Plenarprotokoll 13/78

Deutscher

Stenographischer Bericht

78. Sitzung

Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Inhalt:

Abwicklung der Tagesordnung 6869 A CDU/CSU 6877 D Dorle Marx SPD 6879 A Tagesordnungspunkt 15: Dr. FD P. 6880 B Zweite und dritte Beratung des von der PDS 6881 A Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über die Feststel- lung des Wirtschaftsplans des ERP-Son- Tagesordnungspunkt 11: dervermögens für das Jahr 1996 (ERP- a) Zweite und dritte Beratung des von Wirtschaftsplangesetz 1996) (Druck- den Fraktionen der CDU/CSU und sachen 13/2480, 13/3144) 6869B SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge- Dagmar Wöhrl CDU/CSU 6869 C setzes zur Neuregelung der Rechts- stellung der Abgeordneten (Druck- Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD 6871 B sachen 13/3121, 13/3240, 13/3242) Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ Zweite und dritte Beratung des von DIE GRÜNEN 6873 B den Abgeordneten Gerald Häfner, Paul K. Friedhoff F.D.P 6874 B (Berlin) und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- Rolf Kutzmutz PDS ...... 6875 A gebrachten Entwurfs eines Gesetzes Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär zur Regelung der Abgeordnetenbezü- BMWi ...... 6876 A ge für den Deutschen Bundestag und das Europäische Parlament (Druck- Tagesordnungspunkt 13: sachen 13/3139, 13/3240, 13/3251) Zweite und dritte Beratung des von der Zweite und dritte Beratung des von Bundesregierung eingebrachten Ent- den Abgeordneten Dr. Hermann Otto wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- Solms, Jörg van Essen und der Fraktion derung des Gesetzes über die Festle- der F.D.P. eingebrachten Entwurfs gung eines vorläufigen Wohnortes für eines Neunzehnten Gesetzes zur Än- Spätaussiedler (Drucksachen 13/3102, derung des Abgeordnetengesetzes 13/3244) ...... 6877 B und eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordneten- (Drucksachen 13/3154, 13/ Tagesordnungspunkt 14: gesetzes 3240, 13/3252) 6882 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- b) Beschlußempfehlung und Bericht des wurfs eines Mikrozensusgesetzes und Ausschusses für Wahlprüfung, Immu- eines Gesetzes zur Änderung des nität und Geschäftsordnung zu dem Bundesstatistikgesetzes (Drucksachen Antrag der Abgeordneten Gerald Häf- 13/3107, 13/3131, 13/3245) . . . . . 6877 D ner, Werner Schulz (Berlin) und der II Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zusatztagesordnungspunkt 11: Vermeidung von Interessenkollisio- nen und Doppelalimentationen bei Aktuelle Stunde Bundestagsabgeordneten (Drucksachen betr. Haltung der Bundesregierung zu 13/3137, 13/3240) 6882 C erheblich ansteigenden Insolvenzen in den neuen Bundesländern und zur Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU 6882 D Politik der Treuhand-Nachfolgeein- richtungen 6904 A Peter Conradi SPD 6884 A Dieter Wiefelspütz SPD 6884 C Wolfgang Bierstedt PDS 6904 A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 6905 A NEN 6886 B Sabine Kaspereit SPD 6906 A Dr. F.D.P. . . . 6888 A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE Dr. PDS 6889B GRÜNEN 6907 A Hans Klein (München) CDU/CSU . . . 6890 B Paul K. Friedhoff F.D.P 6908 A Norbert Gansel SPD 6892 A Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär Horst Kubatschka SPD 6892 D BMWi 6909 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 6893 D CDU/CSU . . . 6910 B Dr. BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Wolfgang Ilte SPD 6911 C NEN (Erklärung nach § 31 GO) 6895 B CDU/CSU (Erklärung nach Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 6912 D § 31 GO) 6896 B Manfred Hampel SPD 6913 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD (Erklä Manfred Kolbe CDU/CSU 6914 D rung nach § 31 GO) 6900 B SPD 6916 B Namentliche Abstimmungen . . . 6897B, 6900 A Wolfgang Bierstedt PDS 6917 B Josef Hollerith CDU/CSU 6918 D Ergebnisse 6897 C, 6901 C Nächste Sitzung 6920 A

Tagesordnungspunkt 16: Berichtigung ...... 6920 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrach- Anlage 1 ten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6921* A zur Änderung des Betäubungsmittel- gesetzes (2. BtMG-Änderungsgesetz) (Drucksache 13/3216) 6900D - Anlage 2 b) Beschlußempfehlung und Bericht des Zu Protokoll gegebene Rede zu Tages- Ausschusses für Ernährung, Landwirt- ordnungspunkt 14 (Entwurf eines Mikro- schaft und Forsten zensusgesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes) zu dem Antrag der Abgeordneten Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Horst Sielaff, Heidi Wright, weiterer NEN 6921* C Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Legalisierung des Anbaus von rauschmittelarmem Hanf und Förde- Anlage 3 rung von Hanf als nachwachsendem Rohstoff Erklärungen nach § 31 GO zur Abstim- mung über den Änderungsantrag der zu dem Antrag der Abgeordneten Fraktion der SPD zur zweiten Beratung , Ulrike Höfken, weiterer des Gesetzentwurfes der Fraktionen der Abgeordneter und der Fraktion BÜND- CDU/CSU und der SPD zur Neuregelung NIS 90/DIE GRÜNEN: Aufhebung des der Rechtsstellung der Abgeordneten auf Anbauverbots von Hanf und Förde- Drucksache 13/3241 rung des Anbaus von THC-armen Gila Altmann • (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE Hanfsorten als nachwachsende Roh- GRÜNEN 6922* B stoffe (Drucksachen 13/811, 13/1425, 13/2672) 6901 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 6922* C Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 III

Anlage 4 Friedhelm Julius Beucher SPD 6922* C

Erklärungen nach § 31 GO zur Abstim- Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 6923* B mung über den Entwurf eines Gesetzes Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 6923* C zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten, Entwurf eines Gesetzes Ernst Kastning SPD 6923* D zur Regelung der Abgeordnetenbezüge Gerhard Scheu CDU/CSU 6924* A für den Deutschen Bundestag und das Europäische Parlament und Entwurf eines Dr. Erika Schuchardt CDU/CSU 6924* C Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Anlage 5 Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Amtliche Mitteilungen 6924* C

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6869

78. Sitzung

Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Beginn: 9.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Guten Morgen, Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröff- Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! net. 13 Milliarden DM stellt der ERP-Wirtschaftsplan 1996 mit langlaufenden zinsgünstigen Krediten für Ich komme zunächst zum Amtlichen: Interfraktio- Investitionen bereit. Damit führen wir auch im näch- nell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung sten Jahr die ERP - Wirtschaftsförderung auf hohem umzustellen. Wir beginnen mit der Beratung des Niveau und vor allem zugunsten der neuen Länder ERP-Wirtschaftsplangesetzes, dann folgt die Bera- fort. tung des Entwurfs eines Mikrozensusgesetzes, danach die zweite und dritte Lesung des Entwurfs (Zustimmung bei der CDU/CSU und der eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsstellung F.D.P.) der Abgeordneten. Der Entwurf eines Gesetzes zur Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaus- Mit diesen Mitteln werden wir unser Ziel weiterver- siedler soll ohne Aussprache an den Innenausschuß folgen, wettbewerbsfähige und ausgewogene Wirt- zurückverwiesen werden. Die erste Beratung des schaftsstrukturen im gesamten Bundesgebiet zu Entwurfs eines Betäubungsmittel-Änderungsgeset- schaffen. zes und die Beschlußempfehlung zur Legalisierung des Anbaus von Hanf, Tagesordnungspunkte 16 a (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und 16b, sollen ohne Aussprache behandelt werden. Die von der Gruppe der PDS verlangte Aktuelle Für die alten Bundesländer stehen rund 4,5 Mil- Stunde wird zum Schluß der Tagesordnung aufgeru- liarden DM als Fördervolumen zur Verfügung. fen. Damit sollen schwerpunktmäßig Existenzgründer im Bereich der gewerblichen Wirtschaft, kleine Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstan- und mittlere Unternehmen in regionalen Förderge- den? - Das ist der Fall. bieten sowie Umweltschutzinvestitionen der ge- werblichen Wirtschaft gefördert werden. Rund Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf: 8,5 Milliarden DM - das sind gut zwei Drittel - gehen in die neuen Bundesländer, um hier die Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Investitionsmaßnahmen zur Stärkung und weiteren desregierung eingebrachten Entwurfs eines Entwicklung von mittelständischen Unternehmen Gesetzes über die Feststellung des Wirt- und von Angehörigen freier Berufe nachhaltig zu schaftsplans des ERP-Sondervermögens für fördern. das Jahr 1996 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1996) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Drucksache 13/2480 - Dies gilt für Unternehmensneugründungen und (Erste Beratung 64. Sitzung) -übernahmen wettbewerbsfähiger Betriebe ebenso wie für Reprivatisierungen und für bestehende wach- Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- sende private Unternehmen. schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) Daß die neuen Länder hier besondere Berücksich- - Drucksache 13/3144 - tigung finden, geht auf den Ursprung der ERP-Kre- Berichterstattung: dite, des European Recovery Program, zurück, die Abgeordneter Karl-Heinz Scherhag aus der ehemaligen Marshallplanhilfe hervorgegan- gen sind. Wir wissen, daß sich dieses Programm nach Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die dem Zweiten Weltkrieg schon einmal bewährt hat, Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Es als es um den Aufbau der westlichen Länder ging. beginnt die Kollegin Wöhrl. Jetzt unterstützt es die neuen Länder. Liebe Kolle- 6870 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Dagmar Wöhrl gen, ich glaube, dies wäre ganz im Sinne auch von unverzichtbar ist, den Mittelstand als tragende George Marshall gewesen. Säule, als Motor unserer Wirtschaft zu fördern. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge sowie bei Abgeordneten der SPD und des ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) NEN)

Was die ERP-Kredite in Ostdeutschland seit März Gerade jetzt, am Ende einer der schwersten wirt- 1990 bewirkt haben, kann sich, glaube ich, sehen las- schaftlichen Krisen in Deutschland nach dem Zwei- sen. Von den rund 247 000 ERP-Krediten mit einem ten Weltkrieg und zugleich am Ende des industriel- Zusagevolumen von rund 44,7 Milliarden DM haben len Zeitalters und am Beginn der neuen Ära Dienst- rund 230 000 Kreditnehmer die Mittel bisher mit leistung, sind wir auf den Mut und die Risikobereit- einem Gesamtbetrag von 37,9 Milliarden DM voll- schaft des Mittelstandes, der Selbständigen angewie- ständig oder in Teilbeträgen abgerufen und damit sen. ihre Vorhaben schon abgeschlossen oder entspre- Ohne den Mittelstand könnten wir die größten chend in Angriff genommen. Herausforderungen, neue und zukunftsorientierte Arbeitsplätze zu schaffen, nicht bewältigen. Er ist in Die Anschubwirkung, die damit ausgelöst worden Ost und West - das wissen wir alle - der bedeutend- ist, ist beachtlich. Wir haben Investitionen in Höhe ste Träger der Beschäftigung und der Ausbildung. von rund 121 Milliarden DM angestoßen. Es wurden Beim Aufbau mittelständischer Unternehmen sind voraussichtlich 1,7 Millionen neue Arbeitsplätze ERP-Kredite eine der tragenden Säulen. Gerade das geschaffen und weitere 1,45 Millionen bestehende Gelingen des Aufschwungs Ost wird sich an der Eta- Arbeitsplätze gefördert und damit abgesichert, weil blierung des Mittelstandes entscheiden. die Betriebe mit Hilfe der geförderten Investitionen ihre Wettbewerbsfähigkeit zumindest erhalten, aber (Beifall bei der CDU/CSU - Siegfried Hor in der Regel sogar noch verbessern konnten. nung [CDU/CSU]: So ist es!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Daher konzentriert sich die ERP-Förderung nicht umsonst auf den Mittelstand. Wir wissen, wir brau- Meine Damen und Herren, insbesondere trug die chen mehr Selbständige. Wir wissen, wir brauchen Förderung mit dazu bei, die bis zur Wiedervereini- mehr Existenzgründer. Während wir Ende der 50er gung fast ausschließlich von Großbetrieben, sprich: Jahre noch 9,5 Millionen Selbständige hatten, sind Kombinaten, geprägte und staatlich gelenkte Plan- es heute nur noch 3,5 Millionen. Wir haben es zwar wirtschaft grundlegend zu verändern. Der weitere geschafft, die Quote von 1982 von 6,9 Prozent auf Aufbau leistungsfähiger breitgefächerter mittelstän- 8,2 Prozent im Jahre 1993 ansteigen zu lassen. Aber discher Strukturen muß vor allem in den neuen Län- wir wissen auch, daß dies noch immer viel, viel zu dern vorangetrieben werden, um so weiterhin den wenig ist. Wenn man berücksichtigt, daß es nach Weg in eine freie und soziale Marktwirtschaft zu Schätzungen bei 5 Prozent mehr Selbständigen ebnen. 1,5 Millionen Arbeitsplätze mehr geben würde, dann sehen wir die Wichtigkeit der Selbständigkeit. Denn Im Mittelpunkt der ERP-Förderung in den neuen diejenigen, die den Mut haben, das Risiko eingehen, Ländern steht die Existenzgründungsförderung. sich selbständig zu machen, schaffen nicht nur Allein hier wurden Investitionen in Höhe von rund 56 Arbeitsplätze für sich, sondern auch für andere. Milliarden DM angestoßen. Die Existenzgründer waren es, die hier auf Grund ihrer Anpassungsfähig- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So ist es!) keit, ihrer Flexibilität und auch ihrer Entschlossen-- Meine Damen und Herren, wir benötigen auch die heit den wirtschaftlichen Strukturwandel maßgeblich Flexibilität, den Ideenreichtum und die Innovations- mit beeinflußt haben. Dies zeigt auch, daß sich das kraft des Mittelstandes. Um den Wirtschaftsstandort ERP-Programm schnell zu einem erfolgreichen und Deutschland zu sichern, müssen wir Unternehmen wirkungsvollen Instrument in den neuen Bundeslän- dabei unterstützen, durch Innovationen auch in dern entwickelt hat. Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben. Forschung, (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Jetzt wer Technologie und Innovationen sind heute wichtige den die bedient, die früher geschimpft Wachstumsquellen der Wirtschaft gerade in Deutsch- haben!) land. (Zustimmung bei der CDU/CSU) Viele der Existenzgründer und Unternehmer hät- ten - so ihre eigenen Angaben nach einer Befragung - Wie Sie alle wissen, sind wir ein rohstoffarmes Land. den Weg in die Selbständigkeit ohne ERP-Mittel Daher müssen wir gerade in diesem Bereich aufpas- nicht beschritten bzw. ihre betrieblichen Investitio- sen, daß nicht noch mehr Investitionen und Arbeits- nen nicht getätigt. Ohne diese Förderung wären also plätze aus unserem Land verdrängt werden. viele bedeutsame Vorhaben nicht zustande gekom- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) men. Dies bestätigt uns auch das Gutachten von Roland Berger, das uns vor einem halben Jahr vorge- Meine Damen und Herren, ich begrüße es daher legt worden ist. außerordentlich, daß wir im ERP-Unterausschuß ein- stimmig beschlossen haben, dem Vorschlag des Wirt- Wir alle hier im Saal wissen, daß es für die deut- schaftsministeriums zuzustimmen und den Bet rieben sche Wirtschaft und den Standort Deutschland im Rahmen des ERP-Wirtschaftsplanes 1996 ein Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6871

Dagmar Wöhrl neues Angebot zu unterbreiten. Eine geringere Mit- struktive und intensive Arbeit in diesem Jahr herz- telinanspruchnahme im laufenden Jahr als geplant lich zu danken. eröffnete uns die Möglichkeit, ein neues Innovations- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne programm zu entwickeln. Dies sieht 1 Milliarde DM ten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ für Darlehen zur langfristigen Finanzierung markt- DIE GRÜNEN und der PDS) naher Forschung und Entwicklung neuer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen sowie zu ihrer Der Unterausschuß hat in den letzten Jahren stets Markteinführung vor. Im Bedarfsfall können auch bis darauf gedrängt und es auch erreicht, daß die Regie- zu 1,5 oder mehr Milliarden DM bereitgestellt wer- rung eine mittelfristige Vorausschau mitsamt einem den, je nachdem - wir werden es sehen -, wie die Bericht über die Kreditaufnahme und Verschuldung Mittelinanspruchnahme im Rahmen der anderen des ERP-Sondervermögens vorlegt. Nur dadurch ERP-Programme ausfallen wird. können wir dem Anspruch auf eine beständige und für die Unternehmen kalkulierbare Wi rtschaftsförde- Besonderer Förderschwerpunkt soll hier die Förde- rung gerecht werden. rung mittelständischer Unternehmen sein sowie deren Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtun- Vor diesem Hintergrund halten wir es auch für gen. Es gibt hier keine Beschränkungen auf irgend- gerechtfertigt und tragen es als Opposition ausdrück- welche Technologiefelder. Jedoch sollen Technolo- lich mit, wenn sowohl das Gesamtvolumen als auch giebereiche wie Informationstechnik, Kommunikati- einzelne Planansätze in den nächsten Jahren zurück- onstechnik, Material- sowie Biogentechnologie geführt und konsolidiert werden: Bei einem Planvo- besondere Unterstützung finden. lumen von rund 16 Milliarden DM für 1996, wovon 13 Milliarden DM allein im Osten benötigt werden, Zu danken ist hier auch dem Forschungsministe- ist die Rückführung von 1 Milliarde DM im Vergleich rium, das sich bereit erklärt hat, einen Teil der Risi- zum laufenden Jahr nicht zu beanstanden, vor allem, koabsicherung zu übernehmen, damit es den Ban- wenn man die zurückhaltende Inanspruchnahme im ken erleichtert wird, auch an innovative Unterneh- laufenden Jahr berücksichtigt. men Kredite zu vergeben. Unternehmen müssen liquider gemacht werden, wenn ihnen in der Innova- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wo war tionsphase bereits Kosten entstanden sind, die Erlöse denn das der Fall?) aber noch fehlen. Auch hierfür steht das neue Inno- vationsförderprogramm. - Für die zurückhaltende Inanspruchnahme der Kre- dite? In Einzelbereichen ist in diesem Jahr keine Meine Damen und Herren, die ERP-Kredite leisten volle Ausschöpfung erfolgt. Da es sich, Herr Kollege, einen spürbaren Beitrag für den Aufbau eines brei- wenn ich Sie aufklären darf, um eine Kreditfazilität ten Mittelstandes. Sie sind und bleiben ein wichtiger handelt, die wir anbieten und die von den Unterneh- Bestandteil der Beschleunigung des wirtschaftlichen men nachgefragt werden muß, ist dies keine Frage, Umstrukturierungsprozesses in den östlichen Bun- die - etwa als eine Folge fehlenden Mittelabflusses - desländern von der Planwirtschaft zur Marktwirt- zum Beispiel dem Wirken des Wirtschafts- oder des schaft. Sie tragen zur Schaffung und zur Sicherung Finanzministeriums zuzuschreiben ist. Vielmehr von rentablen Arbeitsplätzen und damit - das ist müssen die Unternehmen prüfen, ob sie es riskieren ganz wichtig - zur Sicherung unseres Wirtschafts- können, Kredite abzufragen, die sie zurückzahlen standortes Deutschland bei. und auch verzinsen müssen. Meine Fraktion unterstützt daher den vorliegen- (Rolf Kutzmutz [PDS]: Das kann der Kollege den ERP-Wirtschaftsplan und stimmt ihm zu. Ich nicht wissen!) bitte auch die Kolleginnen und Kollegen- von der Opposition, diesem Wirtschaftsplan zuzustimmen. Für die neuen Bundesländer stehen zwei Drittel des Fördervolumens, das heißt rund 8,5 Milliarden (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. DM, zur Verfügung. Damit ist ein ausreichender sowie bei Abgeordneten der SPD, des Zusagespielraum geschaffen, um tragfähige Unter- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der nehmen nachhaltig zu fördern. Eine Fortsetzung die- PDS) ses Schwerpunktes im Osten ist sicherlich auch im Jahre 1996 zwingend geboten, um gerade die Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Nächste Rednerin gewerbliche Produktion und hochqualifizierte pro- ist die Kollegin Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk. duktionsorientierte Dienstleistungen zu fördern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Frau Präsidentin! Aber innerhalb dieses Volumens, das für die neuen Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir Sozialde- Bundesländer zur Verfügung steht, werden wir mokraten unterstützen die Zielrichtung und die beginnen müssen, sorgfältiger als bis jetzt die bishe- Schwerpunktsetzung des ERP-Wirtschaftsplans 1996 rigen Erfahrungen auszutauschen, systematisch zu ausdrücklich, ist doch ein nicht geringer Teil der erfassen, auszuwerten und zu evaluieren. Wir hatten neuen Prioritätensetzung auf unsere Initiative hin deswegen auf eine sorgfältige Untersuchung der entwickelt und dann einmütig im Unterausschuß Wirksamkeit des ERP gedrängt. ebenso wie im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages beschlossen worden. Auch deswegen Über die besonderen Probleme, vor denen wir im ist es mir ein Vergnügen, als Unterausschußvorsit- Osten stehen, haben wir wichtige Aufschlüsse aus zende an dieser Stelle allen Mitgliedern für ihre kon einer Studie von Roland Berger erhalten, die uns im 6872 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Frühjahr dieses Jahres geliefert wurde. Diese Studie den Gründen nachzugehen, warum junge Unterneh- ergab, daß die ERP-Gründungsförderung mit 160 000 men im Osten wie im Westen ins Schlingern geraten Neugründungen von 1990 bis 1995 im wesentlichen sind. Wir regen daher dringend an, uns nicht mit der richtig eingesetzt worden ist und von den kleinen Auswertung des Berger-Gutachtens zufriedenzuge- und mittleren Unternehmen gut angenommen ben, sondern weitere gründliche Evaluierungen mit wurde. Sachverstand von außen vorzunehmen. Aber bei der Diskussion dieser Studie stellte sich Ein weiterer Schritt muß sein, den kleinen Unter- eine Fülle von Fragen, denen wir gerade im Osten nehmern, Handwerkern und Selbständigen ein ein- dringend nachgehen müssen: fach zu handhabendes Instrument an die Hand zu geben, mit dem sie auf Erstens. Die Einschätzung nahezu aller Unterneh- Fehlentwicklungen frühzeitig reagieren und vorausschauend steuern können. mensgründer war außerordentlich optimistisch. Ob sich die Einschätzung im Lichte der sich deutlich ver- Wir brauchen - das haben wir übereinstimmend schlechternden Binnenkonjunktur und der Schwä- festgestellt - ein System von spezifischen Frühwarn- chung der Masseneinkommen halten läßt, bleibt offen. indikatoren zur Selbsteinschätzung für kleine und Zweitens. Die Bewährung steht vielen Gründern mittlere Unternehmen, das Handwerk und die Selb- ständigen. Denn: Wenn Liquiditätsengpässe auftre- bevor, weil sie nun verstärkt in die Tilgungsphase für ihre Kredite kommen oder das Eigenkapital bei ten, die Bank Alarm schlägt, dann ist es fast immer zu spät, dann sind die Probleme nur mehr sehr dynamischen, stark wachsenden Unternehmen nicht schwer, wenn überhaupt noch zu lösen. ausreicht. Für die Entwicklung solcher Frühwarnindikatorsy- Drittens. Viele Unternehmensgründer haben Pro- steme, die wir sehr schnell brauchen, bedarf es der bleme, die sich nicht mit einer geringen Eigenkapi- talausstattung erklären lassen - auch nicht mehr mit aktiven Mitarbeit und Unterstützung der Wissen- schaft, der Indust ri einer unzureichenden oder veralteten Technikaus- e- und Handelskamme rn, des stattung oder dem oft zitierten „kaufmännischen Handwerks und einschlägiger Institutionen wie etwa Defizit", obwohl es auch das noch häufiger gibt, als des RKW und von Praktikern wie Steuerberatern. uns allen lieb ist. Mit der traditionellen Unternehmensberatung Viertens. Die Probleme der Unternehmen liegen gehen wir häufig am Bedarf vieler kleiner Unterneh- mer, Handwerker und Selbständigen vorbei. Außer- zunehmend im strategischen Bereich: bei der Unter- dem kommt die Unternehmensberatung häufig erst nehmensteuerung, der Arbeitsorganisation, beim zustande, wenn die Probleme kaum mehr lösbar sind Marketing der Produkte und bei der Innovation. Darauf müssen wir bei unserer ERP-Förderung rea- bzw. die Unternehmen bereits sanierungsbedürftig sind. gieren. Es genügt nicht mehr, wie bisher, Neugrün- dungen zu fördern. Ohne zu dramatisieren, möchte ich in diesem Für manche Branchen werden wir uns sogar fra- Zusammenhang auf die jüngste, sich beschleuni- gen müssen, ob die erreichte Unternehmensdichte gende Insolvenzentwicklung in Ostdeutschland hin- im Osten, die gelegentlich höher ist als im Westen, weisen. Mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich die Unternehmen langfristig wirtschaftlich tragen dabei aus einer jüngst erschienenen Creditreformun- kann. Wir werden also neue Wege beschreiten und tersuchung über Insolvenzen, Unternehmenslö- Prioritäten neu justieren müssen. schungen und Unternehmenseintragungen: Im Haushalt 1996 haben wir das mit dem neuen Während in Westdeutschland die Zahl der wirt- ERP-Programm getan, das mit 1 Milliarde -DM Zusa- schaftsaktiven Unternehmen, die 1995 gegründet gemöglichkeiten ausgestattet ist und die Fortführung wurden, gegenüber dem Vorjahr noch einmal um des 1995 ausgeschöpften KfW-Innovationspro- 30 Prozent zugenommen hat, ist in den neuen gramms ermöglicht. Dafür mußten Mittel aus ande- Ländern eine mehr als zehnprozentige Abnahme ren Programmteilen umgeschichtet werden. zu registrieren. Wir werden beim Mittelabfluß aber darauf achten Der Saldo aus Gewerbean- und -abmeldungen müssen, daß die Darlehen aus diesem neuen Pro- betrug im Osten noch 45 000, in 1995 nur noch gramm, das für alle Technologiefelder zur Verfügung 35 000. Das ist sicher ein Stück Normalisierung, aber steht, seine Anwender auch im Osten findet; dabei gleichzeitig ist - das ist beunruhigend - auch die gibt es bisher einige Probleme. Denn ohne erhebli- Insolvenzhäufigkeit gestiegen. che Innovationsanstrengungen in den neuen Bun- Bei Unternehmenszusammenbrüchen liegt man im desländern wird die ohnehin sehr schwache indu- Osten mit 5 600 Fällen um 43,2 Prozent über dem strielle Basis nicht zu halten sein. Vorjahr. Die Insolvenzhäufigkeit für Unternehmen Deswegen müssen wir mit neuen Wegen den lag im Osten fast doppelt so hoch wie im Westen. Für Bestand junger, wettbewerbsfähiger Unternehmen das ERP-Programm gilt das übrigens nicht; hier stabilisieren. haben wir offensichtlich durch die bessere Beratung und Auswahl akzeptablere Zahlen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS) Für das Jahr 1996 ist sicherlich keine Entwarnung zu geben, ganz im Gegenteil. Deswegen sollten wir Wir können und müssen die vorhandenen Arbeits uns fragen, ob wir daraus nicht Konsequenzen für plätze sichern. Der erste Schritt muß sein, vermehrt die Wirtschaftsförderung ziehen müssen. Sicher: Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6873

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Man soll gutes Geld nicht dem schlechten nachwer- Zweitens hätte ich gerne einmal eine Antwort des fen, Ministers auf die letzte Arbeitsplatzstatistik gehabt. (Zuruf von der SPD: So ist es!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Betriebsschließungen und Insolvenzen gehören Schließlich hat er Anfang dieses Jahres noch wie Gründungen von Unternehmen zur Marktwirt- behauptet, in diesem Land gäbe es 300 000 neue schaft. Aber viele Insolvenzen sind nicht unaus- Arbeitsplätze in diesem Jahr. 150 000 weniger weichlich dem Markt geschuldet, sondern wären ver- Arbeitsplätze haben wir im Moment zu verzeichnen! meidbar. Viele Anschlußkonkurse, wenn ein Betrieb Pleite gegangen ist - wir erinnern uns an die Kon- Aber jetzt möchte ich zum eigentlichen Thema kurse größerer Betriebe, die vor allem Handwerksbe- kommen. triebe mitgerissen haben -, wären vermeidbar gewe- (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist ja sen. Das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen, die schön! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU: wir mit dem Instrument der Liquiditätshilfe in den Hervorragend! - Na endlich!) neuen Bundesländern gesammelt haben. Wir müßten uns ernsthaft überlegen, ob wir das Instrument der Herr Hinsken, auch wir halten die ERP-Kredite für Liquiditätshilfe nicht auch in den alten Bundeslän- einen unverzichtbaren Bestandteil einer wirkungs- dern einsetzen. vollen Politik für kleine und mittlere Unternehmen. Sie sind ein unverzichtbares und gleichzeitig effizi- (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig!) entes Element der Wirtschaftsförderung in den alten Bundesländern, aber vor allen Dingen auch in den Wir Sozialdemokraten stimmen dem ERP-Wirt- neuen Bundesländern. schaftsplangesetz 1996 zu und erhoffen uns mit sei- ner mittelfristigen Konsolidierung, den neuen P riori- Zu würdigen ist insbesondere die volkswirtschaftli- täten und dem Beschreiten neuer Wege wichtige che Bedeutung. Die Stichworte sind schon gefallen: Impulse für eine dynamische Entwicklung kleiner angestoßene Investitionen, gesicherte Arbeitsplätze, und mittlerer Betriebe und der bei ihnen gesicherten Umweltschutzinvestitionen und Hilfe bei Existenz- Arbeitsplätze. gründungen. Das kam besonders den fünf neuen Ländern zugute. Wer die Arbeitsplatzentwicklung bei den großen Unternehmen ansieht, kann nur sagen: Nie waren Wir begrüßen ausdrücklich, daß die parlamentari- die Kleinen so wertvoll wie heute. schen Anregungen aus dem letzten Jahr aufgenom- men wurden und daß jetzt auch Innovationsprojekte (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne mit ERP-Krediten gefördert werden können. Innova- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, tionen sind für den Zukunftsstandort Deutschland der F.D.P. und der PDS) ausgesprochen wichtig, und das gerade vor dem Hin- tergrund, daß, wie Sie letzte Woche einer Pressemit- teilung von Herrn Rüttgers entnehmen konnten, die Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort erteile Bundesrepublik Deutschland inzwischen im Bereich ich jetzt der Kollegin Margareta Wolf. Forschung und Entwicklung und somit bei den Inno- vationen auf Platz vier abgerutscht ist. Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE Hier bedarf es einer besonderen Anstrengung der GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- Bundesregierung und des gesamten Hauses. Ich ren! Erlauben Sie mir eine kurze Vorbemerkung. Ich denke, daß wir mit diesem Gesetzentwurf einen denke, daß die letzte Woche deutlich gemacht- hat, Schritt in die richtige Richtung tun. daß das bürgerliche Lager in diesem Hause dringend eine Wertedebatte braucht. Der Mittelstand hat aber trotz ERP-Krediten Finan- zierungsprobleme. Um sich auf eine dauerhaft trag- (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Eine was?) fähige wirtschaftliche Grundlage zu stellen, benöti- gen kleine und mittlere Unternehmen in diesem - Eine Wertedebatte, Herr Hörster. Lande über Kredite hinaus Eigenkapital. Insbeson- Ich finde es wirklich schade, daß der Herr Minister dere der vielbeschworene Zugang zum Risikokapi- heute nicht anwesend ist. talmarkt ist in der Bundesrepublik nach wie vor unzureichend. Meine Damen und Herren, wir brau- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Da hat er chen eine Novellierung des GmbH- und Kapital- sicher keinen Nachholbedarf!) marktrechtes, um den kleinen und mittleren Unter- nehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleich- Aber der Staatssekretär Dr. Kolb kann ihm das ja tern. übermitteln. Ich weiß, daß Sie, was Wertedebatten angeht, sehr empfindlich sind, aber ich würde dem Ich möchte Ihnen sagen, daß ich gestern mit dem Staatssekretär doch erstens gerne die Aufgabe über- Vorstand des HDE geredet habe. Es hat mich ausge- tragen, seinem Minister das Mitleid für den Sitten- sprochen besorgt gestimmt, daß der HDE sagt, er verfall in der F.D.P., dessen Opfer er geworden ist, zu gehe davon aus, daß in den neuen Bundesländern im übermitteln. nächsten Jahr 20 000 kleine und mittlere Unterneh- men pleite gehen. Ich denke, der Zugang zum Kapi- (Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ talmarkt für kleine und mittlere Unternehmen muß NEN - Widerspruch bei der F.D.P.) gerade für die neuen Bundesländer erheblich 6874 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 Margareta Wolf (Frankfurt) erleichtert werden. Daß es do rt keine ausreichende schläge geht, die Sie eben im allgemeinen begrüßt Eigenkapitalbasis gibt, liegt in der Natur der Sache. haben, wenn es um Risikokapital geht, das wir in Hier muß dringend etwas getan werden. Deutschland vermutlich wesentlich aktivieren müs- sen, Aber wirksame Mittelstandspolitik muß nicht nur die Finanzierungsprobleme regeln, meine Damen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) und Herren. Gleichzeitig müssen umweltschädliche und wettbewerbsverzerrende Subventionen drin- das allerdings zu einem Risiko wird, wenn man es gend abgebaut werden. Da kann ich Ihnen nur die nicht zurückzahlen kann. Risikokapital ist Eigenka- Lektüre des Artikels von Herrn Pohl vom Institut für pital, und Eigenkapital hat etwas mit Gewinn nach Wirtschaftsforschung in Halle empfehlen, der gestern Steuern zu tun, nicht mit Gewinn vor Steuern. in der „Zeit" stand. In Monopolbranchen wie der Bekanntlich sind zwei Drittel der ausgewiesenen Energiewirtschaft muß der Marktzugang für kleine Unternehmergewinne an den Staat zurückzugeben. Anbieter erleichtert werden. Neben dem Mittelstand Nur ein Drittel steht dann zur Tilgung solcher Risiko- fördert das auch den Umweltschutz. kapitalraten zur Verfügung.

