Redner ist der Kollege Jürgen diversen Stellen nicht mehr Mittel zur Verfügung Koppelin für die FDP-Fraktion. stellen. Lesen Sie nach, was Sie gesagt haben, als Sie hier am Rednerpult gestanden haben. Ähnlich (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten war es bei allen anderen Beratungen: Sie haben der CDU/CSU) nur Erhöhungsvorschläge gemacht. Ich sage Ihnen bei dieser Gelegenheit auch: Ich Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): bin sehr stolz darauf, dass wir über 50 Prozent der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Punkte unseres Liberalen Sparbuchs – wir haben Nach den vielen Beratungen im Haushaltsaus- es hier lange Zeit präsentiert – durchgesetzt ha- schuss und den vielen Debatten hier im Plenum ben. zum Bundeshaushalt 2010 wird heute ein Bundes- haushalt in schwieriger finanz- und wirtschaftspoli- (Beifall bei der FDP – [Köln] tischer Zeit verabschiedet. Genauso wie meine [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist ei- Vorredner möchte ich erst einmal den Mitarbeite- gentlich aus dem Vorschlag geworden, rinnen und Mitarbeitern des Haushalts- Staatssekretäre abzuschaffen?) 2990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Ich schaue jede Woche in die Spiegel- konnten Sie mit uns nicht sachlich diskutieren? Sie Bestsellerliste. Allmählich müsste auch das Libera- hatten nur ein Thema. Das war mehr als peinlich. le Sparbuch dort erscheinen, so oft ist das zitiert (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) worden. Ich möchte auf einen weiteren Aspekt aufmerk- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) sam machen. Hier ist kritisiert worden, wir hätten Das Verlangen danach ist anscheinend groß. Viel- keine Sympathie für die Kommunen, die sich in leicht stimmt mit dieser Liste etwas nicht. Ich kann einer schwierigen Finanzsituation befänden. Ich nur sagen: Wir haben das Liberale Sparbuch nicht kann Ihnen sagen: Es stimmt, deren Finanzsituati- zu den Akten gelegt. Wir arbeiten die darin enthal- on ist schwierig. Nur, darauf haben wir Freien De- tenen Punkte weiter ab. mokraten, zum Beispiel meine Kollegin Piltz und andere, schon seit mehreren Jahren hingewiesen. Ich muss die Opposition fragen: Wo sind Ihre Einsparvorschläge gewesen? Sie können uns kri- Was haben Sie denn gemacht? Sie haben sich tisieren, auch im Hinblick auf dieses Sparbuch – doch darum überhaupt nicht gekümmert. Soll ich das muss man aushalten können –; aber legen Sie Ihnen sagen, was Sie gemacht haben? Ich sage doch selber einmal ein solches Sparbuch vor. Das es Ihnen: tun Sie nicht; denn dann müssten Sie Farbe be- (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE kennen und erklären, an welchen Stellen gespart GRÜNEN]: Gewerbesteuer abschaffen!) werden sollte. Allerdings täten Sie damit auch Ihrer Klientel weh, und deswegen verweigern Sie sich Peer Steinbrück hat mehrfach in seinen Reden bis dem. Sie sind nicht in der Lage, ein solches Spar- zum Schluss hier erklärt, dass es den Städten buch vorzulegen. doch besser gehe als dem Bund. Das hat er hier wörtlich erklärt. Sie hatten damals Redeverbot; Sie (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten durften nichts dazu sagen. der CDU/CSU) (Widerspruch bei der SPD – Bettina Hagedorn Ich fordere Sie auf, bis zu den nächsten Haus- [SPD]: Stimmt doch überhaupt nicht!) haltsberatungen selber ein solches Sparbuch vor- zulegen. Jetzt sind Sie in der Opposition und beklagen die Situation der Kommunen. Auch dieses Themas Die einzige Alternative zu unserer Politik und zur werden wir uns annehmen. Politik dieser Koalition, die ich in dieser Woche ge- hört habe, war die Kritik der Sozialdemokraten an Schade, dass Peer Steinbrück sich hier nicht der Erhöhung des Kindergeldes. selber äußern kann; denn man liest ja im Spiegel, Peer Steinbrück habe Redeverbot – nicht von der (Nicolette Kressl [SPD]: Das ist nicht wahr! SPD; das kommt vielleicht noch – bis zum Som- Das war der Freibetrag!) mer, bis zum Erscheinen seines Buches, für das er – Das können Sie nachlesen. Auch der Kollege ein Honorar in Höhe von 200 000 Euro bekommt. Schneider hat diese Erhöhung in seiner Rede kriti- Bis dahin dürfe er keine Aussage machen. Das siert. – Ich nenne Ihnen den Unterschied zwischen finde ich interessant. Ich hätte gerne einmal ge- Ihrer und unserer Politik: Wir haben das Kinder- hört, wie der Abgeordnete Steinbrück zu den Aus- geld angehoben. Wir sind für eine gerechte Fami- sagen in seinen früheren Reden steht. lienbesteuerung. Sie hingegen haben – das war (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- eine Ihrer letzten großen Taten – 5 Milliarden Euro ten der CDU/CSU – für die Abwrackprämie bereitgestellt. Das ist der [SPD]: Ich glaube, Sie brauchen dringend Unterschied zwischen Ihnen und uns. seinen Rat!) (Beifall bei der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Verab- Ein Wort zu den Grünen. Wenn wir hier noch ei- schiedung des Etats 2010 werden wir Haushalts- ne Woche länger debattiert hätten, dann hätte ich politiker der Koalition uns umgehend mit den Vor- womöglich geglaubt, die FDP sei der Erfinder von arbeiten zum Haushalt 2011 beschäftigen. Es ist Hartz IV gewesen; so haben Sie hier diskutiert. uns klar, beim Haushalt 2011 müssen wir noch Sonst kam gar nichts. Sie hatten nur ein einziges größere Anstrengungen unternehmen. Das haben Motto: Sie haben sich am Parteivorsitzenden der wir uns als Ziel vorgenommen. Es muss ein Haus- FDP, am Außenminister, abgearbeitet. halt der Bescheidenheit werden. ( [CDU/CSU]: Erfolglos!) (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der jetzige ist schon bescheiden!) Ich will das einmal an einem Beispiel erläutern: Es ist doch peinlich, wenn man hier in einer Diskussi- Wir müssen weitergehen auf dem Wege der Kon- on über den Justizetat fast den Eindruck gewinnt, solidierung, und vor allem sollten Sie, damit meine Herr Westerwelle sei der neue Justizminister, da ich alle Minister und Ministerinnen, bei Ihren Vor- Sie sich hauptsächlich mit ihm beschäftigen. Wa- schlägen für den Haushalt 2011 darauf achten, rum konnten Sie nicht zur Sache kommen? Warum dass wirklich nur Notwendiges von Ihnen ge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2991 wünscht und verlangt wird. Möglichkeiten zur Er- ja schon lange Eingang in den Bundeshaushalt, höhung sehe ich nicht. Ehe Sie auf die Idee kom- bevor sie dann Realität werden. Der Bundeshaus- men, starke Anhebungen zu fordern oder Wunsch- halt ist also eigentlich auch in Zahlen dargestellte kataloge vorzulegen, sollten Sie sich vielleicht vor- politische Zukunft; das gilt aber nicht für diesen her lieber mit den Haushaltspolitikern in Verbin- Bundeshaushalt: Er ist leider in Zahlen gegossene dung setzen, damit Sie nicht nur eine Absage vom Vergangenheit. Finanzminister bekommen. Von unserer Seite se- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) he ich keine Chance für solche Pläne. Also, auch für Sie gilt schon für den Entwurf: Sparen, sparen Die Bundeskanzlerin predigt ja immer, die Bun- und noch einmal sparen! Das halten wir für einen desrepublik müsse gestärkt aus der Krise heraus- wichtigen Schritt. gehen. Das ist auch richtig. Wir haben nicht nur ei- ne extrem schwere Wirtschafts- und Finanzkrise. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Wir haben auch eine sehr gefährliche Klimakrise. der CDU/CSU) Wir haben eine globale Ernährungskrise; denn es Als Obmann der FDP-Fraktion im Haushaltsaus- hungern über 1 Milliarde Menschen. Wir brauchen schuss möchte ich mich ganz herzlich vor allem Antworten auf diese verschiedenen Krisen, die natürlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen der sich gegenseitig bedingen. Aber diese Antworten Union für eine sehr, sehr faire und sachliche Zu- finden wir nicht im Bundeshaushalt, und das trotz sammenarbeit bedanken. Hierbei denke ich vor einer Rekordverschuldung, einer Neuverschuldung allem an den Obmann Barthle; das ist ganz klar. in Höhe von 80,2 Milliarden Euro. Und das ist noch Wir sind miteinander immer in einem guten Ge- nicht einmal das ganze Ausmaß der Verschuldung; spräch gewesen. Ich möchte aber auch Ihnen, denn die Schattenhaushalte, die sich nicht im Herr Minister Schäuble, Ihrem Ministerium und Ih- Haushalt finden lassen, lassen Sie immer gerne rem Staatssekretär Kampeter Dank sagen. Es war unter den Tisch fallen. Nimmt man nämlich die kri- eine hervorragende Zusammenarbeit, es war eine senbedingten Sonderausgaben für Bankenrettung harmonische Zusammenarbeit. Man hatte kaum und für den Investitions- und Tilgungsfonds hinzu, den Eindruck, dass da Vertreter mehrerer Parteien liegt die wahre Neuverschuldung im Jahr 2010 so- zusammensitzen; das sage ich sogar in Richtung gar bei 126 Milliarden Euro. CSU. Es war eine hervorragende Zusammenar- Der bisherige Schuldenrekordhalter war ja Bun- beit, für die ich mich zu bedanken habe. desfinanzminister mit rund 40 Milliar- Ich bin guten Mutes, dass wir in dieser Art der den Euro im Jahr 1996. Auch das geschah damals guten Zusammenarbeit den Haushalt 2011 eben- unter einer schwarz-gelben Regierung. Doch jetzt falls meistern werden – der Kollege Meister redet verdreifachen Sie, Herr Schäuble, diese einheits- ja gleich noch – in der Verantwortung gegenüber bedingte Rekordverschuldung. Respekt: Verdrei- dem deutschen Steuerzahler. Ansonsten sind wir fachung! Da heißt es immer, Mitte-Links- niemandem verantwortlich. Regierungen könnten nicht mit Geld umgehen. Wenn ich mir Ihren Haushalt so anschaue, muss Herzlichen Dank. ich sagen: Sie, Konservative und Wirtschaftslibe- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) rale, können nicht mit Geld umgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Präsident Dr. Norbert Lammert: sowie bei Abgeordneten der SPD und der Das Wort hat nun der Kollege Sven Kindler für LINKEN) die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es stimmt: Dieser Haushalt wird in einer wirt- Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE schaftlich schwierigen Lage aufgestellt. Es stimmt GRÜNEN): auch, dass die hohe Verschuldung größtenteils da- rauf zurückzuführen ist. Politik muss darauf reagie- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte ren – Herr Schäuble, ich komme gleich darauf zu Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- sprechen –, besser gesagt: müsste; denn Sie rea- gen! Seit ich letzten Oktober in den Bundestag gieren nicht. Sie schrauben die Ausgaben nach gewählt wurde, werde ich häufig gefragt, warum oben, aber ändern nichts an der Struktur. Sie ich unbedingt Mitglied des Haushaltsausschusses steuern nicht um. Dieser Haushalt ist ein Haushalt werden wollte. der verpassten Chancen, weil er keine Rendite für (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das haben die Zukunft bringt. wir uns auch gefragt!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Ich werde gefragt: Ist das nicht langweilig? Geht es wie bei Abgeordneten der SPD) da nicht um trockene Rechnerei und endlose Zah- Die schwarz-gelbe Koalition rühmt sich, dass sie lenkolonnen? Ich antworte immer: Das ist eine die Neuverschuldung gesenkt hätte. Aber haben hochspannende, hochinteressante Aufgabe, weil ja Sie wirklich gespart? Haben Sie unsinnige Ausga- der Haushalt in Zahlen gegossene Politik darstellt. ben gekürzt? Haben Sie falsche Subventionen ge- Außerdem finden die meisten politischen Projekte strichen? Das alles haben Sie nicht gemacht. Sie 2992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 haben leider nichts anderes gemacht, als die kon- Das ist das Fatale an der Kürzung und der Sperre: junkturelle Entwicklung und ihre positiven Auswir- Sie wracken nicht nur den Klimaschutz ab, son- kungen auf den Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. dern Sie gefährden gleichzeitig auch Arbeitsplätze. Das alles haben wir aber der Leistung von Betrie- Mit der Verbindung von Ökonomie und Ökologie ben, Gewerkschaften und Arbeitnehmerinnen und hat das nichts zu tun. Arbeitnehmern zu verdanken. Mit Sparanstren- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gung hat das nichts zu tun. sowie bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) LINKEN – Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!) Wir haben Ihnen aufgezeigt, wie man sparen Ich komme zum Thema soziale Ungerechtig- kann. Es ist nicht so, als ob es kein Sparpotential keiten. Was machen Sie in diesem Bereich? Set- im Haushalt gebe, zum Beispiel bei den Subventi- zen Sie sich dafür ein, die soziale Schere in unse- onen, mit denen Sie immer noch den Klimawandel rem Land zu schließen? Nein, das machen Sie befeuern statt ihn zu bekämpfen. nicht! Das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass das Hartz-IV-Niveau nicht verfassungskon- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) form berechnet wird. Zusammen mit den Wohl- Der Staat fördert mit Milliardensummen die An- fahrts- und Sozialverbänden setzen wir uns dafür schaffung von schweren Dienstwagen mit hohem ein, dass die Regelsätze beim Arbeitslosengeld II CO2-Ausstoß, die schmutzige Kohleenergie und auf mindestens 420 Euro steigen. Außerdem müs- befreit die Flugunternehmen bei Inlandsflügen von sen wir Kinderarmut bekämpfen. Dazu brauchen der Kerosinsteuer. Der Abbau dieser ökologisch wir eine eigenständige Berechnung der Kinderre- schädlichen Subventionen und Steuervergüns- gelsätze und perspektivisch eine Kindergrundsi- tigungen würde allein im Bundeshaushalt 2010 cherung. rund 8,5 Milliarden Euro bringen. Wir hätten damit Wir fordern das nicht einfach nur, sondern wir eine doppelte Rendite: Einerseits hätten wir Ein- haben im Haushaltsverfahren eine solide Gegenfi- sparungen, andererseits betrieben wir Klima- nanzierung vorgelegt. schutz. Es kann nicht sein, dass wir weiterhin mit Milliardensummen den Klimawandel subventionie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ren. Es war keine Überraschung, dass Sie auf unsere (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Vorschläge nicht eingegangen sind. Was machen wie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie stattdessen? Sie sperren 900 Millionen Euro für die Wiedereingliederungshilfe von Langzeitar- Aber wenn schon nicht gespart wird, wird dann beitslosen. Herr Kollege Koppelin, dass der selbst- wenigstens gestaltet? Werden im Haushalt neue ernannte Sozialstaatsbeauftragte der Bundesregie- Schwerpunkte gesetzt? Wird in Zukunftsbereiche rung, Herr Westerwelle, von spätrömischer Deka- wie Bildung oder Umwelt investiert? Werden sozia- denz spricht le Ungleichheiten angegangen? Stellt sich die Koa- lition ihrer internationalen Verantwortung? Das (Otto Fricke [FDP]: Meine Güte!) kann man anhand einiger Beispiele prüfen. und gegen angeblich leistungsunwillige Arbeitslo- Zu den Zukunftsinvestitionen. Umweltminister sengeld-II-Empfänger hetzt, finde ich extrem unse- Röttgen hat während der Haushaltsdebatte am riös, vor allem angesichts der Tatsache, dass nur Dienstag wieder einmal sehr allgemein über die sehr wenig Sanktionen verhängt werden und ins- Verbindung von Ökologie und Ökonomie gespro- gesamt 1,4 Millionen Menschen aufstocken, also chen. Er hat aber nicht erklären können, warum ALG II beziehen, obwohl sie arbeiten gehen. Es ist ausgerechnet im Umweltetat bei dem Titel zur also nicht nur inhaltlich falsch, sondern extrem un- Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung er- anständig. Das vergrößert die Spaltung unserer neuerbarer Energien 20 Millionen Euro gekürzt Gesellschaft. werden und rund ein Viertel – 115 Millionen Euro – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gesperrt ist. Wenn die Sperre nicht zurückgenom- sowie bei Abgeordneten der SPD und der men wird, muss Minister Röttgen – im schlechtes- LINKEN) ten Fall – eine Kürzung von 135 Millionen Euro verantworten, und das bei einem Titel, bei dem es um konkrete Maßnahmen geht, wie zum Beispiel Ich komme jetzt zu den internationalen Ver- den Austausch von Wärmepumpen oder Mini- pflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland KWK-Anlagen. Dadurch werden Energiekosten eingegangen ist. Die Bundesrepublik hat als In- gespart, das entlastet die Umwelt, und es schafft dustriestaat im Norden eine besondere Verantwor- vor allen Dingen Arbeitsplätze beim Handwerk und tung für globale Probleme wie den Klimawandel bei kleinen und mittleren Unternehmen. oder den Hunger. Deshalb hat sich die Bundesre- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gierung auch verpflichtet, die ODA-Quote zu erfül- sowie bei Abgeordneten der SPD und der len und 2010 0,51 Prozent des Brutto- LINKEN) nationaleinkommens für Entwicklungszusammen- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2993 arbeit bereitzustellen. Außerdem haben sich Kanz- Sie haben vergessen, einen einzubringen. Statt- lerin Merkel und Umweltminister Röttgen in Ko- dessen haben Sie, Herr Schäuble, in allerletzter penhagen verpflichtet, 420 Millionen Euro zusätz- Minute den alten Finanzplan Ihres Vorgängers lich – ich betone: zusätzlich – für Klimaschutz in vorgelegt. Dass dieser Finanzplan völlig veraltet Entwicklungsländern bereitzustellen. Doch in bei- und damit wertloser Schrott ist, ist Ihnen offen- den Fällen haben sie unversehens und ohne sichtlich total egal. Hauptsache, Sie müssen vor Scham die Versprechen gebrochen. Das ist eine der NRW-Wahl keine Giftlisten vorlegen, in denen Bankrotterklärung der Bundesregierung. Damit aufgeführt wird, wo gestrichen werden soll. verspielen Sie die Glaubwürdigkeit der Bundesre- (Otto Fricke [FDP]: Aber Sie haben uns doch publik auf dem internationalen Parkett. gerade Giftlisten vorgeworfen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Dabei wäre es doch für alle interessant, auch für wie bei Abgeordneten der SPD) die Wählerinnen und Wähler, wie das alles zu- Damit ist klar: Die richtigen Schwerpunkte wer- sammengehen soll. Einerseits haben Sie eine Re- den in diesem Haushaltsentwurf nicht gesetzt. Die kordverschuldung, die Sie in den kommenden Jah- Rekordverschuldung wird nicht genutzt, um Inves- ren abbauen müssen, andererseits haben Sie die titionen in die Zukunft zu ermöglichen. Das ist ganz Steuern gesenkt. Sie diskutieren über die Abschaf- und gar nicht generationengerecht. Der Gestal- fung der Gewerbesteuer, obwohl die Kommunen tungsspielraum wird durch zusätzliche Zinsbelas- sowieso schon unter Ihrem Steuersenkungswahn tungen weiter eingeschränkt, und Sie investieren leiden, nicht in Projekte, von denen Kinder und Jugendli- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – che heute und in Zukunft profitieren würden. Wa- Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Wer hat rum nicht? Sie meinen, dafür sei kein Geld da. Ihnen diesen Unsinn aufgeschrieben?) Aber warum ist kein Geld da? Weil Sie, statt in den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft zu in- und jetzt wollen Sie auch noch Ihren vestieren, lieber Klientelgeschenke verteilen. Das Kopfpauschalennonsens finanzieren und weitere konnte man ganz klar am „Schuldenbeschleuni- Steuersenkungen durchführen. gungsgesetz“ sehen, mit dem Sie vor allem Erben, Das heißt dann: 10 Milliarden Euro Senkung der Gutverdiener und Hoteliers entlastet haben. Neuverschuldung, 10 Milliarden Euro Kopfpau- (Beifall bei Abgeordneten des BÜND- schale und bis zu 20 Milliarden Euro Steuersen- NISSES 90/DIE GRÜNEN) kungen. Insgesamt sind das bis zu 40 Milliarden Euro, die Sie finanzieren müssen. Herr Schäuble, Wer aber in die Zukunft und in soziale Gerech- wo wollen Sie das eigentlich hernehmen? Das tigkeit investieren will, darf die Einnahmen des passt alles nicht zusammen. Damit treiben Sie den Staates nicht weiter verkleinern, weil er ihn sonst Bundeshaushalt und die Kommunen weiter in den irgendwann handlungsunfähig macht. Im Gegen- Ruin. teil: Für eine gerechte Zukunft brauchen wir eine Einnahmeverbreiterung. Diejenigen, die vor der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Finanzkrise von den laxen Regulierungen profitiert und bei der SPD sowie bei Abgeordneten haben, müssen jetzt, in der Krise, an den Kosten der LINKEN) der Krise beteiligt werden. Wenn man wie ich frisch in den Bundestag ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wählt worden ist, ist am Anfang vieles neu und un- wie bei Abgeordneten der LINKEN) gewohnt. Deshalb fordern wir eine Abgabe auf große (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das merkt Vermögen und setzen uns für eine Finanztransak- man!) tionsteuer ein, damit auch die Spekulationen auf Da ist es wirklich schön, wenn einem eine Sache den Finanzmärkten eingeschränkt werden. Frau vertraut ist, wenn da etwas ist, das man kennt. So Bundeskanzlerin, Sie haben sich verbal für eine hat sich bei mir ein Gefühl eingestellt, das mich solche Steuer eingesetzt, gemacht haben Sie bis- durch meine ganze Kindheit und meine Jugendzeit her aber noch gar nichts. Dieser Haushaltsentwurf begleitet hat und mich der Politik nahegebracht macht klar: Ihnen fehlt der Wille, aus der Fi- hat. Schon damals habe ich verstanden – das be- nanzkrise zu lernen und endlich umzusteuern. stätigt sich leider jeden Tag aufs Neue –: Schwarz- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Gelb kann es einfach nicht. wie bei Abgeordneten der SPD) Vielen Dank. Wie geht es nun weiter? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das fragen sowie bei Abgeordneten der SPD und der wir uns auch!) LINKEN) Sie denken kein Stück über das Jahr 2010 hinaus. Sie haben keinen aktuellen Finanzplan vorgelegt. Präsident Dr. Norbert Lammert: 2994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Das Wort hat nun der Bundesfinanzminister den Haushaltsberatungen sehr bewusst für Sub- Dr. Wolfgang Schäuble. stanz statt Kosmetik entschieden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dahinter verbirgt sich genau wie hinter Ihrer Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Doppelkritik ein Problem – liebe Kolleginnen und Finanzen: Kollegen, das wissen wir doch alle; Kollege Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen Koppelin hat es gerade noch einmal beschrieben und Herren! Gegen Ende der Haushaltsberatun- und glossiert –: Sie kritisieren natürlich auf der ei- gen möchte ich mich zunächst bedanken bei den nen Seite, dass die Verschuldung viel zu hoch ist. Mitgliedern und der Vorsitzenden des Haushalts- Zugleich kritisieren Sie, dass wir viel zu wenig ausschusses, bei den Mitarbeitern des Haushalts- ausgeben. Das passt nicht richtig zusammen. Sie ausschusses und allen Abgeordneten, bei den müssten dann Steuererhöhungen fordern. Sie Mitarbeitern des Bundesfinanzministeriums, be- nennen das Subventionsabbau, aber in Wahrheit sonders bei den Parlamentarischen und beamte- meinen Sie, wenn Sie Subventionsabbau sagen, ten Staatssekretären. Dass wir am 19. März 2010 Steuererhöhungen; damit wir uns da klar verste- im Bundestag den Haushalt 2010 verabschieden hen. können, beruht auf einer Anstrengung aller, in un- gewöhnlich kurzer Zeit die vorläufige Haushalts- (Widerspruch bei der SPD, der LINKEN führung zu Ende zu bringen. Ich möchte mich für und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich bedanke Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE mich auch für die guten Wünsche an mich; ich GRÜNEN]: Abbau von Privilegien!) kann sie gebrauchen und werde davon Gebrauch Wir glauben, dass in der gegebenen wirtschaftli- machen. chen Gesamtsituation Steuererhöhungen für die (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und weitere wirtschaftliche Entwicklung Gift wären. der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wie auch immer Sie das interpretieren wollen. Nun stehen wir vor dieser außergewöhnlich an- Herr Kollege Kindler, die Argumente sind zwar strengenden und herausfordernden Aufgabe, die schon oft vorgebracht und oft widerlegt worden, die Bundeskanzlerin am Mittwoch in der General- aber – vielleicht haben auch Sie das früher gehört aussprache beschrieben hat: Auf der einen Seite – repetitio est mater studiorum, die Wiederholung müssen wir in einer ungewöhnlich schwierigen und ist die Mutter des Lernens. Warum haben wir es unsicheren wirtschaftlichen Lage Schritt für Schritt geschafft, den Haushalt so schnell vorzulegen, den die Voraussetzungen für wirtschaftliche Nachhal- Entwurf so schnell zu beraten und zu verabschie- tigkeit, Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähig- den? Wir sind von einem Haushaltsentwurf ausge- keit gewährleisten. Übrigens ist in diesem Haushalt gangen, den wir schon in der vergangenen Legis- eine Stärkung der Aufwendungen für Forschung laturperiode aufgestellt haben. Sonst wäre das und Bildung von 12 Milliarden Euro für diese Legis- nicht möglich gewesen. laturperiode enthalten. Das sind Aufwendungen für die Infrastruktur, für die Zukunftssicherung unseres (Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler Landes. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diesen haben wir um bestimmte Sofortmaßnah- men zum 1. Januar 2010 ergänzt. Wir haben da- Auf der anderen Seite müssen wir die kurzfristig zu rauf verzichtet, eine Fortschreibung der mittelfristi- hohe Neuverschuldung in den Haushalten von gen Finanzplanung vorzulegen, was gesetzlich Bund, Ländern und Gemeinden zurückführen. möglich war. Sie wird mit dem nächsten Haus- Die Bundeskanzlerin hat zu Recht gesagt, dass haltsentwurf vorgelegt. Ferner haben wir die wirt- dies vor dem Hintergrund einer älter werdenden schaftliche Lage und die Situation auf dem Ar- Gesellschaft geschehen muss, einer Gesellschaft, beitsmarkt dazu genutzt, die Verschuldung weiter die durch rückläufige Geburtenzahlen und – das ist zurückzuführen. Die Neuverschuldung ist mit ein Glück für uns alle – steigende Lebenserwar- 80,2 Mil-liarden Euro außergewöhnlich hoch, und tung geprägt ist. das macht Sorgen. Übrigens, Frau Kollegin Mer- kel, ob es nun 79,9 oder 80 Milliarden Euro sind, Diesen Dreiklang müssen wir leisten. Er ist un- ist nicht so wichtig. gewöhnlich herausfordernd. Deswegen ist es rich- tig, dass wir den Haushalt für das Jahr 2010 mit (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: 77 Milliarden Eu- dieser Neuverschuldung, auf Sicht und mit den ro!) Impulsen, die wir gesetzt haben, so umsetzen, wie – Na gut. – Wissen Sie, es hat mit Kosmetik zu wir ihn jetzt zur Verabschiedung vorschlagen. tun, ob man die Zahl nun knapp unter oder knapp Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zum Bun- über 80 Milliarden Euro ansetzt. Wir haben uns bei deshaushalt 2010. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2995

