UID Jg. 11 1957 Nr. 46, Union in Deutschland
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POSTVERLAGSORT BONN BONN • 14. NOV. 1957 NR. 46 • 11. JAHRGANG UNIONUxD&utscfolaripL INFORMATIONSDIENST der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union Der Weg Chruschtschows Sputnik und die Politik — Vom Kollektiv zur Alleinherrschaft I Die sowjetischen Wissenschaftler, die die „Sputnik"-Satelliten fertigstell- Rivalen um die Macht und Chef der ten, haben eine hervorragende, von der ganzen Welt anerkannte Leistung Geheimpolizei, Berija. vollbracht. Die Ereignisse seit dem Start des ersten Erdsatelliten haben aber % 1955 stürzte Chruschtschow mit Molo- der Welt gezeigt, daß die Sowjetführung unter allen Umständen aus dem tow, Bulganin und Schukow als Ge- hilfen den Rivalen Malenkow, der bis „Sputnik"-Fortschritt politisches Kapital schlagen will. Der Erdsatellit muß dahin Ministerpräsident gewesen war. herhalten, um außen- und innenpolitische Schwächen zu vertuschen, er soll 0 Im Juni/Juli 1957 stürzte Chru- helfen, Erfolge zu erzwingen. Mit „Sputnik" versucht Chruschtschow, seine schtschow mit Schukow als Haupt- Alleinherrschaft zu festigen und der „Politik der Stärke" Auftrieb zu geben. gehilfen die Rivalen Molotow und — endgültig — Malenkow. Die „Politik der Stärke" ist von den nach verließen die Sowjets die Ab- # Im Oktober 1957 stürzte Chru- Sowjets seit Kriegsende praktiziert rüstungsverhandlungen der UNO. schtschow mit einigen Generälen der worden. Churchill, der das Wort „Politik der Roten Armee als Hauptgehilfen den bis- 1945 rüstete Stalin nicht ab, sondern Stärke" prägte, sagte 1949, als Antwort herigen Helfer Schukow. hielt Millionen Soldaten der Roten auf die Kette von kommunistischen Jetzt genießt Chruschtschow beim Armee unter Waffen. Staatsstreichen in Ost- und Südost- Sturz Schukows die Hilfe der Marschälle europa: „Wir müssen uns bewaffnen, um Koniew, -Malinowski, Wassilewski, Ro- 1946 lehnte Stalin eine internationale verhandeln zu können." Daß man Stärke Kontrolle aller Atomeinrichtungen ab, nicht nur zum Verhandeln, sondern auch weil die Sowjetunion selbst die Atom- zur politischen und militärischen Ge- bombe entwickelte. walttätigkeit verwenden kann, haben die 1949, als die Sowjets Berlin blockier- Sowjets seit 1945 mit immer neuen Bei- Moskaus Chance ten, explodierte die erste russische spielen bewiesen. Moskau hätte wirklich Gelegenheit, Atombombe. 1950 erfolgte der Angriff in Hier zeigt sich der Gegensatz zwischen der Welt jetzt seinen so oft beteuerten .Korea. 1953 explodierte die erste sowje- Ost und West: Als die USA 1945/46 als Friedenswillen zu beweisen. Seit Jahren ;che Wasserstoffbombe. behauptet die Sowjetunion, sie sei z. B. einziger Staat der Erde die Atombombe von den Stützpunkten der NATO und Im Juli 1957 ließen die Sowjets die besaßen, boten sie an, alle ihre Atom- SEATO eingekreist, von der strategi- Abrüstungsverhandlungen in London laboratorien und -fabriken einer totalen schen Luftflotte der USA bedroht. Die „platzen". Fast gleichzeitig gaben sie den internationalen Kontrolle zu unterstellen. bekannte Pariser Zeitung „Le Monde" ersten erfolgreichen Start einer inter- Als die Sowjets die interkontinentale stellt jetzt nüchtern fest, mit den Sput- kontinentalen Rakete bekannt. Anschlie- nik-Satelliten habe die Sowjetunion ßend bedrohten sie die Türkei mit ihrer Rakete und die Erdsatelliten besaßen, brachen sie sofort alle Abrüstungs- einen beachtlichen Vorsprung vor den Waffenmacht. Und im Oktober/November USA errungen. 1957 starteten die „Sputniks". Sofort da- verhandlungen ab. Das Blatt schreibt: Ein iür allemal müßte dieser technische Vorsprung die Sowjetunion nicht nur vor jeder Aggres- sion, sondern auch vor jeder Aggres- Berija machte den Anfang sionsfurcht bewahren. Sie kann es sich jetzt unbesorgt leisten, die Stimme ihres bolschewistischen Revolution, an dem er eigenen Volkes und die Stimme der von Diktatoren pflegen, wenn sie Schwie- ihr unterdrückten Völker zu hören und rigkeiten im Inneren haben, das eigene als triumphaler Siegesbeweis sozialisti- Volk durch außenpolitische Aktivität ab- scher Wissenschaft" hätte dienen können. ihnen ein wenig von der Freiheit und dem "Wohlbefinden zu geben, um die zulenken und notfalls auch nicht vor der So ist der Erdsatellit ein Mittel ge- Gefahr kriegerischer Verwicklungen zu- diese Menschen die westliche Welt para- worden, um Chruschtschows Aufstieg zur doxerweise beneiden." rückzuschrecken. Auch die letzte innen- Alleinhen schaft zu sichern. Dieser Auf- politische Krise der Sowjetunion — der stieg ist mit beharrlicher Konsequenz Mit anderen Worten: Moskau kann Sturz des populären Marschalls Schukow erfolgt: uns angesichts dieses technischen Vor- — machte es für Chruschtschow unbe- sprungs nicht mehr erzählen, es sei in dingt notwendig, die Öffentlichkeit sei- # 