Wir müssen zu einer Reform der öffentlichen Ver- Ich sehe Risikokapital in Deutschland im wesentli- waltung kommen. Wir müssen Beratungs- und Quali- chen deswegen nicht in ausreichendem Maße zur fikationsprogramme auflegen, und wir müssen zu Verfügung gestellt, weil uns das damit verbundene mehr Transparenz von Genehmigungsverfahren zur Risiko, auf Grund falscher staatlicher Rahmenbedin- Unterstützung des Mittelstandes kommen. gungen - sprich: der Unternehmensteuer - nicht (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber mit zurückgezahlt werden zu können, hier Probleme Ihrer Politik machen Sie genau das Gegen bereitet. Ich würde mich ungeheuer freuen, wenn teil!) Sie, Frau Kollegin Wolf, dabei mithelfen würden, daß es uns gelingt, die Unternehmensteuer auf einen - Wir machen das Gegenteil mit unserer Politik? internationalen Standard herabzusenken und daß sie Ganz und gar nicht! Wir haben die erste Mittel- nicht immer wieder als eine Steuer verteufelt wird, standsdebatte vor ein paar Wochen in diesem Hause die die Reichen begünstigt. Sie ist die Steuer, die ver- gehabt, Herr Hinsken. Die haben wir auf Anregung hindert, daß wir mehr Arbeitsplätze bei kleinen und der Opposition und nicht auf Ihre Anregung hin mittleren und bei wachsenden Unternehmen haben. gehabt. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der Auch 1996 stellen wir mit 15,8 Milliarden DM wie- PDS - Zuruf von der SPD: Nur war das der Gelder zur Verfügung, diesmal, wie in den Jah- nicht Herr Hinsken!) ren zuvor, nicht nur Gelder, die aus dem ERP-Son- Gleichzeitig müssen Marktzutrittsbarrieren ge- dervermögen kommen, sondern der Haushalt senkt werden, und wegen der Unerfahrenheit sowie schießt noch einmal 458 Millionen DM zu, damit das der Fremdheit auf den neuen Märkten gerade in den gesamte Volumen auch finanziert werden kann. neuen Bundesländern brauchen wir eine Qualifizie- rungsoffensive. Die Schwerpunkte - das ist hier schon gesagt wor- den - sind klar. Sie liegen im wesentlichen im Osten, Meine Damen und Herren, meine Fraktion unter- weil wir hier ganz im Sinne des Programms den Auf- stützt den hier vorliegenden Gesetzentwurf. bau fördern müssen, so wie das ja nach dem Krieg im Westen geschehen ist, und der Ursprung der ERP- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,- Mittel liegt ja dort. Wir begrüßen, daß dies im näch- der SPD und der PDS - Zuruf von der CDU/ sten Jahr wieder entsprechend zur Verfügung CSU: Alle oder nur teilweise?) gestellt werden kann, damit der Aufbau mittelständi- scher Betriebe, kleiner Betriebe, freier Berufe in den Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster Herr neuen Bundesländern weiterhin gefördert wird. Kollege Friedhoff. Wir würden uns aber noch mehr darüber freuen, wenn wir in den nächsten Jahren Rahmenbedingun- Paul K. Friedhoff (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine gen schaffen könnten, daß diese Mittel weniger not- sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin- wendig werden, als sie es im Moment sind. nen und Kollegen! Für die F.D.P.-Fraktion darf ich auch hier das ERP-Wirtschaftsplangesetz begrüßen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Wir halten dieses ERP-Programm für wichtig, weil es als Anschubfinanzierung für Unternehmen sehr Dazu benötigen wir, glaube ich, einen Konsens nicht wichtig ist und in verschiedenen Situationen sicher nur hier im Bundestag, sondern auch mit dem Bun- etwas sehr Gutes tut. desrat. Wie schwierig das ist, haben ja die letzten Verhandlungen gezeigt, als es darum ging, tatsächli- Gleichzeitig müssen wir aber auch sehen - Frau che steuerliche Entlastungen für Unternehmen her- Kollegin Wolf, Sie haben das hier eben angespro- beizuführen. chen -, daß eine ganze Reihe Rahmenbedingungen nicht so sind. Um so wichtiger sind solche Pro- Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. gramme, und wir hätten Sie ganz gern auf unserer Seite, wenn es um die Konkretisierung der Vor (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung.. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6875

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster Befragt zu der Rolle der Hausbanken sagten sechs spricht der Kollege Rolf Kutzmutz. von zehn geförderten Bet rieben, daß dies auf Initia- tive der Hausbank zustande gekommen ist. Von den nicht geförderten wußte nicht einmal jeder zehnte Rolf Kutzmutz (PDS): Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Betrieb über seine Hausbank, daß es die ERP-Kredite Frau Skarpelis-Sperk sehr herzlich für die Initiative überhaupt gibt. Das heißt: Wir müssen hier die Rolle danken, die sie ergriffen hat, um in Potsdam ein der Banken verstärken. Sie geben einerseits wichtige Werkstattgespräch über die ERP-Kredite zu führen. Impulse für die Entwicklung, andererseits wird nicht Ich glaube, es hat denen, die teilgenommen haben, selten über eigennütziges und wenig kooperatives geholfen, näher in die Thematik einzusteigen und Verhalten seitens der Hausbanken geklagt. Nicht auch besser zu verstehen, mit welchen Problemen ausreichend sei ihre Bereitschaft, zur Stabilisierung sich sowohl die Kreditgeber als auch die Kreditneh- ihrer Kunden durch eigene Hilfe beizutragen. mer herumzuschlagen haben. In Sachsen-Anhalt ist eine Befragung unter Es gibt keinen Grund - das sage ich hier ausdrück- 130 Unternehmen durchgeführt worden. Davon lich -, das positive Votum im Unterausschuß zum haben 58 Prozent gesagt, daß sie mit ihrer Hausbank Wirtschaftsplan ERP zurückzunehmen. Es ist eine unzufrieden seien. Auch da besteht ein Unterschied wertvolle Hilfe. Die Kredite leisten einen wichtigen zum Westen: Während die Unternehmen im Osten in Beitrag zur Gründung, Stabilisierung und beim Aus- aller Regel auf eine einzige Bank zurückgreifen, gibt bau von Unternehmen. Sie helfen der Innovationsför es im Westen durchaus einen Bankenwettbewerb. derung voran und damit auch dem Strukturwandel. Man sucht sich das Beste aus. Das ist im Osten bei weitem noch nicht geschehen. Das sage ich ausdrücklich auch als Kommunalpoli- tiker, und ich empfehle auch den Bürgermeistern Ich will hier eines sagen: Es geht um die konstruk- und Oberbürgermeistern, die damit zu tun haben, tive und aktive Einbeziehung der Hausbanken in sich näher damit zu befassen, wenn es um Struktur- diesen Prozeß. Ansonsten kann Innovation nicht wandel in ihren Städten geht. erreicht werden. Über Insolvenzen ist hier gesprochen worden. Ich Die Gültigkeit ist für kleinere und mittlere Unter- glaube, es geht nicht nur um die Überwindung von nehmen in Ostdeutschland ebenso gegeben wie für kleine und mittlere Unternehmen im Westen Finanzierungsproblemen. Wichtig ist auch, daß Unerfahrenheit in Betriebsführung, Marketing und Deutschlands mit dem Regionalprogramm. Ich will allerdings noch einmal sagen, Herr Friedhoff, das im Rechnungswesen kompensiert und Fitneß- und Coaching-Programme durchgeführt werden, um fällt mir immer wieder auf - wir kennen uns inzwi- zu geben. Das kann ein Banken- schen gut genug -: Es gibt nach wie vor erhebliche individuelle Hilfe berater in aller Regel nicht leisten;. damit ist er über- Unterschiede zwischen kleinen und mittleren Unter- fordert. Das ist meiner Ansicht nach ein wichtiger nehmen im Osten und im Westen. Das hat nicht nur etwas mit der Dauer ihres Bestehens zu tun, sondern Beitrag, der durch die Indust rie- und Handelskam- mern und die Handwerkskammern zu leisten ist. insbesondere auch mit ihrer Größe. Sie wissen, daß die kleinen und mittleren Bet riebe im Osten im Ein letztes Problem. Es wird viel über Risikobereit- Schnitt nicht über fünf bis sieben Leute hinauskom- schaft geredet. Die Zahlen über Insolvenzen sind men. Ich glaube, es wird noch eine Zeitlang brau- bekannt. Man kann sie beklagen. chen, daß wir dort wirklich eine Stabilisierung errei- chen können. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Man muß sie , beklagen! Man muß die Ursachen ergrün (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: -Das ist den!) doch nicht schlimm!) - Ja, Herr Hinsken. - Nein, das ist nicht schlimm. Ich sage nur, daß wir, (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Aber nicht wenn wir darüber sprechen, die unterschiedlichen Ansätze betonen müssen. Wir dürfen es nicht in nur beklagen!) einen Topf werfen, sondern müssen immer die beson- Man kann sie der Marktwirtschaft zuordnen. Wich- deren Bedingungen sehen. Ich halte das nicht für tig aber ist, daß damit immer persönliche Schicksale schlimm. Ich will es nur feststellen. verbunden sind. (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Ich sage ausdrücklich, Herr Hinsken: Fakt ist, daß das Insolvenzrecht in Deutschland so gestaltet ist, Die Stichworte für alle Unternehmen sind Deregu- daß ein gescheiterter Unternehmer mit einem Stigma lierung, Dienstleistungsgesellschaft, Innovations- herumläuft. Wer einmal gescheitert ist, hat sowohl wettbewerbe und anderes mehr. Nach der bei den Banken als auch in der Öffentlichkeit wenig Geschäfts- und Unternehmensidee haben ohne Aussicht, eine zweite Chance zu bekommen. Unterschied zwischen West und Ost Risikobereit- schaft und innovatives Verhalten natürlich Konse- (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Es sei denn, quenzen hinsichtlich der Finanzierungsprobleme. er heißt Schneider! - Ernst Hinsken [CDU/ CSU]: Es kommt immer auf den Umstand Es gibt, wie gesagt, keine Differenzen bei der Ein- an!) schätzung der Nützlichkeit der ERP-Förderung, aber sehr unterschiedliche Einschätzungen bei der Rolle Ich meine, daß das Insolvenzrecht dahin gehend der Hausbanken. Das will ich hier ansprechen. überprüft werden muß, wie das verbessert werden 6876 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 Rolf Kutzmutz kann; denn ich sage ausdrücklich: Nichts ist schlim- In den letzten Jahren haben wir ein besonderes mer, Herr Hinsken, als einmal gescheitert zu sein. Augenmerk auf die Förderung des Umweltschutzes Das trifft bei Politikern nicht ganz so zu. Bei Unter- gerichtet. Die ERP-Wirtschaftsförderung gibt inzwi- nehmern trifft es in jedem Fall zu. schen sowohl in den alten, vor allem aber in den neuen Ländern deutliche Anreize zur Minderung (Beifall bei der PDS - Dr. Sig rid Skarpelis betrieblicher Umweltbelastungen. Sperk [SPD]: Keine Anspielungen auf Herrn Solms!) Mit dem Ihnen vorliegenden ERP-Wirtschaftsplan für 1996 wird ein weiteres Mal Förderkontinuität auf Deshalb habe ich eine Bitte. Für 1999 ist eine ein- hohem finanziellem Niveau sichergestellt. Von den heitliche, moderne Insolvenzordnung angekündigt insgesamt im Wirtschaftsplanvolumen vorgesehenen worden, die das regeln soll. Ich bin im Interesse der 15 Milliarden DM stehen 13 Milliarden DM für lang- kleinen und mittleren Unternehmen, im Interesse der fristige Förderkredite zur Verfügung. Dies liegt .ins- Ausschöpfung von ERP-Krediten und im Interesse gesamt zwar leicht unter dem Ansatz von 14 Mil- einer weiteren Entwicklung der Auffassung, daß es liarden DM, wie er im laufenden Jahr besteht, doch notwendig wäre, die Arbeit an diesem Prozeß zu sind in den zurückliegenden Jahren nie mehr als beschleunigen. Bis 1999 kann es noch eine Reihe von rund 13 Milliarden DM in Anspruch genommen wor- Insolvenzen geben, die wir so vielleicht verhindern den. Deshalb ist auch für 1996 zu erwarten, daß der könnten. Mittelansatz zur Befriedigung aller zu erwartenden Danke schön. Anträge ausreicht. (Beifall bei der PDS sowie der Abg. Nach wie vor liegt der Förderschwerpunkt in den Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]) neuen Ländern. Das ist ganz klar. Zwei Drittel des ERP-Fördervolumens, das heißt rund 8,5 Milliarden DM, werden für die neuen Länder auch 1996 bereit- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster gestellt. spricht der Parlamentarische Staatssekretär Hein rich Leonhard Kolb. Ab 1996 wird die ERP-Wirtschaftsförderung mit der Einführung eines ERP-Innovationsprogrammes neue Akzente erhalten. Zur Sicherung des Stand- Parl. Staatssekretär beim Bun- Dr. Heinrich L. Kolb, ortes Deutschland werden wir künftig das Schwerge- desminister für Wirtschaft: Frau Präsidentin! Liebe wicht mehr darauf verlegen, gewerbliche Unterneh- Kolleginnen und Kollegen! Ihnen liegt heute der men bei ihren Anstrengungen zu unterstüzten, durch ERP-Wirtschaftsplan für das kommende Jahr vor. Mit Innovationen auch in Zukunft konkurrenzfähig zu Mitteln der ERP-Wirtschaftsförderung, hervorgegan- bleiben. Das gilt für alle Unternehmensgrößen, wenn gen aus den ehemaligen Marshallplan-Hilfen, wer- auch in unterschiedlichem Maße. den wiederum substantielle Hilfen bereitgestellt, um die Leistungsfähigkeit und die Dynamik der deut- Das neue Programm richtet sich nun an mittelstän- schen Wirtschaft zu steigern. dische Unternehmen. Es wird zur langfristigen Finanzierung marktnaher Forschung und zur Ent- Das Schwergewicht der ERP-Wirtschaftsförderung wicklung neuer Produkte, Verfahren oder Dienstlei- liegt nach wie vor ganz eindeutig bei der Finanzie- stungen sowie auch deren Markteinführung zur Ver- rung des Aufbaus und des Wachstums von kleinen fügung stehen. Auch bei mittelständischen Unter- und mittleren Unternehmen, dies insbesondere in nehmen wird aus Entwicklungsergebnissen volks- den neuen Bundesländern. Dort kommen die Grün- wirtschaftlich erst dann technischer Fortschritt, wenn dung selbständiger Existenzen und der weitere Auf- - die Unternehmen beginnen, sie in marktfähige Pro- bau der Wirtschaft gut voran. Bis heute sind rund dukte oder in marktfähige Produktionsverfahren 250 000 Anträge mit einem Volumen von rund umzusetzen. 45 Milliarden DM an ERP-Mitteln zugesagt worden. Mehr als 185 000 Existenzgründer haben Förderdar- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) lehen erhalten. Wir gehen davon aus, daß damit eine Investitionssumme von insgesamt etwa 120 Mil- Deshalb gehört zur Innovationsförderung konse- harden DM angestoßen wird. quenterweise auch die Finanzierung der Marktein- führung. Beachtlich ist dabei insbesondere die Arbeitsplatz- Für das neue ERP-Innovationsprogramm ist im Zusammen mit anderen Maßnahmen hat die bilanz. kommenden Jahr rund 1 Milliarde DM vorgesehen. ERP-Förderung dazu beigetragen, knapp 1,7 Mil- Dieses Volumen ist beachtlich. Es kann bei Bedarf lionen Arbeitsplätze neu zu schaffen und 1,5 Mil- durch Umschichtung aus anderen Programmen noch lionen bestehende Arbeitsplätze zu sichern. gesteigert werden. Die wechselseitige Deckungsfä- Die Wirkung und Bedeutung der ERP-Wirtschafts- higkeit im ERP-Wirtschaftsplan ermöglicht das. förderung in den neuen Ländern wurde im Frühjahr Alle Technologiefelder können mit diesem neuen diesen Jahres durch das Roland Berger Forschungs- Innovationsprogramm erschlossen werden. Kein institut untersucht. Dabei haben 89 Prozent der Zukunftssektor ist ausgeschlossen oder speziell geförderten Unternehmer erklärt, daß sie ihr Vorha- begünstigt, das heißt die Förderung ist neutral, und ben ohne Förderung überhaupt nicht oder nur erheb- eine Investitionslenkung findet aus guten Gründen lich eingeschränkt hätten durchführen können. Hier nicht statt, auch nicht in der marktnahen Forschung. sind also die Fördermittel überwiegend an die richti- gen Adressaten gegangen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6877

Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb Sehr wichtig ist, daß nun auch nichtinvestive Beschlußempfehlung und Be richt des Innen- Aufwendungen, wie zum Beispiel Personaleinzelko- ausschusses (4. Ausschuß) sten, Materialkosten, Reisekosten oder Beratungs- - Drucksache 13/3244 - kosten, mitfinanziert werden können. Das For- Berichterstattung: schungs- und Bildungsministerium beteiligt sich an Abgeordnete Hartmut Koschyk diesem Programm durch die Übernahme einer teil- Jochen Welt weisen Haftung für die Rückzahlung der Darlehen Cem Özdemir ebenso wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Dr. das Programm durchführt. Für die neuen Länder ist Ulla Jelpke das Programm mit besonderen Präferenzen ausge- stattet. Wir erwarten, daß damit die im Aufbau Dazu ist eine Aussprache nicht vorgesehen. befindliche Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern gestärkt werden kann, und Die Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. bean- zwar gerade mit dem Ziel der Einführung marktfä- tragen, die Vorlagen auf den Drucksachen 13/3102 higer, innovativer Produkte. Hiervon leben wir in und 13/3244 an den Innenausschuß zurückzuverwei- der Zukunft. sen. Die SPD beantragt keine Rücküberweisung. Das letztere ist der weitergehende Antrag, so daß ich Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie- zunächst über ihn abstimmen lasse. rung bittet Sie - das ist erfreulicherweise in der Wer stimmt gegen die Rücküberweisung? - Wer Debatte deutlich geworden -, dem Entwurf des ERP stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Wirtschaftsplangesetzes 1996, wie er Ihnen unter Antrag mit den Stimmen der CDU/CSU und der Einschluß des neuen ERP-Innovationsprogrammes F.D.P. abgelehnt. vorliegt und wie er von den Ausschüssen gebilligt wurde, zuzustimmen. Ich lasse jetzt über den Antrag entscheiden, den Entwurf zurückzuüberweisen. Wer stimmt für die Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Rücküberweisung? - Wer stimmt dagegen? - Enthal- tungen? - Damit ist die Rücküberweisung mit den (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen Stim- sowie bei Abgeordneten der SPD und des men der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) zwei Stimmen der PDS angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich schließe die Aussprache. Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Wir kommen zur Abstimmung über den von der Mikrozensusgesetzes und eines Gesetzes zur Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Änderung des Bundesstastikgesetzes Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans - Drucksachen 13/3107, 13/3131 - des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1996, Druck- (Erste Beratung 74. Sitzung) sachen 13/2480 und 13/3144. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustim- Beschlußempfehlung und Be richt des Innen- men wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? ausschusses (4. Ausschuß) - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in - Drucksache 13/3245 - zweiter Beratung bei einer Enthaltung aus der PDS Berichterstattung: angenommen. - Abgeordnete Wolfgang Bosbach Dorle Marx Wir kommen zur Rezzo Schlauch Dr. Max Stadler dritten Beratung Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Dazu dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- sehe ich keinen Widerspruch. Wir verfahren so. ben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf bei einer Enthaltung aus der PDS Es beginnt der Kollege Bosbach. angenommen. Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: heute in zweiter und dritter Lesung den von der Bun- Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Mikro- desregierung eingebrachten Entwurfs eines zensusgesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes. Der federführende Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes Innenausschuß hat in seiner Sitzung am 6. Dezember über die Festlegung eines vorläufigen Wohn- diesem Entwurf mit den Stimmen der Regierungspar- ortes für Spätaussiedler teien und der SPD zugestimmt. - Drucksache 13/3102 - Die derzeit gültige gesetzliche Grundlage für die (Erste Beratung 74. Sitzung) statistische Befragung läuft zum 31. Dezember 1995 6878 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Wolfgang Bosbach aus. Das neue Gesetz sieht eine Fortführung einer getreu wie möglich widerspiegeln, ist für das Grund- Repräsentativbefragung über die Bevölkerung und programm und einen Teil des Zusatzprogramms die den Arbeitsmarkt für weitere neun Jahre vor. Beibehaltung der Auskunftspflicht erforderlich. Diese Pflicht wird in der politischen Diskussion kon- Es handelt sich zugegebenermaßen um eine etwas trovers beurteilt, und gelegentlich wird die Ansicht spröde Mate rie, die zudem nicht unkompliziert ist, vertreten, daß eine freiwillige Auskunft zuverlässiger aber gleichzeitig um eine wichtige. Das hier vorlie- sei als eine solche, die erteilt werden muß, und daß gende Gesetz ist deshalb von besonderer Bedeutung, man daher auf eine Auskunftspflicht verzichten weil es sich um die gesetzliche Grundlage für die ein- könne. Diese Argumentation hält jedoch einer Nach- zige laufende Haushalts- und Familienstatistik han- prüfung nicht stand. In seinem Be richt „Mikrozensus delt. im Wandel" hat der mit der Untersuchung zur Frei- Der Mikrozensus wird seit 1957 als Haushaltsstich- willigkeit beauftragte wissenschaftliche Beirat fest- probe durchgeführt. Seine Hauptaufgabe ist es, gestellt, umfassende, aktuelle und zuverlässige Ergebnisse daß auf die Auskunftspflicht zur Erfüllung der über die Bevölkerungsstruktur, die wirtschaftliche Grundfunktionen nicht verzichtet werden kann. und soziale Lage der Familien und Haushalte, die Zur Wahrnehmung der Funktion des Mikrozen- Erwerbstätigkeit, Arbeitssuche, Ausbildung und sus als Basisinstrument für zentrale Strukturinfor- Wohnverhältnisse für Parlamente, Regierungen und mationen und für andere Erhebungen und zur die Verwaltungen in Bund und Ländern bereitzustel- Ermittlung absoluter Zahlen für gesellschaftspoli- len. tisch wichtige Bevölkerungs- und Haushalts- Auf Grund der vielfältigen Auswertungsmöglich- gruppen wäre eine freiwillige Datenerhebung keiten sind die Ergebnisse des Mikrozensus aber nicht geeignet. nicht nur für staatliche Stellen eine wichtige Informa- Des weiteren erbrachten seine Untersuchungen, tionsquelle, sondern darüber hinaus auch für Wissen- daß die Antwortausfälle bei den in den Jahren 1985 schaft und Forschung, Wi rtschaft, Verbände und bis 1987 durchgeführten Testerhebungen selektiv gesellschaftliche Institutionen von großer Bedeu- sind und zu Verzerrungen der statistischen Ergeb- tung. nisse führen oder führen können. Die Untersuchun- Die bisherige Konzeption des Mikrozensus hat sich gen des Statistischen Bundesamtes zur Auswirkung in ihren grundlegenden inhaltlichen, stichprobenme- der Freiwilligkeit der Auskunftserteilung bestätigen thodischen und organisatorischen Komponenten im wesentlichen die Ergebnisse des wissenschaftli- bewährt. Das Gesetz sieht daher eine Beibehaltung chen Beirats. Bei allen Fragen hat der Verzicht auf der konzeptionellen Grundelemente vor. Gleichzeitig eine Auskunftspflicht zu hohen Ausfallquoten wird der Mikrozensus zu einer modernen und geführt, die zum Teil deutlich über 20 Prozent liegen. bedarfsgerechten Erhebung weiterentwickelt, die (Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Der Zwang den veränderten Rahmenbedingungen sowie den führt zu falschen Angaben!) Änderungen des Informationsbedarfes Rechnung trägt. Zugleich werden aber auch die Befragten ent- Diese Informationsverluste schränken die Aussage- lastet, und der Erhebungsaufwand wird vermindert. kraft und die Zuverlässigkeit der Mikrozensusergeb- nisse erheblich ein. Sie können mangels geeigneter Zu den neu aufgenommenen Themenkomplexen Korrekturverfahren nach dem derzeitigen Erkennt- gehören Fragen zur Wohnsituation der Bevölkerung, nisstand nicht ausgeglichen werden. Der Mikrozen- zur Lage der ausländischen Mitbürgerinnen und Mit- sus kann daher seine Funktion als Hochrechnungsin- bürger sowie Fragen zu Art und Umfang -einer Pfle- strument für eine Vielzahl amtlicher Erhebungen nur gebedürftigkeit und zu den Leistungen der Pflege- dann erfüllen, wenn die Ergebnisse einen hohen versicherung. Gegenüber dem bisherigen Erhe- Genauigkeitsgrad aufweisen. Deshalb ist die Anord- bungskonzept werden Auswahlsatz und Erhebungs- nung der Auskunftspflicht bei einigen Fragen in dem zeiträume auf jeweils zwei Varianten beschränkt und vorgesehenen Umfang nach wie vor notwendig. eine weitgehende Harmonisierung der Merkmale des Mikrozensus mit den Merkmalen der EG- Zur Stellungnahme des Bundesrates zur Änderung Arbeitskräftestichprobenerhebung vorgenommen, des Bundesstatistikgesetzes möchte ich anmerken: die weiterhin in Kombination mit dem Mikrozensus Der Bundesrat fordert eine Änderung dahin gehend, durchgeführt werden soll. Dabei wird das Grundpro- daß verhindert werden muß, daß „sich andere Perso- gramm des Mikrozensus wie bisher in der Regel mit nen unter dem Vorwand statistischer Erhebungen einem Auswahlsatz von 1 Prozent der Bevölkerung Daten insbesondere aus dem persönlichen Lebensbe- erhoben; es werden also zirka 800 000 Bürgerinnen reich Betroffener verschaffen." Die hier zum Aus- und Bürger befragt. Das aus vier unterschiedlichen druck gebrachte Sorge ist verständlich und nachvoll- Erhebungsteilen bestehende Zusatzprogramm des ziehbar - auch darüber haben wir im Innenausschuß Mikrozensus soll jeweils mit differenzierten Erhe- gesprochen -; die Sorge ist jedoch unbegründet. Die bungszeiträumen befragt werden. Das heißt: Im Vier- vorgeschlagene Ergänzung des Bundesstatistikge- jahresrhythmus wird pro Erhebungsjahr neben dem setzes ist nicht erforderlich, da die Befragten zuvor Grundprogramm ein wechselndes Zusatzprogramm unter anderem über Zweck, Art und Umfang der erhoben. Erhebung schriftlich unterrichtet werden. Diese Unterrichtungspflicht besteht für alle Erhebungen. Um ausreichend zuverlässige Ergebnisse zu erhal- Die zu Befragenden sind also auch dann, wenn eine ten, die die tatsächlichen Gegebenheiten so realitäts Erhebung fernmündlich erfolgen soll, zuvor schrift- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6879 Wolfgang Bosbach Itch durch die zuständigen Stellen über die wesentli- Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die chen Elemente der Erhebung, ihre Rechte und Pflich- Gruppe der PDS haben im Ausschuß - und werden ten zu informieren. Über diesen Punkt werden wir - das voraussichtlich auch heute tun - an der verblie- auch das ist im Innenausschuß verabredet worden - benen Antwortverpflichtung der Befragten Anstoß zu Beginn des kommenden Jahres noch einmal spre- genommen. Sie sehen hier eine unzulässige Ausfor- chen. schung. Aus unserer Sicht übersehen sie dabei die ausdrücklichen Regelungen zur Anonymisierung Wenn der Mikrozensus erfolgreich sein soll, dann und Löschung der erhobenen Daten. ist es wichtiger, für ihn offensiv zu werben, als dem Bürger mit Verwaltungszwang zu drohen. Es ist die Ich frage Sie auch heute, ob Sie hier nicht eine ver- Aufgabe der Regierung, des Statistischen Bundesam- gangene Schlacht, nämlich die um die Volkszählung tes, die Bevölkerung davon zu überzeugen, daß und vor über zehn Jahren, an falscher Stelle wieder auf- warum Befragungen sinnvoll und notwendig sind: wärmen. weil sie in ihrem eigenen Interesse sind. (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Ich danke für die Aufmerksamkeit. NEN]: Das ist keine Schlacht!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Datenschutz ist Persönlichkeitsschutz und damit Persönlichkeitsrecht. Ich habe aber bereits an dieser Stelle in der Debatte um den letzten Tätigkeitsbericht Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht die Kollegin Dorle Marx. des Bundesbeauftragten für den Datenschutz darauf hinweisen dürfen, daß das alte Feindbild überholt ist. Es ist längst nicht mehr der große Bruder Staat, der Dorle Marx (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolle- etwa durch das heute zu verabschiedende Mikro- ginnen und Kollegen! Die Fortsetzung einer regelmä- zensusgesetz Persönlichkeitsrechte der Bürger ver- ßigen repräsentativen Volksbefragung wie schon im letzen würde. bisherigen Mikrozensus ist aus der Sicht meiner Fraktion unproblematisch. Die grundlegende Vernetzung und Automatisie- rung alltäglicher privater Kommunikation und wirt- Statistische Erhebungen haben eine lange schaftlicher Beziehungen wirft heute Probleme auf, Geschichte. Am letzten ordentlichen Sitzungstag vor von denen das Volkszählungsurteil nicht einmal zu dem Weihnachtsfest wird es gestattet sein, auf die träumen gewagt hätte. Wie niedlich sieht doch ein Weihnachtsgeschichte Bezug zu nehmen. Die Kolle- ausgedruckter Mikrozensusfragebogen neben einer gen von den christlichen Fraktionen kennen sie Chipkarte etwa im Gesundheitswesen aus! bestimmt, sozusagen verpflichtend, die anderen viel- leicht. In den Anfangssätzen der Weihnachtsge- Und haben Sie sich schon einmal darüber infor- schichte heißt es: miert, was Fernsehanstalten von Bewerbern für pein- liche Talk-Shows im Vorfeld alles wissen wollen? Sie Es begab sich aber, daß in jenen Tagen ein Gebot mögen ja einwenden, daß es sich dabei um freiwilli- des Kaisers Augustus erging, daß jedermann sich gen Exhibitionismus handelt. Dagegen spricht aber schätzen ließe. der aus meiner Sicht mangelhafte Überblick der Wie Sie wissen, mußten sich daraufhin Josef und Beteiligten darüber, was alles aus ihren Daten wer- Maria nach Bethlehem aufmachen. Die Krippe im den kann. Stall unter dem heutigen Weihnachtsbaum ist sozu- Der einzig ernstzunehmende Einwand gegen das sagen das Ergebnis eines augustinischen Makrozen- heute hier zu verabschiedende neue Mikrozensusge- sus. - setz ist aus unserer Sicht die Frage, ob die Verpflich- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der tung zur Beantwortung bestimmter Fragen noch zeit PDS) gemäß ist. Wir meinen aber, daß die Repräsentativität der Befragungen nicht völlig dem Zufall überlassen Heute muten wir den Bürgerinnen und Bürgern werden kann. keine Reise an ihren Geburtsort zu. Der Mikrozensus betrifft nur 1 Prozent der Haushalte. Die Fragesteller In diesem Zusammenhang haben die Kolleginnen kommen ins Haus oder rufen an. Die Befragung wird und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und von vorher angekündigt. der PDS vermutlich übersehen, daß das neue wie schon das bisherige Mikrozensusgesetz in § 10 die Der Fragenkatalog ist gesetzlich bestimmt. Nur Bußgeldvorschriften des Bundesstatistikgesetzes das sogenannte Grundprogramm wird jährlich ausdrücklich ausschließt. Das bedeutet im Klartext, erfragt. Im Zusatzprogramm gibt es gegenüber dem daß die Nichtbeantwortung einer Pflichtfrage keine bisherigen Gesetz Entspannung durch Verlängerung Sanktionen nach sich zieht. Jedenfalls dieser Vor- des Befragungsturnus. Auch ist die Anzahl derjeni- schrift hätten sie im Ausschuß eigentlich zustimmen gen Fragen gestiegen, deren Beantwortung aus- können. drücklich als freiwillig gekennzeichnet ist. Es bleibt allerdings noch eine wichtige Frage Der Mikrozensus ist die einzige laufende Haus- übrig, nämlich die, ob der Staat überhaupt noch Pla- halts- und Familienstatistik, die Planungsdaten nicht nungsdaten benötigt, wenn die Handlungsspiel- nur für staatliche Stellen, sondern auch für andere räume für gestalterische Politik planvoll immer wei- politische und gesellschaftliche Institutionen bereit- ter eingeschränkt werden. Die systematische Ausblu- hält. tung der kommunalen Selbstverwaltung, das Unter- 6880 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 Dorle Marx lassen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik und die Pro- wenn man es überfordert. Zu viele Fragen wecken duktion immer gigantischerer Haushaltslöcher wer- den Widerstand der Bürger, bis dieser explodiert - fen die Frage auf, wofür denn noch Planungsdaten vielleicht dann gerade an der falschen Stelle, wie wir gebraucht werden, wenn wir demnächst in Bonn wie das bei der Volkszählung erlebt haben. auch anderswo nur noch Alt- und Pensionslasten ver- walten und nichts mehr gestalten können. Viele wissen auch, daß man unangenehme Fragen gefahrlos falsch beantworten kann, weil die Verwal- Vielleicht entfalten aber die zu erhebenden Daten tung gar keine Chance hat, die Richtigkeit nachzu- eine eigene Dynamik. Eine Familien- und Arbeits- prüfen. Herr Kollege Bosbach, Sie haben über die marktstatistik wie der Mikrozensus wird an den Frage gesprochen, ob es denn sinnvoll ist, Fragen mit unsozialen Unterschieden in den Lebensverhältnis- Antwortzwang zu belegen oder nicht. Zwang führt sen und an den unsozialen Auswirkungen von tendenziell zu falschen Angaben. Sie verschmutzen Arbeitslosigkeit nicht vorbeirechnen können. Des- damit die Statistiken. halb wünschen wir uns, daß die Ergebnisse des künftigen Mikrozensus nicht nur Hinweise, sondern (Beifall der Abg. Ulla Jelpke [PDS]) vielleicht sogar Aufforderungen für staatliches Han- Der Statistiker kann zwar feststellen, ob er eine deln sind. Das wäre doch ein schönes Weihnachtsge- Antwort bekommt, aber er kann nicht feststellen, ob schenk für die Betroffenen. er eine richtige Antwort bekommt. Bei Freiwilligkeit Wir jedenfalls stimmen dem Gesetzentwurf zu. der Antworten beklagen Sie Antwortlücken, bei Zwang hingegen ist die Optik nicht gestört, aber (Beifall bei der SPD) man bekommt Angaben, deren Wahrheitsgehalt man nicht kontrollieren kann. Darum muß man die Frage, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Der Kollege Man- ob man Antworten erzwingt, neu überdenken und fred Such ist zwar anwesend, möchte aber seine kann nicht sagen, das habe man immer so gemacht. Rede zu Protokoll geben, weil er erhebliche Sprech- Bei den meisten Statistiken fragt man sich, warum störungen hat.') Ist er erkältet? sie überhaupt erhoben werden. Ich habe den Ein- (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ druck, daß viele aus der Zeit der Zwangswirtschaft NEN]: Falsch, aber okay! - Heiterkeit) stammen und daß die meisten Statistiken ihre Exi- stenz der Tatsache verdanken, daß man sagt, das Ich gebe das Wort an den Kollegen Dr. Burkhard habe man immer so gemacht. Hirsch. Ich höre mit großer Besorgnis, daß die Statistiker dabei sind, die Entwicklung einer Fülle von neuen Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Frau Präsidentin! Statistiken auf die europäische Ebene zu schieben, Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe weil sie auf diese Weise den nationalen Widerstand, den Eindruck, daß die meisten Menschen mit dem der sich erhebt und stärker wird, umgehen wollen. Wort „Mikrozensus" überhaupt nichts verbinden Wenn wir diesem Wildwuchs begegnen wollen, muß können und daß sie erst dann darüber nachdenken, man, so meine ich, eisern an vier Grundsätzen fest- was das ist, wenn sie einen dicken Fragebogen halten: bekommen - mit Fragen, die man bei einigermaßen gutem Benehmen auch seinen Freunden nicht stellen Erstens. Wer eine Statistik haben will, muß sie würde: was man im einzelnen verdient, aus Arbeit, bezahlen. Jedes Ministe rium muß die Kosten für sta- aus Vermietung und Verpachtung, wie die Woh- tistische Wünsche im eigenen Haushalt etatisieren. nungsverhältnisse sind, welche Ausbildung man hat, Das Statistische Bundesamt sollte auf einen Gebüh- ob man arbeitet, warum man nur einen Teilzeitar-- renhaushalt umgestellt werden. beitsvertrag hat, ob man arbeiten will oder nicht, mit (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Rolf wem man zusammenlebt, ob in Ehe oder Wohnge- Kutzmutz [PDS]) meinschaft, ob und seit wann man Raucher ist, ob man Zigarette, Pfeife oder sonst was raucht, ob man Zweitens. Die Beantwortung statistisch erhobener Jodsalz ißt. Ich hoffe, die meisten Leute wissen über- Fragen sollte grundsätzlich freiwillig sein. Wer indis- haupt, was damit gemeint ist. Bei jeder dieser Fragen krete Fragen stellt, soll ihre Beantwortung nicht mit kann man natürlich begründen, warum der Staat sie Zwang durchsetzen, sondern soll mit modernen . beantwortet haben möchte. Aber in seiner Gesamt- Methoden um Antworten werben. Erzwungene Ant- heit wird ein solcher Fragebogen trostlos. worten sind meistens falsche Antworten. Natürlich braucht ein moderner Staat Daten, um (Beifall der Abgeordneten Uwe Lühr [F.D.P.] rationale Entscheidungen treffen zu können. Dieser und [PDS]) Satz gilt, auch wenn man die meisten Statistiken Drittens. Statistische Gesetze sollten grundsätzlich nicht braucht, um Entscheidungen zu treffen, son- nur mit dem Zwang für die Behörden dern um bereits getroffene Entscheidungen intelli- Zeitgesetze sein, den Gesetzgeber jeweils erneut von der Sinn- genter begründen zu können. haftigkeit eines Datenfriedhofs zu überzeugen. (Beifall bei der PDS) Viertens. Die Bundesregierung sollte noch in die- Aber es gilt auch: Allmählich scheint die Einsicht ver sem Jahr dem Bundestag im einzelnen berichten, loren zu gehen, daß man jedes Instrument verliert, welche Statistiken sie im Laufe der Legislaturpe riode wegfallen lassen oder etwa neu einführen wi ll und *) Anlage 2 welche Positionen sie gegenüber den ausufernden Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6881

