Union in Deutschland Informations-Dienst der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union Deutschlands Verlag und Vertrieb: Bonn, Argelanderstraße 173. Redaktion: Bonn, Pressehaus IV, Zimmer 48 (Tel. 2 14 08), Görresstraße

Nr. 45/46 Bonn, den 16. Juni 1955 IX. Jahrg.

Der sozialdemokratischen Opposi- tion ist wieder einmal eine Prophe- Dr. Adenauers politisches Reisegepäck zeihung wie eine Seifenblase geplatzt. Die Politik der SPD war eben, das emp- „Wiederaufbau der zerschlagenen Welt braucht Zeit" findet man im ganzen deutschen Volke, Die Reise des Bundeskanzlers Dr. Adenauer, die bedeutsamen Besprechungen mit weit über die Kreise der Koalitions- Präsident Eisenhower und den westlichen Außenministern, beherrschen weithin das anhänger hinaus, grundfalsch. Die Note Blickfeld der großen Politik. Man erwartet viel von dem Staatsmann, der sein Land der Sowjetregierung bescheinigte das so zielbewußt und in verhältnismäßig kurzer Zeit wieder gleichberechtigt in den der Bundesregierung sowohl 'wie der Kreis der freien Völker zurückgeführt hat und der unbeirrbar der Sache der west- Opposition ausdrücklich, indem sie fest- lichen Einigung, des Friedens und der Wiedervereinigung Deutschlands auf dem stellt, daß die Aufhebung des Besat- Wege der Entspannung dient. zungsstatuts, also der Abschluß der Pariser Verträge, „die nötigen Voraus- Die Einladung Dr. Adenau- der wesentlich propagandistisch aufge- setzungen für die Normalisierung und l^s nach Moskau, die vielfach als zogenen Berliner Konferenz unter- Anbahnung unmittelbarer Beziehungen -me Sensation empfunden wurde — scheidet. zwischen der Sowjetunion und der allerdings wohl nicht so sehr in den unmittelbar an diesem Vorgang betei- ligten politischen Kreisen — hat be- stimmte Fakten deutlich gemacht: Es Dr. Johann B. Gradl: hat sich gezeigt, daß die kühle und realistische Beurteilung der Lage durch den Bundeskanzler richtig war. Weder Bekenntnis zu Freiheit und Einheit die Ratifizierung der Pariser Verträge Der 17. Juni verdient es wie kein an- mittelbarer Nachbar. Aber ebenso sicher noch die Einbringung der Verteidigungs- derer Tag in der deutschen Geschichte ist, daß wir Deutschen darüber niemals gesetze haben die Sowjetrussen in ihrer dieses Jahrhunderts, unser Volk mit jener anderen Welt untreu werden kön- Verhandlungsbereitschaft behindert. Im Stolz und Selbstbewußtsein zu erfüllen. nen, deren Lebensideale auch die unse- Gegenteil, erst die Entschlossenheit und Dieser Tag wäre wie keiner sonst beru- ren sind, die Ideale der freiheitlichen Geschlossenheit, mit der die Mächte der fen, über alle inneren Gegensätze und Welt. Wir sind dank des mutigen Be- westlichen Welt (nach dem heute viel- Spannungen hinweg einen Willen der kenntnisses, das vor zwei Jahren am leicht von erheblichen Teilen der deutschen Nation zu formen. Das hat 17. Juni in Ostberlin und in zahllosen französischen Öffentlichkeit bedauerten nichts mit Nationalismus zu tun, genauso Städten und Dörfern zwischen Elbe und Scheitern der EVG) auf einem neuen wie sich der Aufstand des 17. Juni in Ost- Oder vor den Panzern und Karabinern Wege dem alten Ziele des politischen berlin und der sowjetischen Besatzungs- abgelegt wurde, in der Lage, einen über- Zusammenschlusses und der militä- zone nicht gegen das russische Volk rich- zeugenden Beweis unserer echten und rischen Sicherung nachgegangen sind, tete. Wer Augenzeuge des Geschehens unlöslichen Verbundenheit zu jenen Völ- hat ihre Rückwirkungen auf die Mos- damals war, weiß, wie fein die demon- kern und Staaten zu haben, die sich der kauer Politik gehabt. Das ist eine Tat- strierenden Massen damals unterschie- Ordnung in Freiheit verpflichtet fühlen. sache, die auch durch nachträgliche Ab- den haben zwischen den Soldaten der schwächungen nicht verdeckt werden Besatzungsmacht und den sowjetdeut- Das deutsche Ansehen gilt heute wie- -nn. schen Unterdrückern. der, es gilt mehr, als wir jemals vor I Die Moskauer Note erweckt zehn Jahren zu hoffen gewagt hätten. zum mindesten den Anschein, als ob Was die Menschen damals aus den Dazu hat die Gunst der geschichtlichen ernsthafte politische Gründe den Kreml Häusern und Fabriken auf die Straße Entwicklung beigetragen und das ver- veranlaßt haben, dieses Mal wirklich auf trieb, war ein einfaches Aufbegehren nünftige Verhalten aller Deutschen. eine Entspannung hinzuarbeiten. In gegen die menschliche Unterdrückung Aber daß unsere schlimme jüngste Ver- Moskau leben, das hat sich nicht zum durch ein volksfremdes System, war ein gangenheit im Denken der anderen Völ- erstenmal gezeigt, realistische Politiker, tiefes Verlangen nach Freiheit, eine ein- ker so weit schon überwunden werden die vielleicht geneigt sind, Fakten anzu- zigartige Demonstration für Menschen- konnte — ganz ist es noch nicht der Fall erkennen, nachdem es ihnen auf den würde und Menschenrecht. Und war da- —, dazu haben neben der Haltung der verschiedensten Wegen nicht gelungen mit zugleich ein überwältigendes Be- Berliner im Blockadekampf vor allem ist, mit Hilfe freiwilliger und unfrei- kenntnis zur Einheit mit den Deutschen die Ereignisse des 17. Juni beigetragen. williger Helfer im westlichen Lager das auf der anderen Seite der Zonen- und Wir aber sollten uns um so mehr ver- Heranreifen der Fakten zu verhindern. Sektorengrenzen, bei denen jedenfalls pflichtet fühlen, mit aller Energie der Nun scheint tatsächlich vieles in Bewe- Würde, Recht und Freiheit des Einzel- Aufgabe der Wiedervereinigung zu gung geraten zu sein. Der Staatsvertrag nen geachtet wurden. dienen. Nur und erst dann werden wir mit Österreich, der Belgrad-Besuch der Gerade im Zusammenhang mit den diesem Tag gerecht, wenn wir ihn nicht Moskauer Sowjetspitzen mit seinen kommenden Verhandlungen der Groß- als einen zusätzlichen Feiertag gedan- keineswegs eindeutig zu beurteilenden mächte über die deutsche Wiedervereini- kenlos genießen, sondern ihn zum An- Ergebnissen und Auswirkungen, der gung wird im Ausland immer wieder laß leidenschaftlichen Bekenntnisses zur Besuch Nehrus in Moskau und die Ein- gefragt, ob man auch der Deutschen deutschen Einheit nehmen. Die Welt in ladung an den Bundeskanzler sind Er- sicher sein könne. Ob die Deutschen, Ost und West muß an diesem Tage spü- eignisse, die in ihrer Gesamtheit die wenn sie ganz auf sich selbst gestellt ren, daß wir nicht Ruhe geben, daß wir Richtigkeit der vom Westen eingeschla- würden, sich nicht wieder vom Westen nicht „koexistieren" können, solange wir genen Politik bestätigen. Auch wenn man abkehren und dem Osten zuwenden nicht mit den Deutschen, die heute noch in der Beurteilung der Weiterentwick- würden. Nun ist ganz sicher, daß wir von uns getrennt sind, in Freiheit vereint lung vorsichtig ist, muß man doch fest- Deutschen um die Besserung des Ver- leben können. Das ist das mindeste an stellen, daß die allgemeine Situation sich hältnisses zur östlichen Welt besorgt sein Dank, das wir für den 17. Juni schulden. nicht unerheblich von der Stagnation müssen. Sie ist nun einmal unser un- (Aus dem „Deutschen Monatsblatt") deutschen Bundesrepublik" geschaffen Die Westeuropäische Union sei für die Sowjetrussen ein hochpoli- habe. mit ihrem Prinzip der kontrollierten tisches Problem, mit dem auch die Situ- So konnte die Moskauer Note in ihrer Rüstungsbeschränkung und der gegen- ation der Satellitenstaaten zusammen- Absicht einer unmittelbaren Fühlung- seitigen Hilfe bezeichnete Dr. Adenauer hängt. Eine Erörterung der Situation nahme auch in Bonn begrüßt werden. Es als Grundlage für ein europäisches dieser Staaten hat Moskau inzwischen versteht sich, daß keine Gelegen- Sicherheitssystem. scharf abgelehnt. Dr. Adenauer ist nach heit