Plenarprotokoll 16/43

Deutscher

Stenografischer Bericht

43. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

I n h a l t :

Erweiterung und Abwicklung der Tages- – zu dem Antrag der Abgeordneten ordnung ...... Christine Scheel, , Dr. , weiterer Ab- 3965 A geordneter und der Fraktion des Absetzung der Tagesordnungspunkte 16, BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: 17, 34 und 38 i ...... Steueränderungsgesetz 2007 zu- rückziehen 3966 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Nachträgliche Ausschussüberweisungen Dr. , Dr. Hermann 3967A Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter und der Begrüßung des Parlamentspräsidenten Fraktion der FDP: Keine weiteren der Republik Indien, Herrn Chatterjee .... Steuererhöhungen 4013 A (Drucksachen 16/1501, 16/1654, 16/2012, 16/2028) ...... Tagesordnungspunkt 3: 3971 C a) – Zweite und dritte Beratung des von Dr. (DIE LINKE) den Fraktionen der CDU/CSU und (zur Geschäftsordnung) ...... der SPD eingebrachten Entwurfs 3967 B eines Steueränderungsgesetzes 2007 Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) (Drucksachen 16/1545, 16/2012, (zur Geschäftsordnung) ...... 16/2028, 16/2013) ...... 3967 D 3971 B Carl-Ludwig Thiele (FDP) – Zweite und dritte Beratung des von (zur Geschäftsordnung) ...... der Bundesregierung eingebrach- 3968 C ten Entwurfs eines Steuerände- rungsgesetzes 2007 (SPD) (Drucksachen 16/1859, 16/1969, (zur Geschäftsordnung)...... 16/2012, 16/2028, 16/2013) ...... 3969 D 3971 C (Köln) (BÜNDNIS 90/ b) Beschlussempfehlung und Bericht des DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) Finanzausschusses 3970 B II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Peer Steinbrück, Bundesminister BMF .... Namentliche Abstimmung ...... 3972 A 3994 B Dr. Volker Wissing (FDP) ...... Ergebnis ...... 3974 A 3994 D (CDU/CSU) ...... 3975 C Tagesordnungspunkt 4: Jürgen Koppelin (FDP) ...... 3977 A a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Dr. (DIE LINKE) ...... Antrag der Abgeordneten Birgitt Ben- 3977 C der, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Ha- rald Terpe, weiterer Abgeordneter und Peer Steinbrück, Bundesminister BMF .... der Fraktion des BÜNDNISSES 3980 A 90/DIE GRÜNEN: Dem Solidarsys- tem eine stabile Grundlage geben – Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) ...... für eine nachhaltige Finan- 3980 C zierungsreform der Krankenversi- cherung (BÜNDNIS 90/ (Drucksachen 16/950, 16/2002) ...... DIE GRÜNEN) ...... 3997 B 3981 B b) Zweite und dritte Beratung des von Gabriele Frechen (SPD) ...... der Fraktion der LINKEN eingebrach- 3983 D ten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Fünften Buches Sozial- (DIE LINKE) ...... gesetzbuch (Drucksachen 16/451, 16/1753) ...... 3986 A 3997 C Carl-Ludwig Thiele (FDP) ...... 3936 C c) Antrag der Abgeordneten Birgitt Ben- der, , Dr. Thea Dü- (CDU/CSU) ...... ckert, weiterer Abgeordneter und der 3987 B Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Stärkung der Solidarität Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) ...... und Ausbau des Wettbewerbs – Für 3989 C eine leistungsfähige Krankenversi- cherung Olav Gutting (CDU/CSU) ...... (Drucksache 16/1928) ...... 3997 C 3989 D (SPD) ...... in Verbindung mit 3993 A Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) ...... Zusatztagesordnungspunkt 2: 3990 C Antrag der Abgeordneten (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) ...... Schily, weiterer Abgeordneter und der 3991 B Fraktion der FDP: Für Nachhaltigkeit, Transparenz, Eigenverantwortung und (CDU/CSU) ...... Wettbewerb im Gesundheitswesen 3991 D (Drucksache 16/1997) ...... 3997 C Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin 3993 B BMG ...... 3997 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 III

Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/ 4019 C DIE GRÜNEN) ...... c) Erste Beratung des von der Bundes- 3998 C regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Achten Gesetzes zur Änderung Daniel Bahr (Münster) (FDP) ...... des Ver- 3999 D sicherungsaufsichtsgesetzes sowie zur Änderung des Finanzdienstleis- Wolfgang Zöller (CDU/CSU) ...... tungsaufsichtsgesetzes und ande- 4001 B rer Vorschriften (Drucksache 16/1937) ...... Dr. (DIE LINKE) ...... 4019 D 4003 C d) Erste Beratung des von der Bundes- Renate Künast (BÜNDNIS 90/ regierung eingebrachten Entwurfs ei- DIE GRÜNEN) ...... nes Zweiten Gesetzes zur Änderung 4004 D des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundes- Daniel Bahr (Münster) (FDP) ...... eisenbahnvermögen und in den Un- 4005 C ternehmen der Deutschen Bundes- post Dr. Carola Reimann (SPD) ...... (Drucksache 16/1938) ...... 4006 C 4019 D

Heinz Lanfermann (FDP) ...... e) Erste Beratung des von der Bundes- 4008 B regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) ...... 13. April 2005 zwischen der Bun- 4009 C desrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Frank Spieth (DIE LINKE) ...... den Zusammenschluss der deut- 4011 D schen Bundesstraße B 56n und der niederländischen Regionalstraße (BÜNDNIS 90/ N 297n an der gemeinsamen Staats- DIE GRÜNEN) ...... grenze durch Errichtung einer 4013 A Grenzbrücke (Drucksache 16/1939) ...... (SPD) ...... 4020 A 4014 D f) Erste Beratung des von der Bundes- Dr. (CDU/CSU) ...... regierung eingebrachten Entwurfs ei- 4015 C nes Ersten Gesetzes zur Änderung des vorläufigen Tabakgesetzes Elke Ferner (SPD) ...... (Drucksache 16/1940) ...... 4017 C 4020 A

g) Antrag der Abgeordneten , Namentliche Abstimmung ...... Sevim Dagdelen, Dr. Hakki Keskin, 4025 A weiterer Abgeordneter und der Frakti- on der LINKEN: Die Welt zu Gast bei Freunden – Für eine offenere Migra- Ergebnis ...... tions- und Flüchtlingspolitik in 4025 C Deutschland und in der Europäi- schen Union (Drucksache 16/1199) ...... Tagesordnungspunkt 37: 4020 A b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Zweiten Gesetzes zur Änderung Zusatztagesordnungspunkt 3: des Betriebsrentengesetzes a) Antrag der Abgeordneten Marieluise (Drucksache 16/1936) ...... Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter g) Antrag der Abgeordneten Heike Hän- und der Fraktion des BÜNDNISSES sel, Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, weite- 90/DIE GRÜNEN: Menschenrechte rer Abgeordneter und der Fraktion der in Usbekistan einfordern LINKEN: Keine Weltbankkredite für (Drucksache 16/1975) ...... Atomtechnologie (Drucksache 16/1961) ...... 4020 B 4020 D b) Antrag der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Dr. Uschi Eid, weiterer h) Antrag der Abgeordneten Hüseyin- Abgeordneter und der Fraktion des Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. Die- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Eine ther Dehm, weiterer Abgeordneter und Weltbank-Energiepolitik der Zu- der Fraktion der LINKEN: Agrarbeihil- kunft – Ja zu mehr Effizienz und er- feempfänger offen legen neuerbaren Energien, Nein zur A- (Drucksache 16/1962) ...... tomkraft 4021 A ...... (Drucksache 16/1978) ...... 4020 B Tagesordnungspunkt 38: c) Antrag der Abgeordneten Hans- a) Zweite Beratung und Schlussabstim- Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), mung des von der Bundesregierung und der Fraktion des eingebrachten Entwurfs eines Geset- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Be- zes zu dem Abkommen vom fragung von Gefolterten und Nut- 8. Juni 2005 zwischen der Regie- zung von Foltererkenntnissen aus- rung der Bundesrepublik Deutsch- schließen land und dem Schweizerischen (Drucksache 16/836) ...... Bundesrat, handelnd im Namen des Kantons Schaffhausen, über die 4020 C Erhaltung einer Straßenbrücke über d) Antrag der Abgeordneten Thilo Hop- die Wutach zwischen Stühlingen pe, Hans-Christian Ströbele und der (Baden-Württemberg) und Ober- Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE wiesen (Schaffhausen) GRÜNEN: Indigene Völker – Ratifi- (Drucksachen 16/1611, 16/1964) ...... zierung des Übereinkommens der 4021 A Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in b) Zweite Beratung und Schlussabstim- Stämmen lebende Völker in unab- mung des von der Bundesregierung hängigen Staaten eingebrachten Entwurfs eines Geset- (Drucksache 16/1971) ...... zes zu dem Abkommen vom 8. Juni 2005 zwischen der Regie- 4020 C rung der Bundesrepublik Deutsch- e) Antrag der Abgeordneten Burkhardt land und dem Schweizerischen Müller-Sönksen, , Dr. Bundesrat, handelnd im Namen des , weiterer Abgeordneter Kantons Aargau, über Bau und Er- und der Fraktion der FDP: 7. Bericht haltung einer Rheinbrücke zwi- der Bundesregierung über ihre schen Laufenburg (Baden- Menschenrechtspolitik in den aus- Württemberg) und Laufenburg wärtigen Beziehungen und in Poli- (Aargau) tikbereichen (Drucksachen 16/1612, 16/1965) ...... (Drucksache 16/1999) ...... 4021 B 4020 C c) Zweite Beratung und Schlussabstim- f) Antrag der Abgeordneten Florian Ton- mung des von der Bundesregierung car, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. eingebrachten Entwurfs eines Geset- , weiterer Abgeordneter zes zu dem Abkommen vom und der Fraktion der FDP: Für die 28. Juni 2004 zwischen der Bundes- weltweite Sicherstellung der Religi- republik Deutschland und der Re- onsfreiheit publik Singapur zur Vermeidung (Drucksache 16/1998) ...... der Doppelbesteuerung auf dem 4020 D Gebiet der Steuern vom Einkom- men und vom Vermögen (Drucksachen 16/1619, 16/1974) ...... Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 V

4021 C Fraktion der FDP: BSE- Testpflichtaltersgrenze anheben d) Zweite und dritte Beratung des von (Drucksachen 16/1170, 16/2001) ...... der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes 4022 D über die Bereinigung von Bundes- k) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- recht im Zuständigkeitsbereich des schusses: Übersicht 3 über die dem Bundesministeriums des Innern Deutschen Bundestag zugeleiteten (Drucksachen 16/1620, 16/1979) ...... Streitsachen vor dem Bundesver- 4021 D fassungsgericht (Drucksache 16/1956) ...... e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten 4023 A Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur m)–u) Änderung des Urheberrechtsgeset- ...... zes Beschlussempfehlungen des Petiti- (Drucksachen 16/1107, 16/1173, onsausschusses: Sammelübersich- 16/2019) ...... ten 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68 und 4022 A 69 zu Petitionen (Drucksachen 16/1911, 16/1912, f) Beschlussempfehlung und Bericht des 16/1913, 16/1914, 16/1915, 16/1916, Ausschusses für Umwelt, Naturschutz 16/1917, 16/1918, 16/1919) ...... und Reaktorsicherheit zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: 4023 B Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Luftqualität und saubere Zusatztagesordnungspunkt 4: Luft für Europa KOM (2005) 447 a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, endg.; Ratsdok. 14335/05 der SPD, der FDP und des BÜND- (Drucksachen 16/288 Nr. 2.20, NISSES 90/ DIE GRÜNEN: Ökologi- 16/1814) schen Landbau in Deutschland und 4022 B Europa weiterentwickeln (Drucksache 16/1972) ...... g) Beratung der Zweiten Beschlussemp- fehlung des Wahlprüfungsausschus- 4024 A ses zu 62 gegen die Gültigkeit der b)–k) Wahl zum 16. Deutschen Bundes- Beschlussempfehlungen des Petiti- tag eingegangenen Wahleinsprü- onsausschusses: Sammelübersich- chen ten 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78 (Drucksache 16/1800) ...... und 79 zu Petitionen 4022 C ...... (Drucksachen 16/1980, 16/1981, h) Beschlussempfehlung und Bericht des 16/1982, 16/1983, 16/1984, 16/1985, Ausschusses für Ernährung, Landwirt- 16/1986, 16/1987, 16/1988, 16/1989) schaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Undine 4024 B Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, Ul- rike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES Tagesordnungspunkt 5: 90/DIE GRÜNEN: EU-Kommission a) – Zweite und dritte Beratung des von muss nationale Tierschutzbemü- der Bundesregierung eingebrach- hungen respektieren ten Entwurfs eines Gesetzes zur (Drucksachen 16/549, 16/2008) ...... Umsetzung europäischer Richt- 4022 C linien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehand- i) Beschlussempfehlung und Bericht des lung Ausschusses für Ernährung, Landwirt- (Drucksachen 16/1780, 16/1852, schaft und Verbraucherschutz zu dem 16/2022, 16/2024) ...... Antrag der Abgeordneten Hans- Michael Goldmann, Dr. Christel Hap- 4027 B pach-Kasan, Dr. Edmund Peter Gei- – Zweite und dritte Beratung des von sen, weiterer Abgeordneter und der den Abgeordneten Irmingard VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln) 4032 B und der Fraktion des BÜNDNIS- Sevim Dagdelen (DIE LINKE) ...... SES 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur 4034 B Umsetzung europäischer Anti- Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ diskriminierungsrichtlinien DIE GRÜNEN) ...... (Drucksache 16/297, 16/2022, 4035 B 16/2024) ...... (SPD) ...... 4027 B 4036 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) ...... Rechtsausschusses 4037 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, , Sevim Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) ...... Dagdelen, weiterer Abgeordneter 4039 A und der Fraktion der LINKEN: EU- Antidiskriminierungsrichtlinien durch einheitliches Antidiskri- Namentliche Abstimmung ...... minierungsgesetz wirksam und 4042 B umfassend umsetzen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Ergebnis ...... Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Markus Kurth, weite- 4042 C rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Keine Ausgrenzung beim Tagesordnungspunkt 6: Antidiskriminierungsgesetz a) – Zweite und dritte Beratung des von – zu dem Antrag der Abgeordneten den Fraktionen der CDU/CSU und Mechthild Dyckmans, Sabine Leut- der SPD eingebrachten Entwurfs heusser-Schnarrenberger, Jörg eines Gesetzes zur Neuregelung van Essen, weiterer Abgeordneter des Rechts der Verbraucherin- und der Fraktion der FDP: Büro- formation kratie schützt nicht vor Diskri- (Drucksachen 16/1408, 16/2011) ... minierung – Allgemeines 4040 C Gleichbehandlungsgesetz ist der falsche Weg – Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion des BÜNDNISSES (Drucksachen 16/370, 16/957, 90/DIE GRÜNEN eingebrachten 16/1861, 16/2022) ...... Entwurfs eines Verbraucherin- 4028 A formationsgesetzes (VIG) ...... , Bundesministerin BMJ ... (Drucksache 16/199, 16/2011) ...... 4028 B 4040 C

Dr. (FDP) ...... b) Beschlussempfehlung und Bericht des 4029 D Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... – zu dem Antrag der Abgeordneten 4030 C , Ursula Heinen, , weiterer Abgeordne- (BÜNDNIS 90/ ter und der Fraktion der CDU/CSU DIE GRÜNEN) ...... sowie der Abgeordneten Waltraud 4032 A Wolff (Wolmirstedt), , , weiterer Abge- Dr. Guido Westerwelle (FDP) ...... ordneter und der Fraktion der SPD: 4032 B Lebensmittelskandalen effektiv entgegenwirken – Verbraucher Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) ...... umfassend informieren Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 VII

– zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE) ...... Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cor- 4058 A nelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- (CDU/CSU) ...... SES 90/DIE GRÜNEN: Konse- 4059 B quenzen aus den Fleischskanda- len: Umfassende Ver- Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ braucherinformation und besse- DIE GRÜNEN) ...... re Kontrollen 4060 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Grotthaus (SPD) ...... Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Jens A- 4062 A ckermann, weiterer Abgeordneter , Bundesminister BMWi ...... und der Fraktion der FDP: Verbraucherschutz in der 4063 A Marktwirtschaft durch mündige (SPD) ...... und aufgeklärte Verbraucher si- cherstellen 4065 A (Drucksachen 16/195, 16/111, 16/825, Dr. , Bundesministerin 16/2009) ...... BMBF ...... 4040 D 4066 C Ursula Heinen (CDU/CSU) ...... (SPD) ...... 4041 A 4068 C Hans-Michael Goldmann (FDP) ...... (CDU/CSU) ...... 4045 A 4070 A Elvira Drobinski-Weiß (SPD) ...... 4046 B Tagesordnungspunkt 7: Dr. (DIE LINKE) ...... Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, 4048 A Joachim Günther (Plauen), Jens Acker- mann, weiterer Abgeordneter und der Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ Fraktion der FDP: Recht der Sportwet- DIE GRÜNEN) ...... ten neu ordnen und Finanzierung des 4049 A Sports sowie anderer Gemeinwohlbe- lange sichern Julia Klöckner (CDU/CSU) ...... (Drucksache 16/1674) ...... 4050 A 4071 B (SPD) ...... Detlef Parr (FDP) ...... 4052 B 4071 C (CDU/CSU) ...... Zusatztagesordnungspunkt 5: 4073 A Aktuelle Stunde auf Verlangen der Frak- Katrin Kunert (DIE LINKE) ...... tionen der CDU/CSU und der SPD: Lage 4074 C am Ausbildungsmarkt – Ausbildungs- pakt als Chance für Unternehmen, (SPD) ...... junge Menschen und den Arbeitsmarkt 4075 C Ernst Hinsken (CDU/CSU) ...... (BÜNDNIS 90/ 4054 B DIE GRÜNEN) ...... Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 4076 D 4055 C Dr. (SPD) ...... Nicolette Kressl (SPD) ...... 4077 C 4057 A VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Detlef Parr (FDP) ...... 4086 A 4077 D Ergebnis ...... 4086 B Tagesordnungspunkt 8: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Tagesordnungspunkt 9: Entwurfs eines Gesetzes zur Neure- gelung der Besteuerung von Ener- a) Zweite und dritte Beratung des von gieerzeugnissen und zur Änderung den Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, des Stromsteuergesetzes und der Fraktion der (Drucksachen 16/1172, 16/1347, LINKEN eingebrachten Entwurfs eines 16/2007, 16/2061, 16/2023) ...... Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch 4078 D (Drucksachen 16/856, 16/1208) ...... b) Beschlussempfehlung und Bericht des 4089 B Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell, b) Beschlussempfehlung und Bericht des , Dr. Reinhard Loske, Ausschusses für Arbeit und Soziales weiterer Abgeordneter und der Frakti- zu dem Antrag der Abgeordneten on des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜ- Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens A- NEN: Biokraftstoffe intelligent för- ckermann, Dr. Karl Addicks, weiterer dern – Steuerbegünstigung erhal- Abgeordneter und der Fraktion der ten FDP: Innere Sicherheit durch Rege- (Drucksachen 16/583, 16/2007, lungen zum Arbeitskampfrecht ge- 16/2061) währleisten (Drucksachen 16/953, 16/1208) ...... 4079 A 4089 C c) Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara (SPD) ...... Höll, weiterer Abgeordneter und der 4089 C Fraktion der LINKEN: Biokraftstoffe nachhaltig fördern Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) ...... (Drucksache 16/1895 (neu)) ...... 4091 A 4079 A (CDU/CSU) ...... Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD) .... 4092 A 4079 B Oskar Lafontaine (DIE LINKE) ...... Dr. (SPD) ...... 4093 D 4081 B Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ (FDP) ...... DIE GRÜNEN) ...... 4095 A 4081 C Norbert Schindler (CDU/CSU) ...... Namentliche Abstimmung ...... 4082 A 4098 A Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) ...... 4083 C Ergebnis ...... Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/ 4098 C DIE GRÜNEN) ...... 4084 B Tagesordnungspunkt 10: Dr. (CDU/CSU) ...... a) – Zweite und dritte Beratung des von 4085 B den Abgeordneten (Hamm), , Klaus Namentliche Abstimmung ...... Brähmig, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 IX

sowie den Abgeordneten Dr. Rai- NEN: Presse- und Meinungsfreiheit ner Wend, , Klaus in Kuba einfordern Barthel, weiteren Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten Ma- und der Fraktion der SPD einge- rina Schuster, Florian Toncar, Burk- brachten Entwurfs eines Ersten hardt Müller-Sönksen, weiterer Abge- Gesetzes zum Abbau bürokrati- ordneter und der Fraktion der FDP: scher Hemmnisse insbesondere Menschenrechte in Kuba einfordern in der mittelständischen Wirt- und die kubanische Zivilgesell- schaft schaft fördern ...... (Drucksachen 16/1407, 16/2017) .. (Drucksachen 16/934, 16/945, 16/2006) . 4096 B 4105 C – Zweite und dritte Beratung des von Christoph Strässer (SPD) ...... der Bundesregierung eingebrach- 4105 D ten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zum Abbau bürokratischer (FDP) ...... Hemmnisse insbesondere in der 4107 C mittelständischen Wirtschaft ...... (DrucksachenPeter 16/1853, Weiß 16/1970, (Emmendingen) 16/2017) (CDU/CSU) 4096 C 4108 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) ...... Ausschusses für Wirtschaft und Tech- 4109 D nologie zu dem Antrag der Abgeord- neten , Rainer Brüderle, Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ Paul K. Friedhoff, weiterer Abgeordne- DIE GRÜNEN) ...... ter und der Fraktion der FDP: Statis- 4111 A tikpflichten zurückführen – Büro- kratiekosten senken Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) ...... 4112 A (Drucksachen 16/1167, 16/2017) ...... 4096 C Namentliche Abstimmung ...... Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU) ...... 4116 A 4096 D Martin Zeil (FDP) ...... Ergebnis ...... 4100 B 4115 D Christian Lange (Backnang) (SPD) ...... 4101 D Tagesordnungspunkt 12: Sabine Zimmermann (DIE LINKE) ...... Zweite und dritte Beratung des von der 4103 C Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der neu Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/ gefassten Bankenrichtlinie und der DIE GRÜNEN) ...... neu gefassten Kapitaladäquanzrichtli- 4104 B nie (Drucksache 16/1335, 16/2018, 16/2056) 4112 D

Tagesordnungspunkt 36: Frank Schäffler (FDP) ...... Beschlussempfehlung und Bericht des 4113 A Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (CDU/CSU) ...... – zu dem Antrag der Abgeordneten Vol- 4114 A ker Beck (Köln), Irmingard Schewe- Gerigk, (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Frakti- Tagesordnungspunkt 13: on des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Antrag der Abgeordneten Michael Kauch, Tagesordnungspunkt 15: Dr. , Sabine Leutheusser- Antrag der Abgeordneten Sevim Dagde- Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter len, Ulla Jelpke, , weiterer Ab- und der Fraktion der FDP: Patientenver- geordneter und der Fraktion der LINKEN: fügungen neu regeln – Selbstbestim- Einbürgerungen erleichtern – Aus- mungsrecht und Autonomie von grenzungen ausschließen nichteinwilligungsfähigen Patienten (Drucksache 16/1770) ...... stärken (Drucksache 16/397) ...... 4124 D 4118 B Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) ...... Tagesordnungspunkt 18: 4118 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Tagesordnungspunkt 14: Rückgewinnungshilfe und der Vermö- gensabschöpfung bei Straftaten – Zweite und dritte Beratung des von (Drucksache 16/700, 16/2021) ...... der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset- 4125 A zung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen Zusatztagesordnungspunkt 6: den Mitgliedstaaten der Euro- Antrag der Fraktionen der FDP und des päischen Union (Europäisches BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Demo- Haftbefehlsgesetz – EuHbG) kratiebewegung in Belarus unterstüt- (Drucksachen 16/1024, 16/2015) ...... zen 4119 C (Drucksache 16/1977) ...... – Zweite und dritte Beratung des von 4125 B den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Rah- Tagesordnungspunkt 20: menbeschlusses über den Europäi- a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU schen Haftbefehl und die Überga- und der SPD: UN- beverfahren zwischen den Mitglied- Überprüfungskonferenz als Chance staaten der Europäischen Union zur wirksamen Kontrolle des Han- (Europäisches Haftbefehlsgesetz – dels mit Kleinwaffen und leichten EuHbG) Waffen nutzen (Drucksachen 16/544, 16/2015) ...... (Drucksache 16/1894) ...... 4119 C 4125 C

Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär b) Antrag der Abgeordneten Holger Hai- BMJ ...... bach, , Carl-Eduard 4119 D von Bismarck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Abgeordneten Dr. Herta Däubler- (FDP) ...... Gmelin, Christoph Strässer, Niels An- 4120 C nen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den neuen Men- Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) schenrechtsrat der Vereinten Nati- (CDU/CSU) ...... onen zum Erfolg führen 4121 C ...... (Drucksache 16/1891) ...... Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 4125 C 4122 D in Verbindung mit Dr. Carl-Christian Dressel (SPD) ...... 4123 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 XI

Antrag der Abgeordneten Winfried (), Dr. Klaus W. Lippold, weite- Nachtwei, , Jürgen Trit- rer Abgeordneter und der Fraktion der tin, weiterer Abgeordneter und der Frakti- CDU/CSU sowie der Abgeordneten Petra on des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Weis, Sören Bartol, , Waffen unter Kontrolle – Für eine um- weiterer Abgeordneter und der Fraktion fassende Begrenzung und Kontrolle der SPD: Stadtentwicklung ist moderne des Handels mit Kleinwaffen und Mu- Struktur- und Wirtschaftspolitik nition (Drucksachen 16/1890, 16/2004) ...... (Drucksache 16/1967) ...... 4132 C 4125 D

Tagesordnungspunkt 21: in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Cornelia Behm, Undine Kurth (Qued- Zusatztagesordnungspunkt 8: linburg), Hans-Josef Fell, weiteren Abge- Antrag der Abgeordneten Volker Beck ordneten und der Fraktion des BÜND- (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Ale- NISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten xander Bonde, weiterer Abgeordneter Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur und der Fraktion des BÜNDNISSES Änderung des Bundes- 90/DIE GRÜNEN: Den neuen Men- naturschutzgesetzes (Urwaldschutz- schenrechtsrat der Vereinten Nationen gesetz) intensiv unterstützen (Drucksache 16/961) ...... (Drucksache 16/1968) ...... 4132 D 4125 D Tagesordnungspunkt 24: Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der Antrag der Abgeordneten Carl-Ludwig SPD, der FDP und des BÜNDNISSES Thiele, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto 90/ DIE GRÜNEN: Für ein Ende der Solms, weiterer Abgeordneter und der Gewalt in Norduganda Fraktion der FDP: REITs – Real Estate (Drucksache 16/1973) ...... Investment Trusts in Deutschland ein- 4133 A führen (Drucksache 16/1896) ...... in Verbindung mit 4126 B Carl-Ludwig Thiele (FDP) ...... Zusatztagesordnungspunkt 9: 4126 C Antrag der Abgeordneten Hüseyin-Kenan (CDU/CSU) ...... Aydin, Monika Knoche, Dr. Diether 4127 D Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Für ein Ende der Florian Pronold (SPD) ...... Gewalt in Nord-uganda (Drucksache 16/1976) ...... 4129 C 4133 B Carl-Ludwig Thiele (FDP) ...... Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . 4130 B 4133 B Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) ...... 4131 D 4133 D Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... Tagesordnungspunkt 22: 4134 D Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Ab- Tagesordnungspunkt 23: geordneten Peter Götz, Dirk Fischer XII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Antrag der Abgeordneten Birgit Hombur- Zusatztagesordnungspunkt 10: ger, , Dr. Rainer Stinner, weite- Erste Beratung des von den Abgeordne- rer Abgeordneter und der Fraktion der ten Sabine Leutheusser- FDP: Gleiche Besoldung für alle Solda- Schnarrenberger, Dr. Max Stadler, Jörg ten van Essen, weiteren Abgeordneten und (Drucksache 16/587) ...... der Fraktion der FDP eingebrachten Ent- 4135 D wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes (Drucksache 16/2016) ...... Tagesordnungspunkt 38: 4136 C j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Tagesordnungspunkt 26: – zu dem Antrag der Abgeordneten a) Erste Beratung des von der Bundes- , , regierung eingebrachten Entwurfs ei- Dirk Fischer (Hamburg), weiterer nes Gesetzes zur Änderung des Un- Abgeordneter und der Fraktion der terhaltsrechts CDU/CSU sowie der Abgeordneten ...... Dr. , Uwe Beckmey- (Drucksache 16/1830) ...... er, Sören Bartol, weiterer Abge- 4136 D ordneter und der Fraktion der SPD: Notschleppkonzept den verän- b) Erste Beratung des von der Bundes- derten Bedingungen der See- regierung eingebrachten Entwurfs ei- schifffahrt anpassen nes Ersten Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes – zu dem Antrag der Abgeordneten ...... Rainder Steenblock, Winfried Her- (Drucksache 16/1829) ...... mann, Peter Hettlich, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des 4137 A BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Notschleppkonzept an gestiege- ne Herausforderungen anpassen Tagesordnungspunkt 27: – zu dem Antrag der Abgeordneten Erste Beratung des von der Bundesregie- Hans-Michael Goldmann, Patrick rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- Döring, (Bayreuth), ten Gesetzes zur Regelung des Urhe- weiterer Abgeordneter und der berrechts in der Informationsgesell- Fraktion der FDP: Sicherheits- schaft konzept für Nord- und Ostsee (Drucksache 16/1828) ...... optimieren 4137 A (Drucksachen 16/1647, 16/685, Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ ... 16/1164, 16/2005) ...... 4137 B 4136 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ...... Tagesordnungspunkt 25: 4138 B Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Mo- Dr. Günter Krings (CDU/CSU) ...... nika Lazar, weiterer Abgeordneter und 4139 B der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Selbstbestimmtes Leben in Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ Würde ermöglichen – Transsexuellen- DIE GRÜNEN) ...... recht umfassend reformieren 4141 C (Drucksache 16/947) ...... Dirk Manzewski (SPD) ...... 4136 C 4142 B in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 28: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 XIII

Erste Beratung des von der Bundesregie- Dr. (CDU/CSU) ...... rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- 00 setzes zur Neuregelung des Versiche- rungsvermittlerrechts Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) ...... (Drucksache 16/1935) ...... 00 4143 C

Anlage 3 Tagesordnungspunkt 37: Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- a) Erste Beratung des von der Bundes- ten Klaus Hofbauer und Bartholomäus regierung eingebrachten Entwurfs ei- Kalb (beide CDU/CSU) zur namentlichen nes Gesetzes zur Reform des Per- Abstimmung über den Entwurf eines sonenstandsrechts (Personen- Steueränderungsgesetzes 2007 (Tages- standsrechtsreform-gesetz – ordnungspunkt 3 a)...... PStRG) 00 ...... (Drucksache 16/1831) ...... 4143 D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- Nächste Sitzung ...... ten (Heidelberg), Dr. Frank Schmidt und Gunter Weißgerber 4144 C (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Steuerände- rungsgesetzes 2007 (Tagesordnungs- Anlage 1 punkt 3 a) ...... Liste der entschuldigten Abgeordneten ... 00 4145 A

Anlage 5 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- Erklärungen nach § 31 GO zur namentli- ten , Dieter Grasedieck, chen Abstimmung über den Entwurf ei- Christoph Pries und Axel Schäfer (Bo- nes Steueränderungsgesetzes 2007 (Ta- chum) (alle SPD) zur namentlichen Ab- gesordnungspunkt 3 a) stimmung über den Entwurf eines Steu- Ingrid Arndt-Brauer (SPD) ...... eränderungsgesetzes 2007 (Tagesord- nungspunkt 3 a) ...... 00 00 Siegmund Ehrmann (SPD) ...... 00 Anlage 6 Gabriele Frechen (SPD) ...... Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- 00 ten Michael Roth (Heringen), Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Joachim Poß, Ernst (Essen) (SPD) ...... Kranz, Waltraud Lehn und Johannes 00 Pflug (alle SPD) zur namentlichen Ab- stimmung über den Entwurf eines Steu- Dr. Bärbel Kofler (SPD) ...... eränderungsgesetzes 2007 (Tagesord- 00 nungspunkt 3 a) ...... Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) ...... 00 00 (SPD) ...... Anlage 7 00 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Florian Pronold, Marco Bülow, Ulla (Weiden) (CDU/CSU) .. Burchardt, , Dr. Carl- 00 Christian Dressel, Petra Ernstberger, , Peter Friedrich, XIV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Angelika Graf (Rosenheim), Gabriele Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU) ...... Groneberg, , Reinhold 00 Hemker, Frank Hofmann (Volkach), Lo- thar Ibrügger, Brunhilde Irber, Christian Anita Schäfer (Saalstadt) Kleiminger, Rolf Kramer, Anette Kramme, (CDU/CSU) ...... Jürgen Kucharczyk, Dirk Manzewski, Lo- 00 thar Mark, Detlef Müller (Chemnitz), Heinz Paula, Maik Reichel, Gerold Rei- Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) ...... chenbach, Dr. , 00 (Nürnberg), Heinz Schmitt (Landau), , Rolf Stöckel (SPD) ...... Dr. Angelica Schwall-Düren, Christoph 00 Strässer, Jella Teuchner, Rüdiger Veit und Dr. (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Ent- Anlage 11 wurf eines Steueränderungsgesetzes 2007 (Tagesordnungspunkt 3 a) ...... Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Dr. Michael Fuchs, , Mi- 00 chael Hennrich, Karl-Georg Wellmann, Kai Wegner, Joachim Hörster, Ernst Hinsken, Norbert Königshofen, Andreas Anlage 8 G. Lämmel, Gerhard Wächter, Stefan Erklärung der Abgeordneten Renate Müller (Erlangen), , Dr. Karl Blank (CDU/CSU) zur namentlichen Ab- Lamers (Heidelberg), Bernward Müller stimmung über den Entwurf eines Geset- (Gera), Volkmar Uwe Vogel, Dr. Rolf Ko- zes zur Änderung des Fünften Buches schorrek, Bernhard Schulte-Drüggelte, Sozialgesetzbuch (Tagesordnungspunkt Andreas Schmidt (Mülheim), Gunther 4 b) ...... Krichbaum, Georg Fahrenschon, Hans Michelbach, Georg Schirmbeck, Steffen 00 Kampeter, Laurenz Meyer (Hamm), (Lübeck), Albert Rupprecht (Wei- den), Karl-Theodor Freiherr zu Gutten- Anlage 9 berg, Dr. Joachim Pfeiffer, Clemens Bin- Erklärung des Abgeordneten Jürgen ninger, Daniela Raab, Dr. Günter Krings, Koppelin (FDP) zur Abstimmung über die Klaus-Peter Willsch, Carsten Müller Beschlussempfehlung: Sammelübersicht (Braunschweig), Klaus-Peter Flosbach, 79 zu Petitionen (Zusatztagesordnungs- , Kurt Segner, Markus punkt 4 k) ...... Grübel, , Philipp Missfel- der, Sibylle Pfeiffer, Gitta Connemann, 00 , , (Altötting), Susanne Jaffke, And- Anlage 10 rea Astrid Voßhoff, , Olav Gutting, , Rita Erklärungen nach § 31 GO zur namentli- Pawelski, Franz Obermeier, Erika Stein- chen Abstimmung über den Entwurf ei- bach, Monika Grütters, nes Gesetzes zur Umsetzung europäi- (Konstanz), Ingbert Liebing, Marie-Luise scher Richtlinien zur Verwirklichung des Dött, Julia Klöckner, , Micha- Grundsatzes der Gleichbehandlung (Ta- el Brand, Dr. , Katha- gesordnungspunkt 5 a) rina Landgraf, Dr. Georg Nüßlein, Tho- Klaus Brähmig (CDU/CSU) ...... mas Strobl (Heilbronn), und Dr. Ole Schröder (alle CDU/CSU) zur 00 namentlichen Abstimmung über den Ent- Veronika Bellmann (CDU/CSU) ...... wurf eines Gesetzes zur Umsetzung eu- ropäischer Richtlinien zur Verwirklichung 00 des Grundsatzes der Gleichbehandlung (Tagesordnungspunkt 5 a) ...... Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) ...... 00 00 Henry Nitzsche (CDU/CSU) ...... Anlage 12 00 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 XV

Erklärung nach § 31 GO zur namentli- 00 chen Abstimmung über den Entwurf ei- Dr. (DIE LINKE) ...... nes Gesetzes zur Neuregelung der Be- steuerung von Energieerzeugnissen und 00 zur Änderung des Stromsteuergesetzes Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ (Tagesordnungspunkt 8 a) DIE GRÜNEN) ...... Dr. (SPD) ...... 00 00 (Parl. Staatssekretär) ...... Gabriele Groneberg (SPD) ...... 00 00 Albert Rupprecht (Weiden) Anlage 16 (CDU/CSU) ...... 00 Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- tung des Antrags: Patientenverfügungen Dr. Hermann Scheer (SPD) ...... neu regeln – Selbstbestimmungsrecht und Autonomie von nichteinwilligungsfä- 00 higen Patienten stärken (Tagesord- Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) ...... nungspunkt 13) 00 Ute Granold (CDU/CSU) ...... 00

Anlage 13 Markus Grübel (CDU/CSU) ...... 00 Erklärung des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Christoph Strässer (SPD) ...... Abstimmung über die Beschlussempfeh- 00 lung zu dem Antrag: Innere Sicherheit durch Regelungen zum Arbeitskampf- Joachim Stünker (SPD) ...... recht gewährleisten (Tagesordnungs- 00 punkt 9 a) ...... 00 Michael Kauch (FDP) ...... 00

Anlage 14 Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... Erklärung nach § 31 GO des Abgeordne- ten Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) zur Ab- 00 stimmung über die Beschlussempfehlung zu den Anträgen: Anlage 17 – Presse- und Meinungsfreiheit in Kuba einfordern Zu Protokoll gegebene Rede zur Bera- tung der Entwürfe eines Gesetzes zur – Menschenrechte in Kuba einfordern Umsetzung des Rahmenbeschlusses ü- und die kubanische Zivilgesellschaft ber den Europäischen Haftbefehl und die fördern Übergabeverfahren zwischen den Mit- (Tagesordnungspunkt 36) ...... gliedstaaten der Europäischen Union 00 (Europäisches Haftbefehlsgesetz – EuHbG) (Tagesordnungspunkt 14) Wolfgang Nešković (DIE LINKE) ...... Anlage 15 00 Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- tung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Banken- Anlage 18 richtlinie und der neu gefassten Kapitala- Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- däquanzrichtlinie (Tagesordnungspunkt tung des Antrags: Einbürgerungen er- 12) leichtern – Ausgrenzungen ausschließen Nina Hauer (SPD) ...... (Tagesordnungspunkt 15) XVI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) ...... Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- tung der Anträge: 00 – UN-Überprüfungskonferenz als Chan- Rüdiger Veit (SPD) ...... ce zur wirksamen Kontrolle des Han- 00 dels mit Kleinwaffen und leichten Waf- fen nutzen Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) ...... 00 – Den neuen Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zum Erfolg führen Sevim Dagdelen (DIE LINKE) ...... – Waffen unter Kontrolle – Für eine um- 00 fassende Begrenzung und Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen und Mu- Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ nition DIE GRÜNEN) ...... 00 – Den neuen Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen intensiv unterstüt- zen Anlage 19 (Tagesordnungspunkt 20 a und b und Zusatztagesordnungspunkte 7 und 8) Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- tung des Entwurfs eines Gesetzes zur Holger Haibach (CDU/CSU) ...... Stärkung der Rückgewinnungshilfe und 00 der Vermögensabschöpfung bei Strafta- ten (Tagesordnungspunkt 18) Carl-Eduard von Bismarck (CDU/CSU) ... Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) 00 (CDU/CSU) ...... Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) ...... 00 00 Dr. Peter Danckert (SPD) ...... Christoph Strässer (SPD) ...... 00 00 Jörg van Essen (FDP) ...... Florian Toncar (FDP) ...... 00 00 Sevim Dagdelen (DIE LINKE) ...... (DIE LINKE) ...... 00 00 Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... DIE GRÜNEN) ...... 00 00

Anlage 20 Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- Zu Protokoll gegebene Rede zur Bera- tung des Antrags: Demokratiebewegung tung des Antrags: REITs – Real Estate in Belarus unterstützen (Zusatztagesord- Investment Trusts in Deutschland einfüh- nungspunkt 6) ren (Tagesordnungspunkt 19) (CDU/CSU) ...... Dr. Axel Troost (DIE LINKE) ...... 00 00 (SPD) ...... 00 Anlage 23 Harald Leibrecht (FDP) ...... Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- tung der Beschlussempfehlung und des 00 Berichts: Stadtentwicklung ist moderne Struktur- und Wirtschaftspolitik (Tages- ordnungspunkt 22) Anlage 21 Peter Götz (CDU/CSU) ...... Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 XVII

00 Susanne Jaffke (CDU/CSU) ...... Petra Weis (SPD) ...... 00 00 Petra Heß (SPD) ...... Patrick Döring (FDP) ...... 00 00 Birgit Homburger (FDP) ...... (DIE LINKE) ...... 00 00 Katrin Kunert (DIE LINKE) ...... Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ 00 DIE GRÜNEN) ...... (BÜNDNIS 90/ 00 DIE GRÜNEN) ...... 00

Anlage 24 Gert Winkelmeier (fraktionslos) ...... Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- 00 tung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzge- setzes (Urwaldschutzgesetz) (Tagesord- Anlage 27 nungspunkt 21) Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- Bernward Müller (Gera) (CDU/CSU) ...... tung der Anträge: 00 – Notschleppkonzept den veränderten Marko Mühlstein (SPD) ...... Bedingungen der Seeschifffahrt an- passen 00 – Notschleppkonzept an gestiegene (FDP) ...... Herausforderungen anpassen 00 – Sicherheitskonzept für Nord- und Ost- Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) ...... see optimieren 00 (Tagesordnungspunkt 38 j) Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ Enak Ferlemann (CDU/CSU) ...... DIE GRÜNEN) ...... 00 00 Dr. Margrit Wetzel (SPD) ...... 00 Anlage 25 Hans-Michael Goldmann (FDP) ...... Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- 00 tung der Anträge: Für ein Ende der Ge- walt in Nord-uganda (Tagesordnungs- Dorothee Menzner (DIE LINKE) ...... punkt 24 und Zusatztagesordnungspunkt 00 9) Gabriele Groneberg (SPD) ...... Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 00 00 Dr. Karl Addicks (FDP) ...... 00 Anlage 28 Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- Anlage 26 tung: Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- – Antrag: Selbstbestimmtes Leben in tung des Antrags: Gleiche Besoldung für Würde ermöglichen – Transsexuellen- alle Soldaten (Tagesordnungspunkt 23) recht umfassend reformieren Monika Brüning (CDU/CSU) ...... – Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- 00 rung des Passgesetzes XVIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Tagesordnungspunkt 25 und Zusatzta- Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- gesordnungspunkt 10) tung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermitt- (CDU/CSU) ...... lerrechts (Tagesordnungspunkt 28) 00 Kai Wegner (CDU/CSU) ...... Gabriele Fograscher (SPD) ...... 00 00 Christian Lange (Backnang) (SPD) ...... Jörg van Essen (FDP) ...... 00 00 Martin Zeil (FDP) ...... Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ 00 DIE GRÜNEN) ...... Ulla Lötzer (DIE LINKE) ...... 00 00

Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/ Anlage 29 DIE GRÜNEN) ...... Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- 00 tung der Entwürfe: – Gesetz zur Änderung des Unterhalts- rechts Anlage 32 – Erstes Gesetz zur Änderung des Un- Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- terhaltsvorschussgesetzes tung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Personenstandsrechts (Per- (Tagesordnungspunkt 26 a und b) sonenstandsrechtsreformgesetz – Ute Granold (CDU/CSU) ...... PStRG) (Tagesordnungspunkt 37 a) 00 Gabriele Fograscher (SPD) ...... Christine Lambrecht (SPD) ...... 00 00 Gisela Piltz (FDP) ...... Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 00 (FDP) ...... Ulla Jelpke (DIE LINKE) ...... 00 00 Jörn Wunderlich (DIE LINKE) ...... 00 (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ 00 DIE GRÜNEN) ......

00 Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ ... 00

Anlage 30 Zu Protokoll gegebene Rede zur Bera- tung des Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (Tagesord- nungspunkt 27) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) ...... 00

Anlage 31 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3965

43. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Beginn: 9.00 Uhr

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Koczy, Vizepräsidentin : Thilo Hoppe, Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeordneter und Die Sitzung ist eröffnet. der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Eine Weltbank-Energiepolitik der Zukunft – Ja zu Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! mehr Effizienz und erneuerbaren Energien, Nein zur Ich begrüße Sie sehr herzlich zu unseren heutigen Atomkraft sehr umfangreichen Beratungen. – Drucksache 16/1978 – Überweisungsvorschlag: Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, darf Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und ich Sie um Aufmerksamkeit für einige amtliche Entwicklung (f) Mitteilungen bitten. Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Interfraktionell ist vereinbart worden, die Reaktorsicherheit verbundene Tagesordnung um die in der c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans- vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Monika Lazar und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu erweitern: Befragung von Gefolterten und Nutzung von Folter- ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des erkenntnissen ausschließen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/836 – zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen Nr. 5 und 6 auf Drucksache Überweisungsvorschlag: 16/1959 Innenausschuss (f) Auswärtiger Ausschuss (siehe 42. Sitzung) Rechtsausschuss ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniel Bahr Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. , d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Hans-Christian Ströbele und der Fraktion des Für Nachhaltigkeit, Transparenz, BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Eigenverantwortung und Wettbewerb im Indigene Völker – Ratifizierung des Gesundheitswesen Übereinkommens der Internationalen – Drucksache 16/1997 – Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und Überweisungsvorschlag: in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ausschuss für Gesundheit (f) Staaten Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – Drucksache 16/1971 – ZP 3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren Überweisungsvorschlag: (Ergänzung zu TOP 37) Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f) a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Auswärtiger Ausschuss Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Innenausschuss weiterer Abgeordneter und der Fraktion des Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Burkhardt Menschenrechte in Usbekistan einfordern Müller-Sönksen, Florian Toncar, Dr. Karl Addicks, – Drucksache 16/1975 – weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Überweisungsvorschlag: 7 Bericht der Bundesregierung über ihre Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen (f) und in anderen Politikbereichen Auswärtiger Ausschuss – Drucksache 16/1999 – Verteidigungsausschuss Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe 3966 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Florian i) Beratung der Beschlussempfehlung des Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer, Petitionsausschusses (2. Ausschuss) weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Sammelübersicht 77 zu Petitionen Für die weltweite Sicherstellung der – Drucksache 16/1987 – Religionsfreiheit j) Beratung der Beschlussempfehlung des – Drucksache 16/1998 – Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Überweisungsvorschlag: Sammelübersicht 78 zu Petitionen Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe – Drucksache 16/1988 – g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, weiterer Abgeordneter und k) Beratung der Beschlussempfehlung des der Fraktion der LINKEN Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Keine Weltbankkredite für Atomtechnologie Sammelübersicht 79 zu Petitionen – Drucksache 16/1961 – – Drucksache 16/1989 – Überweisungsvorschlag: ZP 5 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und CDU/CSU und der SPD: Entwicklung (f) Lage am Ausbildungsmarkt – Ausbildungspakt als Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Chance für Unternehmen, junge Menschen und den h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hüseyin- Arbeitsmarkt Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. , ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktionen der FDP und des weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Agrarbeihilfeempfänger offen legen Demokratiebewegung in Belarus unterstützen – Drucksache 16/1962 – – Drucksache 16/1977 – Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Auswärtiger Ausschuss Entwicklung (f) ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Nachtwei, Alexander Bonde, Jürgen Trittin, weiterer Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES Verbraucherschutz 90/DIE GRÜNEN ZP 4 Weitere abschließende Beratungen ohne Waffen unter Kontrolle – Für eine umfassende Aussprache Begrenzung und Kontrolle des Handels mit (Ergänzung zu TOP 38) Kleinwaffen und Munition a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, – Drucksache 16/1967 – der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE Überweisungsvorschlag: GRÜNEN Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ökologischen Landbau in Deutschland und Europa (f) weiterentwickeln Auswärtiger Ausschuss – Drucksache 16/1972 – Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie b) Beratung der Beschlussempfehlung des Verteidigungsausschuss Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Sammelübersicht 70 zu Petitionen Entwicklung – Drucksache 16/1980 – Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander Bonde, Sammelübersicht 71 zu Petitionen weiterer Abgeordneter und der Fraktion des – Drucksache 16/1981 – BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN d) Beratung der Beschlussempfehlung des Den neuen Menschenrechtsrat der Vereinten Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Nationen intensiv unterstützen Sammelübersicht 72 zu Petitionen – Drucksache 16/1968 – – Drucksache 16/1982 – ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Hüseyin- e) Beratung der Beschlussempfehlung des Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. Diether Dehm, Petitionsausschusses (2. Ausschuss) weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Sammelübersicht 73 zu Petitionen Für ein Ende der Gewalt in Norduganda – Drucksache 16/1983 – – Drucksache 16/1976 – f) Beratung der Beschlussempfehlung des ZP 10 Erste Beratung des von den Abgeordneten Sabine Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Max Stadler, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion Sammelübersicht 74 zu Petitionen der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur – Drucksache 16/1984 – Änderung des Passgesetzes g) Beratung der Beschlussempfehlung des – Drucksache 16/2016 – Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Überweisungsvorschlag: Sammelübersicht 75 zu Petitionen Innenausschuss – Drucksache 16/1985 – Die Tagesordnungspunkte 16, 17, 34 und 38 i h) Beratung der Beschlussempfehlung des sollen abgesetzt werden. Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 76 zu Petitionen Von der Frist für den Beginn der Beratungen – Drucksache 16/1986 – soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3967

Außerdem ist beabsichtigt, die Soeben erfahre ich, dass ein Antrag zur Tagesordnungspunkte 11 und 36, 19 und 20, 21 Geschäftsordnung der Fraktion Die Linke und 22 sowie 23 und 24 zu tauschen. Zu den vorliegt. Das Wort hat Frau Dr. Enkelmann. bisher ohne Debatte vorgesehenen Tages- ordnungspunkten 37 a – das ist die erste Lesung Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): des Personenstandsrechtsreformgesetzes – und Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die 38 j – dabei handelt es sich um eine Fraktion Die Linke widerspricht der Tagesordnung. Beschlussempfehlung zu Anträgen zum Wir widersprechen insbesondere der Aufsetzung Notschleppkonzept für die Nord- und Ostsee – des Tagesordnungspunktes wird eine Aussprache gewünscht. Der „Beschlussempfehlung zum Steuer- Tagesordnungspunkt 38 j soll nach dem änderungsgesetz“. Abgesehen davon, dass man Tagesordnungspunkt 23 und der dieser deutlichen Mehrbelastung der Tagesordnungspunkt 37 a als letzter Punkt der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht heutigen Sitzung aufgerufen werden. zustimmen kann, geht es hier um das Verfahren. Schließlich mache ich auf zwei nachträgliche Wir haben im kollegialen Miteinander in der Ausschussüberweisungen im Anhang zur vergangenen Woche Fristverzicht erklärt. Am Zusatzpunktliste aufmerksam: gestrigen Tag fand eine Sitzung des Der in der 40. Sitzung des Deutschen Bundestages Finanzausschusses statt. Es gab eine überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Beschlussempfehlung mit den Unterschriften der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zur Berichterstatter aller Fraktionen. Weil einer Mitberatung überwiesen werden. Landesregierung offenkundig ein Änderungsantrag Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Irmingard nicht passte, wurde gestern zu etwas sehr später Schewe-Gerigk, Kerstin Andreae, weiterer Stunde Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtsextremismus ernst nehmen – Mitternacht!) Bundesprogramme Civitas und entimon erhalten, Initiativen und Maßnahmen gegen erneut eine Sitzung des Finanzausschusses für Fremdenfeindlichkeit langfristig absichern heute früh um 7 Uhr einberufen und diese – Drucksache 16/1498 – Änderung kraft Mehrheit durchgesetzt. Die Überweisungsvorschlag: Berichterstatter der Oppositionsfraktionen haben Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) dem widersprochen. Innenausschuss Ausschuss für Bildung, Forschung und Wir protestieren gegen dieses Verfahren. Ihr Technikfolgenabschätzung Parlamentsverständnis, meine Damen und Herren Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe von der Koalition, hat mit Demokratie nichts mehr Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss zu tun. Der in der 40. Sitzung des Deutschen Bundestages (Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zur Das, was hier passiert, ist Arroganz der Macht Mitberatung überwiesen werden. einer großen Koalition. Aber die Opposition lässt Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Diana Golze, sich nicht zum Hampelmann machen. Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Fortführung und Verstetigung der Programme NIS 90/DIE GRÜNEN) gegen Rechtsextremismus – Drucksache 16/1542 – Wir beantragen deswegen die Absetzung der Überweisungsvorschlag: Beschlussempfehlung zum Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Steueränderungsgesetz von der Tagesordnung. Innenausschuss Ausschuss für Bildung, Forschung und Ich danke Ihnen. Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem Ausschuss für Kultur und Medien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Haushaltsausschuss Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre dazu Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Das Wort in der Geschäftsordnungsdebatte hat nun der Kollege Dr. Röttgen. Ich rufe dann die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf. Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ich habe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und der Tagesordnung widersprochen!) Kollegen! Durch nichts wurde Ihre – Davon weiß ich nichts. Alternativlosigkeit und Fantasielosigkeit in der Sache 3968 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Widerspruch bei der LINKEN – Fritz Kuhn Alternativen vor! Darüber kann geredet werden. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na!) Aber üben Sie keine lächerliche Verfahrenskritik. bislang so deutlich wie heute Morgen. Sie wollen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei der Sachdebatte offensichtlich ausweichen, indem Abgeordneten der SPD – Dr. Guido Sie lächerliche Verfahrenskritik üben. Westerwelle [FDP]: Das sind vielleicht Parlamentarier! Meine Güte!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Sache geht es ja nicht darum, dass einem Das nenne ich Arroganz der Macht! – Gesetz ein Punkt hinzugefügt worden ist. Dann Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir könnten Sie sagen: Damit konnten wir uns noch wollen Demokratie!) nicht beschäftigen. Es fehlte die Zeit, sich damit auseinander zu setzen. – Wenn dem so wäre, Wir müssen den Bürgern zeigen, dass wir über wäre Ihre Kritik berechtigt. Nein, es geht lediglich die Sachprobleme reden und nicht darüber, dass darum, dass aus einem Gesetz eine isolierte morgens um 7 Uhr ein Ausschuss tagt. Regelung zur Behördenzuständigkeit herausge- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE nommen wurde, wodurch sich an der Sache nichts GRÜNEN]: Wo ist denn Ihre ändert. Beschlussempfehlung? Ich habe sie ja (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Na, na, na! noch nicht einmal!) Sie haben sich wohl nicht mit der Sache Es gibt Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, beschäftigt!) die morgens um 7 Uhr arbeiten müssen. Damit kann eigentlich kein Kollege oder keine (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Hoffentlich Kollegin intellektuell überfordert sein. Darum ist es macht ihr das beim BDI anders!) richtig, heute darüber zu debattieren und eine Entscheidung zu treffen. Das ist, glaube ich, gelegentlich auch Parlamentariern zuzumuten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Regierungsfähigkeit fängt damit an, dass man Das Wort hat nun der Kollege Carl-Ludwig morgens früh aufstehen kann. Thiele für die FDP-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – [DIE Carl-Ludwig Thiele (FDP): LINKE]: Damit man beim BDI arbeiten Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr kann, oder wie?) geehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute soll in erster Lesung das Steueränderungsgesetz 2007 Die Bürger haben doch Erwartungen in der Sache beraten werden. Dazu möchte ich etwas erklären, an uns. weil das nicht jeder wissen kann: Es handelt sich (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Oh ja! Erst hierbei um ein Artikelgesetz. Wenn es um ein recht bei diesen Beratungen!) solches Artikelgesetz geht, können im Laufe des Verfahrens Teile des Gesetzes herausgenommen Bei diesem Gesetz geht es darum, dass Bund oder Teile hinzugefügt werden. In diesem Fall ist und Länder wieder auf eine solide finanzielle seitens der Mehrheit dieses Hauses bzw. des Grundlage gestellt werden, dass wir die Finanzausschusses ein Passus über die Verschuldungspolitik beenden und dass unser Steuerstatistik in das Gesetz aufgenommen Staat, unser Gemeinwesen, unser Land worden. Das ist der Punkt, der die technischen handlungs- und gestaltungsfähig wird, damit wir Probleme, auf die ich zu sprechen kommen werde, wieder Politik machen können. Dafür sind auslöst. Maßnahmen notwendig, die es erfordern, dass die Menschen einen Beitrag leisten. Wir können nicht Über dieses Gesetz wurde gestern im die moralisch, politisch und ökonomisch nicht mehr Finanzausschuss abschließend abgestimmt; es ist vertretbare Verschuldung beenden wollen eine Berichterstattung erfolgt. Aufgrund der Vorteile, die Handys bieten, erhielt ich um 23 Uhr (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das ist in der letzten Nacht die Nachricht, dass heute doch eine Farce, Herr Kollege! Reden Sie Morgen um 7 Uhr eine Sitzung des endlich zum Verfahren! – Gegenruf des Finanzausschusses stattfinden soll. Herr Kollege Abg. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Röttgen, die Opposition war anwesend. Schreien Sie nicht so! – Gegenruf des Abg. Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Ich (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja, schreie hier, soviel ich will!) natürlich! Das ist doch selbstverständlich! – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Sehr und gleichzeitig alle bestehenden Steuerbegünsti- gut!) gungstatbestände erhalten. Darum geht es heute Morgen. Ich bitte Sie bzw. fordere Sie auf, der Sachdebatte nicht auszuweichen. Legen Sie Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3969

Wir haben an der Beratung teilgenommen, weil wir Es gäbe zwei andere Möglichkeiten: Die uns selbst einem unüblichen Verfahren nicht Koalition hat zum Beispiel die Möglichkeit, heute in automatisch entziehen. zweiter Lesung einen entsprechenden Änderungsantrag zu stellen; dann wäre das (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem Formelle überhaupt kein Problem. Ich verstehe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht, warum die Koalition diese Möglichkeit nicht Wir haben in der Sache beraten. nutzt. Bei diesem Gesetz gibt es aber nicht nur ein Ich habe im Finanzausschuss ein weiteres Miteinander, sondern es ist auch ein förmliches Verfahren vorgeschlagen: Das Gesetz könnte so Gesetzgebungsverfahren zu beachten. Der verabschiedet werden, wie es gestern vom Deutsche Bundestag hat sich selbst eine Finanzausschuss beschlossen wurde. Ich möchte Geschäftsordnung gegeben. In dieser dann doch mal sehen, ob die Herren Geschäftsordnung sind gewisse Regeln enthalten. Ministerpräsidenten es wagen, dieses Gesetz, Eine dieser Regeln lautet, dass jeder Abgeordnete welches Mehreinnahmen für die öffentliche Hand – auch wenn er Mitglied eines nicht mit dem bringen soll, indem die Bürger bei der Gesetzgebungsverfahren befassten Ausschusses Entfernungspauschale schlechter gestellt werden ist – die Möglichkeit haben muss, den Inhalt eines und der Sparerfreibetrag gekürzt wird, im Gesetzes vor der Abstimmung zur Kenntnis zu Bundesrat wegen einer technischen Frage zu nehmen. stoppen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich glaube das nicht. Andernfalls: Wenn sie es stoppen, ginge (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem es in den Vermittlungsausschuss. Über dessen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ergebnis könnte dann wieder abgestimmt werden. Deshalb sieht diese Regel vor – das ist in der So könnte dieses Gesetz in einem ordentlichen Geschäftsordnung verankert –, dass die Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden. entsprechenden Unterlagen jedem Abgeordneten Wir als Opposition haben somit mögliche Wege 24 Stunden vor der Debatte zur Verfügung gestellt aufgezeigt. Wir haben auch an den Beratungen im werden müssen. Finanzausschuss teilgenommen. An der Wir als Opposition haben erklärt, dass wir Abstimmung haben wir aber bewusst nicht angesichts des Zeitdrucks aufgrund der morgigen teilgenommen, weil wir sie nach wie vor für Abstimmung über die Föderalismusreform auf unzulässig halten. Fristeinrede verzichten. Aber das kann nicht dazu Ich habe eine Bitte an die große Koalition: Herr führen, dass gesagt wird, dass für das, was heute Kollege Kauder, Sie können die Sitzung auch im Finanzausschuss behandelt wurde, keine unterbrechen. Denn diese Verfahrensfrage Berichterstatter der Opposition gebraucht würden, entzieht sich aus meiner Sicht in wesentlichen sie würden nur stören. Denn es gab Teilen einer Mehrheitsentscheidung des Berichterstatter und der alte Beschluss des Bundestages. Finanzausschusses musste aufgehoben werden, um hier eine neue Beschlussgrundlage zu (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem bekommen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nach meinen Informationen hat die Damit wäre das Gesetz als solches „infiziert“. Steuerstatistik ein Bundesland gestört. Die übrigen Angesichts der verfassungsrechtlichen Probleme 15 Bundesländer haben gesagt, sie störe sie auch. dieses Gesetzes – um es einmal sehr vorsichtig Da bin ich schon etwas überrascht, dass in einem auszudrücken; inhaltlich werden wir noch darüber geordneten Gesetzgebungsverfahren die Koalition debattieren – steht es durchaus zu erwarten, dass wie in einem Studentenparlament agiert der eine oder andere Bürger gegen dieses Gesetz vor Gericht ziehen wird. (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: und sagt, sie habe gar keine andere Möglichkeit, Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss sie müsse das jetzt durchziehen und wenn die kommen. Opposition störe, müsse sie raus. So kann es nicht laufen; denn auch die Opposition ist gewählt. Carl-Ludwig Thiele (FDP): (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weil es zu einem ordnungsgemäßen Die Opposition trägt dazu bei, auch mit Kritik und Gesetzgebungsverfahren gehört, bestimmte Anmerkungen – die Mehrheit ist ja gesichert –, Regeln einzuhalten, bitte ich Sie, Ihr Vorgehen zu dass das Verfahren vernünftig stattfindet. Dieses überprüfen. Ansonsten laufen Sie Gefahr, auch heute praktizierte Verfahren ist abenteuerlich. Ich unter rechtsförmlichen Gesichtspunkten, ein habe so etwas in meiner Parlamentszeit, die Gesetz zu beschließen, welches richterlich keine immerhin seit 1990 währt, noch nicht erlebt. Anerkennung finden wird. 3970 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des die Vorlagen endgültig an die Abgeordneten BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) verteilt werden. Etwas anderes ist nicht erfolgt. Insofern entspricht das Verfahren, das wir hier Deshalb stimmen wir als FDP dem Antrag der miteinander gewählt haben, der Geschäftsordnung Linkspartei zu. des Deutschen Bundestages und all unseren (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem Regeln vollständig. Darum muss man auch nicht BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Sorge haben, dass es deswegen Prozesse geben wird; jedenfalls werden sie nicht erfolgreich Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: sein. Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Weil wir das Gesetz wirksam werden lassen Olaf Scholz. wollen und deshalb auch nur angemessen kurze Reden zu dem halten, worum es hier eigentlich Olaf Scholz (SPD): geht, beende ich hiermit meinen Beitrag. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Wir lehnen diesen Antrag jedenfalls ab. will es ganz kurz machen: Die Aufregung, die wir hier vermittelt bekommen, hat mit dem Inhalt, um (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) den es geht, nichts zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen Ich glaube, das ist eine bemerkenswerte hat nun der Kollege Volker Beck das Wort. Erkenntnis. Es geht um eine Veränderung von Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE Steuerstatistiken; das kann man machen, man GRÜNEN): kann es auch lassen. Ich glaube wie der Kollege Liebe Kolleginnen und Kollegen von der großen Röttgen, dass man sich schnell überlegen kann, Koalition! Auch die lieben Kolleginnen und wie man sich in der Abstimmung dazu verhalten Kollegen der anderen Fraktionen seien gegrüßt! will. Ich glaube, große Reden zu halten über Das, was Sie vonseiten der Koalition hier Demokratie, Parlamentarismus und Bruch von vorgeführt haben, geht so nicht. Das ist nur noch Rechten, Arroganz der Macht. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Genau darum geht es! – Fritz Kuhn der FDP und der LINKEN) [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Olaf, Olaf! Sie sagen für alle, dass parlamentarische – Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS Beratungsverfahren nicht mehr respektiert werden 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die müssen. Sie können sich nicht damit herausreden, Zeiten!) dass es sich hier um keine wichtige Sache ist im Verhältnis dazu, worum es eigentlich geht, handele. Wenn es nicht um eine wichtige Sache völlig unangemessen. gehen würde, würden wir Ihrem Verfahren in der Sache nicht widersprechen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) In § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung ist vorgesehen, dass von der Verteilung der Vorlagen Es kann sein, dass Bürgerinnen und Bürger bis zur Beratung normalerweise zwei Tage diese Debatte verfolgen vergehen müssen. Das hat einen guten Grund, (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: nämlich den, dass sich alle Kolleginnen und Wenn Sie reden, schalten die Bürger Kollegen hier im Hause eine Meinung bilden wieder ab! Das ist sicher!) können müssen, weil sie als Abgeordnete – und nicht als Fraktionsmitglieder – verpflichtet sind, ihr und, gerade weil hier große Reden gehalten Abstimmungsverhalten vor dem Volk, vor dem werden, überlegen: Was ist denn das wichtige Wähler zu verantworten. Diese Verantwortung Thema? Sie müssen dann ganz enttäuscht treten Sie mit Ihrem Verfahren mit Füßen. feststellen, dass hier völlig unangemessene Reden gehalten werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN) Was man hier aber noch einmal mitteilen muss: Alles ist ordnungsgemäß. Deshalb hat auch Wir als Opposition haben gesagt – das ist guter niemand etwas anderes vorgetragen. Das waren Brauch unter den Geschäftsführern –: Wenn die alles nur Erwägungen zum Thema. Vorlage am Vortag, am Mittwoch, im Ausschuss fertig ist und abends verteilt wird, dann hat jeder

am Abend noch die Möglichkeit, nachzulesen und Selbstverständlich kann im Finanzausschuss Fragen, die sein Abstimmungsverhalten berühren, etwas Neues beschlossen werden. Das ist heute bis zum nächsten Morgen zu klären. Als ich vorhin Morgen um 7 Uhr in der Sitzung geschehen. Es um 8.30 Uhr ins Haus kam, lagen die Vorlagen kann eine Änderung vorgenommen werden, bevor beim Dienst noch nicht vor. Wie soll man aber Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3971 wissen, was man hier tut, wenn man die Vorlagen Das ist unkollegial und unparlamentarisch. nicht hat, über die man reden und entscheiden Deshalb ist das eine Schande für die große soll? Koalition und für dieses Haus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN) der FDP und der LINKEN) Mit Ihrer Vorgehensweise stellen Sie auch den Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition, die Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: überwiegend gar nichts für ein solches Verfahren Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben nun können, ein superschlechtes Zeugnis aus. Sie folgenden Sachverhalt: sagen nämlich: Egal, was in der Vorlage steht, Die Fraktion Die Linke hat einen unsere Leute stimmen dem ungelesen auf jeden Geschäftsordnungsantrag auf Absetzung der Fall zu. Punkte 3 a und b von der Tagesordnung gestellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Herr Beck von den Grünen hat soeben der FDP und der LINKEN) Fristeinrede geltend gemacht. – Ich bitte die Ge- schäftsführer, zu mir zu kommen, um kurz über Ich finde, als Mitglieder dieses Hauses sollten wir das weitere Abstimmungsverfahren zu beraten. ein solches Verhalten der Fraktionsführungen der großen Koalition gemeinsam zurückweisen. Die Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande Sachverhalt konnte nicht endgültig geklärt werden. glauben doch nicht mehr, dass wir hier ernsthaft Die FDP-Fraktion hat soeben den Antrag gestellt, um Lösungen ringen und dass wir wissen und die Beratungen darüber im Ältestenrat verantworten, was wir hier tun, wenn wir noch nicht fortzusetzen. Darüber hinaus wurde mir mitgeteilt, einmal lesen können, was wir hier beschließen und dass die FDP eine Fraktionssitzung durchführt. worüber wir abstimmen. Ich unterbreche die Sitzung. Sie werden über (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wenn Sie die Fortsetzung der Plenarsitzung informiert. Im nicht lesen können, dann können wir Moment kann ich nicht sagen, wie lange es dauern Ihnen auch nicht helfen!) wird. Wir widersprechen nach § 20 Abs. 2 der (Unterbrechung von 9.23 bis 10.30 Uhr) Geschäftsordnung der Aufsetzung dieses Tagesordnungspunktes, da die Voraussetzungen nicht gegeben sind, und wir erklären, dass der Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Fristverzicht, den wir für eine andere Vorlage Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. erklärt haben, zurückgezogen ist. (Unruhe) (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Nein, das kann man nicht!) – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz zu nehmen und die Gespräche einzustellen. Ich komme nun noch zu dem, was Sie im Ausschuss getan haben. Mit Ihrer Der Ältestenrat hat sich darauf verständigt, dass Zweidrittelmehrheit können Sie hier ja alles tun. nun über den Geschäftsordnungsantrag der Sie können uns auch gleich nach Hause schicken. Fraktion Die Linke auf Absetzung dieses Tagesordnungspunkts abgestimmt wird. Ich bitte (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Nicht so um Handzeichen von denjenigen, die dem Antrag wehleidig und selbstgerecht! – Volker zustimmen wollen. – Wer ist dagegen? – Kauder [CDU/CSU]: Bleiben Sie noch ein Enthaltungen? – Dann ist der Antrag abgelehnt mit bisschen!) den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Dann treffen wir uns einmal im Jahr und führen die Stimmen der FDP-Fraktion, der Fraktion des Gesetzgebung durch, wobei Sie die Opposition Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die aber nicht mehr mitreden lassen. – Sie haben die Linke. Berichterstatter der Opposition im Damit rufe ich die Tagesordnungspunkte 3 a Finanzausschuss, weil sie Ihnen nicht passten, und 3 b auf: nach Abschluss der Beratungen ihrer Ämter ent- hoben, sie vor die Tür gesetzt und ihnen gesagt, a) – Zweite und dritte Beratung des von den dass sie keine Berichterstatterrechte mehr haben, Fraktionen der CDU/CSU und der SPD dass nur noch die Herren und Damen von der eingebrachten Entwurfs eines großen Koalition das Sagen haben. Das ist eine Steueränderungsgesetzes 2007 Ungeheuerlichkeit. – Drucksache 16/1545 – (Hans Michelbach [CDU/CSU]: So ein Un- – Zweite und dritte Beratung des von der sinn! Das war doch überhaupt nicht so! – Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sie waren eines Steueränderungsgesetzes 2007 doch überhaupt nicht dabei! So etwas Lügenhaftes!) – Drucksachen 16/1859, 16/1969 – 3972 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzausschusses (7. Ausschuss) Finanzen: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr – Drucksachen 16/2012, 16/2028 – geehrten Damen und Herren! Es ist knapp eine Berichterstattung: Woche her, dass dieses Hohe Haus den Abgeordnete Olav Gutting Bundeshaushalt 2006 angenommen hat. Gabriele Frechen (Anhaltende Unruhe) Kerstin Andreae Dr. Volker Wissing Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: bb) Bericht des Haushaltsausschusses Herr Minister, einen Moment bitte. – Kolleginnen (8. Aus-schuss) gemäß § 96 der und Kollegen, ich bitte Sie, wenn Sie der Debatte Geschäftsordnung folgen wollen, Platz zu nehmen und sich darauf zu – Drucksache 16/2013 – konzentrieren, und diejenigen, die etwas anderes zu tun haben, den Saal zu verlassen. – So, Herr Berichterstattung: Minister, Sie haben das Wort. Abgeordnete Dr. Gesine Lötzsch Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Jochen-Konrad Fromme Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe meine (Erfurt) Rede mit dem Hinweis begonnen, dass es knapp b) Beratung der Beschlussempfehlung und des eine Woche her, dass – – Berichts des Finanzausschusses (7. (Zurufe: Lauter!) Ausschuss) – Können Sie mich nicht verstehen? Soll ich das – zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Mikrofon in die Hand nehmen? Scheel, Kerstin Andreae, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der ( [CDU/CSU]: Ja! – Jürgen Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE Koppelin [FDP]: Die Bürger verstehen Sie GRÜNEN auch so nicht! – Beifall bei Abgeordneten der FDP) Steueränderungsgesetz 2007 zurückziehen – Die Bürgerinnen und Bürger verstehen mich eher als Ihre Fraktion! – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Dr. , Carl- Können Sie mich jetzt verstehen? Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter und (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Nicht wirklich! der Fraktion der FDP Weder akustisch noch inhaltlich!) Keine weiteren Steuererhöhungen Was mache ich mit der Technik? – Drucksachen 16/1501, 16/1654, 16/2012, 16/2028 – Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Berichterstattung: Es wird schon geregelt, Herr Minister; wir sind Abgeordnete Olav Gutting dabei. Gabriele Frechen Kerstin Andreae Peer Steinbrück, Bundesminister der Dr. Volker Wissing Finanzen: Meine Damen und Herren! Es ist eine knappe Zum Entwurf des Steueränderungsgesetzes Woche her, dass dieses Hohe Haus den liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Bundeshaushalt 2006 angenommen hat. Linke vor. Denjenigen, die die Gelegenheit hatten, meinen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind Ausführungen zu folgen, ist in Erinnerung, dass ich für die Aussprache eineinhalb Stunden den Hinweis gegeben habe, dass dieser vorgesehen. – Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Bundeshaushalt 2006 lediglich der Beginn eines Dann ist das so beschlossen. langen, durchaus steinigen Weges ist. Er leitet einen Weg ein, der uns wieder zu dauerhaft (Anhaltende Unruhe) tragfähigen öffentlichen Finanzen führen soll, Ich eröffne die Aussprache und bitte Sie um Auf- einen Weg, der die finanziellen Spielräume des merksamkeit für den ersten Redner in dieser Bundes, aber auch der anderen Gebiets- Debatte, den Bundesminister der Finanzen, Peer körperschaften wieder erweitern soll und uns Steinbrück. Spielräume geben soll, mehr Zukunftsfinanzierung zu betreiben als bisher. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es ist deshalb Ausdruck der Zielstrebigkeit der großen Koalition, wenn wir jetzt, eine Woche Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3973 später, das Steueränderungsgesetz 2007 einen erheblichen Teil ihrer Fahrtkosten in Ansatz einbringen. Das ist eine weitere, wichtige Etappe bringen können. auf diesem Weg. Vor allem ist es der Beleg dafür, Derselbe Gesichtspunkt gilt auch mit Blick auf dass diese große Koalition konsequent und den Balkon derjenigen, die sich in den oberen entschlossen die finanzpolitische Agenda ab- Einkommensetagen bewegen, also für die arbeitet, die wir uns vorgenommen haben. Wir Reichensteuer. Auch hier geht es nicht um haben Transparenz gezeigt und das, was im Symbolpolitik, wie es uns viele unterstellen, Koalitionsvertrag steht, mit den späteren sondern es geht darum, dass dem Grundsatz einer Beschlüssen – insbesondere denen von fairen Lastenverteilung Rechnung getragen wird; Genshagen – bestätigt. Das halte ich für wichtig denn der Einkommensteuerzuschlag für und das halte ich auch für gut so; denn damit Spitzenverdiener ist auch ein Beitrag zur wissen die Bürgerinnen und Bürger genau, dass verteilungspolitischen Balance, unabhängig davon, die steuerpolitischen Entscheidungen der welche Beträge dahinter stehen. Bundesregierung berechenbar und verlässlich sind, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Lachen bei Abgeordneten der FDP) – An dieser Stelle habe ich mich offenbar verständlich ausgedrückt. selbst dort, wo wir unpopuläre Maßnahmen zu treffen haben, um die sich zumindest ein Teil der (Jörg van Essen [FDP]: Aber nur da, Herr Mitglieder der Oppositionsfraktionen drückt. Minister!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich bin überzeugt: Wenn sich die Schwaden der der CDU/CSU) Nebelkerzen, die jetzt gelegentlich geworfen werden, verzogen haben, dann werden auch die Mit dem vorliegenden Entwurf des Bürgerinnen und Bürger die Vorzüge einer Steuer- Steueränderungsgesetzes 2007 setzt die und Finanzpolitik erkennen, die versucht, für Bundesregierung die auf allen staatlichen Ebenen nachfolgende Generationen finanzielle Spielräume notwendige Konsolidierung der öffentlichen zu erhalten, anstatt ihren Kindern und Haushalte fort. Dies bedeutet eben, auch eine Enkelkindern einfach nur einen Schuldenberg vor Reihe von Maßnahmen zu verabschieden, die die Füße zu kippen, und die Anstrengungen der keine La-Ola-Wellen bei den Bürgerinnen und Bundesregierung, einen solchen Pfad Bürgern auslösen. Dabei war und bleibt es einzuschlagen, vielleicht etwas fairer würdigen, als unrealistisch, anzunehmen, dass wir unseren dies in manchen begleitenden Kommentaren ehrgeizigen, aber notwendigen Konsolidie- bisher der Fall ist. rungskurs ohne Einschnitte in sicher geglaubte Besitzstände vollziehen können. Zu dem von der (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Bundesregierung eingeschlagenen strikten CDU/CSU) Sparkurs sehe ich deshalb keine überzeugende Ich glaube, dass viele Bürgerinnen und Bürger Alternative. bereit sind, einen solchen Kurs der Die Bundesregierung verkennt nicht, dass diese Bundesregierung zu unterstützen. Er wird als das notwendige Haushaltskonsolidierung in akzeptiert, was er ist, nämlich ein notwendiger Einzelfällen auch mit spürbaren Einschnitten, mit Beitrag, um langfristig zu tragfähigen öffentlichen Härten und mit Zumutungen verbunden ist. Umso Finanzen und damit auch wieder zum Vertrauen in mehr sind wir darum bemüht, belastende die Verlässlichkeit der Haushalts- und Finanz- Maßnahmen auch unter dem Gesichtspunkt der politik zu kommen. individuellen Leistungsfähigkeit und im Ergebnis Jeder Einzelne weiß doch, dass es ein privater zumutbar auszugestalten. Dies gilt auch und Haushalt auf Dauer nicht aushält, wenn seine gerade für den vorliegenden Gesetzentwurf. Ich Ausgaben nur zu 80 Prozent durch Einnahmen möchte dies zum Beispiel an der gedeckt sind. Pendlerpauschale noch einmal deutlich machen. (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Und was tut er Ohne Einsparungen auch bei der dann?) Pendlerpauschale und bei anderen Maßnahmen werden wir nicht zu soliden Finanzen Das werden sie, die privaten Haushalte, sich nicht zurückkommen. Auch im Trommelfeuer mancher leisten können und die öffentlichen Haushalte Kritik ist gänzlich untergegangen, dass wir uns können dies auf Dauer ebenfalls nicht aushalten. auch bei den Regelungen zur Pendlerpauschale Der heute vorliegende Gesetzentwurf darf nicht von einer, wie wir glauben, möglichst fairen isoliert betrachtet werden. Er ist ein weiterer Verteilung der Belastung leiten lassen. wichtiger Bestandteil des ausgewogenen Fernpendler, also genau die Berufstätigen mit dem steuerpolitischen Maßnahmenbündels der großen höchsten Aufwand, das heißt, mit dem weitesten Koalition, mit dem wir auch steuerliche Weg zur Arbeit, werden im Rahmen der vorge- Ausnahmetatbestände und Subventionen sehenen Härtefallregelung in Zukunft immer noch konsequent abbauen. Das haben wir bereits in einem erheblichen Umfang getan. 3974 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Ich möchte daran erinnern, dass die Regierungsverantwortung diesen Kurs nicht Bundesregierung mit dem Gesetz zur realisieren könnten. Beschränkung der Verlustverrechnung im Ich halte daran fest: Wir brauchen einen Abbau Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen, mit von Steuersubventionen. Die Vorstellung, man dem Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches könne darauf verzichten, ist das Gegenteil von Sofortprogramm, mit dem Gesetz zur Abschaffung dem, was die Bundesregierung anstrebt. Wir der Eigenheimzulage und mit dem Gesetz zur wollen zur Haushaltskonsolidierung beitragen und Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen diese vorantreiben. Wir wissen, dass die damit bereits ein ganzes Stück Weg zurückgelegt hat, verbundenen Einschnitte alles andere als populär um Steuersubventionen abzubauen. sind, aber sie sind im Ergebnis zumutbar. Wir Anknüpfend an diese Ausführungen möchte ich brauchen sie, wenn wir langfristig wieder auf einen deshalb darauf hinweisen und an all diejenigen, soliden Haushaltskurs zurückfinden wollen, was die, wie ich glaube, wenig schlüssige Vorschläge insbesondere unter dem Gesichtspunkt der vorlegen, appellieren, dass dieser Weg des Generationengerechtigkeit von erheblicher Abbaus von Steuersubventionen nicht diskreditiert Bedeutung ist, wenn wir unseren Kindern und werden sollte. Es darf nicht passieren, dass Enkelkindern nicht eine immense Steuerlast zahlreiche Experten und fast alle Parteien – auch buchstäblich aufbürden und einen Haushalt die, die in diesem Hohen Hause vertreten sind – hinterlassen wollen, den sie eines Tages nur noch den Abbau von Steuersubventionen verlangen, auf dem Weg von Steuererhöhungen oder aber in helle Aufregung verfallen und mir nichts, dir erheblichen Leistungskürzungen tragen können. nichts aus dem Abbau einer Steuersubvention eine Ich bitte deshalb um Unterstützung für diesen Steuererhöhung machen, um mit diesem Begriff Entwurf des Steueränderungsgesetzes 2007. auch im Publikum Reflexe auszulösen, wenn wir Vielen Dank. sehr konkret an diese Arbeit herangehen. Dies ist nicht sehr konsequent und schlüssig. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Eine solche Politik ist eher Klientelpolitik und das krasse Gegenteil von dem, was die Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bundesregierung anstrebt. Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Volker Wissing das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Jörg van Essen [FDP]: (Beifall bei der FDP) Zu Recht ein sehr dünner Beifall! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Zwei Dr. Volker Wissing (FDP): stimmen Ihnen jeweils zu!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! zufolge hat Gerhard – Herr Westerwelle, ich bin mir ziemlich sicher, Schröder Deutschland zu einem Sanierungsfall dass mehr zustimmen. Im Grunde stimmen Sie gemacht. Dafür hält der Fraktionschef der SPD ihn doch auch zu. aber trotzdem für den besseren Kanzler, weil (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Nein, wirklich Schröder mehr gehandelt und weniger ausgelotet nicht!) habe als Sie, Frau Bundeskanzlerin. Ich kann nur sagen: Herzlich willkommen im Tollhaus der – Sie stimmen doch dem notwendigen Abbau von großen Koalition! Steuersubventionen zu oder nicht? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Aber doch nicht des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) zum Stopfen Ihrer Haushaltslöcher!) Den Menschen in unserem Land wird erzählt, – Wozu denn dann? dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer für die (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Um Steuer- bevorstehenden Reformen unabdingbar sei. Kurze sätze zu senken, Herr Minister!) Zeit später teilt uns der Vorsitzende der SPD- Fraktion in einem Interview mit, dass man auf die – Das ist doch völlig unmöglich. Dieser Dreizack größte Steuererhöhung in der Geschichte unseres funktioniert nicht. Die FDP verspricht Ihnen, meine Landes auch hätte verzichten können, wenn man Damen und Herren, die Nettokreditaufnahme zu bereit gewesen wäre, zu sparen. senken, Investitionen zu erhöhen und gleichzeitig die Steuern zu senken. Das ist völlig irreal. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, dass die große Koalition von Sparen nichts versteht und dass Das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, nämlich diese Bundesregierung vom Schuldenmachen viel die Steuersätze weiter zu senken, also eine versteht, haben Sie mit der Vorlage des weitere Steuerentlastung, ist irreal. Man sollte Bundeshaushaltes wahrlich bewiesen, Ihnen nicht von hier bis zum nächsten Briefkasten glauben, weil Sie genau wissen, dass Sie in einer (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3975 so nach dem Motto: Warum sollen wir sparen? eine andere Lösung. „Ein bisschen Schulden machen ist viel einfacher und verfassungswidrig“ gibt es aber ebenso wenig wie Steuererhöhungen sind noch leichter. – Die Politik „ein bisschen schwanger“. Wo leben wir denn, der Steuererhöhungen ist inzwischen das dass solche Abwägungen getroffen werden? Ich Markenzeichen dieser großen Koalition. bin eigentlich davon ausgegangen, dass die Erkenntnis „verfassungswidrig ist (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten verfassungswidrig“ bei Ihnen angekommen ist. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dieser hemdsärmelige Umgang mit dem Frau Bundeskanzlerin, Sie sind die Kanzlerin der Grundgesetz ist unverantwortlich und im Grunde kleinen Schritte, aber bei den Steuererhöhungen genommen nichts anderes als ein Beleg für Ihre geben Sie Vollgas. hilflose Finanzpolitik, Herr Steinbrück. Sie haben (Beifall bei der FDP) kein finanzpolitisches Konzept und picken wie ein blindes Huhn in unserem Steuersystem herum. Egal, was CDU/CSU und SPD anpacken, ohne Das ist keine nachhaltige Finanzpolitik. So Steuererhöhungen geht nichts: kommen wir in Deutschland nicht weiter. Haushaltskonsolidierung – via Steuererhöhungen; Auflage eines Wachstums- und Be- (Beifall bei der FDP) schäftigungsprogramms, was nur Mitnahmeeffekte Man kann ja über den Abbau von mit sich bringt – finanziert über Steuererhöhungen; Steuervergünstigungen reden, Herr Steinbrück, Senkung von Lohnnebenkosten – aber dann muss man die Menschen in selbstverständlich über Steuererhöhungen; Reform Deutschland auch durch Tarifsenkungen des Gesundheitswesens – ebenfalls über entlasten. Sie, meine Damen und Herren von der Steuererhöhungen finanziert. Die große Koalition Union, haben das unisono im Wahlkampf gefordert steht für große Steuererhöhungen in unserem und bleiben den Bürgerinnen und Bürgern in Land und – hier können Sie, Frau Merkel, sogar Deutschland die Entlastungen schuldig. einen Superlativ vorweisen – die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Republik. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Leo Daut- zenberg [CDU/CSU]) (Beifall bei der FDP) Sie reden von Reformen und meinen Sie erhöhen Steuern ohne Rücksicht auf die Steuererhöhungen. Sie reden von Menschen in unserem Land, ohne Rücksicht auf Haushaltskonsolidierung und meinen die Unternehmen und ohne Rücksicht auf die Steuererhöhungen. Sie reden von Wachstum und Verfassung. Die Reichensteuer, die Sie heute zum Beschäftigung, Frau Kanzlerin, und meinen immer Beschluss vorlegen, ist ebenso nur Steuererhöhungen. Glauben Sie denn im verfassungswidrig wie die willkürliche Kürzung Ernst, die Menschen in Deutschland hätten nicht der Pendlerpauschale. Es ist ungeheuerlich, wie langsam gemerkt, dass Sie sie hinter die Fichte CDU/ CSU und SPD mit dem Grundgesetz führen? Ihre Politik ist doch eine Beleidigung für umgehen. jeden denkenden Menschen in Deutschland. (Beifall bei der FDP) (Florian Pronold [SPD]: Ihre Rede ist eine Für Sie ist der Bruch der Verfassung die Beleidigung für jeden denkenden Menschen!) Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Wir Sie wollen nicht sparen, erwarten aber genau haben heute Morgen in der das von den Bürgerinnen und Bürgern in Geschäftsordnungsdebatte erlebt, mit welcher Deutschland. Die Menschen in Deutschland Arroganz der Macht Sie der Opposition begegnen. müssen Ihre Politik des kleinsten gemeinsamen Ich kann Ihnen nur zurufen: Das wird Sie noch Nenners künftig bei jedem Einkauf mit einem einholen. Zuschlag in Höhe der 3 Prozentpunkte finanzieren. Sie sollten übrigens bei dem Begriff „Merkel- Steuer“ bleiben. Das erspart der SPD das (Beifall bei der FDP) Umdenken und ist überaus zutreffend. Mit der Reichensteuer beschränken Sie die (Beifall bei der FDP) Steuerbelastungen ausschließlich auf Erwerbseinkommen. Das ist mit dem Grundgesetz Wissen Sie eigentlich, was Sie mit dieser Politik nicht vereinbar. Trotzdem wollen Sie den anrichten? Wir haben eine desolate Gesetzentwurf heute beschließen. Binnennachfrage. Sie aber entziehen den Menschen unentwegt Kaufkraft in Milliardenhöhe Die Kürzung der Pendlerpauschale ist willkürlich und gefährden Arbeitsplätze in diesem Land. Das von Ihnen festgesetzt worden. Alle Experten haben ist in hohem Maße unsozial, meine lieben Ihnen das in der Anhörung des Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Finanzausschusses unisono bescheinigt. Wie ich mir aber von meinen Kolleginnen und Kollegen im (Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Mit Finanzausschuss habe erklären lassen müssen, dem Begriff „sozial“ kennt ihr euch nicht aus!) sei das ein bisschen weniger verfassungswidrig als 3976 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Sie beschließen mit der Ihnen schnell im Gesetz. Sie küssen die rote Kröte Mehrwertsteuererhöhung die höchste bis zum Gehtnichtmehr Steuererhöhung in der Geschichte unseres Lan- (Florian Pronold [SPD]: Kröten sind schwarz des. Sie legen uns heute einen Gesetzentwurf vor, und nicht rot!) der zu weiteren Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in Milliardenhöhe führt, und planen bei der und wundern sich, dass am Ende kein edler Prinz Gesundheitsreform – ja, was denn wohl? – weitere vor Ihnen steht. Ich kann Ihnen nur sagen: Alles Steuererhöhungen. Lieben und Herzen wird Ihnen nicht weiterhelfen. Aus dieser roten Kröte wird kein Prinz. Kürzlich habe ich Sie gefragt, Herr Steinbrück, ob Sie ausschließen können, dass es bei der (Beifall bei der FDP) Gesundheitsreform zu weiteren Steuererhöhungen kommt. Die Antwort lautete: Ich Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: werde den Teufel tun. – Wie vom Teufel geritten Das Wort hat nun der Kollege Otto Bernhardt für kommt dann die SPD mit der Forderung nach die CDU/CSU-Fraktion. zusätzlichen Steuerbelastungen in Höhe von 40 Milliarden Euro für die Bürgerinnen und Bürger (Beifall bei der CDU/CSU) daher. Das kann in Deutschland nicht so weitergehen. Otto Bernhardt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen (Beifall bei der FDP) und Herren! Die große Koalition hat die Ziele ihrer Große Steuererhöhungen, kleine Reförmchen, Finanzpolitik ganz klar im Koalitionsvertrag bei den Steuererhöhungen klotzen, beim Sparen formuliert. Wir wollen und müssen gleichzeitig zwei kleckern und beim Schuldenmachen kräftig Ziele verfolgen: nachhaltige Sanierung der zugreifen: Das ist Ihre Finanzpolitik. Dabei sind die öffentlichen Finanzen und Stärkung der Einnahmen gar nicht das Problem, Herr Beschäftigung. Alle Maßnahmen, die wir bisher in Steinbrück. Das wissen Sie auch. Wir erzielen den Bundestag eingebracht haben und die auch Steuereinnahmen in Rekordhöhe. Sie sprudeln heute zur Diskussion stehen, dienen diesen beiden geradezu. Die Äußerung Ihres Zielen. Fraktionsvorsitzenden – er ist gerade nicht Ich will das Problem aufzeigen, weil die Rede anwesend; er entzieht sich offenbar dieser Debatte meines Vorredners von der FDP den Eindruck –, erweckt hat, hier gebe es keine Probleme. In (Jörg Tauss [SPD]: Es lohnt sich ja nicht, zu- diesem Jahr – wir haben den Haushalt zuhören!) verabschiedet – werden wir neue Schulden in Höhe von 38 Milliarden Euro machen. Diesen die Mehrwertsteuererhöhung sei überflüssig Schulden stehen Neuinvestitionen in der gewesen, kann man anhand der hohen Größenordnung von 23 Milliarden Euro gegenüber. Steuereinnahmen in Deutschland sehr gut Es ist unser Ziel, im nächsten Jahr nicht nur einen begründen. Aber Sie tun nicht das, was nötig ist. Haushalt vorzulegen, der den Maastrichtkriterien Sie erkennen die Realität nicht an. Deswegen entspricht – das ist eine nicht ganz so schwierige kommen Sie mit einer solchen Politik nicht weiter. Aufgabe –, sondern wir sind entschlossen und Unsere Haushaltspolitiker haben es Ihnen haben das im Koalitionsvertrag niedergelegt, im vorgemacht. Mit dem liberalen Sparbuch haben sie nächsten Jahr einen Haushalt vorzulegen, der dem Ihnen konkrete Einsparvorschläge vorgelegt, die Art. 115 des Grundgesetzes gerecht wird. Das Sie alle abgelehnt haben. Damit haben Sie unter heißt, dass die Neuverschuldung etwa Beweis gestellt, dass Sie nicht zu Einsparungen 15 Milliarden Euro weniger betragen muss. bereit sind. So leicht kann man es sich machen: Das ist unser Ziel. Die hier wieder zitierte dem Bürger in die Tasche greifen und vom Sparen Erhöhung der Mehrwertsteuer macht bezogen auf sprechen, aber selbst keinen einzigen Beitrag dieses Ziel 7 Milliarden Euro aus. Sie wissen, dass dazu leisten. von den 3 Prozentpunkten der (Beifall bei der FDP) Mehrwertsteuererhöhung 1 Prozent-punkt für den Abbau der Lohnnebenkosten verwendet wird, Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der 1 Prozentpunkt für die Sanierung der Länderfinan- Union, was Sie im Wahlkampf bekämpft haben, zen und 1 Prozentpunkt für die Sanierung der setzen Sie jetzt, da Sie in der Bundesfinanzen. Das bedeutet, dass wir außer Regierungsverantwortung sind, um. Das gilt für die dieser Summe noch Einsparungen in Höhe von Reichensteuer genauso wie für das 8 Milliarden Euro oder höhere Einnahmen Antidiskriminierungsgesetz, das Sie jetzt nicht brauchen. Wir konzentrieren uns auf mehr als rot-grünes, sondern als schwarz-rotes Einsparungen. Gesetz mit einem neuen Etikett verabschieden. Man könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen. Die (Lachen des Abg. Hellmut Königshaus [FDP]) versprochenen Entlastungen sind alle Das Gesetz, um das es heute geht, umfasst ausgeblieben. Nur die Belastungen stehen bei neun Maßnahmen. Diese Maßnahmen werden Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3977 bereits im nächsten Jahr ein Volumen von gut fohlen. Andere haben empfohlen, die 2 Milliarden Euro ausmachen – davon je etwa die Arbeitnehmerpauschale anzutasten. Das hätte Hälfte für den Bund und für die Länder – und in allerdings indirekte Steuererhöhungen für jeden den folgenden Jahren etwa 4 Milliarden Euro. Wir und höheren Bürokratieaufwand bedeutet. diskutieren also heute über einen Abbau der Wir haben uns in der großen Koalition letztlich Neuverschuldung, Herr Kollege von der FDP, der zu folgender Haltung durchgerungen: Die höchsten in dieser Legislaturperiode eine Größenordnung Belastungen haben diejenigen zu tragen, die von von etwa 10 Milliarden Euro hat. Es spricht für den ihrem Arbeitsplatz besonders weit entfernt Mut der großen Koalition, dass wir zum Teil sehr wohnen. Deshalb sollen die knappen Mittel den unpopuläre Maßnahmen – ich werde gleich zwei Fernpendlern zugute kommen; sie erhalten Punkte besonders erwähnen – ergreifen; denn wir weiterhin 30 Cent pro Kilometer. Ich glaube, dies meinen es wirklich ernst mit der nachhaltigen ist eine vernünftige Lösung. Wir haben im Aus- Sanierung der öffentlichen Finanzen. Ich stimme schuss über die Verfassungsrechtlichkeit lange dem Minister zu: Zu dieser Politik gibt es keine diskutiert. Wie Sie wissen, hat die Regierung klar Alternative. gesagt: Verfassungsrechtlich ist das in Ordnung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Hier wird der Eindruck erweckt, die große Ich will die beiden Punkte herausgreifen, die Koalition sei sozusagen ein Bündnis für mehr auch mein Vorredner angesprochen hat. Der eine Steuern. ist der Zuschlag von 3 Prozent auf das Einkommen (Jürgen Koppelin [FDP]: Sehr wahr!) so genannter Besserverdienender. Bei Alleinveranlagung greift diese Maßnahme ab Diese Aussage ist so nicht richtig. Sie müssen alle einem Einkommen von 250 000 Euro, bei Mosaiksteine sehen; Sie dürfen sich nicht einen gemeinsamer Veranlagung ab einem Einkommen heraussuchen. Um die Beschäftigung zu stärken, von 500 000 Euro. Wenn jemand 300 000 Euro werden wir an zwei ganz wichtigen Punkten verdient und allein veranlagt wird, dann zahlt er für umfangreiche Steuersenkungen vornehmen. die Differenz zu 250 000 Euro, also 50 000 Euro, Die große Koalition wird sicherstellen, dass ab eine in der Presse so genannte Reichensteuer in dem 1. Januar kommenden Jahres beim Übergang Höhe von 1 500 Euro. Bezogen auf sein gesamtes einer Firma an die nächste Generation unter Einkommen ist das 0,5 Prozent. Das kann bestimmten Voraussetzungen überhaupt keine natürlich jeder leisten, der ein solches Einkommen Steuern anfallen. Das ist ein wichtiger Beitrag zur hat. Die Frage ist nur – darüber haben wir uns Sicherung von Arbeitsplätzen, insbesondere in der intensiv unterhalten –: Ist das das richtige Signal? mittelständischen Wirtschaft. Teile der Koalition sagen: Das ist das richtige Signal; denn der Normalbürger muss manches (Beifall bei der CDU/CSU) ertragen und unter dem Gesichtspunkt der Wir befinden uns zudem mitten in der Solidarität sollten die, die besonders viel Diskussion um eine Neuordnung der verdienen, einen besonderen Beitrag leisten. Das Unternehmensbesteuerung. Wir haben hier ist die eine Argumentation. Diskussionsbedarf. Das kann bei einem solchen Die andere Argumentation lautet: Dies könnte Thema nicht überraschen. Aber an einem Punkt dazu führen, dass noch mehr gut Verdienende in sind wir uns – das können Sie allen Äußerungen Deutschland gar keine Steuern mehr zahlen. Dann entnehmen – im Grundsatz einig: Wir müssen die wäre es sicher ein falsches Signal. Ich sage an steuerliche Belastung deutscher Firmen deutlich dieser Stelle sehr deutlich: Große Koalition heißt, reduzieren, damit wir im internationalen dass man aufeinander zugehen und Kompromisse Wettbewerb, insbesondere innerhalb der EU, schließen muss. Diese Maßnahme haben wir im konkurrieren können. Sie alle wissen, dass wir mit Koalitionsvertrag nun einmal vereinbart. Für einige knapp 39 Prozent Gesamtbelastung – Körper- Sozialdemokraten handelt es sich hierbei um Ka- schaftsteuer, Solidaritätszuschlag und viar. Für mich handelt es sich eher um eine Kröte. Gewerbesteuer – die Spitzenposition in Europa Ich stelle aber klar: Wir stehen zu diesem Punkt haben, und zwar nicht, weil wir die Steuern erhöht und wir tragen ihn mit. haben, sondern weil die anderen sie schneller gesenkt haben. Hinzu kommt, dass die EU Länder (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: mit sehr niedrigen Steuersätzen aufgenommen Auch Kröten legen Eier!) hat. Die Änderung der Pendlerpauschale – der Jetzt diskutieren wir darüber, dass diese zweite Punkt, den ich ansprechen will – hat Steuerbelastung von bisher circa 39 Prozent in natürlich erhebliche Auswirkungen auf Millionen Richtung 29 Prozent gesenkt werden soll. Das, von Arbeitnehmern. Damit die Größenordnung klar was selbst einige Journalisten als eine Senkung ist – unser Ziel ist die Haushaltssanierung –: Es um 10 Prozent bezeichnen, geht um 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Natürlich haben wir unterschiedliche Modelle diskutiert. (Florian Pronold [SPD]: Nominal!) Einige haben 15 Cent für jeden Kilometer emp- 3978 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 ist in Wirklichkeit eine Senkung um rund terkommt, halte ich des Schweißes der Edlen 25 Prozent. Das heißt, diese Koalition hat die wert. Absicht – die FDP sollte einmal sehr aufmerksam Wäre das nicht der richtige Weg? zuhören –, die größte Steuersenkung für Betriebe vorzunehmen, die es nach dem Kriege gegeben hat. Otto Bernhardt (CDU/CSU): Herr Kollege Koppelin, Sie wissen, dass die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Staatsquote in Deutschland Gott sei Dank Hier geht es uns um die Sicherung von rückläufig ist. Sie kennen die Zahlen des Arbeitsplätzen. Statistischen Bundesamts. Sie wissen, dass wir durch die Senkung der Lohnnebenkosten oder Lohnzusatzkosten – was immer der bessere Vor diesem Hintergrund zeigt auch dieses Begriff ist – erstmalig die Chance haben, da unter Gesetz, das wir heute verabschieden werden, 40 Prozent zu kommen. Das zeigt: Die große dass die große Koalition den Mut hat, unpopuläre Koalition ist auch auf diesem Gebiet auf dem Maßnahmen zu ergreifen, dass sie ein richtigen Weg. Dort werden wir weiterarbeiten. Ich ausgewogenes Konzept hat: Steuersenkung dort, sage noch einmal: Die Sanierung der wo dringend erforderlich, Abbau von Subventio- Staatsfinanzen ist ein grundlegendes Ziel. Es gibt nen, auch wenn unpopulär. Mit diesem Konzept keine gesunde Volkswirtschaft in Europa, die werden wir das erreichen, was wir uns diesem Ziel nicht eine große Bedeutung gegeben vorgenommen haben, nämlich endlich wieder hat. Das werden wir tun. einen Haushalt vorzulegen, der sowohl den EU- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Kriterien als auch dem Grundgesetz entspricht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi für die An diesem Problem arbeiten wir. Das ist gut und Fraktion Die Linke. wichtig. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie Herr Kollege, gestatten Sie – Sie hätten noch wollen heute leider wieder ein Steuergesetz Zeit – eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin? beschließen, das mit sozialer Gerechtigkeit und mit wirtschaftlichem Aufschwung nichts zu tun haben Otto Bernhardt (CDU/CSU): wird; ganz im Gegenteil. Ich werde versuchen, das Immer. zu begründen. Ich habe mir dazu vier Punkte herausgesucht. Jürgen Koppelin (FDP): Sie wollen die steuerliche Absetzbarkeit der Kollege Bernhardt, da man bei Ihrer Rede Aufwendungen für Arbeitszimmer stark merkte, wie schwer Sie sich bei dem tun, was wir reduzieren. Sie versprechen sich dadurch heute diskutieren, folgende Frage: Gibt es nicht Mehreinnahmen von 300 Millio-nen Euro. Das trifft Alternativen? Sie kommen aus Schleswig-Holstein in erster Linie Lehrerinnen und Lehrer, aber auch und waren Mitglied des Schleswig-Holsteinischen andere Berufsgruppen. Das bedeutet für sie Landtags. Ich will Ihnen ein Zitat vortragen. Es natürlich eine Nettolohnkürzung und nichts stammt vom früheren schleswig-holsteinischen anderes. Sie haben kein einziges Argument Wirtschaftsminister Peer Steinbrück. Er erklärte genannt, das die Nettolohnkürzung rechtfertigen damals: würde, zumal die Betroffenen seit Jahren kaum Die Steuer- und Abgabenquote ist eindeutig Lohnsteigerungen erlebt haben. zu hoch. Sie haben außerdem vor, beim Kindergeld und (Beifall bei der SPD, der CDU und der F.D.P.) Kinderfreibetrag zu sparen, und zwar dergestalt, dass man das nur noch bis zum 25. Lebensjahr Sie ist aus der Perspektive der Arbeitgeber zu und nicht mehr bis zum 27. Lebensjahr erhält. Es hoch … Sie ist zu hoch aus Sicht der ist interessant, das mit einer anderen Zahl zu Arbeitnehmer … vergleichen. Das durchschnittliche Alter der Ich füge hinzu – ganz deutlich! –: Die Studierenden zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihren Staatsquote ist auch zu hoch. Sie ist zu hoch. Abschluss machen, liegt bei 28 Jahren. Das heißt, drei Jahre lang stellen Sie die Leute ohne (Beifall bei der SPD, der CDU und der F.D.P.) Einnahme. Vor diesem Hintergrund ein (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Übergangsre- konsensorientiertes Ergebnis hinzukriegen, gelung!) wie man Jahr für Jahr, nicht bruchartig, sondern schrittweise, davon wieder run- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3979

Was heißt das konkret? Das heißt, dass Sie die Dann kommt der dickste Brocken: die Ausbildungszeit nicht verkürzen, sondern Entfernungspauschale. Da erhoffen Sie sich verlängern, Mehreinnahmen von 2,5 Milliarden Euro. Das heißt, dieses Geld nehmen Sie den Leuten weg, (Beifall bei der LINKEN) sonst könnten Sie nicht mit solchen weil die Betroffenen nebenbei arbeiten müssen, Mehreinnahmen rechnen. um ihr Studium überhaupt noch absolvieren zu (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) können. 15 Millionen Steuerpflichtige machen derzeit die (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Haben Sie den Entfernungspauschale geltend. Die Hälfte davon Gesetzentwurf überhaupt gelesen?) erhält sie nach Ihrer Neuregelung nicht mehr, weil Jetzt sollen noch Studiengebühren der sie Entfernungen von bis zu 20 km bisher geltend Universitäten dazukommen. Jeder kann sich gemacht hat, die dann nicht mehr geltend gemacht ausrechnen, wohin das führt. Das wird eine ganz werden dürfen. Aber auch die andere Hälfte elitäre Geschichte. bekommt deutlich weniger: Jemand, dessen Entfernung zur Arbeitsstätte 50 Kilometer beträgt, (Beifall bei der LINKEN) erhält nicht mehr einen Ersatz für diese 50 Kilo- Die Kinder von Arbeitnehmerinnen und meter, sondern nur noch für 30 Kilometer. Arbeitnehmern haben kaum noch Chancen, zu Das kostet die Steuerzahler richtig Geld; wir studieren. Das ist damit verbunden! haben das ausgerechnet. Nehmen wir einmal ein Davon versprechen Sie sich Mehreinnahmen Ehepaar mit einem Kind, das heute täglich von 534 Millionen Euro – schon eine ganze 20 Kilometer hin und zurück zur Arbeitsstätte fährt: Menge. Bei einem Jahreseinkommen von 48 000 Euro hieße das, dass es zusätzlich 516 Euro aufwenden Dann reduzieren Sie den Sparerfreibetrag. muss, bei einem Jahreseinkommen von Jemand, der allein stehend ist, hat bisher einen 60 000 Euro wären es sogar 565 Euro. Sparerfreibetrag von 1 370 Euro, Verheiratete haben einen solchen von 2 740 Euro. Das (Florian Pronold [SPD]: Weil Sie den Arbeit- reduzieren Sie auf 750 Euro bzw. 1 500 Euro. Das nehmerpauschbetrag mit einrechnen!) machen Sie in einer Zeit, in der Sie selbst Das ist die Wahrheit. Das müssen die Leute beschließen, dass man die gesetzliche Rente hergeben bzw. es fällt weg, weil sie es nicht mehr später erst mit 67 Jahren bekommt, in der Sie geltend machen können. Auf diese Weise erzielen selbst sagen, dass die Rente verringert werden Sie Ihre Mehreinnahme in Höhe von 2,5 Milliarden wird. In dieser Situation reduzieren Sie den Euro. Übrigens betrifft das auch diejenigen, die Sparerfreibetrag. In einer Zeit, in der Sie den den öffentlichen Nahverkehr benutzen. Auch diese Leuten jeden Tag erklären, sie müssten privat dürfen Entfernungen bis zu 20 Kilometer nicht vorsorgen, greifen Sie gleichzeitig mit der Steuer mehr geltend machen. So müssen sie auch die zu. Sie haben nicht einmal die Fähigkeit zu einer Preissteigerungen im öffentlichen Nahverkehr, die gewissen Logik. Man kann nicht beides es in fast jeder Kommune gibt, künftig alleine miteinander verbinden. tragen. All das wollen Sie hier beschließen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Selbst die Union will sich so entscheiden, neten der FDP) obwohl sie doch sonst immer vom flexiblen Nehmen wir es konkret: Bei einer Verzinsung Arbeitsmarkt redet und sagt, man kann sich nicht von 5 Prozent bedeutet das, dass jemand schon mehr aussuchen, in welcher Stadt man arbeitet, bei einem Sparguthaben von 16 020 Euro Steuern sondern muss auch größere Entfernungen in Kauf bezahlen muss; bisher waren es 32 040 Euro. nehmen. Zugleich sagen Sie aber, bei Entfernungen von bis zu 20 Kilometern erstatten (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wo bekommen wir nichts mehr. Sie das denn?) Ich halte das auch für grundgesetzwidrig, und – Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Sie zwar unter anderem deshalb, weil wir das wollen sie doch schaffen. Also glauben Sie doch Nettolohnprinzip haben und weil das wenigstens an eine Verzinsung von 5 Prozent, Bundesverfassungsgericht schon entschieden auch wenn wir im Augenblick davon weit entfernt hat, dass die Aufwendungen, die man hat, um ein sind. Arbeitsentgelt zu erzielen, abzugsfähig sein müs- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – sen. Sie sagen aber, sie sollen nicht mehr Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: abzugsfähig sein. Ich denke, dazu werden wir Wolkenkuckucksheim!) eines Tages eine Entscheidung des Das heißt, schon bei der Hälfte des bisherigen Bundesverfassungsgerichts erleben, die Ihnen Betrages, der auch schon ein lächerliches möglicherweise nicht gefällt. Sparguthaben für eine Altersvorsorge darstellte, (Beifall bei der LINKEN) müssten Steuern gezahlt werden. 3980 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Wenn ich das Ganze zusammennehme, komme Sie dürfen das aber nicht aus Gewinnen ich auf eine Kaufkraftreduzierung um über erwirtschaften, also nicht als Unternehmerin oder 4 Milliarden Euro nächstes Jahr. Das müssen die Unternehmer, auch nicht aus der Forst- und Lehrerinnen und Lehrer, die Arbeitnehmerinnen Landwirtschaft, auch nicht aus einem und Arbeitnehmer und die Kleinsparer aufbringen. Gewerbebetrieb: Es bleiben praktisch nur die Das würde auch wirtschaftliche Folgen haben: Das Festangestellten übrig. Deshalb ist Ihr Argument, Ergebnis wird sein, dass kleine und mittlere dass sie alle weggehen könnten, ziemlicher Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, weil Blödsinn. Selbst wenn sie weggingen, würden sie weniger Waren bzw. Dienstleistungen verkau- andere eingestellt. Diese würden das Geld dann fen. Dann werden wir mehr Arbeitslose haben. Ich verdienen. Das Argument zieht hier also gar nicht. sehe schon, wie dann von Ihnen Anträge kommen, (Beifall bei der LINKEN) auf welche Weise man Arbeitslose stärker drangsalieren und ihnen Mittel kürzen kann. Das Die Zusatzsteuer dieser kleinen Gruppe liegt bei wird die Folge sein. 3 Prozent. Jetzt muss ich einmal erklären, was das heißt. Es geht ja um das steuerpflichtige (Beifall bei der LINKEN) Einkommen. Das bedeutet, ein Ehepaar muss viel Zum Schluss gibt es dann noch ein Tröpfchen, mehr als 500 000 Euro verdienen, damit es auf ein die Reichensteuer. Sie haben Recht, Herr steuerpflichtiges Einkommen von 500 000 Euro Bundesminister Steinbrück, mit symbolischer kommt – da gibt es ja Freibeträge und alles Handlung hat das nichts zu tun. Das ist weniger Mögliche. Wenn dann alles abgezogen ist, dann als ein Witz. haben sie zum Beispiel noch 505 000 Euro. Dann sagen Sie im Ernst, Herr Steinbrück: Als wichtiges (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN) Signal müssen sie für die letzten 5 000 Euro Ich muss das wirklich einmal erklären: Unter 3 Prozent mehr Steuern zahlen. Das ist weniger gab es einen als ein Witz; sie werden darüber lachen. Ich weiß Einkommensteuerspitzensatz von 53 Prozent. nicht, ob sich überhaupt jemand bereitfindet, Union und FDP haben sich tapfer bemüht, diesen deswegen zum Bundesverfassungsgericht zu zu senken, aber damals standen die SPD und gehen. auch andere dagegen; (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Herr Lafontaine!) Hier hat die FDP leider nicht Unrecht; denn es deshalb fiel es Ihnen schwer. Bis zu Kohls Abgang gibt ein verfassungsrechtliches Argument. Es hat wurde ein Steuersatz von 53 Prozent auf einen Zug von Willkür, wenn man sagt: ab Einkommen über 60 000 Euro bei Alleinstehenden 500 000 Euro. Wieso nicht vorher? Wieso bzw. über 120 000 Euro bei Verheirateten verlassen Sie plötzlich die Geradlinigkeit in der erhoben. Dann kam Gerhard Schröder; die Welt Steuergesetzgebung und machen einen änderte sich. Der Spitzensteuersatz bei der Riesensprung, der überhaupt nicht nachvollziehbar Einkommensteuer wurde um 11 Prozent auf ist? 42 Prozent für all diejenigen gesenkt, die mehr als Was versprechen Sie sich für eine 60 000 Euro bzw. 120 000 Euro verdienten. Mehreinnahme? 250 Millionen Euro. Ich möchte (Otto Fricke [FDP]: 11 Prozentpunkte!) das einer anderen Zahl gegenüberstellen. Sie sagen, die Reichen – zumindest ein ganz kleiner – Okay. – Das haben Sie ja wahnsinnig gefeiert. Teil der Reichen – sollen 250 Millionen Euro und Was haben die Haushalte dadurch an Geld Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Kleinsparer, verloren – diese Zahl ist ja auch einmal interessant Lehrerinnen und Lehrer 4,084 Milliarden Euro –: 7,2 Milliarden Euro weniger Einnahmen zahlen. Das ist Ihre Art von Gerechtigkeit, die Sie aufgrund der Senkung des Spitzensteuersatzes organisiert haben, nachdem Sie den Best- und der Einkommensteuer! Jetzt stellen Sie sich hin Besserverdienenden, wie ich es vorhin begründet und verlangen von Lehrerinnen und Lehrern, von habe, über 7 Milliarden Euro durch die Senkung Kleinsparern und von Arbeitnehmerinnen und des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer Arbeitnehmern über 4 Milliarden Euro zurück, weil geschenkt haben. Sie damals den Besser- und Bestverdienenden reichlich darüber hinaus, nämlich über 7 Milliarden (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der Euro, gegeben haben. Diesen Zusammenhang SPD) muss man einmal herstellen. Wenn man das Ganze dann noch in Verbindung (Beifall bei der LINKEN) mit der Mehrwertsteuererhöhung in Höhe von 3 Prozent-punkten im nächsten Jahr setzt – sie Nun sagen Sie zwar, jetzt müssen auch diese trifft doch auch die Arbeitnehmerinnen und irgendwie zur Kasse gebeten werden. Da fällt Arbeitnehmer und alle ande-ren – und wenn man Ihnen aber nur eine Zusatzsteuer in Höhe von dann noch hört, dass Sie jetzt am Wochenende 3 Prozent ein, und zwar für Leute, die als beschließen, dass die Gesundheitsreform aus Alleinstehende mehr als 250 000 Euro bzw. als Steuermitteln bezahlt werden muss, dann Verheiratete mehr als 500 000 Euro verdienen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3981 bekommt man wieder den Eindruck, dass Zur unmittelbaren Erwiderung auf diese Rede 250 Millionen Euro an Belastungen für die Reichen erteile ich das Wort dem Bundesminister Peer kommen und viele, viele Milliarden Euro für die Steinbrück. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die anderen. Dadurch machen Sie diese Gesellschaft nicht nur grob sozial ungerechter, sondern das wird auch verheerende wirtschaftliche Folgen Peer Steinbrück, Bundesminister der haben. Finanzen: Ich mache es kurz, meine sehr geehrten Damen Der Kaufrausch, von dem jetzt in den Zeitungen und Herren. Aber man darf die Demagogie und zu lesen ist, wenn man ihn überhaupt so auch manche Aussage auf Klippschulenniveau so bezeichnen kann – er hat übrigens nichts mit der nicht stehen lassen; Fußballweltmeisterschaft zu tun; das ist Blödsinn! –, hat damit zu tun, dass die Leute Angst vor den (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Steuererhöhungen im nächsten Jahr haben. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE 3 Prozentpunkte Mehrwertsteuererhöhung ist na- GRÜNEN]: Parlamentarismus in einem türlich eine Menge. Da entscheiden sich viele, freien Land! Warum liegen denn die lieber jetzt zu kaufen. Im nächsten Jahr wird es Nerven bei Ihnen so blank?) dann den Reinfall und wieder eine höhere denn sonst könnte sich, auch bei denjenigen, die Arbeitslosenzahl geben. Dann stehen Sie wieder uns zuhören, der Eindruck verfestigen, wir hätten hier und machen Gesetzentwürfe – leider nicht plötzlich eine verkehrte Welt. gegen die Arbeitslosigkeit, sondern gegen Arbeitslose. Das Ganze ist nicht hinnehmbar. Es Herr Gysi, Sie wären noch beeindruckender, ist auch nicht vertretbar. wenn Sie, insbesondere im Zusammenhang mit den Einkommensteuerreformen in der Ich sage Ihnen noch einmal: Wir haben keine Vergangenheit, berücksichtigen würden, dass nicht Illusionen und sind nicht einfach nur dagegen. Wir nur der Spitzensteuersatz abgesenkt worden ist, machen Ihnen auch Vorschläge. Wir haben sondern vor allen Dingen der Eingangsteuersatz, gesagt: Wir brauchen eine gerechte nämlich von 26 Prozent auf 15 Prozent. Körperschaftsteuer. Wir haben über eine internationale Börsensteuer geredet. Wir haben (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der darüber geredet, wie eine gerechte CDU/CSU) Einkommensteuer aussehen kann. Aber zu all Die Freibeträge für die Geringst- und diesen Wegen sind Sie nicht bereit. Geringverdiener sind deutlich erhöht worden, mit Die Deutsche Bank macht ihre Pressekonferenz dem Effekt, dass jemand, der verheiratet ist und und berichtet von wunderbaren, tollen Gewinnen. zwei Kinder hat, unter Anrechnung des Danke schön, Gerhard Schröder! Wir entlassen Kindergeldes bis zu einem Verdienst von gleich einmal wieder 8 000 Leute. 37 000 Euro in Deutschland keine Steuern zahlt. Der nächste Konzern macht seine (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Pressekonferenz, bedankt sich auch für den CDU/CSU) größten Gewinn seiner Geschichte und entlässt Das heißt, was Sie mit Blick auf die Effekte der 10 000 Leute. Allianz macht jetzt eine Steuerreformschritte der letzten Jahre dargestellt Pressekonferenz, hatte den größten Gewinn im haben, korrespondiert überhaupt nicht mit den letzten Jahr und sagt: 7 500 Leute werden wir jetzt Fakten. Es ist reine Demagogie, die Sie da entlassen. – Das Versprechen, dass die verbreiten. Steuergeschenke an Konzerne zu mehr Arbeitsplätzen führen, ist widerlegt. Das gilt (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ebenso für die Geschenke an die Reichen und die Dasselbe gilt, wenn Sie sich populär geben – Bestverdienenden. mein Sohn würde sagen: sich ranwanzen – und (Beifall bei der LINKEN) zum Beispiel beim Thema Arbeitszimmer auf die Lehrer abheben. Das maßgebliche Steuerkriterium Sie müssten den Mut haben, auch einmal von bezieht sich auf den Ort der hauptberuflichen den Konzernen, Reichen und Bestverdienenden Tätigkeit. Ich habe den Eindruck, der Ort, wo die mehr Steuern zu fordern. Sie wollen das nicht. Lehrer tätig sein sollten, ist nicht ihr häusliches Ihnen fehlt der Mut. Das ist das Problem der Arbeitszimmer, sondern die Schule. Koalition. Deshalb geht Ihr Herumeiern immer zulasten derselben Gruppen: der Rentnerinnen (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der und Rentner, der Arbeitslosen und der Arbeit- CDU/ CSU – Widerspruch bei der LINKEN) nehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist ein Abgrenzungskriterium. Um das ganz (Beifall bei der LINKEN) deutlich zu machen: Die Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger sollen nicht dazu dienen, jedwede Entscheidung bezüglich einer teilweise Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: beruflichen Tätigkeit zu Hause zu subventionieren. 3982 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Dieses Abgrenzungskriterium ist von uns Drittens zur Einkommensteuer; das war ja Ihr eingeführt worden. wichtigster Einwand. Es stimmt, auch die Eingangsteuersätze sind gesenkt worden. Aber die Dasselbe gilt mit Blick auf die Steuerausfälle sind ganz überwiegend durch die Pendlerpauschale. In allen anderen europäischen Senkung des Spitzensteuersatzes um Steuersystemen ist der Weg vom Wohnort zum 11 Prozentpunkte entstanden. Das hat zu dieser Arbeitsort nicht Bestandteil der Arbeitswelt. Warum wahnsinnigen Einbuße geführt. soll es in Deutschland anders sein? Warum ist es in Deutschland unter den obwaltenden schwierigen Dazu noch ein Hinweis. Wir können das haushaltspolitischen Bedingungen nicht möglich, gerechter machen. Ich kenne die Beispiele. eine Regelung zu finden, nach der wir Fernpendler Jemand von der CDU/ CSU hat wieder gesagt, weiter unterstützen – dann würden die Leute das Land verlassen. Wie gesagt, bei Festangestellten ist das gar kein (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Argument, aber bei anderen. Machen wir das doch NEN]: Fangen Sie doch bei Ihrem nach amerikanischem Recht! Wissen Sie, wie das eigenen Job und Ihrem Weg zum dort geregelt ist? Übertragen auf Deutschland Arbeitsplatz an! Gehen Sie mit gutem hieße das, dass ein deutscher Staatsangehöriger, Beispiel voran!) wenn er in einem anderen Land lebt und dort – ja, ich komme mit dem Fahrrad, wenn es sein Steuern zahlt, seine Steuererklärung und seinen muss –, aber die, die im Nahbereich tätig sind, an Steuerbescheid ebenfalls in Deutschland den notwendigen Konsolidierungsschritten, die wir einreichen muss. Wenn dann festgestellt wird, unternehmen müssen, teilhaben lassen? dass er in Deutschland mehr Steuern hätte zahlen müssen, muss er die Differenz zahlen. Denn Fazit – um die Intervention nicht zu sehr in die solange er die deutsche Staatsangehörigkeit hat, Länge zu ziehen –: Ihre Reden zeichnen sich sind wir für ihn verantwortlich. immer dadurch aus, dass Sie sich punktuell etwas herausgreifen, was aber mit der Bandbreite der (Beifall bei der LINKEN) Wirklichkeit in unserer Gesellschaft und unserer Wenn er irgendwo entführt wird, geben wir Geld Wirtschaft nichts zu tun hat. Ich finde, das muss aus, um ihn zu retten. Das ist in Ordnung; aber gelegentlich korrigiert werden. dann müssen deutsche Staatsangehörige auch (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Pflichten gegenüber Deutschland haben. Dann könnte Schumi in der Schweiz vereinbaren, was er Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: will; er müsste seine Steuererklärung nach Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Deutschland schicken und im Falle einer Differenz Kollege Dr. Gregor Gysi. diese bezahlen. Dann hätten Sie gar keine Schwierigkeiten, bei der Einkommensteuer einen gerechten Spitzensteuersatz einzuführen. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Bundesminister, lassen Sie mich als Erstes (Beifall bei der LINKEN) einen Satz zu den Lehrern sagen. Natürlich unterrichten Lehrerinnen und Lehrer an der Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Schule; aber die ganze Vorbereitung, die Korrektur Herr Minister, wollen Sie erwidern? von Klassenarbeiten etc. müssen sie zu Hause erledigen, da sie in der Schule alle kein Büro Peer Steinbrück, Bundesminister der haben. Deshalb ist das häusliche Arbeitszimmer Finanzen: immer anerkannt worden. Nein. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Der Weg von der Wohnung zur Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Arbeit und von der Arbeit zur Wohnung gehörte Dann erteile ich dem Kollegen Fritz Kuhn von in Deutschland, im Unterschied zu anderen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Ländern, immer zur Arbeitswelt. Das hat eine Wort. jahrzehntelange Tradition und ist vom (Beifall der Abg. Renate Künast [BÜND- Bundesverfassungsgericht das letzte Mal 2002 NIS 90/DIE GRÜNEN]) ausdrücklich dahin gehend bestätigt worden, dass der Aufwand, um ein Einkommen erzielen zu Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): können, in Bezug auf die Steuer absetzungsfähig Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und sein muss. Wenn Sie das heute anders regeln, Kollegen! Herr Steinbrück, wenn ich mir anschaue, dann kürzen Sie damit nichts anderes als die wie Sie agieren, dann kann ich nur sagen, dass die Nettolöhne, reduzieren die Kaufkraft, schaffen kühle Souveränität, mit der Sie gestartet sind, soziale Ungerechtigkeit und schädigen die Wirt- allmählich einer gewissen Dünnhäutigkeit schaft. gewichen ist. Das zeigt sich auch heute daran, wie (Beifall bei der LINKEN) Sie auf die Einwände im Rahmen der Debatte reagieren. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3983