Dr. Burkhard Hirsch Vorstellungen des Europäischen Statistischen Amtes Das Bundesverfassungsgericht hat auch entschie- einnehmen wird. Darauf kommen wir im Laufe des den, daß der Gesetzgeber dafür beweispflichtig nächsten Jahres zurück. bleibt, daß die Daten bzw. die Art ihrer Erhebung geeignet und notwendig sind: Ich möchte nicht schließen, ohne dem Kollegen Bosbach und den Herren des Innenministeriums für Vor künftigen Entscheidungen für eine Erhebung die gute Zusammenarbeit bei der Vorbereitung die- wird sich der Gesetzgeber erneut mit dem dann ses Gesetzes zu danken. erreichten Stand der Methodendiskussion aus- einandersetzen müssen, um festzustellen, ob und Es ist ein Zeitgesetz, gottlob! Es schreibt im in welchem Umfang die herkömmlichen Metho- wesentlichen den bestehenden Zustand fort. Das ist den der Informationserhebung und -verarbeitung der wesentliche Grund, warum wir ihm zustimmen beibehalten werden können. werden. (Beifall bei der F.D.P.) Die Entwicklung der amtlichen Statistik und der Sozialforschung „darf der Gesetzgeber nicht unbe- rücksichtigt lassen". Der vorgelegte Gesetzentwurf Als letzte zu die- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: über den Mikrozensus wie auch dessen Begründung sem Tagesordnungspunkt spricht die Abgeordnete genügen diesen Anforderungen nicht. Dann hätte Ulla Jelpke. die Regierungskoalition nämlich dem Grundsatz der Freiwilligkeit beim Mikrozensus weit größeres Ulla Jelpke (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen Gewicht eingeräumt. und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat 1983 in seinem Volkszählungsurteil der zwangsweisen Der Datenschutzbeauftragte des Bundes hat auf Erhebung personenbezogener Daten für statistische wissenschaftliche Untersuchungen hingewiesen, in Zwecke enge Grenzen gesetzt: denen bei Freiwilligkeit der Auskunftserteilung Aus- fallquoten von weniger als 20 Prozent, teilweise Ein Zwang zur Angabe personenbezogener sogar unter 5 Prozent registriert worden sind. Derar- Daten setzt voraus, daß der Gesetzgeber den Ver- tige Ausfallquoten seien laut Datenschutzbeauftrag- wendungszweck bereichsspezifisch und präzise tem Jacob wissenschaftlich gesehen zwar störend, bestimmt und daß die Angaben ... geeignet und hinsichtlich einer Rahmenplanung seien sie aber erforderlich sind. tolerabel. Nun werden beim Mikrozensus rund 100 zum Teil Wir werden diesem Gesetz nicht zustimmen, auch hochsensible Sachverhalte abgefragt. Da soll Aus- wenn wir wissen, daß diesmal keine Bußgelder erho- kunft über die p rivaten Einkommens- und Vermö- ben werden, Frau Marx. Es geht hier tatsächlich um gensverhältnisse gegeben werden. Ausländer und den Zwangscharakter und vor allen Dingen um die Ausländerinnen sollen angeben, wie lange sie hier Ausweitung der Datenerhebung. leben bzw. wo genau sie sich aufhalten, wie viele Kinder und Verwandte im Ausland leben. Arbeitslose Danke. werden über ihre Arbeitswilligkeit befragt, was auch (Beifall bei der PDS) immer darunter zu verstehen ist. Schließlich will der Staat auch sogenannte Krankheitsrisiken abfragen und versteht darunter unter anderem auch die Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und Rauchgewohnheiten der oder des Befragten. Im Ver- Herren, ich schließe die Aussprache. gleich zu dem auslaufenden Mikrozensusgesetz wer- Wir kommen zur Abstimmung über den von der den zirka 56 neue Merkmale in den Befragungsbo- Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines gen aufgenommen. Mikrozensusgesetzes und eines Gesetzes zur Ände- Meines Erachtens hat es die Bundesregierung ver- rung des Bundesstatistikgesetzes, Drucksachen 13/ säumt, die Notwendigkeit eines ausgeweiteten 3107 und 13/3131. Mikrozensus nachzuweisen. Der Bundesbeauftragte Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ für den Datenschutz, Dr. Jacob, kritisiert die amtliche 3245, den Gesetzentwurf unverände rt anzunehmen. Gesetzesbegründung. Die vorgesehene Ausweitung Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustim- der Datenerhebung könne zumindest nicht allein mit men wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? der EU-Stichprobenerhebung für Arbeitskräfte - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in begründet werden. Zudem sei es nicht notwendig, zweiter Beratung mit den Stimmen der CDU/CSU, für die EU diese Datenerhebung durchzuführen; dar- SPD und F.D.P. gegen die Stimmen vom Bündnis 90/ auf hat eben schon mein Kollege Hirsch hingewie- Die Grünen und der PDS angenommen. sen. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Der niedersächsische Datenschutzbeauftragte, DIE GRÜNEN]: Und einer aus der SPD!) Dr. Dronsch, warnt davor, daß mit der Ausweitung des Erhebungsumfangs zum einen die Gefahr einer - Entschuldigung, und einer Gegenstimme aus der detaillierten Registrierung von Persönlichkeiten SPD. wächst. Zum anderen vergrößere sich hierdurch der Dritte Beratung Hunger der Behörden nach immer und immer mehr Informationen und Daten. Damit wachse auch der und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Wunsch nach Persönlichkeitsprofilen. dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- 6882 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth ben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist b) Beratung der Beschlußempfehlung und des der Gesetzentwurf mit den Stimmen der CDU/CSU, Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, SPD - bei einer Gegenstimme - und F.D.P. gegen die Immunität und Geschäftsordnung (1. Aus- Stimmen vom Bündnis 90/Die Grünen und der PDS schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Ge- angenommen. rald Häfner, Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 11 a und Vermeidung von Interessenkollissionen und 11b auf: Doppelallimentationen bei Bundestagsabge- ordneten a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- - Drucksachen 13/3137, 13/3240 - brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neu- Berichterstattung: regelung der Rechtsstellung der Abgeord- Abgeordnete Andreas Schmidt (Mülheim) neten Wilhelm Schmidt (Salzgitter) - Drucksache 13/3121 - Simone Probst Jörg van Essen (Erste Beratung 75. Sitzung) Dr. Dagmar Enkelmann

- Zweite und dritte Beratung des von den Ab- Zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD liegen geordneten Gerald Häfner, Werner Schulz ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Fraktio- (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE nen der CDU/CSU, SPD und F.D.P., ein Entschlie- GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ßungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und Gesetzes zur Regelung der Abgeordneten- F.D.P., ein Entschließungsantrag der Gruppe der PDS bezüge für den Deutschen Bundestag und sowie ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD das Europäische Parlament vor. - Drucksache 13/3139 - Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über den Gesetzentwurf der CDU/CSU (Erste Beratung 75. Sitzung) und SPD sowie über den Änderungsantrag der Frak- tion der SPD jeweils namentlich abstimmen werden. - Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jörg Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die van Essen und der Fraktion der F.D.P. ein- gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. - gebrachten Entwurfs eines Neunzehnten Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Wir verfahren Gesetzes zur Änderung des Abgeordneten- entsprechend. gesetzes und eines Sechzehnten Gesetzes Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege zur Änderung des Europaabgeordnetenge- Andreas Schmidt. setzes - Drucksache 13/3154 - Andreas Schmidt (Mülheim) (CDU/CSU): Frau (Erste Beratung 75. Sitzung) Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- ren! Es sieht in der Tat so aus, daß wir es heute schaf- aa) Beschlußempfehlung und Bericht des fen, trotz vieler Hindernisse, die uns in den Weg Ausschusses für Wahlprüfung, Immuni- gelegt worden sind, das Gesamtwerk Parlamentsre- tät und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) form zu vollenden. Ich finde, es ist gut, daß wir es vollenden, weil es entscheidungsreif ist und damit - Drucksache 13/3240 - wir nicht den falschen Eindruck in der Öffentlichkeit Berichterstattung: erwecken, daß wir uns nur mit Dingen beschäftigen, Abgeordnete die uns selbst betreffen. Andreas Schmidt (Mülheim) Ich will aus gegebenem Anlaß noch einmal daran Wilhelm Schmidt (Salzgitter) erinnern, daß es sich um ein Gesamtwerk handelt, Simone Probst das aus drei Teilen besteht: Jörg van Essen Dr. Dagmar Enkelmann Erster Teil: Verbesserung der Struktur und Darstel- lung der parlamentarischen Arbeit. Es liegt jetzt an bb) Bericht des Haushaltsausschusses uns, was wir aus den Chancen machen, die wir uns (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Ge- mit der neuen Geschäftsordnung gegeben haben. schäftsordnung Der zweite Teil: Wir haben beschlossen, den Bun- - Drucksachen 13/3242, 13/3251, 13/ destag zum Jahr 2002 zu verkleinern. Da wir es ernst 3252 - meinen mit diesem Beschluß, werden wir ihn heute noch einmal in einem gemeinsamen Entschließungs- Berichterstattung: antrag bekräftigen. Ich finde, es ist gut, daß auch die Abgeordnete Adolf Roth (Gießen) Bürgerinnen und Bürger wissen, daß wir es mit der Verkleinerung im Jahr 2002 ernst meinen. Antje Hermenau (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6883 Andreas Schmidt (Mülheim) Drittens. Wir entscheiden heute in zweiter und drit- sche Demokratie ist, wodurch sie sich von einer Dik- ter Lesung über die Rechtsstellung der Abgeordne- tatur grundsätzlich unterscheidet. ten. Auch dies ist ein entscheidender Punkt. Wir defi- nieren das Verfassungsgebot in Art. 48 des Grundge- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) setzes, wo steht: Der Abgeordnete muß angemessen Wir nehmen mit diesem Gesetz auch Einschnitte entschädigt werden. Zum erstenmal in der Ge- vor. Die Dauer des Bezugs des Übergangsgeldes schichte des deutschen Parlaments schaffen wir wird von bisher 36 Monate auf 18 Monate abgesenkt, einen objektiven Maßstab, der Willkür verhindern die Anrechnung erfolgt bereits ab dem zweiten wird. Hier - auch dies will ich deutlich sagen - knei- Monat. Die Altersversorgung wird von bisher fen die Anträge von F.D.P. und Bündnis 90/Die Grü- 75 Prozent nach 18 Jahren auf nach .dem neuen nen. Sie verweigern die Auskunft darüber: Was ist Recht 69 Prozent nach 23 Jahren zurückgeschnitten. eine angemessene Entschädigung? Unser Antrag beantwortet diese Frage. Ich glaube, es ist gut und Eine Sache haben wir neu eingefügt, liebe Kolle- ein angemessener Maßstab, den wir heute beschlie- ginnen und Kollegen, und auch darauf will ich ßen wollen. bewußt hinweisen. Wir haben uns im Geschäftsord- nungsausschuß dazu durchgerungen, die Mitglied- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) schaft in der frei gewählten Volkskammer auf Antrag mit der Mitgliedschaft im Deutschen Bundes- Es ist alles andere als Abkassieren oder Selbstbe- tag gleichzusetzen. dienung. Es ist eine maßvolle Steigerung in Richtung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) eines vernünftigen Ziels. Aber ich sage - auch dies gehört zur Offenheit in diesem Hause -, es ist nur der Wir haben heute an dieser Stelle allen Grund, die erste Schritt zu einer angemessenen Entschädigung. große historische Leistung der Mitglieder der frei Es gehört zur Ehrlichkeit, daß wir sagen, daß der gewählten Volkskammer nicht aus den Augen zu nächste Bundestag den Mut, die Konsequenz und verlieren. Es gehört dazu, dies heute noch einmal zu auch das Selbstbewußtsein haben muß, 1998 oder sagen. 1999 mit dem zweiten Schritt das definie rte Ziel einer angemessenen Entschädigung zu erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der SPD) Ich rede von Selbstbewußtsein und nicht von Die vom Geschäftsordnungsausschuß vorgeschla- Selbstgefälligkeit. Es gehört zum Selbstbewußtsein gene Regelung ist so angelegt, daß die Zeit in der frei der Parlamentarier, wenn wir sagen: Unsere Arbeit gewählten Volkskammer als ein Jahr Bundestag ist nicht weniger wert als die Arbeit von obersten Berücksichtigung finden wird. Dies wird nicht zu Richtern oder von Oberbürgermeistern mittlerer einer Sonderrente für Volkskammerabgeordnete füh- Großstädte in unserem Land. Es ist auch eine Frage ren. Die Anrechnung wird nur auf Antrag erfolgen des Selbstbewußtseins der Legislative gegenüber und ist mit einer Ausschlußfrist versehen. Wenn Ren- der Exekutive, wenn wir so offen über dieses Thema tenanwartschaften in der Volkskammer erworben reden. Die parlamentarische Demokratie liegt in worden sind, müssen sie rückabgewickelt werden, erster Linie nicht auf den Schultern von Regierung, damit keine Doppelversorgung stattfindet. Dies ist, Staatssekretären oder Ministerialdirigenten. Parla- wie ich finde, eine sehr angemessene Regelung. mentarische Demokratie liegt in erster Linie auf den Schultern von Abgeordneten. Diese Abgeordneten Abschließend will ich noch etwas zu einem kontro- leisten in der Regel verantwortungsbewußte Arbeit, versen Punkt sagen. Es gibt einen Änderungsantrag und sie arbeiten viel. Auch dies sollte man den Bür- der sozialdemokratischen Fraktion zu § 44 a des gern draußen sagen. - Abgeordnetengesetzes. Er beinhaltet eine Veröffent- lichungspflicht aller Einkünfte. Wir haben in diesem (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Haus schon öfter darüber diskutiert. Ich finde, wir sollten dies auch heute tun, weil das ein kontroverser Wenn ich mir noch einmal die Medienbericht- Punkt ist. Meines Erachtens ist es ein Schnellschuß, erstattung zu diesem Thema anschaue, dann muß ich der vielleicht aus taktischen Überlegungen hier ein- sagen, daß sie beim zweiten Versuch fairer war als gebracht worden ist. beim ersten Versuch. Wir haben guten Grund zu sagen: Wir wollen uns natürlich der Kritik stellen. (Abg. Peter Conradi [SPD] meldet sich zu Aber wir sollten an die Adresse der Journalisten auch einer Zwischenfrage) sagen, daß auch Journalisten für diese parlamentari- - Herr Conradi, Sie dürfen gleich gerne fragen. - sche Demokratie eine Verantwortung tragen. Wir Aber er ist so, wie er formuliert ist, verfassungswid- können heute auch einmal sagen, daß es ein Gewinn rig. für die Demokratie wäre, wenn nicht nur kritisiert würde, sondern auch einmal über das Arbeitspen- Ich bin dezidiert gegen eine Privilegierung von sum der Abgeordneten informiert würde, wenn über, Abgeordneten; aber ich bin auch gegen eine Diskri- die zeitintensive Wahlkreisarbeit informiert würde, minierung von Abgeordneten. wenn Journalisten einmal über die Terminlast von (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Abgeordneten an Wochenenden berichten würden. Die Bürgerinnen und Bürger draußen haben einen Wir haben gerade eine Debatte über einen anderen Anspruch darauf und müssen die Chance erhalten, Punkt, über den Mikrozensus, geführt. In dieser zu erfahren, wie arbeitsaufwendig eine parlamentari Debatte haben Sie sich, meine Damen und Herren, 6884 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 Andreas Schmidt (Mülheim) für den Datenschutz stark gemacht. Aber der Daten- wir sie bis zum Sommer des nächsten Jahres gegebe- schutz gilt nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, nenfalls konkreter fassen können. Dies halte ich für er gilt auch für Abgeordnete in diesem Haus. Sie einen vernünftigen Vorschlag. Ich appelliere an Sie: werden mit Ihrem Antrag nicht mehr Transparenz Lassen Sie von diesem Schnellschuß ab, und stim- schaffen. Sie leisten Vorschub für ein Parlament aus men Sie diesem vernünftigen Entschließungsantrag Beamten und aus Berufspolitikern. Es ist ein Gewinn, zu. Dann können wir in dieser Angelegenheit wenn wir Abgeordnete haben, die neben ihrem gemeinsam etwas erreichen. Das ist der Sache ins- Abgeordnetenmandat einen Beruf ausüben. Das ist gesamt angemessen. für dieses Parlament eine gute Sache. Dies sollten wir befürworten. (Beifall bei der CDU/CSU - Jörg van Essen [F.D.P.]: Wenn er vernünftig ist, stimmt auch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) die F.D.P. dem Entschließungsantrag zu!) Ich möchte mich abschließend bei den Mitgliedern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Schmidt, der Rechtsstellungskommission für eine sehr kon- gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Con- struktive Arbeit und bei den Mitarbeitern der Ver- radi? waltung, die in dieser Sache gute Arbeit geleistet haben, bedanken. Ich bedanke mich ganz bewußt Andreas Schmidt (Mülheim) (CDU/CSU): Bitte auch bei meinem Kollegen, einem der parlamentari- schön. schen Geschäftsführer der SPD, für das konstruktive „Schmidteinander" . Peter Conradi (SPD): Herr Abgeordneter Schmidt, Vielen Dank. wären Sie so liebenswürdig, dem Hause darzulegen, daß der Änderungsantrag der SPD nicht, wie Sie (Beifall bei der CDU/CSU) gesagt haben, auf die Veröffentlichung aller Ein- künfte zielt, sondern daß wir uns gerade auf Grund der Einwendungen auch aus Ihrer Fraktion ent- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt schlossen haben, den Antrag umzuformulieren, so der Kollege Dieter Wiefelspütz. daß er jetzt vorsieht, daß nur noch Einkünfte aus öffentlichen Kassen, aus der Arbeit in öffentlichen Dieter Wiefelspütz (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Unternehmen und schließlich aus Tätigkeiten, die Kolleginnen und Kollegen! In diesem Hause werden eine Interessenverknüpfung mit dem Mandat mög- wichtige, manchmal sehr wichtige Gegenstände lich erscheinen lassen, angegeben werden? erörtert. Wir reden heute über die Gehälter der (Jörg van Essen [F.D.P.]: Welche sind das? Abgeordneten. Das ist nach meiner festen Überzeu- Das ist doch völlig offen!) gung eher ein nachrangiges Problem. Das heißt, der Antrag enthält keineswegs mehr die Gelegentlich wird der Eindruck erweckt, als hätten Pflicht zur Veröffentlichung aller Einkünfte. wir nichts Besseres zu tun, als uns laufend über unsere Gehälter zu unterhalten. Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen nach der Verfassungslage über Andreas Schmidt (Mülheim) (CDU/CSU): Herr unsere Gehälter und über unsere Versorgungsan- Kollege Conradi, ich stimme Ihnen zu, daß Sie Ihren sprüche selber entscheiden. Das tun wir heute. Antrag modifiziert haben. Das zeigt, daß Sie lernfä- hig sind. Das ist ein gutes Signal. Wir müssen in eigener Sache entscheiden. Dies ist (Beifall bei der CDU/CSU - Lachen bei- der eine Last und keine Freude. Wir haben es einmal SPD - Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: zei anders versucht. Wir haben vor einigen Monaten ver- gen Sie doch einmal, daß Sie das auch sucht, diese Entscheidungsbefugnis aus der Hand zu sind!) geben. Das hat hier im Hause eine sehr große Mehr- heit gefunden. Allerdings hat ein anderes Verfas- Dennoch haben Sie ihn so formuliert, daß noch sungsorgan, das heute wie üblich in diesem Hause immer nicht klar ist, was das Ganze heißt. Deswegen „sehr stark" vertreten ist, liegt unser Vorschlag in einem Entschließungsantrag vor. Denn auch wir sagen: Wenn zwischen dem Man- (Beifall und Heiterkeit bei der SPD, der dat und einer Nebeneinkunft eine Interessensver- CDU/CSU und der F.D.P.) knüpfung droht, dann soll dies transparent werden. dazu beigetragen, daß wir weiterhin in eigener (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Wie Sache entscheiden müssen. denn?) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte sehr Dieser Auffassung sind auch wir. darum - ich spreche meine Hoffnung hier auch in Richtung der Öffentlichkeit und der Medien aus -, Es gibt im Abgeordnetengesetz bereits Verhaltens- daß uns in Zukunft nie wieder vorgehalten wird, wir regeln, die dieses Problem angehen. würden in eigener Sache entscheiden und uns selbst (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Sie reichen bedienen. Wir müssen in eigener Sache entscheiden, aber nicht aus!) weil es uns das Verfassungsrecht so gebietet. Wir schlagen Ihnen vor, diese Verhaltensregeln im Erlauben Sie mir einen kleinen Blick zurück, aber Geschäftsordnungsausschuß zu überprüfen, damit nicht im Zorn, weil uns dies nicht weiterhilft und weil Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6885 Dieter Wiefelspütz es auch in der vorweihnachtlichen Zeit dazu keine durchschnittliche Amtszeit eines Abgeordneten Veranlassung geben sollte. beläuft sich am Ende einer Legislaturpe riode auf 11,5 Jahre. Die Höchstversorgung an einer. Politiker- (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das können biographie zu orientieren, die die Ausnahme ist, Sie auch gar nicht!) halte ich für sehr problematisch. Wir reden heute über das Neunzehnte Änderungs- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der gesetz zum Abgeordnetengesetz. Ich verhehle meine F.D.P.) Überzeugung nicht, daß dieses Neunzehnte Ände- rungsgesetz nur die zweitbeste Regelung ist, die wir Wir streben alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Jahr beraten haben. einen Kompromiß an. Ich möchte hier ein Vorurteil ausräumen, das auch in meiner Partei, der SPD, häu- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge fig angesprochen wird. Es wird gefragt: Wie könnt ordneten der SPD) ihr als Opposition etwas mit der CDU/CSU gemein- Ich halte das Gesetz, das wir hier am 21. September sam machen? Seit Beginn dieses Bundestages, seit einschließlich der Verfassungsänderung mit großer 1949, besteht die - wie ich meine - gute Tradition, Mehrheit beschlossen haben, in der Sache für das die hoffentlich noch viele Jahre andauern wird, daß überzeugendere Gesetz. wir über die eigenen Angelegenheiten dieses Parla- mentes, wenn es um das Parlament als Ganzes geht, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) mit großer Mehrheit entscheiden. Über Rechtsstel- Dies ist jedoch Schnee vom vergangenen Jahr. Wir lungsfragen, Geschäftsordnungsfragen und Fragen, haben uns jetzt mit der 19. Nove lle des Abgeordne- die das gesamte Parlament angehen, kann man nicht tengesetzes auseinanderzusetzen, über die wir heute mit einer 51prozentigen Mehrheit entscheiden. Hier- entscheiden. Ich charakterisiere kurz die zentralen für ist ein großer Konsens erforderlich. Elemente dieses neuen Gesetzentwurfes. Ich sagte (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem bereits, daß wir in eigener Sache entscheiden müs- Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.) sen. Dies wird auch in Zukunft so sein. Wir wollen uns an den Gehältern der Bundesrichter und an den Es wäre gut, wenn man die Abgeordneten, die Par- Gehältern der kommunalen Wahlbeamten orientie- teien und die Fraktionen nicht aufteilt in die einen, ren. Was heißt Orientierung? - Orientierung heißt, die für die Moral zuständig sind, und die anderen, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß wir als Ziel die die beispielsweise über die Gehälter der Abgeordne- Gehälter der obersten Bundesrichter oder der kom- ten abstimmen müssen. Wir sollten uns bemühen, munalen Wahlbeamten anstreben. Wir werden die- gemeinsam um Lösungen der Probleme zu ringen. ses Ziel nicht in dieser Legislaturperiode erreichen, Das ist in diesem Fall - das wird die heutige Debatte vermutlich auch nicht in der nächsten Legislaturperi- zeigen - geschehen. Die Einschnitte bei der Versor- ode. gung halte ich für problematisch, aber wir werden sie mittragen. Um Klartext zu reden: Heute bezieht ein Richter an einem Bundesgericht, wenn man zwölf Monatsgehäl- Ich will hinzufügen, daß die Versorgungsansprü- ter zugrunde legen würde - sie haben 13 Monats- che der ehemaligen Abgeordneten in Zukunft nicht gehälter -, ein Bruttogehalt von 14 100 DM im so steigen werden wie die Bezüge der aktiven Abge Monat. Ein Mitglied des Bundestages hat ein Brutto- ordneten Ich hatte vor wenigen Tagen Gelegenheit, monatsgehalt von 10 366 DM. Ich gehe davon aus, diese Frage im Kreise der Vereinigung unserer ehe- daß wir erst nach vielen Jahren, die noch ins Land maligen Kollegen, deren Präsident Helmuth Becker, der sehr geschätzte ehemalige Vizepräsident dieses gehen werden, das Gehalt eines Bundesrichters- oder das eines kommunalen Wahlbeamten erreichen wer- Hauses, ist, zu erörtern. Die ehemaligen Kollegen den. Orientierung heißt also: Wir werden viele Jahre sind bitter enttäuscht. unterhalb dieser Gehaltsstufe bleiben und uns stu- Diese Fragen haben auch im Rechtsausschuß und fenweise an diese Gehälter herantasten. im Geschäftsordnungsausschuß eine sehr intensive Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Rolle gespielt. Ich will erwähnen, daß viele Kollegen, Neunzehnten Änderungsgesetz haben wir spürbare zum Beispiel Herr Eylmann und Herr Scheu, auf ver- Einschnitte bei der Versorgung der Abgeordneten fassungsrechtliche Probleme hingewiesen haben. eingeführt. Ich möchte hier hervorheben, daß aus Wir haben sie sorgfältig erörtert und glauben, daß es meiner persönlichen Sicht - ich weiß, daß viele Kolle- in diesem Zusammenhang keine rechtlichen Pro- ginnen und Kollegen in den Fraktionen dies ähnlich bleme gibt. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß sehen - die Versorgungsregelungen des Neunzehn- sowohl der Rechtsausschuß als auch der Geschäfts- ten Änderungsgesetzes diejenigen sind, die viel- ordnungsausschuß die herzliche und dringliche Bitte leicht am problematischsten sind. an den nächsten Bundestag haben, die Versorgungs- ansprüche der Abgeordneten in Zukunft in demsel- (Jörg van Essen [F.D.P.]: Die Vorschläge der ben Tempo steigen zu lassen wie die Entschädigung, F.D.P. sind besser!) das Gehalt der aktiven Abgeordneten. Das ist ein wichtiges Problem. Ich möchte auf einen Punkt besonders hinweisen: Wir regeln, daß die Höchstversorgung für Abgeord- Herr Schmidt hat zu Recht darauf hingewiesen, nete nach 23 Jahren Mitgliedschaft im Bundestag daß wir für die Kollegen, die vom Frühjahr bis zum erreicht wird. Früher waren dies 18 Jahre. Wer ist Herbst 1990 Mitglieder der Volkskammer waren, schon 23 Jahre Mitglied dieses Bundestages? Die eine Regelung geschaffen haben, die sie, mit den 6886 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 Dieter Wiefelspütz Bundestagsabgeordneten gleichstellt. Diese Zeit in Es ist - auch das möchte ich sagen - nicht so, daß der Volkskammer wird genauso behandelt wie eine hier irgendeine Seite für sich sozusagen den Nimbus einjährige Mitgliedschaft im Bundestag. Ich möchte der besseren Menschen oder der höheren Moral dem Kollegen Otto aus der CDU/CSU-Fraktion sehr beansprucht. Das ist nicht die Position, von der aus herzlich danken, der immer wieder mit Nachdruck hier irgend jemand redet - jedenfalls ich nicht. auf diese besondere Problematik hingewiesen hat. Wir haben in einem längeren Diskussionsprozeß (Lachen bei der CDU/CSU und der SPD) eine, glaube ich, insgesamt befriedigende Regelung Gerade weil wir alle Menschen sind, gerade weil gefunden, die keine - da stimme ich Herrn Schmidt niemand vor Versuchungen gefeit ist - ich werde ausdrücklich zu - Sonderrente für unsere Ostkolle- nachher noch die Doppelalimentation ansprechen, gen enthält, sondern berücksichtigt, daß die Zeit in über die inzwischen auch schon Grüne zum Gegen- der demokratischen Volkskammer im Jahre 1990 stand öffentlicher Diskussionen geworden sind -, genauso zu bewerten ist wie ein Jahr Tätigkeit im meine ich: Hier sind dringend klare gesetzliche Deutschen Bundestag. Das ist, glaube ich, völlig in Regelungen nötig, und dafür sind wir, der Bundesge- Ordnung. setzgeber, zuständig. Lassen Sie also diese Debatte (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der nicht auf eine persönliche Ebene abgleiten, sondern F.D.P.) betrachten Sie sie als das, was sie ist, als eine Debatte im Deutschen Bundestag über das angemes- Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Zu diesen sene, das beste Verfahren zur Neuregelung der Fragen ist fast alles gesagt worden. Mir selbst fällt zu Abgeordnetenentschädigung, zur Offenlegung von dem Thema Diäten und Versorgung von Abgeordne- Nebentätigkeiten und zur Vermeidung von Doppel- ten nicht mehr viel Neues ein. In der vorweihnachtli- alimentation. chen Zeit, in der wir uns befinden, habe ich eine herzliche Bitte an den Bundesrat, der nach uns zu Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist wie die entscheiden hat: Ich bitte den Bundesrat um eine anderen Fraktionen dieses Hauses der Meinung, daß kluge Entscheidung. Abgeordnete ordentlich bezahlt werden müssen, so, wie es im Grundgesetz steht: angemessen und ihre Herzlichen Dank. Unabhängigkeit sichernd. Ich sage deutlich: Es ist für mich in eminentem Maße eine Demokratiefrage, (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der daß dieses Amt allen Schichten der Bevölkerung, F.D.P.) allen Berufsgruppen offensteht. Deshalb darf die Ent- schädigung nicht nur nicht zu hoch, sondern sie darf Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster eben auch nicht zu niedrig sein, damit nicht spricht der Kollege Gerald Häfner. bestimmte Berufsgruppen in diesem Land von der Wahrnehmung eines Bundestagsmandates wegen zu starker Schlechterstellung in der Abgeordnetentätig- Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau keit gegenüber ihrem vorigen Beruf ausgeschlossen Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werden. habe hier heute morgen eine etwas schwierige Rolle; denn ich komme mir - auch nach den vielen Gesprä- Über den Maßstab, wie wir Abgeordnete entschä- chen mit den Kolleginnen und Kollegen in der letz- digen wollen, müssen wir selbst entscheiden. Der ten Woche - ein wenig vor wie jemand, der in die Versuch der Mehrheit dieses Haases, durch einen erwartungsgeschwängerte, vorweihnachtliche Vor- Diätensteigerungsautomatismus der Notwendigkeit, freude des Hauses, selbst hierüber zu entscheiden, zu entkommen, ist " gescheitert. Ich sage: Das ist gut so. Wir haben von (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Rede Anfang an gegen diesen Versuch gesprochen. doch keinen Quatsch!) Ich sage deutlich: Wer nach dieser Entscheidung in die allseitige Hoffnung auf eine reiche Bescherung des Bundesrates, die Verfassungsänderung, die hier hineinplatzt und sie stört. im Haus beschlossen worden ist, nicht zu bestätigen, jetzt weiterhin hier oder in der Öffentlichkeit weiter- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So eine hin den platten Vorwurf der Selbstbedienung Rede haben wir von Ihnen erwartet, Herr erhebt, der sollte sich einmal überlegen, was er sagt. Häfner! Zuruf von der CDU/CSU: Unter Denn der Bundestag ist gezwungen, selbst über Niveau! - Weitere Zurufe von der CDU/ diese Frage zu entscheiden. Eigentlich ist der Vor- CSU) wurf der Selbstbedienung im Grunde nichts, was uns - Lassen Sie es doch gut sein; das ist genau das, was anschwärzt, sondern etwas, was uns adelt; denn wir ich befürchtet habe. Ich bitte Sie herzlich, diese weichen dem nicht aus, sondern wir ringen immer Debatte als ein Ringen um die beste Lösung dieser wieder neu vor den Augen der Öffentlichkeit um das Frage zu betrachten richtige Verfahren und die richtige Höhe der Abge- ordnetenentschädigung. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Reden Sie doch keinen Stuß! Unverschämtheit!) Lassen Sie mich nun erstens etwas zur Höhe der Entschädigung und dem Mehrheitsentwurf sagen. Er und deshalb auch unserem Vorschlag aufmerksam orientiert sich weiterhin am Richtergehalt R 6 bzw. zuzuhören und dann nach Ihrer eigenen Überzeu- der Besoldungsgruppe B 6, nur erfolgt die Steige- gung zu entscheiden. rung jetzt etwas langsamer. Das heißt, die Steige- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6887