ungenutzt bleiben darf, die Die Lösung der deutschen wie vor der Ansicht, daß eine längere Entspannung verspricht und Aussichten Frage, die für den Frieden notwendig Zeit der Konferenzen und Verhandlun- auch in Richtung einer Wiedervereini- sei, hänge, so betonte Dr. Adenauer, gen vor uns liegt. Aber schon darin zeigt gung zu eröffnen scheint. Aber ebenso wesentlich von dem Geist ab, in wel- sich ein Moment der Entspannung. selbstverständlich ist, daß ein Dokument chem man an ihre Verwirklichung her- „Man kann", so meinte er, „die Welt wie die sowjetische Note aufs sorg- angehe. Das Problem der deutschen schnell in einem Jahr Krieg zerschlagen, fältigste geprüft werden muß. Die Wiedervereinigung, das für die Deut- aber sie wieder aufzubauen braucht schnelle und positive Reaktion der west- schen eine Frage des Rechtes darstellt, Zeit." lichen Verbündeten zu der Einladung Dr. Adenauers liegt auf dieser Linie und zeigt von neuem das große Vertrauen, das der Bundeskanzler bei den maßgeb- Im Zeichen der Wehrgesetzgebung lichen Persönlichkeiten im Freundes- lager genießt. Daß er auch auf der öst- „Freiwilligengesetz" hat zeitlich begrenzte, rein praktische Aufgaben lichen Seite Achtung und Beachtung sich Bundesrat wünscht eindeutige Einfügung in die demokratische und föderale erzwungen hat, beweist die Note. Grundordnung Im Kreml ist man wohl klug genug, Die Wehrgesetzgebung ist in Durchführung der Pariser Vertragsbestimmiineen um zu wissen, daß es unmöglich ist, die mit der Einbringung des sogenannten „Freiwilligengesetzes" in ihr erstes parlamen- Bundesrepublik vom Westen zu trennen. tarisches Stadium getreten. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat einen Sonder- Wenn die Vertreter Moskaus mit Neu- ausschuß eingesetzt, der mit der Vorklärung des sehr umfangreichen militärischen tralisierungsabsichten nach Genf gehen und rechtlichen Aufgabengebietes beauftragt ist. würden, so würde das eine Verkennung der Situation bedeuten. Es ist auch nicht Das Ministerium Blank hat in Zu- Außerdem ist es nötig und liegt in un- unbedingt nötig, den in der Note noch sammenarbeit mit anderen Ministerien mittelbarem deutschen Interesse so enthaltenen Hinweis auf „gewisse aggres- ein ganzes Gesetzesbündel vorbereitet, schnell wie möglich die für deutsch^ sive Kreise" so auszulegen. Wenn die das die Arbeit des Parlaments längere Offiziere bestimmten Plätze in dt>) Bundesrepublik wieder eine beachtens- Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Es ist internationalen Stäben zu be- werte Größe im politischen Weltspiel für die Öffentlichkeit, die in weiten setzen. Erst daraus ergibt sich die Mög- wurde, so war das nur möglich durch die Kreisen diesem gesamten Komplex lichkeit der unmittelbaren Einwirkung Unterstützung, die sie in Anlehnung an immer noch mit Zurückhaltung gegen- auf die Planung auch vom deutschen den Westen erfahren hat. Bündnis- übersteht, nicht ganz leicht, sich aus den Standpunkt aus. treue ist daher das Grundprinzip der bisherigen Veröffentlichungen und Ein- deutschen Politik, zumal man im deut- zelinformationen ein zusammenhängen- Mit dem Freiwilligengesetz, schen Volke selbst nur allzu genau weiß, des Bild zu machen. Zunächst ergab sich das inzwischen dem Bundesrat zuge- wie hilflos gegenüber dem Osten der die Notwendigkeit, so schnell wie mög- leitet wurde und dort in mancher Bezie- deutsche Westen ohne die Unterstützung lich eine gesetzliche Grundlage für die hung Bedenken vor allem rechtlicher der großen westlichen Friedensmächte Einberufung eines Freiwil- Art ausgelöst hat, wurden auch die Vor- sein würde. Auch die Integration ligenstammes von etwa 6 000 Per- stände der Koalitionsparteien befaßt. Europas, die kürzlich noch in Mes- sonen zu schaffen und dadurch genügend Der Bundeskanzler hatte dem sina in eine neue Phase eingetreten ist, Zeit für die sorgfältige Durchberatung Bundesrat in einem Schreiben mitgeteilt, gehört zu den in den vergangenen der eigentlichen Gesetzgebungsgrund- daß das Freiwilligengesetz im Aufbau Jahren errungenen Fakten, mit denen lagen zu gewinnen. Mit der Einbringung der Streitkräfte hinsichtlich der militä- auch die Sowjetunion zu rechnen haben des diesem Zwecke dienenden Kurzge- rischen Verwaltung und ihrer zivilen wird. setzes ist der keineswegs zutreffende Prägung keine Präjudizierung bringen soll. Auch die vom Bundes- Die Schaffung geregelter diploma- Eindruck eines überstürzten Vorgehens geschaffen. Es lag auch in der Absicht finanzminister eingebrachte Vorlage soll tischer Beziehungen, die Verstärkung nach den Erklärungen von Regierungs- der Handelsmöglichkeiten und, von des Verteidigungsministers, zunächst das als umfassende Grundlage auch zur seite in keiner Weise die Bedenken Deutschland her gesehen als Wesent- rechtfertigen, daß das Freiwilligengesetz lichstes, in der Note als Folgewirkung Klärung der Rechtsstellung des kommen- den deutschen Soldaten dienende soge- eine Bundesorganisation der Wehrver- gekennzeichnet, die Wiederver- waltung vorwegnehme. einigung sind von Moskau als Ge- nannte „Soldatengesetz" her- auszubringen. Damit wäre aber kostbare genstand einer Fühlungnahme sichtbar Der Bundesrat hat die Vorlage vc' geworden. Die Verwirklichung der Wie- Zeit für die praktischen Vorbereitungen läufig, ohne sie sich zu eigen zu machen, dervereinigung selbst ist bei der gege- verlorengegangen, die dazu dienen müs- passieren lassen, zugleich aber als For- benen rechtlich politischen Konstruktion sen, den notwendigen schnellen Start derungen angemeldet: Der Gesetzent- nur auf dem Wege einer Vierer- wirklicher Soldaten zu ermöglichen. Die wurf muß vervollständigt werden für konferenz möglich, zu deren Ab- parlamentarische Erledigung dieses seine Durchführung müssen die gesetz- haltung ab 18. Juli an in Genf die So- „Soldatengesetzes" wäre vor den Parla- lichen Voraussetzungen geschaffen wer- wjetunion inzwischen ihr Einverständnis mentsferien nicht mehr möglich gewesen, den. Die parlamentarische Kontrolle über gab. da die hier vorliegende Materie recht- lich wie politisch eine besonders sorg- die Streitkräfte muß sichergestellt wer- Dr. Adenauer hat in einer Stel- den. Die Soldaten sollen ausschließlich fältige und verantwortungsbewußte Ar- in der Truppe verwendet werden. Die lungnahme zu der Moskauer Note darauf beit verlangt. So wurde auf Wunsch des hingewiesen, daß eine Reihe von Vor- Bundeskanzlers das lediglich der prak- Verwaltung soll zivilen Behörden anver- fragen vor einer Aussprache näher sub- traut werden. Die Aufstellung der Trup- tischen Inangriffnahme einer Vorberei- pen soll so erfolgen, daß sie in die demo- stanziert weiden müssen. Im Hinblick tung dienende Freiwilligengesetz dem auf die Viermächtekonferenz hob er kratische und föderative Grundordnung Kabinett vorgelegt und dort zweimal eingefügt werden. Die für die Uber- als wesentliche Gesichtspunkte beraten. Mit der Einstellung dieser ersten heraus: Verständigung zwischen den gangslösung erforderlichen Rechtsver- freiwilligen Soldaten würde der Aufbau ordnungen können nur mit Zustimmung Vereinigten Staaten und Sowjetrußland der deutschen Wehrmacht beginnen. über eine kontrollierte allgemeine Ab- des Bundesrats erlassen werden. Lan- rüstung und zwar durch Initiative Die verhältnismäßig geringe Zahl der desminister S t r ä t e r (NRW) trug die der USA. Die Vorschläge des Präsiden- in Aussicht genommenen Freiwilligen Bedenken der Mehrheit der Länder, ab- ten Eisenhower aus dem Jahre 1953 über ergibt sich aus der Notwendigkeit, gesehen von Rheinland-Pfalz und Schles- Abrüstungsmöglichkeit und Kostener- Stäbe für Lehrgänge aufzubau- wig-Holstein, vor. Im übrigen wurde sparnis zugunsten unterentwickelter