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) blem. Denn die 4,2 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer werden nicht mehr als Zuschuss für Sie und Frau Merkel haben in den Debatten der die gesetzliche Krankenversicherung verwendet, letzten Wochen versucht, folgendes Bild zu sondern in den Haushalt eingestellt. Dadurch zeichnen: Die Opposition übt sich im Einbringen werden die Krankenversicherungsbeiträge um von unbedeutenden Anträgen – mal hier eine 4,2 Milliarden Euro steigen. Was Sie da machen, Einsparung, mal dort eine Einsparung –, aber das ist organisiertes Chaos. stimmige, verlässliche und berechenbare Gesamtkonzept kommt von der großen Koalition, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wie Sie auch eben wieder sagten. Wenn ich mir Erst gehen die Beiträge hoch, dann sagen Sie, die chaotische Diskussion der letzten Tage dass die Beiträge durch Steuererhöhungen wieder anschaue und mir vor Augen führe, was jetzt sinken sollen. Da können Sie doch nicht davon gemacht wird und was noch alles kommt, dann sprechen, dass Sie einen Plan haben, wie es kann ich nur feststellen, dass Sie den nie insgesamt in Deutschland weitergehen soll. vorhandenen Überblick jetzt endgültig verloren ha- ben. Ich will Ihnen aufzeigen, an welchen Punkten (Volker Kauder [CDU/CSU]: Solch eine Auf- dies deutlich wird. regung an seinem Geburtstag!) Man sagt, dass wir zur Haushaltskonsolidierung Zu dem Thema Sanierungsfall, den Frau Merkel dringend 24 Milliarden Euro aus der Erhöhung ausgerufen hat: Sie haben keine klare Konzeption, der Mehrwertsteuer brauchen. Sie beschließen wie die Sanierung Deutschlands aussehen soll. diese Erhöhung mit Ihrer Mehrheit im Parlament. Sie reden nur davon, dass Sie ein stimmiges Aber dann sagt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Konzept haben. Aber wenn ich mir die also eines Koalitionspartners, dass dies eigentlich Verteilungswirkungen anschaue, dann kann ich nicht notwendig gewesen wäre. Mit einer nur sagen: Es sind die kleinen Leute, die im vernünftigen Einsparpolitik hätte man es auch Großen und Ganzen die von Ihnen geplante schaffen können. Bingo! Wie muss das bei der Sanierung bezahlen müssen. Denn tatsächlich Bevölkerung draußen im Lande ankommen? werden durch die Mehrwertsteuererhöhung oder Maßnahmen, die im Steuerveränderungsgesetz (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2007, über das wir heute diskutieren, enthalten sowie bei Abgeordneten der FDP) sind, vor allen Dingen Menschen mit geringen Sie sagen außerdem, dass wir eine Einkommen getroffen. An dieser Tatsache Unternehmensteuerreform brauchen. Das ist kommen Sie nicht vorbei. zwar unstrittig. Aber Sie wollen eine Entlastung in Ihre Politik kann ich nur als Murks bezeichnen. Höhe von 8 Milliarden Euro. Das heißt im Klartext: Die Merkel-Regierung ist eine Murksregierung, 1 Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung geht weil sie keinen Gesamtüberblick hat. Herr für die Entlastung der Unternehmen im Zuge der Steinbrück, wenn Sie das bestreiten – Sie schreien von Ihnen geplanten Reform drauf. Herr Fi- ja gerade auf, als würde es Ihnen wehtun –, dann nanzminister, Sie sagen übrigens nie klar, worauf sagen Sie einmal, wie die Belastungswirkungen sich die 8 Milliarden Euro beziehen. Ist diese auf welche Einkommensgruppen in Deutschland Summe dem Time Lag geschuldet, weil die am Ende, also nach der Gesundheitsreform, Verbreiterung der Bemessungsgrundlage nicht aussehen. Haben Sie je eine Belastungsrechnung sofort greift, oder meinen Sie tatsächlich, dass es in diesem Haus vorgelegt? Haben Sie gesagt, eine Entlastung in Höhe von 8 Milliar-den Euro diese Einkommensgruppe trifft es so und jene so? gibt? Darüber haben Sie uns bisher völlig im Haben Sie ein Gesamtkonzept für die Sanierung Unklaren gelassen, weil Sie mit einer der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt? Nein, Doppelstrategie arbeiten: Diejenigen, die gerne Sie haben es nicht. Sie machen es einmal so und eine Entlastung haben wollen, sollen 8 Milliarden einmal so, einmal rauf mit den Beiträgen und Euro hören und diejenigen, die dies nicht so gerne einmal runter mit den Beiträgen. So etwas wollen, sollen hören, dass dies nur vorübergehend bezeichne ich als gezielte Desinformation der sei. So können Sie die Öffentlichkeit nicht Öffentlichkeit täuschen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und nicht als berechenbaren, nachvollziehbaren Außerdem wollen Sie die und jederzeit verlässlichen Plan. Sie haben heute Krankenversicherungsbeiträge und damit die in Ihrer Rede wieder einen Lohnnebenkosten senken. Sie sprechen davon, Selbstbeweihräucherungsakt unternommen. dass Sie allein für die Finanzierung der kinderbezogenen Leistungen mindestens Wir sagen: Das ist Murkspolitik. Die Merkel- 16 Milliarden bis 24 Milliarden Euro aus Regierung macht organisierten Murks, übrigens Steuermitteln brauchen. Sie sagen bislang in der auch deshalb, weil sie sich um die wirtschaftlichen Diskussion aber nicht, welche Steuern um wie viel Folgen dessen, was sie da macht, nicht kümmert. erhöht werden sollen. Vorläufig haben Sie im Gesundheitswesen ein noch ganz anderes Pro- 3984 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das stimmt er mitbeschlossen hat, von diesem Rednerpult aus doch nicht!) aufgedeckt wird. Die Wirkungen der einzelnen Maßnahmen auf die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Konjunktur scheinen sie nicht zu interessieren und sowie bei Abgeordneten der LINKEN) der Wirtschaftsminister kommt in diesen Debatten So werden wir das auch weiter handhaben. gar nicht vor. Die Verfassungskonformität interessiert Sie also (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht. sowie des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE] – Renate Künast [BÜNDNIS Die Verteilungswirkung hat Herr Gysi richtig 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist er denn?) beschrieben: Das Aufkommen wird am Anfang, wenn Sie Glück haben, maximal 124 Millionen Es gibt in diesem Kabinett keine Stimme, die Euro betragen. Aber dies ist doch kein Ausgleich danach fragt, welche Auswirkungen die für die soziale Schieflage, die die Einsparpolitik, Maßnahmen, die Sie in der Haushaltspolitik und in die Sie betreiben, bewirkt! Ich muss die SPD nach der Finanzpolitik veranstalten, auf die Wirtschaft Ihrer Zustimmung zu dieser Bonsai-Reichensteuer und die Konjunktur haben. Dabei wissen wir wirklich fragen: Können Sie Ihr schlechtes doch, dass wir, wenn wir in Deutschland einen Gewissen, das Sie wegen der Mehrwertsteuer- wirklich nachhaltigen Aufschwung wollen, nicht nur den Umfang des Exports, so wie er sich zurzeit erhöhung haben, mit solch einer Nummer einfach darstellt, erhalten müssen, sondern auch die beruhigen und fröhlich aus diesem Haus gehen Binnenkonjunktur zu einem stabilen Element des und in die Ferien fahren? Sind Sie mit einer Wirtschaftswachstums in Deutschland machen solchen Minimalsteuer so billig zu kaufen? müssen. Die Maßnahmen, die Sie hier (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN präsentieren, sind das exakte Gegenteil. sowie bei Abgeordneten der FDP und der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) LINKEN) Deswegen betone ich: Mit der Schröpf-die-Bürger- Es ist doch absurd. Herr Finanzminister, wenn Politik, die Sie hier betreiben, machen Sie eine Sie von der SPD einigermaßen seriös wären, dann Antiwachstumspolitik, die spätestens im nächsten würden Sie sagen: Wir führen zuerst eine Jahr positive Effekte wieder reduzieren wird. Unternehmensteuerreform durch, die es möglich macht, über die Frage zu reden, was diejenigen, Zu drei Punkten, die heute zur Abstimmung die mehr verdienen – egal ob sie Angestellte oder stehen, will ich kurz etwas sagen. Der erste Punkt Gewerbetreibende sind –, zu zahlen haben. Nach ist die Reichensteuer. Kollege Gysi hat, was den einer Belastungsanalyse beschließen wir dann ein Begriff und die tatsächlichen Verteilungswirkungen konsistentes System. angeht, schon das Nötige und – das betone ich – Richtige gesagt. Und so etwas nennt ihr – das Ich betone noch einmal: Über Belastungsfragen sage ich vor allem an die Genossinnen und reden Sie gar nicht. Die versteckt der Genossen von der SPD gerichtet – Reichensteuer! Finanzminister hinter allgemeinen Sätzen, die lauten: Wir müssen einsparen. – Auch wir wissen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dass wir einsparen müssen; deswegen legen wir – Joachim Poß [SPD]: Das ist nicht auch Alternativen vor. Aber wir müssen beim unsere Wortwahl!) Einsparen darauf Acht geben, dass es gerecht – Aber ihr verkauft es so. Herr Poß, wenn Sie in erfolgt und die Konjunktur nicht ganz kaputtgeht, Ihrem Kreisverband in Nöten sind und Ihnen gar weil wir sonst die Spirale nach unten weiterdrehen nichts mehr einfällt, dann kommt die ominöse und keine Effekte erreichen. Reichensteuer, mit der Sie den Kopf aus der Der zweite Punkt ist die Schlinge ziehen wollen, was Ihnen aber nicht Entfernungspauschale. Wir als Grüne teilen die gelingt. Auffassung, dass man hier Subventionen abbauen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN muss. Wir haben aber einen anderen Vorschlag sowie bei Abgeordneten der LINKEN) gemacht; dieser ist verfassungskonform. Bei Ihrem Vorschlag mahnt der Bundesrat schon an, ob er Sie wissen genau, dass diese Steuer in der denn verfassungskonform sei. Wir würden die vorliegenden Form nicht verfassungskonform ist. Entfernungspauschale um die Hälfte kürzen; sie Sie argumentieren: Wenn das Ganze ein Jahr lang aber für alle Entfernungen gelten lassen. Denn nicht verfassungskonform ist, dann ist das nicht so eines muss man sagen: Der Schritt, die schlimm. Dann machen wir es anders. Entfernungspauschale bis zum 20. Kilometer zu (Joachim Poß [SPD]: Der Begriff kam von der streichen, ist die reine Willkür. Erklären Sie einmal „Bild“-Zeitung!) jemanden, der in einer Entfernung von 19 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz gebaut hat, – Jetzt beruhigen Sie sich, Herr Poß. Bei Ihnen was Sie da veranstalten! Oder betrachten Sie die gibt es ein ganz sicheres Gesetz: Wenn Poß laut Zukunftswirkung! Die Wirkung solcher Gesetze wird, dann tut es weh, weil irgendein Unsinn, den wird sein, dass die Leute sagen: Dann ziehe ich Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3985 gleich weiter weg; denn die Baupreise sind dort Deswegen, Herr Finanzminister, machen Sie sowieso niedriger und ich bekomme dann noch keine berechenbare, verlässliche, auf das große etwas vom Finanzminister. – Das heißt, Sie Ziel der Konsolidierung ausgerichtete Politik, werden den Prozess der Zersiedelung und des sondern Sie veranstalten Steuermurks. Weit-weg-Wohnens vom Arbeitsplatz mit solchen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) idiotischen Maßnahmen fördern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Präsident Dr. : sowie bei Abgeordneten der FDP – Hans Bevor die Kollegin Gabriele Frechen für die Michelbach [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) SPD-Fraktion als Nächste das Wort erhält, möchte ich darauf hinweisen, dass wir nach einer vorhin in der Ältestenratssitzung getroffenen Vereinbarung Ich frage Sie: Wollen Sie das? Dann sagen Sie, über den Verfahrensablauf bei den Abstimmungen dass Sie das wollen. Dann übernehmen Sie aber am Schluss dieses Tagesordnungspunktes eine auch die Verantwortung für die Zersiedelung, die namentliche Abstimmung haben werden und eine damit einhergeht. Zweidrittelmehrheit erforderlich sein wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Otto Fricke [FDP]: Der Anwesenden!) Zum Sparerfreibetrag ist das Notwendige Ich mache jetzt schon darauf aufmerksam, damit gesagt worden. Das ist eine sowohl die Dispositionen für die Verfügbarkeit im Plenum konjunkturpolitisch als auch mit Blick auf die rechtzeitig getroffen werden können. Alterssicherung ganz fragwürdige Maßnahme. Diese Regelung betrifft besonders die Menschen, Nun hat Frau Kollegin Frechen das Wort. die zum Zwecke der Alterssicherung eine Woh- nung im Wert von 200 000 Euro oder Gabriele Frechen (SPD): 300 000 Euro kaufen wollen; denn diese müssen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen dann darauf Steuern zahlen. Ich frage Sie: Wollen und Kollegen! Lieber Herr Dr. Wissing, Sie haben Sie das wirklich, und zwar besonders vor dem eben gesagt: Aus einer roten Kröte wird kein Prinz. Hintergrund der sozialen und konjunkturellen Ich will gar kein Prinz werden und solange Sie mir Auswirkungen? Ich kann dazu nur sagen: Sie nicht versprechen können, dass man auch eine haben nicht genügend hingeschaut und eine sozial Prinzessin werden kann, bleibe ich doch lieber und wirtschaftlich falsche Maßnahme beschlossen. eine rote Kröte. Noch einmal: An dieser Stelle braucht dieses (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Kabinett endlich einen Wirtschaftsminister, der den Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Sie sind Finger auf die wirtschaftlichen Fragen legt, und keine Kröte, Frau Kollegin! Sie sind eine keinen, der sich in den entscheidenden Momenten Prinzessin!) drückt. Sie erzählen uns immer, was Sie alles richtig und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) besser machen, und zwar vor allem im Bereich der Steuern. Ich genieße es immer – auch wenn der Sie haben aber schon begriffen, dass Sie dort eine Herr Westerwelle das gar nicht gerne hört –, signifikante Schwachstelle haben. (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Ich habe ge- Wir von den Grünen haben viele Vorschläge sagt: Sie sind eine Prinzessin!) zum Subventionsabbau gemacht. Herr Steinbrück, ich bitte Sie, einfach zu sagen, dass Sie die nicht Ihnen die Aussagen der Gutachter zu Ihrem wollen. Sie sagen immer, es gehe nicht und es Steuermodell vorzutragen. Alle Gutachter, alle gebe keine Alternative zu Ihrer Politik. Es gibt aber Länderfinanzminister, waren sich einig, dass Ihr Alternativen. Wie schnell im Übrigen die große Modell zu einer erheblichen sozialen Schieflage Koalition Subventionen aufbaut – ich betone: führt. Wenn Sie hier von „sozial“ sprechen, muss aufbaut und nicht abbaut –, kann man an man Ihnen immer wieder vorhalten, dass Sie mit folgendem Beispiel sehen: Nach der Ihrer Steuerreform eine Verschiebung von unten Finanzausschusssitzung am 9. Mai hat es noch nach oben vorgesehen haben, und das noch mit einen parlamentarischen Abend gegeben. Im Zuge Steuereinnahmeverlusten in Höhe von dessen haben Sie großzügig eine 20 Milliarden Euro. Steuerbegünstigung für Gabelstaplerfahrer an den (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Nein!) Güterumschlagplätzen der Seehäfen in Höhe von 25 Millionen Euro beschlossen. Die Erzählen Sie uns also nicht, wie es geht, und auch Dankesschreiben sind schon bei der Koalition nicht, wie es besser gehen sollte. eingetroffen. Also von wegen Subventionsabbau: (Beifall bei der SPD – Dr. Volker Wissing [FDP]: Sie reden davon, bauen jedoch systematisch neue Welches Gesetz meinen Sie denn?) auf, wo es Ihnen gerade recht ist. Eine zentrale Aufgabe der großen Koalition ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Konsolidierung der Staatsfinanzen. Wir werden in 2007 die Regelgrenze des Art. 115 des 3986 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Grundgesetzes und die Maastrichtkriterien (Dr. Volker Wissing [FDP]: Darum haben einhalten. Dazu bedarf es trotz erheblich Sie auch Wahlkampf gegen die gestiegener Steuereinnahmen und trotz der guten Mehrwertsteuererhöhung gemacht!) Prognosen erheblicher Anstrengungen auf allen Das Steueränderungsgesetz ist ein weiterer Schritt staatlichen Ebenen. Wir müssen weiter auf dem Weg, die im Koalitionsvertrag Subventionen abbauen, Ausgaben kürzen und die vereinbarten Konsolidierungsziele zu erreichen. Einnahmen verbessern. Das alles geht nicht ohne Einschnitte. Ich bin mir aber ganz sicher, dass die (Dr. Volker Wissing [FDP]: Rekordverschul- Menschen erkennen, dass Einschnitte zur dung!) Haushaltskonsolidierung notwendig sind, und dass Als Nordrheinwestfälin, die fest zum Braun- und sie auch bereit sind, ihren Beitrag dazu zu leisten, Steinkohleabbau steht, muss und werde ich hier wenn sie einsehen, dass die Forderungen nicht heute die Abschaffung der Bergmannsprämie nur gerechtfertigt, sondern auch gerecht sind. vertreten. Diese Prämie, die vor 50 Jahren als Wenn Sie aber immer wieder behaupten, reine Subvention eingeführt wurde, um Männern Subventions- und Ausgabenabbau wären reine den Beruf des Bergmanns schmackhaft zu Steuererhöhungen, dann springen Sie zu kurz. machen, wird mit diesem Gesetz ab 2008 Das ist, gelinde gesagt, unredlich. gestrichen. Hiermit gehen wir – das muss ich (Beifall bei der SPD – Dr. Volker Wissing trotzdem sagen – ein ganz erhebliches Stück über [FDP]: Die Deutschen merken doch, dass die im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung es bei ihnen weniger wird! Entscheidend hinaus, die nur die Abschaffung der Steuerfreiheit ist doch, dass die Menschen bei Ihrer vorsieht. Ich hätte mich in diesem Punkt gerne an Politik weniger im Geldbeutel haben!) den Koalitionsvertrag gehalten. Die Menschen bekommen eine Leistung vom Wir werden die Altersgrenze für den Bezug von Staat. Sie fordern diese Leistung zu Recht ein. Wir Kindergeld in zwei Schritten auf 25 Jahre müssen uns natürlich fragen – Herr Dr. Wissing, absenken. Außer in Luxemburg wird nirgendwo in das gilt auch für Sie –, was der Staat heute noch Europa so lange Kindergeld gezahlt wie in leisten kann, was er in Zukunft leisten muss und Deutschland. In den meisten Ländern wird es nur was er dann noch leisten kann. bis zum 18. Lebensjahr gezahlt. Wer den Bezug von Kindergeld im 26. und 27. Lebensjahr für den (Dr. Volker Wissing [FDP]: Sie haben doch Mittelpunkt aller familienpolitischen Aktivitäten hält, Rekordeinnahmen!) der verkennt die Realität vollkommen. – Leider Gottes haben wir aber auch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Rekordschulden. der CDU/CSU) (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Nicht Wir haben uns Bildungs- und Forschungspolitik „leider Gottes“, sondern das ist Ihre auf die Fahne geschrieben. Bildungs- und Politik! – Dr. Volker Wissing [FDP]: Weil Forschungspolitik fängt aber nicht auf der Sie Schulden machen!) Universität und nicht mit dem 25. Lebensjahr an. – Sie würden es sich ganz einfach machen: Sie Wir fördern Familien auf allen staatlichen Ebenen würden die Zuschüsse zur Rentenversicherung um – Elterngeld, Kindertageseinrichtungen, ein paar Milliärdchen kürzen. Dass das für Abzugsfähigkeit von Betreuungskosten, offene Rentnerinnen und Rentner Konsumverzicht und Ganztagsschulen und dritthöchstes Kindergeld in geringere Lebensqualität bedeuten würde, wäre Europa für die Dauer von 25 Jahren – mit Ihnen doch völlig schnuppe, diese Leute gehen Sie insgesamt rund 100 Milliarden Euro pro Jahr. Das doch gar nichts an. Kindergeld für 26- und 27-jährige Kinder macht 0,5 Prozent davon aus. (Beifall bei der SPD – Dr. Volker Wissing [FDP]: Wer hat Ihnen denn dieses In der Anhörung wurden kaum grundsätzliche Märchen erzählt?) Bedenken gegen die Absenkung der Bezugsdauer geäußert. Problematisiert wurde vielmehr die Wir brauchen einen leistungs- und Möglichkeit, bis zum 25. Lebensjahr in handlungsfähigen Staat. Wir müssen überlegen, Deutschland ein Studium zu beenden. wie wir das in dieser Zeit hinbekommen. Ich bekenne mich dazu, dass ich einen aktiven und (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Können Sie aktivierenden Staat will, der in den Bereichen nicht überall!) Forschung und Bildung, Familie, soziale Leistun- Umso wichtiger war das Ergebnis der gen, innere Sicherheit, Infrastruktur und vielen Nachverhandlungen zur Föderalismusreform mehr für die Menschen Aufgaben erfüllen kann. unseres Fraktionsvorsitzenden Peter Struck. Mit (Beifall bei der SPD) dem neu aufgenommenen Begriff Wissenschaft, der neben Forschung auch Studium und Lehre Doch dafür braucht man nun einmal so etwas umfasst, können Vorhaben in diesem Bereich mit- Triviales wie Geld. Ich will keinen fetten Staat, aber finanziert werden. auch keinen ausgehungerten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3987

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE mit den Menschen redet, sie einmal fragt, ob GRÜNEN]: Und bei der Schule?) 32 000 Euro oder 50 000 Euro wirklich ein lächerliches Sparguthaben sind. Dadurch können Gelder des Bundes eingesetzt werden, um im Rahmen des Hochschulpakts (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) gemeinsam mit den Ländern dringend benötigte Für mich sind 50 000 Euro mit Sicherheit nicht Studienplätze zu schaffen, um Warteschleifen für lächerlich. Ich glaube, auch für viele Menschen, Studierende zu vermeiden. von denen Sie behaupten, dass Sie sie hier (Beifall bei Abgeordneten der SPD) vertreten, sind 50 000 oder auch 32 000 Euro nicht lächerlich. Folgewirkungen aus der Absenkung der Bezugsdauer des Kindergeldes haben wir, wo es (Beifall bei der SPD sowie bei uns sinnvoll, notwendig und machbar erschien, Abgeordneten der CDU/CSU – ausgeschlossen: Die Absenkung wird nicht auf das Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie Waisengeld oder auf die Waisenrente übertragen. hätten zuhören müssen!) (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Aber Ar- – Ich habe ihn schon richtig verstanden. Ich habe beitslosengeld! Riesterrente! ihm zugehört. Eigenheimzulage!) Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer Hier bleibt es beim 27. Lebensjahr. Auch bei werden in Zukunft nur noch dann steuerlich bestehenden Verträgen zur Altersversorgung absetzbar sein, wenn dieses Arbeitszimmer den wird es keine Veränderung geben. Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt. Moderne Arbeitsformen wie Heim- oder Für Studierende, die einer Beihilferegelung Telearbeitsplätze bleiben natürlich von der Verän- unterliegen, haben wir Übergangsregelungen für derung unberührt. Im deutschen Steuerrecht gilt die Krankenversicherung geschaffen. Sie haben der Grundsatz: Gemischte Kosten, also Kosten, ihre Entscheidung für die Beihilfe und gegen die die sowohl privat als auch beruflich veranlasst sein gesetzliche Studentenversicherung auf der können, werden grundsätzlich der privaten Sphäre Grundlage des geltenden Rechts getroffen und zugeordnet. genießen deshalb Vertrauensschutz, weil diese Entscheidung nicht rückgängig gemacht werden Außerdem schließen wir eine weitere kann. Ein Wechsel in die studentische Besteuerungslücke. Wir haben uns in der letzten Krankenversicherung ist nicht möglich. Die Legislaturperiode und in Fortsetzung in der großen Studierenden, die ihr Studium im nächsten Jahr Koalition auf die Fahne geschrieben, dass wir aufnehmen, treffen ihre Entscheidung auf der Lücken schließen, wo immer wir sie antreffen. Grundlage des neuen Rechts. Diese Lücke betrifft nun die Steuerpflicht von Mitarbeitern des Bordpersonals von inländischen Die in diesem Gesetz vorgesehene Fluggesellschaften im internationalen Beschränkung der Entfernungspauschale auf Luftverkehr, die ihren Wohnsitz im Ausland haben Fahrten von mehr als 20 Kilometer zur Arbeit hat oder ins Ausland verlegt haben. Nach dem OECD- die größten finanziellen Auswirkungen. Wir haben Musterabkommen und den entsprechenden auch andere Varianten beraten – nicht nur hinter Doppelbesteuerungsabkommen steht Deutschland verschlossener Tür –, aber letztlich war unter den hier das Besteuerungsrecht zu. Dieses werden wir gegebenen Umständen keine Veränderung in auch wahrnehmen. diesem Punkt möglich. Schließlich – das ist heute schon öfter Der Sparerfreibetrag ist eine lieb gewonnene angeklungen – werden wir den Steuersatz von 42 Ausnahme vom Prinzip der Besteuerung nach auf 45 Prozent bei Einkommen über 250 000 Euro Leistungsfähigkeit. Unter rein bzw. 500 000 Euro anheben. Wir rechnen mit steuersystematischen Gesichtspunkten – ich Steuereinnahmen in Höhe von 250 Millionen Euro. betone das – hätten wir diese Ausnahme streichen Wir rechnen in der Folge in den nächsten Jahren müssen. Aus Rücksicht auf Kleinsparer – bei mit Steuereinnahmen in Höhe von 1 Milliarde Euro. einem Sparguthaben von rund 50 000 Euro bei Da redet Herr Gysi davon, dass das noch nicht Ehepaaren – haben wir diesen Betrag nicht einmal ein Witz sei. Er sollte einmal sein Verhältnis gestrichen, aber wir werden ihn auf 750 Euro für zu Geld überdenken. Ledige und 1 500 Euro für Verheiratete kürzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Ich möchte Kollegen Gysi – er ist leider nicht CDU/CSU) mehr anwesend – einmal bitten, dass er, wenn er das nächste Mal in seinem Ortsverein, Diese Erhöhung um 3 Prozentpunkte ist ein Stadtverband oder wie auch immer das bei der Beitrag zur sozialen Balance und zur PDS genannt wird Ausgewogenheit. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Linkspartei!) (Lachen bei der LINKEN – Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Das ist doch der Gipfel!) 3988 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

– Moment, eine Sekunde Geduld, Herr Kollege. wir dürfen den folgenden Generationen nicht die Möglichkeit nehmen, ihre Entscheidung auf der Präsident Dr. Norbert Lammert: Höhe ihrer Zeit zu treffen. Deshalb müssen wir das Also im Augenblick hat hauptsächlich die Notwendige tun. Kollegin Frechen das Wort und die Fraktionen „Das Einzige, was man ohne Geld machen kommen gleich mit ihren Beiträgen zur Geltung. kann, sind Schulden.“ So lautet das Zitat eines unbekannten Verfassers. Das, liebe Kolleginnen Gabriele Frechen (SPD): und Kollegen, wollen wir unseren Kindern doch Zumindest habe ich noch das Mikrofon. wohl nicht antun. Aber es ist nicht der einzige Beitrag des Ich danke Ihnen. Gesetzes. Alle Kürzungsmaßnahmen treffen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) selbstverständlich auf alle gleichermaßen zu: auf Arbeitnehmer, die einen Dienstwagen haben, genauso wie auf Arbeitnehmerinnen und Präsident Dr. Norbert Lammert: Arbeitnehmer, die mit ihrem privaten PKW zur Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Arbeit fahren, und genauso auf die Unternehmer, Thiele für die FDP-Fraktion. die mit ihrem betrieblichen PKW zur Arbeit fahren. (Beifall bei der FDP) Dasselbe gilt für den Sparerfreibetrag und das Arbeitszimmer. Jede Streichung wirkt sich Carl-Ludwig Thiele (FDP): aufgrund der Progression gleich aus: auf die Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr höheren Einkommen mehr, auf die niedrigeren verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Einkommen weniger. Hier gilt: Starke Schultern Gesetz, welches „Steueränderungsgesetz 2007“ tragen mehr. heißt, wird die Steuererhöhungspolitik von Schwarz-Rot fortgesetzt. Das ist das, was die Bürger wissen sollen. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Gabriele Frechen [SPD]: Nein! Das ist das, Frau Kollegin Frechen, gestatten Sie eine von dem Sie wollen, dass sie es glauben!) Zwischenfrage des Kollegen Ernst? Das ist das, was hier passiert. Genau das soll heute beschlossen werden. Dabei ist man nicht Gabriele Frechen (SPD): etwa stringent an das Steuerrecht herangegangen, Ja, selbstverständlich. sondern punktuell sind einzelne Regelungen (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo ist denn der herausgenommen worden. Durch das Streichen Herr Gysi?) bestimmter Regelungen bei Gleichbleiben der Steuersätze kommt es zu einer Mehrbelastung Klaus Ernst (DIE LINKE): der Bürger. Genau dies soll heute beschlossen Frau Kollegin, Sie haben gerade angesprochen, werden. dass diese Maßnahmen alle treffen sollen. Vom (Beifall bei der FDP) Herrn Finanzminister haben wir gehört, Lehrer bräuchten kein Arbeitszimmer, weil ihr Die Bundeskanzlerin hat selbst gesagt: Arbeitsplatz eigentlich die Schule ist. Der „Deutschland ist ein Sanierungsfall.“ Herr Arbeitsplatz des Abgeordneten ist ja das Finanzminister Steinbrück, Sie haben zu Beginn Parlament. Heißt das – Ihre Maßnahmen sollen ja Ihres Debattenbeitrags gefragt: Was macht man, für alle gelten –, dass auch unsere Büros wenn man einen Haushalt hat, dessen Ausgaben abgeschafft werden? Denn wenn das so ist, nur zu 80 Prozent durch Steuereinnahmen ge- brauchen auch wir sie nicht mehr. deckt sind? Das waren Ihre Worte. Dann haben Sie erklärt – das hat mich Gabriele Frechen (SPD): überrascht; ich halte das nämlich für den falschen Herr Kollege, wenn Sie Ihr häusliches Weg –, warum der Staat den einzigen Ausweg Arbeitszimmer für Ihre Abgeordnetentätigkeit darin sieht, sich die Einnahmen selbst zu holen, absetzen, dann begehen Sie schlicht und und zwar zulasten der Bürger, zulasten der ergreifend Steuerhinterziehung. Wir dürfen das Wirtschaft und damit letztlich zulasten der Be- nämlich nicht. schäftigung in unserem Lande. Das verstehe ich nach wie vor nicht. Das ist aus meiner Sicht der (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Grundfehler Ihrer Politik. Ich komme zum Schluss. Es muss unser Um noch einmal das Beispiel des Haushalts gemeinsames Anliegen sein, den Staatshaushalt aufzugreifen: Ein privater Haushalt – das war das in Ordnung zu bringen und die Staatsverschuldung Bild, das Sie benutzt haben –, der 20 Prozent zu verringern. Vieles hätten wir früher haben seiner Ausgaben nicht gedeckt hat, kann sich nicht können. Aber das ist vergossene Milch. Wir so verhalten. Man kann nicht zu seinem brauchen Spielraum für Zukunftsinvestitionen und Arbeitgeber sagen: Erhöhe mir meinen Tarif um Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3989

20 Prozent. Man kann nicht zu seinen Kunden Erfolg benötigt. Mit Ihrer Politik der Belastung der sagen: Zahlt mir 20 Prozent mehr. Bürger vergeben Sie diese Chance. Mehr Wachstum und mehr Beschäftigung in unserem Ein privater Haushalt muss das machen, was Land wird es mit diesem Kurs der Koalition nicht wir Freie Demokraten vom Staat verlangen: die geben. So sinkt die Zahl der Ausgaben und Aufgaben auf den Prüfstand stellen. sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze weiter. Das ist der einzige Weg, wie das Gemeinwohl im Wir brauchen für Deutschland eine Vision. Wir Interesse der öffentlichen Hand, aber auch im brauchen einen neuen Anlauf. Die große Koalition Interesse der Bürger unseres Landes gefördert ist dazu leider nicht geeignet. werden kann. Herzlichen Dank. Wir dürfen nicht die Einnahmen des Staates zulasten der Bürger erhöhen, sondern wir müssen (Beifall bei der FDP) die Ausgaben des Staates zugunsten der Bürger reduzieren, damit den Bürgern von dem, was sie Präsident Dr. Norbert Lammert: selbst erarbeitet haben, das verbleibt, was sie Ich erteile das Wort dem Kollegen Olav Gutting, brauchen, um ihre eigenen Ausgaben und ihr CDU/CSU-Fraktion. eigenes Leben finanzieren zu können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der FDP) der SPD) Hier unterscheiden wir uns schon im Grundansatz. Im Wahlkampf – die Situation der Olav Gutting (CDU/CSU): öffentlichen Haushalte war bekannt – wurde von Herr Präsident! Meine sehr verehrten der Union wie auch vonseiten der FDP ein Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe hier wie im Steuerrecht gefordert, das niedriger, einfacher und letzten halben Jahr zum wiederholten Male, um gerechter sein sollte. Aber jetzt wird das Steu- über einen kleinen Schritt in die richtige Richtung errecht an dieser Stelle komplizierter. Wenn man zu sprechen. Zwischenzeitlich summieren sich den Tarif nicht senkt, aber Ausnahmen streicht, diese kleinen Schritte zu einer ganz erheblichen wie bei der Pendlerpauschale und beim Strecke. Sparerfreibetrag geschehen, dann führt das zu Mit dem Entwurf des massiven Steuererhöhungen für die Bürger. Herr Steueränderungsgesetzes 2007 kommen wir dem Finanzminister Steinbrück erklärt, er könne nicht Ziel einer Begrenzung der staatlichen Ausgaben sparen, weil das die Konsumfreude der Bürger re- und eines ausgeglichenen Haushaltes wieder ein duziert. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Diese Stückchen näher. Wie immer, wenn ein solcher Steuererhöhung geht genauso zulasten des Katalog vorgelegt wird, kommt es zu Streitigkeiten, Konsums der Bürger; denn das, was den Bürgern vor allem über Einzelmaßnahmen. In der Tat gibt vom Staat zusätzlich abgenommen wird, steht den es Einzelmaßnahmen, über die gestritten werden Bürgern für ihren Konsum, für sich selbst, eben kann. Aber das ändert doch nichts daran, dass der nicht mehr zur Verfügung. eingeschlagene Weg der richtige ist. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Einige grundsätzliche Anmerkungen. Nicht jeder Seit Jahren treibt die expansiv betriebene hat die große Koalition gewollt. Einige Ausgabenpolitik die Neuverschuldung nach oben. bezeichnen sie nach wie vor auch als „Koalition Obwohl Finanzexperten immer wieder vor der von Union und SPD“; denn eine große Koalition Gefahr der Schuldenfalle warnen, hat keine der wäre zu einem großen Wurf in der Lage. Was die bisherigen Bundesregierungen diese Warnungen große Koalition momentan betreibt, ist eine Politik wirklich ernst genommen und entsprechend der Desillusionierung. Dabei hatten die Leute nach reagiert. der Wahl gehofft: Jetzt werden die Probleme unseres Landes angegangen, jetzt werden (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) grundsätzliche Reformen beschlossen. Alle Fraktionen hier im Deutschen Bundestag Stattdessen: Stückwerk. Es geht der Koalition waren an dieser Politik beteiligt. Dabei will ich auch ausschließlich um die Erhöhung der Einnahmen frühere Unionsregierungen nicht ausnehmen: Auch des Staates. Die Zustimmung zur großen Koalition wir als Union haben unseren Beitrag zu dieser sinkt, weil die Bürger sich mehr von ihr immensen Staatsverschuldung geleistet. Umso versprochen haben. Nun merken sie, diese mehr sehe ich mich als Mitglied der Unionsfraktion Versprechungen werden von Ihnen nicht eingelöst. heute in der Verantwortung, diese Verschuldung Wir erleben momentan eine Koalition des kleinsten zu stoppen. gemeinsamen Nenners, ohne zentrale Linie, ohne Perspektive für die Bürger unseres Landes. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Es ist mir nicht bekannt, dass die Linksfraktion Ich sage ganz persönlich, obwohl ich zur daran beteiligt war!) Opposition gehöre: Ich wünsche mir sogar, dass die große Koalition Erfolg hat: weil Deutschland 3990 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

– Frau Höll, Sie waren nicht dabei: Sie haben als gesetzlich verpflichtet, jeden Monat SED die DDR ruiniert – dafür zahlen wir heute 1 Milliarde Euro an Schulden zurückzuzahlen, also noch. zu tilgen, so würde der Prozess zum Abbau des gesamten Schuldenberges über 110 Jahre dauern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie das nicht Die große Koalition ist seit langem die erste bei der Haushaltsverabschiedung Bundesregierung, die nicht bereit ist, diesen Weg erzählt?) in den Schuldenstaat fortzusetzen. – Warten Sie es ab. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das stimmt einfach nicht!) Die laufenden Ausgaben liegen zum Teil dramatisch über den regelmäßig fließenden Die Erkenntnis, die wir heute haben, dass sich die Einnahmen. Wir haben das vorhin schon vom Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden und Bundesfinanzminister gehört. Allein beim vor allem die sozialen Sicherungssysteme in einer Bundeshaushalt gibt es eine strukturelle De- äußerst ernsten Lage befinden, ja sogar ein ckungslücke in einer Größenordnung von rund 60 Sanierungsfall sind, ist weder neu noch originell, Milliarden Euro. Durch den demografischen aber sie ist leider wahr. Wandel wird der Druck auf die öffentlichen (Florian Pronold [SPD]: Sie können doch nicht Haushalte unweigerlich noch weiter erhöht. die Kanzlerin kritisieren!) In der Vergangenheit hat jeder Finanzminister, Meines Erachtens hinken wir mit der Informierung der das schwere Erbe seines Vorgängers der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit von angetreten hat, den Vorsatz gehabt, die Sparmaßnahmen seitens der öffentlichen Hand Verschuldung der öffentlichen Haushalte leider immer noch hinterher. zurückzufahren. Es gab Finanzminister und Regierungen, die anfänglich Erfolge hatten, zum Präsident Dr. Norbert Lammert: Beispiel unter der Union Anfang und Mitte der Darf die Kollegin Höll Ihnen eine Zwischenfrage 80er-Jahre. Letztendlich gab es am Ende aber stellen? immer wieder die gleichartige bedrohliche Bilanz: Der Schuldenstand des Bundes erhöhte sich. Von einer Rekordverschuldung ging es zur nächsten. Olav Gutting (CDU/CSU): Nein, hier nicht. – Die Politik hat es bisher (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- versäumt, in aller Deutlichkeit über die NEN]: Genau!) Notwendigkeit der Konsolidierung der öffentlichen Steigende Staatsverschuldung heißt zunächst, Haushalte aufzuklären. Dazu gehört auch, dass dass ein immer größer werdender Anteil des Etats man sich die astronomischen Schuldenstände für Zinsen aufgebracht werden muss. Dadurch dieses Staates vor Augen führt. Der Bund der wird die politische Handlungsfähigkeit des Staates Steuerzahler hat errechnet, dass der aktuelle natürlich aufgezehrt. Schuldenstand von Bund, Ländern und Gemeinden bei 1,5 Billionen Euro liegt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das beim Haushalt (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE nicht bemerkt?) GRÜNEN]: Da kann man ruhig noch etwas drauflegen!) Deshalb muss in der derzeitigen prekären Haushaltssituation auch das Junktim unserer Das heißt, dass auf jeden einzelnen Bürger in Fraktion ausgesetzt werden, dass mit der Deutschland 18 200 Euro an öffentlichen Schulden Streichung von steuerlichen Vergünstigungen und entfallen. Besonders plastisch wird die drohende mit dem Subventionsabbau immer auch eine Schuldenfalle, wenn man bedenkt, wie schnell Senkung der Steuersätze einhergehen muss. dieser gigantische Schuldenberg wächst, nämlich um 2 113 Euro pro Sekunde. Schon allein während Liebe Kolleginnen und Kollegen von den meiner Redezeit hier an diesem Pult wird sich die Liberalen, natürlich wäre es wünschenswert, wenn Staatsverschuldung um weitere 1,2 Millionen Euro wir die Mehreinnahmen, die durch die Beseitigung erhöhen. der einzelnen Vergünstigungen hereinkommen, in Form einer allgemeinen Steuersatzsenkung an (Florian Pronold [SPD]: Dann hören Sie die Menschen zurückgeben könnten. schnell auf! – [CDU/CSU]: Aber nicht deshalb, weil du geredet hast!) (Zuruf von der FDP: Das haben Sie ja auch immer gefordert!) – Nicht deswegen. Dies ist aber nicht möglich, weil diese Rückflüsse Der Bund muss bereits jeden fünften Euro, den bereits durch das jahrzehntelange Leben über er durch Steuern einnimmt, nur für Schuldzinsen unsere Verhältnisse aufgezehrt sind. ausgeben. Würde man ab sofort keine Schulden Mehreinnahmen müssen daher zur Eindämmung mehr aufnehmen und würde die öffentliche Hand und, wenn möglich, zur Verringerung der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3991 bestehenden Staatsverschuldung eingesetzt Die Umstellung auf das Werktorprinzip bei der werden; Pendlerpauschale ist richtig. Der Weg zur Arbeit ist Privatsache und muss nicht von der Allgemeinheit (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mitfinanziert werden. NEN]: Dann tut das doch!) denn wir wollen ja auch nachfolgenden Generationen einen finanziell handlungsfähigen (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das ist früher Staat hinterlassen. aber anders gesagt worden!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Wo man wohnt, ist schließlich die private Abgeordneten der SPD – Volker Beck Entscheidung jedes Einzelnen. [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe an dieser Stelle bereits gesagt, dass Warum haben Sie sich dann noch einmal man normalerweise konsequenterweise die so verschuldet?) Ausnahme für Fernpendler ab dem 21. Kilometer Wie eng die Handlungsfähigkeit bereits heute hätte streichen sollen. Die große Koalition hat sich ist, sehen wir jetzt bei der jedoch entschlossen, diese möglichen Härten bei Unternehmensteuerreform. Fernpendlern abzufedern. Damit beweisen wir das Augenmaß, mit dem die Koalitionsparteien die (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE Ausarbeitung der Einzelmaßnahmen vorge- GRÜNEN]: Wo war die Erkenntnis in der nommen haben. letzten Woche, als es um den Haushalt ging?) Ähnliches gilt für die Absenkung der Altersgrenze für den Kindergeldbezug. Die Wir haben kaum die Möglichkeit, eine vernünftige Kollegin Frechen hat es bereits erklärt. Wir haben Unternehmensteuerreform vorzufinanzieren. uns entschieden, die jungen Erwachsenen, die Schon heute sind wir also eingeengt und es wird sich 2006, 2007 in der Ausbildung befinden, von immerzu schlimmer werden, wenn wir nichts dem Gesetzesvollzug auszunehmen und es bei ändern. Die große Koalition hat sich deshalb in ihnen bei der alten Regelung zu belassen. ihrer Koalitionsvereinbarung zu Recht darauf verständigt, die Konsolidierung der öffentlichen Allein an diesen beiden Beispielen kann man Haushalte zur zentralen Aufgabe für die nächsten erkennen, dass es sich die Koalition, was die Jahre zu machen. Größenordnung der Belastung und damit die Zumutbarkeit der getroffenen Maßnahmen angeht, (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE in der Tat nicht leicht gemacht hat. GRÜNEN]: Groß ist die Koalition nur im Geldausgeben!) Wir wissen, dass unsere Haushalts-, Steuer- und Finanzpolitik unseren Bürgerinnen und Dem haben sich alle anderen politischen Wünsche Bürgern einiges an Zumutungen abverlangt. unterzuordnen. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Das kann man Ein kleiner Mosaikstein in diesem gesamten wohl sagen!) Konzept ist das Steueränderungsgesetz 2007, das im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen zu Aber wir müssen die Haushaltssanierung sehen ist. Der Bundesfinanzminister hat zum konsequent fortsetzen. Das ist unsere Beispiel schon das Gesetz zur Eindämmung Verantwortung und das, was wir zukünftigen missbräuchlicher Steuergestaltungen genannt. Die Generationen schlicht schuldig sind. Nur wenn wir Änderungsanträge, die die Opposition hier eine Gesundung der Staatsfinanzen erreichen, vorbringt, werden den finanzpolitischen haben wir die Chance auf eine dauerhafte Kon- Herausforderungen in diesem Lande einfach nicht junkturbelebung. Damit verbunden sind der Abbau gerecht. Unsere haushaltspolitischen Probleme der Arbeitslosigkeit und das Ziel einer nachhaltigen lassen sich eben nicht einseitig durch staatlichen Investitionspolitik gerade in den Ausgabenkürzungen lösen. Bereichen Bildung und Forschung, um damit die Zukunftsfähigkeit unseres Staates und unserer (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE gesamten Gesellschaft zu sichern. GRÜNEN]: Damit kann man aber schon einmal etwas tun!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) Wir dürfen die mittlerweile doch erfreuliche wirt- schaftliche Entwicklung nicht aufs Spiel setzen, sondern wir müssen sorgfältig darauf achten, dass Präsident Dr. Norbert Lammert: wir mit dem Bündel der von uns getroffenen Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit. Maßnahmen nicht über das Ziel hinausschießen und dem konjunkturellen Aufschwung letzten Olav Gutting (CDU/CSU): Endes nicht entgegenwirken. Dieses Bemühen Zeigen Sie deshalb kommt auch in den getroffenen Einzelmaßnahmen Verantwortungsbewusstsein! Seien Sie dieses Gesetzentwurfs zum Ausdruck. Nehmen wir verantwortungsbewusst und stimmen Sie dem zum Beispiel die Kürzung der Pendlerpauschale. Gesetzentwurf zu! 3992 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- diese Erhebung heraus! – Zurufe von der neten der SPD) SPD: Vorsicht! – Was heißt „gelogen“?)

Präsident Dr. Norbert Lammert: Präsident Dr. Norbert Lammert: Zu einer Kurzintervention erhält das Wort die Das Wort hat nun der Kollege Florian Pronold Kollegin Dr. Höll, Fraktion Die Linke. für die SPD-Fraktion.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Florian Pronold (SPD): Herr Kollege, könnte es sein, dass, wenn Sie Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! hier an die Information der Öffentlichkeit Für die steuerpolitische Debatte gilt: Sachkenntnis appellieren, das ehrlicherweise mit einschließen schadet dem Populismus. sollte, auch aufzuzeigen, woher die (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Fritz Staatsverschuldung kommt, unter anderem eben Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das durch die Steuergeschenke, die Sie in den letzten sagt der Richtige!) Jahren zu verantworten hatten? Würde sich daraus nicht ableiten, dass das eigene Wissen als Wenn ich berücksichtige, wie zum Beispiel von Voraussetzung für weitere politische Herrn Gysi die Regelung zur steuerlichen Entscheidungen doch begründet sein sollte? Absetzbarkeit eines Arbeitszimmers dargestellt wird, dann muss ich wie meine Vorrednerin darauf Vor diesem Hintergrund hätte ich Sie gerne hinweisen, dass es sich dabei nicht um eine gefragt, wie Sie Ihr gestriges Verhalten erklären, Regelung nur für Lehrerinnen und Lehrer handelt, was ja auch zu der Verzögerung heute Morgen sondern für alle. Es geht darum, dass dabei ge- geführt hat. Wir haben im Ausschuss mit Mehrheit mischte Aufwendungen entstehen. Das bedeutet, beschlossen, dass die Informationspflichten in der dass das Arbeitszimmer sowohl privat als auch Bundesrepublik verstärkt werden müssen, weil, beruflich genutzt wird. Das gilt nicht nur für wie Sie selber sagen, Informationen eine wichtige Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch für Grundlage sind, um die Unternehmensteuerreform Selbstständige, Rechtsanwälte und andere. Wer und die Erhebung der Erbschaftsteuer neu gestal- kein anderes Arbeitszimmer hat, kann sein ten zu können. Herr Minister Steinbrück hat ja häusliches Arbeitszimmer steuerlich absetzen. vorhin ausgeführt, dass diese Regelung ansteht. Die gemischten Aufwendungen sind mit einem Jetzt haben Sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion großen Kontroll- und Bürokratieaufwand und vielen gesagt, dass Sie diese Informationen nicht mehr Steuergestaltungsmöglichkeiten verbunden. In brauchen. Ist das für die Öffentlichkeit so zu diesem Punkt treffen wir nun eine klarere verstehen, dass Sie sehenden Auges eine Politik Regelung. betreiben, für die Ihnen die Datengrundlage fehlt, von der Sie nicht wissen, wie die Auswirkungen Wenn Sie einwenden, dass die Lehrer dann kein sein werden, und bei der Sie trotzdem den Arbeitszimmer mehr zur Verfügung haben, dann Unternehmen heute schon eine weitere Entlastung muss ich darauf hinweisen, dass es nicht die in Höhe von 8 Milliarden Euro in Aussicht stellen? Aufgabe des Bundes ist, entsprechende Steuervergünstigungen zu bieten; vielmehr (Beifall bei der LINKEN) müssen die Länder, die die Lehrer beschäftigen, entweder einen Zuschuss zum häuslichen Arbeits- Präsident Dr. Norbert Lammert: zimmer gewähren oder in den Schulen Zur Erwiderung hat der Kollege Gutting das Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Es ist aber Wort. nicht die Aufgabe der Allgemeinheit, aus Steuermitteln eine entsprechende Regelung zu Olav Gutting (CDU/CSU): finanzieren. Werte Kollegin, zunächst der Hinweis, dass ich (Beifall bei der SPD – Abg. Volker Mitglied der Unionsfraktion bin. Wir waren in den Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE] letzten Jahren nicht an der Regierung beteiligt. meldet sich zu einer Zwischenfrage) Zum Vorgehen hat bereits heute Morgen unser – Sofort. Ich führe noch einen Gedanken aus. parlamentarischer Geschäftsführer alles gesagt. Was die Senkung der Steuersätze für die Was die Datenerhebung anbelangt, ist in dem unteren und mittleren Einkommensgruppen in den vorliegenden Gesetzentwurf nicht geregelt, dass letzten Stufen der Steuerreform angeht, sollten Sie wir keine Daten erheben; es wurden lediglich ehrlicherweise feststellen, dass wir in den letzten Änderungen vorgenommen. Die Daten werden Jahren für die Arbeitnehmerinnen und selbstverständlich erhoben und wir benötigen sie Arbeitnehmer höhere Reallohnzuwächse durch auch für die Vorbereitung der entsprechenden Steuerentlastungen als durch tarifliche Lohnerhö- Gesetzentwürfe und Reformen. hungen erzielt haben. Das kann man doch nicht (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Jetzt einfach leugnen. Man muss auch die Fakten zur haben Sie gelogen! Sie nehmen genau Kenntnis nehmen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3993

(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Finanzverwaltung kontrolliert werden, ob in einem Arbeitszimmer zum Beispiel ein Bett steht Präsident Dr. Norbert Lammert: ( [SPD]: Oder ein Sofa!) Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schneider? bzw. ob es als Gästezimmer genutzt wird. Es geht darum, eine klare Abgrenzung zu schaffen. Florian Pronold (SPD): Wie ich sehe, haben Sie sich bereits gesetzt. Ich Sehr gerne. habe Ihre Fragen jetzt beantwortet. Sie waren ein bisschen voreilig – nicht nur bei der Fragestellung, Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): sondern auch beim Hinsetzen. Herr Kollege, würden Sie mir erstens (Beifall des Abg. Jörg-Otto Spiller [SPD]) zustimmen, dass Lehrer in ihren Arbeitszimmern zu Hause zu einem erheblichen Teil Arbeiten Ich bin Herrn Gutting für seinen Redebeitrag erledigen, die für den Schulunterricht dringend dankbar, weil er deutlich gemacht hat, dass die geboten sind, wie Unterrichtsvorbereitung und die Union die Pendlerpauschale eigentlich komplett Korrektur von Klassenarbeiten? streichen wollte. Auch Herr Bernhardt hat schon dargestellt, dass es unterschiedliche Ansichten in Zweitens. Würden Sie mir des Weiteren der Koalition gibt. Wir als SPD sind auch im zustimmen, dass es normalerweise Sache des Wahlkampf dafür eingetreten, dass die Ar- Arbeitgebers ist, die Voraussetzungen dafür zu beitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre schaffen, dass einem Arbeitnehmer die Belastungen weiterhin absetzen können. Es ist Arbeitsbedingungen zur Verfügung stehen, die er schön, dass Sie uns zugestehen, dass wir zur Erledigung seiner Arbeit und zur Erfüllung – – wenigstens dies für die Fernpendler erkämpft (Widerspruch bei der SPD – Hans Michelbach haben. [CDU/CSU]: Das hat er doch gesagt!) Ich bin aber schon überrascht – das gehört zur – Lassen Sie mich doch zu Ende reden! Ich weiß, Wahrhaftigkeit –, dass Herr Kalb vor wenigen warum Sie so herumpöbeln. Es ist mir klar, welch Tagen in der Zeitung erklärt hat, es seien schlechtes Gewissen Sie in diesem Punkt haben. Änderungen möglich. Er ist Haushaltsexperte der CSU und, so glaube ich, auch für Würden Sie mir des Weiteren zustimmen, dass Erbschaftsangelegenheiten zuständig. Herr es Sache des Arbeitgebers ist, die Hofbauer von der CSU hat gestern im Voraussetzungen zu schaffen, dass ein Verkehrsausschuss Tränen geweint, weil bei der Arbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag erfüllen kann? Pendlerpauschale keine Änderungen mehr Drittens. Sind Sie vor diesem Hintergrund nicht möglich seien. Die Wahrheit ist, dass die CSU- der Auffassung, dass es fast schon eine Staatsregierung von Bayern im Bundesrat Unverschämtheit ist, zu behaupten, es würden Bedenken wegen einer möglichen private Arbeitszimmer subventioniert? Sorgen Verfassungswidrigkeit geäußert hat. Wenn die durch diese Regelung nicht eher umgekehrt Lehrer Staatsregierung hustet, dann wird doch die dafür, dass staatliche Mittel nicht in den Bau von Landesgruppe im Bundestag schwer krank. Sie Lehrerbüros in den Schulen fließen müssen? macht, was die Staatsregierung will. Warum diesmal nicht? Florian Pronold (SPD): Wir von der SPD haben ein Modell angeboten, Ich weiß nicht, welche Schulgebäude Sie das gerechter wäre, das verfassungsfester wäre – kennen. Diejenigen, die ich kenne, bieten ich erinnere an all die Bedenken, die in der nachmittags meistens relativ viel Platz. Ich glaube Anhörung vorgebracht wurden – und das trotzdem nicht, dass man zusätzliche Büroräume anbauen die Einsparungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro müsste, damit Lehrerinnen und Lehrer dort erbracht hätte. Sie haben Ihre Zustimmung arbeiten können. verweigert. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann wüssten (Beifall bei der SPD) Sie, dass ich genau das gesagt habe: Der Auch das gehört zur Ehrlichkeit. Es geht nicht an, Arbeitgeber ist dafür verantwortlich – das bezieht dass wir immer die Kohlen aus dem Feuer holen sich auf Ihre zweite Frage –, die entsprechenden und Sie sich hinstellen und behaupten, Sie hätten Arbeitsbedingungen bereitzustellen. Wenn dies mit den unangenehmen Dingen nichts zu tun. nicht der Fall ist – wie einige vorbringen –, dann muss man darüber reden, inwiefern der Arbeitge- ber Abhilfe schaffen kann, aber doch nicht der Präsident Dr. Norbert Lammert: Steuerzahler. Es geht auch nicht um die Herr Kollege Pronold, gestatten Sie eine Lehrerinnen und Lehrer; es geht vielmehr um die Zwischenfrage des Kollegen Kalb? Frage, ob für ein Arbeitszimmer eine gemischte Nutzung besteht. Dazu müsste vonseiten der Florian Pronold (SPD): Selbstverständlich. 3994 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Kollege Pronold, weil Sie gerade auf mich abgezielt haben: Darf ich Sie fragen, ob Sie bereit Hans Michelbach (CDU/CSU): sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass mich das Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr Verhalten der Ministerpräsidenten, insbesondere geehrten Kolleginnen und Kollegen! Zum Ihres Parteivorsitzenden Beck, im Bundesrat zur Abschluss der Debatte über das Frage der Regionalisierungsmittel und das Steueränderungsgesetz stelle ich für die CDU/ Entgegenkommen des Bundesfinanzministers CSU fest: Die große Koalition kommt heute einen gegenüber den Ländern, das ich persönlich für weiteren Schritt auf dem Weg zur Sanierung eine gravierende Abweichung vom unseres Landes voran. Die große Koalition ist Koalitionsvertrag halte, zu meiner Reaktion damit eine Koalition der neuen Chancen für mehr veranlasst haben? Ich bin der Meinung, dass den Wachstum und Beschäftigung. Pendlern in den ländlichen Gebieten in gleicher Weise hätte entgegengekommen werden müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Florian Pronold (SPD): Natürlich ist der Abbau von Steuersubventionen Ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass immer ein unpopulärer und für die Betroffenen Sie, Herr Kalb, versucht haben, das in diesem schwerwiegender Schritt. Für solch einen Schritt Kontext zu sagen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu braucht man Mut und keinen Populismus. Ich nehmen, dass wir einen Vorschlag eingebracht muss schon sagen, Herr Pronold: Ihre Flucht aus haben, der keine weiteren Verluste für den der Verantwortung kann ich nicht akzeptieren. Bundeshaushalt bedeutet, sondern Einnahmen von 2,5 Milliarden Euro gebracht hätte und trotz- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dem besser und gerechter für die Pendlerinnen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und Pendler wäre, und dass Sie es waren, die Ohne Schärfe in diese Debatte bringen zu wollen: diesen Vorschlag nicht umsetzen wollten? Es ist die Vorlage Ihres eigenen (Dr. Volker Wissing [FDP]: Aha! – Abg. Bundesfinanzministers; die CDU/CSU hat sich bei Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Pendlerpauschale in keiner Weise verweigert. NEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Ich kann Ihnen sagen: Sie stehen heute nach den Berichterstattungen, nach den Briefen, die Sie in Präsident Dr. Norbert Lammert: Bayern geschrieben haben, nackt da. Sie müssen Verehrte Kolleginnen und Kollegen, unter einmal anerkennen, dass es so ist. Berücksichtigung der von uns selbst vereinbarten (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Debattenzeit möchte ich vorschlagen, dass der Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Kollege Pronold seine Rede zu Ende führt. Danach GRÜNEN – Dr. haben wir einen weiteren Redner und dann [CDU/CSU]: Sehr gut! Gib’s ihm!) kommen wir zu den Abstimmungen. Wir verfolgen – ich hoffe, gemeinsam – ein (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) zielführendes Konzept für mehr Wachstum und Beschäftigung. Unter dem Motto „Sanieren, Florian Pronold (SPD): investieren, reformieren“ verfolgt diese große Wir machen uns mit diesem Gesetz Koalition ein finanz- und steuerpolitisches handlungsfähiger. Es ist eine schwierige Aufgabe, Gesamtkonzept, das darauf abzielt, den europäi- die wir zu bewältigen haben. Aber den Populismus schen Stabilitätspakt und die der FDP, der darin besteht, dass sie einerseits die Verschuldungsgrenze nach Art. 115 des Steuern senken will, andererseits aber mehr Geld Grundgesetzes im nächsten Jahr einzuhalten und ausgeben und mehr investieren will, gleichzeitig die Weichen für eine dauerhafte, tragfähige aber nie sagt, wie das gehen soll, können wir uns Finanzpolitik zu stellen. nicht zu Eigen machen. Wir haben die Verantwor- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) tung dafür, dass wir den Haushalt konsolidieren und investieren. Mit diesem Gesetz gehen wir Sparen, reformieren und investieren, das ist das diesen Weg. Es mag schön sein, für diesen Gebot. Der Kurs dieser großen Koalition ist auf Populismus Beifall zu kriegen, aber die Lösung der eine Verbesserung der Konjunktur, auf mehr wirklichen Probleme wird man mit Sonntagsreden Wachstum und mehr Beschäftigung ausgerichtet. nicht erreichen. Vielmehr bedarf es konkreten Das ist der richtige Kurs. Wir werden ihn einhalten. Handelns. Das tun wir mit diesem Gesetz. Ich hoffe, dass wir ihn auch in der Zukunft gemeinsam verfolgen. (Beifall bei der SPD – Dr. Volker Wissing [FDP]: Ich sage nur „Merkel-Steuer“!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es ist so: Wegen eines falschen Politikansatzes Präsident Dr. Norbert Lammert: wurde in der Vergangenheit zu oft verkündet, die Letzter Redner ist der Kollege Hans Michelbach Ausgaben des Staates seien nicht durch seine für die CDU/CSU-Fraktion. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3995

Einnahmen, sondern durch die wachsenden Arbeit verbilligen und dass sich Arbeit wieder mehr Aufgaben zu bestimmen. Diese Denke war lohnt. Deswegen haben wir hier den richtigen verhängnisvoll. Seitdem man ihr folgt, ist unser Ansatz. Sozusagen eine Umfinanzierung zur Erhö- Staat überfordert, leben wir zulasten der Zukunft hung der Wettbewerbsfähigkeit bei den und ist die Leistungskultur in Deutschland auf der Arbeitskosten schafft mehr Beschäftigung in schiefen Ebene. Das müssen wir so sehen. Deutschland. Mittlerweile leben 7 Millionen Menschen von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie Hartz IV. Gleichzeitig ist die Zahl der Beschäftigten der Abg. Gabriele Frechen [SPD]) auf unter 26 Millionen gesunken. Diejenigen, die Solide Staatsfinanzen sind eine wesentliche von ihrer Arbeit leben, sind bereits in der Voraussetzung für die Steigerung von Wachstum Minderheit. So hat unsere Gesellschaft keine und Beschäftigung. Umgekehrt können ohne Zukunft. Unsere Reformen sind notwendig. Wir erhöhtes Wirtschaftswachstum der Abbau der beschließen sie heute als Teilkonzept. Arbeitslosigkeit, die Stabilisierung der sozialen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sicherungssysteme und die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte natürlich nicht gelingen. Wir müssen natürlich deutlich machen: In dem Jahr, in dem diese Regierung ins Amt kam und die Die große Koalition verbindet die notwendige große Koalition ihre Arbeit aufnahm, lag das Haushaltssanierung deshalb mit kurzfristig strukturelle Defizit zwischen den laufenden wirkenden Wachstumsimpulsen in Höhe von Einnahmen und den Ausgaben bei rund 25 Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2009: 60 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Jeder deutlich steigende Investitionen in Forschung und fünfte Euro, den der Bund ausgibt, ist nicht von Entwicklung, gezielte Verbesserungen für den entsprechenden Einnahmen gedeckt. Man muss Mittelstand, Ausweitung der Verkehrsinvestitionen, selbstverständlich deutlich machen: Das kann so Verbesserung der Familienleistungen. Das ist der nicht weitergehen. Das Defizit muss in den Ansatz: sparen, reformieren, investieren. Ein Ge- nächsten Jahren entschlossen zurückgeführt samtkonzept, das die Menschen voranbringt und werden, um künftigen Generationen keine ihnen dient, ist die Grundlage. größeren Lasten aufzubürden. Demagogie, wie sie bei dieser Debatte heute Die Bundesregierung spart bis zum Jahr 2007 von Herrn Gysi, von Herrn Kuhn und anderen an einschließlich 35 Milliarden Euro. Wer sagt, es den Tag gelegt worden ist, hilft uns nicht weiter. würden nur Erhöhungen vorgenommen, erzählt Das mit der Gerechtigkeit in Deutschland ist Märchen. Im Haushalt werden ebenfalls nämlich ganz anders, als sie verkünden. Die wesentliche Ausgabenkürzungen vorgenommen. 10 Prozent, die die höchsten Steuern zahlen, Das tun wir auch heute. Dieses Vorgehen dient erbringen in unserem Land über 50 Prozent des langfristig den Menschen in unserem Land; denn Steueraufkommens. Für die gewerblichen ein klarer Sparkurs ist das Beste. Wir weisen jeden Gewinne wurde die Bemessungsgrundlage in den Vorwurf, wir reduzierten Ausgaben nicht, von uns. letzten Jahren immer wieder erhöht, nicht gesenkt. Dagegen wurden die unteren Einkommen über (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und den niedrigen Eingangssteuersatz, wie auch Herr der SPD) Steinbrück verdeutlicht hat, erheblich begünstigt. Die Menschen sehen, dass wir im nächsten Jahr So tragen heute die unteren 50 Prozent der den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt Steuerzahler unter 10 Prozent der Steuer- einhalten wollen. Diesen Pakt hat im Übrigen die belastung. Das ist die Wahrheit über die Union mit hart erkämpft. Ich glaube, Steuergerechtigkeit in Deutschland. es ist der Erfolg einer neuen und zuverlässigen Der Neidfaktor, den Sie immer wieder in die Politik, dass man klare Ziele formuliert und alle Debatte einführen, schadet unserem Land, weil er denkbaren Wege beschreitet, um diese Ziele zu die Menschen in die falsche Richtung führt. Das ist erreichen. die Situation. Es ist auch eine Tatsache, dass dadurch die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Stimmung in Deutschland besser geworden ist. der SPD) Dabei sagen wir natürlich ehrlich: Nur mit Anstrengung und Leistung schaffen wir neue Zur Neiddemagogie von Herrn Gysi, weiteren Chancen für die Menschen. Zur Ehrlichkeit in Linken und anderen, die hier dazu gesprochen diesem Bereich gehört, zu erklären: Dieser Weg haben, kann ich nur ein altes Sprichwort anführen: wird allen Opfer abverlangen. Neid ist genauso alt wie Unfähigkeit. Der Rückgriff auf die Verbreiterung der Wir müssen in Deutschland wieder die Fähigkeit Bemessungsgrundlage und die Steuererhöhung gewinnen, Wachstum und Beschäftigung zu sind dabei unausweichlich. Entscheidend ist, dass erreichen, damit wir aus der Talsohle wir mit einem Drittel der zusätzlichen Einnahmen herauskommen und wieder mehr sofort die Senkung der Lohnnebenkosten Steuereinnahmen generieren – aus der Gerechtig- finanzieren. Auch das ist die Wahrheit: dass wir keit heraus, dass alle ihren Beitrag für dieses Land 3996 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 leisten sollen. Deshalb müssen wir mit dem hier sogar etwas tun, von dem sie wissen, dass es Gesamtkonzept, das heute mit einer Teillösung nicht verfassungskonform ist. umgesetzt wird, den Weg der Reformen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weitergehen. Wenn wir das tun, dann werden wir sowie bei Abgeordneten der FDP und der vorankommen und die Ernte einfahren, die darin LINKEN) besteht, dass es den Menschen in Deutschland wieder besser geht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Ich neten der SPD) bitte einen Augenblick um Aufmerksamkeit, weil wir, wie jedermann heute Morgen ja feststellen Präsident Dr. Norbert Lammert: konnte, eine etwas kompliziertere Nun erhält die Kollegin Scheel das Wort zu einer Verhandlungslage haben als gewöhnlich. Kurzintervention und danach, so hoffe ich, können (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE wir abstimmen. GRÜNEN]: Frau hat es auch festgestellt!) (Unruhe) Wir haben uns vorhin im Ältestenrat – Ich schlage im Übrigen vor, liebe Kolleginnen unbeschadet der natürlich unterschiedlichen und Kollegen, dass Sie dafür Platz nehmen – die politischen Bewertung der Gesetzentwürfe und Prozedur wird ein bisschen Zeit in Anspruch auch der damit verbundenen Verfahrensabläufe nehmen –; das macht die Veranstaltung dann auf einen Ablauf verständigt, den ich nun – wenigstens eine Idee gemütlicher. verbunden mit dem ausdrücklichen Dank an alle Beteiligten, sich trotz der unterschiedlichen Bitte schön, Frau Kollegin Scheel. politischen Bewertungen darauf geeinigt zu haben – erläutern möchte. Wir werden zunächst in Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): zweiter Lesung über die Beschlussempfehlung des Danke schön, Herr Präsident, für den Hinweis Finanzausschusses zu dem von der auf die Gemütlichkeit. Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ich habe von Herrn Pronold die Begründung für Steueränderungsgesetzes 2007 abstimmen. Im die Änderung bei der Entfernungspauschale Übrigen liegen hierzu – darauf will ich bei der gehört. Die Öffentlichkeit sollte wissen, finde ich, Gelegenheit schon hinweisen – eine ganze Reihe dass die SPD-Finanzexperten, namentlich auch von persönlichen Erklärungen zur Abstimmung vor, die wir dem Protokoll in der üblichen Weise Florian Pronold, in verschiedenen Medien gesagt 1 haben, dieser Vorschlag sei verfassungswidrig. beifügen. Mein Vorredner Hans Michelbach hat darauf (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE hingewiesen, dass sich Florian Pronold nicht aus GRÜNEN]: Das schlechte Gewissen!) der Verantwortung stehlen könne. Ich kann die Wir werden dann nach der vorhin im Ältestenrat Abwesenheit von Herrn Pronold bei der getroffenen interfraktionellen Vereinbarung über Abstimmung im federführenden Finanzausschuss den sofortigen Eintritt in die dritte Beratung mit über diese Frage nur so beurteilen, dass er dem Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit deswegen der Abstimmung fern geblieben ist, weil abstimmen und dazu eine namentliche ihm klar war, dass das ein verfassungswidriger Abstimmung durchführen. Das hängt – um das nur Vorgang ist. Ich sehe aber, dass auch aus der in wenigen Sätzen zu erläutern – damit zusam- Union in dieser Frage ähnliche Äußerungen men, dass wir eine bestimmte, seit Jahren getätigt wurden, es also auch von dieser Seite zum praktizierte Handhabung über Fristverzicht haben, Thema Ausgestaltung der Entfernungspauschale für die es aber eine präzise Festlegung in der Kritik an der Regierungsvorlage gegeben hat. Geschäftsordnung nicht gibt. So haben wir uns Damit haben sowohl Abgeordnete der SPD als vorhin wiederum einvernehmlich darauf auch der Union mit ihrer großen Mehrheit etwas verständigt, den Geschäftsordnungsausschuss um beschlossen, was sie in ihren jeweiligen eine Klärung dieses Sachverhaltes zu bitten und Wahlkreisen völlig anders darstellen. eine mögliche Regelung für die Geschäftsordnung Deswegen meine ich schon, dass die zu erarbeiten, wie in solchen Fällen künftig Öffentlichkeit insgesamt wissen sollte, dass verfahren werden soll. einzelne Kolleginnen und Kollegen, vor allen Wir haben uns vorhin darauf verständigt, dass Dingen aus dem Finanzbereich, in den jeweiligen wir heute so verfahren, wie unsere Ländern, an Stammtischen oder bei Ver- anstaltungen, wie sie die CSU und andere durchführen, eine ziemlich große Klappe riskieren, ______aber jedes Mal dann, wenn es darum geht, sich 1 Anlagen 2 bis 7 dementsprechend zu entscheiden, einknicken und

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Geschäftsordnung es für den Fall vorsieht, dass es Ist noch jemand im Saal, der seine Stimme nicht in zweiter Lesung Änderungen gibt. Über diese abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann kann nämlich nur dann sofort in dritter Lesung schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die abgestimmt werden, wenn der Bundestag dies mit Schriftführerinnen und Schriftführer, das Ergebnis Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des auszuzählen. Bis zur Bekanntgabe des Bundestages beschließt. Wir können deswegen Ergebnisses – danach finden die weiteren alle möglichen Zweifelsfragen dadurch ausräumen, Abstimmungen statt – unterbreche ich die Sitzung. dass eine solche Verfahrensentscheidung mit (Unterbrechung von 12.35 bis 12.42 Uhr) einer Mehrheit von zwei Dritteln getroffen wird.

Danach findet die einfache Abstimmung in Präsident Dr. Norbert Lammert: dritter Lesung statt. Darauf folgen eine Reihe von Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Abstimmungen zu Entschließungsanträgen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe das Ich bitte Sie darum, sozusagen die ganze von den Schriftführerinnen und Schriftführern Schönheit dieses Verfahrens in vollen Zügen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung mitzuverfolgen, nachdem nun hoffentlich jeder über den sofortigen Eintritt in die dritte Beratung weiß, dass und warum so verfahren wird, wie bekannt: Abgegebene Stimmen 585. Mit Ja haben gerade erläutert. gestimmt 425, mit Nein haben gestimmt 159, Ich rufe zunächst die Beschlussempfehlung des Enthaltungen eine. Damit ist der sofortige Eintritt in Finanzausschusses auf, Drucksache 16/2012. Er die dritte Beratung mit der erforderlichen Mehrheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner beschlossen. Beschlussempfehlung, die genannten Gesetzentwürfe zusammenzuführen und in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Endgültiges Ergebnis Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Gesetzentwurf in zwei- Abgegebene Stimmen: 585; ter Beratung mit den Stimmen der davon Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der ja: 425 Oppositionsfraktionen angenommen. nein: 159 enthalten: 1 (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Da waren einige Gegenstimmen der SPD! – Unruhe Ja – Dr. Peter Struck [SPD]: Weiter!) CDU/CSU – Wenn das so ist, dann machen wir das nicht per Zuruf, sondern nehmen ausdrücklich zu Protokoll, dass es einzelne Gegenstimmen auch aus den Reihen der SPD-Fraktion gegeben hat. Thomas Bareiß (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na, jetzt aber! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE Dr. Günter Baumann GRÜNEN]: So fängt es immer an! – Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Weitere Zurufe) Veronika Bellmann – Das ist doch kein Grund zur Aufregung. Niemand Dr. bezweifelt die Mehrheitsentscheidung, die ich Otto Bernhardt gerade festgestellt habe. Carl-Eduard von Bismarck Nun entscheiden wir über den sofortigen Eintritt Renate Blank in die dritte Beratung unter der vorhin erläuterten Peter Bleser Voraussetzung, dass zwei Drittel der anwesenden Mitglieder des Bundestages das beschließen. Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Dazu ist interfraktionell eine namentliche Abstimmung vereinbart. Klaus Brähmig Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, Michael Brand die vorgesehenen Plätze einzunehmen, damit wir Helmut Brandt Dr. diese namentliche Abstimmung durchführen Monika Brüning können. – Sind alle Plätze besetzt? – Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung. Gitta Connemann Leo Dautzenberg 3998 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Thomas Dörflinger Hartmut Koschyk Marie-Luise Dött Thomas Kossendey Maria Eichhorn Anke Eymer (Lübeck) Georg Fahrenschon Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hans Georg Faust Johann-Henrich Krummacher Enak Ferlemann Dr. Hermann Kues Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dirk Fischer (Hamburg) Andreas G. Lämmel Dr. Dr. Norbert Lammert Klaus-Peter Flosbach Dr. Max Lehmer Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Paul Lehrieder Erich G. Fritz Ingbert Liebing Jochen-Konrad Fromme Dr. Klaus W. Lippold Dr. Michael Fuchs Patricia Lips Hans-Joachim Fuchtel Dr. Michael Luther Dr. Stephan Mayer (Altötting) Dr. Jürgen Gehb Wolfgang Meckelburg Dr. Dr. Angela Merkel Ralf Göbel Laurenz Meyer (Hamm) Dr. Reinhard Göhner Maria Michalk Josef Göppel Hans Michelbach Peter Götz Philipp Mißfelder Dr. Wolfgang Götzer Dr. Eva Möllring Ute Granold Carsten Müller (Braunschweig) Hermann Gröhe Stefan Müller (Erlangen) Michael Grosse-Brömer Bernward Müller (Gera) Markus Grübel Dr. Gerd Müller Manfred Grund Hildegard Müller Monika Grütters (Bremen) Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Henry Nitzsche Olav Gutting Michaela Noll Holger Haibach Dr. Georg Nüßlein Gerda Hasselfeldt Franz Obermeier Ursula Heinen Eduard Oswald Uda Carmen Freia Heller Rita Pawelski Jürgen Herrmann Dr. Peter Paziorek Bernd Heynemann Ulrich Petzold Ernst Hinsken Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Robert Hochbaum Dr. Friedbert Pflüger Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Daniela Raab Anette Hübinger Hubert Hüppe Hans Raidel Susanne Jaffke Dr. Peter Ramsauer Dr. Peter Rauen Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung (Konstanz) (Potsdam) Bartholomäus Kalb Klaus Riegert Hans-Werner Kammer Dr. Heinz Riesenhuber Steffen Kampeter Franz Romer Johannes Röring Bernhard Kaster Kurt J. Rossmanith Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Dr. Norbert Röttgen Volker Kauder Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht (Weiden) Jürgen Klimke Peter Rzepka Julia Klöckner Anita Schäfer (Saalstadt) Jens Koeppen Hermann-Josef Scharf Kristina Köhler (Wiesbaden) Dr. Wolfgang Schäuble Manfred Kolbe Hartmut Schauerte Norbert Königshofen Dr. Annette Schavan Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 3999

Karl Schiewerling Willi Brase Norbert Schindler (Hildesheim) Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Marco Bülow Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Martin Burkert (Berlin) Dr. Michael Bürsch Dr. Dr. Ole Schröder Marion Caspers-Merk Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Peter Danckert Uwe Schummer Dr. Herta Däubler-Gmelin Wilhelm Josef Sebastian Karl Diller Martin Dörmann Kurt Segner Dr. Carl-Christian Dressel Bernd Siebert Elvira Drobinski-Weiß Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Petra Ernstberger Andreas Storm Karin Evers-Meyer Annette Faße (Heilbronn) Elke Ferner Michael Stübgen Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Dr. Hans-Peter Uhl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Volkmar Uwe Vogel Peter Friedrich Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Iris Gleicke Kai Wegner Günter Gloser Renate Gradistanac Peter Weiß (Emmendingen) Angelika Graf (Rosenheim) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Dieter Grasedieck Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Gabriele Groneberg Willy Wimmer (Neuss) Achim Großmann Elisabeth Winkelmeier-Becker Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Dagmar Wöhrl Hans-Joachim Hacker Wolfgang Zöller Bettina Hagedorn Willi Zylajew Klaus Hagemann Alfred Hartenbach SPD Michael Hartmann (Wackernheim) Nina Hauer Dr. Lale Akgün Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Ingrid Arndt-Brauer Petra Heß (Neuruppin) Gabriele Hiller-Ohm Dr. Hans- Peter Bartels Petra Hinz (Essen) Sören Bartol Gerd Höfer Sabine Bätzing (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Uwe Beckmeyer Eike Hovermann Klaus Uwe Benneter Klaas Hübner Dr. Axel Berg Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Lothar Binding (Heidelberg) Johannes Jung (Karlsruhe) Volker Blumentritt Johannes Kahrs Gerd Bollmann Ulrich Kasparick Dr. Dr. h.c. Susanne Kastner Klaus Brandner Ulrich Kelber 4000 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Christian Kleiminger Carsten Schneider (Erfurt) Hans-Ulrich Klose Olaf Scholz Dr. Bärbel Kofler Fritz Rudolf Körper Reinhard Schultz (Everswinkel) Karin Kortmann (Spandau) Rolf Kramer Ewald Schurer Anette Kramme Ernst Kranz Dr. Angelica Schwall-Düren Nicolette Kressl Dr. Martin Schwanholz Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Hans-Ulrich Krüger Wolfgang Spanier Jürgen Kucharczyk Dr. Margrit Spielmann Helga Kühn-Mengel Jörg-Otto Spiller Ute Kumpf Dr. Ditmar Staffelt Dr. Uwe Küster Andreas Steppuhn Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Rolf Stöckel Dr. Christoph Strässer Waltraud Lehn Dr. Peter Struck Gabriele Lösekrug-Möller Joachim Stünker Dirk Manzewski Dr. Rainer Tabillion Lothar Mark Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. h.c. Hilde Mattheis Jörn Thießen Franz Thönnes Petra Merkel (Berlin) Hans-Jürgen Uhl Ulrike Merten Rüdiger Veit Dr. Simone Violka Ursula Mogg Jörg Vogelsänger Marko Mühlstein Dr. Marlies Volkmer Detlef Müller (Chemnitz) Hedi Wegener Michael Müller (Düsseldorf) Andreas Weigel Franz Müntefering Petra Weis Dr. Rolf Mützenich Gunter Weißgerber (Wiesloch) Dr. Holger Ortel Lydia Westrich Heinz Paula Dr. Margrit Wetzel Johannes Pflug Andrea Wicklein Joachim Poß Heidemarie Wieczorek-Zeul Christoph Pries Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Wilhelm Priesmeier Engelbert Wistuba Florian Pronold Dr. Wolfgang Wodarg Dr. Waltraud Wollf (Wolmirstedt) Mechthild Rawert Heidi Wright (Cottbus) Uta Zapf Maik Reichel Manfred Zöllmer Gerold Reichenbach Brigitte Zypries Dr. Carola Reimann Christel Riemann-Hanewinckel Nein Sönke Rix SPD Rene Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Klaus Barthel Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) FDP Anton Schaaf Dr. Karl Addicks Axel Schäfer () Bernd Scheelen Daniel Bahr (Münster) Dr. Hermann Scheer Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Patrick Döring Renate Schmidt (Nürnberg) Mechthild Dyckmans Dr. Frank Schmidt Jörg van Essen Heinz Schmitt (Landau) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4001

Otto Fricke Dr. Barbara Höll Paul K. Friedhoff Ulla Jelpke Horst Friedrich (Bayreuth) Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Hakki Keskin Dr. Hans-Michael Goldmann Monika Knoche Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Katrin Kunert Dr. Christel Happach-Kasan Oskar Lafontaine Heinz-Peter Haustein Michael Leutert Elke Hoff Ulla Lötzer Birgit Homburger Dr. Gesine Lötzsch Dr. Werner Hoyer Ulrich Maurer Michael Kauch Dorothee Menzner Dr. Heinrich L. Kolb Kornelia Möller Hellmut Königshaus Kersten Naumann Gudrun Kopp Wolfgang Neskovic Jürgen Koppelin Dr. Heinz Lanfermann Petra Pau Bodo Ramelow Harald Leibrecht Elke Reinke Ina Lenke Paul Schäfer (Köln) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Volker Schneider (Saarbrücken) Markus Löning Dr. Herbert Schui Horst Meierhofer Dr. Ilja Seifert Patrick Meinhardt Dr. Jan Mücke Frank Spieth Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Kirsten Tackmann Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Dr. Axel Troost Detlef Parr Jörn Wunderlich Gisela Piltz Sabine Zimmermann Jörg Rohde Frank Schäffler BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Konrad Schily Kerstin Andreae Marina Schuster Marieluise Beck (Bremen) Dr. Hermann Otto Solms Volker Beck (Köln) Dr. Max Stadler Cornelia Behm Dr. Rainer Stinner Birgitt Bender Carl-Ludwig Thiele Matthias Berninger Florian Toncar Grietje Bettin Christoph Waitz Alexander Bonde Dr. Guido Westerwelle Ekin Deligöz Dr. Claudia Winterstein Dr. Thea Dückert Dr. Volker Wissing Dr. Ursula Eid Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Hans Josef Fell Martin Zeil Katrin Göring-Eckardt DIE LINKE Anja Hajduk Hüseyin-Kenan Aydin Britta Haßelmann Karin Binder Winfried Hermann Dr. Priska Hinz (Herborn) Heidrun Bluhm Ulrike Höfken Eva Bulling-Schröter Dr. Dr. Martina Bunge Bärbel Höhn Thilo Hoppe Sevim Dagdelen Ute Koczy Dr. Diether Dehm Sylvia Kotting-Uhl Werner Dreibus Fritz Kuhn Dr. Dagmar Enkelmann Renate Künast Klaus Ernst Undine Kurth (Quedlinburg) Wolfgang Gehrcke Markus Kurth Diana Golze Monika Lazar Dr. Gregor Gysi Dr. Reinhard Loske Heike Hänsel Anna Lührmann Lutz Heilmann Jerzy Montag Hans-Kurt Hill Kerstin Müller (Köln) Cornelia Hirsch Winfried Nachtwei Inge Höger-Neuling Brigitte Pothmer 4002 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Krista Sager Unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung Elisabeth Scharfenberg empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Christine Scheel Antrags der FDP-Fraktion auf Drucksache 16/1654 Irmingard Schewe-Gerigk mit dem Titel „Keine weiteren Steuererhöhungen“. Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Silke Stokar von Neuforn Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Auch Hans-Christian Ströbele diese Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit Dr. Harald Terpe angenommen. Jürgen Trittin Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c Wolfgang Wieland Margareta Wolf (Frankfurt) sowie den Zusatzpunkt 2 auf: 4 a) Beratung der Beschlussempfehlung und des fraktionslos Berichts des Ausschusses für Gesundheit Gert Winkelmeier (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Enthalten Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des CDU/CSU BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Dem Solidarsystem eine stabile (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut! – Grundlage geben – für eine nachhaltige Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Finanzierungsreform der Aber knapp!) Krankenversicherung Wir kommen nun zur – Drucksachen 16/950, 16/2002 – dritten Beratung Berichterstattung: Abgeordnete Hilde Mattheis und Schlussabstimmung. – Herr Lafontaine, es würde zur Komplettierung des Protokolls b) Zweite und dritte Beratung des von der beitragen, wenn Sie in den Reihen Platz nähmen, Fraktion der LINKEN eingebrachten die der Entscheidung der Wähler entsprechen. Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Heiterkeit) – Drucksache 16/451 – Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der vorhin festgestellten Fassung zustimmen Beschlussempfehlung und Bericht des wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt gegen den Ausschusses für Gesundheit (14. Gesetzentwurf? – Wer möchte sich der Stimme Ausschuss) enthalten? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den – Drucksache 16/1753 – Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen bei einigen Berichterstattung: Gegenstimmen aus den Reihen der SPD-Fraktion Abgeodneter Dr. Rolf Koschorrek und einer Enthaltung aus der SPD-Fraktion mit der c) Beratung des Antrags der Abgeordneten notwendigen Mehrheit angenommen. Birgitt Bender, Matthias Berninger, Dr. Thea Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent- GRÜNEN schließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 16/2014. Wer stimmt für diesen Stärkung der Solidarität und Ausbau des Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wettbewerbs – Für eine leistungsfähige Wer enthält sich der Stimme? – Der Krankenversicherung Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt. – Drucksache 16/1928 – Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 b. Hier Überweisungsvorschlag: geht es um Abstimmungen über die Ausschuss für Gesundheit Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten der Drucksache 16/2012. Der Ausschuss empfiehlt Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter die Ablehnung des Antrags der Fraktion des und der Fraktion der FDP Bündnisses 90/Die Grünen auf Für Nachhaltigkeit, Transparenz, Drucksache 16/1501 mit dem Titel Eigenverantwortung und Wettbewerb im „Steueränderungsgesetz 2007 zurückziehen“. Wer Gesundheitswesen stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Drucksache 16/1997 – – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4003

Überweisungsvorschlag: der Tagesordnung beigetragen haben, habe ich Ausschuss für Gesundheit (f) als Badenerin nicht verursacht und nicht zu Ausschuss für Wirtschaft und Technologie verantworten. Über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke werden wir zu einem späteren Zeitpunkt (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: namentlich abstimmen. Jetzt geht es wieder los!) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind Insofern ist klar, dass es etwas unruhig war. für diese Aussprache anderthalb Stunden (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das vorgesehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Geld aus ist aber schon recht!) Dann ist das so beschlossen. – Die Stuttgarter wehren sich. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Parlamentarischen Staatssekretärin Es ist so, dass Union und SPD vor der Marion Caspers-Merk. Bundestagswahl sehr unterschiedliche Konzepte in der Gesundheitspolitik angekündigt hatten. Deswegen ist jetzt ein schwieriger, aber Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin notwendiger Reformprozess zu bewältigen. Diese bei der Bundesministerin für Gesundheit: Reform muss tragfähig sein und von beiden Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Parteien und den Fraktionen, die die Regierung Das Thema Gesundheit bewegt die Menschen. stellen, verantwortet werden können. Ich denke, Gesunde Menschen haben natürlich viele dass sowohl der Zeitrahmen als auch die Wünsche. Kranke Menschen haben eigentlich nur Fragestellungen, um die es geht, klar waren. einen Wunsch, nämlich den, gesund zu werden. Deswegen ist klar, dass die Gesundheitspolitik ein Das, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen Politikfeld ist, das die Menschen wie kein zweites von Bündnis 90/Die Grünen, in Ihren Anträgen beschäftigt. fordern, wird längst gemacht. Es wird auf der einen Seite die Finanzierungskonzeption auf eine neue, Insofern ist es eine gute Gelegenheit, heute zu tragfähige Basis gestellt. Auf der anderen Seite den Leitlinien der Gesundheitspolitik Stellung zu wird klargezogen, dass eine nachhaltige nehmen und die Anträge der Oppositionsparteien Entwicklung in der Gesundheitspolitik erforderlich im Deutschen Bundestag zu würdigen. Es ist Ihr ist. Sie fordern ein, dass diese Reform sicherstellt, gutes Recht – das sage ich zu den Kolleginnen dass künftig alle Bürgerinnen und Bürger und Kollegen von den Grünen –, etwas versichert sind. Genau das ist unser Ziel. Wir einzufordern. Was Sie einfordern, wird aber ei- haben die Ziele der Reformpolitik auch deutlich gentlich schon getan. Sie fordern uns nämlich auf, gemacht. einen Gesetzentwurf zum Thema „Strukturreformen in der Gesundheitspolitik“ vorzulegen. Vielleicht ist den Kolleginnen und Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Kollegen ja entgangen, dass genau dies im Zwischenfrage der Kollegin Wolf? Moment erarbeitet wird.

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Bei einem Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin Gesetzentwurf sind Sie noch nicht! Sie bei der Bundesministerin für Gesundheit: haben noch nicht einmal Eckpunkte!) Selbstverständlich. Dieser Aufforderung hätte es also gar nicht bedurft. Denn es ist seit langem Beschlusslage, Präsident Dr. Norbert Lammert: dass die große Koalition einen Entwurf zur Bitte, Frau Wolf. Reform des Gesundheitswesens vorlegen wird. (Unruhe) Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, die Präsident Dr. Norbert Lammert: Einen Augenblick bitte, Frau Kollegin. – Ich darf Bundesregierung hat die diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die dringend Gesundheitsstrukturreform zu dem Reformprojekt andere Geschäfte zu erledigen haben, bitten, dies erklärt. Ich stelle die Frage, warum uns die Mi- möglichst außerhalb des Plenarsaals zu tun, um nisterin heute nicht selber Rede und Antwort steht, die Konzentration für diese Debatte zumal sie doch im Plenum anwesend ist. sicherzustellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Weil euer Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin Antrag so billig ist!) bei der Bundesministerin für Gesundheit: Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin Aufgeregtheiten, die aus Baden-Württemberg bei der Bundesministerin für Gesundheit: kamen und zu einer Verzögerung der Abarbeitung 4004 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Frau Kollegin, Ihre Fachpolitikerinnen und nachhaltige Finanzierung zwischen den Parteien Fachpolitiker wissen, dass die Ministerin wegen strittig war. Deswegen ist es richtig, dass in einer der Verzögerung der Debatte und der gemeinsamen Runde ein tragfähiger dritter Weg, Gesundheitsministerkonferenz in Dessau nicht ein Modell entwickelt wird, das auch für die große während der gesamten Debatte anwesend sein Koalition tragfähig ist. kann. Welches sind die Elemente dieser tragfähigen (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Politik? Zunächst einmal brauchen wir eine Sie sitzt doch da!) nachhaltige Finanzierungsstruktur. Das bedeutet, dass wir Beitragsstabilität brauchen. Wir Der Respekt vor dem Parlament gebietet es, dass brauchen aber auch zusätzliche Einnahmen im man dann, wenn man nicht während der gesamten System. Es hat sich auch bis zur Opposition Debatte anwesend ist, auch nicht das Wort herumgesprochen, dass derzeit über ein ergreift. Das hätten Sie dann nämlich auch Fondsmodell diskutiert wird. Die vorgetragenen kritisiert. Kritikpunkte sind nicht sehr substanziell. Ein Fonds (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ist weder gut noch schlecht. Er bietet aber die Chance, unterschiedliche Finanzquellen Daran, dass sie trotzdem anwesend ist, sehen Sie, zusammenzuführen und die Belastungen wie wichtig uns dieses Thema ist. Sie kann jedoch gerechter zu verteilen. Darum geht es im Moment. nicht die ganze Zeit bleiben und das ist Ihren Sie werden sich gedulden müssen, bis die Fachpolitikerinnen und -politikern auch mitgeteilt Eckpunkte der Reform vorgelegt werden. worden. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Zuruf von der CDU/CSU: Der Antrag wäre es NEN]: Ach, Frau Oberlehrerin! Das ist auch nicht wert gewesen!) doch keine Bildungsdebatte!) So viel Fairness sollte man im Umgang Die Termine standen fest und das wussten Sie miteinander haben. auch, Frau Kollegin Künast. Ich möchte noch einmal zu Ihren Anträgen Wir wollen das Gesundheitswesen kommen. Sie haben erstens gefordert, dass in konkurrenzfähiger und wettbewerbsorientierter Zukunft jeder versichert sein soll. Dieses machen. Wir glauben, dass mehr Transparenz Erfordernis wird derzeit diskutiert und die beiden und Wettbewerb dringend überfällig sind. Wir Fraktionen sind sich auch einig geworden, dass wollen darüber hinaus, dass die Strukturen in den ein Versicherungsschutz in Zukunft für alle in Institutionen klarer werden. Das ist überfällig. Deutschland gelten soll. Derzeit haben wir im Bereich der Selbstverwaltung Sie fordern zweitens, dass der Zugang zu nämlich eine intransparente Struktur. Das medizinischer Versorgung künftig für alle Aufbrechen der Verkrustungen ist dringend gewährleistet sein muss. Auch das ist erklärtes notwendig, um voranzukommen. Wir brauchen Ziel unserer Politik. Was also soll Ihr Antrag zum natürlich eine modernere Selbstverwaltung, die jetzigen Zeitpunkt? Sie wissen, dass ein den Herausforderungen gerecht wird. Reformkonzept vorgelegt wird. Sie kennen die Darüber hinaus brauchen wir spürbare Zeitpläne. Sie hatten auch sehr wohl im strukturelle Reformen. Wir wollen – das ist klar – Fachausschuss die Gelegenheit, sowohl die den Patientinnen und Patienten mehr Wahl- und Finanzsituation als auch die einzelnen Wechselmöglichkeiten eröffnen. Auch das haben Bearbeitungsschritte, die vorgetragen wurden, zu wir Ihnen in den Grundzügen erläutert. diskutieren. Insofern bedarf es der Aufforderung in Form Ihres Antrags nicht. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Man wird ja noch einmal fragen Dennoch gibt uns Ihr Antrag die Gelegenheit, dürfen!) über die notwendigen Strukturreformen in der Gesundheitspolitik zu reden. Das tun wir sehr An den Konzepten der Opposition ist eines gerne, weil auch die Öffentlichkeit ein Interesse interessant: Im Fachausschuss konnte sich die daran hat, zu erfahren, welche Fragestellungen Opposition gestern nicht auf ein gemeinsames eigentlich erörtert werden. Ich erinnere Vorgehen einigen. Sie waren sich, glaube ich, nur insbesondere die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bei einem Tagesordnungspunkt einig, nämlich als die damals an der Regierung beteiligt war, daran, es um das Verbot der Einfuhr von Wildvögeln ging. dass wir das GMG aufgrund der Probleme damals Darüber hat die Opposition einheitlich abgestimmt. gemeinsam mit einer hohen Einsparquote In der Gesundheitspolitik liegen Ihre Auffassungen verabredet haben. hingegen weit auseinander. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ja, das stimmt!) (Detlef Parr [FDP]: Gott sei Dank sind wir weit auseinander!) Wir haben die Ausgabenseite angepackt und auch Strukturen verändert. Jeder weiß aber, dass Von der einen Seite wird immer wieder das Thema Strukturveränderungen ein auf Dauer angelegter Kostenerstattung aufgerufen und von der Seite der Prozess sind. Jeder weiß auch, dass die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4005

Linken hört man außer einer allgemeinen Das Endspiel der Gesundheitsreform findet am Forderung nach der Bürgerversicherung – Sie Sonntag statt. Das Parlament hat dann überhaupt sagen noch nicht einmal, wie Sie sie eigentlich keine Gelegenheit mehr, vor der Sommerpause ausgestalten wollen – sehr wenig. über die Eckpunkte dieser Reform zu diskutieren. Die nächste Möglichkeit dafür würde sich erst im (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das hat die Herbst bieten. Daher ist es das gute Recht der SPD auch nicht gemacht!) Opposition, hier und heute eine Debatte über die Insofern können wir unsere Reformen sehr Gesundheitspolitik zu führen. gelassen vorantreiben und vorstellen. Wir haben (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem Ihnen den Zeitplan mitgeteilt. Sie kennen ihn. Sie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wissen auch, was die Grundüberlegungen dieser Reformpolitik sind. Frau Caspers-Merk, Sie haben mir eine Steilvorlage geliefert: Es ist ja richtig, dass die (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- letzte große Gesundheitsreform von einer großen NEN]: Sollen wir uns jetzt auf den Boden Koalition durchgeführt wurde, nämlich von der werfen und Ihnen danken? Was ist CDU/CSU, den Grünen und der SPD. Was hat eigentlich los?) aber das Gesetz zur Modernisierung des Wir haben Ihnen die Möglichkeit gegeben, sich zu Gesundheitssystems gebracht? Die letzte große beteiligen. Sie werden sich aber noch ein bisschen Gesundheitsreform ist gerade einmal zweieinhalb gedulden müssen. Es ist das gute Recht der Jahre her. Sie sollte eine massive Opposition, hier Fragen zu stellen und Anträge Beitragssatzsenkung bringen. Damals lag der vorzulegen. Es ist aber auch das gute Recht der Beitragssatz im Schnitt bei 14,4 Prozent. Regierung, ihren Zeitplan in aller Ruhe und Versprochen wurde uns eine Senkung auf Gelassenheit zu fahren; 13,0 Prozent inklusive Sonderbeitrag. Die Realität sieht heute aber anders aus: Der Beitragssatz liegt (Zuruf von der FDP: Wissen Sie denn schon, bei durchschnittlich 14,2 Prozent. Die Reform wo Sie hinfahren?) brachte eine Senkung um 0,2 Prozent – das nenne denn die Bürgerinnen und Bürger haben es ich eine große Jahrhundertreform! Zum 1. Januar verdient, dass sie eine Gesundheitspolitik aus und zum 1. Juli dieses Jahres wurden von einem Guss vorfinden. zahlreichen Krankenkassen Beitragssatzer- höhungen vorgenommen. Schönen Dank. (Elke Ferner [SPD]: Man sollte auch einmal (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der fragen, warum, Herr Kollege!) CDU/CSU) 81 Krankenkassen haben immer noch Schulden in Präsident Dr. Norbert Lammert: Höhe von insgesamt knapp 4 Milliarden Euro. Für Für die FDP-Fraktion erhält nun das Wort der 2007 erwarten wir ein Defizit von 8 Milliarden Euro. Kollege Daniel Bahr. Das ist das Ergebnis der letzten Reform einer (Beifall bei der FDP) großen Koalition in der Gesundheitspolitik. Das ist ein zutiefst blamables Ergebnis. Sie haben es nicht Daniel Bahr (Münster) (FDP): geschafft, an die Strukturprobleme der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesundheitspolitik heranzugehen. Frau Staatssekretärin Caspers-Merk, es ist schon (Beifall bei der FDP) ein starkes Stück, Schwarz-Rot hat das Defizit, das im nächsten (Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Jahr eintreten wird, selbst zu verantworten. Die BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mehrwertsteuererhöhung belastet die gesetzlichen dass Sie erwarten, dass Ihnen die Opposition jetzt, Krankenversicherungen. Etwa 1,3 Milliarden Euro wo sich die große Koalition nicht in der Lage sieht, werden, zum Teil für Arzneimittel, zum Teil für sich zu einigen, diese Aufgabe abnimmt. Die Krankenhauskosten, mehr ausgegeben. Opposition legt hier eigene Konzepte vor, und Außerdem hat die schwarz-rote Koalition zwar jede Fraktion für sich, weil sie beschlossen, den Bundeszuschuss in Höhe von unterschiedliche Ansätze haben. Die schwarz-rote 4,2 Milliarden Euro, finanziert aus der Koalition hat aber den Wählerauftrag, für Tabaksteuererhöhung, bis 2008 wieder auf null zu Veränderungen zu sorgen und endlich eine senken. Dabei wird die Tabaksteuererhöhung Reform vorzulegen. Und was machen Sie? übrigens überhaupt nicht infrage gestellt. – Ein Klammheimlich, während der Fußball-WM, beraten Steuerzuschuss für die gesetzliche Kran- Sie die Eckpunkte zur Gesundheitsreform. kenversicherung ist also gar nicht so neu. Jetzt plant die Koalition den nächsten, höheren (Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der Steuerzuschuss; er liegt mittlerweile bei 16 bis CDU/CSU und der SPD) 24 Milliarden Euro. 4006 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Hier stehen wir in der Tat vor einer Gesundheitsreform das Thema „alternde Be- Richtungsentscheidung: Wollen wir ein völkerung“ – wie bekommen wir mehr steuerfinanziertes staatliches Gesundheitswesen Nachhaltigkeit in die Finanzierung des oder wollen wir ein Gesundheitswesen, das auf Gesundheitswesens? – bisher überhaupt gar keine Freiheit, auf Wettbewerb und auf Eigenver- Rolle spielt. antwortung der Versicherten baut? Wir von der (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto FDP möchten kein steuerfinanziertes staatliches Solms) Gesundheitswesen. All die Erfahrungen mit dem bisherigen Bundeszuschuss zeigen doch, wie Sie nennen als Beispiel den unsicher ein pauschaler Steuerzuschuss ist. Dann Gesundheitsfonds. Das hört sich toll an. entscheidet der Finanzminister und die Gemeinhin denkt man, dass dort Geld angespart Verlässlichkeit geht verloren. Eine weit gehende wird für Zeiten, in denen man dieses Geld braucht. Steuerfinanzierung kann angesichts der Aber der Gesundheitsfonds, wie Sie ihn planen, ist Haushaltslage zur Gesundheit nach Kassenlage nichts anderes als eine gigantische führen. Ich möchte das nicht. Geldsammelstelle, bei der es nur darum geht, die Bürgerinnen und Bürger zu täuschen. Sie (Beifall bei der FDP) überlegen doch nur, aus welcher Tasche man Dann machen Sie Versprechungen, mit ihnen noch Geld nehmen kann und wie man es Steuergeldern die Beiträge zu senken. Das alles möglichst großzügig auf die Krankenkassen haben wir schon vor Jahren erlebt. Oder ist Ihnen umverteilt. Das ist keine Nachhaltigkeit, sondern die Debatte über die Ökosteuer von 1998 nicht die Fortsetzung einer wenig nachhaltigen mehr in Erinnerung? Finanzierung des Krankenversicherungssystems. So schieben Sie die Lasten weiterhin auf die (Elke Ferner [SPD]: Wo wären dann die kommenden Generationen. Rentenversicherungsbeiträge nach Ihrer Begrenzung gewesen?) (Beifall bei der FDP) Damals wurde uns beigebracht, dass der Sie wollen – das ist mein Eindruck – den Weg in Rentenbeitrag bei mittlerweile 18,5 Prozent liegen ein zentralistisch gesteuertes, staatliches müsste. Zusammengenommen sind seit dem Jahr Gesundheitswesen gehen. Ein Gesundheitsfonds 2000 85 Milliarden Euro aus der Ökosteuer in die kombiniert mit einem Rentenkasse geflossen. Trotzdem muss der Bundeskrankenkassenverband, in dem die Rentenversicherungsbeitrag im nächsten Jahr auf Krankenversicherungen nur noch 19,9 Prozent, also fast 20 Prozent, steigen. Befehlsempfänger dieser Dachorganisation sind, und vorgeschriebene Mindestgrößen für (Elke Ferner [SPD]: Wo wäre er denn ohne Krankenkassen, wodurch gerade die kleinen, Ökosteuer?) innovativen Krankenkassen, die geringe Die Versprechung, dass durch Steuererhöhungen Verwaltungskosten haben, zerstört werden sollen, Lohnzusatzkosten und Rentenbeiträge gesenkt bedeuten weniger Wettbewerb, weniger werden, ist doch Makulatur, wenn Sie sich die Autonomie und weniger Selbstverwaltung. Das Erfahrung der Politik der letzten Jahre wird mehr Kosten und Bürokratie verursachen. vergegenwärtigen. Das ist nicht der richtige Weg, Das ist der Weg in die Planwirtschaft im um die Lohnzusatzkosten zu senken. Gesundheitswesen. Wir wollen diesen Weg nicht mitgehen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Steuerzuschüsse ersetzen eben keine Strukturreform. Sie haben weder den Mut noch die Wir haben in unserem Antrag dargestellt, wie wir Kraft für eine grundlegende Reform. Die mehr Freiheit im Gesundheitswesen wagen wollen, Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung und zwar mit privaten Krankenversicherungen, die gesagt: im Wettbewerb zueinander stehen, mit Wahlmöglichkeiten für die Versicherten, sodass sie Wir werden es grundlegend anders machen, selbst auswählen können, wie sie ihren damit es grundlegend besser wird. Versicherungstarif gestalten, und mit Al- Die Bürger stellen aber hinsichtlich der tersrückstellungen, wodurch Vorsorge für die Gesundheitspolitik immer mehr fest, dass es teurer alternde Bevölkerung betrieben wird. wird, ohne besser zu werden. Die schwarz-rote Das Gesundheitswesen ist der größte Koalition kauft sich einen Kompromiss mit dem Arbeitgeber in Deutschland. Wenn es auch Geld der Steuer- und Beitragszahler. zukünftig ein Wachstumsmarkt sein soll, dann darf (Beifall bei der FDP) hier nicht weiter staatlich reglementiert werden, sondern dann muss es wie ein Gesundheitsmarkt Frau Caspers-Merk hat eben gesagt, es sei das verstanden werden, mit Freiheit, Wettbewerb, Ziel der Koalition, zu einer nachhaltigen Transparenz und Eigenverantwortung. Finanzierung zu kommen. Ich kann nur feststellen, dass in den Debatten über eine Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4007

(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Und wer nicht (Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer zahlen kann, hat Pech gehabt!) [CDU/ CSU] – Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: So ist es!) Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Hier brauchen wir endlich eine nachhaltige (Beifall bei der FDP) Lösung. Nicht der Kostendruck, sondern der Wettbewerb und eine bessere Versorgung der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Menschen müssen künftig die Leitgedanken von Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Zöller Reformen sein. Man muss allerdings auch zur von der CDU/CSU-Fraktion. Kenntnis nehmen, dass in keinem anderen Bereich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- so viele Gefühle angesprochen bzw. so viele neten der SPD) Ängste ausgelöst werden und kaum ein politisches Feld so komplex und vielschichtig ist wie unser Gesundheitswesen. Deshalb habe ich überhaupt Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! kein Verständnis dafür, wenn man die Leute Eines muss sich die Opposition schon vorhalten tagtäglich mit falschen Behauptungen und nicht lassen: Sie müssen sich langsam entscheiden, wie zutreffenden Vermutungen verunsichert. Sie argumentieren. Man kann doch nicht ans (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Rednerpult gehen und sagen, die Regierung habe neten der SPD) kein Konzept, und dann die einzelnen Punkte des Wie sieht die Einnahmeseite der gesetzlichen angeblich nicht vorhandenen Konzeptes kritisieren. Krankenversicherung tatsächlich aus? Die Das passt nicht zusammen. Diskussion der letzten Jahre verdeutlicht doch, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- dass wir im System keine Versorgungskrise, neten der SPD) sondern eine Finanzierungskrise haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Grünen beginnen ihren Antrag mit den Worten: Nein! Eine Koalitionskrise!) Auch acht Wochen nach Verhandlungsbeginn Uns ist die Einnahmeseite weggebrochen. Ich bin hat die große Koalition der Fraktionen der davon überzeugt, dass die Krankenversicherung CDU/CSU und SPD noch kein gemeinsames künftig nicht mehr allein über die Arbeitslöhne Konzept für die Reform der gesetzlichen finanziert werden kann. Unser Gesundheitswesen Krankenversicherung … wird schon aufgrund des medizinisch-technischen (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Fortschritts und aufgrund der steigenden Genau richtig!) Lebenserwartung mit zunehmenden Ausgaben belastet. Ich kann Sie wirklich beruhigen. Wir halten uns an unseren Terminplan. Wie vorgesehen werden die Lassen Sie mich hierzu ein paar Zahlen nennen: Eckpunkte am kommenden Sonntag festgelegt. Die Einnahmeseite ist uns auch deshalb weggebrochen, weil wir in den letzten Jahren Ich kann mich, was die Grünen betrifft, nicht des 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Eindrucks erwehren, als wollten Sie vor der Arbeitsplätze verloren haben. Das bedeutet einen Sommerpause unbedingt noch eine Show. Herr Einnahmeverlust in Höhe von 6,5 Milliarden Euro. Fischer ist Ihnen abhanden gekommen. Jetzt Auch ein anderer Aspekt ist viel zu wenig beachtet brauchen Sie eine andere Showebene. worden: In den letzten Jahren haben ungefähr (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE 1 Million bestausgebildete junge deutsche GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der Menschen Deutschland verlassen. Man muss CDU/ CSU) fragen: Warum? Immer wieder wird das Argument angeführt, die Bürokratie in Deutschland sei zu Aber dafür ist dieses Thema viel zu ernst. hoch. Wenn das grüne Antidiskriminierungsgesetz Das deutsche Gesundheitswesen ist in den tatsächlich Realität geworden wäre, wären noch letzten Jahren wie selten zuvor in den Mittelpunkt mehr Menschen ausgewandert. Wir müssen sozialpolitischer Diskussionen gerückt. Der stete endlich die Ursachen dieser Entwicklung angehen. Wechsel gesundheitspolitischer (Beifall bei der CDU/CSU – Irmingard Rahmenbedingungen fand in immer kürzeren Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zeitintervallen statt. Deshalb habe ich größtes NEN]: Glauben Sie eigentlich, was Sie da Verständnis dafür, dass die Akteure im sagen? – Renate Künast [BÜNDNIS Gesundheitswesen nach den vielen Reformen der 90/DIE GRÜNEN]: Aber im Wesentlichen letzten 15 Jahre nun endlich Planungssicherheit kommt es doch!) erwarten. Dies wird man aber nur dann erreichen, wenn man die Hauptursache der Reformen der – Wenn Sie keine Redezeit haben, können Sie mir letzten Jahre, die Bindung der Finanzierung an die gerne eine Frage stellen. Löhne, und damit die zusätzliche Belastung der Lohnkosten angeht. 4008 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn Sie so einen Unsinn erzählen, In diesem Zusammenhang möchte ich etwas müssen Sie Unruhe in Kauf nehmen!) zitieren: Mit unseren Vorschlägen werden wir erstmals Das Grundgesetz geht von dem freiheitlichen, das Problem der Verschiebebahnhöfe in Angriff selbstverantwortlichen Individuum aus; in der nehmen und verhindern, dass sich ständig andere Realität aber versperrt der Gesetzgeber durch Sozialsysteme zulasten der gesetzlichen dauernd steigende soziale Belastungen dem Krankenversicherung sanieren. einzelnen Beschäftigten nicht nur die (Beifall der Abg. Annette Widmann-Mauz Möglichkeit, sondern auch den Antrieb zur [CDU/CSU]) individuellen Vorsorge. Die dadurch entstehenden Kosten belaufen sich Diese Aussage stammt aus einem „Spiegel“- inzwischen auf einen Betrag von jährlich Interview von 1967, von dem ersten Sozialminister 5 Milliarden Euro. einer großen Koalition, Hans Katzer. Wir sehen, dass das Thema Eigenverantwortung nicht neu ist. Ein Aspekt muss in diesem Zusammenhang Ich will einen Punkt aus Ihrem Programm ebenfalls erwähnt werden: Unser ansprechen, meine sehr verehrten Damen und Gesundheitssystem ist wesentlich besser, als es Herren von den Grünen: Wir brauchen auch momentan in der Öffentlichkeit dargestellt wird. weiterhin den Wettbewerb zwischen gesetzlicher (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Auch und privater Krankenversicherung; dazu stehen das ist richtig!) wir. Allerdings müssen wir ehrlich sagen, dass wir in (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- diesem Bereich nach wie vor für mehr NEN]: Da habt ihr doch noch gar nichts Eigenverantwortung sorgen müssen, nicht nur für angefangen! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS mehr Eigenverantwortung der Versicherten, 90/DIE GRÜNEN]: Auslese!) sondern auch für mehr Eigenverantwortung der am Die zusätzlichen Honorarzahlungen der privaten System Beteiligten. Versicherungen bieten den Leistungserbringern, (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Elke ob niedergelassenen Ärzten oder Ärzten im Ferner [SPD]) Krankenhaus, höhere Planungssicherheit. Wie viele Neuverfahren wurden zunächst in der PKV Die gesetzliche Krankenversicherung lebt von erstattet und kamen dann allen Versicherten der Solidarität der Beitragszahler. zugute! Wer Ärzten für ihre schwierige und ver- (Frank Spieth [DIE LINKE]: Das ist wohl wahr!) antwortungsvolle Arbeit die angemessene Honorierung verweigert, schadet letztendlich der Solidarität heißt zu Recht: Verantwortung für das medizinischen Versorgung der Patienten. Ganze. Solidarität darf aber nicht heißen: Verantwortung für alles. Im Gegenteil: Solidarität (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) verstanden als Daseinsvorsorge für die großen Die Grünen behaupten in ihrem Antrag, die Risiken setzt auch voraus, dass kleinere Risiken einkommensstärksten 10 Prozent der Bevölkerung eigenverantwortlich geschultert werden können. beteiligten sich nicht an der Finanzierung der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU gesetzlichen Krankenversicherung. und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Stimmt ja nicht! 90/DIE GRÜNEN]: Das hört sich ja sehr Das ist Unsinn!) christlich an!) Diese Annahme ist schlichtweg falsch. Die gemeinschaftliche Vorsorge für die großen Risiken ermöglicht es dem Einzelnen ja erst, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) kleinere Risiken eigenverantwortlich zu Aus einer falschen Grundannahme kann man aber übernehmen. keine richtigen Schlüsse ziehen. Ich will Ihnen Wer Freiheit und Wohlstand will, muss auch dazu nur einige Zahlen nennen: 55 Prozent der bereit sein, sich von Überbetreuung und falscher privat Versicherten haben ein Einkommen von Geborgenheit zu verabschieden. unter 2 500 Euro im Monat. Ich habe langsam den Eindruck, wenn die Grünen „privat Versicherte“ (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: hören, glänzen ihnen die Augen und sie denken an Ideologie!) Ackermann. Aber in der Privatversicherung sind In einer Gesellschaft, in der die Freiheit zur auch kleine Beamte, Beihilfeempfänger, und das in Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung immer der überwiegenden Zahl. größer geworden ist, sollte es eigentlich nicht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU unmöglich sein, das Pendant zu dieser Freiheit zu und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Woher neuem Leben zu erwecken, nämlich die kommt die Beihilfe? Aus dem Steuertopf!) individuelle Selbstverantwortung. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4009

