UID Jg. 9 1955 Nr. 45/46, Union in Deutschland

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UID Jg. 9 1955 Nr. 45/46, Union in Deutschland Union in Deutschland Informations-Dienst der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union Deutschlands Verlag und Vertrieb: Bonn, Argelanderstraße 173. Redaktion: Bonn, Pressehaus IV, Zimmer 48 (Tel. 2 14 08), Görresstraße Nr. 45/46 Bonn, den 16. Juni 1955 IX. Jahrg. Der sozialdemokratischen Opposi- tion ist wieder einmal eine Prophe- Dr. Adenauers politisches Reisegepäck zeihung wie eine Seifenblase geplatzt. Die Politik der SPD war eben, das emp- „Wiederaufbau der zerschlagenen Welt braucht Zeit" findet man im ganzen deutschen Volke, Die Reise des Bundeskanzlers Dr. Adenauer, die bedeutsamen Besprechungen mit weit über die Kreise der Koalitions- Präsident Eisenhower und den westlichen Außenministern, beherrschen weithin das anhänger hinaus, grundfalsch. Die Note Blickfeld der großen Politik. Man erwartet viel von dem Staatsmann, der sein Land der Sowjetregierung bescheinigte das so zielbewußt und in verhältnismäßig kurzer Zeit wieder gleichberechtigt in den der Bundesregierung sowohl 'wie der Kreis der freien Völker zurückgeführt hat und der unbeirrbar der Sache der west- Opposition ausdrücklich, indem sie fest- lichen Einigung, des Friedens und der Wiedervereinigung Deutschlands auf dem stellt, daß die Aufhebung des Besat- Wege der Entspannung dient. zungsstatuts, also der Abschluß der Pariser Verträge, „die nötigen Voraus- Die Einladung Dr. Adenau- der wesentlich propagandistisch aufge- setzungen für die Normalisierung und l^s nach Moskau, die vielfach als zogenen Berliner Konferenz unter- Anbahnung unmittelbarer Beziehungen -me Sensation empfunden wurde — scheidet. zwischen der Sowjetunion und der allerdings wohl nicht so sehr in den unmittelbar an diesem Vorgang betei- ligten politischen Kreisen — hat be- stimmte Fakten deutlich gemacht: Es Dr. Johann B. Gradl: hat sich gezeigt, daß die kühle und realistische Beurteilung der Lage durch den Bundeskanzler richtig war. Weder Bekenntnis zu Freiheit und Einheit die Ratifizierung der Pariser Verträge Der 17. Juni verdient es wie kein an- mittelbarer Nachbar. Aber ebenso sicher noch die Einbringung der Verteidigungs- derer Tag in der deutschen Geschichte ist, daß wir Deutschen darüber niemals gesetze haben die Sowjetrussen in ihrer dieses Jahrhunderts, unser Volk mit jener anderen Welt untreu werden kön- Verhandlungsbereitschaft behindert. Im Stolz und Selbstbewußtsein zu erfüllen. nen, deren Lebensideale auch die unse- Gegenteil, erst die Entschlossenheit und Dieser Tag wäre wie keiner sonst beru- ren sind, die Ideale der freiheitlichen Geschlossenheit, mit der die Mächte der fen, über alle inneren Gegensätze und Welt. Wir sind dank des mutigen Be- westlichen Welt (nach dem heute viel- Spannungen hinweg einen Willen der kenntnisses, das vor zwei Jahren am leicht von erheblichen Teilen der deutschen Nation zu formen. Das hat 17. Juni in Ostberlin und in zahllosen französischen Öffentlichkeit bedauerten nichts mit Nationalismus zu tun, genauso Städten und Dörfern zwischen Elbe und Scheitern der EVG) auf einem neuen wie sich der Aufstand des 17. Juni in Ost- Oder vor den Panzern und Karabinern Wege dem alten Ziele des politischen berlin und der sowjetischen Besatzungs- abgelegt wurde, in der Lage, einen über- Zusammenschlusses und der militä- zone nicht gegen das russische Volk rich- zeugenden Beweis unserer echten und rischen Sicherung nachgegangen sind, tete. Wer Augenzeuge des Geschehens unlöslichen Verbundenheit zu jenen Völ- hat ihre Rückwirkungen auf die Mos- damals war, weiß, wie fein die demon- kern und Staaten zu haben, die sich der kauer Politik gehabt. Das ist eine Tat- strierenden Massen damals unterschie- Ordnung in Freiheit verpflichtet fühlen. sache, die auch durch nachträgliche Ab- den haben zwischen den Soldaten der schwächungen nicht verdeckt werden Besatzungsmacht und den sowjetdeut- Das deutsche Ansehen gilt heute wie- -nn. schen Unterdrückern. der, es gilt mehr, als wir jemals vor I Die Moskauer Note erweckt zehn Jahren zu hoffen gewagt hätten. zum mindesten den Anschein, als ob Was die Menschen damals aus den Dazu hat die Gunst der geschichtlichen ernsthafte politische Gründe den Kreml Häusern und Fabriken auf die Straße Entwicklung beigetragen und das ver- veranlaßt haben, dieses Mal wirklich auf trieb, war ein einfaches Aufbegehren nünftige Verhalten aller Deutschen. eine Entspannung hinzuarbeiten. In gegen die menschliche Unterdrückung Aber daß unsere schlimme jüngste Ver- Moskau leben, das hat sich nicht zum durch ein volksfremdes System, war ein gangenheit im Denken der anderen Völ- erstenmal gezeigt, realistische Politiker, tiefes Verlangen nach Freiheit, eine ein- ker so weit schon überwunden werden die vielleicht geneigt sind, Fakten anzu- zigartige Demonstration für Menschen- konnte — ganz ist es noch nicht der Fall erkennen, nachdem es ihnen auf den würde und Menschenrecht. Und war da- —, dazu haben neben der Haltung der verschiedensten Wegen nicht gelungen mit zugleich ein überwältigendes Be- Berliner im Blockadekampf vor allem ist, mit Hilfe freiwilliger und unfrei- kenntnis zur Einheit mit den Deutschen die Ereignisse des 17. Juni beigetragen. williger Helfer im westlichen Lager das auf der anderen Seite der Zonen- und Wir aber sollten uns um so mehr ver- Heranreifen der Fakten zu verhindern. Sektorengrenzen, bei denen jedenfalls pflichtet fühlen, mit aller Energie der Nun scheint tatsächlich vieles in Bewe- Würde, Recht und Freiheit des Einzel- Aufgabe der Wiedervereinigung zu gung geraten zu sein. Der Staatsvertrag nen geachtet wurden. dienen. Nur und erst dann werden wir mit Österreich, der Belgrad-Besuch der Gerade im Zusammenhang mit den diesem Tag gerecht, wenn wir ihn nicht Moskauer Sowjetspitzen mit seinen kommenden Verhandlungen der Groß- als einen zusätzlichen Feiertag gedan- keineswegs eindeutig zu beurteilenden mächte über die deutsche Wiedervereini- kenlos genießen, sondern ihn zum An- Ergebnissen und Auswirkungen, der gung wird im Ausland immer wieder laß leidenschaftlichen Bekenntnisses zur Besuch Nehrus in Moskau und die Ein- gefragt, ob man auch der Deutschen deutschen Einheit nehmen. Die Welt in ladung an den Bundeskanzler sind Er- sicher sein könne. Ob die Deutschen, Ost und West muß an diesem Tage spü- eignisse, die in ihrer Gesamtheit die wenn sie ganz auf sich selbst gestellt ren, daß wir nicht Ruhe geben, daß wir Richtigkeit der vom Westen eingeschla- würden, sich nicht wieder vom Westen nicht „koexistieren" können, solange wir genen Politik bestätigen. Auch wenn man abkehren und dem Osten zuwenden nicht mit den Deutschen, die heute noch in der Beurteilung der Weiterentwick- würden. Nun ist ganz sicher, daß wir von uns getrennt sind, in Freiheit vereint lung vorsichtig ist, muß man doch fest- Deutschen um die Besserung des Ver- leben können. Das ist das mindeste an stellen, daß die allgemeine Situation sich hältnisses zur östlichen Welt besorgt sein Dank, das wir für den 17. Juni schulden. nicht unerheblich von der Stagnation müssen. Sie ist nun einmal unser un- (Aus dem „Deutschen Monatsblatt") deutschen Bundesrepublik" geschaffen Die Westeuropäische Union sei für die Sowjetrussen ein hochpoli- habe. mit ihrem Prinzip der kontrollierten tisches Problem, mit dem auch die Situ- So konnte die Moskauer Note in ihrer Rüstungsbeschränkung und der gegen- ation der Satellitenstaaten zusammen- Absicht einer unmittelbaren Fühlung- seitigen Hilfe bezeichnete Dr. Adenauer hängt. Eine Erörterung der Situation nahme auch in Bonn begrüßt werden. Es als Grundlage für ein europäisches dieser Staaten hat Moskau inzwischen versteht sich, daß keine Gelegen- Sicherheitssystem. scharf abgelehnt. Dr. Adenauer ist nach heit ungenutzt bleiben darf, die Die Lösung der deutschen wie vor der Ansicht, daß eine längere Entspannung verspricht und Aussichten Frage, die für den Frieden notwendig Zeit der Konferenzen und Verhandlun- auch in Richtung einer Wiedervereini- sei, hänge, so betonte Dr. Adenauer, gen vor uns liegt. Aber schon darin zeigt gung zu eröffnen scheint. Aber ebenso wesentlich von dem Geist ab, in wel- sich ein Moment der Entspannung. selbstverständlich ist, daß ein Dokument chem man an ihre Verwirklichung her- „Man kann", so meinte er, „die Welt wie die sowjetische Note aufs sorg- angehe. Das Problem der deutschen schnell in einem Jahr Krieg zerschlagen, fältigste geprüft werden muß. Die Wiedervereinigung, das für die Deut- aber sie wieder aufzubauen braucht schnelle und positive Reaktion der west- schen eine Frage des Rechtes darstellt, Zeit." lichen Verbündeten zu der Einladung Dr. Adenauers liegt auf dieser Linie und zeigt von neuem das große Vertrauen, das der Bundeskanzler bei den maßgeb- Im Zeichen der Wehrgesetzgebung lichen Persönlichkeiten im Freundes- lager genießt. Daß er auch auf der öst- „Freiwilligengesetz" hat zeitlich begrenzte, rein praktische Aufgaben lichen Seite Achtung und Beachtung sich Bundesrat wünscht eindeutige Einfügung in die demokratische und föderale erzwungen hat, beweist die Note. Grundordnung Im Kreml ist man wohl klug genug, Die Wehrgesetzgebung ist in Durchführung der Pariser Vertragsbestimmiineen um zu wissen, daß es unmöglich ist, die mit der Einbringung des sogenannten „Freiwilligengesetzes" in ihr erstes parlamen- Bundesrepublik vom Westen zu trennen. tarisches Stadium getreten. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat einen Sonder- Wenn die Vertreter Moskaus mit Neu- ausschuß eingesetzt, der mit der Vorklärung des sehr umfangreichen militärischen tralisierungsabsichten nach Genf gehen und rechtlichen Aufgabengebietes beauftragt ist. würden, so würde das eine Verkennung der Situation
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