Im internationalen bzw. europäischen Vergleich [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! So sind wir übrigens gar nicht so schlecht. Die briti- ist es nicht! Natürlich kann man eine Bun- sche Zeitschrift The Economist – in britischen Zeit- dessteuerverwaltung machen!) schriften werden wir nicht immer nur gelobt – hat – Bitte? davon gesprochen, Deutschland sei wirtschaftspo- litisches Vorbild. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Selbstverständlich kann man eine Bun- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist dessteuerverwaltung machen! – Petra aber nicht Ihr Verdienst! – Gegenruf des Merkel [Berlin] [SPD]: Genau!) Abg. Otto Fricke [FDP]: Es ist doch ganz egal, wessen Verdienst das ist!) – Dazu muss man das Grundgesetz ändern. – Daran haben wir alle mitgewirkt. Herr Kollege (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ja! Na und? Schneider, Sie sollten bei Ihrer Kritik gelegentlich Dann machen wir das!) bedenken, dass ich immer erwähnt habe: Der ers- Aber dafür hatten Sie in der Föderalismusreform- te Entwurf dieses Haushalts ist noch von meinem kommission II keine Mehrheit. Das Grundgesetz Vorgänger Steinbrück in der vergangenen Legisla- gilt in der Form, in der es jetzt ist. turperiode vorgelegt worden. Warum die Gräben tiefer machen, als sie sind? Die Aufgabe ist groß (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – genug. Wir sollten die Gräben nicht tiefer machen, Otto Fricke [FDP], zur SPD gewandt: Das als sie sind. wollen doch eure Länder auch! Die SPD- Länder wollen das doch auch!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich bin überzeugt, dass unser föderales System Auch hinter mancher kritischen Aussage unse- leistungsfähig ist. Ich bin überzeugt, dass wir diese rer französischen Freunde verbirgt sich ein Stück Aufgaben meistern. Deswegen hat die Koalition weit Lob dafür, dass Deutschland seine Aufgabe beschlossen, dass wir uns zunächst der nachhalti- relativ gut macht. gen Stärkung der Finanzbasis der Kommunen (Beifall der Abg. [CDU/CSU] widmen; mit dieser Arbeit haben wir genauso be- und Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]) gonnen wie mit der Arbeit an der Reform unseres Gesundheitssystems. Das ist die Grundlage unse- Ich glaube, dass wir in Europa alle miteinander res föderalen Systems: eine nachhaltige Stärkung darauf setzen müssen, die Wettbewerbsfähigkeit der Selbstständigkeit und Leistungsfähigkeit unse- zu stärken; das ist auch der Inhalt der Lissabon- rer kommunalen Selbstverwaltung. Dabei muss Strategie. Deswegen werde ich weiterhin dafür ein- man die Ausgaben- und die Einnahmeseite be- treten, dass Deutschland wettbewerbsfähig bleibt trachten und ohne Tabus vorgehen. Nur so können und dass sich die, die vielleicht ein bisschen wir diese Aufgabe bewältigen. schwächer sind, anstrengen und nicht umgekehrt. Sonst wird das nämlich nicht funktionieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schulden- bremse des Grundgesetzes werden wir in der Tat Den Entwurf dieses Haushalts werden wir im erfüllen müssen. Das heißt, wir müssen das struk- Kabinett vor der Sommerpause verabschieden, turelle Defizit in den kommenden Jahren um etwa einschließlich einer Fortschreibung der mittelfristi- 10 Milliarden Euro jährlich zurückführen. Ich warne gen Finanzplanung. Diese wird so ehrgeizig, wie Neugierige: Im Jahre 2011 ist die Anstrengung es der Kollege Koppelin gerade beschrieben hat. vergleichsweise gering. Im Jahre 2012 wird sie Das erfordert das Grundgesetz. Diese Herausfor- größer, und im Jahre 2013 wird sie noch größer. derung müssen wir vor dem Hintergrund unseres Das muss jeder und jede wissen. Aber diese Auf- föderalen Systems bewältigen. gabe müssen wir erfüllen. Damit halten wir den Frau Kollegin Merkel, es nützt nichts: Ob eine Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt Bundessteuerverwaltung leistungsfähiger wäre ein. Sollte ihn die Bundesrepublik Deutschland oder nicht, darüber kann man endlos streiten. Aber nicht einhalten, würde er scheitern. Wenn er schei- die Ordnung des Grundgesetzes ist so, wie sie ist. tert, scheitert mehr als nur der Europäische Stabili- täts- und Wachstumspakt. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Aber man kann sich doch bemühen, etwas noch ein (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – bisschen besser zu machen!) Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig! So ist das!) Deswegen werden wir diese Herausforderung im föderalen Verständnis unseres Bundesstaates be- Wir brauchen in dieser Welt der Globalisierung wältigen. ein starkes, ein verlässliches, ein handlungsfähi- ges Europa und eine starke europäische Währung. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Nicht hinter Wir müssen unsere Verantwortung auch vor die- dem Grundgesetz verstecken! Das kann sem Hintergrund sehen. man durchaus verändern! – Fritz Kuhn 2996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