Gerald Häfner rungszahlen, die in der Öffentlichkeit zu Recht Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Diä- Empörung hervorgerufen haben, bleiben letztlich tenurteil schon 1975 geschrieben: unverände rt, lediglich die Steigerung erfolgt nicht im Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhän- gleichen Tempo. gigkeit des Abgeordneten droht heute nicht mehr Auch was den Maßstab der Anhebung betrifft, vom Staat, sondern eher von der politischen Par- meinen wir, daß Sie sich am falschen Maßstab orien- tei, der er angehört, und vor allem von einflußrei- tieren. Sie haben erneut die Beamtenbesoldung zur chen Gruppen der Bevölkerung. Grundlage genommen. Abgeordnete sind aber Ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treter des ganzen Volkes. Wir haben schon längst sowie bei Abgeordneten der SPD) viel zu viele Beamte unter den Abgeordneten. Ob es da richtig ist, jetzt auch noch die Entschädigung der Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfah- Abgeordneten an der Beamtenbesoldung zu orientie- ren, in wessen Sold der oder die einzelne Abgeord- ren, müssen Sie selbst wissen. nete in diesem Hause möglicherweise zusätzlich steht und wessen Interessen eventuell vertreten wer- Und schließlich das Verfahren: den. Deshalb haben auch wir die Offenlegung von Nebeneinkünften beantragt. Ich sage hier ganz klar: Es bleibt das Problem, daß es der Bundestag ist, Wir werden dem Antrag der Fraktion der SPD der regelmäßig über die Anhebung der Beamtenbe- zustimmen, weil wir so die Chance sehen, für einen soldung entscheidet, und daß derselbe Bundestag, solchen Antrag auch eine Mehrheit im Bundestag zu sich daran orientierend, dann über die Diäten ent- finden. Darum möchte ich hier ausdrücklich noch scheidet. Sie weichen damit dem Dilemma nicht nur einmal um Ihre Zustimmung werben. nicht aus, im Gegenteil: Sie schaffen ein neues. Sie belasten jede künftige Entscheidung des Hauses (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über die Anhebung der Beamtenbesoldung mit der sowie bei Abgeordneten der SPD und der unmittelbaren Verbindung, die dann zur Abgeordne- PDS) tenentschädigung hergestellt wird. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil bereits Und wir behalten uns vor, die Frage der Doppelali- 1975 hingewiesen. mentation, die ebenfalls Gegenstand unseres Antra- ges ist, weiterhin im Bundestag zu diskutieren. Wir Ihr Verfahrensvorschlag ist auch aus einem ande- halten es für ganz und gar unangebracht, daß Abge- ren Grunde völlig verfehlt: Anders als wir wollen Sie ordnete gleichzeitig noch aus anderen öffentlichen die Diäten nicht nachträglich anpassen, sondern Kassen Übergangsgelder, Versorgungsbezüge und immer schon für vier Jahre im voraus erhöhen. Sie ähnliches beziehen, also mehrfach aus öffentlichen stochern also erneut mit der Stange im Nebel; nie- Kassen alimentiert werden. Wir werden das erneut mand wird Ihre Zahlen verstehen. diskutieren. Daneben begeben Sie sich in ein fatales Dilemma. Genauso werden wir erneut über die Frage zu dis- Wenn Sie sagen: Wir erhöhen die Diäten um kutieren haben, ob unsere Altersversorgung richtig 1 Prozent, dann werden die Menschen sagen: „So geregelt ist. Wir meinen, daß eine Orientierung an wenig Zutrauen hat der Bundestag in die wirtschaft- der Altersversorgung, wie sie für die meisten ande- liche Entwicklung sowie in seine eigene Politik in ren in der Bevölkerung auch gilt, richtiger wäre als den nächsten vier Jahren! " Wollen Sie dagegen um 3 die jetzige Regelung. oder 4 Prozent erhöhen, werden alle sagen: „Schon Abschließend möchte ich einen Punkt erwähnen, wieder greift der Bundestag tiefer in die Kasse, als er in dem wir dem Entwurf von CDU/CSU und SPD es uns, dem Durchschnitt der Bevölkerung, zuge- ausdrücklich zustimmen. Es ist die Frage der Über- steht." gangsgelder. Übergangsgelder sind gerade für sol- che Abgeordneten nötig, die keine Beamten sind, Deshalb gibt es unseres Erachtens nur einen ange- sondern zum Beispiel nach längerer Abgeordneten- messenen und akzeptablen Maßstab. Es ist der, den tätigkeit als Selbständige in ihren Beruf zurückkeh- wir zur Grundlage unseres Gesetzentwurfs gemacht ren, zuvor aber sehr viel Zeit brauchen, um darin das, haben: Die Entschädigung der Bundestagsabgeord- was sie beruflich versäumt haben, aufholen zu kön- neten soll nicht mehr und nicht weniger steigen als nen. der Durchschnitt der allgemeinen Einkommen. Richtschnur ist die durchschnittliche Einkommenstei- Deshalb brauchen wir Übergangsgelder. Nach gerung im Vorjahr. dem Ausscheiden erzieltes Einkommen - das ist jetzt geregelt - muß auf die Übergangsgelder angerech- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) net werden. Sie haben die Anrechnung ab dem zwei- ten Monat vorgesehen. Wir hätten es gern von Das ist ein transparenter, klarer und für alle akzep- Anfang an angerechnet. Aber darüber wollen wir tabler Maßstab. Ich kann nicht verstehen, daß Sie uns nicht streiten. Schließlich haben Sie auch den diesem Vorschlag nicht folgen wollen. Bezugszeitraum von 36 auf 18 Monate gekürzt. Das Noch ein Punkt: Wir meinen, daß dringend eine halten wir für vernünftig und angemessen. Dem wer- generelle Offenlegung von Nebentätigkeiten und den wir ausdrücklich zustimmen. Nebeneinkünften gefordert werden muß. Die Bevöl- Ich danke Ihnen. kerung hat ein Recht darauf, zu erfahren, aus wel- chen anderen Kassen Abgeordnete Bezüge erhalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 6888 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der damit auch die Objektivität eines solchen Vorschla- Fraktionsvorsitzende der F.D.P., Herr Dr. Solms. ges unterstützt wird. Dafür gibt es ja viele gute Bei- spiele, und dafür hat sich seinerzeit auch die Verfas- sungskommission eingesetzt. Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- Das zweite Argument ist, daß Sie - CDU/CSU und legen! Ich will mit zwei Zitaten beginnen. Erstens. SPD - weiterhin das Ziel verfolgen, sich bei den Diä- ten am Richter- bzw. Beamtengehalt nach R 6 bzw. In einer parlamentarischen Demokratie läßt es B 6 zu orientieren. Das widerstrebt unserer grund- sich nicht vermeiden, daß das Parlament in eige- sätzlichen Auffassung, die Abgeordnetentätigkeit sei ner Sache entscheidet. eine Tätigkeit sui generis und könne nicht an irgend- Zweitens. einer Person oder irgendeiner Gehaltsstufe im öffent- lichen Dienst orientiert werden. Abgeordnete sind Gerade in einem solchen Fall verlangt aber das eben nicht Teil des öffentlichen Dienstes. demokratische und rechtsstaatliche Prinzip, daß der gesamte Willensbildungsprozeß für den Bür- (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Ger ger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den hard Zwerenz [PDS]) Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. Ich will das nicht weiter vertiefen; ich habe das (Beifall bei der F.D.P.) bereits vor einer Woche ausgeführt. Beide Zitate, meine Damen und Herren, sind Vor- Ich will noch eine Bemerkung - auch Herr Wiefels- gaben des Bundesverfassungsgerichtes aus dem pütz ist darauf eingegangen - zur Altersversorgung Jahre 1975. Sie sind der Grund dafür, daß wir heute der Versorgungsempfänger und Hinterbliebenen erneut über die Versorgung und die Ausstattung der und zur Dauer der Mitgliedschaft in diesem Hause, Abgeordneten zu entscheiden haben. Wir tun das die zur Erreichung der Höchststufe notwendig ist, nicht, weil wir raffgierig wären oder besonders hohe machen. Einkommen haben wollten, sondern wir tun es, weil es so vorgesehen ist und weil die Abgeordneten Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Liebe Kolleginnen natürlich anständig ausgestattet sein müssen, damit und Kollegen, darf ich um etwas mehr Ruhe im Saal es für alle Berufsgruppen in dieser Gesellschaft loh- bitten. Der Geräuschpegel ist einfach zu hoch. nend und attraktiv erscheint, ein Amt als Abgeordne- ter anzustreben und aufzunehmen. Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Ich teile in diesen Das sage ich ganz ausdrücklich, obwohl wir unter- beiden Punkten ausdrücklich seine Meinung, und schiedliche Vorlagen für die Beschlußfassung haben. wir haben ja in unserem Vorschlag, wie ich meine, Es gibt drei Gesetzesentwürfe: den der CDU/CSU bessere Ideen unterbreitet. und der SPD, den der Grünen sowie den der F.D.P. (Beifall bei der F.D.P.) CDU/CSU und SPD schlagen vor, die Bezahlung der Abgeordneten, die sogenannten Diäten, zunächst Aber leider konnten Sie sich auch in der Beratung einmal in vier Stufen auf 12 875 DM anzuheben. Die dieser Woche nicht dazu bereit finden - obwohl ich F.D.P. schlägt vor, in zwei Stufen auf 12 000 DM zu weiß, daß viele einzelne in Ihren Fraktionen unsere gehen. Meinung in diesen Punkten teilen -, hier eine Ände- rung herbeizuführen. Ich halte einen Zeitraum von Ich sehe in diesem Unterschied keinen Grund, 23 Jahren für zu lang. Das veranlaßt ja auch Abge- Ihrem Gesetzentwurf, dem der CDU/CSU und der ordnete, länger im Parlament zu bleiben, als dem - SPD, entgegenzutreten oder ihn abzulehnen. Der Gemeinwohl eigentlich dienlich wäre. Unterschied ist geringfügig, von der Höhe her könnte man dem ohne weiteres zustimmen. Das sage (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ich hier ganz ausdrücklich für die F.D.P.-Fraktion. entscheidet der Bürger, nicht der Abgeord nete!) (Zuruf von der CDU/CSU: Dann macht es doch!) Das muß man offen bekennen. Ich glaube, es ist nicht gerechtfertigt, daß die Versorgungsempfänger Der Gesetzentwurf der Grünen sieht eine Erhö- und deren Hinterbliebene schon heute schlechterge- hung auf nur 10 615 DM vor. Ich meine, das ist nicht stellt werden und durch die Anpassungsregelung ausreichend und schon von daher nicht zustim- noch einmal einen Nachteil hinnehmen müssen. Das mungsfähig. betrifft im übrigen auch die Abgeordneten dieses Hauses, die heute hier sind, wenn sie zu Versor- Es sind zwei andere Gründe - das habe ich vor gungsempfängern werden; denn bei den neuen einer Woche hier schon dargelegt -, warum wir aus grundsätzlichen Erwägungen eine andere Meinung Basiszahlen ist eine Kürzung der Versorgung nicht haben. Der eine bezieht sich auf die zukünftigen mehr angemessen. Anpassungen, den Anpassungsmechanismus. Wir Schließlich zwei zusätzliche Bemerkungen zur schlagen vor, daß die Initiative für zukünftige Anpas- Verkleinerung des Bundestages und zur Frage der sungen von einer unabhängigen Kommission, die Offenlegung der anderen Tätigkeiten von Abgeord- beim Bundespräsidenten angesiedelt ist, ausgehen neten. Derzeit ist ja jeder Abgeordnete verpflichtet, soll, alle beruflichen und außerberuflichen Tätigkeiten (Beifall bei der F.D.P.) bei Unternehmen, öffentlichen Körperschaften und Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6889

Dr. Hermann Otto Sohns Vereinen anzugeben. Das ist schon heute so. Die Nach meiner Rede zur ersten Lesung mußte ich mir Angaben werden veröffentlicht; sie sind im Bundes- von Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hause tagshandbuch von jedermann nachzulesen. Sie las- Bemerkungen wie „Nestbeschmutzer" und „Schä- sen genügend Rückschlüsse zu, ob irgendwo unzu- men Sie sich nicht?" anhören. Warum eigentlich? lässige Interessenverknüpfungen bestehen können. Weil ich Ihnen den Spiegel vor Augen gehalten Dem ist also Genüge getan. Die Tätigkeit und nicht habe? Weil ich Sie daran erinnert habe, daß Sie ein die Bezahlung ist das Hauptindiz für solche Interes- wahres Streichkonzert „Sozialabbau" spielen und senverknüpfungen. das Finale noch lange nicht erreicht ist? Bei den Diä- ten aber gehen Sie vom Trommelwirbel zum Pauken- (Zuruf von der SPD: Das ist neu!) schlag über. Gleichwohl ist jeder von uns schon heute verpflich- Kollege Schmidt, ist eine Erhöhung um 1 000 DM tet, ab einer bestimmten Höhe auch die Bezüge für im Monat maßvoll? Wenn man die Steuern abzieht, diese Tätigkeit mitzuteilen, und zwar der Bundes- ist das noch immer mehr als der Sozialhilfesatz. Ich tagspräsidentin. kann da kein Maß mehr erkennen. Es mag hier Klarstellungsbedarf geben. Deswegen (Beifall bei der PDS) unterstützen wir auch den Antrag an den Geschäfts- ordnungsausschuß, das zu überprüfen und uns einen Ich soll mich schämen, weil ich Ihnen vorgehalten neuen Vorschlag zu machen, soweit das notwendig habe, daß Sie einer Mehrheit in die Taschen greifen, erscheint. Den gläsernen Abgeordneten lehnen wir um einer Minderheit die Taschen zu füllen - all das ab, und zwar nicht aus Angst vor der Veröffentli- vor Weihnachten, dem Fest der Barmherzigkeit und chung oder wegen der Befürchtung, die notwendige Nächstenliebe? Nein, meine Damen und Herren, ich Transparenz könnte nicht entstehen, sondern allein schäme mich nicht, weder für die letzte Rede noch aus dem Grund, weil die Gefahr entstünde, daß die für diese. Rechte und Interessen von dritten Personen betroffen Die PDS hat, wie in der Rechtsstellungskommis- wären. Wie ist es denn mit der Ehefrau oder mit der sion vereinbart, rechtzeitig und schriftlich ihre Vor- geschiedenen Ehefrau? schläge zur Reform der Abgeordnetenentschädigung eingebracht. Natürlich, sie passen nicht in den (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Bauen gesetzten Rahmen. Sie sind sozusagen systemfremd Sie doch keinen Popanz auf!) und waren deshalb keiner Diskussion we rt. Wie ist es denn mit den Geschäftspartnern oder dem In kurzer Fassung möchten wir heute unsere Vor- Geschäftspartner? Wie sieht es denn mit den Man- schläge als Entschließungsantrag zur Abstimmung danten der Menschen, die den freien Berufen ange- stellen. Wir schlagen folgendes vor: hören, aus? Hier wären Probleme durch eine Offenle- gung nicht auszuschließen. Deshalb bitte ich darum, Erstens. Keine Diätenerhöhung rückwirkend für dies im Geschäftsordnungsausschuß noch einmal 1995. Künftige Erhöhungen sollten sich unserer Auf- gründlich zu beraten und dann zu beschließen. fassung nach an den Steigerungssätzen für den Regelbedarf nach § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Beifall bei der F.D.P.) richten. Schließlich noch eine abschließende Bemerkung Zweitens. Vollständige Offenlegung von Neben- zur Verkleinerung des Parlamentes. Auch hier tra- verdiensten und Nebentätigkeiten im Sinne von § 2 gen wir die vorgelegte Entschließung mit. Wir unter- des Einkommensteuergesetzes, Überprüfung mögli- stützen sie. Ich weise noch einmal darauf- hin, daß cher Interessenkonflikte zwischen Nebentätigkeit sich die F.D.P. entgegen dem, was hier teilweise ver- und Abgeordnetentätigkeit. Hier geht es nicht um breitet worden ist, nicht grundsätzlich einer Verklei- Neugierde oder ähnliches. Hier geht es auch nicht nerung des Parlaments verschließt. Sie will aber darum, andere anzuschwärzen. Hier geht es tatsäch- sichergestellt wissen, daß diese, wenn sie als notwen- lich um die Frage der Vereinbarkeit von Abgeordne- dig erachtet wird, ohne Manipulation des Wahlrech- tentätigkeit und möglichen Nebentätigkeiten in tes geschieht. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Form von Gutachtertätigkeit, Rechtsanwaltstätigkeit den beiden großen Fraktionen dafür, daß sie jetzt usw. Es geht auch um die Feststellung, ob eine mög- klargestellt haben, daß eine solche Manipulation liche Doppelbelastung die Tätigkeit als Abgeordne- nicht in ihrer Absicht liegt. ter beeinträchtigt. Vielen Dank. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Drittens. Versorgungsansprüche aus dem öffentli- ten der CDU/CSU) chen Dienst müssen stärker als bisher berücksichtigt werden.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht Viertens. Ganz und gar nicht in das bestehende die Kollegin Dagmar Enkelmann. System paßt unser Vorschlag, Abgeordnete wie die Mehrheit der Bevölkerung sozialversicherungspflich- tig zu machen und sie vor allem in der Rentenversi- Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): Frau Präsidentin! cherung und der Arbeitslosenversicherung zu versi- Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir chern. Damit wären wir zumindest für den Fall der zunächst ein Wort in eigener Sache. Fälle abgesichert. Es gibt eine ganze Reihe von Kol- 6890 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 Dr. Dagmar Enkelmann leginnen und Kollegen aller Fraktionen, die nach der Einkommensentwicklung von Parlamentariern an 12. Wahlperiode ausgeschieden sind und keinen andere Bezugsgrößen ausschließt, wiewohl das in Anspruch auf Arbeitslosengeld, eine bezahlte zahlreichen, wenn nicht sogar in den meisten ande- Umschulung usw. hatten. Für diese war die Über- ren Demokratien dieser Erde der Normalfall ist. Die gangsregelung zunächst einmal notwendig. Hätten pathetische Einforderung der jährlichen Debatte wir eine Sozialversicherungspflichtigkeit, könnten über unsere Bezüge halte ich durchaus nicht für wir auf einen Großteil der Übergangsgelder verzich- einen integralen Bestandteil von Demokratie. ten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD Ich denke, es ist nach außen schwer vermittelbar, sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜND daß jemand, der nach seinem Ausscheiden aus dem NIS 90/DIE GRÜNEN]) Bundestag in die freie Wirtschaft geht und dort im Jahr 200 000 DM und mehr verdient, zusätzlich noch Alle anderen Bezugsgrößen werden auch nicht im mehrere 10 000 DM an Übergangsgeldern kassiert. geheimen festgelegt. Daß hier eine Anrechnung erfolgt, ist mehr recht als Der Deutsche Bundestag wollte dies nun ein für billig. allemal durch die Orientierung an der Besoldung (Beifall bei der PDS) von Richtern bei einem obersten Bundesgericht nach Meine Damen und Herren, die PDS wird dem SPD- der Gruppe R 6 regeln. Die Angleichung sollte in Antrag zur Offenlegung zustimmen, ich gestehe: mit mehreren moderaten Schritten in den kommenden großen Bauchschmerzen. Wir hätten ihn uns wesent- Jahren erfolgen. Diese Zielvorgabe gab es bereits im lich konkreter gewünscht. Das, was an Formulierun- Jahre 1977 mit der Festlegung der Abgeordnetenbe- gen enthalten ist, ist ziemlich schwammig. Ich züge auf die Einkommenshöhe kommunaler Wahlbe- fürchte, daß der Antrag, selbst wenn er angenommen amter auf Zeit in der entsprechenden Besoldungs- wird, im Endeffekt nicht allzuviel bewirken wird. Es gruppe B 6. Zwischen 1977 und heute hat der Deut- wird aber zumindest ein Zeichen gesetzt - dafür sche Bundestag, weil es eben nie paßt, neun Nu ll wünschte ich mir eine Mehrheit -, vor allen Dingen Runden eingelegt und ansonsten nur geringfügige für die Abschaffung von Privilegien für Abgeordnete. Erhöhungen beschlossen. Die Einkommen leitender Angestellter, zu denen, meine Damen und Herren, Dem Antrag der „Großen Koalition" können wir viele der Korrespondenten und ' Kommentatoren in selbstverständlich nicht zustimmen. Wir werden ihn den Medien zu rechnen sind, ablehnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Lassen Sie mich einen Weihnachtswunsch äußern, ordneten der F.D.P. und der SPD) denn wir sitzen heute das letzte Mal vor Weihnach- ten zusammen. Verzichten wir heute wenigstens auf stiegen in jenen 18 Jahren um 143 Prozent, die der die rückwirkende Erhöhung der Diäten zum Bundestagsabgeordneten um 38 Prozent. Ein Richter 1. Oktober 1995! Ich denke, das tut uns allen nicht in der Besoldungsgruppe R 6 verdient heute rund weh. Wir nagen nicht am Hungertuch. Dieser Schritt 4 000 DM mehr als ein Bundestagsabgeordneter. Daß könnte aber, denke ich, ein Beitrag sein, um das die Präzisierung des Art. 48 Abs. 3 des Grundgeset- lädierte Ansehen des Parlaments wenigstens etwas zes - Herr Kollege Wiefelspütz, damit beziehe ich aufzubessern. mich noch einmal auf das, was Sie gesagt haben - gescheitert und das Achtzehnte Änderungsgesetz (Beifall bei der PDS) zum Abgeordnetengesetz damit obsolet geworden ist, hat nichts - das erscheint mir ganz wichtig - mit Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als- nächster dem Nein von F.D.P., Grünen und PDS in der Abstim- spricht der Kollege Hans Klein. mung am 21. September zu tun, die mit ihrem Votum in der Minderheit geblieben sind. Hans Klein (München) (CDU/CSU): Frau Präsiden- Um jeglicher Legendenbildung vorzubeugen, muß tin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir auch festgehalten werden: Das Reformpaket ist auch stimmen heute über einen Entwurf ab. Herr Kollege nicht an'd e r SPD gescheitert, sondern ausschließlich Wiefelspütz, ich kann Ihnen nur zustimmen: Es ist an den Neinstimmen aus den SPD-regierten Bundes- unter den gegebenen Umständen keine optimale ländern im Bundesrat. Lösung erreicht worden. Wir leiden einfach darunter (Zustimmung bei der CDU/CSU) - dies ist so, solange ich zurückdenken kann -, daß es den passenden Zeitpunkt für die Erhöhungen von (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Burkhard Abgeordnetenbezügen nie gibt. Hirsch) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Ich versage es mir, noch einmal auf die - entschul- ordneten der F.D.P., der SPD und des digen Sie - peinliche Hemmungslosigkeit einzuge- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) hen, mit der beispielsweise der hessische Minister- präsident Eichel bei gesicherten eigenen Höchstbe- Der Vorwurf, meine Damen und Herren, der zügen unqualifizierte Kritik an unseren Gesetzent- Selbstbedienung wird so lange erhoben werden kön- würfen geübt hat. nen, solange das Grundgesetz zwar den Anspruch auf angemessene, die Unabhängigkeit der Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge neten sichernde Entschädigung festlegt, höchstrich- ordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/ terliche Rechtsprechung aber die Anknüpfung der DIE GRÜNEN und der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6891

Hans Klein (München) Er befand sich dabei freilich in der prominenten wird, während er bei uns grundsätzlich als verdäch- Gesellschaft einzelner Politikerinnen und Politiker, tig gilt. die ehedem mit Hilfe ihrer Parteien hohe Ämter erlangt hatten, dann unser Parteiensystem schärfster (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Kritik unterzogen und - im Genuß von Ruhestands- bezügen, die weit über den Abgeordneteneinkom- Über Bezüge - darin folge ich nicht dem Text des men liegen - eine vernünftige Diätenregelung öffent- Antrages der SPD -, die sich vielleicht überhaupt nur lich denunzierten. ergeben, weil man ein Mandat hat, könnte und sollte man vielleicht ernsthaft diskutieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der SPD und der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und des BÜNDNISSES 90/ Zu den amtierenden Kolleginnen und Kollegen, DIE GRÜNEN - Wolf-Michael Catenhusen die gegen die Grundgesetzpräzisierung, die Orien- [SPD]: Nur Mut!) tierung an der Besoldungsgruppe R 6 oder gegen bestimmte Erhöhungsschritte waren und sind, wi ll Nachdenken über unsere Arbeit gehört zu dem ich nur sagen, daß ich fast jedes Motiv für diese Hal- gesamten Reformpaket. Es besteht ja nicht nur aus tung gelten lasse - es sei denn, es wird als einzig der Erhöhung der Abgeordnetenbezüge. Nachden- legitim, als einzig sozialbewußt oder als einzig mora- ken über unsere Arbeit, über den Stil, über die Wort- lisch dargestellt. Wer aus reinen Opportunitätserwä- wahl, die wir im Umgang miteinander verwenden, gungen mit Blick auf publizistische Wirkung ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt. Wir können noch (Zuruf von der SPD: Wie die F.D.P.!) so viele PR-Maßnahmen beschließen und finanzie- ren: In erster Linie werden wir an unserer eigenen und damit auf die Wähleröffentlichkeit handelt, ist Aufführung gemessen. aus meiner Sicht auch nicht kritisierbar. Schließlich bewegt sich unsere Arbeit immer in dem Spannungs- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, feld zwischen dem Eingehen auf öffentliche Mei- der F.D.P., der SPD und des BÜNDNISSES 90/ nungsströmungen, also der Artikulation bestimmter DIE GRÜNEN) Interessenlagen, und der Formulierung und Durch- setzung längerfristiger gemeinwohlorientierter Ziele. Diese steht - auch das muß fairerweise angefügt werden - oft in einem erstaunlichen Gegensatz zur Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Leistung dieses Hauses, die nämlich sehr hoch ist. Kollege Wiefelspütz hat - drittes Zitat, Herr Kollege Das Engagement jedes einzelnen Kollegen und jeder Wiefelspütz - daran erinnert, daß es im versorgungs- einzelnen Kollegin, der Arbeitseinsatz, auch das und übergangsrechtlichen Teil dieses Entwurfes Pflichtbewußtsein lassen sich sehen. Das brauchen eine Reihe von Problemstellen gibt. Mein für seine wir vor niemandem zu verstecken. Aber was wir tun, besessene Sorgfalt bekannter Kollege Scheu ist, daß wir es gegenseitig anzweifeln, herunterma- (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Das ist aber noch chen und in den Schatten zu stellen versuchen. zurückhaltend ausgedrückt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P hat da einen ganz bestimmten Punkt herausge- sowie bei Abgeordneten der SPD und des hoben, der sich auf den - nach seiner Meinung - auf- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gehobenen Vertrauensschutz bezieht. Ich glaube, hier haben wir im Laufe der Zeit noch einiges zu Wenn ich von dieser Leistung spreche, meine ver- überdenken. ehrten Kolleginnen und Kollegen, dann denke ich - ebenfalls daran, daß der Deutsche Bundestag soeben (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wir über einen Etat von 451 Milliarden DM beraten und haben auch vieles klargestellt!) ihn verabschiedet hat. Ein Drittel dieser Summe ist für vorgesehen. Frau Kollegin Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir ein soziale Leistungen Enkelmann, es tut mir leid, daß ich Ihnen heute nicht paar Sätze zum Thema Offenlegung. Was mein Kol- mit einer Sympathiebekundung begegnen kann: lege Andreas Schmidt gesagt hat, halte ich für eine Was Sie eben gesagt haben, halte ich für absolut sehr treffende Formulierung: Wir wollen keine Privi- unzulässig. legierung - diese dürfen wir auch nicht wollen -, aber wir wehren uns auch gegen Diskriminierung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, Ich sage das jetzt nur ganz allgemein: Herr Kollege der F.D.P., der SPD und des BÜNDNISSES 90/ Conradi, Sie haben schon des öfteren aus anderen DIE GRÜNEN - Dr. Dagmar Enkelmann Systemen ein Beispiel für unsere Arbeit ausgewählt. [PDS]: Das ist eine Tatsache! - Joseph Darin liegt immer die große Gefahr, daß man punktu- Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ ell etwas scheinbar Attraktives aus einem anderen NEN]: Ist das die neue Linie gegenüber der System herüberholt, ohne den gesamten histori- PDS? - Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: schen, sozialen und bewußtseinsmäßigen Hinter- Weiter so!) grund eines solchen Systems einzubeziehen. Das gilt auch für die Frage der Offenlegung, wenn wir uns - Herr Kollege Fischer, beruhigen Sie sich; Sie wis- beispielsweise mit den Amerikanern vergleichen sen ja, daß ich auch für Sie gewisse Sympathien würden, wo nämlich p rivater wirtschaftlicher Erfolg hege. etwas ist, was von der Öffentlichkeit bewundert (Oh-Rufe im ganzen Hause) 6892 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Hans Klein (München) Sie sind, Herr Kollege Fischer, nicht politischer, auch sungsrechtliche Bedenken und man brauche noch nicht persönlicher Natur. Zeit zur Beratung - und deshalb auch wohl der Ver- tagungsantrag aus dem Regierungslager. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Wie denn?) Dazu stelle ich fest: Erstens. Unser Antrag ist allen Meine Damen und Herren, die wirklich moderate Abgeordneten seit Anfang September bekannt. Zeit Erhöhung unserer Bezüge in irgendeinen Zusam- genug war vorhanden. menhang zu bringen mit den sozialen Verhältnissen Zweitens. Conradi und ich haben vor zwei Jahren in unserem Lande, für die der Bundesetat einen vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages Betrag von über 150 Milliarden DM ausweist, halte zwei Gesetzentwürfe erarbeiten lassen. Der eine Vor- ich für billigste Polemik. schlag lautet, die Steuererklärung zu veröffentli- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) chen, wie es zum Beispiel in den USA und auch in anderen westlichen Demokratien geschieht. Kollege Aber ich möchte nicht mit einem solchen harten Klein, es ist doch gut, wenn gut verdient wird, ehr- Satz schließen, sondern Ihnen für den Fall, daß der lich Steuern gezahlt werden und das auch bei Politi- Deutsche Bundestag heute über 15 Uhr hinaus tagen kern kontrollierbar ist. wird - bis 15 Uhr habe ich nachher „Dienst" in der Sitzungsleitung -, sagen: Danke für die sympathi- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) sche Zusammenarbeit! Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr! Aber wir haben dies nicht zur Abstimmung gestellt, weil dazu wohl eine Verfassungsänderung notwen- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. dig gewesen wäre. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der andere Vorschlag, unser Gruppenantrag, nur die persönlichen steuerpflichtigen Nebeneinkünfte zu veröffentlichen, ist aber bei sorgfältiger Güterab- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Da wir an die- wägung zwischen Persönlichkeitsschutz und beson- sem Zeitpunkt noch nicht angelangt sind, erteile ich deren öffentlichen Pflichten von Abgeordneten dann jetzt das Wort dem Abgeordneten Norbert Gansel. verfassungskonform, wenn er auf der Grundlage eines Gesetzes realisiert wird, wie wir es vorgeschla- Norbert Gansel (SPD): Herr Präsident! Meine gen haben. Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stellt heute einen Antrag zur Wir alle, Mehrheit und Minderheit, haben dazu Abstimmung, mit dem wir den Bedenken auch aus beigetragen, daß viele Menschen mit der A rt und den eigenen Reihen Rechnung tragen wollen, daß Weise, in der wir hier über ihr Leben, über unser bei einer Veröffentlichung aller Einkünfte und Zusammenleben reden und oft genug entschei- Gewinne aus selbständiger Tätigkeit das Geschäfts- den, nicht zufrieden sind. Sie vermissen Orientie- geheimnis nicht gewahrt bliebe. Das könnte selb- rung und Stetigkeit, sie vermissen soziale ständige Handwerksmeister, Unternehmer und Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Mut. Das Anse- Unternehmerinnen, Rechtsanwälte und andere hen der parlamentarischen Demokratie hat aber davon abhalten, für den Bundestag zu kandidieren, auch Schaden genommen, weil an einigen Stel- und die Entwicklung hin zum Beamtenparlament len unseres öffentlichen Lebens und in der Wirt- beschleunigen. Wir wollen das nicht. Wir wollen schaft Unehrlichkeit, Vorteilsnahme und Korrup- diese Bedenken entkräften und auch dadurch hier tion um sich greifen. - und heute eine parlamentarische Mehrheit möglich So hat Peter Conradi im September unseren Grup- machen. penantrag begründet, mit dem alle Abgeordneten Wir beantragen deshalb heute die Pflicht zur jährli- verpflichtet werden sollten, alle ihre steuerlich rele- chen Offenlegung der Art und Höhe von Nebenein- vanten Nebeneinkünfte offenzulegen. künften nur in drei Fällen: erstens Einkünfte aus Für diesen Antrag haben damals nicht nur Abge- öffentlichen Kassen und zweitens aus Tätigkeiten ordnete aus der SPD, von den Grünen und aus der und Funktionen in Unternehmen und Institutionen, PDS gestimmt, sondern auch vier Abgeordnete aus an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. der CDU und zwei aus der F.D.P. Ich bezeuge ihnen ausdrücklich meinen Respekt. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Gansel, gestatten Sie eine Zwischenfrage unseres PDS) Kollegen Kubatschka? Ich hoffe, daß sie auch heute frei entscheiden kön- nen. Jeder von uns weiß, daß der Kollektivdruck - Norbert Gansel (SPD): Bitte sehr. Fraktionszwang gibt es ja offiziell nicht - dann am größten ist, wenn es um das Geld geht. Horst Kubatschka (SPD): Herr Kollege Gansel, Dieses Mal ist unser Gruppenantrag mit einer ähn- wenn der Antrag der SPD-Fraktion heute eine Mehr- lichen Initiative vom Bündnis 90 im Ausschuß von heit finden würde - ich würde das sehr begrüßen -, der SPD eingebracht und beraten worden. Er wurde bestünde dann die Möglichkeit, diesen Gesetzent- aber mit der Begründung abgelehnt, es gebe verfas wurf über eine Fristeinrede anzuhalten? Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6893