Wenn Sie von den Grünen in diesem Punkt ehrlich (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Der Terminplan sind, müssen Sie zugeben: Es geht Ihnen hier noch nie!) nicht um die Sache. Sie schüren puren Sozialneid. Die seriös erscheinende Arbeitsphase bis Ostern Ich kann Ihnen sagen: Wer die PKV kaputtmacht, ist in eine seit Wochen anhaltende Phase löst damit kein einziges Problem der gesetzlichen übergegangen, in der wortwörtlich jeden Tag ein Krankenversicherung. neuer Vorschlag – sei er noch so skurril – durch (Beifall bei der CDU/CSU) die Medien gejagt wird. Die Machtverhältnisse lassen dies leider zu. Durch dieses Verfahren Lassen Sie mich an zwei Beispielen ein Problem werden die Parlamentarierinnen und ansprechen, das wir gemeinsam viel stärker Parlamentarier langsam genervt beachten sollten: Erstes Beispiel. Wir haben in den Krankenhäusern eine, wie wir meinen, (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Fritz leistungsgerechte Vergütung eingeführt. So gibt es Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) zum Beispiel für eine normale Geburt einen festen und die Versicherten und Patientinnen und Betrag; für etwas kompliziertere Fälle mit Patienten zunehmend verunsichert. Aber auch die Kaiserschnitt gibt es einen wesentlich höheren Akteure im Gesundheitssystem sind erbost, weil Betrag. Plötzlich müssen wir feststellen, dass in sie außen vor bleiben. etlichen Krankenhäusern normale Geburten so gut wie nicht mehr stattfinden und fast alles über Gesundheit geht alle an, aber einige wenige Kaiserschnitte läuft. Das ist nicht in Ordnung. meinen derzeit, alleine darüber befinden zu können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genauso ist es!) Das zweite Beispiel – auch ein tatsächlicher Fall –: Ein 25-Jähriger kommt zum Arzt und möchte Dabei sind gegenwärtig sehr viele reformbereit und eine neue Hüfte. Der Arzt stellt fest, dass der reformwillig angesichts der Herausforderungen, Patient 140 Kilogramm wiegt, und sagt: Wenn ich vor denen das Gesundheitssystem durch die Ihnen eine neue Hüfte gebe, nützt das nichts. Sie Alterung der Gesellschaft und durch den müssten eigentlich erst abnehmen. – Er bekommt medizinischen Fortschritt steht. zur Antwort: Ich bezahle meinen Beitrag und Allein Ihre vermeintliche Verständigung auf deshalb haben Sie das gefälligst zu machen. einen Gesundheitsfonds hat enorme Energien Ich habe diese beiden Beispiele gebracht, weil freigesetzt. Die Aussicht, dass einzig den ich fest davon überzeugt bin: Ohne Moral fahren Arbeitgebern stabile, abgesenkte Beiträge von wir alle Sozialsysteme an die Wand. 6,5 Prozent versprochen werden, die Versicherten aber 7,5 Prozent aufgebrummt bekommen und das Vielen Dank. gesamte Risiko für die Ausgabensteigerungen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- über eine kleine Kopfpauschale tragen sollen, ist neten der SPD) sozial ungerecht und findet nicht unsere Zustimmung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der LINKEN – Elke Ferner [SPD]: Das Wort hat die Kollegin Dr. Martina Bunge Das habe ich auch nicht erwartet!) von der Fraktion Die Linke. Das Bekenntnis zur gesetzlichen, (Beifall bei der LINKEN) beitragsfinanzierten Krankenversicherung und deren Grundprinzipien wie Solidarausgleich und Parität wächst. Herr Bahr, es gibt eben nicht nur die Alternative zwischen der staatlichen Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Versorgung und der Freiheit für mehr Wettbewerb, Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit den vorliegenden (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Doch!) Oppositionsanträgen diskutieren wir zum sondern es geht um Solidarität, und zwar um wiederholten Mal in dieser Legislaturperiode über Solidarität pur. die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine nachhaltige Finanzreform ist uns von den (Beifall bei der LINKEN) Koalitionären angekündigt worden. Auf dem Tisch Die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht liegen aber nur Spekulationen, nicht mehr. pleite. Sie wird schlechtgeredet, damit die (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie müssen Transformation in ein neues System eingeleitet schon noch bis Sonntag warten!) werden kann. Wir meinen, die finanziellen Grundlagen der GKV müssen verteidigt, aber auch Lassen Sie mich an Ihren Terminplan weiterentwickelt werden. anknüpfen. Er ist nämlich etliche Male geändert worden. Wie geht es mit dieser wichtigen Reform weiter? Es ist angekündigt worden, dass die 4010 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Verhandlerinnen und Verhandler in der nächsten Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Woche die Eckpunkte der Gesundheitsreform Konsens für eine Bürgerversicherung, durch die verkünden werden. Dann wird nicht nur im die Versichertenbasis und die Beitragsbasis Parlament die Sommerpause eingeläutet. Medial verbreitert werden, faktisch eine Versicherung von wird die Debatte weitergehen, aber nicht hier und allen für alle. nicht mit den Akteuren im und um das (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Und die Gesundheitssystem. Der Gesetzentwurf wird in der Lasten auf die kommenden Generationen Sommerpause im Ministerium verschoben wird!) zusammengezimmert und ab September drückt die Zeit, sodass es keine solide parlamentarische Der Konsens ist groß, den Faktor Arbeit zu Behandlung mehr geben kann; denn das nächste entlasten. Die Frage ist nur, wie. Unser Vorschlag, Finanzloch der GKV für 2007 ist durch die mittels einer Wertschöpfungsabgabe Gesetzgebung der letzten Woche bereits arbeitsintensive, zumeist kleine Unternehmen wie vorprogrammiert. Durch das neue Finanzloch wird den Bäcker oder die Änderungsschneiderei um die im Herbst zur Eile gedrängt. Durchpeitschen führt Ecke zu entlasten und die kapitalintensiven, von aber zu Fehlern. Denken Sie an Hartz IV! Automatengreifarmen und Computersteuerung nur so strotzenden gewinnträchtigen Unternehmen wie (Beifall bei der LINKEN) Siemens und Daimler-Benz stärker zu belasten, Wir fordern Sie auf: Machen Sie ein wäre zu diskutieren. Vorschaltgesetz (Beifall bei der LINKEN) (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das Vorschalt- Hören Sie auf, abhängig Beschäftigten, gesetz wird wohl kommen!) Rentnerinnen und Rentnern sowie Arbeitslosen – warten wir das ab –, um die Kassenlage für 2007 immer stärker in die Tasche zu greifen! Holen Sie zu stabilisieren, und stellen Sie dann die das Geld dort, wo es ist! eigentliche Reform vom Kopf auf die Füße! Danke. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der Lassen Sie uns gemeinsam zuerst über die CDU/CSU: Wo ist es denn?) künftigen Aufgaben und Strukturen reden – ich habe nicht viel von Strukturen gehört, sondern Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: immer nur etwas von nachhaltiger Finanzierung – Das Wort hat jetzt die Kollegin Renate Künast (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Davon habe ich vom Bündnis 90/Die Grünen. nichts gehört!) Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): und erst danach über das Geld! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lassen Sie uns vorurteilsfrei darüber reden, wie Caspers-Merk, dass Sie hier geredet haben und man mit Gesundheitsförderung und Prävention von nicht die Ministerin, habe ich verstanden. Aber das Kindesbeinen an Krankheiten vermeiden, kann ja nicht daran gelegen haben, dass die Wohlbefinden fördern, aber auch Ministerin zur Gesundheitsministerkonferenz nach Gesundheitskosten sparen kann; das muss man Dessau muss; denn sie sitzt ja noch hier. Ich doch einkalkulieren. vermute, es hat daran gelegen, dass die Ministerin nichts sagen konnte und auch nichts sagen wollte. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir der so Sie haben in Ihrem Beitrag ja auch nur gesagt, genannten Volkskrankheiten Herr werden und dass wir das Recht haben, zu fragen. Das war, dabei seltene Krankheiten nicht vergessen; das ehrlich gesagt, ein Armutszeugnis. kostet natürlich Geld. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie uns die Ergebnisse neuer Versorgungsformen analysieren und in die Breite Sie beschäftigen sich seit Monaten mit diesem gehen; das bringt Effizienz. Thema, aber herausgekommen ist nichts, außer, dass Sie netterweise sagen, die Opposition dürfe Lassen Sie uns gemeinsam beraten, welche hier einen Antrag stellen. Anforderungen zunehmende Demenz stellt, wie die Schmerztherapie ausgestaltet werden muss Herr Zöller, Sie haben gesagt, die Koalition wäre und wie bedarfsgerechte geriatrische Versorgung am Sonntag fertig. Olaf Scholz hat aber gesagt, Lebensqualität auch im hohen Alter sichert. man könne wahrscheinlich am Sonntag zu groben Lassen Sie uns endlich auch aus dem Me- Eckpunkten kommen, dikamentenwirrwarr eine Positivliste kreieren. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dann warten Sie (Beifall bei der LINKEN) halt bis Montag früh!) Erst dann wäre es an der Zeit, über das Geld zu von denen er hofft, dass sie den Sommer reden. überdauern. Fazit: Sie haben eigentlich nichts außer monatelangen Debatten. Sie können es Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4011 einfach nicht, Herr Zöller. Diese Koalition kann etwas von Versicherungen! Das scheinen offensichtlich keine Gesundheitsreform rechnen, Sie nicht zu tun!) die bezahlbar ist, zu Wettbewerb führt und den Patientinnen und Patienten etwas bringt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir haben des Kollegen Daniel Bahr? – Bitte schön, Herr in fünf Monaten mehr erreicht als Sie in Bahr. sieben Jahren!) Daniel Bahr (Münster) (FDP): Es ist immer noch nicht klar, was mit der Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass sich unter kleinen Kopfpauschale ist, von der wir alle den ehemaligen Politikern, die sich in diesen wissen, dass sie am Ende die AOK-Mitglieder Anzeigen für ein privates treffen wird und nicht die Mitglieder in den privaten Krankenversicherungssystem einsetzen, weil es Krankenkassen. mehr Nachhaltigkeit bietet – diese Zielsetzung (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das zeigt Ihre verfolgen eigentlich auch die Grünen, indem sie für Unkenntnis!) Altersrückstellungen und Vorsorge für die alternde Bevölkerung eintreten –, auch der ehemalige Was ist mit dem Arbeitgeberbeitrag, den Sie – das grüne Politiker und Bundestagsabgeordnete hört man ja – einseitig einfrieren wollen? Oswald Metzger befindet. Deshalb frage ich Sie: (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Auch falsch!) Glauben Sie nicht, dass es angesichts der alternden Bevölkerung und der Lasten, die noch Damit machen Sie eine Gesundheitsreform auf uns zukommen, sinnvoll ist, endlich Vorsorge zulasten der Arbeitnehmer, die einzahlen. Das, zu betreiben, indem wir verstärkt Herr Zöller, ist nicht gerecht. Altersrückstellungen bilden, statt kurzfristig die (Zuruf des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]) bereits bestehenden Altersrückstellungen sinnlos zu verbraten? – Wenn Sie noch Redezeit haben, dann gehen Sie doch ans Rednerpult. Dann hören wir uns Ihre (Beifall bei der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/ epischen Ausführungen noch einmal an. CSU]: Das kann man mit Ja beantworten!) Was ist mit den privaten Krankenkassen? Herr Zöller, das C in CDU steht ja bekanntlich für „christlich“. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Bahr, eine Krankenkasse, die sich (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Und CSU!) aussuchen darf, wen sie aufnimmt, wird die – Und CSU. – Ich glaube, eines Tages werden Sie Besserverdienenden, die Selbstständigen und die das C an Ihrer Parteizentrale einfach fallen lassen; Beamten auswählen, nämlich all diejenigen, die – denn die Art und Weise, wie Sie den privaten das zeigt ein Blick in die Sterbestatistik – Krankenkassen in dieser Republik eine durchweg gesünder sind und weniger Kosten systematische Rosinenpickerei erlauben, verursachen. Auch wenn und rechtfertigt das C in Ihrem Namen überhaupt nicht. Oswald Metzger Werbung für die PKV machen: Fakt ist, dass die privaten Krankenversicherungen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht wirklich am Wettbewerb beteiligt sind und – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie sind keinen Solidarausgleich betreiben, um die Risiken nicht auf dem neuesten Stand!) aller Mitversicherten solidarisch mitzutragen. Das Sie haben gesagt: „Wer die PKV kaputtmacht, ist zu kritisieren. …“ Es geht nicht um das Kaputtmachen. Es geht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darum, dass sie endlich Konkurrenz und einen und bei der LINKEN sowie bei echten Wettbewerb bekommen und dass es nicht Abgeordneten der SPD) eine Art Otto-Graf-Lambsdorff-Schutzgesetz gibt. Die Reform ist uns immer wieder als große (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gesundheitsreform angekündigt worden. Ich stelle Das kann ich den Kolleginnen und Kollegen von in diesem Zusammenhang fest, dass wir Grüne in der FDP nicht ersparen. Es fällt schon auf, wenn die peinliche Situation kommen, uns in einigen man immer wieder große Werbeanzeigen sieht, in Punkten auf der Seite von Markus Söder und denen Otto Graf Lambsdorff dafür wirbt, dass die Roland Koch wiederzufinden. Das ist wirklich PKV weiter bestehen bleibt. Mich interessiert unangenehm. Söder hat in Bezug auf die daran nur, wie viel Geld der Mann dafür bekommt. Mitversicherung der Kinder festgestellt, dass Die PKV scheint offensichtlich zu viel Geld zu irgendwann die Schmerzgrenze erreicht sei, wenn haben. die 16 Milliarden Euro aus Steuermitteln finanziert würden. Ich bin schon dankbar, dass bei Ihrer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ewigen Steuererhöherei überhaupt irgendjemand – Heinz Lanfermann [FDP]: Der versteht eine Schmerzgrenze hat. 4012 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer Mann in die Tasche fasst und seinen letzten Cent weiß, wie lange die hält!) herausholt. Noch lieber ist mir wundersamerweise an dieser (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Stelle Roland Koch, der heute klar gesagt hat, die 16 Milliarden Euro für die Mitversicherung der Kinder stufenweise über Steuerfinanzierung Herr Zöller, Sie haben vorhin das schöne aufzubringen, widerspreche dem CDU-Programm Beispiel des 140-Kilo-Manns gebracht. und sei konjunkturschädlich. Statt in anderen (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Man kann auch Punkten sollten Sie sich ausnahmsweise dieses eine Frau nehmen!) Mal nach Roland Koch richten. – Oder auch die Frau; das ist mir egal. Es war Ihr (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beispiel. Es kommt nicht auf das Geschlecht an. – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie suchen sich immer aus, wen Sie gerade Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass man zitieren können!) mehr für Prävention tun muss. Es war aber die CDU/CSU, die im letzten Jahr das Sie entscheiden sich wieder einmal für den Präventionsgesetz torpediert hat. Haben Sie doch kleinsten gemeinsamen Nenner. Der heißt bei endlich den Mut, bei den Kassen für Wettbewerb Ihnen immer Murks. und dafür zu sorgen, dass sie Prävention anbieten! (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ihre Rede war (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- der größte Murks heute!) SES 90/DIE GRÜNEN) Sie fassen den Menschen in die Taschen und in Sagen Sie, dass wir ein Präventionsgesetz die Portemonnaies. Sie legen letzten Endes ein brauchen, das solche Dinge regelt! Konzept vor, bei dem Sie so tun, als hätten Sie etwas Gutes für die Kinder bewirkt. Aber in (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie werden sich Wahrheit greifen Sie wieder den Eltern ins wundern!) Portemonnaie, indem Sie es letztlich doch wieder Dann haben Sie eine ordentliche Reform. Bei über Steuererhöhungen finanzieren. Sie wissen Ihnen sehe ich aber nur Merkel-Murks. offensichtlich nicht mehr, wie hoch die Belastungen der Menschen – von der Kürzung der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Pendlerpauschale bis zur Mehrwertsteuererhöhung – in dieser Republik sind. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Sie machen einen großen Fehler, weil Sie zu feige Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Carola sind, an der Stelle die Ausgabenseite anzugehen. Reimann von der SPD-Fraktion. Die muss man aber zuerst anpacken, bevor man über Steuererhöhungen nachdenken kann. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Dr. Carola Reimann (SPD): SES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! [CDU/CSU]: Wenn man keine Ahnung Zur Frage der Finanzierung haben wir in diesem hat, dann kann man so reden wie Sie!) Hause nicht nur bei diesem Tagesordnungspunkt Notwendig ist etwas anderes. Wir brauchen eine ganze Menge gehört, noch mehr haben wir in einen echten Kassenwettbewerb und die den letzten Tagen und Wochen dazu gelesen. Die Beteiligung der Privatversicherten. An der Stelle Frage, wer wie viel bezahlt, wer sich an der ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Darin liegt Solidarität beteiligt, ob der Beitrag ausschließlich Ihr Kardinalfehler. Alles, was wir in diesem nach Leistungsfähigkeit oder auch nach dem Zusammenhang bisher von Ihnen gehört haben, Gesundheitszustand bemessen werden soll, sind – um das Unwort des Jahres 1994 zu beschäftigt in den letzten Tagen nicht nur uns alle, verwenden – Peanuts. Gehen Sie endlich den sondern auch die Medien und die Öffentlichkeit in Weg weg vom Reparaturbetrieb und hin zu mannigfaltiger Hinsicht. Das bietet Stoff für ernsthaften Reformen, bei denen es um Spekulationen zuhauf. Wettbewerb und Effizienzpotenziale geht und nicht Die Schar derer, die auf äußerst spekulativer um die einseitige Belastung der Versicherten! Grundlage, dafür aber umso lautstärker Kritik Wir müssen die Kartelle bei den Ärzten und üben, ist erwartungsgemäß groß. Um eine Kassen aufheben. Wir müssen endlich sachgerechte Darstellung geht es in den Wettbewerb unter den Pharmaunternehmen seltensten Fällen. Häufig arbeitet man sich nur an einführen. Wir müssen die zunftähnlichen Reizwörtern und Begriffen ab. Sachkundige Kri- Strukturen im Arzneimittelhandel auflösen und wir tiker oder diejenigen, die sich als solche ausgeben brauchen Marktwirtschaft beim Apotheken- möchten, heben sich dabei ganz gern von der mehrbesitz. Diese Punkte müssen wir radikal Masse ab, indem sie darauf verweisen, dass es anpacken, bevor man schon wieder dem kleinen mit einer Finanzreform alleine nicht getan sei und man die eigentlichen Probleme nicht lösen könne, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4013 indem man mehr Geld in das System pumpe. Mit unzweifelhaft weit reichende Gesundheitsreform. der Forderung, man müsse zuerst einmal Löcher Ich würde das nicht als unambitioniert bezeichnen stopfen, bevor man neues Geld nachschütte, gibt wollen. Schauen wir uns doch lieber die Fakten an. man sich gern als vermeintlicher Kenner der Wenn wir über Fakten reden, will ich zu allererst Szene zu erkennen. Sie alle haben in einem Punkt sagen, dass wir aufhören sollten, das System der Recht: Es bringt nichts, nur neues Geld in das gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland Gesundheitssystem fließen zu lassen und die schlechter zu reden, als es ist. Versorgungsstrukturen außer Acht zu lassen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Richtig!) Aha!) Bei aller Reformnotwendigkeit erscheint es mir Wer die Forderung jedoch in einer Art und Weise dringend notwendig, sich gelegentlich ins erhebt, dass man den Eindruck bekommen könnte, Gedächtnis zu rufen, dass es hier darum geht, die hier würde nichts getan, entpuppt sich ganz Funktionsfähigkeit eines der besten schnell als ein weniger guter Kenner der Gesundheitssysteme der Welt zu erhalten, und um Gesundheitspolitik der letzten Jahre. nichts anderes. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Laut einer Studie des Fritz-Beske-Instituts – es Grünen, Sie fordern in den vorliegenden Anträgen steht bestimmt nicht im Verdacht, zu den Strukturreformen, die für mehr Qualität und Mietmäulern der GKV zu gehören – hat Wirtschaftlichkeit sorgen können. An dieser Deutschland im internationalen Vergleich ein Forderung ist grundsätzlich nichts auszusetzen. überaus effizientes Gesundheitssystem. In diesen Vor drei Jahren – zu Zeiten der rot-grünen Tagen hat das schwedische Unternehmen Health Koalition – haben wir gemeinsam, auch unter der Consumer Powerhouse – es ist komplett Beteiligung unserer heutigen Koalitionspartner, mit unabhängig – eine Studie vorgelegt, die ebenfalls dem GKV-Modernisierungsgesetz den Weg in zu dem Ergebnis kommt, dass das deutsche Richtung mehr Wettbewerb, Qualität und Gesundheitssystem aus Sicht der Patientinnen Wirtschaftlichkeit eingeschlagen. und Patienten im Hinblick auf Transparenz, Service und Qualität zu den Spitzenreitern in (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: So ist es! Europa gehört. Da waren Sie von den Grünen noch dabei!) (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Noch!) Zu dieser Richtungsentscheidung stehen wir. Sie war damals richtig und gut und ist es auch heute Dieses hohe Versorgungsniveau im Interesse der noch. Patientinnen und Patienten zu erhalten und auszubauen, das ist unsere Aufgabe und nicht die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sanierung eines maroden Haufens, auch wenn die Die Staatssekretärin hat es gesagt: Reformen sind eine oder der andere diesen Eindruck hier gern ein Prozess. Deshalb werden wir diesen Weg einmal erwecken möchte. fortsetzen. Die Struktur der Versorgung zählte (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der deshalb auch zu den ersten Themen der zurzeit CDU/CSU) noch laufenden Gesundheitsgespräche. Wir wollen klarere Strukturen. Wir wollen Instrumente und Mit dem Arzneimittelversorgungs- Elemente für mehr Effizienz und mehr Wirtschaftlichkeitsgesetz, das am 1. Mai in Kraft Wettbewerb. Deshalb werden wir konsequent getreten ist, haben wir auch in dieser mehr Vertragsmöglichkeiten zwischen den Legislaturperiode einen weiteren Schritt getan. Wie Leistungsanbietern schaffen. Insofern rennen Sie wir bereits heute sehen, war es ein wirksamer mit Ihren Forderungen bei uns offene Türen ein. Schritt. Mit diesem Gesetz ist die Absenkung der Festbeträge, aber auch die Möglichkeit der Zuzah- (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na lungsbefreiung bei besonders preisgünstigen also!) Arzneimitteln vorgesehen. Die Agenturmeldung dieser Woche – das muss Als Reaktion auf die Möglichkeit einer solchen ich allerdings auch sagen –, in der Ihre Kollegin, Zuzahlungsbefreiung haben zahlreiche Frau Roth, mit der Äußerung zu vernehmen war, Arzneimittelhersteller ihre Preise bereits stark das Herangehen der Koalition an die gesenkt; weitere Preissenkungen sind Ausgabenseite sei völlig unambitioniert, kann ich angekündigt. Damit werden wir bei gleicher überhaupt nicht nachvollziehen. Qualität Einsparungen für Patientinnen und (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Elke Fer- Patienten, aber auch für Kassen realisieren. Die ner [SPD]: Ich auch nicht!) Liste ist ab 1. Juli, also ab diesem Wochenende, auf der Homepage des Ministeriums, aber auch Die große Koalition ist seit etwas mehr als einem bei den Spitzenverbänden der gesetzlichen halben Jahr im Amt und steht kurz vor dem Krankenversicherung einsehbar. Abschluss der Verhandlungen über eine 4014 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Und die Das Wort hat jetzt der Kollege Heinz kleinen Unternehmen gehen kaputt!) Lanfermann von der FDP-Fraktion. Ich will an dieser Stelle alle Ärztinnen und Ärzte (Beifall bei der FDP) und alle Patientinnen und Patienten aufrufen, von dieser neuen Möglichkeit Gebrauch zu machen. Heinz Lanfermann (FDP): (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen CDU/CSU) und Herren! Zuerst mit Staunen, aber jetzt doch mehr mit Entsetzen schauen die Bürger auf die Diesen Weg werden wir weitergehen. verzweifelten Versuche der Koalition, sich Sie, meine verehrten Kollegen von der irgendwie zu einigen. Kein Vorschlag ist töricht Opposition, müssen sich nun, auch wenn es genug, um nicht in die Öffentlichkeit lanciert zu schwer fällt, noch einige wenige Tage gedulden, werden. Aber offensichtlich ist, dass keines der bis die Vorschläge vorliegen und wir sie dann auch strukturellen Probleme durch eine neue diskutieren können. Umverteilungsbürokratie oder gar neue Steuern gelöst wird. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das können wir doch gar nicht! Wann denn?) (Elke Ferner [SPD]: Sie müssen es ja wissen!) Es ist natürlich Ihr gutes Recht, eine Debatte über Was bleibt, ist der starre Blick auf die Konzepte einzufordern. Ich möchte dann Einnahmeseite. Sie wollen noch mehr Geld in das allerdings, dass Sie Konzepte vorlegen. Fass ohne Boden schütten, das jetzt mit „Fonds“ bezeichnet wird. Dabei richten sich die (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Daniel begehrlichen Blicke bei der SPD, aber auch bei Bahr [Münster] [FDP]: Tun wir auch!) den Grünen und bei den Linken vor allem auf die Sie haben hier beantragt, die Praxisgebühr private Krankenversicherung. Zum einen schielt abzuschaffen. Um die Kollegen von der FDP nicht man auf die Rücklagen von mittlerweile fast ganz leer ausgehen zu lassen: 100 Milliarden Euro; zum anderen hält man die Privatversicherten für geeignete Melkkühe. Es wird (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr nett!) das Zerrbild von den egoistischen, unsolidarischen In der Überschrift Ihres Antrags ist die übliche Besserverdienenden gezeichnet, denen man nur in Worthülse „Eigenverantwortung“ enthalten. Damit die dicke Brieftasche greifen muss, um endlich die meinen Sie die finanzielle Alleinverantwortung und soziale Gerechtigkeit auf Erden herzustellen. die totale Privatisierung aller Lebensrisiken. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: „Parasiten“ hat (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Herr Lauterbach gesagt!) Das wollen Sie mit dem Etikett „Freiheit und Das geht so weit, dass der Kollege Lauterbach Wettbewerb“ verkaufen. verkündet hat, die Privaten seien die Parasiten der gesetzlichen Kassen. Das ist eine abstoßende (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das stimmt Sprache, mit der auch nicht irgendwelche doch gar nicht!) anonymen Institutionen getroffen werden; davon Ein Konzept ist das nicht. werden vielmehr 8,5 Millionen Menschen getroffen. Es sind Bürger, die ganz normal Versi- (Heinz Lanfermann [FDP]: Erst lesen und cherungsverträge abschließen, Beiträge – dann kritisieren!) durchaus auch hohe Beiträge – zahlen, die – Ja, das habe ich getan. In Ihrem Antrag steht Leistungen von Ärzten und Krankenhäusern gut nichts. Kollege Lanfermann, Sie haben gleich bezahlen und am Ende von ihrer Versicherung die Gelegenheit, das zu erläutern. Kosten erstattet bekommen. Anschließend werden sie von Frau Künast hier noch beschimpft. Wir werden in Kürze die Reformeckpunkte vorlegen, um unser bewährtes solidarisches (Beifall bei der FDP) Gesundheitssystem weiter zu stärken. Dazu Diesen Bürgern den Vorwurf zu machen, sie werden wir nicht nur Effizienzreserven heben, verhielten sich damit parasitär, ist schlichtweg eine sondern auch in puncto Strukturen und Unverschämtheit und in der Sache auch falsch. Wettbewerb die notwendigen Rahmenbedingungen verbessern, damit unser (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Gesundheitssystem den veränderten und ohne der CDU/CSU) Zweifel steigenden Ansprüchen gerecht wird. Das vom Kollegen Lauterbach als Begründung Ich danke. vorgebrachte Argument, die Praxiseinrichtung der Ärzte und die Ausstattung der Kliniken würden (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) weitgehend über die Einnahmen aus den gesetzlichen Kassen finanziert, geht völlig Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: daneben. Wenn 90 Prozent der Patienten ge- setzlich versichert sind, kommt der numerisch Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4015 größere Teil der Einnahmen natürlich von den in der Risikofrage und im rechnerischen Aufbau Krankenkassen. Weil aber jeder der 10 Prozent verschiedene Systeme schaffen und dann, wenn privat versicherten Patienten höhere Honorare und das eine gut und das andere schlecht funktioniert, Rechnungen zahlt, ist ihr proportionaler Anteil an einfach über den Zaun greifen und sich bedienen. den Einnahmen von Ärzten und Krankenhäusern Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: höher als bei den gesetzlich Versicherten. Man heilt einen Kranken nicht dadurch, dass man einen Gesunden krank macht. (Elke Ferner [SPD]: Sehr wirtschaftlich, mehr zu bezahlen, als man muss! – (Beifall bei der FDP) Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE Wenn Sie überlegen, wie eine Versicherung GRÜNEN]: Wie gnädig! Brosamen vom aussehen soll, dann schauen Sie bitte in den Tisch der Reichen!) Antrag auf Drucksache 16/1997, der die – Das müssen Sie pro Kopf rechnen, Frau Ferner, wesentlichen Elemente des FDP-Modells vorstellt, nicht in der Summe! und werfen Sie dann bitte einen Blick auf die Fragen, die wirklich wichtig sind: Wollen wir mehr Diese 10 Prozent tragen schon jetzt bis zu Transparenz, soll also zum Beispiel jeder Patient 40 Prozent der Kosten in den Praxen. Viele Praxen bei allen Behandlungen wissen, was es kostet? wären ohne Privatpatienten überhaupt nicht Soll jeder Bürger die Wahl zwischen lebensfähig. verschiedenen Tarifen haben, (Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ja!) In den Ballungsräumen, aber nicht auf dem Land!) bei denen er eine mehr oder weniger hohe Eigenbeteiligung an den Kosten trägt? Sollen die Manches teure Gerät im Krankenhaus steht nur Beiträge konjunkturunabhängig und damit deswegen dort und damit allen Patienten zur beständiger sein? Sollen die Beiträge vom Verfügung, weil seine Finanzierung über die Arbeitslohn unabhängig sein, um die Lohnkosten Einnahmen von den Privatpatienten gesichert wird. zu senken? Soll es auch möglich sein, medi- Die Zahlen sind bekannt: Es sind in jedem Jahr zinischen Fortschritt und Innovationen zu nutzen? 9,5 Milliarden Euro, die die privat Versicherten Vor allem, auch mit Blick auf Frau Künast: Soll sich mehr zahlen, als es ihrem Anteil entspricht. das Versicherungssystem möglichst selbst tragen Auch die Behauptung, bei den 8,5 Millionen und auch zukunftsfest sein? Soll es die privat Versicherten handele es sich nur um Problematik höherer Krankheitskosten im Alter und Besserverdiener, ist eine Luftblase. Natürlich der demografischen Entwicklung – schrumpfende gehört ein kleinerer Teil der privat Versicherten Bevölkerung mit immer weiter steigendem auch zu den höher Verdienenden. Das liegt schon Altenanteil – gewachsen sein? Auf alle diese daran, dass Sie den meisten Menschen verbieten, Fragen kann man verantwortungsbewusst doch eine private Versicherung abzuschließen. nur mit Ja antworten. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Richtig! Öffnen (Beifall bei der FDP) Sie es doch!) Dann stellt sich die Frage, welche Versicherung Lassen Sie mich zwei Zahlen nennen: Erste dies alles leistet. Die Antwort ist klar: Die privaten Zahl. Nach der Einkommens- und Versicherungen erfüllen diese Bedingungen, die Verbrauchsstichprobe des Statistischen gesetzlichen kaum etwas davon. Das sollte uns zu Bundesamts für 2003 hatte der durchschnittliche denken geben. Deswegen sind wir der Meinung, PKV-Versicherte in diesem Jahr etwas über dass es ein System, das funktioniert, 28 800 Euro zur Verfügung. Das sind im Monat leistungsstark und zukunftssicher ist, nicht 2 404 Euro. Zweite Zahl. In diesem Jahr lag die verdient, hier angegriffen zu werden; eher muss Beitragsbemessungsgrenze bei 41 400 Euro. Von man es zur Grundlage der Überlegungen dazu den privat Versicherten haben aber 78 Prozent machen, wie wir insgesamt ein besseres weniger als 40 000 Euro verdient. Das verwundert Gesundheitssystem bekommen können. auch nicht. Die Hälfte der privat Versicherten sind Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Beamte, davon die allermeisten gering oder mittelmäßig besoldet. Bei den Selbstständigen gibt (Beifall bei der FDP) es inzwischen eine immer höhere Zahl von Geringverdienern. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Es geht nicht nur um Zerrbilder, die zur Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette Stimmungsmache eingesetzt werden; es geht Widmann-Mauz von der CDU/CSU-Fraktion. auch um Vertrauensschutz, um geschützte (Beifall bei der CDU/CSU) Rechtsgüter, um mit eigenen Mitteln erworbene Ansprüche und Anwartschaften. Man kann nicht erst über Jahrzehnte für viele Millionen Menschen zwei voneinander unabhängige, unterschiedliche, Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): 4016 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe über die erbrachten medizinischen Leistungen und Kollegen! Die Berichterstattung und die heutige die damit verbundenen Kosten zu geben. Wir von Debatte hier im Parlament verwirren die Menschen der Union sind zuversichtlich, dass eine mehr, als dass sie aufklären. Kostenerstattung in Verbindung mit Selbstbehalt- tarifen eine positive Steuerungswirkung entfalten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – würde. Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Woran das wohl liegt?) (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das wird zum Regelfall?) Frau Künast, wenn sich draußen jemand heute von Ihnen Aufklärung im Sinne von Wir wissen auch, was uns immer Verbraucherinformation erhofft hat, dann wurde er entgegengehalten wird: Härtefälle, die durch hohe nur noch einmal mehr enttäuscht. Das, was Sie Rechnungen oder bei einkommensschwachen hier abgeliefert haben, war widersprüchlich. Ich Menschen auftreten. Dafür können un- nenne es Desinformation, was Sie heute Morgen bürokratische Ausnahmeregelungen vorgesehen betrieben haben. werden. (Beifall bei der CDU/CSU – Renate Der mündige Versicherte soll darüber hinaus Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie auch in der Lage sein, das Angebot der einzelnen waren immer schon nervös, wenn Sie Kasse sowohl nach der Leistung als auch nach mich getroffen haben! – Fritz Kuhn dem Preis beurteilen zu können. Das ist doch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wichtig. Er muss schließlich wissen, bei welcher müssen Sie mal begründen!) Krankenkasse er sich am besten versorgt fühlt. Ein Gesundheitsfonds wäre doch ein Instrument, um Die Union will die Strukturen des diese Ziele zu erreichen: Die Beiträge von Gesundheitswesens wettbewerbsfähiger, Arbeitgebern und Arbeitnehmern könnten von transparenter und effizienter gestalten. Unser Ziel einer Stelle erhoben werden, Steuergelder könnten ist es, die Versorgung über den Wettbewerb hinzukommen und diese Einnahmen auf die Zahl effizienter zu gestalten und daneben auch die der Versicherten umgelegt werden. Auf dieser Wachstumspotenziale, die im Gesundheitssektor Basis erhält die jeweilige Kasse einen Betrag pro vorhanden sind, zu erschließen, ohne die Versicherten zur Verfügung gestellt. Damit sichert Lohnnebenkosten ständig weiter ansteigen zu die einzelne Krankenkasse den gesetzlichen lassen. Wir wollen, dass das System transparenter Leistungskatalog. Bei der Fondslösung kann ein wird, um den Versicherten mehr Versicherter daran, ob seine Kasse einen Einflussmöglichkeiten auf ihre gesundheitliche Aufschlag verlangt oder – dieser umgekehrte Fall Versorgung zu geben. ist genauso denkbar – auch einmal Geld an die (Frank Spieth [DIE LINKE]: Eigenbeteiligung!) Versicherten zurückgegeben werden kann, sehen, ob sie mit dem für ihn bereitgestellten Beitrag Heute weiß doch der Patient überhaupt nicht, ob auskommt. seine Kasse zu dem festgesetzten Beitragssatz eine kostengünstige Versicherung anbietet oder (Frank Spieth [DIE LINKE]: Sie lassen die Ri- nicht. Er kann doch heute nicht ermessen, welche siken dabei vollkommen außer Acht!) Leistungen sein Arzt mit seiner Krankenkasse Ich sage Ihnen: Jeder Versicherte kann dann verrechnet oder, um es anders auszudrücken, was prüfen, ob er mit dem Angebot, das die Kasse ihm der Arzt für die einzelne Behandlung überhaupt macht, zufrieden ist. Wenn er Preissensibilität erhält. Unser Ziel ist es deshalb, die Strukturen spürt, wird er zum ersten Mal auch wirklich ein aus der Sicht der Versicherten neu zu ordnen. Wir Interesse haben, günstigere Tarife, die die Kassen wollen anstelle des bevormundeten oder anbieten, auch anzunehmen. zwangsbeglückten Patienten den aufgeklärten, mündigen Patienten stellen. Diese Mündigkeit geht (Beifall bei der CDU/CSU) eben einher mit einem Kostenbewusstsein für die Solche Überlegungen setzen natürlich zweierlei Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Dinge voraus: Zum einen, dass unterschiedliche (Beifall bei der CDU/CSU) Risiken wie zum Beispiel Alter und Geschlecht auch weiter vor der Ausschüttung des Deshalb wollen wir bei der ambulanten und bei Pauschalbeitrages an die Kassen berücksichtigt der zahnärztlichen Versorgung auch das werden und zwischen den Kassen ausgeglichen Sachleistungsprinzip durch das Prinzip der werden, und zum Zweiten, dass für Kassen und Kostenerstattung ersetzen. Leistungserbringer mehr Vertragsmöglichkeiten (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Aha! Da macht bestehen, damit Wahltarife und damit ein Angebot die SPD mit?) für die Versicherten überhaupt entwickelt werden kann. Auf der Grundlage einer neuen, verlässlichen und leistungsgerechten ärztlichen Vergütung in der Man liest ja immer wieder und auch heute in der gesetzlichen Krankenversicherung sollte es doch Debatte bringen Sie es immer wieder ein, die dem Arzt möglich sein, dem Patienten Auskunft Koalition stemme sich gegen Änderungen an den Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4017

Strukturen und es finde zu wenig Wettbewerb statt. Qualitätssicherung bis in die einzelne Arztpraxis Dies ist schlicht und ergreifend falsch. Schauen hinein vornehmen? Wer sollte denn sonst die Sie doch einmal im Gesetz nach – ein solcher Versorgung in der Uckermark oder im Bayerischen Blick ist manchmal hilfreich –, welche vertraglichen Wald sicherstellen? Wer sollte denn sonst dafür Möglichkeiten es seit 2004 gibt. Krankenkassen geradestehen, dass Leistungen nicht uferlos und Leistungserbringer könnten sie konsequent erbracht werden? Oder wer sollte dem Arzt, der in wahrnehmen, aber sie tun es nicht, denn im Managementfragen keine Ausbildung erfahren hat, bestehenden System hat niemand wirklich weil er eben Medizin und nicht Betriebswirt- Interesse daran. schaftslehre studiert hat, die entsprechende Beratung geben? All diese Fragen bleiben bei Denken Sie an das AVWG, das wir erst vor Ihnen unbeantwortet. einigen Monaten hier verabschiedet haben. Darin haben wir zu Beginn des Jahres Rabattverträge Umgekehrt wagen sich dieselben Leute, die hier zwischen Kassen und Arzneimittelherstellern große ideologische Schlachten schlagen, nicht an vorgesehen. Bereits durch die Absenkung der die Kostenerstattung heran, obwohl damit die Festbeträge und die Möglichkeit der Zu- Kassenärztlichen Vereinigungen mit ihren zahlungsbefreiung bei besonders preiswerten Aufgaben wesentlich verschlankt werden könnten. Generika ist es zu einer erheblichen Dynamik im Die große Koalition wird die Kassenärztlichen Markt gekommen. Bereits zum 1. Juli werden Vereinigungen nicht abschaffen. Das haben wir im Tausende von Präparaten wie einige Betablocker Koalitionsvertrag festgelegt. Sinnvoll wäre es aber zum Beispiel zuzahlungsfrei gestellt. sehr wohl, die Vertragsmöglichkeiten für die Schauen Sie heute in die Zeitung! Weitere Kassen zu erweitern. Das heißt, es muss nicht Preissenkungen wurden angekündigt, zum Teil um alles kollektiv, gemeinsam und einheitlich erfolgen, 40 Prozent. Wir wollen weitere vielmehr müssen mehr Möglichkeiten zum Vertragsmöglichkeiten bei Preisverhandlungen Abschluss von Einzelverträgen geschaffen wer- zwischen Arzneimittelherstellern und Kran- den. Dabei können auf Kassenseite einzelne kenkassen, damit mehr Wettbewerb in Schwung Kassen handeln oder sich in Gruppen kommt, mehr Markt möglich wird und die zusammenschließen. Auf der Ärzteseite können Versicherten zu einem günstigeren Preis neben einzelnen oder Gruppen von Ärzten auch Arzneimittel erhalten können. Kassenärztliche Vereinigungen Vertragspartner sein. Das wäre eine zukunftsweisende Struktur- (Beifall bei der CDU/CSU) reform. Um eine angemessene Grundlage für (Beifall bei der CDU/CSU) Preisverhandlungen und damit für Wettbewerb zu erhalten, brauchen wir auch stärkere Bewertungen Wir werden noch mehr auf den Weg bringen, als und Beurteilungen von Arzneimitteln und von Sie sich heute vorstellen können. Lassen Sie mich anderen Therapieformen. einmal das Thema Bürokratieabbau ansprechen. Wenn es um die DMPs geht, haben wir enorme Ein weiterer Punkt, an dem gerne die Frage, ob Möglichkeiten, Bürokratieabbau bei den Kassen wettbewerbliche Strukturen vorhanden sind oder und in den Praxen zu beschleunigen. Auch darum nicht, festgemacht wird, ist die Frage nach dem geht es bei dieser Reform. Erhalt der Kassenärztlichen Vereinigungen. Auch heute wurde sie wieder aufgebracht. Für die (Beifall bei der CDU/CSU) Grünen sind es die „Atomkraftwerke“ in der Schauen wir uns den Fonds an! Die Gesundheitspolitik, die abgeschaltet werden Befürchtung, ein Fonds sei ein bürokratisches müssen. So wie in der Energiepolitik niemand Monster, entbehrt jeder Grundlage. Der ernsthaft glaubt, den Strombedarf der Beitragseinzug kann unbürokratisch gestaltet Bundesrepublik ganz ohne Atomkraftwerke decken werden. Das wissen offenbar mittlerweile auch die zu können, gibt es auch in der Kassen und ziehen gegen den Fonds oder das, gesundheitspolitischen Fachwelt niemanden, der von dem sie meinen, dass es ein Fonds sein wirklich glaubt, gänzlich auf Kassenärztliche Verei- könnte, dramatisch zu Felde. Warum denn? Von nigungen verzichten zu können, den 160 000 Beschäftigten bei den Krankenkassen (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sind allein 30 000 mit dem Beitragseinzug kommen Sie auf den Blödsinn?) beschäftigt. höchstens Lobbygruppen, Herr Kuhn, die sich Wenn wir dies in Zukunft etwas einfacher und erhebliche Vorteile von ihrer Monopolstellung im mit geringerem bürokratischem Aufwand machen System versprechen. Die würden sicherlich könnten, mächtig davon profitieren. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das bleibt (Beifall bei der CDU/CSU) doch!) Selbst Krankenkassen halten dies nicht für wün- dann wäre das im Interesse der schenswert. Wer sollte denn ansonsten die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und muss 4018 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 nicht von vornherein als tabu erklärt werden. Für Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: die Arbeitgeber könnte ein solches Verfahren auch Das Wort hat der Kollege Frank Spieth von der erhebliche Erleichterungen mit sich bringen. Heute Fraktion Die Linke. muss ein Unternehmer mit seiner Personalab- (Beifall bei der LINKEN) teilung alle Beiträge der 250 Kassen im Kopf haben, um die Beiträge auch korrekt abführen zu können. Frank Spieth (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob (Elke Ferner [SPD]: Die haben die in einer Ta- der Entwurf, der uns vorgelegt werden wird, gut ist, belle, nicht im Kopf!) werden wir sehen. Hoffentlich wird den Menschen Mit einem Fonds muss er nur noch einen Beitrag in diesem Land dabei nicht schlecht. Die Gefahr ist und eine Kontonummer im Kopf haben. Das ist nach dem, was ich vorhin von Herrn Zöller gehört doch eine deutliche Verschlankung. habe, sehr groß. Er hat gesagt: Solidarität für die großen Risiken, Eigenverantwortung für die Zum Thema Risikostrukturausgleich gäbe es kleinen Risiken. – Damit meinte er: Privatisierung noch viel zu sagen. Es gibt wohl keinen Bereich, der Lebensrisiken. meine Damen und Herren, in dem in den letzten Jahren so viel Geld eingespart worden ist wie im Wir haben deshalb – leider ist bisher dazu wenig Gesundheitssektor. Mit dem Reformgesetz von gesagt worden – einen Antrag eingebracht, mit 2004 konnte die angestrebte Beitragssatzsenkung dem wir eine weitere Privatisierung dieser wegen der höheren Verschuldung der Kassen als Lebensrisiken, dieser Gesundheitsrisiken beenden angenommen nicht vollständig erreicht werden; wollen, und zwar durch die Abschaffung der aber die Beiträge blieben in den meisten Fällen Eintrittsgebühr. stabil. Außerdem wurden die Kassen entschuldet. (Beifall bei der LINKEN) Insgesamt hat dieses Gesetz 8 Milliarden Euro Schulden bei den Kassen abgebaut und Wir wollen eben keinen Gesundheitsfonds für Ausgabensteigerungen in Höhe von 6 bis Gesunde; wir brauchen eine gesetzliche 8 Milliarden Euro abgefangen. Es soll mir einmal Krankenversicherung, die die Leistungen jemand hier ein anderes Sozialversicherungs- bereitstellt, die Menschen benötigen, wenn sie system nennen, das eine Einsparung in dieser krank werden. Dimension aus sich selbst heraus erbracht hat. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Genau dazu sind die Vorschläge zum All diejenigen, die ständig fordern, wir müssten Gesundheitsfonds, die bisher öffentlich geworden mehr tun, sollten zuerst die Hausaufgaben in ihren sind, nicht eindeutig. Systemen machen. (Elke Ferner [SPD]: Das stimmt ja gar nicht!) (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ist das jetzt Die Eintrittsgebühr für die Inanspruchnahme an die Haushälter der eigenen Fraktion eines Arztes, Zahnarztes oder Psychotherapeuten, gerichtet?) auch Praxisgebühr genannt, hat das eigentliche Dann wären wir schon deutliche Schritte weiter. Ziel der damaligen übergroßen Koalition nicht erreicht. Sie wollte auch durch die Eintrittsgebühr erreichen, dass die Lohnnebenkosten gesenkt und Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: damit Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber Kommen Sie bitte zum Schluss. millionenfach können wir jetzt nachvollziehen: Dies ist nicht realisiert. Millionen Arbeitslose können Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): eine andere Erfahrung schildern. Meine Damen, meine Herren, die Anträge der Opposition, die heute zur Beratung vorliegen, (Beifall bei der LINKEN) tragen nicht wirklich zur Problemlösung bei. Sie Im aktuellen „Gesundheitsmonitor“ der sind gut gemeint, bleiben aber weit hinter dem Bertelsmann-Stiftung wird festgestellt – das ist die zurück, was getan werden muss, um den letzte Erhebung vom April 2006 –, dass die Anzahl Wettbewerb in der gesetzlichen Kranken- der Arztkontakte nach einem deutlichen Rückgang versicherung zu forcieren, die Transparenz zu im Jahre 2004 und im Frühjahr 2005 seit dem erhöhen und die Wahlmöglichkeiten der Herbst 2005 wieder angezogen hat, allerdings mit Versicherten auszuweiten. Wir werden nach der deutlichen Differenzen in den unterschiedlichen Sommerpause genügend Gelegenheit haben, Einkommensgruppen. Man kann bilanzierend einen guten Gesetzentwurf für eine grundlegende feststellen, dass die Eintrittsgebühr und die Reform des deutschen Gesundheitswesens zu Zuzahlungsregelungen eine nach unserer beraten. Auffassung sozialstaatlich nicht vertretbare Herzlichen Dank. Fehlentwicklung bewirken, sodass Menschen mit geringem Einkommen und hohen Ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) sundheitsrisiken Arztkontakte vermeiden oder aufschieben. Dies gilt vor allem für die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4019

Einkommensgruppen bis 500 und bis 1 000 Euro (Beifall bei der LINKEN) im Monat. Eigenbeteiligungen setzen beim Verbraucherverhalten an. Die wichtigsten kostentreibenden Faktoren neben dem Eine Arbeitslosengeld-II-Empfängerin in Weimar medizinisch-technischen Fortschritt sind allerdings schilderte mir auf bedrückende Art und Weise, – das sagt jeder Experte – das Anbieterverhalten dass sie schon mehrfach vor der Entscheidung und die Honorierung der Anbieter. gestanden habe, für sich und ihre Tochter Patientenzuzahlungen wirken vor allem auf den Lebensmittel zu kaufen oder die Eintrittsgebühr Erstkontakt mit dem Gesundheitswesen und auf beim Arzt zu bezahlen. Nach den Beratungen im einfachere, preisgünstige Leistungen. Gesundheitsausschuss befürchte ich, dass Sie Weitergehende Untersuchungen und vor allem den Antrag der Linksfraktion zur Abschaffung der teure Diagnostik und Therapie erfolgen danach. Praxisgebühr heute gemeinsam niederstimmen. Eigenbeteiligungen führen nicht zum erwünschten Dies wird bei den Betroffenen mit Sicherheit eine Verzicht auf ärztliche Behandlung oder große Enttäuschung auslösen; denn es bestand medikamentöse Therapie. die Hoffnung, dass der Sachverstand möglicherweise doch größer als die politische Engstirnigkeit ist. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kommen Sie bitte zum Schluss. (Beifall bei der LINKEN) Nach den vorhin gemachten Ausführungen Frank Spieth (DIE LINKE): befürchte ich, dass Sie, meine Damen und Herren Ich komme zum Ende. von der großen Koalition, mit dem Zuzahlungsbefreiungen sind aufwendig. Sie ver- Gesundheitsfonds einen weiteren großen Schritt in schlingen einen Teil der Mehreinnahmen und Richtung Zuzahlungen und Privatisierung der können die erzeugten Ungerechtigkeiten nur Gesundheitskosten gehen werden. Direktzah- teilweise und allenfalls nachholend ausgleichen. lungen der Patientinnen und Patienten zählen seit Optimale Zuzahlungen – das kann man mit Blick 25 Jahren zum neoliberalen Standardrepertoire auf die in der Fondslösung angedeuteten und zur politischen Begleitmusik von Maßnahmen sagen – sind Elfenbeintürme. Sie Gesundheitsreformen in Deutschland. sind extrem aufwendig und beruhen zudem auf (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Oh!) falschen Prämissen. Damit – das hat die FDP vorhin wieder gezeigt – Ich wünsche mir, dass Sie unserem Antrag feiert die Idee von der so genannten zustimmen. Eigenverantwortlichkeit und dem Rückzug des (Beifall bei der LINKEN) solidarischen und sozialen Ausgleichs fröhliche Urständ. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Neben zusätzlichen Einnahmen sollen Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Zuzahlungen – das war immer die Aussage – eine Ehrentribüne hat soeben der Steuerung des Verhaltens der so genannten Parlamentspräsident der Republik Indien, Herr Verbraucherinnen und Verbraucher auf dem Chatterjee, mit seiner Delegation Platz Gesundheitsmarkt bewirken, indem mit ihnen die genommen. vermeintlich überzogene Inanspruchnahme kostenfreier Leistungen eingedämmt werden soll. (Beifall) Damit sollen die Versicherten zu einer rationaleren Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Nutzung des medizinischen Angebots bewegt und Deutschen Bundestages begrüße ich Sie sehr eine nicht näher bestimmte Effizienz des herzlich. Herr Präsident, es ist uns eine große Gesundheitswesens gesteigert werden. Freude, Sie und Ihre Begleitung zu einem Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich offiziellen Besuch zu Gast zu haben. Der Deutsche dieses gängige Credo als grober Unsinn. Das Bundestag misst der Zusammenarbeit unserer einseitige Menschenbild vom Homo oeconomicus Parlamente große Bedeutung bei. erklärt allenfalls einen kleinen Teil des Verhaltens Für Ihren Aufenthalt und für Ihr weiteres der so genannten Verbraucher am parlamentarisches Wirken begleiten Sie unsere Gesundheitsmarkt. Die Erhebung von Selbstbe- besten Wünsche. teiligungen und vor allen Dingen die Einführung von Befreiungsregelungen erzeugen auf der (Beifall) anderen Seite zusätzlichen Verwaltungsaufwand Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der und Kosten. Die postulierte Unterscheidung Kollegin Birgitt Bender vom Bündnis 90/Die zwischen sinnvoller und überflüssiger Grünen. Inanspruchnahme ist nach meiner Auffassung unsinnig und realitätsfremd und ist nirgendwo auf Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der Welt wirksam geworden. 4020 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In zu finden! Das heißt, die private einer großen Koalition soll angeblich richtig Krankenversicherung bietet eine Medizin für die zugepackt werden. Reichen und Schönen. Da gibt es Überversorgung. Die anderen bekommen den Rest. Das ist doch (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Wer sagt das?) keine akzeptable Steuerungswirkung in einem so- Was erleben wir? Seit neun Wochen wird zialen Sicherungssystem! verhandelt und jeden Tag wird eine neue Sau (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) durch die Presselandschaft getrieben. Wettbewerb wäre in der Tat gut. Es geht um den (Iris Gleicke [SPD]: Aber nicht von uns! richtigen Suchmechanismus für Innovationen in Sie sind ja bloß traurig, dass Sie nicht der Gesundheitsversorgung. Was höre ich mehr dabei sind!) stattdessen schon wieder von der Union? Die Das heißt, es gibt nach wie vor keine Einigung. Da Ärztekartelle seien gut. mag man fast die alten Zeiten loben. Damals hat (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie machen Rot-Grün sich mit der Union zusammengesetzt. beim Zuhören Fehler!) Wir haben drei Wochen lang verhandelt und dann hatten wir ein Ergebnis. Nehmen Sie sich mal ein Frau Widmann-Mauz, wenn Sie das gleich mit Beispiel an unserer damaligen Arbeitsmoral! einem Bekenntnis zur Atomkraft verbinden, kann man dazu nur sagen: Sie haben eine Vorliebe für (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dinosaurier, zeigen aber keine Reformbereitschaft. – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Aber das Ergebnis ist nicht so gut, Frau Bender, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – oder?) Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Was ist bisher zustande gekommen? Ich höre Ich höre von Frau Merkel immer „Mehr Freiheit gewisse Worte, die mir gefallen, etwa: wagen!“ und das Bekenntnis zur Marktwirtschaft. Wettbewerb. Mehr Wettbewerb solle es geben. In Dann fangen Sie doch einmal an! Setzen Sie die der Tat, darum geht es uns. Aber was hören wir Fachärzte doch der Marktwirtschaft aus und gleichzeitig, Herr Zöller? Sie verteidigen den schaffen Sie in den Apothekenzünften endlich Schutzzaun um die private Krankenversicherung. einmal Marktwirtschaft! So können Sie die Worte von Frau Merkel realisieren und brauchen nicht nur (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie machen große Worte zu schwingen. Aber ich sehe nicht, beim Zuhören Fehler!) dass das passiert. Dort gibt es doch gerade keinen Wettbewerb. Nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) alle können sich aussuchen, in welche Versicherung sie gehen. Statt den frischen Wind des Wettbewerbs in das Gesundheitswesen zu bringen, diskutieren Sie (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Warten Sie doch über mehr Staat. Jetzt wird – wir haben es gehört mal ab, bis Sie unseren Entwurf sehen!) – ein Fonds geschaffen. Es gibt einen Schutzzaun um die PKV. Die sucht (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Da haben Sie sich die Leute danach aus, ob sie auch gesund Recht!) genug sind Da wird erst einmal der Beitragseinzug (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das wird doch verstaatlicht, übrigens mit der Folge, dass dies geändert!) doppelt so viel kostet, und die Beitragshöhe und keine Risiken mitbringen. staatlich festgesetzt, was früher die Kassen gemacht haben. Dann soll noch eine Mindestzahl (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Warten Sie doch von Versicherten festgelegt werden, die eine noch zwei Tage!) Kasse haben muss. Schaffen Sie doch endlich Wettbewerb und (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wo entsprechende Rahmenbedingungen, damit die haben Sie das wieder her?) Versicherten von einer Versicherung zur anderen, so wie sie es wollen, wandern können. Stattdessen Stellen Sie sich einmal vor, das würden wir mit den verteidigen Sie, fröhlich sekundiert von der FDP, Bäckern machen! Nennt man so etwas etwa die derzeitige Arbeitsweise der PKV. Dazu kann Marktwirtschaft? Schließlich wollen Sie noch einen ich Ihnen nur sagen: Wozu führt denn die Einheitsdachverband der Krankenkassen schaffen, Tatsache, dass die private Krankenversicherung damit sie auch wirklich als Einheitsfront sprechen. bessere Arzthonorare zahlt? Das führt dazu, dass Nennt man so etwas etwa Marktwirtschaft und es sehr viele Ärzte am Starnberger See gibt. Wettbewerb? (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Stutt- (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Nein, das ist gart!) Planwirtschaft!) Aber versuchen Sie einmal, in Berlin-Neukölln Das ist doch Etatismus pur, was Sie da vorhaben. einen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4021

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Michael Ballack, sondern über die Vereine, in – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- denen junge Männer und zunehmend auch junge NEN]: Das ist Sozialismus!) Frauen – zum Beispiel als Kinder von Migranten – in diese Gesellschaft aufgenommen werden und Was bewirkt denn Ihr Gesundheitsfonds, der einen Platz finden. Sie wollen womöglich das nach Aussagen der Frau Staatssekretärin Signal setzen, das sei ein Luxus, der Solidarität angeblich zu einer nachhaltigen Finanzierung nicht verdient habe. Dazu sage ich nur: Pfui, das beitragen soll? Er schafft mehr Bürokratie. ist keine Reform. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Von welchem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fonds reden Sie denn?) und bei der LINKEN – Wolfgang Zöller Dann wird zusätzlich eine so genannte kleine [CDU/CSU]: Einen solchen Schwachsinn Kopfpauschale eingeführt. Das heißt, es gibt mehr hätte ich nicht einmal Ihnen zugetraut!) Verwaltungsaufwand und eine größere soziale Belastung der Versicherten. So etwas hat den Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Namen „Reform“ nicht verdient. Das Wort hat jetzt der Kollege Christian (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie kennen Kleiminger von der SPD-Fraktion. die Reform nicht, sagen aber, sie habe (Beifall bei der SPD) den Namen „Reform“ nicht verdient!) Schließlich wird jeden Tag darüber diskutiert, Christian Kleiminger (SPD): welche Steuer man jetzt wieder erhöhen könnte: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! erst die Mehrwertsteuer – das haben Sie schon Wenn wir heute darüber reden, wie das beschlossen –, dann die Einkommensteuer. Das solidarische Gesundheitssystem auch in Zukunft weiß man natürlich nicht so genau; denn hier hat nachhaltig finanziert und gesichert werden soll, Rot-Grün gerade erste Reformen durchgeführt und dann muss man natürlich auch über eine effiziente eigentlich wollte die Union die Tarife weiter Nutzung der vorhandenen Finanzmittel sprechen. senken. Dann kam man auf einen Gesundheitssoli. Dabei geht es nicht allein um die Kosten, sondern Jetzt haben wir schon den Soli für den Osten; ein darum, wie man den Betroffenen am besten helfen Soli für die Hüfte wäre vielleicht kann. verfassungsrechtlich schwierig. Jetzt lese ich: Wir (Beifall bei der SPD) stricken uns eine neue Steuer. Diese neue Steuer muss allein dem Bund und darf nicht den Ländern Unsere Idee, die starren Grenzen zwischen zustehen. Sie darf die Betriebe nicht belasten und stationärer und ambulanter medizinischer nicht mit Absetzmöglichkeiten verbunden sein. Versorgung aufzuweichen, zieht sich dabei wie ein roter Faden durch alle gesundheitspolitischen Was machen Sie da eigentlich? Sie sind ein Überlegungen. Ein variableres Ver- Kränzchen, in dem man sagt: Wir häkeln uns einen sorgungsangebot wird die Qualität erheblich Geldsack. verbessern. Soll man so etwas etwa eine Reform nennen? Mir ist es wichtig, in diesem Zusammenhang ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Thema anzusprechen, mit dem wir uns leider in des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP]) der Gesellschaft, aber auch hier im Parlament, noch zu wenig auseinander setzen. Es geht mir Ich sagen Ihnen noch etwas: Auch wenn Sie um die Hospizarbeit und die Palliativmedizin. jetzt beschließen, der Krankenversicherung Die Koalition hat dieses wichtige Thema erkannt Steuermittel in größerem Umfang – Sie haben der und deshalb auch bereits im Koalitionsvertrag Krankenversicherung gerade erst 5 Milliarden Euro Verbesserungen vereinbart, um Menschen ein genommen – wieder zukommen zu lassen, werden Sterben in Würde zu ermöglichen. Wenn alle die dafür notwendigen Steuererhöhungen nicht Betroffenen wissen, dass Sterben ohne zum nächsten Ersten greifen. Zum nächsten Schmerzen durch bestmögliche Versorgung Ersten haben Sie jedoch ein Finanzloch in der Lebensqualität bis zum Schluss wahren kann, Krankenversicherung in der Größenordnung von werden auch die Diskussionen um die aktive voraussichtlich 7 Milliarden Euro. Ich möchte Sterbehilfe verstummen. einmal wissen, wie Sie das stopfen wollen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich höre immer Herrn Ramsauer und andere, die plötzlich darüber philosophieren, welche Bei meinen Besuchen in den ambulanten und Leistungen man aus dem Angebot der stationären Hospizen – auch in meinem Wahlkreis Krankenversicherungen rausnehmen könnte, die – wurde mir vermittelt, dass Anspruch und die Versicherten dann privat absichern können, so Wirklichkeit hier leider noch immer zu weit zum Beispiel Risikosportarten. Ich sage Ihnen auseinander klaffen. Das müssen wir ändern und dazu eines: Die am weitesten verbreitete Ri- konkrete Rahmenbedingungen für diesen Bereich sikosportart in unserer Gesellschaft ist was? – Der schaffen. Bestmögliche palliative Versorgung darf Fußball. Wir reden hier nicht über die Wade von in Zukunft nicht weiter vom Wohlwollen der 4022 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 jeweiligen Krankenkassen und deren Medizini- Opposition zu Themen, die noch gar nicht auf dem scher Dienste abhängen. Tisch liegen. Das ist schon sehr interessant. (Beifall bei der SPD) Uns liegen vier Anträge zu fast allem, was in der Gesundheitspolitik in den letzten Jahren Deshalb muss ein Ziel des großen Pakets, das passiert ist, vor: viel Papier, aber nichts wir schnüren, sein, einen flächendeckenden Erhellendes. Die Fraktion der Linken beantragt die Zugang zu palliativmedizinischer und pflegerischer Abschaffung der Praxisgebühr. Die Grünen sind Versorgung und einen individuellen dafür, die Praxisgebühr beizubehalten. Sie Leistungsanspruch hierauf für alle Menschen zu beantragen die Einführung der schaffen. Dieser Zugang muss auch ambulant Bürgerversicherung. Das ist ein altes möglich sein, sodass schwer kranke und Lieblingsprojekt der Grünen, das sie aber in den sterbende Menschen länger und besser in ihrer sieben Jahren, in denen sie das hätten machen häuslichen Umgebung versorgt werden können. können, nicht umgesetzt haben. In einem zweiten Das ist der Wunsch vieler Menschen. Antrag geben sie vermeintlich gute, aber durchaus (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten verzichtbare Ratschläge für die aktuellen der CDU/CSU) Verhandlungen über die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung und kritisieren vorab, was sie Die bereits in Modellregionen – wie in nur vom Hörensagen kennen. Die Fraktion der Mecklenburg – erprobten Palliative-Care-Teams, FDP schließlich beantragt heute, dass das die sich aus speziell ausgebildeten Ärzten und Gesundheitssystem zu reformieren sei, und sagt, Pflegern zusammensetzen, konnten in der nach welchen Kriterien dies nach ihrer Auffassung Vergangenheit bereits gute Erfahrungen sammeln. erfolgen sollte. Dabei geht es um ein Nebeneinander von am- bulant und stationär, von höchstem medizinischem (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Würde ich und pflegerischem Standard und ehrenamtlichem an Ihrer Stelle mit in die Verhandlungen Engagement. nehmen!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) – Dazu komme ich gleich. Lassen Sie mich an dieser Stelle gerade Letzteres, Im Gesundheitsausschuss besteht zwischen das bürgerschaftliche Engagement der vielen CDU/ CSU, SPD, Grünen – das gilt weitgehend Ehrenamtlichen, würdigen. Ohne sie wäre unsere auch für die FDP – ein breiter Konsens darüber, Gesellschaft um einiges ärmer. dass sich die Praxisgebühr seit ihrer Einführung vor zwei Jahren durchaus bewährt hat. Sie hat

nicht nur eine finanzielle Entlastung der Kassen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten um jährlich rund 2 Milliarden Euro erbracht, der CDU/CSU und der FDP) sondern auch die beabsichtigte Steuerungswirkung entfaltet. Die Versicherten Die Zahl der sterbenden und schwer kranken suchen vermehrt den Hausarzt als zentrale Menschen wird in den nächsten Jahren weiter Anlaufstelle auf und die Zahl der Arztkontakte zunehmen. Deswegen ist es wichtig, dass auch wurde zugunsten einer zeitintensiveren und quali- dieser Aspekt schon heute in die Diskussion tativ besseren ärztlichen Beratung verringert. Die einfließt. An dieser Stelle sollten wir uns fragen: Praxisgebühr führte offensichtlich dazu, dass die Was sind uns Leben und Sterben in Würde wert? Versicherten die ärztlichen Leistungen bewusster Ich bin der Auffassung, dass es uns viel wert sein in Anspruch nehmen. Studien des muss. Wissenschaftlichen Instituts der AOK belegen dies Vielen Dank. eindeutig. Die Eigenverantwortung der Ver- sicherten wurde gestärkt. Durch die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Härtefallregelung ist gleichzeitig sichergestellt, der CDU/CSU) dass in Deutschland niemand wegen der Praxisgebühr auf qualifizierte medizinische Hilfe Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: verzichten muss. Herr Kollege Kleiminger, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall) Die Realität ist: In Deutschland muss niemand auf den Arztbesuch verzichten, weil er die Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Rolf Praxisgebühr nicht aufbringen kann. Koschorrek von der CDU/CSU-Fraktion. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU) Vorsorgeuntersuchungen sind ebenso wie die Untersuchung und Behandlung von Kindern von Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! dieser Gebühr gänzlich ausgenommen. Die Heute trifft uns unvermittelt die geballte Kraft der Belastungsgrenze für die Praxisgebühr und die Zuzahlungen liegt bei 2 Prozent des jährlichen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4023

Bruttohaushaltseinkommens. Im Jahr 2004 waren Dieses Grundprinzip hat ganz wesentlich mit 6 643 362 erwachsene Personen von der dem C in unserem Parteinamen zu tun. Unsere Praxisgebühr und den Zuzahlungen, die über die Basis ist das christliche Menschenbild und die gesetzlich festgelegte Belastungsgrenze Überzeugung, dass das staatliche hinausgehen, befreit. Darunter waren zu Zusammenleben nach dem Subsidiaritätsprinzip 90 Prozent chronisch Kranke, für die die zu organisieren ist. Das werden wir uns auch von Belastungsgrenze von 1 Prozent ihres Ihnen, Frau Künast, mit Sicherheit nicht Haushaltseinkommens gilt. Hinzu kommen über 12 absprechen lassen. Millionen Kinder, die von den Gebühren und (Beifall bei der CDU/CSU) Zuzahlungen gänzlich befreit sind. Die Ehrlichkeit gebietet es, zu sagen, dass das Wir können zweieinhalb Jahre nach Einführung Gesundheitswesen durch unsere der Gebühr sagen: Sie hat sich nicht nur als Bevölkerungsentwicklung und den Fortschritt in finanzielle Entlastung der Kassen bewährt, allen Bereichen der Medizin in Zukunft trotz aller sondern sie hat sich auch als sinnvolles Instrument Sparbemühungen nicht auf dem heutigen zur Stärkung der Eigenverantwortung der Ausgabenniveau zu halten sein wird. Es wird teu- Versicherten erwiesen. rer werden. Die Bundeskanzlerin sagte dies auch Nach meiner Überzeugung wird die in der vergangenen Woche in der Eigenverantwortung im Gesundheitsbereich Haushaltsdebatte, dass wir zur Finanzierung des künftig, im Vergleich zu den vergangenen Jahren, Systems die solidarische Grundlage verbreitern eine zunehmend wichtige Rolle spielen. So ist es müssen. Zugleich müssen wir allerdings auch nach auch im Koalitionsvertrag unter der Überschrift Einsparmöglichkeiten suchen. Ob eine Senkung „Soziale Sicherheit verlässlich und gerecht der Kosten in großem Umfang wirklich möglich gestalten“ vereinbart. Dort heißt es: sein wird, möchte ich jetzt dahingestellt sein lassen. Ich bin aber überzeugt, dass eine Eigenverantwortung und Eigeninitiative Begrenzung der künftigen Kosten, zum Beispiel müssen gestärkt werden und Solidarität ist durch eine obligatorische Selbstbeteiligung der nicht nur innerhalb der einzelnen Versicherten, durch Rückerstattungen, durch mehr Generationen, sondern auch zwischen den Transparenz und durch Kostenerstattungen im Generationen gefordert. System nicht nur möglich, sondern durchaus anzu- (Beifall bei der CDU/CSU) streben ist. Vielfach wird suggeriert, Eigenverantwortung (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- und Solidarität seien Gegensätze. Darum möchte neten der FDP) ich hier ganz deutlich bewusst machen: Die Versicherten sind mündige und Eigenverantwortung und Solidarität stehen nicht im verantwortungsbewusste Bürger. Es muss ihnen Gegensatz zueinander. Vielmehr müssen sie sich die Möglichkeit gegeben werden, sich als solche im gesellschaftlichen Leben ergänzen. zu verhalten. Es besteht in meinen Augen kein Eigenverantwortung und Solidarität, ebenso wie Anlass, sie zum Beispiel in Unkenntnis darüber zu Freiheit, sind gleichwertige Grundsätze unserer lassen, wie hoch die Kosten für die medizinische Gesellschaft. Versorgung, die sie in Anspruch nehmen, sind. Wir Deswegen können die Fragen, die sich stellen, müssen die Versicherten zu einem bewussten und nur lauten: Wie weit geht die Eigenverantwortung verantwortungsvollen Umgang mit ihrer Gesund- des Einzelnen? Wann kommen die Verpflichtung heit, zu einem gesundheitsbewussten Leben, zur zur Solidarität und das Anrecht des Einzelnen auf Prophylaxe und zu einem bewussten Umgang mit Solidarität zum Tragen? Eine der fundamentalen der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen Grundüberzeugungen der Politik der Union lautet: motivieren. Die individuelle Verantwortung hat Vorrang Wenige Tage vor Bekanntgabe des neuen gegenüber dem staatlichen Handeln. Der Einzelne Konzepts der Bundesregierung für die Reform trägt nach seinen jeweiligen Fähigkeiten und unseres Gesundheitssystems hat die Fraktion von Möglichkeiten, nach seiner individuellen Leistungs- Bündnis 90/Die Grünen wieder den alten Hut der fähigkeit Verantwortung für sich und für die Gesell- Bürgerversicherung hervorgeholt, die sie – ich schaft. muss mich leider wiederholen – in den sieben (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: So ist Jahren, in denen sie selbst Verantwortung trug, es!) nicht realisiert hat. Er ist zunächst für sich selbst verantwortlich. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ein Glück!) Darüber hinaus hat er einen Anspruch auf Warum haben Sie das damals nicht getan? Sie Solidarität und ist zugleich – so weit es in seinen hatten es in der Hand. Was soll dieses Verhalten Kräften steht – zur Solidarität mit anderen jetzt? Sie hängen offensichtlich immer noch Ihrem verpflichtet. alten Modell von gestern und vorgestern nach. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 4024 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Elke Ferner [SPD]: Aber die Kopfpauschale Bekanntgabe unseres Konzepts vorzulegen, ist ist moderner oder wie?) allzu durchsichtig. Es liegt auf der Hand, dass die Oppositionsfraktionen hier und heute schnell noch Zugleich treten Sie hier als voreilige einmal Verunsicherung streuen und vorab die Bedenkenträger gegen das neue Konzept der Position der Koalitionsfraktionen und der großen Koalition auf, über dessen Details erst in Bundesregierung austesten wollen. den nächsten Tagen entschieden wird. Einer Ihrer Hauptkritikpunkte ist, dass die Einrichtung eines Die Koalition ist sich über die Ziele der Gesundheitsfonds, wie er seit einigen Wochen Gesundheitsreform einig. Über den Weg, wie wir öffentlich im Gespräch ist, mit hohem Verwal- diese Ziele erreichen, verhandeln wir. Die tungsaufwand verbunden wäre. Es ist doch eine Ergebnisse dieser Verhandlungen werden wir in Binsenweisheit, dass alles Neue zunächst einmal wenigen Tagen bekannt geben. mit organisatorischem Aufwand, mit Arbeit und Danke schön. Unbequemlichkeit verbunden ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: neten der SPD) Aha! Eingeständnis!) Das darf doch aber kein Grund dafür sein, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sinnvolles Neues abzulehnen und alles beim Alten Als letzter Rednerin zu diesem zu lassen. Tagesordnungspunkt gebe ich das Wort der (Beifall bei der CDU/CSU – Daniel Bahr Kollegin Elke Ferner von der SPD-Fraktion. [Münster] [FDP]: Sehr richtig!) (Beifall bei der SPD) Die große Koalition hat den Auftrag und die Ver- pflichtung, das Gesundheitssystem gründlich zu Elke Ferner (SPD): reformieren und zukunftsfähig zu gestalten. Wir Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! nehmen diesen Auftrag ernst und sind bereit, uns Es ist eigentlich wie immer: Je näher eine von alten Zöpfen zu trennen und etwas Neues in Entscheidung rückt, umso größer werden die Angriff zu nehmen. Wir schauen nach vorn und Spekulationen, nicht nur in der Presse, sondern sind sicher, dass die Bürger zusammen mit den auch im Deutschen Bundestag. Beschäftigten im Gesundheitswesen, mit den (Zuruf von der FDP: Vor allem in der Leistungserbringern und mit den Krankenkassen Koalition!) flexibel genug sind, etwas Neues, Effektives auf den Weg zu bringen und die Akzeptanz dafür zu Es liegen einige Anträge vor, in denen es unter wecken. anderem um die Finanzsituation der GKVen geht. Ich muss sagen – das ist manchmal schon etwas Kurz vor Toresschluss hat die FDP-Fraktion merkwürdig –: Alle reden im Moment darüber, an noch schnell und offensichtlich sehr eilig einen welchen Stellen Ausgaben gekürzt werden Antrag formuliert, um ihn hier und heute auf die müssen. Herr Bahr hat eben darauf hingewiesen, Tagesordnung setzen zu lassen. dass die versprochenen Beitragssatzsenkungen (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Jetzt doch nicht durchgeführt worden sind. Das ist richtig. Sie Toresschluss? Ich dachte, wir fangen erst haben dabei aber verschwiegen, dass sich die an! Das haben Sie gerade gesagt!) Einnahmebasis der gesetzlichen Krankenversicherung anders entwickelt hat, als Ihr Antrag beinhaltet eine plakative Aufzählung von man es, als es damals um das GMG ging, gängigen Schlagworten wie „Effizienz“, angenommen hatte. „Transparenz“ und „Nachhaltigkeit“. Aber die wichtigen Finanzierungsfragen im Hinblick auf die (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Tja, das Einnahmeseite der GKV lässt die FDP völlig außen waren dann wohl zu optimistische vor. Annahmen, Frau Ferner!) (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Überhaupt Das, sehr geehrter Herr Kollege, hat natürlich auch nicht!) etwas mit der Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Dieser Antrag der FDP sieht schwer nach einer Beschäftigungsverhältnisse und mit den Tarifab- Verlegenheitslösung aus. Er demonstriert schlüssen zu tun. All das muss man eigentlich nur Ihren Willen, auf plakative Weise mitberücksichtigen. eine Daseinsberechtigung vorzutragen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das war und der SPD – Daniel Bahr [Münster] Ihre rot-grüne Arbeitsmarktpolitik!) [FDP]: Das glauben Sie doch wohl selbst nicht, Herr Koschorrek!) – Ich glaube nicht, dass das unsere Arbeitsmarktpolitik war. Die CDU/CSU lehnt die vorliegenden Anträge der Opposition ab. Diese Anträge wenige Tage vor Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4025

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Oh doch! Deswe- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der gen wurde Rot-Grün ja auch abgewählt!) CDU/CSU) Das hängt auch damit zusammen, dass die Nun komme ich zum zweiten Punkt, den ich Wirtschaft die Angebote, die ihr gemacht wurden, ansprechen möchte. Da viel über das nicht genutzt hat. Fondsmodell diskutiert wird, sage ich noch einmal: Für uns ist nicht entscheidend, was oben (Lachen des Abg. Daniel Bahr [Münster] drauf steht, sondern was innen drin ist. Hier gibt es [FDP]) zwischen uns und der Union noch Differenzen. Es Trotz Steuersenkungen und trotz der Senkung der wäre falsch, das zu leugnen. Frau Widmann-Mauz Lohnnebenkosten sind keine zusätzlichen hat sich eben für eine feste Prämie Arbeitsplätze geschaffen worden und keine ausgesprochen. Wir sind der Auffassung, man zusätzlichen Beschäftigungsverhältnisse kann durchaus ein Finanzstrommodell innerhalb entstanden. eines solchen Fonds entwickeln, ohne dass man am Ende eine feste Prämie braucht. Da gibt es (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ach was!) noch Diskussionspunkte; das braucht man nicht Hinzu kommt, dass, während die unter den Tisch zu kehren. Beitragsleistungen aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sin- ken, die Einkünfte wie Mieten, Pachten, Zinsen, (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Wozu braucht Dividenden und Unternehmensgewinne steigen. man denn dann den Fonds?) Diese Einnahmen werden zur Mitfinanzierung des – Wofür wir den Fonds brauchen? Wenn Sie ein Gesundheitswesens gegenwärtig noch nicht bisschen nachdenken, dann kommen Sie darauf, herangezogen. Wenn aber alle in dieser Republik lieber Herr Kollege: Wir haben heute zwischen den Gesundheitsschutz haben sollen, wenn alle dann, gesetzlichen Krankenversicherungen einen wenn sie krank sind, die notwendige medizinische Ausgleich von lediglich 92 Prozent. Über einen Behandlung erhalten sollen und wenn alle am solchen Fonds könnte man einen Ausgleich zu medizinischen Fortschritt teilhaben sollen, dann 100 Prozent und einen risikoadjustierten, darf man die Finanzierung dessen nicht auf immer krankheitsbedingten RSA einführen. weniger und immer schmalere Schultern verteilen. Sie wollen das offensichtlich tun. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Na toll: noch mehr Umverteilung!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]) – Stellen Sie mir doch eine Zwischenfrage, statt so herumzuschreien. Wir wollen eine gerechte und solidarische Finanzierung unseres Gesundheitswesens. Jeder (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Nein, lieber soll an dieser Finanzierung nach seiner nicht!) individuellen Leistungsfähigkeit beteiligt werden. – Gut, dann halten Sie sich etwas zurück mit Ihren (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Aber dann ist es Zwischenrufen. eine Steuer!) Ich möchte noch ein Wort zur privaten Deshalb wollen wir als SPD den Einstieg in eine Krankenversicherung sagen, weil da in den neue Säule der Finanzierung. Wir wollen, dass das letzten Wochen einiges an Fehl- und über eine Steuer finanziert wird. Desinformationen aufgetaucht ist. Wir haben gehört, das PKV-System stütze das GKV-System (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Aha! So ist das finanziell und deshalb sei eine Einbeziehung der also!) PKV in ein solches Fondsmodell nicht möglich; Da Frau Künast eben gesagt hat, überdies dürfe ein Steuerzuschuss nicht Steuererhöhungen seien konjunkturschädlich, ausschließlich der GKV zufließen, auch die PKV muss ich eine Gegenfrage stellen. Was ist müsse davon etwas haben. konjunkturschädlicher: die Steuern zu erhöhen und Diese Behauptungen sind schlicht und mit diesen Steuermehreinnahmen für alle die ergreifend falsch. Denn zunächst einmal ist es Beitragssätze zu senken, doch so: Die private Krankenversicherung (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das tun Sie versichert die Einkommensstärkeren. Wenn man aber nicht!) sich einmal anschaut, wie die Durch- oder die gegenwärtige Höhe der Steuern und schnittseinkommen der PKV-Versicherten und die Beitragssätze beizubehalten, allerdings unter der der GKV-Versicherten aussehen, muss man Maßgabe, dass das Beitragsaufkommen von sehr feststellen, dass erstere im Verhältnis über viel weniger Menschen erbracht werden muss? Ich 63 Prozent höher liegen. Dann versichert die PKV auch noch die Gesünderen – die Risikoselektion glaube, die Lösung, die Frau Künast eben vorgestellt hat, ist nicht gerecht und nicht ist ja eben schon angesprochen worden – und in solidarisch. der PKV sind wesentlich weniger Ältere versichert, wodurch die PKV weniger Belastungen zu tragen 4026 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 hat, was ihre Ausgabenstruktur anbelangt. Hinzu gelesen; ich habe gelesen, die kommt: Ohne die gesetzliche Krankenversicherung Unionsministerpräsidenten wollten das –, muss ich gäbe es in vielen Regionen dieser Republik für die sagen: Das ist wirklich grober Unfug! privat Versicherten keinen Arzt, keine Ärztin, kein (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Krankenhaus, wo sie sich behandeln lassen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) können. Man muss sich das einmal praktisch vorstellen: (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bekommt man einen Herzinfarkt im Bett, zahlt die BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Krankenkasse. Bekommt man einen Herzinfarkt Wir haben eben über Steuern und nach einem Unfall, dann soll die Selbstverantwortung gesprochen und darüber, was Unfallversicherung bezahlen. Erleidet man einen die PKV-Versicherten alles selber bezahlen Unfall, weil man einen Herzinfarkt hat, dann würden. Ich habe mir die Zahlen herausgesucht – werden Heerscharen von Rechtsanwälten beauf- manchmal genügt ja einfach ein Blick auf die tragt. Wer so etwas vorschlägt, der versucht nicht, Zahlen –: Nach eigenen Angaben geben die pri- Kosten zu sparen, sondern lediglich zu vaten Krankenversicherungen für Leistungen für verschieben. Insofern kann ich die Union nur ihre Versicherten 16,5 Milliarden Euro aus. Wenn bitten, von diesem Vorschlag abzurücken. man sich einmal anschaut, was die öffentliche (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Hand für Beihilfe ausgibt, stellt man fest, dass das im letzten Jahr 8,5 Milliarden Euro gewesen sind. Ein Letztes zum Antrag der Linken. Sie wollen Und woher kommt die Beihilfe? Sie wird aus die Praxisgebühr abschaffen. Was heißt das Steuern finanziert. denn? Diejenigen, die heute ein niedriges Einkommen haben und die Belastungsobergrenze (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des sehr schnell erreichen – die berühmten Empfänger BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) von ALG II –, werden davon überhaupt nicht Wenn man das einmal ins Verhältnis setzt, dann profitieren; es dauert lediglich etwas länger, bis die heißt das, dass zu dem, was die PKVs für Belastungsobergrenze erreicht wird. Profitieren Gesundheitsleistungen ausgeben, über die Hälfte würden aber diejenigen, die die aus Steuern zugeschossen wird. Deshalb kann ich Belastungsobergrenze nicht erreichen, was die Frage, welches System hier welches stützt, nur bekanntermaßen nicht diejenigen sind, die wenig so beantworten: Die gesetzlich Versicherten verdienen, sondern diejenigen, die eher viel stützen das Gesundheitssystem insgesamt, von verdienen. So viel zu Ihrem Thema Gerechtigkeit. dem die PKV-Versicherten profitieren, und die Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Steuerzahler stützen das PKV-System zusätzlich. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Straubinger [CDU/CSU]) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb sind wir der Auffassung, dass bei einer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: neuen Finanzierung das PKV-System einen Ich schließe die Aussprache. Solidarbeitrag für das gesamte Gesundheitssystem leisten muss. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit auf Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen. Es Drucksache 16/2002 zu dem Antrag der Fraktion werden ja immer gerne große Einsparvorschläge des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Dem gemacht – von denen, die sich auskennen, eher Solidarsystem eine stabile Grundlage geben – für aber noch von denen, die sich nicht so gut eine nachhaltige Finanzierungsreform der auskennen. Wir haben – das hat Frau Widmann- Krankenversicherung“. Der Ausschuss empfiehlt, Mauz eben schon angesprochen – in den letzten den Antrag auf Drucksache 16/950 abzulehnen. Jahren Erhebliches geleistet: Im Saldo sind die Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Kassen schuldenfrei. Vieles mussten die Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Versicherten bzw. die Patienten alleine tragen. Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Insgesamt sind beim GMG und bei anderen Koalitionsfraktionen und der Fraktion der FDP Maßnahmen 13,2 Milliarden Euro mobilisiert gegen die Stimmen des Bündnis-ses 90/Die worden. Wer sagt, das Einsparvolumen aus Grünen und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke Strukturveränderungen – die bekanntermaßen angenommen. immer erst nach einer gewissen Zeit greifen – sei immer noch zu klein, verkennt, dass wir nicht bei Abstimmung über den Gesetzentwurf der null anfangen. Es ist, wie gesagt, schon einiges Fraktion Die Linke zur Änderung des Fünften getan worden in den letzten Jahren; sonst wäre Buches Sozialgesetzbuch auf Drucksache 16/451. das alles viel weiter aus dem Ruder gelaufen. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt auf Drucksache 16/1753, den Gesetzentwurf Wenn ich jetzt höre, private Unfälle sollten aus abzulehnen. Die Fraktion Die Linke verlangt dem Leistungskatalog ausgegliedert werden – das namentliche Abstimmung. Ich bitte die habe ich diese Woche von Herrn Ramsauer Schriftführerinnen und Schriftführer, die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4027 vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind jetzt alle Urnen mit Schriftführerinnen und Schriftführern besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Abgeordneter anwesend, der seine Stimme nicht abgegeben hat? – Ich schließe die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/1928 und 16/1997 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Es gibt keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen jetzt zu Überweisungen im vereinfachten Verfahren. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 37 b bis 37 g sowie die Zusatzpunkte 3 a bis 3 h auf: 37 b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes – Drucksache 16/1936 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes sowie zur Änderung des Finanzdienstleis- tungsaufsichtsgesetzes und anderer Vorschriften – Drucksache 16/1937 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundeseisenbahnvermögen und in den Unternehmen der Deutschen Bundespost – Drucksache 16/1938 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales 4028 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

e) Erste Beratung des von der – Drucksache 16/1978 – Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Überweisungsvorschlag: Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. April 2005 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Entwicklung (f) Ausschuss für Gesundheit dem Königreich der Niederlande über den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Zusammenschluss der deutschen Reaktorsicherheit Bundesstraße B 56n und der niederländischen c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Regionalstraße N 297n an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Grenzbrücke Monika Lazar und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1939 – Befragung von Gefolterten und Nutzung Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung von Foltererkenntnissen ausschließen f) Erste Beratung des von der – Drucksache 16/836 – Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Überweisungsvorschlag: eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Innenausschuss (f) Auswärtiger Ausschuss vorläufigen Tabakgesetzes Rechtsausschuss – Drucksache 16/1940 – Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Überweisungsvorschlag: d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele und Verbraucherschutz (f) der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE Finanzausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend GRÜNEN Ausschuss für Gesundheit Indigene Völker – Ratifizierung des g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Übereinkommens der Internationalen Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Dr. Hakki Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Keskin, weiterer Abgeordneter und der Indigene und in Stämmen lebende Völker Fraktion der LINKEN in unabhängigen Staaten Die Welt zu Gast bei Freunden – Für eine – Drucksache 16/1971 – offenere Migrations- und Überweisungsvorschlag: Flüchtlingspolitik in Deutschland und in Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f) der Europäischen Union Auswärtiger Ausschuss – Drucksache 16/1199 – Innenausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Auswärtiger Ausschuss Burkhardt Müller-Sönksen, Florian Toncar, Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der Fraktion der FDP Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union 7. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den ZP 3a) Beratung des Antrags der Abgeordneten auswärtigen Beziehungen und in anderen Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck Politikbereichen (Köln), Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE – Drucksache 16/1999 – GRÜNEN Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Menschenrechte in Usbekistan einfordern f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, – Drucksache 16/1975 – Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter Überweisungsvorschlag: und der Fraktion der FDP Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f) Für die weltweite Sicherstellung der Auswärtiger Ausschuss Religionsfreiheit Verteidigungsausschuss – Drucksache 16/1998 – b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Überweisungsvorschlag: Koczy, Thilo Hoppe, Dr. Uschi Eid, weiterer Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, Eine Weltbank-Energiepolitik der Zukunft weiterer Abgeordneter und der Fraktion der – Ja zu mehr Effizienz und erneuerbaren LINKEN Energien, Nein zur Atomkraft Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4029

Keine Weltbankkredite für Atomtechnologie – Drucksache 16/1961 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie 4030 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hü- Bundesrat, handelnd im Namen des seyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. Diether Kantons Aargau, über Bau und Erhaltung Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der einer Rheinbrücke zwischen Laufenburg LINKEN (Baden-Württemberg) und Laufenburg (Aargau) Agrarbeihilfeempfänger offen legen – Drucksache 16/1612 – – Drucksache 16/1962 – Überweisungsvorschlag: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ausschusses für Verkehr, Bau und Entwicklung (f) Stadtentwicklung (15. Ausschuss) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und – Drucksache 16/1965 – Verbraucherschutz Berichterstattung: Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen Abgeordneter Winfried Hermann an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit Der Ausschuss für Verkehr, Bau und einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Stadtentwicklung empfiehlt auf Überweisungen so beschlossen. Drucksache 16/1965, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem zustim- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 38 a bis 38 i, men wollen, sich von ihrem Platz zu erheben. – 38 k und 38 m bis 38 u sowie die Zusatzpunkte 4 a Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch bis 4 k auf. Es handelt sich um die dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 38 c: Tagesordnungspunkt 38 a: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Zweite Beratung und Schlussabstimmung Entwurfs eines Gesetzes zu dem des von der Bundesregierung eingebrachten Abkommen vom 28. Juni 2004 zwischen Entwurfs eines Gesetzes zu dem der Bundesrepublik Deutschland und der Abkommen vom 8. Juni 2005 zwischen Republik Singapur zur Vermeidung der der Regierung der Bundesrepublik Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Deutschland und dem Schweizerischen Steuern vom Einkommen und vom Bundesrat, handelnd im Namen des Vermögen Kantons Schaffhausen, über die Erhaltung einer Straßenbrücke über die – Drucksache 16/1619 – Wutach zwischen Stühlingen (Baden- Beschlussempfehlung und Bericht des Württemberg) und Oberwiesen Finanzausschusses (7. Ausschuss) (Schaffhausen) – Drucksache 16/1974 – – Drucksache 16/1611 – Berichterstattung: Beschlussempfehlung und Bericht des Abgeordneter Georg Fahrenschon Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) Der Finanzausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/1974, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich – Drucksache 16/1964 – bitte diejenigen, die dem zustimmen wollen, sich Berichterstattung: von ihrem Platz zu erheben. – Gegenstimmen? – Abgeordnete Dorothee Menzner Stimmenthaltungen? – Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt auf Drucksache 16/1964, den Gesetzentwurf Tagesordnungspunkt 38 d: anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz- entwurf zustimmen wollen, sich von ihrem Platz zu Zweite und dritte Beratung des von der erheben. – Gegenstimmen? – Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Stimmenthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist eines Zweiten Gesetzes über die einstimmig angenommen. Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesmi- Tagesordnungspunkt 38 b: nisteriums des Innern Zweite Beratung und Schlussabstimmung – Drucksache 16/1620 – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschlussempfehlung und Bericht des Abkommen vom 8. Juni 2005 zwischen Innenausschusses (4. Ausschuss) der Regierung der Bundesrepublik – Drucksache 16/1979 – Deutschland und dem Schweizerischen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4031

Berichterstattung: Vorschlag für eine Richtlinie des Abgeordnete Hans-Werner Kammer Europäischen Parlaments und des Rates Maik Reichel über Luftqualität und saubere Luft für Gisela Piltz Europa Ulla Jelpke KOM (2005) 447 endg.; Ratsdok. 14335/05 Silke Stokar von Neuforn – Drucksachen 16/288 Nr. 2.20, 16/1814 – Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/1979, Berichterstattung: den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz) diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen Detlef Müller (Chemnitz) wollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Angelika Brunkhorst Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in Lutz Heilmann zweiter Beratung mit den Stimmen aller Fraktionen Sylvia Kotting-Uhl bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ange- Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der nommen. Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Dritte Beratung Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu Koalitionsfraktionen und der Fraktion des erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Der Gesetzentwurf ist mit gleichem Fraktion Die Linke und Enthaltung der FDP- Stimmenverhältnis in dritter Beratung Fraktion angenommen. angenommen. Tagesordnungspunkt 38 g: Tagesordnungspunkt 38 e: Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung Zweite und dritte Beratung des von der des Wahlprüfungsausschusses Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des zu 62 gegen die Gültigkeit der Wahl zum Urheberrechtsgesetzes 16. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen – Drucksachen 16/1107, 16/1173 – – Drucksache 16/1800 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) Berichterstattung: Abgeordnete Thomas Strobl (Heilbronn) – Drucksache 16/2019 – Klaus Uwe Benneter Berichterstattung: Jörg van Essen Abgeordnete Dr. Günter Krings Dr. Carl-Christian Dressel Dirk Manzewski Dr. Wolfgang Götzer Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Bernhard Kaster Wolfgang Nešković Ulrich Maurer Jerzy Montag Petra Merkel (Berlin) Silke Stokar von Neuforn Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/2019, Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Beschlussempfehlung ist einstimmig Gesetzentwurf in der Ausschussfassung angenommen. zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Gegen- Tagesordnungspunkt 38 h: stimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Dritte Beratung Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Ausschuss) zu dem Antrag der dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, weiterer Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Abgeordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN Tagesordnungspunkt 38 f: EU-Kommission muss nationale Beratung der Beschlussempfehlung und des Tierschutzbemühungen respektieren Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. – Drucksachen 16/549, 16/2008 – Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Berichterstattung: Bundesregierung Abgeordnete Dr. Peter Jahr 4032 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Dr. Wilhelm Priesmeier Beratung der Beschlussempfehlung des Hans-Michael Goldmann Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Dr. Kirsten Tackmann Sammelübersicht 61 zu Petitionen Undine Kurth (Quedlinburg) – Drucksache 16/1911 – Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/549 abzulehnen. Wer stimmt für Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 61 ist Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. angenommen mit den Stimmen der Tagesordnungspunkt 38 n: Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Tagesordnungspunkt 38 i: Sammelübersicht 62 zu Petitionen Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, – Drucksache 16/1912 – Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Ausschuss) zu dem Antrag der Enthaltungen? – Sammelübersicht 62 ist Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. einstimmig angenommen. Christel Happach-Kasan, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordneter und der Tagesordnungspunkt 38 o: Fraktion der FDP Beratung der Beschlussempfehlung des BSE-Testpflichtaltersgrenze anheben Petitionsausschusses (2. Ausschuss) – Drucksachen 16/1170, 16/2001 – Sammelübersicht 63 zu Petitionen Berichterstattung: – Drucksache 16/1913 – Abgeordnete Dr. Hans-Heinrich Jordan Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Dr. Wilhelm Priesmeier Enthaltungen? – Sammelübersicht 63 ist mit den Hans-Michael Goldmann Stimmen der Koalitionsfraktionen und den Dr. Kirsten Tackmann Stimmen der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Bärbel Höhn Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion des Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. Drucksache 16/1170 abzulehnen. Wer stimmt für Tagesordnungspunkt 38 p: diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Ach! Das ist ja bemerkenswert! Für BSE seid ihr Sammelübersicht 64 zu Petitionen jetzt auch! – Lachen bei der SPD!) – Drucksache 16/1914 – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Wer enthält sich? – Sammelübersicht 64 ist Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei einstimmig angenommen. Gegenstimmen der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 38 q: Tagesordnungspunkt 38 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) Sammelübersicht 65 zu Petitionen Übersicht 3 – Drucksache 16/1915 – über die dem Deutschen Bundestag Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – zugeleiteten Streitsachen vor dem Wer enthält sich? – Sammelübersicht 65 ist mit Bundesverfassungsgericht den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen – Drucksache 16/1956 – angenommen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Tagesordnungspunkt 38 r: Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig Beratung der Beschlussempfehlung des angenommen. Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen Sammelübersicht 66 zu Petitionen des Petitionsausschusses. – Drucksache 16/1916 – Tagesordnungspunkt 38 m: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4033

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Sammelübersicht 70 zu Petitionen Enthaltungen? – Sammelübersicht 66 ist mit den – Drucksache 16/1980 – Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 70 ist Tagesordnungspunkt 38 s: einstimmig angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung des Zusatzpunkt 4 c: Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Sammelübersicht 67 zu Petitionen Petitionsausschusses (2. Ausschuss) – Drucksache 16/1917 – Sammelübersicht 71 zu Petitionen Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – – Drucksache 16/1981 – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 67 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Fraktion der FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Wer enthält sich? – Sammelübersicht 71 ist Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die ebenfalls einstimmig angenommen. Grünen angenommen. Zusatzpunkt 4 d: Tagesordnungspunkt 38 t: Beratung der Beschlussempfehlung des Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 72 zu Petitionen Sammelübersicht 68 zu Petitionen – Drucksache 16/1982 – – Drucksache 16/1918 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 72 ist mit Wer enthält sich? – Sammelübersicht 68 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Fraktion des Bündnisses 90/ Die Grünen bei Linke und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses Gegenstimmen der FDP und der Fraktion Die 90/Die Grünen angenommen. Linke angenommen. Zusatzpunkt 4 e: Tagesordnungspunkt 38 u: Beratung der Beschlussempfehlung des Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 73 zu Petitionen Sammelübersicht 69 zu Petitionen – Drucksache 16/1983 – – Drucksache 16/1919 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 73 ist Wer enthält sich? – Sammelübersicht 69 ist mit einstimmig angenommen. den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zusatzpunkt 4 f: Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Zusatzpunkt 4 a: Sammelübersicht 74 zu Petitionen Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, der SPD, der FDP und des – Drucksache 16/1984 – BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ökologischen Landbau in Deutschland Wer enthält sich? – Sammelübersicht 74 ist mit und Europa weiterentwickeln den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen – Drucksache 16/1972 – angenommen. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt Zusatzpunkt 4 g: dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist einstimmig angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Wir kommen zu weiteren Beschlussempfehlungen des Sammelübersicht 75 zu Petitionen Petitionsausschusses. – Drucksache 16/1985 – Zusatzpunkt 4 b: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Beratung der Beschlussempfehlung des Wer enthält sich? – Sammelübersicht 75 ist mit Petitionsausschusses (2. Ausschuss) den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der 4034 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die stimmt 518, keine Enthaltungen. Der Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Gesetzentwurf ist abgelehnt. Grünen angenommen.

Zusatzpunkt 4 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Endgültiges Ergebnis Sammelübersicht 76 zu Petitionen Abgegebene Stimmen: 571; – Drucksache 16/1986 – davon Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – ja: 53 Wer enthält sich? – Sammelübersicht 76 ist mit nein: 518 den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Ja Zusatzpunkt 4 i: DIE LINKE Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Hüseyin-Kenan Aydin (2. Ausschuss) Karin Binder Heidrun Bluhm Sammelübersicht 77 zu Petitionen Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge – Drucksache 16/1987 – Roland Claus Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Sevim Dagdelen Wer enthält sich? – Sammelübersicht 77 ist mit Dr. Diether Dehm Werner Dreibus den Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung der Dr. Dagmar Enkelmann Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen Klaus Ernst angenommen. Wolfgang Gehrcke Zusatzpunkt 4 j: Diana Golze Dr. Gregor Gysi Beratung der Beschlussempfehlung des Heike Hänsel Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Sammelübersicht 78 zu Petitionen Cornelia Hirsch Inge Höger-Neuling – Drucksache 16/1988 – Dr. Barbara Höll Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ulla Jelpke Wer enthält sich? – Sammelübersicht 78 ist mit Dr. Lukrezia Jochimsen den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Dr. Hakki Keskin Katja Kipping FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Monika Knoche Linke und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses Jan Korte 90/Die Grünen angenommen. Katrin Kunert Zusatzpunkt 4 k: Oskar Lafontaine Michael Leutert Beratung der Beschlussempfehlung des Ulla Lötzer Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Sammelübersicht 79 zu Petitionen Dorothee Menzner Kornelia Möller – Drucksache 16/1989 – Kersten Naumann Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wolfgang Neskovic Wer enthält sich? – Sammelübersicht 79 ist mit Dr. Norman Paech den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Petra Pau Bodo Ramelow Fraktion Die Linke, bei Enthaltung der FDP- Elke Reinke Fraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Paul Schäfer (Köln) Grünen angenommen. Volker Schneider (Saarbrücken) Ich darf Ihnen zwischendurch das von den Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Dr. Petra Sitte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Frank Spieth den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Dr. Kirsten Tackmann Fünften Buches Sozialgesetzbuch“, der Fraktion Dr. Axel Troost Die Linke, Drucksachen 16/451 und 16/1753, Alexander Ulrich bekannt geben: Abgegebene Stimmen 571. Mit Ja Jörn Wunderlich haben gestimmt 53, mit Nein haben ge- Sabine Zimmermann Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4035

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Markus Grübel Manfred Grund Dr. Harald Terpe Monika Grütters Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg fraktionslos Olav Gutting Gert Winkelmeier Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Nein Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich CDU/CSU Jürgen Herrmann Ilse Aigner Bernd Heynemann Peter Albach Ernst Hinsken Peter Altmaier Peter Hintze Thomas Bareiß Robert Hochbaum Norbert Barthle Klaus Hofbauer Dr. Wolf Bauer Franz-Josef Holzenkamp Günter Baumann Joachim Hörster Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Anette Hübinger Veronika Bellmann Hubert Hüppe Dr. Christoph Bergner Susanne Jaffke Otto Bernhardt Dr. Peter Jahr Clemens Binninger Dr. Hans-Heinrich Jordan Carl-Eduard von Bismarck Andreas Jung (Konstanz) Peter Bleser Bartholomäus Kalb Antje Blumenthal Hans-Werner Kammer Jochen Borchert Steffen Kampeter Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Alois Karl Wolfgang Bosbach Bernhard Kaster Klaus Brähmig Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Michael Brand Volker Kauder Helmut Brandt Eckart von Klaeden Dr. Ralf Brauksiepe Jürgen Klimke Monika Brüning Julia Klöckner Georg Brunnhuber Jens Koeppen Gitta Connemann Kristina Köhler (Wiesbaden) Leo Dautzenberg Manfred Kolbe Alexander Dobrindt Norbert Königshofen Thomas Dörflinger Dr. Rolf Koschorrek Marie-Luise Dött Hartmut Koschyk Maria Eichhorn Thomas Kossendey Anke Eymer (Lübeck) Michael Kretschmer Georg Fahrenschon Gunther Krichbaum Ilse Falk Dr. Günter Krings Dr. Hans Georg Faust Dr. Martina Krogmann Enak Ferlemann Johann-Henrich Krummacher Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Hermann Kues Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Maria Flachsbarth Andreas G. Lämmel Klaus-Peter Flosbach Dr. Norbert Lammert Herbert Frankenhauser Katharina Landgraf Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Dr. Max Lehmer Erich G. Fritz Paul Lehrieder Jochen-Konrad Fromme Ingbert Liebing Dr. Michael Fuchs Dr. Klaus W. Lippold Hans-Joachim Fuchtel Patricia Lips Dr. Peter Gauweiler Dr. Michael Luther Dr. Jürgen Gehb Stephan Mayer (Altötting) Norbert Geis Wolfgang Meckelburg Eberhard Gienger Dr. Michael Meister Michael Glos Dr. Angela Merkel Ralf Göbel Friedrich Merz Dr. Reinhard Göhner Laurenz Meyer (Hamm) Josef Göppel Maria Michalk Peter Götz Hans Michelbach Dr. Wolfgang Götzer Philipp Mißfelder Ute Granold Dr. Eva Möllring Reinhard Grindel Marlene Mortler Hermann Gröhe Carsten Müller (Braunschweig) Michael Grosse-Brömer Stefan Müller (Erlangen) 4036 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Bernward Müller (Gera) Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Gerd Müller Gerald Weiß (Groß-Gerau) Hildegard Müller Karl-Georg Wellmann Bernd Neumann (Bremen) Anette Widmann-Mauz Henry Nitzsche Klaus-Peter Willsch Michaela Noll Willy Wimmer (Neuss) Dr. Georg Nüßlein Elisabeth Winkelmeier-Becker Franz Obermeier Matthias Wissmann Eduard Oswald Dagmar Wöhrl Henning Otte Wolfgang Zöller Rita Pawelski Willi Zylajew Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold SPD Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Lale Akgün Sibylle Pfeiffer Gregor Amann Beatrix Philipp Gerd Andres Ronald Pofalla Niels Annen Daniela Raab Ingrid Arndt-Brauer Thomas Rachel Rainer Arnold Hans Raidel Ernst Bahr (Neuruppin) Dr. Peter Ramsauer Dr. Hans- Peter Bartels Peter Rauen Klaus Barthel Eckhardt Rehberg Sören Bartol Klaus Riegert Sabine Bätzing Dr. Heinz Riesenhuber Dirk Becker Franz Romer Uwe Beckmeyer Johannes Röring Klaus Uwe Benneter Kurt J. Rossmanith Dr. Axel Berg Dr. Norbert Röttgen Ute Berg Dr. Christian Ruck Petra Bierwirth Albert Rupprecht (Weiden) Lothar Binding (Heidelberg) Peter Rzepka Volker Blumentritt Anita Schäfer (Saalstadt) Gerd Bollmann Hermann-Josef Scharf Dr. Gerhard Botz Dr. Wolfgang Schäuble Klaus Brandner Hartmut Schauerte Willi Brase Dr. Annette Schavan Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Dr. Andreas Scheuer Edelgard Bulmahn Karl Schiewerling Marco Bülow Norbert Schindler Ulla Burchardt Georg Schirmbeck Martin Burkert Bernd Schmidbauer Dr. Michael Bürsch Andreas Schmidt (Mülheim) Christian Carstensen Ingo Schmitt (Berlin) Marion Caspers-Merk Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Peter Danckert Dr. Ole Schröder Dr. Herta Däubler-Gmelin Bernhard Schulte-Drüggelte Karl Diller Uwe Schummer Martin Dörmann Horst Seehofer Dr. Carl-Christian Dressel Kurt Segner Elvira Drobinski-Weiß Bernd Siebert Garrelt Duin Thomas Silberhorn Detlef Dzembritzki Johannes Singhammer Jens Spahn Siegmund Ehrmann Erika Steinbach Hans Eichel Christian Freiherr von Stetten Petra Ernstberger Gero Storjohann Karin Evers-Meyer Andreas Storm Annette Faße Max Straubinger Elke Ferner Thomas Strobl (Heilbronn) Gabriele Fograscher Michael Stübgen Rainer Fornahl Antje Tillmann Gabriele Frechen Dr. Hans-Peter Uhl Dagmar Freitag Arnold Vaatz Peter Friedrich Volkmar Uwe Vogel Sigmar Gabriel Andrea Astrid Voßhoff Martin Gerster Gerhard Wächter Iris Gleicke Marco Wanderwitz Günter Gloser Kai Wegner Renate Gradistanac Marcus Weinberg Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4037

Angelika Graf (Rosenheim) Thomas Oppermann Dieter Grasedieck Holger Ortel Monika Griefahn Heinz Paula Kerstin Griese Johannes Pflug Gabriele Groneberg Joachim Poß Achim Großmann Christoph Pries Wolfgang Grotthaus Dr. Wilhelm Priesmeier Wolfgang Gunkel Florian Pronold Hans-Joachim Hacker Dr. Sascha Raabe Bettina Hagedorn Mechthild Rawert Klaus Hagemann Steffen Reiche (Cottbus) Alfred Hartenbach Maik Reichel Michael Hartmann (Wackernheim) Gerold Reichenbach Nina Hauer Dr. Carola Reimann Hubertus Heil Christel Riemann-Hanewinckel Reinhold Hemker Walter Riester Rolf Hempelmann Sönke Rix Dr. Barbara Hendricks Rene Röspel Gustav Herzog Dr. Ernst Dieter Rossmann Petra Heß Karin Roth (Esslingen) Gabriele Hiller-Ohm Michael Roth (Heringen) Petra Hinz (Essen) Ortwin Runde Gerd Höfer Anton Schaaf Iris Hoffmann (Wismar) Axel Schäfer (Bochum) Frank Hofmann (Volkach) Bernd Scheelen Eike Hovermann Dr. Hermann Scheer Klaas Hübner Marianne Schieder Christel Humme Otto Schily Brunhilde Irber Silvia Schmidt (Eisleben) Johannes Jung (Karlsruhe) Renate Schmidt (Nürnberg) Josip Juratovic Dr. Frank Schmidt Johannes Kahrs Heinz Schmitt (Landau) Ulrich Kasparick Carsten Schneider (Erfurt) Dr. h.c. Susanne Kastner Olaf Scholz Ulrich Kelber Ottmar Schreiner Hans-Ulrich Klose Reinhard Schultz (Everswinkel) Dr. Bärbel Kofler Swen Schulz (Spandau) Fritz Rudolf Körper Ewald Schurer Karin Kortmann Frank Schwabe Rolf Kramer Dr. Angelica Schwall-Düren Anette Kramme Dr. Martin Schwanholz Ernst Kranz Rolf Schwanitz Nicolette Kressl Rita Schwarzelühr-Sutter Volker Kröning Wolfgang Spanier Angelika Krüger-Leißner Dr. Margrit Spielmann Dr. Hans-Ulrich Krüger Jörg-Otto Spiller Jürgen Kucharczyk Andreas Steppuhn Ute Kumpf Ludwig Stiegler Dr. Uwe Küster Rolf Stöckel Christine Lambrecht Christoph Strässer Christian Lange (Backnang) Dr. Peter Struck Dr. Karl Lauterbach Joachim Stünker Waltraud Lehn Dr. Rainer Tabillion Gabriele Lösekrug-Möller Jörg Tauss Dirk Manzewski Jella Teuchner Lothar Mark Dr. h.c. Wolfgang Thierse Caren Marks Jörn Thießen Katja Mast Franz Thönnes Hilde Mattheis Hans-Jürgen Uhl Markus Meckel Rüdiger Veit Petra Merkel (Berlin) Simone Violka Ulrike Merten Jörg Vogelsänger Dr. Matthias Miersch Dr. Marlies Volkmer Ursula Mogg Hedi Wegener Marko Mühlstein Andreas Weigel Detlef Müller (Chemnitz) Petra Weis Michael Müller (Düsseldorf) Gunter Weißgerber Franz Müntefering Gert Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Rolf Mützenich Dr. Rainer Wend Andrea Nahles Lydia Westrich 4038 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Dr. Margrit Wetzel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Andrea Wicklein Kerstin Andreae Heidemarie Wieczorek-Zeul Volker Beck (Köln) Dr. Dieter Wiefelspütz Cornelia Behm Engelbert Wistuba Birgitt Bender Dr. Wolfgang Wodarg Matthias Berninger Waltraud Wollf (Wolmirstedt) Alexander Bonde Heidi Wright Ekin Deligöz Uta Zapf Dr. Thea Dückert Manfred Zöllmer Dr. Ursula Eid Brigitte Zypries Hans Josef Fell Kai Gehring FDP Anja Hajduk Jens Ackermann Britta Haßelmann Dr. Karl Addicks Winfried Hermann Christian Ahrendt Peter Hettlich Daniel Bahr (Münster) Priska Hinz (Herborn) Uwe Barth Ulrike Höfken Rainer Brüderle Dr. Anton Hofreiter Angelika Brunkhorst Bärbel Höhn Ernst Burgbacher Thilo Hoppe Mechthild Dyckmans Ute Koczy Jörg van Essen Sylvia Kotting-Uhl Ulrike Flach Fritz Kuhn Otto Fricke Renate Künast Paul K. Friedhoff Undine Kurth (Quedlinburg) Horst Friedrich (Bayreuth) Markus Kurth Dr. Edmund Peter Geisen Monika Lazar Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Reinhard Loske Hans-Michael Goldmann Anna Lührmann Miriam Gruß Jerzy Montag Joachim Günther (Plauen) Kerstin Müller (Köln) Heinz-Peter Haustein Winfried Nachtwei Birgit Homburger Brigitte Pothmer Dr. Werner Hoyer (Augsburg) Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Elisabeth Scharfenberg Hellmut Königshaus Christine Scheel Gudrun Kopp Irmingard Schewe-Gerigk Jürgen Koppelin Dr. Gerhard Schick Heinz Lanfermann Rainder Steenblock Sibylle Laurischk Silke Stokar von Neuforn Harald Leibrecht Hans-Christian Ströbele Ina Lenke Jürgen Trittin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Wolfgang Wieland Markus Löning Josef Philip Winkler Horst Meierhofer Margareta Wolf (Frankfurt) Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Detlef Parr Cornelia Pieper Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 5 a und Gisela Piltz 5 b auf: Jörg Rohde Frank Schäffler a) – Zweite und dritte Beratung des von der Dr. Konrad Schily Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Marina Schuster eines Gesetzes zur Umsetzung Dr. Hermann Otto Solms europäischer Richtlinien zur Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Verwirklichung des Grundsatzes der Florian Toncar Gleichbehandlung Christoph Waitz – Drucksachen 16/1780, 16/1852 – Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein – Zweite und dritte Beratung des von den Dr. Volker Wissing Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Volker Beck (Köln) und der Fraktion des Martin Zeil BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4039

Umsetzung europäischer Antidis- Mechthild Dyckmans kriminierungsrichtlinien Sevim Dagdelen Jerzy Montag – Drucksache 16/297 – Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt je aa) Beschlussempfehlung und Bericht des ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke Rechtsausschusses (6. Ausschuss) und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen – Drucksache 16/2022 – vor. Über den Gesetzentwurf der Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen. Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Jürgen Gehb Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Christine Lambrecht die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Mechthild Dyckmans Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Sevim Dagdelen Dann ist das so beschlossen. Jerzy Montag Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Rednerin der Bundesministerin Brigitte Zypries das Ausschuss) gemäß § 96 der Wort. Geschäftsordnung – Drucksache 16/2024 – Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Berichterstattung: Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir Abgeordnete Lothar Binding dieses Projekt heute zum Abschluss bringen (Heidelberg) können. Dr. Ole Schröder Dr. Claudia Winterstein (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Roland Claus BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Anna Lührmann Alle die, die am Gesetzgebungsverfahren beteiligt b) Beratung der Beschlussempfehlung und des waren, haben erkannt, dass es eine besondere Berichts des Rechtsausschusses (6. Eilbedürftigkeit gibt. Wenn wir diesen Ausschuss) Gesetzentwurf heute verabschieden, dann besteht die begründete Hoffnung, dass er noch vor der – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Sommerpause im Bundesrat beraten wird. Mit Seifert, Karin Binder, Sevim Dagdelen, anderen Worten: Der europarechtliche weiterer Abgeordneter und der Fraktion Umsetzungsdruck, unter dem wir gestanden der LINKEN haben, wird sich auflösen. Dafür möchte ich EU-Antidiskriminierungsrichtlinien denjenigen, die sich an den Verhandlungen mit durch einheitliches Nachdruck beteiligt und dafür gesorgt haben, dass Antidiskriminierungsgesetz wirksam wir in der Koalition eine Einigung finden konnten, und umfassend umsetzen danken. Ich gebe zu: Es war schwierig, mit dem Druck, der sich hinsichtlich der Umsetzung aufge- – zu dem Antrag der Abgeordneten baut hatte, umzugehen. Es war insbesondere Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck schwierig, so etwas wie eine rationale Debatte zu (Köln), Markus Kurth, weiterer führen. Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Viele Kritiker haben unseren Gesetzentwurf leider offenbar nicht richtig zur Kenntnis Keine Ausgrenzung beim genommen. Ich muss gestehen, dass mich die Antidiskriminierungsgesetz ideologische Schärfe, mit der die Debatte um – zu dem Antrag der Abgeordneten diesen Gesetzentwurf geführt wurde, schon oft Mechthild Dyckmans, Sabine verblüfft hat. Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg van (Beifall bei der SPD) Essen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Es ist schade, dass es mit vielen Vertretern von NGOs, von Verbänden und Vereinen in unserem Bürokratie schützt nicht vor Lande offensichtlich keine politische Streitkultur in Diskriminierung – Allgemeines dem Sinne gibt, dass man anerkennt – auch Gleichbehandlungsgesetz ist der nachdem ein Thema wie dieses Gegenstand von falsche Weg Wahlkämpfen war –, dass man aus – Drucksachen 16/370, 16/957, 16/1861, Rechtsgründen handeln muss. Diese Erkenntnis 16/2022 – hat sich mittlerweile langsam, aber sicher durchgesetzt. Anscheinend konnte man diesen Berichterstattung: Gesetzentwurf nicht früher zur Kenntnis nehmen Abgeordnete Dr. Jürgen Gehb und sagen: Hier muss jetzt gehandelt werden; das, Christine Lambrecht was darin steht, ist so schlimm nicht. Der Kollege 4040 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Bosbach hat gesagt – seine Worte sind mir noch Jetzt haben wir für die übrigen Merkmale, also im Ohr –: Jedem Zweiten, der mich anrief und sich Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter und beschwert hat, konnte ich sagen: Schau doch sexuelle Identität, klargestellt: Eine dauerhafte einmal ins Gesetz; dann wirst du sehen, dass da Vermietung einer Wohnung ist in der Regel kein etwas ganz anderes steht. Massengeschäft, wenn der Vermieter nicht mehr als 50 Wohnungen in seinem Bestand hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Lachen des Abg. Martin Zeil [FDP])