en, da unter den gedienten Soldaten sich auch von der Mehrheit der Länder, mit Länder hält Dr. Adenauer für eine so gut wie niemand mehr befindet, der Ausnahme von Hessen, die Ansicht ver- Grundlage, die ohne Prestigeverlust als mit der modernsten Waffentechnik, treten, daß die Realisierung der Pariser Vorschlag verwirklicht werden könne. z. B. den Düsenflugzeugen, vertraut ist. (Schluß auf Seite 6) Es folgt selbstverständlich auch, lange Politik - auch eine Sache der Moral vor der Einladung Moskaus an Dr. Ade- nauer, die Frage nach der Stellung der Dr. von Brentano zu den außenpolitischen Aufgaben Bundesrepublik gegenüber der So- wjetunion, und zwar im Hinblick Die christlich - demokratische Zeitung „Luxemburger Wort" hat bereits auf die Verpflichtung gegenüber den längere Zeit vor der offiziellen Berufung Dr. von Brentanos zum deutschen Außen- Westmächten. „Die Souveränität der minister ein Interview veröffentlicht, dessen Gedankengänge im gegenwärtigen Bundesrepublik ist eine echte Souverä- Augenblick von besonderem Interesse sind. nität", antwortet Dr. von Brentano, — „und keine leere Geste. In den Bereich Die luxemburgische Zeitung nennt Dr. Die Wehrgesetze, die wir in den näch- einer solchen Souveränität fällt die di- von Brentano den „Typ des neuen Diplo- sten Wochen und Monaten im Bundes- plomatische Vertretung nach außen. So maten der jungen Bundesrepublik: einen tag beschließen werden, werden derart muß der Zeitpunkt kommen, da die Bun- nüchternen Juristen mit starken emo- formuliert werden, daß die deutschen desrepublik normale diplomatische Be- tioneilen Impulsen, einen soliden, in Armeeverbände immer nur dem de- ziehungen zur Sowjetunion aufnimmt. sich gefestigten Mann mit einer absolut mokratischen Staat dienen Aber genau wie die Westmächte bei der kompromißlosen moralischen Konzep- können und niemals einer nationalisti- Vierer-Konferenz als unsere Freunde tion von Demokratie und Politik." Auf schen Partei. Letzten Endes aber sind und Anwälte auftreten werden, ebenso die Frage nach seiner Einstellung zur die deutschen Armeeverbände als Teil fühlen wir uns natürlich verpflichtet, Politik des Dritten Reiches erklärte Dr. der NATO ebenso sehr ein militärischer gemeinsam mit den Westmächten zu be- von Brentano: „Jeder, der mich aus den Schutz für die Bundesrepublik — als raten, wenn wir direkte diplomatische Jahren der Naziherrschaft kennt, weiß, auch ein Schutz gegen ein Wiederauf- Beziehungen zur Sowjetunion aufneh- daß ich niemals einen Kompromiß mit flackern nationalistischer Tendenzen in- men. Es liegt uns natürlich an einem den Machthabern machte .. . Politik ist nerhalb Deutschlands." direkten Kontakt mit dem für mich immer eine Sache der Moral Osten — aus wirtschaftlichen Gründen gewesen und wird es immer bleiben. Als Dr. von Brentano auf die Frage und um der Befriedung Europas wil- Wenn ich deutscher Außenminister sein nach den nächsten außenpolitischen len. Aber dieser Kontakt ist nicht das werde, hoffe ich, diese meine Überzeu- Zielen die Wiedervereinigung in vordringlichste außenpolitische Problem, gung in allen unseren Beziehungen zu Frieden und Freiheit hervorhebt, wird wie ich es sehe. Deutsche Außenpolitik "Wien Ländern praktisch demonstrieren ihm die Frage nach einer etwa dahinter- soll nicht statisch sein. Es wäre falsch zu ^j können." stehenden realistischen außenpolitischen glauben, daß mit den Pariser Verträgen Dr. von Brentano bezeichnete die Poli- Konzeption gestellt. Dr. von Brentano ein vorläufiges Ende der deutschen tik des Bundeskanzlers als die Grund- antwortet: „Natürlich haben wir eine außenpolitischen Bemühungen erreicht lage auch der neuen deutschen Außen- realistische Konzeption von den schwie- sei. Im Gegenteil. Und Aspekte ändern politik, die deutsche Souveränität, die rigen Aufgaben, die uns erwarten. Um sich und zwingen immer wieder zu neuen Bindung an den Westen, eine neue ihre letzte Frage zuerst zu beantworten: Überlegungen und Bemühungen. Aber Freundschaft mit Frankreich und fuhr als Politiker scheint es mir unklug, in was wir auch tun werden, die Welt kann fort: „Die großen Ziele, die vor uns diesem Stadium der sich anbahnenden sich darauf verlassen, daß wir uns im- stehen, sind — nach der Wieder ver- Verhandlungen bekannt zu geben, was mer im Rahmen der Pariser Verträge ein i g.u n g der jetzt noch getrennten wir nötigenfalls bieten würden. Die — und aller anderen abgeschlossenen beiden Deutschland — eine engere Vierer-Konferenz zwischen den Ver- Verträge — bewegen werden. Die Ein- nachbarliche Beziehung zu einigten Staaten, Großbritannien, Frank- haltung von Verträgen ist für die Bun- den Nationen, mit denen wir reich und der Sowjetunion scheint end- desrepublik nicht nur eine Frage der eine europäische Völkerge- lich Wirklichkeit zu werden." Politik, sondern auch der Moral." meinschaft anstreben. Unser Verhältnis zu Großbritannien, den skan- dinavischen Ländern, den Beneluxlän- Dr. Leo Schwering, MdL: dern und Italien muß noch viel enger und freundschaftlicher werden. Auch €/'« T)e

Nr. 45/46 Bonn, den 16. Juni 1955 IX. Jahrgang

A I a Auswärtige Beziehungen A IV 1 b Beamtenfragen Dr. Adenauer nach Moskau eingeladen verabschiedet Personalvertretungsgesetz Die sowjetische Regierung hat am 7. Juni Bundeskanzler Der Bundestag verabschiedete am 8. Juni in dritter Dr. Adenauer zu einem Besuch in Moskau „in nächster Lesung mit 207 Stimmen der CDU, des BHE und zum Teil Zukunft" eingeladen, um die Aufnahme diplomatischer auch der SPD gegen 179 Stimmen der SPD und der FDP Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjet- bei zwanzig Enthaltungen das seit 1952 heiß umstrittene union zu besprechen. Die sowjetische Einladung ist in einer Personalvertretungsgesetz. Es regelt die Mitbestimmung Note an die Bundesrepublik enthalten, die von der sowjeti- und Mitwirkung der Bediensteten bei Behörden und öffent- schen Botschaft der deutschen Botschaft in Paris überreicht lichen Betrieben in personellen und sozialen Angelegen- wurde. Die Note wurde auf einer Pressekonferenz im heiten. Als letzte Entscheidungsinstanz für Fragen der sowjetischen Außenministerium bekanntgegeben. Mitbestimmung ist jetzt ein Einigungsausschuß vorgesehen, In der sowjetischen Note heißt es u. a.: „Die sowjetische der bei jeder Behörde zu bilden ist und dem je drei Ver- Regierung glaubt, daß das Interesse des Friedens und der treter der Dienstbehörde und der Personalvertretung ange- europäischen Sicherheit ebenso wie die Interessen der hören. Sie wählen selbst einen neutralen Vorsitzenden. sowjetischen und der deutschen Bevölkerung eine Normali- Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden sierung der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der nicht zustande, so bestellt ihn der Präsident des Bundes- Deutschen Bundesrepublik verlangen ... verwaltungsgerichts. Grundsätzlich bestimmt das Gesetz, Eine große Rolle in der Normalisierung der Beziehungen daß bei den Verwaltungen des Bundes und der bundes- zwischen unseren beiden Ländern können die kulturellen unmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen Beziehungen spielen. Die wissenschaftlichen, kulturellen des öffentlichen Rechtes sowie in den Gerichten des Bundes ' -und technischen Beziehungen zwischen den Völkern der Personalvertretungen gebildet werden. Der Personalrat Sowjetunion und Deutschland haben bekanntlich alte kann von Fall zu Fall beschließen, daß je ein Beauftragter Traditionen. Die Beibehaltung solcher Beziehungen würde der in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften be- das geistige Leben beider Nationen bereichern und auch rechtigt ist, an der Personalversammlung mit beratender einen günstigen