Norbert Gansel (SPD): Theoretisch ja. Wenn man sage ich dem Gesetzgeber, uns allen -, der kann sich aber einen solchen Antrag stellt, hat man ein Inter- nicht wie ein Richter bezahlen lassen und sich selbst esse daran, daß er angenommen wird. Deshalb fragt alle wirtschaftliche Freiheit lassen. man bei anderen Fraktionen, wie es dann weiterge- hen wird. Ich bin glücklich darüber, daß, wie es die (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Sprecher - Herr Häfner von den Grünen und Frau PDS) Enkelmann von der PDS - heute angekündigt haben, Für die Zukunft von Demokratie und Parlament in sie unseren Antrag unterstützen wollen. Das bedeu- Deutschland wird diese Abstimmung folgenschwerer tet nach meinen Informationen auch, daß auf eine sein als die Abstimmung über die Höhe der Diäten. Fristeinrede verzichtet wird. Diese Ausrede gibt es für diejenigen, die aus anderen Gründen nicht (Zustimmung bei der SPD) zustimmen wollen, nicht. Parteiprogramme und Fraktionsdisziplin gehören zu (Beifall bei Abgeordneten der SPD) unserer Demokratie. Zu unserer Demokratie gehören aber auch - Ich wiederhole: Wir wollen die Pflicht zur Offenle- gung nur in drei Fällen: erstens Einkünfte aus öffent- Herr Kollege, lichen Kassen, zweitens aus Tätigkeiten und Funktio- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Sie müssen zum Schluß kommen. nen in Unternehmen und Institutionen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. In der dritten Fall- gruppe sollen alle Einkünfte - ich zitiere - „aus selb- Norbert Gansel (SPD): - das ist mein letzter Satz, ständigen und nichtselbständigen Tätigkeiten, die Herr Präsident - unser Anspruch und unsere Pflicht, auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame unsere persönlichen Entscheidungen im Parlament Interessenverknüpfungen hinweisen können", offen- vor den Wählerinnen und Wählern individuell zu gelegt werden. Das, Kollege Solms, hat nichts mit der rechtfertigen. geschiedenen Ehefrau zu tun, es sei denn, man gibt Die SPD beantragt deshalb eine namentliche bei der Präsidentin vertraulich andere Einkünfte an Abstimmung. Es geht nicht um den gläsernen Abge- als vor Gericht, wenn die Unterhaltsverpflichtung ordneten, sondern um den Abgeordneten, der sich festgestellt werden soll - und das wäre ja eigentlich öffentlich verantwortet und kontrollieren läßt. ein ganz produktiver Nebeneffekt. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Wer meint, unserer Formulierung im Bundestag GRÜNEN und der PDS) nicht zustimmen zu können, weil sie nicht präzise genug sei, der muß wissen: Das ist eine Ausrede. Denn dieselbe Formulierung für die Anzeige von Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile dem Tätigkeiten ist schon heute geltendes Recht, aller- Abgeordneten Wilhelm Schmidt das Wo rt. dings, ohne die Verpflichtung zur Veröffentlichung der dazugehörigen Einkünfte. Aber gerade aus der Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sehr geehrter Höhe der Einkünfte ergeben sich Hinweise auf die Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- Gefährdung der vom Grundgesetz verlangten Unab- gen! Wir kommen zum Schluß einer parlamentari- hängigkeit von Abgeordneten. schen Betätigung, die uns in den vergangenen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wochen und Monaten sehr häufig beschäftigt und zum Teil in Atem gehalten hat. Ich persönlich muß Wir haben deshalb als Untergrenze 5 000 DM vorge- bekennen: Ich bin sehr froh darüber, daß wir das schlagen. Ende dieser Debatten erreicht haben, zumal ich meine, daß nun wirklich alle Argumente, auf allen Ähnliche Überlegungen gibt es inzwischen auch in Ebenen, in der Öffentlichkeit und hier im Parlament, der CDU/CSU-Fraktion; endlich bewegt sich etwas. ausgetauscht worden sind Sie haben unsere Vorschläge in der letzten Fraktions- sitzung mehrheitlich abgelehnt. Dennoch müßte es (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ dafür im Bundestag heute eine Mehrheit geben, DIE GRÜNEN]: Wilhelm, dann mach wenn alle Abgeordneten, frei von Fraktionsdisziplin, Schluß!) nach Überzeugung und Einsicht abstimmen, um das Ansehen des Parlaments und die Glaubwürdigkeit und wir mit Fug und Recht zu einem Ergebnis kom- unserer Demokratie zu verbessern. men können. Ich hoffe sehr, daß der Antrag, den die CDU/CSU gemeinsam mit der SPD hier eingebracht (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der hat, eine entsprechende Mehrheit findet, mindestens PDS) dergestalt, wie wir sie am 21. September - mit einer Zustimmung von 507 Abgeordneten - hatten. Wer Schattenwirtschaft bekämpfen will - sage ich in Richtung, der F.D.P. -, der muß auch bei den Tätig- Ich lasse dabei nicht außer acht, daß einige Kolle- keiten und Einkünften von Abgeordneten Transpa- ginnen und Kollegen in der SPD dem Antrag auch renz schaffen. Wer Schwarzarbeit bekämpfen wi ll - heute nicht zustimmen können. Ich respektiere noch sage ich in Richtung der Union -, muß auf die eigene einmal ausdrücklich ihre Gründe dafür. Ich will aber weiße Weste achten. Wer Privilegien abschaffen will auch mit Nachdruck für die große Mehrheit meiner - sage ich zu meiner Fraktion -, der muß bei seinem Fraktion hier die Meinung vertreten, daß wir uns als eigenen Status beginnen. Wer die Nebentätigkeit Abgeordnete bei dieser Debatte überhaupt nicht zu von Beamten genehmigungspflichtig gemacht hat - verstecken haben. Im Gegenteil, liebe Kolleginnen 6894 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Wilhelm Schmidt (Salzgitter) und Kollegen, wir sollten sie hier und in der Öffent- sind wir mit dieser Thematik beschäftigt; seit Januar lichkeit offensiv, mit aller Deutlichkeit, aber auch mit arbeiten wir daran sehr öffentlich. Wir halten dabei dem Selbstbewußtsein führen, das wir als Abgeord- mit nichts hinterm Berge. nete auch bei anderen Themen immer wieder an den Tag legen. Ich fordere ausdrücklich dazu auf. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der 90/DIE GRÜNEN) CDU/CSU) Wir brauchen uns überhaupt nicht zu verstecken, Ich will zum Schluß noch einmal vor dem Hinter- weder mit unserer Arbeitsleistung noch mit dem Ver- grund der Diskussionen, die wir gehabt haben und gleich zu anderen Berufsgruppen in der Bevölke- die wahrscheinlich auch mit der heutigen Debatte und der Entscheidung noch nicht ganz zu Ende sein rung, noch hinsichtlich der Tatsache, daß wir uns in werden, sowie im Hinblick auf die künftigen Rege- dieser Zeit in bezug auf die Staatsfinanzen in schwe- rem Fahrwasser befinden. Nach meiner Einschät- lungen bekräftigen: Wir sollten als Abgeordnete - ich habe das angedeutet - nicht nur selbstbewußt, son- zung können wir uns trotz aller dieser Verwicklun- gen und Verknüpfungen darauf konzentrieren, den dern ganz bewußt in die Öffentlichkeit treten und für unser Mandat und unsere Arbeit um Zustimmung Status des Abgeordneten der Öffentlichkeit gegen- werben. Wir haben uns doch überhaupt nicht zu ver- über klarzumachen. bergen mit dem, was wir hier im Hause und in den Was ist uns in den vergangenen Wochen und Wahlkreisen tun. Monaten nicht alles an den Kopf geschrieben und an den Kopf geredet worden l Wir haben uns manches Ich will damit in der Öffentlichkeit die Diskussion, Mal gegen Diffamierungen wehren müssen. Ich muß uns in die Pflicht zu nehmen und uns zu kontrollie- bekennen, ich war vorhin sehr bestürzt, daß Herr ren, gewissermaßen anheizen. Wir haben uns über- Häfner diese Art von Polemisierung und Provokation haupt nicht zu verbergen und zu verstecken. Wir noch einmal fortgesetzt hat. Ich finde das nicht ange- stellen uns dieser Debatte. Wir werden dafür kämp- messen. fen, daß die Akzeptanz für diese heutige Entschei- dung, aber auch für unsere sonstige parlamentari- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) sche Arbeit wieder ein höheres Maß erreicht, als das Man kann sich mit mir und mit anderen hier im in den letzten Tagen und Wochen der Fall gewesen Hause, die diese neue Regelung für die Entschädi- ist. gung der Abgeordneten vertreten, sicherlich darüber Wir müssen auch wieder mehr als bisher zu der unterhalten, ob das eine oder andere mehr oder einen oder anderen Sachdebatte zurückfinden. Dies, weniger angemessen ist. Aber in solcher Polemik läßt was wir hier und heute abschließen, ist ein ganz sich dieses Thema hier grundsätzlich nicht bewälti- wichtiger Kernpunkt der Parlamentsreform, ein ganz gen. Darum sage ich mit Nachdruck: Wir finden eine wichtiger Punkt der Beschäftigung, mit unseren eige- angemessene Lösung, eine vertretbare Lösung, auch nen Angelegenheiten. Aber die Diskussion hat auch was die Entschädigung bet rifft. Lassen Sie aber bitte manche Sicht auf notwendige Sachdebatten zu ande- alle - hier im Hause, aber auch in der Öffentlichkeit - ren Themen verstellt. Denen müssen wir uns jetzt dabei vor allem nicht außer acht, daß wir damit eine wieder nachdrücklich zuwenden können. Auch ganze Reihe weiterer Regelungen verknüpfen, insbe- dafür werbe ich ausdrücklich. sondere die Tatsache, daß wir bei der Versorgung, bei den Übergangsgeldern und bei manchen ande- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ren Regelungen erhebliche Einschnitte vornehmen,- ten der CDU/CSU) daß wir vor allen Dingen das Ganze als einen Teil der Parlamentsreform werten, die wir heute mit dem Meine Damen und Herren, wenn man so wie ich zweiten Schritt vollenden. von der ersten bis zur letzten Minute - ich bin ja hier Den ersten Schritt, nämlich die Veränderung der heute der letzte Redner - mit diesem Thema beschäf- Geschäftsordnung dahin gehend, mehr Lebendigkeit tigt ist, dann hat man eine ganze Menge Erfahrun- und Effizienz in den parlamentarischen Ablauf ein- gen gesammelt, zum Teil wahrscheinlich sogar Erfah- zuführen, haben wir schon im Sommer getan. Der rungen fürs Leben. Ich will das gar nicht unter den zweite Schritt ist der heutige: die Änderung der Tisch kehren. Struktur der Abgeordnetenentschädigung. (Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜND Ich will hinzufügen - wir bekräftigen dies ja noch NIS 90/DIE GRÜNEN)) einmal mit einem Antrag zur dritten Lesung -: Wir werden auch den dritten Schritt folgen lassen, näm- Das, was wir heute als Ergebnis präsentieren, ver- lich die Verringerung der Zahl der Bundestagsabge- trete ich sehr nachdrücklich für mich selbst, aber ordneten, an der wir bereits jetzt in einer extra dazu auch für große Teile dieses Hauses, auch wenn die einberufenen Kommission arbeiten. Dies ist die Kon- Debatte in der Öffentlichkeit nicht immer einfach zu sequenz, die hinter allem steckt. Diese Linie haben führen gewesen ist. wir seit Januar bis heute nicht verlassen. Wenn ich davon spreche, daß wir Erfahrungen Dies zum Ausdruck zu bringen gehört auch dazu, gemacht haben, dann will ich auch daran erinnern, wenn uns vorgeworfen wird, wir warden diese Rege- daß wir es mit einem hohen Maß an Heuchelei und lung im Hauruckverfahren durchführen. Seit Januar an Falschdarstellungen in der Öffentlichkeit zu tun Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6895

Wilhelm Schmidt (Salzgitter) gehabt haben. Diese weise ich noch einmal mit weil für mich mit der Orientierung der Abgeordne- Nachdruck zurück. tenbezüge am Maßstab der Richterbesoldung diesen Bezügen eine Größe vorgegeben wird, die die Ange- (Beifall bei der SPD) messenheit im Art. 48 des Grundgesetzes endlich bestimmt und damit einen Bezug zu anderen Verfas- Ich fordere ausdrücklich dazu auf, sich mit den wah- sungsorganen festgeschrieben hätte. ren Inhalten des Reformwerks zu beschäftigen. Allerdings war mir damals die Anhebung der Diä- Ich meine, dazu gehört auch, Dank abzustatten: ten zu schnell und zu umfangreich, weswegen ich Dank an die Mitglieder der Rechtsstellungskommis- dann gegen das Ausführungsgesetz gestimmt hatte. sion, die sich über zehn Monate mit dieser Materie Mein Grund: Man ist auch für Entscheidungen ver- beschäftigt und so manchen Abend und so manche antwortlich, die man in der Vergangenheit nicht zu Nacht dazu verwandt hat, sich mit den Einzelheiten fällen gewagt hat. auseinanderzusetzen. Ich sage allen Mitgliedern der Kommission für die kollegiale Zusammenarbeit sehr Das war allerdings kein Plädoyer für eine Null- herzlich ein kräftiges Dankeschön. runde. Gute Gründe für Nullrunden bei den Abge- ordneteneinkommen sehe ich auch in Zukunft unge- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) zählte. Es wird dafür immer auch öffentlichen Druck Ich will zum Schluß noch eines zum Ausdruck brin- geben. Gute Gründe zur angemessenen Bewe rtung gen: Wir wären heute wahrscheinlich nicht so weit, von Parlamentsarbeit sind diese aber nach meiner wenn sich nicht zwei Mitglieder dieses Hauses sehr Auffassung nicht. nachdrücklich an die Spitze dieser Bewegung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU gesetzt und trotz manchen schweren Fahrwassers und der SPD) und trotz mancher Verunglimpfung, die sie unge- rechterweise erreicht hat, dieses Thema immer wie- Diese Angemessenheit, nämlich der Verfassungs- der nach draußen getragen und verteidigt hätten. rang von Parlamentariern, ist letztendlich - das ist Deswegen ein ganz besonderes Dankeschön an Frau meine tiefe Überzeugung - überhaupt nicht durch Präsidentin Süssmuth und an Vizepräsident Klose. Geld zu gewährleisten, allerdings durch öffentliche des Abgeordnetenberufes und auch - dafür (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU Achtung werbe ich besonders - durch die Selbstachtung der sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜND Abgeordneten. NIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Lassen Sie uns diese Debatte heute mit einem ein- bei der CDU/CSU und der SPD) deutigen Votum abschließen, das unsere Position in der Öffentlichkeit zurechtrückt und festigt sowie Ich bedauere sehr, daß beides durch die Debatten unsere Arbeit stärkt. der letzten Wochen und Monate erheblich gelitten hat, und denke, daß es dem Parlament insgesamt Ich danke Ihnen. guttut, daraus Lehren zu ziehen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU Mit der Selbstachtung muß das anfangen. Wir soll- sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜND ten umgehend die von uns beschlossene Reform des NIS 90/DIE GRÜNEN]) Parlamentsbetriebes inklusive der Stärkung der Oppositionsrechte, der öffentlichen Ausschußarbeit und auch der Stärkung der Rechte der einzelnen Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich- schließe damit die Aussprache und erteile das Wort zu einer Abgeordneten in die Praxis umsetzen. Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung Frau (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Antje Vollmer. sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir täten auch gut daran - das fehlt mir bisher -, (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dr. Antje Vollmer uns bei künftigen Diskussionen um die Angemessen- Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich heit von Diäten intensiv mit den sogenannten Partei- werde mich bei der Abstimmung zum Gesetzentwurf steuern zu beschäftigen, die von Abgeordneten aller der CDU/CSU und SPD - anders als meine Fraktion - politischen Richtungen an ihre Parteien abgegeben der Stimme enthalten. Ich werde mich auch bei der werden. Abstimmung zum Gesetzentwurf meiner Fraktion der Stimme enthalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Ich möchte das wie folgt begründen: Im September PDS) hatte ich für die Grundgesetzänderung, aber gegen das Ausführungsgesetz gestimmt. Ausschlaggebend Die Einkommen von Abgeordneten von den Ein- waren für mich dabei folgende Überlegungen: Die nahmen der politischen Parteien deutlicher zu tren- ausdrückliche Orientierung an einem festen Maß- nen, als das bisher der Fall ist, würde dem Gebot des stab statt des unbestimmten Begriffes der Angemes- Bundesverfassungsgerichts aus seinem Urteil von senheit halte ich immer noch - wie damals - für rich- 1975 gerecht werden und, was künftige Diätenerhö- tig, hungen betrifft, dem Parlament größere Spielräume (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) in Richtung geringerer Anpassungen verschaffen. 6896 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 Dr. Antje Vollmer Der Gesetzentwurf meiner Fraktion sieht für Mehrheit dieses Hauses ganz andere Beträge für künftige Anpassungen ebenso wie die Entwürfe der angemessen gehalten, als sie jetzt festgelegt werden. anderen eine Orientierungsgröße vor, was ich aus- drücklich befürworte. Gleichwohl scheint mir die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Auswahl der Indizes zur Ermittlung der Bezugsgröße Mir fehlt jegliche Begründung, warum das, was vor „allgemeine Einkommensentwicklung " etwas belie- einigen Wochen angemessen gewesen sein soll, jetzt big. Der Abgeordnete als Schnittmenge aus BAT, nicht mehr angemessen ist. Sozialhilfe und Beamtenbesoldung wirkt mir im Ver- gleich zur Bezugsgröße „Richter" weniger stichhal- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, tig. Den Vergleich zu den Richterbezügen habe ich der F.D.P. und der SPD) besonders deswegen unterstützt, weil es für mich um Diejenigen, die in diesem Hause dafür verantwort- die Stärkung der Unabhängigkeit geht, und da ist lich sind, müssen sich darüber im klaren sein, daß sie der Richter der bessere Vergleich. einem Druck zurückweichen, der von einem deut- schen Hochschulprofessor mit drittklassigen Argu- (Unruhe) menten erzeugt worden ist. Unabhängigkeit - das zum Schluß - beweist sich (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) bei uns bei jedem einzelnen in seiner Praxis, und zwar im Reden und im Handeln. Meine Damen und Herren, glauben Sie nur nicht, daß dieses Zurückweichen den Rang dieses Parla- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ments in irgendeiner Weise erhöht. Nein, es beschä- und der SPD sowie bei Abgeordneten der digt unseren Ruf eher. CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Meine Kolle- Ein Wort zu der Altersversorgung. ginnen und Kollegen, Sie müssen den Rednern, die von ihren parlamentarischen Rechten Gebrauch machen, auch Gelegenheit geben, ihre Auffassung Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, vorzutragen. Ich bitte wirklich um etwas mehr Auf- Entschuldigung, ich muß Sie wie auch die anderen merksamkeit. Kollegen bitten, sich an den Rahmen des § 31 unse- rer Geschäftsordnung zu halten. Ich gebe das Wort zu einer weiteren Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung dem Kollegen (CDU/CSU): Ich werde der Rege- Horst Eylmann. Horst Eylmann lung der Altersversorgung nicht zustimmen, Herr Präsident, weil ich es für unangemessen halte, daß Horst Eylmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine wir Diäten als angemessen festsetzen, aber für die sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde den ausgeschiedenen und jetzigen Mitglieder dieses Par- von Herrn Gansel vorgeschlagenen Entwurf ableh- laments einen fiktiven Betrag festsetzen, der unter nen. Ich werde aber auch dem Gesetzentwurf der diesem angemessenen Betrag liegt. Union und der SPD nicht zustimmen. Da ich nicht in (Beifall bei der F.D.P.) den Geruch kommen möchte, dies zu tun, weil ich die darin vorgesehenen Diäten für zu hoch halte, Der Begriff der Angemessenheit ist unteilbar. gestatten Sie mir einige Worte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir mit der Den von Herrn Gansel gemachten Vorschlag lehne Diätenregelung so fortfahren, wie wir das in den letz- ich deshalb ab, weil ich jegliches Sonderrecht für das ten 20 Jahren getan haben, wird eines Tages in die- Parlament ablehne. sem Parlament der öffentliche Dienst unter sich sein. Ob es dem Parlament und der Republik gut (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) bekommt, werden wir sehen. Wenn man es für erforderlich hält, daß jeder, der in Vielen Dank. diesem Staat öffentlich Verantwortung trägt, seine (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Nebeneinkünfte oder einen Teil seiner Nebenein- sowie bei Abgeordneten der SPD) künfte offenlegen muß, dann soll man diesen Antrag stellen, und dann kann man sich darüber unterhal- ten. Aber etwas nur für Abgeordnete vorzusehen, Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Es liegen schriftliche Erklärungen nach § 31 der Geschäftsord- halte ich für völlig unangemessen. Ich sage das, obwohl ich selbst niemals ein Hehl aus meinen nung vor, und zwar zum Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 13/3241 von den Kolleginnen Ing Nebeneinnahmen gemacht habe; ich habe sie zeit- rid weilig offengelegt. Das ist ein freiwilliger Schritt, den Matthäus-Maier sowie Gila Altmann *) und zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und der SPD auf Druck- jeder tun mag, der ihn tun will. Gezwungen werden möchte ich nicht. sache 13/3121 von den Kollegen Friedhelm Julius Beucher, Hildebrecht Braun, Ernst Kastning, Gerhard (Beifall bei der F.D.P.) Scheu und Hans Büttner und Dr. E rika Schuchardt * * ).

Was den Gesetzentwurf der beiden großen Fraktio- *) Anlage 3 nen angeht: Noch vor wenigen Wochen hat die breite * *) Anlage 4 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6897

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Wir kommen damit zu der Abstimmung über den Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Gesetzentwurf der Fraktion des Bündnisses 90/Die Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Grünen zur Regelung der Abgeordnetenbezüge für Fall. Ich schließe die Abstimmung. den Deutschen Bundestag und das Europäische Par- Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu lament auf Drucksache 13/3139. Der Ausschuß für beginnen, und unterbreche die Sitzung, bis das Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Ergebnis der namentlichen Abstimmung vorliegt. empfiehlt auf Drucksache 13/3240 Nr. 2, den Gesetz- entwurf abzulehnen. (Unterbrechung von 11.42 bis 11.48 Uhr)

Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion des Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich eröffne die Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 13/3139 unterbrochene Sitzung und gebe das von den Schrift- abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- führern ermittelte Ergebnis der namentlichen wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Abstimmung über den Änderungsantrag der Frak- Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, tion der SPD auf Drucksache 13/3241 bekannt. Abge- daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen des Hauses gebene Stimmen: 629. Mit Ja haben gestimmt: 286, bei Stimmenthaltungen der Gruppe der PDS, einer mit Nein: 337; 6 Enthaltungen. Damit ist der Ände- Stimmenthaltung aus der Fraktion des Bündnisses 90/ rungsantrag abgelehnt. Die Grünen und zwei weiteren aus der Fraktion der SPD abgelehnt worden ist. Der Gesetzentwurf ist Katrin Fuchs (Verl) damit in zweiter Beratung abgelehnt. Dadurch ent- Endgültiges Ergebnis Arne Fuhrmann fällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Monika Ganseforth Beratung. Abgegebene Stimmen: 628; Norbert Gansel davon Konrad Gilges Dann kommen wir zur Abstimmung über den ja: 285 Iris Gleicke Günter Gloser Gesetzentwurf der Fraktion der F.D.P. zur Änderung nein: 336 des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeord- Dr. enthalten: 7 netengesetzes auf Drucksache 13/3154. Der Aus- Günter Graf (Friesoythe) schuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck ordnung empfiehlt auf Drucksache 13/3240 Nr. 3, Ja Achim Großmann auch diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Manfred Hampel F.D.P. auf Drucksache 13/3154 abstimmen. Ich bitte Christel Hanewinckel diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol- Alfred Hartenbach Hermann Bachmaier Dr. Liesel Hartenstein len, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimm- enthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzent- Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler wurf gegen die Stimmen der F.D.P. und eine Stimme Dieter Heistermann aus der Fraktion der CDU/CSU bei einer Enthaltung Ingrid Becker-Inglau Reinhold Hemker abgelehnt worden ist. Wolfgang Behrendt Dr. Barbara Hendricks Hans-Werner Bertl Monika Heubaum Friedhelm Julius Beucher (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Uwe Hiksch Reinhold Hiller (Lübeck) DIE GRÜNEN]: Eine Stimme aus der F.D.P. Lilo Blunck Stephan Hilsberg war Nein!) Anni Brandt-Elsweier Jelena Hoffmann (Chemnitz) Tilo Braune Frank Hofmann (Volkach) - Herr Kollege Fischer, ich habe das nicht gesehen. Dr. Ingrid Holzhüter Aber Ihr Zwischenruf wird im Protokoll aufgenom- Eike Hovermann men. Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Lothar Ibrügger Marion Caspers-Merk Barbara Imhof Es bleibt dabei, daß der Gesetzentwurf in zweiter Gabriele Iwersen Beratung abgelehnt worden ist. Damit entfällt nach Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Renate Jäger unserer Geschäftsordnung auch in diesem Fall die Dr. Herta Däubler-Gmelin Jann-Peter Janssen weitere Beratung. Christel Deichmann Ilse Janz Karl Diller Sabine Kaspereit Dann kommen wir zur Abstimmung über den von Dr. Marliese Dobberthien Susanne Kastner den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrach- Peter Dreßen Hans-Peter Kemper ten Gesetzentwurf zur Neuregelung der Rechtsstel- Rudolf Dreßler Klaus Kirschner Marianne Klappert lung der Abgeordneten, Drucksachen 13/3121 und Dr. Hans-Hinrich Knaape 13/3240 Nr. 1. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Ludwig Eich Peter Enders Fraktion der SPD auf Drucksache 13/3241 vor, über Nicolette Kressl den wir zuerst abstimmen. Die Fraktion der SPD ver- Petra Ernstberger Thomas Krüger langt für die Abstimmung über ihren Änderungsan- Annette Faße Horst Kubatschka trag namentliche Abstimmung. Elke Ferner Eckart Kuhlwein Lothar Fischer (Homburg) Konrad Kunick Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, Christine Kurzhals die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich stelle Iris Follak Brigitte Lange Norbert Formanski Detlev von Larcher fest, daß die Urnen besetzt sind. Ich eröffne die Waltraud Lehn Abstimmung. - (Köln) Robert Leidinger 6898 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Klaus Lennartz Lisa Seuster Dr. Helmut Lippelt Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Elke Leonhard Horst Sielaff Oswald Metzger Klaus Lohmann (Witten) Erika Simm Dr. Christa Lörcher Johannes Singer Christa Nickels Erika Lotz Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Cern Özdemir Dr. Norbert Blüm Dr. Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Gerd Poppe Dieter Maaß (Herne) Wieland Sorge Simone Probst ria Böhmer Dorle Marx Dr. Ma Dr. Dietrich Sperling Dr. Jürgen Rochlitz Ulrike Mascher Jörg-Otto Spiller Halo Saibold Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Antje-Marie Steen Christine Scheel Wolfgang Bosbach Ingrid Matthäus-Maier Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Wolfgang Bötsch Heide Mattischeck Dr. Peter Struck Rezzo Schlauch Klaus Brähmig Joachim Tappe Albert Schmidt (Hitzhofen) Ulrike Mehl Jörg Tauss Rudolf Braun (Auerbach) Angelika Mert Wolfgang Schmitt ens Dr. Bodo Teichmann Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (Langenfeld) Margitta Terborg Ursula Mogg Ursula Schönberger Jella Teuchner Siegmar Mosdorf Waltraud Schoppe Dr. Gerald Thalheim Klaus Bühler (Bruchsal) Michael Müller (Düsseldorf) Werner Schulz (Berlin) Hartmut Büttner Jutta Müller (Völklingen) Rainder Steenblock (Schönebeck) Christian Müller (Zittau) Dietmar Thieser Christian Sterzing Gerhard Neumann (Gotha) Franz Thönnes Manfred Such (Emstek) Dr. Edith Niehuis Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Dr. Antje Vollmer Dr. Rolf Niese Ludger Volmer Doris Odendahl Hans-Eberhard Urbaniak (Nordstrand) Helmut Wilhelm (Amberg) Günter Oesinghaus Siegfried Vergin Margareta Wolf (Frankfurt) Leyla Onur (Pforzheim) Manfred Opel Karsten D. Voigt (Frankfurt) Adolf Ostertag Josef Vosen Albert Deß Kurt Palis Hans Georg Wagner PDS Dr. Hans Wallow Werner Dörflinger Wolfgang Bierstedt Georg Pfannenstein Dr. Konstanze Wegner Hansjürgen Doss Petra Bläss Dr. Eckhart Pick Wolfgang Weiermann Dr. Eva Bulling-Schröter Joachim Poß Reinhard Weis (Stendal) Maria Eichhorn Dr. Ludwig Elm Karin Rehbock-Zureich Matthias Weisheit Margot von Renesse Gunter Weißgerber Dr. Dagmar Enkelmann Renate Rennebach (Wiesloch) Dr. Heinz Dieter Eßmann Bernd Reuter Jochen Welt Dr. Horst Eylmann Dr. Edelbert Richter Hildegard Wester Hanns-Peter Hartmann Günter Rixe Lydia Westrich Dr. Uwe-Jens Heuer Reinhold Robbe Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Barbara Höll Gerhard Rübenkönig Dieter Wiefelspütz Dr. Willibald Jacob Dr. Karl H. Fell Dr. Hansjörg Schäfer Berthold Wittich Ulla Jelpke Gudrun Schaich-Walch Dr. Gerhard Jüttemann Dieter Schanz Hanna Wolf (München) Rolf Kutzmutz Dirk Fischer (Hamburg) Heidi Wright Dr. (Hamburg) Bernd Scheelen Heidemarie Lüth Dr. Peter Zumkley Dr. Gerhard F riedrich Siegfried Scheffler Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Erich G. Fritz Horst Schild Hans-Joachim Fuchtel Rosel Neuhäuser BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Michaela Geiger Dieter Schloten Dr. Uwe-Jens Rössel Günter Schluckebier Christina Schenk Elisabeth Altmann Dr. Heiner Geißler Horst Schmidbauer (Pommelsbrunn) Steffen Tippach (Nürnberg) Klaus-Jürgen Warnick (Bremen) Wilma Glücklich (Aachen) (Köln) Dr. Winfried Wolf (Meschede) Dr. Reinhard Göhner Gerhard Zwerenz Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Peter Götz Regina Schmidt-Zadel Dr. Wolfgang Götzer Annelie Buntenbach Heinz Schmitt (Berg) Nein Joachim Gres Dr. Emil Schnell Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Kurt-Dieter Grill Walter Schöler Wolfgang Gröbl Dr. Uschi Eid (Berlin) CDU/CSU Hermann Gröhe Gisela Schröter Claus-Peter Grotz Dr. Mathias Schubert Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber Schuhmann Richard (Delitzsch) Gerald Häfner Horst Günther (Duisburg) Brigitte Schulte (Hameln) Antje Hermenau Carl-Detlev Freiherr von Jürgen Volkmar Schultz (Köln) Kristin Heyne Augustinowitz Hammerstein Ilse Schumann Ulrike Höfken Dietrich Austermann Dr. R. Werner Schuster Michaele Hustedt Heinz-Günter Bargfrede (Großhennersdorf) Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Manuel Kiper Franz Peter Basten Dr. Angelica Schwall-Düren Monika Knoche Dr. Rainer Haungs Ernst Schwanhold Dr. Angelika Köster-Loßack Otto Hauser (Esslingen) Rolf Schwanitz Steffi Lemke Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hansgeorg Hauser Bodo Seidenthal Hans-Dirk Bierling (Rednitzhembach) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6899