versucht. Auch der europäische Währungsfonds ist so ein Ablenkungsthema. Man könnte noch mehr Mit dem Dank für die gute Zusammenarbeit bei sagen, zum Beispiel dazu, was die Äußerungen der Beratung des Haushalts 2010 verbinde ich die von Frau Merkel europapolitisch bedeuten und wie Bitte um Unterstützung und gute Zusammenarbeit das zu bewerten ist; aber dazu bleibt hier nicht die bei der Bewältigung der noch schwierigeren Auf- Zeit. Sie haben in dieser Woche versucht, sich in gabe der Beratung des Haushalts 2011 und bei einer bestimmten Weise zu inszenieren. Ihre Re- der mittelfristigen Finanzplanung. debeiträge hatten ein Ziel: zu zeigen, dass die Herzlichen Dank. Kanzlerin und der Finanzminister alles im Griff ha- ben und beide stetig und solide an der Lösung (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der auch der größten Probleme arbeiten; FDP) (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Realität!) Präsident Dr. Norbert Lammert: denn damit hätten Sie das Vertrauen der Bürgerin- Nächster Redner ist der Kollege Joachim Poß nen und Bürger verdient. Das ist Ihnen aber nicht für die SPD-Fraktion. gelungen, Frau Merkel, Herr Schäuble. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Vol- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ker Kauder [CDU/CSU], an die SPD- Fraktion gewandt: Ein bisschen mehr Bei- Die Fakten und die Wirklichkeit lassen sich durch fall, ihr müden Krieger!) eine Rede nicht verdecken. (Beifall bei der SPD) Joachim Poß (SPD): Die Menschen sind kritisch geworden in den letz- Sie können ja mitklatschen, Herr Kauder. ten Wochen und Monaten, und sie werden immer (Volker Kauder [CDU/CSU]: Vor sieben Mo- kritischer. naten hätte ich es noch gemacht!) (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ge- Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Schäub- genüber der SPD, ja!) le, wir wollen die Gräben nicht tiefer machen; aber Deswegen ist in den letzten Tagen wieder die wir wollen die Realität in diesem Lande beschrei- Steuerpanik bei Ihnen ausgebrochen. Immer, ben. wenn Sie nicht weiterwissen, kommen Sie – das ist (Beifall bei der SPD) schon irrational – auf das Steuerthema. Dabei hat- ten Sie einander im „Borchardt“ versprochen, bis Auch nach Ihrer Rede gilt: Sie haben in keinem zur NRW-Wahl Ruhe zu halten. Einige Wochen Bereich ein Konzept für die nächsten Jahre: nicht hat das erstaunlicherweise geklappt. Aber jetzt für die Stabilisierung der Finanzsituation der geht es wieder rund, und jeder ist sich selbst der Kommunen, nicht für die Haushalts- und nicht für Nächste, wie in diesen Tagen wieder zu hören und die Steuerpolitik und auch nicht dafür, wie es an zu lesen ist. Zu Recht wächst bei Ihnen die Angst den Finanzmärkten weitergehen soll. Das ist die vor der Wahl in NRW. Die Regierungskoalition Realität. sucht ihr Heil jetzt in hektischen Aktivitäten. Entge- (Beifall bei der SPD) gen Ihrer Inszenierung wurde in dieser Woche überdeutlich: Frau Merkel hat nichts im Griff, liebe Zur Realität gehört, dass in Ihrem Ministerium, dem Kolleginnen und Kollegen. Finanzministerium – einem der wichtigsten Ministerien –, Stillstand herrscht, weil der Ressortchef seinem Haus (Beifall bei der SPD) jegliche Aktivität verboten hat. Die Bundeskanzlerin re- An keiner Stelle arbeiten Sie seriös und überlegt det zu allen möglichen Fragen viel – so hier am Mitt- woch –; aber bei keinem der Schlüsselprobleme der an der Lösung der anstehenden Probleme. Schon deutschen Politik bekommt sie in dieser Koalition Bo- Ihre Koalitionsvereinbarung passt nicht zur Lage. den unter die Füße. Das ist die Realität. Von Anfang an haben Sie die wirtschaftliche, die soziale und die finanzielle Realität ignoriert. An (Beifall bei der SPD – Norbert Barthle dieser Realität scheitern Sie zurzeit; der Realität [CDU/ CSU]: Hervorragende Rede! Die kann man sich eben nicht entziehen. müssen wir mal nachlesen!) Jetzt kommt Frau Merkel und verlangt „neues Diese Regierung, lieber Kollege Barthle, haben Denken“. Was soll das heißen? Mit welchem neu- die Bürgerinnen und Bürger – das kann man nach en Denken wollen Sie die Probleme, von denen ich dieser Woche wohl sagen – nicht verdient. Sie gerade gesprochen habe, bewältigen? Sie haben versagen angesichts der Probleme, die Sie lösen keine Antworten, und auch in dieser Woche sind sollen. Das ist die Situation. keine gekommen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Davon haben Frau Merkel und Herr Schäuble in Deswegen verspielen Sie schrittweise das Vertrauen dieser Woche mit betulichen Reden abzulenken der Bürgerinnen und Bürger. Taktisch versuchen Sie da- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2997 mit umzugehen, indem Sie die Regierungstätigkeit bis Herr Wissing von der FDP wird zitiert: „Noch ist zur Landtagswahl einstellen, und haben daher strikte kein Konsens in Sicht.“ Weisung an Ihr Haus erteilt, Herr Schäuble, nicht zu ar- (Otto Fricke [FDP]: Guter Mann, der Wissing!) beiten, weder an einem Haushaltskonsolidierungskon- zept noch an steuerpolitischen Positionen. Aus der Fi- Das ist Ihre Finanzmarktpolitik: reine Ankündi- nanzmarktabteilung kommt auch nichts Eigenes. Die gungen vor der NRW-Wahl, die dann auch noch in wenigen Finanzmarktgesetze, die Sie bisher in fünf lan- der Koalition relativiert und dementiert werden. gen Monaten vorgelegt haben, sind weitgehend die Um- setzung von EU-Verordnungen und -richtlinien; nichts In der Steuerpolitik, Herr Schäuble, sind Sie der darüber hinaus. verantwortliche Minister. Aber ich frage Sie zur Idee eines 5- bis 10-Milliarden-Euro-Paketes, die Die letzten Wochen waren mit Blick auf die NRW- jetzt in der Koalition herumgeistert: Was wissen Wahl voll von Ankündigungen aus Ihren Reihen: Ban- Sie eigentlich davon? Werden Sie hier von der kenabgabe, neues Bankeninsolvenzrecht, die Neustruk- Kanzlerin und den Koalitionspartnern vorgeführt? turierung der Aufsicht oder auch das Verbot von Leer- verkäufen. All das soll bald kommen. Aber, Herr Es gibt keine einzige Vorstellung, kein Papier Schäuble, warum soll irgendjemand Ihren in den letzten aus dem Hause Schäuble darüber, was steuerpoli- Wochen gemachten Ankündigungen Glauben schenken, tisch jetzt passieren soll. Sie überlassen das Feld wo doch Ihre bisherige Regierungszeit an dieser Front den Steuerfantasten der FDP und in Ihren eigenen so gar nichts bewegt hat? Warum sollte Ihnen da je- Reihen. Es kann doch wohl nicht angehen, dass mand glauben, Herr Schäuble? Mit dieser Vorgehens- ein so wichtiges Land wie unser Land de facto von weise vertreten Sie keine glaubwürdige Politik mehr. Steuerfantasten geführt wird. Ankündigungspolitik ist das, nichts anderes. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Politische Führung, lieber Herr Kollege Schäuble, Sie sind doch mit Ihrem Koalitionspartner in al- lieber Herr Minister, sieht anders aus. len Fragen über Kreuz. Ihre Kanzlerin hat Sie vor- Von Ihnen kommt immer nur ein Satz, nämlich gestern im Bundestag bei der Bankenabgabe der Verweis auf die Steuerschätzung im Mai. Als höchstselbst gestoppt. ob man im Mai etwas grundlegend Neues für die (Zuruf von der CDU/CSU: Was?) Entscheidungen in der Steuerpolitik erfahren wür- de! Eine solch billige Ausrede ist weit unter Ihrem – Ja, lesen Sie einmal nach, was Frau Merkel zur Niveau. Bankenabgabe gesagt hat (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Dr. [CDU/CSU]: Das hat sie nicht gesagt!) Auch Sie gehen die Dinge ausschließlich parteipo- litisch-taktisch an, so wie die Bundeskanzlerin. und in welchem Verhältnis das zu Ihrer Ankündi- gung steht, Sie würden noch im April ein Konzept (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was vorlegen. So sieht es aus, wenn die neue Regie- machen Sie?) rung an den Problemen arbeitet. Aber allein mit Taktik löst sich kein einziges Herr Schäuble, Sie werden schon im Bundeska- Sachpro-blem. Bisher haben Sie kein einziges binett keinen Entwurf zu einer Bankenabgabe Sachproblem gelöst. durchbekommen, weder im April noch später, (Beifall bei der SPD) (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie Inzwischen schauen auch internationale Organisa- träumen!) tionen mit immer größerer Sorge auf die politischen weil Sie dazu nie und nimmer einen Konsens in der Re- Führungsprobleme in unserem Lande. Dass jetzt wieder gierungskoalition erreichen werden. Sie und die Kanzle- die Steuerpanik in der Regierung ausbricht, wird mit Si- rin sind zu schwach, um sich gegen die Bankenlobbyis- cherheit nicht zur Beruhigung unserer Partner in Europa ten in der FDP und in Ihrer eigenen Partei durchzuset- und beim Internationalen Währungsfonds beitragen. Die zen. EU-Kommission hat Ihnen in dieser Woche eine schwe- re Rüge erteilt. Die deutsche Regierung, so die Kom- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mission, müsse ihre Konsolidierungsstrategie endlich des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) präzisieren. Ich zitiere aus dem Handelsblatt vom Dienstag (Otto Fricke [FDP]: Dann hat sie ja eine!) zum Thema Bankenabgabe: Bisher reiche die Konsolidierung allerdings nicht In der Union zeigte man sich überrascht über aus. Die größten Gefahren seien die Steuersen- die Ankündigung, kungspläne der Koalition. – Ein klarer Schuss vor – die Ankündigung Schäubles – den Bug der Bundesregierung! schon im April einen Regierungsbeschluss Die EU-Kommission zeigt die Klarheit, die Sie herbeizuführen. verweigern, die die Menschen aber immer stärker 2998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 von Ihnen einfordern werden. Die Wunschkombi- nen nichts anderes einfiel. Wir haben kurzfristig die Hil- nation Schwarz-Gelb scheitert an der Praxis. Das fe für Haiti gesichert. Wir haben mehrere Steuersen- konnten wir in den letzten Monaten jeden Tag er- kungen – unsere Steuersenkungen und übrigens auch Ih- leben. In dieser Woche konnten wir es noch bes- re Steuersenkungen aus den Zeiten der Großen Koaliti- ser beobachten als sonst. on – und unsere Kindergelderhöhung eingearbeitet. Wir haben Subventionen gekürzt. Sicherlich kann man noch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten viel weiter gehen, aber wir haben damit angefangen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben die CO2-Gebäudesanierung gesichert. Wir haben bei den Flexibilisierungen pauschale Kürzungen Präsident Dr. Norbert Lammert: vorgenommen. Wir haben Deckungsverbünde entfloch- Otto Fricke ist der nächste Redner für die FDP- ten. Wir haben nicht bei den Sozialleistungen gekürzt. Fraktion. Wir haben die NKA so weit wie noch nie reduziert. Wir (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten haben andererseits die Mittel für Bildung und For- der CDU/CSU) schung und für die Kultur erhöht. Wir haben die Ver- waltungsausgaben des Staates, des Bundes, reduziert, was anderen Ebenen unseres Landes sehr schwerfällt, Otto Fricke (FDP): und wir haben den Personalabbau vorangetrieben. Geschätzter Präsident! Meine sehr geehrten Schließlich – das ist der zwölfte Punkt; zählen Sie nach Damen und Herren! Herr Poß, eigentlich fühlt man – haben wir die Investitionen konstant gehalten. sich ja zu einer sofortigen Replik veranlasst, aber das will ich heute nicht tun. (Ulrike Flach [FDP]: So ist es!) Ich will auf etwas hinweisen, was mir gestern Das ist eine Herkulesaufgabe, die wir in dieser Abend aufgefallen ist: Ich war in der vergangenen Legislaturperiode wiederholen werden. Das ist die Nacht vor 20 Jahren zum ersten Mal in meinem erste, und es werden weitere folgen. Sie werden Leben in Berlin, und es war für mich, damals noch weiterhin auf den Zuschauerplätzen sitzen bleiben. als Student in einer spontanen Aktion aus Freiburg (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) kommend, schon bemerkenswert, zu sehen, was alles in einem Land möglich ist, wenn man ein Ziel Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die sich in hat. Schauen Sie sich an, was wir in den den letzten Wochen ja mehr oder weniger im 20 Jahren alles geschafft haben, was das für eine Windschatten befunden hat und meint, es seien Herkulesaufgabe in diesen 20 Jahren war, wer die eigene Leistungen, hat hier gerade wieder wun- Verantwortung gehabt hat, wie Wahlen überra- derbar vorgetragen, wie viel anders sie das ma- schend ausgehen können und wie dann andere chen würde und dass sie ja ganz gerechte Steuer- Leute Verantwortung übernehmen und die Arbeit erhöhungen vorschlagen würde. machen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Sie werden sich wundern, was diese Koalition in GRÜNEN]: Genau!) den vier Jahren, für die sie den Auftrag hat – Sie Wenn es dann aber um die konkreten Steuerer- können so viel reden, wie Sie wollen: Sie wird den höhungen und darum geht, den Bürgern konkret Auftrag behalten –, noch erreichen wird. Sie wer- zu sagen, wo Sie ihnen in den nächsten Jahren den sich auch über das wundern, was im Bereich das Geld aus der Tasche nehmen wollen, dann des Haushalts noch alles kommen wird und was bleiben Sie die Antwort schuldig, ohne auch nur einen einzigen konstruktiven Vor- schlag von der Opposition gemacht werden muss, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE weil Sie nicht in der Lage sind, Wahrheiten auf den GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) Tisch zu legen, sondern nur kritisieren können. bewegen Sie sich in grünen Fantastereien und er- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) zählen, es sei alles gerecht. Rechnen Sie einmal aus, was Ihre Anträge bedeuten! Es ist viel von Herkulesaufgaben geredet wor- den. Dabei ist mir als Erstes eingefallen, dass es ja (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE eigentlich „Herakles“ – er war ja ein Grieche – GRÜNEN]: Das haben wir ausgerechnet!) heißt und dass „Herkules“ der lateinische Name Bei dem Papier, das wir erhalten haben, kann ich ist. Bleiben wir aber bei dem Begriff der Herkules- das im Übrigen auch der SPD nur empfehlen. aufgaben. Sie versuchen das immer auf 2 Milliarden Euro Es waren die zwölf Arbeiten des Herkules – he-runterzurechnen, wenn es im wirklichen Leben oder des Herakles; wie man will –, die wichtig wa- tatsächlich 8 oder 9 Milliarden Euro sind, und dann ren. Wenn ich nach links gucke, würde mir bei sagen Sie immer: Tut uns leid, wir haben uns halt manchen Dingen als Erstes der Augiasstall einfal- verrechnet. len, aber belassen wir es lieber bei der Aufzählung von zwölf Punkten. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Jemand, der das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Wir haben 310 Ausgabensenkungen vorgenommen, bei denen Sie fast immer mit Nein gestimmt haben, weil Ih- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2999