Einfluß auf die allgemeine Entwicklung Stimme teilzunehmen. Zuständige Gerichtsinstanzen sind der europäischen Kultur haben. Es ist natürlich, daß diese die Verwaltungsgerichte. Für die Zuständigkeit des Per- Traditionen der Entwicklung der wissenschaftlichen, kultu- sonalrates für Beamte bestimmt das Gesetz, daß der Rat rellen und technischen Zusammenarbeit zwischen beiden mitwirkt bei Einstellung, Anstellung und Beförderung, bei Ländern dienen können und sollten. der Versetzung zu einer anderen Dienststelle, bei vorzeiti- Die Sowjetregierung ist der Auffassung, daß die Beendi- ger Versetzung in den Ruhestand, bei Entlassung von gung des sogenannten Besatzungsstatuts für Westdeutsch- Beamten auf Probe oder auf Widerruf sowie bei Anord- land, das seine außenpolitischen Beziehungen einschränkte, nungen, die die Freiheit in der Wahl der Wohnung be- und die Verkündigung des Gesetzes über die Beendigung schränken. Bei Angestellten und Arbeitern wirkt der des Kriegszustandes zwischen der UdSSR und Deutschland Personalrat mit bei Weiterbeschäftigung über die Alters- und über die Herstellung friedlicher Beziehungen zwischen grenze hinaus, bei Versagung der Genehmigung zur Über- den beiden Ländern durch den Obersten Sowjet der UdSSR nahme einer Nebenbeschäftigung, bei Anordnungen, die heute die notwendigen Voraussetzungen für die Normali- die Freiheit in der Wahl der Wohnung beschränken, bei sierung und die Herstellung direkter Beziehungen zwischen Kündigung sowie bei der Abordnung zu einer anderen der UdSSR und der deutschen Bundesrepublik schaffen. Dienststelle. Fristlose Entlassungen bedürfen nicht der In Übereinstimmung damit schlägt die sowjetische Regie- Mitwirkung des Personalratcs. rung der Regierung der Deutschen Bundesrepublik die Vor der Verabschiedung des Gesetzes hatten Bundes- Herstellung direkter diplomatischer, wirtschaftlicher und innenminister Dr. Schröder und Vertreter aller Fraktionen kultureller Beziehungen zwischen den beiden Ländern vor. Erklärungen zu dem Gesetz abgegeben. Für die Opposition Da es die sowjetische Regierung für wünschenswert hält, bezeichnete der Abgeordnete Hans Böhm (SPD) den Ent- daß ein persönlicher Kontakt zwischen den Staatsmännern wurf als mangelhaft und als Rückwärtsentwicklung des der beiden Länder zustande kommt, würde es die Sowjet- Rechts im öffentlichen Dienst; seine Fraktion lehne den regierung begrüßen, wenn in der nächsten Zeit der Kanzler Entwurf ab. Während der Beratungen am Entwurf habe "der Deutschen Bundesrepublik, Herr Adenauer, sowie sich etwas gezeigt, das man als eine Art „Rachepolitik" andere Vertreter, die die Regierung der Deutschen Bundes- gegen die Gewerkschaften bezeichnen könne. Innenminister republik nach Moskau zu entsenden wünscht, zur Erörte- Dr. Schröder bezeichnete die Ausführungen Böhms als tief rung der Frage der Herstellung diplomatischer sowie enttäuschend. Mit dem Gesetz werde etwas geschaffen, Handelsbeziehungen zwischen der Sowjetunion und der was vor 1933 noch nicht gegolten habe und derzeit in Bundesrepublik und zur Erörterung der damit zusammen- keinem anderen Land der Welt gelte. Es setze den Schluß- hängenden Fragen nach Moskau kommen würden." stein unter die Mitbestimmung, die ein außerordentlich Erklärung der Bundesregierung fortschrittliches Stück moderner Wirtschafts- und Sozial- Folgende amtliche Erklärung der Bundesregierung zur politik darstelle. Das Gesetz sei ein Beitrag zum inneren Sowjetnote wurde vom Bundeskabinett am 8. Juni 1955 Frieden. Für die FDP begründete Walther Kühn die Ab- einstimmig gebilligt: „Die Bundesregierung begrüßt den lehnung durch seine Fraktion mit dem Hinweis, daß das in der Note der Regierung der UdSSR an die Bundes- Gesetz für die Freien Demokraten wesentliche unabding- regierung vom 7. Juni 1955 gemachten Vorschlag, die bare Forderungen nicht erfülle. Für den GB/BHE erklärte diplomatischen, Handels- und kulturellen Beziehungen Dr. Sornik, daß seine Fraktion trotz schwerwiegender Be- zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik aufzu- denken zustimme. Anton Säbel (CDU), der sich gleichfalls nehmen. Die Note wirft verschiedene Fragen auf, die eine gegen die Angriffe Böhms verwahrte, sagte, die dritte Vorprüfung notwendig machen. Diese ist eingeleitet. Es Lesung habe brauchbare Kompromisse geschaffen, die auch ist zu hoffen, daß sie zu dem Ergebnis führt, daß eine für die öffentlich Bediensteten akzeptabel seien. Aussprache des Bundeskanzlers mit den Staatsmännern der Sowjetunion zweckmäßig erscheint." 16. Juni 1955 A IV 6 c Arbeitseinsatz Tiefster Stand der Arbeitslosenzahl A III 1 f Zentrum Die Arbeitslosenzahl im Bundesgebiet ist im Mai um Vom Zentrum zur CDU 162 612 auf 731 104 zurückgegangen. Damit ist der bisherige Wie die „Kölnische Rundschau" berichtet, hat sich der Tiefststand seit der Währungsreform unterschritten wor- Vorstand der Zentrumspartei Köln, darunter die Vor- den, der im Oktober 1954 mit 820 919 erreicht wurde. Nach sitzende, Stadtv. G. Trimborn, mit Mehrheit entschlossen, einer Erklärung des Präsidenten der Bundesanstalt für sich der CDU anzuschließen. Als Begründung wird ange- Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Julius führt, das Zentrum könne im Hinblick auf die politische Scheuble, ist nunmehr — abgesehen von gewissen örtlich Entwicklung seine Ziele nicht mehr innerhalb einer selb- bedingten Verhältnissen — im Bundesgebiet die Voll- ständigen Partei verwirklichen. 16. Juni 1955 beschäftigung erreicht. 16. Juni 1955 C d Ausschüsse A IV 10 c Bundesverfassungsgericht Regionaltagungen des Evangelischen Arbeitskreises Reform des Bundesverfassungsgerichtes geplant vorgesehen Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf über die Reform des Bundesverfassungsgerichtes verabschiedet. Der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU (Bundes- Diese Vorlage sieht u.a. eine Verringerung der Anzahl arbeitskreis) trat am 7. Juni im Bundeshaus unter dem der Richter und auch eine Änderung der Geschäftsvertei- Vorsitz von Bundesminister Dr. Tillmanns zur Auswertung lung zwischen den Senaten vor, um den bisherigen Zustand der bei der diesjährigen Tagung in Worms gemachten Er- der Überlastung des einen Senats zu beenden. fahrungen und zur Planung der weiteren Arbeit zusammen. An der Sitzung nahmen u. a. der stellvertretende Vor- Die Richterzahl soll auf 14, je sieben für einen Senat, sitzende des Arbeitskreises, Staatssekretär Dr. Strauß, der herabgesetzt werden. Vor allem aber soll bei der Wahl der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestags- Richter durch den Richterwahlausschuß des Parlaments fraktion, Oberkirchenrat Cillien, zahlreiche Bundestags- jetzt im zweiten Wahlgang die einfache Mehrheit ent- abgeordnete und Vertreter der Landesarbeitskreise teil. scheiden. Bisher konnte eine Wahl nur mit Dreiviertel- mehrheit erfolgen, was nach der Meinung der Regierung Der Bundesarbeitskreis stellte mit Genugtuung fest, daß zu großen Schwierigkeiten bei der Auswahl geführt hat. die Zulassung der Presse zu den Aussprachegruppen eine Nach diesem System mußten sich Koalition und Opposition im allgemeinen positive und auf jeden Fall substantiierte auf jeden Fall verständigen, während jetzt die einfache Würdigung der Wormser Tagung in der Öffentlichkeit zur Mehrheit entscheiden kann. 16. Juni 1955 Folge gehabt habe. Auch in Zukunft will der Arbeitskreis Jahrestagungen veranstalten; dabei soll jedoch den Aus- A V 1 Landtagswahlen sprachegruppen eine breitere Wirkungsmöglichkeit ein- geräumt werden, die man durch vorbereitende Diskussion Bremer Bürgerschaftswahl am 9. Oktober der Tagungsthemen in örtlichen Arbeitskreisen wesentlich Die Bremer Bürgerschaftswahl setzte am 8. Juni den fördern zu können hofft. Der Bundesarbeitskreis sprach Termin für die Neuwahl des Landesparlaments auf den sich schließlich nachdrücklich für die Veranstaltung von 9. Oktober fest. Es wird nach einem Verhältniswahlsystem Regionaltagungen aus. Eine erste Tagung dieser Art wird gewählt, bei dem die Wähler ihre Stimme für die auf Listen noch im Laufe dieses Jahres in Bremen und vielleicht auch angeführten Parteien abgeben können, jedoch keinen Ein- noch in Mittelfranken stattfinden. 