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Klaus-Jürgen Hedrich Dr. Martin Mayer Wolfgang Ilte Manfred Heise (Siegertsbrunn) Christian Schmidt (Fürth) Hans-Ulrich Klose Dr. Renate Hellwig Wolfgang Meckelburg Dr.-Ing. Joachim Schmidt Fritz Rudolf Körper Ernst Hinsken Rudolf Meinl (Halsbrücke) Volker Kröning Dr. Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Uwe Küster Josef Hollerith Dr. Hans-Otto Schmiedeberg Winfried Mante Dr. Karl-Heinz Hornhues Hans Peter Schmitz Dr. Wilfried Penner Siegfried Hornung Rudolf Meyer (Winsen) (Baesweiler) Helmut Wieczorek (Duisburg) Joachim Hörster Michael von Schmude Dr. Christoph Zöpel Hubert Hüppe Meinolf Michels Birgit Schnieber-Jastram Peter Jacoby Dr. Gerd Müller Dr. Susanne Jaffke Elmar Müller (Kirchheim) Dr. F.D.P. Georg Janovsky Engelbert Nelle Reinhard Freiherr von Helmut Jawurek (Bremen) Schorlemer Ina Albowitz Dr. Dionys Jobst Johannes Nitsch Dr. Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Dieter Schulte Hildebrecht Braun Michael Jung (Limburg) Dr. Rolf Olderog (Schwäbisch Gmünd) (Augsburg) Friedhelm Ost Gerhard Schulz (Leipzig) Günther Bredehorn Dr. Egon Jüttner Frederick Schulze Jörg van Essen Dr. Harald Kahl Norbert Otto (Erfurt) Diethard Schütze (Berlin) Gisela Frick Bartholomäus Kalb Dr. Gerhard Päselt Clemens Schwalbe Paul K. Friedhoff Steffen Kampeter Dr. Peter Paziorek Dr. Christian Schwarz- Dr.-Ing. Dietmar Kansy Hans-Wilhelm Pesch Schilling Ulrich Petzold Dr. Irmgard Karwatzki Wilfried Seibel Joachim Günther (Plauen) Angelika Pfeiffer Heinz-Georg Seiffert Dr. Peter Keller Dr. Gero Pfennig Dr. Dr. Friedbert Pflüger Ulrich Heinrich Dr. Bernd Klaußner Bernd Siebert Walter Hirche Hans Klein (München) Dr. Winfried Pinger Jürgen Sikora Dr. Burkhard Hirsch Ulrich Klinkert Birgit Homburger Hans-Ulrich Köhler Dr. Hermann Pohler Bärbel Sothmann Dr. (Hainspitz) Margarete Späte Ulrich Irmer Manfred Kolbe Marlies Pretzlaff Carl-Dieter Spranger Detlef Kleinert (Hannover) Norbert Königshofen Dr. Wolfgang Steiger Roland Kohn Eva-Maria Kors Dr. Bernd Protzner Dr. Heinrich L. Kolb Hartmut Koschyk Dieter Pützhofen Dr. Wolfgang Freiherr von Jürgen Koppelin Manfred Koslowski Stetten Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Thomas Kossendey Hans Raidel Dr. Heinz Lanfermann Rudolf Kraus Dr. Andreas Storm Wolfgang Krause (Dessau) Rolf Rau Sabine Leutheusser Schnarrenberger Andreas Krautscheid Helmut Rauber Matthäus Strebl Uwe Lühr Arnulf Kriedner Peter Harald Rauen Michael Stübgen Heinz-Jürgen Kronberg Otto Regenspurger Egon Susset Jürgen W. Möllemann Dr.-Ing. Paul Krüger Christa Reichard (Dresden) Dr. Rita Süssmuth Günther Friedrich Nolting Reiner Krziskewitz Klaus Dieter Reichardt Michael Teiser Dr. Dr. Hermann Kues (Mannheim) Dr. Susanne Tiemann Lisa Peters Dr. Bertold Reinartz Dr. Klaus Töpfer Dr. Günter Rexrodt Dr. Karl A. Lamers Erika Reinhardt Gottfried Tröger Dr. Klaus Röhl (Heidelberg) Hans-Peter Repnik Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Helmut Schäfer (Mainz) Roland Richter - Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Norbert Lamme rt Roland Richwien Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Norbert Rieder Dr. Theodor Waigel Dr. Dr. (München) Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Hermann Otto Solms Herbert Lattmann Klaus Riegert Dr. Jürgen Warnke Dr. Max Stadler Dr. Paul Laufs Dr. Kersten Wetzel Dr. Dieter Thomae Karl-Josef Laumann Hannelore Rönsch Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Dr. Wolfgang Weng Werner Lensing (Wiesbaden) (Gerlingen) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Bernd Wilz Peter Letzgus Dr. Klaus Rose Editha Limbach Kurt J. Rossmanith Simon Wittmann Enthalten Walter Link (Diepholz) Adolf Roth (Gießen) (Tännesberg) Eduard Lintner Norbert Röttgen Dagmar Wöhrl Dr. Klaus W. Lippold Dr. Christian Ruck Michael Wonneberger SPD (Offenbach) Volker Rühe Elke Wülfing Dr. Manfred Lischewski Dr. Jürgen Rüttgers Peter Kurt Würzbach Ursula Burchardt Wolfgang Lohmann Roland Sauer (Stuttgart) Wolfgang Zeitlmann Rolf Hempelmann (Lüdenscheid) Ortrun Schätzle Benno Zierer Erwin Horn Julius Louven Dr. Wolfgang Schäuble Wolfgang Zöller Ernst Kastning Sigrun Löwisch Hartmut Schauerte Volker Neumann (Bramsche) Heinz Schemken Otto Reschke Dr. Michael Luther Karl-Heinz Scherhag SPD Erich Maaß (Wilhelmshaven) Gerhard Scheu Dr. Dietrich Mahlo Norbert Schindler Arne Börnsen (Ritterhude) F.D.P. Dietmar Schlee Karl Hermann Haack Günter Marten Ulrich Schmalz (Extertal) Jürgen Türk 6900 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Wir stimmen jetzt in zweiter Beratung über den Gansel, Conradi und anderer in den vergangenen Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU und der Wochen und Monaten durchaus verdienstvoll war. SPD in der Ausschußfassung ab. Ich bitte diejenigen, Ich möchte für mich und für viele andere Kolleginnen die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung und Kollegen meiner Fraktion erklären, daß wir das, zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegen- was die CDU/CSU und die F.D.P. in ihren Antrag auf- probe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß genommen haben, für eine konsequente Fortsetzung der Gesetzentwurf mit den Stimmen der CDU/CSU des Weges, wenn auch mit geringeren Mitteln, anse- und der SPD bei Gegenstimmen der Fraktion Bünd- hen. nis 90/Die Grünen, F.D.P. und der Gruppe der PDS in zweiter Beratung angenommen worden ist. Wir werden uns sehr intensiv an den dann anste- henden Beratungen beteiligen mit dem Ziel, daß das Wir kommen zur Abgeordnetengesetz und auch die Verhaltensregeln entsprechend verbessert werden. Wir werden also dritten Beratung Ihrem Antrag zustimmen. und Schlußabstimmung. (Beifall bei der SPD) Die Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. verlangen namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann kommen ihre Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Abstim- wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag mung. - der Fraktionen CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/3281. Wer dem Entschließungsantrag zustimmt, Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - noch weitere Abstimmungen folgen. Bitte verlassen Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag Sie nicht den Saal. bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS angenom- men worden ist. Darf ich fragen, ob Mitglieder anwesend sind, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben? - Das ist Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. ßungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache Das Ergebnis der Abstimmung werden wir später 13/3284. Wer für diesen Entschließungsantrag bekanntgeben.*) stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen- probe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß Wir kommen nun zur Abstimmung über Entschlie- der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Frak- ßunganträge. Darf ich bitten, Platz zu nehmen; sonst tionen der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD bei unterbreche ich die Sitzung. Stimmenthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen abgelehnt worden ist. Wir kommen zur Abstimmung über den gemeinsa- men Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluß- CSU, SPD und F.D.P. auf Drucksache 13/3280. Wer empfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthal- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Vermeidung tungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag bei Stimm- von Interessenkollisionen und Doppelalimentationen enthaltungen aus der Gruppe der PDS und der Frak- bei Bundestagsabgeordneten, Drucksache 13/3240 tion Bündnis 90/Die Grünen sowie bei zwei Stimm- Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf enthaltungen der SPD angenommen worden ist. Drucksache 13/3137 abzulehnen. Wir stimmen über die Beschlußempfehlung des Ausschusses ab. Ich Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- bitte diejenigen, die der Beschlußempfehlung ßungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und zustimmen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - F.D.P. auf Drucksache 13/3281. Dazu gebe ich das Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung dem Kolle- Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der Frak- gen Schmidt. tion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden ist. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Vielen Dank, Eine Stimmenauszählung steht noch aus, bevor wir Herr Präsident. Ich konnte das vorher nicht in meine am Ende dieses Tagesordnungspunktes sein werden. Rede aufnehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Verständnis, daß ich dafür jetzt die Form Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 16 a einer Erklärung zur Abstimmung wähle. und b auf. Nach dem Ergebnis über die namentliche Abstim- a) Erste Beratung des von den Fraktionen mung bezüglich der Offenlegungsregeln, die meine der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Ent- Fraktion beantragt hat, fühle ich mich und fühlen wir wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung uns in dem Bemühen bestärkt, diese Offenlegungsre- des Betäubungsmittelgesetzes (2. BtMG-Än- geln über die Verhaltensregeln zu verbessern und zu derungsgesetz - 2. BtMG-AndG) verstärken. - Drucksache 13/3216 — 286 Stimmen für unseren Antrag sind ermutigend. Überweisungsvorschlag: Von daher finden wir, daß die Initiative der Kollegen Ausschuß für Gesundheit (federführend) Innenausschuß *) S. 6901 C Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6901

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch b) Beratung der Beschlußempfehlung und des empfehlung mit den Stimmen der CDU/CSU, F.D.P. Berichts des Ausschusses für Ernährung, und SPD bei Stimmenthaltung derFraktionBündnis 90/ Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) Die Grünen und der Gruppe der PDS angenommen zu dem Antrag der Abgeordneten Horst worden ist. Sielaff, Heidi Wright, Anke Fuchs (Köln), wei- Dann gebe ich das von den Schriftführerinnen und terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Legalisierung des Anbaus von rauschmittel- Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der armem Hanf und Förderung von Hanf als Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Neurege- nachwachsendem Rohstoff lung der Rechtsstellung der Abgeordneten bekannt, Drucksachen 13/3121, 13/3240 Nr. 1. Abgegebene zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Stimmen: 628. Mit Ja haben gestimmt 463, mit Nein Lemke, Ulrike Höfken, Gila Altmann (Aurich), haben gestimmt 146; Enthaltungen: 19. weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aufhebung des Anbauverbots von Hanf und Endgültiges Ergebnis Wolfgang Engelmann Förderung des Anbaus von THC-armen Rainer Eppelmann Hanfsorten als nachwachsende Rohstoffe Abgegebene Stimmen: 628; Heinz Dieter Eßmann davon Anke Eymer - Drucksachen 13/811, 13/1425, 13/2672 - ja: 463 Ilse Falk Jochen Feilcke Berichterstattung: nein: 146 Abgeordnete Heidi Wright Dr. Karl H. Fell enthalten: 19 Siegfried Hornung Ulf Fink Dirk Fischer (Hamburg) Eine Aussprache dazu ist nicht vorgesehen. Klaus Francke (Hamburg) Ja Herbert Frankenhauser Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Dr. Gerhard Friedrich Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen auf Druck- Erich G. Fritz CDU/CSU sache 13/3216 an die in der Tagesordnung aufgeführ- Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger ten Ausschüsse vor. Gibt es dazu andere Vorschläge? Ulrich Adam Norbert Geis - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so Peter Altmaier Dr. Heiner Geißler beschlossen. Anneliese Augustin Michael Glos Jürgen Augustinowitz Wilma Glücklich Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluß- Dietrich Austermann Dr. Reinhard Göhner empfehlung des Ausschusses für Ernährung, Land- Heinz-Günter Bargfrede Peter Götz wirtschaft und Forsten zum Antrag der Fraktion der Franz Peter Basten Dr. Wolfgang Götzer SPD zur Legalisierung des Anbaus von rauschmittel- Dr. Wolf Bauer Joachim Gres armem Hanf und Förderung von Hanf als nachwach- Brigitte Baumeister Kurt-Dieter Gri ll Dr. Sabine Bergmann-Pohl sendem Rohstoff, Drucksache 13/2672 Nr. 1. Der Wolfgang Gröbl Hans-Dirk Bierling Hermann Gröhe Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ Dr. Joseph-Theodor Blank Claus-Peter Grotz 811 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußemp- Renate Blank Manfred Grund fehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dr. Heribert Blens Horst Günther (Duisburg) Dann stelle ich fest, daß diese Beschlußempfehlung Peter Bleser Carl-Detlev Freiherr von bei 1 Stimmenthaltung im übrigen angenommen Dr. Norbert Blüm Hammerstein worden ist. Friedrich Bohl Gottfried Haschke Dr. Maria Böhmer (Großhennersdorf) Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernäh- Jochen Borchert Gerda Hasselfeldt rung, Landwirtschaft und Forsten zum Antrag der Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Rainer Haungs Wolfgang Bosbach Otto Hauser (Esslingen) Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Aufhebung des Dr. Wolfgang Bötsch Hansgeorg Hauser Anbauverbots von Hanf und Förderung des Anbaus Klaus Brähmig (Rednitzhembach) von THC-armen Hanfsorten als nachwachsende Roh- Rudolf Braun (Auerbach) Klaus-Jürgen Hedrich stoffe, Drucksache 13/2672 Nr. 2. Der Ausschuß emp- Paul Breuer Manfred Heise fiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/1425 abzuleh- Monika Brudlewsky Dr. Renate Hellwig nen. Wer für die Beschlußempfehlung des Ausschus- Georg Brunnhuber Ernst Hinsken ses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Klaus Bühler (Bruchsal) Peter Hintze stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen- Hartmut Büttner Josef Hollerith (Schönebeck) Dr. Karl-Heinz Hornhues probe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, Dankward Buwitt Siegfried Hornung daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Manfred Carstens (Emstek) Joachim Hörster Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi- Peter Harry Carstensen Hubert Hüppe tion angenommen worden ist. (Nordstrand) Peter Jacoby Wolfgang Dehnel Susanne Jaffke Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Hubert Deittert Georg Janovsky Forsten empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlußemp- Gertrud Dempwolf Helmut Jawurek fehlung die Annahme einer Entschließung. Wer für Albert Deß Dr. Dionys Jobst die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernäh- Renate Diemers Dr.-Ing. Rainer Jork rung, Landwirtschaft und Forsten stimmt, den bitte Werner Dörflinger Michael Jung (Limburg) Hansjürgen Doss Ulrich Junghanns ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimment- Dr. Alfred Dregger Dr. Egon Jüttner haltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschluß- Maria Eichhorn Dr. Harald Kahl 6902 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Bartholomäus Kalb Dr. Gerhard Päselt Horst Seehofer Elke Ferner Steffen Kampeter Dr. Peter Paziorek Wilfried Seibel Lothar Fischer (Homburg) Dr.-Ing. Dietmar Kansy Hans-Wilhelm Pesch Heinz-Georg Seiffert Gabriele Fograscher Manfred Kanther Anton Pfeifer Rudolf Seiters Norbert Formanski Irmgard Karwatzki Angelika Pfeiffer Johannes Selle Anke Fuchs (Köln) Volker Kauder Dr. Gero Pfennig Bernd Siebert Katrin Fuchs (Verl) Peter Keller Dr. Friedbert Pflüger Jürgen Sikora Arne Fuhrmann Eckart von Klaeden Beatrix Philipp Johannes Singhammer Monika Ganseforth Dr. Bernd Klaußner Dr. Winfried Pinger Bärbel Sothmann Dr. Peter Glotz Hans Klein (München) Ronald Pofalla Margarete Späte Günter Graf (Friesoythe) Ulrich Klinkert Dr. Hermann Pohler Carl-Dieter Spranger Angelika Graf (Rosenheim) Hans-Ulrich Köhler Ruprecht Polenz Wolfgang Steiger Dieter Grasedieck (Hainspitz) Marlies Pretzlaff Erika Steinbach Achim Großmann Manfred Kolbe Dr. Albert Probst Dr. Wolfgang Freiherr von Karl Hermann Haack Norbert Königshof en Dr. Bernd Protzner Stetten (Extertal) Eva-Maria Kors Dieter Pützhofen Dr. Gerhard Stoltenberg Hans-Joachim Hacker Hartmut Koschyk Thomas Rachel Andreas Storm Manfred Hampel Manfred Koslowski Hans Raidel Max Straubinger Klaus Hasenfratz Thomas Kossendey Dr. Peter Ramsauer Matthäus Strebl Dr. Ingomar Hauchler Rudolf Kraus Rolf Rau Michael Stübgen Dieter Heistermann Wolfgang Krause (Dessau) Helmut Rauber Egon Susset Rolf Hempelmann Andreas Krautscheid Peter Harald Rauen Dr. Rita Süssmuth Monika Heubaum Arnulf Kriedner Otto Regenspurger Michael Teiser Reinhold Hiller (Lübeck) Heinz-Jürgen Kronberg Christa Reichard (Dresden) Dr. Susanne Tiemann Stephan Hilsberg Dr.-Ing. Paul Krüger Klaus Dieter Reichardt Dr. Klaus Töpfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Reiner Krziskewitz (Mannheim) Gottfried Tröger Frank Hofmann (Volkach) Dr. Hermann Kues Dr. Bertold Reinartz Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Ingrid Holzhüter Werner Kuhn Erika Reinhardt Gunnar Uldall Eike Hovermann Dr. Karl A. Lamers Hans-Peter Repnik Dr. Horst Waffenschmidt Lothar Ibrügger (Heidelberg) Roland Richter Dr. Theodor Waigel Wolfgang Ilte Karl Lamers Roland Richwien Alois Graf von Waldburg-ZE Gabriele Iwersen Dr. Dr. Norbert Rieder Dr. Jürgen Warnke Renate Jäger Helmut Lamp Dr. Erich Riedl (München) Kersten Wetzel Jann-Peter Janssen Armin Laschet Klaus Riegert Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Ilse Janz Herbert Lattmann Dr. Heinz Riesenhuber Gert Willner Sabine Kaspereit Dr. Paul Laufs Hannelore Rönsch Bernd Wilz Susanne Kastner Karl-Josef Laumann (Wiesbaden) Matthias Wissmann Hans-Peter Kemper Werner Lensing Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Simon Wittmann Klaus Kirschner Christian Lenzer Dr. Klaus Rose (Tännesberg) Marianne Klappert Peter Letzgus Kurt J. Rossmanith Dagmar Wöhrl Hans-Ulrich Klose Editha Limbach Adolf Roth (Gießen) Michael Wonneberger Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Link (Diepholz) Norbert Röttgen Elke Wülfing Walter Kolbow Eduard Lintner Dr. Christian Ruck Peter Ku rt Würzbach Fritz Rudolf Körper Dr. Klaus W. Lippold Volker Rühe Wolfgang Zeitlmann Nicolette Kressl (Offenbach) Dr. Jürgen Rüttgers Benno Zierer Volker Kröning Dr. Manfred Lischewski Roland Sauer (Stuttgart) Wolfgang Zöller Thomas Krüger Wolfgang Lohmann Ortrun Schätzle Eckart Kuhlwein (Lüdenscheid) Dr. Wolfgang Schäuble Konrad Kunick Julius Louven Hartmut Schauerte SPD Christine Kurzhals Sigrun Löwisch Heinz Schemken Dr. Uwe Küster Heinrich Lummer Karl-Heinz Scherhag Brigitte Adler Brigitte Lange Dr. Michael Luther Norbert Schindler Hermann Bachmaier Detlev von Larcher Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dietmar Schlee Ernst Bahr Waltraud Lehn Erwin Marschewski Ulrich Schmalz Doris Barnett Robert Leidinger Günter Marten Bernd Schmidbauer Ingrid Becker-Inglau Klaus Lennartz Dr. Martin Mayer Christian Schmidt (Fürth) Rudolf Bindig Dr. Elke Leonhard (Siegertsbrunn) Dr.-Ing. Joachim Schmidt Lilo Blunck Klaus Lohmann (Witten) Wolfgang Meckelburg (Halsbrücke) Arne Börnsen (Ritterhude) Dr. Christine Lucyga Rudolf Meinl Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Eberhard Brecht Dieter Maaß (Herne) Dr. Michael Meister Hans-Otto Schmiedeberg Edelgard Bulmahn Winfried Mante Dr. Angela Merkel Hans Peter Schmitz Ursula Burchardt Dorle Marx Friedrich Merz (Baesweiler) Hans Martin Bury Ulrike Mascher Rudolf Meyer (Winsen) Michael von Schmude Hans Büttner (Ingolstadt) Christoph Matschie Hans Michelbach Birgit Schnieber-Jastram Marion Caspers-Merk Ingrid Matthäus-Maier Meinolf Michels Dr. Andreas Schockenhoff Wolf-Michael Catenhusen Heide Mattischeck Dr. Gerd Müller Dr. Rupert Scholz Peter Conradi Markus Meckel Elmar Müller (Kirchheim) Reinhard Freiherr von Christel Deichmann Ulrike Mehl Engelbert Nelle Schorlemer Karl Diller Bernd Neumann (Bremen) Wolfgang Schulhoff Dr. Marliese Dobberthien Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Johannes Nitsch Dr. Dieter Schulte Peter Dreßen Ursula Mogg Claudia Nolte (Schwäbisch Gmünd) Rudolf Dreßler Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Rolf Olderog Gerhard Schulz (Leipzig) Freimut Duve Jutta Müller (Völklingen) Friedhelm Ost Frederick Schulze Peter Enders Christian Müller (Zittau) Eduard Oswald Diethard Schütze (Berlin) Gernot Erler Volker Neumann (Bramsche) Norbert Otto (Erfurt) Clemens Schwalbe Annette Faße Dr. Edith Niehuis Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6903

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Dr. Rolf Niese Jochen Welt Andrea Fischer (Berlin) Dr. Irmgard Schwaetzer Doris Odendahl Hildegard Wester Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Hermann Otto Solms Leyla Onur Lydia Westrich Rita Grießhaber Dr. Max Stadler Manfred Opel Helmut Wieczorek (Duisburg) Gerald Häfner Dr. Dieter Thomae Adolf Ostertag Dieter Wiefelspütz Antje Hermenau Jürgen Türk Kurt Palis Dr. Wolfgang Wodarg Kristin Heyne Dr. Wolfgang Weng Dr. Willfried Penner Hanna Wolf (München) Ulrike Höfken (Gerlingen) Dr. Martin Pfaff Heidi Wright Michaele Hustedt Georg Pfannenstein Uta Zapf Dr. Manuel Kiper Dr. Eckhart Pick Dr. Christoph Zöpel Monika Knoche PDS Joachim Poß Peter Zumkley Dr. Angelika Köster-Loßack Karin Rehbock-Zureich Steffi Lemke Wolfgang Bierstedt Renate Rennebach Vera Lengsfeld Petra Bläss Otto Reschke Nein Dr. Helmut Lippelt Eva Bulling-Schröter Bernd Reuter Oswald Metzger Dr. Ludwig Elm Günter Rixe Winfried Nachtwei Dr. Dagmar Enkelmann Reinhold Robbe CDU/CSU Christa Nickels Dr. Ruth Fuchs Gerhard Rübenkönig Cem Özdemir Dr. Gregor Gysi Gudrun Schaich-Walch Horst Eylmann Gerd Poppe Hanns-Peter Hartmann Dieter Schanz Gerhard Scheu Simone Probst Dr. Uwe-Jens Heuer Rudolf Scharping Halo Saibold Dr. Barbara Höll Bernd Scheelen Christine Scheel Dr. Willibald Jacob Dr. Hermann Scheer SPD Irmingard Schewe-Gerigk Ulla Jelpke Horst Schild Rezzo Schlauch Gerhard Jüttemann Klaus Barthel Otto Schily Albert Schmidt (Hitzhofen) Rolf Kutzmutz Hans-Werner Bertl Dieter Schloten Wolfgang Schmitt Dr. Christa Luft Friedhelm Julius Beucher Günter Schluckebier (Langenfeld) Heidemarie Lüth Ulla Schmidt (Aachen) Anni Brandt-Elsweier Ursula Schönberger Dr. Günther Maleuda Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Dr. Herta Däubler-Gmelin Waltraud Schoppe Manfred Müller (Berlin) Heinz Schmitt (Berg) Ludwig Eich Werner Schulz (Berlin) Rosel Neuhäuser Dr. Emil Schnell Petra Ernstberger Rainder Steenblock Dr. Uwe-Jens Rössel Walter Schöler Iris Follak Christian Sterzing Christina Schenk Ottmar Schreiner Konrad Gilges Manfred Such Steffen Tippach Dr. Mathias Schubert Iris Gleicke Ludger Volmer Richard Schuhmann Günter Gloser Helmut Wilhelm (Amberg) Klaus-Jürgen Warnick (Delitzsch) Klaus Hagemann Margareta Wolf (Frankfurt) Dr. Winfried Wolf Brigitte Schulte (Hameln) Christel Hanewinckel Gerhard Zwerenz Volkmar Schultz (Köln) Dr. Liesel Hartenstein Dr. R. Werner Schuster Reinhold Hemker F.D.P. Dietmar Schütz (Oldenburg) Uwe Hiksch Enthalten Ernst Schwanhold Barbara Imhof Ina Albowitz Rolf Schwanitz Ernst Kastning Dr. Gisela Babel Bodo Seidenthal Horst Kubatschka Hildebrecht Braun CDU/CSU Lisa Seuster Christa Lörcher (Augsburg) Horst Sielaff Erika Lotz Jörg van Essen Dr. Dietrich Mahlo Erika Simm Gerhard Neumann (Gotha) Gisela Frick Ulrich Petzold Johannes Singer Günter Oesinghaus Paul K. Friedhoff Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Edelbert Richter Horst Friedrich Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Dr. Hansjörg Schäfer Rainer Funke SPD Wieland Sorge Siegfried Scheffler- Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Dietrich Sperling Horst Schmidbauer Joachim Günther (Plauen) Wolfgang Behrendt Jörg-Otto Spiller (Nürnberg) Dr. Karlheinz Guttmacher Tilo Braune Antje-Marie Steen Dagmar Schmidt (Meschede) Dr. Helmut Haussmann Dagmar Freitag Ludwig Stiegler Regina Schmidt-Zadel Ulrich Heinrich Norbert Gansel Dr. Peter Struck Ilse Schumann Walter Hirche Alfred Hartenbach Joachim Tappe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Burkhard Hirsch Dr. Barbara Hendricks Jörg Tauss Wolfgang Thierse Birgit Homburger Erwin Horn Dr. Bodo Teichmann Uta Titze-Stecher Dr. Werner Hoyer Margot von Renesse Margitta Terborg Heidemarie Wieczorek-Zeul Ulrich Irmer Gisela Schröter Jella Teuchner Berthold Wittich Detlef Kleinert (Hannover) Wolfgang Spanier Dr. Gerald Thalheim Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Konstanze Wegner Dietmar Thieser Jürgen Koppelin Gert Weisskirchen (Wiesloch) Franz Thönnes BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Adelheid Tröscher Heinz Lanfermann Hans-Eberhard Urbaniak Gila Altmann (Aurich) Sabine Leutheusser BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Siegfried Vergin Elisabeth Altmann Schnarrenberger Ute Vogt (Pforzheim) (Pommelsbrunn) Uwe Lühr Dr. Jürgen Rochlitz Karsten D. Voigt (Frankfurt) Marieluise Beck (Bremen) Jürgen W. Möllemann Dr. Antje Vollmer Josef Vosen Volker Beck (Köln) Günther Friedrich Nolting Hans Georg Wagner Angelika Beer Dr. Rainer Ortleb Hans Wallow Matthias Berninger Lisa Peters F.D.P. Wolfgang Weiermann Annelie Buntenbach Dr. Günter Rexrodt Reinhard Weis (Stendal) Amke Dietert-Scheuer Dr. Klaus Röhl Günther Bredehorn Matthias Weisheit Franziska Eichstädt-Bohlig Cornelia Schmalz-Jacobsen Roland Kohn Gunter Weißgerber Dr. Uschi Eid Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Helmut Schäfer (Mainz) 6904 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Damit ist der Gesetzentwurf angenommen. Dem fünftgrößten Pressenhersteller in Europa, der Umformtechnik Erfurt , droht mangels Liquiditätshil- Ich rufe nun den Zusatzpunkt 11 auf: fen in Höhe von 120 Millionen DM das wirtschaftli- che Aus und damit der Verlust von zirka 1 000 Aktuelle Stunde Arbeitsplätzen. auf Verlangen der Gruppe der PDS Die Werftenindustrie in Mecklenburg-Vorpom- Haltung der Bundesregierung zu erheblich mern - Rostock, Wismar und Stralsund gehören ansteigenden Insolvenzen in den neuen Bun- bekanntlich dazu - steht kurz vor dem weiteren desländern und zur Politik der Treuhand- Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen und Nachfolgeeinrichtungen Betriebsschließungen. Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Abge- Im Konzernbericht der Babcock AG werden die ordneten Wolfgang Bierstedt das Wo rt. ostdeutschen Niederlassungen Magdeburg, Bitter- feld und Rudisleben für die hohen Konzernverluste verantwortlich gemacht, nachdem man diese Wolfgang Bierstedt (PDS): Sehr geehrter Herr Prä- Betriebe von ihren lukrativen Aufträgen befreit hat. sident! Meine Damen und Herren! Nachdem sich das Es besteht die Gefahr der Schließung bzw. des massi- Hohe Haus zum wiederholten Male unter Anteil- ven Arbeitsplatzabbaus. nahme einer außerordentlich großen Zahl von Abge- ordneten mit sich selbst, das heißt mit seinen Diäten, Der Waggonbaustandort Dessau verlor innerhalb beschäftigt hat, halte ich es einfach für notwendig, des letzten halben Jahres weit über 540 Arbeits- daß wir uns mal wieder den aktuellen Themen, die plätze. Im versprochenen Industriepark agiert die draußen im Land von den Menschen wahrgenom- TLG, gedeckt durch den noch nicht geschlossenen men werden, zuwenden. Ich möchte für das Protokoll Privatisierungsvertrag mit der DWA, mit Jahresmie- festhalten: An der Aktuellen Stunde nehmen derzeit ten für Neuansiedler, die dem Kaufpreis entspre- schätzungsweise 50 bis 60 Abgeordnete teil, im chen, und blockiert somit die Schaffung von Ersatzar- Gegensatz dazu haben an der namentlichen Abstim- beitsplätzen. mung 628 Abgeordnete teilgenommen. Mehrere Betriebsteile der Stahlbau EREL-Verwal- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist bei tungs GmbH und Management KG Berlin sollen namentlichen Abstimmungen so üblich, ebenfalls abgewickelt werden. über welche Themen auch immer!) Das Kabelwerk Schönow, Betriebsteil der British - Auch bei aktuellen Problemen sollte die Präsenz BICC mit 120 Mitarbeitern, soll geschlossen werden. des Hauses, selbst wenn es Freitagnachmittag ist, Die Produktion soll nach Rußland verlagert werden. höher werden. Das steht zumindest so in der Parla- mentsreform. Stellvertretend für alle weiteren Fälle - diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen - möchte ich an Bischof- (Beifall bei der PDS - Dietrich Austermann ferode erinnern und den Bundeskanzler fragen, wie [CDU/CSU]: Hast du in der Sache nichts zu er heute zu seiner damals gegebenen persönlichen sagen?) Bürgschaft für die Umsetzung des Programms der Zum Thema: Meine Damen und Herren, unmittel- Thüringer Landesregierung und der Bundesregie- bar nach Abschluß der Beratung über den Bundes- rung zur Erhaltung bzw. Neuschaffung von 700 bis haushalt 1996 prognostizierte das Institut der deut- 1 000 Arbeitsplätzen in Bischofferode steht. schen Wirtschaft auf der Grundlage einer Konjunk- Oder eine andere Frage: Welche Rolle spielen das turumfrage zunehmende Probleme in der ostdeut- Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesanstalt schen Wirtschaft. Es wird mit erheblichen negativen für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben in der Auswirkungen auf den ersten Arbeitsmarkt und in unsäglichen und unendlichen Geschichte des Mag- der direkten Folge auch auf den zweiten Arbeits- deburger Traditionsunternehmens Maschinen- und markt gerechnet. Die noch nicht abschließend bera- Anlagenbau 3B-Buckau? Die dort entlassenen Kum- tenen Haushalte der fünf neuen Länder, die ohnehin pel warten nun seit neun Monaten auf die mit der durch eine schwache indust rielle Basis und eine de- BVS vereinbarte Erfüllung ihres Sozialplans. solate Lage auf dem Arbeitsmarkt zunehmend aus den Fugen geraten, können die neuerlichen Bela- Alle meine bisherigen Versuche, von der BVS oder stungen infolge steigender Arbeitslosigkeit einfach dem Bundeswirtschaftsministerium Aufklärung zu nicht mehr ausgleichen. Das heißt: Es sind neue erhalten, sind gescheitert. Der mir gestern vom Bun- finanzielle Forderungen an den Bund vorauszuse- deswirtschaftsministerium zugestellte B rief des hen. Herrn Dr. Ludewig verspricht abschließende Klärung nunmehr zum 13. Dezember 1995. Wie oft die Kolle- Die zunehmend schwieriger werdende Situation in gen von 3B-Buckau bisher auf einen in Bälde anste- der Wirtschaft möchte ich an einigen Beispielen, die henden Termin vertröstet wurden, vermag selbst ich Sie auch der Presse entnehmen konnten, skizzieren: als Informatiker einfach nicht mehr zu sagen. Das renommierte Magdeburger Unternehmen SKET steht in Gefahr, weitere 800 Arbeitsplätze zu verlie- Für den einen oder anderen - in seiner Arroganz ren. Dagegen hat letzte Woche Dienstag eine Groß- befangenen - Kollegen in diesem Haus mag diese demonstration mit weit über 2 000 Menschen vor Aufzählung wie Jammerei klingen. Unterschätzen dem Magdeburger Landtag stattgefunden. Sie bitte nicht den Willen und die Bereitschaft der Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6905