beschlossen hat, sollte lieber ruhig sein! (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das stimmt ja gar Wirklich!) nicht!) Ich glaube nicht, dass es Ihnen gelingen wird, auf Die Linken sprechen immer von Verteilung – das Dauer in diesem Windschatten zu fahren. Sie ist ungefähr alles, was sie wollen – und fordern, in- müssen dann auch Farbe bekennen, ternational eingegangene Verpflichtungen aufzu- kündigen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir doch!) (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir wollen keinen Krieg! Das ist alles!) und die Farbe ist dann leider nicht grün, sondern eher grau. Andere sprechen von Ökologie. Über die SPD wollte ich an dieser Stelle eigentlich nicht mehr re- (Beifall bei der FDP) den. Ein großer Sozialdemokrat, der aufgrund sei- Meine Damen und Herren, ich möchte einen ner Lebensleistung in die Geschichtsbücher ein- ganz wichtigen Punkt noch einmal klarmachen, gegangen ist, hat aber einmal gesagt: Opposition weil das auch seitens der Vorsitzenden des Haus- ist Mist. – Deswegen muss man aber keinen Mist haltsausschusses angesprochen wurde, die ich zu machen und erst recht nicht Mist reden. ihrer Arbeit, aber natürlich auch zu ihrem Sekreta- Herzlichen Dank. riat beglückwünschen möchte. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Frau Merkel, (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Herr Fricke!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Sie sagen immer, die Koalition habe das nur durch Ich erteile das Wort der Kollegin Barbara Höll für günstigere wirtschaftliche Bedingungen erreicht. die Fraktion Die Linke. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Genau!) (Beifall bei der LINKEN) Ich erinnere die Bürger draußen daran: Es hat in Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): der Vergangenheit immer wieder günstigere wirt- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen schaftliche Bedingungen gegeben. und Kollegen! Herr Barthle, vorneweg eine Bemer- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: 10 Mil- kung: Diesen Haushalt als Kunstwerk zu bezeich- liarden Euro habt ihr verprasst! nen, ist eine Beleidigung der Kunst. Lobbyistenregierung!) (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle Der Unterschied war aber: Wann immer die SPD [CDU/CSU]: Im Gegenteil!) an der Regierung war, haben Sie gesagt: Oh, wir Die Bundeskanzlerin nannte am Mittwoch hin- haben günstigere wirtschaftliche Bedingungen. sichtlich der Verschuldung zwar Zahlen. Das war Könnte nicht der Sozialminister Scholz noch ein aber nicht einmal die halbe Wahrheit; denn gerade paar Milliarden Euro ausgeben? Könnte man nicht in der Debatte über den Bundeshaushalt müssen da und nicht dort noch ein bisschen mehr ausge- wir die Situation des gesamten Gemeinwesens im ben? – Jedes Mal, sobald die wirtschaftlichen Be- Blick haben. Genau in diesem Moment beträgt die dingungen besser waren, haben Sie die Ausgaben Verschuldung der öffentlichen Haushalte gesteigert. 1,684689 Billionen Euro. Die letzten Zahlen ändern Das tun wir nicht. Im Gegenteil: In vertrauens- sich so schnell, dass ich sie hier gar nicht vorlesen voller Zusammenarbeit – ich will das nochmals be- kann. Die Schulden nehmen pro Sekunde um tonen – senken wir die Ausgaben in einem Re- 4 481 Euro zu. Das macht eine Pro-Kopf- kordtempo, was Sie uns nicht zugetraut haben, Verschuldung in Höhe von 20 610 Euro. Das sind worüber Sie jetzt aber gar nicht mehr gerne reden die Fakten, denen wir uns stellen müssen. wollen. Sie aber betreiben eine Politik nach dem Sankt- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Florians-Prinzip – verschon’ mein Haus, zünd’ and- re an –, indem Sie die Belastungen auf die Länder und insbesondere die Kommunen, auf die Bürge- Ich möchte noch auf den Stil der Haushaltsbera- rinnen und Bürger abwälzen. So haben Sie zum tungen zu sprechen kommen. Ich habe hier wirk- Beispiel den Zuschuss des Bundes für die lich viele Stunden gesessen und mir Reden zu un- Unterkunftskosten der Bezieherinnen und Bezieher terschiedlichen Bereichen angehört. Im Rahmen von Hartz-IV-Leistungen rückwirkend ab Januar der Fachdiskussionen hat niemand gesagt – das gekürzt, und zwar von 26 Prozent auf sollte der Bürger bei aller Kritik an einer Regierung 23,6 Prozent. in einer Demokratie berücksichtigen –: Lassen Sie (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaub- uns an dieser Stelle mehr sparen. Lassen Sie uns lich!) da weniger ausgeben. Lassen Sie uns an jener Stelle etwas herunterfahren. – 3000 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Das heißt, Sie lassen die Kommunen auf Proble- (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle men sitzen, die sie weder verursacht haben noch [CDU/CSU]: Wozu haben wir denn ein lösen können. Gerade für Städte wie meine Hei- Konjunkturprogramm?) matstadt Leipzig bedeuten diese verringerten Bun- Wir suchen trotz des Urteils des Bundesverfas- deszuschüsse enorme Mehrkosten. Das geht zu- sungsgerichts vergebens eine Erhöhung der Hartz- lasten der Erfüllung von freiwilligen Aufgaben wie IV-Regelsätze für Kinder. Wir suchen vergebens Kultur und Sport, aber auch Bildung insbesondere die überfällige Angleichung des Rentenwertes Ost der jüngeren Generation. an den Rentenwert West. Ebenso suchen wir ver- (Beifall bei der LINKEN) gebens die Schließung der Überführungslücke im Rentenrecht. Ich kann Ihnen sagen: Die in der Wir fordern Sie auf: Sorgen Sie für die Umset- DDR geschiedenen Frauen sind sehr verbittert, zung der finanziellen Eigenverantwortung der dass diese Regierung scheinbar auf eine biologi- Kommunen. Geben Sie ihnen ausreichende Mög- sche Lösung hofft. lichkeiten zur Selbstfinanzierung. Wandeln Sie die Gewerbesteuer in eine Gemeindewirtschaftsteuer Trauen Sie sich doch endlich einmal an den um. Unser Vorschlag dazu liegt auf dem Tisch. Geldbeutel derjenigen heran, die das finanziell lo- cker verkraften: an die Profiteure der Finanzkrise, (Beifall bei der LINKEN) Vermögende und Spitzenverdiener! Die Idee einer Sie sparen bei den Kommunen; Sie sparen aber Bankenabgabe ist endlich auch bei Ihnen ange- auch an vielen anderen Stellen. Herr Bundesfi- kommen; aber mit der Umsetzung lassen Sie sich nanzminister Schäuble sagte, dieser Haushalt sei fahrlässig viel Zeit. Angekündigt ist wieder: ir- ein Haushalt der Notwendigkeit. Da stellt sich gendwie vor dem Sommer, vielleicht, ein bisschen. schon die Frage: Sind alle Dinge, die im Haushalt (Beifall bei der LINKEN) zu finden sind, notwendig? Ist der Eurofighter not- wendig, Zudem spielen Sie die Bankenabgabe auch noch gegen die notwendige Finanztransaktionsteuer (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein!) aus, statt die Kraft und den Mut zu entwickeln, bei- der untaugliche NATO-Hubschrauber, des durchzusetzen; denn beides ist notwendig, um Finanzmärkte zu regulieren, Spekulationen zu be- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein!) grenzen und Einnahmen zu erzielen. Doch Ihnen das Großraumtransportflugzeug A400M? fällt lediglich eine Kopfpauschale in der gesetzli- chen Krankenversicherung ein, sozial ungerecht (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein!) wie Ihre gesamte Politik. Wir als Linke sagen klar: Nein. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Wir fordern Sie als Linke auf: Führen Sie endlich Notwendig sind lebenswerte Kommunen, in de- den gesetzlichen Mindestlohn ein, nen sich alle Bürgerinnen und Bürger, Kinder, (Beifall bei der LINKEN) Rentner, Kulturschaffende und Arbeiter, wohlfüh- len können. da auch dadurch die sozialen Sicherungssysteme gestärkt und die Steuereinnahmen erhöht werden! (Beifall bei der LINKEN) Ein Mindestlohn gibt vielen Menschen ihre Würde Frau Merkel, Ihrer Regierung und Ihrer Koalition zurück – das sollte für uns entscheidend sein –, fällt nichts weiter ein als Sparmaßnahmen auf Kos- (Beifall bei der LINKEN) ten der Mehrheit der Bevölkerung. Am Mittwoch kündigten Sie notwendige jährliche Einsparungen Menschen, die heute trotz Erwerbsarbeit auf staat- in Höhe von 10 Milliarden Euro an. Die Vermögen- liche Unterstützung angewiesen sind. Des Weite- den und die Unternehmen werden sicher nicht be- ren würde ein gesetzlicher Mindestlohn dafür sor- lastet werden. gen, dass die Binnennachfrage gestärkt wird und Handelsungleichgewichte abgebaut werden. Ich möchte ein Beispiel aus diesem Haushalt nennen. Es gab einmal einen Goldenen Plan Ost Damit sind wir beim Thema Gerechtigkeit. Ge- – wir waren immer für einen Goldenen Plan Ost rechtigkeit heißt auch, gerecht zu besteuern. Ihr und West – für die Förderung von Sportstätten. laut Koalitionsvertrag geplanter Stufentarif für die Dafür waren 2 Millionen Euro vorgesehen. Diese Einkommensteuer, von dem wir nicht wissen, sind in der letzten Sitzung, der Bereinigungssit- wann er kommen wird, ist alles andere als gerecht. zung, gestrichen worden. Dadurch können in den Jeder Stufentarif verstößt gegen das Gerechtig- neuen Bundesländern jährlich drei bis vier Sport- keitsprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftli- stätten nicht mehr saniert werden. Diese Sanie- chen Leistungsfähigkeit; denn er entlastet vorran- rung aber wäre lebenswert, nicht der Eurofighter. gig Bezieher hoher Einkommen und reißt riesige Finanzlöcher, die im Endeffekt zu weiteren Ein- sparorgien führen. Laut Bundesfinanzministerium ist zumindest der FDP diese Entlastung der Rei- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3001 chen 67 Milliarden Euro wert. Dabei muss der Ich stelle erstens fest, dass die Bundesrepublik Bund in diesem Haushalt 80 Milliarden Euro Deutschland hervorragend vorbereitet in die Wirt- Schulden aufnehmen. Trotzdem sind Sie der An- schafts- und Finanzkrise gegangen ist – das ist sicht, dass Sie die 67 Milliarden Euro für den Stu- ein Verdienst der Arbeit, die wir seit 2005 geleistet fentarif aufbringen können, nach dem Motto: Das haben – und dadurch überhaupt in der Lage war, Geld haben wir locker, auch wenn wir uns wieder Krisenbekämpfung aktiv zu betreiben. Geld borgen müssen. Ich stelle zweitens fest: Wir haben in dieser Besteuern Sie endlich Kapitalerträge genauso Haushaltsdebatte gesehen, dass das außerge- hoch wie Lohneinkommen! Die Abgeltungsteuer wöhnliche Defizit – ein Defizit in Höhe von gehört abgeschafft. Erhöhen Sie den Spitzensteu- 80 Milliarden Euro hatten wir noch nie – eine Folge ersatz! Heben Sie die Körperschaftsteuersätze an! bewusst getroffener politischer Entscheidungen ist, Drücken Sie bei der Bankenabgabe und der Fi- durch Konjunkturprogramme und über das nanztransaktionsteuer aufs Tempo! Und erheben Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren der Sie endlich wieder die Vermögensteuer! Wirtschafts- und Finanzkrise entgegenzusteuern. Damit haben wir die Krise entschärft. Die Folge ist (Beifall bei der LINKEN) das extrem hohe Defizit, das wir dieses Jahr in Dadurch ließen sich die 25 Milliarden Euro für Kin- Kauf nehmen müssen. derbetreuung, die Anhebung des Rentenwertes (Beifall bei der CDU/CSU) Ost auf das Niveau West, einen Hochschulpakt und die Aufstockung der Hartz-IV-Regelsätze lo- Ich stelle drittens fest: Wir, die christlich-liberale cker finanzieren. Koalition und die Bundesregierung, haben eine Strategie, wie wir dieses extrem hohe Defizit zu- Herr Barthle, es ist schlicht gelogen, wenn Sie rückführen können. am Ende der Haushaltsberatungen sagen, wir hät- ten keine Gegenfinanzierungsvorschläge ge- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Jetzt bin ich macht. gespannt!) (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Eine Diese Strategie, die deutlich geworden ist, besteht Streichorgie bei der Bundeswehr! Das aus drei Elementen. Diese Elemente sind: erstens habe ich doch gesagt!) sparsame Haushaltsführung, zweitens Anregen von Wachstum und drittens die Bereitschaft, Struk- Eine Vielzahl von Vorschlägen liegt auf dem Tisch. turen in diesem Land auf den Prüfstand zu stellen. Man muss sich natürlich die Mühe machen, diese zu lesen und vielleicht auch geistig zu verarbeiten. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aha!) (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle Zu diesen drei Elementen will ich etwas sagen. [CDU/CSU]: Nehmen Sie das zurück!) Zum ersten Element. Wir haben in den Haus- Tun Sie nicht so, als ob es keine Vorschläge gäbe! haltsberatungen mit der Rückführung der Netto- Wir Linken bieten konkrete Alternativen für eine kreditaufnahme um 5,6 Milliarden Euro unseren sozial gerechte, demokratische Politik. Ihren Sparwillen klar und deutlich bewiesen. Herr Kolle- Haushalt können wir nur ablehnen. ge Schneider hat vorhin dazwischengerufen. Des- wegen möchte ich ihm direkt antworten. Sie haben Ich danke Ihnen. zu Beginn der Haushaltswoche ein Programm vor- (Beifall bei der LINKEN) gelegt, das den Bund jedes Jahr 14 Milliarden Euro mehr kosten würde. Wo ist Präsident Dr. Norbert Lammert: denn Ihr Beitrag zum Sparen? Sie machen Vor- Dr. Michael Meister ist der nächste Redner für schläge, die uns auf Dauer jedes Jahr teuer zu die CDU/CSU-Fraktion. stehen kommen würden. Wir haben den Willen, zu sparen. Wir haben eine andere Strategie als Sie, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Herr Schneider. neten der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Ich will betonen: Für uns heißt Sparen nicht Ein- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der nahmeverbesserung durch Steuererhöhungen. Kollege Barthle ist ein aufrechter und wahrhaftiger Das war die Antwort, die der Kollege vom Bündnis Kollege. Die Beleidigung lassen wir uns als Frakti- 90/Die Grünen gegeben hat. Er hat davon gespro- on nicht gefallen. chen, man müsse die Basis verbreitern, auf der Steuern erhoben werden. (Lachen bei der LINKEN) Der Kollege Barthle macht hervorragende Arbeit (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, auch! Und Subventionen im Haushaltsausschuss. weg!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 3002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Er hat davon gesprochen, dass wir in Deutschland bringen wird, auf deren Basis wir in sachlicher und keine energieintensive Industrie mehr haben wol- nicht in politischer Weise diesen Wachstums- len. impuls geben können. Diese Geduld muss man an den Tag legen. Wir haben sie. Wir werden dann (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE handeln, wenn wir die sachlichen Grundlagen ha- GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) ben. Schauen Sie sich doch mal Großbritannien an. (Beifall bei der CDU/CSU – Dort hat die Industriepolitik dazu geführt, dass es [CDU/CSU]: Das ist vernünftig!) keine Industrie mehr gibt. Wir können sehen, was mit einem solchen Land in der Finanz- und Wirt- Zum dritten Element. Ja, wir brauchen Struk- schaftskrise geschieht. Das, was Sie hier vor- turänderungen in diesem Land. Wir brauchen schlagen, ist doch keine zukunftsfähige Politik für mehr Forschung und Entwicklung. Wir brauchen die Bundesrepublik Deutschland. weniger Bürokratie. Dies sind nur zwei Beispiele. Auch hier will ich darauf hinweisen, lieber Herr (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Schneider: Was haben Sie denn vorgeschlagen? Zum zweiten Element. Sparen alleine reicht Sie haben zu Beginn dieser Woche nicht vorge- nicht. Wir müssen auch gezielt Wachstumsimpul- schlagen, wie Strukturen zukunftsfähig wei- se setzen, um die Einnahmebasis zu stärken, zu terentwickelt werden können, sondern Sie haben stabilisieren und auszuweiten. vorgeschlagen, durchgeführte Strukturreformen zurückzudrehen. Zurück in die Vergangenheit – (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Darauf war- das ist nicht die Antwort, die wir brauchen. Wir ten wir!) brauchen keine Verfestigung der Arbeitslosigkeit, Wir sind sehr wohl der Meinung, dass es richtig sondern Flexibilität, um Arbeitslosigkeit in Deutsch- war, die Menschen im Jahr 2010 in der Krise um land abzubauen. Deshalb müssen wir für neue 24 Milliarden Euro zu entlasten und gleichzeitig da- Strukturreformen offen sein. für zu sorgen, dass die Sozialbeiträge nicht anstei- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – gen. Das war eine richtige politische Entscheidung Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Haben als Impuls für mehr Wachstum. Sie denn schon was gemacht? Ein Bei- Ich will Ihnen noch Folgendes sagen: Wir wer- spiel!) den eine Steuerreform auf den Weg bringen, die das Ziel hat, das deutsche Steuerrecht einfacher zu gestalten; denn die Komplexität des Steuer- Diese Strategie hilft übrigens auch den Kom- rechts ist ein massives Hindernis für Wirtschafts- munen. Ein riesiges Problem der Kommunen sind wachstum in diesem Land. Deswegen ist Steuer- steigende Arbeitslosenzahlen und, dadurch verur- vereinfachung für uns ein wichtiges Thema. sacht, steigende Sozialausgaben. Deshalb ist je- der Beitrag, den wir zu mehr Beschäftigung leisten, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) auch eine Maßnahme zugunsten der kommunalen Wir wollen die Menschen auch motivieren, mehr Haushalte. Leistung zu erbringen. Wenn sie mehr Leistung (Bettina Hagedorn [SPD]: So ein Schwach- erbringen, dann können wir ihnen aber nicht sinn!) gleichzeitig einen Großteil der Mehreinnahmen, die sie erwirtschaften, wegbesteuern. Deswegen wer- Deshalb sind wir an der Stelle auf dem richtigen den wir etwas gegen die kalte Progression und Weg. den Mittelstandsbauch im Steuerrecht tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wir wollen nicht das, was Sie verkünden. Wir Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Macht möchten die Kommunen nicht in eine stärkere Ab- doch! Das hätten Sie schon längst ma- hängigkeit von Bund und Ländern bringen, son- chen können!) dern wir stehen für eine Politik, die mehr kommu- Jetzt sagen viele, wir wären nach der Steuer- nale Selbstverwaltung zum Ziel hat. schätzung nicht schlauer. Ich sage, wir werden im (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Mai schlauer sein als heute. NEN]: Mit weniger Geld!) (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Deshalb wollen wir den Kommunen nicht Schecks NEN]: Nach der NRW-Wahl!) aus Berlin überbringen, sondern wir wollen mit ih- Die letzte Steuerschätzung, mit der der mittelfristi- nen darüber diskutieren, wie die kommunale ge Finanzplanungszeitraum in Augenschein ge- Selbstverwaltung gestärkt werden kann. nommen wurde, datiert vom Mai 2009. Damals (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gab es ganz andere Beschäftigungszahlen und neten der FDP) Wachstumszahlen, als wir sie heute erwarten kön- nen. Deshalb gehe ich fest davon aus, dass uns Dafür müssen wir den Kommunen auf der Ausga- die Steuerschätzung im Mai neue Erkenntnisse benseite mehr Freiraum geben, und wir müssen ih- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3003 re Einnahmeseite verstetigen und stabilisieren. Die Finanzmarktpolitik in Deutschland, wie sie heu- Deshalb freue ich mich darüber, dass der Bundes- te ist, wurde wesentlich von Ihnen mitbestimmt. finanzminister die Gemeindefinanzkommission Sie wurde in der Zeit zwischen 1998 und 2005 eingerichtet hat. Ich möchte an Sie appellieren, gemacht. Deshalb müssten Sie, wenn Sie hier al- möglichst zügig und schnell zu arbeiten, damit wir les kritisieren, einmal in den Spiegel schauen und über die Kommunen nicht nur reden, sondern ih- nicht immer zu anderen hin. Das würde der Debat- nen am Ende des Tages auch helfen; denn das ist te guttun. der entscheidende Punkt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) neten der FDP) Jetzt möchte ich einmal etwas zur Frage der Wir wollen eindeutig Vergütungsregeln ändern – Wettbewerbsfähigkeit sagen. Alle Debatten, die das haben wir bereits gemacht –, weil wir glauben, wir nach dem Motto „Wir sind zu wettbewerbsfähig“ dass Vergütungsregeln ein Problem waren. Wir führen, sind doch nicht von dieser Welt. sind dabei, ein Gesetz zum Thema Rating zu ma- chen, um das Problem der Ratingagenturen auf- (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Deutschland zugreifen und zu erreichen, dass sie nicht braucht den Mindestlohn! Das sagen so- unreguliert tätig sind. Wir sind dabei, ein neues In- gar die konservativen Franzosen!) solvenzrecht für Banken zu erarbeiten, damit in Wir mögen das in Deutschland diskutieren. Es gibt Zukunft nicht mehr derjenige aufgefangen wird, der vielleicht noch den einen oder anderen, der das in Misswirtschaft betrieben hat, sondern das System Europa diskutiert. Aber die eigentliche Herausfor- stabilisiert wird und wieder die Grundregel gilt: Wer derung liegt nicht in Deutschland oder in Europa; in der Marktwirtschaft Misswirtschaft betreibt, geht die eigentliche Herausforderung liegt darin, was in aus dem Markt und wird nicht künstlich im Markt Asien – in China, in Japan, in Indien – geschieht. gehalten. Es geht darum, dass wir als Europäer und als (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deutsche in diesem Wettbewerb bestehen können. Ich behaupte: Da sind wir zwar fit, aber nicht so fit, Das sind richtige Positionen. Die werden wir dass wir auf dem Stand stehen bleiben dürfen. umsetzen – in aller Ruhe und Gelassenheit, Deshalb müssen wir an dieser Stelle weiter nach (Dr. [SPD]: Wann denn?) vorn gehen, Forschung, Innovation, Flexibilität in unserem Land nach vorn bringen. sodass die nächste Krise vielleicht weniger wahr- scheinlich wird. Ich trete dafür ein, dass wir im Haushalt trotz des Sparens die Mittel für Projektförderung aus- Wir werden als Nächstes das Thema Verbrau- weiten und mehr Geld dahin lenken, gleichzeitig cherschutz angehen, weil wir natürlich auch einen aber über die Frage nachdenken, ob wir neben der Schirm für unsere Mitbürger brauchen. An der Projektförderung eine steuerliche Forschungsför- Stelle werbe ich für ein bestimmtes Verbraucher- derung einführen können. Das haben wir uns im bild. Wir dürfen dem Verbraucher die Entschei- Koalitionsvertrag gemeinsam als Prüfaufgabe ge- dung nicht abnehmen; aber wir müssen darauf stellt. Wir werden prüfen, ob wir damit einen Schritt achten, dass er wirklich in der Lage ist, Entschei- weiterkommen und Deutschland für die Zukunft in- dungen zu treffen. Deshalb brauchen wir Infor- novationsfähiger aufstellen können. mation und Transparenz für einen mündigen Ver- braucher. Wir brauchen Verantwortung für all die- (Beifall bei der CDU/CSU – Carsten jenigen, die Information kommunizieren und Ent- Schneider [Erfurt] [SPD]: Die FDP ist be- scheidungen treffen. Deshalb wird das Thema geistert!) „Verantwortung und Haftung“ im Mittelpunkt stehen Jetzt komme ich zum Thema Finanzmärkte. müssen. Außerdem rate ich uns, Verbraucher- Das ist eine wesentliche Basis für die Frage, ob es schutz nicht als Instrument zu nehmen, Wettbe- uns gelingt, den Staatshaushalt, die Finanzen für werb auszuhebeln. Wir brauchen wettbewerbs- künftige Generationen wohl zu ordnen. Wir haben neutrale Lösungen: mehr Schutz für die Verbrau- die klare Botschaft gesendet: Wir wollen Märkte, cher, aber kein Aushebeln des Wettbewerbs; denn Marktteilnehmer, Produkte in Zukunft beaufsichti- der ist auch im Interesse der Verbraucher dringend gen, und zwar umfassend, was nicht heißt, dass notwendig. wir keine Wettbewerbswirtschaft mehr zulassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wir definieren aber, dass wir eine bessere Re- neten der FDP) gulierung für alle Marktteilnehmer, für alle Produk- te und für alle Finanzmärkte brauchen. Letzte Bemerkung zum Thema Finanzmarkt. Mich hat in dieser Woche gestört, dass wir – be- An dieser Stelle möchte ich an etwas erinnern, dauerlicherweise – aufgrund der Haltung der briti- Herr Schneider; vielleicht haben Sie damals noch schen Regierung nicht in der Lage waren, auf eu- nicht so gut aufgepasst. ropäischer Ebene Regelungen betreffend die (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Na ja!) Hedgefonds zu treffen. Ich appelliere an unsere Bundesregierung, in dieser Richtung weiter tätig zu 3004 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 sein; denn es kann nicht sein, dass wir einfach so (Otto Fricke [FDP]: Warum haben Sie alle lange zuschauen, bis das nächste Problem da ist. denselben Redenschreiber?) Wir wissen, dass es Probleme geben kann. Des- Als angeblich soziale Komponente erhöhen Sie halb brauchen wir eine vernünftige Aufsicht und zwar das Kindergeld. Aber das kommt bei den Transparenz. Grundsicherungsempfängern gar nicht und bei den (Beifall bei der CDU/CSU) Beziehern hoher Einkommen doppelt an. Das nennen Sie auch noch sozial. Die Belastungen Ich sehe das Bankenthema wenig entspannt. aufgrund der hohen Schulden haben zukünftige Ich glaube, wir sind noch mitten in der Finanzkrise. Generationen zu tragen. Für die Mehrheit der Bür- Wir haben sie noch nicht hinter uns. Die Anforde- ger enthält das von Ihnen verpackte Geschenk un- rung der Märkte an uns wird über die Finanzkrise angenehme Überraschungen. Statt dafür zu sor- hinaus sein, das Eigenkapital der Banken zu stär- gen, dass die Bürger mehr netto vom Brutto ha- ken. Deshalb müssen wir das Ganze von der Zeit- ben, wie Sie es gebetsmühlenartig wiederholen, schiene und vom Zusammenwirken her so klug or- holen Sie die Kosten durch Abgaben, Gebühren ganisieren, dass es noch möglich ist, dass sich die und Zinsen wieder herein. Realwirtschaft und die Privaten von den Banken fi- nanzieren lassen können. Deshalb appelliere ich, (Joachim Poß [SPD]: Hat heute keiner mehr keine Schnellschüsse zu machen. In Zukunft darf von denen gesagt!) nicht der Steuerzahler, sondern muss das Finanz- In diesem Zusammenhang darf ich auf Sie verwei- system selbst die Kosten von Fehlentwicklungen sen, Herr Meister. Sie haben wieder ein einfache- tragen. Wenn die Bundesregierung uns zeitnah res Steuersystem angemahnt. Ihre Gesetzgebung Vorschläge dazu macht, Herr Finanzminister, wer- zur Hoteliersteuer ist der beste Beweis dafür, dass den wir sie wohlwollend prüfen und diskutieren. Sie den Bürokratieabbau nicht ernst nehmen. Herr Vielen Dank. Meister, Sie haben damit ein Meisterstück dafür abgeliefert, wie man es nicht machen darf. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bei Ihrer Politik muss ich an eine Inschrift an ei- Klaus Brandner ist der nächste Redner für die nem Fachwerkhaus in der alten Stadt Rheda- SPD-Fraktion. Wiedenbrück in meinem Wahlkreis Gütersloh den- (Beifall bei der SPD) ken: „Hüte dich vor den Katzen, die vorne lecken und hinten kratzen.“ Ihre Politik ist ein gigantisches Klaus Brandner (SPD): Täuschungsmanöver. Auch das ist rekordverdäch- tig. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Lie- (Beifall bei der SPD) be Kollegen! In der Abschlussrunde der Haus- Dieses Täuschungsmanöver setzt schon jetzt bei haltsberatungen kann man nur ein Resümee zie- den Jüngsten an. Wir alle sind uns wohl darüber hen: Diese Regierung ist rekordverdächtig. Kollege einig, dass gute Bildung der Schlüssel für den Meister, Sie haben gerade ein weiteres Beispiel für Einstieg in ein erfolgreiches Berufsleben und der diesen Rekordverdacht gegeben, indem Sie einen Ausgangspunkt für die Teilhabe in unserer Gesell- Kanon an Unverbindlichkeiten und Ankündigungen schaft ist. In eine gute Bildungsinfrastruktur müs- angestimmt haben. Das passt genau zur Politik der sen vorrangig die Finanzmittel fließen. Stattdessen Bundesregierung. setzen Sie die finanzielle Grundlage der Kommu- (Beifall bei der SPD) nen aufs Spiel. Ob bei der Erbschaftsteuer, den Unternehmensteuern, der Mehrwertsteuer oder Die Regierung ist rekordverdächtig, wenn es um dem Kindergeld, überall zahlen die Kommunen negative Schlagzeilen geht. Sie ist rekordverdäch- mit. Im Gegenzug werden die Kitagebühren er- tig, wenn es um Zank, Streit und Chaos geht. Sie höht, die Schulbibliotheken werden nicht mehr ist rekordverdächtig wegen einer Neuverschuldung ausreichend gefördert, Schwimmbäder und Thea- von sage und schreibe 80,2 Milliarden Euro. Für ter werden geschlossen, und für die Benutzung diese Rekorde können Sie keine Medaillen erwar- von Sportplätzen und Sporthallen müssen Gebüh- ten; denn für diese Resultate haben Sie – Kollege ren eingeführt oder deutlich erhöht werden. Das Barthle, Sie haben uns einen schönen Tag ange- führt nicht zu mehr netto vom Brutto, sondern das kündigt – die Note „mangelhaft“ verdient. Das kann führt zu weniger netto vom Brutto. man nicht anders beschreiben. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Ihre Aufgabe wäre stattdessen, durch Investitio- Anstatt die Schulden abzubauen, betreiben Sie nen in Bildung dafür zu sorgen, dass junge Men- Klientelpolitik und verteilen Steuergeschenke an schen auf die Arbeit von morgen vorbereitet sind. reiche Erben und Hoteliers. Dabei geht es aber nicht um Arbeit um jeden Preis. Nicht billig ist besser. Auch gilt nicht der Satz: „So- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3005 zial ist, was Arbeit schafft“, sondern: „Sozial ist, Auch den Rentnern in unserem Land bietet die was gute Arbeit schafft“. Wir brauchen gute Arbeit Regierung nichts. Es gibt keine Rentenerhöhung zu fairen Bedingungen. auf lange Sicht. Wir müssen uns vor Augen führen, dass in diesem Jahr die Renten in Westdeutsch- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten land um 2,1 Prozent gesenkt werden müssten. der LINKEN) Das ist einmalig in Deutschland. Würde es passie- Was unternehmen Sie? Nehmen wir das Bei- ren, dann würde das zu großer Verunsicherung spiel der Generation Praktikum. Der Missbrauch und zu einer weiteren Schwächung der Bin- von Praktikanten wird nicht beendet. Prekäre Be- nennachfrage führen. Man kann nur durch orden- schäftigungsverhältnisse nehmen immer weiter zu. tlich bezahlte Arbeit einen solchen Trend stoppen. Was lesen wir heute? Anstatt sie einzuschränken, Auf dem Gebiet ist bei Ihnen Fehlanzeige. sollen sie erleichtert werden. Das ist genau das (Beifall bei der SPD) Gegenteil von dem, was Sie im Koalitionsvertrag als Sicherung des Kündigungsschutzes be- In diesem Haushaltsjahr stellen Sie die falschen schrieben haben. Sie sorgen für mehr Unsicherheit Weichen. Ihr sogenanntes Wachstumsbeschleuni- anstatt für mehr Sicherheit. Da sollten Sie den He- gungsgesetz ist doch in Wahrheit, wie Sie selbst bel ansetzen. wissen und wie in vielen Presseveröffentlichungen nachzulesen war, ein Wachstumsverhinderungs- (Beifall bei der SPD) gesetz. Lassen Sie mich zur Leiharbeit und dem ge- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ein Umver- setzlichen Mindestlohn kommen. Das sind Bau- teilungsbeschleunigungsgesetz!) stellen, wo Sie die Würde der Arbeit wiederherstel- len könnten. Aber bei Ihnen ist hier durchweg Statt einer Traumkoalition erleben wir jeden Tag Fehlanzeige. Jetzt lese ich, dass sich die konser- einen Regierungsalbtraum, verzweifelte Kommu- vative französische Regierung wegen des fehlen- nen und einen Anstieg von Gebühren und Abga- den Mindestlohns in Deutschland über eine Wett- ben. Ihnen fehlen wegen Ihrer inneren Zerrissen- bewerbsverzerrung zwischen den beiden Volks- heit der Mut und die Kraft, aus der Krise die richti- wirtschaften beschwert. Auf Exportüberschüsse, gen Schlüsse zu ziehen. Wachstum erzielt man die mit Niedriglöhnen und schlechten Arbeitsbe- anders. Wachstum und Arbeit schaffen wir durch dingungen erzielt werden, dürfen wir nun gerade höhere Bildungsinvestitionen. Wachstum und Ar- nicht stolz sein. beit schaffen wir durch finanziell gesunde Kommu- nen. Sie stemmen den Löwenanteil öffentlicher In- (Beifall bei der SPD) vestitionen, Investitionen in neue Technologien für Wir sollten vielmehr auf Arbeit, die unter guten Be- die Märkte von morgen, in Schlüsselfelder wie dingungen qualitativ hochwertige Produkte und Energieeffizienz, Materialeffizienz, erneuerbare Dienstleistungen schafft, stolz sein. Ich kann Ihnen Energien, Antriebstechnologien und in eine ver- nur anheimstellen, sich daran zu orientieren. besserte Kommunikationsinfrastruktur. Bei einigen Themen spitzen Sie, immer wenn es (Beifall bei Abgeordneten der SPD) eng wird, die Lippen. Dann kündigen Sie an, was Sie vielleicht vorhaben. Ich denke an die Ankündi- gungen von Frau von der Leyen im Zusammen- Wachstum und Arbeit schaffen wir durch mehr hang mit der Zeitarbeit oder auch an Herrn Rütt- Binnennachfrage, nicht zuletzt durch bessere Löh- gers, der Hartz IV als himmelschreiendes Unrecht ne und mehr Einkommensgerechtigkeit sowie empfindet. Das gilt auch für den nordrhein- durch Entlastungen für die Menschen, die es am westfälischen Arbeits- und Sozialminister Karl- meisten brauchen. Josef Laumann, den ich sonst schätze, der nach Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wachs- einem gesetzlichen Mindestlohn für die Zeitar- tum und Arbeit schaffen wir auch durch mehr soli- beitsbranche ruft. Aber wenn es konkret wird, dann darische Beteiligung derer, die es am besten ver- bleiben die Ergebnisse aus. Es reicht nicht, dass kraften können. Dieser Aspekt fehlt in Ihrem Haus- man die Lippen spitzt, man muss auch pfeifen. halt 2010. Angesichts solch gravierender Mängel Man muss die Dinge konkret angehen. Ansonsten können wir diesem Haushalt nicht zustimmen. bleibt man unglaubwürdig. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Da Sie, außer bei der Neuverschuldung, mit Ih- rem Haushalt kein ausreichendes Wachstum er- zeugen, führen Ihre Maßnahmen zu allem Mögli- Vizepräsidentin : chen, aber nicht zu mehr qualitativ hochwertigen Das Wort hat nun der Kollege Dr. Hans Michel- Arbeitsplätzen. Genau das aber wäre die Voraus- bach für die CDU/CSU-Fraktion. setzung für einen nachhaltigen Schuldenabbau. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 3006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): verkäufe und sicher auch eine Regelung zur Kos- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle- tenbeteiligung der Banken auf den Weg bringen. gen! Diese Haushaltswoche neigt sich dem Ende Hier ist Vernunft angesagt. Wer nationale Allein- entgegen. Es ist an der Zeit, ein Fazit zu ziehen: gänge startet, begibt sich nämlich auf den Holz- Unsere christlich-liberale Koalition steht für eine weg. Das Beschreiten internationaler Wege ist Krisenbewältigung und für einen Neuaufschwung. notwendig, wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit Die Opposition dagegen redet alles schlecht. Das erhalten wollen. ist der Unterschied, den wir heute zur Kenntnis Wir wollen natürlich keine Substanzbesteue- nehmen müssen. rung. Eines darf nicht passieren: dass die Bank- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und kunden und die Kreditnehmer in Zukunft über eine der FDP) Bankenabgabe die Zeche zahlen; das wollen wir nicht. Vielmehr wollen wir Wettbewerbsfähigkeit Wo bleibt denn Ihre Alternative? Neid, Angst, auf internationaler Basis und die Stärkung unserer Mangelverwaltung, Steuererhöhungen, Ausga- Realwirtschaft. benmehrungen sind eben keine Alternative. Wir kämpfen gegen die Verletzung des Europä- Wir reagieren in kurzer Zeit auf die tiefgreifende ischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, für Finanzmarktkrise und den schwersten Wirtschafts- dessen Schaffung Theo Waigel mitverantwortlich einbruch der Nachkriegszeit. Das sind die Tatsa- ist. Wir als wirtschaftliche Lokomotive in Europa chen. Wir lassen, ökonomisch richtig, die automa- müssen bei der Einhaltung dieses Pakts natürlich tischen Stabilisatoren wirken. Wir stellen wirt- Vorbild sein. Ich bin zuversichtlich, dass wir über schaftliche Dynamik in den Mittelpunkt, und wir die mittelfristige Finanzplanung diese Vorbildfunk- schaffen eine neue Vertrauensbasis für Wirtschaft tion in Europa übernehmen. Wer soll denn das und Arbeitsplätze. Es ist eine Tatsache: Dieser sonst tun, meine Damen und Herren? Haushalt ist antizyklisch, krisenbekämpfend, ar- beitsplatzschaffend, wachstums- und investitions- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und freundlich. Wir verfolgen eine klare Wachstums- der FDP) strategie für neue Sicherheit, Konsolidierung und Deswegen ist es so wichtig, dass keine Nivellie- wirtschaftlichen Aufschwung. rung der Wirtschaftsleistung Deutschlands Für die Realwirtschaft ist wichtig, dass wir zu- stattfindet. Diese wirtschaftsstarke Nation ist für nächst einmal für einen stabileren Finanzmarkt ganz Europa wichtig und bedeutend. Wenn man sorgen. Die christlich-liberale Koalition hat bewirkt, nämlich zwei Kranke ins Bett legt, kommt noch dass die Politik – das ist wesentlich – wieder das lange kein Gesunder heraus. Deswegen ist Nivel- Primat über die Finanzmärkte hat. Diese Koalition lierung das Falscheste, was man in diesem Be- hat die Finanzierungschancen für die Wirtschaft reich tun könnte. wieder in Gang gebracht. Das hilft allen, insbeson- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Ab- dere im Hinblick auf Investitionen und Arbeitsplät- geordneten der FDP – Dr. Kirsten ze in diesem Land. Tackmann [DIE LINKE]: Das kommt da- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU rauf an!) und der FDP – Sven-Christian Kindler Wir haben ein klares Konzept zur Stabilisierung [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben des Finanzmarktes. Vonseiten der Regierungskoa- bisher gar nichts gemacht!) lition möchte ich Ihnen einmal sagen: Rot-Grün hat Wir sanieren und regulieren die Finanzmärkte in der Vergangenheit die Kasinotüren weit geöff- neu. Wir haben Schutzschirme aufgespannt und net. Heute tun Sie so, als ob Sie nicht gewusst hät- Konjunkturpakete geschnürt. Wir haben den Kre- ten, dass man da Roulette spielt. Sie haben näm- ditmediator eingeführt. Wir haben bereits neue Fi- lich letzten Endes die Deregulierung der Hedge- nanzmarktrichtlinien verabschiedet. Wir haben die fonds vorgenommen. Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsauf- (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das wollten Sie sicht vorgenommen. Wir haben die Regelungen doch auch!) über die Angemessenheit der Vorstandsvergütung und das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ver- Sie haben die Steuerfreiheit für Veräußerungsge- abschiedet. winne von Konzernen eingeführt. Da wurde Rou- lette gespielt. Das ist der Ausgangspunkt für das Zweifellos müssen wir noch mehr verabschie- Finanzmarktkasino. den. Denn eine solche Finanzmarktkrise darf sich nie mehr wiederholen. Das ist die Botschaft, die (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!) wir senden müssen. Sie von Rot-Grün sind die Verursacher hiervon. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Das ist Tatsache, meine Damen und Herren. der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wir werden ein neues Insolvenzrecht, neue Ra- Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Unschuldig tingverordnungen, ein Verbot ungedeckter Leer- sind Sie auch nicht!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3007