1953 beseitigte der damalige Minister- Gefahr und bedroht. Der Westen ist jetzt nes Landes abzulenken. Deshalb startete präsident Malenkow gemeinsam mit bedroht, Moskau aber könnte jetzt mit „Sputnik II" schon einige Tage vor dem Molotow, Chruschtschow, Bulganin und einer echten Friedenspolitik die Furcht 7. November, dem 40. Jahrestag der Schukow als wichtigsten Gehilfen den von der Menschheit nehmen. kossowski. Malinowski wurde an Stelle Verhältnis zum Volk sei eine sich ver- von Schukow Verteidigungsminister. Ko- schärfende Krise zu verspüren. Die Lage Die Gipfelkonferenz niew kommandiert die gesamten Streit- sei nicht stabil. kräfte des Warschauer Pakts, also der militärischen Organisation des euro- Die Sowjets haben bisher bei allen in- päischen Ostblocks. Beide haben prak- neren Schwierigkeiten gezeigt, daß sie Der sowjetische Parteiche! tisch die gesamte militärische Macht des ihr außenpolitisches Ziel, die Erringung Chruschtschow hat ein direktes roten Blocks in ihren Händen. der Weltherrschaft für den Kommunis- mus, nicht aus dem Auge verloren haben. Gespräch mit den Vereinigten Die Welt steht heute vor zwei großen Dazu hat sich der neue Verteidigungs- Staaten vorgeschlagen. Dieser Fragen: Wie wird Chruschtschow die minister Malinowski bei der Feier der Versuch, über die Kopie anderer Macht gebrauchen, die er sich Schritt für Oktoberrevolution ebenso bekannt wie Nationen hinweg eine Verständi- Schritt erobert hat? Und: Kann Chru- Chruschtschow. Für den Westen ergibt gung zwischen den beiden großen schtschow diese Alleinherrschaft unange- sich daraus die Folgerung — wie George Mächten herbeizuführen, wird fochten behaupten oder wird doch eines Kennan es ausdrückte — darauf zu ach- nach der kühlen Aufnahme des Tages vielleicht ein anderes „Sputnik"- ten, daß die Sowjets angesichts der tech- sowjetischen Vorschlags in den Spektakel eine weitere Krise verdecken? nischen Entwicklung in ihrem Land nicht USA in den Rundfunkstellung- den Willen oder den Anreiz bekommen, George Kennan, ehemals amerikani- nahmen skeptisch beurteilt. scher Botschafter in Moskau und führen- ihr Machtpotential anzuwenden. Er muß der Rußland-Fachmann der USA, sieht sein eigenes Abschreckungspotential er- in den Ereignissen der letzten zwölf halten. Monate Zeichen einer innenpolitischen Wenn Churchill die „Politik der „Der Vorschlag, eine Gipfelkonferenz Krise in der Sowjetunion. Chruschtschow Stärke" 1949 mit der Forderung begrün- habe zwar, so führte er aus, die einzugehen, klingt sehr schön, aber die dete, der Westen müsse sich bewaffnen, gegebenen Garantien sind zu gering. gewünschte Spitze an der Macht erreicht, um verhandeln zu können, dann heißt 1. sind die Gespräche auf höchstem Ni- aber nur um den teuren Preis, daß er das heute: Der Westen muß die NATO nacheinander die Intelligenz seines Lan- fester zusammenschließen. Die Konferenz veau bisher ergebnislos verlaufen; 2. sind des, die führenden Wirtschaftler und der NATO-Regierungschefs am 16. De- die Vereinten Nationen zuständig; 3. be- einen Teil des Offizierkorps zurück- zember in Paris wird die Entschlossen- findet sich Rußland in einem Sputnik- gestoßen habe. Chruschtschow sei iso- heit aller freien Nationen verkünden, rausch, der kaum die Gewähr für ein liert, aber auch exponiert. sich so stark zu machen, daß kein Gespräch zwischen gleichberechtigte In den Beziehungen der wichtigsten bolschewistischer Führer es wagen kann, Partnern bietet. Eine Gipfelkonferenz politischen Persönlichkeiten, so führte den technischen Erfolg zu einer Gefahr würde durch das Gefühl der Überlegen- George Kennan weiter aus, und in ihrem für die Menschheit zu machen. heit, in dem sich die Russen jetzt be- finden, zu einer Propagandagipfelkonfe- renz ausarten." Was in Hannover geschah Sender Hilversum, Holland „Zu dem sowjetischen Vorschlag einer Die Hintergründe: Keine Gemeinschaft mit Rechtsradikalen Gipfelkonferenz bemerkt man in italie- nischen Kreisen, daß jeder Versuch, die In Niedersachsen hat sich die bisherige Regierungskoalition aus den vier internationale Spannung zu mindern, von Parteien CDU, DP, FDP und BHE unter Führung von Heinrich Hellwege auf- Italien nur günstig betrachtet werden kann. Leider ist im gegenwärtigen Au- gelöst. Den Anstoß gab der überraschende Entschluß von FDP und BHE, in genblick die sowjetische Haltung in den die von beiden Parteien gegründete Arbeitsgemeinschaft sechs Abgeordnete Fragen der Abrüstung, des Mittleren der „Deutschen Reichspartei" (DRP) aufzunehmen. Ostens und der deutschen Wiederver- einigung so, daß die Voraussetzungen Die niedersächsische FDP hat, wie auf DP waren mit diesem Zuwachs keines- für ein Übereinkommen fehlen." dem Parteivertretertag der DRP Ende wegs einverstanden. Auch die 63 Mit- Oktober in Kassel berichtet wurde, schon glieder der DP/CDU-Fraktion wollten Radio Rom vor der Bundestagswahl