Wolfgang Bierstedt Menschen in den neuen Bundesländern, für ihre Treuhandanstalt und der BVS bisher rund Arbeitsplätze zu streiten und zu kämpfen! 1,5 Milliarden DM aufgewandt und seit 1991 Her- mes-Bürgschaften in Höhe von zirka 1 Milliarde DM Unser Anliegen ist - ich hoffe da ein bißchen auf zur Verfügung gestellt. Auf Grund von Verzögerun- Unterstützung aus den Reihen der SPD und von gen bei der Umsetzung des Unternehmenskonzeptes Bündnis 90/Die Grünen -, diesen Bundestag für die und der Marktentwicklung ist es nun zu ernsten Probleme und alltäglichen Sorgen der Mehrheit der Schwierigkeiten gekommen. Weder Bund noch Menschen in den neuen Bundesländern zu sensibili- Land, noch andere, die für diesen Bet rieb direkt oder sieren. Lassen Sie uns ernsthaft darüber beraten, wie indirekt Verantwortung tragen, können an seinem wir Arbeitsplätze sichern und von der hohen struktu- Niedergang interessiert sein. rellen Arbeitslosigkeit herunterkommen! Bei der Beurteilung der Situation ist allerdings zu Danke. beachten, daß vorhandene volle Auftragsbücher (Beifall bei der PDS) zwar eine gute Voraussetzung für die positive Ent- wicklung eines Unternehmens darstellen, aber leider Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem noch kein Zeichen dafür sind, daß die ökonomische Abgeordneten Dr. Hermann Pohler das Wo rt . Grundlage gesichert und ein positives Betriebsergeb- nis ohne Konzeptionsänderung erreichbar ist. Das ist Dr. Hermann Pohler (CDU/CSU): Sehr geehrter auch hier der Fall. Ein Konzept zur Rettung des Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Betriebes wurde zwischenzeitlich erarbeitet. Der Herren! Mit Abschluß der Privatisierung müssen sich Bund als unmittelbarer Anteilseigner von SKET ist die ehemaligen Treuhand-Betriebe am Markt bestrebt, im Konsens mit allen Beteiligten - das behaupten. Die Einhaltung der im Rahmen der Pri- möchte ich hier betonen - SKET auf dieser Grund- vatisierung übernommenen Rechte und Pflichten des lage als industriellen Kern zu erhalten. Erwerbers wird bekanntlich vom Vertragsmanage- Abschließend noch eine Bemerkung zu Bischoffe- ment der BVS überprüft, und die vertraglich festge- rode und den zugesagten Arbeitsplätzen: Mich wun- legte Hilfestellung wird den Unternehmen gewährt. dert es etwas, daß das hier angesprochen wird, da Ihr Im Rahmen von Nachverhandlungen kann die BVS Genosse, Herr Jüttemann, aus Bischofferode kommt Hilfestellungen für das jeweilige Unternehmen und eigentlich bestens informiert sein müßte. gewähren. Daß dies durch die BVS in verantwor- tungsvoller Weise geschieht, zeigen unter anderem (Gerhard Jüttemann [PDS]: Ja, bin ich die zirka 10 Milliarden DM, die 1995 zur Förderung auch!) wettbewerbsfähiger Strukturen eingesetzt wurden. - Dann bin ich um so mehr erstaunt. Das bedeutet jedoch nicht, daß man um die Nach Aussagen der Landesregierung Thüringen Betriebe in den neuen Bundesländern einen Schutz- gibt es folgenden Sachstand: Ausgehend von wall bauen kann. Sie müssen sich vielmehr Schritt 690 Arbeitnehmern am 31. Dezember 1993, dem für Schritt im Wettbewerb bewähren. Daß sie dabei Zeitpunkt der Schließung des Kalibergwerkes, ist noch Hilfen benötigen, ist verständlich, und sie wer- davon auszugehen, daß bis Jahresende 1995 maxi- den ihnen von Bund und Ländern gewährt. Nennen mal noch 250 ehemalige Kalikumpel ohne festen möchte ich in diesem Zusammenhang nur den Betei- Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt sein wer- ligungsfonds Ost, der außerhalb des Haushaltes den. Diese Personen werden entsprechend der Lan- durch Mobilisierung von privatem Kapital eingerich- deszusage in die Beschäftigungs- und Entwicklungs- tet und seit November 1995 wirksam ist, sowie den gesellschaft Nordhausen übernommen. Diese noch von der Treuhandanstalt eingerichteten Konso- Zusage gilt auch für diejenigen Kalibergleute, die lidierungsfonds in Höhe von 500 Millionen DM. aus nicht von ihnen zu vertretenden Gründen bis Wesentlich ist dabei, daß diese Hilfen den Betrie- Ende 1996 ihren Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeits- ben zugute kommen, die wirklich Zukunftschancen markt verlieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, besitzen; denn wir in den neuen Ländern wollen kein aus dieser Entwicklungsgesellschaft heraus Qualifi- Wirtschaftsgefüge, das auf Dauer am Tropf hängt, zierungsmaßnahmen vorzunehmen. Das hat sich und keine Betriebe, die nur durch Dauersubventio- bereits in der Vergangenheit positiv für die Vermitt- nen am Leben erhalten werden. Dies schließt - so bit- lung auf dem ersten Arbeitsmarkt erwiesen. ter es ist - natürlich Insolvenzen solcher Betriebe ein, die nicht über ein tragfähiges Konzept verfügen oder Über diese Situation und weiter eingeleitete Maß- die auf Grund eines fehlerhaften Managements bei nahmen sind die Betroffenen informiert. Mir liegt verändertem Markt nicht zu Kurskorrekturen in der umfangreiches Material über die weiteren Aktivitä- ten zur Entwicklung der Region um Bischofferode Lage sind. Im Gegensatz dazu war bekanntlich im Sozialismus zwar garantiert, daß kein Betrieb pleite vor. Aus Zeitgründen kann ich darauf nicht weiter eingehen. ging, dafür wurde aber eine gesamte Volkswirtschaft in den Ruin geführt. Eine Wiederholung dieses Tat- Falls die Damen und Herren der PDS an einer bestandes kann doch wohl keiner ernsthaft wollen. objektiven Information interessiert sind, sollten sie (Beifall bei der CDU/CSU) sich diesbezüglich mit der Landesregierung in Ver- bindung setzen. Die Behauptung, daß die Kali-Kum- In diesem Zusammenhang einige Bemerkungen zu pel im Stich gelassen werden, entbehrt jeglicher dem angeführten Beispiel SKET in Magdeburg. Für Grundlage. Eine billige Polemik auf Kosten der den Erhalt dieses industriellen Kerns wurden von der Betroffenen halte ich für äußerst unangebracht. 6906 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Dr. Hermann Pohler Danke schön. Das Vertragsmanagement als Aufgabenkern der BVS läuft nun Gefahr, alle Fehler der Treuhandan- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) stalt zu zementieren, und schränkt die wirtschafts- und strukturpolitischen Handlungsspielräume der Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe der Länder weiter ein. Abgeordneten Sabine Kaspereit das Wo rt . (Beifall bei der SPD und der PDS) Im Hinblick auf die steigende Zahl der Nachver- (SPD): Herr Präsident! Liebe Kol- Sabine Kaspereit handlungsfälle wäre es notwendig, der BVS Ver- leginnen und Kollegen! Ich will nicht auf die Abwe- handlungsfreiräume zu schaffen, die Nachbesserun- senden schimpfen, aber ich möchte denen, die noch gen ermöglichen und die auf unvorhergesehene Ent- hiergeblieben sind, ausdrücklich dafür danken, daß wicklungen flexibler reagieren können. Ging man sie sich für dieses Thema interessieren. bei den Prognosen noch von zirka 1 500 Nachver- Die Zahl der Insolvenzen hat in den neuen Län- handlungsfällen im Bereich des Vetragsmanage- dern ein überdurchschnittliches Maß erreicht, das ments der BVS aus, so sind es derzeit bereits 3 000 uns Anlaß zur Sorge und noch viel mehr Anlaß zum Nachverhandlungsfälle - und die Tendenz ist stei- Handeln und Gegensteuern gibt. Diese Insolvenzen gend. Das muß uns doch zu denken geben! betreffen auf der einen Seite die kleinen und mittle- Die bisherigen Möglichkeiten der BVS tragen den ren Unternehmen, besonders die der Bauwirtschaft, wirtschaftlichen Gegebenheiten und Notwendigkei- worüber wir noch dringend gesondert reden müßten. ten nicht Rechnung. Das sagen nicht nur wir von der Andererseits machen uns in zunehmendem Maße die SPD-Fraktion, das sagen auch die Ministerpräsiden- Unternehmen Sorge, die von der Treuhand schlecht ten der neuen Länder. Die Rolle der BVS als bloße privatisiert wurden. Kontrolleurin der Privatisierungsverträge ist zuwe- Die Gründe für Insolvenzen können sehr vielfältig nig. Bei mißlungenen Privatisierungen können die sein und sind längst nicht in jedem Fall vom Unter- Länder nicht den Reparaturbetrieb spielen. In der nehmer verschuldet. Gerade bei ehemaligen Treu- Mehrzahl der Fälle erfolgte die Privatisierung durch handunternehmen stellen sich Probleme ein, die in Vergabe in Verbindung mit finanziellen Zugaben, den Verträgen nicht berücksichtigt sind oder die zum Beispiel für Altschulden, Anlaufverluste, Altla- nicht vorhersehbar waren. Besonders gravierend sten etc. Als Gegenleistung wurden Arbeitsplatz- sind die Fehler bei der Vertragsgestaltung bei MBO- oder Investitionszusagen akzeptiert. Nur, wie sieht Privatisierungen. Es sind Verträge zweiter oder drit- die Einforderung dieser Zusagen heute aus? Was ter Klasse, eventuell nach dem Motto: Friß, Vogel, sind tatsächlich vertraglich einforderbare Gegenlei- oder stirb! stungen? Die Bundesregierung muß für die von ihr betrie- Die BVS gibt in diesem Jahr etwa 2 Milliarden DM bene Treuhandpolitik und die daraus resultierenden weniger aus, als im Haushaltsansatz vorgesehen. Das Fehler der Vergangenheit verantwortlich zeichnen. zeigt, daß man hier doch ein gewisses Potential zur Nachsorge erschließen könnte, wenn der politische (Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist wahr!) Gestaltungswille vorhanden ist. Dabei geht es nicht darum, überlebensunfähige Unternehmen um jeden Der Grundsatz „Privatisieren vor Sanieren" hat sich Preis zu erhalten, sondern es geht um den Erhalt der ebenso negativ ausgewirkt wie der Grundsatz Unternehmen, die realistische Marktchancen und „Rückgabe vor Entschädigung". Aussicht auf Erfolg haben. Es bedarf jetzt einer Bun- (Beifall bei der SPD und der PDS) desregierung, die flexibel und vor allen Dingen ehr- lich genug ist, begangene Fehler zu korrigieren und Die Treuhandanstalt - und deren Nachfolgeein- Negativentwicklungen gegenzusteuern. richtung BVS - hat durch die Privatisierung Rahmen- bedingungen festgeschrieben, die den Ländern nun (Beifall bei der SPD und der PDS) kaum mehr wirtschafts- und strukturpolitische Hand- Ich bin nun kein Freund des Jammerns oder einer lungsspielräume einräumen. Man hat im Gesetz das bloßen Situationsbeschreibung. Das bringt uns nicht Wort „Mitsprache" wohlweislich nicht benutzt, son- weiter. Ich fordere die Bundesregierung auf, ihren dern vielmehr das Wort „Mitwirkung". Letzteres Worten von Wirtschaftsförderung, Konsolidierungs- bedeutet aber eher Mitfinanzierung. Wie sollten das hilfen, Risikokrediten - und was der Schlagworte die Länder auch noch leisten können? noch mehr sind - endlich Taten folgen zu lassen. Ich Das Treuhandgesetz enthielt keinen beschäfti- fordere die Bundesregierung auf, nach Wegen zu gungs- oder strukturpolitischen Auftrag. Trotzdem ist suchen, ehemalige Treuhandbetriebe zu begleiten nicht zu verkennen - Wirtschaftswissenschaftler und unverschuldet in Schwierigkeiten geratene Fir- haben das mehrfach bestätigt -, daß die Treuhand men durch Nachsorge zu konsolidieren. Die Bundes- einen maßgeblichen Einfluß auf die Struktur- und regierung sollte nicht nur Mittelstandspolitik mit voll- Beschäftigungspolitik ausgeübt hat. Die Treuhand tönenden Worten machen, sondern die Lage erken- hat Investoren durch niedrige Kaufpreise begünstigt, nen und damit begreifen, daß Taten gefordert sind. unrentable Firmen durch Sozialisierung der Verluste (Beifall bei der SPD und der PDS) privatisiert und eine verdeckte Strukturpolitik betrie- ben - im positiven, aber leider auch im negativen Zur Zeit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sinne. klafft zwischen Worten und Taten eine unüberseh- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6907 Sabine Kaspereit bare Lücke. Das wissen nicht nur wir in diesem derholen. Das würde zu weit führen und ein Nach- Hause, sondern das wissen gerade und auch die hutgefecht sein, das uns überhaupt nicht weiter- Unternehmer. bringt. Danke schön. Worauf es heute ankommt und was zählt, ist der (Beifall bei der SPD und der PDS) Aufbau einer neuen beschäftigungsintensiven, mit- telständisch geprägten Wirtschaft in den neuen Län- dern. Dieser Prozeß ist im Gang, aber die Zahlen der Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Kollegen Werner Schulz. Gewerbean- und Gewerbeabmeldungen zeigen es: Nicht nur das Tempo der Neugründungen von Unter- nehmen legt an Fahrt zu, auch die Zahlen über Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Unternehmensschließungen wachsen. Das ist die NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tragik. Was hier unter der Überschrift „Aktuelle Stunde" stattfindet, ist leider alles andere als aktuell. Denn Das ist zu einem gewissen Teil natürlich unver- wir haben es nicht mit einem neuen Problem zu tun, meidlich. Zu einem anderen Teil steht dahinter sondern mit einem Dauerproblem, mit einem Dauer- jedoch auch das unnötige und wirtschaftlich nicht brenner. Die Schwierigkeiten beim Aufbau Ost sind begründete Scheitern von Existenzgründern und seit langem bekannt. Insofern ist auch das Mittel der Unternehmen, denen es trotz marktfähiger Produkte Aktuellen Stunde, diese Fünf-Minuten-Terrinen, die und im Grunde bestehender Wettbewerbsfähigkeit rhetorisch heiß geöffnet werden, völlig ungeeignet. nicht gelingt, sich am Markt durchzusetzen. Die (Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki: Schwachpunkte - auch das ist bekannt - sind unzu- Richtig!) reichende Marktinformation, eine unzulängliche wirtschaftsnahe Forschungsstruktur, Eigenkapital- Ich will allerdings nicht bestreiten, daß es notwen- schwächen, vor allem ein völlig unterentwickelter dig ist, hierüber zu debattieren. Das sollten wir unbe- Markt für Risiko- und Beteiligungskapital. dingt tun. Deswegen haben wir und die Fraktion der SPD auch eine große Anhörung im Wirtschaftsaus- In der Analyse besteht weitgehende Einigkeit. schuß zu dem fragwürdigen Bericht des Bundeswirt- Allerdings ist die Bundesregierung bei der Abhilfe schaftsministers beantragt und vorbereitet, demzu- bisher auf halber Strecke stehengeblieben, so, wie folge der Aufbau Ost auf halbem Wege - ich weiß ihr Bericht auch betitelt ist. Vor allen Dingen in den nicht, ob er damit seine Karriere gemeint hat - ste- Bereichen der Forschungsförderung und der Förde- hengeblieben ist. Diese Anhörung soll im Frühjahr rung von Risiko- und Beteiligungskapital muß erheb- stattfinden. lich mehr geschehen als bisher. Ich habe gerade an Was Sie, meine Damen und Herren von der PDS, dieser Stelle überhaupt kein Verständnis für Ein- hier machen, ist wirklich eine Zumutung, noch dazu, schränkungen bei der Finanzierung des Aufbaus weil Sie diese Aktuelle Stunde mit dem Hinweis auf Ost. eine angeblich aktuelle Studie über zunehmende Insolvenzen in den neuen Ländern beantragt haben. Die mittelfristigen Aussichten für die deutsche - Diese Studie gibt es in Wahrheit überhaupt nicht. Es besonders auch für die ostdeutsche - Wirtschaft gibt nur eine Konjunkturumfrage. haben sich verdüstert. In West und Ost sind wir Zeu- gen eines nachhaltigen Arbeitsplatzabbaus im indu- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist striellen Bereich. Ich meine, daß wir ganz andere eine Luftnummer!) - Maßnahmen brauchen, um das aufzufangen, weil es Da ist man schon leicht perplex. sich hier um einen echten Strukturwandel handelt. Wir müssen auf die ökologischen Herausforderungen Der wirtschaftliche Aufbau - das wissen Sie genau- viel stärker reagieren. sogut wie wir - stand von Anfang an auf wackligen Beinen. - Frau Luft, Sie wissen es noch viel besser, Unsere Fraktion hat dazu ein Konzept für die öko- weil Sie die Grundlage kennen, logische Steuerreform vorgelegt, die eben nicht zu (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das ist wohl wahr!) einer enormen Erhöhung der Staatseinnahmen füh- ren sollte, sondern - ganz im Gegenteil - diesen öko- auf der das Ganze aufgebaut werden mußte. - logischen Strukturwandel voranbringen soll, damit zukunftsfähige, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze (Josef Hollerith [CDU/CSU]: Altkommuni stin!) entstehen und die „Sonnenuntergangstechnolo- gien", die künstlich am Leben erhalten werden, dem- Gerade im Bereich des verarbeitenden Gewerbes nächst verschwinden bzw. die Erhaltungssubventio- geht der Aufbau sehr mühselig und mit vielen Rück- nen abgebaut werden. schlägen vonstatten. Das alles ist, wie gesagt, nicht neu und beschäftigt uns seit Jahren. Wir haben Wir sollten endlich die großen Industrieleichen zu erlebt, wie ein Großteil der Arbeitsplätze weggefal- Grabe tragen und auf der anderen Seite dafür sor- len ist. Wir haben die Debatte um den Erhalt der gen, daß die Lohnnebenkosten gesenkt werden, daß industriellen Kerne geführt. Auch hier waren die Zukunftstechnologien aufgebaut werden, daß zum Erwartungen weit größer als die Ergebnisse. Ich will Beispiel die Markteinführung. der Solarenergie end- unsere Kritik an der Treuhandanstalt hier nicht wie lich in die Wege geleitet wird. Das, glaube ich, ist die 6908 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Werner Schulz (Berlin) wiederaufgehende Sonne für den Osten, die er brau- Deshalb beklagt Herr Schulz zu Recht, daß bei der chen könnte. Treuhand Fehler vorgekommen sind. Wir haben uns ja häufiger darum gestritten. Wir haben auch laufend (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Und für nachgebessert. Wir haben entsprechend dem Motto den Westen!) „Trial and error", wenn wir einen „error" erkannt haben, Gesetze verändert, Programme verändert. So - Sie bestätigen das, Herr Austermann. ist das abgelaufen. Vermeidbare Insolvenzen zu vermeiden und die politischen Ursachen hierfür zu beseitigen, das muß Wir wollen, daß auch die Treuhandnachfolgeeinrich- unser aller Ziel sein. Aber wichtiger ist es, die Bedin- tungen so schnell wie möglich ihren Betrieb aufge- gungen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu ben, damit wir in die Soziale Marktwirtschaft überge- verbessern; das habe ich hier angedeutet. Das ist hen können. zugleich die beste Politik, überflüssige Konkurse zu vermeiden. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Wir schaffen also mehr und mehr den Staatstropf ab bei der CDU/CSU und der SPD - Dietrich und lassen mehr und mehr den Markt entscheiden. Austermann [CDU/CSU]: Ich hoffe, das Dazu müssen die Unternehmen bereit sein, und die schadet Ihnen nicht! - Gegenruf des Abg. Unternehmen stellen sich dem auch. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mir kann nichts mehr schaden!) Von den 1,2 Millionen Gewerbeanmeldungen, die es von 1990 bis 1995 in den neuen Bundesländern gegeben hat, sind verhältnismäßig wenig, nämlich Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das nur etwas über 500 000, gescheitert; die Gewerbe Wort dem Kollegen . sind abgemeldet. In den alten Bundesländern hinge- gen liegen An- und Abmeldungen relativ dicht bei- einander. In den neuen Bundesländern ist das Ver- Paul K. Friedhoff (F.D.P.): Herr Präsident! Meine hältnis von Anmeldungen zu Abmeldungen sehr Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- hoch. Aber das hängt eben damit zusammen, daß gen! Wir behandeln hier jetzt ansteigende Insolven- dort etwas Neues entstehen konnte. zen in den neuen Bundesländern und die Politik der Treuhandnachfolge. Hier wird von der PDS versucht, Ist Panikmache also angebracht? Ist der Zusam- einen Zusammenhang herzustellen, den ich nicht menhang, den Sie herstellen, gerechtfertigt? Sie entdecken kann, der, wenn man es genauer betrach beziehen sich auf die Konjunkturerwartungen Ost tet, nicht existiert. des IW. In der Ausgabe vom 23. November 1995 lese ich unter der Überschrift „Die gute Stimmung ist Wir müssen einmal zurückblicken und uns überle- dahin" - es wird also ein Stimmungsbild gezeichnet; gen, wie wir in die Situation hineingekommen sind, ich zitiere -: daß in Ost und West erhebliche Unterschiede bestehen. Das muß ja eine Ursache haben. Die Ursa- Übertriebener Pessimismus ist auch deswegen che dafür ist sicherlich eindeutig darin zu sehen, daß nicht angebracht, weil die positiven Einschätzun- wir 1990 das Ende einer sozialistischen Kommando- gen bei Umsatz- und Produktionserwartungen wirtschaft, das Ende einer Planwirtschaft erlebten - die Negativmeldungen noch immer bei weitem Gott sei Dank! - und daß damit gleichzeitig auch der überwiegen. Anfang von marktwirtschaftlichen Strukturen,- die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft erfolgte. Dieser Satz steht auf der ersten Seite. Ich kann dar- Wir hatten also, wenn man so will, einen Struktur- aus keine Panik erkennen, zumindest schürt sie das wandel total, wie er in anderen Bereichen wesentlich IW nicht. langsamer und daher auch geordnet vorkommen kann. Was müssen wir denn wirklich tun? Wir müssen sicher - nicht nur im Osten, sondern auch im Westen - kein Nun gibt es für solch einen Strukturwandel einige Rahmenbedingungen ändern. Denn jeder Drehbuch. Wir haben versucht, nach dem Motto Unternehmer, der seinen Laden schließen muß, der „Trial and error" neue Strukturen aus alten Struktu- Mitarbeiter entlassen muß, weiß, daß offensichtlich ren hervorgehen zu lassen. Dabei wollte der Staat zu die Kosten zu hoch sind. Die Arbeitskosten sind in Recht keinen Bruch. Aus dem Grunde sind eine Deutschland erheblich höher als in anderen Ländern. ganze Reihe von staatlichen Maßnahmen, Förder- Von daher haben es Unternehmer und Mitarbeiter maßnahmen getroffen worden, die Treuhandanstalt besonders schwer. ist entstanden. Alle diese Maßnahmen hatten zum Ziel, die Brü- In dieser Frage nach dem Staat zu rufen hilft relativ che möglichst gering zu halten. Da mußte sich der wenig. Sehen wir uns einmal folgende Zahlen an: Staat einmischen. Nur wissen wir, daß wir aus wirt- Das Verhältnis des Nettolohns zu den Arbeitskosten schaftlichen Erwägungen nicht so sehr auf den Staat betrug 1950, beim Aufbau der Bundesrepublik, bauen können; denn Staatswirtschaften haben in der 68 Prozent; 1970 waren es immer noch 52 Prozent; Regel noch nie etwas Besonderes geleistet. 1994 sind wir bei 36 Prozent angekommen. Dies erschwert den Aufbau Ost natürlich enorm, aber (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) behindert auch, daß Arbeitsplätze im Westen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6909

Paul K. Friedhoff geschaffen werden können. Insgesamt muß sich hier Bundesländern nicht anders als in den alten. Es stellt Erhebliches verändern. einen zwar schmerzhaften, aber dennoch notwendi- gen Bestandteil unserer marktwirtschaftlichen (Beifall der Abg. Ina Albowitz [F.D.P.] sowie Grundordnung dar. bei der CDU/CSU) Deswegen würde ich mich sehr freuen, wenn sich Trotz dieser 5 600 Insolvenzen dürfen wir die Rela- die, die wie wir Analysen anstellen, aber das alles tion zu dem übrigen Marktgeschehen in den neuen beklagen, dazu aufraffen könnten, folgende drei Bundesländern nicht aus den Augen verlieren. In Dinge zu tun: erstens zu unterstützen, daß Steuern diesem Jahr wird es gleichzeitig wieder rund 50 000 und Abgaben auf Arbeit gesenkt werden, neue Unternehmen am Markt geben. Das sind etwa neunmal mehr, als weggefallen sind. Bis Ende 1995 - (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) die folgende Zahl ist nun wirklich beeindruckend - werden wir einen Bestand von insgesamt 530 000 zweitens - Sie verteufeln das immer - die Steuern für selbständigen Unternehmen in den neuen Ländern Unternehmen herunterzufahren. Zwei Drittel der haben. ausgewiesenen Unternehmensgewinne gehen an den Staat. Wie soll man da Risikokapital zurückzah- Ich glaube, das ist wirklich eine enorme Aufbaulei- len? stung, auf die wir alle stolz sein können. Sie darf (Walter Hirche [F.D.P.]: Wie soll man inve nicht durch eine einseitige Betrachtung der Austritte stieren?) von Unternehmen aus dem Markt schlechtgemacht werden. Letztlich kommt es auf das Gesamtergebnis Sicher ist hier eine Menge zu tun. Aber der Staat an. Das kann sich in der Tat sehen lassen. muß mit gutem Beispiel vorangehen. (Dr. Christa Luft [PDS]: Bonner Ideologie!) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die Bundesregierung nimmt die Insolvenzentwick- Drittens gehören die Gesetze, die Arbeitsplatzkil- lung in den neuen Bundesländern keineswegs taten- ler sind - jeder Unternehmer weiß, daß es solche los hin. Unsere klare Leitlinie ist es, daß keinem gibt -, auf den Prüfstand, damit wir nicht, was uns sanierungswürdigen Unternehmen die erforderliche immer vorgeworfen wird, Sozialabbau betreiben, Hilfe versagt werden darf. Die notwendigen Unter- sondern in die Lage versetzt werden, Arbeitsplätze stützungsmaßnahmen für notleidende Unternehmen zu schaffen. Denn das ist eine gute Grundlage für sind nach unserer verfassungsrechtlichen Aufgaben- eine vernünftige Sozialpolitik. verteilung grundsätzlich aber in Verantwortung der Ich danke Ihnen. Länder zu koordinieren. Das heißt, das jewei lige Land muß die Initiative ergreifen, es muß auf ein (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) konzertiertes Vorgehen aller Beteiligten hinwirken. Mitwirken müssen die Eigentümer, die Banken, die Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Konsolidierungsfonds, die Bundesanstalt für vereini- Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär gungsbedingte Sonderaufgaben, BVS, usw. Vor Dr. Heinrich Kolb. allem sind aber die Eigentümer gefordert, auch die Banken müssen ihren Beitrag leisten.

Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Wo es - das sage ich sehr deutlich - an einer sol- Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident! Liebe chen Initiative der Länder fehlt, ist im Interesse der Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesministerium Absicherung ihrer Privatisierungserfolge oft auch die - für Wirtschaft nimmt die steigende Zahl der Insolven- BVS, als zuständige Nachfolgeeinrichtung der Treu- zen in den neuen Bundesländern sehr ernst. In die- handanstalt tätig geworden. Dies geschah und sem Jahr wird mit zirka 5 600 Unternehmenszusam- geschieht weiterhin in der Absicht, daß es kein Hin- menbrüchen in den neuen Bundesländern gerech- undherschieben der Verantwortung zu Lasten der net. Dies ist zwar ein deutlicher Anstieg gegenüber betroffenen Unternehmen geben darf. dem letzten Jahr - da waren es rund 3 900 -, dennoch darf man, auch wenn man das Problem ernst nimmt, Der Bund hat insbesondere über die Treuhandan- nicht zu falschen Interpretationen kommen. stalt und die BVS wichtige Beiträge zur Stabilisie- rung der privatisierten bzw. reprivatisierten Unter- Deswegen möchte ich zunächst darauf hinweisen, nehmen geleistet. daß nur knapp 600 dieser 5 600 Gesamtinsolvenzen, das heißt zirka 10 Prozent, auf ehemalige Treuhand- (Ina Albowitz [F.D.P.]: Jawohl!) privatisierungen entfallen. Treuhandprivatisierun- gen haben sich damit als wesentlich stabiler erwie- Ich verweise dazu auf folgende Beispiele: Erstens. sen, als gemeinhin angenommen wird. Ende des vergangenen Jahres sind vom Bund bzw. der Treuhandanstalt 500 Millionen DM für Konsoli- Ich will auch darauf hinweisen, daß das Insolvenz- dierungsmaßnahmen bei notleidenden Privatisierun- geschehen zeitversetzt einem extrem hohen Anstieg gen bereitgestellt worden. Die Länder entscheiden in von Existenzgründungen im Zuge der Wiederver- eigener Verantwortung über die Vergabe dieser Mit- einigung folgt. Nicht jeder Existenzgründer oder Pri- tel. Diese Form der Hilfe hat sich schon in über vatisierer hat sich als fähig erwiesen, sich im Wettbe- 250 Problemfällen bewährt. Mehr als die Hälfte der werb zu behaupten. Wir erleben nunmehr die „not- bereitgestellten Konsolidierungsmittel ist bereits wendige Marktbereinigung". Dies ist in den neuen abgeflossen. 6910 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb Zweitens. Der Bund hat ferner die für die Arbeit uns für die Situation in den neuen Bundesländern des Vertragsmanagements notwendigen Vorausset- sensibilisieren wollen. zungen geschaffen. Seit September dieses Jahres ist mit der BVS eine Orientierung der Hilfsmaßnahmen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - nicht an einer engen juristischen Interpretation des Widerspruch bei der PDS) Kaufvertrages, sondern an den mit dem Privatisie- Was Sie hier machen, ist, wie gesagt, eine aktuelle rungsvertrag verfolgten Zielen vereinbart. Maßgeb- Anmaßung: Versager von gestern, die einen Scher- lich ist nach wie vor der Auftrag des Treuhandgeset- benhaufen hinterlassen haben, wollen heute den zes. Das findet seinen Ausdruck insbesondere in der anderen erzählen, was zu tun ist. Ich sage das für die ausdrücklichen Ermächtigung zur Beteiligung der überwältigende Mehrheit des Hauses; ich kenne kei- BVS an Auffanglösungen, in der Sicherstellung bef ri nen Kollegen, der nicht guten Willens ist, den neuen -steter Managementunterstützung und auch in der Bundesländern die Hilfe angedeihen zu lassen, die Erweiterung des zeitlichen Rahmens bei Stundun- erforderlich ist. Wenn Sie sich hier herstellen und so gen. Künftig sind hier Ausnahmen von der 12- tun, als sei das nicht der Fall, ist das doch einfach Monats-Begrenzung möglich. unwahr.

Drittens. Einen weiteren Handlungsspielraum der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) BVS gibt es bei Problemfällen im Reprivatisierungs- Wir haben es nicht nötig, uns von Ihnen sensibilisie- bereich: Abgeschlossene Reprivatisierungsvereinba- ren zu lassen. Wer die Vergangenheit so verdrängt, rungen können wiederaufgenommen und nachge- hat offensichtlich null Sensibilität. bessert werden. Ich habe dem Kollegen von den Grünen - er hat Dies zeigt, daß wir sehr spezifisch gehandelt etwas erstaunt geblickt - für seinen wirklich nach- haben. Man muß sehen, daß es darüber hinaus als denkenswerten Beitrag Beifall gespendet, weil ich Flankierung das allgemeine Förderinstrumentarium glaube, daß es richtig ist, daß wir in diesen Fragen des Bundes, insbesondere die Eigenkapitalhilfe und ehrlich und offen miteinander reden. Keiner von uns auch die Bereitstellung von Bürgschaften, gibt. Eine wird die Situation in den neuen Bundesländern Gesamtdarstellung der Maßnahmen der Bundesre- schönfärben wollen. gierung enthält der Bericht „Aufbau Ost - Die zweite (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]: Doch!) Hälfte des Weges". Sie kennen diesen Bericht. Er wird zur Zeit in den Ausschüssen des Deutschen Jedes einzelne Schicksal eines Arbeitslosen macht Bundestages beraten. Ich darf sagen, er findet dort - jeden von uns betroffen. Wir bemühen uns, die Situa- nach allem, was ich bisher gehört habe - ein durch- tion zu verbessern. aus positives Echo. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der F.D.P.) Welche konkrete Empfehlung hat eigentlich der Vertreter von Ihnen gegeben, was man denn nun tun Daraus ergibt sich, daß der Pessimismus verfehlt sollte, um die Situation zu verbessern? ist, wie ihn die PDS durch einseitige Auswahl von Negativbeispielen verbreitet. Der Aufbau Ost ist viel- (Zurufe von der CDU/CSU: Nichts! - Null!) mehr auf dem Weg zum Erfolg, auch wenn zugege- Es kam null. Er hat die Situation falsch gemalt, wie benermaßen noch eine schwierige Wegstrecke zu vom Kollegen Pohler am Beispiel SKET deutlich gehen ist. Ich bitte Sie aber um Unterstützung für gemacht worden ist. Der Kollege von der PDS hat das diese „zweite Hälfte des Weges". verzerrt dargestellt und hat null Schlußfolgerungen gezogen, etwa nach dem Motto: An dieser Stelle muß Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. dieses oder jenes noch passieren. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Nein, die sozialistische Planwirtschaft der DDR konnte nicht überleben und wird auch mit noch soviel möglicher Staatsbeteiligung nicht überleben Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile dem können. Abgeordneten Dietrich Austermann das Wort. Ich glaube, es ist richtig, daß wir darauf hinweisen, daß wir 1994 mit dem Ende der Treuhandanstalt nicht mit der Unterstützung der Betriebe Schluß Dietrich Austermann (CDU/CSU): Herr Präsident! gemacht haben, die in großer Zahl privatisiert, repri- Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, Sie vatisiert und der Marktwirtschaft überführt worden können sich selbstverständlich darauf verlassen, daß sind. Die 200 Milliarden DM, die vom Erblastentil- die Mehrheit der Koalition den guten Willen hat, die gungsfonds übernommen worden sind, sprechen ja Regierung bei dieser Aufgabe zu unterstützen. eine deutliche Sprache, was aufgewendet worden ist und was auch in Zukunft noch mit Zinsleistungen Ich sage einmal, bezogen auf die überwältigende aufzubringen ist. Mehrheit dieses Hauses: Wir brauchen es nicht, daß die Versager von gestern die Leistungsträger von Die Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt, heute kritisieren und in jeder Sitzungswoche Freitag die Beteiligungs-Management-Gesellschaft Berlin mittag eine Aktuelle Stunde beantragen, man muß und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte sagen: eine aktuelle Anmaßung begehen, indem sie Sonderaufgaben, haben nach wie vor einen Finanz- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6911