16. Juni 1955 fluß auf die Wahl der Kandidaten haben. Nach einer Sperr- klausel im Wahlgesetz erhalten nur solche Parteien Man- date, die in Bremen und Bremerhaven mindestens fünf Aid Europäische Verteidigung Prozent der gültigen Stimmen erringen. lG.Juni 1955 Bundesrat zum Freiwilligengesetz Ca CDU Deutschlands Der Bundesrat bekannte sich am 10. Juni zu der Auf- Erinnerungsfeier zum zehnjährigen CDU-Bestehen fassung, daß die Verwirklichung der Pariser Verträge ohne Zur Erinnerung an die Gründung der CDU im rheini- Aufschub in Angriff genommen werden müsse. In einem schen Raum vor zehn Jahren (17. Juni 1945) fand im Beschluß, gegen den lediglich das Land Hessen stimmte, historischen Konferenzzimmer des Kölner Kolpinghauses heißt es, der Bundesrat werde die ihm zukommende Ver- eine Feierstunde statt. In seiner Begrüßungsansprache antwortung für die Verwirklichung der Pariser Verträge erklärte Landtagsabgeordneter Dr. Schwering, man habe durch die Wehrgesetzgebung übernehmen. Der Bundesrat in den entscheidenden Wochen des Jahres 1945 mit großem beschloß jedoch einstimmig, zu dem Entwurf des Frei- Elan eine gewaltige Aufgabe angefaßt und zu einem unge- willigengesetzes im ersten Durchgang nicht Stellung zu heueren Erfolg geführt. Es sei ein Beschluß von historischer nehmen, weil es in den Besprechungen mit Vertretern der Bedeutung gewesen, das alte Zentrum für tot zu erklären Bundesregierung bisher noch nicht möglich gewesen sei, und zusammen mit den Evangelischen eine neue Partei ins über Grundsatzfragen die notwendige Klarheit zu er- Leben zu rufen. Regierungspräsident Dr. Warsch, Köln, reichen. verlas das traditionelle Urprogramm der CDU, das mit den Obwohl der Bundesrat es ablehnte, endgültig zu dem Worten „ein Ruf zur Sammlung des deutschen Volkes" Gesetz Stellung zu nehmen, wies er die Bundesregierung beginnt. Dominikanerpater Laurentius Siemer gab eine auf vier Gesichtspunkte hin, die ihm besonders beachtens- mit großer Offenheit vorgetragene Kritik des Gewollten wert erscheinen: und Erreichten. Superintendent Hans Encke wies darauf hin, daß ohne das große Vertrauen, das das Ausland den 1. Die Bundesregierung soll den Gesetzentwurf vervoll- beiden Kirchen in den Nachkriegsjahren entgegenbrachte, ständigen, die rechtlichen Voraussetzungen für seine das deutsche Volk nicht in der kurzen Zeit die Achtung Durchführbarkeit schaffen und die Grundsätze der in der Welt hätte zurückgewinnen können. Kritisch be- Wehrpolitik bekanntgeben. leuchtete der Superintendent die politischen Meinungs- 2. Die Aufstellung deutscher Truppen müsse so erfolgen, verschiedenheiten in der evangelischen Kirche, bei der man daß sie in die rechtsstaatliche, demokratische und bun- in ihrem politischen Bekenntnis nie die Geschlossenheit desstaatliche Grundordnung der Bundesrepublik ein- der katholischen Kirche erwarten könne. Das bringe es gefügt werden. Insbesondere müsse die parlamentari- mit sich, daß der Anteil der Evangelischen in der CDU sche Kontrolle über die Streitkräfte sichergestellt sein. prozentual immer geringer als der der Katholiken sein Der Bundesrat erwarte außerdem, daß Soldaten aus- würde. Man anerkenne aber die Absage an jede Möglichkeit schließlich in der Truppe Verwendung fänden und die zur „Katholisierung" der CDU. Minister a. D. Dr. Schmidt Verwaltung zivilen Behörden anvertraut werde. überbrachte als zweiter Landesvorsitzender die Glück- wünsche der CDU. 16. Juni 1955 3. Rechtsverordnungen für die beabsichtigte Übergangs- regelung könnten nur mit Zustimmung des Bundes- Cb CSU rates erlassen werden, und schließlich Die neue Landesvorstandschaft der CSU 4. sollen die Bedenken des Bundesratsausschusses für Vom Landesausschuß der CSU wurden am 5. Juni ge- Fragen der europäischen Sicherheit Berücksichtigung wählt: Zum 1. Landesschriftführer Otto v. Feury MdL., finden. zum 2. Schriftführer Alois Klughammer, Augsburg, zum Bundeskanzler Dr. Adenauer hat am 10. Juni in einem 1. Schatzmeister MdB., zum 2. Schatzmeister Schreiben an den Bundesratspräsidenten Peter Altmeier K. S. Mayr, Fürth. Die vom Landesausschuß zuzuwählenden versichert, daß das Freiwilligengesetz, dessen Entwurf dem 15 Mitglieder der Landesvorstandschaft setzen sich wie Bundesrat zur Stellungnahme vorlag, in keiner Weise Aus- folgt zusammen: Pfarrer Kreussel, Geistl. Rat Dr. Muhler, wirkungen auf die Wehrverwaltung haben werde. Wie ein Dr. , Dr. Franz MdB., Thiele, Nürnberg, Josef Sprecher der Bundesregierung erklärte, wird sie „in aller Wild, Max Gerstl, Dr. Haindl, Paul Strenkert MdL., Georg Kürze", noch vor Beginn der Sommerpause des Bundes- Brauchle, Josef Donsberger MdL., Frau Dr. Probst MdB., tages am 15. Juli, Gesetzesvorlagen über Wehrverfassung Frau Schleip, Dr. Pirkl, Frl. Zenta Hafenbrädl. — Zum und Wehrverwaltung einbringen. Der Bundeskanzler habe neuen Vorsitzenden des Landesschiedsgerichtes wurde bereits in einem Brief vom 7. Juni dem Bundesrat bestätigt, Landgerichtsdirektor Dr. Ernst Durchholz, München, ge- daß mit dem Freiwilligengesetz den Entscheidungen über wählt. — Bemerkenswert ist, daß der jetzt in die CSU Wehrverfassung und Wehrverwaltung, insbesondere über eingetretene frühere Landesvorsitzende der Bayernpartei, die Zuständigkeit und die Beteiligung der Länder bei dieser Dr. Anton Besold, mit der drittgrößten Stimmenzahl in die Verwaltung, nicht vorgegriffen werde. 16. Juni 1955 Landesvorstandschaft der CSU gewählt worden ist. Cb CSU C d Ausschüsse

CSU-Richtlinien für den Verteidigungsaufbau Rheinischer Mittelstandstag der CDU Die auf der Tagung des Landesausschusses der CSU am Auf dem 4. Rheinischen Mittelstandstag der CDU am 5. Juni in Ingolstadt zu den aktuellen Wehrfragen gefaßte 13. Juni in Rheydt meldete Bundestagsabgeordneter Oetzel Entschließung (vergl. UiD Nr. 43/44, Archivteil) hat folgen- die Forderung auf Berücksichtigung des Mittelstandes, be- den Wortlaut: sonders des Handwerkes, bei der Deckung des Bedarfs an, der sich durch die Aufstellung neuer Streitkräfte ergibt. „Mit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge ist der erste Man könne sich nicht damit einverstanden erklären, daß Abschnitt der deutschen Nachkriegspolitik erfolgreich ab- Großaufträge nur durch Großbetriebe erledigt werden geschlossen worden. Die Hoffnungen Moskaus auf den Zer- sollen. Der Mittelstand wolle als maßgeblicher Steuerzahler fall Europas und der ganzen freien Welt sind nicht zuletzt auch bei der Verwendung der Steuermittel angemessen be- dank der energischen und zielbewußten Politik der rücksichtigt werden. CDU/CSU nicht in Erfüllung gegangen. Moskau hat damit eine entscheidende Schlacht im Kalten Krieg verloren. Eine noch stärkere Förderung der betrieblichen Eigen- kapitalbildung durch bewußt gelenkte steuerpolitische Entgegen den sozialdemokratischen Prophezeiungen ist Maßnahmen zugunsten der kleineren und mittleren Be- durch das Inkrafttreten der Pariser Verträge weder die triebe forderte Dr. G. Frerichs (Godesberg). Er setzte sich Haltung der Sowjets starrer geworden noch hat sich die besonders für eine fühlbare Senkung der Kreditkosten internationale Spannung erhöht. Die Sowjets haben im im Interesse der mittelständischen