Im Übrigen, der Finanzminister hieß damals Hans (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Eichel. NEN]: Ihnen laufen die Wähler davon!) Meine Damen und Herren, wir wollen, dass un- Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. sere Realwirtschaft wieder neue Leistungsanreize Wir werden diese Herausforderung offensiv und bekommt. Für die Stärkung der Binnenwirtschaft positiv angehen. haben wir Steuersenkungen beim Tarif in Höhe Herzlichen Dank. von 20 Milliarden Euro, Kindergelderhöhungen und Korrekturen bei den krisenverschärfenden Elemen- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – ten der Unternehmen- und Erbschaftsteuer vorge- Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE nommen. Ich kann nicht verstehen, wenn ausge- GRÜNEN]: Das war aber ein schwacher rechnet Manager dies nicht anerkennen. Es war Auftritt!) eine große Leistung, dass wir Korrekturen bei der Substanzbesteuerung vorgenommen haben und Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: damit die Möglichkeiten der Verlustnutzung in den Nächster Redner ist der Kollege Unternehmen zur Sanierung und Erhaltung der Ar- für die FDP-Fraktion. beitsplätze wieder gestärkt haben. Das war eine großartige Leistung, die wir hier vollbracht haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Florian Toncar (FDP): Wir wollen weiterhin eine Steuerreform, die zu Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr mehr Vereinfachung und Gerechtigkeit führt, zum geehrten Damen und Herren! Dieser Haushalt ist Beispiel durch Reduzierung der kalten Progressi- das Beste, was man in der jetzigen Lage aus der on, weil das den Menschen, der Wirtschaft und Haushaltssituation machen kann. Er ist ein Haus- den Arbeitsplätzen in unserem Land dient. Hierzu halt, der angesichts der Lage, in der wir uns befin- gibt es keine Alternative. Wir wollen, dass sich den, ausgesprochen gelungen ist. Leistung in Deutschland wieder lohnt, meine Da- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- men und Herren. NEN]: Glauben Sie doch selber nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ich möchte schon sagen, weil Sie, Kollege Bonde, Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wie eigentlich immer bei mir üblich, dazwischenru- NEN]: Das musste jetzt auch noch einmal fen: Es ist unredlich, gesagt werden!) (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wenn Sie, meine Damen und Herren von der NEN]: Da muss man doch zwischenru- Opposition, sagen, bei all dem handle es sich fen!) letztendlich um Steuergeschenke, dann entgegne ich Ihnen darauf: Sie haben ein falsches Staats- dass die Opposition hier den Eindruck erweckt, verständnis. Sie glauben, dass alles Geld der Bür- dass man mit einer Neuverschuldung in einer ger zunächst dem Staat gehört. ganz anderen Größenordnung arbeiten könnte. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das lasse (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ich mir aber von Ihnen nicht vorschreiben! NEN]: 7,5 Milliarden Euro weniger!) Das ist ja unglaublich!) Man kann über jeden einzelnen Posten sprechen Das Geld gehört aber zunächst den Bürgern und sagen, da oder da wäre etwas anderes sinn- selbst; diese müssen bereit sein, einen entspre- voller. Aber der Eindruck, den Sie erwecken, der chenden Obolus zu leisten. Hier liegt der entschei- ist einfach unredlich. dende Unterschied zwischen Ihrer und unserer Ich möchte einmal daran erinnern, Kollege Philosophie. Bonde, womit Sie abgetreten sind, als Sie im Jahre (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Reden Sie 2005 von den Bürgerinnen und Bürgern abgewählt doch einmal mit den Bürgern! – Zuruf des worden sind. Abg. Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Woher wissen GRÜNEN]) Sie das denn?) Abschließend möchte ich folgendes Fazit zie- Da hatten wir nicht einmal eine im Ansatz ver- hen: Wir werden die Haushaltskonsolidierung vor- gleichbare Wirtschaftskrise. Die Neuverschuldung, nehmen, neues Wachstum schaffen, die Sozial- für die Sie auch persönlich mit verantwortlich wa- systeme stabilisieren. Die Herausforderung ist ren, betrug 4,2 Prozent des Bruttoinlandsproduk- zweifellos groß, weil das Ganze mit einer dramati- tes. Deutschland war damals eines der Sorgenkin- schen Veränderung des Altersaufbaus unserer der Europas. Heute ist das nicht der Fall. Heute Gesellschaft einhergeht. gehört Deutschland, was die Neuverschuldung an- geht, zur Spitzengruppe Europas. 3008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