Ob diese Klarstellung wirklich so nötig gewesen Es ist in der Tat schwierig gewesen, hier zu wäre, sei dahingestellt. einem Konsens zu kommen. Die Änderungen, die wir jetzt noch vorgenommen haben, sind im Ein anderer Punkt, der für Unruhe sorgt, ist die Großen und Ganzen auf ebendiese Tatsache Änderung des § 2 Abs. 4 in Art. 1. Im Entwurf der zurückzuführen. Sie lassen den Gesetzentwurf im Bundesregierung heißt es da: Kern unberührt, führen jedoch an vielen Stellen zu Für Kündigungen gelten vorrangig die durchaus erwünschten Klarstellungen. Bestimmungen des (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Kündigungsschutzgesetzes. NEN]: Ob das klarer ist, ist die Frage!) Nun soll es heißen: Lassen Sie mich die wichtigen Punkte nennen: Für Kündigungen gelten ausschließlich die Entgegen manchen Berichten wird das Bestimmungen zum allgemeinen und Klagerecht des Betriebsrats und der im Betrieb besonderen Kündigungsschutz. vertretenen Gewerkschaften keineswegs (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE gestrichen. Wir stellen ausdrücklich klar, was sich GRÜNEN]: Bezeichnend! Das Recht der aus dem Verweis auf das Betriebsverfas- EU-Richtlinien verlangt etwas anderes!) sungsgesetz im Wesentlichen ohnehin schon ergab, dass dieses Klagerecht nur bei Betrieben – Genau. Jetzt wissen alle ausgebildeten Juristen mit mindestens fünf Beschäftigten und auch nur wie der Kollege Beck zum Beispiel, bei groben Verstößen des Arbeitgebers greift. Das (Fritz Rudolf Körper [SPD]: Ist er doch gar ist auch im Betriebsverfassungsgesetz so der Fall. nicht! – Gegenruf des Abg. Jerzy Montag (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er weiß es Kastner) trotzdem!) Wir stellen außerdem ausdrücklich klar, dass dass das Diskriminierungsverbot des europäischen weder Betriebsrat noch Gewerkschaften Rechts natürlich sowieso gilt, also auch hier. Ansprüche eines Benachteiligten im Wege der Selbstverständlich gelten das Prozessstandschaft geltend machen können. Kündigungsschutzgesetz sowie die besonderen Diese Einschränkung ist sinnvoll und richtig, aber Kündigungsschutzregeln des Mutterschutzes, sie war bei vernünftiger Auslegung der Be- des Arbeitsplatzschutzgesetzes, des Neunten stimmung auch schon im Entwurf enthalten. Buches Sozialgesetzbuch, des Bundespersonalvertretungsgesetzes oder des (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bundesdatenschutzgesetzes. Selbstverständlich Es wird darüber hinaus klargestellt, dass bei gelten sie alle. Selbstverständlich sind sie, wie privaten Vermietungen von Wohnraum die freie auch ansonsten in der Rechtsanwendung, Mieterauswahl durch das Allgemeine europarechtskonform auszulegen. Gleichbehandlungsgesetz grundsätzlich nur (Beifall bei Abgeordneten der SPD) insoweit eingeschränkt werden wird, wie dies die Richtlinien verlangen. Auch das war nach dem Es geht hier also nicht darum, dass wir Regierungsentwurf so; denn im Regierungsentwurf irgendwelche Garantien abschaffen wollen, war immer nur von Massengeschäften die Rede. sondern es geht in jedem Fall um die Frage: Was Massengeschäfte – das habe ich schon bei der können wir möglichst klar auslegen mit dem Ziel, ersten Lesung hier erklärt – sind Geschäfte, bei diese ideologisch überwölbte Debatte – darauf denen jemand eine Vielzahl von Angeboten an muss ich jetzt leider noch einmal eingehen – auf eine unbestimmte Vielzahl von Menschen macht den Boden der Tatsachen zu holen? Dem dienen und gerade kein Interesse daran hat, mit wem er die Änderungen, die noch ausgehandelt worden den Vertrag abschließt – Hauptsache, die Person sind. zahlt. Das alles haben wir schon durchdekliniert. Das gilt auch für die Neuregelung, die wir noch Wenn man das zugrunde legt, muss man sagen: ausführlich erläutern werden, nämlich die Vermietungen sind in dem Moment, wo man ein Regelung zur Beweislast. Wir von der Interesse daran hat, wer der Mieter ist, ohnehin Bundesregierung hatten gesagt: Es ist sinnvoll, an keine Massengeschäfte. einen bestehenden Gesetzestext, nämlich § 611 a BGB, anzuknüpfen; dazu gibt es jahrzehntelange Rechtsprechung. Jetzt haben wir einen neuen Be- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4041 griff eingeführt, den der Indizien. Wir werden durch der, als der Gesetzentwurf in der letzten Erläuterungen klar machen, dass es im Grunde um Wahlperiode schon einmal vorgelegt wurde, sagte, dasselbe geht. Ich bin mir sicher, dass die da haben sich Gutmenschen ausgetobt. Rechtsprechung in der Lage sein wird, diese (Beifall bei der FDP) Auslegung auch hinzubekommen. Es wäre ohne weiteres möglich – die Länder Ich will am Ende vor lauter Details nicht das haben dazu im Bundesrat einen entsprechenden Grundanliegen des Gesetzes außer Acht lassen. Beschluss gefasst; die Gesetzentwürfe liegen vor Wir haben in Deutschland eine freiheitliche und –, das von der Europäischen Union vorgegebene tolerante Gesellschaft. Wann, wenn nicht jetzt, Recht eins zu eins umzusetzen. Dieses Ziel steht wäre das besonders zu spüren? Wir haben eine auch in Ihrer Koalitionsvereinbarung. Umso Gesellschaft, in der möglichst jeder nach seiner absurder ist es, dass Sie selbst den Fasson selig werden sollte. Aber – das habe ich Koalitionsvertrag brechen und Deutschland mehr auch schon bei der ersten Lesung hier gesagt – es Bürokratie verordnen. Das ist ein klassischer gibt noch Diskriminierung in Deutschland. Insofern Fehler aus Sicht der Fraktion der Freien ist es richtig, wenn wir uns darauf verständigen, Demokraten. dass der Staat Toleranz zwar nicht verordnen, aber sehr wohl durch seine Rechtsordnung (Beifall bei der FDP) deutlich machen kann, dass er Intoleranz Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man missbilligt und für die Betroffenen Möglichkeiten Minderheiten mit dem Gesetz helfen würde. Das schafft, sich dagegen zu wehren. Das tun wir mit einzige Ergebnis wird sein, dass diejenigen, die es dem Gesetzentwurf; das tun wir effektiv und betrifft, gar nicht mehr zu Vorstellungsgesprächen unbürokratisch. Zur unbürokratischen Umsetzung eingeladen werden, weil man Angst davor hat, dient auch die Vorschrift, mit der über die Richtlinie eine Klagewelle abwehren zu müssen und dafür hinausgegangen wird, um das auch ganz klar zu einer Dokumentationspflicht zu unterliegen. sagen, und mit der nur eine Anlaufstelle Wenn Sie es mir nicht glauben, glauben Sie es vorgesehen wird, von der aus die Beschwerden Angela Merkel. Genau das hat sie in der letzten dann verteilt werden. Sie sehen, es kann durchaus Legislaturperiode vor ihrer Metamorphose immer auch sachgerechte Regelungen geben, die über und immer wieder vertreten. eine Eins-zu-eins-Umsetzung hinausgehen. (Beifall bei der FDP – Zurufe des Abg. Volker Ich danke für die Aufmerksamkeit. Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Jetzt gehen wir noch einmal auf das ein, was der CDU/CSU) Sie konkret sagen. Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen von der Union, die Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Begeisterung über diesen Gesetzentwurf ist in Das Wort hat der Kollege Dr. Guido Ihren Gesichtern abzulesen. Wir erleben hier jetzt Westerwelle, FDP-Fraktion. einen bemerkenswerten Kuhhandel, den wir so (Beifall bei der FDP) vorher noch nicht kannten: Sie, verehrte Kollegin- nen und Kollegen von der Union, müssen heute diesem Unsinn zustimmen, damit es morgen bei Dr. Guido Westerwelle (FDP): der Abstimmung über die Föderalismusreform Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen nicht zu viele Abweichler bei den und Herren! Wir Freien Demokraten werden Sozialdemokraten gibt. Es geht Ihnen gar nicht diesen Gesetzentwurf ablehnen. mehr um die Sache. Es geht Ihnen nur noch da- (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Wider- rum, dass die Koalition diese Woche einigermaßen spruch bei der SPD) übersteht. Wir sind der Überzeugung: Dieses von Ihnen (Beifall bei der FDP) umgetaufte Gesetz wird den Minderheiten nicht helfen, sondern schadet ihnen. Es wird mehr Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Bürokratie bringen und damit Arbeitsplätze kosten. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage Es ist auch ein glatter Wortbruch zu dem, was Sie des Kollegen Beck? vor der Wahl Ihren Wählern versprochen haben. (Beifall bei der FDP) Dr. Guido Westerwelle (FDP): Ja, selbstverständlich, Herr Beck, bitte gerne. Wir werden deutlich machen, dass das Gesetz Es ist mir immer wieder eine Freude. weit über das hinausgeht, was uns seitens des EU-Rechts in der Tat umzusetzen aufgegeben war. Deswegen war die gemeinsame Haltung Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE übrigens nicht nur von Union und FDP, sondern GRÜNEN): auch von führenden Sozialdemokraten ablehnend. Herr Kollege Westerwelle, vielen Dank für die Das ging von Herrn Clement über Herrn Schily bis Großzügigkeit. Bezüglich des Kuhhandels stimme zum Oberbürgermeister von München, Herrn Ude, ich Ihnen zu. 4042 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Zuruf von der SPD: Muh!) das musste auch von Ihnen in dieser Diskussion erfragt werden. Das ist sicherlich die Verlaufsform dieser Gesetzesgenese. Bezüglich des Arguments, das (Beifall bei der FDP – Jerzy Montag [BÜND- Sie gerade gegen das Gesetz angeführt haben, NIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!) habe ich eine Verständnisfrage. Das war zwingend, Herr Kollege, absolut zwingend. Das ist schon bemerkenswert. Dr. Guido Westerwelle (FDP): Bitte, gerne. Ich kann Ihnen sagen, warum ich das Klagerecht und die Dokumentationspflicht angreife und warum ich das für falsch halte. Das Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE Klagerecht der Gewerkschaften wurde nicht GRÜNEN): abgeschafft Es geht darum, ob in Zukunft im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht eine (Christine Lambrecht [SPD]: Gott sei Dank!) Klagewelle droht und Dokumentationspflichten – Sie rufen: Gott sei Dank! Ich hoffe, Sie von der zu erfüllen sind. Im Gesetz steht ja nichts anderes, CDU/ CSU haben gehört, was Ihr Koalitionspartner als dass zukünftig für die Kriterien Rasse, gesagt hat: Gott sei Dank! Das Klagerecht für die ethnische Herkunft, Alter, Behinderung, sexuelle Gewerkschaften ist eben nicht abgeschafft Identität und Religion nichts anderes gilt als das, worden. Es kann weiterhin wegen grober Verstöße was seit 25 Jahren gemäß § 611 a BGB für das geklagt werden. Das, was dann in der Diskussion Kriterium Geschlecht gilt. Die dortige bewertet wird, ist der unbestimmte Rechtsbegriff Beweislastregel war im Gesetzentwurf der „grob“: Ist es ein solcher Verstoß, der an- früheren rot-grünen Bundesregierung eins zu eins genommen und behauptet wird, oder nicht? Eine vorgesehen. Alle Arbeitgeber haben in der Ver- solche Klagewelle wird dem Mittelstand schaden, gangenheit entweder Männer oder Frauen den Betroffenen nicht helfen und Arbeitsplätze eingestellt. Da werden Sie mir zustimmen. Tertium kosten. non datur, sagt man da. (Beifall bei der FDP sowie bei (Zuruf: Überwiegend!) Abgeordneten der CDU/CSU – Jerzy – Überwiegend? Entweder – oder. Wenn das so Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: war, dann hat man entweder Frauen oder Männer Unsinn!) nicht eingestellt. Deshalb konnten entweder Darauf müssen Sie sich einstellen. Frauen oder Männer klagen, weil sie nicht eingestellt wurden. Das Problem mit der Herr Kollege Beck, nun kann ich auch Dokumentationspflicht ändert sich nicht dadurch, verstehen, dass Sie mit diesem Gesetz besonders dass der Gesetzentwurf jetzt auch Heterosexuelle zufrieden sind und freudig dieses hier verteidigen. oder Homosexuelle, Alte oder Junge, Behinderte Es stammt doch aus Ihrer Feder. Ehre, wem Ehre oder Nichtbehinderte betrifft. gebührt! (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege, Sie sollen jetzt keine Rede halten, Was ich nicht für möglich gehalten habe und sondern Ihre Frage beenden. was wir heute im Gesetzgebungsverfahren erleben, ist gewissermaßen eine Art Wiederkehr (Beifall bei der CDU/CSU) der grünen Untoten. (Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD, Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE an die FDP gewandt: Für Untote seid ihr GRÜNEN): zuständig!) Da das immer wieder vorgebracht wird, muss man es meiner Meinung nach illustrieren, auch Nicht dass Sie meinen, das sei alles oppositionelle damit man die Frage versteht. Polemik. Bitte machen Sie mir die Freude, verehrte Abgeordnete der Union, und nehmen Sie einfach Erklären Sie mir bitte, warum ein Kriterium seit den von der Bundesregierung uns hier vorgelegten 25 Jahren zu keinen Problemen geführt hat und Gesetzentwurf zur Hand, über den wir heute die Tatsache, dass weitere Kriterien dazukommen entscheiden wollen, und lesen Sie in der und die gleiche Regel angewandt wird, einen Wust Begründung auf Seite 25, in Abschnitt 2, § 18. Ich an Dokumentationspflichten hervorruft. darf verkürzt zitieren:

Dr. Guido Westerwelle (FDP): Der Gesetzentwurf … erfüllt das in der Ich möchte zunächst einmal die Frage, die Sie Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober 2002 mir unter vielen gestellt haben, nämlich die Frage, verabredete Ziel … ob ich Ihnen zustimme, dass man entweder in der (Heiterkeit und Beifall bei der FDP) Vergangenheit Männer oder Frauen eingestellt hat, uneingeschränkt bejahen, Herr Kollege. Ich finde, Herzlichen Glückwunsch an Schwarz-Rot, dass Sie jetzt sogar die rot-grüne Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4043

Koalitionsvereinbarung heute zur Grundlage Ihrer Rechtsausschuss. Sie meinen, Sie seien jetzt politischen Arbeit machen! durch. Aber wenn aus einem saudummen Gesetzentwurf ein dummer Gesetzentwurf wird, ist (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ das kein Fortschritt; das Ganze bleibt immer noch DIE GRÜNEN) dämlich, meine sehr geehrten Damen und Herren. Herzlichen Glückwunsch, meine Damen und (Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei Herren Abgeordneten! Da wählt Deutschland die Abgeordneten der CDU/CSU) Grünen ab, und ihr bleibt immer noch im Geiste auf der Regierungsbank. Es ist ein Drama! Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich Es ist so schön!) dem Kollegen Jerzy Montag. Nun kommen wir, weil Frau Zypries unseren spät berufenen Juristen zitiert hat, zu zwei Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): bemerkenswerten Akten der Rechtsgeschichte. Danke, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Heute werden im Justizministerium die Fenster Westerwelle, nachdem Sie meine Zwischenfrage verhangen. Davon kann man ausgehen. Da sitzen nicht gestattet haben, erlaube ich mir folgende lauter Prädikatsjuristen, die fangen bei dem, was Klarstellung: Ich habe mich sehr darüber gefreut, Sie heute vorgelegt haben, an zu weinen. Da ich wie Sie – das ist auch völlig rich-tig – dargestellt das selber in der Tat einmal studiert habe – nicht haben, dass das Gesetz, das wir heute Soziologie, was ein großartiges Studium ist –, beschließen, in wesentlichen Zügen dem Antidiskriminierungsgesetz der letzten (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Regierungsperiode gleicht, das aus rot-grüner NEN]: Was man immer noch als Mangel Feder stammte. Aber ich bitte Sie doch, zur bemerkt!) Kenntnis zu nehmen, dass der von Ihnen hier möchte ich noch einmal auf einen Punkt eingehen, vorgetragene neue Art. 1 § 22, in dem es nunmehr den Sie uns erklären müssen, Frau tatsächlich heißt, dass Indizien bewiesen werden Justizministerin. Jetzt heißt es in Art. 1 § 22 – das sollen, die dann eine Vermutung begründen, eine ist das Neue, deswegen stimmen Sie dem zu –: Änderung darstellt, zu der die Grünen nie fähig „Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien gewesen wären. beweist …“. Es ist ein wirklich großartiger, in der (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rechtsgeschichte einmaliger Kunstgriff, den und bei der FDP) Indizienbeweis einzuführen. Jetzt führen wir den Indizienbeweis im Zivilrecht ein. Herzlichen Das stammt nicht aus unserer Feder; dafür Glückwunsch, Frau Justizministerin! Sie sind zu übernehmen wir keinerlei Verantwortung. intelligent für so einen Schwachsinn, Frau Kollegin! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) (Beifall bei der FDP – Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich Dr. Guido Westerwelle (FDP): zu einer Zwischenfrage) Herr Kollege Montag, hätte ich gewusst, dass Sie diese Zwischenfrage stellen wollten, wäre es – Nein, jetzt ist Schluss. Ich will jetzt nicht mehr. mir eine Freude gewesen, sie zuzulassen. Ich komme zu einem weiteren Punkt, der an Ansonsten möchte ich Ihnen feierlich versichern: dieser Stelle erwähnt werden muss: Auch ein Ich nehme es dankbar zur Kenntnis. neuer Schwellenwert ist Ihnen eingefallen – (Beifall bei Abgeordneten der FDP) 50 Wohnungen! Wo gab es bisher so etwas im Bürgerlichen Gesetzbuch? Das ist bemerkenswert; Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: das ist wirklich großartig. 50 Wohnungen – was Nächster Redner ist der Kollege Dr. Jürgen heißt das im Klartext? Verehrte Zuschauerinnen Gehb, CDU/CSU-Fraktion. und Zuschauer, unter 50 Wohnungen darf man in Deutschland diskriminieren, danach nicht mehr. (Beifall bei der CDU/CSU – Jürgen Koppelin Was für ein Fortschritt; Rechtsgeschichte [FDP]: Da freuen wir uns schon!) schreiben Sie hier! (Beifall bei der FDP) Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Ich will schließen, weil ich auch in der ersten lebe gern in diesem Land und ich bin stolz auf Lesung dazu schon gesprochen habe. Sie werden dieses Land, und dies nicht nur vor dem keinem Behinderten, keiner Lesbe, keinem Hintergrund der Lebensfreude der Menschen und Schwulen, keiner diskriminierten Minderheit helfen. der Gastfreundschaft, die wir alle während dieser Sie werden ihnen schaden und Sie schaffen mehr Tage der Fußballweltmeisterschaft erleben. Ich bin Bürokratie. Jetzt haben Sie nachgebessert, und stolz wegen unserer Rechtsordnung und auf zwar vorgestern und dann gestern im unsere Rechtsordnung, die einen 4044 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 ausdifferenzierten Schutz auch und gerade für die mich anders sagen: Nicht alles, was dem Staat in Schwachen und Benachteiligten unserer seiner Beziehung zu den Bürgern untersagt ist, ist Gesellschaft schon heute de lege lata vorhält. auch den Bürgern untereinander untersagt und verboten. Um es ganz deutlich zu sagen: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Privatautonomie und Vertragsfreiheit beinhalten neten der FDP) nachgerade das Recht auf Subjektivität und Bei aller Freude weiß ich aber auch, dass wir in Rechtfertigungsfreiheit und auch auf Willkür, unserem Land nicht in einem Paradies auf Erden nämlich dann, wenn ich einem anderen etwas leben und dass es Ressentiments und Vorurteile nicht verkaufen will. gibt. Vielleicht war es deshalb ein Anliegen (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Europas – ungeachtet bereits bestehender Aber nicht auf Diskriminierung!) nationaler Schutzgesetze –, mit dem Erlass von vier Richtlinien ein Zeichen gegen nahezu jede Das war bisher Bestandteil unserer Form von Ungleichbehandlung zu setzen. kontinentaleuropäischen Rechtsordnung. Wir alle, die wir Jura studiert hatten, haben das so gelernt. Selbstverständlich sind wir als Gesetzgeber Diese Rechtsordnung droht jetzt durch die gehalten, entsprechende völkerrechtliche europäischen Richtlinien zu kippen. Aber nicht nur Übereinkommen, die von unserem Land ratifiziert durch sie: Denn auch durch das Implantieren von wurden, oder entsprechende Richtlinien der EU immer mehr angloamerikanischen Rechtsformen in nationales Recht umzusetzen, ob einem das bei uns steigt das Risiko, dass unser historisch gefällt oder nicht. Ich glaube, es gibt kaum einen in gewachsenes, aus dem römischen Recht – ich diesem Haus, der so dagegen, insbesondere liebe es so – kommendes Recht auf den Kopf gegen die Richtlinien, gewettert hat wie ich. gestellt wird. Dem müssen wir schon in statu Dennoch müssen wir sie umsetzen. nascendi entgegenwirken. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Nun gibt es Regeln zum Schutz der Abgeordneten der FDP und des Abg. Olaf Menschen, die überhaupt nicht streitig sind. Dazu Scholz [SPD]) gehören die geradezu klassischen Schutz- und An dieser Stelle, an der ich die Privatautonomie Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat. beleuchtet habe, geht es nicht um irgendwelche Aber auch viele einschlägige Regeln im juristischen Petitessen, sondern um sehr Arbeitsrecht sind uns wohl vertraut. Frau Ministerin grundsätzliche Fragen und Auffassungen – ja, es Zypries hat soeben eine Reihe von Beispielen geht klar um weltanschauliche Fragen. Mit den genannt: Kündigungsschutzgesetz, Richtlinien soll unserer Gesellschaft Mores gelehrt Betriebsverfassungsgesetz und werden. Genau darum geht es. Viele Menschen Mutterschutzgesetz. Eigentlich ist Deutschland der waren beispielsweise empört – ich verstehe diese völlig falsche Adressat für eine solche Richtlinie. Empörung –, weil sie sich schon durch die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/ CSU – Ina Antidiskriminierungsrichtlinien und erst recht durch Lenke [FDP]: Na also!) deren bisher geplante Umsetzung in ihren ureigenen Freiheitsrechten beschnitten fühlten. Manches ist bei der Umsetzung der vier EU- Richtlinien zur Gleichbehandlung völlig unstreitig Lassen Sie mich das an einem heute schon und deckt sich auch mit dem, was wir schon jetzt wiederholt angesprochenen Beispiel klar machen. haben. Manch anderes allerdings ist weitaus Jemand, der vier oder fünf Wohnungen besitzt, weniger unstreitig, sondern – im Gegenteil – versteht es einfach nicht – er empfindet es höchst umstritten. Allerdings muss man das geradezu als diskriminierend –, dass ihm die Parlament nicht zum Panoptikum machen und mit Freiheit bei der Auswahl seiner Mieter genommen sicherem Auftreten bei zum Teil völliger Ah- wird. nungslosigkeit, Herr Westerwelle, sozusagen den (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zampano spielen. Das hat nie jemand gemacht!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Nur in dem Haus, in dem er selbst wohnt, sollte er Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE völlig autonom in der Auswahl seiner Mieter sein. GRÜNEN]: Das ist wahr! – Dr. Guido Wenn es nach dem Antrag der Linken heute geht, Westerwelle [FDP]: Jetzt werde ich soll ihm selbst das noch genommen werden. Das diskriminiert!) ist quasi der Eingriff total in die Privatsphäre. Nicht zufällig entzündete sich die öffentliche Als Christdemokraten sagen wir zu einem Debatte gerade an den Stellen und auf den solchen Weltbild des Übervaters Staat schlicht und Rechtsgebieten, die in unserem Land bisher aus einfach Nein, Nein und nochmals Nein. Wir wollen guten Gründen weitgehend regelungsfrei waren. nicht den totalen Staat, der bis in die letzten Ecken Unsere Rechtsordnung geht von der alles regelt. grundsätzlichen Trennung und Unterscheidung von Staat und Gesellschaft aus. Lassen Sie es (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4045

Um noch einmal das Beispiel von der Gesetzes überflüssige – wenn auch nicht alle – Wohnungsvermietung aufzugreifen: Ich bin zwar Belastungen für die Wirtschaft und das nicht gerade froh, aber fast zufrieden, dass wir Rechtsleben verhindert werden. Dies ist mir mit heute den Tausenden von Privatvermietern Blick auf meine Redezeit von dieser Stelle aus insoweit Entwarnung geben können – jetzt bitte gut versagt. Ich verweise insofern auf die ausführliche zuhören –, als mit Ausnahme der zwingenden Berichterstattung der letzten Tage und Wochen, Umsetzung von europäischen Vorgaben – das gilt die allerdings nicht selten von besonderem Mangel unabhängig von den Mehrheiten in diesem Hause, an Sachkunde geprägt war. Wir merken immer auch wenn die CDU/CSU, was manche wieder: Je höher der Mangel an Sachkunde ist, befürchten, was aber im Moment nicht zu desto leichter lässt es sich polemisch-politisch befürchten ist, mit einer dicken Mehrheit regieren diskutieren. würde – (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das ist wirklich der SPD) nicht zu befürchten!) Insofern sollten Sie das Gesetz auch einmal lesen. die Vertragsfreiheit in der jetzigen Fassung des Jedenfalls bin ich dankbar dafür, dass wir in Gesetzes weitgehendst gewahrt bleibt. Wir haben einem langen Prozess des gegenseitigen nämlich durch eine gesetzliche Auslegungshilfe, Annäherns und Verstehens in der Koalition nun zu die Sie eben sehr flapsig persifliert haben, Herr einem nicht geliebten, aber tragfähigen Westerwelle, und durch die Definition des Kompromiss gefunden haben. Es liegt nun einmal Massengeschäftes im Bereich des Mietrechts, in der Natur der Sache, dass jeder Kompromiss nach der der Anwendungsbereich dieses Gesetzes nach der eigenen Auffassung immer nur die – wie gesagt: mit einer einzigen Ausnahme, zweitbeste Lösung ist. Da es im Regelfall aber nämlich für das Merkmal Rasse/Ethnie; das ist keine Alleinregierung gibt, lebt jede Koalition – und durchgehend im Arbeits- und Zivilrecht dies in jeder Zusammensetzung – davon, umzusetzen; da kann man sich noch so stark Kompromisse zu schließen. Dies ist eigentlich ein echauffieren, das wäre auch mit Ihnen nicht an- einfacher Zusammenhang. Trotzdem meine ich, ders gegangen – erst bei Vermietung von mehr als dass man ihn ab und zu in Erinnerung rufen muss. 50 Wohnungen eröffnet wird, die Erstreckung des Gesetzes auf private Vermieter in aller Regel In der Haushaltsdebatte der vergangenen ausgeschlossen. Was ist daran eigentlich so Woche habe ich den Wunsch ausgesprochen, schlimm? Wir haben auch bei der dass ein vernünftiger Umgang zwischen Bundesrat Entfernungspauschale eine Grenze von 20 Kilome- und Bundestag dazu führen sollte, dass sich tern. dieses Haus die konkreten Bedenken der Länderkammer ansehen, sie ernst nehmen und (Lachen bei der FDP) sich mit ihnen beschäftigen sollte. Das hat es auch – Moment einmal! Einige werden am Samstag vor getan. Nun muss man sagen, dass aus diesem einer Wahl 18 Jahre alt und andere wiederum Gesetz wahrlich kein gutes, werden erst am Montag nach der Wahl 18 Jahre (Beifall bei der FDP – Jerzy Montag alt. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, Jegliche Zahlen, alle Begrenzungen haben immer noch ein gutes! Sonst könnten wir immer immanent etwas Willkürliches, wie gar nicht zustimmen!) beispielsweise auch das Spielfeld auf dem aber ein immerhin tragfähiges Gesetz geworden Fußballfeld. Warum gibt es einen 16-Meter-Raum ist. Wenn wir bei der Verabschiedung von und keinen 18-Meter-Raum? Irgendeine Zahl muss Gesetzen nur nach der Güte gehen würden, der Gesetzgeber nehmen. müsste man auch so manches andere Gesetz (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Guido unterlassen. Deswegen werden wir zustimmen, Westerwelle [FDP]: Aber nicht auf dem einige natürlich mit geballter Faust in der Tasche. Fußballfeld! Finger weg vom Fußball!) Jetzt will ich, wohl wissend, dass ich nicht wie Aus guten Gründen haben wir auch für die Cato mit dem Ausspruch „Ceterum censeo großen Wohnungsbaugesellschaften vereinbart, cartaginem esse delendam“ im Senat in die dass diese zur Einhaltung und Schaffung sozial Geschichtsbücher eingehen werde, enden und stabiler Bewohnerstrukturen einen Freiraum sagen, wie ich das immer tue: Wir sollten in behalten sollen. Um es deutlich zu sagen: Ihr Ansehung des Beispiels AGG in Zukunft bereits Bemühen, Gettos zu verhindern oder bei der Entstehung von Richtlinien, die uns hinter- aufzubrechen, soll nicht durch ein Gesetz her häufig dazu zwingen, solche Debatten zu konterkariert werden. führen, aufpassen und uns davor hüten, am Ende in der Ratifizierungsfalle zu sitzen und bloß noch Diese Entschärfungen und Korrekturen sind gut die Vollstreckungsgehilfen der europäischen und sinnvoll. Es wäre mir ein Leichtes, Ihnen Beamten zu sein. detailliert weitere Änderungen aufzuzählen, mit denen nun in der vorliegenden Fassung des Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. 4046 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei feststellten, Frau Ministerin Zypries, die im Abgeordneten der SPD – Dr. Guido Gesetzentwurf vorgesehene Beweiserleichterung Westerwelle [FDP]: Ergo vivamus!) lehnt sich an die jetzt schon bestehende Regelung des § 611 a BGB an. Sie haben jedoch vergessen, Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: zu sagen, dass diese Regelung in 25 Jahren zu Nächste Rednerin ist die Kollegin Sevim lediglich 112 Gerichtsprozessen geführt hat. Daher Dagdelen, Fraktion Die Linke. ist es unseres Erachtens zwangsläufig geboten, den Betroffenen nicht die Last aufzubürden, etwas (Beifall bei der LINKEN – Dr. Guido beweisen zu müssen, was ihrer Wahrnehmung Westerwelle [FDP]: Frau Präsidentin, das schlichtweg entzogen ist. Das ist kein schlüssiges mit dem Pult ist eine Diskriminierung!) Konzept, das sich an den Problemen der Menschen orientiert, sondern ein Konzept nach Sevim Dagdelen (DIE LINKE): den Vorgaben der Wirtschaft. Frau Präsidentin! Herr Westerwelle! (Beifall bei der LINKEN) (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP) Die Fraktion Die Linke fordert deswegen in Sehr geehrte Damen und Herren! Heute soll das ihrem Antrag unter anderem eine Gesetz zur Umsetzung der Beweislastumkehr und die Einführung eines Antidiskriminierungsrichtlinien der EU beschlossen umfassenden Verbandsklagerechts. werden. Leider ist dies tatsächlich kein guter Tag (Beifall bei der LINKEN) für die von Diskriminierung betroffenen Menschen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat Wenn ich eines ganz kurz anmerken darf, Herr dieses Argument in einer Stellungnahme einmal Westerwelle: Auch meine Fraktion wird das Gesetz mehr festgehalten: Eine interne Auswertung der ablehnen, aber nicht, weil aus einem saudummen deutschen Rechtsprechung habe gezeigt, dass die Gesetz ein dummes Gesetz geworden ist, sondern verschiedenen Betroffenengruppen bei der deswegen, weil aus einem alltagsuntauglichen gerichtlichen Geltendmachung höchst Gesetz ein schlechtes Gesetz geworden ist. Mit unterschiedlich repräsentiert sind. Obwohl gerade den in den letzten Tagen durchgepeitschten Migrantinnen und Migranten, schwarze Deutsche Änderungen hat man nämlich eines klargestellt: wie schwarze Nichtdeutsche massiv von Der großen Koalition liegt wenig daran, den Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt, in der Betroffenen ein alltagstaugliches Instrument gegen Bildung oder im Bereich des Wohnungsmarktes Diskriminierung an die Hand zu geben. Sie hat betroffen sind, haben gerade diese Gruppen bei lediglich eines geschafft: die Rechte der Einzelnen der gerichtlichen Durchsetzung die wenigsten den Interessen der Wirtschaftsverbände und der Chancen. Ein Verbandsklagerecht würde dieses Unternehmen zu opfern. Ungleichgewicht ausgleichen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Das Gesetz leidet im Wesentlichen darunter, Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE dass das zunächst aufgestellte GRÜNEN]) Benachteiligungsverbot durch Einschränkungen Ferner haben Sie, meine Damen und Herren vor sogleich wieder abgeschwächt worden ist. Lassen allen Dingen der Union, erreicht, dass bei Sie mich das an einem Beispiel darstellen: Sie Kündigungen der Diskriminierungsschutz des haben den größten Teil des Wohnungsmarktes – Gesetzes nicht mehr gilt. Damit streichen Sie für über 50 Prozent – aus dem Diskriminierungsverbot die Betroffenen die Möglichkeit, gegen auf für Wohnungsvermieter herausgenommen. Diskriminierung angelegte Kündigungen nach dem (Beifall bei der CDU/CSU) AGG zu klagen und die entsprechenden Rechtsfol- gen wie Schadenersatz einzufordern. Mit diesem Gesetzentwurf geben Sie den Betroffenen nur ein schwaches Instrument an die Was aber meines Erachtens noch viel Hand, ihr Recht auf Nichtdiskriminierung auch schlimmer ist: Die ausschließliche Geltung des gerichtlich durchzusetzen. Klagebefugnisse von Kündigungsschutzgesetzes im Arbeitsrecht wie Gewerkschaften und Betriebsräten werden auch die Zweimonatsfrist zur Geltendmachung von zusammengestrichen. Für kleinere Betriebe haben Ansprüchen sind europarechtlich bedenklich. Sie Sie das Klagerecht komplett abgeschafft. widersprechen der Zielsetzung der Richtlinie und werden deswegen vor dem Europäischen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gerichtshof keinen Bestand haben. Damit Sie lassen damit die Mehrzahl der überlassen Sie es einmal mehr den Einzelnen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Regen durch Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof stehen. für einen Schutz vor Diskriminierungen zu sorgen. Ich halte das für ein Armutszeugnis dieser großen Das Gleiche gilt für die Beweiserleichterung. Koalition. An die Adresse der Wirtschaft wird signalisiert: Es wird sich nichts ändern! Wie Sie bereits (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4047

Sie könnten auch gleich konforme Regelungen Unterschied zwischen der Eins-zu-Eins- schaffen und nicht darauf warten, dass die Umsetzung nach Herrn Westerwelle und dem Menschen in fünf bis sechs Jahren vor dem Entwurf von Rot-Grün und Schwarz. Deshalb war Europäischen Gerichtshof Recht zugesprochen das Ganze ein Popanz. Herr Westerwelle hat bekommen. heute noch einmal einen solchen Popanz aufgeführt: Das war eins zu eins Ihre Rede aus Jean-Jacques Rousseau sagte einmal: dem letzten Jahr, meine Kollegen von der Union. Zwischen dem Schwachen und dem Starken (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit. Regieren bildet. Jetzt haben Sie gemerkt, dass Sie EU-Recht umsetzen müssen. Wir sind Das hätte ich mir von dieser großen Koalition ge- zufrieden, weil sich Rot-Grün gegen Schwarz in wünscht. der großen Koalition durchgesetzt hat. Man merkt (Beifall bei der LINKEN) natürlich, dass die Union bei diesem Gesetz erhebliche Schluckbeschwerden hat. Deshalb hat Die große Koalition hat es heute versäumt, mit die Koalition, freundlich wie man zueinander ist, mutigen Entscheidungen auch in Deutschland Placebos bereitgehalten, Beruhigungsmittel verteilt endlich eine Antidiskriminierungskultur zu initiieren. und Schmerztabletten ausgegeben. Das Problem Sie haben es versäumt, Mindeststandards ist aber, dass Placebos wirkungslos sind. Bei den festzulegen, die in anderen europäischen Ländern Verschlechterungen – über die Sie, Frau Kollegin längst gang und gäbe sind, so zum Beispiel in den Dagdelen, sich gerade aufgeregt haben – werden Niederlanden. Die Gegner eines Antidis- diese Beruhigungs- und Schmerztabletten kriminierungsgesetzes haben in dieser Debatte langfristig nicht wirken, weil sie EU-rechtswidrig jedenfalls eines erreicht: die unzureichenden und zum Teil auch verfassungswidrig, weil Wirkungen dieses Gesetzes zu kaschieren. In der willkürlich sind. Praxis wird damit nur wenig mehr übrig bleiben als ein symbolisches Bekenntnis zur (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gleichbehandlung. Dabei wird es bleiben. Deshalb sind wir ganz getrost, dass der Unsinn, Danke sehr. der durch die Änderungsanträge in das Gesetz hineingebracht wurde, in der Rechtspraxis (Beifall bei der LINKEN) herausgenommen wird. Die Justizministerin gesteht das frank und frei zu. Da, wo das EU- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Recht nicht umgesetzt ist, sagt man den Richtern – Das Wort hat der Kollege Volker Beck, Bündnis nachzulesen heute in der „Frankfurter Allge- 90/ Die Grünen. meinen“ –: Im Zweifel müssen die Richter die Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE Bestimmungen eben europarechtskonform GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und auslegen. Kollegen! Ich bin heute durchaus nicht Man weiß genau, dass bestimmte Dinge eben unzufrieden. nicht EU-rechtskonform sind. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und bei der FDP) Was ist das aber für eine Gesetzgebung, wenn Ich denke, uns liegt ein Gesetzentwurf vor, der im man sagt, die Richter sollen es richtig machen, Kern gut ist. Deshalb wird unsere Fraktion diesem obwohl es der Gesetzgeber falsch gewollt hat? abgewandelten rot-grünen Entwurf zustimmen. Das ist doch absurd und wird die Menschen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) draußen nicht überzeugen. Das ganze letzte Jahr lief die Union herum, Herr Westerwelle und Herr Montag haben die forderte eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU- wunderbare Formulierung zum Indiz bei der Richtlinien und mobilisierte gegen den rot-grünen Beweislastregel vorgetragen: Indizien, die eine Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes. Nun Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten aber beschließen Sie ein Gesetz, das im Grundes vermuten lassen. Das klingt Wesentlichen dem von uns vorgelegten Entwurf wunderschön. Noch schöner finde ich allerdings entspricht. Der einzige Unterschied zwischen dem, die Begründung. Man sagt, man habe das was wir vorgelegt haben, und einer Eins-zu-eins- gemacht, weil der Begriff der Glaubhaftmachung Umsetzung besteht darin, dass wir die Menschen – das ist eine Regelung, die seit 25 Jahren gilt, die im Rahmen des Zivilrechts nicht nur vor ausjudiziert ist, von der jeder weiß, was er darunter Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnischer zu verstehen hat – von Journalisten oftmals falsch Herkunft und Geschlecht schützen, sondern auch verstanden wird. vor Diskriminierung aufgrund von Religion, Alter, (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Behinderung und sexueller Identität. Das ist der und bei der FDP) 4048 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Die Rechtsprechung hat mit dem Begriff überhaupt Lassen Sie mich zum Schluss sagen – es gibt keine Probleme. Machen wir die Gesetzgebung noch jede Menge weitere lustige Beispiele, die jetzt aufgrund von TED-Abstimmungen? Stimmen man aus den Änderungsanträgen aufführen wir darüber ab, was die Leute richtig oder falsch könnte –: Sie schrammen an einigen Punkten die verstehen? Gesetze müssen funktionieren und klar Richtlinie. Deshalb haben wir einen sein. Entschließungsantrag eingebracht, den wir heute überweisen. Lassen Sie uns über diesen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entschließungsantrag und die Frage, wo der und bei der FDP – Dr. Guido Westerwelle Gesetzgeber die Richtlinie nicht vollständig [FDP]: Das ist nicht wahr!) umsetzt, im Herbst in einer Anhörung diskutieren Damit die Richter aber nicht irre werden, bietet (Lachen der Abg. Mechthild Dyckmans [FDP]) die Begründung weitere Hinweise: Das, was im Gesetz steht, ist gar nicht gemeint. Nach der und dann die Nachbearbeitung und Verbesserung Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dieses Gesetzes vorbereiten. „kehrt sich die Beweislast um, wenn derjenige, Vielen Dank. der dem ersten Anschein nach diskriminiert ist, sonst kein wirksames Mittel hätte, um die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durchzusetzen“. Da hat Sie Ihr Koalitionspartner Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gründlich hinter die Fichte geführt. Herr Gehb hat Das Wort hat die Kollegin Christine Lambrecht, im Rechtsausschuss, wie ich mir berichten ließ, SPD-Fraktion. gejammert und gesagt, er könne sich mit dieser Vorschrift vor keinem Fachpublikum mehr sehen (Beifall bei der SPD) lassen. Ich habe großes Verständnis dafür. Es ist ein allzu billiger Sieg der anderen Seite, wenn man Christine Lambrecht (SPD): darauf verweist. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei allem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verständnis dafür, in so eine Debatte ein bisschen sowie des Abg. Patrick Döring [FDP]) Schwung bringen und sich vor den Zuschauern Die Kündigungen wollen Sie jetzt nicht mehr profilieren zu wollen, möchte ich doch darum nach dem AGG, sondern nach dem allgemeinen bitten, dass wir uns abseits von all dem Kündigungsschutzgesetz behandeln. Dazu sagt kleinkarierten Auseinanderpflücken von Kommas, nicht nur der DGB, sondern auch laut „FAZ“ der Bindestrichen und vergessenen Daten in Arbeitsrechtler Martin Kock, der unverdächtig ist, irgendwelchen Begründungen wieder mit dem das sei Augenwischerei. Auch beim Gegenstand, mit dem, was mit diesem Gesetz für Kündigungsschutzrecht gelte selbstverständlich die Menschen in unserem Land bewirkt werden die europäische Wertung. Wie sollte es auch soll, beschäftigen. anders sein? Das steht in der Richtlinie. Auch da (Beifall bei der SPD) hat man Ihnen Steine statt Brot gegeben. Ich muss sagen: Ich kann die Gefühle, die Herr Bei dem Mietrecht freuen Sie sich meines Beck darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass wir Erachtens ebenfalls zu früh. Herr Gehb hat zu dieses Gesetz heute in zweiter und dritter Lesung Recht darauf hingewiesen, dass es ein beschließen, noch toppen. Mich freut es, ich finde Unterschied ist, ob ein Vermieter selber auf dem es richtig klasse, dass wir nach vielen, vielen Grundstück, das er vermietet, wohnt oder ob er Jahren endlich dazu kommen, ein Gesetz zu das Mietobjekt nur als Kapitalanlage nutzt. Diesen beschließen, das Menschen etwas in die Hand Unterschied hatten wir im rot-grünen gibt, um sich gegen Diskriminierung zu wehren. Gesetzentwurf gemacht. Sie ziehen jetzt eine Dann müssen sie nicht immer nur hören: Wir alle willkürliche Grenze bei 50 Wohnungen. Das macht wollen das nicht, Diskriminierung ist schlecht. Wir überhaupt keinen Sinn. Ich glaube, es wird Ihnen müssen sagen: Es reicht uns, wir haben lange nicht durchgehen, dass ein Vermieter, der nur 49 genug zugesehen, in bestimmten Bereichen Wohnungen hat, in seine Wohnungsanzeige unserer Gesellschaft gibt es nun einmal diese schreiben kann: „Juden und Homosexuelle Tendenzen. Deshalb sagen wir als Staat, als zwecklos“. Der Zivilrichter wird Ihnen nicht Gesetzgeber: Mit uns wird das nicht zu machen durchgehen lassen, sich mit der Grenze bei 50 sein. Wir geben den Menschen Instrumente in die Wohnungen herauszureden. Hand, um sich zu wehren. Genau darum geht es mit diesem Gesetz und um sonst nichts. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege Beck, Ihre Redezeit ist (Beifall bei der SPD) überschritten. Ich bin immer wieder darüber überrascht, wie einiges verquickt wird. Herr Westerwelle redet von Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE unnötiger Bürokratie. Meistens kam in diesen GRÜNEN): Debatten auch noch der Grundsatz der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4049

Vertragsfreiheit, der angeblich verletzt wird, zur Sprache. Mein Verständnis von Vertragsfreiheit ist Es geht darum, ihnen hier etwas an die Hand zu – ich glaube, da gehe ich d’accord mit fast allen geben. Ich glaube, mit diesem Gesetzentwurf Kolleginnen und Kollegen – beim besten Willen haben wir alles getan, was sinnvoll und vernünftig nicht das rücksichtslose Vorgehen, das ist, damit dieser Schutz wirklich gewährleistet Diskriminieren von Menschen bei werden kann. Massengeschäften und Leistungen, die ohne Ansehen ihrer Person zu gewähren sind. Das Die Veränderungen in Bezug auf den verstehe ich darunter nicht. Kündigungsschutz sind bereits angesprochen worden. Man kann darüber diskutieren, ob die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten frühere Formulierung, dass vorrangig der der CDU/CSU) Kündigungsschutz Anwendung findet, mit der EU- Ich habe in Ihrer Rede, Herr Westerwelle – er ist Richtlinie konform geht. Ich weiß, dass es im jetzt abgelenkt und muss telefonieren; er hat Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen der Wichtigeres zu tun –, Ihre Kritik an der Grenze von jetzigen Formulierung und den EU-Richtlinien 50 Wohnungen nicht ganz verstanden. Ging es große Bedenken gibt; das wurde von darum, dass Sie Angst davor haben, dass verschiedenen Kolleginnen und Kollegen an mich Menschen an einen Vermieter geraten, der herangetragen. Aber ich gehe selbstverständlich weniger Wohnungen hat, und dann keinen davon aus, dass unsere Arbeitsgerichte dieses Diskriminierungsschutz bekommen? Geht Ihnen Gesetz richtlinienkonform auslegen werden und es das Gesetz nicht weit genug? Das wurde nicht dementsprechend angewandt wird. Dann wird sich ganz deutlich. zeigen, wie die Rechtsprechung dazu aussieht. Aber zweifellos besteht hier ein In dieser Diskussion besteht ein Spannungsverhältnis. Das ist überhaupt nicht Spannungsverhältnis. Den einen geht das Gesetz wegzudiskutieren. viel zu weit, den anderen geht es nicht weit genug. Aber es freut mich, dass wir es zumindest Zum Thema Wohnraum habe ich schon etwas geschafft haben – das war in diesem Prozess zu gesagt. lernen –, uns mit einer mittlerweile ganz breiten In den letzten Tagen wurde im Zusammenhang Mehrheit darauf zu konzentrieren, was wir machen mit der Höhe des Schadenersatzes darüber können, was sinnvoll und nicht überzogen ist, um diskutiert, ob exorbitante Ansprüche geltend Menschen zu helfen. gemacht werden können, die Unternehmen Frau Dagdelen, ich finde es ganz interessant, womöglich in den Ruin treiben werden. Ich kann dass Sie hier heute eine Fülle von Kritik ganz deutlich sagen: In Deutschland wird es nie ausgeschüttet haben. Ich hätte mich darüber Schadenersatzforderungen in Höhe von mehreren gefreut, wenn Sie das gestern im hundert Millionen geben, wie sie beispielsweise in Rechtsausschuss, also in dem Gremium, in dem den USA üblich sind. Das wird es bei uns nicht wir ganz sachlich über dieses Thema gesprochen geben. Die EU verlangt zwar ein abschreckend haben – Juristen sind bekannt für ihren Stil; der ist hohes Schmerzensgeld. Aber im Arbeitsrecht bei weitem nicht so lustig, wie wir es hier heute beträgt es, auch nach Ansicht anderer erlebt haben –, getan hätten. Wir saßen gestern europäischer Staaten, maximal ein Jahresgehalt stundenlang zusammen und von Ihnen war in der und mindestens 30 000 Euro. viereinhalbstündigen Rechtsausschusssitzung kein Wir haben in unserem Gesetzentwurf, wie ich einziges Wort zu hören, auch nicht zu diesem finde, eine vernünftige Lösung gefunden, die Thema. sicherstellt, dass genau das, was befürchtet (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wurde, nicht eintreten wird, nämlich eine der CDU/CSU) Überforderung der Unternehmen. Aber ich sage auch ganz klar: Wer gegen dieses Gesetz verstößt Ihre Kritik hätten Sie vielleicht früher anbringen und Menschen diskriminiert, der muss das spüren. können als nur hier vor dem versammelten Das muss dann Konsequenzen haben. Sonst wäre Publikum. dieses Gesetz ein stumpfes Schwert. Ich will noch zwei, drei Punkte ansprechen. (Beifall bei der SPD) Jawohl, das Klagerecht von Gewerkschaften und Betriebsräten bleibt erhalten. Das ist richtig so, Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dieser weil nur dieses gewährleistet, dass, wenn in Gesetzentwurf ist ein großer Schritt. Ich weiß, dass Betrieben diskriminiert wird, entsprechend sich heute ganz viele Verbände darüber freuen, vorgegangen wird, weil die Arbeitnehmerinnen und dass wir diesen Schritt endlich machen, zum Arbeitnehmer zum Teil diese Möglichkeit selbst Beispiel die Behindertenverbände und die nicht wahrnehmen, nicht wahrnehmen wollen oder Schwulen- und Lesbenverbände. Denn damit nicht wahrnehmen können. zeigen wir: Wir reden nicht nur, sondern wir han- deln auch. Lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf (Beifall bei Abgeordneten der SPD) heute verabschieden und ihn nicht kleinreden. 4050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Vielen Dank. Verhandlungen der letzten Tage noch zentrale Punkte geändert werden. (Beifall bei der SPD) (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Sagen Sie einmal etwas zu § 22!) Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Götzer, Ich weise nur stichwortartig darauf hin: Jetzt ist CDU/ CSU-Fraktion. praktisch weitgehend ausgeschlossen, dass die (Beifall bei der CDU/CSU) AGG-Regelungen auch private Vermieter betreffen. Die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen bleibt somit weitestgehend gewahrt. Es ist Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): sichergestellt, dass eine unterschiedliche Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Behandlung bei der Wohnraumvermietung aus Kollegen! Ich will aus meiner Meinung zu diesem übergeordneten Gründen möglich ist. Das Gesetzentwurf gar keinen Hehl machen: Was Kriterium der Weltanschauung fällt nicht mehr lange währt, wird nicht automatisch endlich gut. unter den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten Der Begriff „Weltanschauung“ ist schwer zu der CDU/CSU und der FDP – Jerzy definieren. Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn jetzt? Stimmen Sie zu oder Steht im Grundgesetz!) nicht?) Hier wäre möglicherweise ein Einfallstor für Sekten Die Union hat immer ganz klar gesagt, dass wir oder extremistische Organisationen geschaffen Regelungen, wie sie die EU-Richtlinien vorgeben, worden. dem Grunde nach für überflüssig halten, im Übrigen teilweise für ausgesprochen schlecht. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht im Grundgesetz, Herr Kollege!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Jerzy Montag [BÜNDNIS Das gilt übrigens nicht nur für Rechtsradikale, wie 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt noch eine rot- es in der Begründung heißt, sondern natürlich grüne Mehrheit! Warten Sie es ab!) auch für Linksradikale und andere, vergleichbare Organisationen. Die Beweislastregelung ist Für einen vernünftigen und ideologiefreien Schutz präzisiert worden, deutlich zulasten desjenigen, vor Diskriminierung hätte unser geltendes der behauptet, diskriminiert worden zu sein. Ich nationales Recht ausgereicht. mache keine Hehl daraus: Natürlich wäre es uns (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) am liebsten gewesen, wir hätten die klassische Be- Jetzt aber hält die Ideologie Einzug in unser weislastregelung des Zivilrechts. Zivilrecht und greift massiv in seinen Kernbereich (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ein, nämlich in die Vertragsfreiheit. Das gilt auch § 611 a BGB!) für den heute vorliegenden Gesetzentwurf, ist aber Nur, Herr Kollege Westerwelle, das lässt die EU- in den Richtlinien der EU begründet. Richtlinie nicht zu; auch das müssen wir sehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Dass wir dem AGG heute trotzdem zustimmen, Bestimmungen des allgemeinen und besonderen hat zwei Gründe. Kündigungsschutzes; auch darauf ist hingewiesen worden. Ein erweitertes Klagerecht des Erstens war die Umsetzung der EU- Betriebsrates wird es nicht geben. Der Betriebsrat Gleichbehandlungsrichtlinien in deutsches Recht oder die im Betrieb vertretene Gewerkschaft kann europarechtlich geboten. Jeder weitere Verzug – nur eigene Rechte geltend machen, nicht aber darauf ist schon hingewiesen worden – hätte für stellvertretend die Rechte eines Arbeitnehmers unser Land Strafzahlungen in Höhe von bis zu oder dies gar gegen dessen Willen. 900 000 Euro pro Tag zur Folge gehabt. Antidiskriminierungsverbände können nicht als Zweitens konnten gegenüber dem Prozessbevollmächtigte für Betroffene auftreten. ursprünglichen Entwurf, der unverkennbar die Schließlich haben wir die Ausschlussfrist für die Handschrift der Grünen getragen hat, erhebliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen Verbesserungen erzielt werden. von drei Monaten auf zwei Monate reduziert. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kleinliche!) Riesige Erfolge!) Bereits im Rahmen der Vorbereitung des Das alles sind Punkte, die in den letzten Tagen Regierungsentwurfs sind am Entwurf aus der noch erreicht werden konnten. letzten Wahlperiode einige wichtige Änderungen (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: vorgenommen worden. Ich nenne nur den Wegfall Ganz toll!) des Kontrahierungszwangs im Zivilrecht. Vor allem aber konnten in den koalitionsinternen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4051

Ich sage aber auch hier ganz klar: Diese Seit Jahren, insbesondere in den letzten Tagen Verbesserungen machen aus einer schlechten und Wochen, gab es jede Menge Gespräche mit Richtlinie kein gutes Gesetz. Betroffenen über den heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf. Die Entscheidung, zu (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der ich nunmehr komme, fällt mir wirklich nicht der FDP) leicht. Sie nennen das Gesetz jetzt sehr verschämt Aber sie führen dazu, dass wir, weil mehr nicht „Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz“. machbar war und weil wir, wie gesagt, um eine Einerseits setzen Sie nun mit mehrjähriger Ver- Umsetzung der EU-Richtlinien nicht spätung Antidiskriminierungsrichtlinien der EU um herumkommen, dem vorliegenden Entwurf, wenn – worauf viele Menschen seit Jahren gewartet auch mit Bauchschmerzen, zustimmen. haben. Andererseits sind nur sehr geringe Verbesserungen mit wenig Substanz in diesem Lassen Sie mich abschließend eine Gesetzentwurf. Aber immerhin: Es wären grundsätzliche Bemerkung machen. Die Verbesserungen; das könnte für eine Zustimmung Beschäftigung mit diesen EU-Richtlinien muss für sprechen. uns Anlass sein, dafür zu sorgen, dass sich der Deutsche Bundestag künftig nicht erst dann mit Vor zwei Tagen jedoch legte die Koalition in EU-Richtlinien beschäftigt, wenn diese bereits ver- einem ziemlich fiesen Kuhhandel, der auch mit der bindlich geworden, also umzusetzen sind, Föderalismusreform zusammenhängt, noch einmal Hand an ihren eigenen Gesetzentwurf. Damit (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der schwächten Sie ihr eigenes Gesetz noch weiter. SPD und der FDP) Mit einigen Änderungen bleiben Sie sogar hinter sondern schon dann, wenn sie in Brüssel den Mindestanforderungen der EU zurück. Das ausgebrütet werden: damit sie notfalls auf wäre ein Grund, das Gesetz in Gänze abzulehnen. europäischer Ebene gestoppt werden können. (Zuruf von der SPD: Zur Abstimmung!) Vielen Dank. – Ich rede die ganze Zeit zur Abstimmung und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- erkläre mein Abstimmungsverhalten. neten der SPD) Erstens werde ich diesem Gesetzentwurf also nicht zustimmen, weil er irreführend bezeichnet ist. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Wer Diskriminierung wirklich verhindern will, muss Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir zur Ab- ungleich behandeln, nämlich die Schwächen der stimmung kommen, gebe ich bekannt, dass mir etliche benachteiligten Personen und Gruppen schriftliche Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 un- ausgleichen. Es geht also nicht um serer Geschäftsordnung vorliegen.2 Der Kollege Ilja Gleichbehandlung, sondern um Diskriminierungs- Seifert wünscht eine mündliche Erklärung verbot. abzugeben. Ich bitte, liebe Kolleginnen und Zweitens werde ich dem Gesetzentwurf nicht Kollegen, den Lärmpegel während dieser Zeit zustimmen, weil eine große Gruppe nicht etwas herunterzufahren. Kollege Seifert, Sie haben einbezogen ist, nämlich diejenigen, die wegen das Wort. ihrer sozialen Herkunft oder ihres soziokulturellen Status diskriminiert werden. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Drittens kann ich diesem Gesetzentwurf nicht Kollegen! Ich kann und will nicht gegen ein Gesetz zustimmen, weil die Verkürzung der Frist für die stimmen, das Diskriminierungen ächtet und Geltendmachung von Ansprüchen auf nunmehr verbietet. Ich kann und will aber auch nicht einem zwei Monate, während sie allgemein drei Jahre Gesetz zustimmen, das in seiner Substanz diesem beträgt, unverhältnismäßig ist. Anspruch nicht gerecht wird. Viertens werde ich dem Gesetzentwurf nicht Was heute hier beschlossen wird, könnte zustimmen, weil es für die Benachteiligungen von eigentlich der krönende Abschluss einer langen Menschengruppen bei der Vermietung von Wegstrecke sein, auf der auch ich, gemeinsam mit Wohnungen keinen akzeptablen Grund gibt. Die vielen anderen, seit Jahren wandle. Gerne würde Unterstellungen der Wohnungswirtschaft, dass ich mit denen feiern, die wie ich große Hoffnungen eine überdurchschnittliche Anzahl von Menschen in ein umfassendes und wirkungsvolles mit Behinderung, einer bestimmten Religion oder Diskriminierungsverbot setzen. Eine Mo- einer bestimmten sexuellen Identität eine gelpackung – als solche kommt das Gesetz heute Gefährdung stabiler Bevölkerungs- und daher – lasse ich mir aber nicht als Krone Siedlungsstrukturen darstellt, sind absurd. verkaufen. Ich werde dem Gesetzentwurf – fünftens – nicht zustimmen, weil zulässige unterschiedliche ______Behandlungen, also erlaubte Diskriminierungen, 2Anlagen 10 und 11 nicht auf ein Mindestmaß reduziert wurden. Einzig

4052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 die Gefahr für Leib und Leben hielte ich als Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Ausnahme für akzeptabel. Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später Sechstens werde ich nicht zustimmen, weil der bekannt gegeben. Begriff Rasse in keinen Gesetzentwurf gehört. Das sollte auch hier der Fall sein. Wir setzen nun die Abstimmungen fort. Siebtens werde ich nicht zustimmen, weil das Abstimmung über den Entschließungsantrag der Verbandsklagerecht ebenso wie wirkungsvolle Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/2034: Wer Strafen und Sanktionen fehlen. stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde mich Entschließungsantrag ist mit der Mehrheit der in diesem Falle also sehr bewusst und sehr Stimmen des Hauses bei Stimmenthaltung der ausdrücklich der Stimme enthalten. Das ist keine Grünen abgelehnt. feige Zurückhaltung, sondern eine sehr bewusste Entscheidung. Ich befürchte allerdings, dass es Der Entschließungsantrag der Fraktion des nicht lange dauern wird, bis ich auf der Seite Bündnisses 90/Die Grünen auf derjenigen stehen werde, die dieses allgemeine Drucksache 16/2033 soll zur federführenden Antidiskriminierungsgesetz gegen diejenigen Beratung an den Rechtsausschuss und zur verteidigen müssen, die es immer noch angreifen. Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Arbeit und (Beifall bei der LINKEN) Soziales sowie den Ausschuss für Familien, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen werden. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Herr Kollege Seifert, Sie haben in Ihrer Dann ist die Überweisung so beschlossen. mündlichen Erklärung davon gesprochen, dass es sich um einen „ziemlich fiesen Kuhhandel“ handeln Abstimmung über den Gesetzentwurf der würde. Dies ist unparlamentarisch und ich bitte Sie Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen zur herzlich, dies zukünftig bei einer mündlichen Umsetzung europäischer Erklärung zu unterlassen. Antidiskriminierungsrichtlinien, Drucksache 16/297: Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) seiner Beschlussempfehlung auf Wir kommen zur Abstimmung über den von der Drucksache 16/2022, den Gesetzentwurf Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das zur Verwirklichung des Grundsatzes der Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gleichbehandlung, Drucksachen 16/1780 und Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in 16/1852. zweiter Beratung mit den Stimmen der Mehrheit des Hauses bei Enthaltung der Fraktion Die Linke Der Rechtsausschuss empfiehlt unter abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäfts- Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf ordnung die weitere Beratung. Drucksache 16/2022, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte Der Rechtsausschusses empfiehlt unter diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf schussfassung zustimmen wollen, um das Drucksache 16/2022 die Ablehnung des Antrags Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/370 mit Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in dem Titel „EU-Antidiskriminierungsrichtlinien durch zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, einheitliches Antidiskriminierungsgesetz wirksam Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU bei Ge- und umfassend umsetzen“. Wer stimmt für diese genstimmen der Fraktionen der FDP und der Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Linken sowie aus den Reihen der CDU/CSU und Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit einigen Enthaltungen der Linken angenommen. der Mehrheit der Stimmen des Hauses bei Enthaltung der Grünen angenommen. Dritte Beratung Unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung und Schlussabstimmung. Die Fraktion der FDP empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Grünen auf Druck-sache 16/957 mit dem Titel vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle „Keine Ausgrenzung beim Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Antidiskriminierungsgesetz“. Wer stimmt für diese Ich eröffne die Abstimmung. Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit der Mehrheit der Stimmen des Hauses bei Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4053

Schließlich empfiehlt der Rechtsausschuss unter Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung auf Druck-sache 16/2022 die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/1861 mit dem Titel „Bürokratie schützt nicht vor Diskriminierung – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ist der falsche Weg“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den überwiegenden Stimmen des Hauses angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation – Drucksache 16/1408 – – Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) – Drucksache 16/199 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) – Drucksache 16/2011 – Berichterstattung: Abgeordnete Ursula Heinen Elvira Drobinski-Weiß Dr. Kirsten Tackmann Ulrike Höfken b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Bleser, Ursula Heinen, Gitta Connemann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Ulrich Kelber, Volker Blumentritt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Lebensmittelskandalen effektiv entgegenwirken – Verbraucher umfassend informieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Konsequenzen aus den Fleischskandalen: Umfassende Verbraucherinformation und bessere Kontrollen 4054 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

– zu dem Antrag der Abgeordneten Hans- und Waschmittel sowie alles, was mit der Haut Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, oder den Schleimhäuten in Berührung kommen Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der kann, gilt. Der Gesetzentwurf umfasst damit die für Fraktion der FDP die Verbraucher wichtigsten Gegenstände des alltäglichen Bedarfs. Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft durch mündige und aufgeklärte (Peter Bleser [CDU/CSU]: So ist es!) Verbraucher sicherstellen Das ist ein Riesenfortschritt. – Drucksachen 16/195, 16/111, 16/825, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- 16/2009 – neten der SPD) Berichterstattung: Künftig können Informationen beispielsweise Abgeordnete Ursula Heinen über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Elvira Drobinski-Weiß Futtermittelgesetz – das ist angesichts der Hans-Michael Goldmann Gammelfleischdiskussion vor einigen Monaten von Dr. Kirsten Tackmann entscheidender Bedeutung –, über Daten, die Ulrike Höfken Auskunft über Gefahren oder Risiken für die Zum Gesetzentwurf der Fraktionen der Gesundheit geben, sowie über CDU/CSU und der SPD liegen mehrere Überwachungsmaßnahmen der Behörden Entschließungsanträge vor. abgerufen werden. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher sind insbesondere Angaben zu Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist festgestellten Werten von Bedeutung. Erinnern Sie für die Aussprache eine Dreiviertelstunde sich zum Beispiel an die immer wieder vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann aufkommende Acrylamiddiskussion! ist das so beschlossen. Der Zugang zu Informationen ist für unser Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Leitbild des mündigen Verbrauchers eine Kollegin Ursula Heinen, CDU/CSU-Fraktion. entscheidende Voraussetzung, (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ursula Heinen (CDU/CSU): das wir in unserem Koalitionsvertrag festgehalten Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und haben. Um diese Voraussetzung zu schaffen, Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach fast haben wir nach der Expertenanhörung im fünf Jahren Diskussion wird der Deutsche Ausschuss auch hinsichtlich der Betriebs- und Bundestag mit seiner Zustimmung das Geschäftsgeheimnisse den Willen des Verbraucherinformationsgesetz endlich zu einem Gesetzgebers deutlicher und klarer formuliert. So guten Abschluss bringen. Wir, Union und SPD, fallen künftig Informationen über Rechtsverstöße haben damit ein neues Kapitel der nicht unter den Schutz von Betriebs- und Verbraucherpolitik aufgeschlagen und ein Gesetz Geschäftsgeheimnissen. gestaltet, das den Verbrauchern neue (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sehr gut!) Perspektiven eröffnet. Wir haben immer wieder darüber diskutiert, ob sich Erstmals erhalten die Verbraucher in unserem Unternehmen eventuell auf das Land ein bundeseinheitliches Recht auf Zugang zu Geschäftsgeheimnis berufen können, wenn bei Behörden vorhandenen Informationen über Rechtsverstöße festgestellt worden sind. Das Lebensmittel und Bedarfsgegenstände. Dafür haben wir jetzt im Gesetz klargestellt. Das gibt es müssen wir uns bei unserem CSU-Minister, Horst nicht. In einem solchen Fall werden die Namen ge- Seehofer, bedanken, der das Projekt relativ zügig nannt. Auch das ist eine ganz wichtige Botschaft nach seinem Amtsantritt in Angriff genommen an die Verbraucherinnen und Verbraucher. (Beifall bei der CDU/CSU – Julia Klöckner (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) [CDU/CSU]: Ein Meilenstein! – Zurufe von der SPD: Oh!) Auf der anderen Seite gilt aber: Wir müssen die Eigentumsrechte der Unternehmen wahren. – natürlich gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen Deshalb befinden wir uns mit diesem Gesetz auf – und das Gesetz über die Ziellinie gebracht hat. einer Gratwanderung. Natürlich wäre es schön, Das war bekanntlich ein schwieriger Prozess. über jedes Detail eines Produktes genau Bescheid Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal zu wissen. Dann kann es aber vorkommen, dass betonen, dass sich der Anwendungsbereich des wir beispielsweise Rezepturen oder ähnliche Dinge hier debattierten Gesetzes eben nicht nur auf erfahren wollen, die ganz klar Betriebsgeheimnisse Lebensmittel beschränkt – wie es in den eines Unternehmens sind. Deswegen benötigen öffentlichen Diskussionen oftmals dargestellt wird wir einen bestimmten Schutz der Unternehmen. –, sondern dass es auch für Kosmetika, Be- Nachweisliche Betriebsgeheimnisse müssen daher kleidung, Spielwaren, Schnuller, Bettwäsche, Putz- geschützt werden. Daran führt kein Weg vorbei. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4055

(Beifall bei der CDU/CSU) festgestellt wurde, dass von ihnen Gesundheitsgefahren ausgegangen sind. Auch Allerdings gilt auch: Je mehr das ist ein großer Schritt hin zu mehr Verbraucherinformationen die Unternehmen von Verbraucherinformation. sich aus bieten, desto besser stehen sie im Wettbewerb da; Die Koalition hat bei einem wichtigen Versprechen, nämlich in dieser Legislaturperiode (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ein Verbraucherinformationsgesetz vorzulegen, denn heute wollen Verbraucher wissen, was sie Wort gehalten. kaufen und welche Inhaltsstoffe die Produkte (Peter Bleser [CDU/CSU]: Das nach sieben haben, die sie kaufen. Deshalb können wir den Monaten!) Unternehmen nur raten, eine offensive Informationspolitik zu betreiben und die Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die Verbraucher von sich aus und nicht nur über den auf diesem Weg mitgegangen sind. „Umweg“ über die Behörden über ihre Produkte (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- rechtzeitig, klar und eindeutig zu informieren. neten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich habe eingangs schon gesagt, dass wir mit Ich komme zu Tagesordnungspunkt 5 a zurück dem Verbraucherinformationsgesetz einen ganz und gebe das von den Schriftführerinnen und neuen Weg in der Verbraucherpolitik beschreiten. Schriftführern ermittelte Ergebnis der Weil wir prüfen müssen, wie das Gesetz namentlichen Abstimmung über den angenommen wird, haben wir als Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Koalitionsfraktionen in einem Umsetzung europäischer Richtlinien zur Entschließungsantrag, den wir heute auch Verwirklichung des Grundsatzes der verabschieden, festgehalten, dass wir innerhalb Gleichbehandlung – Druck-sachen 16/1780, der nächsten zwei Jahre das Gesetz evaluieren 16/1852, 16/2022 – bekannt. Abgegebene wollen. Wir werden uns sehr genau anschauen, Stimmen 571. Mit Ja haben 443 gestimmt, mit wie die Verbraucherinnen und Verbraucher die Nein haben 111 gestimmt, Enthaltungen 17. Möglichkeiten des Gesetzes nutzen, ob es eventuell bei den Antworten der Behörden Schwierigkeiten gibt, ob die Unternehmen mitmachen oder ob sie Informationen nicht preisgeben, alles unter Verschluss halten und die Endgültiges Ergebnis Verbraucher nicht informieren. Letzteres hieße für uns, dass wir schärfere Regelungen treffen Abgegebene Stimmen: 571; müssten, soweit wir das können, ohne davon Eigentumsrechte der Unternehmen etc. zu verlet- ja: 443 zen. nein: 111 (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- enthalten: 17 neten der SPD) Neben dem Verbraucherinformationsgesetz Ja haben wir noch eine wichtige Änderung im Lebensmittel- und Futtermittelgesetz CDU/CSU vorgenommen. Es geht darum, dass die Behörden Ilse Aigner aktiv die Verbraucher informieren, wenn Peter Albach Rechtsverstöße vorliegen bzw. wenn von Peter Altmaier bestimmten Produkten ganz klar Thomas Bareiß Gesundheitsgefahren ausgehen. Bisher war im Norbert Barthle Lebensmittel- und Futtermittelgesetz nur geregelt, Dr. Wolf Bauer dass die Behörden informieren können. Wir haben Günter Baumann das schärfer gefasst und deshalb eine Sollbestim- Dr. Christoph Bergner mung eingeführt. Die Behörden sollen jetzt die Otto Bernhardt Clemens Binninger Öffentlichkeit informieren, sobald Renate Blank Gesundheitsgefahren, Risiken etc. vorliegen. Peter Bleser (Beifall bei der CDU/CSU – Julia Klöckner Antje Blumenthal [CDU/CSU]: Das ist Verbraucherschutz!) Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) In Zukunft können auch dann Namen von Wolfgang Bosbach Produkten genannt werden, wenn die Produkte Klaus Brähmig nicht mehr auf dem Markt sind, nachträglich aber Michael Brand Helmut Brandt 4056 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Dr. Ralf Brauksiepe Michael Kretschmer Monika Brüning Gunther Krichbaum Georg Brunnhuber Dr. Günter Krings Gitta Connemann Dr. Martina Krogmann Leo Dautzenberg Johann-Henrich Krummacher Alexander Dobrindt Dr. Hermann Kues Marie-Luise Dött Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Maria Eichhorn Andreas G. Lämmel Anke Eymer (Lübeck) Dr. Norbert Lammert Georg Fahrenschon Katharina Landgraf Ilse Falk Dr. Max Lehmer Dr. Hans Georg Faust Paul Lehrieder Enak Ferlemann Ingbert Liebing Hartwig Fischer (Göttingen) Patricia Lips Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Michael Luther Dr. Maria Flachsbarth Stephan Mayer (Altötting) Klaus-Peter Flosbach Wolfgang Meckelburg Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Dr. Michael Meister Jochen-Konrad Fromme Dr. Angela Merkel Dr. Michael Fuchs Laurenz Meyer (Hamm) Dr. Jürgen Gehb Maria Michalk Michael Glos Hans Michelbach Ralf Göbel Philipp Mißfelder Josef Göppel Dr. Eva Möllring Peter Götz Marlene Mortler Dr. Wolfgang Götzer Carsten Müller (Braunschweig) Ute Granold Stefan Müller (Erlangen) Reinhard Grindel Bernward Müller (Gera) Hermann Gröhe Dr. Gerd Müller Michael Grosse-Brömer Hildegard Müller Markus Grübel Bernd Neumann (Bremen) Manfred Grund Michaela Noll Monika Grütters Franz Obermeier Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Eduard Oswald Olav Gutting Henning Otte Holger Haibach Rita Pawelski Gerda Hasselfeldt Dr. Peter Paziorek Ursula Heinen Ulrich Petzold Uda Carmen Freia Heller Dr. Joachim Pfeiffer Michael Hennrich Sibylle Pfeiffer Jürgen Herrmann Ronald Pofalla Bernd Heynemann Daniela Raab Ernst Hinsken Thomas Rachel Peter Hintze Hans Raidel Robert Hochbaum Dr. Peter Ramsauer Klaus Hofbauer Eckhardt Rehberg Franz-Josef Holzenkamp Klaus Riegert Joachim Hörster Dr. Heinz Riesenhuber Anette Hübinger Franz Romer Hubert Hüppe Johannes Röring Susanne Jaffke Dr. Norbert Röttgen Dr. Peter Jahr Dr. Christian Ruck Dr. Hans-Heinrich Jordan Albert Rupprecht (Weiden) Andreas Jung (Konstanz) Peter Rzepka Bartholomäus Kalb Anita Schäfer (Saalstadt) Hans-Werner Kammer Hermann-Josef Scharf Steffen Kampeter Dr. Wolfgang Schäuble Alois Karl Hartmut Schauerte Bernhard Kaster Dr. Annette Schavan Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Dr. Andreas Scheuer Volker Kauder Karl Schiewerling Eckart von Klaeden Norbert Schindler Jürgen Klimke Georg Schirmbeck Julia Klöckner Bernd Schmidbauer Jens Koeppen Andreas Schmidt (Mülheim) Kristina Köhler (Wiesbaden) Ingo Schmitt (Berlin) Norbert Königshofen Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rolf Koschorrek Dr. Ole Schröder Hartmut Koschyk Bernhard Schulte-Drüggelte Thomas Kossendey Uwe Schummer Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4057

Horst Seehofer Detlef Dzembritzki Kurt Segner Sebastian Edathy Bernd Siebert Siegmund Ehrmann Thomas Silberhorn Hans Eichel Johannes Singhammer Petra Ernstberger Jens Spahn Karin Evers-Meyer Erika Steinbach Annette Faße Gero Storjohann Elke Ferner Andreas Storm Gabriele Fograscher Max Straubinger Rainer Fornahl Thomas Strobl (Heilbronn) Gabriele Frechen Michael Stübgen Dagmar Freitag Antje Tillmann Peter Friedrich Dr. Hans-Peter Uhl Sigmar Gabriel Arnold Vaatz Martin Gerster Volkmar Uwe Vogel Iris Gleicke Andrea Astrid Voßhoff Günter Gloser Gerhard Wächter Renate Gradistanac Marco Wanderwitz Angelika Graf (Rosenheim) Kai Wegner Dieter Grasedieck Marcus Weinberg Monika Griefahn Peter Weiß (Emmendingen) Kerstin Griese Gerald Weiß (Groß-Gerau) Gabriele Groneberg Anette Widmann-Mauz Achim Großmann Klaus-Peter Willsch Wolfgang Grotthaus Elisabeth Winkelmeier-Becker Wolfgang Gunkel Matthias Wissmann Hans-Joachim Hacker Dagmar Wöhrl Bettina Hagedorn Wolfgang Zöller Klaus Hagemann Alfred Hartenbach SPD Michael Hartmann (Wackernheim) Nina Hauer Dr. Lale Akgün Hubertus Heil Gregor Amann Reinhold Hemker Gerd Andres Rolf Hempelmann Niels Annen Dr. Barbara Hendricks Ingrid Arndt-Brauer Gustav Herzog Rainer Arnold Petra Heß Ernst Bahr (Neuruppin) Gabriele Hiller-Ohm Dr. Hans- Peter Bartels Petra Hinz (Essen) Klaus Barthel Gerd Höfer Sören Bartol Iris Hoffmann (Wismar) Sabine Bätzing Frank Hofmann (Volkach) Dirk Becker Eike Hovermann Uwe Beckmeyer Klaas Hübner Klaus Uwe Benneter Christel Humme Dr. Axel Berg Brunhilde Irber Ute Berg Johannes Jung (Karlsruhe) Petra Bierwirth Josip Juratovic Lothar Binding (Heidelberg) Johannes Kahrs Volker Blumentritt Ulrich Kasparick Gerd Bollmann Dr. h.c. Susanne Kastner Dr. Gerhard Botz Ulrich Kelber Klaus Brandner Christian Kleiminger Willi Brase Hans-Ulrich Klose Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Dr. Bärbel Kofler Edelgard Bulmahn Fritz Rudolf Körper Marco Bülow Karin Kortmann Ulla Burchardt Rolf Kramer Martin Burkert Anette Kramme Dr. Michael Bürsch Ernst Kranz Christian Carstensen Nicolette Kressl Marion Caspers-Merk Volker Kröning Dr. Peter Danckert Angelika Krüger-Leißner Dr. Herta Däubler-Gmelin Dr. Hans-Ulrich Krüger Karl Diller Jürgen Kucharczyk Martin Dörmann Ute Kumpf Dr. Carl-Christian Dressel Dr. Uwe Küster Elvira Drobinski-Weiß Christine Lambrecht Garrelt Duin Christian Lange (Backnang) 4058 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Dr. Karl Lauterbach Dr. Peter Struck Waltraud Lehn Joachim Stünker Gabriele Lösekrug-Möller Dr. Rainer Tabillion Dirk Manzewski Jörg Tauss Lothar Mark Jella Teuchner Caren Marks Dr. h.c. Wolfgang Thierse Katja Mast Jörn Thießen Hilde Mattheis Franz Thönnes Markus Meckel Hans-Jürgen Uhl Petra Merkel (Berlin) Rüdiger Veit Ulrike Merten Simone Violka Dr. Matthias Miersch Jörg Vogelsänger Ursula Mogg Dr. Marlies Volkmer Marko Mühlstein Hedi Wegener Detlef Müller (Chemnitz) Andreas Weigel Michael Müller (Düsseldorf) Petra Weis Franz Müntefering Gunter Weißgerber Dr. Rolf Mützenich Gert Weisskirchen (Wiesloch) Andrea Nahles Dr. Rainer Wend Thomas Oppermann Lydia Westrich Holger Ortel Dr. Margrit Wetzel Heinz Paula Andrea Wicklein Johannes Pflug Heidemarie Wieczorek-Zeul Joachim Poß Engelbert Wistuba Christoph Pries Dr. Wolfgang Wodarg Dr. Wilhelm Priesmeier Waltraud Wollf (Wolmirstedt) Florian Pronold Heidi Wright Dr. Sascha Raabe Uta Zapf Mechthild Rawert Manfred Zöllmer Steffen Reiche (Cottbus) Brigitte Zypries Maik Reichel Gerold Reichenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Carola Reimann Christel Riemann-Hanewinckel Kerstin Andreae Walter Riester Volker Beck (Köln) Sönke Rix Cornelia Behm Rene Röspel Birgitt Bender Dr. Ernst Dieter Rossmann Matthias Berninger Karin Roth (Esslingen) Grietje Bettin Michael Roth (Heringen) Alexander Bonde Ortwin Runde Ekin Deligöz Anton Schaaf Dr. Thea Dückert Axel Schäfer (Bochum) Hans Josef Fell Bernd Scheelen Kai Gehring Dr. Hermann Scheer Anja Hajduk Marianne Schieder Britta Haßelmann Otto Schily Winfried Hermann Silvia Schmidt (Eisleben) Peter Hettlich Renate Schmidt (Nürnberg) Priska Hinz (Herborn) Dr. Frank Schmidt Ulrike Höfken Heinz Schmitt (Landau) Dr. Anton Hofreiter Carsten Schneider (Erfurt) Bärbel Höhn Olaf Scholz Thilo Hoppe Ottmar Schreiner Ute Koczy Reinhard Schultz (Everswinkel) Sylvia Kotting-Uhl Swen Schulz (Spandau) Fritz Kuhn Ewald Schurer Renate Künast Frank Schwabe Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Markus Kurth Dr. Martin Schwanholz Monika Lazar Rolf Schwanitz Dr. Reinhard Loske Rita Schwarzelühr-Sutter Anna Lührmann Wolfgang Spanier Jerzy Montag Dr. Margrit Spielmann Kerstin Müller (Köln) Jörg-Otto Spiller Winfried Nachtwei Dr. Ditmar Staffelt Brigitte Pothmer Andreas Steppuhn Claudia Roth (Augsburg) Ludwig Stiegler Krista Sager Rolf Stöckel Elisabeth Scharfenberg Christoph Strässer Christine Scheel Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4059

Irmingard Schewe-Gerigk Patrick Meinhardt Dr. Gerhard Schick Burkhardt Müller-Sönksen Rainder Steenblock Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Silke Stokar von Neuforn Detlef Parr Hans-Christian Ströbele Cornelia Pieper Dr. Harald Terpe Gisela Piltz Jürgen Trittin Jörg Rohde Wolfgang Wieland Frank Schäffler Josef Philip Winkler Dr. Konrad Schily Margareta Wolf (Frankfurt) Marina Schuster Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Nein Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar CDU/CSU Christoph Waitz Dr. Guido Westerwelle Veronika Bellmann Dr. Claudia Winterstein Carl-Eduard von Bismarck Dr. Volker Wissing Thomas Dörflinger Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Erich G. Fritz Martin Zeil Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Norbert Geis DIE LINKE Dr. Reinhard Göhner Hüseyin-Kenan Aydin Manfred Kolbe Karin Binder Dr. Klaus W. Lippold Dr. Lothar Bisky Friedrich Merz Heidrun Bluhm Henry Nitzsche Eva Bulling-Schröter Dr. Georg Nüßlein Dr. Martina Bunge Beatrix Philipp Sevim Dagdelen Peter Rauen Dr. Diether Dehm Kurt J. Rossmanith Dr. Dagmar Enkelmann Christian Freiherr von Stetten Klaus Ernst Willi Zylajew Wolfgang Gehrcke Diana Golze FDP Dr. Gregor Gysi Jens Ackermann Heike Hänsel Dr. Karl Addicks Lutz Heilmann Christian Ahrendt Cornelia Hirsch Daniel Bahr (Münster) Inge Höger-Neuling Uwe Barth Ulla Jelpke Rainer Brüderle Dr. Lukrezia Jochimsen Angelika Brunkhorst Dr. Hakki Keskin Ernst Burgbacher Monika Knoche Patrick Döring Jan Korte Mechthild Dyckmans Katrin Kunert Jörg van Essen Oskar Lafontaine Ulrike Flach Michael Leutert Otto Fricke Ulla Lötzer Paul K. Friedhoff Ulrich Maurer Horst Friedrich (Bayreuth) Kornelia Möller Dr. Edmund Peter Geisen Wolfgang Neskovic Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Norman Paech Hans-Michael Goldmann Bodo Ramelow Miriam Gruß Paul Schäfer (Köln) Joachim Günther (Plauen) Volker Schneider (Saarbrücken) Heinz-Peter Haustein Dr. Herbert Schui Birgit Homburger Frank Spieth Dr. Werner Hoyer Dr. Axel Troost Michael Kauch Alexander Ulrich Dr. Heinrich L. Kolb Sabine Zimmermann Hellmut Königshaus Gudrun Kopp fraktionslos Jürgen Koppelin Gert Winkelmeier Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Enthalten Ina Lenke Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Horst Meierhofer CDU/CSU 4060 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Eberhard Gienger Karl-Georg Wellmann

DIE LINKE Roland Claus Werner Dreibus Hans-Kurt Hill Dr. Barbara Höll Katja Kipping Dr. Gesine Lötzsch Dorothee Menzner Kersten Naumann Petra Pau Elke Reinke Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Jörn Wunderlich Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4061

Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Wie wenig Vertrauen Sie im Grunde genommen in diese behördliche Struktur – sie ist gleichzeitig Nächster Redner in dieser Debatte ist der das Kernelement Ihres Kollege Hans-Michael Goldmann, FDP-Fraktion. Verbraucherinformationsgesetzes – setzen, das (Beifall bei der FDP) kann man auch daran sehen, dass diese Behörden keine Verpflichtung zur Haftung für die

Auskunft, die sie geben, haben. Das ist ein dolles Ding: Da wendet sich ein Verbraucher an die Hans-Michael Goldmann (FDP): Behörde, die Behörde gibt ihm eine Information, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe diese Information ist möglicherweise falsch und Kolleginnen und Kollegen! Auch für die FDP ist gefährdet das Unternehmen bis zur das Thema „Verbraucherbildung, Existenzzerstörung. Dazu sagen Sie: Daran sind Verbraucherinformation und Verbraucherschutz“ wir aber nicht schuld. Sie bringen hier ein äußerst wichtig. Wir versuchen mit aller Konse- eigenartiges Gesetz auf den Weg. quenz und mit aller Deutlichkeit, die Balance zwischen den Rechten der Verbraucher und den (Beifall bei der FDP) Rechten der Unternehmen – wir nennen sie Was die Qualität angeht, weist es aus meiner Sicht Betriebsgeheimnisse oder Geschäftsgeheimnisse wirklich dramatische Mängel auf. – herzustellen. Wir müssen diese Sache also ausgewogen gestalten. Das ist unser Kernziel, Wie wenig Vertrauen Sie im Grunde genommen wenn wir uns um Verbraucherschutz kümmern. zu Ihrem eigenen Gesetz haben, wird wiederum in Ihrem Entschließungsantrag deutlich. Dort In dieser Frage – das ist die erste Kritik – ist schreiben Sie – das ist der letzte Punkt –, dass Sie dieses Gesetz unklar. Dieses Gesetz schützt nicht den ersten Erfahrungsbericht zwei Jahre nach systematisch genug die Betriebs- und die Inkrafttreten des Gesetzes vorlegen und alle Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen, vor gesetzlichen Informationsrechte miteinander allem nicht von kleinen Unternehmen. abstimmen und systematisieren wollen. (Beifall bei der FDP) (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Das ist ja klug!) Das ist Ihnen auch klar; schließlich haben Sie in Das ist ja wohl ein Witz. Das heißt, das jetzt diesem Gesetz eine ganze Litanei von vorliegende Gesetz ist unsystematisch Ausnahmetatbeständen aufgeführt. Um ein bisschen mehr Klarheit in diese Angelegenheit zu (Beifall bei Abgeordneten der FDP) bringen, müssen Sie einen Entschließungsantrag und mit vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen, zu Ihrem eigenen Gesetzentwurf einbringen, der zum Beispiel dem Informationsfreiheitsgesetz, auf der ersten Seite zwar relativ breit, aber unklar nicht in Einklang zu bringen. Das ist eine darlegt, wie Sie dieses Gesetz ausgestaltet wissen schallende Ohrfeige für Sie, die Sie diesen wollen. Gesetzentwurf heute verabschieden wollen. Ich Damit verbunden ist das Hauptproblem dieses halte das wirklich für dramatisch. Gesetzes. Dieses Gesetz verlagert die besondere (Beifall bei der FDP) Informationsverpflichtung gegenüber dem Verbraucher zu Recht in die Behörden. Behörden Ihr Gesetz ist insgesamt halbherzig angelegt. sind die Bindeglieder zwischen den Unternehmen Liebe Kollegin Heinen, Sie haben schön gesagt, und den Verbrauchern. Sie sind bestückt mit welche Zuständigkeiten mit diesem Gesetz Fachfrauen und Fachmännern. Sie sammeln diese verbunden sind. Aber wenn dieses Gesetz so toll Informationen; dafür haben sie einen staatlichen ist, warum regelt es dann eigentlich nicht die Auftrag. Das machen Lebensmittelkontrolleure in Auskunft über Lebensversicherungen? Warum den Betrieben. Sie gehen in die Betriebe und regelt es nicht die Auskunftspflicht bei informieren sich darüber, ob sie sich an die Kapitalgeschäften? Warum beschränken Sie sich Standards halten, die sozusagen Grundlage ihres im Kern auf Futtermittel, Lebensmittel und die wirtschaftlichen Tuns sind. dazugehörigen Bedarfsgegenstände? Wir wollen das mit dem Spielzeug nicht übertreiben. Schauen (Zuruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]) Sie doch einmal ins alte Lebensmittelgesetz! Da ist – Genauso ist es, Herr Kelber. – Sie sammeln der Begriff des Bedarfsgegenstandes sehr klar diese Informationen und sie stellen sie den definiert. Mit dem, was Sie hier tun, sind Sie von Verbrauchern zur Verfügung. Wenn Sie mir das dem, was dort für den Verbraucher abgedeckt nicht glauben, dann können wir uns darüber wird, ein ganzes Stück weit entfernt. nachher einmal unterhalten. Ich habe das Ihr Gesetz bleibt in Bezug auf unsere zentralen jahrelang gemacht. Ich weiß in etwa, wovon ich Verbraucherrechte, zum Beispiel Fahrgastrechte spreche. und Schutz junger Menschen, die sich durch die (Beifall bei der FDP) Benutzung von Handys überschulden, weit hinter den Erwartungen der Verbraucher zurück. 4062 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Deswegen wird Ihr Gesetz von den Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Verbraucherverbänden auch scharf kritisiert. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieses neue (Beifall bei der FDP – Julia Klöckner Verbraucherinformationsgesetz, das den [CDU/CSU]: Die FDP als Anwalt des Verbraucherinnen und Verbrauchern zum ersten Verbrauchers!) Mal einen Anspruch auf Informationen in einem – Ja, natürlich! Entschuldigen Sie, liebe Frau eigenständigen Gesetz gibt, wird von einigen völlig Klöckner, die FDP ist eine Bürgerrechtspartei. unterschätzt. Deshalb bitte ich Sie, dem, was von Deswegen ist sie natürlich Anwalt der meinem Vorredner gerade ausgeführt worden ist, Verbraucher. Sie ist die Partei, die ganz klar die nicht zu folgen. Ich möchte diese Gelegenheit Interessenlagen von Betrieben vertritt, gerade von nutzen, um einige Missverständnisse aufzuklären. kleinen Betrieben – die nicht immer alles so gut Wenn es jetzt im Blick auf das, was Frau Kollegin erfüllen können wie die großen –, damit diese Heinen schon gesagt hat, Doppelungen gibt, Betriebe und ihre Arbeitsplätze geschützt werden. (Ute Kumpf [SPD]: Doppelt genäht hält (Beifall bei der FDP) besser!) Lassen Sie mich noch etwas zu dem Gesetz braucht Sie das nicht zu wundern; denn wir haben von Bündnis 90/Die Grünen sagen, über das wir das als Koalition miteinander unter starken auch diskutieren. Sie wollen einen Geburtswehen auf den Weg gebracht. Informationsanspruch gegenüber Unternehmen Das Gesetz sieht deutliche Verbesserungen für begründen. Das lehnen wir entschieden ab. Es die Verbraucherinnen und Verbraucher vor und kann nicht den Anspruch eines Bürgers an ein verleiht ihren Interessen mehr Gewicht. Die Unternehmen geben, zum Beispiel zu wissen, wie Behörden werden verpflichtet, die Öffentlichkeit ein Malermeister – Kollege Zöllmer hat es gestern bei Verstößen gegen das geltende im Ausschuss eindrucksvoll belegt – seine Preise Lebensmittelrecht zu informieren. kalkuliert. Das ist schlicht und ergreifend eine Wettbewerbsverzerrung. Der Kunde muss sich auf (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist jetzt Folgendes verlassen: Wenn er ein Angebot von schon möglich!) einem Betrieb oder Unternehmen bekommt, dann Das wurde auf Druck der SPD – das möchte ich ist die Erarbeitung dieses Angebots sachgerecht. ausdrücklich betonen – mit einer Verschärfung der Dafür gibt es Fachleute in den Unternehmen. Die im Lebens- und Futtermittelgesetzbuch andere Funktion haben zu Recht die Behörden zu ursprünglich vorgesehenen Kannregelung erreicht; übernehmen. hier gilt jetzt eine Sollregelung. Dabei muss zwar Wir sind strikt gegen zu viele Staatseingriffe. Wir eine Abwägung lehnen das grüne Gesetz entschieden ab. Es (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Aha! Wie widerspricht allen Grundsätzen von jetzt!) Eigenverantwortung und Eigenständigkeit in Verbraucherfragen. Dieses Gesetz, das Sie zwischen den Belangen der Verbraucher und der vorgelegt haben, geht wirklich an der Sache betroffenen Unternehmen stattfinden; es ist aber in vorbei. der Regel davon auszugehen, dass das Interesse der Öffentlichkeit überwiegt. Nur in begründeten (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Manfred Ausnahmefällen kann von der Information der Zöllmer [SPD]) Öffentlichkeit abgesehen werden. Das vorliegende Gesetz der Koalition ist nach (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist jetzt Auffassung der FDP ein Namensblender. Es ist schon so!) kein Gesetz, das in entscheidendem Maße Verbraucherinformationen transportiert. Es ist nach Ich will verdeutlichen, welche Vorteile die neue unserer Auffassung eine Mogelpackung. Wenn Sie Regelung bringt. Die Behörden sollen die sich die Mühe machen würden, sich den Öffentlichkeit zum Beispiel informieren, wenn Entschließungsantrag der FDP zu Gemüte zu hinreichende Anhaltspunkte für eine führen und die Inhalte in die einzelnen Bausteine gesundheitliche Gefährdung vorliegen, die aus des Gesetzes zu integrieren, könnten wir bestimmten Gründen nicht behoben werden kann. längerfristig zu einem guten Gesetz kommen. Das Das gilt zum Beispiel für Acrylamid. Der Entste- von Ihnen heute vorliegende Gesetz findet unsere hung von Acrylamid beim Braten, Backen und Zustimmung nicht. Wir müssen es ablehnen. Frittieren von Kartoffeln und Getreideprodukten kann nicht verhindert werden. Aber durch (Beifall bei der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: niedrigere Temperaturen und kurze Garzeiten Damit haben wir gerechnet!) kann die Acrylamidbelastung reduziert werden. Deshalb enthalten die auf dem Markt vorhandenen Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Produkte ganz unterschiedliche Anteile. Darüber Nächste Rednerin ist die Kollegin Elvira müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher Drobinski-Weiß, SPD-Fraktion. informiert werden, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4063

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wochen bringen wir heute auch einen Einverstanden! Das ist jetzt schon so! Wo Änderungsantrag zum Gesetz ein, der eine ist das Problem?) Verkürzung der Bearbeitungsfrist für Informationsanliegen von acht Wochen auf vier zumal gerade Chips und Kekse, die vor allem Wochen vorsieht. belastet sind, insbesondere von Kindern verzehrt werden. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Großartig! – Ulrike Höfken [BÜNDNIS Mit dem Gesetz haben wir jetzt ein wirksames 90/DIE GRÜNEN]: Aber mit tausend Instrument in der Hand. Die Behörden können Ausnahmeregelungen!) Produkte und Hersteller benennen und die Verbraucher können sich gegen hoch belastete Außerdem wird klargestellt, dass bei Produkte entscheiden. Ich bin sicher, die Hersteller Rechtsverstößen Informationen nicht unter werden reagieren und die Belastung reduzieren. Berufung auf den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen verweigert werden dürfen. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das tun sie jetzt schon!) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Aber festge- stellt werden muss der Rechtsverstoß!) Ein weiteres Beispiel ist Gammelfleisch: Die Behörden sollen über Ekel erregende Lebensmittel Da nun auch aus CDU/FDP-regierten Ländern, informieren, das heißt, auch hier werden Produkt beispielsweise aus Nordrhein-Westfalen und und Anbieter benannt. Das Gesetz sieht übrigens Baden-Württemberg, Forderungen nach weiter ausdrücklich vor, dass solche Informationen auch gehenden Regelungen laut geworden sind, über Internet erfolgen können. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!) Von besonderer Bedeutung ist, dass sich die kann ich für die SPD sagen: Wir sind mit dabei. Verbraucherinnen und Verbraucher nun selbst an Für uns ist dieses Gesetz ein wichtiger, erster die Behörden wenden können, um weitere Schritt auf dem Weg zum transparenten Markt. Wir Informationen zu bekommen. werden dafür sorgen, dass weitere Schritte folgen. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Kostet aber!) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Oh!) Auch das möchte ich an einem Beispiel erläutern, Wir wollen, dass auch die Wirtschaft ihre nämlich der Druckchemikalie ITX, die bei Verantwortung gegenüber den Verbraucherinnen Verpackungen eingesetzt wird und Anfang des und Verbrauchern wahrnimmt und sie informiert. Jahres mehrfach in Obst- und Gemüsesäften aus Kartonverpackungen gefunden wurde. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das macht sie doch jetzt schon! Tun Sie doch nicht so!) Bei einigen herrschen offensichtlich Zweifel darüber, ob Verpackungen vom – Eben nicht. – Bei den Unternehmen liegen Verbraucherinformationsgesetz erfasst sind. Der schließlich alle Daten vor, die eine bewusste Geltungsbereich umfasst nicht nur Lebens- und Auswahl ermöglichen und eine Futtermittel, sondern auch kosmetische Mittel und eigenverantwortliche Marktteilnahme gewähr- Bedarfsgegenstände; diese hat Frau Heinen ja be- leisten. reits vorhin aufgezählt. Alles, was mit (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was denn Lebensmitteln oder kosmetischen Mitteln in nun?) Berührung kommt, so zum Beispiel Verpackungen, Behältnisse und sonstige Umhüllungen, fällt Wir wollen auf Basis erster Erfahrungen mit dem darunter. Verbraucherinnen und Verbraucher Verbraucherinformationsgesetz die Aufnahme haben also das Recht, sich bei den Behörden über weiterer Produkte und Dienstleistungen in den die Beschaffenheit bzw. die Behandlung der Geltungsbereich erreichen. Verpackung zu informieren, und würden dort dann (Beifall bei Abgeordneten der SPD) erfahren, ob bei der Verpackung eines bestimmten Obstsafts ITX verwendet wurde oder nicht. Haben Sie zugehört, Herr Goldmann? Druckchemikalien gehören allerdings überhaupt (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!) nicht in Lebensmittel. Deshalb vertreten wir die Auffassung Wie bei allen neuen Gesetzen können wir bisher nicht abschließend beurteilen, wie sich die (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wer ist Regelungen in der Praxis bewähren werden und „wir“?) ob alle gewünschten Ziele erreicht werden. – das sind wir –, dass die Behörden auch in Deshalb bringen wir heute auch einen solchen Fällen in Zukunft von sich aus die Entschließungsantrag ein, mit dem die Öffentlichkeit informieren sollten. Bundesregierung aufgefordert wird, die Erfahrungen mit dem Gesetz zu dokumentieren (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und auszuwerten. Damit werden wir zum Beispiel Als Konsequenz aus der öffentlichen Anhörung beobachten können, zum Verbraucherinformationsgesetz vor einigen 4064 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wir sind benannt werden, zeigt, dass sie wissen, dass weiter als ihr!) erstens die dringend benötigte Tür zwar einen kleinen Spalt weit geöffnet wird, dahinter aber nur ob und welche Ausschlussgründe zu nicht eine Wand ist, und dass zweitens eine Chance nachvollziehbarer Informationsverweigerung vertan wurde, tief erschüttertes führen, wie sich die Kosten entwickeln und wie Verbrauchervertrauen zurückzugewinnen. lange die Bearbeitung der Auskunftsanliegen dauert. Diese Auswertung gibt uns dann die Es mag ja sein, dass wir heute, objektiv Möglichkeit, bei eventuellen Fehlentwicklungen mit gesehen, die sichersten Lebensmittel aller Zeiten gesetzlichen Maßnahmen gegenzusteuern. Das ist haben. Nur, die Menschen bewerten das keineswegs eine schallende Ohrfeige. Vielmehr ist angesichts der Skandale der vergangenen Jahre es das Normalste von der Welt, dass man die subjektiv anders. Sie sind misstrauisch geworden. Erfahrungen mit einem Gesetz evaluiert. Was haben Gammel- und Wildfleischskandale, Druckerfarben in Getränken, Pestizide in Obst und (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist eine Gemüse gemeinsam? Selbstverständlichkeit!) (Zuruf von Hans-Michael Goldmann [FDP]) Mit dem Antrag werden auch die Unternehmen aufgefordert, eigene Initiativen zu ergreifen und Die Informationen darüber gelangten viel zu spät, Zugang zu den bei ihnen vorhandenen zu zögerlich und unvollständig an die Informationen zu gewähren. Sollte sich die Öffentlichkeit. Erst damit wurden sie zum Skandal! Wirtschaft hier nicht bewegen, werden wir auf (Beifall bei der LINKEN) gesetzliche Maßnahmen dringen. Die Gegenstrategie wäre ebenso logisch wie (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das macht einfach: ein Verbraucherinformationsgesetz, das die CDU/CSU mit? Interessant!) drei wesentliche Kriterien erfüllt. Der Zugang zu Ich denke, wir sind mit dem Gesetz auf einem Informationen bei Behörden und Unternehmen guten Weg. Den werden wir weitergehen, denn – muss erstens möglichst vollständig, zweitens ich schließe mit Johann Wolfgang von Goethe –: möglichst schnell und drittens erschwinglich sein. Alles Gute, was geschieht, setzt das Nächste (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie wissen in Bewegung. doch, dass das nicht geht!) Vielen Dank. Nur so können sich Verbraucherinnen und Verbraucher auf gleicher Augenhöhe mit den (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Unternehmen am Markt bewegen und mündige Kaufentscheidungen fällen. Was aber bedeutet der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: vorliegende Gesetzentwurf für Otto Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann, Normalverbraucher? Fraktion Die Linke. Erstes Beispiel: Zunächst erfährt er erst einmal (Beifall bei der LINKEN) gar nichts, denn eine aktive Informationspflicht der Behörden gibt es nicht. Otto Normalverbraucher wird also gar nicht nachfragen, ob sein Lieblingsgetränk die Druckerchemikalie Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): ITX enthält, denn er ahnt ja gar nicht, dass es die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe überhaupt gibt. Er bleibt im Zustand der Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Dieser glückseligen Ahnungslosigkeit. Mit der Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes ist entsprechenden Information hätte er solche vor allem eins: ein Dokument der politischen Mut- Verpackungen meiden können. Egal übrigens, ob und Kraftlosigkeit. ITX gesundheitsschädlich ist oder nicht: (Beifall bei der LINKEN sowie bei Vorbeugen ist besser als Heilen! Abgeordneten der FDP und des (Beifall bei der LINKEN – Hans-Michael BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Goldmann [FDP]: Das haben wir gestern Man kann es auch stärker formulieren: Es fehlt bei im Ausschuss gehört!) einigen Akteuren, nicht bei allen, der politische Zweites Beispiel: Otto Normalverbraucher hat Wille zur Sicherung der Interessen der gelesen, dass Obst Pestizide enthalten kann. Also Verbraucherinnen und Verbraucher, auch fragt er beim Händler nach. Er könnte wieder Pech gegenüber Interessen, die von Unterneh- haben, denn ein Auskunftsanspruch gegenüber mensverbänden geltend gemacht wurden. Ob Unternehmen besteht nicht. damit wirklich Unternehmensinteressen vertreten wurden, ist eine spannende Diskussion. Drittes Beispiel: Otto Normalverbraucher hat als eines von 300 000 Opfern eines Immobilienbetrugs Dass in der Protokollerklärung und im durch Strukturvertriebe viel Geld verloren. Er hätte Ausschuss und im Entschließungsantrag wichtige rechtzeitig vor dieser Gefahr gewarnt werden Defizite des Entwurfs von den Einreichern selbst können. Aber Dienstleistungen gehören nicht Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4065 zum Geltungsbereich des Ver- Michael Goldmann [FDP]: Du bist so braucherinformationsgesetzes. nackig heute!) Viertes Beispiel: Otto Normalverbraucher möchte erfahren, was an den Gerüchten dran ist, Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dass Honig nicht gentechnikfrei ist. Aber er ist Ihr wisst schon, warum ihr so ein schlechtes ALG-II-Empfänger. Die Auskunft, dass Gewissen habt, nehme ich an. kostendeckende Gebühren anfallen, lässt ihn (Heiterkeit) unverrichteter Dinge wieder gehen. Der Unmut in der Bevölkerung über die große Der Zugang zu Informationen ist ein Koalition wächst deutlich. Die demokratisches Grundrecht und sollte uns als Mehrwertsteuererhöhung geht zulasten der kleinen Gesetzgeber ein hohes Gut sein. Leute. Der wirtschaftliche Verbraucherschutz ist (Beifall bei der LINKEN) fast überhaupt nicht mehr zu spüren. Das Verbraucherinformationsgesetz bleibt weit hinter Diesem Anspruch wird der Koalitionsentwurf nicht den Zielen zurück, die sich Herr Seehofer selber gerecht. gesetzt hat, Es geht darüber hinaus darum, dass die (Jürgen Koppelin [FDP]: Er hat doch über- Rechtsordnung Markttransparenz – sie ist heute haupt keine!) wichtiger denn je – herstellen muss, wie das Bundesverfassungsgericht 2002 im und stellt die schwarzen Schafe geradezu unter Zusammenhang mit dem Glykolskandal urteilte. Artenschutz. Die Definition von Die immer kürzeren Abstände zwischen den Skan- „Betriebsgeheimnis“ wird so gedehnt, dass ein dalen sind ja kein Zufall. Großteil der Verbraucherinformationen zum Geheimnisverrat wird, und zwar unter dem Begriff (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie glauben „sonstige wettbewerbsrelevante Informationen“. ja selber nicht, was Sie sagen!) Die Proteste sind dementsprechend zahlreich. Die Bedingungen des globalisierten Marktes sind Ich habe das, obwohl ich schon viele Jahre im sehr hart. Sie fördern Strukturen skrupelloser Parlament bin, lange nicht so erlebt. Alle Profiteure, deren Leiharbeiter und Billigstlöhner Verbraucherverbände, Umweltverbände und sich kaum noch trauen, Verstöße und Schlamperei Journalistenverbände protestieren. öffentlich zu machen. Was könnte also mehr im Unternehmerinteresse liegen als ein Gesetz, das (Peter Bleser [CDU/CSU]: An die Arbeitsplätze sicherstellt, dass informierte Verbraucherinnen und denkt kein Mensch!) Verbraucher dafür sorgen, dass Abzocker keine Tausende von E-Mails werden geschrieben, von Chance haben? denen auch ich viele beantwortet habe. Ich habe (Beifall bei der LINKEN) nicht die gleiche Erfahrung gemacht wie Sie, Frau Heinen; das müssen wir noch einmal klären. Im Entschließungsantrag der Ebenso zeigen die Postkartenaktionen, von denen Koalitionsfraktionen heißt es: „Verbraucherpolitik Sie sich im Ausschuss ein Bild machen konnten, ist Wirtschaftspolitik von der Nachfrageseite.“ dass es hier ein Problem gibt. Richtig! Aber die Branche hat die Chance verpasst, ein Gesetz mit zu gestalten, das ihren Auch die Datenschutz- und Willen zu Transparenz, Offenheit und Informationsfreiheitsbeauftragten von Bund und Partnerschaft mit den Verbraucherinnen und Ländern haben Kritik angemeldet. Sie fordern, Verbrauchern dokumentiert. ebenso wie wir, den Anwendungsbereich zu erweitern – Frau Tackmann hat schon eine ganze Ich bedauere sehr, dass die vielen kritischen Reihe von Beispielen genannt –, nicht nur auf das Hinweise in der Expertenanhörung von LFBG bezogen, sondern weit darüber hinaus. Verbraucherverbänden und aus dem Parlament nicht zu einer Qualifikation der Vorlage geführt (Peter Bleser [CDU/CSU]: Das habt ihr früher haben. Dieser Gesetzentwurf darf nicht das letzte doch auch nicht gemacht!) Wort sein! In unserem Entschließungsantrag ist Aber selbst im Bereich des Lebensmittelrechts nachzulesen, was zu ändern ist. gibt es erhebliche Probleme; ich möchte das hier Danke. vertiefen. Die Mehrfachbelastung mit Pestiziden ist schon erwähnt worden. Gentechnisch veränderte (Beifall bei der LINKEN) tierische Lebensmittel – kein Informationsanspruch. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Höfken (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. stimmt doch gar nicht, was Sie da sagen! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sie müssen (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sie haben den Gesetzentwurf mal richtig lesen! – heute gar keine Utensilien dabei! – Hans- 4066 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Da kostendeckende Gebühren und Auslagen zu muss doch die Kennzeichnung her!) erheben. Bei aller Liebe: Welcher Verbraucher oder auch Journalist soll sich daran wagen, wenn – In Bezug auf die Ergebnisse der in Bezug auf das, was auf ihn an Forderungen Lebensmittelüberwachungsbehörden zu zukommt, eine solche Intransparenz herrscht, und gentechnisch veränderten tierischen wer kann das überhaupt leisten? Das ist meines Lebensmittelprodukten besteht kein Erachtens wirklich nicht zu machen. Informationsanspruch, da es bislang keine lebensmittelrechtliche Kennzeichnungsregelung (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sie haben gibt. das Gesetz leider nicht gelesen und die Begründung auch nicht!) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Michael Unsere Proteste hatten Erfolg. Ich weiß auch, Goldmann [FDP]: Du weißt doch, dass dass die Abgeordneten im Verbraucherausschuss das bei tierischen Lebensmitteln nicht sich fast alle sehr bemüht haben, hier nachweisbar ist!) Verbesserungen zu erwirken; das erkenne ich an. Namentliche Nennung eines Betriebes, der Aber klar ist auch: Was Sie in den salmonellenkontaminiertes Putenfleisch nach Entschließungsantrag geschrieben haben, das Dänemark exportiert hatte – nach Auskunft des hätten Sie ins Gesetz schreiben sollen. BVL kein Informationsanspruch. Ich möchte unseren Gesetzentwurf dem (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist Bundesrat ans Herz legen. doch schlicht falsch! Das stimmt doch (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Den hätten Sie überhaupt nicht!) hier erst einmal einbringen sollen!) Ich habe eine Liste von etwa zehn Seiten mit – Auf diesen interessanten Zuruf von Julia solchen Beispielen, alles Ausnahmebereiche. Klöckner mit der Kritik an Rot-Grün kann ich nur Dazu gehört der gesamte Bereich, der über das sagen: Es ist toll, wenn diejenigen, die mit ihrer Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Mehrheit jeden Fortschritt blockiert haben, eine Futtermittelrecht hinausgeht. Der Name ist, wie solche Kritik äußern. Herr Goldmann schon richtig gesagt hat, ein Eti- kettenschwindel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist doch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Ihnen damals im Kabinett gescheitert!) – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Schön, dass Sie sich mit der FDP Ich verweise auf unseren Gesetzentwurf. Alle verbünden!) Verbraucherinnen und Verbraucher sollen Zugang zu Informationen bei Behörden und Unternehmen – Das tue ich aber nur sehr selten. über alle Produkte und Dienstleistungen (Ulrich Kelber [SPD]: Ja, nur wenn es Ihnen bekommen. Die Behörden sollen das Recht passt!) erhalten, von sich aus die Verbraucher aktiv über verbraucherrelevante Sachverhalte zu informieren. – So ist das immer. Es sollen Datenbanken eingerichtet werden und (Ulrich Kelber [SPD]: Bei Ihnen schon!) ein Bundesbeauftragter soll Streitfälle schlichten. Die Datenschutz- und (Peter Bleser [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott!) Informationsfreiheitsbeauftragten von Bund und Punkte wie Ausschlussverfahren, Antragsgründe Ländern haben auch kritisiert, dass es keinen und Schutz von privaten und öffentlichen Rechtsanspruch auf Informationszugang gegen- Interessen sollen verbraucherfreundlich geregelt über Unternehmen gibt, werden. Dazu gehören insbesondere auch (Peter Bleser [CDU/CSU]: Das habt ihr Regelungen hinsichtlich der Gebühren. Wir werden doch auch in eurem Gesetzentwurf nicht dieses Thema weiterhin auf die Tagesordnung drin gehabt!) setzen. ebenso die Ausnahmeregelungen. Sie haben es Vielen Dank. mit diesen Ausnahmeregelungen fertig gebracht, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aus der Sollbestimmung, die Sie in den Gesetzentwurf hineingebracht haben, letztendlich eine Kannbestimmung zu machen. Die Fristen Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: haben Sie zwar verkürzt; aber auch da gibt es so Nächste Rednerin ist die Kollegin Julia Klöckner, viele Freiräume für Unternehmen in Bezug auf CDU/CSU-Fraktion. Einsprüche, dass sich die Beantwortung über (Beifall bei der CDU/CSU) Monate und Jahre verzögern kann. Die Regelung bei den Gebühren halte ich für Julia Klöckner (CDU/CSU): einen wirklichen Eklat. Dieser Entwurf sieht vor, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4067

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr PR-Gags Verwendung findet, aber letztlich nicht in Minister Seehofer! Liebe Kolleginnen und ein Gesetz Eingang findet? Während die Oppo- Kollegen! Wir hätten es uns auch einfach machen sition lieber mit dem Kopf durch die Wand geht, können. nehmen wir einfach die Tür und machen ein praxistaugliches Gesetz. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das habt ihr doch!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD und der FDP) Wir hätten es uns so einfach machen können wie die ehemalige Verbraucherministerin von den Unser Gesetz ist besser als der ursprüngliche Grünen, Renate Künast. Sie hat ein Entwurf, den Renate Künast im Parlament Eckpunktepapier in Anlehnung an einen einbringen wollte. Wir können festhalten, dass aus Greenpeace-Entwurf von 2001 vorgelegt. In der Kannvorschrift – Renate Künast hat damals die diesem Papier hat sie das Blaue vom Himmel Vorschrift entschärft und daraus eine versprochen. Was ist aber von einem Kannvorschrift gemacht – von uns eine Sollvor- Eckpunktepapier zu halten, wenn es in der schrift gemacht wurde. Jetzt können die Namen all Schublade liegt und vielleicht auf Presse- derer genannt werden, die versuchen, die konferenzen erwähnt wird, aber nicht in dem Verbraucher zu täuschen. Dies kann auch dann eigenen Gesetzentwurf Widerhall findet? geschehen, wenn die Produkte schon längst verzehrt worden sind, Stichwort Gammelfleisch. Wenn man ein Eckpunktepapier entwirft, dann Das ist ein großer Fortschritt in Richtung mehr sollte der Inhalt – ich gehe jedenfalls davon aus – Verbraucherinformation. Dies bedeutet auch mehr in den eigenen Gesetzentwurf Eingang finden. Abschreckung. Damit bewirken wir, dass die Renate Künast hat jedoch sehr früh darauf schwarzen Schafe eine ganze Branche nicht verzichtet. weiterhin in Misskredit bringen. (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- NEN]: Da sind ja schon Ansätze, zarte neten der SPD) Pflänzchen, im Vermittlungsausschuss gescheitert!) Im Vergleich zum vormaligen Entwurf – ich möchte das hier klarstellen – haben wir noch Sie hat wesentliche Punkte sozusagen vom Tisch etwas anderes erreicht: Die Staatsanwaltschaft ist geräumt: Die Unternehmen müssen keine verpflichtet, die Lebensmittelkontrolleure zu Auskunft geben; Dienstleistungen sind nicht informieren. Bis dato war es möglich, dass die enthalten. Renate Künast hat ihr Eckpunktepapier Staatsanwaltschaft ermittelt hat, ohne dass die am Fastnachtdienstag vorgelegt. Das hatte schon Lebensmittelbehörden Informationen bekamen. eine gewisse humoristische Pointe. Denn es wurde Auch aufgrund des Zehnpunkteplans, den Herr nie wieder aus der Schublade herausgeholt. Seehofer Im März 2002 hat sie sich zusammen mit Herrn Clement darauf geeinigt, den Anwendungsbereich des Gesetzes auf (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Nach seiner Lebensmittel und Bedarfsgegenstände zu be- speziellen bayerischen Erfahrung!) schränken. in einer sehr schnellen Reaktion auf den Gammel- (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: fleischskandal vorgelegt hat, gibt es nun eine Das sagen die Blockierer!) Verbesserung, und sie steht im Gesetz. Frau Höfken, Sie fordern hier etwas ein, was Ihre Dann haben wir eine Fristverkürzung erreicht. Ministerin noch nicht einmal im Kabinett Sie sprachen im Hinblick auf die Beantwortung von durchsetzen konnte. Wie soll denn der Bundesrat Einsprüchen von Jahren. Ihre Ministerin wollte etwas blockieren, was noch nicht einmal im damals einen Zeitaufschub von mindestens zwei Kabinett Zustimmung fand? Das ist Heuchelei. Monaten. Wir haben dies auf einen Monat verkürzt. (Beifall bei der CDU/CSU) Dann haben wir die Einschränkung des Auffällig ist auch Ihr Populismus. Als Sie damals Geheimnisschutzes bei Rechtsverstößen in der Regierung etwas unternehmen konnten, festgelegt. waren Sie nicht dazu in der Lage. Jetzt wollen Sie es, weil Sie genau wissen, dass Sie es eh nicht (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- durchsetzen können. NEN]: Soll das heißen, dass die SPD das alles blockiert hat?) Wir machen eine verantwortungsvolle Politik. Uns geht es darum, etwas Machbares auf den Sie sollten eigentlich wissen, was Ihre Ministerin, Weg zu bringen. Letztlich geht es uns auch darum, Frau Künast – Sie können es nachlesen; ich habe dass der Verbraucher einen Mehrwert hat. Was das Zitat mitgebracht –, zu den hat der Verbraucher von einem Wunschzettel, der Betriebsgeheimnissen gesagt hat. In dem von ihr irgendwo in einem Ministerium in der Schublade formulierten Kabinettsentwurf hieß es: „… soweit schlummert und nur für Pressekonferenzen und 4068 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Richtig ist, dass diese Chemikalie kein Erzeugnis Geschäftsgeheimnisse oder wettbewerbsrelevante im Sinne des LFGB ist. Aber der Begriff Informationen, die ihrem Wesen nach „Beschaffenheit“ – das können Sie in der Betriebsgeheimnissen gleichkommen, offenbart Begründung des Verbraucherinformationsgesetzes würden“, gebe es keine Auskunft. Das stand im nachlesen; die Juristen wissen das – umfasst die Entwurf von Frau Künast, der Ministerin der gesamte stoffliche Zusammensetzung von Grünen. Lebensmitteln. Sehr wohl bekommen Sie darüber Auskunft, übrigens auch über Pestizidbelastungen (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja genau! und Höchstgrenzen. Das ist richtig!) Dann möchte ich zum Kollegen Goldmann Wir gehen einen Schritt weiter und sagen: Bei sagen: Wir können gerne den Versuch starten – Rechtsverstößen soll es nicht möglich sein, von dann stellen Sie diesen Antrag –, alle einem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis Gesetzentwürfe, die sich in diesem auszugehen. Das ist Verbraucherschutz. Das hilft Zusammenhang irgendwo im den Verbraucherinnen und den Verbrauchern und Gesetzgebungsverfahren des Bundestages nicht der PR der Opposition. befinden, in ein Gesetz zu packen. Viel Glück bei (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU diesem Engagement! Wir sitzen an einem Ver- und der SPD – Ulrike Höfken [BÜNDNIS sicherungsvertragsgesetz; wir sitzen an der 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber etwas Regulierung der Fahrgastrechte; wir sitzen am anderes als „sonstige Telekommunikationsgesetz. Wenn Sie all das in wettbewerbsrelevante Informationen“! ein Gesetz packen wollen, dann fangen Sie an! Das will ich auch einmal sagen!) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ist doch gar Noch eines ist wichtig zu erwähnen: Auch kein Problem!) ungünstige Untersuchungsergebnisse wie zum Wir sitzen daran; dies steht im Koalitionsvertrag. Beispiel Qualitätsunterschiede oder Qualitätsmängel sind keine Geschäftsge- Sie kritisieren, dass über all diese Bereiche im heimnisse. Jüngst hat unser Wirtschaftsminister, VIG keine Auskunft gegeben wird. Das macht aber Michael Glos, die Liste solcher Produkte vorgelegt, Sinn. Es ist ein schlankes Gesetz. bei denen es zu Unterfüllungen kommt. Fast (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Frau Klöckner, 10 Prozent der entsprechenden Produkte und das stimmt doch nicht!) Verpackungen zeigen Unterfüllungen. Jetzt wird es möglich sein, dass sich ein Verbraucher darüber Ich habe selten ein solch schlankes und effektives informieren kann, wer versucht, ihn übers Ohr zu Gesetz gesehen, das auch Nichtjuristen verstehen hauen. Ein mündiger Verbraucher wird entschei- können. den können, welches Produkt er wählt und wie viel (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Geld er wofür ausgibt. Dafür machen wir den Weg frei. Wir machen damit einen Schritt hin zu einer guten Balance zwischen dem mündigen Noch eines, Frau Höfken: Beim Informationsfrei- Verbraucher und den Interessen der heitsgesetz konnten Sie damals allein zeigen – Unternehmen. Uns geht es um Arbeits- denn das war ein Initiativgesetz vor allem der platzsicherung. Dafür danke ich ganz herzlich Grünen –, was Sie können und wollen. Auch in Herrn Seehofer. diesem Informationsfreiheitsgesetz ging es um Betriebsgeheimnisse. In diesem Gesetz, das Sie (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was hat der übrigens ohne Konsultationen mit den denn mit dem Gesetz zu tun?) Bundesländern durchbringen konnten, steht, dass Auch er hat Wert auf die Berücksichtigung der „Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Kosten gelegt. nur gewährt werden darf, soweit der Betroffene eingewilligt hat“. Das ist die Politik der Grünen. Dann möchte ich noch auf Frau Tackmann Jetzt fordern Sie etwas, was Sie damals hätten tun eingehen. können. Ich muss Ihnen sagen: Wir sind sehr viel weiter. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Hans-Michael Goldmann [FDP]: An der Stelle Nein, Frau Kollegin, Sie gehen nicht mehr auf doch wohl nicht!) Frau Tackmann ein. Ihre Redezeit ist überschritten. Dann komme ich auf den Bereich der Chemikalien zu sprechen. Sie erwähnen immer Julia Klöckner (CDU/CSU): gerne, dass zum Beispiel ITX in Kartons nicht Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. – Damit geht erfasst werden würde. Was Sie hier sagen, wird mein Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen auch durch ständiges Wiederholen nicht wahrer. aus den Koalitionsfraktionen. Ich finde, dies ist ein (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ordentliches Gesetz. Die Verbraucherinnen und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4069