Wirtschaft ein. Er Gegenteil eine neue Initiative entwickelt, um die früher machte ferner den Vorschlag, zugunsten der mittelständi- von ihnen stets abgelehnten oder verschleppten Vierer- schen Betriebe lombardfähige, staatsverbürgte Schuld- verhandlungen zu erreichen. Alle sowjetischen Angebote verschreibungen auszugeben und den dadurch geschaffenen und Äußerungen müssen gewissenhaft geprüft und alle Kreditfond durch Beträge aus den Steuerzahler nicht be- aus ihnen sich ergebenden Möglichkeiten zu einer Politik lastenden Fonds aufzustocken. Obermeister J. Porten ver- der Entspannung im Interesse des Weltfriedens und der langte eine echte Aufwertung der alten Renten auch in der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit und Frieden Privatversicherung durch Bereitstellung des entsprechen- ausgenutzt werden. den Kapitals zugunsten der Lebensversicherungsgesell- schaften. Minister Dr. Flecken bejahte die Forderung, den Die Bundesrepublik Deutschland wird nur dann ihren mittelständischen Betrieben durch gelenkte steuerpolitische Beitrag zur Entspannung der Weltlage leisten und ihrem Maßnahmen zu helfen. Er erkannte an, daß die Mehrkosten Ziel der Wiederherstellung der staatlichen Einheit unseres bei öffentlichen Aufträgen, die durch verzögerte Bescheide Volkes näherkommen können, wenn sie mit ihren Bundes- der Behörden entstehen, von den behördlichen Auftrag- genossen im Nordatlantikpakt und in der Westeuropäischen gebern getragen werden müßten. MdB Schmücker erklärte, Union getreu den abgeschlossenen Verträgen und mit Ent- in der Bundesrepublik seien 94 Prozent aller Arbeitsstätten schlossenheit zusammenarbeitet, d. h. die Pariser Verträge mittelständische Unternehmen. Mehr als 74 Prozent aller müssen ausgeführt und jede Politik der Neutralisierung Berufstätigen seien in solchen Betrieben beschäftigt. Deutschlands muß im Interesse des Weltfriedens und der Als besonderes deutsches Mittelstandsanliegen nannte staatlichen Einheit eines freien Deutschlands abgelehnt Schmücker das Kartellgesetz und die Berufsordnung, wozu werden. er bemerkte, daß er sich schon über ein Berufsausübungs- gesetz freuen würde, das eine gewisse Auslese nach der Der Aufbau deutscher Streitkräfte ist eine Aufgabe von fachlichen Seite gewährleiste. 16. Juni 1955 großer politischer Tragweite und legt auch der CSU eine besonders schwere Verantwortung auf. Alle Maßnahmen der Landesverteidigung und in Sonderheit der Aufbau deutscher Streitkräfte für die NATO können nur dem Cb CSU einen Ziel dienen, die Gesamtstärke der europäisch-atlanti- schen Verteidigung zu einem abschreckenden Risiko für Baldige Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes jeden Angreifer zu gestalten. gefordert Gleichzeitig ist aber auch dafür zu sorgen, daß der Auf- Der Landesausschuß der CSU hat durch eine am 5. Juni bau der Streitkräfte sich auf einer einwandfreien Rechts- einstimmig gefaßte Resolution die Aufmerksamkeit von grundlage und auf einer möglichst breiten innenpolitischen Bund und Ländern mit Nachdruck auf die besonders Basis vollzieht. Die zukünftigen deutschen Streitkräfte schwierige Lage der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe müssen vom Vertrauen aller demokratischen Kräfte in gelenkt. Er richtete an die Bundesregierung den dringenden Deutschland getragen und allen innenpolitischen Gegen- Appell, für die Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes sätzen entzogen werden, damit sie in der Lage sind, ihre noch vor den Sommerferien des Bundestags Sorge zu tragen verantwortungsvollen Pflichten zu erfüllen. und zu verhindern, daß durch gesetzgeberische Maßnahmen Dazu ist u. a. erforderlich, den aus angesehenen und ver- eine Schmälerung der Einnahmen der Landwirtschaft trauenswürdigen Persönlichkeiten zu bildenden Personal- (Getreidepreis-Gesetzentwurf!) herbeigeführt wird. ausschuß sofort ins Leben zu rufen, mit ausreichenden 16. Juni 1955 Vollmachten auszustatten und eine wirksame parlamen- tarische Kontrolle der Streitkräfte vom Beginn der Auf- stellung an vorzunehmen. Art und Geschwindigkeit der A II c 3 Minister Aufstellung deutscher Streitkräfte muß so erfolgen, daß sie nach dem Beispiel anderer Demokratien mit alter Mili- Bundespräsident ernennt drei neue Minister tärtradition zu einem organischen Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaates werden. Die Notwendigkeit, Nachdem Bundeskanzler Dr. Adenauer am 6. Juni seine sofort deutsche Soldaten in internationale Stäbe sowie für Demission als Bundesminister des Auswärtigen eingereicht Schulungs- und Ausbildungszwecke auf Lehrgänge zu ent- hatte, überreichte Bundespräsident Prof. Heuss am 7. Juni senden, wird anerkannt. Vor der Aufstellung militärischer dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Einheiten müssen aber die grundsätzlichen rechtlichen und , dem Vorsitzenden der DP-Bundes- politischen Fragen geklärt sein. Eine moderne und wirk- tagsfraktion, Dr. Hans Joachim von Merkatz und dem bis- same Landesverteidigung erfordert eine einheitliche mili- herigen Sicherheitsbeauftragten der Bundesregierung, tärische Führung. Sie ist durchaus vereinbar mit einer , die Ernennungsurkunden als Bundesmini- landsmannschaftlichen Gliederung der Streitkräfte in den ster. Dr. von Brentano wurde hiermit zum Außenminister, militärisch möglichen Formen und mit einer Berücksichti- Dr. von Merkatz zum Bundesminister für Angelegenheiten gung der Gliederung des Bundes in Länder bei dem Aufbau des Bundesrates und Theodor Blank zum Verteidigungs- der Wehrverwaltung. minister ernannt. Am 8. Juni fand ihre feierliche Ver- eidigung im Bundestag statt. 16. Juni 1955 Die Landesgruppe der CSU im Deutschen Bundestag wird beauftragt, auf der Grundlage dieser Richtlinien bei der Aufstellung deutscher Streitkräfte und bei dem Auf- bau der deutschen Landesverteidigung ihre Mitwirkung zur Verfügung zu stellen und echte politische Mitverant- Die im Ardiivtei] der .Union in Deutschland" wiedergebenen Vorgänge und Meinungsäußerungen bedeuten keine Stellungnahme der Redaktion, wortung zu übernehmen." 16. Juni 1955 •ondern dienen lediglich registrierend der Unterrichtuno unserer Leser stellt, sondern nur die Frage gestellt, ob Sittengesetz - Menschenwerk oder höhere Ordnung? der Staat oder das Volk solche Rechte wider das Sittengesetz haben könne.) Bundesminister Dr. Wuermeling an Oberstaatsanwalt Flick Ihre Formulierung in dem Kölner Mitt- wochgespräch über „das elementare Bundesminister Dr. Franz Josef Wuermeling hat im Verlauf einer öffentlichen Recht des souveränen Volkes, seine sitt- Auseinandersetzung über die Gültigkeit des Sittengesetzes für die Rechtsprechung liche Entwicklung frei zu gestalten", an Oberstaatsanwalt Flick, Wiesbaden, am 6. Juni 1955 den nachstehend wieder- gibt dem Staate solche Rechte auch wider das Sittengesetz. gegebenen „Offenen Brief" gerichtet: 5. Aus den eingangs zitierten Mel- Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt! sondern in Ihrem Schreiben vom 30. 4. dungen glaubte ich nun schließen zu Nach Meldungen der „Frankfurter ausdrücklich von der „schwachen Po- können, daß Sie als Ergebnis unseres Neuen Presse" und verschiedener an- sition derjenigen" gesprochen, „die eine Schriftwechsels in Übereinstimmung mit derer Zeitungen vom 2. 6. sollen Sie mir unmittelbare Bindung des Richters an dem BGH und mit mir davon überzeugt mit Bezug auf eine in Mainz am 31. 