(Joachim Poß [SPD]: Aber weshalb?) genden Haushalt stopfen müssen. Es sind Belas- tungen hinzugekommen, die Sie uns aufgebürdet Ich glaube, das ist ein beträchtlicher Unterschied, haben und die wir im vorliegenden Haushalt be- auf den man hinweisen sollte. rücksichtigen mussten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- ten der CDU/CSU – Alexander Bonde ten der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben Da muss die Frau Merkel aber versagt schon mitbekommen, dass wir eine Re- haben!) kordverschuldung haben!? – Zuruf der Abg. Petra Merkel [Berlin] [SPD]) Selbstverständlich gab es weitere Belastungen, die wir einarbeiten mussten, wie die Afghanistan- – Das sind Tatsachen. Sie kennen die gesamte konferenz und die UN-Klimakonferenz in Kopen- Problematik. Bei Rot-Grün war das jahrelang ein hagen. Problem. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Es ist mitnichten so, dass die Höhe der diesjäh- GRÜNEN]: Kopenhagen haben Sie nicht rigen Neuverschuldung irgendjemanden beruhigen eingearbeitet!) könnte. Sie wissen, wie das alles zusammenhängt. Das hat mit der Krise zu tun, die weltweit zu- Man muss feststellen: Wir haben trotz dieser Zu- schlägt. satzbelastungen und unter Berücksichtigung der Entlastungen einen Haushalt hinbekommen, der (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hinsichtlich der geplanten Neuverschuldung deut- NEN]: Regierungskrise!) lich unter dem liegt, was im letzten Jahr von Herrn Herr Kollege Bonde, es wäre redlich, wenn Sie da- Steinbrück und auch im zweiten Regierungsent- rauf hinweisen würden, wie hoch die Neuverschul- wurf vorgesehen war. dung in den Ländern ist, die mit Deutschland ver- (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- glichen werden können: in den USA zweistellig, NEN]: Sie verteilen Klientelgeschenke!) Großbritannien zweistellig, Frankreich über 8 Prozent, Italien fast zweistellig und Spanien Die Frage ist, wie wir wieder zu mehr Wirt- zweistellig. Das sind Industrieländer wie Deutsch- schaftswachstum kommen. Die Kolleginnen und land, die von uns nicht weit weg sind. Die Neu- Kollegen von der Union haben bereits darauf hin- verschuldung liegt dort weit höher als in Deutsch- gewiesen, dass die Koalition beabsichtigt, in die- land. Es wäre redlich, das zu erwähnen. Bei all sem Jahr das Thema Steuern anzugehen. den Sorgen, die wir uns um den Haushalt machen (Joachim Poß [SPD]: Welche Rede haben Sie müssen, stelle ich fest: Wir machen es besser als vor einem Jahr gehalten?) alle vergleichbaren Länder um uns herum. Ich kann mich dieser Absicht nur anschließen, und (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – zwar aus zwei Gründen. Was das Wirtschafts- Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Wo gibt es wachstum angeht, haben wir in der momentanen denn so was?) Situation zwei Probleme: Das eine ist der Bereich Sie als Opposition haben darauf hingewiesen, der privaten Investitionen. Sie bleiben aus, weil dass es im vorliegenden Haushalt im Vergleich Unternehmen oft nicht richtig planen können und zum Regierungsentwurf – auch im Vergleich zum daher zurückhaltend sind. Das andere – das ist ei- Entwurf von Minister Steinbrück im letzten Jahr – ne dauerhafte Schwäche Deutschlands – ist der Entlastungen durch die konjunkturelle Entwick- private Konsum, also das, was die Bürgerinnen lung und eine günstigere Arbeitsmarktentwicklung und Bürger für ihren Bedarf ausgeben bzw. aus- gegeben hat. Wir haben bereits darauf hingewie- geben können. An diesen beiden Punkten können sen, dass wir die frei gewordenen Mittel für den Steuersenkungen ansetzen und für die Wirtschaft Abbau der Staatsschulden verwenden. tatsächlich etwas erreichen. Wir wollen diese Punkte angehen. Wir wollen eine Entlastung der Sie haben verschwiegen – das wäre bei einer Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, weil vollständigen Darstellung Ihrerseits zu erwarten das fair ist und vor allem die Schwäche unserer gewesen –, dass wir im selben Zeitraum erhebli- Binnenkonjunktur beseitigt. Das ist die Voraus- che Zusatzbelastungen hatten, setzung dafür, dass es wirtschaftlich wieder berg- (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ja, die Hotel- auf gehen kann. steuer zum Beispiel!) Darüber hinaus wollen wir eine Entlastung im für die wir Vorsorge treffen mussten. Als Ihre Re- investiven Bereich, Stichwort steuerliche For- gierungsmitglieder im letzten Oktober abgetreten schungsförderung. Es stellt sich die Frage, wie sind, haben Sie uns ein heruntergewirtschaftetes wir mit Investitionen, Abschreibungen und all den Gesundheitssystem hinterlassen. Einen Monat Instrumenten umgehen, die Unternehmen jetzt nach der Wahl ist herausgekommen, dass der brauchen, damit sie wieder investieren können. Gesundheitsfonds eine Lücke von 3,9 Milliarden Diese Strategie ist abgestimmt. Wir werden im Euro aufweist, die wir mit Mitteln aus dem vorlie- nächsten Jahr die Schuldenbremse, die es in Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3009

Deutschland zum Glück gibt, penibel einhalten. Wir stabil zu halten. Wenn man das unter das Thema werden den Haushalt Schritt für Schritt konsolidie- „Europäischer Währungsfonds“ subsumiert, kann ren. Dieser Haushalt ist ein Anfang. Wir haben be- das von der Aufgabenstellung her im Grunde nur reits einiges eingespart. Diesen Weg werden wir richtig sein. Was damit in keiner Weise beabsich- weitergehen. tigt war – das ist hier immer klargestellt worden –, ist, den Eindruck zu vermitteln, dass wir nur vor- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – dergründig einen Fonds gründen wollen, der nichts Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE anderes als einen Finanzausgleich herbeiführen GRÜNEN]: Nichts gespart habt ihr! – soll. Das kann vielleicht am Ende eines Prozesses Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE stehen, wenn der Instrumentenkasten für eine GRÜNEN]: Nicht gespart! Fortentwicklung des Stabilitätspaktes und der Klientelgeschenke habt ihr verteilt!) Maastricht-Verträge für alle Staaten vorhanden ist. Von daher war das ein richtiger Beitrag, der in die Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Zukunft wies. Nun bitte ich Sie noch um Aufmerksamkeit für den letzten Redner in dieser Debatte. Es ist der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Kollege Leo Dautzenberg für die CDU/CSU- Was haben wir bisher schon auf den Weg ge- Fraktion. bracht? Das waren nationale Stützungsmaß- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nahmen. Es gibt jetzt eine stärkere Aufsicht über die Ratingagenturen; das werden wir umsetzen. Es gibt höhere Eigenkapitalvorgaben, auch vom Ba- seler Ausschuss, die wir umzusetzen haben. Au- Leo Dautzenberg (CDU/CSU): ßerdem haben wir ein Gesetz zur Angemessenheit Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! der Vorstandsvergütung auf den Weg gebracht. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Haushalt ist (Joachim Poß [SPD]: Richtig! Alles Vorschläge ausreichend viel gesagt worden. Darüber ist aus- der SPD!) reichend debattiert worden. Ich möchte für meine Fraktion dennoch einige Dinge zur Finanzmarkt- Außerdem kann die Aufsicht über die Finanzinsti- problematik und zur Finanzmarktpolitik darlegen, tute jetzt aufgrund der Aufsichtsrichtlinie auch auf weil der Bund bei vielen finanzmarktpolitischen die Vergütungssysteme in den Banken im Bereich Aufgaben in einer finanziellen Verantwortung steht. unterhalb der Vorstandsebene Einfluss nehmen. Dieser Verantwortung kommen wir in Form be- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) stimmter Sonderfonds und Sonderhaushalte nach. Deshalb gehört es zu einer Haushaltsdebatte, Das sind doch entscheidende Beiträge, die wir dass wir auch Bereiche des Finanzmarktes be- schon auf den Weg gebracht haben. leuchten. Aufgrund der Folgen der Finanzmarkt- Herr Kollege Poß, es wäre hilfreich gewesen, und Wirtschaftskrise wurde der Bund schließlich in wenn Sie es positiv unterstützt hätten, als sich un- erheblichem Maße in Anspruch genommen. sere Regierung und unser Finanzminister am Mon- Verehrter Herr Kollege Poß, Ihr Vorhalt geht im tag auf der Finanzministerkonferenz für eine Regu- Grunde fehl. Ich glaube, Sie sollten unser gemein- lierung von Hedgefonds eingesetzt haben. Da sames Wirken hier nicht unter Wert verkaufen. Großbritannien sich gegen die Umsetzung sperrt, müssen wir doch nachdrücklich um Unterstützung (Joachim Poß [SPD]: Das mache ich nicht!) nachsuchen, damit wir auch auf diesem Gebiet ei- Das gilt insbesondere für das, was wir mit dem Fi- ne Regulierung auf den Weg bringen können, nanzmarktstabilisierungsgesetz und den Weiter- (Joachim Poß [SPD]: Da sind wir uns einig!) entwicklungen dieses Gesetzes auf den Weg ge- bracht haben, und dafür, wie wir die Stabilisierung damit wir das umsetzen können, was in unserem des Finanzmarktes betrieben haben. Koalitionsvertrag steht. In Zukunft soll es keine Fi- nanzmärkte, keine Finanzprodukte mehr geben, (Joachim Poß [SPD]: Auch die Konjunk- die nicht einem Mindestmaß an Regulierung unter- turpakete und die Managervergütung wa- liegen. ren nicht schlecht!) (Joachim Poß [SPD]: Da sind wir uns ja einig!) Wir als Union werden die Politik auf dieser Grund- lage fortsetzen. Von daher sollten wir positiv registrieren, dass die Vorschläge, die Obama vorgelegt hat, zeigen, Wenn Sie dem Minister hier vorhalten, er hätte dass in den USA zumindest Handlungsbedarf er- sich vorschnell zum EWF, zum Europäischen kannt worden ist. Wir sollten die Zeit nutzen, um Währungsfonds, geäußert, sage ich Ihnen: Neh- das auch auf unserer Ebene, auf europäischer men Sie bitte zur Kenntnis, dass er unabhängig Ebene nach vorne zu bringen. Wir sollten mit nati- von der Situation Griechenlands das Erfordernis onalen Maßnahmen anfangen. anderer Strukturen und Mechanismen als Hand- lungskasten sieht, um den Euro zukünftig weiterhin (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) 3010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Wir haben schon vor Monaten Eckpunkte vor- (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE gestellt – das war nicht überraschend; denn daran GRÜNEN]: Auf dem falschen Kurs!) arbeiten wir schon seit Monaten – und gesagt, wo Schritt für Schritt werden wir die richtigen Maß- wir auf nationaler, europäischer und internationaler nahmen umsetzen. Wir setzen darauf, dass wir sie Ebene Handlungsbedarf hinsichtlich der Regulie- auch auf internationaler Ebene umsetzen können, rung der Finanzmärkte sehen. Das ist im Grunde – um damit einen wesentlichen Beitrag zu leisten. ich nenne das einmal so – unser Dreiklang: eine verbesserte, effektivere Finanzaufsicht – durch Vielen Dank. Bündelung der Finanzaufsicht bei der Bundesbank (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) – verbunden mit einem weiter gehenden Insol- venzrecht für Finanzinstitute und einem Restruktu- rierungsfonds, der diese Maßnahmen begleiten Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: und auf den Weg bringen soll. Ich schließe die Aussprache. Das wollen wir mit einer Sonderabgabe für den Wir kommen nun zur Schlussabstimmung über Finanzsektor verbinden. Ich betone bewusst Fi- das Haushaltsgesetz 2010. Es geht dabei um die nanzsektor, weil wir neben den Banken auch den Drucksachen 17/200, 17/201, 17/601 bis 17/616, Versicherungsbereich einbeziehen müssen. Von 17/619 bis 17/625 sowie 17/1077. Es ist namentli- daher sollte Herr Brüderle überlegen, ob es sinn- che Abstimmung verlangt. Ich weise darauf hin, voll ist, von Anfang an bestimmte Bereiche des dass nach dieser namentlichen Abstimmung noch Bankensektors davon auszuschließen. Gehen Sie eine weitere namentliche sowie zahlreiche einfa- davon aus, dass wir eine solche Sonderabgabe in che Abstimmungen über Entschließungsanträge den jeweiligen Säulen des Bankensektors nach folgen werden. Risikogewichtung und nicht pauschal für den gan- Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schrift- zen Banken- und Finanzsektor vornehmen wer- führer, ihre vorgesehenen Plätze an den Urnen den. einzunehmen. – Ist dies erfolgt? Sind die Plätze an (Joachim Poß [SPD]: Da sieht man, dass den Urnen alle besetzt? – Das ist der Fall. Dann die Koalition nicht handlungsfähig ist! Er eröffne ich die Abstimmung. spricht Herrn Brüderle an!) Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das Von daher, Kollege Poß, sind wir hier auf gutem seine Stimme bei dieser ersten namentlichen Ab- Wege. Gehen Sie davon aus, dass der Finanzmi- stimmung nicht abgegeben hat? – Ich frage vor- nister und die Bundesregierung uns auf Grundlage sichtshalber noch einmal, da gerade noch Stim- dieser Forderungen im Frühjahr rechtzeitig Eck- men abgegeben wurden: Haben alle anwesenden punkte zu diesen Bereichen präsentieren werden. Abgeordneten ihre Stimme abgegeben? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und (Joachim Poß [SPD]: Was sagt die FDP? Was bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit sagt Herr Brüderle?) der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der 1 Wir gehen davon aus, dass wir dies dann auch Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. auf europäischer Ebene durchsetzen können. Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen (Joachim Poß [SPD]: Sie gegen die FDP zu unter- nun zu den Entschließungsanträgen. Wir beginnen stützen, das könnten wir uns überlegen!) mit der Abstimmung über drei Entschließungsan- träge der Fraktion der SPD. Wir müssen aufpassen, dass die Maßnahmen, die wir national in Gang setzen, mit den EU-Vorgaben Über den Entschließungsantrag auf Drucksa- kompatibel sind; sonst wäre das im Endeffekt kont- che 17/1083 soll namentlich abgestimmt werden. raproduktiv. Dazu bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftfüh- rer, ihre Plätze wieder einzunehmen. Ist das er- (Beifall bei der CDU/CSU) folgt? Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? – Noch eines: Denen, die hier immer betonen, Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. man sollte einige Bereiche des Finanzsektors von der Sonderabgabe ausschließen, weil sie die Krise nicht mit verursacht haben, muss ich sagen: Wenn Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das der Staat und damit der Steuerbürger die erfolgten die Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offen- Rettungsaktionen nicht unternommen hätte, wäre sichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Ab- der gesamte Finanzbereich in Mitleidenschaft ge- stimmung und bitte auch hier die Schriftführer um zogen worden. Deshalb sollte man keinen Bereich von Anfang an aus einer bestimmten Pflicht ent- lassen. Wie gesagt, die Sonderabgabe wird risiko- adjustiert sein. ______Daran sehen Sie: Die Union bleibt in der Fi- 1Ergebnis Seite 3007 C nanzpolitik auf Kurs. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3011 die Auszählung. Auch dieses Ergebnis wird Ihnen 90/Die Grünen und der SPD-Fraktion gegen die später bekannt gegeben.2 Stimmen der Fraktion Die Linke. Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Nun kommen wir zur Abstimmung über vier Ent- Sie, nach Möglichkeit Platz zu nehmen, damit wir schließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die die weiteren Abstimmungen vornehmen können Grünen. Zunächst der Entschließungsantrag auf und wir hier eine Übersicht über die Mehrheitsver- Druck-sache 17/1085. Wer ist dafür? – Wer stimmt hältnisse haben. dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs- antrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koaliti- Wir kommen zum Entschließungsantrag der onsfraktionen und der Fraktion der Linken bei Ent- Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1082. Wer haltung der Fraktion der SPD gegen die Fraktion stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? der Grünen. – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstim- Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1091. men der Oppositionsfraktionen. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthal- Wir kommen zum Entschließungsantrag der tungen? – Der Entschließungsantrag ist ebenfalls Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1088. Wer abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktio- stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? nen und der SPD-Fraktion bei Enthaltung der Frak- – Der Entschließungsantrag ist ebenfalls abgelehnt tion Die Linke gegen die Stimmen der Grünen. mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1092. Fraktion Bündnis 90/Grünen und der Fraktion Die Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthal- Linke bei Gegenstimmen der SPD-Fraktion. tungen? – Der Entschließungsantrag ist gegen die Wir stimmen nun über sechs Entschließungsan- Stimmen der Grünen mit den Stimmen aller übri- träge der Fraktion Die Linke ab, zunächst über den gen Fraktionen abgelehnt. Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1081. Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1093. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthal- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent- tungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den haltungen? – Auch dieser Entschließungsantrag ist Stimmen der Koalitionsfraktionen und den Stim- mit dem gleichen Stimmenergebnis abgelehnt. men der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und der SPD abgelehnt gegen die Stimmen der Linken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen liegen noch nicht Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1084. vor. Deshalb unterbreche ich die Sitzung bis zum Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthal- Vorliegen der Ergebnisse der beiden namentlichen tungen? – Auch dieser Entschließungsantrag ist Abstimmungen. abgelehnt mit dem gleichen Stimmenverhältnis. (Unterbrechung von 13.36 bis 13.43 Uhr) Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1086. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthal- tungen? – Auch dieser Entschließungsantrag ist Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: mit dem gleichen Stimmenergebnis abgelehnt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbro- chene Sitzung ist wieder eröffnet. Wir kommen zum Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1087. Wer stimmt dafür? – Wer ist Es liegen nun die von den Schriftführerinnen dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs- und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der antrag ist ebenfalls abgelehnt mit den Stimmen der beiden namentlichen Abstimmungen vor, die ich Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis Ihnen gerne bekannt geben möchte. 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion der Zunächst das Ergebnis der namentlichen SPD gegen die Stimmen der Linken. Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf der Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1089. Bundesregierung, das heißt über das Haushalts- Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthal- gesetz 2010: abgegebene Stimmen 569. Mit Ja tungen? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt haben gestimmt 313, mit Nein haben gestimmt gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke mit den 256, Enthaltungen gab es keine. Der Ge- Stimmen aller übrigen Fraktionen. setzentwurf ist damit angenommen. Nun kommen wir zum Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1090. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs- antrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koaliti- onsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion Bündnis