Verbraucher dürfen sich freuen, dass wir an der im Zusammenhang mit dem Lebensmittel- und Regierung sind. Futtermittelgesetzbuch oder auch dem Weingesetz – das ist heute noch nicht erwähnt worden – (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: stehen. So eine rückwärtsgewandte Rede!) Wie bereits erwähnt, basiert das Gesetz auf Danke. zwei Säulen: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Erstens. Behörden erhalten das Recht, die Abgeordneten der SPD – Ulrike Höfken Öffentlichkeit unter Namensnennung zu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die informieren. Begeisterung haben wir im Briefkasten gehabt! – Gegenruf von der CDU/CSU: Zweitens. Verbraucherinnen und Verbraucher Solche Operationen haben wir früher können selbstständig bei Behörden Informationen schon bei der Jungen Union gemacht!) abrufen. Das Gesetz ist erforderlich und es ist auch Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: erforderlich, dass es jetzt umgesetzt wird, da sich Das Wort hat die Kollegin Mechthild Rawert, gezeigt hat, dass eine Selbstregulierung des SPD-Fraktion. Marktes keine effektive Deckung des Informationsbedarfs der Verbraucherinnen und Mechthild Rawert (SPD): Verbraucher garantieren kann. – Wenn der Schlagabtausch über die (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wo sind Generationen hinweg beendet ist, denn die Mängel?) (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist eine an- Richtig ist, dass Organisationen und Verbände – dere Generation!) ich selber habe aufgrund der Reaktion eines komme ich zum Tagesordnungspunkt. Verbandes 1 648 E-Mails bekommen; Innerhalb der Marktgesetze von Kaufen und (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das waren Verkaufen benötigen Verbraucherinnen und Massenmails, von denen die Leute nichts Verbraucher eine solide Basis, um über wussten! – Peter Bleser [CDU/CSU]: Das Alternativen eigenständig und ver- lässt sich heute alles organisieren!) antwortungsbewusst ihre Rolle als das hat wie bei vielen von uns zu einer Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer Verstopfung geführt; aber darüber sind wir hinaus selbstbestimmend wahrzunehmen. – den Gesetzentwurf kritisiert haben. Bei der (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Jawohl! Information der Öffentlichkeit wurde es so Dafür haben sie einen Kopf!) dargestellt – Ich denke, hier haben wir Wesentliches zur (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Da sind Balance beigetragen, Herr Goldmann, indem wir aber Ihre Verbraucherrechte nicht die Rolle der Verbraucherinnen und geschützt worden! Das war nicht so nett!) Verbraucher gestärkt haben. – lassen Sie, Herr Goldmann, jetzt bin ich dran –, (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wo denn?) als sei das Gesetz ein „zahnloser Tiger“. Das stimmt definitiv nicht. Wir informieren, wir Verbraucherinnen und Verbraucher zeigen ein gewähren Rechte und schaffen dadurch auch gesteigertes Interesse an Informationen, bevor sie Nachfrage. sich zur Auswahl eines bestimmten Erzeugnisses entschließen. Insbesondere im Ich möchte noch einmal herausstellen, dass im Lebensmittelsektor – das ist von meinen Rahmen der Verschärfung des § 40 des Vorrednerinnen schon erwähnt worden – haben Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches aus viele Menschen ein spezielles einer Kannbestimmung eine Sollbestimmung Informationsinteresse, sei es aus gesundheitlichen geworden ist, was ein wesentlicher Schritt ist. Gründen, sei es, dass sie sich für bestimmte Meine Vorrednerin, Frau Drobinski-Weiß, hat – wie Qualitätsstandards interessieren. einige andere Rednerinnen auch – darauf hinge- wiesen. Wir erwarten von dieser Verschärfung, Häufig sind Verbraucherinnen und Verbraucher dass Behörden die Öffentlichkeit in Zukunft angesichts der Vielfalt der Angebote nicht mehr in frühzeitiger und ausführlicher über der Lage, aus eigenem Wissen und eigener Gesundheitsgefahren, Rechtsverstöße, Ekel Erfahrung die Qualität und sonstige relevante erregende Vorkommnisse – um das Gammel- Merkmale ausreichend zu beurteilen. Mit dem von fleisch auch noch einmal zu erwähnen – uns vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuregelung informieren. Also Vorsorge statt Nachsorge! des Rechts der Verbraucherinformation er- Diesem Grundsatz werden wir hiermit gerecht möglichen wir Verbraucherinnen und Verbrauchern werden. erstmalig, von Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden Informationen zu erhalten, die 4070 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Wir gehen einen Schritt in Richtung eines CDU/CSU) transparenten Marktes. Wir verfolgen das Leitbild des mündigen Verbrauchers, der mündigen Eine Information der Öffentlichkeit erfolgt auch Verbraucherin. Wir machen den ersten Schritt. Wir dann, wenn die betroffenen Erzeugnisse nicht werden diesen Weg weitergehen; denn wir mehr am Markt oder bereits bei der brauchen langfristig für alle Produkte und Verbraucherschaft sind. Dienstleistungen Verbraucherinformationen. Ich Uns, und zwar beiden Koalitionspartnern, ist bin mir sicher, dass Sie uns dabei unterstützen. wichtig gewesen, dass umtriebige Betrüger auch Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. dezidiert mit Namen benannt werden können. Ross und Reiter werden klar herausgestellt. Und (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) das ist gut so. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Peter Bleser [CDU/CSU]: Das hilft der Ich schließe die Aussprache. Wirtschaft!) Wir kommen zur Abstimmung über den von den Wir schaffen hiermit neue Rechtssicherheit. Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuregelung des Auch der Vorwurf einiger Verbände, dass Rechts der Verbraucherinformation, bestimmte Daten unter das Geschäfts- oder Drucksache 16/1408. Der Ausschuss für Betriebsgeheimnis fallen würden, zählt nicht und Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist falsch. Ausdrücklich wird herausgestellt, dass empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung Betrug nicht unter Schutz steht. Das muss noch auf Drucksache 16/2011, den Gesetzentwurf in der einmal ganz klar hervorgehoben werden. Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte nun (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der CDU/CSU) Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? Eine Verbesserung bringt auch die Verkürzung – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung der Frist von acht auf vier Wochen. Man sehe mir mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen nach, dass ich darauf hinweise, aber das ist ein der Opposition angenommen. eminenter Verdienst meiner Fraktion. Dritte Beratung (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Unser Minister war und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die das! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu Das war der Vorschlag von Seehofer!) erheben. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung mit Wir haben gesagt, was der Gesetzentwurf für demselben Stimmenergebnis wie in zweiter die Verbraucherinnen und Verbraucher bringt. Er Beratung angenommen. dient aber auch den bundesweit tätigen Unternehmen. Bis dato wurden bundesweit Wir kommen nun zu den agierende Unternehmen aufgrund der Entschließungsanträgen. Wer stimmt für den unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Entschließungsantrag der Fraktionen der Bundesländern unterschiedlich behandelt. Das CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/2035? hat der angebliche Skandal um die Salmonellen in – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der den Tiefkühlbackwaren gezeigt. Wir sorgen für Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Einheitlichkeit. Das ist für jede Verbraucherin und Koalition bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und jeden Verbraucher von Vorteil. Gegenstimmen des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP angenommen. Wir erwarten von den Unternehmen, dass sie ihre Kundinnen und Kunden besser und Wer stimmt für den Entschließungsantrag der umfassender über Produkte informieren. Hierin Fraktion der FDP auf Drucksache 16/2036? – sehen wir eine Grundvoraussetzung für eine Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Stärkung der Nachfrage. Wir setzen auf Entschließungsantrag ist mit der Mehrheit der Innovation. Stimmen des Hauses bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Albert Einstein sagte, es wäre traurig, wenn die Tüte wertvoller wäre als das darin verpackte Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fleisch. Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/2037? – sorgen wir dafür, dass Verbraucherinnen und Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Verbraucher die Informationen erhalten, die sie Entschließungsantrag ist mit der überwiegenden benötigen, um – nach Albert Einstein – beurteilen Mehrheit der Stimmen des Hauses abgelehnt. zu können, ob die Tüte oder das Fleisch wertvoller Abstimmung über den von der Fraktion des ist. Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes auf Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4071

Drucksache 16/199. Der Ausschuss für Ernährung, Herrn Minister und die Abgeordneten der SPD- Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt Fraktion, Platz zu nehmen. – Herr Kollege unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Hinsken, bitte schön. Drucksache 16/2011, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Ernst Hinsken (CDU/CSU): Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Werte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? Damen und Herren! Gestatten Sie zunächst, dass – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung ich mich herzlich bedanke, dass Sie dafür gesorgt mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP haben, dass ich Gehör finde. Das ist ja Sinn und abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Zweck, wenn man eine Rede im Plenum des Geschäftsordnung die weitere Beratung. Deutschen Bundestages halten darf. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Wir sprechen hier über ein ganz wichtiges Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Thema, das vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, Verbraucherschutz auf Drucksache 16/2009. Der vor allen Dingen den betroffenen Jugendlichen, auf Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner den Nägeln brennt; denn die Lage am Beschlussempfehlung die Annahme des Antrags Ausbildungsmarkt liegt uns allen am Herzen. Die der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Tatsache, dass in dieser Aktuellen Stunde zwei Drucksache 16/195 mit dem Titel „Lebens- zuständige Bundesminister reden werden, unter- mittelskandalen effektiv entgegenwirken – streicht die Bedeutung, die die Bundesregierung Verbraucher umfassend informieren“. Wer stimmt der Ausbildungsplatzsituation in der für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt Bundesrepublik Deutschland beimisst. dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Koalition angenommen. Die Schaffung von Ausbildungsplätzen für die junge Generation ist in der jetzigen Zeit eine der größten Herausforderungen für Politik, Wirtschaft Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung und Gesellschaft. Unser gemeinsames Ziel soll empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des und muss es daher sein, bestrebt zu sein, dass Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die alle ausbildungswilligen Jugendlichen einen Grünen auf Drucksache 16/111 mit dem Titel Ausbildungsplatz bekommen. „Konsequenzen aus den Fleischskandalen: Umfassende Verbraucherinformation und bessere (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Kontrollen“. Wer stimmt für diese Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den vielen Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Hunderttausenden von Ausbildungsbetrieben in Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit der Bundesrepublik Deutschland ein Wort des den Stimmen der Koalition und der Fraktion der Dankes dafür zu sagen, dass man bereit war, der FDP angenommen. großen Nachfrage in den letzten Jahren Rechnung Schließlich empfiehlt der Ausschuss für zu tragen und Ausbildungsplätze zur Verfügung zu Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz stellen. unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung auf (Beifall bei der CDU/CSU) Drucksache 16/2009 die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/825 mit Ausbildung ist die Investition in die Zukunft. Ich dem Titel „Verbraucherschutz in der möchte deshalb anerkennend feststellen: Der Marktwirtschaft durch mündige und aufgeklärte Ausbildungspakt hat sich rentiert. Die Wirtschaft Verbraucher sicherstellen“. Wer stimmt für diese hat die Selbstverpflichtung erfüllt. – Wir Deutschen Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – können besonders stolz darauf sein, dass sich das Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit duale System bewährt hat. Es findet in der den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Gegenwart weltweit Beachtung und wird auch in Grünen und der CDU/CSU angenommen. der Zukunft federführend sein. Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf: (Vorsitz: Präsident Dr. Norbert Lammert) Aktuelle Stunde Erfreulich ist vor allen Dingen, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Das auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU erwähne ich, weil es für jeden jungen Mitbürger mit und der SPD einer abgeschlossenen Ausbildung wichtig ist, Lage am Ausbildungsmarkt – dass er entweder in dem Beruf, in dem er Ausbildungspakt als Chance für ausgebildet wurde, Beschäftigung findet oder einer Unternehmen, junge Menschen und den anderweitigen Beschäftigung nachgehen kann. Arbeitsmarkt Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen genauso gut wie ich, dass in unseren Bevor ich dem Kollegen Ernst Hinsken, Sprechstunden immer der Wunsch an uns CDU/CSU-Fraktion, das Wort erteile, bitte ich den herangetragen wird, bei der Suche nach einem 4072 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Ausbildungsplatz behilflich zu sein. Das spreche Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit. ich deshalb an, weil uns Jugendliche ohne (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich hätte dir noch abgeschlossene Ausbildung in Zukunft als lange zuhören können, Ernst!) Fachkräfte fehlen werden. Das wird auch von den Betrieben viel zu wenig berücksichtigt. Ernst Hinsken (CDU/CSU): Ich möchte insbesondere an das Handwerk ein Jawohl. Ich komme zum Schluss, Herr Wort des Dankes richten. Das Handwerk hatte, Präsident, obwohl ich noch vieles zu sagen hätte. was die Schaffung von Ausbildungsplätzen betrifft, zum Stichtag 30. April 2006 einen Zuwachs von (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben aber 2,5 Prozent – das entspricht fast 10 000 Stellen – auch noch viel Wichtiges zu sagen!) zu verzeichnen. Sehr vorbildlich geht man in der Hotellerie und in der Gastronomie zu Werke. In Präsident Dr. Norbert Lammert: diesen Bereichen wurden allein im letzten Jahr Das habe ich befürchtet. Deswegen habe ich 7 Prozent zusätzliche Ausbildungsplätze zur mich gemeldet. Verfügung gestellt; das bedeutet ein Mehr von einigen Tausend Plätzen. Die Grenze von Ernst Hinsken (CDU/CSU): insgesamt 100 000 Ausbildungsplätzen ist Ich habe Verständnis dafür. Nach mir sind überschritten. In diesen Berufen werden 100 600 schließlich noch andere Rednerinnen und Redner Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt. Wir alle an der Reihe, die meine Ausführungen ergänzen können einen Beitrag dazu leisten, dass mehr werden. Ausbildungsplätze geschaffen werden. Ich fordere Sie auf: Gehen Sie ab und zu in Hotels oder Eine Botschaft möchte ich allerdings noch Gaststätten! Kurbeln Sie auf diese Weise die vermitteln dürfen, Herr Präsident Wirtschaft an und sorgen Sie so indirekt dafür, (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Frohe dass vermehrt Ausbildungsplätze zur Verfügung Weihnachten!) gestellt werden! – dabei handelt es sich um eine Bitte an die (Beifall bei der CDU/CSU) Jugendlichen; das sage ich, weil so viele Natürlich besteht auch die Möglichkeit, eine Jugendliche auf der Tribüne sitzen –: Nutzt die Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes Vielfalt der angebotenen Berufe! Es muss nicht vorzunehmen. Wenn allein das immer der Traumberuf sein. Seid flexibel und Jugendarbeitsschutzgesetz geändert und mobil! Was ihr erlernt habt, kann euch niemand zugelassen würde, dass man einen Lehrling, der ja mehr nehmen. – Wenn wir uns von diesem dann tätig sein soll, wenn tatsächlich gearbeitet Leitgedanken tragen lassen, dann ist mir nicht wird, pro Tag eine Stunde länger – nicht bis bange, dass wir die Situation auf dem 22 Uhr, sondern bis 23 Uhr – beschäftigen darf, Ausbildungsmarkt in diesem Jahr meistern dann könnten dadurch Hunderte neuer werden. Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn du das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- willst, kannst du unserem Antrag neten der SPD und der LINKEN) zustimmen, Ernst! Wir haben nämlich genau das eingebracht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Meine Damen und Herren, lassen Sie mich darauf Nächster Redner ist der Kollege Dr. Heinrich L. verweisen, dass es noch unbesetzte Kolb für die FDP-Fraktion. Ausbildungsplätze gibt, insbesondere was die (Beifall bei der FDP) Ausbildung zu Köchen, Fachleuten für Systemgastronomie und Restaurantfachleuten an- geht. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines möchte ich noch ansprechen: Ich denke, diese Aktuelle Stunde ist vor allen Besorgniserregend nicht nur für mich, sondern für Dingen Platzhalter. Es soll verhindert werden, dass uns alle ist, dass es sehr vielen Jugendlichen an die Opposition in dieser Woche eine weitere der nötigen Ausbildungsreife fehlt. Laut dem Aktuelle Stunde beantragt. Deutschen Industrie- und Handelskammertag und dem ZDH verlassen jedes Jahr 100 000 (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: So ist es! – Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Nicolette Kressl [SPD]: Das ist nicht wahr! Abschluss. Weitere 100 000 verlassen die Schule Das haben wir aber schon mehrmals ohne hinreichende Kenntnisse im Hinblick auf gesagt!) Lesen, Schreiben und Rechnen. Das entspricht 20 In der Sache gibt es wenig Aktuelles und wenig bis 25 Prozent eines Jahrgangs. Neues zu berichten, Frau Kollegin Kressl. Wie immer zu dieser Jahreszeit haben wir eine Präsident Dr. Norbert Lammert: Lehrstellenlücke zu verzeichnen. Wie groß sie im Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4073

Oktober dieses Jahres sein wird, also dann, wenn doch klar sein, dass jeder Prozentpunkt, um den die Nachbesetzungen erfolgt sind, weiß heute Sie die Mehrwertsteuer erhöhen, niemand. (Jörg Tauss [SPD]: Oh! Nehmen Sie mal eine Ich möchte dazu aufrufen, bei der Bewertung andere Platte!) der aktuellen Zahlen zu berücksichtigen, dass Gift für die Schaffung von Ausbildungsplätzen ist. nach einer neuen Umfrage des DIHK nur noch Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz 55 Prozent der Unternehmen ihre unbesetzten und das geplante Nichtrauchergesetz sind Gift für Ausbildungsplätze bei der Bundesagentur für die Schaffung von Ausbildungsplätzen. Arbeit melden. Sie haben bei der Suche nach geeigneten Bewerbern offensichtlich kein Ver- (Beifall bei der FDP) trauen mehr zur Bundesagentur, weil ihre Ich denke, dass man feststellen kann: Die Beratungs- und Vermittlungsleistungen nicht Mehrzahl der bestehenden Unternehmen ist hinreichend sind. grundsätzlich bereit, auszubilden; das betrifft (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ja! So ist das insbesondere den Mittelstand. Aber eine leider!) Ausbildung muss aus Sicht der Unternehmen auch interessant sein; das heißt, das Kosten-Nutzen- Auch aus diesem Grunde wäre aus unserer Sicht Verhältnis muss stimmen. Das ist entscheidend für eine Reform der Bundesagentur für Arbeit die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen, wie dringend notwendig. auch die topaktuelle IHK-Onlinebefragung vom (Beifall bei der FDP) Juni 2006 zeigt. Hohe Ausbildungskosten, tarifliche Übernahmeverpflichtungen, zu lange Ich will diese Aktuelle Stunde nutzen, um einige Ausbildungsdauer und starre Berufsbilder sind Anmerkungen zu machen, deren Beachtung Hemmnisse für die Bereitstellung von vielleicht dazu beitrage könnte, dieses Problem Ausbildungsplätzen. Hier haben wir durchaus künftig zu lösen. Eines will ich vorausschicken: Die Möglichkeiten, etwas zu tun. Ausbildung junger Menschen ist eine herausragende Aufgabe, der wir uns alle stellen (Zurufe von der SPD) müssen. Junge Menschen haben dann eine – Wenn Sie anderer Meinung sind, stellen Sie mir besonders gute Chance auf dem Arbeitsmarkt, Zwischenfragen. wenn sie eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen können. Deswegen müssen wir mit all (Jörg Tauss [SPD]: Wir sind in der Aktuellen unseren Bemühungen das Ziel verfolgen, dass Stunde!) möglichst viele Unternehmen ausbilden. Ich denke, dass auch veraltete bürokratische (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!) Vorschriften in den Ausbildungsverordnungen und beim Jugendschutz die Ausbildung behindern; Dazu genügt es aber nicht, wie es Herr Minister darauf hat der Kollege Hinsken – wie immer zu Müntefering getan hat, den Unternehmen Recht – fachkundig hingewiesen. Kurzsichtigkeit und Egoismus vorzuwerfen. Denn eines ist klar: Unternehmen, die aufgrund einer (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!) schlechten wirtschaftlichen Lage einen Die FDP hat aus ebendiesem Grunde, den du Personalabbau planen, werden natürlich nicht genannt hast, Ernst, einen Antrag eingebracht, der ausbilden; das ist nun einmal so, da nützt auch darauf hinwirkt, dass Hauptschulabgänger im kein Vorwurf aus einem Ministermund. Erst recht Hotel- und Gaststättengewerbe eine Chance auf gilt das für insolvente Unternehmen, von denen wir einen Ausbildungsplatz bekommen, indem sie in den letzten fünf Jahren rund 200 000 hatten. länger arbeiten dürfen, wenn die Unternehmen in 200 000 Unternehmen sind als potenzielle diesen Zeiten Kunden haben. Da können wir ganz Ausbildungsbetriebe ausgeschieden. Das ist konkret handeln. Ich werde das Abstim- Ergebnis einer anhaltend schwachen Konjunktur mungsverhalten der Kollegen mit Interesse und Ergebnis einer falschen Politik. Das muss man beobachten. hier einmal feststellen. (Jörg Tauss [SPD]: Das kann ich Ihnen schon (Beifall bei der FDP – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: sagen!) Und einer falschen Regierung!) Ernst, du hast darauf hingewiesen: Junge Damit in ausreichender Zahl Ausbildungsplätze zur Menschen müssen auch ausbildungsfähig sein. Verfügung gestellt werden können, brauchen wir Hier ist eine Qualitätsoffensive bei der schulischen die richtigen wirtschaftspolitischen Bildung notwendig. Für 63 Prozent der größeren Rahmenbedingungen, ein stärkeres Wachstum, Unternehmen und immerhin noch knapp die richtigen steuerpolitischen Rah- 50 Prozent aller Unternehmen ist mangelnde menbedingungen, die richtigen tarifpolitischen Ausbildungsreife das Haupthindernis für eine Rahmenbedingungen und weniger Bürokratie. Hier Einstellung von Auszubildenden. Es muss sind Sie auf dem falschen Weg, wie sich in dieser selbstverständlich sein, dass jeder Sitzungswoche ganz aktuell zeigt. Ihnen muss Hauptschulabgänger richtig lesen, schreiben und 4074 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 rechnen kann; das ist ein zentraler Punkt. Wenn zu sagen: Hier geht es um Inhalte und nicht um 12 Prozent der vom DIHK befragten Unternehmen irgendwelche Formalitäten. angeben, dass sie ihre Ausbildungsplätze nicht (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – besetzen konnten, weil es keine geeigneten Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe die Bewerber gab, dann ist das ein Punkt, der uns Aktualität gerade erläutert!) stark beschäftigen muss. Ich halte es für absolut notwendig, dass wir im Zum Schluss: Die FDP-Bundestagsfraktion ist Hinblick auf die Chancen von jungen Menschen – gegen eine Ausbildungsplatzabgabe. Ich finde, der auch durch den Ausbildungspakt – eine ehrliche Ausbildungspakt funktioniert, wir sind auf dem Analyse durchführen. richtigen Wege. Eine Ausbildungsplatzabgabe hätte eine verheerende Wirkung. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Eine ehrliche Analyse bedeutet, dass wir die Ich bin sicher, dass dies viele Unternehmen zum Ergebnisse des Paktes weder schlecht- noch Anlass nähmen, sich aus der Ausbildung zu gutreden. verabschieden. Die Forderung des DGB nach einer Lehrstellensteuer ist ein Griff in die (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann ideologische Mottenkiste und schafft keinen [SPD]) einzigen zusätzlichen Ausbildungsplatz, belastet Nur eine richtige Analyse kann dazu führen, dass die Wirtschaft und schafft wieder ein Stück mehr wir uns auch die richtigen Gedanken darüber Bürokratie. machen, wie er weiterentwickelt werden kann. Wir brauchen auch eine Stärkung der Dass es in einzelnen Bereichen eine schwierige überbetrieblichen Ausbildung. Die FDP hat sich Situation gibt, ist nicht zu leugnen. Beispielsweise dafür eingesetzt, dass die Mittel für die geht das Angebot an freien Berufen deutlich überbetriebliche Ausbildung erhöht werden, auch zurück. Wir haben – das wissen wir auch aus allen gegen anfänglichen Widerstand der großen Ländern – sehr viele junge Menschen in Koalition. Ich denke, wenn Sie diese Ratschläge Warteschleifen, die auch eine Chance verdient beherzigen, dann wäre das eine Chance, mehr haben, und wir müssen die Chancen der jungen junge Menschen in ein Ausbildungsverhältnis zu Menschen mit Migrationshintergrund noch deutlich bringen, und dann hätte sich diese Aktuelle Stunde verbessern. Auch das haben die drei Minister bzw. am Ende doch gelohnt. Ministerinnen, die für diesen Bereich zuständig Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. sind, deutlich gemacht. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD) Zu einer ehrlichen Analyse gehört aber auch, zu Präsident Dr. Norbert Lammert: sagen, dass die Einschaltquote bezüglich des Ich mache, um Irritationen vorzubeugen, darauf Angebots an Ausbildungsplätzen und der Meldung aufmerksam, dass Zwischenfragen in einer bei der Bundesagentur für Arbeit zurückgegangen Aktuellen Stunde nicht möglich sind. sind und dass wir deshalb Schwierigkeiten haben, (Jörg Tauss [SPD]: Hätte ich gemacht!) die Situation statistisch genau zu bewerten. – Ich habe keinen Zweifel, dass es Interessenten (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hat Gründe, dafür auf beiden Seiten meines Pultes gäbe. Frau Kressl!) Nun hat die Kollegin Nicolette Kressl für die Es gehört auch zur Ehrlichkeit, zu sagen und SPD-Fraktion das Wort. deutlich zu machen – wir sind froh darüber, dass es so ist –, dass die beiden Kammern, die den (Beifall bei der SPD) Pakt mit vereinbart haben, in diesem Bereich ein großes Engagement zeigen. Kammern können aber nur dann erfolgreich sein, wenn die Unternehmen, die ihnen angeschlossen sind, auch Nicolette Kressl (SPD): Ausbildungsplätze anbieten. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Chancen von jungen Menschen im Bereich der (Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb Ausbildung ist für meine Fraktion immer ein [FDP]: Sie können nur erfolgreich sein, wichtiges Thema gewesen. Deshalb weise ich das, wenn die politischen was Sie gerade behauptet haben, Herr Kolb, Rahmenbedingungen stimmen!) nämlich dass die beiden Koalitionsfraktionen diese Man muss der Ehrlichkeit halber auch dazusagen, Aktuelle Stunde nur beantragt haben, um eine dass es Branchen gibt, in denen sich ein Anstieg Aktuelle Stunde der Opposition zu verhindern, der Zahl abgeschlossener Ausbildungsverträge ausdrücklich zurück. Wir haben die Behandlung andeutet. Endpunkt aber wird der 30. September dieses Themas bereits in der letzten sein, nach Überprüfung der Nachvermittlung. Sitzungswoche beantragt. Es ist mir wichtig, das Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4075

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Eben! Das ist in Insofern unterstützen wir alle Mitglieder der jedem Jahr so!) Bundesregierung, die engagiert dafür eintreten und dafür werben; denn es muss etwas erreicht Wir müssen überlegen, wie wir von politischer werden. Seite aus unterstützend tätig werden können, um den Jugendlichen eine Chance zu geben. Ich halte Vielen Dank. es für dringend notwendig – das habe ich in den (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Redebeiträgen bisher vermisst –, noch einmal an die großen Unternehmen zu appellieren und sie aufzufordern, ihrer Verantwortung für ihre eigene Präsident Dr. Norbert Lammert: ökonomische Zukunft, aber auch für die Zukunft Die Kollegin Cornelia Hirsch ist die nächste der jungen Leute – das fügt sich zusammen – Rednerin für die Fraktion Die Linke. stärker als bisher gerecht zu werden. Dazu gehört (Beifall bei der LINKEN) für mich, dass die Unternehmen und die Tarifparteien endlich Tarifgespräche mit Blick auf Cornelia Hirsch (DIE LINKE): eine Verbesserung der Ausbildungssituation Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! führen und zu einem Erfolg kommen. Die Schönrednerei, die allen voran gerade vom (Beifall bei der SPD) Kollegen Hinsken von der CDU/CSU-Fraktion betrieben wurde, halten wir für unerträglich. Lieber Es muss ja kein bestimmtes Instrument sein. Es Kollege Hinsken, ich bitte Sie, die Erwartungen gibt viele tarifliche Vereinbarungen mit den bezüglich der Ausbildungsplatzlücke in diesem unterschiedlichsten Instrumenten, von der Sommer zur Kenntnis zu nehmen. Es wird davon Branchenumlage bis hin zur Frage, wie mit gesprochen, dass vermutlich mehr als 150 000 Ausbildungsvergütungen umgegangen wird. Das Jugendliche ohne Ausbildungsplatz auf der Straße ist nämlich Sache der Tarifparteien. Natürlich stehen werden. können sie darüber reden; das ist ja auch im Chemiebereich geschehen. Dies muss aber mit (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch einem verbindlich zugesagten Zuwachs an Quatsch! Welche Zahlen sind das?) abgeschlossenen Ausbildungsverträgen Das sind so viele wie nie zuvor. Angesichts dieser verbunden sein. Das ist doch klar. Zahlen müsste auch für Sie offensichtlich sein, (Beifall bei der SPD) was wir Ihnen schon im letzten Herbst gesagt haben: Der Ausbildungspakt ist auf ganzer Linie Ich halte es für völlig falsch, wenn von gescheitert. – Vielleicht sollten sich einmal die politischer Seite gesagt wird, die Vergütungen der Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion Azubis müssten gekürzt werden. Für mich gibt es überlegen, dass es durchaus seinen Grund hat, ein entscheidendes Argument dagegen: Wenn wir wenn die Gewerkschaften nach wie vor nicht bereit von den jungen Leuten Mobilität erwarten, dürfen sind, bei einer solchen Lügengeschichte mitzuma- wir nicht gleichzeitig ihre Ausbildungsvergütung chen. kürzen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der SPD) Noch unverantwortlicher als Ihr Festhalten an Zwölf Jahre lang hatte ich beruflich intensiv mit diesem Pakt finden wir die Überlegungen, die zur dem Handwerk zu tun. Meine Handwerker sagen Weiterentwicklung dieses Paktes in die Diskussion mir: Lasst doch die Debatte! Wie sollen wir jungen eingebracht wurden. Die Kollegen von der FDP- Leuten ein attraktives duales System anbieten, und der CDU/CSU-Fraktion haben gerade einige wenn ihr darüber redet, in Teilbereichen bereits Punkte benannt; Gleiches wurde von jetzt niedrige Vergütungen noch einmal zu kürzen? Bundesministerin Annette Schavan in die Das ist der falsche Weg. Wenn, dann muss das Diskussion eingebracht. Konkret benannt geht es tariflich geregelt werden. – Ich finde es bei diesen Vorschlägen darum, die Mitbestimmung bedauerlich, dass da so wenig passiert. von Azubis abzubauen, die Vergütung zu senken, (Beifall bei der SPD) die Ausbildungszeiten zu verkürzen und – das war gerade der Vorschlag – die Regelungen zum Zum Abschluss möchte ich Folgendes sagen: Arbeitsschutz einzuschränken. Das Ganze passiert Im Hinblick auf den Ausbildungspakt muss es unter dem Vorwand, dadurch finde ein Abbau von unser Ziel sein, wieder das Ergebnis des Paktes Ausbildungshemmnissen statt im ersten Jahr zu erreichen, dass wir also nicht nur neue Ausbildungsplätze haben, sondern dass es (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) einen tatsächlichen Zuwachs an und werde es den Unternehmen leichter gemacht, Ausbildungsplätzen gibt. Das ist das Mindestziel, Ausbildungsplätze einzurichten. das wir erreichen müssen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben es ver- (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE standen, Frau Hirsch!) GRÜNEN]: Und was macht die Koalition dafür?) 4076 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, zur Des Weiteren muss für mehr Gerechtigkeit Kenntnis zu nehmen, dass zur politischen zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Ehrlichkeit gehört, offen auszusprechen, was Sie Betrieben gesorgt werden. mit Ausbildungshemmnissen meinen. Es sind Deshalb ist unsere Forderung klar – wir freuen nämlich die Rechte der Jugendlichen, die Sie uns, dass wir im deutlichen Widerspruch zur FDP abbauen wollen. Da werden wir definitiv nicht stehen –: mitmachen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir auch! Ab- (Beifall bei der LINKEN) grenzung muss sein! Wir haben auch kein Ihr zweites Lieblingsthema – auch das wurde Problem damit!) angesprochen – ist die angeblich mangelnde Wir fordern die Einführung einer gesetzlichen Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen. Wir halten Ausbildungsplatzumlage. Das ist ein wichtiger und die Debatte um die Ausbildungsfähigkeit zu großen richtiger Schritt, der längst überfällig ist. Teilen für ein grandioses Ablenkungsmanöver. Schließlich lässt sich damit die Ausbildungsstatistik (Beifall bei der LINKEN) ziemlich leicht aufbessern. Ein Jugendlicher, der Erlauben Sie mir einen letzten Hinweis an die als nicht ausbildungsreif abgestempelt wird, taucht SPD-Fraktion. Von der SPD kommt hin und wieder in der Statistik auch nicht mehr als ausbil- die Aussage, dass sie diese Forderung letztlich dungsplatzsuchend auf. Wir finden, anstatt über unterstützen würde, dass das Vorhaben aber im die mangelnde Ausbildungsfähigkeit der Rahmen der großen Koalition derzeit nicht Jugendlichen zu klagen und die Schuld dafür den durchsetzbar sei. Wir möchten in diesem Jugendlichen zuzuschieben, sollten Sie sich Zusammenhang darauf hinweisen, dass Sie in Ih- besser überlegen, wie Sie unser Bildungssystem rer Regierungszeit gemeinsam mit Ihrem verbessern können. damaligen Koalitionspartner, den Grünen, die (Beifall bei der LINKEN) Möglichkeit gehabt hätten, eine Ausbildungsplatzumlage einzuführen. Sie haben Gerade hier tun Sie das genaue Gegenteil. Man diese Möglichkeit nicht genutzt, weil es in Ihren muss sich einmal ansehen, was morgen hier im eigenen Reihen keine Mehrheit dafür gab. Deshalb Plenum zur Abstimmung steht. Es geht nämlich halten wir es für zutiefst verlogen, wenn Sie jetzt um die Föderalismusreform. versuchen, sich als das soziale Gewissen in der (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: In der Tat!) großen Koalition zu profilieren. Fakt ist, dass diese Föderalismusreform die (Beifall bei der LINKEN – Kai Boris Rahmenbedingungen für die Bildung auf allen Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ebenen massiv verschlechtern wird. Das war doch beschlossen!) (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das stimmt doch Unser Fazit ist klar: Auf der Grundlage dieses gar nicht! Das ist doch nicht wahr!) Ausbildungspaktes werden sich die Perspektiven für Jugendliche auf dem Ausbildungsstellenmarkt Das bedeutet auch, dass sich die von Ihnen nicht verbessern. beklagte Ausbildungsfähigkeit weiter verschlechtern wird. – Frau Kressl, Sie schütteln (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! den Kopf. Ich erinnere Sie daran, es ist das Aus für Nehmen Sie das sofort zurück!) Ihr hoch gelobtes Ganztagsschulprogramm, für Gerade das aber sollte unser Ziel sein; es geht das Förderprogramm für Migrantinnen und nicht nur darum, dass eine Ministerin oder ein Migranten, für zahlreiche weitere Bund-Länder- Minister zu diesem Thema sprechen. Wir Projekte. Deshalb sagen wir als Linksfraktion ganz wünschen uns konkrete Initiativen. Das wäre klar Nein zu dieser Föderalismusreform. wichtig, um die immer stärkere Ausgrenzung von (Beifall bei der LINKEN) Jugendlichen in dieser Gesellschaft zu beenden. Zurück zur Ausbildungsmisere. Diesbezüglich ist Vielen Dank. unsere Alternative bekannt; wir haben sie auch in (Beifall bei der LINKEN) den Deutschen Bundestag eingebracht. Wir finden, dass es nicht ausreicht, unverbindlich an die Unternehmen zu appellieren. Die Kanzlerin hat Präsident Dr. Norbert Lammert: einen Brief geschrieben. Die Jugendlichen werden Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Kai sich bedanken, wenn sie von solchen Vorstößen Wegner für die CDU/CSU-Fraktion. hören. Sie schreiben nämlich 50 Briefe und mehr, (Beifall bei der CDU/CSU) nämlich Bewerbungsbriefe, und erhalten nur Absagen von den Unternehmen. Deshalb müsste Kai Wegner (CDU/CSU): es klar sein, dass die Unternehmen von der Politik Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! zur Ausbildung verpflichtet werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir (Beifall bei der LINKEN – Paul Lehrieder diskutieren heute über die Lage am [CDU/CSU]: Gezwungen werden!) Ausbildungsmarkt. Lieber Herr Kolb, wir sollten die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4077

Ausbildungsproblematik und die Chancen für junge eigentlich ausbilden wollen oder aufgrund ihrer Menschen nicht nur dann thematisieren, wenn das wirtschaftlichen Situation nicht ausbilden können. Haus schon brennt; dieses Thema sollte für den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Deutschen Bundestag vielmehr ein Dauerbrenner Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jawohl, Herr sein. Denn die Perspektiven für junge Menschen Wegner! Sie können auch bei der FDP sind uns als Regierungsfraktion wichtig. mitmachen!) (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich In diesem Zusammenhang möchte ich auf die L. Kolb [FDP]: Dann muss man das aber herausragende Stellung des deutschen auch bei der aktuellen Gesetzgebung im Mittelstands hinweisen. Kleinere und mittlere Kopf haben! Dann darf man nicht die Betriebe bilden rund 82 Prozent aller Lehrlinge in Mehrwertsteuer erhöhen!) unserem Land aus. Ich glaube, diese verdienen Die aktuellen Zahlen sind zweifelsohne unseren ganz besonderen Dank und unsere ganz alarmierend, Herr Kolb. Aber wer aufgrund dieser besondere Anerkennung. Zahlen das Ende des Ausbildungspaktes fordert, liebe Frau Hirsch, zieht die falschen Schlüsse. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) neten der SPD) Ich komme aus Berlin, wo Ihre Partei mitregiert. Ich Ich halte es für den besseren Weg, die bin froh, dass Ihr Geschwätz hier nur Herausforderung für mehr Ausbildungsplätze Oppositionsgerede ist. Denn mit dem, was Sie gemeinsam anzunehmen, anstatt den fordern, haben junge Menschen keine Perspektive. Unternehmen per Gesetz Zwangsabgaben (Widerspruch bei der LINKEN – Zuruf von der anzudrohen. „Gemeinsam“ bedeutet jedoch auch, CDU/CSU: Richtig!) dass alle Akteure der beruflichen Bildung an einem Strang ziehen. Das gilt auch für die Das wird in den Bundesländern, in denen Sie Gewerkschaften, die sich besser konstruktiv im mitregieren, sehr deutlich, Frau Hirsch. In Berlin Rahmen des Ausbildungspaktes engagieren und Mecklenburg-Vorpommern ist die Perspektive sollten, anstatt ihn ständig mit Pauschal- am Ausbildungsmarkt für junge Menschen argumenten zu diskreditieren. schlechter als in Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen oder Sachsen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Cornelia Hirsch [DIE LINKE]: Wo sie (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Willi Recht haben, haben sie Recht!) Brase [SPD]: Vorsichtig!) Mit Blick auf die einzelnen Bundesländer ist Beim Ausbildungspakt handelt es sich um ein festzustellen – das sagte ich schon, Frau Hirsch –, noch junges Instrument, welches sich eines dass die Ergebnisse des Ausbildungspaktes sehr komplexen Problems annehmen soll. Das Problem unterschiedlich ausfallen. Im letzten Monatsbericht ist insofern komplex, als viele Faktoren für die der Bundesagentur für Arbeit ist dabei besonders angespannte Lage am Ausbildungsmarkt erfreulich, dass in den neuen Bundesländern das verantwortlich sind. Es steckt eben doch etwas Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen mehr dahinter als das immer wieder zitierte Kos- gegenüber dem Vorjahr um 4 Prozent gestiegen tenargument. ist. Das sollte uns doch freuen. Ein Indiz dafür ist die zunehmende Zahl an (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Lehrstellen, die Jahr für Jahr nicht besetzt werden. bei Abgeordneten der SPD) Neben der Konjunkturabhängigkeit und der fehlenden Flexibilität in der beruflichen Bildung Ich denke, wir sind uns alle einig, dass jeder spielt die Ausbildungsreife vieler Jugendlicher sehr ausbildungsfähige Jugendliche ohne häufig eine entscheidende Rolle. Ausbildungsplatz einer zu viel ist. Deshalb sage ich Ihnen auch ganz klar, dass wir mit der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) momentanen Situation nicht zufrieden sein können So gab in einer Umfrage der Deutschen Industrie- (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) und Handelskammer jeder zweite Betrieb an, dass er im vergangenen Jahr wegen der schlechten und dass wir uns damit auch nicht zufrieden geben schulischen Vorbildung vieler Bewerber seine werden. Ausbildungsplätze nicht besetzen konnte. (Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Hört! Hört!) CSU] und des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Jörg Tauss [SPD]: Auch das ist wahr!) Deshalb sind alle Ansätze, eine wie auch immer geartete Ausbildungsplatzabgabe einzuführen, Ich begrüße deshalb ausdrücklich den besonderen nicht nur unpraktikabel, sondern sie verkennen Einsatz unserer Bundeskanzlerin und unseres auch die eigentlichen Gründe des Problems. Die Bundeswirtschaftsministers, Betriebe, die bisher Abgabe würde die Betriebe bestrafen, die 4078 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 nicht ausgebildet haben, für die Berufsausbildung Es ist eine Pleite, dass Frau Schavan im Januar zu gewinnen. die Weiterentwicklung des Ausbildungspaktes versäumt hat. Es ist Pech für die Jugendlichen, (Beifall bei der CDU/CSU) dass die Bundesregierung die Zuständigkeiten Auch wir sollten in unseren Wahlkreisen zwischen der Bundesbildungsministerin und dem beispielsweise durch Klinkenputzen für mehr Bundeswirtschaftsminister hin- und herschiebt. Die Ausbildungsplätze werben. Jeder kann in seinem größte Panne ist der Bundeswirtschaftsminister Wahlkreis etwas tun. Jeder ausbildungsfähige selbst, der im Juni den Termin für die Sitzung des Jugendliche braucht einen Ausbildungsplatz. Lenkungsausschusses des Ausbildungspaktes aus seinem Kalender streicht. Das kann nichts für die Aus meiner Sicht bedarf es dreierlei Dinge, die Jugendlichen werden. wir tun müssen: Wir müssen erstens die mittelständischen Betriebe entlasten, die im (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Übrigen in der Vergangenheit doppelt so viele Wie geht die Koalition eigentlich mit denjenigen Ausbildungsplätze wie zugesagt geschaffen Themen um, die sie selbst angestoßen hat? Im haben. Wir müssen zweitens die Modernisierung Koalitionsvertrag ist von „branchenbezogener und Weiterentwicklung der Strukturen der betrieb- Umlagefinanzierung“ die Rede. Man hört nichts lichen Ausbildung auf Basis des bewährten dualen mehr davon. Ausbildungssystems umsetzen. Wir müssen drittens die Stärkung der Schnittstelle zwischen (Nicolette Kressl [SPD]: Tariflich!) Schule und Unternehmen forcieren. Die große – Aber es steht in Ihrem Koalitionsvertrag. Bringen Koalition hat zu allen drei Punkten entsprechende Sie doch bitte einmal die Gewerkschaften und die Gesetze verabschiedet und richtige Schritte in Unternehmen an einen Tisch! Auch dies wäre Angriff genommen. Auch von den am Pakt Aufgabe der Bundesregierung. Da hat sie bislang beteiligten Partnern wurden zahlreiche Initiativen versagt. angestoßen. In Zukunft muss für möglichst alle ausbildungsfähigen und ausbildungswilligen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jugendlichen ein Qualifizierungsangebot Wie sieht das Programm zur zweiten Chance vorhanden sein. Ich bin mir sicher, dass uns dies aus? Bislang ist es immer noch nebulös. gemeinsam im Rahmen des Ausbildungspaktes gelingen wird. Bislang hat man keine Konsequenzen aus der IAB-Studie gezogen. Diese Studie zeigt auf, Herzlichen Dank. welche Ausbildungshemmnisse es in Betrieben (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gibt. Diese Betriebe bitten um personelle neten der SPD) Unterstützung und sie haben Probleme, weil sie junge Menschen nach der Ausbildung nicht Präsident Dr. Norbert Lammert: unbedingt übernehmen können. Das hätten Sie, Herr Kollege Wegner, das war Ihre erste Rede Herr Glos, mit den Vertretern der Industrie- und im Deutschen Bundestag, zu der ich Ihnen herzlich Handelskammern letzte Woche besprechen gratuliere, können. Sie hätten sich nicht nur anhören müssen, wo es klemmt, sondern Sie hätten auch (Beifall) Vorschläge machen müssen. verbunden mit allen guten Wünschen für die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) weitere parlamentarische Arbeit. Sie hätten zum Beispiel die Umlage von Das Wort hat nun die Kollegin Priska Hinz, Prüfungsgebühren innerhalb eines Bünd-nis 90/Die Grünen. Handwerksbezirks vorschlagen können, damit auch diejenigen Betriebe beteiligt werden, die nicht Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ausbilden. NEN): (Jörg Rohde [FDP]: Wollen Sie das Handwerk Herr Präsident! Meine Damen und Herren! umlegen?) Chance durch den Ausbildungspakt – leider ist das die falsche Überschrift für die Aktuelle Stunde; Sie hätten auch vorschlagen können, dass denn bislang gibt es keine Entspannung. Im regionale Netzwerke zwischen Berufsschulen, Gegenteil: Der Druck ist eigentlich gestiegen. In Arbeitsagenturen und den Industrie- und diesem Jahr suchen mehr junge Menschen einen Handelskammern geknüpft werden. Diesen Ausbildungsplatz als in dem vergleichbaren Vorschlag habe ich von Ihnen nicht gehört. Zeitraum des letzten Jahres. Heute sind die neuen Genauso wenig haben Sie vorgeschlagen, dass Zahlen auf den Tisch gekommen, die das deutlich die IHK externe Dienstleistungen für Unternehmen machen. Der Druck ist höher, auch der auf die übernehmen und Ausbildungsbegleiter sein Bundesregierung. Leider steht das Handeln der können. Bundesregierung in den letzten Monaten unter (Nicolette Kressl [SPD]: Das gibt es doch!) dem Motto: Pleiten, Pech und Pannen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4079

Diese Vorschläge hätten Sie machen können. Natürlich tragen die Unternehmen die Nichts davon haben Sie auf den Tisch gelegt. Hauptverantwortung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Wolfgang Grotthaus [SPD]: Das ist gut, dass – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sie liegen Sie das erkannt haben!) völlig falsch!) Aber die Bundesregierung muss die Es wäre möglich, die Umsetzung des Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die reformierten Berufsbildungsgesetzes zu forcieren, Unternehmen diese Verantwortung auch zum Beispiel die Anerkennung vollschulischer wahrnehmen. Sie müssen uns nichts vorwerfen: Ausbildungsgänge. Es wäre möglich, die Wir Grünen haben mit unserer Umfrage – denken Modularisierung von neuen Ausbildungsgängen Sie an Adidas – und mit unserer Öffent- mit einer Zertifizierung und damit mit der lichkeitsarbeit mehr als diese Bundesregierung in Möglichkeit der Anerkennung, wenn Jugendliche acht Monaten erreicht. weitermachen, voranzutreiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Jörg Tauss [SPD]: Das haben wir doch schon – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Eine unter Rot-Grün gemacht, Frau Kollegin!) Selbstbeweihräucherung ist das!) Auch da ist nichts passiert. Ich befürchte, dass Sie Das kann ich Ihnen von hier vorne sagen. nach der Föderalismusreform sagen: Das ist allein Ich komme zum Schluss. Frau Schavan hat mir Ländersache; damit machen wir uns die Hände in ihrer letzten Rede hier zugerufen: Man soll sich nicht mehr schmutzig. Das wäre schlecht für die nicht in Rhetorik ergehen, sondern in Taten. Meine Jugendlichen. Damen und Herren, die Bundesregierung ist am (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zug. Sie sollte dieses Motto beherzigen. – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Was Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen, das nehmen Sie alles sofort – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das tut sie zurück, weil es Blödsinn ist!) auch! – Willi Brase [SPD]: Wir sind immer Sie von der Bundesregierung könnten durch die am Zug als Bundesregierung!) Umsetzung einer EU-Richtlinie die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Präsident Dr. Norbert Lammert: Ausbildungsbereitschaft von Betrieben koppeln. Wolfgang Grotthaus ist der nächste Redner für Herr Schummer, ich danke Ihnen sehr dafür, dass die SPD-Fraktion. Sie in Presseerklärungen dafür plädieren, dass die Kommunen das übernehmen. Gehen Sie doch zu (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ihrer Bundesregierung! Auch Ihre Bundesregierung kann das machen. Wolfgang Grotthaus (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen (Jörg Tauss [SPD]: Das ist unsere Bundesre- und Herren! Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist gierung, Frau Hinz!) Ziel aller hier im Haus vertretenen Fraktionen. Die Schauen Sie nicht nur auf die Kommunen! Meinungen darüber, welcher Weg dazu gegangen Schauen Sie auf Ihre eigenen Leute! Wenn Sie werden soll, sind unterschiedlich. Bei einigen Ihre Bundesregierung hier vorn nachher Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmern entsprechend aufforderten, dann wäre das für die hatte ich das Empfinden, dass ihr Motto lautet: Der Jugendlichen ein starkes Wort. Staat kann alles richten. Der Staat ist für die Schaffung von Ausbildungsplätzen zuständig. – Ich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stimme mit denen überein, die sagen, dass der Es gäbe die Möglichkeit, die Umsetzung des Staat Rahmenbedingungen schaffen soll. SGB II so zu ändern, dass nicht nur die Da streiten wir über den richtigen Weg. Die Beschäftigung von jungen Menschen zählt; einen sagen: Wir wollen den Ausbildungspakt. Die Vorrang müssten vielmehr die Ausbildung und die anderen sagen: Wir wollen die Qualifizierung von jungen Menschen haben, damit Ausbildungsabgabe. – Wir haben uns für den sie nicht mehr von Transferleistungen abhängig Ausbildungspakt entschieden. Wir glauben, dass sind. Möglich wäre auch die Aufhebung der wir mit diesem Pakt den richtigen Weg gehen. Trennung zwischen Jugendlichen, die unter „Bedarfsgemeinschaft nach SGB II“ fallen, und Dazu einige Zahlen. Im Jahr 2005 haben wir – Jugendlichen, denen nach SGB III die da lässt sich natürlich über die Zahlen im Arbeitsagentur Berufsberatung zukommen lässt. Einzelnen streiten; Sie können sagen, wir müssten Jeder Jugendliche hat nämlich ein gutes Recht auf noch etwas drauflegen – für das Jahr 2004 Berufsorientierung, Berufsberatung und auf insgesamt 118 000 neue Ausbildungsplätze Ausbildung und Qualifizierung. Hier könnten Sie feststellen können, und zwar in den Bereichen der tätig werden. Nichts ist passiert. Industrie und des Handels; nicht mitgerechnet ist der Bereich des Handwerks. Damit wurde das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Niveau des Vorjahres um 1,4 Prozent 4080 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

überschritten. Es war eine positive Tendenz. Ob zu Deshalb müsste schon aus Eigennutz die dieser positiven Tendenz alle beigetragen haben, Ausbildung in den Firmen höchste Priorität haben. wage ich zu bezweifeln. Aber zumindest hat das Stattdessen wird vorgeschlagen – Frau Kressl hat vielen jungen Menschen in diesem Staat geholfen. schon darauf hingewiesen –, das Gehalt der Auszubildenden zu kürzen. Auch das neue Instrument der Einstiegsqualifizierung, das die Paktpartner (Zuruf von der SPD: Pfui!) geschaffen haben, ist in den zurückliegenden Ich frage mich: Wer hat dieses Gehalt festgelegt? Jahren gut angelaufen. Insgesamt konnten 17 100 Es waren die Tarifvertragsparteien. Am Tisch der Jugendliche diese Einstiegsqualifizierung nutzen. Tarifvertragsparteien sitzen auch die Arbeitgeber. In der Bilanz für 2005 setzen sich diese Die haben die Tarifverträge mit unterzeichnet. positiven Zahlen fort. Trotzdem muss man Jetzt nach dem Staat zu rufen, ist genau der einräumen: Das reicht nicht. Das liegt aber nun falsche Weg. Wir zweifeln die Tarifhoheit nicht an. nicht daran, dass die Rahmenbedingungen nicht (Beifall bei der SPD) stimmen – da sollte man ein bisschen abwarten –, sondern das hängt damit zusammen, dass es Von daher sollen die Tarifvertragsparteien darüber mehr Schulabgänger gibt, als Ausbildungsplätze reden. Wenn eine der Tarifvertragsparteien meint, angeboten werden. Deshalb sollte man vorrangig man solle da irgendetwas angehen, dann, bitte die Industrie und das Gewerbe verpflichten, mehr schön, ist darüber dort am Tisch zu verhandeln. junge Menschen einzustellen, statt nach dem Staat Das sollte nicht ins politische Feld hineingetragen zu rufen. werden. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn die (Jörg Rohde [FDP]: Richtig!) pleite sind, können die nicht mehr Auch die Forderung, drei Auszubildende für das ausbilden! 200 000 Pleiten!) Gehalt von zweien einstellen zu dürfen, ist Die Verantwortlichen, Herr Kolb, sind abzulehnen. In meinen 36 Jahren im Betrieb habe unzweifelhaft die Unternehmen. ich als Erstes gelernt: Gehaltsverzicht sichert nicht einen Arbeitsplatz. (Beifall bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Nie- mand sonst!) (Beifall bei der SPD) Die Unternehmen haben Vorsorge dafür zu treffen, Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man nicht dass weltweit das Qualitätssiegel „Made in allen Versprechungen glauben darf. Ich will dazu “ auch weiterhin Bedeutung hat, und zwar nur daran erinnern, dass die Frühverrentung und deswegen, weil unsere Facharbeiterschaft gut die so genannte 58er-Regelung mit dem Argument ausgebildet ist. eingeführt worden sind: Für jeden zweiten älteren Arbeitnehmer bzw. jede zweite ältere (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das bezweifelt Arbeitnehmerin, den oder die wir von der Arbeit keiner!) freistellen, stellen wir einen jungen Menschen neu Das ist so, weil sie auch gut ausgebildete ein. Tatsächlich war das Verhältnis sieben zu eins. Lehrherren hat. Wer würde garantieren, wenn wir diesen Weg Schon heute wird in manchen Branchen darauf der Kürzung der Ausbildungsgehälter politisch hingewiesen gehen würden, dass es tatsächlich zu mehr Einstellungen käme? Wer würde (Zuruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) rechtsverbindliche Zusagen geben, die Un- – hören Sie gut zu! –, ternehmer, die Unternehmerverbände? Alle die würden sich zurücklehnen und sagen: Wir sind (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gern!) doch nicht diejenigen, die eine Unterschrift dass qualifizierter Nachwuchs fehlt. gegeben haben. Genau wie beispielsweise beim Ausbildungspakt: Auch da stiehlt sich ein Teil der (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das habe ich doch Unternehmer aus der Verantwortung. selbst gesagt!) Statt aber selbst auszubilden, wird die Forderung erhoben, im Rahmen von (Beifall bei der SPD) Zuwanderungsmöglichkeiten gut ausgebildete An die Adresse der Unternehmer gerichtet, Facharbeiter ins Land zu holen. Mit solchen Argumenten – ich sage das hier sehr deutlich – meine Damen und Herren, sage ich: Nicht stiehlt man sich aus der Verantwortung sowohl lamentieren, sondern ausbilden! Jungen gegenüber den jungen Menschen als auch Menschen eine Zukunftschance durch eine gute Ausbildung geben! Der zugesagten Selbstver- gegenüber der Zukunftsfähigkeit der eigenen pflichtung im Rahmen des Ausbildungspaktes Firma und unseres Staates. nachkommen und damit ebenfalls gesellschaftliche (Beifall bei der SPD) Verantwortung in diesem Staat wahrnehmen! Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4081

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) sagt, seit 15 Jahren habe es keine so positive Stimmung mehr gegeben. Die führenden Institute Präsident Dr. Norbert Lammert: sagen optimistischere Zahlen voraus, als ich sie Das Wort hat nun der Bundesminister für als Wirtschaftsminister amtlich prognostizieren Wirtschaft und Technologie, Michael Glos. dürfte. Wir haben aber immer gesagt, wir schneiden lieber besser ab als vorausgesagt, als (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulla dass es umgekehrt ist. Besonders erfreulich sind Burchardt [SPD]) die jüngst veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit: Die Zahl der Ar- Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft beitslosen ist auf unter 4,5 Millionen gesunken und und Technologie: liegt um 138 000 niedriger als im Vormonat. Wenn Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und es mit der Wirtschaft weiter so aufwärts geht, dann Kollegen! Ich freue mich, dass in der jetzt führt das, wie ich glaube, auch zu mehr diskutierten Frage doch in diesem Hause eine sehr Ausbildungsbereitschaft. breite Zustimmung bezüglich der Auffassung (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- herrscht, dass Ausbildung in allererster Linie neten der SPD) Sache der Wirtschaft ist, dass wir sie in den Hän- den Wirtschaft belassen müssen – denn am Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich besten kann und macht es die Wirtschaft – und erkenne an, dass der Ausbildungspakt, der von dass wir uns gemeinsam noch einmal an alle meinem Vorgänger mit initiiert worden ist und den Verantwortlichen wenden und sie bitten müssen, die Wirtschaftsverbände ganz gewaltig auszubilden. unterstützen, ein gutes Mittel ist, um weiter voranzukommen. Es bleibt natürlich noch vieles (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei andere übrig, was zu tun ist. So wird meine Abgeordneten der SPD – Klaus Barthel Kollegin Frau Schavan darüber reden, was mit [SPD]: Natürlich sieht die FDP das denen, die nachqualifiziert werden müssen und anders! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie dabei oft den Anschluss an den aktuellen müssen dann nur die richtige Politik Ausbildungsmarkt verlieren, geschehen soll. Deren machen!) Zahl nimmt ja wie eine sich immer stärker – Ich komme gleich noch zu Ihnen, Herr Kolb. – aufbauende Bugwelle zu. Häufig liegt das Problem Ich tue das überall. Ich habe zum Beispiel heute darin, dass sie nicht gut genug in der Schule beim Sparkassenverband Bayern geredet. Unter gebildet wurden. den tausend Anwesenden waren auch sehr viele (Jörg Tauss [SPD]: Ja, ja, die Länder!) Unternehmer; sie haben gesagt: Jawohl, wir strengen uns stärker an. – Ich habe es gestern – Für die Schulen sind natürlich die Länder beim Zentralverband der Elektrotechnik- und verantwortlich. Elektronikindustrie getan. Ich könnte Ihnen noch (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) weitere Gelegenheiten aufzählen. Es macht ja keinen Sinn, über die Wirtschaft zu schimpfen, – Dass Sie jetzt klatschen, Herr Tauss, hilft nicht. sondern wir müssen an ihre Verantwortung (Nicolette Kressl [SPD]: Aber interessant ist es appellieren. Ich sage noch einmal: Der allergrößte schon!) Teil der Betriebe nimmt diese Verantwortung ernst und wahr. Es sind aber zu gewissen Teilen auch die Eltern mit verantwortlich. So müssen wir sogar (Beifall bei der CDU/CSU) feststellen, dass es mittlerweile Es ist richtig, Herr Kolb: Es kommt schon darauf Wohlstandsverwahrlosung gibt. an, wie die Wirtschaft läuft. Betriebe, die es nicht (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr wahr!) mehr gibt, können auch nicht ausbilden. Sowohl aus Notlagen heraus wie auch im (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) Wohlstand kann es zu solchen Fehlentwicklungen Wir müssen auch überprüfen, ob die Änderung der kommen; diese gibt es also auf beiden Seiten. Wir Handwerksordnung dazu geführt hat, dass mehr müssen uns also überlegen, wie wir mit oder dass weniger ausgebildet wird. Leistungsgeminderten und aus anderen Gründen Verwahrlosten in Zukunft umgehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen auch versuchen, auf dem All diese Dinge müssen wir selber überprüfen. Da Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin darauf sind wir gefordert. Wir müssen auch immer wieder hinzuwirken, dass noch mehr im Bereich der die Erfahrungen nutzen, die wir gesammelt haben. Migrantenkinder getan wird. Hier wird aus Gründen Es ist aber sehr erfreulich – das wird auch auf der Tradition Mädchen oft nicht gestattet, eine den Ausbildungsmarkt durchschlagen –, dass wir Ausbildung aufzunehmen. wieder eine bessere Stimmung in der Wirtschaft (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) haben, als es vor einem oder auch noch vor einem halben Jahr der Fall gewesen ist. Das Ifo-Institut 4082 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Darüber muss, wie ich glaube, beim wird es immer wieder geschafft, die Zahlen zu Integrationsgipfel am 14. Juli geredet werden. erhöhen. Vor allen Dingen muss auch verstärkt mit den Ich möchte noch etwas zu den Zahlen der Verbänden der Unternehmen in Deutschland Bundesanstalt für Arbeit sagen. Ich werde geredet werden, die nicht in deutscher Hand sind demnächst mit Herrn Weise ein Gespräch führen. bzw. wo andere Traditionen herrschen. Ich meine Wir haben schon telefonisch über die Zahlen jetzt nicht nur die türkischen diskutiert. Diese Zahlen haben sich auch stark Unternehmerverbände. Wir haben sehr viele aufgrund einer Statistikumstellung ergeben. Richti- erfolgreiche türkische Mittelständler in gerweise wurde gesagt, dass nicht jeder freie Deutschland, gerade auch in dieser Stadt Berlin. Plätze der Bundesagentur meldet. Das wird stärker von den Kammern in die Hand genommen. (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das muss man (Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) klarstellen, dass die nicht das Problem Ich bin bis zum Beweis des Gegenteils sind!) optimistisch, dass es uns mit dem Ausbildungspakt Es gibt auch andere gute Beispiele. Zu mir kam in gelingen wird, das, was versprochen wurde, noch diesen Tagen der Manager eines großen Fonds. zu übertreffen. So war es auch im letzten Jahr. Diese Fonds haben ja immer bestimmte Namen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Ohne dass ich Reklame machen will: Dieser Fonds heißt „Cerberus“, übersetzt: Höllenhund. Dass es höhere Zahlen sind, ist schon gesagt worden. Ich möchte mich an der Stelle bei den (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen GRÜNEN]: Was machen Sie als Bundestag bedanken, die – ich weiß es aus Wirtschaftsminister eigentlich?) meiner Fraktion – einen zusätzlichen Aktionstag Die sind wirtschaftlich gut und erfolgreich und durchführen, bei dem der Abgeordnete in seinem haben sich auch in Deutschland eingekauft. Nach Wahlkreis und da, wo er Verantwortung trägt, mit Aussage des Managers stellen sie jedes Jahr, Betriebsbesuchen, mit Appellen usw. dazu wenn sie selbst nicht ausbilden, 1 Million Euro zur beiträgt, das Bewusstsein stärker zu wecken. Verfügung, die in den jeweiligen Städten für Wir – Frau Ministerin Schavan, Herr Minister zusätzliche Ausbildungsplätze eingesetzt werden. Müntefering, die Verantwortlichen beim DIHK, An dieser Stelle wird immer der Name einer beim Zentralverband des Handwerks usw. – großen Sportartikelfirma genannt. Ich bin ja neutral werden am 14. Juli zu einer Sitzung des und darf für niemanden Reklame machen. gemeinsamen Lenkungsausschusses (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ zusammenkommen, um eine erste Bilanz zu DIE GRÜNEN]: Aber das ist die Firma ziehen. Wie es wirklich ausgeht, wissen wir erst im Adidas, die nicht genügend ausbildet!) Herbst. Bis dahin dürfen wir in den Anstrengungen nicht nachlassen, noch mehr zu tun als in der Es ist eine Möglichkeit, wenn man selbst nicht Vergangenheit. genügend Kapazitäten hat, weil man hauptsächlich nur handelt und die Produkte von woanders (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) bezieht, zu sagen: Dann machen wir auch einmal Dafür und für diese Aktionen kann ich Ihnen Sponsoring für die Ausbildung. jetzt schon danken. Ich hoffe, dass das alle Seiten (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der dieses Hauses tun. Frau Kollegin Kressl hat das FDP) Thema Mobilität angesprochen. Per saldo stimmt die Bilanz optimistisch. Ich kann nur die jungen Es ist auch ein gutes Beispiel, das wir weiter Leute ermuntern, auch einen Ausbildungsplatz verfolgen sollten. anzunehmen, der sich außerhalb der Stadt oder (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE der Region, aus der man kommt, findet. GRÜNEN]: Warum machen Sie das Früher musste man sogar woanders hingehen. nicht? – Gegenruf von der CDU/CSU: Es gehörte zur handwerklichen Ausbildung, dass Einfach mal zuhören!) man gewandert ist. Heute reist man in die ganze Ich hatte ein sehr intensives Gespräch mit denen, Welt, wenn man kann, möchte aber unbedingt bei die in den Kammerorganisationen an der Front Muttern zu Hause bleiben, wenn es um stehen und die die Arbeit leisten, Frau Kollegin, Ausbildungsplätze geht. Auch da kann ich nur an mehr Ausbildungsplätze einzuwerben. Hier ging es die Betreffenden appellieren, Mobilität zu zeigen. überhaupt nicht um Show und um Reklame. Ich Ich bin überzeugt: Bei gutem Willen aller Beteilig- habe mich auch bei den Leuten bedankt. Sie ten – sowohl bei den Jugendlichen als auch bei müssen sich viel anhören. Denen sollten wir den Betrieben – können wir eine Win-win-Situation zuhören. Natürlich gibt es eine Reihe von schaffen, in der die jungen Leute gewinnen – das Gründen, die denen, die Klinken putzen, liegt mir ganz besonders am Herzen –, in der aber entgegengehalten werden, warum man nicht mehr auch die Wirtschaft gewinnt. Die Zahlen werden ohne weiteres bereit ist, auszubilden. Trotzdem Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4083 sich ja in ein paar Jahren ohnehin wieder rufsbildung in ihrer Stellungnahme zum aktuellen verändern. Es gilt: Diejenigen, die heute nicht Berufsbildungsbericht zugegeben. ausgebildet sind, werden morgen als Arbeitskräfte Als Wirtschaftspolitiker will ich aber noch einmal nicht zur Verfügung stehen. auf die ökonomische Dramatik der Lage Danke schön. hinweisen. Es besteht offenbar breiter Konsens darüber, dass die Zukunft der Wirtschaft vor allen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dingen von Innovationen abhängt. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der SPD) Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaus Barthel, Dutzende von Studien, Berichten, Gutachten usw. SPD-Fraktion. belegen das; Beiräte brüten seit Jahren darüber. (Beifall bei der SPD) Aber so richtig und wichtig der technologische Aspekt bei der Innovation ist, so oft wird die zentrale Voraussetzung technologischer Klaus Barthel (SPD): Leistungsfähigkeit unterschlagen, nämlich die Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Fähigkeit der Menschen selber, neue Technolo- Kollegen! Zunächst einmal hat mich die Kritik der gien zu entwickeln, anzuwenden und zu Opposition an der Aktuellen Stunde überrascht. beherrschen. (Beifall bei der SPD – Priska Hinz [Herborn] (Beifall bei der SPD) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der FDP!) Es macht – Herr Minister hat es erwähnt – die Ich garantiere Ihnen: Hätten wir sie nicht bisherige Stärke des Exportweltmeisters beantragt, dann hätte es geheißen, wir würden die Deutschland aus, dass wir bei unserer schwierige Situation auf dem Lehrstellenmarkt technologischen Leistungsfähigkeit nicht nur auf ignorieren, Herr Kolb. Deshalb kann ich Ihre Kritik akademisch geprägte Forschung und Entwicklung nicht nachvollziehen. zurückgreifen können, sondern auch auf das breite (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Wissen und Können von Fachkräften zählen kön- Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE nen, die das duale System durchlaufen haben. GRÜNEN]: Die FDP ist nicht die ganze Dieses duale System ist eine Grundlage für Opposition; darauf möchte ich mal Weiterbildung, sei sie schulisch, akademisch, sei hinweisen!) sie betrieblich. Für mich ist in diesem Zusammenhang ein Aber was ist unterdessen die Realität? Die Zahl besonderes Alarmzeichen, dass sich inzwischen der angebotenen betrieblichen Ausbildungsplätze selbst in ökonomisch starken Regionen unseres sinkt sowohl konjunktur- und arbeitsmarktabhängig Landes der Lehrstellenmangel zuspitzt. Der – im letzten Jahr um 3,5 Prozent – als auch Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband langfristig, in den letzten 14 Jahren um etwa ein berichtet zum Beispiel in diesen Tagen, dass Mitte Viertel; das muss man sich einmal vorstellen. Es Mai, also vor sechs Wochen, erst 30 Prozent der wird nach Verkürzungen der Ausbildungszeit Hauptschulabgängerinnen und -abgänger der gerufen und gleichzeitig durch Warteschleifen, neunten Klasse einen Ausbildungsvertrag in der Praktika und Einstiegsqualifizierung die Ausbildung Tasche gehabt hätten; bei den Praxisklassen seien de facto verlängert. es erst 24 Prozent gewesen. Das bedeutet, dass (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul zwei Drittel dieser Jugendlichen in Bayern noch Lehrieder [CDU/CSU]) vor dem Nichts stehen. Ein Teil der Betriebe – auch das gibt es – nutzt die (Jörg Rohde [FDP]: Heute in der Statistik: Einstiegsqualifizierung nicht für Jugendliche mit 30 000 fehlen!) Wettbewerbsnachteilen, für die sie gedacht ist, Ich halte aber dagegen, dass in den letzten sondern zur billigen Verlängerung der Jahren viele Wünsche der Unternehmen – und Ausbildungszeit. auch der FDP – hinsichtlich Flexibilisierung und (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie Modernisierung, aber auch des Abbaus mancher der Abg. Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS Standards, genannt Ausbildungshemmnisse, erfüllt 90/ DIE GRÜNEN]) worden sind. Wie sonst ist es zu erklären, dass wir in den (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wo denn?) Einstiegsqualifizierungen zur Hälfte Stichworte: Ausbilder-Eignungsverordnung Realschülerinnen und Realschüler und sogar ausgesetzt, Probezeit verlängert, zweijährige Abiturienten antreffen? Ausbildung erleichtert, neue Ausbildungsberufe (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Priska eingeführt, Neuordnungsverfahren beschleunigt. Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das hat sogar die Arbeitgebergruppe im NEN]) Hauptausschuss des Bundesinstituts für Be- 4084 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Wie erleben, dass die Situation auf dem als die Hälfte der Gesamtkosten, gibt die öffentli- Stellenmarkt und die dadurch entstehende che Hand für die berufliche Ausbildung dazu. Erpressbarkeit der Jugendlichen ausgenutzt Daraus folgt, es fehlt nicht an Geld, Gesetzen, werden, um unwürdige Verhältnisse zu schaffen. Sonntagsreden und an theoretischen Das Ganze ist nicht nur unfair und moralisch Erkenntnissen. Es fehlt auch nicht an empörend, sondern gefährdet letzten Endes die Bemühungen von vielen Kammern. Wir haben da Zukunftschancen unserer Volkswirtschaft. schon von vielen rühmlichen Ausnahmen in den Betrieben gehört; das erkennen wir ausdrücklich (Beifall bei der SPD) an.

FDP, Unternehmerverbände und Kammern Präsident Dr. Norbert Lammert: haben in der Vergangenheit immer argumentiert: Herr Kollege. Wenn sich die wirtschaftliche Lage der Betriebe verbessern würde, würden auch die Chancen Klaus Barthel (SPD): steigen, Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu Ich will zum Schluss aus dem brandaktuellen schaffen. Thesenpapier der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zitieren. Unter (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) dem Titel „Bildung schafft Arbeit“ heißt es: Jetzt wissen wir aber – ich will es nicht Bildung ist der entscheidende Schlüssel für verallgemeinern –: Die Gewinne der Unternehmen die Zukunfts- und Wohlstandschancen sind in den letzten Jahren im Durchschnitt deutlich Deutschlands ... gestiegen. Ich sage: Auf geht’s! (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Im Mittelstand sieht das ganz anders aus!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nach dem „Handelsblatt“ vom Anfang dieser Woche sind die Nettogewinne der DAX- Unternehmen um 12,6 Prozent gestiegen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Außerdem schreibt das „Handelsblatt“, dass die Das Wort hat die Bundesministerin für Bildung Ausgangsbasis immer höher werde und dass die und Forschung, Dr. Annette Schavan. Gewinne der kleinen und mittleren Unternehmen (Beifall bei der CDU/CSU) erneut stärker als die der großen Konzerne im DAX wachsen dürften. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Auffälligerweise sind gerade die Unternehmen Bildung und Forschung: beim Arbeits- und Ausbildungsplatzabbau Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! besonders gut vertreten – Herr Kolb, jetzt hören Meine Damen und Herren! Die berufliche Bildung – Sie einmal gut zu –, die die höchsten dazu gehört die Kooperation von Unternehmen Gewinnzuwächse hatten. und Schule – ist das Herzstück des Bildungssys- tems in Deutschland und damit die beste (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Vorbeugung gegen Jugendarbeitslosigkeit. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und Da können doch nicht die großen Unternehmen, der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So die Milliardengewinne einfahren, über eine weit, so gut!) Ausbildungsvergütung von 600 Euro philosophieren. Deshalb wächst das Interesse unserer europäischen Nachbarn an unserem dualen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ausbildungssystem. Es hat gestern unter DIE GRÜNEN) Moderation und auf Initiative Deutschlands ein Im Übrigen möchte ich feststellen, dass die Wirt- Treffen von Vertretern aus sechs europäischen schaft bis jetzt jeden Beweis schuldig geblieben Ländern gegeben, auf dem Pläne für eine ist, dass niedrige oder sinkende Kooperation und für eine gemeinsame Ausbildungsvergütungen Ausbildungsplätze Modernisierung dieses Teil des Bildungssystems schaffen, sonst müssten doch die neuen besprochen wurden. Bundesländer ein Ausbildungsparadies sein. Aber Ich finde es übrigens richtig, dass sich der genau das Gegenteil ist der Fall. Deutsche Bundestag mit diesem Zukunftsthema (Beifall bei der SPD) regelmäßig beschäftigt. Wir erleben quasi eine Verstaatlichung der (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das kann beruflichen Bildung. Wir stützen mit man doch im Rahmen der regulären arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen mit einem Tagesordnung machen!) Volumen von 1,6 Milliarden Euro den Das ist ein Thema auf allen politischen Ebenen Ausbildungsmarkt. 10 Milliarden Euro, also mehr und außerdem ein Thema der Tarifpartner. Es geht Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4085 in diesem Zusammenhang auch um eine zentrale begonnen. Wir brauchen andere Kooperationen, Frage mit Blick auf die Innovationsfähigkeit andere Angebote an Jugendliche und gezielte, unserer Unternehmen und die Zukunftschancen verbindliche Erklärungen. Die der jungen Generation. Einstiegsqualifikationen, die erworben werden, müssen auch angerechnet werden. Es muss eine (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Optimierung im Hinblick auf die Lebenszeit junger neten der SPD) Menschen erfolgen. Darüber wird doch nicht nur Ich nenne die konkreten Schritte, die diese debattiert. Damit wurde schon begonnen. Die Regierung in den ersten sieben Monaten ihrer ersten Bundesländer befinden sich längst in Amtszeit gegangen ist. Umsetzungsprozessen. Die ersten Einstiegsqualifikationen sind längst erworben und Erstens. Wir haben mit den ausländischen wurden in die weitergehende Ausbildung der Unternehmen gesprochen. Wir haben Jugendlichen eingebracht. Vereinbarungen über Anreize getroffen und im Gegenzug die Zusage bekommen, dass 10 000 (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Abgeordneten der SPD – Priska Hinz Wir werden in den kommenden Monaten acht [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regionalkonferenzen in Deutschland durchführen, Nein, leider nicht! – Dr. Heinrich L. Kolb auf denen wir die ausländischen Unternehmen [FDP]: Dann ist doch alles in Ordnung!) gezielt ansprechen wollen. Wir wollen sie an Ein ganz wichtiger Punkt ist – Sie haben es unsere Ausbildungskultur heranführen und ihnen angesprochen –: Drei Ressorts der Brücken bauen, damit diese 10 000 neuen Bundesregierung sind mit Teilelementen in diesem Ausbildungsplätze geschaffen werden können. großen Feld tätig. Diese drei Ressorts arbeiten Diese konkrete Aktion wird die Zukunftschancen jetzt zusammen. Auch das ist keine verbessern. Selbstverständlichkeit. Ich habe gelernt, dass das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei in den letzten Jahren nicht so gut geklappt hat. Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Dies klappt jetzt zwischen uns. Kolb [FDP]: Die Heuschrecken werden (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) umschmeichelt!) Wir arbeiten nicht nur mit verteilten Rollen, Zweitens. Wir haben ein neues Bund/Länder- sondern wissen auch, wo wer am besten wirken Sonderprogramm zur Förderung von kann und wo wir uns aufeinander zu bewegen Ausbildungsplätzen in den neuen Bundesländern müssen. Das Wirtschaftsministerium und wir aufgelegt. Dort haben wir eine ganz besondere werden das zum Beispiel bei der Frage der Situation. Denn dort ist der klassische Mittelstand, Weiterentwicklung von Ausbildungsberufen tun. der das Rückgrat der Ausbildung in Deutschland Wir müssen wegkommen von immer mehr ist, nicht so stark vertreten wie in den alten Spezialisierungen. Wir brauchen ein breiteres Bundesländern. Deshalb müssen die neuen Fundament und dann Spezialisierungen. Länder und der Bund mehr investieren. Wir tun das. Wir schaffen auch hier Brücken. Wir wollen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- auch hier die Schaffung von jährlich insgesamt neten der SPD) 13 000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen Wir erarbeiten in den nächsten Wochen ein ermöglichen. gemeinsames Konzept zur Frage: Wie schaffen wir (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- die Weiterentwicklung von Einstiegsqualifikationen, neten der SPD) sodass gestufte Ausbildungsgänge möglich werden, bei denen das, was jemand im ersten, Drittens. Wir haben dafür gesorgt, dass das zweiten oder dritten Schritt erwirbt, weiter Programm Jobstarter – es stellt eine gute eingebracht werden kann? Das ist eine Moderni- Bündelung bisheriger Programme dar – in den sierung, die am Ende zu dem führt, was im nächsten Jahren finanziert wird. In den Koalitionsvertrag steht, nämlich Erstausbildung Haushaltsberatungen haben wir dies gesehen. Ich und Weiterbildung miteinander zu verknüpfen. bin davon überzeugt, dass das vor allen Dingen mit wichtigen Impulsen für kleine Unternehmen (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Also, alles wird verbunden ist, die Einstiegsschwierigkeiten haben. gut!) Wir brauchen gezielte Einsteigerprogramme. Wir Das setzt eine Modularisierung voraus. Da müssen brauchen Möglichkeiten der Begleitung von alle mitmachen. Da werden wir uns einig werden. Ausbildern in kleinen Unternehmen bei der Je mehr wir gemeinsam tun, umso mehr werden Ausbildung von Jugendlichen. uns auch die Tarifpartner bei den Prozessen der Viertens. Wir diskutieren nicht nur über sehr Modernisierung folgen. konkrete Schritte bei der Modernisierung der (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – beruflichen Bildung. Vielmehr hat die Umsetzung Jörg Rohde [FDP]: Vorsicht, sonst kriegt in Form von Neuordnungen an der Nahtstelle die Ministerin den schwarzen Peter!) zwischen Bildung und Beschäftigung längst 4086 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Ich könnte Ihnen jetzt weitere Schritte nennen. gut, in solchen Situationen einfach nur zu sagen: Im Laufe der Zeit erhalten Sie dazu schriftliche Es geht nicht, das ist Ausbeutung von Informationen. Sie werden es auch vor Ort Jugendlichen. Das ist ein Konterkarieren des merken. Gesetzes, das der Deutsche Bundestag verab- schiedet hat. Ich will noch etwas zu den Regionalagenturen sagen. Jeder von uns besucht sie doch in seinem (Beifall bei der CDU/CSU) Wahlkreis. Wir sollten, finde ich, nicht einfach Wenn man das falsch gefunden hätte, hätte man darüber hinweggehen, dass es vor Ort hoch es bei der Modernisierung ändern können. interessante, längst existierende Netzwerke zwischen dem beruflichen Schulwesen, den Es würde den Jugendlichen und auch dem Unternehmen und den Kammern zum Teil unter ganzen Thema gut tun, wenn in den Debatten Moderation der Regionalagenturen gibt. Ich kenne nicht immer der eine über den anderen herfallen hoch interessante Ansätze und sehr gute würde. Ich habe den Erlass der Prüfungsgebühren Angebote von Regionalagenturen, um bei Kammerprüfungen ins Gespräch gebracht. Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, die nicht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und einfach die Bereiche Lesen, Schreiben oder der SPD) Rechnen betreffen – sie haben ganz andere Schwierigkeiten –, in einer relativ überschaubaren Dazu bekomme ich jetzt unentwegt Briefe. Das sei Zeit zur Ausbildungsreife zu bringen und sie damit völlig unmöglich. Natürlich weiß ich, dass das nicht in eine Ausbildung zu führen. mehr als ein Symbol ist, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Jörg (Jörg Tauss [SPD]: Aber ein wichtiges Sym- Tauss [SPD]: Das muss verbreitert bol!) werden!) weil man auch sagen kann, dass es auf die Ich rate uns: Der ganzen Debatte um 500 Euro auch nicht ankommt. Es geht dabei aber Ausbildungsplätze und berufliche Bildung täte es erstens um strukturelle Veränderungen gut, wenn die wechselseitigen Vorwürfe und das (Jörg Tauss [SPD]: So ist es!) wechselseitige Kaputtreden der Argumente beendet würden. und zweitens um die Bereitschaft seitens der Wirtschaft, mehr in Ausbildung zu investieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bekanntlich lautet ein Satz des Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber Berufsbildungsgesetzes seit 1969: Berufliche Schönreden nützt auch nichts!) Bildung ist Sache der Wirtschaft. Drittens besteht Ich erlebe seit Jahren – egal, welcher Vorschlag die Notwendigkeit, Symbole zu setzen und die kommt –, dass immer jemand sagt: Mit uns ist das Spielräume zu nutzen, die uns das Gesetz gibt, nicht machbar. – Ich finde, in einer solchen und nicht so zu tun, als sei die Nutzung Diskussion, in der es um mehr Zukunftschancen gesetzlicher Möglichkeiten unsittlich. geht, darf es kein Tabu geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zum Thema Ausbildungsvergütung. Ich stimme Die Zahlen eines jeden Jahres verändern sich jedem zu, der sagt: Das ist nicht Sache der Politik. von Woche zu Woche. Es gibt einen Unterschied – Auch in meinem Wahlkreis gibt es viele, die zwischen den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sagen: Das ist nicht unser Thema. Die Vergütung und der Zahl der Ausbildungsverträge, die haben wir vereinbart. Wenn wir sie ändern wollen, tatsächlich zustande kommen. Ich rate uns, unser können wir dies tun. Augenmerk in den nächsten Wochen und Monaten Jetzt soll man aber nicht so tun, als hätten wir ganz stark auf dieses Thema zu lenken. Wir reden kein Berufsbildungsgesetz, über ein Zukunftsthema. Die Bundesregierung wird in dieser Legislaturperiode eine Maßnahme nach (Nicolette Kressl [SPD]: Aber schon immer!) der anderen zur Modernisierung des Systems das übrigens in der letzten Legislaturperiode vorlegen und mit Ihnen debattieren. Alle modernisiert wurde und unter anderem den gesellschaftlichen Kräfte sind aufgerufen, dieses Passus enthält, dass bei nicht tarifgebundenen Thema zu besetzen und jedem Jugendlichen eine Vergütungen Abweichungen von bis zu 20 Prozent qualifizierte Ausbildung zu ermöglichen. möglich sind. Jetzt nenne ich einmal das konkrete Vielen Dank. Beispiel einer Buchhändlerin aus Aachen, die sagt, in ihrer Buchhandlung arbeite außer ihr noch eine (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Teilzeitkraft mit 50 Prozent und die 700 Euro für einen Auszubildenden habe sie nicht. Sie könnte Präsident Dr. Norbert Lammert: sich jedoch vorstellen, einen Auszubildenden für Das Wort hat nun der Kollege Willi Brase, SPD- 560 Euro einzustellen, die sie noch so grade Fraktion. zusammenbekäme. Ich möchte das Thema nicht zu ausführlich behandeln, halte es aber nicht für (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4087

Willi Brase (SPD): haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Unternehmen offensichtlich noch nicht genügend Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass qualifizierte Ausbildungsplätze anbieten und sie viele Vorredner die Lage am die Hauptschulabgänger dadurch ein Stück weit Ausbildungsstellenmarkt sehr gut beschrieben verdrängen. haben. (Beifall bei der SPD sowie bei (Jörg Rohde [FDP]: Besonders der von der Abgeordneten der CDU/CSU und des FDP!) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Nein, nun überschätzen Sie Herrn Kolb mal Bei den Beratungen zum Ausbildungspakt nicht. haben wir gesagt, dass wir EQJ vor allen Dingen deshalb machen, um den jungen Leuten aus den (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Hauptschulen eine vernünftige Perspektive zu Ich finde es gut – das will ich ausdrücklich auch bieten. dem Wirtschaftsminister, der sich im Augenblick in (Beifall bei der SPD) den Reihen der Abgeordneten aufhält, sagen –, dass die Kanzlerin endlich einmal deutlich gesagt Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir dieses hat, was wir am 30. September, möglicherweise Instrument dahin gehend überprüfen. Sollte sich am 31. Dezember von der Wirtschaft erwarten. Sie der Trend fortsetzen, dass sich aufgrund der hat nämlich gesagt: Wir brauchen Mangelsituation verstärkt Schüler mit mittlerem 50 000 Ausbildungsplätze für die jungen Leute, Bildungsabschluss durchsetzen, dann müssen wir damit wir dieses Ausbildungsjahr einigermaßen einschreiten. Wir müssen auch unseren vernünftig überstehen. Hauptschülern eine vernünftige Perspektive bieten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, wir sollten uns als Fraktion daran messen lassen und auch die Regierung daran Zur Ausbildungsreife. Selbstverständlich habe messen, ob wir dieses Ziel erreichen. ich die Untersuchungen des DIHK vom letzten und den vorangegangenen Jahren gelesen. Wenn man Ich möchte jetzt aus der Sicht – ich glaube, hier sich die Ergebnisse der letzten zehn Jahre ansieht, bin ich der Einzige – eines in der beruflichen stellt man fest, dass immer dann, wenn die Bildung Verantwortlichen das eine oder andere Ausbildungssituation sehr schwierig war, gesagt hier bewerten. Ich bin alternierender Vorsitzender wurde, dass das an der fehlenden einer Kammer in meinem Heimatland in Nordrhein- Ausbildungsreife der Jugendlichen liege. Ich finde, Westfalen, dem Siegerland. Ich kann nur sagen, der DIHK hat es gar nicht nötig, ein so dummes dass wir manches, was hier diskutiert wurde, seit Argument vorzuschieben. Jahren in praktischer, vernünftiger Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und Gewerkschaften, Berufskollegs und der dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Arbeitsagentur bzw. jetzt der Arge machen. Dr. Peter Danckert [SPD]: Bei dem Satz kann die FDP wenigstens mal (Beifall bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Aber mitklatschen!) nicht überall!) Es gibt eine sehr gute Untersuchung des Daran, wie wir mit den Dingen umgehen, könnte Bundesinstituts für Berufsbildung, die im sich mancher Politiker, der hier Fensterreden hält, November des letzten Jahres veröffentlicht wurde. ein sehr gutes Beispiel nehmen. Sie enthält eine inhaltlich klare Beschreibung des (Jörg Tauss [SPD]: Aber noch nicht überall!) Begriffs Ausbildungsreife und beschreibt, was erforderlich ist, um eine Ausbildung machen zu

können. Diese Untersuchung ist von Fachleuten Im Rahmen des Ausbildungspakts ist das gemacht worden, die tagtäglich im Bereich der Sonderprogramm Einstiegsqualifizierung beruflichen Bildung tätig sind. Die Ergebnisse sind Jugendlicher, EQJ, auf den Weg gebracht worden. äußerst spannend. Die Konsequenzen sind weit Die Untersuchungen des G. I. B. – das ist eine reichend: nordrhein-westfälische Gesellschaft – und der (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt aber!) Hans-Böckler-Stiftung über die Situation im westlichen Ruhrgebiet belegen, dass zwischen 58 Erstens. Es gibt – das ist völlig klar – Probleme und 63 Prozent der EQJ-Teilnehmer direkt nach im familiären Bereich, die für bestimmte der Qualifizierung eine Ausbildung beginnen. Das Verhaltensweisen ursächlich sind. Da müssen wir ist gut. etwas tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zweitens. Es gibt Probleme bei den Schulen. Es wurde eben zu Recht gesagt, dass es wichtig ist, Nachdenklich muss uns aber stimmen, dass davon bei der Vermittlung der Kompetenzen in den sehr viele einen mittleren Bildungsabschluss 4088 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Bereichen Lesen, Schreiben, Rechnen etc. alle Außerdem haben wir eine zunehmend große An- Jugendlichen mitzunehmen. zahl Jugendlicher im Bereich vollqualifizierender Ausbildung an Schulen. Drittens. Auch Unternehmensvertreter haben gesagt – 72 Prozent haben dem zugestimmt –, Ich rate uns allen, diesen Bericht hier im dass Unternehmen auch schwächeren Parlament zu diskutieren. Ich glaube, daraus Jugendlichen eine Chance bieten und ihre müssen wir Konsequenzen ableiten, damit wir Entwicklungspotenziale einschätzen sollen. Das auch zukünftig unseren jungen Menschen eine wurde gefordert. Ich kann nur sagen: Das ist richtig vernünftige Perspektive bieten können. so. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Viertens. Man erwartet zu Recht auch von den (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) jungen Leuten, dass sie sich ein bisschen stärker für den Betrieb, ihre Ausbildung und ihre Zukunftsperspektiven interessieren. Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner in der Aktuellen Stunde ist der Das müssen wir in einem vernünftigen, Kollege Uwe Schummer für die CDU/CSU- regionalen Pakt zusammenbringen: Wir müssen Fraktion. die Familien unterstützen, damit es den jungen Leuten dort besser geht. Wir müssen die Schule (Beifall bei der CDU/CSU) stärker fordern. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen die Kompetenzen vermitteln. Wir müssen Uwe Schummer (CDU/CSU): den Unternehmen klar machen, was von ihnen Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! erwartet wird. Liebe Kollegin Hirsch, Sie haben gesagt, dass die Bundesagentur für Arbeit für das Ausbildungsjahr Der Berufsbildungsbericht zeigt, wie viele eine Ausbildungsplatzlücke von 150 000 Unternehmen ausbilden und wie viele nicht prognostiziert. Tatsache ist: Nach dem heutigen ausbilden. Schauen Sie sich das an vor dem Stand der Bundesagentur wird sie auf 30 000 Hintergrund, wie viele Unternehmen ausbilden prognostiziert. Das ist ein eklatanter Unterschied. könnten. Hier ist noch sehr viel zu holen. Ich Aber das zeigt im Grunde – das ist das empfehle der Kanzlerin und den zuständigen Bedauerliche –, Kollegin Hirsch, dass der Ministern, an die Betriebe heranzugehen, die Misserfolg des Ausbildungspaktes doch von Ihrer ausbilden könnten, es aber nicht tun. Auf die Gruppe mit klammheimlicher Freude genutzt wird, müssen und wollen wir mehr Druck ausüben. um Ideologie zu machen, und nicht, um den (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Menschen zu helfen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Präsident Dr. Norbert Lammert: neten der FDP) Das wäre ein vorzüglicher Schlusssatz gewesen, Herr Kollege. Ihnen kann ich nur empfehlen, Zahlen zu lesen und darauf vernünftige Konzepte aufzubauen. Das ist die Philosophie des Ausbildungspaktes. Willi Brase (SPD): Herr Präsident, darf ich noch einen Satz sagen? (Widerspruch bei der LINKEN) Wir in der großen Koalition leben davon, dass Präsident Dr. Norbert Lammert: es den Menschen durch die Politik besser geht, Ja. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na! Da warten wir aber lange!) Willi Brase (SPD): Ich bedanke mich sehr herzlich. – Frau Schavan während Sie als Manager des Elends vom hat als zuständige Ministerin zusammen mit der Misserfolg leben. Kultusministerkonferenz den Bildungsbericht 2006 (Beifall bei der CDU/CSU) herausgegeben. Hochinteressant ist nicht die Herausgabe, sondern das, was darin steht. Die Menschen werden letztendlich sehen, wem es im nächsten Jahr im September, im Präsident Dr. Norbert Lammert: Ausbildungsjahr besser gehen wird: denjenigen, Das ist jetzt der dritte Satz. die dort leben, wo eine große Koalition regiert, oder denjenigen, die in Bundesländern leben, in denen Sie, die PDS, mit an der Regierung sind, Willi Brase (SPD): also in Mecklenburg-Vorpommern oder in Berlin. Interessant ist, dass wir sozusagen einen Dreierlauf haben: Ein Großteil der jungen Leute Wir haben noch zwei Monate. Jetzt ist die Zeit, befindet sich in der dualen Ausbildung. Ein gleich nicht nur über Zahlen zu reden, sondern vor allem, großer Anteil junger Leute befindet sich im so um zu handeln, damit jeder ausbildungsbereite genannten Übergangssystem, BVJ, BGJ oder Jugendliche eine Qualifizierung findet. Es ist ein berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen. gutes Zeichen, dass beide Minister miteinander in Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4089 die gleiche Richtung ziehen. Es ist ein gutes 1,3 Millionen Schulabgänger bis 29 Jahre derzeit Zeichen, dass auch die Kanzlerin, Angela Merkel, ohne eine berufliche Ausbildung auf der Straße sich persönlich einschaltet, nicht nur mit Briefen, stehen und nicht in die Arbeitswelt integriert sondern indem sie in die Betriebe geht und sehr werden. persönlich dafür wirbt, dass die Wirtschaft in (Beifall bei der CDU/CSU) Menschen investiert, genauso wie sie in Maschinen investiert. Jeder zweite Bewerber, der bisher nicht vermittelt ist, kommt aus der Hauptschule. Ich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- habe mir vom Berufsbildungsinstitut in noch neten der SPD) einmal bestätigen lassen: 90 Prozent aller Mein Appell lautet, eben nicht nur die heutigen Berufsbilder – aktuell haben wir 340 – sind für Kompetenzen eines Menschen zu sehen, sondern Hauptschüler verschlossen. Wir müssen auch die auch seine Perspektive im Blick zu haben. Es ist eigene Diskussion betrachten. Einerseits, wenn in wie mit den Aktien: Man muss in Menschen der Rütli-Hauptschule in Berlin oder anderswo investieren und sehen, wie sie sich entwickeln und Missstände auftreten, beklagen wir, dass welche Perspektiven sie haben. Hauptschüler keine Perspektive haben, und auf der anderen Seite entwickeln wir Berufsbilder so (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und weit, dass praktisch begabte Hauptschüler immer der SPD) weniger Zugangschancen zu einer vernünftigen Das hat uns Klinsmann mit Odonkor bei der Qualifizierung haben. Weltmeisterschaft gezeigt. Die Experten sagten: Im Rahmen der Berufsbildungsreform, die Frau Das ist alles Unsinn, er hat keine Erfahrung. Annette Schavan zu Recht ansprach, wurde die Klinsmann hat aber auf ihn gesetzt und ihn in die Philosophie vereinbart, Berufsbilder in größerem Nationalelf berufen. Letztendlich hat er das Umfang stufenweise zu organisieren. Es sollen Vertrauen, das er in ihn investiert hat, in Form von auch Zwischenabschlüsse möglich sein. Wenn Motivation zurückerhalten. Odonkor hat sich be- man zum Beispiel eine Ausbildung im dritten währt. Genauso muss es in der Wirtschaft sein. Lehrjahr nicht fortsetzt, kann man später durch Dort geht es zwar um Ausbildung, nicht um Weiterbildung über verschiedene Module eine Weltmeisterschaft, aber man investiert auch in die zweite Chance erhalten und auf dem bisher Menschen und in deren Perspektiven, die Erreichten aufbauen. Es soll eine Berufstreppe entwickelt werden müssen. Das ist der Appell an geschaffen werden, die für das lebenslange die Wirtschaft. Lernen mitgenutzt werden kann. Die Umsetzung Aber die Wirtschaft braucht dabei Hilfe. Lassen der Berufsbildungsreform – einer breiten Sie uns doch überlegen, welche Berufsbegleitung Grundausbildung, die stufenweise bis hin zur Er- neben den Maßnahmen, die schon existieren, langung akademischer Würden weiterorganisiert möglich ist. In einer Berufsschule kann wird – müssen wir beschleunigen. Hier sind wir alle Ganztagsunterricht bis 17 Uhr laufen. Dann kann gefordert. man nach einem Profiling für die jungen Meine Damen, meine Herren, der Arbeitsmarkt Menschen, die eine Lese- oder Rechenschwäche ist in Bewegung. Im Jahresvergleich sind oder anderweitig Probleme haben, am Nachmittag 370 000 Arbeitslose weniger zu verzeichnen. Der einen gezielten Förderunterricht organisieren. Man Verband der Ingenieure hat mitgeteilt, dass der muss versuchen, in der Berufsschule solche Anteil arbeitsloser älterer Ingenieure um Negativbereiche in der Ausbildung abzubauen, 25 Prozent gesunken ist, weil sie vermittelt und dafür sorgen, dass eben nicht der Betrieb all wurden. Auch die Zahl der jüngeren Arbeitslosen das aufarbeiten muss, was im allgemeinen bis 25 Jahre ist im Jahresvergleich um 100 000 Bildungssystem nicht richtig gelaufen ist. Wir zurückgegangen. Der Arbeitsmarkt bewegt sich brauchen im dualen System eine Begleitung also. Auch die Ausbildungsplatzsituation wird in innerhalb der Berufsschule. Das sollten wir Bewegung kommen. Dafür werden wir, wird die miteinander bereden und auf den Weg bringen. große Koalition sorgen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) und der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Aber das geht nicht an einem Tag! Da sind wir uns doch einig?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Mit dieser ultimativen Klarstellung ist die – Das geht nicht an einem Tag. Aktuelle Stunde beendet. Aber die Zielsetzung, dem Handwerksmeister zu Nun rufe ich den Tagesordnungspunkt 7 auf: vermitteln, dass innerhalb des ersten Jahres diese Lese- oder Rechenschwäche abgebaut wird, wäre Beratung des Antrags der Abgeordneten eine gute Motivation für ihn, zu sagen: Wir stellen Detlef Parr, Joachim Günther (Plauen), Jens diesen Jugendlichen ein, obwohl er Defizite hat. Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Keiner darf verloren gehen. Es kann nicht sein, Fraktion der FDP dass wir einfach untätig zuschauen, wenn 4090 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Recht der Sportwetten neu ordnen und Glücksspiel für Gemeinwohlzwecke, also auch für Finanzierung des Sports sowie anderer den Sport, nur möglich ist – so das Gericht –, Gemeinwohlbelange sichern wenn die Suchtbekämpfung oberstes Ziel ist. – Drucksache 16/1674 – Als sucht- und drogenpolitischer Sprecher Überweisungsvorschlag: meiner Fraktion stelle ich fest: Sportausschuss (f) Innenausschuss (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Oh! Oh!) Rechtsausschuss Finanzausschuss Bis zu diesem Urteil hat das Thema Spielsucht in Ausschuss für Wirtschaft und Technologie der öffentlichen Diskussion überhaupt keine Rolle gespielt. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ich wette, gleich spricht der Kollege Parr!) (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Genau! Siehe Kasinos! Niemand Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für musste bisher sein Kasino schließen!) die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die FDP als Antragstellerin sechs Minuten Jetzt aber sollen die Wettsucht konsequent erhalten soll. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. bekämpft, die Wettleidenschaft begrenzt und die Dann ist das so vereinbart. Werbung auf ein Mindestmaß heruntergefahren werden. Das hat den Geschäftsführer der Toto- Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Lotto Niedersachsen GmbH, Rolf Stypmann, zu dem Kollegen Detlef Parr für die FDP-Fraktion. folgender Bemerkung veranlasst: Wir verkaufen (Beifall bei der FDP – Hartmut Koschyk keine Waren, sondern Träume. Deshalb ist Wer- [CDU/CSU]: Guter Mann!) bung immens wichtig für uns. Bei der Beachtung solcher Auflagen ist eines Detlef Parr (FDP): sonnenklar: Das Staatsmonopol wird sich zu einer Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der „Lame duck“ entwickeln, einem Monopol ohne Kollege Koschyk hat die erste Wette schon Flügel, das nicht mehr konkurrenzfähig ist. Die gewonnen. Er hat nämlich darauf gewettet, dass Quellen der Sportförderung drohen nach und nach der Kollege Parr spricht. Er hat Recht behalten. zu versiegen. Auch ist es ein Trugschluss, zu (Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ hoffen, dass die Kunden privater Anbieter nach CSU]) einem Verbot zurückgewonnen werden können, und das auch noch ohne Werbung. Nein, wir Urteile, Urteile, Urteile. Auf wohl keinem müssen der Realität ins Gesicht sehen. Wir dürfen anderen Politikfeld gibt es derzeit so viel Internet-, Fernseh-, SMS- und Telefonwetten nicht Rechtsunsicherheit und so viel Widersprüchliches ignorieren. Die Kunden werden gemeinsam mit wie bei den Sportwetten. Jüngstes Beispiel: den Unternehmen ins Ausland abwandern und Gestern vermeldete das OVG Münster das Aus für somit künftig kein Steueraufkommen in private Sportwetten. Das war eine ungewöhnlich Deutschland generieren. harte Entscheidung, die über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinausgeht und Nutzen wir den Zeitrahmen bis zum weitere Klagen nach sich ziehen wird. 31. Dezember 2007, den uns das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, zur Diese Klagespirale muss ein Ende haben. Wir rechtlichen Ausgestaltung einer Neuordnung, die brauchen endlich Rechtsklarheit. Um sie zu sicherstellt, dass die privaten Anbieter eine erreichen, müssen wir auf allen Ebenen und mit Chance bekommen und die staatlichen Anbieter allen Betroffenen eine ehrliche und tabulose endlich wettbewerbsfähig werden. Diskussion über den richtigen und einen zukunftsfesten Weg dorthin führen. Ich bin ge- (Beifall bei der FDP) spannt, wie ehrlich die heutige Debatte sein wird. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dabei geht es auch um Arbeitsplätze – nicht um [FDP]: Oh ja! Ich auch! – Hartmut die gut gepolsterten, gut dotierten der zahlreichen Koschyk [CDU/ CSU]: Wir sind doch Lotteriereferenten der Länder, sondern um immer ehrlich, Detlef!) Tausende von Arbeitsplätzen in Wettbüros, die Das Bundesverfassungsgericht hat voller Hoffnung auf eine geregelte unmissverständlich festgestellt, dass das Weiterentwicklung des Markes eröffnet worden bestehende staatliche Wettmonopol mit dem sind. Ich appelliere von hier aus an die Länder, Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar ist und diese Büros bis zur Verabschiedung eines neuen dass sich der Staat nicht durch die Angebote, die Lotteriestaatsvertrages zu dulden und nicht er macht, seine Taschen füllen darf. Es hat kurzfristig vollendete Tatsachen zu schaffen. darüber hinaus zum Ausdruck gebracht, dass die (Beifall bei der FDP) Veranstaltungen des Sportwettenanbieters Oddset erkennbar auch fiskalische Zwecke verfolgen und Karlsruhe hat nur gesagt, dass bis zur dass eine Abschöpfung von Mitteln aus dem Neuregelung private Veranstalter von Sportwetten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4091 untersagt werden dürfen – von müssen ist da nicht Wollen wir dem Gemeinwohl dienen und die die Rede. Sportförderung auf Dauer sichern, dann müssen wir jetzt ohne Vorurteile jede Lösungsmöglichkeit Es geht – viel wichtiger – auch um die prüfen – miteinander statt gegeneinander, ganz im Planungssicherheit von Sportveranstaltern und Sinne der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Baden- Sportvereinen, die bereits für die kommenden Württemberg und Schleswig-Holstein: Sie haben Jahre Verträge abgeschlossen haben, etwa eine Protokollerklärung anlässlich der letzten Werder Bremen und 1860 München, oder Ministerpräsidentenkonferenz verfasst, dass sie Ausrichter sportlicher Großveranstaltungen nach es mittel- und langfristig für zielführender halten, der Fußball-WM, die die Budgets bereits anstelle eines kompromisslosen Festhaltens am aufgestellt haben. Was, wenn in der kommenden Staatsmonopol für die MPK im Dezember eine be- Champions-League-Saison der AC Mailand mit grenzte Konzessionierung im Sportwettenbereich Trikotwerbung eines privaten Sportwettenanbieters vorzubereiten. Glückwunsch an diese Länder, die in Deutschland aufläuft? Was, wenn er gerade bei gesellschaftlich, rechtlich und wirtschaftlich Werder Bremen – kurioserweise mit demselben Vernunft zeigen! Trikotsponsor – antritt? Sollen dann alle oder sollen dann nur die Bremer Trikots beschlagnahmt Wie hieß es noch im Februar in einer werden, wie es von Senator Röwekamp laut Empfehlung der Kommission „Sportwetten“ „Spiegel“ bereits angekündigt ist? federführend aus den Staats- und Senatskanzleien von Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Rheinland-Pfalz – ich zitiere das dort formulierte NEN]: Alle in den Knast!) Ziel –: Ganz im Ernst: Haben Staatsanwaltschaft, Peter nachhaltig globalisierungsfester staatlicher Danckert und Polizei nicht wichtigere Aufgaben zu Ordnungsrahmen und sozialpolitisch erfüllen? eingebundene Erschließung von bislang den (Beifall bei der FDP – Dr. Peter Danckert Sportveranstaltern nicht zugänglicher [SPD]: Ihr seid doch Lobbyisten! Die FDP Wertschöpfung. ist ein Lobbyist!) Nur Mut, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier Die FDP verzichtet in ihrem Antrag aus guten und in den Ländern: Lasst uns europaweit zu Gründen einstweilig auf konkrete Festlegungen. einem Vorreiter für eine solche Lösung werden! Wir wollen die Sportförderung mindestens auf Dabei Glückauf für uns alle! derzeitigem Niveau sichern, sie möglichst noch (Beifall bei der FDP – Winfried Hermann ausbauen. Eine Lösung wären [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin Konzessionsabgaben, Nutzungsentgelte an ganz offen für alle! – Gegenruf des Abg. Sportveranstalter, steuerliche Maßnahmen oder Detlef Parr [FDP]: Jetzt bin ich gespannt, Selbstverpflichtungen in Form von ob wir wirklich eine ehrliche Diskussion Sponsoringmodellen. führen! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter (Dagmar Freitag [SPD]: Danckert [SPD]: Eigentlich müsste man Selbstverpflichtungen sind immer jetzt gar nichts mehr sagen! – Fritz Rudolf erfolgreich! – Dr. Peter Danckert [SPD]: Körper [SPD]: Das Interesse der FDP am Lobbyist für Betandwin!) eigenen Antrag ist groß! – Gegenruf des Abg. Detlef Parr [FDP]: Ob du mal Inhalt – Wer laut schreit, hat nicht immer Recht. Peter bringst, weiß ich auch nicht, vor allem, ob Danckert, Dagmar Freitag, hört mir wenigstens bis du dich einmal bekennst!) zum Ende zu, damit wir uns argumentativ auseinander setzen können. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Dr. Peter Danckert [SPD]: Cheflobbyist für Das Wort hat nun der Kollege Klaus Riegert für Betandwin!) die CDU/CSU-Fraktion. Jetzt eine fertige Lösung vorzuschlagen, wäre mehr als unklug. Entscheidungsgrundlagen sind in Klaus Riegert (CDU/CSU): Arbeit: Namhafte Institute, Kanzleien und Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unternehmensberatungen arbeiten daran. Wie bei Kaum ist die Tinte der Begründung des Urteils des der Sportwettenkonferenz der FDP am 19. Juni Bundesverfassungsgerichtes vom 28. März 2006 sollten weiter alle Betroffenen in diesen trocken, liegt ein Antrag der FDP-Fraktion auf dem Findungsprozess einbezogen werden. Die un- Tisch, mit dem der Sportwettenmarkt unter der terschiedlichen Interessen gehören an einen Tisch. Maßgabe des Urteils, der internationalen Vor allem aber sollten wir alle verfügbaren Dimension und der diffizilen rechtlichen Kompetenzen effektiv nutzen, das heißt, auch jede Problematik umfassend und generös geregelt Expertise, die uns auf einem vernünftigen Weg werden soll: Der Glücks- und Wettspielmarkt weiterhilft. (Detlef Parr [FDP]: Der Sportwettenmarkt!) 4092 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 wird liberalisiert, die Einnahmeseite verbessert und beanspruchen, wenn die Suchtvermeidung und gleichzeitig Spielsucht unterbunden und bekämpft. nicht das Einnahmeinteresse des Staates klar im – So einfach ist die Welt leider nicht. Ich muss den Vordergrund steht. Antrag daher unter der Rubrik Aktionismus (Detlef Parr [FDP]: Richtig!) einordnen. Absurd ist aber das Ergebnis, das überall dort, wo (Beifall bei der CDU/CSU Detlef Parr [FDP]: sich Oddset heute aus der Werbung zurückzieht, Geh mal in der Sache darauf ein!) sofort private Anbieter in diese Lücke springen. – Lieber Kollege Parr, in dem Bemühen, schnell zu Dem Gesetzgeber ist freigestellt, durch eine sein, ist die FDP kaum zu überbieten. konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols (Jörg Rohde [FDP]: Danke schön!) sicherzustellen, dass eine effektive Suchtbekämpfung und eine Begrenzung der Doch schnell allein ist zu wenig. Sie sollten, nein, Wettleidenschaft erfolgt, oder durch eine Sie müssen besser werden. Dann allerdings läge gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung der Antrag in dieser Form hier nicht vor. gewerblicher Veranstaltungen private Wir nehmen das Urteil des Wettunternehmen zuzulassen. Bundesverfassungsgerichts wie auch dessen (Detlef Parr [FDP]: Gute Alternative!) Begründung sehr ernst. Trifft der Gesetzgeber bis Ende 2007 keine (Detlef Parr [FDP]: Dann aber bitte auch rich- gesetzlichen Regelungen, dann verliert er das tig interpretieren!) Monopol. Bis dahin entscheiden die Die Vermeidung bzw. Eindämmung der Strafverfolgungsbehörden, ob Sportwettenläden Spielsucht hat für uns einen hohen Wert. geschlossen werden können oder nicht und wie sich der Sportwettenmarkt darstellt. (Detlef Parr [FDP]: Auf einmal! Jahrelang nicht!) Die Ministerpräsidenten – sie sind in erster Linie gefordert – Wir wollen die Menschen vor persönlichen Schicksalsschlägen und dem Ruin durch (Dagmar Freitag [SPD]: Richtig!) Spielsucht schützen. sprechen sich für eine Beibehaltung des (Detlef Parr [FDP]: Gelogen!) staatlichen Monopols aus. Deshalb werden wir uns die Zeit nehmen, die uns (Detlef Parr [FDP]: Nicht mehr einstimmig!) das Verfassungsgericht vorgibt. Liberalisierung um Sie wollen auf der Grundlage des Urteils das jeden Preis, was kümmert uns die Spielsucht – das staatliche Lotteriemonopol weiterentwickeln. Aus ist mit uns nicht zu machen. ordnungsrechtlichen Erwägungen halten sie das (Beifall des Abg. Dr. Peter Danckert staatliche Monopol für geeignet, die vom [SPD] sowie des Abg. Winfried Hermann Bundesverfassungsgericht vorgegebenen [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN] – Detlef ordnungsrechtlichen Ziele, nämlich Eindämmung Parr [FDP]: Das wollen wir auch nicht!) und Kanalisierung der Wett- und Spielsucht sowie Bekämpfung der Folge- und Begleitkriminalität, zu Wir messen der Beibehaltung des staatlichen realisieren. Monopols unter Einbeziehung der internationalen Entwicklungen und technischen Möglichkeiten eine In ihre Prüfung sollten die Länder auch den hohe Priorität zu. Wir werden uns den Lotteriebereich einbeziehen. Die Länder erforderlichen Sachverstand aller Beteiligten Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und einholen und dann entscheiden. Schleswig-Holstein sprechen sich in einer Protokollnotiz mittel- und langfristig für die (Beifall bei der CDU/CSU – Detlef Parr [FDP]: Konzessionierung privater Anbieter aus. Daran Sehr schön! „Aller Beteiligten“!) sieht man: Selbst auf der Ebene der Die Koalition will erst die Informationen und trifft Ministerpräsidenten gibt es durchaus dann ihre Entscheidung. Das ist die richtige unterschiedliche Vorschläge. Reihenfolge. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Genauso ist es!) (Beifall bei der CDU/CSU – Detlef Parr [FDP]: Wir sollten die Konkretisierung der Vorschläge Genauso wollen wir auch vorgehen!) abwarten, sie prüfen und dann entscheiden. Meine Damen und Herren, Kern des Urteils ist (Beifall des Abg. Bernd Heynemann der Widerspruch, dass staatliche Stellen ein [CDU/ CSU] – Dr. Peter Danckert [SPD]: Monopol mit der Begründung der Keine Schnellschüsse wie die FDP! – Suchtvermeidung beanspruchen, aber keine Gegenruf des Abg. Detlef Parr [FDP]: Ihr erkennenswerte Suchtvermeidung betreiben. Der habt den Antrag offensichtlich gar nicht staatliche Unternehmer Oddset wirbt massiv für gelesen, Peter!) seine Angebote und vertreibt diese ebenso offensiv. Der Staat kann das Monopol aber nur Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4093