5. die Normen des Sittengesetzes erstre- sind, daß weder der Staat noch das Volk aufgestellte „grundfalsche" Behauptung ben", und das Sittengesetz als ein „der Herr über das beiden vorgegebene „eine für einen Bundesminister in hohem Auslegung unterworfenes Men- Sittengesetz ist, und daß deshalb Gesetz- Maße befremdliche bewußte Irreführung schenwerk (!)" bezeichnet. Damit gebung, Rechtsprechung und Verwal- der Öffentlichkeit" vorgeworfen haben. haben Sie die vom Bundesgerichtshof tung an die Grundlagen des Sitten- klar betonte Bindung von Staat und gesetzes gebunden sind, auch wenn in- Ich muß diese Ihre Unterstellung Volk an eine höhere Ordnung geleugnet folge „Sittenverfalls" ihre Anerkennung ebenso öffentlich durch folgende Fest- und zugleich die vom Bundesgerichtshof „die Ausnahme wäre". (Grenzfälle zwi- stellungen zurückweisen: anerkannte Allgemeinverbindlichkeit schen Sittengesetz und Sitte können, wie 1. Das Verbot einer Irreführung der auch der Grundthesen des Sittengesetzes schon früher erwähnt, diese Grundthese öffentlichen Meinung gilt für Oberstaats- bestritten. Gerade darin lag aber der nicht berühren.) anwälte nicht weniger, als für Bundes- Kern der Irrlehre des Nationalsozialis- Ich begrüße es aufrichtig, wenn Sie minister. Wenn Sie, wie ich es umge- mus. damit nunmehr Ihre unter Ziff. 1 zitierte kehrt vor Beginn unseres Schriftwech- gegenteilige These berichtigen. Gern sels über Ihre im 204. Kölner 4. Sie sind mir die Antwort auf meine schließe ich deshalb diese Zeilen mit dem Mittwochsgespräch aufgestell- Ihnen am 3. 5. vorgelegten Fragen schul- gleichen Gedanken, mit dem ich unseren ten Thesen getan habe, zunächst authen- dig geblieben, ob ein Staat z. B. berech- Schriftwechsel eingeleitet habe: Ich freue tisch festgestellt hätten, was ich in Mainz tigt sei, aus bevölkerungspolitischen mich über jede Gelegenheit eines Ge- gesagt habe, so hätten Sie gewußt, daß Gründen uneheliche Geburten zu för- dankenaustausches über gegensätzliche ich in Mainz Ihre mir von Ihnen dern („dem Führer ein Kind schenken"), Meinungen, weil sich dann am Ende das ob ein Staat die Tötung „lebensunwerten Richtige durchsetzt. selbst übersandten Formulierungen wie Lebens" oder bedingungslosen Gehor- folgt wörtlich zitiert habe: sam, der für das Gewissen keinen Raum Mit vorzüglicher Hochachtung „Die Rechtsprechung müßte läßt, fordern dürfe. (Ich habe nicht Ihnen Ihr also insoweit selbst einem Sitten- solche sittenwidrigen Forderungen unter- gez. Dr. Wuermeling verfall Rechnung tragen, wenn er nur so allgemein geworden wäre, daß die Beachtung früherer besserer Sitten die Ausnahme wäre ... 3-Lß £>i&ä(Lut\g. dox öidt&aumCat&H Es ist aber unvereinbar mit den Grund- gedanken freiheitlicher Demokratie, Von Paul Lücke, MdB, das elementare Recht des sou- Vorsitzender des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen veränen Volkes, seine sitt- liche Entwicklung frei zu Nach fast siebenstündiger Aussprache verabschiedete der Bundestag gegen die gestalten, von oben her durch Stimmen der SPD und des BHE das nach langen Ausschußverhandlungen zustande den Versuch einer „Reedukation" zu gekommene Bundesmietengesetz. Der Vorsitzende des Ausschusses für Wieder- verletzen." aufbau und Wohnungswesen gibt hier einen Überblick über die wichtigsten Bestim- mungen auf Grund der im wesentlichen angenommenen Ausschußfassung. Bereits in meinem Schreiben vom 19.4. habe ich diese Ihre Thesen auf die kür- Mit dem Inkrafttreten des Ersten anspruchnahme der gesetzlichen Er- zere Formel gebracht, daß das Volk Bundesmietengesetzes darf die Miete höhungsmöglichkeiten, wie sie in den sich das Sittengesetz selber für preisgebundenen Wohn- vorgehenden Bestimmungen vorgesehen machen könne, (wie es der Natio- raum, der bis zum 20. 6. 1948 bezugs- sind, nicht wiederhergestellt ist, so hat nalsozialismus praktizierte). fertig geworden ist, um einen Zuschlag er einen Anspruch darauf, daß die Preis- von 10 °/o erhöht werden. Neben diesem behörde eine weitere Mieterhöhung zu- •'s» 2. Dem habe ich folgende vom Bun- Zuschlag darf eine weitere Erhöhung läßt. Vom Bundesministerium für Wirt- desgerichtshof in Karlsruhe von 5 % im wesentlichen dann eintreten, schaft wird für die Berechnung der in einer Entscheidung des Großen Straf- wenn es sich um eine abgeschlossene Kostenvergleichsmiete ein ausführliches senats vom 17. 2. 1954 (NJW S. 766) Wohnung mit Anschlußmöglichkeiten Formular mit entsprechenden Erläute- wörtlich vertretenen Thesen entgegen- für Gas- oder Elektroherd, neuzeitliche rungen ausgearbeitet und dem Gesetz gehalten: sanitäre Anlagen innerhalb der Woh- als Anlage beigefügt. Keller-, Bunker-, „Normen des Sittengesetzes gelten nung, insbesondere Badeeinrichtung mit Barackenwohnungen, Wohnungen in aus sich selbst heraus; ihre starke Ver- selbständigem oder zentralem Warm- Behelfsheimen und Nissenhütten sowie bindlichkeit beruht auf der vorgege- wasserbereiter und Keller oder entspre- sonstige behelfsmäßige Unterkünfte benen und hinzunehmenden Ordnung chendem Ersatzraum handelt. Weitere fallen nicht unter dieses Gesetz. Eine der Werte und der das menschliche 5 °/o, also insgesamt 20 % auf die der- Mieterhöhung ist auch nicht gestattet, Zusammenleben regierenden Sollens- zeitige Miete, können u. a. als Zuschlag wenn und so lange Mängel vorliegen, sätze; sie gelten unabhängig gefordert werden, wenn neben dieser die die Benutzung des Wohnraumes davon, ob diejenigen, an die sie sich Ausstattung eine zentrale Sammel- unter Berücksichtigung der örtlichen heizung vorhanden ist. Außer den Mög- Wohnverhältnisse und Wohngewohn- mit dem Anspruch auf Befolgung heiten offensichtlich erheblich beein- wenden, sie wirklich anerkennen lichkeiten aus diesem Gesetz, die Mieten und befolgen oder nicht; ihr des Althausbesitzes um 10, 15 oder 20 % trächtigen. Inhalt kann sich nicht des- zu erhöhen, hat sich der Ausschuß der Als besonders wesentlich wurde es wegen ändern, weil die An- Ansicht der Bundesregierung ange- von der CDU/CSU angesehen, daß zur schlossen, dem Vermieter und Mieter Linderung von Härten, die sich infolge schauungen über das, was von Mieterhöhungen ergeben, für ein- gilt, wechseln." die Möglichkeit zu geben, durch Verein- barung einer Kostenvergleichsmiete die kommensschwache Mieter Beihilfen 3. In unserem Schriftwechsel über die Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes gewährt werden. Ein entsprechender unter 1 und 2 wiedergegebenen gegen- wiederherzustellen. Weist der Vermieter Antrag der CDU/CSU wurde einstimmig sätzlichen Thesen haben Sie meiner vor- nach, daß die Wirtschaftlichkeit, d. h. der angenommen. Die Beihilfe ist keine erwähnten kürzeren Formulierung Ihrer Ausgleich zwischen den Mieterträgen Leistung der öffentlichen Fürsorge und These nicht nur nicht widersprochen, und den Aufwendungen, trotz der In- ist nicht zurückzuerstatten. Bei der Im Zeichen der Wehrgesetzgebung (Fortsetzung) tige Unterstützung er besonderen Wert legt, weiß die Bedeutung der vor den Verträge ohne Aufschub in Angriff ge- haben. Nach 1918 ist, wie Heye betonte, gesetzgeberischen Körperschaften lie- nommen werden muß. der Neuaufbau der Wehrmacht als eines genden Aufgabe als der wohl wichtig- Das Soldatengesetz selbst Instrumentes des demokratischen Staates sten im Bereich demokratischer Gestal- wurde in seinem Entwurf im Hinblick tung zu würdigen. Sie zählt in ihren vor allem daran gescheitert, daß damals Reihen auch eine erfreuliche Zahl von auf die aufgetauchten Bedenken und schon die Personenfrage nicht befriedi- Forderungen noch einmal überarbeitet gend gelöst werden konnte. Die Gestal- Persönlichkeiten, die auf diesem Gebiete und hat auch das Kabinett von neuem tung des Wehrersatzapparates und die über die notwendigen Fachkenntnisse beschäftigt. Es sollte auf schnellstem Frage des Oberbefehls, der Spitzen- verfügen. In enger Zusammenarbeit mit Wege dem Bundestag zugeleitet werden, gliederung, der Wehrverwaltung über- den Koalitionsparteien wird das