______2Ergebnis Seite 3009 D

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2951

Endgültiges Ergebnis Josef Göppel Dr. Bernhard Schulte- Abgegebene Stimmen: 569; Drüggelte davon Hermann Gröhe Matthias Lietz Michael Grosse-Brömer Dr. (Weil am ja: 313 Astrid Grotelüschen Rhein) nein: 256 Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Ja Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr Dr. Thomas de Maizière Dr. CDU/CSU zu Guttenberg Andreas Mattfeldt Thomas Silberhorn (Altötting) Johannes Singhammer Dr. Michael Meister Jens Spahn Peter Altmaier Holger Haibach Dr. Carola Stauche Dr. Dorothee Bär Jürgen Hardt Dr. h. c. Hans Michelbach Christian Freiherr von Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Dr. Stetten Norbert Barthle Dr. Philipp Mißfelder Günter Baumann Ursula Heinen-Esser Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Rudolf Henke Dr. Gerd Müller (Börde) Stefan Müller (Erlangen) Jürgen Herrmann Nadine Müller (St. Wen- (Heilbronn) Dr. del) Lena Strothmann Ernst Hinsken Dr. Michael Stübgen Dr. Robert Hochbaum Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Maria Böhmer Franz-Josef Holzenkamp Wolfgang Börnsen Joachim Hörster (Bönstrup) Anette Hübinger Dr. Michael Paul (Kleinsaara) Rita Pawelski Stefanie Vogelsang Dr. Dieter Jasper Ulrich Petzold Andrea Astrid Voßhoff Klaus Brähmig Dr. Dr. Dr. Michael Brand Dr. Egon Jüttner Sibylle Pfeiffer Dr. Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter (Ham- Dr. Alois Karl Christoph Poland burg) Dr. Bernhard Kaster Peter Weiß (Emmendin- Volker Kauder gen) Siegfried Kauder Lucia Puttrich Sabine Weiss (Wesel I) (Villingen- Daniela Raab Leo Dautzenberg Schwenningen) Karl-Georg Wellmann Dr. Stefan Kaufmann Dr. Peter Wichtel Thomas Dörflinger Annette Widmann-Mauz Marie-Luise Dött Klaus-Peter Willsch Dr. Elisabeth Winkelmeier- Jürgen Klimke Becker Ingrid Fischbach Julia Klöckner Dr. Dagmar Wöhrl Hartwig Fischer (Göttin- Johannes Röring Dr. gen) Dr. Norbert Röttgen Wolfgang Zöller Dirk Fischer (Hamburg) Manfred Kolbe Dr. Christian Ruck Willi Zylajew Axel E. Fischer (Karlsru- Dr. Rolf Koschorrek Erwin Rüddel he-Land) Hartmut Koschyk (Wei- SPD Dr. den) Marco Bülow Klaus-Peter Flosbach Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Günter Krings Dr. Wolfgang Schäuble FDP Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Martina Krogmann Dr. (Hof) Rüdiger Kruse Dr. Jens Ackermann Christine Aschenberg- Erich G. Fritz Dr. Hermann Kues Norbert Schindler Dugnus Dr. Michael Fuchs Günter Lach Daniel Bahr (Münster) Hans-Joachim Fuchtel Dr. Karl A. Lamers (Hei- Georg Schirmbeck Florian Bernschneider Alexander Funk delberg) Christian Schmidt (Fürth) Sebastian Blumenthal Ingo Gädechens Andreas G. Lämmel Claudia Bögel Dr. Dr. Norbert Lammert Dr. Andreas Schockenhoff Nicole Bracht-Bendt Dr. Dr. Ole Schröder Klaus Breil Ulrich Lange Dr. Kristina Schröder Rainer Brüderle Dr. Max Lehmer (Wiesbaden) Sylvia Canel 2952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Helga Daub Christel Humme Dr. Reiner Deutschmann Florian Toncar Dr. Bijan Djir-Sarai Serkan Tören Peer Steinbrück Patrick Döring Johannes Vogel (Lüden- Johannes Kahrs Dr. Frank-Walter Stein- Mechthild Dyckmans scheid) Dr. h. c. Susanne Kastner meier Rainer Erdel Dr. Daniel Volk Ulrich Kelber Christoph Strässer Jörg van Essen Dr. Ulrike Flach Dr. Claudia Winterstein Hans-Ulrich Klose Dr. h. c. Wolfgang Thierse Otto Fricke Dr. Dr. Bärbel Kofler Franz Thönnes Paul K. Friedhoff Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (Leipzig) Dr. Edmund Peter Geisen Rüdiger Veit Dr. Nein Nicolette Kressl Hans-Michael Goldmann Angelika Krüger-Leißner Dr. Marlies Volkmer Heinz Golombeck Ute Kumpf Andrea Wicklein SPD Joachim Günther (Plauen) Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Christel Happach- Ingrid Arndt-Brauer Christian Lange (Back- Waltraud Wolff Kasan nang) (Wolmirstedt) Heinz-Peter Haustein Dr. Karl Lauterbach Manuel Höferlin Dr. Hans-Peter Bartels Steffen-Claudio Lemme Birgit Homburger Manfred Zöllmer Dr. Sören Bartol Gabriele Lösekrug-Möller Heiner Kamp Sabine Bätzing Kirsten Lühmann DIE LINKE Dr. Lutz Knopek Lothar Binding (Heidel- Petra Merkel (Berlin) Dr. Dr. Heinrich L. Kolb berg) Ullrich Meßmer Hellmut Königshaus Klaus Brandner Dr. Dr. h. c. Jürgen Koppelin Franz Müntefering Matthias W. Birkwald Sebastian Körber (Hil- Dr. Rolf Mützenich Patrick Kurth (Kyffhäuser) desheim) Heinz Lanfermann Eva Bulling-Schröter Manfred Nink Dr. Martina Bunge Harald Leibrecht Petra Crone Thomas Oppermann Roland Claus Sabine Leutheusser- Dr. Peter Danckert Holger Ortel Sevim Daðdelen Schnarrenberger Elvira Drobinski-Weiß Aydan Özoðuz Dr. Lars Lindemann Heinz Paula Heidrun Dittrich Joachim Poß Werner Dreibus Dr. Martin Lindner (Berlin) Siegmund Ehrmann Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Michael Link (Heilbronn) Dr. h. c. Dr. Erwin Lotter Petra Ernstberger Dr. Wolfgang Gehrcke Karin Evers-Meyer Horst Meierhofer Elke Ferner Gerold Reichenbach Dr. Patrick Meinhardt Dr. Carola Reimann Heike Hänsel Gabriele Molitor Dr. Sönke Rix Inge Höger Jan Mücke René Röspel Dr. Barbara Höll Petra Müller () Peter Friedrich Dr. Ernst Dieter Ross- Andrej Konstantin Hunko Burkhardt Müller-Sönksen Sigmar Gabriel mann Dr. (Lau- Marlene Rupprecht Dr. Lukrezia Jochimsen sitz) (Tuchenbach) Iris Gleicke Anton Schaaf Hans-Joachim Otto Günter Gloser Axel Schäfer (Bochum) (Frankfurt) Bernd Scheelen Katrin Kunert Angelika Graf (Rosen- Gisela Piltz heim) (Schwandorf) Dr. Birgit Reinemund Michael Groschek Werner Schieder (Wei- Dr. Peter Röhlinger Michael Groß den) Michael Leutert Dr. Wolfgang Gunkel Ulla Schmidt (Aachen) Björn Sänger Hans-Joachim Hacker Silvia Schmidt (Eisleben) Ulla Lötzer Frank Schäffler Bettina Hagedorn Carsten Schneider (Erfurt) Dr. Gesine Lötzsch Christoph Schnurr Klaus Hagemann Michael Hartmann Ulrich Maurer (Wackernheim) (Spandau) Dorothée Menzner Dr. Erik Schweickert (Peine) Ewald Schurer Cornelia Möhring Werner Simmling Dr. Barbara Hendricks Dr. Angelica Schwall- Wolfgang Nešković Dr. Gabriele Hiller-Ohm Düren Joachim Spatz (Essen) Dr. Martin Schwanholz Torsten Heiko Staffeldt Frank Hofmann (Volkach) Jens Petermann Dr. Rainer Stinner Dr. Eva Högl Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2953

Richard Pitterle BÜNDNIS 90/ Memet Kilic DIE GRÜNEN Sven-Christian Kindler Dr. Hermann Ott Paul Schäfer (Köln) Maria Anna Klein- Michael Schlecht Schmeink Brigitte Pothmer Volker Beck (Köln) Dr. Herbert Schui Ute Koczy Tabea Rößner Dr. Ilja Seifert (Augsburg) Birgitt Bender Raju Sharma Alexander Bonde Dr. Fritz Kuhn Ekin Deligöz Stephan Kühn Christine Scheel Katja Dörner Sabine Stüber Renate Künast Dr. Hans-Josef Fell Alexander Süßmair Markus Kurth Dr. Dr. Thomas Gambke Dr. Undine Kurth (Quedlin- Dorothea Steiner Frank Tempel burg) Dr. Wolfgang Streng- Britta Haßelmann Alexander Ulrich mann-Kuhn Nicole Maisch Hans-Christian Ströbele Agnes Malczak Dr. Harald Terpe Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Harald Weinberg Kerstin Müller (Köln) Dr. Jörn Wunderlich Beate Müller-Gemmeke Wolfgang Wieland Bärbel Höhn Sabine Zimmermann Dr. Valerie Wilms Ingrid Hönlinger Dr. Josef Philip Winkler

abgegebene Stimmen 565. Mit Ja haben gestimmt (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 253, mit Nein 311, eine Enthaltung. Dieser Ent- Nun kommen wir zu dem Ergebnis der nament- schließungsantrag ist damit abgelehnt. lichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1083:

Endgültiges Ergebnis Dr. h. c. Gernot Erler Lars Klingbeil Dr. Carola Reimann Abgegebene Stimmen: 565; Petra Ernstberger Hans-Ulrich Klose Sönke Rix davon Karin Evers-Meyer Dr. Bärbel Kofler René Röspel Elke Ferner Daniela Kolbe (Leipzig) Dr. Ernst Dieter Ross- ja: 253 Gabriele Fograscher Anette Kramme mann nein: 311 Dr. Edgar Franke Nicolette Kressl Marlene Rupprecht enthalten: 1 Dagmar Freitag Angelika Krüger-Leißner (Tuchenbach) Peter Friedrich Ute Kumpf Anton Schaaf Ja Michael Gerdes Christine Lambrecht Axel Schäfer (Bochum) Martin Gerster Christian Lange (Back- Bernd Scheelen SPD Iris Gleicke nang) Marianne Schieder Günter Gloser Dr. Karl Lauterbach (Schwandorf) Ingrid Arndt-Brauer Ulrike Gottschalck Steffen-Claudio Lemme Werner Schieder (Wei- Rainer Arnold Angelika Graf (Rosen- Burkhard Lischka den) Doris Barnett heim) Gabriele Lösekrug-Möller Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Hans-Peter Bartels Michael Groschek Kirsten Lühmann Silvia Schmidt (Eisleben) Klaus Barthel Michael Groß Caren Marks Carsten Schneider (Erfurt) Sören Bartol Wolfgang Gunkel Katja Mast Olaf Scholz Sabine Bätzing Hans-Joachim Hacker Petra Merkel (Berlin) Ottmar Schreiner Dirk Becker Bettina Hagedorn Ullrich Meßmer Swen Schulz (Spandau) Uwe Beckmeyer Klaus Hagemann Dr. Matthias Miersch Ewald Schurer Lothar Binding (Heidel- Michael Hartmann Franz Müntefering Frank Schwabe berg) (Wackernheim) Dr. Rolf Mützenich Dr. Angelica Schwall- Klaus Brandner Hubertus Heil (Peine) Andrea Nahles Düren Willi Brase Dr. Barbara Hendricks Dietmar Nietan Dr. Martin Schwanholz Bernhard Brinkmann (Hil- Gustav Herzog Manfred Nink Rolf Schwanitz desheim) Gabriele Hiller-Ohm Thomas Oppermann Stefan Schwartze Edelgard Bulmahn Petra Hinz (Essen) Holger Ortel Dr. Carsten Sieling Marco Bülow Frank Hofmann (Volkach) Aydan Özoðuz Sonja Steffen Martin Burkert Dr. Eva Högl Heinz Paula Peer Steinbrück Petra Crone Christel Humme Joachim Poß Christoph Strässer Dr. Peter Danckert Josip Juratovic Dr. Wilhelm Priesmeier Kerstin Tack Elvira Drobinski-Weiß Oliver Kaczmarek Florian Pronold Dr. h. c. Wolfgang Thierse Garrelt Duin Johannes Kahrs Dr. Sascha Raabe Franz Thönnes Sebastian Edathy Dr. h. c. Susanne Kastner Mechthild Rawert Wolfgang Tiefensee Siegmund Ehrmann Ulrich Kelber Gerold Reichenbach Rüdiger Veit 2954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Ute Vogt Dr. Kirsten Tackmann Daniela Wagner Hermann Gröhe Dr. Marlies Volkmer Frank Tempel Wolfgang Wieland Michael Grosse-Brömer Andrea Wicklein Alexander Ulrich Dr. Valerie Wilms Astrid Grotelüschen Dr. Dieter Wiefelspütz Kathrin Vogler Josef Philip Winkler Markus Grübel Waltraud Wolff Sahra Wagenknecht Manfred Grund (Wolmirstedt) Halina Wawzyniak Nein Monika Grütters Uta Zapf Harald Weinberg Dr. Karl-Theodor Freiherr Dagmar Ziegler Jörn Wunderlich zu Guttenberg CDU/CSU Manfred Zöllmer Sabine Zimmermann Olav Gutting Brigitte Zypries Ilse Aigner Florian Hahn BÜNDNIS 90/ Peter Altmaier Holger Haibach DIE LINKE DIE GRÜNEN Peter Aumer Dr. Stephan Harbarth Dorothee Bär Jürgen Hardt Agnes Alpers Kerstin Andreae Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Dr. Dietmar Bartsch Volker Beck (Köln) Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Herbert Behrens Cornelia Behm Günter Baumann Ursula Heinen-Esser Karin Binder Alexander Bonde Ernst-Reinhard Beck Frank Heinrich Matthias W. Birkwald Ekin Deligöz (Reutlingen) Rudolf Henke Heidrun Bluhm Katja Dörner Manfred Behrens (Börde) Michael Hennrich Steffen Bockhahn Hans-Josef Fell Veronika Bellmann Jürgen Herrmann Eva Bulling-Schröter Dr. Thomas Gambke Dr. Christoph Bergner Ansgar Heveling Dr. Martina Bunge Kai Gehring Peter Beyer Ernst Hinsken Roland Claus Britta Haßelmann Steffen Bilger Peter Hintze Sevim Daðdelen Bettina Herlitzius Clemens Binninger Robert Hochbaum Dr. Diether Dehm Winfried Hermann Peter Bleser Karl Holmeier Heidrun Dittrich Priska Hinz (Herborn) Dr. Maria Böhmer Franz-Josef Holzenkamp Werner Dreibus Ulrike Höfken Wolfgang Börnsen Joachim Hörster Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Anton Hofreiter (Bönstrup) Anette Hübinger Klaus Ernst Bärbel Höhn Wolfgang Bosbach Thomas Jarzombek Wolfgang Gehrcke Ingrid Hönlinger Norbert Brackmann Dr. Dieter Jasper Annette Groth Uwe Kekeritz Klaus Brähmig Dr. Franz Josef Jung Dr. Gregor Gysi Memet Kilic Michael Brand Dr. Egon Jüttner Heike Hänsel Sven-Christian Kindler Dr. Reinhard Brandl Bartholomäus Kalb Inge Höger Maria Anna Klein- Helmut Brandt Steffen Kampeter Dr. Barbara Höll Schmeink Dr. Ralf Brauksiepe Alois Karl Andrej Konstantin Hunko Ute Koczy Dr. Helge Braun Bernhard Kaster Ulla Jelpke Oliver Krischer Heike Brehmer Volker Kauder Dr. Lukrezia Jochimsen Agnes Krumwiede Ralph Brinkhaus Siegfried Kauder Katja Kipping Fritz Kuhn Gitta Connemann (Villingen- Jan Korte Stephan Kühn Leo Dautzenberg Schwenningen) Jutta Krellmann Markus Kurth Alexander Dobrindt Dr. Stefan Kaufmann Katrin Kunert Undine Kurth (Quedlin- Thomas Dörflinger Roderich Kiesewetter Caren Lay burg) Marie-Luise Dött Eckart von Klaeden Sabine Leidig Monika Lazar Dr. Thomas Feist Volkmar Klein Ralph Lenkert Nicole Maisch Enak Ferlemann Jürgen Klimke Michael Leutert Agnes Malczak Ingrid Fischbach Julia Klöckner Stefan Liebich Jerzy Montag Hartwig Fischer (Göttin- Axel Knoerig Ulla Lötzer Kerstin Müller (Köln) gen) Jens Koeppen Dr. Gesine Lötzsch Beate Müller-Gemmeke Dirk Fischer (Hamburg) Manfred Kolbe Thomas Lutze Ingrid Nestle Axel E. Fischer (Karlsru- Dr. Rolf Koschorrek Ulrich Maurer Dr. Konstantin von Notz he-Land) Hartmut Koschyk Dorothée Menzner Omid Nouripour Dr. Maria Flachsbarth Michael Kretschmer Cornelia Möhring Friedrich Ostendorff Klaus-Peter Flosbach Gunther Krichbaum Niema Movassat Dr. Hermann Ott Herbert Frankenhauser Dr. Günter Krings Wolfgang Nešković Lisa Paus Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Martina Krogmann Thomas Nord Brigitte Pothmer (Hof) Rüdiger Kruse Petra Pau Tabea Rößner Michael Frieser Bettina Kudla Jens Petermann Claudia Roth (Augsburg) Erich G. Fritz Dr. Hermann Kues Richard Pitterle Krista Sager Dr. Michael Fuchs Günter Lach Yvonne Ploetz Manuel Sarrazin Hans-Joachim Fuchtel Dr. Karl A. Lamers (Hei- Paul Schäfer (Köln) Christine Scheel Alexander Funk delberg) Michael Schlecht Dr. Gerhard Schick Ingo Gädechens Andreas G. Lämmel Dr. Herbert Schui Dr. Frithjof Schmidt Dr. Peter Gauweiler Dr. Norbert Lammert Dr. Ilja Seifert Dorothea Steiner Dr. Thomas Gebhart Katharina Landgraf Raju Sharma Dr. Wolfgang Streng- Norbert Geis Ulrich Lange Dr. Petra Sitte mann-Kuhn Alois Gerig Dr. Max Lehmer Kersten Steinke Hans-Christian Ströbele Eberhard Gienger Paul Lehrieder Sabine Stüber Dr. Harald Terpe Josef Göppel Dr. Ursula von der Leyen Alexander Süßmair Markus Tressel Reinhard Grindel Ingbert Liebing Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2955

Matthias Lietz Karl Schiewerling Elisabeth Winkelmeier- Sabine Leutheusser- Dr. Carsten Linnemann Norbert Schindler Becker Schnarrenberger Patricia Lips Tankred Schipanski Dagmar Wöhrl Lars Lindemann Dr. Jan-Marco Luczak Georg Schirmbeck Dr. Matthias Zimmer Christian Lindner Dr. Michael Luther Christian Schmidt (Fürth) Wolfgang Zöller Dr. Martin Lindner (Berlin) Karin Maag Patrick Schnieder Willi Zylajew Michael Link (Heilbronn) Dr. Thomas de Maizière Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Erwin Lotter Andreas Mattfeldt Dr. Ole Schröder FDP Oliver Luksic Stephan Mayer (Altötting) Dr. Kristina Schröder Horst Meierhofer Jens Ackermann Dr. Michael Meister (Wiesbaden) Patrick Meinhardt Christine Aschenberg- Dr. Angela Merkel Bernhard Schulte- Gabriele Molitor Dugnus Maria Michalk Drüggelte Jan Mücke Daniel Bahr (Münster) Dr. h. c. Hans Michelbach Uwe Schummer Petra Müller (Aachen) Florian Bernschneider Dr. Mathias Middelberg Armin Schuster (Weil am Burkhardt Müller-Sönksen Sebastian Blumenthal Philipp Mißfelder Rhein) Dr. Martin Neumann (Lau- Claudia Bögel Dietrich Monstadt Detlef Seif sitz) Nicole Bracht-Bendt Marlene Mortler Johannes Selle Dirk Niebel Klaus Breil Dr. Gerd Müller Reinhold Sendker Hans-Joachim Otto Rainer Brüderle Stefan Müller (Erlangen) Dr. Patrick Sensburg (Frankfurt) Angelika Brunkhorst Nadine Müller (St. Wen- Thomas Silberhorn Cornelia Pieper Sylvia Canel del) Johannes Singhammer Gisela Piltz Helga Daub Dr. Philipp Murmann Jens Spahn Dr. Birgit Reinemund Reiner Deutschmann Michaela Noll Carola Stauche Dr. Peter Röhlinger Dr. Bijan Djir-Sarai Dr. Georg Nüßlein Erika Steinbach Dr. Stefan Ruppert Patrick Döring Franz Obermeier Christian Freiherr von Björn Sänger Mechthild Dyckmans Eduard Oswald Stetten Frank Schäffler Rainer Erdel Henning Otte Dieter Stier Christoph Schnurr Jörg van Essen Dr. Michael Paul Gero Storjohann Jimmy Schulz Ulrike Flach Rita Pawelski Stephan Stracke Marina Schuster Otto Fricke Ulrich Petzold Max Straubinger Dr. Erik Schweickert Paul K. Friedhoff Dr. Joachim Pfeiffer Karin Strenz Werner Simmling Dr. Edmund Peter Geisen Sibylle Pfeiffer Thomas Strobl (Heilbronn) Judith Skudelny Dr. Wolfgang Gerhardt Beatrix Philipp Lena Strothmann Dr. Hermann Otto Solms Hans-Michael Goldmann Ronald Pofalla Michael Stübgen Joachim Spatz Heinz Golombeck Christoph Poland Dr. Peter Tauber Torsten Heiko Staffeldt Joachim Günther (Plauen) Ruprecht Polenz Antje Tillmann Dr. Rainer Stinner Dr. Christel Happach- Eckhard Pols Dr. Hans-Peter Uhl Stephan Thomae Kasan Lucia Puttrich Arnold Vaatz Florian Toncar Heinz-Peter Haustein Daniela Raab Volkmar Vogel Serkan Tören Manuel Höferlin Thomas Rachel (Kleinsaara) Johannes Vogel (Lüden- Birgit Homburger Dr. Peter Ramsauer Stefanie Vogelsang scheid) Dr. Werner Hoyer Eckhardt Rehberg Andrea Astrid Voßhoff Dr. Daniel Volk Heiner Kamp Lothar Riebsamen Dr. Johann Wadephul Dr. Guido Westerwelle Michael Kauch Klaus Riegert Marco Wanderwitz Dr. Claudia Winterstein Dr. Lutz Knopek Dr. Heinz Riesenhuber Kai Wegner Dr. Volker Wissing Pascal Kober Johannes Röring Marcus Weinberg (Ham- Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Norbert Röttgen burg) Hellmut Königshaus Dr. Christian Ruck Peter Weiß (Emmendin- Dr. h. c. Jürgen Koppelin Enthaltung Erwin Rüddel gen) Sebastian Körber Albert Rupprecht (Wei- Sabine Weiss (Wesel I) Patrick Kurth (Kyffhäuser) BÜNDNIS 90/ den) Ingo Wellenreuther Heinz Lanfermann DIE GRÜNEN Anita Schäfer (Saalstadt) Karl-Georg Wellmann Sibylle Laurischk Dr. Wolfgang Schäuble Peter Wichtel Birgitt Bender Harald Leibrecht Dr. Annette Schavan Annette Widmann-Mauz Dr. Andreas Scheuer Klaus-Peter Willsch Damit sind wir am Ende der Debatte über den Ich wünsche Ihnen ein angenehmes, wenn auch Haushalt 2010 und auch am Schluss unserer heu- kurzes Wochenende und schließe die Sitzung. tigen Tagesordnung. (Schluss: 13.45 Uhr) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, 24. März 2010, 13 Uhr, ein. Berichtigung 31. Sitzung, Seite 2868 (A), erster Absatz, der ers- te Satz ist wie folgt zu lesen: „Als darüber gesprochen wurde, es solle eine Sondermünze geben, haben wir als Fraktion Die Linke gesagt: Jawohl, wenn wir eine 2956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

WM in Deutschland austragen, dann möge sich der Bund beteiligen, zumal es zu zusätzlichen Einnahmen kommt.“ Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2957

(A) (C) Anlagen zum Stenografischen Bericht

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 Abgeordnete(r) bis einschließlich DIE GRÜNEN Dr. Troost, Axel DIE LINKE 19.03.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 19.03.2010 Aken, Jan van DIE LINKE 19.03.2010 Wieczorek-Zeul, Hei- SPD 19.03.2010 Barchmann, Heinz- SPD 19.03.2010 demarie Joachim Beck (Bremen), Marie- BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 luise DIE GRÜNEN Anlage 2 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 19.03.2010 Amtliche Mitteilungen Bollmann, Gerd SPD 19.03.2010 Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernäh- Buchholz, Christine DIE LINKE 19.03.2010 rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat Burchardt, Ulla SPD 19.03.2010 mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz Cramon-Taubadel, BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Bericht- Viola von DIE GRÜNEN erstattung zu den nachstehenden Vorlagen ab- Dörmann, Martin SPD 19.03.2010 sieht: Göring-Eckardt, BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Katrin DIE GRÜNEN Nationaler Biomasseaktionsplan für Deutschland Götz, Peter CDU/CSU 19.03.2010 – Drucksachen 16/12955, 17/591 Nr. 1.10 – Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 19.03.2010 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Gohlke, Nicole DIE LINKE 19.03.2010 (B) Aktionsplan der Bundesregierung zur stofflichen Nut- (D) Golze, Diana DIE LINKE 19.03.2010 zung nachwachsender Rohstoffe Granold, Ute CDU/CSU 19.03.2010 – Drucksachen 16/14061, 17/591 Nr. 1.29 – Hempelmann, Rolf SPD 19.03.2010 Hoff, Elke FDP 19.03.2010 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden DIE GRÜNEN Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Jung (Konstanz), And- CDU/CSU 19.03.2010 reas Keul, Katja BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 Innenausschuss DIE GRÜNEN Drucksache 17/720 Nr. A.4 Koch, Harald DIE LINKE 19.03.2010 Ratsdokument 17686/09 Drucksache 17/720 Nr. A.5 Koenigs, Thomas BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 Ratsdokument 17697/09 DIE GRÜNEN Drucksache 17/720 Nr. A.6 Ratsdokument 17702/09 Kopp, Gudrun FDP 19.03.2010 Kossendey, Thomas CDU/CSU 19.03.2010 Mattheis, Hilde SPD 19.03.2010 Finanzausschuss Möller, Kornelia Drucksache 17/178 Nr. A.8 DIE LINKE 19.03.2010 Ratsdokument 15047/09 Pflug, Johannes SPD 19.03.2010 Drucksache 17/504 Nr. A.17 Roth (Esslingen), Ratsdokument 10875/09 SPD 19.03.2010 Drucksache 17/592 Nr. A.2 Karin Ratsdokument 17760/09 Scharfenberg, BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 Elisabeth DIE GRÜNEN Haushaltsausschuss Dr. Scheer, Hermann SPD 19.03.2010 Drucksache 17/504 Nr. A.19 Senger-Schäfer, DIE LINKE 19.03.2010 Ratsdokument 12448/09 Kathrin Drucksache 17/592 Nr. A.3 Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 19.03.2010 Ratsdokument 17588/09 2958 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. März 2010

(A) Drucksache 17/720 Nr. A.11 Drucksache 17/136 Nr. A.84 (C) Ratsdokument 5175/10 Ratsdokument 12097/09 Drucksache 17/720 Nr. A.13 Ratsdokument 5272/10 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/136 Nr. A.72 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe EuB-EP 1962; P6_TA-PROV(2009)0370 Drucksache 17/136 Nr. A.73 Drucksache 17/136 Nr. A.99 Ratsdokument 10628/09 EuB-EP 1975; P7_TA-PROV(2009)0019 Drucksache 17/136 Nr. A.74 Drucksache 17/315 Nr. A.4 Ratsdokument 10883/09 EuB-EP 1981; P7_TA-PROV(2009)0056 Drucksache 17/136 Nr. A.75 Drucksache 17/315 Nr. A.5 Ratsdokument 11374/09 EuB-EP 1983; P7_TA-PROV(2009)0059 Drucksache 17/136 Nr. A.76 Drucksache 17/315 Nr. A.6 Ratsdokument 11717/09 EuB-EP 1984; P7_TA-PROV(2009)0060 Drucksache 17/136 Nr. A.77 Drucksache 17/592 Nr. A.7 Ratsdokument 11778/09 EuB-EP 1995; P7_TA-PROV(2009)0103 Drucksache 17/136 Nr. A.78 Drucksache 17/592 Nr. A.8 Ratsdokument 12671/09 EuB-EP 1996; P7_TA-PROV(2009)0104 Drucksache 17/178 Nr. A.26 Ratsdokument 15305/09 Drucksache 17/504 Nr. A.20 Ausschuss für Kultur und Medien EuB-EP 1985; P7_TA-PROV(2009)0063 Drucksache 17/136 Nr. A.118 Ratsdokument 12814/09

Ausschuss für Gesundheit

(B) (D)