Im gesamten Glücksspielbereich spielen die Danke schön. Sportwetten eine untergeordnete Rolle. Der (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Umsatz bei Sportwetten beträgt zurzeit rund 2 bis 3 Milliarden Euro. Das Marktpotenzial wird auf 5 bis 6 Milliarden Euro eingeschätzt. Bei einer Präsident Dr. Norbert Lammert: Liberalisierung des Wettmarktes muss aber vor Das Wort hat nun die Kollegin Katrin Kunert, allem die Auswirkung auf das Lottosystem be- Fraktion Die Linke. achtet werden. Katrin Kunert (DIE LINKE): (Detlef Parr [FDP]: Das ist ein völlig überflüs- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! siges Totschlagargument!) Lieber Detlef Parr, Ihr Antrag ist ein Fehlstart. Ich Hier befürchte ich große Auswirkungen auf die fürchte, Sie holen sich eine gewaltige Zerrung. Finanzierung des gemeinnützigen Sports. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall des Abg. Bernd Heynemann Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil [CDU/ CSU] sowie des Abg. Dr. Peter gesprochen, welches besagt, dass das staatliche Danckert [SPD] – Detlef Parr [FDP]: Das Wettmonopol nur zulässig ist, wenn die Spielsucht hat nichts mit diesem Antrag zu tun!) konsequent bekämpft wird. Das Gericht zeigt dem Meine Damen und Herren, bei der Neuregelung Gesetzgeber die gelbe Karte und droht mit der des Wett- und Glücksspielmarkts haben wir auch roten Karte, wenn diese Auflagen ab 2008 nicht die europäische Dimension zu beachten. Zu geregelt sind. Die Ministerpräsidenten der Länder prüfen ist, inwieweit ein staatliches Wettmonopol haben das Urteil mehrheitlich begrüßt und lassen mit dem EU-Vertragsrecht kompatibel ist. einen neuen Lotteriestaatsvertrag bis Dezember erarbeiten. Der DFB und die DFL haben eine (Detlef Parr [FDP]: Sehr richtig!) grundsätzlich andere Auffassung zur Umsetzung Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, des Urteils. Statt ausschließlich auf das staatliche dass jedes Land das Wett- und Glücksspiel für Monopol zu setzen, ist nach ihrer Ansicht eine sich selbst schlüssig regeln kann, auch im Hinblick begrenzte Konzessionierung der bessere Weg. auf Berufsfreiheit und Wettbewerb. Es wird kein Der Vorsitzende der Sportministerkonferenz Scheinmonopol geben können nach dem Motto sprach sich in einer Anhörung im Mai zu diesem „Wir machen ein Monopol, handeln aber, als wären Thema im Sportausschuss nachdrücklich für den wir im Markt“. Kein Gericht wird uns das Erhalt des staatlichen Wettmonopols aus und durchgehen lassen. warnte vor einer kontrollierten Liberalisierung von Lizenzen. Wir, die Linke, sagen, das staatliche (Beifall bei der CDU/CSU und dem Monopol ist geeignet und notwendig, um BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Detlef Parr Spielsucht und Kriminalität wirksam zu bekämpfen. [FDP]: So wie es heute ist!) (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Meine Damen und Herren, der FDP-Antrag NIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter verbindet die Forderung nach gesetzlich normierter Danckert [SPD]: Hört! Hört!) und kontrollierter Zulassung privater Anbieter von Sportwetten und knüpft dies an eine Fülle von –Wenn wir es gemeinsam packen sollten, dann Bedingungen: den nationalen Markt für sollten wir es auch tun. Sportwetten auch im Vergleich zum Ausland (Dr. Peter Danckert [SPD]: Genau, das konkurrenzfähig zu machen, ohne Einschränkung finde ich bemerkenswert! – Detlef Parr einen Teil der Einnahmen – was immer das auch [FDP]: Sind das schon neue Koalitionen?) heißen mag – den Destinatären zuzuweisen, gleichzeitig die Spielsucht zu bekämpfen, dem Herr Kollege Parr, wir hatten nach der Anhörung Jugendschutz Rechnung zu tragen und die Folge- im Sportausschuss einen Fahrplan vereinbart, wie und Begleitkriminalität zu vermeiden. wir mit dem Urteil und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen umgehen wollen. Sie wissen Das alles sind verheißungsvolle Ziele; genauso gut wie alle hier im Saal, dass am Verknüpfung und Durchsetzung der Bedingungen 20. September genau dieses Thema auf der dürften jedoch ein Problem werden. Tagesordnung des Sportausschusses steht. Sie (Dr. Peter Danckert [SPD]: So ist es!) wollen sich jetzt mit diesem hochsensiblen Thema profilieren und haben wahrscheinlich sehr starken Deshalb hat für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Rückenwind. Nur bewegen Sie sich zurzeit aus un- die Neuordnung des Glücks- und Wettspielmarktes serer Sicht ganz stark im Abseits. klare Priorität. Die Sucht- und Spielleidenschaft muss eingegrenzt und wirksam bekämpft werden, In Ihrem Antrag heißt es: wobei die Prävention Vorrang hat. Die Um einen Zustand der Rechtssicherheit Finanzierung des gemeinnützigen Sports muss herbeizuführen, spricht sich der Deutsche sichergestellt sein. An diesen Zielsetzungen Bundestag gegen ein ausschließlich staatlich werden wir den Wett- und Glücksspielmarkt verantwortetes Wettangebot und für eine ausrichten. 4094 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

gesetzlich normierte und kontrollierte herauszukommen, die hinsichtlich der Zulassung privater Veranstalter aus. Finanzierung des Sportes besteht, sollten wir über ein Sportfördergesetz zwischen Bund und Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ländern nachdenken. In diesem Zusammenhang Rechtssicherheit kann auch hergestellt werden, verweise ich auf das Beispiel Mecklenburg-Vor- indem man die Auflagen des pommern, das bereits ein solches Bundesverfassungsgerichts erfüllt. Sportfördergesetz hat und dem Landessportbund (Dr. Peter Danckert [SPD]: Genau!) Haushaltsmittel zuweist. Der dortige Landessportbund bekommt also keine Gelder aus In Ihrem Antrag heißt es weiter: den Lotteriegewinnen. Jede Neugestaltung des staatlichen Danke schön. Wettmonopols wäre daran zu messen, ob es ihr gelingt, den Konflikt zwischen fiskalischen (Beifall bei der LINKEN) Interessen des Staates und einer aktiven Begrenzung der Spielleidenschaft aufzulösen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Konflikt Das Wort hat nun die Kollegin Dagmar Freitag löst man nicht auf, indem man ihn verschiebt. Sie für die SPD-Fraktion. wollen Gewinne gesetzlich normiert und kontrolliert (Beifall bei der SPD – Detlef Parr [FDP]: privatisieren und die Suchtbekämpfung staatlich Ich bin mal gespannt, wie ehrlich die belassen. Argumentation jetzt ist!) (Detlef Parr [FDP]: Stimmt doch nicht!) Dagmar Freitag (SPD): Sie sagen, private Anbieter wären auch bereit, für Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! die Breitensportförderung Beiträge zu leisten. Ich Wir reden auf Antrag der FDP-Fraktion über das frage: Was sagen die privaten Anbieter zur Thema Sportwetten. Das Thema ist zweifellos Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität? wichtig, allerdings kommt die Diskussion zum (Beifall bei der LINKEN) falschen Zeitpunkt, Herr Parr. Sie kommt eindeutig zu früh. Zudem ist der Bundestag derzeit der Wir brauchen eine Lösung, denn es geht am Ende falsche Platz dafür. Ich erkläre Ihnen gerne, warum auch um sehr viel Geld und Arbeitsplätze. ich dieser Ansicht bin. Mit Blick auf den gesamten Lotteriemarkt muss Im März dieses Jahres hat das man sagen, dass es derzeit bundesweit 25 000 Verfassungsgericht das Urteil zum Lotterieannahmestellen gibt. Bei Aufgabe des Sportwettensektor in Deutschland gefällt. Oberstes staatlichen Monopols wäre jede zweite von Ziel jedweder Regelung des Sportwettenmarktes Schließung bedroht. Dann würde vieles über das muss die Prävention und die aktive Bekämpfung Internet abgewickelt. der Spielsucht sein. Das Verfassungsgericht hält – das ist uns bekannt – ein staatliches Monopol durchaus für ein geeignetes Mittel, um Spielsucht Die Bundesländer haben derzeit Einnahmen zu bekämpfen und vor allen Dingen auch präventiv aus Steuern, Abgaben und Gewinnausschüttungen tätig zu werden. bei Lotto und anderen Glücksspielen in Höhe von insgesamt 5 Milliarden Euro jährlich. Auf dieses (Detlef Parr [FDP]: Eine von zwei Alternati- Geld können selbst Sie nicht verzichten. Die ven!) Finanzierung von Maßnahmen in den Bereichen – Melden Sie sich einfach, wenn Sie eine Frage Kultur, Umwelt, Jugend oder Wohlfahrtspflege haben, Herr Kollege Parr! wäre dann massiv infrage gestellt. In besonderem Maße wäre allerdings der Breitensport betroffen, (Heiterkeit bei der SPD – Detlef Parr dem ein Löwenanteil aus den Gewinnen zufließt. [FDP]: Ich musste eure Zwischenrufe auch hinnehmen!) (Detlef Parr [FDP]: Welcher Löwenanteil ist das denn bei den sinkenden Die Ministerpräsidentenkonferenz hat den Einnahmen von Oddset?) Auftrag des Verfassungsgerichts angenommen und sich in der vergangenen Woche eindeutig – Sie haben Ihre Redezeit gehabt. positioniert. Die Ministerpräsidenten sprechen sich (Beifall bei der LINKEN – Detlef Parr [FDP]: Ich dafür aus, das staatliche Lotteriemonopol zu kann doch eine formale Frage stellen!)) erhalten und auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weiterzu- Auch wenn das Gericht die fiskalischen Gründe entwickeln. zur Rechtfertigung des staatlichen Monopols ausschließt, sollten wir die Sportförderung im Blick Im Dezember 2006 wird die behalten. Ministerpräsidentenkonferenz über den Entwurf eines neuen Lotteriestaatsvertrages beraten, der An dieser Stelle möchte ich Folgendes anregen: zum Ziel haben soll, die Durchführung von Um aus der Abhängigkeit von diesen Mitteln Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4095

Sportwetten im Rahmen des staatlichen Monopols – Darauf komme ich, lieber Herr Kollege Parr. Ich entsprechend den Anforderungen der Sport- bin Ihnen für dieses Stichwort dankbar: Herr wettenentscheidung des Verfassungsgerichts zu Oettinger hat sich der von Ihnen bereits zitierten regeln. Er soll auf vier Jahre befristet sein und auf Protokollnotiz angeschlossen, Effizienz und etwaigen Anpassungsbedarf (Detlef Parr [FDP]: Weil er vernünftig ist!) evaluiert werden. Das ist – wer wollte das bestreiten – ein sinnvoller Weg. mit der genau das aufgeweicht wird. – Sie sagen, weil er vernünftig sei. Ehrlich gesagt, dann sollte (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) man es unterlassen, für die interessierte Deshalb gibt es gegenwärtig keinen vernünftigen Öffentlichkeit den Hardliner und den Befürworter Grund für den Bund, sich einzumischen, Herr des Staatsmonopols abzugeben. Kollege Parr. Vor allem sehe ich keinen Grund, (Detlef Parr [FDP]: Das ist Herrn Oettingers sich vorschnell vom Staatsmonopol zu Problem!) verabschieden. Genau das sieht Ihr Antrag aber vor, ohne anzuerkennen, dass der staatliche Sie haben gerade den Einfluss der FDP auf Anbieter Oddset den gerichtlichen Auflagen Herrn Oettinger beschworen. Da kommt mir hinsichtlich einer Intensivierung der plötzlich in den Sinn, dass Sie in der letzten Präventionsmaßnahmen unverzüglich Woche eine Veranstaltung hatten. Thema: Gibt es nachgekommen ist. eine Sportförderung ohne Sportwetten? Sie haben selber auf die Haltung der (Detlef Parr [FDP]: So ist es! Da hätten Sie Ministerpräsidenten hingewiesen. Das ist viel lernen können!) interessant. Die Haltung der schwarz-gelben Der Hauptsponsor dieser FDP-Veranstaltung, Landesregierungen zu Ihrem Antrag würde meine Damen und Herren, war Betandwin. sicherlich uns alle interessieren, Herr Kollege Parr. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Ach nein! Das (Detlef Parr [FDP]: Die können Sie auch gerne ist ja jetzt interessant! – Winfried hören!) Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie steht zum Beispiel der FDP-Innenminister des Peinlich!) Landes Nordrhein-Westfalen, der auch für den Niemand kann heute garantieren, dass ein Sport zuständig ist, zu diesem Antrag? neuer Staatsvertrag tatsächlich ein Erfolgsmodell (Detlef Parr [FDP]: Rufen Sie ihn an! Dann sein wird. Das räume ich offen ein. Uns sollte bekommen Sie eine Antwort!) jedoch das Ziel einen, die Bürgerinnen und Bürger vor den Gefahren des Glücksspiels zu warnen – Warum soll ich Herrn Wolf anrufen? und, soweit das möglich ist, vor allen Dingen zu (Heiterkeit bei der SPD) schützen. Die Bundesländer stellen sich dieser zugegebenermaßen schwierigen Aufgabe im Mo- Zu schade, dass man von Herrn Wolf öffentlich ment. Wir sollten sie dabei unterstützen und auf hierzu überhaupt nichts hört. Ich kann mir gut Querschüsse verzichten. Sollte sich allerdings vorstellen, dass seine Haltung die zukünftig Handlungsbedarf für die Bundespolitik Kulturschaffenden und die Vertreter des ergeben, werden wir uns dieser Aufgabe organisierten Sportes in Nordrhein-Westfalen bren- annehmen. Aber, Herr Kollege Parr, alles zu seiner nend interessieren würde. Zeit. (Detlef Parr [FDP]: Zukünftig weniger Geld zu (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten bekommen!) der CDU/CSU) Ministerpräsident Oettinger aus Baden- Württemberg äußert sich unmissverständlich, wie Präsident Dr. Norbert Lammert: man meinen sollte. Im „Rheinischen Merkur“ vom Ich erteile das Wort dem Kollegen Winfried Her- 1. Juni diesen Jahres hat er festgestellt – ich darf mann, Bündnis 90/Die Grünen. zwei Sätze zitieren –: (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Mit dem staatlichen Wettmonopol stellen wir SES 90/DIE GRÜNEN) sicher, dass Spielregeln eingehalten werden und die Risiken für die Mitspieler begrenzt Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE sind … Wir werden deshalb am Monopol GRÜNEN): festhalten. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) und Herren! Das Wettgeschäft boomt in den letzten Jahren weiter. Es gibt immer mehr Das war vor vier Wochen. verschiedene Angebote zum Wetten. Die Wetten (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – werden immer verrückter. Ich muss sagen: Sie Detlef Parr [FDP]: Da sehen Sie den werden immer absurder. Was für manche ein Einfluss der FDP in Baden-Württemberg!) nettes Wettspielchen ist, ist für viele ein Riesenproblem. Wir wissen seit Jahren, dass es 4096 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 gerade in diesem Bereich einen wachsenden Wettanbieter macht. Wir halten es ebenfalls nicht Anteil von Suchtspielern gibt, für klug, dass sie sich zum Anwalt einzelner Fußballmannschaften macht, die sich dieses (Detlef Parr [FDP]: Deshalb war es auch seit Wettanbieters als Sponsor bedienen. Jahren kein Thema!) Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin vom von Menschen, die ihr weniges Geld dort lassen Deutschen Fußball-Bund enttäuscht. Noch vor und sich zum Teil völlig verschulden, weil sie drei Jahren hat er den deutschen Sport und die krankhaft spielen. Leider werden im Umfeld dieses deutschen Innenminister fast dazu gedrängt, wachsenden Wettgeschäfts auch viele dreckige endlich die privaten Geschäftemacher zu Geschäfte gemacht, zum Beispiel Geldwäsche bekämpfen, da sie – das hat man gewissermaßen oder Schiebereien. Noch vor wenigen Monaten in Klammern hinzugefügt – die Einnahmen von hätten wir über die Geschäfte im Umfeld dieser Oddset gefährden. Heute, drei Jahre danach, Wetten gesprochen, in die Schiedsrichter und möchte man genau das Gegenteil. Jetzt sagt man: Spieler verwickelt waren. All dies hängt mit diesem Öffnet endlich den Markt; wir wollen die Kohle. Das boomenden Markt zusammen. ist, wie ich finde, unmoralisch. Die Länder haben lange Zeit das staatliche (Detlef Parr [FDP]: Aber Sie haben die Moral Spiel- und Wettmonopol zur Einnahme von gepachtet!) Steuern genutzt. Sie haben dies bedingungslos gemacht, obwohl sie eine hochmoralische Das ist auch nicht besonders sportlich. Man muss Begründung hatten, nämlich die Spielsucht zu dem DFB aus politischer Sicht die rote Karte bekämpfen. Aber das haben sie nicht getan. zeigen. (Detlef Parr [FDP]: Sie moralisieren auch!) Die grüne Position ist klar: Wir glauben, dass man diesen Bereich besser nicht dem Wettbewerb Nun haben sie – das haben alle Rednerinnen und preisgibt; vielmehr sollte man das staatliche Redner gesagt – vom Bundesverfassungsgericht Monopol beibehalten. Klar ist aber auch: Die eine deutliche Klatsche bekommen. Ich füge hinzu: Länder müssen eine Strategie zur Bekämpfung der Es gibt ein laufendes Verfahren vor dem Spielsucht vorlegen. Sie müssen Maßnahmen Europäischen Gerichtshof, in dem geprüft wird, erarbeiten. Wenn sie das nicht tun, dann werden ob die deutschen Verhältnisse noch sie dieses Privileg verlieren. Das wäre schade; europarechtskonform sind. Auch die europäischen denn es hat der Kultur und dem Sport bisher Richter sagen nicht pauschal, das Monopol müsse genutzt. Das kann man fortführen, ohne fallen, sondern sie sagen eindeutig und klar – gleichzeitig die Spielsucht zu fördern. Wir genauso wie es die Verfassungsrichter bei uns brauchen eine Debatte in diesem Sinne und keine gesagt haben –, dass Staaten natürlich das Recht unkritische Debatte, wie die FDP sie angestrebt und vielleicht sogar die Pflicht haben, das in Form hat. Spielsucht ist ein ernstes Thema, zu dessen eines Monopols zu regeln; aber wenn sie es tun, Behandlung es eine ernsthafte Debatte braucht. müssen sie das, was sie zu tun vorgeben, auch vollziehen, nämlich präventiv tätig zu sein und die Vielen Dank. Spielsucht zu bekämpfen. Genau das haben sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht getan. Das ist die Herausforderung, vor der sowie des Abg. Klaus Riegert die Länder jetzt stehen. [CDU/CSU]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nun schlägt die FDP vor, man solle offen Präsident Dr. Norbert Lammert: darüber diskutieren, wie man die Spielsucht Zum Schluss dieses Tagesordnungspunkts kontrollieren kann. Gleichzeitig aber sagt sie: erhält der Kollege Dr. Peter Danckert für die SPD- Eigentlich wollen wir liberalisieren, wir wollen mehr Fraktion das Wort. private Anbieter zulassen. – Ich sage dazu: Das ist der organisierte Interessenskonflikt. Das kann Dr. Peter Danckert (SPD): nicht funktionieren. Wenn ich es zulasse, dass Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! private Anbieter Geschäfte machen, und will, dass Wir alle haben uns gefragt: Was ist eigentlich der der Sport davon profitiert, dann ist es Grund dafür, dass die FDP hier so vorprescht? außerordentlich schwierig, dieses Geschäft zu Schließlich haben wir anderweitige begrenzen. Das passt nicht zusammen. Das kann Verabredungen. Es ist schon darauf verwiesen man nicht über den Markt organisieren. worden, dass wir dieses Thema im September im Sportausschuss noch einmal eingehend (Detlef Parr [FDP]: Das ist Ihr Misstrauen in diskutieren. Mir ist heute völlig klar geworden – den Markt!) dazu hat beigetragen, dass Frau Kollegin Freitag Deswegen sage ich klipp und klar: Wir wollen hier dieses kleine Bild gezeigt hat –: Die FDP hat nicht die Gewinninteressen von Betandwin sich hier ganz eindeutig als Cheflobbyist von unterstützen. Wir halten es auch nicht für klug, Betandwin enttarnt. dass sich eine Partei zum Anwalt privater Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4097

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Österreich lizensiert und versucht, unseren Markt BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) zu bewerben. Das ist der einzige Grund für dieses Vorpreschen. Ich möchte Ihnen noch einen Tipp geben; vielleicht können ein paar Juristen Ihnen das Es ist wirklich ein starkes Stück: Am 19. Juni hat erklären. In § 284 Abs. 4 Strafgesetzbuch steht: sie hier eine öffentliche Veranstaltung produziert, Das Werben für ein nicht zugelassenes die komplett von Betandwin gesponsert wurde. Glücksspiel ist strafbar. Jetzt stellt sie sich hierhin und tritt für die Liberalisierung dieses Wirtschaftszweiges ein. Schlimmer kann man an dieser Stelle eigentlich Das sollten Sie sich einmal durch den Kopf nicht vorgehen. gehen lassen. So locker, wie das im Moment läuft, ist das nicht zu handhaben. Mehr ist dazu nicht zu Präsident Dr. Norbert Lammert: sagen. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Parr? Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat uns klar gemacht, dass das staatliche Wettmonopol erlaubt ist, was Dr. Peter Danckert (SPD): Ja. vorher in Zweifel gezogen worden war. (Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eck- Präsident Dr. Norbert Lammert: ardt) Bitte schön, Herr Kollege Parr. Nun müssen die Länder – sie sind am Zug; das haben sie auch am 22. Juni beschlossen – einen Detlef Parr (FDP): Weg dafür finden. Jemand, der sich auf der Basis Herr Kollege Danckert, ist Ihnen bekannt, dass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die CDU vor wenigen Tagen eine Medianacht auf den Weg macht, handelt absolut korrekt. Daran durchgeführt hat und dass bei dieser Medianacht ist gar nichts auszusetzen. Wir werden sehen, was auf den Namensschildern, die dort ausgegeben uns die Ministerpräsidenten im Laufe des zweiten wurden, „Betandwin“ zu lesen war? Ist es wirklich Halbjahrs dazu präsentieren. Das wird nicht ganz des Teufels, wenn Parteiveranstaltungen von einfach sein. Wer die Rahmenbedingungen, die bestimmten Unternehmen, die in Deutschland das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, zugelassen sind, die in Deutschland ihre erfüllen will, muss sich sehr anstrengen. Wir Geschäfte machen, unterstützt werden? werden sehen, ob das gelingt. Ich habe da meine (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE Zweifel. Die Ministerpräsidenten haben jetzt das GRÜNEN]: Nicht des Teufels, aber des Prä. Sie haben das so gemeinsam beschlossen. Mammons!) Wenn das nicht gelingen sollte, müssen wir in diesem Parlament unsere Hausaufgaben machen. Dr. Peter Danckert (SPD): Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Erstens, Herr Kollege Parr: Das ist mir nicht ist festgestellt worden, dass es auch eine bekannt. Bundeskompetenz für das staatliche Glücksspiel gibt. Wir werden uns daranmachen und sorgfältig (Detlef Parr [FDP]: Dann wissen Sie es jetzt!) prüfen: Was ist machbar und was ist nicht Zweitens. Selbst wenn es so wäre: Die Union machbar? Dann muss man möglicherweise ganz hat jedenfalls nicht einen solchen Antrag gestellt am Ende sehen, ob es sozusagen einen dritten und sich damit im Parlament als Cheflobbyist von Weg der Öffnung in dieser Frage gibt. Betandwin produziert. Das ist der entscheidende Wir müssen natürlich auch prüfen, wie sich das Unterschied. auf die Sportförderung auswirkt. Das ist sicherlich (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der ein ganz entscheidender Gesichtspunkt. Das CDU/ CSU und des BÜNDNISSES Ganze hat auch etwas Schizophrenes an sich. Wir 90/DIE GRÜNEN) wollen alles unternehmen, um die Spielsucht und die Wettleidenschaft zu bekämpfen. Das sind Der Zusammenhang zwischen Ihrer öffentlichen, wirklich große Gefahren. Wir haben in unserer von Betandwin gesponserten Veranstaltung und Anhörung Ende Januar – das war sogar auf dem heutigen Antrag ist schon sehr merkwürdig. Anregung der FDP, wenn ich mich nicht sehr Sie sollten einfach einmal versuchen, das zu täusche; reflektieren. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. (Detlef Parr [FDP]: Richtig!) (Detlef Parr [FDP]: Das ist schon zu viel!) wir haben das übernommen; ohne die anderen Ich möchte Sie außerdem auf Folgendes Obleute wäre das auch nicht gegangen – von den hinweisen: Es stimmt nicht, dass Betandwin eine in großen Gefahren gehört, die mit den Sportwetten Deutschland zugelassene Glücksspielorganisation zusammenhängen. Wir werden also einen Weg ist; das ist unzutreffend. Dieses Unternehmen ist in suchen müssen, der auf der einen Seite diese 4098 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Gefahren wirksam bekämpft und auf der anderen Ausschuss) zu dem Antrag der Seite das ermöglicht, was wir auch wollen – seien Abgeordneten Hans-Josef Fell, Cornelia wir an dieser Stelle ehrlich! –, Behm, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des (Detlef Parr [FDP]: Das ist ein guter Satz!) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN nämlich dass die Sportförderung erhalten bleibt. Biokraftstoffe intelligent fördern – (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU Steuerbegünstigung erhalten sowie des Abg. Winfried Hermann – Drucksachen 16/583, 16/2007, 16/2061 – [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Berichterstattung: Das ist ein ganz komplizierter Weg. Wir sollten Abgeordnete Norbert Schindler ihn gehen, um im Interesse des Sports an dieser Reinhard Schultz (Everswinkel) Stelle etwas Gutes zu tun. Dr. Reinhard Loske Ich bedanke mich bei dem Präsidenten dafür – – c) Beratung des Antrags der Abgeordneten (Zurufe: Der Präsidentin! – Heiterkeit) Hans-Kurt Hill, Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und – Ich bedanke mich bei der Präsidentin dafür, dass der Fraktion der LINKEN ich das ausführen durfte. Biokraftstoffe nachhaltig fördern Herzlichen Dank. – Drucksache 16/1895 (neu) – (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ein Änderungsantrag der Fraktion des Bündnisses Damit ist die Aussprache beendet. 90/Die Grünen sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor. Über den Änderungsantrag Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage werden wir später namentlich abstimmen. auf Drucksache 16/1674 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse Zwischen den Fraktionen ist verabredet, dass vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – eine halbe Stunde debattiert wird. – Dazu höre ich Dann ist die Überweisung so beschlossen. keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 c Ich gebe das Wort für die SPD-Fraktion dem auf: Kollegen Reinhard Schultz. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): eines Gesetzes zur Neuregelung der Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Besteuerung von Energieerzeugnissen Kolleginnen und Kollegen! Das und zur Änderung des Strom- Energiesteuergesetz, das wir heute verab- steuergesetzes schieden, war keine ganz einfache Geburt. Aber die Beratungen, sowohl innerhalb der beteiligen – Drucksachen 16/1172, 16/1347 – Parteien als auch innerhalb der Koalition und aa) Beschlussempfehlung und Bericht des darüber hinaus, haben sich im Ergebnis gelohnt. Finanzausschusses (7. Ausschuss) Das Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung – Drucksachen 16/2007, 16/2061 – von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Stromsteuergesetzes verfolgt mehrere Ziele: die Berichterstattung: Umsetzung der Energiesteuerrichtlinie, die Abgeordnete Norbert Schindler Einführung von Mindeststeuersätzen auf alle Reinhard Schultz (Everswinkel) Energieträger und das Regeln von Dr. Reinhard Loske Sondertatbeständen als Gruppentatbestände. bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage: Soll Ausschuss) gemäß § 96 der Primärenergie, die eingesetzt wird, um Strom zu Geschäftsordnung erzeugen, besteuert werden, ja oder nein? Wir haben uns grundsätzlich für Nein entschieden. – Drucksache 16/2023 – Darüber hinaus gibt es auch noch andere Fragen. Berichterstattung: Der zweite „dicke Brocken“ war der Einstieg in Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme die Besteuerung von Biokraftstoffen. Wir haben Carsten Schneider (Erfurt) vor einigen Jahren die steuerliche Begünstigung Otto Fricke von Biokraftstoffen aufgrund eines einstimmigen Dr. Gesine Lötzsch Beschlusses des damaligen Bundestages Anja Hajduk aufgenommen, allerdings mit der Maßgabe, dass b) Beratung der Beschlussempfehlung und des die entsprechende Beihilfe – das geht auch gar Berichts des Finanzausschusses (7. nicht anders; sie musste von der EU genehmigt Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4099 werden – in regelmäßigen Abständen überprüft Agrardiesel subventionieren, allein durch die wird. Der Überprüfungsbericht hat ergeben, dass Zunahme des Verbrauchs von reinem Pflanzenöl eine Überförderung stattfindet. Wir haben uns über ausgehöhlt und unterlaufen wird. Wir erhoffen uns den Grad der Überförderung gestritten, aber es also auch für diesen Bereich ein Zurückfahren der war unumstritten, dass wir in die Besteuerung steuerlichen Begünstigungen. Wir haben einsteigen müssen. Letztendlich ging es darum, vereinbart, bei Gelegenheit darüber zu reden, das eine Scharnierstelle zwischen dem zu schaffen, Agrardieselregime schrittweise ganz aufzugeben. was wir jetzt mit der Einführung von Steuersätzen Darüber hinaus haben wir beschlossen, dass für Biokraftstoffe planen, und dem, was wir im auf Dauer die Biokraftstoffe, bei denen von einer Herbst vorhaben, nämlich der Einführung einer Marktdurchdringung noch nicht die Rede sein Pflicht zur Beimischung von Biokraftstoffen bei kann, wie zum Beispiel Bioethanol – E 85 – und Diesel und Ottokraftstoffen. synthetische Kraftstoffe, bis 2015 weiterhin Wir haben, wie ich denke, in dem steuerlich gefördert werden sollen. Für diese gilt, parlamentarischen Verfahren, insbesondere was weil sie noch keine Marktbedeutung haben, die Biokraftstoffe angeht, eine ganze Menge weiterhin die Zweiwegestrategie, die auch in der erreicht: bisherigen Praxis eine große Rolle gespielt hat. Das Finanzministerium hatte ursprünglich vor, Auch für Neuentwicklungen, von denen wir eine Beimischungsquote für alle Kraftstoffarten jetzt noch gar nichts ahnen, gibt es im Gesetz eine festzulegen; diese wäre sehr wahrscheinlich nur Chance in Form einer Art Experimentier- bzw. durch Beimischungen bei Diesel erfüllt worden und Projektklausel, gemäß der auf Basis einer Bioethanol als Substitut für Ottokraftstoffe hätte Rechtsverordnung entschieden werden könnte, keine nennenswerte Rolle gespielt. Diese Haltung dass neue Kraftstoffe, deren Namen wir heute haben wir gemeinsam aufgebrochen; nun wird es noch nicht kennen, gefördert werden. zwei Quoten geben. Jede steuerliche Förderung muss jährlich Wir haben auch die Frage des politischen überprüft werden; das steht auch im Gesetz. Vertrauensschutzes – es geht nicht um einen Anhand dieser muss entschieden werden, ob eine rechtlichen, sondern um einen politischen – für Überförderung vorliegt oder nicht. diejenigen regeln müssen, die in entsprechende Zusammenfassend dargestellt finde ich, dass Anlagen wie Ölmühlen in Deutschland investiert ein beachtlicher Beratungsprozess des haben und sie betreiben oder die auf andere Art Parlaments, insbesondere der Koalitionsfraktionen, und Weise mit dem Markt für reine Biokraftstoffe mit der Regierung hinter uns liegt und ein gutes verwoben sind. Es gab zu keiner Zeit eine Ergebnis erzielt wurde. Das möchte ich Garantieerklärung im Gesetz. Zunächst war von ausdrücklich festhalten. einer Übergangsfrist von zwei Jahren die Rede; im parlamentarischen Verfahren wurde eine (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Verlängerung der steuerlichen Vergünstigung bis Dabei geht es auch um Geld: Die 2011 bei steigenden Sätzen erreicht, bis 2012 der Mineralölsteuer ist die einzige wirklich Regelsteuersatz auch für Biodiesel und reines nennenswerte Steuer, die nur dem Bund zusteht. Pflanzenöl gilt. Der politische Vertrauensbegriff Diese Steuer durch Sondertatbestände ständig wurde hier sehr großzügig ausgelegt. Ich weiß, auszuhöhlen und zu durchlöchern, ist auf Dauer dass die FDP möglicherweise, wie sie es sonst für uns nicht gut. Wir müssen jetzt schauen, wie auch immer tut, sagen wird, es handele sich um wir die Steuereinnahmen verstetigen, ohne die einen groben Vertrauensbruch. Angesichts der politischen Ziele, die wir mit den Subventionen Tatsache aber, dass dieser Branche eine verbunden hatten, aus den Augen zu verlieren. Übergangszeit von weiteren fünf Jahren Dabei wird aufgrund des Koalitionsvertrages und eingeräumt wird, kann man nicht davon sprechen, der Beschlüsse der Koalition vom 1. Mai der dass wir Vertrauen gebrochen hätten. Vielmehr Königsweg der Förderung von Biokraftstoffen die stützen wir die entsprechenden wirtschaftlichen Beimischungspflicht sein, die am 1. Januar Existenzen. nächsten Jahres in Kraft treten soll. Wir wollen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten eine industrielle Biokraftstoffstrategie und keine, der CDU/CSU) die ausschließlich in kleinen landwirtschaftlichen Kreisläufen stattfindet. Wir geben ihnen natürlich auch die Chance, sich auf neue Rahmenbedingungen im Zusammenhang (Beifall bei der SPD – Hans-Kurt Hill [DIE mit dem Beimischungsgebot einzustellen. LINKE]: Ihr wollt das kaputtmachen!) Wir haben im Verfahren beschlossen, dass der – Nein, wir wollen das nicht kaputtmachen, Einsatz von reinem Pflanzenöl in der sondern wir wollen, dass an jeder normalen Landwirtschaft auf Dauer steuerfrei bleiben soll. Tankstelle, an jeder Autobahn, möglichst Damit verbinden wir die Hoffnung und verfolgen europaweit normiert, jeder Bürger, der Auto fährt, die politische Absicht, dass dadurch das auch Biokraftstoff anteilmäßig fährt. Das ist eine Agrardieselregime, in dessen Rahmen wir faktisch vernünftige Strategie und keine, die nur auf gutes 4100 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Gewissen oder auf Steuersubventionen setzt. Rolle in Nordrhein-Westfalen, in den neuen Darum geht es. Alles, was dahin führt, Bundesländern und im Saarland spielt, eine unterstützen wir. Wir fördern weiter. vernünftige Übergangsregelung bis Ende 2010 gefunden, um allen Hauseigentümern die Chance Wir haben einen langen Übergang. Wir haben zu geben, ihre Heizungsanlagen zu modernisieren für neue Kraftstoffe weiterhin eine steuerliche und zum Beispiel das von der Koalition auferlegte Förderung. Aber das Ziel muss es sein, alles so energetische Gebäudesanierungsprogramm zu reif zu machen, dass es irgendwann beigemischt nutzen. Insofern greifen die Dinge vernünftig werden kann. ineinander. Zu der Frage, wenn ich das hier einmal (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten aufzeigen darf, um welche Beträge es geht: Eine der CDU/CSU) parallele Beimischungspflicht plus eine Weiterführung der steuerlichen Förderung mit Wir haben dafür gesorgt, dass endlich auch Steuersatz null, die eine der ersten Ideen der so Klarheit besteht, dass Prozessenergien, Energien, genannten Zweiwegestrategie war, hätte uns Ein- die zur Stoffumwandlung eingesetzt werden, nahmeverluste von 5,6 Milliarden Euro bis zum grundsätzlich nicht mehr besteuert werden. Das Jahre 2015 gebracht. Das wäre nicht zu war eine lange, quälende Auseinandersetzung. verantworten gewesen. Wir mussten zu einer Auch das ist geklärt, um Deutschland als Standort anderen Lösung kommen. Diese gab es nicht zum der Grundstoffindustrien zu sichern. Das ist ein Nulltarif. ausgesprochen gutes Ergebnis. (Zuruf des Abg. Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]) (Beifall bei der SPD) – Sie werden gleich Ihren schwungvollen Vortrag halten: Koalition verirrt im Rapsfeld! Darauf freue Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ich mich schon. Der nette folkloristische Titel hilft Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss uns aber auch nicht, insbesondere nicht auf dem kommen. Sie haben vielleicht nach der Fahrrad oder sonst wo. Kurzintervention noch einmal Gelegenheit, zu sprechen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Ihres Kollegen Hermann Scheer zulassen? Ich komme zum Schluss. – Ich denke, wir haben, gerade was Biokraftstoffe angeht, einen großen Sprung nach vorne auf dem Weg weg vom Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Öl gemacht. Wir haben Lösungen gefunden, Selbstverständlich, gerade von Hermann Deutschland als Energieerzeugungsstandort besonders gerne. abzusichern und auch – (Dr. Hermann Scheer [SPD]: Ich möchte mich zu einer Kurzintervention danach Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: melden!) Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum – Das ist etwas anderes. Dann habe ich die Schluss. Chance, Hermann, noch einmal zu sprechen. Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Das, was wir jetzt machen, geschieht in einer Grundstoffindustrien im Lande zu behalten. beherrschbaren Größenordnung und kostet für die Übergangszeit alles in allem etwa 700 Millionen Vielen Dank. Euro. Das ist es uns auch wert, um die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) bestehenden wirtschaftlichen Strukturen abzusichern, ist aber nicht nennenswert ange- sichts der Ausfallbeträge, die letztendlich zu Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: befürchten gewesen wären. Dann gebe ich das Wort dem Kollegen Hermann Scheer. Im Übrigen haben wir im Energiesteuergesetz eine Reihe von Sondertatbeständen geregelt, die Dr. Hermann Scheer (SPD): uns zum Teil schon seit langem auf den Nägeln Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen brennen, bei denen auch die Bundesländer und Kollegen! Mein Kollege Reinhard Schultz hat gedrängt haben. Wir haben uns viele Jahre damit eben gesagt, wir wollten ausschließlich die herumgeschlagen: Warum wird eigentlich Erdgas Orientierung der Biokraftstoffstrategie auf eine bis 2020 steuerlich als ein Vorläuferkraftstoff von Beimischungspflicht. Ich möchte ausdrücklich Wasserstoff gefördert und warum gilt das für sagen, dass dieses „wir“ nicht meine Haltung trifft Flüssiggas nicht? Wir haben das jetzt gemeinsam und auch nicht die Haltung, soweit ich es geradegezogen. Beides wird bis 2018 gefördert. beobachte und weiß, einer übergroßen Mehrzahl Wir haben für die verpflichtende Besteuerung zumindest der SPD-Fraktion und auch einer von Kohle als Hausbrand, die eine nennenswerte großen Anzahl von Kollegen in der Union. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4101

Damen und Herren von der Union, Sie kassieren die Bürger so schamlos ab, wie es sich Rot-Grün Viele haben sich in den letzten Wochen dafür nie getraut hat. eingesetzt, dass eine Zweiwegestrategie aufrechterhalten bleibt, ein reiner (Beifall bei der FDP – Carl-Ludwig Thiele Biokraftstoffmarkt neben einer Beimi- [FDP]: Das macht die SPD aber auch!) schungspflicht, wodurch nur die Mineralölkonzerne – Ja; sie hat aber nichts anderes versprochen. ein Nachfragemonopol für die Biokraftstoffe erhielten. Bliebe der Zweiwegeansatz, würde die Dieser Gesetzentwurf wird aus fiskalischen Biokraftstoffmarktentwicklung auch über Gründen gemacht. Sie haben keine – ich mittelständische Unternehmen auf regionaler wiederhole: keine – Strategie für die Ebene erfolgen. Das ist der Wille von vielen. Was Biomassenutzung in Deutschland. Sie haben keine jetzt erreicht worden ist, ist ein Kompromiss Antwort auf die Frage der Nutzungskonkurrenzen. zwischen beiden Ansätzen. Ich glaube, es ist Sie haben keine Strategie, welcher Teil der wichtig, das an dieser Stelle genau festzuhalten, Biomasse in die Verstromung, welcher in die damit dieser Beschluss nicht falsch interpretiert Wärmeerzeugung und welcher in die stoffliche wird. Nutzung in der Industrie gehen soll. Danke schön. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das muss den Investoren doch freigestellt werden! (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der Wollen Sie das festlegen? Will die FDP CDU/ CSU, der FDP und des Planwirtschaft? – Zuruf des Abg. Ulrich BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Kelber [SPD]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: – Herr Kelber, Sie sagen, das muss der Markt Herr Schultz, möchten Sie darauf reagieren? entscheiden. Aber das müssen Sie beantworten, wenn Sie Ihre Subventionsstrategie, die Sie mit (Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: diesem Gesetz festlegen, formulieren. Das haben Das war nicht so bedeutend! Ich fühle Sie nicht getan. Sie stochern im Nebel. Hier wird mich bestätigt!) ausschließlich nach Interessenlagen entschieden. Dann gebe ich das Wort jetzt dem Kollegen (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Michael Kauch, FDP-Fraktion. Im Übrigen, meine Damen und Herren, ist es, (Beifall bei der FDP) auch steuerpolitisch, schon bemerkenswert, dass mitten im Jahr, am 1. August, in Steuergesetze Michael Kauch (FDP): eingegriffen wird. So etwas sollte man zum Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die 1. Januar eines Jahres tun. Aber das sind Details, Kurzintervention von Herrn Scheer hat ganz die Sie schon lange nicht mehr interessieren. deutlich gemacht: Das Chaos in der Koalition bei Bezüglich der progressiven Steuersätze in der Biokraftstofffrage ist immer noch nicht beendet. Cent pro Liter stellt sich die Frage: Was wird die Sie haben Ihre Position für sich offenbar immer Auswirkung sein, wenn beispielsweise – das sind noch nicht geklärt. Szenarien, die nicht abwegig sind – der Rohölpreis (Beifall bei der FDP) zwischenzeitlich wieder sinkt? Dann wird der Herr Schultz hat gesagt, schließlich gehe es Biodiesel teurer als der fossile Diesel sein und Sie auch ums Geld. Er hätte besser sagen sollen, dass werden die Reinkraftstoffe endgültig ka- es Ihnen vor allem ums Geld geht. Denn dieser puttgemacht haben. Dann bleibt nur noch der Gesetzentwurf ist nichts anderes als die Beimischungsmarkt übrig. Was bedeutet das? Das Fortführung der Steuererhöhungsorgie, bedeutet, dass die bisher mittelständisch strukturierte Industrie endgültig von wenigen (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das Wort „Orgie“ Mineralölkonzernen auf der Nachfrageseite ist ganz sicher deplatziert hier!) abhängen wird. Diese werden zum einen eine die wir heute beim Steueränderungsgesetz erlebt Marktmacht beim Preis ausüben. Zum anderen be- haben. Es ist die größte Steuererhöhungsorgie, die steht bei diesen Großstrukturen natürlich ein diese Republik jemals gesehen hat. Interesse, auch mit großen Zulieferern zu arbeiten. Das heißt, die kleineren Unternehmen in diesem (Beifall bei der FDP) Markt werden hinten runterfallen. Rufen wir uns einmal, liebe Kollegen von der Meine Damen und Herren, auch Union, in Erinnerung, was die jetzige ordnungspolitisch, wirtschaftspolitisch und vor Bundeskanzlerin vor der Wahl erklärt hat. Sie hat allen Dingen mittelstandspolitisch ist es ein erklärt, mit den Benzinpreiserhöhungen müsse Unsinn, was Sie hier mit dem Bei- jetzt Schluss sein. Aber was Sie hier beschließen, mischungszwang betreiben. Deshalb setzt sich wird in Verbindung mit der Beimischungspflicht die FDP dafür ein, den Vertrauensschutz zu eine Benzinpreiserhöhung bewirken, die zwei wahren, besonders aufgrund der Tatsache, dass Ökosteuerstufen von Rot-Grün entspricht. Meine 4102 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 wir noch vor zwei Jahren fraktionsübergreifend ein so ist das für die Bundesrepublik Deutschland ein Instrument beschlossen haben. Dieser typische einmaliger Vorgang. Wir streiten uns jetzt nur noch Fall von Instrumentenhopping wird aber nicht aus um das Kleingedruckte, das natürlich auch wichtig umweltpolitischen Gründen, wie es die Koalition ist. hier suggeriert, sondern aus rein fiskalischen Wir streiten uns auch um die Beimischung von Gründen betrieben. anderen Wertstoffen wie Fette. Außerdem stellt (Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben doch damals sich die Frage, was ab dem Jahre 2018 geschieht. dagegen gestimmt!) Herr Kollege Scheer hat in diesem Zusammenhang schon auf den zweiten Weg Die FDP-Fraktion wird deshalb die Branche, hingewiesen. Derzeit war aber im Rahmen dieses aber auch die Verbraucher, die an der Tankstelle Kompromisses nicht mehr möglich. Man muss die Rechnung für Ihre Politik bezahlen müssen, dazu stehen, dass sich Rot und Schwarz bei unterstützen und wird daher diesem Gesetzentwurf diesem Kompromiss schwer getan haben. nicht zustimmen. Was passiert ab dem Jahre 2009 – ich glaube (Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: nicht, dass eine Partei eine absolute Mehrheit Sie persönlich haben damals dagegen bekommt –, wenn neue Koalitionsverhandlungen gestimmt!) anstehen? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Versuchen soll- Als Nächster hat der Kollege Norbert Schindler ten wir es schon!) von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. Es ist sozusagen eine Bremse, dass der zweite (Beifall bei der CDU/CSU) Weg nicht so ausgebaut wird, wie es manch einer gehofft hatte. Ich sage das auch im Hinblick auf die Festlegung auf eine Steuerbefreiung bis zum Norbert Schindler (CDU/CSU): Jahre 2009. Man muss einräumen, dass es Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! diesbezüglich in den ländlichen Regionen eine Verehrte Gäste! Herr Kollege Kauch, ich will nur Unsicherheit gibt. Die Frage ist, wie wir dort die zur Klarstellung sagen: Ich weiß, welche Wertschöpfung auf Dauer sichern. Freudentänze die FDP vor zweieinhalb, drei Jahren aufgeführt hat, als es um die Steuer- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. befreiung der beigemischten Bestandteile ging. Sie Jörg-Otto Spiller [SPD]) haben ausdrücklich zugestimmt; vor allen Dingen Ich will auch festhalten, dass wir mit 9 Cent Herr Solms hat sich dabei hervorgetan. Ich will das beim Agrardiesel einen vernünftigen Einstieg aber nicht weiter vertiefen. gewählt haben, der auch von den verarbeitenden Ich komme nun zur Sache selbst. Wir haben uns Betrieben mitgetragen wurde. Die ursprünglich bei dem Thema Steuerbefreiung sehr in die Haare angedachte Nulllösung – das hat die schwersten gekriegt. Bedenken des Finanzministers hervorgerufen – hat die Frage aufgeworfen, wie die Finanzierung (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Welche aussehen soll. Herr Kollege Schultz, Sie haben Haare?) gesagt, dass uns 5 Milliarden bis 6 Milliarden Euro Wir haben einige Male die Beratungen vertagen fehlen werden. Sie stellen selbst die Frage, ob und neu ansetzen müssen. Deswegen habe ich man über die Verbilligung des Agrardiesels noch vielleicht nicht mehr so viele Haare. einmal reden sollte. Ich sage sehr deutlich: Mit der Die Koalition hat eine epochale Vereinbarung in Union ist in dieser Legislaturperiode über dieses ihren Grundsatzbeschlüssen getroffen. Die Thema nicht zu reden. Bundesrepublik Deutschland wird die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Verpflichtungen aus dem Kiotoprotokoll erfüllen. Das Landwirtschaftsprivileg, das Herr Das ist wegweisend für Europa. Wir alle wissen, Seehofer bei Herrn Steinbrück durchgesetzt hat dass es 2004 ein Urteil des Europäischen und das wir in Form einer Verbilligung des Gerichtshofs gegeben hat, der sich mit der Agrardiesels ausgestalten, ist zu begrüssen. Das unterschiedlichen Besteuerung von Energieträgern betrifft Produkte aus Eigenproduktion wie früher beschäftigt hat, die zu einer Heu und Hafer. Damit bleiben auch in der wettbewerbsverzerrenden Situation für die Landwirtschaft verwendete Biokraftstoffe von der anderen europäischen Energieerzeuger geführt Steuer befreit. Da geschieht nichts anderes wie hat. beim Pferdefutter, das in der Vergangenheit Dass wir 2007 ein Gesetz in Kraft setzen, in steuerfrei war. Dies ist eine Chance für dem der Beimischungszwang vorgesehen ist, hat Wertschöpfung im kleineren Bereich. diese hitzige Debatte ausgelöst. Wenn wir in Aber bei dem Kompromiss, der gefunden Zukunft aus deutscher oder aus europäischer worden ist, wurde auch berücksichtigt, wie viele Agrarproduktion 4 Millionen bis 5 Millionen Tonnen Steuereinnahmen uns dabei wegrutschen. Da Einheiten in den Energiebereich einfließen lassen, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4103 hatten wir es finanzpolitisch mit Zwängen zu tun, Anspruch nehmen. Das ist Ihr Erfolg. Es muss die mir persönlich so nicht gepasst haben. Aber Ihnen doch klar sein: Mit Ihrem Vorgehen was soll ich sagen? Wir sind in einer Koali- verspielen Sie jeglichen Anreiz zur tionsregierung. Wir müssen den Staatshaushalt Energieeinsparung und zur Senkung der Klima- gemäß unserem Auftrag in den nächsten Jahren gasbelastung. so in Ordnung halten, wie es jeder Wähler und (Beifall bei der LINKEN) jede Wählerin von uns erwartet. Wer zahlt die Zeche? Die junge Die Steuerbefreiung, die im Regierungsentwurf Bioenergiebranche. Hier wird schrittweise die ursprünglich nur bis 2009 vorgesehen war, haben volle Steuer greifen. Beim Klimakiller Flugverkehr wir für zwei weitere Jahre festgelegt. Die weiten wir die Steuerbefreiung aus. Ich kann nur Steuerbefreiung in der Landwirtschaft ist generell davor warnen, dem Entwurf zuzustimmen. nicht genau definiert. Sie ist total offen. Das ist ein Erfolg im Vergleich zum alten Regierungsansatz. (Beifall bei der LINKEN) Dass dem Finanzministerium solche Kompromisse Ich gebe Hermann Scheer Recht: Sie werden wehtun, weil es dabei reell ums Geld geht, ist klar. damit die Abschaffung von 50 000 Arbeitsplätzen Zum anderen wird im vorliegenden Gesetz – auf Raten einleiten. Es muss Ihnen doch klar sein, auch das geht unter – die Minderbesteuerung von dass die heimische Biokraftstoffbranche bei einer Gasölen in den Häfen geregelt. In diesem Gesetz Vollbesteuerung keine Chance gegen das steht auch, dass im Hinblick auf die Mineralölmonopol hat. Sie treiben die Betriebe Beimischungsfragen ab 2007 ein zusätzliches sogar noch in die Arme der Konzerne: Mit der Gesetz in Kraft treten soll. Das wollen wir im Pflicht, Biosprit dem herkömmlichen Diesel und November abschließend festlegen. Benzin beizumischen, degradieren Sie die Landwirte und die Mittelständler zu Knechten der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mineralölindustrie.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Beifall bei der LINKEN) Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Was glauben Sie denn, was passiert? Entweder Schluss. beugen sich die heimischen Biokrafterzeuger dem Preisdiktat der Konzerne oder BP und Co kaufen Norbert Schindler (CDU/CSU): billiges Pflanzenöl in Lateinamerika ein – jawohl, Deswegen lassen Sie uns erst Ende dieses das wird passieren! – und dort wird mit Jahres die gesamte Wirksamkeit der heutigen fragwürdigen Anbaumethoden der Regenwald platt Beschlüsse abschließend bewerten. Deutschland gemacht. Sie behaupten, man schaffe ist auf dem Weg, seine Energieführerschaft bei Planungssicherheit für die Biospritbranche. Ich den nachwachsenden Rohstoffen auch in Zukunft sage: Das ist schlicht die Unwahrheit. zu behalten. Das Gesetz ist ein guter Beitrag dazu. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Nehmen Sie Ihren schädlichen Stufenplan bei der neten der SPD) Besteuerung der Biokraftstoffe zurück; denn damit machen Sie eine ganze Branche von Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Mittelständlern in der Bundesrepublik Deutschland Das Wort hat der Kollege Hans-Kurt Hill, Die kaputt. Linke. Jetzt komme ich noch auf das zu sprechen, was (Beifall bei der LINKEN) gestern in den Ausschüssen passiert ist. Es ist unglaublich, wie dieses Gesetz zustande Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): gekommen ist. Es ist wirklich unglaublich. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich sage Ihnen: Diese (Beifall bei der LINKEN – Leo Gesetzesvorlage ist eine Subventionsorgie Dautzenberg [CDU/CSU]: Ihr konntet zugunsten der Energie fressenden Industrie. doch nicht einmal eure eigenen Anträge im Ausschuss begründen!) (Beifall bei der LINKEN) Es gab von Ihnen einen Wust von Ihr Finanzminister Steinbrück macht damit Kasse Änderungsanträgen zu Ihrem eigenen Entwurf – auf Kosten des Klimaschutzes. Diese Industrie – und das als Tischvorlage. Im Umweltausschuss – sowieso schon Nutznießer zahlreicher das war der Höhepunkt – wurden die Anträge Ausnahmetatbestände – bekommt mit diesem sogar nur auf unsere Intervention hin überhaupt Entwurf noch einmal rund 200 Millionen Euro zur Beratung vorgelegt. Es hieß einfach: Wir ha- geschenkt. Wie man heute hört, wird Lidl die ben sie nicht erhalten. Meine Damen und Herren Energieversorgung ausgliedern und damit die von der Koalition, das ist unseriös, das ist Regelung für energieintensive Betriebe in undemokratisch. 4104 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Beifall bei der LINKEN) der anderen Seite um das kräftige Zulangen bei der Besteuerung von Bioenergien. Lieber Kollege Reinhard Schultz, jetzt komme ich zu Ihrer schwungvollen Rede. Was ist denn Was die EU-Energiesteuerrichtlinie hergegeben von den angekündigten Verbesserungen übrig hätte, meine Damen und Herren von der Koalition, geblieben? Nichts, gar nichts ist übrig geblieben. haben Sie im Wesentlichen nicht genutzt. Sie Sie sind das Opfer Ihres eigenen Finanzministers haben erstens nicht die vielen geworden. Ökosteuersonderregelungen, die es heute noch gibt, abgebaut, was die EU-Energiesteuerrichtlinie (Lachen bei Abgeordneten der SPD) ausdrücklich ermöglicht hätte. Davor scheuen Sie Machen Sie die schlimmsten Fehler rückgängig. zurück. Erstens. Reine Biokraftstoffe müssen bis Sie haben zweitens nicht Gebrauch gemacht Ende 2009 steuerfrei bleiben. Alles andere ist ein von der Möglichkeit, eine Kerosinbesteuerung für Vertrauensbruch gegenüber der Branche. Inlandsflüge einzuführen. Wir haben es daher nach wie vor mit dem eklatanten Wettbewerbsnachteil (Beifall bei der LINKEN) der Bahn zu tun. Die Bahn zahlt Energiesteuer, die Zweitens. Wenn Steuern, dann richtig: Die Bahn zahlt Mehrwertsteuer auf Tickets im Bemessung muss sich nach Klimaschutz, Fernverkehr. Der Luftverkehr zahlt beides nicht. Umweltvorteil und Erhöhung der Sie haben also nichts getan, um Wettbe- Versorgungssicherheit richten, nicht nach werbsfairness zwischen dem Schienenverkehr und Steinbrücks Steuerwut. dem Luftverkehr im innerdeutschen Bereich herzustellen. Auch das ist ein grobes Versäumnis. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drittens. Eine Beimischungspflicht ist unnötig. sowie bei Abgeordneten der FDP) Der Biokraftstoffmarkt funktioniert auch so, wenn man nicht dem Mineralölkartell das Wort redet. Am allerschlimmsten aber ist, wie Sie bei den Bioenergien vorgehen. Man kann ja darüber Fördern Sie Biokraftstoffe nachhaltig und reden, Mitnahmeeffekte dort, wo es sie gibt, stimmen Sie unserem Antrag zu. abzuschöpfen. Aber was Sie machen, ist, eine Ich danke Ihnen. ganze Branche systematisch zu verunsichern. Sie (Beifall bei der LINKEN) treten das zarte Pflänzchen der Bioenergiebranche regelrecht platt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Reinhard sowie bei Abgeordneten der FDP) Loske, Bündnis 90/Die Grünen. – Entschuldigung, Nicht nur das: Sie kündigen an, dass Sie die Herr Loske. – Ich bitte darum, dass die Gespräche Steuerprivilegien abbauen und auf ein anderes am Rande nach draußen verlegt werden, damit wir Instrument umstellen wollen, nämlich den hier noch ein bisschen Debatte verfolgen können. Beimischungszwang. Ich will noch einmal ganz Schönen Dank. klar sagen, was der Unterschied ist. Bei den steuerlichen Anreizen passiert Folgendes: Sie Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bekommen dezentrale Strukturen, Sie bekommen NEN): regionale Wertschöpfungsmöglichkeiten im Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ländlichen Raum, Sie bekommen neue Kollegen! Der Kollege Reinhard Schultz hat eben Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, Sie bekommen davon gesprochen, wir hätten es bei diesem regelrechte Erwerbs- und Einkommensalternativen Gesetz mit einem beachtlichen Beratungsprozess für die Bauern. mit dem Parlament zu tun. Da kann man nur sagen: In der Tat, das war insofern beachtlich, als Reinhard Schultz – das muss ich schon einmal es ein ständiges Hin und Her gab, das sich bis ins sagen –, das ist der gewaltige Unterschied Plenum fortgesetzt hat, unter Geringschätzung der zwischen Ihnen und uns. Sie sagen – ich habe es parlamentarischen Rechte der Opposition und mir aufgeschrieben –: Wir wollen eine unter elementarster Verunsicherung einer ganzen großindustrielle Bioenergiestrategie und nicht mittelständischen Branche. Das war kein Klein-Klein. Dazu sage ich Ihnen: Wir wollen Glanzstück, das muss man ganz klar sagen. Wertschöpfung und Beschäftigung im ländlichen Verfahrensmäßig war das unter aller Würde. Raum und keine großindustrielle Struktur in diesem Bereich. Das ist ein gewaltiger (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Unterschied. der FDP und der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zur Sache selbst. In dem Gesetz geht es auf der sowie bei Abgeordneten der SPD und der einen Seite um die Umsetzung der EU- FDP und des Abg. Dr. Axel Troost [DIE Energiesteuerrichtlinie in nationales Recht und auf LINKE]) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4105

Sie sagen zwar, dass Sie eine Ich möchte das Augenmerk aber auf einen Zweiwegestrategie machen, faktisch machen Sie anderen Punkt lenken, der in dieser Diskussion aber eine Einwegstrategie: Sie sehen nur den leider etwas untergeht – er klang in der heutigen Beimischzwang vor. Faktisch bedeutet das, dass Debatte nur selten an –: Wir machen mit diesem Sie die Bauern, die regionalen Produzenten in die Gesetz einen weiteren wichtigen Schritt zur Abhängigkeit eines großen Nachfragemonopols Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der bringen. Bei der Milch sehen wir doch, wohin das deutschen Wirtschaft insgesamt, insbesondere führt: Die Geschädigten sind am Ende die Bauern aber der energieintensiven Wirtschaft. und die Profiteure sind die großen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Mineralölkonzerne. Wenn Sie das wollen, dann der SPD) machen Sie das. Dann sollten Sie das aber auch sagen. Der erste Schritt war das Energiewirtschaftsgesetz, mit dem wir im letzten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jahr bei den Netznutzungsentgelten eine Aus vielen am Rande des Plenums- bzw. im Ausnahmeregelung für die stromintensiven In- Plenum geführten Gesprächen wurde klar, dass dustrien geschaffen haben. Von ihr wird rege viele Kolleginnen und Kollegen aus den Gebrauch gemacht. Koalitionsfraktionen dieses Gesetz für falsch Im zweiten Schritt haben wir – wie in der halten. Sie halten es zu Recht für falsch. Ihnen Koalitionsvereinbarung vorgesehen – mit der kann aber, wenn ich das so sagen darf, Trost Härtefallregelung beim EEG einen wesentlichen gespendet werden: Es gibt einen Antrag, den wir Beitrag zur Entlastung der energieintensiven hier vorlegen und zur namentlichen Abstimmung Unternehmen geleistet. Das sind stellen, dem die Freunde des Klimaschutzes, die 100 Millionen Euro mehr für die deutsche Freunde des ländlichen Raumes und die Freunde Wirtschaft – Gesamtbetrag: 400 Millionen Euro –, mittelständischer Strukturen zustimmen können. die in diesem Jahr, rückwirkend zum Wir möchten Sie darum bitten, unserem Antrag 1. Januar 2006, wirksam werden. zuzustimmen und nicht dem Irrweg, der von der großen Koalition beschritten wird, zu folgen. Heute machen wir den dritten Streich. Bei der Ökosteuer waren bisher nur ein ermäßigter Danke schön. Steuersatz von 60 Prozent und ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Spitzenausgleich vorgesehen. Heute werden wir bestimmte Herstellungsprozesse und -verfahren in Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: der energieintensiven Industrie vollständig von der Zum Abschluss der Debatte hat der Kollege Energie- und Stromsteuer befreien. Dann können Dr. Joachim Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion das Wort. wir Unternehmen, die zum Beispiel in den Bereichen Glas-, Keramik-, Zement- oder (Beifall bei der CDU/CSU) Kalkverarbeitung tätig sind, die diese Materialien herstellen oder weiterverarbeiten, von der Steuer Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): befreien. Das bedeutet eine zusätzliche Entlastung Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen der deutschen Wirtschaft in Höhe von und Herren! Meine sehr geehrten Damen und 60 Millionen Euro. Herren von der Opposition, wir sollten die Kirche Das Bundeskabinett hat gestern – vierter Schritt im Dorf lassen. Mit dem heutigen Gesetz leisten – den NAP II, den Nationalen Allokationsplan für wir im Bereich der Biokraftstoffwirtschaft einen den Emissionshandel verabschiedet. Er enthält Beitrag zur Schaffung einer Planungs- und einen differenzierten Erfüllungsfaktor, durch den Investitionssicherheit, und zwar mit einer wir gewährleisten, dass weitere Windfall-Profits Zweiwegestrategie. und Einpreisungen nicht stattfinden. Auch damit Wir werden auf jeden Fall keinen Fadenriss verfolgen wir das Ziel, zu einem Rückgang der erleiden. Entgegen der ursprünglichen Absicht, die Emissionshandelspreise zu kommen. Steuerbefreiung 2009 abrupt zu beenden, haben In einem fünften Schritt, dem wir einen stufenweisen Übergang bis 2012 Beimischungsgesetz – die Diskussion darüber vorgesehen. Daher werden wir keinen Fadenriss steht unmittelbar im Herbst an –, werden wir für erleiden. Wir betreten vielmehr eine Brücke, die weitere Entlastungen der energieintensiven uns zur zweiten Generation der Kraftstoffe führt. Unternehmen sorgen. (Beifall des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/ Damit leisten wir nicht nur einen direkten Beitrag CSU]) zur Sicherung von 600 000 gefährdeten Es ist kein Geheimnis, dass sich die Union in der Arbeitsplätzen in der energieintensiven Industrie, einen oder anderen Hinsicht mehr hätte vorstellen sondern wir entlasten auch indirekt die Haushalte können. Es ist aber so, wie es ist. Das ist ein und den normalen Verbraucher, der nämlich die Kompromiss, den wir guten Gewissens heute hier zusätzlichen Netznutzungskosten und mittragen können. 4106 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Netznutzungsentgelte zu tragen hätte, wenn diese Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche Arbeitsplätze wegfallen würden ich die Sitzung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Unterbrechung von 19.46 bis 19.53 Uhr) und wenn wir die energieintensive Industrie in Deutschland verlieren würden, die akut in Gefahr Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ist, mit 20, 25 oder 30 Prozent des Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stromverbrauches abzuwandern. Damit leisten wir unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. auch einen Beitrag zum Klimaschutz hier und Ich gebe das von den Schriftführerinnen und vermeiden eine Verlagerung ins Ausland, wo Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen weniger Klimaschutz besteht. Abstimmung bekannt: Insgesamt wurden Heute ist ein guter Tag für die Zukunft der 555 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt Biokraftwirtschaft und für die Wiederherstellung 53 Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie 396 Abgeordnete. Es gab 106 Enthaltungen. Damit im Allgemeinen. Deshalb können wir dem ist der Änderungsantrag abgelehnt. Gesetzentwurf zustimmen. Wir sind davon überzeugt, dass es in die richtige Richtung geht. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Endgültiges Ergebnis neten der SPD) Abgegebene Stimmen: 555; Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: davon Damit schließe ich die Aussprache. ja: 53 Wir kommen zur Abstimmung über den von der nein: 396 Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines enthalten: 106 Gesetzes zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Ja Stromsteuergesetzes, Druck-sachen 16/1172 und 16/1347. SPD Zu dieser Abstimmung gibt es Erklärungen nach § 31 Dr. Axel Berg unserer Geschäftsordnung der Kollegin und der Kol- Martin Gerster legen Dr. Axel Berg, Gabriele Groneberg, Albert Rup- Renate Gradistanac precht, Martin Gerster, Hermann Scheer und Dr. Karl Lauterbach Dr. Wolfgang Wodarg.3 Anton Schaaf Dr. Hermann Scheer Der Finanzausschuss empfiehlt unter Gert Weisskirchen (Wiesloch) Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/2007, den Gesetzentwurf in der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu gibt es Kerstin Andreae einen Änderungsantrag der Fraktion Bündnis Volker Beck (Köln) 90/Die Grünen auf Drucksache 16/2068, über den Cornelia Behm wir zuerst abstimmen. Die Fraktion des Bündnis- Birgitt Bender ses 90/Die Grünen verlangt hierzu namentliche Matthias Berninger Abstimmung. Grietje Bettin Alexander Bonde Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, Ekin Deligöz die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Dr. Thea Dückert Urnen besetzt? – Das scheint mir der Fall zu sein. Dr. Uschi Eid Dann eröffne ich die Abstimmung. Hans-Josef Fell Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, welches Britta Haßelmann seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das Winfried Hermann scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich Peter Hettlich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen Priska Hinz (Herborn) und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn ______Thilo Hoppe Ute Koczy 3Anlage 12 Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast

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Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Peter Gauweiler Markus Kurth Dr. Jürgen Gehb Monika Lazar Norbert Geis Dr. Reinhard Loske Eberhard Gienger Anna Lührmann Ralf Göbel Jerzy Montag Peter Götz Kerstin Müller (Köln) Dr. Wolfgang Götzer Winfried Nachtwei Ute Granold Brigitte Pothmer Reinhard Grindel Claudia Roth (Augsburg) Hermann Gröhe Krista Sager Michael Grosse-Brömer Elisabeth Scharfenberg Markus Grübel Christine Scheel Manfred Grund Irmingard Schewe-Gerigk Monika Grütters Dr. Gerhard Schick Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Rainder Steenblock Olav Gutting Silke Stokar von Neuforn Holger Haibach Hans-Christian Ströbele Gerda Hasselfeldt Dr. Harald Terpe Ursula Heinen Jürgen Trittin Uda Carmen Freia Heller Wolfgang Wieland Michael Hennrich Jürgen Herrmann Nein Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze CDU/CSU Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Ilse Aigner Franz-Josef Holzenkamp Peter Albach Joachim Hörster Thomas Bareiß Anette Hübinger Norbert Barthle Hubert Hüppe Dr. Wolf Bauer Susanne Jaffke Günter Baumann Dr. Peter Jahr Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Dr. Hans-Heinrich Jordan Dr. Christoph Bergner Andreas Jung (Konstanz) Otto Bernhardt Bartholomäus Kalb Clemens Binninger Hans-Werner Kammer Carl-Eduard von Bismarck Steffen Kampeter Peter Bleser Alois Karl Antje Blumenthal Bernhard Kaster Jochen Borchert Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Volker Kauder Wolfgang Bosbach Eckart von Klaeden Klaus Brähmig Jürgen Klimke Michael Brand Julia Klöckner Helmut Brandt Jens Koeppen Dr. Ralf Brauksiepe Kristina Köhler (Wiesbaden) Monika Brüning Manfred Kolbe Georg Brunnhuber Norbert Königshofen Gitta Connemann Dr. Rolf Koschorrek Leo Dautzenberg Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Alexander Dobrindt Michael Kretschmer Thomas Dörflinger Gunther Krichbaum Marie-Luise Dött Dr. Günter Krings Maria Eichhorn Dr. Martina Krogmann Anke Eymer (Lübeck) Johann-Henrich Krummacher Georg Fahrenschon Dr. Hermann Kues Ilse Falk Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Hans Georg Faust Andreas G. Lämmel Enak Ferlemann Dr. Norbert Lammert Hartwig Fischer (Göttingen) Katharina Landgraf Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Max Lehmer Dr. Maria Flachsbarth Paul Lehrieder Klaus-Peter Flosbach Ingbert Liebing Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Dr. Klaus W. Lippold Erich G. Fritz Patricia Lips Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Luther Dr. Michael Fuchs Stephan Mayer (Altötting) Hans-Joachim Fuchtel Wolfgang Meckelburg 4108 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Dr. Michael Meister Michael Stübgen Dr. Angela Merkel Antje Tillmann Friedrich Merz Arnold Vaatz Laurenz Meyer (Hamm) Volkmar Uwe Vogel Maria Michalk Andrea Astrid Voßhoff Hans Michelbach Gerhard Wächter Philipp Mißfelder Marco Wanderwitz Dr. Eva Möllring Kai Wegner Marlene Mortler Marcus Weinberg Carsten Müller (Braunschweig) Peter Weiß (Emmendingen) Stefan Müller (Erlangen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Bernward Müller (Gera) Karl-Georg Wellmann Dr. Gerd Müller Anette Widmann-Mauz Hildegard Müller Klaus-Peter Willsch Bernd Neumann (Bremen) Elisabeth Winkelmeier-Becker Henry Nitzsche Matthias Wissmann Michaela Noll Dagmar Wöhrl Dr. Georg Nüßlein Wolfgang Zöller Franz Obermeier Willi Zylajew Eduard Oswald Henning Otte SPD Rita Pawelski Dr. Lale Akgün Dr. Peter Paziorek Gregor Amann Ulrich Petzold Gerd Andres Dr. Joachim Pfeiffer Niels Annen Sibylle Pfeiffer Ingrid Arndt-Brauer Beatrix Philipp Rainer Arnold Ronald Pofalla Ernst Bahr (Neuruppin) Daniela Raab Doris Barnett Thomas Rachel Dr. Hans-Peter Bartels Hans Raidel Klaus Barthel Dr. Peter Ramsauer Sören Bartol Peter Rauen Sabine Bätzing Eckhardt Rehberg Dirk Becker Klaus Riegert Uwe Beckmeyer Dr. Heinz Riesenhuber Klaus Uwe Benneter Franz Romer Ute Berg Johannes Röring Petra Bierwirth Kurt J. Rossmanith Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Norbert Röttgen Volker Blumentritt Dr. Christian Ruck Gerd Bollmann Albert Rupprecht (Weiden) Dr. Gerhard Botz Peter Rzepka Klaus Brandner Anita Schäfer (Saalstadt) Willi Brase Hermann-Josef Scharf Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Dr. Wolfgang Schäuble Edelgard Bulmahn Hartmut Schauerte Marco Bülow Dr. Annette Schavan Ulla Burchardt Dr. Andreas Scheuer Martin Burkert Karl Schiewerling Dr. Michael Bürsch Norbert Schindler Christian Carstensen Georg Schirmbeck Marion Caspers-Merk Bernd Schmidbauer Dr. Peter Danckert Christian Schmidt (Fürth) Dr. Herta Däubler-Gmelin Andreas Schmidt (Mülheim) Karl Diller Ingo Schmitt (Berlin) Martin Dörmann Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Carl-Christian Dressel Dr. Ole Schröder Elvira Drobinski-Weiß Bernhard Schulte-Drüggelte Detlef Dzembritzki Uwe Schummer Sebastian Edathy Kurt Segner Siegmund Ehrmann Bernd Siebert Petra Ernstberger Thomas Silberhorn Karin Evers-Meyer Johannes Singhammer Annette Faße Jens Spahn Elke Ferner Christian Freiherr von Stetten Gabriele Fograscher Gero Storjohann Rainer Fornahl Andreas Storm Gabriele Frechen Max Straubinger Dagmar Freitag Thomas Strobl (Heilbronn) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4109

Peter Friedrich Thomas Oppermann Iris Gleicke Holger Ortel Günter Gloser Heinz Paula Angelika Graf (Rosenheim) Johannes Pflug Dieter Grasedieck Joachim Poß Monika Griefahn Christoph Pries Kerstin Griese Dr. Wilhelm Priesmeier Gabriele Groneberg Florian Pronold Achim Großmann Dr. Sascha Raabe Wolfgang Grotthaus Mechthild Rawert Wolfgang Gunkel Steffen Reiche (Cottbus) Hans-Joachim Hacker Maik Reichel Bettina Hagedorn Gerold Reichenbach Klaus Hagemann Dr. Carola Reimann Alfred Hartenbach Christel Riemann-Hanewinckel Michael Hartmann (Wackernheim) Walter Riester Nina Hauer Sönke Rix Reinhold Hemker René Röspel Rolf Hempelmann Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Barbara Hendricks Karin Roth (Esslingen) Gustav Herzog Michael Roth (Heringen) Petra Heß Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Gabriele Hiller-Ohm Axel Schäfer (Bochum) Petra Hinz (Essen) Bernd Scheelen Gerd Höfer Marianne Schieder Iris Hoffmann (Wismar) Otto Schily Frank Hofmann (Volkach) Silvia Schmidt (Eisleben) Eike Hovermann Dr. Frank Schmidt Klaas Hübner Heinz Schmitt (Landau) Christel Humme Carsten Schneider (Erfurt) Brunhilde Irber Olaf Scholz Johannes Jung (Karlsruhe) Ottmar Schreiner Josip Juratovic Reinhard Schultz (Everswinkel) Johannes Kahrs Swen Schulz (Spandau) Ulrich Kasparick Ewald Schurer Dr. h.c. Susanne Kastner Frank Schwabe Ulrich Kelber Dr. Angelica Schwall-Düren Christian Kleiminger Dr. Martin Schwanholz Hans-Ulrich Klose Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Bärbel Kofler Wolfgang Spanier Fritz Rudolf Körper Dr. Margrit Spielmann Karin Kortmann Jörg-Otto Spiller Rolf Kramer Dr. Ditmar Staffelt Anette Kramme Andreas Steppuhn Ernst Kranz Ludwig Stiegler Nicolette Kressl Rolf Stöckel Volker Kröning Christoph Strässer Angelika Krüger-Leißner Joachim Stünker Dr. Hans-Ulrich Krüger Dr. Rainer Tabillion Jürgen Kucharczyk Jörg Tauss Helga Kühn-Mengel Jella Teuchner Ute Kumpf Dr. h.c. Wolfgang Thierse Dr. Uwe Küster Jörn Thießen Christine Lambrecht Franz Thönnes Christian Lange (Backnang) Hans-Jürgen Uhl Waltraud Lehn Rüdiger Veit Gabriele Lösekrug-Möller Simone Violka Dirk Manzewski Jörg Vogelsänger Caren Marks Dr. Marlies Volkmer Katja Mast Hedi Wegener Hilde Mattheis Petra Weis Markus Meckel Gunter Weißgerber Petra Merkel (Berlin) Dr. Rainer Wend Ulrike Merten Lydia Westrich Dr. Matthias Miersch Dr. Margrit Wetzel Ursula Mogg Andrea Wicklein Marko Mühlstein Heidemarie Wieczorek-Zeul Detlef Müller (Chemnitz) Engelbert Wistuba Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Wolfgang Wodarg Dr. Rolf Mützenich Waltraud Wolff (Wolmirstedt) 4110 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Heidi Wright Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Uta Zapf Martin Zeil Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin FDP Karin Binder Gudrun Kopp Dr. Lothar Bisky Heidrun Bluhm Enthalten Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus CDU/CSU Sevim Dagdelen Josef Göppel Dr. Diether Dehm Werner Dreibus SPD Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Hans Eichel Wolfgang Gehrcke Lothar Mark Diana Golze Andrea Nahles Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel FDP Lutz Heilmann Jens Ackermann Hans-Kurt Hill Dr. Karl Addicks Cornelia Hirsch Christian Ahrendt Inge Höger-Neuling Daniel Bahr (Münster) Dr. Barbara Höll Uwe Barth Ulla Jelpke Rainer Brüderle Dr. Lukrezia Jochimsen Angelika Brunkhorst Dr. Hakki Keskin Ernst Burgbacher Katja Kipping Patrick Döring Monika Knoche Mechthild Dyckmans Jan Korte Jörg van Essen Katrin Kunert Ulrike Flach Oskar Lafontaine Paul K. Friedhoff Ulla Lötzer Horst Friedrich (Bayreuth) Dr. Gesine Lötzsch Dr. Edmund Peter Geisen Ulrich Maurer Dr. Wolfgang Gerhardt Dorothee Menzner Hans-Michael Goldmann Kornelia Möller Miriam Gruß Kersten Naumann Joachim Günther (Plauen) Wolfgang Nešković Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Norman Paech Heinz-Peter Haustein Petra Pau Birgit Homburger Bodo Ramelow Dr. Werner Hoyer Elke Reinke Michael Kauch Paul Schäfer (Köln) Dr. Heinrich L. Kolb Volker Schneider (Saarbrücken) Hellmut Königshaus Dr. Herbert Schui Jürgen Koppelin Dr. Ilja Seifert Heinz Lanfermann Dr. Petra Sitte Sibylle Laurischk Frank Spieth Harald Leibrecht Dr. Kirsten Tackmann Ina Lenke Dr. Axel Troost Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Alexander Ulrich Horst Meierhofer Jörn Wunderlich Patrick Meinhardt Sabine Zimmermann Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Detlef Parr fraktionslos Cornelia Pieper Gert Winkelmeier Gisela Piltz Jörg Rohde Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf Florian Toncar in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um Christoph Waitz das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Dr. Claudia Winterstein Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Dr. Volker Wissing Beratung mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4111 und der überwiegenden Mehrheit der Stimmen der Tagesordnungspunkt 8 c. Abstimmung über den SPD-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktionen Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen und dem 16/1895 (neu) mit dem Titel „Biokraftstoffe Großteil der PDS-Fraktion angenommen. nachhaltig fördern“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dieser (Widerspruch bei der LINKEN) Antrag ist bei Zustimmung der Fraktion Die Linke, – Ich habe bei Ihnen einen gesehen, der sich bei Gegenstimmen der Fraktionen der CDU/CSU, enthalten hat, ganz ruhig! der SPD und der FDP und bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Linkspartei, verdammt noch mal!) Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b auf: – Entschuldigung, das tut mir sehr Leid! a) Zweite und dritte Beratung des von den (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Muss es Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Oskar aber nicht!) Lafontaine und der Fraktion der LINKEN Verzeihung, das war wirklich ein Versehen! Ich eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur habe mich jetzt so darauf konzentriert, wer in Änderung des Dritten Buches welcher Fraktion wie gestimmt hat. Also, noch Sozialgesetzbuch einmal: „… und einer großen Mehrheit der – Drucksache 16/856 – Linksfraktion“. Einige Abgeordnete der SPD haben dagegen gestimmt und einige Abgeordnete der Beschlussempfehlung und Bericht des SPD sowie ein Abgeordneter der Linksfraktion Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. haben sich enthalten. Ausschuss) Wir kommen zur – Drucksache 16/1208 – dritten Beratung Berichterstattung: Abgeordnete Anette Kramme und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu b) Beratung der Beschlussempfehlung und des erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Berichts des Ausschusses für Arbeit und Der Gesetzentwurf ist bei Zustimmung der Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion und des Großteils der SPD- Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktionen von Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke sowie Abgeordneter und der Fraktion der FDP einer Gegenstimme aus der SPD-Fraktion ange- Innere Sicherheit durch Regelungen zum nommen. Arbeitskampfrecht gewährleisten Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den – Drucksachen 16/953, 16/1208 – Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Druck-sache 16/2039. Wer stimmt für diesen Berichterstattung: Entschließungsantrag? – Gegenprobe! – Abgeordnete Anette Kramme Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit Über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke den Stimmen des Großteils der Koalition bei werden wir später namentlich abstimmen. Enthaltung der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke sowie einiger Abgeordneter der Es ist verabredet, eine halbe Stunde hierüber zu SPD-Fraktion sowie bei Zustimmung der FDP- debattieren. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Fraktion abgelehnt. Dann ist so beschlossen. Ich komme jetzt zum Tagesordnungspunkt 8 b. Ich eröffne die Aussprache und gebe der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf Kollegin Anette Kramme, SPD-Fraktion, das Wort. Druck-sache 16/2007 zu dem Antrag der Fraktion (Beifall bei Abgeordneten der SPD) des Bünd-nisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Biokraftstoffe intelligent fördern – Steuerbegünstigung erhalten“. Der Ausschuss Anette Kramme (SPD): empfiehlt unter Buchstabe b seiner Be- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe schlussempfehlung, den Antrag auf Kolleginnen und Kollegen! Die FDP ist in tiefer Drucksache 16/583 abzulehnen. Wer stimmt für Sorge um die innere Sicherheit in der diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Bundesrepublik Deutschland. Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich bin in den Stimmen der Koalition und der FDP-Fraktion tiefer Sorge um Sie! Wer so anfängt, wird bei Gegenstimme der Fraktion des keine gute Rede halten!) Bündnisses 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Es drohen nämlich Invasionen von Ratten und auch die Vogelgrippe wird sich epidemiehaft über ganz Deutschland ausbreiten, wenn Verdi streikt. 4112 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Darüber sollte Mit der grundrechtlichen Garantie der man keine Witze machen!) Tarifautonomie wird ein Freiraum gewährleistet, in dem Arbeitnehmer und Ich glaube, hier spricht eher der Wolf im Arbeitgeber ihre Interessen gegenseitig in Großmutterkostüm, der das Rotkäppchen, nämlich eigener Verantwortung austragen können. die Tarifautonomie, fressen will. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir sind hier im Meine Damen und Herren, Sie wissen doch sehr Bundestag!) genau, dass die Gewerkschaften verpflichtet sind, Notdienste bei Streiks einzurichten. Wird kein Diese Freiheit findet ihren Grund in der histori- Notdienst eingerichtet und ergeben sich daraus schen Erfahrung, dass auf diese Weise eher konkrete Gefährdungslagen für die Allgemeinheit, Ergebnisse erzielt werden, die den Interessen so steht es im pflichtgemäßen Ermessen der der widerstreitenden Gruppen und dem Polizei, hier einzuschreiten. Gemeinwohl gerecht werden, als bei einer staatlichen Schlichtung.

Die Ihrerseits intendierte Kodifikation des Darüber hinaus haften die Gewerkschaften Arbeitskampfrechtes, über die man theoretisch zivilrechtlich für etwaigen Schaden. Das heißt, es reden könnte, erfordert ein Mindestmaß an liegt im ureigenen Interesse der gesellschaftlichem Konsens. Die gesellschaftlichen Tarifvertragspartei, Regelungen zu treffen. Gruppen sind hier aber tief gespalten. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So wie die große Meine Damen und Herren von der FDP, die Koalition!) Intention Ihres Antrags ist offenbar: Sie brauchen Das wird auch hier im Hause ständig offenbar. Ich mal wieder einen Aufhänger, Ihrer Forderung nach bezweifle daher intensiv, dass von einem Einschränkung der Arbeitnehmerrechte Nachdruck Arbeitskampfgesetz in irgendeiner Weise eine zu verleihen. Es ist doch wenig glaubhaft, wenn befriedende Funktion ausgehen könnte. ausgerechnet Herr Westerwelle, der den öffentlichen Dienst am liebsten komplett privati- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) sieren möchte, anlässlich des aktuellen Streiks Es hat sich daher bewährt, dass die panisch ruft, es werde im öffentlichen Dienst jede Rechtsprechung Regelungen für die Führung von Hand gegen die Ausbreitung der Vogelgrippe Arbeitskämpfen entwickelt hat, an denen sich die gebraucht. Praxis orientieren kann. Sie versuchen ein ums andere Mal, die Meine Damen und Herren von der Linken, Tarifautonomie zu kappen, die Gewerkschaften zu schwächen und die Rechte der Arbeitnehmerinnen (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt bekommen und Arbeitnehmer einzuschränken. Anders ist es die ihr Fett ab!) wohl nicht zu erklären, dass Herr Brüderle Sie stehen der FDP in Sachen Populismus in unlängst forderte, das Streikgeld zu besteuern. nichts nach. Das ist doch der blanke Hohn. Die einzige Absicht, die sich hinter dieser Forderung verbirgt, ist, in die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Medien zu kommen und die Stimmung gegen die Offensichtlich ernst ist es Ihnen mit Ihrem Gewerkschaften anzuheizen. Ich erinnere auch an Gesetzentwurf nicht. Ihr Geschäftsordnungsantrag Ihren aktuellen Antrag, wonach ein Antrag beim in der ersten Lesung hat Ihrer Forderung nicht Arbeitsgericht zur Einsetzung eines unbedingt Glaubwürdigkeit verliehen. Wenn Sie es Wahlvorstandes bei Betriebsratswahlen wirklich Ernst meinen würden, dann hätten Sie sich (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Guter Antrag!) die Mühe machen müssen, Ihren Gesetzentwurf rechtlich, insbesondere verfassungsrechtlich der Unterschriftsleistung durch 25 Prozent der überprüfen zu lassen. Arbeitnehmer des Betriebs bedürfen soll. Und wenn die Welt untergeht, die FDP wird weiterhin (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was gut ist und versuchen, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und was Recht ist, entscheidet Frau Kramme!) Arbeitnehmer zu beschneiden. Stattdessen haben Sie ein paar Schubladen Ich weiß ja, dass Dinge, die einem nicht aufgezogen und einen unbrauchbaren alten gefallen, schnell vergessen werden. Aber Entwurf der PDS hervorgezogen. Es hakt hier an zumindest die Grundrechte sollte man als allen Ecken und Enden. Abgeordneter kennen. Sie wollen, dass die Bundesagentur für Arbeit (Beifall bei der SPD) im Rahmen des § 146 SGB III – früher § 116 AFG – wieder die Entscheidung über die Neutralität Sie erinnern sich vielleicht dunkel an von Lohnersatzzahlungen treffen soll. Es handelt Art. 9 Grundge-setz. Ferner empfehle ich Ihnen die sich hier aber um eine grundrechtsrelevante Lektüre des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom Entscheidung; Art. 9 und Art. 14 Grundgesetz sind 2. März 1993: betroffen. Deshalb darf diese Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4113

Verwaltungsentscheidung nach der aktuellen (Beifall bei der FDP) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Dies ist unbestritten, sei es durch die Gelehrten nicht der Verwaltung überlassen werden. Es ist Wolfgang Däubler und Manfred Löwisch, sei es also Sache des Bundesgesetzgebers, das selbst durch die Entscheidungen des zu regeln. Bundesarbeitsgerichts oder des Praktisch ist auch nicht mehr zu erwarten, dass Bundesverfassungsgerichts. Wenn wie im letzten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen der Winter durch Streikmaßnahmen direkt und vor Selbstverwaltung auf eine Neutralitätsanordnung allem indirekt Gefährdungen für die Bürgerinnen einigen. Ihr Vorschlag ist den Gewerkschaften und Bürger eintreten, dann ist das zulässige Maß deshalb keine Hilfestellung. Bevor Sie eine überschritten. Das ist nicht mehr hinnehmbar. Zwischenfrage anmelden: Ja, die damalige (Beifall bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb Neuregelung hat der SPD natürlich Bauch- [FDP]: So ist es! Da muss die FDP schmerzen bereitet. Das einschreiten!) Bundesverfassungsgericht hat die Bestimmung jedoch gerade noch als verfassungsgemäß Als Verdi Anfang des Jahres Winterdienste deklariert. bestreikte, stieg die Anzahl der Verkehrsunfälle zum Beispiel in Bayern und Baden-Württemberg Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist nachweislich deutlich an. natürlich kein Freibrief. Wir werden sehr genau darauf achten, dass die Kräfteparität der (Ute Kumpf [SPD]: Schauen Sie mal auf die Tarifvertragsparteien nicht durch § 146 SGB III Wetterlage!) beeinträchtigt wird. Wenn die Streikfähigkeit der Rettungsdienste und Feuerwehren konnten Gewerkschaften durch § 146 SGB III beeinträchtigt aufgrund der Straßenverhältnisse nicht zum werden sollte, dann werden wir handeln. Wir Einsatzort kommen. Die Polizei war massiv brauchen nämlich starke Gewerkschaften in eingeschränkt. diesem Lande. In Stuttgart musste damals, weil chaotische (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Verhältnisse auftraten, die Polizei einen von Verdi Auf das Instrument Streik wird in Deutschland bestreikten Betriebshof befreien, damit der nur selten zurückgegriffen. Deutschland zeichnet Winterdienst durchgeführt werden konnte. sich im internationalen Vergleich durch einen (Ute Kumpf [SPD]: Sie sind überhaupt hohen sozialen Frieden aus. In den Jahren 1993 nicht auf dem Laufenden! Das waren die bis 2003 fielen im Durchschnitt nur drei Streiktage Schneemassen!) pro 1 000 Arbeitnehmer an. In Italien waren es dagegen 60 Tage, in Frankreich 100 Tage und in – Hören Sie zu, Frau Kumpf! Das wäre nicht Dänemark – man erwartet das nicht – sage und schlecht. – Dass die Gewerkschaften hiergegen schreibe 178 Tage. Das sollten auch Sie, meine gerichtliche Schritte eingeleitet haben, war dreist. Damen und Herren von der FDP, endlich zur (Beifall bei der FDP) Kenntnis nehmen. Stattdessen legen Sie immer wieder dieselbe kaputte Schallplatte auf und Es gilt, in solchen Fällen Rechtssicherheit und behelligen uns mit unnötigen Anträgen. eindeutige Regelungen für die Polizei und die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Durch den Ich bedanke mich ganz herzlich. Streik der Müllabfuhr ergaben sich Zustände, die in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Zeiten der wieder steigenden Verbreitung von der CDU/CSU) Tierseuchen inakzeptabel sind – und das als Nebenfolge der zivilrechtlichen Auseinan- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: dersetzung zwischen den Tarifparteien. Das Wort hat der Kollege Hartfrid Wolff, FDP- Das ist den Menschen nicht mehr vermittelbar, Fraktion. Frau Kramme. Sagen Sie bitte einem Unfallopfer (Beifall bei Abgeordneten der FDP) ins Gesicht, dass es nicht möglich sein soll, es auch in Streikzeiten versorgen und schützen zu können! Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Die Tarifautonomie ist ein Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das verfassungsrechtliches Gut aus Art. 9 des Leben und die körperliche Unversehrtheit sind Grundgesetzes. Das möchte auch niemand infrage hohe Güter, die seitens des Staates geschützt stellen. Die FDP steht zur Tarifautonomie. werden müssen. Der ehemalige Präsident des Bundesarbeitsgerichts, Thomas Dieterich – in der (Beifall bei der FDP – Anette Kramme [SPD]: SPD sicherlich kein Unbekannter –, weist in seinen Haha!) Kommentierungen des Streikrechts darauf hin, dass jeder Streik dort seine Grenzen finden muss, Es kommt auf die jeweiligen Streikmittel im wo erhebliche Verfassungsgüter beeinträchtigt Einzelfall an, die verhältnismäßig sein müssen. sind. Das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit und die 4114 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Tarifautonomie können – im konkreten Fall muss (Beifall bei der FDP) immer die Abwägung mit wichtigen Rechtsgütern erfolgen – nicht schrankenlos gewährt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich verstehe nicht ganz, warum die Kollegen Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder, insbesondere auf der linken Seite des Plenums CDU/CSU-Fraktion. Bedenken haben. Aus meiner Sicht ist es (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) erforderlich und auch verfassungspolitisch geboten, klare Regelungen zu schaffen. Durch die Paul Lehrieder (CDU/CSU): fehlenden gesetzlichen Regelungen ist die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr Rechtsprechung gezwungen, die Grenzen der geehrten Damen und Herren! Wenn zu einer richterlichen Entscheidungslegitimation bis zum bestehenden gesetzlichen Regelung die Kritik von Äußersten zu beanspruchen. Im Klartext: Wir links und von rechts gleichermaßen kommt, dann brauchen auch an dieser Stelle klare Regelungen. kann die bestehende gesetzliche Regelung so (Beifall bei der FDP) schlecht nicht sein. Deshalb bitte ich Sie, der Beschlussempfehlung (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) des Ausschusses nicht zu folgen und somit dem Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie Antrag der FDP zuzustimmen. sich unsere Opposition redlich am Streikrecht Lassen Sie mich noch einige Worte zu dem abarbeitet. Die Anträge der FDP und der Linken Gesetzentwurf der Linken sagen. Die Linken haben heute einträchtig die Endrunde, das Finale, gehen damit in die völlig falsche Richtung. Der erreicht. Das war es dann auch schon mit den Gesetzentwurf ist ein Schritt in die tiefe Gemeinsamkeiten. Vergangenheit. Die Linkspartei – deren Mitglieder heute (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Nachmittag von einem Redner zutreffend als Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Da hat Manager des Misserfolgs bezeichnet wurden – will er Recht!) das Rad der Gesetzgebung ohne Not um 20 Jahre zurückdrehen und sich bei den Gewerkschaften Wie immer fordern die Linken Leistungen und anbiedern. schweigen über die Gegenfinanzierung. Durch diesen Vorschlag würden die Ausgaben für die (Zuruf des Abg. Oskar Lafontaine [DIE Bundesagentur für Arbeit steigen und Gelder zur LINKE]) Finanzierung von Streiks eingesetzt werden. Damit – Herr Lafontaine, Sie kommen nach mir dran. Sie würden durch die Beiträge aller die Streiks können jetzt einmal den Mund halten. mitfinanziert und Beitragserhöhungen wären die Folge. Eine Steigerung der Lohnnebenkosten (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/ passt nicht in die heutige konjunkturelle CSU: Das soll auch für später gelten!) Entwicklung; Die Liberalen versuchen, uns vor den Auswüchsen (Beifall bei der FDP) des Arbeitskampfs zu schützen. Das ist zwar gut gemeint, aber überflüssig. sie darf erst recht nicht zur Finanzierung von Arbeitskämpfen erfolgen. Dies ist ein Weg, den wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – als Freie Demokraten klar ablehnen. Für uns steht Widerspruch bei der FDP) nämlich die Schaffung von Arbeitsplätzen im Unsere lieben Kollegen auf der linken Seite Vordergrund. Wir brauchen eine nachhaltige versuchen, Problemen von heute mit Mitteln von Entlastung von Steuern und Abgaben. Das sage 1969 gerecht zu werden. Sie stellen die ich in diesem Hause, wo heute Morgen Gewerkschaften als bemitleidenswerte Opfer des Entsprechendes beschlossen wurde. Gerade die § 146 SGB III dar und ignorieren völlig, dass es Lohnnebenkosten gängeln die wirtschaftliche dabei nie darum ging, das Gleichgewicht zwischen Entwicklung in Deutschland. Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften im Es gibt keinen vernünftigen Grund, dem Arbeitskampf zu verändern. Die 1986 Gesetzentwurf der Linken zuzustimmen. beschlossene Neuregelung des früheren Gleichzeitig bitte ich Sie, auch die § 116 AFG sollte die neutrale Rolle des Staates Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und der Bundesagentur für Arbeit im Arbeitskampf und Soziales zu unserem Antrag abzulehnen. sichern – nicht mehr und nicht weniger. (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Wieso das Ihr Hinweis auf das denn?) Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1995, das den Gesetzgeber auffordert, die Tarifautonomie – Ganz einfach: Eine doppelte Ablehnung soll bei ungleicher Kampfstärke der Tarifvertrags- Ihnen allen die Entscheidung erleichtern. parteien zu schützen, läuft somit ins Leere. Die Jedenfalls werden wir von der FDP-Fraktion das Tarifautonomie wäre gerade dann bedroht, wenn tun. der Staat hier nicht zur Neutralität verpflichtet Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4115 wäre. Aus diesem Grund erhalten auch nur die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Leistungen, die am Arbeitskampf beteiligt sind, Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: 4 000! Schämt also die Streikenden. Das gilt auch für diejenigen, euch!) welche die gleichen Forderungen erheben und Es ist, wie an diesem Pult bereits mehrfach vom Ergebnis des Arbeitskampfs profitieren, aber ausgeführt, eine Schwalbe, die noch keinen nicht selbst streiken. Wenn im mittelbar Sommer macht; aber es ist eine zarte Pflanze am betroffenen Gebiet dieselben Ziele verfolgt Arbeitsmarkt. Wir sind angetreten mit dem Motto: werden, dann ruhen die Ansprüche nach der Sozial ist, was Arbeit schafft. Der beginnende Neutralitätsordnung. Es kann nicht sein, dass eine Aufschwung am Arbeitsmarkt würde durch die Gewerkschaft mit zwei Gruppen ein und dasselbe nunmehr auch von der Linkspartei geforderte Ziel verfolgt, mit einer Gruppe, die sie streiken Gesetzesänderung konterkariert. Ich möchte lässt, und mit einer anderen Gruppe, die sie sich sagen: Wir können uns diesen beginnenden von der Bundesagentur bezahlen lässt. Wir wollen, Aufschwung nicht durch arbeitsmarktpolitische dürfen und können Stellvertreterstreiks nicht Brandstifter zerstören lassen. finanziell unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) neten der FDP) Die Gewährung von Kurzarbeitergeld an so Eine allgemeine Subvention von Arbeitskämpfen genannte kalt Ausgesperrte verstößt grundsätzlich und ihre Folgen würden die Gewerkschaften zu gegen die Neutralität der Bundesagentur, deren Quasistaatsapparaten machen. Das kann aber Mittel von Arbeitnehmern und Arbeitgebern niemand wollen, der es mit freien Gewerkschaften gemeinsam aufgebracht werden. Die Solidarität ernst meint. Ich sehe den Kollegen Lafontaine; der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer mit den weiter hinten sitzt der Kollege Ernst. Der Staat aktiv Streikenden würde gestärkt, der Arbeitskampf würde zum Mitbestimmer. Wer für die Folgen würde so einseitig beeinflusst. Würden wir den eintreten müsste, würde auch über die Ursachen Tarifpartnern ermöglichen, jedes mitreden wollen. Arbeitskampfrisiko auf die Bundesagentur abzuwälzen, dann würden sie auch bestimmen, Die Neutralität der Bundesagentur ist wichtig wann wir die Beiträge erhöhen müssten. für die Tarifautonomie, damit die Beschäftigten sich nicht in einer Lage wiederfinden, in der ihre

Arbeitskämpfe fortdauernd von Gerichtsverfahren Wenn die Linksfraktion behauptet, die begleitet werden; sonst wären sie in der Gefahr, Streikkassen wären innerhalb weniger Tage leer, dass Leistungen unter Vorbehalt ausgezahlt wenn sie an „kalt ausgesperrte“ Mitglieder zahlen werden mit dem Risiko der Rückzahlung. Genau müssten, dann sollte sie auch Folgendes dieses Risiko wird durch § 146 SGB III einge- bedenken: Die Arbeitslosenversicherung kann, dämmt. wie jede Schadensversicherung, ein entspre- Im Gesetzentwurf der Linkspartei heißt es: chendes Arbeitskampfrisiko schon deshalb nicht tragen, weil ihre Mittel ebenfalls bei einem § 146 SGB III verhindert daher die Schwerpunktstreik innerhalb weniger Monate Chancengleichheit der Tarifvertragspartner erschöpft wären. Am Ende stünden höhere und behindert so die Gewerkschaften, an Lohnnebenkosten, teurere Arbeit und weniger einer sinnvollen Organisation des Jobs. Unser Ziel, die Beiträge zur Arbeitslosen- Arbeitslebens mitzuwirken. versicherung von 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent über Dabei wird das bestehende Druckpotenzial der die Mehrwertsteuererhöhung zu senken, könnten Gewerkschaften völlig unterschlagen. Ein Rückfall wir so dank tätiger Mithilfe unserer Opposition nie in die Regelung von 1969 trägt den erreichen. wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zu den aktuellen Zahlen. Sie haben es heute Veränderungen der heutigen Zeit nicht Rechnung. Morgen sicherlich vernommen: Wir haben derzeit Sie geben auch keine Antwort auf die Frage, wie 383 000 Arbeitslose weniger als im unter den aktuellen Bedingungen der Arbeitskampf Vorjahreszeitraum. am Leben erhalten werden kann, ohne dass er zum Vernichtungskampf wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Antrag der Linkspartei lässt die selbst – Ich finde, diese Zahl verdient durchaus Beifall, ernannten Verteidiger der Arbeiterklasse leider auch von der Linkspartei. – Wir haben 49 000 traurig aussehen. Die Frage, ob Ihnen Erwerbstätige mehr als im Vorjahreszeitraum. Wir Arbeitnehmerinteressen und Tarifautonomie haben 4 000 sozialversicherungspflichtige wirklich am Herzen liegen, beantworten Sie mit Arbeitsverhältnisse mehr. Das ist der erste Monat Ihrem Gesetzentwurf und der heutigen Aktuellen mit einem saisonbereinigten Zuwachs in dieser Stunde dagegen mit einem klaren und deutlichen Höhe. Nein. 4116 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Nicht viel besser geht es aber auch unseren Dann wären wir, jedenfalls theoretisch, bei einer Freunden, den Liberalen. Schlusszeit von etwa 4.28 Uhr. (Zuruf von der FDP) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiter so!) – Ja, jetzt komme ich zu euch. – Während die Linkspartei auf neue Freunde im Ich gebe das Wort dem Kollegen Oskar Gewerkschaftslager schielt, will die FDP genau die Lafontaine, Fraktion Die Linke. am liebsten an die Leine legen. Ihre Sorge um das (Beifall bei der LINKEN) Gemeinwohl ist so ehrenhaft wie schwammig. Ihr Antrag stellt allerdings ebenfalls die Tarifauto- nomie infrage. Wer entscheidet denn, wann Oskar Lafontaine (DIE LINKE): Streikmaßnahmen eine Gefahr für Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter und Herren! Wenn es noch Zweifel daran gab, ob darstellen? Wer sind denn die „zuständigen es richtig war, diesen Punkt auf die Tagesordnung Stellen“, die bei Arbeitskämpfen Maßnahmen zu zu setzen, sind sie ausgeräumt; denn die bisherige ergreifen haben, um die Notfallversorgung der Debatte hat gezeigt, dass es notwendig war. Bevölkerung sicherzustellen? Hier wird doch nach (Beifall bei der LINKEN) mehr Staat gerufen. Ihr liberales Selbstverständnis, meine lieben Kolleginnen und Die Vorredner haben versäumt, auch nur mit Kollegen, scheint nicht sehr tragfähig zu sein. einem Wort zu erwähnen, worum es überhaupt geht. Es geht weder um die Linkspartei noch um (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) die FDP. Es geht auch nicht um das Streikrecht Sie verkennen zudem, dass wir in den der Gewerkschaften. Es geht noch nicht einmal um Landesstraf- und Verordnungsgesetzen bereits die Gewerkschaften. Es geht einzig und allein um Regelungen haben, die die öffentliche Sicherheit die Frage, warum wir in Deutschland eine solch und Ordnung auch im Falle eines Streiks miserable Lohnentwicklung haben und warum ausreichend aufrechterhalten. Auch frühere der Satz „Leistung soll sich wieder lohnen“ in Arbeitskämpfe haben sicherlich Deutschland keine Geltung mehr hat. Unannehmlichkeiten für die Bevölkerung mit sich (Beifall bei der LINKEN) gebracht. Sie konnten aber letztendlich beigelegt werden, ohne dass ein über die gegenwärtigen Über diese Frage reden wir heute. Regelungen hinausgehendes Eingreifen des Dass Ihnen entgangen ist, dass wir in Staates nötig oder die innere Sicherheit in Gefahr Deutschland eine Lohnentwicklung haben, die gewesen wäre. Vor permanenten Streiks, wie sie unter allen Industriestaaten beispiellos ist, zeigt in anderen Ländern häufig stattfinden, hat uns wirklich exemplarisch, wie abgehoben Sie nicht zuletzt auch die Tarifautonomie bewahrt. mittlerweile sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wissen Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Läuft Sie, zu was Sie reden?) die Uhr jetzt rückwärts?) Während in den anderen Industriestaaten – Ich habe noch zwei Minuten und 40 Sekunden; Wachstum und Beschäftigung einigermaßen in aber ich werde eine Minute verschenken. – Eine Ordnung sind, während beispielsweise in den Art Notstandsgesetzgebung für Arbeitskämpfe letzten Jahren in den Vereinigten Staaten, der kann doch ernsthaft niemand wollen. Hochburg des Kapitalismus, eine Auch der Streik im öffentlichen Dienst zu Beginn Reallohnentwicklung von plus 20 Prozent zu dieses Jahres hat gezeigt: Bevor ein Arbeitskampf verzeichnen war, während es in Großbritannien, die innere Sicherheit ernsthaft gefährden kann, gilt: das uns immer wieder als Beispiel vorgehalten Letztlich entscheiden der immer vorhandene wird, eine Reallohnentwicklung von plus Wunsch nach einer praktikablen Lösung und nicht 25 Prozent gab – so ebenfalls in Schweden –, zuletzt die Geduld der Menschen über seine hatten wir in Deutschland ein Minus von Länge. 0,9 Prozent. Ich habe noch zwei Minuten und 18 Sekunden. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Es geht Die schenke ich dem Plenum, weil zu Beginn doch um Arbeitskampf!) meiner Rede die Uhr nicht richtig lief und ich etwas Da reden Sie hier von der grundgesetzlich mehr Zeit bekommen habe, als mir zustand. garantierten Tarifautonomie und von einer Danke schön. Waffengleichheit. Wenn die Arbeitnehmer am wachsenden Wohlstand nicht mehr beteiligt (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD werden, dann ist Waffengleichheit in diesem Land sowie bei Abgeordneten der FDP und des längst nicht mehr gegeben. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4117

Es wäre schön gewesen, wenn die SPD das Sie sollten sich schämen, dass Sie dies vergessen irgendwie mitbekommen hätte. haben. Nun ist die Frage: Was kann man vonseiten der (Anette Kramme [SPD]: Immer diese persönli- Politik machen? Natürlich haben wir nicht die che Betroffenheit!) direkte Zuständigkeit in Fragen der Als wir 1998 eine Zustimmung von über Tarifautonomie. Aber es ist doch überhaupt keine 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler erreicht Frage, dass die Gewerkschaften in diesem Land haben, war es noch so, dass die mit dem Rücken an der Wand stehen und auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihre durch Gesetze dieses Hohen Hauses erheblich ge- Vertreterinnen und Vertreter Vertrauen in die schwächt worden sind. Wenn man die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hatten. Gewerkschaften schwächen will, muss man eine Die Argumentation heute hat gezeigt, dass Sie neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik machen, dieses Vertrauen auf klägliche Art und Weise um die Arbeitslosigkeit kräftig zu steigern. Darin verspielt haben. waren Sie, und zwar Sie alle, in den letzten Jahren sehr erfolgreich, was für die Bevölkerung äußerst (Beifall bei der LINKEN) bedauerlich ist. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie heute (Beifall bei der LINKEN) wiederum einen Kompromiss mit Ihrem Koalitionspartner geschlossen haben, mit dem Sie Wenn man die Gewerkschaften schwächen will, noch viel Freude haben werden. Ich bewundere dann muss man Gesetze wie Hartz IV das strategische politische Genie, das bei der SPD verabschieden, die dazu führen, dass die mittlerweile eingezogen ist. Sie haben heute die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Verbandsklage aus dem Antidiskrimi- Betrieben Angst haben, dann, wenn sie arbeitslos nierungsgesetz wieder mehr oder weniger werden, nach einem Jahr auf Hartz IV herausgenommen. Das war wiederum ein zurückzufallen. Das schwächt die Widerstandskraft Kompromiss zulasten der Gewerkschaften. Das ist dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in wirklich eine enorme Fehlentwicklung, wie ich hier den Betrieben. einmal feststellen möchte. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Deshalb darf man nicht stolz darauf sein, verehrte Wir fassen zusammen, meine sehr geehrten Frau Kollegin, dass die Zahl der Streiktage hier so Damen und Herren: gering ist, während sie in allen anderen Ländern, wo die Löhne auch viel stärker wachsen, (Zurufe von der CDU/CSU: „Wir“?) wesentlich höher ist. Sie werden es irgendwann noch feststellen, dass Wenn man in diesem Land wirklich etwas Ihr Feixen und Grinsen angesichts der Tatsache, bewirken will, was Wachstum und Beschäftigung dass in diesem Lande die Lohnentwicklung immer angeht, dann muss man zumindest die Bedeutung weiter zurückfällt und die Arbeitnehmerschaft der Lohnentwicklung für Wachstum und immer weniger am wachsenden Wohlstand Beschäftigung und für unsere Volkswirtschaft beteiligt wird, völlig deplatziert sind. Dieses wieder entdecken. Es ist wirklich abenteuerlich, Parlament wäre aufgrund des Urteils des Bundes- dass diejenigen, die hier bisher für die Fraktionen verfassungsgerichts verpflichtet, die argumentiert haben, die Bedeutung der Lohn- Gewerkschaften in diesem Lande wieder zu entwicklung für Wachstum und Beschäftigung stärken. völlig ausgeblendet haben. (Anhaltender lebhafter Beifall bei der LIN- (Beifall bei der LINKEN) KEN – Zurufe von der FDP: Aufstehen! – Zurufe von der SPD: Aufhören!) Damit sind wir einmalig unter allen Industriestaaten in der Welt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Sprecherin der SPD hat uns Populismus Das Wort hat Brigitte Pothmer für vorgeworfen; darauf möchte ich eingehen. Bündnis 90/Die Grünen. Natürlich hatten wir eine Absicht, als wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt haben, Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Na ja!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wolff, Herr Lafontaine, die von Ihnen die Absicht nämlich, Ihnen, verehrte Kolleginnen vorgelegten Anträge und vor allen Dingen das, und Kollegen der SPD, wieder in Erinnerung zu was Sie heute hier in Ihren Reden präsentiert rufen, dass die Forderung nach einer Änderung haben, kann man, wie ich glaube, sozusagen als dieses Paragrafen Zentrum vieler Wahlkämpfe der Koalition der Billigen bezeichnen: billig in der Form Sozialdemokratischen Partei Deutschlands war. und billig im Inhalt. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD – Hartfrid 4118 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das ist aber (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn Sie die auch billig!) Müllberge in Baden-Württemberg gesehen hätten!) Die einen halten die Gewerkschaften für stark und wollen sie weiter stärken, die anderen halten die Also Hysterie auf der linken, Marktradikalismus auf Gewerkschaften für schwach und wollen sie weiter der rechten Seite. Ich glaube, vor diesem schwächen. Eine solche Politik, wie sie in Ihren Hintergrund ist es gut, dass wir Grünen jedenfalls Anträgen zum Ausdruck kommt, trägt allerdings beiden Anträgen nicht zustimmen. keineswegs zur Steigerung der Seriosität von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Politik bei. sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Lafontaine, Sie beschreiben die Sie, Herr Lafontaine, unterstellen eine Lohnentwicklung in Deutschland. Ich möchte Sie strukturelle Benachteiligung der Gewerkschaften. daran erinnern, dass die Neuregelung des Ich finde, darüber muss man tatsächlich einmal Streikparagrafen 20 Jahre zurückliegt. In dieser reden. Zeit verlief die Lohnentwicklung in Deutschland zunächst nicht so, wie Sie sie beschrieben haben. (Zurufe von der LINKEN: Aha!) Indem Sie den Eindruck erwecken, dass die Än- – Ja, das finde ich. – Wenn Sie aber hier den derung dieses Paragrafen zu der ungünstigen Eindruck erwecken, dies sei mit einer Änderung Lohnentwicklung geführt habe, zeigen Sie nur, des § 146 zu beheben, dann kann ich nicht umhin, welch schlichte und einfache Weltsicht Sie haben, Ihnen Populismus vorzuwerfen. Wenn wir den meine Damen und Herren von den Linken. § 146 wieder ändern, dann stärken wir ein Stück (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, weit die Bereiche, in denen die Gewerkschaften bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei schon stark sind, also da, wo sie in Branchen tätig Abgeordneten der FDP) sind, die hochgradig vernetzt sind. Aber für die Bereiche, wo die Gewerkschaften schwach sind, Sie können hier ruhig behaupten, bei Ihrem zum Beispiel bei den in der Gastronomie tätigen Gesetzentwurf gehe es nicht um die Linkspartei. Frauen, die kaum organisiert sind, tun Sie gar Ich sage nur: In diesem Entwurf geht es nur um die nichts. Genau das werfe ich Ihnen vor. Linkspartei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie bei Abgeordneten der SPD) bei der CDU/CSU und der SPD – Lachen bei der LINKEN – Dr. Ralf Brauksiepe Sie tragen den Interessenkonflikt in eine [CDU/ CSU]: Bisher war es erstaunlich Behörde, in die Bundesagentur für Arbeit. Dort gut, Frau Pothmer!) treffen dann das Arbeitgeber- und das Arbeitnehmerlager aufeinander. Auf eine solche Ich möchte noch etwas anderes in Erinnerung Weise lässt sich meiner Meinung nach keine rufen, nachdem Sie hier im Grunde schon den vernünftige Politik machen. Niedergang der Gewerkschaften beschworen haben. Ihren Gesetzentwurf, in dem Sie behaupten, es gebe eine entscheidende (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schwächung der Gewerkschaften, haben Sie eingebracht, während die Metalltarifrunde lief. Ich komme zum Schluss. Herausgekommen ist dabei jedoch ein Plus von (Beifall bei der LINKEN) 3 Prozent, Wir haben 4 Millionen Arbeitslose, wir haben 2 (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Millionen Langzeitarbeitslose. Die Koalition streitet herausgekommen ist ein Qualifizierungsvertrag, sich, macht nichts in der Arbeitsmarktpolitik. herausgekommen sind eine Menge positiver Mindestlohn, Kombilohn – die einen wollen dies, Entwicklungen. die anderen das. (Zurufe von der LINKEN: Was denn?) (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie haben so gut angefangen!) Eine Gewerkschaft, die gar nichts mehr im Rücken hat, hätte so etwas sicher nicht durchgesetzt. Es lohnt sich, sich damit auseinander zu setzen. Das ist unsere Aufgabe. Diese Art von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN populistischen Anträgen bringt uns nicht weiter. und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich danke Ihnen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN etwas zum FDP-Antrag sagen. Dieser ist doch sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU irgendwie absurd. Hier wird so getan, als ob und der SPD – Zurufe von der LINKEN: Streiks im öffentlichen Dienst Seuchen, La Ola! La Ola!) Notstandsszenarien und anderes – was auch immer Sie sich ausdenken – hervorriefen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4119

Ich habe schon befürchtet, dass gleich La-Ola- Beschlussempfehlung und Bericht des Wellen angestimmt werden. Bevor das geschieht, Ausschusses für Wirtschaft und kommen wir aber zur Abstimmung über den Technologie (9. Ausschuss) Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur – Drucksache 16/2017 – Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf Drucksache 16/856. Der Ausschuss für Arbeit Berichterstattung: und Soziales empfiehlt unter Buchstabe a seiner Abgeordneter Dr. Rainer Wend Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/1208, b) Beratung der Beschlussempfehlung und des den Gesetzentwurf abzulehnen. Die Fraktion Die Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Linke verlangt namentliche Abstimmung. Ich weise Technologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag darauf hin, dass wir jetzt über den Gesetzentwurf der Abgeordneten Martin Zeil, Rainer abstimmen. Brüderle, Paul K. Friedhoff, weiterer Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, Abgeordneter und der Fraktion der FDP die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Statistikpflichten zurückführen – Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich Bürokratiekosten senken die Abstimmung. – Drucksachen 16/1167, 16/2017 – Haben jetzt alle abgestimmt? – Ich gehe davon aus, dass kein anwesender Kollege noch nicht Berichterstattung: abgestimmt hat, und schließe die Abstimmung. Ich Abgeordneter Dr. Rainer Wend bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit Zur dritten Beratung des Gesetzentwurfes liegen der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der je ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Abstimmung wird später bekannt gegeben. sowie der Fraktion Die Linke vor. Wir setzen die Abstimmungen fort. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Tagesordnungspunkt 9 b: Beschlussempfehlung die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist so Drucksache 16/1208, zu dem Antrag der Fraktion beschlossen. der FDP mit dem Titel „Innere Sicherheit durch Ich eröffne die Aussprache. Zuerst hat der Regelungen zum Arbeitskampfrecht Kollege Laurenz Meyer, CDU/CSU-Fraktion, das gewährleisten“. Der Ausschuss empfiehlt unter Wort. Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 16/953 abzulehnen. Wer (Beifall bei der CDU/CSU) stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Ich bin mir Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): nicht ganz sicher, wie die Fraktion des Bündnisses Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir 90/Die Grünen abgestimmt hat. – Ablehnend. sind uns untereinander alle darüber im Klaren, Damit ist die Beschlussempfehlung mit den dass der Hauptteil der Bürokratiekosten in der Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Wirtschaft vom Mittelstand zu tragen ist. Das liegt gesamten Opposition angenommen. schon an der Struktur der mittelständischen Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 10 a und Unternehmen. Von den Bürokratieanforderungen 10 b auf: sind dann ausgerechnet immer diejenigen betroffen, die eigentlich den Betrieb tragen sollen. a) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Laurenz Meyer (Hamm), (Martin Zeil [FDP]: So ist es!) Veronika Bellmann, Klaus Brähmig, weiteren Das ist eine zusätzliche Erschwernis, auf die wir Abgeordneten und der Fraktion der ein besonderes Augenmerk haben sollten, wenn CDU/CSU sowie der Abgeordneten wir auch in den kommenden Monaten weiter über Dr. Rainer Wend, Doris Barnett, Klaus Bürokratieabbau reden. Barthel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs Bürokratie belastet Investitionen, Arbeitsplätze, eines Ersten Gesetzes zum Abbau Wirtschaftswachstum. Durch Bürokratieabbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere können alle nur gewinnen. Wenn durch in der mittelständischen Wirtschaft Bürokratieabbau auch 20 Milliarden Euro Kosten abgebaut werden können, dann bedeutet das – Drucksache 16/1407 – zusätzliche Steuereinnahmen für den Staat. Wir – Zweite und dritte Beratung des von der sollten uns freuen, wenn wir hier Erfolge erzielen Bundesregierung eingebrachten Entwurfs können. eines Ersten Gesetzes zum Abbau Wir haben vor vier Wochen hier den bürokratischer Hemmnisse insbesondere Normenkontrollrat und das in der mittelständischen Wirtschaft Standardkostenmodell beschlossen. Der – Drucksachen 16/1853, 16/1970 – Normenkontrollrat wird zeitnah eingesetzt und zügig mit der Arbeit beginnen. Die Vorbereitungen 4120 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 sind in vollem Gange. Nun wollen wir erste mitzuarbeiten. Wir werden alle Vorschläge darauf konkrete Maßnahmen beschließen, die Ihnen abklopfen, ob sie umsetzbar sind. heute mit dem Gesetzentwurf vorliegen. Sie sollen Wir wollen zum Herbst das Mittelstandsentlas- rechtzeitig zum Sommer in Kraft treten. tungsgesetz in einer zweiten Stufe Zu diesen Maßnahmen gehört zum Beispiel eine weiterentwickeln. Meine dringende Bitte an die maßvolle Anhebung des Ministerien ist, dass hier konstruktiv mitgearbeitet Beschäftigungsschwellenwertes bei der Bestellung wird. Die bisherigen Stellungnahmen sind einfach von Datenschutzbeauftragten. Schon dieser Punkt nicht ausreichend. zeigt, mit welchen Problemen und Diskussionen (Martin Zeil [FDP]: Hört! Hört!) wir uns zu beschäftigen haben; denn selbst für Kleinbetriebe werden hier beispielsweise Es darf nicht bei dem Satz bleiben, es gebe europarechtliche Fragen aufgeworfen. Wir müssen europarechtliche Bedenken. Denn die Kollegen im dieses Problem an der Wurzel anpacken und auch Europaparlament sagen uns, dass dies nicht der einen begrenzten Konflikt mit Brüssel wagen; wir Fall ist. Wir müssen die offenen Fragen rechtzeitig müssen als Parlament deutlich machen, dass wir klären. Die Punkte liegen auf dem Tisch. Ich bitte nicht gewillt sind, von Brüssel regeln zu lassen, alle Beteiligten, die strittigen Fragen jetzt zu klären. welche Statistiken Betriebe mit zehn oder Wir müssen alle gemeinsam in Europa vorstellig 20 Beschäftigten in Deutschland abzugeben haben werden, um die Dinge zu ändern. Wenn wir es jetzt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei nicht schaffen, dann müssen wir eben, wie Frau Abgeordneten der SPD – Beifall bei der Merkel dies angekündigt hat, den Bürokratieabbau FDP sowie bei Abgeordneten des zum Schwerpunktthema ihrer Ratspräsidentschaft BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) im ersten Halbjahr 2007 machen. oder ob wir bestimmte Bewegungen per Umfragen Wir haben aus diesen Gründen jetzt zum ermitteln. Beispiel nicht beschließen können – wir wollen das aber in einem zweiten Schritt unbedingt tun und Ich nenne einmal, was wir jetzt beschlossen werden uns da zur Not auf diesen begrenzten haben: Aussetzung der Gehalts- und Konflikt einlassen, wie ich es vorhin schon gesagt Lohnstrukturerhebung in 2007, die Anhebung der habe –, dass Existenzgründer in den ersten drei Buchführungspflichtgrenze und Ausweitung der Jahren von der Pflicht zur Erstellung von Sta- Kleinbetragsrechnung im Umsatzsteuerrecht. tistiken freigestellt werden. Ich will auf die gute Zusammenarbeit mit dem (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Arbeits- und Sozialministerium verweisen und Christian Lange [Backnang] [SPD]) einen Punkt besonders hervorheben. Wenn wir schon die vorgezogenen Zahlungen für die Es kann nicht sein, dass einem solchen Vorhaben Sozialversicherungsbeiträge aus finanziellen europäische Vorschriften entgegenstehen. Wir Gründen nicht haben rückgängig machen können, sollten einem solchen Konflikt im Interesse der so sollten wir wenigstens das Verfahren so un- deutschen Bevölkerung nicht aus dem Weg gehen bürokratisch wie eben möglich machen, indem die und gemeinsam nach Lösungen suchen. Beiträge pauschal auf der Basis der Zahlungen Im Übrigen gilt: In jedem anderen Bereich der des Vormonats gezahlt werden. Republik erfolgt die Datenermittlung über Die Bertelsmann-Stiftung hat die Auswirkungen Stichprobenerhebungen, Meinungsbefragungen dieses Bürokratieproblems einmal exemplarisch usw. Warum kann man nicht bei Unternehmen bis durchgerechnet. Die Ergebnisse liegen uns vor. zu 50 Beschäftigten alle benötigten Statistiken Bitte hören Sie einmal genau zu: Die Bürokratie, weitestgehend auf diese Weise erstellen? Damit die mit diesem Vorgang verbunden ist, kostet die müssen sich kleinere Betriebe nicht quälen. deutsche Wirtschaft 800 Millionen Euro zusätzlich. Auf der anderen Seite gilt: Wenn die Betriebe Gott sei Dank kann diese Bürokratie beseitigt die Erstellung dieser Statistiken nicht ernst werden. Herr Berninger, da Sie gleich nehmen – was ich höre, deutet eher darauf hin –, wahrscheinlich behaupten, es gehe alles nicht weit dann führt dies zu einem unbrauchbaren genug, will ich Ihnen sagen, dass man daran Datenbestand. Viele Betriebe wollen dazu sehen kann, welchen Quatsch Sie damals übergehen, an Stelle des Chefs, der dafür seine beschlossen haben. kostbare Zeit nicht opfern will, irgendeinen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Mitarbeiter, der irgendetwas aufschreibt, mit dieser neten der FDP) Aufgabe zu betrauen. Wenn das so ist, dann ist die Statistik nicht aussagekräftig und wird auch nicht Deswegen sollten Sie sich in der kommenden gebraucht. Diskussion nicht zu weit vorwagen, sondern konstruktiv an dem mitarbeiten, was wir uns (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gemeinsam vorgenommen haben. Ich fordere alle auf, bei der Erstellung von Vorschlägen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4121