große damit es abgeändert und ergänzt wer- haupt, der Gliederung der Streitkräfte, " Werk in den kommenden Monaten ver- den kann. Man ist sich allerseits dar- wirklicht werden. Der Verteidigungs- der Gerichtsbarkeit und des Notstandes minister hat es, ebenso wie der Bundes- über einig geworden, daß das Freiwilli- wurde von Bundesminister Strauss gengesetz einer zeitlichen Begrenzung in das Gesichtsfeld gerückt. Verteidi- kanzler und Parteivorsitzende Dr. Ade- unterworfen werden muß und zwar bis gungsminister Blank versprach, daß nauer, wiederholt als wünschenswert zu dem Zeitpunkt, an dem das Soldaten- alle diese angesprochenen Fragen ge- bezeichnet, daß auch die Oppositi- gesetz und das Besoldungsgesetz in Kraft onspartei sich der positiven Mit- klärt und geregelt werden sollen. Er be- arbeit nicht verschließt und dadurch die tritt. Der späteste Termin dieser Be- tonte, daß die Verfügungsgewalt grenzung ist für den 31. März 1956 in über die Armee der Bundesregierung Wehrhaftmachung der Bundesrepublik Aussicht genommen. zu einer Sache des ganzen Volkes macht. und dem der Volksvertretung verant- Hier tritt noch einmal eine wirkliche Die Koalition ist sich ferner einig wortlichen Verteidigungsminister zusteht Bewährungsprobe an eine Partei heran, darin, daß die Pariser Verträge unver- züglich gesetzgeberisch zur Durchfüh- deren Wähler in ihrer Mehrheit sicher- Wenn ich einen Grundsatz angeben lich nicht mit einer Haltung ständiger rung gelangen müssen und daß das Negation einverstanden wären. Kurzgesetz notwendig ist, da das Sol- sollte, der die Art und Weise der heuti- datengesetz unmöglich noch vor den gen deutschen Außenpolitik kennzeich- Ferien verabschiedet werden kann. Es net, so wäre es vielleicht die lateinische wird als wünschenswert angesehen, daß Devise „fortiter in re, suaviter in modo", Aus Rom: möglichst bald auch das endgültige Sol- das heißt, im Grundsätzlichen stark und datengesetz verabschiedet wird und daß kompromißlos zu sein, aber in der Ar- Die sizilianische Warily die erste Beratung möglichst noch vor beitsweise beweglich und im Sekun- den Parlamentsferien stattfinde. Haus- dären, z. B. in rein technischen Fragen, Die Landtagswahlen auf Sizilien ende- haltsausschuß und Sicherheitsausschuß auch zu Kompromissen bereit. ten mit einem klaren Sieg der Demo- haben die Aufgabe, sich mit den Be- Dr. Heinrich von Brentano krazia Christiana. Sie erhöhte ihren An- stimmungen des Kurzgesetzes zu be- im Hessischen Rundfunk teil an der Gesamtstimmenzahl um 7 4 fassen. Prozent, was absolut in einem Gewinn Bei der Fraktionsbesprechung der und daß dem Bundespräsidenten die Be- von rund 230 000 Stimmen und sieben CDU/CSU, bei der Verteidigungsmini- rufung der Offiziere vom Oberst auf- Mandaten zum Ausdruck kommt. Mit ster Blank zugegen war und auf die insgesamt 37 Mandaten haben die wärts, das Gnadenrecht und das Ehren- Christlichen Demokraten über die 30 dort gestellten Fragen und Einwände recht zustehen. antwortete, kam mit größter Entschie- Mandate der Kommunisten und Links- denheit zum Ausdruck: Für das Ge- Von entscheidender Bedeutung ist die sozialisten ein eindeutiges Übergewicht lingen der neuen deutschen Wehrgesetz- vom Verteidigungsministerium als Vor- erlangt und damit ihren Führungsan- gebung ist die Personalfrage der schlag vorbereitete Zusammensetzung spruch eindrucksvoll bekräftigt. Wäh- wesentlichste Gesichtspunkt. Abgeord- des Personalausschusses. Die- rend sich die Linke behaupten konnte, neter Admiral a. D. H e y e äußerte seine ser Ausschuß soll in seinem Kern Fach- geht die Veränderung in der bisherigen Bedenken, ob es auf dem vorgesehenen kräfte auf allen in Frage kommenden Zusammensetzung des Landtages auf Wege auch möglich sei, die wirklich Gebieten enthalten und durch die Frak- Kosten der kleinen Mittel- und Rechts- schöpferischen Kräfte für den Neuauf- tionen nach den Notwendigkeiten und parteien. Der Ausgang der Wahl ermög- bau zu gewinnen, die zumeist schon sich nach ihren Wünschen ergänzt werden. licht die Fortsetzung der bisherigen beruflich eine neue Position geschaffen Die Aussprache in der Fraktion ergab Landeskoalition, die sich aus Christ- als allgemeine Ansicht, daß das Wehr- lichen Demokraten, Liberalen und Mo- narchisten zusammensetzte. Die Erhöhung der Altbaumieten ersatzwesen zweckmäßiger Weise auf ziviler Grundlage aufgebaut werden Der sizilianischen Landtagswahl kam Prüfung der Tragbarkeit der Miet- sollte. Verteidigungsminister Blank hält erhöhung ist auf das Familieneinkom- es ebenfalls für abwegig, neben dem eine besondere Bedeutung in doppelter-, men abzustellen. Die Beihilfen sollen bereits bestehenden zivilen Erfassungs- Sinne zu: Einmal galt sie als „Stin ^ solchen Mietern gewährt werden, deren apparat noch einen militärischen Doppel- mungsbarometer" hinsichtlich der Ent- monatliches Familieneinkommen 110% apparat aufzubauen. Von anderer Seite wicklung seit der Parlamentswahl vom der örtlichen Fürsorgerichtsätze, ein- Sommer 1953. Zum anderen verfügt wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Sizilien auf Grund der Verfassung von schließlich der Beihilfe für Unterkunft, hier an die alte Tradition der Zeit vor nicht übersteigt. Als Famüieneinkom- 1914 angeknüpft werden könne, in der 1948 über eine so weitgehende Auto- men sind anzusehen alle Einnahmen des nomie, daß deren Mißbrauch eine un- Mieters und seiner nächsten Familien- die Landräte bzw. Oberbürgermeister demokratische Regierung in die Lage angehörigen, soweit sie zum Haushalt mit den militärischen Stellen reibungs- versetzen könnte, die gesamtstaatlichen des Mieters gehören und nicht nur vor- los zusammengearbeitet haben. Interessen Italiens erstlich zu beeinträch- übergehend in seiner Wohnung unter- Neben dem Soldatengesetz sind noch tigen. Soweit die Kommunisten ihre auf gebracht worden sind. Im Gesetz ist im eine ganze Anzahl anderer gesetzgeberi- Sizilien immerhin starke Position in einzelnen genau aufgeführt, welche Per- scher Maßnahmen zur Verwirklichung einem Maße auszuweiten gedachten, das sonen als Familienangehörige anzusehen des neuen Wehrgesetzes nötig, das Wehr- ihnen einen Mißbrauch der Verfassung sind. Der Bund soll zum Ausgleich der pflichtgesetz, ein Besoldungsgesetz (weit in der angedeuteten Richtung ermöglicht von den Ländern zu zahlenden Miet- über 100 000 Berufssoldaten werden hätte, haben sie eine klare Niederlage beihilfe in den kommenden drei Jahren eingestellt werden!), ein Versorgungs- erlitten. Gesiegt haben die Christlichen jährlich 13 Mill. DM als verlorenen Zu- gesetz, eine Disziplinarordnung, eine Demokraten und mit ihnen Ordnung schuß bereitstellen. Beschwerdeordnung, ein Wehrstrafge- und Demokratie. Es kam darauf an, daß durch die setz, ein Gesetz über die Eignungsübun- Mieterhöhung der Althausbesitzer in die gen, ein Landbeschaffungsgesetz, das auch in die Zuständigkeit des Innen- Herausgeber: Bundesgeschäftsstelle der CDU' Lage versetzt wird, den Reparatur- Deutschlands, Bonn, Nassestr. 2 - Verlag und Vel bedarf nachzuholen und den ministeriums fällt, ein Bundesleistungs- trieb: Argelanderstr, 173 - Redaktion: Bonn. Wohnraum entweder instand oder in gesetz und ein Schutzbereichsgesetz. Pressehaus IV am Bundeshaus, Schließfach 102 einen besseren Zustand zu setzen. Der Der CDU/CSU-Fraktion, aus deren Banken: Bundesgeschältsstelle der CDU Bonn. Post- Sinn des Gesetzes ist also auch, dem scheck-Konto Köln 365 311 Bankverein Westdeutsch- Reihen der Verteidigungsminister her- land. Bonn Nr. 74 87. Mieter besseren Wohnraum zu schaffen. vorgegangen ist und auf deren tatkräf- Druck: Buch u. Verlagsdrudcerei L. Leopold, Bonn

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