Deswegen sollten wir hier wirklich mit dem Abgegebenen Stimmen: 551; Rasenmäher herangehen und den davon Normenkontrollrat bei seiner Arbeit tatkräftig ja: 52 unterstützen. nein: 498 Mit Blick auf das zweite Mittelstandsentlastungsgesetz möchte ich schon enthalten: 1 jetzt sagen: Wir sollten unmittelbar an der Arbeit bleiben. Es sollte auch kein Schlusspunkt sein, Ja sondern nur einen weiteren Schritt darstellen. Der Bürokratieabbau, diese Maßnahmen für den Mittel- DIE LINKE stand in Deutschland sind eine Aufgabe für die Hüseyin-Kenan Aydin ganze Legislaturperiode. Wir müssen Schritt um Karin Binder Schritt versuchen, das Geflecht der Bürokratie Dr. Lothar Bisky auseinander zu reißen. Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Ich will darüber hinaus auf einen Punkt aus der Dr. Martina Bunge Koalitionsvereinbarung hinweisen. In der Roland Claus Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Sevim Dagdelen CDU/CSU steht auch, dass wir den neuen Dr. Diether Dehm Ländern Möglichkeiten der Abweichung von Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann gesetzlichen Bestimmungen des Bundes Klaus Ernst gewähren wollen. Auch das kann zusätzlich ein Wolfgang Gehrcke guter Weg sein, um dieses Geflecht zu Diana Golze durchkreuzen. Heike Hänsel Lutz Heilmann Wir haben jetzt erlebt, dass sich Betroffene und Hans-Kurt Hill Beamte, die mit diesen Themen beschäftigt sind, Cornelia Hirsch selbst bei den ersten Maßnahmen, die wir Inge Höger-Neuling getroffen haben, zur Wehr setzen. Das wird ein Dr. Barbara Höll schwieriger Kampf. Wir hören auch, dass selbst Ulla Jelpke bei Maßnahmen, die wir für die Bauindustrie bzw. Dr. Lukrezia Jochimsen das Baugewerbe treffen wollen, als Erstes der Dr. Hakki Keskin Zentralverband des Deutschen Baugewerbes Katja Kipping seine Bedenken vorträgt. Wir wissen, dass Monika Knoche Jan Korte Architekten und Ingenieure, wenn in der Katrin Kunert Bauordnung Vereinfachungen vorgenommen Oskar Lafontaine werden sollen, entsprechend Einspruch einlegen. Michael Leutert Gegen die Mentalität in Deutschland, dass man Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch für alles einen Stempel haben will, ehe man Ulrich Maurer anfängt, zu arbeiten, müssen wir gemeinsam in Dorothee Menzner diesem Parlament antreten. Ich wünsche uns bei Kornelia Möller dieser Arbeit viel Erfolg. Das erste Kersten Naumann Mittelstandsentlastungsgesetz ist ein Beginn, aber Wolfgang Nešković kein Ende dieser Arbeit. Dr. Norman Paech Petra Pau (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Bodo Ramelow neten der SPD) Elke Reinke Paul Schäfer (Köln) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Volker Schneider (Saarbrücken) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe das Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert von den Schriftführerinnen und Schriftführern Dr. Petra Sitte ermittelte Ergebnis der namentlichen Frank Spieth Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Dr. Kirsten Tackmann Die Linke zur Änderung des Dritten Buches Dr. Axel Troost Sozialgesetzbuch bekannt: Abgegebene Alexander Ulrich Stimmen 551. Mit Ja haben gestimmt Jörn Wunderlich 52 Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt Sabine Zimmermann 498 Abgeordnete. Es gab eine Enthaltung. fraktionslos Gert Winkelmeier

Nein

Endgültiges Ergebnis 4122 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

CDU/CSU Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ulrich Adam Ernst Hinsken Ilse Aigner Peter Hintze Peter Albach Robert Hochbaum Thomas Bareiß Klaus Hofbauer Norbert Barthle Franz-Josef Holzenkamp Dr. Wolf Bauer Joachim Hörster Günter Baumann Anette Hübinger Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Hubert Hüppe Veronika Bellmann Susanne Jaffke Dr. Christoph Bergner Dr. Peter Jahr Otto Bernhardt Dr. Hans-Heinrich Jordan Clemens Binninger Andreas Jung (Konstanz) Carl-Eduard von Bismarck Dr. Peter Bleser Bartholomäus Kalb Antje Blumenthal Hans-Werner Kammer Jochen Borchert Steffen Kampeter Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Alois Karl Wolfgang Bosbach Bernhard Kaster Klaus Brähmig Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Michael Brand Volker Kauder Helmut Brandt Eckart von Klaeden Dr. Ralf Brauksiepe Jürgen Klimke Monika Brüning Julia Klöckner Georg Brunnhuber Jens Koeppen Gitta Connemann Kristina Köhler (Wiesbaden) Leo Dautzenberg Manfred Kolbe Hubert Deittert Norbert Königshofen Alexander Dobrindt Hartmut Koschyk Thomas Dörflinger Thomas Kossendey Marie-Luise Dött Michael Kretschmer Maria Eichhorn Gunther Krichbaum Anke Eymer (Lübeck) Dr. Günter Krings Georg Fahrenschon Dr. Martina Krogmann Ilse Falk Johann-Henrich Krummacher Dr. Hans Georg Faust Dr. Hermann Kues Enak Ferlemann Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Hartwig Fischer (Göttingen) Andreas G. Lämmel Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Norbert Lammert Dr. Maria Flachsbarth Katharina Landgraf Klaus-Peter Flosbach Dr. Max Lehmer Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Paul Lehrieder Erich G. Fritz Ingbert Liebing Jochen-Konrad Fromme Dr. Klaus W. Lippold Dr. Michael Fuchs Patricia Lips Hans-Joachim Fuchtel Dr. Michael Luther Dr. Peter Gauweiler Stephan Mayer (Altötting) Dr. Jürgen Gehb Wolfgang Meckelburg Norbert Geis Dr. Michael Meister Eberhard Gienger Dr. Angela Merkel Ralf Göbel Friedrich Merz Dr. Reinhard Göhner Laurenz Meyer (Hamm) Josef Göppel Maria Michalk Peter Götz Hans Michelbach Dr. Wolfgang Götzer Philipp Mißfelder Ute Granold Dr. Eva Möllring Reinhard Grindel Marlene Mortler Hermann Gröhe Carsten Müller (Braunschweig) Michael Grosse-Brömer Stefan Müller (Erlangen) Markus Grübel Bernward Müller (Gera) Manfred Grund Dr. Gerd Müller Monika Grütters Hildegard Müller Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Bernd Neumann (Bremen) Olav Gutting Henry Nitzsche Holger Haibach Michaela Noll Gerda Hasselfeldt Dr. Georg Nüßlein Ursula Heinen Franz Obermeier Uda Carmen Freia Heller Eduard Oswald Michael Hennrich Henning Otte Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4123

Rita Pawelski Dr. Lale Akgün Dr. Peter Paziorek Gregor Amann Ulrich Petzold Gerd Andres Dr. Joachim Pfeiffer Niels Annen Sibylle Pfeiffer Ingrid Arndt-Brauer Beatrix Philipp Rainer Arnold Ronald Pofalla Ernst Bahr (Neuruppin) Daniela Raab Doris Barnett Thomas Rachel Dr. Hans-Peter Bartels Hans Raidel Klaus Barthel Dr. Peter Ramsauer Sören Bartol Peter Rauen Sabine Bätzing Eckhardt Rehberg Dirk Becker Klaus Riegert Uwe Beckmeyer Dr. Heinz Riesenhuber Klaus Uwe Benneter Franz Romer Dr. Axel Berg Johannes Röring Ute Berg Kurt J. Rossmanith Petra Bierwirth Dr. Norbert Röttgen Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Christian Ruck Volker Blumentritt Albert Rupprecht (Weiden) Gerd Bollmann Peter Rzepka Dr. Gerhard Botz Anita Schäfer (Saalstadt) Klaus Brandner Hermann-Josef Scharf Willi Brase Dr. Wolfgang Schäuble Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Hartmut Schauerte Edelgard Bulmahn Dr. Annette Schavan Marco Bülow Dr. Andreas Scheuer Ulla Burchardt Karl Schiewerling Martin Burkert Norbert Schindler Dr. Michael Bürsch Georg Schirmbeck Christian Carstensen Bernd Schmidbauer Marion Caspers-Merk Christian Schmidt (Fürth) Dr. Peter Danckert Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Herta Däubler-Gmelin Ingo Schmitt (Berlin) Karl Diller Dr. Andreas Schockenhoff Martin Dörmann Dr. Ole Schröder Elvira Drobinski-Weiß Bernhard Schulte-Drüggelte Detlef Dzembritzki Uwe Schummer Sebastian Edathy Kurt Segner Siegmund Ehrmann Bernd Siebert Hans Eichel Thomas Silberhorn Petra Ernstberger Johannes Singhammer Karin Evers-Meyer Jens Spahn Annette Faße Christian Freiherr von Stetten Elke Ferner Gero Storjohann Gabriele Fograscher Andreas Storm Rainer Fornahl Max Straubinger Gabriele Frechen Thomas Strobl (Heilbronn) Dagmar Freitag Michael Stübgen Peter Friedrich Antje Tillmann Martin Gerster Dr. Hans-Peter Uhl Iris Gleicke Arnold Vaatz Günter Gloser Volkmar Uwe Vogel Renate Gradistanac Andrea Astrid Voßhoff Angelika Graf (Rosenheim) Gerhard Wächter Dieter Grasedieck Marco Wanderwitz Monika Griefahn Kai Wegner Kerstin Griese Marcus Weinberg Gabriele Groneberg Peter Weiß (Emmendingen) Achim Großmann Gerald Weiß (Groß-Gerau) Wolfgang Grotthaus Karl-Georg Wellmann Wolfgang Gunkel Anette Widmann-Mauz Hans-Joachim Hacker Klaus-Peter Willsch Bettina Hagedorn Elisabeth Winkelmeier-Becker Klaus Hagemann Wolfgang Zöller Alfred Hartenbach Willi Zylajew Michael Hartmann (Wackernheim) Nina Hauer SPD Reinhold Hemker Rolf Hempelmann 4124 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Dr. Barbara Hendricks Sönke Rix Gustav Herzog René Röspel Petra Heß Dr. Ernst Dieter Rossmann Gabriele Hiller-Ohm Karin Roth (Esslingen) Petra Hinz (Essen) Michael Roth (Heringen) Gerd Höfer Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Iris Hoffmann (Wismar) Anton Schaaf Frank Hofmann (Volkach) Axel Schäfer (Bochum) Eike Hovermann Bernd Scheelen Klaas Hübner Dr. Hermann Scheer Christel Humme Marianne Schieder Brunhilde Irber Otto Schily Johannes Jung (Karlsruhe) Silvia Schmidt (Eisleben) Josip Juratovic Dr. Frank Schmidt Johannes Kahrs Heinz Schmitt (Landau) Ulrich Kasparick Carsten Schneider (Erfurt) Dr. h.c. Susanne Kastner Olaf Scholz Ulrich Kelber Reinhard Schultz (Everswinkel) Christian Kleiminger Swen Schulz (Spandau) Hans-Ulrich Klose Ewald Schurer Dr. Bärbel Kofler Frank Schwabe Fritz Rudolf Körper Dr. Angelica Schwall-Düren Karin Kortmann Dr. Martin Schwanholz Rolf Kramer Rita Schwarzelühr-Sutter Anette Kramme Wolfgang Spanier Ernst Kranz Dr. Margrit Spielmann Nicolette Kressl Jörg-Otto Spiller Volker Kröning Dr. Ditmar Staffelt Angelika Krüger-Leißner Andreas Steppuhn Dr. Hans-Ulrich Krüger Ludwig Stiegler Jürgen Kucharczyk Rolf Stöckel Helga Kühn-Mengel Christoph Strässer Ute Kumpf Joachim Stünker Dr. Uwe Küster Dr. Rainer Tabillion Christine Lambrecht Jörg Tauss Christian Lange (Backnang) Jella Teuchner Dr. Karl Lauterbach Dr. h.c. Wolfgang Thierse Waltraud Lehn Jörn Thießen Gabriele Lösekrug-Möller Franz Thönnes Dirk Manzewski Hans-Jürgen Uhl Lothar Mark Rüdiger Veit Caren Marks Simone Violka Katja Mast Jörg Vogelsänger Hilde Mattheis Dr. Marlies Volkmer Markus Meckel Hedi Wegener Petra Merkel (Berlin) Petra Weis Ulrike Merten Gunter Weißgerber Dr. Matthias Miersch Gert Weisskirchen (Wiesloch) Ursula Mogg Dr. Rainer Wend Marko Mühlstein Lydia Westrich Detlef Müller (Chemnitz) Dr. Margrit Wetzel Michael Müller (Düsseldorf) Andrea Wicklein Dr. Rolf Mützenich Heidemarie Wieczorek-Zeul Andrea Nahles Engelbert Wistuba Thomas Oppermann Dr. Wolfgang Wodarg Holger Ortel Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heinz Paula Heidi Wright Johannes Pflug Uta Zapf Joachim Poß Manfred Zöllmer Christoph Pries Brigitte Zypries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold FDP Dr. Sascha Raabe Jens Ackermann Mechthild Rawert Dr. Karl Addicks Steffen Reiche (Cottbus) Christian Ahrendt Maik Reichel Daniel Bahr (Münster) Gerold Reichenbach Uwe Barth Dr. Carola Reimann Rainer Brüderle Christel Riemann-Hanewinckel Angelika Brunkhorst Walter Riester Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4125

Ernst Burgbacher Markus Kurth Patrick Döring Monika Lazar Mechthild Dyckmans Dr. Reinhard Loske Jörg van Essen Anna Lührmann Ulrike Flach Jerzy Montag Paul K. Friedhoff Winfried Nachtwei Horst Friedrich (Bayreuth) Brigitte Pothmer Dr. Edmund Peter Geisen Claudia Roth (Augsburg) Dr. Wolfgang Gerhardt Krista Sager Hans-Michael Goldmann Elisabeth Scharfenberg Miriam Gruß Christine Scheel Joachim Günther (Plauen) Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Gerhard Schick Heinz-Peter Haustein Rainder Steenblock Birgit Homburger Silke Stokar von Neuforn Dr. Werner Hoyer Hans-Christian Ströbele Michael Kauch Dr. Harald Terpe Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Trittin Hellmut Königshaus Wolfgang Wieland Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Enthalten Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk SPD Harald Leibrecht Ina Lenke Ottmar Schreiner Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Gisela Piltz Jörg Rohde Zugleich möchte ich mich für das Protokoll Frank Schäffler korrigieren. Ich habe beim Dr. Konrad Schily Tagesordnungspunkt 9 b fälschlicherweise gesagt, Marina Schuster Dr. Max Stadler die Fraktion Die Linke habe gegen die Florian Toncar Beschlussempfehlung betreffend Christoph Waitz Drucksache 16/953 gestimmt. Sie hat ihr aber Dr. Claudia Winterstein zugestimmt. Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ich gebe jetzt das Wort dem Kollegen Martin Martin Zeil Zeil, FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae Martin Zeil (FDP): Volker Beck (Köln) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Cornelia Behm Birgitt Bender Kolleginnen und Kollegen! Der Mittelstand in Matthias Berninger Deutschland stellt weit über 90 Prozent aller Grietje Bettin Unternehmen. Er tätigt 41 Prozent aller Alexander Bonde steuerpflichtigen Umsätze, bietet 70 Prozent aller Ekin Deligöz Arbeitsplätze und bildet über 80 Prozent aller Dr. Thea Dückert Lehrlinge aus. Die meisten Mittelständler handeln Dr. Uschi Eid verlässlich mit hohem persönlichem Risiko. Hans-Josef Fell Kai Gehring (Zuruf des Abg. Reinhard Schultz [Everswin- Katrin Göring-Eckardt kel] [SPD]) Anja Hajduk Britta Haßelmann – Ich weiß, dass das für einen Sozialdemokraten Winfried Hermann etwas Neues sein kann. – Sie sind Peter Hettlich heimatverbunden, auch wenn sie längst global Priska Hinz (Herborn) agieren – und das mit großem Erfolg. Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter (Beifall bei der FDP) Bärbel Höhn Sie unterscheiden sich dadurch von vielen Thilo Hoppe Großunternehmen, die ständig Arbeitsplätze Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl abbauen, Standorte verlagern und sich Renate Künast gravierende Managementfehler leisten. Undine Kurth (Quedlinburg) 4126 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Kein Wunder also, dass der Mittelstand in den großen Entfesselungsgesetz, ist ein kleines Sonntagsreden fast aller Politiker einen großen Mäuslein geworden. Ich zitiere: Raum einnimmt. In einigen Fraktionen gibt es Die Union verliere ihre Glaubwürdigkeit, „wenn sogar Mittelstandsvereinigungen und sie öffentlich Freiheit predigt und in der großen mittelstandspolitische Sprecher. So müsste sich Koalition Staatswirtschaft praktiziert.“ der deutsche Mittelstand eigentlich gut auf- gehoben, gehegt und gepflegt fühlen. Das sagt immerhin Herr Schlarmann, der Vorsitzende Ihrer Mittelstandsvereinigung. Doch die Befindlichkeit bei vielen Mittelständlern ist eine ganz andere. Bei meinen (Beifall bei der FDP – Hartfrid Wolff [Rems- Betriebsbesuchen und Gesprächen treffe ich auf Murr] [FDP]: Recht hat er!) Unternehmer, die sich durch Ideenreichtum, hohe Wir haben mit unserem Änderungs- und Professionalität und soziale Verantwortung für ihre Entschließungsantrag gezeigt – wie übrigens auch Mitarbeiter auszeichnen. Großes Vertrauen in die der Bundesrat in seinen Anmerkungen –, was aus Politik und die Lippenbekenntnisse haben diese der Sicht des Mittelstandes nötig und auch sofort Leute aber nicht. Die meisten sagen: Wir wün- umsetzbar wäre. Aber dazu braucht es natürlich schen uns, dass sich der Staat auf seine Einsicht, Kraft und auch Kenntnis der betrieblichen eigentlichen Aufgaben beschränkt und sich nicht Praxis. Nach einigen Monaten im Deutschen immer neue Regelungen und Belastungen Bundestag kann ich es gut nachvollziehen, wenn ausdenkt. Sie wünschen sich zum Beispiel eine viele Unternehmer den Eindruck haben, dass viele Reform des Arbeitsrechts, das Hürden für Ein- Politiker von den echten Problemen leider viel zu stellungen endlich abbaut, statt neue aufzubauen. wenig Ahnung haben. Viele gut ausgebildete junge Menschen, die wir Sie können von uns keine Zustimmung zu Ihrem im Mittelstand als Nachwuchs dringend Mittelstandsentlastungsgesetz erwarten. Sie benötigen, verlassen jährlich unser Land, im werden auch kein Vertrauen gewinnen, wenn Sie letzten Jahr fast eine viertel Million. Sie tun dies, gleichzeitig neue Belastungen durchsetzen oder weil ihnen unser Land in seiner politischen ankündigen: Mehrwertsteuer, Reichensteuer, mehr Behäbigkeit und seiner Regelungswut offen- Staat in der Gesundheitspolitik und jetzt eine sichtlich keine attraktive Perspektive bietet. Diese Unternehmensteuerreform, die von der Gewinn- Entwicklung ist ein Besorgnis erregender Beleg für zur Substanzbesteuerung übergeht. die mangelnde Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Ihre Politik ist halbherzig und widersprüchlich. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Da beklagen Sie heute in der Aktuellen Stunde die Herren von der Koalition, bleibt das so genannte Ausbildungssituation in unserem Land und Mittelstandsentlastungsgesetz weit hinter den haben nicht die Kraft, ebendie Unternehmen, die Notwendigkeiten zurück. ausbilden sollen, von bürokratischen Lasten (Beifall bei der FDP) wirklich zu befreien. Mit den paar Regelungen – die ja nicht falsch sind Es gibt – lassen Sie mich das zum Abschluss – geben Sie dem Mittelstand eine sagen – in diesem Hause leider viel zu viele Beruhigungspille, um davon abzulenken, dass staatsgläubige Fraktionen, Sie gleichzeitig neue Belastungen und neue (Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Leider, Bürokratie einführen, gerade heute mit der leider!) Verabschiedung des Gleichbehandlungsgesetzes. für die Bürokratieabbau ein hoheitlicher Gnadenakt (Beifall bei der FDP) und kein Herzensanliegen ist. Typisch ist auch die Regelung bei der (Beifall bei der FDP) Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Statt, Herr Kollege Meyer, den frechen Griff in die Wir Liberale sehen in einer echten Entlastung Liquidität der Unternehmen rückgängig zu des Mittelstands von Bürokratie und Belastungen machen, lassen Sie diese gravierende Belastung ein Freiheits- und Zukunftsthema schlechthin. Wir stehen und machen ein bisschen Abrech- werden nicht locker lassen und werden darauf nungsvereinfachung. drängen, dass den Unternehmen Verbesserungen nicht nur in Presseerklärungen der Union, sondern (Beifall bei der FDP – Peter Weiß auch im Bundesgesetzblatt endlich spürbar [Emmendingen] [CDU/CSU]: Hätten Sie geboten werden. lieber die Renten gekürzt?) (Beifall bei der FDP) Nein, die große Entfesselungsoffensive ist das nicht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wenn auch aus Kreisen der Koalition selbst die Das Wort hat der Kollege Christian Lange, SPD- mangelnde Mitwirkung des Ministeriums gerügt Fraktion. wird, dann ist das ein Armutszeugnis für dieses Ministerium. Aus dem Tiger in der Presse, dem Christian Lange (Backnang) (SPD): Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4127

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen Genehmigungsverfahren vereinfachen und und Herren! Lieber Kollege Zeil, ich muss fast beschleunigen, Doppel- und Mehrfachprüfungen sagen, ich bin Ihnen dankbar ob Ihres Beitrages, abbauen, Schwellenwerte vereinheitlichen, die weil er mir Gelegenheit gibt, deutlich zu machen, Verpflichtung von Betrieben zur Bestellung von dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Beauftragten begrenzen sowie die begonnene Bürokratieabbau auf der einen Seite und dem Vereinfachung der betriebsärztlichen und si- Abbau materiellen Rechts auf der anderen Seite. cherheitstechnischen Betreuung von Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Genau dies ist Kleinbetrieben fortführen. auch der Grund, warum es Ihnen während Ihrer Wie erfolgreich Bürokratieabbau sein kann, zeigt Regierungszeit – selbst ich als jüngerer Kollege in der Tat das jüngste Beispiel des Arbeits- und habe 16 Jahre Ihrer Zeit unter Helmut Kohl erlebt Sozialministers Müntefering. Erstmals wurde, ohne und auch noch ein paar Jahre sozialliberale Zeit – dass das Gesetz zu diesem Zeitpunkt schon in nicht gelungen ist, Bürokratie abzubauen. Kraft war, das so genannte Erstmals – das ist die Chance, die diese große Standardkostenmodell eingesetzt, mit dem Koalition ergriffen hat – ist es gelungen, die ermittelt wird, in welcher Höhe Kosten für den gegenseitige ideologische Blockade aufzuheben, Mittelstand entstehen, wenn eine gesetzliche indem man deutlich macht: Bürokratieabbau hat Neuregelung zur Anwendung kommt. Ich will etwas damit zu tun, die bürokratischen diesen Fall ein bisschen ausführen, weil er deutlich Informationslasten der Unternehmen zu macht, wie absurd die Kritik der FDP ist. In diesem reduzieren. Das ist es, worunter kleine speziellen Fall geht es um die Vorverlegung der Unternehmen in der Tat leiden: Sie müssen Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen, die Hunderte von Formularen ausfüllen und können seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist. Viele die Dinge nicht mehr verstehen und Kolleginnen und Kollegen können aufgrund der nachvollziehen, weil sie – anders als die Erfahrungen in ihren Wahlkreisen die Kritik der Großunternehmen – keine Abteilung dafür haben. Handwerker, der kleinen und mittleren Genau das zu ändern, ist Aufgabe von Unternehmer sicher gut nachvollziehen und haben Bürokratieabbau, und nicht der Abbau von sie noch voll im Ohr. Diese Regelung war von Arbeitsrecht, Kündigungsschutz und dergleichen. Anfang an heiß umstritten und wurde heftig kritisiert. Aber sie schien im Grunde unaus- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten weichlich, um einen drohenden der CDU/CSU) Beitragssatzanstieg in der Rentenversicherung zu Deshalb haben wir übrigens in Richtung vermeiden. Deshalb haben die heutigen Niederlande – das will ich deutlich sagen – Koalitionsfraktionen – die CDU/CSU war damals geschaut. In den Niederlanden – das sage ich noch in der Opposition – zugestimmt. auch gerichtet an die Kolleginnen und Kollegen Seit der Vorverlegung der Beitragsfälligkeit zu von der PDS – ist es gelungen, dieses Gesetz im Beginn dieses Jahres sind Unternehmen Parlament einstimmig durchzusetzen. Warum? verpflichtet, Beitragsnachweise mehrere Tage vor Weil man nicht in die ideologische Sackgasse Monatsende zu melden. Da insbesondere in den gegangen ist, dass man eigentlich materielles Branchen mit schwankenden Bezügen und Recht anspricht, es aber mit Bürokratieabbau Bezahlung auf Stundenlohnbasis, beispielsweise bemäntelt. Dieses Misstrauen schlägt dieser in der Gastronomie oder im Baugewerbe, der Diskussion entgegen. Ich bedauere ausdrücklich, endgültige Lohn vor dem Monatsende noch nicht dass Sie diese Vorurteile immer wieder beliefern. feststeht, müssen viele Betriebe regelmäßig Ich dachte eigentlich, dass wir auf einem besseren zunächst eine Prognose abgeben und wenige Weg wären. Ich bin dankbar, dass die Tage später eine Korrektur vornehmen, was Koalitionsfraktionen diesen besseren Weg erheblichen Mehraufwand verursacht. Das kann in ungeachtet der Kritik, die meines Erachtens der Tat nicht gewollt sein. vorbeigeht, gehen. Nun greift diese Berechnungsmethode. Das hat Herr Kollege Meyer, Ihren Bemerkungen zur nichts damit zu tun, das Ziel des Gesetzes Janusköpfigkeit der Verbände stimme ich abzuändern. Herr Zeil, deswegen war Ihr Beispiel ausdrücklich zu. Wir erleben in der Tat immer vom Allgemeinen Gleichstellungsgesetz falsch; wieder, insbesondere auf europäischer Ebene, denn wenn diese Methode, die jetzt im dass auf der einen Seite Entbürokratisierung Zusammenhang mit den Sozialversiche- gepredigt und auf der anderen Seite ein Mehr an rungsbeiträgen angewandt wird, auf das Bürokratie verlangt wird. Wir erleben das in Allgemeine Gleichstellungsgesetz angewandt vielfältigen Zusammenhängen bei den Verbänden würde, würden wir einen Handlungsfaden in unserem Land, aber auch hinsichtlich der bekommen, wie wir das Allgemeine Anforderungen der Europäischen Union an uns. Gleichstellungsgesetz noch besser durchsetzen Deshalb ist es richtig, dass wir in einem ersten könnten, damit es noch viel effektiver wirken Schritt – das ich sage ausdrücklich – Statistik-, könnte. Das ist das Ziel des Nachweis-, Dokumentations- und Standardkostenmodells. Es geht nicht darum, Buchführungspflichten reduzieren, Planungs- und 4128 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 das gesetzgeberisch vorgegebene Ziel in Zweifel der Tat noch nicht beschlossen werden kann; zu ziehen, sondern es besser zur Entfaltung zu Kollege Zeil, hier hat Ihre Kritik angesetzt. Das ist bringen. von der Europäischen Union vorgegeben. Genau das ist bei den Wir haben uns vorgenommen, dass wir die Sozialversicherungsbeiträgen geschehen. Wie ist Hinweise, Vorschläge und Richtlinien der das geschehen? Die IHK Bonn/ Rhein-Sieg hat Europäischen Union nicht mehr so einfach darauf aufmerksam gemacht, dass die hinnehmen. Diese Chance haben wir durch die Mehrbelastung den Vorteil der Vorverlegung der Methode, die wir jetzt anwenden. Wir haben eine Beitragssatzfälligkeit der objektive Methode geschaffen und können erst- Sozialversicherungsbeiträge erheblich mals den Kampf mit der Europäischen Union überschreiten und von Dauer sein würde. Außer- aufnehmen, mit der Kommission und dem dem hat sie festgestellt, dass nicht alle Parlament. Wir werden dies auch tun. Wir haben Unternehmen von dieser Mehrbelastung jetzt eine entsprechende Grundlage, die wir vorher gleichmäßig betroffen wären. Während knapp die nicht hatten. Deshalb finde ich es bedauerlich, Hälfte der Unternehmen so gut wie nicht betroffen dass ausgerechnet die FDP an dieser Stelle Nein ist, tragen die anderen die Mehrbelastung. Das sagt. kann nicht Sinn und Zweck der Geschichte sein. (Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Es wurde in der Tat berechnet – Kollege Meyer Thierse) hat die Summe genannt –, dass diese Ich will es noch einmal sagen: Das Ziel, Neuregelung Mehrbelastungen in Höhe von Bürokratie in Deutschland abzubauen, 800 Millionen Euro auslöst. Das Interessante für den Gesetzgeber ist, dass wir 1,03 Milliarden Euro (Martin Zeil [FDP]: Das ist wenig!) eingespielt haben. Das heißt, diese bürokratische gelingt aus meiner Sicht effektiv nur dann, wenn Maßnahme des Staates ist faktisch ein Nullsum- wir uns in einem Punkt einig sind: Es geht nicht menspiel. darum, den politischen Willen zu verändern, sondern es geht darum, die Betriebe von dem zu entlasten, was ihre Kreativität und wirtschaftliche (Martin Zeil [FDP]: Das haben wir damals Dynamik abwürgt. schon vorausgesagt!) (Martin Zeil [FDP]: Das ist genau das, was Sie Das kann aber doch nicht der gesetzgeberische machen!) Zweck sein. Genau an dieser Stelle greift das Standardkostenmodell, wie ich meine, zu Recht Der politische Streit über die Frage, was das ein, politische Ziel ist – Kündigungsschutz, Arbeitsschutz usw. –, muss im materiell-rechtlichen (Martin Zeil [FDP]: Das ist ja ganz was Diskurs geführt werden und bitte nicht unter dem Neues!) Deckmantel des Abbaus von Bürokratiekosten. weil es einen Weg aufzeigt, wie wir unser Ziel Herzlichen Dank. besser erreichen können. Es wirkt auch. Der Arbeitsminister hat, noch bevor das Gesetz in Kraft (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) war, reagiert und dafür gesorgt, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, bei der Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Monatsabrechnung die Werte des Vormonates Ich erteile das Wort Kollegin Sabine anzusetzen und Differenzen zu den Istzahlen erst Zimmermann, Fraktion Die Linke. im Folgemonat auszugleichen. Es handelt sich also um eine Pauschalierung. Diesen Weg hat uns (Beifall bei der LINKEN) diese Methode eröffnet. Deshalb meine ich, dass sie nicht diskreditiert gehört. Es gehört sich auch Sabine Zimmermann (DIE LINKE): nicht, sich bei der Abstimmung zu enthalten, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sondern dies sollte unterstützt werden, gerade Meine Damen und Herren! Der Mittelstand ist das vonseiten der FDP. Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Ich frage Sie: Wie ernst meinen Sie dies? Herr Meyer sagte (Beifall bei der SPD) gerade, dass er mit dem Rasenmäher herangehen Wir werden darüber hinaus im zweiten möchte. Ich sehe schon, wie er dort den Rasen Mittelstandsentlastungsgesetz, das wir bereits mäht. Sie sagen, dass Sie eine Politik machen angekündigt haben, die Existenzgründer in den wollen, die den Mittelstand entlastet. Sie haben ersten drei Jahren allgemein von der Pflicht zur versprochen: Unter dem Deckmantel des Bürokra- Erstellung statistischer Berichte freistellen. tieabbaus findet kein Abbau gesellschaftlich Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten notwendiger Standards statt. Nun liegt das erste werden wir zu maximal drei statistischen Bürokratieabbaugesetz vor und wir können Sie an Stichprobenerhebungen pro Jahr heranziehen. Ihren Taten messen. Auch dies ist ein konkreter Beitrag, der heute in Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4129

Zum ersten Punkt, der Hilfe für die kleinen (Beifall bei der LINKEN) Unternehmen. Angeblich bringt Ihr Gesetz im Ich fasse zusammen: Sie reden vom nächsten Jahr eine finanzielle Entlastung von Bürokratieabbau im Interesse des Mittelstands. 160 Millionen Euro; ich beziehe mich auf Ihre Aber ihm nützt das, was Sie machen, überhaupt Zahlen. Für das einzelne Unternehmen bedeutet nicht, weil keine Nachfrage vorhanden ist. Mit der das vielleicht eine Entlastung um einige hundert Mehrwertsteuererhöhung legen Sie noch eins Euro im Jahr, wenn überhaupt. Das wird ihnen drauf. Ihr Bürokratieabbau geht auf Kosten des wenig helfen. Zusätzlich haben Sie die Erhöhung Datenschutzes und anderer sinnvoller und der Mehrwertsteuer beschlossen. Wird die höhere notwendiger Regelungen. Wir sagen: Ihr Mehrwertsteuer komplett über die Preise Gesetzentwurf ist ein Placebo. Die Linksfraktion weitergegeben, bringt das netto 15 Milliarden Euro. wird ihn nicht unterstützen. Das entzieht der Volkswirtschaft Kaufkraft. In der Wirtschaft fehlt die Nachfrage. Stellen Sie das Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. einmal gegenüber: 160 Millionen Euro Entlastung (Beifall bei der LINKEN) und 15 Milliarden Euro Belastung. – Das sagt wohl alles. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Beifall bei der LINKEN – Laurenz Meyer Das Wort hat nun Kollege Matthias Berninger, [Hamm] [CDU/CSU]: Sie haben nicht Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. zugehört!) – Doch, Herr Meyer. Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Zum zweiten Punkt, den Auswirkungen des Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bürokratieabbaus. Wir haben uns im Ausschuss Zunächst einmal: Nicht Ihr Gesetzentwurf hat mir schon darüber unterhalten. Leider haben sich die Sprache verschlagen, sondern eine Erkältung unsere Befürchtungen bestätigt, dass mehr als nur zur besten Jahreszeit. Bürokratie abgebaut wird. Es handelt sich um einen Bürokratieabbau, bei dem der Datenschutz Mit diesem Gesetzentwurf ist es nicht gelungen, flöten geht. Damit hat diese große Koalition den Anspruch, den die Abgeordneten der Koalition anscheinend gar kein Problem. Künftig sollen an sich selbst gestellt haben, zu erfüllen. Erinnern Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern keinen wir uns an die Debatte über die Einführung des Datenschutzbeauftragten mehr bestellen; der Normenkontrollrats. Auch damals war es so, Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat dies dass sich die Abgeordneten der Koalition höhere scharf kritisiert. Ihre Änderungen verstoßen gegen Ziele gesteckt hatten. Dann wurden sie das europäische Datenschutzrecht. Der zurückgepfiffen, weil ein Fraktionschef keine Lust Datenschutzbeauftragte hat eine Alternative hatte, den Normenkontrollrat mit erweiterten vorgeschlagen, nämlich über die Kammern und Kompetenzen auszustatten. Innungen einen betrieblichen (Martin Zeil [FDP]: Angst hat er gehabt!) Datenschutzbeauftragten zu installieren. Aber Union und SPD haben diesen Vorschlag nicht Letztlich hat man gesagt: Es gibt ja das angenommen. Mittelstandsentlastungsgesetz; Wie die große Koalition mit Kritik umgeht, ist be- (Martin Zeil [FDP]: Ja, genau!) zeichnend. Anscheinend halten Sie es nicht mehr in ihm werden die wegweisenden neuen Einzelvor- für nötig, auf Kritik, die außerhalb des Parlaments schläge installiert. geäußert wird, einzugehen. Es hört sich vielleicht toll an, aber wir haben in Deutschland eine Am Mittwoch dieser Woche haben wir eine gespaltene Konjunktur: Die Großkonzerne Sitzung des Wirtschaftsausschusses erlebt, in der verdienen prächtig, die Kleinstunternehmen jedoch die Abgeordneten der Koalition mitgeteilt haben, bewegen sich oft in der Verlustzone. Deshalb dass aus den großen Änderungen nun doch nichts brauchen wir Daten über diesen Bereich. Oder wird. Darüber hinaus haben die Abgeordneten der haben Sie die kleinen Unternehmen in diesem SPD angefangen, die Schuld dafür bei den Land schon abgeschrieben? Beamten des Wirtschaftsministeriums zu suchen. Abgesehen davon, dass ich es ziemlich befremd- (Beifall bei der LINKEN) lich fand, dass diese Beamten nicht gegen diesen Auch hier gibt es Alternativen. Der DGB hat Angriff verteidigt wurden, vorgeschlagen, die Erhebung von Daten an die (Zuruf von der SPD: Vielleicht ja doch!) Unternehmensgröße zu koppeln. Aber in Ihrem Gesetzentwurf kann ich dazu nichts finden. Ich ist die Situation ein bisschen anders gelagert. Es frage Sie: Ist das Machtverliebtheit oder politische ist doch so: Wenn die Abgeordneten der Koalition Absicht? Ich kann Sie nur warnen: Verwechseln im Wirtschaftsausschuss vollmundig erklären, Sie nicht die Mehrheit in diesem Parlament mit der Bürokratieabbau betreiben zu wollen, dann dürfen Mehrheit in der Gesellschaft! sie nicht als Gesetzentgegennehmer fungieren, sondern müssen als Gesetzgeber den Mut haben, 4130 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 den einen oder anderen Vorschlag durchzusetzen, mehr Freiräume hat, als wir letzten Endes nutzen. der es wert wäre, durchgesetzt zu werden. Der Mut, diese Freiräume zu nutzen, wird allerdings nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn (Beifall des Abg. Martin Zeil [FDP]) wir, wie die Parlamente in den anderen Der Kollege Meyer hat gesagt, dass auch in der europäischen Mitgliedstaaten, die Regelungen der rot-grünen Regierungszeit – ich war ja dabei – EU eher als wichtigen Hinweis für das Regierungs- Beschlüsse gefasst wurden, die nicht gut waren, handeln nehmen denn für bare Münze. Vieles, was und ein Beispiel angeführt, das der Kollege Lange wir eins zu eins übernehmen und dann drei- bis umfangreich beschrieben hat. Die Frage, warum vierfach bürokratisch überhöht beschließen, wird in man eine so bürokratische Regelung – sie ist anderen Mitgliedstaaten wesentlich einfacher leider nicht die einzige – getroffen hat, ist erlaubt gehandhabt. Ich glaube, dass man genau in und berechtigt. Ich befürchte, dass auch in der diesem Bereich Änderungen vornehmen sollte. siebenmonatigen Amtszeit der großen Koalition – (Martin Zeil [FDP]: Man sieht, dass Opposition auch wenn Ihnen diese Zeit schon viel länger manchmal zu besserer Einsicht führt!) vorkommt – bereits die eine oder andere ähnlich komplizierte Regelung getroffen worden ist, die Wir werden jedenfalls weiterhin konkrete nicht zum Nutzen der Unternehmerinnen und Vorschläge zum Bürokratieabbau machen. Unternehmer und nicht zum Nutzen der Ich denke, dass sich die PDS überlegen muss, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer war, die wie der Gesetzentwurf einzustufen ist: Ist er ein unter dem Bürokratieaufbau mittelbar genauso zu Angriff auf den Sozialstaat – das haben Sie am leiden haben. Anfang Ihrer Rede behauptet, Frau Zimmermann – (Martin Zeil [FDP]: Aber das mit den oder ist er – damit haben Sie geendet – eher ein Sozialversicherungsbeiträgen ist unter Placebo? Ich bin der Meinung, er ist eher ein den Grünen passiert!) Placebo. Nach oben ist noch sehr viel Raum für Verbesserungen. Die gute Nachricht des heutigen Tages ist: Jetzt geht es um das erste Herzlichen Dank. Mittelstandsentlastungsgesetz; das zweite wird (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) folgen. Wenn wir es als Parlament nicht schaffen, uns Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: an bestimmten Punkten über die Bedenkenträger Ich schließe die Aussprache. hinwegzusetzen, dann werden wir es auch nicht schaffen, bürokratische Regelungen abzubauen. Wir kommen zur Abstimmung über die von den Wir haben Ihnen dazu ein paar Vorschläge Fraktionen der CDU/CSU und der SPD sowie von gemacht. Ich will ein Beispiel nennen: Man der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe glaubte, dass durch die Einführung einer General- eines Ersten Gesetzes zum Abbau bürokratischer unternehmerhaftung die im Baugewerbe weit Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen verbreiteten Verträge, die große Unternehmen mit Wirtschaft, Druck-sachen 16/1407, 16/1853 und Subunternehmern schließen, so gestaltet werden 16/1970. Der Ausschuss für Wirtschaft und könnten, dass auch die Subunternehmer Technologie empfiehlt unter Buchstabe a seiner Sozialversicherungsbeiträge abführen. Die Folge Beschlussempfehlung auf Druck-sache 16/2017, dieses Gesetzes ist, dass die vielen kleinen die genannten Gesetzentwürfe zusam- Handwerker umfangreiche bürokratische Meldun- menzuführen und in der Ausschussfassung gen an die großen Subunternehmen leisten anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem müssen, für die es kein Problem ist, dies zu Gesetzentwurf in der Ausschussfassung verarbeiten. Nach einer Evaluation wurde zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer festgestellt, dass es genau einen einzigen Fall stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der gegeben hat, in dem dieses Gesetz Sinn gemacht Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit hat. Hunderte von Handwerksbetrieben sind also den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die umfangreich unter die Knute der Bürokratie Stimmen der Linksfraktion und der Fraktion des genommen worden für einen einzigen Fall, in dem Bündnisses 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP sich die Regelung als sinnvoll herausgestellt hat. – angenommen. Dies ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass Dritte Beratung wir nach der Evaluation eines Gesetzes feststellen müssen, dass es doch nicht so erfolgreich war. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu Wir haben einen umfangreichen Antrag mit erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Gesetzesänderungen vorgelegt, von dem ich sich? – Der Gesetzentwurf ist damit mit den hoffe, dass das eine oder andere nicht in gleichen Mehrheitsverhältnissen wie in der zweiten Vergessenheit gerät, sondern sich vielleicht im Lesung angenommen. zweiten Mittelstandsentlastungsgesetz wie- derfindet. Ich glaube, dass wir hier deutlich mehr Wir kommen zur Abstimmung über die Möglichkeiten haben, dass das Parlament deutlich Entschließungsanträge. Wer stimmt für den Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4131

Entschließungsantrag der FDP auf Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Drucksache 16/2040? – Wer stimmt dagegen? – die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der beschlossen. FDP abgelehnt. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Kollegen Christoph Strässer, SPD-Fraktion, das Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/2041? – Wort. Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der (Beifall bei der SPD) Entschließungsantrag ist mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Christoph Strässer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Wir fahren fort mit der Abstimmung über die Be- und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! schlussempfehlung des Ausschusses für Abweichend vom dem, was ich mir aufgeschrieben Wirtschaft und Technologie auf habe, möchte ich mit einem Bekenntnis beginnen. Drucksache 16/2017 zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Statistikpflichten zu- (Zurufe von der FDP: Oh!) rückführen – Bürokratiekosten senken“. Der Dieses Bekenntnis bezieht sich auf eine Zeit, die Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b, den schon etwas länger her ist; ich bekenne mich aber Antrag auf Druck-sache 16/1167 abzulehnen. Wer ausdrücklich dazu. Ich finde das, was ich damals stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer getan habe, richtig, nämlich auf die Straße zu stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die gehen, dafür zu kämpfen, dass es in Kuba eine Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von Befreiung vom Kolonialismus gibt, CDU/CSU, SPD und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der Fraktion (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. LINKEN) und auch dafür einzutreten, dass Kuba eine Entwicklung nimmt, aufgrund derer Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 auf: Menschenrechte geachtet werden, keine Beratung der Beschlussempfehlung und des Menschen, die ihre Pressefreiheit wahrnehmen Berichts des Ausschusses für wollen, eingesperrt werden und es keine Menschenrechte und Humanitäre Hilfe politischen Gefangenen gibt. Liebe Kolleginnen (17. Ausschuss) und Kollegen, das war das Ziel der überwiegenden Mehrzahl der Leute, die damals auf die Straße – zu dem Antrag der Abgeordneten Volker gegangen sind, um für die Freiheit in Kuba zu Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, kämpfen. Das will ich an dieser Stelle einmal ganz Marieluise Beck (Bremen), weiterer deutlich sagen. Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN (Beifall im ganzen Hause) Presse- und Meinungsfreiheit in Kuba Ich sage sehr deutlich: Ich bekenne mich dazu einfordern und finde das nach wie vor richtig. Ich sage aber auch: All diejenigen, die das Ziel, für das sie – zu dem Antrag der Abgeordneten Marina damals eingetreten sind, mit der heutigen Situation Schuster, Florian Toncar, Burkhardt in Kuba vergleichen, sind bitter enttäuscht; Müller-Sönksen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP (Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) Menschenrechte in Kuba einfordern und die kubanische Zivilgesellschaft denn das wollten wir damals nicht erreichen. Das fördern sage ich ganz deutlich. Ich will einen, wie ich glaube, damaligen Mitstreiter und führenden – Drucksachen 16/934, 16/945, 16/2006 – Revolutionär Südamerikas in Anspruch nehmen, Berichterstattung: indem ich behaupte: Wenn Che Guevara wüsste, Abgeordnete Peter Weiß (Emmendingen) wie sich Kuba entwickelt hat, dann würde er sich Christoph Strässer wahrscheinlich im Grabe umdrehen und sagen: Florian Toncar Das habe ich nicht gewollt. Michael Leutert (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS Volker Beck (Köln) 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Über die vom Ausschuss für Menschenrechte Abgeordneten der FDP – Wolfgang und Humanitäre Hilfe empfohlene Annahme einer Gehrcke [DIE LINKE]: Er kann sich nicht Entschließung werden wir später namentlich wehren!) abstimmen. – Das ist richtig. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich wehren würde. 4132 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Worum geht es in dieser Debatte? Sie alle (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP wissen, dass es dazu in diesem Jahr zwei und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wesentliche Entschließungen auf europäischer Ich möchte das an einem konkreten Beispiel, Ebene gibt, nämlich zum einen eine mit breiter das uns in diesen Tagen erreicht, deutlich machen. Mehrheit gefasste Resolution des EU-Parlaments, Sie werden wahrscheinlich alle mit dem Schicksal die sich mit der Menschenrechtsituation in Kuba von Fariñas Hernández befasst gewesen sein. befasst und die bei uns Einfluss auf die Formu- Fariñas Hernández ist Chef der lierung des vorliegenden Antrags gehabt hat; sie Nachrichtenagentur „Cubanacán Press“. Er ist seit sind sozusagen identisch. Wenn man die dem 31. Januar 2006 inhaftiert, weil er sich für Forderungen an Kuba aus menschenrechtlicher Pressefreiheit und Meinungsfreiheit eingesetzt hat. Sicht betrachtet, dann stellt man fest, dass sie von Er befindet sich seit dieser Zeit im Hungerstreik. einer derartigen Harmlosigkeit sind, dass es nicht Wir haben Nachrichten – das sollte man zur nur erstaunt, sondern dass es wirklich Aufsehen Kenntnis nehmen –, dass sein erregt, dass es in diesem Parlament Leute gibt, die Gesundheitszustand kritisch ist, dass er bereits sich dieser Entschließung nicht anschließen mehrfach das Bewusstsein verloren hat und dass können. Das kann ich nicht wirklich begreifen. die Gefahr, dass er stirbt – diese nimmt er in Kauf (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP –, groß ist. – Ich finde, wir sollten Solidarität mit und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) solchen Menschen üben und sagen, dass wir nicht bereit sind, das hinzunehmen, aus welchen Daneben gibt es eine zweite Resolution. Sie ist Gründen auch immer. Deshalb gibt es diesen noch gar nicht so alt; sie ist vom 12. Juni dieses Antrag und deshalb müssen wir heute über dieses Jahres. Der Europäische Rat hat sich sehr Thema diskutieren. eindeutig dazu bekannt und nach entsprechender Einschätzung festgestellt, dass sich die Lage der (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP Menschenrechte in Kuba im Jahre 2005 und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verschlechtert hat. Er begründet dies auch; darauf Ich möchte an dieser Stelle etwas hinzufügen, werde ich gleich noch in aller Kürze im Einzelnen damit nicht der Eindruck entsteht, der sich in eingehen. Der Europäische Rat sagt aber auch – bestimmten Medien immer ein Stück weit festsetzt, das hat dem einen oder anderen in diesem Hause man betreibe im Deutschen Bundestag so etwas die Zustimmung zu diesem Text nicht leicht wie Cuba-Bashing. Die Situation der gemacht –, dass das nicht dazu führen kann – ich Menschenrechte ist eindeutig belegt. Ich finde das auch richtig –, politische Maßnahmen persönlich – ich weiß nicht, wie viele andere in wieder einzuführen. Die Gespräche mit der diesem Hause das sehen – führe das ein Stück kubanischen Regierung und mit der kubanischen weit darauf zurück, dass in den Vereinigten Opposition müssen weitergeführt werden, um eine Staaten seit 45 Jahren eine Politik betrieben wird, Verbesserung der Situation in diesem Land zu die blockiert. Gesetze wie das Helms-Burton- erreichen. Ich glaube, das ist eine der zentralen Gesetz haben selbstverständlich nicht dazu Forderungen, hinter der sich auch der Deutsche beigetragen, dass es in diesem Land eine vernünf- Bundestag vereinigen sollte. tige und menschenrechtsorientierte Entwicklung (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP geben kann. Hierzu will ich auch nicht schweigen. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP Ich möchte an dieser Stelle nur zwei Beispiele und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) für das nennen, über das wir heute diskutieren. Ich Ich höre auch immer wieder das Stichwort zitiere ganz gerne Organisationen, die nicht im Guantanamo. Wer sagt, Guantanamo muss so Verdacht stehen, politisch einsortiert werden zu schnell wie möglich geschlossen werden – das können. Ich glaube, eine sehr honorige Einrichtung sagt im Übrigen auch die Bundeskanzlerin –, ist die Organisation Reporter ohne Grenzen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen erstellt seit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einiger Zeit jährlich eine Rangliste über die aber zu der menschenrechtlichen Entwicklung in Situation der Presse- und Meinungsfreiheit auf der Kuba schweigt, der erkennt nicht den Welt. Sie kommt für das Jahr 2005 zu dem grundsätzlichen Charakter von Menschenrechten: Ergebnis, dass Kuba bei 167 untersuchten Sie sind unteilbar. Wir müssen an dieser Stelle klar Ländern auf Platz 161 landet, noch hinter China machen, dass wir auch diesen Teil der Politik nicht und knapp vor Nordkorea. Man kann sich über hinnehmen können. vieles streiten, aber angesichts dieser Ergebnisses kann auch jemand, der noch gewisse Sympathien (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP für die Entwicklung dort hat, nicht sagen: Das ist in und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ordnung; dazu müssen wir schweigen. – Wir Ich denke, dass es gut ist – das ist über viele müssen etwas dazu sagen. Das tun wir auch, und Jahre auch gängige Praxis in unserem Ausschuss zwar, wie ich finde, mit der nötigen Eindeutigkeit. gewesen –, wenn wir diese Dinge beim Namen nennen und sie deutlich aussprechen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4133

Meine Damen und Herren, wir wollen weiterhin seinen Bürgern den Zugang zu unzensierten den Dialog. Das ist klar; das haben wir nie in Informationen. Der Zugang zum Internet bleibt für Zweifel gezogen, auch mit unserem Antrag nicht. viele Kubaner unerreichbar, weil der Hardwarekauf Wir wollen ihn intensiv auf der staatlichen Ebene reglementiert wird. Die meisten der mutigen führen. Wir wollen ihn aber auch sehr intensiv mit Dissidenten des Varela-Projektes sind schon seit der kubanischen Opposition führen. Von daher drei Jahren unter katastrophalen Bedingungen in bin ich jedenfalls der Meinung, dass kubanische Haft. Die Angehörigen dieser Inhaftierten, die so Oppositionelle also wieder zu offiziellen genannten Damen in Weiß, werden in ihrem Veranstaltungen der EU-Staaten eingeladen Einsatz für ihre Angehörigen und die Meinungs- werden sollten. Ich finde, diese klare Botschaft und Pressefreiheit vom Regime diffamiert und sollten wir aussenden. unterdrückt. Dissidenten werden immer wieder will- kürlich zu hohen Haftstrafen verurteilt. Auch die (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP Versammlungsfreiheit ist in großer Gefahr. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hier wird immer wieder angeführt, dass es in Ich komme zum Schluss zu dem zurück, wozu Kuba zu Verbesserungen hinsichtlich der ich mich zu Beginn bekannt habe: Ich bin sehr Alphabetisierung und der Gesundheitsversorgung sicher, dass eine falsch verstandene Solidarität mit gekommen ist. Aber die Freiheit der Menschen dem Castro-Regime und eine damit verbundene wird weiter von einem Unrechtssystem unterdrückt. Romantisierung fehl am Platze ist. Wir wollen Von einem demokratischen und rechtsstaatlichen weiterhin auf Kuba einwirken und mit der Staatswesen ist Kuba meilenweit entfernt. kubanischen Bevölkerung gemeinsam dafür sorgen, dass sich dort die Menschenrechtslage (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten verbessert. Wir glauben definitiv – das sage ich in der CDU/CSU und der SPD) Richtung der linken Seite des Parlaments –, dass Leider hat Kuba eine deutliche das, was Sie im Jahre 2003 in Ihr Parteiprogramm Ausstrahlungskraft auf die Linksregierungen in geschrieben haben, nämlich dass das höchste Ziel Lateinamerika. Viele der neu gewählten politischer Arbeit sein muss, die Wahrung der linkspopulistischen Führer scheinen sich Menschenrechte weltweit zu schützen und die ausgerechnet Havanna zum Vorbild zu nehmen. Unteilbarkeit der Menschenrechte anzuerkennen, Zum Beispiel war die Verstaatlichung der in diesem Hohen Hause Praxis des politischen Erdgasressourcen in Bolivien ein erstes Alltags wird. Wer sich davon verabschiedet, der Warnsignal an die internationale Gemeinschaft. Ich muss sich sagen lassen, dass er es mit der meine, wir müssen den Staats- und Re- Universalität der Menschenrechte nicht ernst gierungschefs in Lateinamerika Alternativen meint. Das sollten wir klar darstellen. anbieten und aktiv für unsere Ideen von Danke schön. Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und sozialer Marktwirtschaft werben. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bei der Entschließung des Europaparlaments sind ausnahmsweise auch einzelne Mitglieder der Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Linkspartei über ihren Schatten gesprungen und Ich erteile das Wort Kollegin Marina Schuster, haben sich erlaubt, am Heiligenbild des Fidel FDP-Fraktion. Castro zu kratzen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Diese Abgeordneten sind in den eigenen Reihen Marina Schuster (FDP): unter schweren Beschuss geraten. Ich begrüße Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte das Verhalten der drei einzelnen Mitglieder der Kolleginnen und Kollegen! Im März haben wir an Linken im Europäischen Parlament. dieser Stelle schon einmal über die verheerende (Beifall bei der FDP sowie bei Menschenrechtslage in Kuba debattiert. Ich freue Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD mich, dass uns heute ein interfraktioneller Antrag und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) vorliegt, der die Lage in Kuba kritisiert und sich damit dem Antrag unserer europäischen Kollegen Ich fordere auch die Kolleginnen und Kollegen der anschließt. Linksfraktion hier auf, unserem interfraktionellen Antrag zuzustimmen. Stellen Sie sich nicht ins Wir senden mit dem Antrag und unserer Abseits, wenn der Deutsche Bundestag heute heutigen Debatte ein wichtiges Signal an die Farbe bekennt und die nicht hinnehmbare kubanischen Oppositionellen und Menschenrechtslage in Kuba kritisiert! Menschenrechtsaktivisten. Eine breite Mehrheit des Deutschen Bundestags verschließt sich nicht Wir hatten als FDP-Bundestagsfraktion einen der Situation im selbsternannten sozialistischen eigenen Antrag vorgelegt, der in einigen Punkten Musterland. Diese Situation – mein Vorredner hat noch über den vorliegenden Antrag hinausgeht. sie bereits angesprochen – möchte ich kurz Ich möchte stellvertretend nur eine wesentliche schildern: Das Regime in Havanna verwehrt 4134 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Forderung daraus nennen: Wir halten die Castros restkommunistische Diktatur herrscht Eröffnung eines Goethe-Instituts für eine unerbittlich mit Gewalt und Einschüchterung gegen sinnvolle und vor allem wirkungsvolle Maßnahme, alle Kubaner, die Freiheit und Demokratie suchen. weil sie nicht staatliche Strukturen, sondern die Ein falsches Wort, der falsche Umgang genügt, Zivilgesellschaft unterstützt. damit man Opfer der so genannten Kämpfer für die Revolution wird. Politische Gewalt, auch getarnt Dennoch bin ich froh, dass wir uns mit den als einfache Straßenkriminalität, gehört zum Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die alltäglichen Terror in Kuba. Grünen und von den Regierungsfraktionen auf einen gemeinsamen Antrag verständigt haben. In diesen Tagen hören wir, dass der Neffe des Das Thema ist zu ernst, um es durch Varela-Gründers Oswaldo Payá bei seiner Einreise parteipolitische Grabenkämpfe zu verharmlosen. nach Kuba von der Staatssicherheit festgenommen wurde. Er lebt in Spanien und Ich schließe mit einem Zitat: wollte in Kuba seine Familie besuchen. Erst Einem Menschen seine Menschenrechte zu nachdem der kubanische Botschafter vom verweigern bedeutet, ihn in seiner Außenministerium in Madrid einbestellt wurde, hat Menschlichkeit zu missachten. Kubas Stasi Payá wieder freigelassen und zur Ausreise nach Spanien gezwungen. Dieser Dieser Satz von Nelson Mandela aus dem Jahr prominente Fall zeigt: Die Methoden der 1990 hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Sippenhaft gehören zum selbstverständlichen Re- Lassen Sie uns heute ein überparteiliches und pressionsinstrumentarium Fidel Castros. Er unmissverständliches Signal an das Regime in verstößt damit gegen die Mindeststandards von Kuba senden. Kuba muss als Mitglied des neuen Rechtsstaatlichkeit. Auch dieser neue Vorfall UN-Menschenrechtsrates zu höchsten Standards bedarf einer klaren Antwort der Demokraten verpflichtet werden. überall auf der Welt. (Beifall bei der FDP sowie bei (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP Abgeordneten der CDU/CSU und der sowie bei Abgeordneten der SPD und des SPD und des Abg. Volker Beck [Köln] BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Mit unserem interfraktionellen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Entschließungsantrag, zu dem sich die Ich erteile das Wort Kollegen Peter Weiß, Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD CDU/CSU-Fraktion. sowie die Oppositionsfraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für (Beifall bei der CDU/CSU) Menschenrechte und Humanitäre Hilfe entschlossen haben, folgen wir als Abgeordnete des Deutschen Bundestages der Einschätzung unserer Kolleginnen und Kollegen im Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Europäischen Parlament und der Einschätzung Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und des Europäischen Rates, der die Kollegen! Menschenrechte sind überall auf der Menschenrechtslage in Kuba auf seiner Tagung Welt unteilbar, auch in Kuba. Es ist jetzt gerade am 12. Juni scharf kritisiert hat. Gemeinsam mit drei Jahre her, seit das kubanische Regime in den Staats- und Regierungschefs der Euro- einer Handstreichaktion die führenden Köpfe der päischen Union verlangen wir von der kubanischen demokratischen Opposition verhaftet und Regierung den Stopp ihrer Repressionspolitik und weggesperrt hat. 330 politische Häftlinge sitzen die sofortige Freilassung aller politischen heute in kubanischen Gefängnissen ein, unter zum Gefangenen. Teil erbärmlichen Bedingungen. Das ist ein so unakzeptabler Zustand, dass es einer klaren und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP eindeutigen Antwort der Demokraten überall auf sowie bei Abgeordneten der SPD und des der Welt bedarf. Deswegen ist es wichtig, dass wir BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) einen gemeinsamen Antrag hier im Bundestag Wir verurteilen entschieden alle Angriffe der beschließen. kubanischen Regierung auf die Menschenrechte (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD und die demokratischen Freiheiten. Es ist gut, sowie bei Abgeordneten der FDP und des dass wir Europäer in der Menschenrechtspolitik BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) auch in Bezug auf Kuba eine klare und eindeutige Sprache sprechen. Am 13. August dieses Jahres – bis dahin ist es nicht mehr lange – wird Fidel Castro 80 Jahre alt; Einzig die PDS will sich solchen Forderungen doch von Altersmilde keine Spur. nicht anschließen. (Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Richtig!) LINKE]) Offenbar hat sie kein Problem damit, dass in Kuba tagtäglich Menschenrechte verletzt und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4135

Grundfreiheiten missachtet werden. Die, wie ich wenn sie sich überhaupt jemals davon gelöst hat. finde, schon obszöne Diskussion, die sich die PDS (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dazu in den vergangenen Monaten geleistet hat, der FDP) ist beschämend. Diese ganze Affäre entlarvt die PDS. In diesem (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und Haus machen Sie Sprüche von Gerechtigkeit und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Solidarität. Gleichzeitig unterstützen Sie ohne bei Abgeordneten der SPD) Bedenken einen Despoten, der sein darbendes Die PDS verhöhnt damit die Hunderte, die aus Volk im Lauf seiner Herrschaft nach Angaben von politischen Gründen in den kubanischen „Forbes Magazine“ um geschätzte 900 Millionen Gefängnissen einsitzen. Mehr noch – auch das Dollar bestohlen hat. Die Kubaner leben von gehört hierher –: Mit ihrer Kubapolitik verspottet rationierten Lebensmitteln. Der „Máximo Líder“ die PDS die Zigtausende, die in Deutschland und aber hat Millionen auf Schweizer Nummernkonten. Europa unter stalinistischer Gewalt und Das ist die Realität des real existierenden Unterdrückung gelitten haben. Sozialismus auf Kuba. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei von der LINKEN: Pfui!) Abgeordneten der FDP und der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE Die Äußerungen und Pamphlete, die während GRÜNEN]) der so genannten Kubakrise der PDS in die Öffentlichkeit gelangt sind, sind eine historische Ich freue mich, dass wir heute einen Schande für das demokratische Deutschland nach gemeinsamen Entschließungsantrag aller dem Fall der Mauer. Fraktionen mit Ausnahme der PDS einbringen konnten. Wir machen deutlich: Wie Kuba in der (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Karibik ist die PDS in Deutschland eine Insel der neten der FDP) Gestrigen. Man muss auch hier im Deutschen Bundestag und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – in der Öffentlichkeit deutlich machen, was sich da Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Jetzt in der PDS abgespielt hat: Der Parteivorstand beleidige mir die Karibik nicht!) erteilt drei PDS-Europaabgeordneten eine förmliche Rüge, Kuba ist im Mai dieses Jahres in den neuen UN- Rat für Menschenrechte gewählt worden. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Unsinn!) (Beifall des Abg. Michael Leutert [DIE LINKE]) weil sie sich im Europaparlament für etwas ausgesprochen haben, was in Kuba und weltweit Der Bock darf sozusagen Gärtner werden. Nicht eigentlich selbstverständlich sein sollte: die zuletzt deshalb werden wir auch in Zukunft sehr Einhaltung der Menschenrechte. genau hinschauen, wie das Castro-Regime mit den Menschenrechten umgeht. Die Was ist da los mit einer Partei, aus deren Mitte systematischen Repressalien gegen anders heraus eine Entschließung des Europäischen Denkende können wir als Demokraten und Parlaments für Freiheit und Demokratie als – ich Europäer nicht folgenlos hinnehmen. Die friedliche zitiere – „scheinheiliges Gezeter“ diffamiert wird? demokratische Opposition braucht unsere (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Unterstützung. Wir wollen den friedlichen Wandel neten der FDP) in Kuba zu Demokratie und Freiheit. Wir wollen diejenigen, die in Kuba für diesen Wandel arbeiten, Welche Gesinnung pflegt diese Partei in ihrem aktiv unterstützen, auch mit unserem Biotop aus Unverbesserlichkeit, linken Dogmen Entschließungsantrag. und Revolutionsromantik? Dieser Kadavergehorsam der PDS fördert den real Vielen Dank. existierenden Unterdrückungsstaat in Kuba. Das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- muss einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen neten der SPD und der FDP) werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: neten der FDP) Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Einer der PDS-Europaabgeordneten hat diese Gehrcke, Fraktion Die Linke. Haltung der PDS-Führung gegenüber der (Beifall bei der LINKEN) kubanischen Regierung als „erschreckend“ bezeichnet. Er sieht sie – ich zitiere – „in das alte Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Politik-, Gesellschafts- und Freiheitsverständnis Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der SED zurückfallen“, Der ganze Tagesordnungspunkt, diese ganze (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Wo er Recht hat, Entschließung hat nur einen realen Hintergrund: hat er Recht!) 4136 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Sie haben die Absicht, die Linkspartei vorzuführen. eine diskutierende Partei! – Weiterer Das verstehe ich. Zuruf von der CDU/CSU) (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ – Das ist auch kein Grund. CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE Mich ärgert – liebe Kolleginnen und Kollegen, GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Ihr das ärgert mich wirklich – der funktionelle Umgang blamiert euch doch selber! – Reinhard mit Menschenrechten. Mich ärgern auch Schultz [Everswinkel] [SPD]: Die Frage oberflächliche Texte. Ein solch funktioneller ist: Gelingt es oder gelingt es nicht?) Umgang mit Menschenrechten beschädigt den – Das ist ja auch legitim. Darüber brauchen Sie Kampf um Menschenrechte selbst. sich gar nicht aufzuregen. (Beifall bei der LINKEN) Ich verstehe, dass Sie uns vorführen wollen. Wir Wir gehen davon aus, dass unter wiederum lassen uns nicht vorführen. Ich sage Menschenrechten sowohl soziale als auch Ihnen klar: Ihrer Entschließung werden wir nicht politische Rechte zu fassen sind. zustimmen. Das will ich Ihnen erklären, ob es Ihnen gefällt oder nicht. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir haben schon diskutiert über Kuba; da waren Sie (Beifall bei der LINKEN) mit Ihrer Truppe noch nicht im Dass es in der Linken Bundestag!) Meinungsverschiedenheiten in der Kubafrage gibt, Es geht um Freiheits- und Gleichheitsrechte. Sie ist bekannt. Sie haben darauf abgehoben und kritisieren Kuba wegen der mangelnden politischen wollen diese nutzen. Auch das ist in Ordnung. Für Rechte und verschweigen völlig, auch in Ihren uns sind solche Debatten nicht hinderlich. Wir sind Texten, die großen sozialen Leistungen Kubas, eine diskutierende, lebendige Partei, in der übrigens nicht nur für das eigene Land. Meinungsstreit herrscht und in der Meinungsstreit kultiviert wird. (Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie spielen (Beifall bei der LINKEN – Irmingard das eine gegen das andere aus!) Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zu Kuba!) Wir werden nicht den gleichen Fehler machen, indem wir nur über die sozialen Rechte reden und Die Öde von Einheit und Geschlossenheit bei Ihrer der Debatte um die politischen Rechte Politik haben Sie von unserer Vorgängerpartei ausweichen. geerbt. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der Sie teilen die Menschenrechte! So teilt CDU/CSU) man die Menschenrechte!) Herr Weiß, eines will ich Ihnen sagen: Ich habe Wir wollen Freiheit und Gleichheit. Freiheit ohne mehr zur Kritik des Stalinismus geschrieben, als Gleichheit ist Ausbeutung und Gleichheit ohne Sie gelesen haben; auch das muss hier einmal Freiheit kann zur Unterdrückung werden. Wir ausgesprochen werden. diskutieren differenziert. Sie gehen einfach (Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß oberflächlich über diese Probleme hinweg und [Emmendingen] [CDU/CSU]: Und ziehen machen sich eine einfache Welt. Sie daraus die Konsequenzen? – (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Aber FDP) es hat nichts geholfen!) Kollege Strässer hat zwar in seiner Rede darauf Wir als Fraktion wollen die Resolution des hingewiesen, aber in Ihren Texten steht nicht, Europaparlaments nicht begrüßen. Das hat im unter welchen Bedingungen Kuba sein Leben Wesentlichen zwei Gründe. In dieser Resolution gestalten musste und muss. wird die Verantwortung dafür, dass sich die Beziehungen zwischen Europa und Kuba nicht (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE normalisiert haben, einseitig bei Kuba abgeladen. GRÜNEN]: Stellen Sie doch einen Ände- rungsantrag!) (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Natürlich! Das ist auch so!) Ich bin froh darüber, dass eine Revolution in Kuba mit Castro und Guevara das unwürdige, blutige In der Resolution steht, dass der Rat ermächtigt Batista-Regime beendet hat und verhindert hat, wird, Maßnahmen zu ergreifen. Eine solche dass Kuba weiter ein Bordell der USA ist. Blankovollmacht stellen wir nicht aus, weil wir über diese Dinge differenziert nachdenken und (Beifall bei der LINKEN) diskutieren. Tun Sie doch nicht so, als ob Kriegsdrohung, (Beifall bei der LINKEN – Hartwig Fischer Embargo und Mordanschläge nur Vergangenheit [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie sind doch sind! Leider ist das auch lebendige Realität. Wenn Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4137 man das alles ausblenden will, kann man sich die positive Veränderung der kubanischen Welt sehr einfach machen. Dann kann man Bevölkerung nicht befördert hat. einfache Resolutionen beschließen. Das führt aber (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Richtig! So nicht zu einer vernünftigen Debatte. Dass ist es!) 135 Länder Kuba in den Menschenrechtsrat ge- wählt haben, was eine hohe Verpflichtung auch für Vielmehr diente und dient das US-Embargo Kuba ist, sollte Ihnen doch zu denken geben. mit seiner Verschärfung im Jahr 2004 systemstabilisierend, weil es der kubanischen (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: Führung einen Vorwand für seine Politik Das tut es!) liefert. Solche Debatten müssen wir führen, in der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Differenziertheit der Standpunkte. Wir dürfen uns bei der SPD) nicht mit einfachen Weltbildern und einfachen Rezepten zufrieden geben. Wir stimmen gegen Wir sagen das klar und deutlich. Wir sehen das Ihre Entschließung und haben ein gutes Gefühl differenziert. Aber Sie geben unter dem Vorwand, dabei. irgendetwas sei nicht differenziert genug, der kubanischen Regierungspolitik einen Freibrief. (Beifall bei der LINKEN – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das ist das Aller- schlimmste dabei!) Nennen Sie mir einen Satz in diesem Beschlusstext, der eine Rechtfertigung dafür Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: bietet, diesem Antrag nicht zuzustimmen. Ich erteile das Wort Kollegen Volker Beck, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wollen Sie nicht auf die Freilassung aller wegen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ihrer politischen Gesinnung inhaftierten Menschen Lieber Herr Gehrcke, vielleicht wird es Sie drängen? Wollen Sie nicht für die Reisefreiheit der überraschen, dass ich mit etwas Gemeinsamem „Damen in Weiß“ und von Oswaldo Payá Sardiñas anfange. Ja, ich meine, man muss über eintreten? Wollen Sie nicht, dass die willkürlichen Freiheitsrechte und über die soziale Situation in Verhaftungen aufhören, das Ley 88 außer Kraft Ländern wie Kuba reden. Selbstverständlich haben gesetzt wird und menschenrechtliche und wir als Teil der Linken in diesem Land immer die rechtsstaatliche Standards in Kuba verwirklicht Entwicklung begrüßt, dass sich Kuba aus der werden? Wollen Sie nicht Kuba als Mitglied des Situation befreien konnte, die vorher gegeben war Menschenrechtsrates wie alle anderen Mitglieder und die Sie gerade beschrieben haben. Aber die auch auffordern, sich für die höchsten menschen- Verbesserung der sozialen Situation in manchen rechtlichen Standards einzusetzen? Aspekten in Kuba rechtfertigt nicht die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beschneidung der Freiheits- und Men- bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei schenrechte. Abgeordneten der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Welche dieser Forderungen rechtfertigt eine bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Ablehnung des Antrags? Wohl keine, außer man Abgeordneten der FDP) will sich völlig blind stellen. Der Kalte Krieg ist vorbei, wo man gesagt hat: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, keine Einmischung in die inneren bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Angelegenheiten, weil da auch irgendetwas Abgeordneten der FDP) Positives ist. – Menschenrechte darf man nicht mit anderen politischen Sachverhalten verrechnen, Meine Damen und Herren, heute hat das sondern man muss klar Position beziehen. oberste amerikanische Gericht gesagt, was in Guantanamo mit den Militärstrafgerichten vor sich Wenn Sie sagen, wir hätten eine einseitige geht, ist rechtswidrig. Das zeigt, dass die USA ein Weltsicht, muss ich erwidern: Der Antrag, der Rechtsstaat sind, auch wenn sich die Bush- Anlass für diese Debatte war, nämlich der Antrag Administration über die rechtsstaatlichen Grenzen meiner Fraktion – später kam ein Antrag von der in der amerikanischen Verfassung hinausbewegt FDP dazu –, sagt in seiner Begründung hat. Deshalb sagen wir – das hat der Bundestag ausdrücklich – ich zitiere –: kürzlich schon gefordert –: Guantanamo muss (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nur in der geschlossen werden; die Gefangenen dort müssen Begründung!) entweder vor ordentliche Gerichte gestellt oder freigelassen werden. Das haben wir Davon unbenommen stellen wir fest, dass die unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Da einseitige Blockadepolitik der USA eine waren Sie dabei. Und das ist gut so. 4138 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU der CDU/CSU und der FDP) und der SPD) Es geht eben um Menschenrechte in Es geht um die erforderlichen Maßnahmen! Sollen Guantanamo und auch um Guantanamo herum. wir denn nichts tun? Sollen wir nicht einmal mit Man kann nicht bei den Amerikanern eine Elle denen reden? Sollen wir nicht in bilateralen anlegen und bei den kubanischen Freunden eine Gesprächen mit Kuba zu erreichen versuchen, andere. Bei Menschenrechten gibt es keinen dass dort die Menschenrechte eingehalten Rabatt. werden? Das abzulehnen, wäre doch nun wirklich billig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Ich habe leider von Ihnen und Ihrer Fraktion zu dieser gemeinsamen Entschließung nicht einen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Satz, nicht einen Vorschlag gehört. Wir hatten ein Kollege Beck, gestatten Sie eine Zwischenfrage interfraktionelles Berichterstattergespräch. Die des Kollegen Gehrcke? Kollegen von der Fraktion Die Linke hatten es noch nicht einmal für nötig befunden, dorthin zu kommen. Da hätten Sie ja mit uns über solche Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE Punkte verhandeln können, wenn Ihnen das wich- GRÜNEN): tig gewesen wäre. Aber bitte doch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Herr Beck, ich nehme an, dass Sie Ihren Antrag Abgeordneten der FDP) genauso gut gelesen haben, wie ich ihn gelesen Sie haben aber diese Debatte wie die habe. Ihre richtige Argumentation bezüglich der Menschenrechtssituation in Kuba mit Nichtachtung USA, die Sie eben vorgetragen haben, ist nicht in gestraft. Das ist ein Armutszeugnis. Sie verspielen die Forderungen Ihres Antrages an den Deutschen hier heute Ihre Reputation im Bereich der Bundestag eingeflossen, sondern findet sich Menschenrechtspolitik. ausschließlich in der Begründung. In der gemeinsamen Entschließung, die wir jetzt ja (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei verhandeln, ist sie überhaupt nicht mehr enthalten. der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Das ad eins. Man kann sich nicht aussuchen, wo man Ad zwei. Ich habe versucht, Ihnen vorzutragen, kritisiert, sondern wenn etwas kritikwürdig ist, muss warum wir uns nicht der Resolution des man klar Flagge zeigen. Das haben wir immer so Europaparlaments anschließen wollen. Ich frage gehalten. Andere, die da früher Hemmungen Sie, ob Sie mir bestätigen können, dass ich korrekt hatten, tun es heute auch gegenüber Ländern wie zitiere, wenn ich sage, dass in der Resolution des den USA. Diese Entwicklung ist gut. Wir begrüßen Europaparlaments steht, dass Kuba durch seine sie und erkennen das an. Ihnen wünsche ich: Gute Handlungen einseitig die Normalisierung der Besserung! Beziehungen verhindert habe und der Europäische (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Rat ermächtigt werde, Maßnahmen zu ergreifen. der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Meinen Sie, dass es sinnvoll ist, wenn ein Parlament dem Rat Freiheit bei den Maßnahmen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: einräumt? Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur (Beifall bei der LINKEN) Beschlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe auf Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE Drucksache 16/2006 zu dem Antrag der Fraktion GRÜNEN): des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel Ich kann Ihnen bestätigen, dass es in der „Presse und Meinungsfreiheit in Kuba einfordern“. Entschließung des Europäischen Parlaments, die Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner die Mitglieder Ihrer Fraktion dort auch überwiegend Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache abgelehnt haben und die in der Entschließung 16/934 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für zitiert wird, unter anderem heißt: diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die … alle erforderlichen Maßnahmen zu Beschlussempfehlung ist einstimmig ergreifen, um die Freilassung der politischen angenommen. Häftlinge und die sofortige Beendigung der Schikanen gegen die politische Opposition Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung und die Menschenrechtler zu erreichen. empfiehlt der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/945 mit dem Titel „Menschenrechte in Kuba einfordern und die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4139 kubanische Zivilgesellschaft fördern“ für erledigt zu ben ihre Reden zu Protokoll gegeben.5 Deswegen erklären. Wer stimmt für diese Beschluss- erteile ich jetzt Kollegen Frank Schäffler, FDP- empfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Fraktion, das Wort. Die Beschlussempfehlung ist ebenso einstimmig (Beifall bei der FDP) angenommen. Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung Frank Schäffler (FDP): auf Drucksache 16/2006 empfiehlt der Ausschuss, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen eine Entschließung anzunehmen. Es ist und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zur namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Umsetzung der Basel-II-Vorgaben wird heute von Schriftführerinnen und Schriftführer, die einer breiten Mehrheit dieses Hauses getragen. vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind die Die FDP-Fraktion wird auch aufgrund der im Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Finanzausschuss erreichten Verbesserungen Dann eröffne ich die Abstimmung. zustimmen. Ich stelle die obligate Frage: Ist noch ein Meiner Fraktion war wichtig, dass wir einige Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme Änderungsvorschläge aus der Anhörung zur nicht abgegeben hat? Vermeidung zusätzlicher Bürokratie umgesetzt (Zurufe: Ja!) haben. Dies ist deshalb von großer Bedeutung, weil die Umsetzung von Basel II in nationales Haben jetzt alle Kolleginnen und Kollegen ihre Recht für die Kreditwirtschaft einen enormen Stimme abgegeben? – Das ist der Fall. Dann Aufwand bedeutet. Allein das aufsichtliche Zulas- schließe ich die Abstimmung und bitte die sungsverfahren für interne Ratings bindet in Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der mittelständischen Banken je nach Anzahl der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Ratingsysteme zwei bis fünf Mannjahre. Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.4 Insgesamt bietet der vorliegende Gesetzentwurf Wir setzen die Beratungen fort. eine ausgewogene Balance zwischen dem Ziel Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: eines stabilen Finanzmarktes und dem Interesse der Marktteilnehmer, günstige Kredite zu erhalten. Zweite und dritte Beratung des von der Die FDP-Fraktion setzt darauf, dass die Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Kreditvergabe für den Mittelstand durch die eines Gesetzes zur Umsetzung der neu geringere Eigenkapitalunterlegung der Banken ver- gefassten Bankenrichtlinie und der neu bessert wird. gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie Die aktuelle Auswirkungsstudie der – Drucksache 16/1335 – Bundesbank, QIS 5, hat nachgewiesen, dass im Beschlussempfehlung und Bericht des Vergleich zum derzeit in Deutschland geltenden Finanzausschusses (7. Ausschuss) Grundsatz I die Eigenkapitalanforderungen für das gesamte deutsche Bankensystem um 6,7 Prozent – Drucksachen 16/2018, 16/2056 – sinken werden. Dabei profitieren nicht nur die Berichterstattung: großen Banken mit einem um 4,2 Prozent Abgeordnete Leo Dautzenberg geringeren Eigenkapitalerfordernis, sondern Nina Hauer insbesondere die kleinen Banken mit bis zu Frank Schäffler 8,4 Prozent. Die Studie hat auch gezeigt, dass es Dr. Axel Troost deutliche Anreize gibt, verfeinerte Ratingverfahren Dr. Gerhard Schick zu verwenden, da damit die Eigenkapitalanforderungen sinken. Hierzu liegen je ein Entschließungsantrag der Fraktion der Linken und der Fraktion des Ich begrüße auch, dass beim Thema Bündnisses 90/Die Grünen vor. Transparenz des Ratings mit der vorliegenden Beschlussempfehlung das richtige Signal gesetzt Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für wird. die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten beschlossen. der CDU/CSU) Ich eröffne die Aussprache. Die Kolleginnen und Wir schaffen nicht einen neuen Paragrafen, Kollegen Nina Hauer, Axel Troost und Gerhard Schick sondern setzen auf die Selbstverpflichtung der und der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller ha- Kreditwirtschaft.

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4 Ergebnis Seite … 5 Anlage 15

4140 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

In Bezug auf das Scoring hat der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Bundesdatenschutzbeauftragte eindeutig erklärt, der CDU/CSU und der SPD) dass die Regelungen, die wir hier umsetzen, nur für das Rating, aber nicht für das Scoring gelten. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ein zentraler Punkt in den Beratungen war für Ich erteile das Wort Kollegen Georg die FDP die Nullgewichtung von Fahrenschon, CDU/CSU-Fraktion. Intragruppenforderungen bei Haftungsverbünden (Beifall bei der CDU/CSU) von Sparkassen und Landesbanken. In der Anhörung wurde darauf hingewiesen, dass bei Georg Fahrenschon (CDU/CSU): diesen Verbünden eine unbedingte Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Haftungszusage, eine zentrale Risikosteuerung, und Herren! Zu zugegebenermaßen vorgerückter konsolidierte Publizitätspflichten und eine Stunde schließt der Deutsche Bundestag nach homogene Mitgliederstruktur fehlen. Es kommt nun über siebenjähriger engagierter Begleitung eine entscheidend darauf an, dass die Bankenaufsicht grundlegende Modernisierung der deutschen auf die Beachtung der Großkreditvorschriften und Banken- und Kreditaufsicht ab. Man muss schon der Mindestanforderungen an das Risikomanage- die Frage stellen, warum wir eine Veränderung der ment hinwirkt. Die Bundesregierung muss Bericht Banken- und Kreditaufsicht befürworten und was erstatten, wenn Erfahrungen mit dem novellierten die Hintergründe dieses Vorgehens sind. KWG gemacht wurden. Wir erwarten seitens der FDP-Fraktion einen Bericht Anfang 2008, wenn die Das speziell bankenspezifische Risiko besteht Jahresabschlüsse für 2007, also für das Jahr, in darin, dass ein Schuldner seiner Verpflichtung dem die neuen Regeln erstmals angewandt gegenüber der Bank nicht nachkommt und die werden, vorliegen. Bank im schlimmsten Falle ihre eigenen Verpflichtungen gegenüber den Sparern nicht erfüllen kann. Um dieses Ausfallrisiko gegenüber Wichtig ist, dass das Parlament im weiteren den vielen Sparern und Anlegern in einer Volks- Verlauf in die Umsetzung der zu Basel II wirtschaft zu reduzieren und um die Gefahr einer gehörenden Solvabilitätsverordnung und der Krise am Finanzmarkt möglichst auszuschließen, Groß- und Millionenkreditverordnung einbezogen müssen alle Kreditinstitute und Banken bleibt. Auch beim Erlass der Verordnungen muss grundsätzlich Eigenkapital vorhalten, damit im das Prinzip der Eins-zu-eins-Umsetzung gelten. Falle von Ausfällen die Verluste aufgefangen Wir werden sehr genau darauf achten, ob die werden können. Das ist international üblich. BaFin die notwendigen Konsequenzen zur Seit 1988 wurden dafür auch verbindliche Stabilität unseres Finanzmarktes ergreift. Mindeststandards für die Kapitalunterlegung (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten von Risiken durch Kreditinstitute vereinbart, die der CDU/CSU) mittlerweile in über 100 Ländern angewendet werden. Nach dieser Regel müssen Banken und Positiv ist festzuhalten, dass im Sparkassen weltweit für jeden Kredit an Finanzausschuss noch Änderungen des Unternehmen in Höhe von zum Beispiel 100 Euro Gesetzentwurfes beschlossen wurden, die 8 Euro Eigenkapital hinterlegen. zumindest die Vermeidung zusätzlicher Bürokratie bedeuten. Ich nenne nur die nunmehr Jetzt kommt der entscheidende Punkt. Diese ausreichende „Bescheinigung über die prüferische rein quantitative und pauschale Durchsicht des Zwischenabschlusses“ oder den Eigenkapitalvorschrift erwies sich jedoch wenige Verzicht auf die Anzeigepflichten beim Jahre nach ihrer internationalen In-Kraft-Setzung Outsourcing. einer Reihe von Risiken schlicht und einfach nicht angemessen. Was noch schwerer wiegt: Die Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag bestehenden Regeln setzen strukturelle hat in der Anhörung zu Recht darauf hingewiesen, Fehlanreize. Dazu zählt zum Beispiel, dass ein dass der Normenkontrollrat, wenn es ihn schon Institut für einen Kredit an Unternehmen mit geben würde, bei diesem Gesetzentwurf viel zu geringerem Risiko genauso viel Eigenkapital tun gehabt hätte. Es bleibt festzuhalten, dass das hinterlegen muss wie für einen Kredit an ein Kreditwesengesetz insgesamt einer Überarbeitung Unternehmen mit schlechter Bonität. Das bedeutet im Sinne der besseren Lesbarkeit und im Kern nichts anderes, als dass gute Schuldner Handhabbarkeit bedarf. gewissermaßen schlechte Schuldner Die FDP-Fraktion hat die Basel-II-Umsetzung subventionieren, was – wenn man es über viele Jahre hinaus stets im Sinne des weiterentwickelt – den guten Schuldner dazu Mittelstandes begleitet. Wir denken, dass heute ein veranlasst, Fremdmittel beispielsweise auf gutes Ergebnis vorliegt. Die Basel-II-Umsetzung Anleihemärkten aufzunehmen, weil dieser Weg für bleibt aber natürlich weiterhin ein Prozess, den wir ihn günstiger ist. aufmerksam begleiten werden. Letztendlich führt das dazu – das ist ein Vielen Dank. wesentlicher Grund, weshalb wir die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4141

Eigenkapitalhinterlegungsregeln ändern müssen –, Wohnimmobilien inklusive der Bauspardarlehen dass in absolutem Widerspruch zum Ziel sich die geht. schlechteren Risiken eher bei den Banken Im Ergebnis kann man also feststellen, dass sammeln, als dass sie sich im Markt verteilen. Unternehmen wie private Haushalte in Zukunft (Beifall bei der CDU/CSU) sogar größere Chancen beim Nachweis ihrer Kreditwürdigkeit haben, um dann auch bessere Um diesen Strukturfehler abzubauen, erfasst Konditionen zu erhalten. Die Aussage mancher nun die neue Bankenregel Basel II die Banker in den letzten Jahren: „Sie bekommen individuellen Risiken eines Kredits differenziert und keinen Kredit wegen Basel II“ ist schlichtweg trägt damit direkt zur Stabilisierung des nationalen falsch. wie auch des internationalen Finanzsystems bei. Vor diesem Hintergrund und um eine bessere Ich habe schon am Anfang meiner Rede auf die Transparenz zu erreichen, haben CDU/CSU siebenjährige Entwicklung hingewiesen. Man gemeinsam mit der SPD und der FDP in der sollte daran erinnern, dass, als der so genannte gestrigen Finanzausschusssitzung zusätzlich eine Baseler Ausschuss, in dem die Bundesbank und Entschließung zu Art. 145 Abs. 4 der neu die Bankenaufsicht die Interessen Deutschlands gefassten Bankenrichtlinie eingebracht. Auf der vertreten, 1999 seinen ersten Entwurf für die Grundlage der europäischen Richtlinie fordern wir neuen Eigenkapitalanforderungen für Banken die deutsche Kreditwirtschaft auf, über das vorlegte, in Deutschland ein Sturm der Entrüstung Instrument einer Selbstverpflichtung dafür Sorge losbrach. Vor allem der Mittelstand befürchtete vor zu tragen, dass alle Kreditinstitute ihre dem Hintergrund der damaligen Vorschläge nicht Ratingentscheidungen den Kredit suchenden zu Unrecht, dass er durch die Änderungen der Unternehmen in nachvollziehbarer Weise und Bankensteuerung massive Nachteile bei seiner schriftlich offen legen. Kreditversorgung erleiden werde. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: der FDP) Die Gefahr bestand auch!) An dieser Stelle ist für die Union wichtig: Sollte Heute kann ich feststellen, dass es dem diese Selbstverpflichtung nicht ausreichen und nur sofortigen Engagement des Deutschen unzureichend Wirkung zeigen, wollen wir prüfen, Bundestages und der engen Zusammenarbeit mit ob eine gesetzliche Regelung notwendig ist. den deutschen Kollegen im Europäischen Parlament, insbesondere mit dem zuständigen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Berichterstatter, zu verdanken ist, dass diese Eduard Oswald [CDU/CSU]: Prüfen wir Befürchtungen nicht eingetreten sind. mal! Kommt Zeit, kommt Rat! – Frank Schäffler [FDP]: Warten wir mal ab!) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Denn Basel II ist kein Kreditkiller für den Mittelstand, sondern bietet faire Im Gegenteil: Es konnten sogar erhebliche Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe. Vorteile für den deutschen Mittelstand erreicht werden. Denn mit dem so genannten Kollege Schäffler hat bereits herausgestellt, Mittelstandspaket wurde bei der Behandlung der dass es uns auch im letzten Teil, in der nationalen Kredite an kleine und mittlere Unternehmen Umsetzung, gelungen ist, ein optimales Ergebnis sichergestellt, dass es unter Basel II definitiv nicht für alle Akteure am Finanzstandort Deutschland zu zu einer Verschlechterung der Finanzierungsmög- erarbeiten und die neuen Regeln für die lichkeiten für den Mittelstand kommen wird. So Kreditwirtschaft und die Verbraucher praktikabel zu werden beispielsweise allein durch die Möglichkeit, machen. So konnte im parlamentarischen Kredite an kleine Unternehmen von unter 1 Million Verfahren gegenüber der Bundesregierung Euro wie Kredite an Privatkunden zu behandeln, erreicht werden, dass eine Reihe von Verfahren, circa 90 Prozent aller Kreditforderungen des die in Deutschland bereits seit Jahren erfolgreich deutschen Mittelstands spürbar entlastet. von der Kreditwirtschaft praktiziert werden, nicht unnötig verändert und verschärft wurden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Beispielhaft möchte ich die im ursprünglichen neten der SPD und der FDP) Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen in Diese Regelung bedeutet, dass jeder § 10 KWG Abs. 2 a und c nennen. Mittelständler unabhängig von der Höhe des Die Einführung neuer Abzugsverpflichtungen Jahresumsatzes bei jeder für erhebliche Verluste aus der Bewertung von Ausfallwahrscheinlichkeit ein um 25 Prozent Handelsbuchpositionen oder für nicht erhebliche niedrigeres Risikogewicht als ein unterjährige Verluste aus Handelsbuchgeschäften Unternehmenskredit erhält. Das hilft insbesondere hätten enorme Anwendungsprobleme für die bei Krediten an Handwerker, Freiberufler, Institute bedeutet. Mit der Beibehaltung des Status Landwirte, aber auch bei Krediten an private quo in diesem Bereich konnte unnötige Bürokratie Haushalte, wenn es um die Finanzierung von vermieden werden. 4142 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) Auch bei der Ermittlung der Auslastung der Bagatellgrenzen für die Freistellung von der Anwendung der Handelsbuchregelung wird die gängige Gesetzespraxis aus gutem Grund beibehalten, da unserer Ansicht nach keinerlei Notwendigkeit besteht, die betroffenen Nicht- handelsbuchinstitute mit einem unnötigen Aufwand zu belasten. Ich glaube, man kann die deutsche Umsetzung der neuen Baseler Eigenkapitalregelung fraktionsübergreifend als gelungen bezeichnen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Die inhaltliche Ausgestaltung des neuen Aufsichtsregimes ab 2007 steht damit so frühzeitig wie möglich fest. Dadurch können wir unseren Instituten am Standort Deutschland einen Vorsprung bei der Anwendung der neuen Eigenkapitalregeln und bei den damit verbundenen frei werdenden Eigenkapitalmitteln verschaffen. (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist sehr wichtig!) Der Kollege Schäffler hat auf die 6,7 Prozent im Durchschnitt und auf die 8,4 Prozent weniger Eigenkapitalmittel, die hinterlegt werden müssen, schon hingewiesen. Zum Jahreswechsel 2007 ergibt sich ein wichtiger Effekt für die deutsche Kreditwirtschaft, die wieder mehr Geld verfügbar hat, das sie dann auch in neue Kredite investieren kann. Ich glaube, wir müssen jetzt nur noch aufpassen, dass die Aufsicht die neuen Instrumente auch anwendet; denn die Aufgabe der Aufsicht ist es nicht, unternehmerische Entscheidungen zu fällen, sondern die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Kreditwirtschaft in Deutschland zu schaffen und zu bewahren. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Bevor wir zu den Abstimmungen über diesen Tagesordnungspunkt kommen, gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Buchstabe c der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Men- schenrechte und Humanitäre Hilfe bekannt. Abgegebene Stimmen 534. Mit Ja haben gestimmt 481, mit Nein haben gestimmt 48, Enthaltungen 5. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4143

Endgültiges Ergebnis Manfred Grund Monika Grütters Abgegebenen Stimmen: 534; Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg davon Olav Gutting ja: 481 Holger Haibach Gerda Hasselfeldt nein: 48 Ursula Heinen enthalten: 5 Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ja Bernd Heynemann Ernst Hinsken CDU/CSU Peter Hintze Ulrich Adam Robert Hochbaum Ilse Aigner Klaus Hofbauer Peter Albach Franz-Josef Holzenkamp Thomas Bareiß Joachim Hörster Norbert Barthle Anette Hübinger Dr. Wolf Bauer Hubert Hüppe Günter Baumann Susanne Jaffke Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Dr. Peter Jahr Veronika Bellmann Dr. Hans-Heinrich Jordan Otto Bernhardt Andreas Jung (Konstanz) Clemens Binninger Dr. Franz Josef Jung Peter Bleser Bartholomäus Kalb Antje Blumenthal Hans-Werner Kammer Dr. Maria Böhmer Alois Karl Jochen Borchert Bernhard Kaster Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Wolfgang Bosbach Volker Kauder Klaus Brähmig Eckart von Klaeden Michael Brand Jürgen Klimke Helmut Brandt Julia Klöckner Dr. Ralf Brauksiepe Jens Koeppen Monika Brüning Kristina Köhler (Wiesbaden) Georg Brunnhuber Manfred Kolbe Gitta Connemann Norbert Königshofen Leo Dautzenberg Dr. Rolf Koschorrek Hubert Deittert Hartmut Koschyk Alexander Dobrindt Thomas Kossendey Thomas Dörflinger Michael Kretschmer Marie-Luise Dött Gunther Krichbaum Maria Eichhorn Dr. Günter Krings Anke Eymer (Lübeck) Dr. Martina Krogmann Georg Fahrenschon Johann-Henrich Krummacher Ilse Falk Dr. Hermann Kues Dr. Hans Georg Faust Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Enak Ferlemann Andreas G. Lämmel Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Norbert Lammert Dirk Fischer (Hamburg) Katharina Landgraf Dr. Maria Flachsbarth Dr. Max Lehmer Klaus-Peter Flosbach Paul Lehrieder Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Ingbert Liebing Erich G. Fritz Patricia Lips Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Luther Dr. Michael Fuchs Stephan Mayer (Altötting) Hans-Joachim Fuchtel Wolfgang Meckelburg Dr. Jürgen Gehb Dr. Michael Meister Norbert Geis Dr. Angela Merkel Eberhard Gienger Friedrich Merz Ralf Göbel Laurenz Meyer (Hamm) Dr. Reinhard Göhner Maria Michalk Josef Göppel Hans Michelbach Peter Götz Philipp Mißfelder Dr. Wolfgang Götzer Dr. Eva Möllring Ute Granold Marlene Mortler Reinhard Grindel Carsten Müller (Braunschweig) Hermann Gröhe Stefan Müller (Erlangen) Michael Grosse-Brömer Bernward Müller (Gera) Markus Grübel Dr. Gerd Müller 4144 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Hildegard Müller Klaus-Peter Willsch Bernd Neumann (Bremen) Elisabeth Winkelmeier-Becker Henry Nitzsche Wolfgang Zöller Michaela Noll Willi Zylajew Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier SPD Eduard Oswald Dr. Lale Akgün Henning Otte Gregor Amann Rita Pawelski Niels Annen Dr. Peter Paziorek Ingrid Arndt-Brauer Ulrich Petzold Rainer Arnold Dr. Joachim Pfeiffer Ernst Bahr (Neuruppin) Sibylle Pfeiffer Doris Barnett Beatrix Philipp Dr. Hans- Peter Bartels Ronald Pofalla Sören Bartol Daniela Raab Sabine Bätzing Thomas Rachel Dirk Becker Hans Raidel Uwe Beckmeyer Dr. Peter Ramsauer Klaus Uwe Benneter Peter Rauen Dr. Axel Berg Eckhardt Rehberg Ute Berg Klaus Riegert Petra Bierwirth Dr. Heinz Riesenhuber Lothar Binding (Heidelberg) Franz Romer Volker Blumentritt Johannes Röring Gerd Bollmann Kurt J. Rossmanith Dr. Gerhard Botz Dr. Norbert Röttgen Klaus Brandner Dr. Christian Ruck Willi Brase Albert Rupprecht (Weiden) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Peter Rzepka Edelgard Bulmahn Anita Schäfer (Saalstadt) Marco Bülow Hermann-Josef Scharf Ulla Burchardt Dr. Wolfgang Schäuble Martin Burkert Hartmut Schauerte Dr. Michael Bürsch Dr. Annette Schavan Christian Carstensen Dr. Andreas Scheuer Dr. Peter Danckert Karl Schiewerling Dr. Herta Däubler-Gmelin Norbert Schindler Karl Diller Georg Schirmbeck Martin Dörmann Bernd Schmidbauer Dr. Carl-Christian Dressel Christian Schmidt (Fürth) Elvira Drobinski-Weiß Andreas Schmidt (Mülheim) Detlef Dzembritzki Ingo Schmitt (Berlin) Sebastian Edathy Dr. Andreas Schockenhoff Siegmund Ehrmann Dr. Ole Schröder Hans Eichel Bernhard Schulte-Drüggelte Petra Ernstberger Uwe Schummer Karin Evers-Meyer Kurt Segner Annette Faße Bernd Siebert Gabriele Fograscher Thomas Silberhorn Rainer Fornahl Johannes Singhammer Gabriele Frechen Jens Spahn Dagmar Freitag Christian Freiherr von Stetten Peter Friedrich Gero Storjohann Martin Gerster Andreas Storm Iris Gleicke Max Straubinger Günter Gloser Thomas Strobl (Heilbronn) Renate Gradistanac Michael Stübgen Angelika Graf (Rosenheim) Antje Tillmann Dieter Grasedieck Dr. Hans-Peter Uhl Kerstin Griese Arnold Vaatz Gabriele Groneberg Volkmar Uwe Vogel Achim Großmann Andrea Astrid Voßhoff Wolfgang Grotthaus Gerhard Wächter Wolfgang Gunkel Marco Wanderwitz Hans-Joachim Hacker Kai Wegner Bettina Hagedorn Marcus Weinberg Klaus Hagemann Peter Weiß (Emmendingen) Alfred Hartenbach Karl-Georg Wellmann Michael Hartmann (Wackernheim) Anette Widmann-Mauz Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4145

Nina Hauer René Röspel Reinhold Hemker Dr. Ernst Dieter Rossmann Rolf Hempelmann Karin Roth (Esslingen) Dr. Barbara Hendricks Michael Roth (Heringen) Gustav Herzog Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Petra Heß Anton Schaaf Gabriele Hiller-Ohm Axel Schäfer (Bochum) Petra Hinz (Essen) Bernd Scheelen Gerd Höfer Dr. Hermann Scheer Iris Hoffmann (Wismar) Marianne Schieder Frank Hofmann (Volkach) Otto Schily Eike Hovermann Silvia Schmidt (Eisleben) Klaas Hübner Dr. Frank Schmidt Christel Humme Heinz Schmitt (Landau) Brunhilde Irber Carsten Schneider (Erfurt) Johannes Jung (Karlsruhe) Reinhard Schultz (Everswinkel) Josip Juratovic Swen Schulz (Spandau) Johannes Kahrs Ewald Schurer Ulrich Kasparick Frank Schwabe Dr. h.c. Susanne Kastner Dr. Angelica Schwall-Düren Ulrich Kelber Dr. Martin Schwanholz Christian Kleiminger Rita Schwarzelühr-Sutter Hans-Ulrich Klose Wolfgang Spanier Dr. Bärbel Kofler Dr. Margrit Spielmann Fritz Rudolf Körper Jörg-Otto Spiller Rolf Kramer Dr. Ditmar Staffelt Anette Kramme Andreas Steppuhn Nicolette Kressl Ludwig Stiegler Volker Kröning Rolf Stöckel Angelika Krüger-Leißner Christoph Strässer Dr. Hans-Ulrich Krüger Joachim Stünker Jürgen Kucharczyk Dr. Rainer Tabillion Helga Kühn-Mengel Jörg Tauss Ute Kumpf Jella Teuchner Dr. Uwe Küster Dr. h.c. Wolfgang Thierse Christine Lambrecht Jörn Thießen Christian Lange (Backnang) Franz Thönnes Dr. Karl Lauterbach Hans-Jürgen Uhl Waltraud Lehn Rüdiger Veit Gabriele Lösekrug-Möller Simone Violka Dirk Manzewski Jörg Vogelsänger Caren Marks Dr. Marlies Volkmer Katja Mast Hedi Wegener Hilde Mattheis Petra Weis Markus Meckel Gunter Weißgerber Petra Merkel (Berlin) Gert Weisskirchen (Wiesloch) Ulrike Merten Lydia Westrich Dr. Matthias Miersch Dr. Margrit Wetzel Ursula Mogg Andrea Wicklein Marko Mühlstein Heidemarie Wieczorek-Zeul Detlef Müller (Chemnitz) Engelbert Wistuba Michael Müller (Düsseldorf) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dr. Rolf Mützenich Heidi Wright Thomas Oppermann Uta Zapf Holger Ortel Manfred Zöllmer Heinz Paula Brigitte Zypries Johannes Pflug Joachim Poß FDP Christoph Pries Jens Ackermann Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Karl Addicks Florian Pronold Christian Ahrendt Dr. Sascha Raabe Daniel Bahr (Münster) Mechthild Rawert Uwe Barth Steffen Reiche (Cottbus) Rainer Brüderle Maik Reichel Angelika Brunkhorst Gerold Reichenbach Ernst Burgbacher Dr. Carola Reimann Patrick Döring Christel Riemann-Hanewinckel Mechthild Dyckmans Walter Riester Jörg van Essen Sönke Rix 4146 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Ulrike Flach Brigitte Pothmer Paul K. Friedhoff Claudia Roth (Augsburg) Horst Friedrich (Bayreuth) Krista Sager Dr. Edmund Peter Geisen Elisabeth Scharfenberg Dr. Wolfgang Gerhardt Christine Scheel Hans-Michael Goldmann Irmingard Schewe-Gerigk Miriam Gruß Dr. Gerhard Schick Joachim Günther (Plauen) Rainder Steenblock Dr. Christel Happach-Kasan Silke Stokar von Neuforn Heinz-Peter Haustein Hans-Christian Ströbele Birgit Homburger Dr. Harald Terpe Dr. Werner Hoyer Jürgen Trittin Michael Kauch Wolfgang Wieland Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Nein Jürgen Koppelin Heinz Lanfermann DIE LINKE Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Hüseyin-Kenan Aydin Ina Lenke Karin Binder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Heidrun Bluhm Horst Meierhofer Eva Bulling-Schröter Patrick Meinhardt Dr. Martina Bunge Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Roland Claus Gisela Piltz Sevim Dagdelen Jörg Rohde Dr. Diether Dehm Frank Schäffler Werner Dreibus Marina Schuster Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Max Stadler Klaus Ernst Florian Toncar Wolfgang Gehrcke Christoph Waitz Heike Hänsel Dr. Claudia Winterstein Lutz Heilmann Dr. Volker Wissing Hans-Kurt Hill Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Cornelia Hirsch Martin Zeil Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Kerstin Andreae Katja Kipping Volker Beck (Köln) Monika Knoche Cornelia Behm Jan Korte Birgitt Bender Katrin Kunert Matthias Berninger Oskar Lafontaine Grietje Bettin Michael Leutert Alexander Bonde Ulla Lötzer Ekin Deligöz Dr. Gesine Lötzsch Dr. Thea Dückert Ulrich Maurer Dr. Uschi Eid Dorothee Menzner Hans Josef Fell Kornelia Möller Kai Gehring Kersten Naumann Katrin Göring-Eckardt Wolfgang Nešković Anja Hajduk Dr. Norman Paech Britta Haßelmann Petra Pau Winfried Hermann Bodo Ramelow Peter Hettlich Elke Reinke Priska Hinz (Herborn) Paul Schäfer (Köln) Ulrike Höfken Volker Schneider (Saarbrücken) Dr. Anton Hofreiter Dr. Herbert Schui Bärbel Höhn Dr. Ilja Seifert Thilo Hoppe Dr. Petra Sitte Ute Koczy Frank Spieth Sylvia Kotting-Uhl Dr. Kirsten Tackmann Renate Künast Dr. Axel Troost Undine Kurth (Quedlinburg) Alexander Ulrich Markus Kurth Jörn Wunderlich Monika Lazar Dr. Reinhard Loske fraktionslos Anna Lührmann Jerzy Montag Gert Winkelmeier Winfried Nachtwei Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4147

Enthalten Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Dr. Max Stadler, Sabine SPD Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Klaus Barthel Abgeordneter und der Fraktion der FDP Monika Griefahn Patientenverfügungen neu regeln – Ernst Kranz Lothar Mark Selbstbestimmungsrecht und Autonomie Dr. Wolfgang Wodarg von nichteinwilligungsfähigen Patienten stärken

– Drucksache 16/397 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Nun kommen wir zu den Abstimmungen dieses Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Tagesordnungspunktes, und zwar zunächst über Ausschuss für Gesundheit den von der Bundesregierung eingebrachten Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Gesetzentwurf zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie, Drucksache 16/1335. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – seiner Beschlussempfehlung auf Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so Drucksache 16/2018, den Gesetzentwurf in der beschlossen. Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ich eröffne die Aussprache und teile zunächst mit, Ausschussfassung zustimmen wollen, um das dass die Kollegen Kauch, Granold, Stünker, Grübel, Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Schewe-Gerigk und Strässer ihre Reden zu Protokoll Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in gegeben haben.6 Es redet als Einziger zu diesem zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Tagesordnungspunkt der Kollege Ilja Seifert, Hauses bei Enthaltung der Fraktion Die Linke Fraktion Die Linke. angenommen. (Beifall bei der LINKEN) Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in einer – Der Gesetzentwurf ist mit der gleichen Mehrheit verrückten Zeit. Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist wie zuvor angenommen. von Vertrauen geprägt, sollte es jedenfalls sein. Was aber geschieht? Es wird immer weiter Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung verrechtlicht. Eine Hoffnung ist, solange es kein auf Drucksache 16/2018 empfiehlt der Ausschuss, einheitliches und überschaubares Recht des eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für Gesundheitswesens gibt, für viele Menschen die diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Patientenverfügung; sie bleibt aber eine Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist bei Notlösung. Wer das nicht sieht, geht in die Irre. Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen einstimmig angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie schlagen vor, die Patientenverfügung neu zu Wir kommen zur Abstimmung über die regeln. Dagegen gibt es erst einmal gar nichts zu Entschließungsanträge. Wer stimmt für den sagen. Sie haben aber vergessen, dass eine Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Vorsorgevollmacht, eine Betreuungsverfügung und Drucksache 16/2042? – Wer stimmt dagegen? – möglichst auch eine klare Festlegung, ob man als Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist bei Organspender zur Verfügung steht oder nicht, Gegenstimmen der Fraktion Die Linke von den hinzugefügt werden müsste. Ansonsten nutzt die übrigen Fraktionen abgelehnt. Patientenverfügung nämlich relativ wenig. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Sie sorgen sich darum, dass die Fürsorge des Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Druck- Staates, die Fürsorge des Arztes, die Fürsorge des sache 16/2043? – Wer stimmt dagegen? – Wer Gesundheitswesens in Bevormundung umschlägt enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag und die Selbstbestimmung der Menschen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit beeinträchtigt. Sie vergessen aber – das muss, den Stimmen des Hauses bei Gegenstimmen der wenn das neu geordnet wird, unbedingt Fraktion des Bündnis-ses 90/Die Grünen und der Linken abgelehnt. ______

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: 6 Anlage 16

4148 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 hinzugefügt werden –, dass wir dafür sorgen (Beifall bei der LINKEN sowie bei müssen, dass die Menschen, wenn man ihnen Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, immer mehr Selbstbestimmung gibt, nicht immer der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE stärker vereinsamen oder gar verwahrlosen. Das GRÜNEN) geschieht nicht nur bei Alkoholkranken, das geschieht auch bei alten Menschen, bei Demenz Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: und anderen sozialen oder sonstigen Ich schließe die Aussprache. Schwierigkeiten. Im Übrigen: Wie soll ich selbst bestimmen, wenn ich gar nicht weiß, welche Interfraktionell wird die Überweisung der Therapie ich gerade brauche, weil ich die Vorlage auf Drucksache 16/397 an die in der Diagnose gar nicht selbst stellen kann? Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Deshalb sage ich: In diesem Zusammenhang Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so nützt uns die Stärkung des beschlossen. Selbstbestimmungsrechts allein wenig. Wir müssen das Arzt-Patienten-Verhältnis, das ein Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf: Vertrauensverhältnis sein sollte, stärken. Es – Zweite und dritte Beratung des von der kann nicht sein, dass die Patienten zukünftig nur Bundesregierung eingebrachten Entwurfs noch in Begleitung ihres Rechtsanwalts zum Arzt eines Gesetzes zur Umsetzung des gehen, wohl wissend, dass neben dem Arzt Rahmenbeschlusses über den dessen Rechtsanwalt sitzt, und sich dann die Europäischen Haftbefehl und die Überga- Rechtsanwälte über die Diagnose unterhalten und beverfahren zwischen den überlegen, welche Therapie von wem bezahlt wird. Mitgliedstaaten der Europäischen Union Wenn wir so weit sind, haben wir verloren. (Europäisches Haftbefehlsgesetz – Eine grundlegende Regelung des Arzt- EuHbG) Patienten-Verhältnisses im BGB wäre sinnvoll, – Drucksache 16/1024 – damit sowohl die Ärztinnen und Ärzte als auch die Patientinnen und Patienten wieder weniger über – Zweite und dritte Beratung des von den rechtliche Dinge nachdenken müssen, sondern Fraktionen der CDU/CSU und der SPD man wieder stärker Vertrauen darin haben kann, eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur dass jede Seite ihre Sache so ordentlich macht, Umsetzung des Rahmenbeschlusses dass für alle Seiten das Beste herauskommt. über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns Mitgliedstaaten der Europäischen Union eines nicht vergessen: Zu große Hoffnung in die (Europäisches Haftbefehlsgesetz – Eu- Patientenverfügung zu legen, kann auch heißen, HbG) dass wir der aktiven Sterbehilfe Tür und Tor öffnen. Was wollen wir denn machen, wenn – Drucksache 16/544 – jemand frei und selbstbestimmt hineinschreibt: Beschlussempfehlung und Bericht des Wenn das und das mit mir passiert, möchte ich Rechtsausschusses (6. Ausschuss) eine Giftspritze haben. Wie soll sich der Arzt dann verhalten? Wenn die Patientenverfügung – Drucksache 16/2015 – rechtsverbindlich wäre, müsste er sie setzen. Ist Berichterstattung: sie es nicht, dann ist sie überflüssig. Abgeordnete Siegfried Kauder (Villingen- Also: Lassen Sie uns auch festlegen, was in Schwenningen) einer Patientenverfügung nicht festgelegt werden Joachim Stünker darf, beispielsweise die aktive Sterbehilfe. Lassen Dr. Peter Danckert Sie uns dafür sorgen, dass die Palliativversorung – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auch ambulant – richtig, schnell und Wolfgang Nešković flächendeckend ausgebaut wird und die Jerzy Montag Sterbebegleitung ernst genommen wird. Das ist Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein Faktor, der ein paar Mark dreißig kostet, den ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP wir uns aber leisten müssen, damit die Menschen vor. keine Angst vor dem haben müssen, was passiert, wenn sie in eine gesundheitlich ausweglose Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Situation geraten. Das ist angesagt und nicht das die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – einseitige Setzen auf Selbstbestimmung gegen Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient. beschlossen. Ich danke Ihnen, dass Sie zu dieser späten Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Stunde noch so aufmerksam waren, und hoffe, Parlamentarischen Staatssekretär Alfred dass wir zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. Hartenbach das Wort. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4149

Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei Ermessensklausel ersetzt. Ich meine, dass das der Bundesministerin der Justiz: sehr vernünftig ist. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Insgesamt darf ich abschließend feststellen: Wir und Kollegen! Die Grenzen in Europa sind in den haben nunmehr einen verfassungsfesten Entwurf letzten Jahrzehnten immer durchlässiger auf den Tisch gelegt. Er berücksichtigt unsere geworden. Das war eine glückliche Entwicklung Grundrechte und die Entscheidung aus Karlsruhe. und zahllose Menschen profitieren heute davon. Er entspricht dem europäischen Rahmenbeschluss Damit offene Grenzen aber nicht zu einem Risiko und ist für die Praxis geeignet. Ich bin mir sicher: für unsere Sicherheit werden, muss auch die Mit diesem Gesetz kommt die Strafverfolgung in Verbrechensbekämpfung grenzüberschreitend Europa ein gutes Stück voran und damit wird auch werden. Der Mobilität der Straftäter müssen wir die die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger fester. Kooperation der Strafverfolger entgegensetzen. Vielen Dank. Der Europäische Haftbefehl ist ein wichtiges Instrument, um die Zusammenarbeit der (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Mitgliedstaaten beim Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität weiter zu verbessern. An die Stelle Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: der traditionellen Regelungen des Völkerrechts tritt Ich erteile das Wort Kollegin Sabine ein vereinfachtes und vor allem beschleunigtes Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Fraktion. Auslieferungsverfahren. Ein erstes Gesetz hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig (Beifall bei der FDP) erklärt. Das hat uns allen wehgetan. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Wir kommen mit dem neuen Entwurf heute dem Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Urteil des Verfassungsgerichts nach, und zwar in Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr allen Punkten. Die Bundesregierung hat die Staatssekretär Hartenbach, genau diese Entscheidung des Gerichts sehr genau geprüft und Einschätzung teile ich nicht. dann einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der Rechtsausschuss hat auf dieser Grundlage eine, (Fritz Rudolf Körper [SPD]: Alles andere hätte wie ich finde, sehr intensive und gute Anhörung mich auch sehr gewundert!) durchgeführt und an einigen Punkten weitere Denn wenn Sie sich dieses Veränderungen vorgenommen. Wir haben das Gesetzgebungsverfahren ganz ehrlich und Gesetz verbessert und alle verfassungsrechtlichen nüchtern vor Augen führen, stellen Sie fest: Es war Bedenken ausgeräumt. im ersten Anlauf vor dem Bundesverfas- Die Entscheidung der Bewilligungsbehörde – sungsgericht eine große Blamage, weil das das war eine der Fragen –, keine der möglichen Justizministerium nicht in der Lage war, einen Bewilligungshindernisse geltend zu machen, muss verfassungskonformen Entwurf vorzulegen. künftig durch die Oberlandesgerichte überprüft (Joachim Stünker [SPD]: Ja, ja! Genau werden. Damit entsprechen wir der Forderung des wie in Ihrer Regierungszeit! – Fritz Rudolf Gerichts nach einem besseren Rechtsschutz. Körper [SPD]: Das Interesse der FDP an Künftig ist auch klargestellt, dass eine diesem Thema ist aber auch nicht gerade Auslieferung deutscher Staatsangehöriger groß, wie man sieht!) unzulässig ist, wenn die Tat einen maßgeblichen Das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz Inlandsbezug aufweist. Anders ausgedrückt: insgesamt für nichtig erklärt. Auch das muss Ausgeliefert werden darf künftig nur dann, wenn einmal gesagt werden. Tatort und Erfolgseintritt in wesentlichen Teilen im Ausland liegen oder wenn die Tat einen typischen (Joachim Stünker [SPD]: Ja!) grenzüberschreitenden Charakter hat, wie dies Das hören Sie zwar nicht gerne zum Beispiel bei der organisierten Kriminalität immer der Fall sein wird. (Joachim Stünker [SPD]: Doch! Warum nicht?) Ich möchte eine dritte Änderung erwähnen, – das verstehe ich –, aber das ist die Geschichte nämlich die so genannte Ausländerklausel. dieses Gesetzentwurfs. Angesichts von Millionen zum Teil bestens (Beifall bei der FDP – Joachim Stünker integrierter Zuwanderer in Deutschland macht es [SPD]: So etwas ist in Ihren keinen Sinn, bei der Frage einer Auslieferung Regierungszeiten ja nie vorgekommen!) einzig und allein auf die Staatsbürgerschaft abzustellen. Ein Italiener zum Beispiel, der seit – Ich kann Ihnen sagen: in dieser Häufigkeit mit Jahrzehnten hier lebt, darf nicht anders behandelt Sicherheit nicht. Ich nenne nur das Stichwort werden als sein deutscher Nachbar. Allerdings „Luftsicherheitsgesetz“. Das war eine Blamage bis kommt es immer auf den Einzelfall an. Wir haben zum Gehtnichtmehr. deshalb die zwingende Regel durch eine (Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Ach! Jetzt kommen die ollen Kamellen!) 4150 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Heute Morgen haben Sie Gesetzentwürfe (Beifall bei der FDP) verabschiedet, die sich alle beim Das ist in Ihrem Gesetzentwurf nicht mit der Bundesverfassungsgericht wieder finden und dort notwendigen Bestimmtheit der Fall. mit Sicherheit keinen Bestand haben werden; denken Sie nur an das Steueränderungsgesetz. In Der zweite Bereich, über den wir mit den anderen Fällen haben Sie Gesetze mit Experten intensiv diskutiert haben, betrifft die Befristungen versehen, obwohl Sie wissen, dass Frage, inwieweit in diesem Bewilligungsverfahren auch sie keinen Bestand haben werden. Insofern, Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben sind. Das Herr Staatssekretär, ist das kein Glanzstück Ihrer beinhaltet eine Bewilligungs- und Rechtspolitik. Zulässigkeitsprüfung. Meine sehr geehrten Kolle- ginnen und Kollegen, nur auf massiven Druck Jetzt beraten wir den zweiten Anlauf des wurde die Formulierung gestrichen, dass die Justizministeriums. Der erste Gesetzentwurf, der getroffene Entscheidung generell unanfechtbar ist. vorgelegt wurde, hat noch nicht einmal die Eine solche Regelung hätte mit Sicherheit nicht in Zustimmung der Koalitionsfraktionen gefunden; Übereinstimmung mit dem Urteil des andernfalls hätten Sie in der letzten Sitzung des Bundesverfassungsgerichts gestanden. Rechtsausschusses keine seitenlangen Ände- rungsvorschläge vorlegen müssen. Gott sei Dank Wir sind der Auffassung – das haben wir auch haben wir die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf im Rechtsausschuss zum Ausdruck gebracht –, durchgeführt, in der die Kritik der Experten aus den dass es letztendlich einen Rechtsbehelf gegen unterschiedlichsten Bereichen, die letztendlich diese Bewilligungsentscheidung geben muss und auch das Justizministerium zur Kenntnis nehmen dass die Ausgestaltung des zweistufigen musste, deutlich wurde. Verfahrens allein, wie im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen, nicht ausreicht. Jetzt liegt in geänderter Fassung ein Gesetzentwurf vor, der durch diese Änderungen Lassen Sie mich zum Schluss anmerken, dass schon etwas verbessert wurde, der aber nach wie mit diesem Rahmenbeschluss zum Europäischen vor deutliche Defizite aufweist. Wenn man sich das Haftbefehl eine neue Ära der justiziellen und Urteil des Bundesverfassungsgerichts – es ist zwar polizeilichen Zusammenarbeit in der nicht Gesetzgeber, aber die letzte Instanz, wenn Europäischen Union eingeleitet wird. Denn mit es um die Frage der Verfassungskonformität geht dem gegenwärtig praktizierten Prinzip der – genau ansieht, stellt man das fest. Das Justiz- gegenseitigen Anerkennung, mit dem wir uns in ministerium hat es sich zu leicht gemacht: Man hat dieser Intensität bisher noch gar nicht befasst einfach Formulierungen aus dem Urteil haben, wird ein Weg beschritten, der dazu führt, abgeschrieben, die von Praktikern schon heute als dass wir die Rechtsordnungen der anderen nicht praxistauglich beurteilt werden. Mitgliedstaaten der Europäischen Union anerkennen, die, wie gesagt, sehr unterschiedlich (Beifall bei der FDP) sind und verschiedene Standards haben. Auf diese Was ist denn unter „maßgeblichem unterschiedlichen Standards wird eine Anerken- Inlandsbezug“ zu verstehen? Das nung der jeweiligen Entscheidungen aufgesetzt. Bundesverfassungsgericht hat gesagt, hier Das fördert nicht Integration, das manifestiert müssten vonseiten des Gesetzgebers Konkretisie- Unterschiede. Wir haben bisher, obwohl es ein rungen erfolgen. Aber Sie übernehmen diese Grünbuch dazu gibt, keinen Vorschlag dazu Formulierungen. Alle Experten haben zum bekommen, wie Rechtsstandards und Ausdruck gebracht, dass es große Unsicherheiten Mindeststandards in diesem Bereich der polizeili- gibt, dass die verwendeten Begriffe zu unbestimmt chen und justiziellen Zusammenarbeit in Europa sind und dass man nicht weiß, wie man sie endlich einmal im Gesamtzusammenhang anwenden soll. Diese Entscheidung wird natürlich betrachten werden können, um ein Stück weit der Rechtsprechung unterworfen. Denn bei dieser Verlust und Einschränkung von Rechten der Materie geht es darum, dass deutsche einzelnen Betroffenen abzubauen. Staatsangehörige – zwar auch lange hier lebende Ausländer, aber insbesondere deutsche Staatsbürger – in die Hoheitsgewalt und in ein Die FDP-Fraktion lehnt diesen Gesetzentwurf Rechtsverfahren eines anderen Mitgliedstaates der deshalb wegen grundsätzlicher Bedenken ab. Europäischen Union überstellt werden. Vielen Dank. Dort herrschen in diesem Bereich nach wie vor (Beifall bei der FDP) sehr unterschiedliche Traditionen und es werden verschiedene Verfahren angewendet, die sich längst nicht an einheitlichen Standards orientieren. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Daher denke ich, dass es wichtig und notwendig Ich erteile das Wort Kollegen Siegfried Kauder, ist, auch die Schranken, wann jemand ausgeliefert CDU/ CSU-Fraktion. werden darf und wann nicht, sehr präzise zu (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- formulieren. neten der SPD) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4151

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Gegen die Verfassungsmäßigkeit des neuen (CDU/ CSU): Auslieferungsrechts, insbesondere soweit es Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe die Auslieferung Deutscher betrifft, bestehen Kollegen! Es gibt einen Grundsatz, den jedermann keine durchgreifenden Bedenken. kennt: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Da hat immerhin ein Oberlandesgericht, im Gottes Hand. Zu den Gerichten zählt auch das Einvernehmen mit den anderen Bundesverfassungsgericht. Oberlandesgerichten, dem Gesetzgeber bestätigt: (Lachen des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ Du hast eine gute Arbeit geleistet. DIE GRÜNEN]) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Damit nicht einige glauben, feixen zu können – Das Bundesverfassungsgericht sah das anders. das gilt insbesondere für die Grünen, die ja damals Damit muss eine Regierungskoalition und eine in der Regierungsverantwortung waren –, lohnt es Regierung eher leben als die Opposition, weil in sich vielleicht, die Entwicklung des ersten aller Regel die Mehrheit im Deutschen Bundestag Gesetzentwurfes zum Europäischen die Gesetze verabschiedet und sie dann auch vor Haftbefehlsgesetz zu beleuchten: Am dem Verfassungsgericht zu vertreten hat. 29. November 2000 wurde Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes im Vorgriff auf das von Europa zu Aber was hat uns das erwartende Recht – einen Rahmenbeschluss zum Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung Europäischen Haftbefehlsgesetz – um einen präsentiert? Etwas, wovon nicht nur die Politiker, Satz 2 ergänzt. In diesem Art. 16 Abs. 2 Satz 2 sondern auch die Rechtsgelehrten völlig wurde abweichend von den bisherigen überrascht waren: Da hat man auf einmal eine Grundrechten festgelegt: dreistufige Prüfung eingeführt und war der Meinung, Auslieferungsfälle seien zu differenzieren Durch Gesetz kann eine abweichende nach dem so genannten maßgeblichen Regelung für Auslieferungen an einen Inlandsbezug und nach dem maßgeblichen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an Auslandsbezug und, nicht zu vergessen, dann einen internationalen Gerichtshof getroffen gäbe es auch noch Mischfälle, wo man nicht ein- werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze deutig sagen kann, ob ein maßgeblicher gewahrt sind. Inlandsbezug oder ein maßgeblicher Damit nahm das Drama seinen Lauf: Was sind Auslandsbezug vorhanden ist. Das war also die „rechtsstaatliche Grundsätze“, wie sie bei diesem dreistufige Prüfungsreihenfolge, die uns das Auslieferungsgesetz zu beachten sind? Verfassungsgericht vorgegeben hat. Am 19. September 2001 präsentierte die Aber auch die Verfassungsrichter erkannten Kommission den Vorschlag eines dann schnell, dass es nicht so einfach möglich ist, Rahmenbeschlusses des Rates über den dieses System durchzuhalten. Was machen wir Europäischen Haftbefehl und am 15. August 2003 denn mit der organisierten Kriminalität, die lag uns der Entwurf der Bundesregierung vor. Es länderübergreifend tätig ist? Na ja, dachten sich war Eile geboten, nicht etwa weil Bestrafung aus die hohen Herren bei Gericht, die packen wir Europa angestanden hätte, sondern weil alle einfach unter eine der Fallarten, nämlich die mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union sich einig maßgeblichem Auslandsbezug. – Meine Damen waren, dass in wenigen Monaten, nämlich ab dem und Herren, Sie sehen also: Es ist auch für ein 1. Januar 2004, dieses erleichterte Gericht nicht so einfach, mit diesen Problemen Auslieferungsrecht für die gesamte Europäische fertig zu werden. Union gelten sollte. Es galt also den Anschluss zu Ein weiteres Haar wurde in der Suppe halten. Verfassungsrechliche Rechtsprechung, an gefunden, nämlich das, was die Kollegin der wir uns hätten orientieren können, gab es Leutheusser-Schnarrenberger angesprochen hat: nicht. Deswegen wurde dieser Gesetzentwurf mit die Rechtsmittelfähigkeit der so genannten der notwendigen Mehrheit im Deutschen Bewilligungsentscheidungen. Seit es das Aus- Bundestag Gesetz. „Das war ja wohl nichts“, lieferungsrecht gibt, hat es das in Deutschland meinte die Frau Kollegin Leutheusser-Schnar- noch nie gegeben und das wurde unisono auch renberger etwas feixend; denn das von den Gerichten und von den Rechtsgelehrten Bundesverfassungsgericht hat dieses Gesetz mit nicht verlangt. Auf einmal ist dies völlig unerwartet Pauken und Trompeten aufgehoben. eine Vorgabe des Verfassungsgerichts. Meine lieben Kolleginnen, liebe Kollegen, wir Warum erzähle ich Ihnen dies alles? Weil der können nicht immer klüger sein, als mancher Grundsatz „Vor Gericht und auf hoher See ist man Richter das ist. Und mancher Richter ist auch nicht in Gottes Hand“ sicherlich auch für den jetzt klüger als das Bundesverfassungsgericht. Denn vorliegenden Gesetzentwurf seine Anwendung kurz nachdem dieses Gesetz verabschiedet war, finden könnte. hat das Oberlandesgericht Stuttgart – am 28. Januar 2005 – einen Beschluss verabschiedet, (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: dessen Ziffer 2 ich mir zu zitieren erlaube: Wird!) 4152 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Wir haben anhand unseres eigenen Wissens, mit Auslieferungsverfahrens ohne ängstliches unseren eigenen intellektuellen Fähigkeiten und Schielen auf den Rahmenbeschluss in die Tat mithilfe von Fachbeamten des Justizministeriums umsetzen. zu prüfen, ob wir diesen Gesetzentwurf (Beifall des Abg. Wolfgang Wieland [BÜND- verfassungsrechtlich vertreten können oder nicht. NIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich verhehle nicht, dass man den einen oder Leider muss ich der Koalition bescheinigen, diesen anderen Gedanken haben kann – der Kollege Mut nicht aufgebracht zu haben. Ich will das an der Montag wird dazu noch etwas sagen –, wie man zentralen Frage verdeutlichen, wann ein Deutscher dieses Gesetz noch aufpeppen kann. Liebe an das Ausland ausgeliefert werden kann. Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen, nehmen Sie es uns aber nicht übel, dass Die Antwort, die in Ihrem Gesetz steht, lautet: wir die Debatte, die Sie in der letzten Legislaturpe- Wenn seine Tat einen maßgeblichen Bezug zu riode mit Ihren Partnern nicht zu einem Ergebnis dem Staat aufweist, der seine Auslieferung haben führen können, nicht noch einmal begehrt. – Das ist schwierig genug. Was aber ist entfachen. ein maßgeblicher Bezug? Er soll gegeben sein, wenn die Tat in wesentlichen Teilen in diesem Wir wollen ein verfassungskonformes Gesetz, Staat begangen wurde und der Taterfolg in das wir damit vorgelegt haben. Ich bin der wesentlichen Teilen dort eingetreten ist oder wenn Meinung, es ist verfassungstauglich. Ob es die Tat einen typisch grenzüberschreitenden gerichtsfest ist, werden wir vielleicht irgendwann Charakter hat. Was ist aber der „wesentliche Teil“ einmal sehen. Es ist aber geeignet, dem einer Tat und welche Taten haben einen zuzustimmen. Darum bitte ich Sie. „grenzüberschreitenden Charakter“? Fragen über (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Fragen. Damit ist es aber noch nicht genug. Der Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Deutsche kann auch ausgeliefert werden, wenn Der Kollege Wolfgang Nešković, Fraktion Die seine Tat keinen maßgeblichen Bezug zu dem Linke, hat seine Rede zu Protokoll gegeben.7 Damit Staat aufweist, der seine Auslieferung begehrt. erteile ich dem Kollegen Jerzy Montag, Fraktion Man fragt sich, warum und unter welchen des Bündnis-ses 90/Die Grünen, das Wort. Bedingungen das so sein soll. Das soll möglich sein, wenn seine Tat auch keinen maßgeblichen Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bezug zu Deutschland hat, seine Tat – die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! maßgeblich wohl dann in einem Drittstaat Lieber Kollege Kauder, die Grünen haben bei begangen worden sein muss – nach deutschem diesem Thema nicht gefeixt, wie Sie gesagt haben, Recht auch strafbar wäre und bei einer Abwägung sondern ich habe mir erlaubt, Ihnen zuzulächeln, der Interessen des Staates, der die Auslieferung weil ich die elegante Einführung Ihres Vortrags so begehrt, obwohl zu ihm gar kein maßgeblicher gut gefunden habe. Bezug besteht, im Verhältnis zu dem Interesse des Mit allem Ernst: Ein Gesetz in einem zweiten Deutschen, nicht ausgeliefert zu werden, die Anlauf formulieren zu müssen, das uns Interessen gleichgewichtig sind oder die Abgeordneten des Bundestages vom staatlichen Interessen überwiegen. – Das soll einer Bundesverfassungsgericht mit der etwas verstehen, der als Betroffener vor einer süffisanten Bemerkung zurückgegeben worden ist, Auslieferung zum Beispiel nach Lettland steht. wir sollten „Gelegenheit bekommen, nunmehr Es kommt aber noch schlimmer. Bei diesen unseren Verfassungspflichten zu genügen“, ist letztgenannten Abwägungen zwischen den nicht einfach. Ich erinnere mich gut daran, dass ich Interessen des Staates und des betroffenen am 11. März 2004 hier im Hohen Hause gesagt Bürgers sind ins Verhältnis zu setzen die habe, wir seien durch den Rahmenbeschluss über praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer den Europäischen Haftbefehl gezwungen, einige effektiven Strafverfolgung unter Berücksichtigung wichtige rechtsstaatliche Schutznormen des der mit der Schaffung eines europäischen bewährten deutschen Auslieferungsrechts Rechtsraums verbundenen Ziele mit den abzusenken. Das Bundesverfassungsgericht hat grundrechtlich geschützten Interessen des dies anders gesehen. Betroffenen. – Das alles steht in dem Gesetz. Das Wir werden jetzt also in die Pflicht genommen, haben Sie wortwörtlich aus der Entscheidung des nach den Vorgaben des Verfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichts abgeschrieben. Sie nachzubessern. Dabei sollten wir die uns vom glauben, indem Sie solche Begriffskaskaden ins Gericht zurückgegebene Autonomie mutig nutzen Gesetz aufnehmen, könnten Sie einer und unsere Vorstellungen eines rechtstaatlichen nochmaligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entkommen. Sie ent- ______kommen dem vielleicht, Herr Kollege Kauder, aber 7 Anlage 17 ein gutes Gesetz ist das immer noch nicht.

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(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Das steht unter Randnummer 116 B II der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Wir haben deswegen im Rechtsausschuss konkrete Verbesserungsvorschläge dazu gemacht. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Sie sagen Aber Sie haben mit uns nicht einmal die immer, das Gesetz sei insgesamt für nichtig erklärt Diskussion über unsere Änderungswünsche worden. Das ist die normale Folgen, derer sich das geführt. Sie haben zu unseren Änderungs- Bundesverfassungsgericht bedient, wenn es sich vorschlägen im Rechtsausschuss geschwiegen. um die tragenden Entscheidungen eines Gesetzes Weil Sie die Diskussion nicht gesucht und unsere handelt. Wir haben in dem vorliegenden guten Verbesserungsvorschläge nicht akzeptiert Gesetzentwurf die Vorgaben des Bun- haben, werden Sie, meine Damen und Herren von desverfassungsgerichts berücksichtigt. der großen Koalition, die Verantwortung für dieses Gesetz alleine zu tragen haben. Wir Grünen werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln, ob verfassungsgerichtliche Vorgaben – durchaus (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auch im Wortlaut – im Gesetz erscheinen können. Ganz im Gegenteil: Es ist gute rechtsstaatliche Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Tradition, sowohl Begrifflichkeiten aus Ich erteile das Wort dem Kollegen Carl-Christian gerichtlichen Entscheidungen zu übernehmen, als Dressel, SPD-Fraktion. auch die Entscheidung im Einzelfall Behörden und Gerichten zu überlassen. Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können als Gesetzgeber nicht für jeden Wenn ich mir einige der Vorredner, vor allem Frau denkbaren Einzelfall Vorsorge treffen. Wir können Leutheusser-Schnarrenberger und Herrn Montag, die Grundsätze vorgeben; über den Einzelfall anhöre, dann denke ich, es geht um die entscheiden Behörden und Gerichte. Und tun wir Auslieferung von Verfolgten an Staaten wie China nicht so, als ob das etwas Neues wäre! Das ist im oder Kuba und nicht an Rechtsstaaten innerhalb deutschen Rechtsstaat schon seit Jahrzehnten, der Europäischen Union. Meine Damen und wenn nicht seit Jahrhunderten so. Herren, wir können darüber froh sein, dass wir in (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Europa ein rechtsstaatliches NEN]: Seit Jahrhunderten ein Gemeinschaftssystem erreicht haben und dass Rechtsstaat? Sie vergaloppieren sich ein der Europäische Rat bereits 1999 das Ziel bisschen!) formuliert hat, in Europa einen Raum der Freiheit, – Herr Montag, die gesetzliche Regelung der der Sicherheit und des Rechts zu gestalten. Einzelfallentscheidung gibt es bei uns seit dem (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 19. Jahrhundert, auch schon vor Einführung des Gestalten zu wollen!) Rechtsstaates. Europa ist mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Europa ist eine Rechtsgemeinschaft. [FDP]: Sagen Sie doch mal konkret etwas (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – zum Gesetzentwurf!) Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE – Ich sage Ihnen gerne konkret, Frau Leutheusser- GRÜNEN]: Das ist es noch nicht!) Schnarrenberger: Wenn Sie aufgrund von Zu diesen Grundsätzen gehört auch, dass im Nichtanfechtbarkeiten der Entscheidung der Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens die Bewilligungsbehörde, die wir ursprünglich strafrechtliche Verfolgung über die Grenzen hinaus vorgesehen hatten, jetzt plötzlich den ermöglicht wird. Zusammenbruch des Rechtsstaates befürchten, dann ist Ihnen offenbar eine Vorschrift wie § 44 a Wir haben den europäischen Rahmenbeschluss der Verwaltungsgerichtsordnung nicht bekannt, jetzt umzusetzen, nachdem es im ersten Anlauf derzufolge eine notwendige nicht geklappt hat. Das Bundesverfassungsgericht Zwischenentscheidung nicht isoliert anfechtbar ist, hat ausgeführt, dass dem Gesetzgeber, da sondern erst im Rahmen der Gesamtent- tragende verfassungsrechtliche Gründe nicht scheidung. Dann ist wahrscheinlich die Hälfte aller gehalten haben, Gelegenheit gegeben werden Baugenehmigungen, die bei muss, das Gesetz in seiner Gesamtheit neu zu Zwischenentscheidungen nicht isoliert anzufechten beraten und die Möglichkeit zu schaffen, sowohl waren, rechtsstaatswidrig. Diese Auffassung kann verfassungskonform als auch ich nicht teilen, Frau Leutheusser- rahmenbeschlusskonform zu einer Umsetzung zu Schnarrenberger. kommen. Mit dem Europäischen Haftbefehl werden wir die (Zuruf von der FDP: Das habe ich nicht ver- Zusammenarbeit zwischen den europäischen standen!) Staaten erheblich beschleunigen und die Kriminalitätsbekämpfung verbessern. Wir haben 4154 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 ein durch die Bank gutes Gesetz geschaffen, das Einbürgerungen erleichtern – sich an den Vorgaben des Bundesverfas- Ausgrenzungen ausschließen sungsgerichts orientiert. Lassen Sie uns die – Drucksache 16/1770 – Grundlage für eine vernünftige Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung in Europa auch im Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) strafrechtlichen Bereich schaffen. Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ich danke Ihnen. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Die Beiträge der Kollegen Kammer, Veit, Wolff Ich schließe die Aussprache. (Rems-Murr), Dagdelen und Winkler zu diesem Tagesordnungspunkt sind zu Protokoll gegeben.8 Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ich schließe die Aussprache. Europäischen Haftbefehlgesetzes, Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage Drucksache 16/1024. Der Rechtsausschuss auf Drucksache 16/1770 an die in der empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss- Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse empfehlung auf Drucksache 16/2015, den vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Gesetzentwurf in der Ausschussfassung Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem beschlossen. Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Zweite und dritte Beratung des von der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit Bundesregierung eingebrachten Entwurfs den Stimmen der CDU/ CSU und der SPD gegen eines Gesetzes zur Stärkung der die Stimmen der drei anderen Fraktionen Rückgewinnungshilfe und der angenommen. Vermögensabschöpfung bei Straftaten Dritte Beratung – Drucksache 16/700 – und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Beschlussempfehlung und Bericht des dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu Rechtsausschusses (6. Ausschuss) erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen – Drucksache 16/2021 – Mehrheiten wie soeben angenommen. Berichterstattung: Wir kommen zur Abstimmung über den Abgeordnete Siegfried Kauder (Villingen- Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Schwenningen) Drucksache 16/2044. Wer stimmt für diesen Dr. Peter Danckert Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Jörg van Essen Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist Sevim Dagdelen damit mit den Stimmen der CDU/CSU und der Jerzy Montag SPD bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die Die Reden der Kollegen Siegfried Kauder, Peter Grünen gegen die Stimmen der FDP und der Danckert, Jörg van Essen, Sevim Dagdelen und Jerzy Linken abgelehnt. Montag zu diesem Tagesordnungspunkt sind zu Pro- 9 Abstimmung über die Beschlussempfehlung des tokoll gegeben , genauso wie die Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs Alfred Rechtsausschusses zu dem von den Fraktionen 10 der CDU/ CSU und der SPD eingebrachten Hartenbach . Entwurf eines Europäischen Haftbefehlgesetzes, Ich schließe die Aussprache. Drucksache 16/544. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Be- Wir kommen zur Abstimmung über den von der schlussempfehlung auf Drucksache 16/2015, den Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wer stimmt Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist ______einstimmig angenommen. 8 Anlage 18 Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke, Petra Pau, 9 Anlage 19 weiterer Abgeordneter und der Fraktion der

LINKEN 10 Rede lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4155

Vermögensabschöpfung bei Straftaten, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Christoph Drucksache 16/700. Der Rechtsausschuss Strässer, Niels Annen, weiterer empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Abgeordneter und der Fraktion der SPD Drucksache 16/2021, den Gesetzentwurf in der Den neuen Menschenrechtsrat der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte Vereinten Nationen zum Erfolg führen diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das – Drucksache 16/1891 – Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist bei Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, Enthaltungen der Fraktionen der FDP und Die Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und Linke mit den Stimmen der anderen Fraktionen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE angenommen. GRÜNEN Dritte Beratung Waffen unter Kontrolle – Für eine und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die umfassende Begrenzung und Kontrolle dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu des Handels mit Kleinwaffen und erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? Munition – Der Gesetzentwurf ist mit der gleichen Mehrheit – Drucksache 16/1967 – wie soeben angenommen. Überweisungsvorschlag: Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f) Beratung des Antrags der Fraktionen der Auswärtiger Ausschuss FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE Innenausschuss GRÜNEN Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Verteidigungsausschuss Demokratiebewegung in Belarus Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützen Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen – Drucksache 16/1977 – Union Überweisungsvorschlag: ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Auswärtiger Ausschuss Volker Beck (Köln), Marieluise Beck Die Reden der Kollegen Manfred Grund, Uta Zapf, (Bremen), Alexander Bonde, weiterer Harald Leibrecht und Wolfgang Gehrcke11 zu diesem Abgeordneter und der Fraktion des Tagesordnungspunkt sind zu Protokoll gegeben.12 BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Ich schließe die Aussprache. Den neuen Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen intensiv unterstützen Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/1977 an den Auswärtigen – Drucksache 16/1968 – Ausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit Die Reden der Kollegen Holger Haibach, Carl- einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Eduard von Bismarck, Herta Däubler-Gmelin, Überweisung so beschlossen. Christoph Strässer, Florian Toncar, Michael Leutert und Volker Beck sind zu Protokoll Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und 13 20 b sowie die Zusatzpunkte 7 und 8 auf: gegeben. 20 a) Beratung des Antrags der Fraktionen der Ich schließe die Aussprache. CDU/ CSU und der SPD Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag UN-Überprüfungskonferenz als Chance der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf zur wirksamen Kontrolle des Handels mit Druck-sache 16/1894 mit dem Titel „UN- Kleinwaffen und leichten Waffen nutzen Überprüfungskonferenz als Chance zur wirksamen Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen und leichten – Drucksache 16/1894 – Waffen nutzen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Holger Haibach, Erika Steinbach, Carl- Antrag ist mit den Stimmen von CDU/ CSU, SPD Eduard von Bismarck, weiterer und FDP gegen die Stimmen der Fraktion Die Abgeordneter und der Fraktion der Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die CDU/CSU sowie der Abgeordneten Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 20 b. Abstimmung über ______den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der

11 Rede lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. ______

13 12 Anlage 21 Anlage 20

4156 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

SPD auf der Drucksache 16/1891 mit dem Titel auch ihnen das Papier „Heuschrecken vor der „Den neuen Menschenrechtsrat der Vereinten Haustür“ bekannt. Nationen zum Erfolg führen“. Wer stimmt für (Zurufe von der SPD: Vor der Wohnungstür!) diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen – Vor der Tür, Entschuldigung! der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion Die (Florian Pronold [SPD]: Vor der Wohnungstür!) Linke gegen die Stimmen der Grünen angenommen. – In meinem Text steht „Heuschrecken vor der Tür“. Zusatzpunkt 7. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/1967 an die in der (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist die Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse dritte Auflage!) vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Heuschrecken möchte natürlich niemand gern in Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so seiner Wohnung haben. beschlossen. Worum geht es? Es geht hier aus meiner Sicht Zusatzpunkt 8. Abstimmung über den Antrag im Wesentlichen darum, ideologische Vorbehalte der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf der SPD-Linken in dieser Frage endlich einmal Drucksache 16/1968 mit dem Titel „Den neuen über Bord zu werfen. Auch für die CDU/CSU-SPD- Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Koalition sollte gelten: Wir wollen nicht nur wissen, intensiv unterstützen“. Wer stimmt für diesen was in Deutschland nicht geht, sondern wir wollen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? endlich auch einmal wissen, dass etwas geht in – Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU Deutschland. und SPD gegen die Stimmen der anderen Fraktionen abgelehnt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Deshalb werden wir als FDP in diesem Bereich Beratung des Antrags der Abgeordneten aktiv. Carl-Ludwig Thiele, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer (Vorsitz: Vizepräsidentin Petra Pau) Abgeordneter und der Fraktion der FDP Die Ängste der Menschen werden geschürt; REITs – Real Estate Investment Trusts in aber keiner wird durch den Verkauf einer Wohnung Deutschland einführen schlechter gestellt. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass gerade – Drucksache 16/1896 – unter einem SPD-geführten Ressort noch in der Überweisungsvorschlag: letzten Wahlperiode Hunderttausende von Finanzausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Wohnungen an Mieter, an Investoren veräußert wurden. Dies war also schon in der Vergangenheit Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für ein Prinzip der Sozialdemokraten. Insofern kann die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, man jetzt nicht sagen: Dieser Weg sollte nicht wobei die FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich gegangen werden. höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Zuletzt noch in Dresden war das! FDP-Bürgermeister!) Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Carl-Ludwig Thiele, FDP-Fraktion, das – Zuletzt in Dresden. Wort. Der Bereich der Immobilienwirtschaft wird aus (Beifall bei der FDP) meiner Sicht in Deutschland generell unterschätzt, auch was die Werthaltigkeit angeht. Nach einer Untersuchung des Ifo-Instituts beläuft sich der Carl-Ludwig Thiele (FDP): Wert inklusive des Grundstückwertes aller in Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr Deutschland gehaltenen Immobilien auf über verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nachdem in 7 000 Milliarden Euro. In diesem Bereich sind über den Medien darüber berichtet wurde, nachdem 400 000 Menschen beschäftigt. Auch die volkswirt- sich Koalitionsarbeitsgruppen damit beschäftigt schaftliche Bedeutung dieses Bereichs sollte haben, ist es gut, dass uns heute dieser Antrag stärker als bisher wahrgenommen werden. vorliegt. Dies trägt dazu bei, dass wir die Real Estate Investment Trusts entsprechend vo- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten rantreiben. Wir brauchen das. In der der CDU/CSU) Koalitionsvereinbarung gibt es sogar eine Warum ist es so wichtig, die REITs nun entsprechende Absichtserklärung; aber wir haben einzuführen? Ich möchte hier vier Gründe nennen. REITs noch nicht. Erstens. Als Anlageklasse wird die Immobilie Die SPD-Linken machen erheblich Stimmung auch in Zukunft an Attraktivität gewinnen. Sie gegen die Einführung von REITs. Vielleicht ist sichert durch die Mietverträge nachhaltige Erträge Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4157 und ist insbesondere interessant, um überhaupt nicht verhindern. Es ist nur die Frage: Rentenverpflichtungen – Pensionsfonds und Findet das Geschäft in Deutschland statt Ähnliches – erfüllen zu können. Insofern ist es ein (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist es! Sehr guter Weg, die Immobilie für die Zukunft attraktiver richtig!) zu gestalten. oder findet es in anderen Ländern statt? Zweitens. Die deutschen Unternehmen haben im Vergleich mit denen anderer Länder eine sehr (Beifall des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/ niedrige Eigenkapitalrendite, aber CSU]) überdurchschnittlich viel Immobilienbesitz. Eine Ich habe inzwischen wirklich die Nase voll davon, Studie der Technischen Universität Darmstadt hat dass wir in Deutschland immer nur zeigen, was ergeben, dass die Immobilieneigentumsquote nicht geht. Wir sollten uns bemühen, die Sache deutscher Unternehmen noch immer bei durch- flott zu machen. Wir werden das weitertreiben. schnittlich rund 60 Prozent liegt. Im internationalen Deshalb halte ich es für richtig, dass dieser Weg Vergleich sind 30 bis 40 Prozent üblich. gegangen wird. (Frank Schäffler [FDP]: Stille Reserve!) (Zuruf von der CDU/CSU: Wo er Recht hat, Insofern gibt es hier stille Reserven. Sie werden hat er Recht!) anders bilanziert werden müssen. Aufgrund Lassen Sie mich abschließend noch ein paar dessen werden diese Reserven auch einer Sätze zum Verfahren sagen. Es ist öffentlich anderen Besteuerung zugeführt werden. Wir bekannt, dass eine Koalitionsarbeitsgruppe seit brauchen in Deutschland eine bessere längerem an der Lösung der Probleme arbeitet. Eigenkapitalausstattung der Unternehmen. Deshalb sollten wir dazu beitragen, dass die dort (Frank Schäffler [FDP]: Nicht mehr!) liegenden Werte gehoben werden, um die Presseberichten zufolge ist sie zu einem Ergebnis Eigenkapitalsituation der Unternehmen zu stärken. gekommen, dass sie nämlich in der Koalition kein Ergebnis erzielt hat, und insofern ist sie auseinander gegangen. Das ist eine der Voraussetzungen dafür, dass die Unternehmen wettbewerbsfähiger werden, (Frank Schäffler [FDP]: Unglaublich! – dass investiert werden kann und dass Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wir haben Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das ein Ergebnis!) sollte in unser aller Interesse sein. In den Fragen Ich begrüße ausdrücklich, dass das des Finanzplatzes Deutschland waren wir bislang Bundesfinanzministerium abweichend von Regeln, fraktionsübergreifend einer Meinung. Wir sollten die es sonst gegeben hat, öffentlich erklärt hat, alles tun, was den Finanzplatz stärkt. Also lassen noch in der Sommerpause, spätestens im Sie uns bitte auch in dieser Frage so verfahren! September einen Gesetzentwurf einzubringen. Wir (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten freuen uns, dass unser Antrag schon jetzt in dieser der CDU/CSU) Form vom Finanzministerium aufgenommen wurde, und hoffen, dass den Finanzminister der Drittens. Auch der öffentliche Sektor verfügt Mut mit Blick auf einzelne Linke, die in dieser über Immobilienbesitz, besonders Frage für die SPD-Fraktion leider federführend Wohnimmobilien. Einzelne Kommunen, Dresden verhandelt haben, nicht verlässt. Wir wünschen zum Beispiel, sind vorangegangen. Aber es ist die uns, dass das Gesetz schnellstmöglich Frage, ob der Verkauf an Investoren erforderlich ist eingebracht wird, damit dann in Ruhe die Details oder ob man auch andere Beteiligungsformen so beraten werden können, dass zum 1. Januar finden kann, die es den Kommunen ermöglichen, 2007 ein vernünftiges Gesetz in Kraft treten kann. sich selbst wieder an diesen Immobilienwerten zu beteiligen. Von daher halte ich es für richtig, dass Herzlichen Dank. dieser Weg endlich geöffnet wird. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Leo Daut- der CDU/CSU) zenberg [CDU/CSU]) Viertens. In den USA gibt es REITs bereits seit Vizepräsidentin Petra Pau: den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Es gibt Das Wort hat der Kollege Leo Dautzenberg für sie seit langem in den Niederlanden und die Unionsfraktion. Australien, seit mehr als zehn Jahren in Kanada, (Beifall bei der CDU/CSU) seit Beginn des Jahrtausends in vielen asiatischen Ländern, seit 2003 direkt vor unserer Haustür in Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Frankreich und voraussichtlich ab dem nächsten Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Jahr auch in Großbritannien. Das zeigt: Finanzmarktpolitik war und ist erfreulicherweise ein Deutschland kann die Etablierung von REITs Gebiet, auf dem fraktionsübergreifend viele Schnittmengen und gemeinsame Zielvorstellungen 4158 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 gegeben waren; darin, Kollege Thiele, waren wir Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen uns immer einig. Dass dem so ist, haben wir in und Kollegen, wie Sie wissen, haben die dieser Woche, auch heute, gezeigt, indem wir Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD im Basel II verabschiedet haben. Frühjahr eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die genau die Frage klären sollte, ob die Bedingungen, Zum Thema REITs und zum FDP-Antrag zur die im Koalitionsvertrag an die Einführung von Einführung von Real Estate Investment Trusts, REITs geknüpft sind, auch tatsächlich erfüllt bzw. kurz „REITs“ genannt, in Deutschland. Auch hier erfüllbar sind. Wir haben uns in der Arbeitsgruppe haben wir gemeinsame Zielvorstellungen. Die also folgende Fragen gestellt: Welche Auswir- Union hat bereits im Februar 2005 einen Antrag in kungen haben REITs auf den Standort? Welche den Deutschen Bundestag eingebracht, der die Auswirkungen haben REITs auf den gleiche Zielrichtung verfolgt wie der heute hier zu Immobilienmarkt? Wie kann die verlässliche debattierende Antrag der FDP. Vermutungen Besteuerung beim Anleger sichergestellt werden? darüber, ob man den zum Anlass genommen hat, Zu all diesen Fragen haben wir in der das Thema aus der Sicht der FDP zu aktualisieren, Arbeitsgruppe Expertengespräche geführt. Parallel sind nicht so sehr angebracht. Ich kann dem dazu hat sich auch das Bundesministerium der Kollegen Thiele nur sagen: Was wir in Finanzen darangemacht, die Fragen zu Oppositionszeiten für richtig gehalten haben, beantworten. halten wir im Grunde auch in Regierungszeiten für richtig. In der Zwischenzeit hat das Ministerium alle drei Fragen sehr eindeutig positiv beantwortet. Leider (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf sind wir aber, anders als das Ministerium, mit den von der CDU/CSU: Das zeichnet uns aus!) drei Kollegen der SPD in der Arbeitsgruppe nicht Die Union war und ist derzeit dezidiert der zu einer einvernehmlichen Beantwortung der Überzeugung, dass ein deutscher REIT eine Fragen gekommen, obwohl – das sage ich sehr Bereicherung für den Finanzplatz Deutschland deutlich – auch die Experten, mit denen wir wäre. Insofern stimme ich dem Antrag der FDP zu, gesprochen haben, mehrheitlich die Bedingungen der im Übrigen nichts anderes fordert, als sich die des Koalitionsvertrages als erfüllt ansehen. Für die Koalitionsfraktionen im Koalitionsvertrag ohnehin Union kann ich daher sagen: Wir haben uns selbst als Aufgabe gestellt haben. ausführlich mit den Folgewirkungen einer Einführung von REITs beschäftigt und teilen (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sehr ausdrücklich die positive Bewertung des richtig!) Finanzministeriums und der Experten. Die FDP fordert, zur Besteuerung von REITs Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz eine Lösung zu finden, die erstens nicht mit der auf die einzelnen Bedingungen eingehen, die wir Lage der öffentlichen Haushalte von Bund, an die Einführung von REITs knüpfen: Ländern und Gemeinden kollidiert, zweitens eine verlässliche Besteuerung beim Anleger sicherstellt Ich komme zunächst zur Frage der und drittens positive Wirkungen auf den Auswirkungen auf den Standort. Diese ist sehr Immobilienmarkt und die Standortbedingungen leicht zu beantworten: Die Auswirkungen auf den erwarten lässt. Finanzplatz wären positiv. Wenn wir nicht rechtzeitig REITs zulassen – Kollege Thiele, Sie An exakt diese Bedingungen knüpfen auch die haben das betont –, werden zukünftig noch weitere Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD in Investitionsvolumina am deutschen Markt vor- ihrem Koalitionsvertrag die Einführung von REITs. beigehen. Dazu darf ich den entsprechenden Passus aus dem Koalitionsvertrag kurz zitieren. Dort heißt es: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Produktinnovationen und neue Vertriebswege Dann werden REITs im Ausland platziert; dabei müssen nachdrücklich unterstützt werden. handelt es sich dann zwar um Dazu wollen wir die Rahmenbedingungen für Immobilienvermögen von Deutschen, aber die neue Anlageklassen in Deutschland schaffen. Platzierung erfolgt eben im Ausland. Hierzu gehören: REITs sind dazu geeignet, das Anlagespektrum – Die Einführung von Real Estate Investment zu erweitern. Gerade für institutionelle Investoren Trusts (Reits) unter der Bedingung, dass die wie Versicherungen und verlässliche Besteuerung beim Anleger Altersvorsorgeeinrichtungen ist ein REIT ein sichergestellt wird und positive Wirkungen auf wertvolles Produkt. Es dient zur Diversifizierung Immobilienmarkt und Standortbedingungen zu und Stabilisierung des Portfolios. Ganz anders als erwarten sind, … in der Öffentlichkeit oftmals dargestellt, ist das Ziel So weit das Zitat aus dem Koalitionsvertrag. eines REIT eben nicht die Renditemaximierung, sondern vielmehr der stetige Ertrag auf hohem (Beifall bei der CDU/CSU – Frank Niveau. Das liegt daran, dass REITs einen Schäffler [FDP]: Wenn nur alles so klar langfristigen Anlagehorizont haben. formuliert wäre im Koalitionsvertrag!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4159

Wer sich einmal diese Eigenschaften eines weil der Betreffende als Ausländer an seinem REITs vergegenwärtigt, der begreift auch sehr Wohnsitz mit einer eigenen Steuer belegt wird. Es schnell, dass die Befürchtungen, es könne durch ist eine verzerrte Darstellung, wenn man sagt, das REITs zu negativen Auswirkungen auf dem sei eine Begünstigung des ausländischen Wohnungsmarkt kommen, unbegründet sind. Investors. Die Besteuerungsgrundlage ist sicher- Wenn ein REIT einen langfristigen Anlagehorizont gestellt. hat und auf stetige Erträge setzt, warum sollte er (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dann, so frage ich Sie, mit Wohnungen spekulie- ren, sie womöglich aufteilen und damit schnelles Der Bundesfinanzminister hat vor kurzem Trading betreiben? Diese Befürchtungen erklärt, dass REITs zu den zentralen entbehren jeder Grundlage. Das Gegenteil ist finanzmarktpolitischen Reformvorhaben dieser richtig: Gerade Wohnungs-REITs sind Bestands- Legislaturperiode gehören und dass es für den REITs. Sie erzielen ihre Rendite nicht über Finanzstandort Deutschland wichtig ist, dass Spekulation und horrende Mietsteigerungen, REITs, wie geplant, zum 1. Januar 2007 eingeführt werden, weil sonst die Gefahr der Abwanderung (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!) von deutschem Immobilienvermögen in sondern über Wertsteigerungen der ausländische REITs besteht. Immobilienbestände, also des Portfolios. Von Die Finanzpolitiker der Union unterstützen den daher ist damit auch eine nachhaltige Finanzminister ausdrücklich in dieser Position. Wie Bestandsbewirtschaftung sichergestellt. das Ministerium und wie auch die FDP in ihrem (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sehr Antrag formuliert, sind wir der Ansicht: Die Zeit ist richtig!) reif für einen Gesetzentwurf zu REITs. Die Parlamentarische Staatssekretärin, Frau Vielen Dank. Dr. Hendricks, hat dies jüngst auch ausdrücklich (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) betont. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Sie sehen, meine Damen und Herren, die Die Rede des Kollegen Axel Troost von der Fraktion Die Linke haben wir zu Protokoll Befürchtungen, die REIT-Kritiker gerade mit Blick 14 auf die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt genommen. vortragen, sind ideologiegetrieben und keinesfalls Das Wort hat der Kollege Florian Pronold für die sachlich begründet. Ich kann das so deutlich SPD-Fraktion. sagen, weil ich die Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft und das Bundesfinanzministerium auf Florian Pronold (SPD): meiner Seite habe. Von daher sind die positiven Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Auswirkungen für den Immobilienmarkt deutlich Kolleginnen und Kollegen! Liebe neue Freunde in herauszustellen. der Fraktion! Die Thematik REITs ist tatsächlich (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) breit in der Öffentlichkeit diskutiert worden, Bei der dritten Bedingung, die wir zu beleuchten (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Und wird es hatten, ging es um die Sicherstellung der auch noch!) Besteuerungsbasis beim Anleger. In der mit einer bestimmten Darstellungsweise in den Vergangenheit war es so, dass dem Zeitungen, die die Problemkonstellationen aber Vermögenstrustmodell zum Teil eine gewisse nicht wirklich widerspiegelt. Präferenz eingeräumt wurde. Man hat bei der Einführung in England gesehen, dass das Wir haben im Koalitionsvertrag sehr klar Dividendenmodell mit Streubesitz auch für geregelt, dass drei Bedingungen erfüllt sein Deutschland gerade zur Sicherstellung der müssen, bevor wir an die Einführung von REITs in Besteuerungsbasis für den ausländischen Anleger Deutschland denken. Diese Bedingungen sind das bessere Instrumentarium darstellt. Von daher zitiert worden. Sie müssen erfüllt sein, bevor hat das Bundesfinanzministerium sich dazu REITs in Deutschland eingeführt wird. Deswegen entschieden, das Dividendenmodell mit muss man nüchtern überprüfen, ob diese Bedin- Streubesitz für die Besteuerungsbasis gungen aufgrund dessen, was bisher vorgelegt sicherzustellen. worden ist, erfüllt werden können. Da kommt die SPD-Arbeitsgruppe zu einer anderen Herr Kollege Pronold, von daher sagen Einschätzung als die Arbeitsgruppe der Union. Äußerungen wie „Je nachdem, wie das Doppelbesteuerungsabkommen ausfällt, werden (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Und der ausländische Investoren nur mit 10 Prozent oder Finanzminister!) 15 Prozent besteuert“ – das ist dann die Besteuerung hier in Deutschland – noch nichts ______darüber aus, wie die Gesamtsteuerbelastung ist, 14 Anlage 22

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– Das werden wir einmal sehen. Nun kommen wir zu der Frage: Was ist im Fall einer Dividendenausschüttung? Dann sind wir (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: War das jetzt nämlich bei dem eine Drohung?) Doppelbesteuerungsabkommen. Wenn der – Nein, jetzt warten wir halt ab, wie der Anleger in Deutschland den normalen Steuersatz Gesetzentwurf aussieht und wie sich das oder vielleicht auch den Abgeltungssteuersatz insgesamt verhält. Hören Sie sich einmal zahlen soll, dann reden wir über eine Besteuerung zusammenhängend an, welche andere Sichtweise des inländischen Anteilseigners an einem man da auch haben kann! Vielleicht prüfen Sie deutschen REIT zwischen 30 und 42 Prozent. kritisch – statt sich wie ein Mitglied Ihrer Fraktion in Derjenige, der an einem deutschen REIT im einen lukrativen Aufsichtsrat wählen zu lassen –, Ausland beteiligt ist, zahlt in Deutschland – nur das interessiert mich als Haushaltspolitiker – (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Eine 10 Prozent, also ein Drittel davon. Unverschämtheit!) (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Stimmt ja nicht! wie man die Einführung von REITs voranbringen Er zahlt je nach Doppelbesteuerung!) kann! Es wird eine Form von Lobbyismus praktiziert, die zumindest hier ein Stück weit Da stellt sich die Frage, ob wir das, was wir auf der bedenklich stimmen darf. Unternehmensebene nicht besteuern, im Inland wieder besteuern. Sie können mir nicht sagen, (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist typisch dass dabei das Gleiche herauskommt. Pronold!) (Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP] meldet sich zu Fangen wir bei der Frage der Sicherstellung einer Zwischenfrage) der Besteuerungsgrundlagen im Inland an. Das ist eine ganz wichtige Frage, die uns angesichts – Gern, Herr Thiele. der Haushaltslage besonders interessieren muss. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist es!) Vizepräsidentin Petra Pau: Herzlichen Dank für die Hilfe. Nach der Konstruktion von REITs soll ein REIT auf der Unternehmensebene steuerfrei gestellt Carl-Ludwig Thiele (FDP): werden, damit bei den Anlegern die Besteuerung Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe insgesamt durch die hohen nur eine Frage, Herr Pronold. Dass in dem ganzen Ausschüttungsverpflichtungen sichergestellt Bereich Steuerfragen eine Rolle spielen, ist, werden kann und damit das, was uns auf der glaube ich, unstreitig. Das Finanzministerium Unternehmensebene entgeht, bei dem Anleger möchte einen Gesetzentwurf einbringen; das ist besteuert wird. allgemein bekannt. Der Finanzminister hat es (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das war schon erklärt, Herr Staatssekretär Mirow ebenso. Ich immer klar!) erinnere an die Worte des Fraktionsvorsitzenden der SPD, der gesagt hat: Ein Gesetzentwurf, der in

den Bundestag hineingeht, kann im Bundestag Wir haben in der Geschichte von REITs verändert werden. – Insofern gehe ich davon aus: verschiedene Modelle erlebt. Die Wenn es einen Entwurf geben wird, dann wird es Besteuerungsgrundlagen haben sich immer auch eine Anhörung geben. Ich wäre jedenfalls geändert, aber eines soll gleich geblieben sein, sehr dafür. Dann kann beraten werden. Auch in nämlich dass die Besteuerung des Anlegers im anderen Fragen, die den Finanzplatz betreffen, Inland in allen Fällen sichergestellt war. Jetzt stelle wird es uns dann gelingen, Anregungen und ich eine spannende Frage. Das Trustmodell hat in Bedenken mit aufzunehmen. Im Ergebnis können der Frage einen guten Ansatz; es beachtet nämlich wir versuchen, konsensual eine Lösung zu finden. das Belegenheitsprinzip. Das Einzige, auch im Meine Frage lautet: Warum blockieren Sie Rahmen der internationalen Abkommen, wo wir als schon die Einbringung eines Gesetzentwurfes und Staat noch die Möglichkeit haben, Steuern damit das In-Gang-Setzen eines solchen festzulegen, ist bei den Einkünften aus Grund- parlamentarischen Verfahrens? Die Fragen stücken. Deswegen hat das Trustmodell des IFD können gestellt werden; das ist richtig und legitim. vorgesehen, dass es sich weiterhin um Einnahmen Aber warum darf hier nicht etwas geschehen und aus Vermietung und Verpachtung handelt. Denn das Parlament sich nicht in der Öffentlichkeit mit es ist sehr wohl erkannt worden, dass die Themen beschäftigen, die von Ihnen nur in Anlegerbesteuerung im Inland mit Arbeitsgruppen, in Dunkelzimmern behandelt Dividendenausschüttungen nicht gewährleistet werden? werden kann. Von dem IFD-Modell hat man sich in der Debatte jedoch verabschiedet, einmal abgesehen davon, dass es in anderer Hinsicht Florian Pronold (SPD): sehr problematische Konstruktionen hatte. Wir haben doch einen ganz eindeutigen Koalitionsvertrag. In dem steht, dass wir die (Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Aha!) Einführung von REITs dann ins Auge fassen, wenn Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4161 die Vorbedingungen geklärt sind. Es soll nicht so dann stellt sich europarechtlich sofort die Frage laufen, dass man irgendwie anfängt und dann nach der Gleichbehandlung. Wenn der EuGH zu schaut, ob man das Ganze hinbekommt und was dem Ergebnis kommt, dass es hier eine dabei herauskommt. Gleichbehandlung geben muss, dann bedeutet das, dass der ausländische REIT auf der Unter- (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: So läppisch ist das nehmensebene steuerfrei zu behandeln ist und vom Finanzminister auch nicht gedacht!) dass wir keine Chance mehr haben, die – Das nehme ich auch nicht an. Deswegen sind Anlegerbesteuerung sicherzustellen. Damit haben wir heute hier, um die Fragen zu erörtern. Sie wir die letzte Möglichkeit für eine nationale sehen ja, dass das auch im parlamentarischen Besteuerung von Grundstücken aufgegeben. So Verfahren geht. Dazu tragen Sie mit Ihrem Antrag lange diese Problematik nicht gelöst ist und die bei, in dem Sie nichts anderes abschreiben als den Bedingungen laut Koalitionsvertrag nicht erfüllt Koalitionsvertrag. sind, will ich REITs nicht. Bis jetzt kann die Besteuerung der Anleger im Inland nicht (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ach nein!) festgestellt werden. – Doch. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Der Finanz- (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Heißt das minister hat dies doch entkräftet!) im Umkehrschluss, dass Sie unterstützen, Es gibt einen weiteren Einwand, den man nicht was darin steht?) einfach wegwischen kann. Es geht um die Frage – Ich stehe vollkommen hinter dem, was der des Wohnungsmarktes, von der eine ganze Koalitionsvertrag vorgibt, nämlich dass drei Menge Leute betroffen sind. Ich weiß nicht, auf Bedingungen erfüllt sein müssen, bevor wir an die welcher Anhörung Sie waren. Der Präsident des Einführung denken. Deutschen Städtetages, Christian Ude, hat enorme Bedenken gegen die REITs geäußert. Der Lassen Sie mich auch zu den anderen Vorsitzende des Mietervereins, Rips, hat ebenfalls Bedingungen etwas sagen; dann kommen wir zu enorme Bedenken geäußert. Da können Sie doch einer weiteren spannenden Frage. Man erinnere nicht sagen, dass alle Experten zu der Auffassung sich an eine der ersten großen Taten unserer gelangt sind, dass man sehenden Auges ins großen Koalition: Wir haben Steuersparmodelle Unglück rennen soll. Das kann ja wohl nicht sein. abgeschafft, die darauf beruhten, dass es Man muss die Anhörung schon korrekt steuerliche Anreize dafür gab, aus ökonomischen wiedergeben. Gründen Entscheidungen zu treffen, die man aus betriebswirtschaftlichen Gründen sonst vielleicht Ich habe auch Äußerungen aus anderen nicht getroffen hätte. Ressorts der Bundesregierung vernommen. Ein Bundesminister hat sich sehr kritisch zu diesem (Zuruf des Abg. Christian Freiherr von Stetten Thema geäußert. [CDU/CSU]) (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wer war das?) – Ja, das meine ich. Das habe ich das letzte Mal im Zusammenhang mit den Windkraftfonds Man wird doch noch fragen dürfen, was insgesamt angesprochen. gesehen passieren soll. Jetzt sind wir an einem spannenden Punkt. Ich stelle Ihnen einmal eine spannende Frage. Nicht nur die Immobilienwirtschaft will Trusts wie Wenn eine gut geführte Wohnungsbaugesellschaft die REITs. Jetzt gibt es auch Forderungen nach eine Rendite von 4 bis 6 Prozent erzielt, dann dem FIT, dem Film Investment Trust. Demnächst möchte ich wissen, wie ein REIT eine wird es auch irgendwelche Schiffsbauer geben, die angekündigte Rendite von 15 Prozent erzielen einen entsprechenden Trust für Schiffe haben will. Nachdem kritisch nachgefragt wurde, wurde wollen. Da stellt sich die Frage: Was sollen dieses Ziel gesenkt. Woher soll diese Rendite Steueranreize, wenn es dafür überhaupt keine kommen? Seine Fremdkapitalausstattung ist noch ökonomische und volkswirtschaftliche Begründung so hoch. Deswegen ist auch der Leverage Effect gibt? nicht so hoch. Außerdem sollen angeblich keine Filetgrundstücke verkauft werden. Woher soll also Im Hinblick auf die Anlegerbesteuerung gibt es diese hohe Rendite kommen? Es bleiben nur noch eine hoch spannende europarechtliche Mieterhöhungen übrig. Zaubern können REITs Problematik. Denn ausländische REITs können auch nicht. theoretisch in Deutschland kaufen. Das werden sie auch machen, unabhängig davon, ob wir REITs in Man muss auch bedenken, dass die Kommunen Deutschland einführen oder nicht. Aber es gilt über Wohngeld die Mieterhöhungen bei nach wie vor das Belegenheitsprinzip, wonach auf Wohnungen aus einem schlechten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung hier Wohnungsbestand mitbezahlen. Es muss uns Steuern gezahlt werden müssen. natürlich interessieren, ob diese Punkte geklärt sind. Wenn wir den German REIT einführen, den wir auf der Unternehmensebene steuerfrei stellen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) 4162 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Für eine Bemerkung zur Standortfrage habe angekündigt. Dann heißt es, dies gelte doch nicht. ich keine Zeit mehr. Ich weiß aber, wie spannend Dann stimmt eine Arbeitsgruppe in einem Bericht dieses Thema ist. Ich bin mir sicher, dass wir bei zu. Dieser Bericht wurde aber offensichtlich nicht anderer Gelegenheit die Möglichkeit haben, im Konsens verfasst. Dann wird ein Gesetzentwurf darüber zu sprechen. Eines ist mir wichtig: Die angekündigt; aber gleichzeitig heißt es, der dürfe Debatte muss vernünftig und unideologisch geführt jetzt noch gar nicht kommen. Was sind das für werden. Wir müssen uns fragen, ob diese Signale gegenüber Investoren? Was für ein Signal Bedingungen erfüllt sind. geht damit vom deutschen Finanzplatz aus? Es gibt ernsthafte Bedenken. Ich finde, man Vizepräsidentin Petra Pau: kann zu dem Schluss kommen: Wir führen solche Herr Kollege Pronold, diese spannende Debatte Anlageformen in Deutschland nicht ein. Wir müssen Sie an anderer Stelle weiterführen. müssen nicht jedes Anlageprodukt, das an anderer Stelle erfolgreich ist, auch in Deutschland Florian Pronold (SPD): einführen, wenn es nicht zu den Bedingungen Das ist in Ordnung. – Schauen wir also einmal, unseres Standorts und zu unseren was da passiert. Bis heute sind die Standortstrategien passt oder wenn es Vorbedingungen im Koalitionsvertrag nicht steuerrechtliche bzw. fiskalische Probleme gibt, die annähernd erfüllt. wir nicht lösen können. Wir müssen das nicht tun. Aber ich finde, eine Koalition müsste im Laufe von (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sieben Monaten in der Lage sein, klar zu entschei- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) den: Machen wir das oder machen wir das nicht? Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Als letzter Redner in dieser Debatte hat der bei der FDP) Kollege Gerhard Schick für das Ich kann für meine Fraktion sagen: Wenn ein Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Gesetzentwurf vorliegt, dann werden wir uns den (Frank Schäffler [FDP]: Jetzt wird es endlich ganz genau anschauen. Wir werden sehen, ob die wieder sachlich!) steuerlichen Fragen geklärt sind. Ich halte eine Anhörung für durchaus hilfreich. Dann können wir Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schauen, wie die Gegebenheiten sind. NEN): In einem muss ich dem Kollegen Pronold Recht Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! geben: Man sollte sich einmal anschauen, wie der Wenn man auf diesen Debattentag zurückblickt, Sektor Immobilien in Deutschland besteuert wird: dann muss man sagen, dass uns heute im Seit Jahr und Tag werden ständig Sonderregeln Unterschied zur gestrigen für diesen Bereich getroffen und dann wird wieder Finanzausschusssitzung, wo uns noch der Einblick versucht, sie abzuschaffen. Dann kommen wieder in das Innenleben der großen Koalition verwehrt neue hinzu. Ein neuer Vorschlag kann vor diesem wurde – Sie erinnern sich –, ein herrliches Stück Hintergrund nur mit großer Skepsis betrachtet vorgeführt wurde. werden. Denn dieser Sektor – das wissen Sie alle (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Besser als zu von den Einkommensteuerbilanzen; Sie sollten den Sternstunden von Rot-Grün!) sich einmal anschauen, wie viel da herüberkommt – schlägt in der Einkommensteuerbilanz negativ zu Es fing heute Morgen mit der Buche, was angesichts der großen Wertschöpfung Geschäftsordnungsdebatte an, in der es darum schon ein wenig bedenklich ist. ging, dass die Berichterstatter der Opposition offensichtlich nicht mehr notwendig sind. Mit Herr Thiele, Sie sagen, wir sollten dazu diesem herrlichen Wechselspiel heute haben Sie beitragen, dass die Werte angehoben werden. deutlich gemacht, dass Sie die Opposition dadurch Dazu muss ich sagen: Sie werden dann überflüssig machen wollen, dass Sie sich selber angehoben, wenn man eine besonders günstige herrlich gegenseitig widersprechen. Das ist schon Exit-Tax macht und dadurch Wertzuwächse, die eine gute Sache. Ich finde es richtig, dass die bisher nicht besteuert wurden, sondern in die Debatten hier im Parlament stattfinden. Das hat stillen Reserven eingeschlossen waren, steuerlich auch etwas Gutes; man lernt einiges dazu. begünstigt. Das ist natürlich im Sinne der Gleichbehandlung verschiedener Investitionen Schauen Sie sich aber einmal an, welche eine durchaus problematische Sache, über die Botschaften in den letzten Monaten von diesem zumindest ich nicht so locker-flockig hinweggehen Haus ausgingen. Es gibt einen Grund dafür, würde. warum wir in den letzten Jahren Finanzmarktthemen häufig fraktionsübergreifend Angesichts dessen, was Sie heute Abend auf die Tagesordnung gesetzt haben: weil das geboten haben, steht für mich und meine Fraktion Signal nach außen extrem wichtig ist. Man muss eine große Sorge im Vordergrund: Es handelt sich schon sagen, dass das alles nicht mehr ganz so bei REITs um ein kleines, überschaubares lustig ist. Im Koalitionsvertrag wird etwas Bausteinchen. Sie nehmen sich gerade eine große Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4163

Unternehmensteuerreform vor; das wird noch Beschlussempfehlung bei Enthaltung der Fraktion lustig. Ich hoffe, dass Sie nicht sieben Monate des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. brauchen, bis Sie uns hierzu ein anständiges Angebot vorlegen können. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: Danke. Erste Beratung des von den Abgeordneten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist Hans-Josef Fell, weiteren Abgeordneten und wie beim bayerischen Knödelessen! Einer der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE nach dem anderen!) GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Vizepräsidentin Petra Pau: Bundesnaturschutzgesetzes Ich schließe die Aussprache. (Urwaldschutzgesetz) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage – Drucksache 16/961 – auf Drucksache 16/1896 an die in der Überweisungsvorschlag: Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Reaktorsicherheit (f) Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so Ausschuss für Wirtschaft und Technologie beschlossen. Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Beratung der Beschlussempfehlung und des Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau Union und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu Auch hier war nach einer interfraktionellen Verein- dem Antrag der Abgeordneten Peter Götz, barung für die Aussprache eine halbe Stunde vorgese- Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. hen. Die Reden der Kollegen Bernward Müller für die Lippold, weiterer Abgeordneter und der Unionsfraktion, Marko Mühlstein für die SPD-Fraktion, Fraktion der CDU/CSU sowie der Angelika Brunkhorst für die FDP-Fraktion, Eva Abgeordneten Petra Weis, Sören Bartol, Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke und Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und Cornelia Behm für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Fraktion der SPD werden zu Protokoll genommen16 und ich kann hiermit die Aussprache schließen. Stadtentwicklung ist moderne Struktur- und Wirtschaftspolitik Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/961 an die in – Drucksachen 16/1890, 16/2004 – der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse Berichterstattung: vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Abgeordneter Joachim Günther (Plauen) Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist diese Überweisung so beschlossen. Interfraktionell war für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Da die Kollegen Peter Götz für die Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 sowie Unionsfraktion, Petra Weis für die SPD, Patrick Döring Zusatzpunkt 9 auf: für die FDP, Heidrun Bluhm für Die Linke und Peter 24 Beratung des Antrags der Fraktionen der Hettlich für das Bündnis 90/Die Grünen ihre Reden zu 15 CDU/ CSU, der SPD, der FDP und des Protokoll gegeben haben, BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Für ein Ende der Gewalt in Norduganda schließe ich die Aussprache. – Drucksache 16/1973 – Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Drucksache 16/2004 zu dem Antrag der Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter Fraktionen der CDU/CSU und der SPD mit dem und der Fraktion der LINKEN Titel „Stadtentwicklung ist moderne Struktur- und Für ein Ende der Gewalt in Norduganda Wirtschaftspolitik“. Der Ausschuss empfiehlt, den – Drucksache 16/1976 – Antrag auf Drucksache 16/1890 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Auch hier ist nach einer interfraktionellen Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist die Vereinbarung für die Aussprache eine halbe

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15Anlage 23 16 Anlage 24

4164 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Stunde vorgesehen. Gibt es dazu Widerspruch? – Wir bitten um Zustimmung zu unserem Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. interfraktionellen Antrag. Wir nehmen die Reden der Kollegen Gabriele (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Groneberg von der SPD-Fraktion und Dr. Karl FDP) Addicks von der FDP-Fraktion zu Protokoll.17 Das Wort hat der Kollege Hartwig Fischer für die Vizepräsidentin Petra Pau: Unionsfraktion. Das Wort hat der Kollege Hüseyin Aydin für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der LINKEN) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE): Kollegen! Die Kollegen von Stetten und Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Koschorrek können bestätigen, dass es eine Präsidentin! Der Bürgerkrieg in Norduganda ist ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den einer jener Konflikte, die in den deutschen Medien Kolleginnen und Kollegen im AwZ, in der großen praktisch nicht stattfinden. Warum? Ist der Krieg Koalition und im Menschenrechtsausschuss gibt. nicht grausam genug? – Nein, wer einmal die Bilder von traumatisierten Kindern gesehen hat, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) die nach einem Überfall auf ihre Dörfer die Eltern Die Konsequenz für heute Abend ist, dass mir verloren haben, vergisst sie nicht mehr. Seit zwei die Kollegin Groneberg ihre Rede, die sie zu Jahrzehnten wütet der Bürgerkrieg. Die brutale, Protokoll gegeben hat, überreicht hat, sodass ich christlich-fundamentalistische „Widerstandsarmee sie kenne und weiß, dass das, was darin steht, des Herren“ kämpft mit einer von Korruption zer- genau die Lage beschreibt, wie wir sie vor fressenen ugandischen Armee um die Macht. 14 Tagen zum Beispiel in Gulu oder in Kitgum Dieser Krieg hat eine humanitäre Katastrophe erlebt haben. hinterlassen. Die Vereinten Nationen nannten den Krieg die „schlimmste vergessene Krise der Welt“. (Beifall bei der CDU/CSU) Sprechen wir Klartext: Das Morden in Ich möchte zu dieser Rede nur eine einzige Norduganda fand lange unter Ausschluss der Ergänzung machen: Wir müssen mit dafür Sorge Weltöffentlichkeit statt, weil er die Interessen tragen, dass die Regierung Museveni dafür sorgt, wichtiger westlicher Staaten nicht berührt hat. dass den Menschen eine Chance gegeben wird, in Dass sich der Bundestag heute mit seinen Folgen die Gebiete zurückzukehren, aus denen sie befasst, ist überfällig. Ich habe zusammen mit stammen, falls diese Gebiete bereits allen Kollegen im Ausschuss für wirtschaftliche verhältnismäßig sicher sind. Auch das muss in den Zusammenarbeit und Entwicklung auf Initiative des zukünftigen Regierungsverhandlungen eine Rolle Ausschussvorsitzenden, Kollegen Hoppe, an der spielen. Formulierung des vorliegenden interfraktionellen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Antrages gearbeitet. Wir haben uns schließlich neten der SPD – Beifall bei der FDP) auf den vorliegenden Text geeinigt. Skandalös ist, dass Die Linke nun auf Betreiben der Ansonsten sind die Punkte in dem Antrag so Fraktionsspitze der CDU/CSU im Nachhinein als deutlich formuliert, dass er keiner weiteren Antragsteller ausgeschlossen wurde. Ergänzung bedarf. In Norduganda werden, wie die Union selber Allerdings ein Punkt zur Geschäftsordnung: Wir festgestellt hat, Dörfer und Felder niedergebrannt, waren in der Koalition aus grundsätzlichen Menschen misshandelt, Frauen und Mädchen Erwägungen nicht bereit, diesen Antrag vergewaltigt. Man sollte meinen, solch eine gemeinsam mit der Linken als interfraktionellen Feststellung lässt keinen Spielraum für Antrag einzubringen; deshalb gibt es von der parlamentarische Winkelzüge. Falsch – kein Elend Linken einen eigenen Antrag. Es gibt keine klare der Welt könnte so groß sein, als dass die CDU/ Distanzierung zum DDR-Unrechtssystem und auch CSU ihren Namen neben jenem der Linken heute ist in der Debatte um Kuba wieder deutlich ertragen könnte. Nennen Sie das eine gute geworden, dass für die Linke Menschenrechte teil- Regierungsführung? Es steigert nicht gerade die bar sind. Dies ist der Grund, warum wir nicht bereit Glaubwürdigkeit deutscher Entwicklungspolitik, sind, mit Ihnen gemeinsam einen interfraktionellen wenn Sie den Regierungen in der Dritten Welt Antrag einzubringen. permanent die Prinzipien von Good Governance (Beifall bei der CDU/CSU) unter die Nase reiben, während sie selber diese Prinzipien in Deutschland bei der erstbesten Gelegenheit verletzen. ______(Beifall bei der LINKEN) 17 Anlage 25 Ich erinnere Sie daran, wie dieser Antrag zustande kam. Wir Entwicklungspolitiker haben Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4165 gemeinsam den Film „Lost Children“ gesehen. Es (Olav Gutting [CDU/CSU]: Frau Präsidentin, hat uns alle tief berührt, wie Kinder in Norduganda jetzt müssen Sie durchgreifen!) von Fanatikern aus den Familien gerissen und zu Wir haben einen gleich lautenden Antrag Killern gemacht werden. Im Mai kam Bischof eingebracht. Sie werden gleich dem Odama zu Besuch, der die konfes- interfraktionellen Antrag zustimmen, dem auch ich sionsübergreifende ugandische zustimmen werde. Ich möchte einmal sehen, ob Friedensbewegung vertritt. Bischof Odama Sie den gleich lautenden Antrag der Linken nicht appellierte an uns alle: Helfen Sie den Kindern! Die unterstützen. Fachkollegen aller Parteien im Ausschuss waren sich mit Bischof Odama darin einig, dass wir das (Jörg Tauss [SPD]: Der ist dann erledigt!) tun wollen. Deshalb entstand der gemeinsame, Das würde Ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis interfraktionelle Antrag. Leider müssen wir nun stellen. feststellen, dass die Kollegen von der CDU/CSU lieber die Linke aus einem Antrag herausdrängen, (Beifall bei der LINKEN – Leo anstatt mit ihr gemeinsam die Not der Dautzenberg [CDU/CSU]: Wenn Sie nordugandischen Bevölkerung anzupacken. unserem zustimmen, ist Ihrer erledigt!) Mich würde interessieren, wie Sie diese etwas andere Form christlicher Nächstenliebe dem Vizepräsidentin Petra Pau: ugandischen Bischof Odama und den Christen in Das Wort hat der Kollege Thilo Hoppe für Deutschland begreiflich machen wollen. Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der LINKEN – Sibylle Pfeiffer (Beifall bei der LINKEN) [CDU/CSU]: Völlig problemlos!) Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Union beweist damit nur eines, nämlich Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und dass ihr hehre Ziele, wie die Absicherung von Kollegen! Ich finde es sehr bedauerlich, dass ein Wahlen oder die Eindämmung humanitärer gemeinsames Wort des gesamten Hauses zu den Katastrophen, als Vorwand für militärische Menschenrechtsverletzungen in Norduganda jetzt Einsätze gerade recht sind, ein gemeinsames in parteipolitischem Gestreit untergeht. Vorgehen aller Demokraten zur Unterstützung der ugandischen Friedensbewegung aber undenkbar (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist. Das zeigt: Die Regierung interessiert sich für sowie bei Abgeordneten der SPD, der das Leid in Uganda so wenig, wie sie sich für die FDP und der LINKEN) Opfer ihrer Sozialkürzungspolitik in Deutschland Ich möchte als Vorsitzender des interessiert. Entwicklungsausschusses einmal kurz auf die (Gabriele Groneberg [SPD]: Jetzt reicht es aber! Entstehungsgeschichte des Antrages eingehen. – Widerspruch bei der CDU/CSU) Es war so: Wir haben auf Initiative des Ausschusses den Film „Lost Children“ gesehen, in Deshalb versucht die große Koalition, die Linke dem uns die Filmemacher in erschütternder Art aus dem politischen Prozess in Deutschland und Weise das Schicksal der Kindersoldaten vor herauszumobben. Unsere Anwesenheit stört sie Augen geführt haben. Wir haben mit Vertretern der bei der Durchsetzung ihrer neoliberalen Politik evangelischen und katholischen Kirchen und dem wohl genauso, wie unsere Anwesenheit die Netzwerk der NGOs gesprochen. Die Aktivisten für systematische Ausweitung der Militäreinsätze Menschenrechte dort haben uns um Hilfe gebeten stört. und gesagt: Nicht nur Betroffenheitsrhetorik wird (Olav Gutting [CDU/CSU]: Es ist zwar gebraucht, sondern tut etwas, und zwar schon ganz schön spät, aber deswegen gemeinsam. können Sie nicht so einen Mist erzählen!) Dem haben alle Obleute im Doch Sie grenzen damit nicht nur die Linke aus, Entwicklungsausschuss ausdrücklich zugestimmt. Sie grenzen auch 4,1 Millionen Wähler aus, die wir Wir haben dann angefangen, zu verhandeln, und repräsentieren. Texte ausgetauscht. Wir haben uns auf einem gemeinsamen, wirklich alle Fraktionen um- (Beifall bei der LINKEN) fassenden Antrag geeinigt und dies sogar schon der Presse mitgeteilt. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Aydin, Sie müssen zum Schluss Ich bin dafür, dass wir hier sehr sachlich die kommen. Unterschiede benennen. Das haben wir in der Kubadebatte so gemacht. Auch in dieser Debatte waren wir ganz klar anderer Auffassung. Auch Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE): vonseiten der Grünen war ein klarer Dissens zur Ich komme zum Schluss. – Wir von der Linken Politik der Linken zu erkennen. lassen uns das nicht gefallen. Aber wenn unter den Fachleuten Gemeinsamkeiten erzielt werden und man sich auf 4166 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 ein gemeinsames Konzept einigt, ist es ein recht Wir kommen damit zum Zusatzpunkt 9, mieser Stil, in letzter Minute eine Fraktion Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die herauszuschmeißen. Linke auf Drucksache 16/1976 mit dem gleich lautenden Titel „Für ein Ende der Gewalt in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Norduganda“. Wer stimmt für diesen Antrag? – bei der LINKEN) Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Das hat nichts mehr mit der Sache zu tun, sondern Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der mit Prinzipienreiterei. Ich finde das sehr ärgerlich. Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion Wir werden beiden völlig identischen, gleich abgelehnt. lautenden Anträgen zustimmen. Das drückt (Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: unseren Wunsch aus, dass wirklich das gesamte Wie hat die FDP abgestimmt?) Haus in dieser Menschenrechtsfrage eindeutig Stellung bezieht. – Ich habe das Abstimmungsergebnis festgestellt. Ich denke, es lässt sich im Stenografischen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Protokoll nachlesen, Kollege. bei der LINKEN) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf: Wir haben heute eine Nachtschicht eingelegt. Es ist 23.41 Uhr. Nacht für Nacht ziehen Kinder Beratung des Antrags der Abgeordneten aus den Flüchtlingslagern in die Stadt Kitgum, weil Birgit Homburger, Elke Hoff, Dr. Rainer sie in den Flüchtlingslagern nicht mehr sicher sind. Stinner, weiterer Abgeordneter und der Sie müssen Übergriffe fürchten, nicht nur der Fraktion der FDP Lord’s Resistance Army, sondern auch der Gleiche Besoldung für alle Soldaten Regierungstruppen. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit geeinter Stimme an die Regierung von – Drucksache 16/587 – Uganda herantreten und sagen: Sie muss dieses Überweisungsvorschlag: Problem lösen. Sie muss diesen Konflikt beenden. Verteidigungsausschuss (f) Wir haben den großen Verdacht, dass die doch Innenausschuss Haushaltsausschuss sehr kleine und geschwächte Lord’s Resistance Army künstlich am Leben erhalten wird, weil Herr Hier war nach einer interfraktionellen Vereinbarung Museveni diesen Konflikt braucht, um andere für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Da Dinge, andere Geschäfte im Schatten dieses alle vorgesehenen Rednerinnen und Redner, also die Konfliktes erledigen zu können. Kollegin Monika Brüning und die Kollegin Susanne Jaffke für die Unionsfraktionen, die Kollegin Petra Heß Deshalb ist es wichtig, dass wir mit geeinter für die SPD-Fraktion, die Kollegin Katrin Kunert für die Stimme sprechen und diesen Fraktion Die Linke, der Kollege Winfried Nachtwei für Menschenrechtsverletzungen Einhalt gebieten und Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Kollege uns für die Demobilisierung und Resozialisierung Gert Winkelmeier, ihre Reden zu Protokoll gegeben ha- der Kindersoldaten einsetzen. ben,18 kann ich hiermit die Aussprache schließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/587 an die in der Ich bitte Sie alle – wir sollten konsequent sein Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse und ein Zeichen setzen; es ist ein Possenspiel, vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – dass hier jetzt zwei identische Anträge vorliegen –, Das ist der Fall. Dann ist auch diese Überweisung beiden Anträgen zuzustimmen. so beschlossen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich rufe den Tagesordnungspunkt 38 j auf: und bei der LINKEN – Sibylle Pfeiffer [CDU/ CSU]: Nein, Ihrer ist dann erledigt!) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau Vizepräsidentin Petra Pau: und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) Ich schließe die Aussprache. – zu dem Antrag der Abgeordneten Ingbert Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Liebing, Enak Ferlemann, Dirk Fischer der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Bündnis 90/ Die Grünen auf Drucksache 16/1973 Fraktion der CDU/CSU sowie der mit dem Titel „Für ein Ende der Gewalt in Abgeordneten Dr. Margrit Wetzel, Uwe Norduganda“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Beckmeyer, Sören Bartol, weiterer Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Abgeordneter und der Fraktion der SPD Dann ist der Antrag einstimmig angenommen. ______(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Und 18 der andere damit erledigt!) Anlage 26

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4167

Notschleppkonzept den veränderten Antrag der Fraktion der FDP auf Bedingungen der Seeschifffahrt Drucksache 16/1164 mit dem Titel anpassen „Sicherheitskonzept für Nord- und Ostsee optimieren“ ebenfalls für erledigt zu erklären. Wer – zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gibt es Steenblock, Winfried Hermann, Peter Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist auch Hettlich, weiterer Abgeordneter und der diese Beschlussempfehlung einstimmig Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE angenommen. GRÜNEN Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 sowie Notschleppkonzept an gestiegene Zusatz-punkt 10 auf: Herausforderungen anpassen 25 Beratung des Antrags der Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans- Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck Michael Goldmann, Patrick Döring, Horst (Köln), Monika Lazar, weiterer Abgeordneter Friedrich (Bayreuth), weiterer und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE Abgeordneter und der Fraktion der FDP GRÜNEN Sicherheitskonzept für Nord- und Selbstbestimmtes Leben in Würde Ostsee optimieren ermöglichen – Transsexuellenrecht – Drucksachen 16/1647, 16/685, 16/1164, umfassend reformieren 16/2005 – – Drucksache 16/947 – Berichterstattung: Überweisungsvorschlag: Abgeordnete Dr. Margrit Wetzel Innenausschuss (f) Peter Hettlich Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Auch hier war nach einer interfraktionellen Verein- Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe barung für die Aussprache eine halbe Stunde vorgese- ZP 10 Erste Beratung des von den Abgeordneten hen. Aber wir nehmen zu Protokoll die Reden der Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Kollegen Enak Ferlemann für die Unionsfraktion, Dr. Max Stadler, Jörg van Essen, weiteren Dr. Margrit Wetzel für die SPD-Fraktion, Hans-Michael Abgeordneten und der Fraktion der FDP Goldmann für die FDP-Fraktion, Dorothee Menzner für eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur die Fraktion Die Linke und Rainder Steenblock für die Änderung des Passgesetzes Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.19 – Drucksache 16/2016 – Wir können zur Beschlussempfehlung des Überweisungsvorschlag: Ausschusses für Verkehr, Bau und Innenausschuss Stadtentwicklung auf Drucksache 16/2005 zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD Auch hier war für die Aussprache eine halbe mit dem Titel „Notschleppkonzept den veränderten Stunde vorgesehen. Wir nehmen aber die Beiträge Bedingungen der Seefahrt anpassen“ kommen. der Kollegen Helmut Brandt für die Unionsfraktion, Der Ausschuss empfiehlt unter Num-mer 1 seiner Gabriele Fograscher für die SPD-Fraktion, Jörg Beschlussempfehlung, den Antrag auf van Essen für die FDP-Fraktion, Barbara Höll für Drucksache 16/1647 anzunehmen. Wer stimmt für die Fraktion Die Linke, Irmingard Schewe-Gerigk diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und des fraktionslosen Kollegen Gert Winkelmeier zu Gibt es Enthaltungen? – Dann ist die 20 Beschlussempfehlung einstimmig angenommen. Protokoll. Unter Nummer 3 seiner Beschlussempfehlung Interfraktionell wird die Überweisung der empfiehlt der Ausschuss, den Antrag der Fraktion Vorlagen auf den Drucksachen 16/947 und Bünd-nis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/685 16/2016 an die in der Tagesordnung aufgeführten mit dem Titel „Notschleppkonzept an gestiegene Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit Herausforderungen anpassen“ für erledigt zu einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind diese erklären. Wer stimmt für diese Überweisungen so beschlossen. Beschlussempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist 26 b auf: diese Beschlussempfehlung ebenfalls einstimmig angenommen. 26 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Schließlich empfiehlt uns der Ausschuss unter eines Gesetzes zur Änderung des Nummer 2 seiner Beschlussempfehlung, den Unterhaltsrechts

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19 Anlage 27 20 Anlage 28

4168 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

– Drucksache 16/1830 – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Überweisungsvorschlag: Kollegen! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass Rechtsausschuss (f) es mich freut, dass mehr Mitglieder des Deutschen Finanzausschuss Bundestages zur Beratung um diese Uhrzeit hier Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sitzen, als das bei Themen des b) Erste Beratung des von der Rechtsausschusses normalerweise der Fall ist. Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Dafür herzlichen Dank! eines Ersten Gesetzes zur Änderung des (Jörg Tauss [SPD]: Das machen wir jetzt jedes Unterhaltsvorschussgesetzes Mal so!) – Drucksache 16/1829 – – Genau. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Der Gesetzentwurf, der heute hier beraten wird, Rechtsausschuss hat schon vor dieser ersten Lesung im Bundestag Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO breite öffentliche Resonanz gefunden, und das Auch hier war für die Aussprache eine halbe nicht nur, weil er von Verlegern und Autoren, Stunde vorgesehen. Wir können aber die Beiträge Elektronikindustrie und Internet-Community, der Kolleginnen Ute Granold für die Unionsfraktion, Bibliotheken und Verwertungsgesellschaften sehr Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion, Sabine kontrovers diskutiert wurde, sondern auch, weil Leutheusser-Schnarrenberger für die FDP- das ein Gesetzentwurf ist, den wir auf breiter Basis Fraktion, des Kollegen Jörn Wunderlich für die öffentlich vorbereitet haben: Wir haben ganz viele Fraktion Die Linke, der Kollegin Ekin Deligöz für verschiedene öffentliche Foren veranstaltet, wo die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der alle an diesem Gesetzgebungsprozess Beteiligten Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, zu sich schon im Vorfeld einbringen konnten. Protokoll nehmen.21 Das Ziel unseres Vorhabens ist klar: Wir wollen Damit schließe ich die Aussprache. mit diesem Gesetz das deutsche Urheberrecht Interfraktionell wird die Überweisung der weiter fit machen für das digitale Zeitalter. Die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 16/1830 und Frage, die wir lösen müssen, ist: Wie ist es 16/1829 an die in der Tagesordnung aufgeführten möglich, auch im digitalen Zeitalter einen Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu Ausgleich zwischen den Interessen aller Be- anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. teiligten zu schaffen? Da sind zum einen die Dann sind auch diese Überweisungen so Kreativen, also die Urheber, deren Recht auf beschlossen. geistiges Eigentum durch das Grundgesetz Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf: garantiert ist. Dann gibt es die Nutzer; sie möchten möglichst ungehindert auf den Content, den sie Erste Beratung des von der sich aus dem Netz herunterladen können, Bundesregierung eingebrachten Entwurfs zugreifen eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informa- (Jörg Tauss [SPD]: Zu fairen Bedingungen!) tionsgesellschaft und sehen im Wesentlichen nicht ein, dass sie – Drucksache 16/1828 – dafür irgendetwas bezahlen sollen. Schließlich gibt es die Industrie; sie schafft die technischen Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Voraussetzungen dafür, dass die Nutzung Ausschuss für Wirtschaft und Technologie überhaupt möglich wird. Wie Sie wissen, wird im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Moment eine Urheberabgabe auf die Geräte Verbraucherschutz gezahlt. Die Industrie hat natürlich ein Interesse Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Bildung, Forschung und daran, dass diese Abgabe auf ihre Geräte so Technikfolgenabschätzung niedrig wie möglich ist, weil sie die Ausschuss für Kultur und Medien Preiskonkurrenz fürchtet. Interfraktionell ist für die Aussprache eine halbe Die Notwendigkeit, einen fairen Kompromiss Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu keinen zwischen all den Interessen der verschiedenen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen. Beteiligten zu schaffen, ist heute größer denn je. Das Wort hat die Bundesministerin der Justiz, Schließlich war es noch nie so einfach, über das Brigitte Zypries. Internet von jedem Ort der Welt aus zu jeder Zeit auf urheberrechtlich geschützte Contents (Beifall bei der SPD) zurückzugreifen: Man kann sie mit einem Mausklick abrufen und sie in Sekundenschnelle Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: vervielfältigen. ______Wir meinen, dass das geistige Eigentum der Kreativen aber gerade in der modernen 21 Anlage 29 Informationsgesellschaft gewährleistet bleiben muss. Ohne einen solchen Schutz kann es

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4169 nämlich keine Kreativität geben – auf die man auch nicht verlassen sollte, was nicht heißt, Deutschland als Land der Ideen natürlich ganz dass man an der einen oder anderen Stelle nicht besonders angewiesen ist. noch nachjustieren kann. Dazu sind aber die Beratungen in den Ausschüssen und im (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deutschen Bundestag auch da. Zwei Punkte möchte ich besonders (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) hervorheben. Der erste Punkt ist die Reform des pauschalen Vergütungssystems. Wir meinen, dass den Urhebern als Ausgleich für die nach wie Vizepräsidentin Petra Pau: vor erlaubt bleibende Privatkopie eine Das Wort hat die Kollegin Sabine Leutheusser- angemessene Vergütung zusteht. Diese Schnarrenberger für die FDP-Fraktion. Vergütung soll auch weiterhin von den (Beifall bei der FDP) Verwertungsgesellschaften eingezogen werden. Wir wollen aber den Mechanismus, der im Moment Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): besteht, ändern, weil wir meinen, dass er nicht Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte funktioniert. Wir wollen den Verwertungsgesell- Kolleginnen und Kollegen! Uns Berichterstattern im schaften auf der einen Seite und der Industrie auf Rechtsausschuss für das Urheberrecht und für der andere Seite künftig die Möglichkeit geben, die diesen Gesetzentwurf ist dieses Thema so wichtig, Gebühren – wenn man das im weitesten Sinne so dass wir gesagt haben: Es entspricht nicht der nennen kann – untereinander auszuhandeln. Der Bedeutung dieses Vorhabens, hier einfach zur Gesetzgeber soll nach unserer Vorstellung nur Tagesordnung überzugehen und alle unsere noch den Rahmen festlegen, in dem das Reden zu Protokoll zu geben. geschieht, und ein Verfahren für den Fall vorse- hen, dass sie sich nicht einigen können. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Ein zweiter Punkt, den ich hervorheben möchte, des Abg. Dirk Manzewski [SPD]) ist, dass ich der Auffassung bin, dass wir mit diesem Gesetzentwurf einen Kompromiss Gerade weil es ein so wichtiges rechtspolitisches zwischen dem individuellen Recht am geistigen Vorhaben ist – eines der wichtigsten dieser Eigentum und den Belangen des Gemeinwohles Legislaturperiode –, kann es gar nicht zu spät oder schaffen müssen. zu früh sein, um auch in der ersten Lesung dazu zu sprechen. Im Interesse von Bildung und Wissenschaft regeln wir elektronische Leseplätze in Frau Ministerin, Sie haben Recht, dass es einen Bibliotheken, Museen und Archiven. Wir stellen langen Vorlauf verbunden mit entsprechenden den Versand von elektronischen Kopien durch Vorbereitungen im Ministerium gab, bis es zu Bibliotheken auf eine gesetzliche Grundlage und diesem Gesetzentwurf gekommen ist. Nach wir berücksichtigen dabei sowohl die Belange der Vorlage dieses Gesetzentwurfes muss jetzt Verlage als auch die Tatsache, dass Deutschland natürlich die intensive Befassung im Rechts- als Forschungsstandort Anschluss an die ausschuss mit denen folgen, die davon betroffen internationale Entwicklung halten muss. sind. (Jörg Tauss [SPD]: Da müssen wir noch (Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!) ein bisschen nachbessern! Aber das Die Änderung des Urheberrechts ist immer der kriegen wir hin!) Versuch, einen angemessenen Ausgleich – Genau, Herr Kollege. Das wären jetzt meine zwischen denjenigen, die es mit ihrer kreativen nächsten Worte gewesen. Ich weiß natürlich, dass Leistung überhaupt erst ermöglichen, dass es es eine Menge Kritik an allen möglichen etwas zu verwerten gibt, und natürlich auch Vorschlägen gibt. denjenigen zu schaffen, die an diesem Prozess beteiligt sind. Dass es hier nach geltendem Recht (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Was? Echt? immer wieder Schranken gibt, die der modernen Das ist mir neu!) technischen Entwicklung angepasst werden Ich habe das eingangs ja schon gesagt. müssen, und dass hier die Interessen zu gewichten und zu wiegen sind, ist Nun ist heute in der Debatte ja schon einmal der selbstverständlich. Satz gefallen, dass man dann, wenn man Kritik von beiden Seiten bekommt, in der Regel relativ Frau Ministerin, ich bin der festen Überzeugung, sicher sein kann, dass man einen fairen Mittelweg dass dieser Gesetzentwurf nicht in dieser Form vorgeschlagen hat. aus dem Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung herausgehen wird; (Jörg Tauss [SPD]: Das ist nicht immer so!) (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jerzy Genau das gilt für das Urheberrecht auch. Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ich bin ganz davon überzeugt, dass das, was der Abg. Dr. Martina Krogmann wir vorgeschlagen haben, eine gute Basis ist, die 4170 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

[CDU/CSU] – Dr. Günter Krings (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ [CDU/CSU]: Da hat sie Recht!) DIE GRÜNEN) denn ich glaube, dass es in einigen Bereichen die Ein zweiter wichtiger und schwieriger Bereich ist dringende Notwendigkeit gibt, zu einer wirklich natürlich die Schranke zugunsten von Bildung besseren Gewichtung der Interessen und Anliegen und Forschung. Es soll durch eine neue der Urheber zu kommen. Vorschrift Bibliotheken, Museen und öffentlichen Archiven künftig gestattet werden, Werke an Das hat eine lange und gute Tradition in der elektronischen Leseplätzen zugänglich zu machen. Rechtsentwicklung des Urheberrechts. Auf der Durch eine weitere Bestimmung soll die Zuläs- einen Seite ist es richtig, dass man private sigkeit des elektronischen Kopienversands Vervielfältigungen zulassen muss – das ist ein gesetzlich geregelt werden. Hierzu sage ich Uraltthema und dazu sind schon vor Jahrzehnten deutlich: Im Kern sind die geplanten Weichenstellungen vorgenommen worden –, auf der anderen Seite muss man aber den Urhebern, Bestimmungen nicht zu beanstanden, aber in der denjenigen, die etwas produziert haben, damit es vorliegenden Ausgestaltung schießen sie über das verwertet und kopiert werden kann, angesichts der Ziel hinaus. Jetzt würde ich über meine Redezeit Modernisierung der Technik und der technischen hinausschießen, wenn ich dafür viele Gründe und Entwicklung selbstverständlich auch eine Argumente vorbringen würde. Das werden wir angemessene Beteiligung geben. dann in einer umfangreichen Anhörung, die wir bereits vom Grundsatz her beschlossen haben, im (Beifall bei der FDP) Rechtsausschuss tun. Frau Ministerin, deshalb sind wir sehr offen Vielen Dank. dafür und halten es auch für richtig, dass der Einsatz individueller Lizenzmodelle gerade im (Beifall bei der FDP, der SPD und dem Online-Bereich auch mithilfe des Urheberrechts BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gefördert wird. Wir sagen aber ganz unmissverständlich: Auf die pauschale Vizepräsidentin Petra Pau: Geräteabgabe kann bis auf weiteres nicht Das Wort hat der Kollege Dr. Günter Krings für verzichtet werden. Dort, wo die Geräteabgabe das die Unionsfraktion. Mittel der Wahl für die Vergütung bleibt, muss dem (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Umfang der urheberrechtlichen Nutzung Jörg Tauss [SPD]: Bleiben Sie angemessen Rechnung getragen werden. Darüber versöhnlich, Herr Krings! Nicht die kann durch die Herstellerpreise eines Harmonie stören! – Weiterer Zuruf von Vervielfältigungsgerätes gerade nicht Aufschluss der CDU/CSU: Man muss nicht volle neun gegeben werden. Minuten reden!) Ich brauche hier nicht wiederzugeben, wie der Preisverfall gerade in diesem Bereich aussieht. Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Das bringt zum Ausdruck: Wenn es bei dieser Guten Morgen, Frau Präsidentin! Guten Morgen, Regelung bliebe, würde es zu einem wirklich meine sehr verehrten Damen und Herren deutlichen Einnahmeverlust bzw. zu einem Kollegen! Vergütungsrückgang bei den Urhebern kommen. Deshalb ist der Ansatz, der jetzt gewählt ist, (Ludwig Stiegler [SPD]: Morgenstunde ist aller nämlich die Koppelung der pauschalen Laster Anfang!) Geräteabgabe an die Preise und die Begrenzung – Richtig. – Wir debattieren heute in erster Lesung auf einen Gesamtpreis hinsichtlich des Anteils der über einen Gesetzentwurf, dessen Vervielfältigungen, nicht richtig. Darüber muss Entstehungsgeschichte nach Art, Umfang und dringend beraten werden. Das ist die gute Länge ihresgleichen sucht. Die Arbeiten an diesem Tradition im Urheberrecht, die wir ja heute Mittag „Korb 2“ des Urheberrechts begannen unmittelbar schon unter Beweis gestellt haben, als wir einen nach dem „Korb 1“ im Jahre 2003. Das Kompromiss beim Folgerecht über alle Fraktionen Bundesjustizministerium, das zwar nicht mehr auf hinweg gefunden haben. Obwohl es nicht allen der Regierungsbank vertreten ist, aber immerhin leicht gefallen ist, haben wir gesagt, dass wir das noch sozusagen im Publikum weilt, hat dann elf wollen. Ich finde, auch das muss uns in diesem Arbeitsgruppen eingesetzt und Dutzende von Bereich gelingen, denn das hat massive Verbänden mit der Vorarbeit an diesem Auswirkungen. Wenn wir der Stellung der Urheber Gesetzgebungsvorhaben sehr lange beschäftigt. im Jahre 2006 folgende gerecht werden wollen, Der eigentliche Gesetzgeber – an der Stelle sollte dann müssen wir uns gerade die Deckelung und die Frau Ministerin einmal zuhören – sitzt aber in die Fünfprozentklausel, die jetzt in den §§ 54 diesem Hause, die eigentliche Gesetzgebung folgende des Gesetzentwurfs vorgesehen sind, findet hier statt. Und für dieses Gesetz gilt in ganz vornehmen und ändern. Dabei kann es in dieser besonderer Weise, dass es nicht so aus dem Form nicht bleiben. Rechtsausschuss und dem Deutschen Bundestag hinausgehen wird, wie es vom Justizministerium eingebracht worden ist. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4171

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP eingesetzt wird. Die Gesetzesbegründung nennt und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ausdrücklich eine Mindestnutzung von 10 Prozent. Unter dieser Grenze soll keine Vergütung anfallen. Nur hier ist der Ausgleich der Interessen von Dadurch scheinen mir neue Gerichtsverfahren Urhebern, Verbrauchern und Unternehmen vorprogrammiert zu sein. letztgültig vorzunehmen. Ziel des Gesetzes muss es aber sein, eine Es ist gut, dass wir nun endlich die wichtigen Regelung zu finden, die die Voraussetzung für Anpassungen des Urheberrechts an die eine Vergütungspflicht klar festlegt. Wir brauchen Veränderungen einer digitalen und vernetzten Welt keine zusätzliche Vergütung für Rechtsanwälte, in Angriff nehmen können. Beim sondern eine kalkulierbare Vergütung für die Urheberrechtsgesetz handelt es sich um nichts Urheber. weniger als um das Grundgesetz der modernen Wissensgesellschaft. Auch die volkswirtschaftliche (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Bedeutung des Urheberrechts ist nicht zu und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) unterschätzen; fast jeder zehnte Euro unseres Noch schwieriger wird es bei der Bruttoinlandsproduktes hängt direkt oder indirekt Vergütungshöhe. Nach dem Regierungsentwurf mit dem Urheberrecht zusammen. Dieser soll die Vergütung bei 5 Prozent des Gerätepreises Bedeutung sind die Länge und vor allem der gedeckelt werden. Die Verwertungsgesellschaften Zeitpunkt der heutigen Debatte nicht angemessen. rechnen mit Einbußen von bis zu 40 Prozent durch (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP diese Kappungsgrenze. Allerdings unterschlagen und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sie bei ihren Berechnungen wiederum, dass auch neue Geräte in die Vergütungspflicht einbezogen Die Bundesregierung geht bei der werden. Umgekehrt weist BITKOM darauf hin, Pauschalvergütung neue Wege. Zukünftig soll dass sich ohne die Kappung bei 5 Prozent und die die Vergütungspflicht von Geräten und Einführung der Voraussetzung des nennenswerten Speichermedien anhand ihrer tatsächlichen Umfangs das Vergütungsaufkommen von ZPÜ und Nutzung für Vervielfältigungsvorgänge ermittelt GEMA mehr als vervierfachen würde. Hier steht werden. Dadurch wird ein gerechterer Maßstab Aussage gegen Aussage. Auch das wird erreicht als durch die jetzige Regelung, bei der es Gegenstand der Anhörung sein. um die erkennbare Eignung zur Vornahme von Kopien geht. Gerade die heutige Vielzahl Der sehr heftige Streit zwischen den beiden zeitraubender Prozesse – zum Beispiel, ob der Beteiligten lässt aber Zweifel aufkommen, ob es Drucker oder der Computer unter diese Vo- wirklich sinnvoll ist, die Verhandlungen über die raussetzungen fällt – zeigt, dass hier eine Höhe einer dem Grunde nach staatlich Änderung geboten ist. angeordneten Pauschalvergütung in die Hände der Betroffenen zu legen. Für mich wäre zum Beispiel Die heutige Situation ist für beide Seiten eine Verordnungsermächtigung für das unbefriedigend. Die Urheber müssen lange auf Justizministerium zur Festsetzung der ihre Vergütung warten. Die Hersteller von Geräten Vergütungssätze nach wie vor eine denkbare und oder Speichermedien müssen zwar zunächst nicht praktikable Alternative, die ebenfalls zumindest an die Urheber zahlen, aber sie müssen aufgrund erörtert werden muss. des ungewissen Prozessausgangs langfristige Rückstellungen bilden. Aber auch dann – das richte ich an alle Urheber – werden wir sicherlich Vergütungshöhen Dieses Spiel aus Verweigerungshaltung bekommen, die nicht viel mehr als 5 Prozent des einerseits und bilanzieller Rückstellungspflicht Gerätepreises ausmachen. Denn auch bei der andererseits wiederholt sich so oft, wie neue bisherigen Regelung sind die Gerätepreise – Geräte oder Speichermedien auf den Markt zumindest indirekt – bei den staatlich festgesetzten kommen. Das geht heute sehr rasch. Vergütungshöhen berücksichtigt worden. Es ist daher gut und gerecht, wenn die Als Rechtsverlust empfinden einige Urheber – Bundesregierung dieses Kriterium abschaffen will dem ist meines Erachtens nicht unbedingt zu und auf den tatsächlichen Einsatz von Geräten folgen – die Neuregelung zu den unbekannten zum Kopieren abstellt. Die konkrete Ausgestaltung Nutzungsarten. Erstmals sollen die Urheber auch dieser neuen Regelung werden wir im weiteren über unbekannte Nutzungsarten disponieren parlamentarischen Verfahren aber noch einer dürfen. Der Urheber geht für die genauen Prüfung unterziehen müssen. Rechteübertragung allerdings keineswegs leer (Beifall der Abg. Dr. Martina Krogmann aus; er kann vielmehr eine gesonderte Vergütung [CDU/CSU]) verlangen. Außerdem erhält er ein Widerrufsrecht, was die meisten Fälle zu einer vernünftigen So sieht der Entwurf vor, an die Lösung führen müsste. Praktische Probleme Vergütungspflicht die Bedingung zu knüpfen, mögen sich dann ergeben, wenn ein Widerruf dass das betroffene Gerät bzw. Speichermedium schwierig wird, weil die Rechte auf einen neuen in nennenswertem Umfang für Vervielfältigungen Rechteinhaber übertragen worden sind, von dem 4172 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 der Urheber nicht weiß, wie er zu erreichen ist. Bei prüfen ist aus meiner Sicht daher, ob die einer Neuregelung scheint es mir alles in allem Herstellung einer Privatkopie nur noch dann wichtig zu sein, darauf zu achten, dass die gesetzlich erlaubt werden sollte, wenn die Kopie Weiterverbreitung älterer Inhalte auf neuen vom eigenen Original erstellt wird. Speichermedien – darum geht es uns nämlich – Rechtssicherheit geschaffen haben wir bereits nicht behindert, sondern befördert wird. im Vorfeld, nämlich vor der Einbringung des Die Privatkopie wird auch künftig möglich Gesetzentwurfes bei der Bagatellklausel. Ich bin bleiben. Das dürfte in diesem Haus quer durch alle froh, dass ich diesen meines Erachtens Fraktionen unbestritten sein. Trotzdem möchte ich rechtsstaatswidrigen Vorschlag gemeinsam mit den Stimmen deutlich widersprechen, die dem Kulturstaatsminister Bernd Neumann schon inzwischen die Privatkopie als ein subjektives im Vorfeld des Regierungsentwurfs verhindern Recht des Verbrauchers ansehen. konnte. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehen die Verbraucher so!) Wir sind ganz unfroh!) Die Zulassung – eben nicht das Recht – der Dem Staatsminister möchte ich nochmals für Privatkopie fand erst 1965 Eingang ins Gesetz, als seinen Einsatz danken. Ich freue mich auch, dass die ersten Vervielfältigungsgeräte auf den Markt jedenfalls das Justizministerium zu einer guten kamen. Einsicht gekommen ist. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Also von Anfang an!) Wir haben es geschafft, dass ein klarer Nur weil es damals keinen wirksamen Strafrahmen für Urheberrechtsverletzungen Mechanismus gab, um das Kopieren zu beibehalten wurde und derartige Verletzungen unterbinden, hat man den Urhebern – ganz nach auch künftig keine Kavaliersdelikte darstellen. Das dem Grundsatz „Dulde und liquidiere!“ – eine ist ein starkes und klares Signal an die Pauschalvergütung als Ausgleich zugebilligt, Herr Öffentlichkeit. Kollege Montag. Privatkopie und Als Rechtspolitiker der großen Koalition freuen Pauschalvergütung waren also von Anfang an kein wir uns über das Bekenntnis im Koalitionsvertrag Selbstzweck, sondern ein Notbehelf. für ein starkes und wissenschaftsfreundliches Daher ist es auch richtig, dass der Urheberrecht. Regierungsentwurf an dem Verbot der Umgehung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und technischer Schutzmaßnahmen festhält. Jedes des Abg. Jörg Tauss [SPD]) Unternehmen kann selbst über deren Einsatz entscheiden und viele Unternehmen – etwa aus Wissenschaftsfreundlich – passen Sie genau auf – der Musikbranche – verzichten aus nachvoll- heißt dabei ganz unmissverständlich auch ziehbaren Gründen auf die Einführung solcher (Jörg Tauss [SPD]: Aber nicht nur wissen- Schutzmechanismen. schaftsfreundlich!) (Jörg Tauss [SPD]: Weil sie sparen wollen!) wissenschaftsverlagsfreundlich; denn die privaten Aber demjenigen, der sein Eigentum wirksam Verlage sind integraler Bestandteil unseres schützen möchte, können und wollen wir das in Wissenschaftsbetriebes. Die Verlage erfüllen bei einem Rechtsstaat nicht verwehren. Dabei macht der Verbreitung von neuen Erkenntnissen aus es im Grunde keinen Unterschied, ob er sein Haus Wissenschaft und Forschung eine unverzichtbare mit einem Zaun oder sein geistiges Eigentum Filterfunktion. Sie sind das einzige echte durch einen Kopierschutz schützen will. privatwirtschaftliche Element in unserem Wissen- schaftsbetrieb. Der Urheberrechtsgesetzgeber (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei sollte daher dieses Geschäftsmodell nicht Abgeordneten der SPD – Jerzy Montag zerstören. [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der Vergleich hinkt!) (Beifall bei der CDU/CSU) – Herr Kollege Montag, dieser Vergleich mag wie Mit Besorgnis sehe ich daher die Ausgestaltung viele Vergleiche hinken, aber auch ein Vergleich, des § 52 b im Gesetzentwurf der Bundesregierung. der hinkt, geht. Es kann meines Erachtens nicht angehen, dass die Bibliotheken ein Buch anschaffen und es dann (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der dutzend- oder hundertfach an Leseplätzen SPD und der FDP) bereithalten. Hier ist über eine Änderung zu Der Bundestag sollte sich aber nicht sprechen. Wir müssen in Deutschland aufpassen, Überlegungen verschließen, die Zulässigkeit der dass wir Investitionen in Wissenschaft nicht Privatkopie zu präzisieren. Präzision schafft ausschließlich als Investitionen in Beton und Rechtssicherheit. Auf die ist gerade der juristisch Technik verstehen und nicht mehr als solche in nicht geschulte Verbraucher angewiesen. Zu Bücher und geistige Inhalte. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4173

Ich will zu einem letzten Aspekt kommen. bestimmter Rechte des Urheberrechts, wie der Name schon sagt, nur einige, wenn auch nicht Vizepräsidentin Petra Pau: unwichtige Aspekte vor. Wir haben mit dem ersten Herr Kollege Krings, diese Besorgnis und Gesetz zur Reform des Urheberrechts den Aspekte müssen wir auf die nächste Debatte Pflichtteil der Reform erledigt. Nun geht es darum, vertagen. die Kür zu machen, um das deutsche Urheberrecht für eine moderne, wissensbasierte, digital vernetzte Informationsgesellschaft fit zu machen. Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Das hat Frau Ministerin völlig richtig dargestellt. Dann machen wir das bei der nächsten Debatte. Dabei dürfen wir keinen der Akteure aus dem Ich weise darauf hin, dass wir beim Blick verlieren, die berechtigte Interessen auf Kopienversand per E-Mail die Regelung als einen diesem Felde haben. Erstens: die Kreativen, die vernünftigen Ausgleich ansehen. Insgesamt weise Künstler und Wissenschaftler und die ihre Rechte ich darauf hin, dass wir im Rechtsausschuss als verwaltenden Verwertungsgesellschaften. Vorratsbeschluss bereits eine Anhörung Zweitens: die Rechteinhaber, in der Regel große, beschlossen haben. Das wird eine sehr um- international tätige Konzerne. Drittens die fangreiche Anhörung werden, die wahrscheinlich Produzenten von Hardware, Computern und allen nur noch von der Anhörung zur möglichen unterschiedlichen Abspielgeräten. Föderalismusreform der letzten Woche getoppt wird. Ich freue mich, mit vielen Kollegen in dieser Anhörung weiter am Urheberrecht arbeiten zu können. Viertens: die Einrichtungen der Wissensvermittlung, von Schulen über Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen oder Bibliotheken bis zu Universitäten. schönen Abend, wie auch immer. Fünftens – nicht zu vergessen –: die Nutzer und (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Genießer der Werke, die die Musik hören, Filme ansehen. Dazu gehören auch die Wissenschaftler, Vizepräsidentin Petra Pau: die die Werke ihrer Kollegen brauchen, um selbst Die Rede der Kollegin Luc Jochimsen für die forschend tätig sein zu können. Die Interessen Fraktion Die Linke nehmen wir zu Protokoll.22 dieser Gruppen zum Wohle der Einzelnen und zum Wohle der ganzen Gesellschaft Das Wort hat der Kollege Jerzy Montag für die auszutarieren, das ist die Aufgabe der jetzt Fraktion der Grünen. anstehenden Reform des Urheberrechts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat – Florian Pronold [SPD]: Montag spricht einen beachtlichen Vorlauf erfahren. Er ist im am Freitag!) Wesentlichen noch unter der rot-grünen Bundesregierung entstanden, im Diskurs mit Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): praktisch allen Mitspielern auf dem Feld des Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Urheberrechts. Deshalb ist er auch eine gute glaube, noch nie ist über ein hochpolitisches, Vorlage für die Beratungen in den Ausschüssen. hochwichtiges rechtspolitisches Thema so früh am Aber er ist noch erheblich verbesserungsbedürftig. Tag in diesem Hause diskutiert worden. Die Umstellung der Pauschalvergütung von (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ein lichter Moment!) dem alten System „Abgabe auf Geräte, die zum Das ist einerseits gut so; aber das hängt nur damit Abspielen bestimmt sind“ auf das neue System zusammen, dass es in diesem Hause üblich „Abgabe auf Geräte, mit denen tatsächlich geworden ist, rechtspolitische Themen an das abgespielt wird“ ist im Grundsatz richtig. Aber mit Ende der Tagesordnung zu setzen. Ich finde, das den Vorschlägen haben Sie, Frau Ministerin, neue geht auf Dauer so nicht. Probleme auf den Tisch gelegt. Was ist eine nennenswerte Nutzung? Die Streitigkeiten darüber (Beifall im ganzen Hause – Dr. Uwe Küster sind vorprogrammiert. Eine Begrenzung der [SPD]: Das war Kritik am Ältestenrat!) Pauschalabgabe auf höchstens 5 Prozent des Das deutsche Urheberrecht ist in vielerlei Geräteverkaufspreises und die Nichteinbeziehung Hinsicht reformbedürftig. Der Umgang mit des Zubehörs sind gegenüber den Kreativen nicht geschütztem geistigem Eigentum, seine Nutzung gerecht. Das muss geändert werden. durch die Berechtigten und seine neu zu Die Einführung einer neuen Schranke zur definierende Sozialpflichtigkeit erfordern mutige Verwendung von Werken an und gerechtere Formen. Dabei regelt und schreibt Computerarbeitsplätzen ist richtig. Aber warum die europäische Richtlinie zur Harmonisierung schöpfen Sie eigentlich die Möglichkeit der Richtlinie nicht aus und beziehen nicht sämtliche ______Bildungseinrichtungen in diese Regelung ein? 22Anlage 30 Richtig ist ebenfalls die gesetzliche Einführung der

4174 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 vom Bundesgerichtshof entwickelten Schranke des die Verwertungsgesellschaften diese Daten durch Kopienversandes durch Bibliotheken. Ich wäre Aufträge an Marktforschungsinstitute erhalten sogar damit einverstanden, den wissenschaftlichen können. Aber man muss kein Prophet sein, um vo- Verlagen die Möglichkeit zu eröffnen, den raussagen zu können, dass die so ermittelten Kopienversand komplett in die eigenen Hände zu Ergebnisse von der anderen Seite umgehend nehmen, wenn dies zu fairen Bedingungen ge- angezweifelt werden. Die verbesserten schähe. Diesbezüglich darf das Gesetz nicht Schlichtungsmöglichkeiten dürften da kaum schweigen; vielmehr muss das Gesetz dazu etwas weiterhelfen. sagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Zwei weitere Punkte, die ich heute nicht mehr CDU/CSU) ansprechen kann, liegen uns Grünen besonders Es stellt sich auch die Frage, wie die so am Herzen: die Bagatellklausel – wir wollen sie genannte tatsächliche Nutzung bei neuen haben – und eine durchsetzungsstarke Privatkopie Gerätetypen festgestellt werden soll; zumal man auch in der digitalen Welt. Das wollen wir ebenfalls noch nicht einmal sagen kann, welchen Zeitraums haben. Näheres dazu werden Sie von uns Grünen es überhaupt bedarf, um entsprechende erfahren, wenn wir uns diesen Gesetzentwurf in empirische Untersuchungen durchzuführen. den Ausschüssen zur Beratung vornehmen werden. Ungeklärt ist damit insbesondere, wie die Vergütung für die Zeit bis zum Ende dieser Danke. empirischen Untersuchungen geregelt werden soll, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor allem wenn ein neuer Gerätetyp vor dem sowie bei Abgeordneten der SPD) Abschluss dieser Untersuchungen vom Markt genommen wird, entweder weil er sich nicht Vizepräsidentin Petra Pau: durchgesetzt hat oder weil der Hersteller bis dahin Als letzter Redner in dieser Debatte hat der nicht mehr existent ist. Dies kann meiner Kollege Dirk Manzewski für die SPD-Fraktion das Auffassung nach nicht zulasten der Urheber Wort. gehen. Inwieweit Gerätezubehör, welches häufig Dirk Manzewski (SPD): niedrige Gerätepreise kompensiert, bei der Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bemessung der Vergütungshöhe Berücksichtigung Liebe Freunde der Rechtspolitik! Viel wäre zum finden soll, ist für mich auch nicht eindeutig geklärt. heutigen Thema zu sagen. Nicht nachvollziehen kann ich, warum in diesem (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zusammenhang eine Vergütungsobergrenze von 5 Prozent des Verkaufspreises eingeführt werden Aufgrund der mir zur Verfügung stehenden soll; zum einen deshalb nicht, weil der für den geringen Zeit möchte ich meine Rede aber auf Urheber nicht zu beeinflussende Preis eines einige aus meiner Sicht kritische Punkte Gerätes doch nichts über die Nutzungseingriffe bei beschränken. So habe ich erhebliche Probleme mit ihm aussagt, zum anderen deshalb nicht, weil bei der Neugestaltung des pauschalen dieser Regelung schon jetzt zukünftige Einbußen Urhebervergütungssystems. Dieses bewährte der Urheber zu erwarten sind. Schaut man sich System, das den Kreativen eine Kompensation für nämlich zum Beispiel die Entwicklung bei Druckern ihre Einnahmeausfälle gewährleistet, soll im und Kopierern an, dann zeigt sich, dass diese Grunde genommen zwar beibehalten werden; aber einerseits immer leistungsstärker und andererseits anders als bisher soll nun den immer billiger werden. Verwertungsgesellschaften und den Herstellern die Bemessung der Vergütungssätze selbst Neu geregelt werden soll auch die Nutzung von übertragen werden. Werken in unbekannten Nutzungsarten. Es ist sicherlich richtig, auf die Probleme hinzuweisen, Ich frage mich, Frau Ministerin, wie das die im Zusammenhang mit Nutzungsarten, die es praktisch funktionieren soll, da wir hier nicht zwei heute noch nicht gibt, entstehen können. Soweit Parteien auf gleicher Augenhöhe haben. Nicht den Urhebern deshalb eröffnet werden soll, künftig zuletzt das Urhebervertragsgesetz hat doch grundsätzlich auch über ihre Rechte für die gezeigt, dass man aufgrund der unterschiedlichen Zukunft zu verfügen, macht dies durchaus Sinn. Interessenlage nicht zwingend auf die Aber ich habe Schwierigkeiten damit, dass der Ur- Einsichtsfähigkeit der Beteiligten vertrauen darf. heber diese Rechtseinräumung nach § 31 a nur Ich möchte aber nicht, dass den Urhebern widerrufen kann, wenn der andere noch nicht mit letztendlich zugemutet wird, hinter ihren der Nutzung des Werks begonnen hat. Das Ansprüchen herzulaufen. bedeutet im Umkehrschluss, dass der Nutzer Hinzu kommt, dass der Maßstab für die jeden Widerruf durch schnelle Nutzungsaufnahme Vergütungshöhe die tatsächliche Nutzung der ausschließen kann, zumal er nach § 32 c nur Gerätetypen sein soll. Nur, wie soll die ermittelt verpflichtet ist, den Urheber erst über die werden? Die Bundesregierung stellt sich vor, dass Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4175

Aufnahme der Nutzung unverzüglich zu unterrich- vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige ten. Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Nicht gut finde ich übrigens, dass das auch für Altverträge gelten soll, da es für mich schon einen Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: Unterschied macht, ob ich bewusst eine Regelung Erste Beratung des von der für die Zukunft eingehe oder, wie bei Altverträgen, Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eben nicht. eines Gesetzes zur Neuregelung des Ich komme zum Ende. Soweit von vielen ein bil- Versicherungsvermittlerrechts dungs- und wissenschaftsfreundliches – Drucksache 16/1935 – Urheberrecht angemahnt wird, Kollege Tauss, Überweisungsvorschlag: muss ich sagen: Ich finde das nicht ganz gerecht, Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Rechtsausschuss (Jörg Tauss [SPD]: Aber fair!) Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und da ich der Auffassung bin, dass wir ein solches Verbraucherschutz Urheberrecht haben. Sosehr ich angesichts Ausschuss für Bildung, Forschung und knapper Kassenlage aus Sicht von Bildung und Technikfolgenabschätzung Wissenschaft nachvollziehen kann, dass man sich Ausschuss für Tourismus hier Spielräume wünscht, so sehr muss ich aber Verabredet war hierzu eine Debatte von einer halben auch deutlich sagen, dass dies nicht zulasten der Stunde. Wir nehmen die Reden aber zu Protokoll. Es Urheber gehen kann. sind die Reden des Kollegen Kai Wegner für die (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP Unionsfraktion, des Kollegen Christian Lange und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Backnang) für die SPD-Fraktion, des Kollegen Martin Zeil für die FDP-Fraktion, der Kollegin Ulla Lötzer für Auch geistiges Eigentum ist Eigentum. Es kommt die Fraktion Die Linke und des Kollegen Matthias ja auch niemand auf die Idee, die Rechnung eines Berninger für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Handwerkers nicht zu bezahlen, nur weil dieser für 23 eine Universität tätig geworden ist. Grünen. Damit kann ich die Aussprache auch schon schließen. Letzter Satz. Wir müssen daher sehr vorsichtig sein, um hier die richtige Balance zu wahren; ich Interfraktionell wird die Überweisung des sichere unseren Bildungspolitikern Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/1935 an die in fraktionsübergreifend jedoch zu, mit ihnen hierüber der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse und zu diskutieren, um nach Lösungen zu suchen. an den Ausschuss für Tourismus vorgeschlagen. Gibt es dazu weitere Vorschläge? – Das ist nicht Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich ein der Fall. Dann ist die Überweisung so bisschen schnell gewesen bin, aber ansonsten beschlossen. hätte ich heute nicht annähernd das sagen können, was ich mir vorgenommen habe. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 37 a auf: Ich danke Ihnen. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP eines Gesetzes zur Reform des und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Personenstandsrechts (Personenstands- rechtsreformgesetz – PStRG) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich fürchtete schon, dass Sie gar nicht mehr Luft – Drucksache 16/1831 – holen. Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) (Ludwig Stiegler [SPD]: Er hat einen langen Rechtsausschuss Atem!) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Ich dachte, dass Sie ihrem Kollegen zur Hilfe Auch hierzu war eine Debatte von einer halben kommen. Mit einer Zwischenfrage kann man so Stunde vorgesehen. Wir nehmen aber die Beiträge des etwas lösen. Er muss sich dann nicht selbst Kollegen Stephan Mayer (Altötting) für die Unions- gefährden. fraktion, der Kollegin Gabriele Fograscher für die SPD- Fraktion, der Kollegin Gisela Piltz für die FDP- (Ludwig Stiegler [SPD]: Frau Präsidentin, Fraktion, der Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die der Rat kommt zu spät! – Weiterer Zuruf Linke und der Kollegin Silke Stokar für die Fraktion des von der SPD: Wir haben anderes Bündnisses 90/Die Grünen zu Protokoll.24 Damit verabredet!) schließe ich auch diese Aussprache. – Herr Kollege, Sie sind doch so erfahren. Aber gut, das klären wir beim nächsten Mal. Ich schließe die Aussprache. ______

Interfraktionell wird Überweisung des 23 Anlage 31 Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/1828 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse 24 Anlage 32 4176 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006

Interfraktionell wird die Überweisung des Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/1831 an die in Bundestages auf heute, Freitag, den 30. Juni der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse 2006, 8 Uhr, ein. vorgeschlagen. Gibt es dazu weitere Vorschläge? Die Sitzung ist geschlossen. – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. (Schluss: 0.25 Uhr) Wir sind damit am Schluss der Tagesordnung der 43. Sitzung. Redetext

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2006 4177

(A) (C) Anlagen zum Stenografischen Bericht

Hier Anlagen einfügen!!!!!!!!

(B) (D)