Dietrich Austermann bedarf in Milliardenhöhe. Noch 1996 sind Zuwen- alten Bundesländern jeden Tag bestätigen. Wenn ein dungen in Höhe von 230 Millionen DM für die solcher Wettbewerb entsteht, nutzt das dem Standort BMGB eingeplant. Die BVS, die die unmittelbare Fol- Deutschland, den neuen und den alten Bundeslän- getätigkeit der Privatisierung ausüben soll, kann im dern und damit uns allen. kommenden Jahr über netto 1,8 Milliarden DM ver- Herzlichen Dank. fügen. Das heißt doch: Wir sind bereit, im Haushalt Mittel vorzusehen, um konkret zu helfen. Das glei- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) che gilt auch für die Treuhand-Liegenschaftsgesell- schaft und die Bodenverwertungs- und -verwal- tungs-GmbH usw. Niemand kann also ernsthaft Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das behaupten, privatisierte Unternehmen aus der Erb- Wort dem Abgeordneten Wolfgang Ilte. last der DDR seien ausschließlich sich selbst überlas- sen. Wolfgang llte (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe es an dieser Stelle genauso wie Ich möchte den Blick auf ein interessantes kleines Kollege Schulz. Die Aktualität dieser Frage kann ich Beispiel lenken, das vielleicht etwas über die Situa- nicht erkennen, zumindest nicht, wenn der Zusam- tion in den neuen Bundesländern aussagt und deut- menhang so hergestellt wird, wie ich ihn dem Antrag lich macht, daß es falsch wäre, grundsätzlich der Kollegin Enkelmann entnommen habe. Dem schwarzzumalen: Wir werden bundesweit in diesem Antrag war zumindest zu entnehmen, daß Sie ein Jahr - das ist erkennbar - eine hohe Insolvenzquote gewisses Junktim zwischen der Politik der Treuhand haben. Das gilt für alle Bundesländer, nicht nur für Nachfolgeeinrichtungen und den derzeitigen Insol- die neuen, sondern auch für die alten. Der Hinter- venzen herstellen. Dies kann ich so nicht nachvollzie- grund sind kaufmännische Defizite, zu geringes wirt- hen. Sie haben es in dem Antrag, den Sie heute vor- schaftliches Wachstum - über den Standort Deutsch- legen, vorsichtshalber anders formuliert. land wird hier ständig gesprochen -, auch schlechte Zahlungsmoral der öffentlichen Hand - das betrifft Zumindest aus meinem Wahlkreis kann ich die auch die Gemeinden, auch die Länder - und Überka- Beispiele und Erfahrungen nicht bestätigen. Im pazitäten. Gegenteil! Ich habe in meinem Wahlkreis im Laufe des letzten Jahres drei von der Treuhandanstalt ehe- Dabei unterscheiden sich in manchem Bereich die mals privatisierte mittelständische Unternehmen, die neuen Bundesländer durchaus positiv von den alten. in Zahlungs- und Liquiditätsschwierigkeiten geraten So sind zum Beispiel, bezogen auf das Eigenkapital- sind, politisch betreut. In allen drei Fällen kann ich hilfeprogramm, in den alten Bundesländern um an dieser Stelle attestieren, daß die zuständige Treu- 10 Prozent höhere Insolvenzen zu beklagen als in hand-Nachfolgeeinrichtung, die BVS, die Unterneh- den neuen Bundesländern. In den alten sind es 16,7, men äußerst verantwortungsvoll und mit hoher Risi- in den neuen Bundesländern 6,8 Prozent. Die Aus- kobereitschaft unterstützt und begleitet hat. fallquote beträgt in den alten Bundesländern 5 Prozent und in den neuen Ländern 1,4 Prozent. (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Meines Erachtens muß in diesem Zusammenhang Natürlich waren die Gründe, die zu den Insolven- auch die ausländische Billigkonkurrenz im Bau- und zen - manchmal absehbar - geführt haben, im einzel- Ausbaubereich angesprochen werden. nen unterschiedlich. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle einen Fall schildern. Sehen Sie mir nach, daß Ich möchte ein Weiteres sagen: Wenn man zu ich im Interesse der Firmen und Mitarbeiter keine Recht die Zahl der Insolvenzen beklagt, muß man Namen nennen kann. Der Vorgang liegt mir aber vor. gleichzeitig feststellen, daß die Fülle der- Unterneh- men, die über die Treuhand privatisiert worden sind, In den Jahren 1991 und 1992 wurde eine Firma aus ihre Arbeitsplatzverpflichtungen tatsächlich überer- dem Baugewerbe mit rund 250 Beschäftigten an füllt hat. Trotz der Insolvenzen sind insgesamt die einen westdeutschen Investor verkauft. Der Kauf- von den Erwerbern garantierten Arbeitsplatzver- preis betrug 3,5 Millionen DM und beinhaltete ein pflichtungen mit 16 Prozent und die Investitionsver- Unternehmen mit insgesamt sieben über meinen pflichtungen mit 42 Prozent bisher übererfüllt wor- gesamten Wahlkreis verteilten Grundstücken ein- den. Auch dies gehört zu dem Bild über die Arbeit schließlich aufstehender Bauten. Dabei betrug der der Treuhandanstalt. Verkaufspreis von Grund und Boden rund 10 Prozent des Verkehrswertes. Die Bilanzen waren gut, die (Beifall bei der CDU/CSU) Auftragslage ist noch immer hervorragend. Wir sind zuversichtlich, daß mit den gewählten Warum ist das Unternehmen nun in Liquiditäts- Instrumenten die Privatisierung, damit auch die schwierigkeiten geraten? Die nicht betriebsnotwen- Sanierung und die Schaffung und Sicherung neuer digen Grundstücke wurden vom neuen Gesellschaf- Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern mittelfri- ter veräußert bzw. werden noch verkauft. Die Erlöse stig weiter erfolgreich sein werden. Das Wachstum werden nicht im Unternehmen reinvestiert. Die zum und der Aufbau wettbewerbsfähiger Strukturen Unternehmen direkt gehörenden Grundstücke wur- schreiten voran. Schon jetzt wird in den alten Bun- den aus dem Unternehmen ausgegliedert und in das desländern oft der Sorge Ausdruck verliehen, daß Eigentum einer Gesellschaft des Besitzers überführt. diese neuen Strukturen zu einer massiven Gefähr- Das Bauunternehmen zahlt zur Zeit 400 000 DM per dung in den alten Bundesländern führen können. Ich annum Miete für seine beiden Betriebsgrundstücke glaube, dies kann jeder von den Kollegen in den an die dem Gesellschafter gehörende Gesellschaft. 6912 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Wolfgang Ilte Diese Betriebsgrundstücke sind gegenwärtig mit ten. Heute auf die BVS zu schimpfen halte ich zumin- 9 Millionen DM belastet. Die Kredite sind vom dest für unangebracht. Nach meinen eigenen Erfah- Gesellschafter anderweitig verwandt worden. Wei- rungen versucht diese Nachfolgeeinrichtung zu ret- terhin hat das Unternehmen auf Veranlassung des ten, was zu retten ist. Gesellschafters eine Beteiligung an anderweitigen Geschäften in Höhe von 1,3 Millionen DM vorge- Um den Insolvenzen zu begegnen, wäre an dieser nommen und 1 Million DM Kredit an eine andere Stelle ein schlüssiges Konzept der Bundesregierung Gesellschaft des Gesellschafters ausgereicht. Dar- erforderlich, das ich im Augenblick aber nicht sehen über hinaus hat das Unternehmen noch Forderungen kann. Ein Abbau von 27 Milliarden DM bei den För- von 1,6 Millionen DM an seinen eigenen Gesellschaf- dermitteln für 1996 heißt auf deutsch: Damit wird der ter für in dessen Auftrag erbrachte Leistungen. Waigelsche Haushalt bezahlt. Das Programm, das wir neulich diskutiert haben, ist auf halbem Wege ste- Nun ist das Unternehmen nicht mehr liquide. hengeblieben. Akquirierte Aufträge in Höhe von 20 Millionen DM kann es nicht ausführen, weil es die Erfüllungsbürg- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie müs schaften von 2 Millionen DM nicht hinterlegen kann, sen zum Schluß auch noch was Böses weil es einfach nichts mehr hat, was es beleihen sagen! - Heiterkeit bei der CDU/CSU) könnte. Auf deutsch: Das Unternehmen ist trotz gün- stigster Auftragslage pleite. - Richtig.

Meine Damen und Herren, Rufe nach der BVS In diesem Bericht - das habe ich auch im Ausschuß oder nach Hilfen aus dem Land sind in solchen Fäl- gesagt - sehe ich eine ganze Menge aufgeworfener len wohl völlig ungeeignet. Ich kann an diesem Bei- Fragen und Probleme im Osten. Aber ich sehe an spiel nur attestieren, daß die BVS durchaus verant- dieser Stelle kein Konzept. Denken Sie an Ihre Kla- wortungsvoll mit unser aller Geld umgegangen ist. gen über die F-und-E-Situation und die Insolvenzen, (Beifall bei der CDU/CSU) die Sie selber aufführen; Beispiele bringen Sie aller- dings keine. - Warten Sie einmal ab! - 500 Millionen DM für den Beteiligungsfonds Ost (Heiterkeit bei der CDU/CSU) sind für mich, offen gestanden, kein Konzept. Rech- Im Gegenteil, die Treuhandanstalt hat das Unterneh- nen Sie das Ganze nach. Für meinen Wahlkreis habe men, wenn Sie allein den Kaufpreis und die Belei- ich es ausgerechnet: Mit den 500 Millionen DM per hungsfähigkeit der beiden Betriebsgrundstücke annum können Sie in meinem Wahlkreis acht Betrie- betrachten, äußerst komfortabel ausgestattet. Die ben helfen. Das ist weiß Gott kein Konzept zur Ret- Erfüllung der laut gewordenen Forderungen nach tung der deutschen Wirtschaft im Osten. Nachfinanzierung und Nachkreditierung wäre Besten Dank. unverantwortlich. Ich hielte es deshalb für angezeigter, zu hinterfra- (Beifall bei der SPD) gen, ob seinerzeit, wie in diesem Beispiel, die Treu- handanstalt mit ihrer Politik der Privatisierung „auf Teufel komm raus, egal an wen, und nach mir die Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Sintflut" richtig gehandelt hat oder ob sie ihren Wort dem Abgeordneten Gerhard Schulz. eigentlichen Auftrag verstanden hatte. Ich halte es im Nachgang schon für eigenartig, daß- Unterneh- men aus dem Volkseigentum in die Privatisierung Gerhard Schulz (Leipzig) (CDU/CSU): Herr Präsi- entlassen worden sind, ohne daß sich der Staat über dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! die Treuhandanstalt Möglichkeiten der nachträgli- Wenn ich das Thema dieser Aktuellen Stunde chen Einflußnahme gesichert hat. Wenn diese Mög- betrachte und mir die Begründung des Antrags der lichkeiten nämlich bestanden hätten oder wahrge- PDS anschaue, muß ich feststellen, daß Sie wieder nommen worden wären, dann hätten solche Machen- einmal versuchen, durch unkorrektes Zitieren aus schaften verhindert werden können. Presseerklärungen von Wirtschaftforschungsinstitu- ten - ich will mich vorsichtig ausdrücken - Punkte zu (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne machen und Demagogie zu betreiben. ten der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU) Im übrigen wäre dann sicher auch zu verhindern gewesen, daß eine ganze Reihe von Unternehmen, Die Studie, auf die Sie sich berufen - Werner die für einen Appel und ein Ei privatisiert worden Schulz vom Bündnis 90 hat schon darauf verwiesen -, sind, nur aus dem Grund erworben worden sind, um ist keine Studie, sondern eine Umfrage bei 500 ost- die Konkurrenz im Osten zu beseitigen. Dafür gibt es deutschen Unternehmen. Das ist ein Unterschied; bekanntlich eine ganze Menge Beispiele. das wissen wir alle. Ich habe mir diese Umfrage ein- (Beifall bei der PDS) mal genau angesehen. Man staune: Das Wo rt „Insolvenz" taucht in keiner einzigen Passage dieser In ihrem ursprünglichen Antrag haben Sie sogar Umfrage auf. Das kann es auch nicht; denn Gegen- einige angeführt. Hierüber lohnt es sich zu debattie stand der Befragung waren die Geschäftsaussichten ren und auch einmal eine Aktuelle Stunde zu bestrei ostdeutscher Unternehmen. Aber ein insolventes und Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6913 Gerhard Schulz (Leipzig) im Konkursverfahren befindliches Unternehmen hat - Herr Präsident, darf ich einen Moment unterbre- keine Geschäftsaussichten. chen, damit der Schreihals do rt hinten zur Ruhe kommt? (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! - Schau mal an!) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, Ich muß der PDS allerdings dankbar sein, daß sie Sie haben das Wort, und Sie sollten Ihre Zeit nutzen. diese Umfrage anspricht. Denn genau betrachtet ent- hält sie ein paar bemerkenswerte Passagen zur Wirt- schaftsentwicklung in den neuen Bundesländern, die Gerhard Schulz (Leipzig) (CDU/CSU): Angesichts ich diesem Haus nicht vorenthalten möchte. Ich der Tatsache, daß das Land Sachsen-Anhalt vor zitiere wörtlich aus der Presseerklärung des knapp 18 Monaten hervorragende Wachstumsraten Geschäftsführers des IW Köln: vorweisen konnte, halte ich diese Entwicklung für bedenklich. Immerhin - das ist bekannt - trägt die Beachtenswert ist, daß die Teilnehmer an der IW- PDS in weiten Bereichen Mitverantwortung für die Umfrage die Exportchancen der ostdeutschen Politik in Sachsen-Anhalt. Das zeigt einiges. Wirtschaft so positiv wie nie zuvor beurteilen. Jüngste Meldungen aus dem Bundeswirtschafts- (Wolfgang Bierstedt [PDS]: Amen! - Weite ministerium, nach denen sich die ostdeutschen rer Zuruf von der PDS: Die PDS ist aber Exporte bereits im ersten Halbjahr 1995 positiv nicht in der Regierung!) entwickelt haben, zeigen, daß es sich hierbei um Die durchaus kritische Entwicklung in einigen ost- mehr als um das Prinzip Hoffnung handelt. deutschen Regionen nun mit der Arbeit der Bundes- Besonders günstig sind die Erwartungen hin- anstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, sichtlich der Lieferungen an die ehemaligen der BVS, in Verbindung zu bringen, halte ich für bös- RGW-Partner. Beim Westexport ist die insgesamt willig. Die BVS hat die Aufgabe, die nicht erledigten recht robuste Weltkonjunktur bedeutsam sowie Fälle der Treuhandanstalt aufzuarbeiten - das sind die Tatsache, daß in Ostdeutschland die Zahl der bekanntermaßen nicht die leichtesten Fälle -, und sie Unternehmen zunimmt, die weltmarktfähige Pro- soll die Vertragseinhaltung erledigter Fälle überwa- dukte anbieten können. chen. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS, Nun habe ich mich aber nicht auf irgendwelche Sie freuen sich mit mir über diese Entwicklung. Ich Pressemeldungen verlassen, sondern habe schlicht freue mich jedenfalls darüber. Denn das ist das und einfach nachgefragt. Für mich als Leipziger Bestreben und das Ziel unserer Wirtschaftspolitik. Abgeordneter liegt die BVS-Geschäftsstelle in Leip- (Zuruf des Abg. Wolfgang Bierstedt [PDS]) zig am nächsten. Über deren Vertragsabwicklung kann ich folgendes berichten. Von rund 2 100 Verträ- Was den Arbeitsmarkt betrifft: Ohne Unterneh- gen, die in Leipzig von der BVS betreut werden, men, die produzieren können, gibt es keine Arbeits- befinden sich 105 Fälle im Gesamtvollstreckungs- plätze und damit auch keinen Arbeitsmarkt. Wir und Konkursverfahren. Das sind 5 Prozent aller Ver- müssen am richtigen Ende und nicht am falschen träge. Das ist schlimm genug für die Menschen, die Ende anfangen, wie Sie es immer wieder versuchen. konkret betroffen sind. Aber deshalb zu dem Schluß (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) zu kommen, die Region Leipzig stehe vor dem Kon- kurs, entspricht einfach nicht den Tatsachen. Weitere Umfrageergebnisse sind, daß rund Andererseits haben sich im Vertragsmanagement 60 Prozent der befragten ostdeutschen Unternehmen- steigende bis stark steigende Umsatzzuwächse und der Leipziger BVS-Geschäftsstelle Entwicklungen rund 58 Prozent steigende bis stark steigende Pro- ergeben, deren Fakten den Behauptungen der PDS duktionsumsätze erwarten. Ist das nichts? eindeutig widersprechen. Zugesagt war die Schaf- fung von 23 046 Arbeitsplätzen bis 1995. Tatsächlich (Wolfgang Bierstedt [PDS]: Und die Arbeits geschaffen wurden 28 238, also etwa 5 200 mehr. plätze?) Zugesagt waren Investitionen bis 1995 in Höhe von 850 Millionen DM. Investiert wurde aber mehr als - Sind das keine Arbeitsplätze? Ich weiß nicht, wie 1 Milliarde DM. Sie arbeiten. In Leipzig arbeiten die Menschen mit Menschen und nicht mit irgendwelchen Phantasien. Ich glaube, das reicht. Ich bin dankbar dafür, daß wir diese Aktuelle Stunde haben. (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Kennen Sie die neue Arbeitslosenstatistik nicht?) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Dr. Christa Luft [PDS]: Was haben Sie jetzt Einen Wermutstropfen kann ich den Kolleginnen den Menschen gesagt?) und Kollegen der SPD aber nicht ersparen. Wörtlich heißt es in der Presseerklärung des Instituts der deut- schen Wirtschaft: Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Manfred Hampel. Geradezu dramatisch haben sich die Geschäfts- erwartungen in Sachsen-Anhalt verschlechtert. Manfred Hampel (SPD): Herr Präsident! Liebe Kol- (Anhaltende Zurufe des Abg. Wolfgang leginnen und Kollegen! Nach dem dritten Anlauf, Bierstedt [PDS]) diese Aktuelle Stunde durchzuführen, hat die PDS 6914 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Manfred Hampel wenigstens ein halbwegs vernünftiges Thema men. Damit ist auch eine Korrektur des Zeithorizonts zustande bekommen. verbunden, insbesondere in der Personalausstattung. Die BVS arbeitet darauf hin, als Einrichtung über das (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Es war der Jahr 1998 hinaus tätig zu sein. Ich meine, es kann zweite Versuch!) nicht unser Ziel sein, das zu unterstützen. Wir müs- - Frau Enkelmann, ich habe Ihr Schreiben hier. - Der sen als Parlament darauf achten, daß diese Aufgaben erste Anlauf stand im Zusammenhang mit der Finan- schnell, zügig, im Interesse der Unternehmen und im zierung der Treuhandanstalt. Der zweite Anlauf Interesse der Bet riebe erledigt werden. stand im Zusammenhang mit den Insolvenzen und (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dem Ergebnis der Treuhandpolitik. Zum Schluß haben Sie es wenigstens geschafft, Ich möchte deswegen noch einmal eindringlich an zwei für die neuen Bundesländer wirklich wichtige die Kollegen von der Koalition appellieren: Die Auf- gaben müssen anders strukturiert werden. Bei der Punkte, nämlich die steigende Zahl der Insolvenzen und die Treuhandnachfolgepolitik der Bundesregie- letzten Beratung der Arbeitsgruppe „Aufbau Ost" rung, in einem Thema unterzubringen. Es ist aber war nur ein einziger Kollege von der Koalition anwe- nicht aktuell. Wir müssen uns damit beschäftigen, send. Wenn das Ihre Haltung zu dieser Tätigkeit, zu dieser Aufgabe ist, dann machen Sie sich zum ver- aber ich sehe keine Notwendigkeit für eine Aktuelle längerten Arm der Bundesregierung, Stunde. Ich möchte mich der Politik der Treuhandnachfol- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ger zuwenden, und zwar dem Teil, der uns als Abge- ten der PDS) ordnete in besonderem Maße interessieren muß, die das Thema möglichst kleinhalten und aus dem nämlich wie wir als Abgeordnete Einfluß auf die politischen Geschäft heraushalten will. Gestaltung und die Politik der Treuhandnachfolge nehmen können und wollen. Hier waren wir uns in (Widerspruch bei der CDU/CSU - Josef der 12. Legislaturperiode alle einig: Die Kontrolle Hollerith [CDU/CSU]: Die Bundesregierung der Treuhandnachfolger muß durch das Parlament hat gute Arbeit geleistet, Herr Kollege! - erfolgen. Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wichtig (Beifall bei der SPD) ist die Qualität der Arbeit!) Wir waren uns über alle Fraktionen hinweg weiter- Ich meine, diese Aufgabe ist so wichtig, daß man sie hin darüber einig, daß dies durch einen Unteraus- nicht einfach der Administration überlassen darf. schuß des Haushaltsausschusses geschehen sollte. Schauen Sie sich an - ich hatte die wirtschaftlichen Ich glaube, daß ich auf die Bedeutung dieser Kon- Kenndaten vorhin genannt -, welchen wirtschafts- trolle nicht hinweisen muß. Es ist oft genug gesagt politischen Einfluß dieses Vorgehen in den neuen worden. Ich möchte aber noch einmal die Fakten Ländern hat. nennen: Fast 2 Millionen Hektar land- und forstwirt- schaftliche Fläche im Bereich der BVVG, 80 000 Hek- (Zuruf von der CDU/CSU: Nur Auf tar gewerbliche Nutzfläche, rund 60 000 gewerbliche schwung!) Immobilien sowie Wohnimmobilien im Bereich der Das sind zentrale Stellen: ob das die BVS mit ihrem TLG, rund 30 000 Verträge im Bereich der BVS und Einfluß auf die Vertragsgestaltung ist, ob das die 3 000 Abwicklungen, wobei ich jetzt nicht von den TLG mit ihrer Verkaufspolitik ist oder ob es die Nachverhandlungen spreche, die sich in jüngster BVVG mit Vermietung, Verpachtung und Verkauf Zeit ergeben haben. All diese Dinge machen- es zwin- ist. Das alles sind Dinge, die weitreichenden Einfluß gend erforderlich, daß das Parlament auf die Ent- auf die Wirtschaft der neuen Bundesländer haben. scheidungen - wenn es auch nicht daran beteiligt Das kann und darf man nicht einfach der Exekutive wird - zumindest Einfluß nehmen kann. überlassen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Kienbaum hat in einer Untersuchung vom Oktober Ich bitte Sie, uns zu unterstützen, damit wir viel- dieses Jahres die Defizite noch einmal aufgezeigt. leicht doch noch gemeinsam ein Gremium von parla- Wir haben uns im Haushaltsausschuß und in der mentarischer Bedeutung schaffen. Arbeitsgruppe „Aufbau Ost" damit beschäftigt. Das Ergebnis ist: Die Treuhand-Nachfolgeeinrichtung (Beifall bei der SPD) BVS wird nicht in der Form arbeiten, wie wir es in dem Treuhandnachfolgegesetz ursprünglich geregelt Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nun gebe ich haben: das Wort dem Abgeordneten Manfred Kolbe. Erstens. Der Zeitraum für die Erledigung der hoheitlichen Aufgaben wird wahrscheinlich deutlich Manfred Kolbe (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe länger sein. Sie sollten 1996 beendet sein. Nach dem Kolleginnen und Kollegen! Wer über die Lage der jetzigen Konzept wird das über das Jahr 1996 hinaus- Wirtschaft im Osten Deutschlands wirklich reden gehen. und nicht nur polemisieren will, muß immer drei Zweitens. Die Anzahl der Verträge hat sich - wie Dinge beachten und kann nichts weglassen: Das ist uns dargestellt worden ist - deutlich erhöht. Die erstens die Ausgangslage; das sind zweitens die bis- Komplexität der Aufgaben hat ebenfalls zugenom- her erreichten Erfolge; das sind drittens die Politik Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6915 Manfred Kolbe für die Zukunft und die Korrektur der Fehler, die bis- Ich darf daraus zitieren; denn ich kann mich diesen her gemacht worden sind. Worten voll anschließen: Erstens zur Ausgangslage: Das Land, aus dem ich Angesichts der erfreulichen Fortschritte darf stamme, Sachsen, war 1939 das Industrieland allerdings niemand aus den Augen verlieren, daß Deutschlands. Das Bruttosozialprodukt pro Einwoh- der Aufbau Ost bei weitem noch nicht bewältigt ner war in Sachsen damals doppelt so hoch wie in ist. Baden-Württemberg. Was war 1989 daraus gewor- den? Das ist richtig. Die zweite Hälfte des Weges liegt noch vor uns. (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]: Weil Sie weg- Sie wird nicht weniger schwierig sein als die bis- gegangen sind, Herr Kolbe! - Gegenruf von her zurückgelegte Wegstrecke. der CDU/CSU: Nachher kam Heuer!) Und insbesondere: Dazu zitiere ich Ihnen aus dem Papier der Herren Schürer, Beil, Schalck usw. - wenn Sie es mir nicht Trotz der Fortschritte und Erfolge beim Aufbau glauben - einige Auszüge: Ost ist das Ziel einer sich aus eigener Kraft im Wettbewerb behauptenden ostdeutschen Wirt- Mißverhältnis zwischen dem gesellschaftlichen schaft und die Angleichung der Lebensverhält- Überbau und der Produktionsbasis. Die Ver- nisse bei weitem noch nicht erreicht. schuldung im nichtsozialistischen Wi rtschaftsge- biet ist seit dem 8. Parteitag gegenwärtig auf eine Dem können wir uns voll anschließen. Höhe gestiegen, die die Zahlungsfähigkeit der DDR in Frage stellt. Ökonomisch uneffektiver (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Instandhaltungs- und Reparaturbedarf. Was muß in Zukunft getan werden? Erstens. Der Ich frage mich wirklich allen Ernstes, wie einige von Hauptvorwurf gegen die Treuhandanstalt ist sicher- Ihnen, die dort jahrzehntelang leitende Funktionen lich der, daß zu wenig eigenständige Unternehmen übernommen hatten, hier manchmal die Stirn haben entstanden sind und die Eigenkapitalausstattung zu zu polemisieren. schwach ist. Deshalb muß die Eigenkapitalhilfe Ost weiter fortgeführt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten haben Ingrid Matthäus-Maier [SPD] - Dr. Ruth bei der Beratung des Bundeshaushaltes durchge- Fuchs [PDS]: Fragen Sie Ihre Kollegen, die setzt, daß die Verpflichtungsermächtigung insoweit da mitgeholfen haben! - Weitere Zurufe von aufgestockt wurde und die besseren Ostkonditionen der PDS - Widerspruch bei der CDU/CSU) vorerst weiter gelten. Ich würde mich da zumindest zurückhalten. Zweitens. Die industrielle Basis im Osten ist noch Zweitens. Niemand kann, wenn er glaubhaft Kritik zu schwach. Der Anteil der industriellen Produktion üben will, an den beachtlichen Erfolgen vorbeige- beträgt im Osten 18 Prozent, im Westen 28 Prozent. hen. Die Wachstumsraten liegen bei 8 Prozent, der Hier muß noch etwas getan werden. Anteil des Ostens am gesamtdeutschen Bruttosozial- (Zuruf des Abg. Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]) produkt ist von 7,2 auf 10,4 Prozent angestiegen. Die Infrastruktur wird ausgebaut. Es gibt seit 1991 Wir haben deshalb die Sonderabschreibungen auf 55 Milliarden DM an Verkehrsinvestitionen; das sind den industriellen Bereich konzentriert. 60 Prozent der gesamtdeutschen Verkehrsinvestitio- nen, die in den Osten fließen. (Beifall des Abg. Dr.-Ing. Paul Krüger [CDU/CSU]) (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Wir haben die Gemeinschaftsaufgabe Ost nach hefti- In den östlichen Bundesländern gibt es 4,2 Millionen gen Auseinandersetzungen in alter Höhe fortgeführt, neue Telefone, die DDR hatte ganze 1,8 Millionen und wir haben die Mittel für die Industrieforschung Telefone. Das kann man nicht verschweigen, wenn ebenfalls bei den parlamentarischen Beratungen des man als Kritiker ernst genommen werden will. Haushalts, insbesondere dank der Unterstützung unseres Fraktionsvorsitzenden, auf der alten Höhe (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - fortgeführt. Zurufe von der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Uwe-Jens Damit komme ich zum dritten Punkt, zur bisheri- Heuer [PDS]: 3 Prozent!) gen Politik. Ich darf aus dem Be richt der Bundesre- gierung zitieren. Wir haben nie verschwiegen, daß Drittens. Wir müssen die Absatzsituation der ost- auch die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren deutschen Unternehmen verbessern. Der Handels- nicht fehlerfrei war und daß wir erst die erste Hälfte bilanzüberschuß West gegenüber Ost beträgt des Aufbaus Ost erreicht haben. Genauso lautet der 219 Milliarden DM. Zum Vergleich: Der Handels- Titel eines Berichts, den die Bundesregierung her- bilanzüberschuß gegenüber Frankreich beträgt nur ausgegeben hat. Er hat die nüchterne Überschrift: 7 Milliarden DM. Hier liegt die Hauptcrux. Wenn wir „Aufbau Ost - die zweite Hälfte des Weges". nicht die Absatzsituation der ostdeutschen Industrie verbessern, dann werden die Transfers die alte Höhe (Zurufe von der PDS) beibehalten. 6916 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Manfred Kolbe Wir werden uns dort in besonderem Maße einset- die öffentlichen Hände zunehmend hinzugerechnet zen. Das machen wir aber nicht durch Showveran- werden können. staltungen, sondern durch konkrete Politik, mit der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne wir bereits etwas erreicht haben. Wir haben bei den ten der CDU/CSU und der PDS) Beratungen des Bundeshaushalts unstrittig etwas erreicht. Ich nenne auch den Bürokratismus. Tatsache ist, daß wir immer noch die 520 staatlichen Förderungs- Die meisten von uns sind direkt gewählte Abge- programme mit den 700 Einzelförderungsmaß- ordnete und machen das durch tägliche Kleinarbeit nahmen haben, bei denen gerade der mittelständi- im Wahlkreis, wenn sie sich um die Belange der sche Unternehmer nahezu keine Chance hat, ent- Unternehmen des Wahlkreises kümmern. Das weiß sprechende Förderung zu erlangen, wie das ein gro- ich aus eigener Erfahrung. ßes Unternehmen kann. Das sind natürlich alles Rah- (Lachen bei der PDS - Dr. Dagmar Enkel menbedingungen, die dort die Ursachen schaffen. mann [PDS]: Haha, das ist ein Witz!) Ich sage an der Stelle auch: Sicherlich ist die wirt- - Die kommen nicht zu Ihnen, wenn sie Probleme schaftliche Situation der ostdeutschen Unternehmen haben, die kommen zu uns. Diese Sacharbeit werden zusätzlich durch die Treuhandpolitik der vergange- wir weiter fortführen. nen Jahre geprägt. Ich glaube, es fällt uns überhaupt nicht schwer - ich appelliere besonders an Sie von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) der Bundesregierung -, das einfach einmal zuzuge- ben. Sie fordern ja auch von anderen Teilen, immer Wir werden auch die zweite Hälfte des Weges - bei Vergangenheitsdinge mit in die Debatte einzubrin- allen Problemen, die wir im Gegensatz zu Ihnen frü- gen. Wir machen das natürlich ebenso. Hier ist ein her heute nie leugnen - zurücklegen und letztend- „Vergangenheitsding" der Politik der Bundesregie- lich die innere Einheit Deutschlands erreichen. rung aus den letzten Jahren. Das muß man einfach (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - auch einmal sagen. Zurufe von der PDS) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten der PDS) Nun erteile ich Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gehe jetzt auf das Thema Altschulden der dem Abgeordneten Rolf Schwanitz das Wort. Betriebe ein, und ich unterstelle noch einmal, daß auch bei Ihnen die Unternehmer und beispielsweise Rolf Schwanitz (SPD): Herr Präsident! Meine die Reprivatisierer, die enteignet worden sind, in den Damen und Herren! Herr Kolbe, Sie haben in Ihrer Büros waren und sich darüber beklagt haben, wie Rede noch einmal massiv auf den Terminus der zwei- mit dem Instrument der Altschulden auf die Leute, ten Hälfte des Weges abgestellt. Man muß ja froh die einsteigen wollten, teilweise über viele Jahre hin- sein, wenn man wenigstens ab und zu in diesen weg Druck gemacht worden ist. Dann lese ich in semantischen Umschreibungen einen Hauch von einem Brief der Bundesregierung, daß offensichtlich Kritik an den Programmen der Bundesregierung ver- 95 Prozent der Altschulden bei den Unternehmen spürt. Leider haben wir nicht mehr die Hälfte der zum Schluß weggenommen worden sind. Industrieunternehmen, und das ist das Problem, über (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Jawohl!) das wir reden. Insofern war das deplaziert, was hier an Semantik versucht worden ist. Aber schließlich kommt doch der Satz, daß man - der Meinung ist, daß das Konzept der einzelfallbezo- Ich glaube, der wirkliche Kern dieser Aktuellen genen Entscheidung - wie gesagt über Jahre hin- Stunde ist, daß die Zahl der Insolvenzen angestiegen weg - offensichtlich dennoch richtig war. Ich frage ist, natürlich in Gesamtdeutschland, aber in Ost- mich: Ist das Volksverdummung, oder was versucht spezi- deutschland mit anderen Zahlen und aus ganz man damit noch zu beschönigen an dieser Situation? fischen Problemsituationen heraus. Es kann nicht oft genug gesagt werden: Ursachen sind die Unerfah- (Beifall bei der SPD und der PDS - Ing rid renheit in Management- und Marketingfragen sowie Matthäus-Maier [SPD]: Das hat zu jahrelan in anderen Fragen, die Eigenkapitalschwäche, die gen Verzögerungen geführt!) angesprochen worden ist, das fehlende Risikokapital bei den Unternehmen oder der Zugang zu Risiko- Ich sage an der Stelle aber auch: Natürlich hilft es kapital und, ich sage einmal, auch das Vollkaskoden- nicht, die ostdeutsche Seele zu befriedigen, indem ken der Kreditgeber an vielen Stellen. wir immer nur auf die Treuhandanstalt abstellen. Vielmehr ist klar, daß wir mehr Beratungshilfen brau- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne chen. Wir müssen die Instrumente ausbauen. Wir ten der PDS) brauchen Zugang zu mehr Fremdkapital. Wir brau- chen besseres und quantitativ höheres Beteiligungs- Wir sitzen alle hier und haben die Vertreter der kapital. Das hat mein Kollege Ilte vorhin angeführt. Unternehmen bei uns in den Büros. Sie klagen dar- über, wie schlecht die Zugangsmöglichkeiten zu den Der Förderdschungel muß gelichtet werden. Kreditgebern und zu entsprechendem Kapital sind. Selbstverständlich - das sage ich als Sozialdemokrat - Dazu gehört auch die schlechte Zahlungsmoral, müssen wir etwas dagegen tun, daß die Subventions- wobei ich unterstelle, daß Sie alle in Ihren Wahlkrei- mentalität weiter um sich greift. Dazu gibt es im übri- sen immer wieder hören, daß dort offensichtlich auch gen Vorschläge. Ich nenne hier nur das Stichwort Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6917

Rolf Schwanitz Einführung eines Subventionskontos. Das muß bei aber er hat mich gebeten, eine Erwiderung zu den entsprechenden Unternehmen durchaus geprüft Bischofferode zu geben. werden. (Dr. Peter Struck [SPD]: Nein, er hätte doch Eine letzte Bemerkung möchte ich gerne zu etwas an Ihrer Stelle reden können! Sie reden machen, worauf Herr Kollege Hampel bereits abge- schon das zweite Mal! - Weitere Zurufe von stellt hat. Ich bin in den vergangenen fünf Jahren der SPD) hier im Bundestag in vielen Ausschüssen gewesen. Ich habe noch keinen Ausschuß und noch kein parla- 700 Dauerarbeitsplätze waren versprochen, 700 bis mentarisches Gremium erlebt wie dieses Gremium, 1000. 40 Arbeitsplätze sind am Standort Bischoffe- das sich den Namen „Aufbau Ostdeutschland" gege- rode bis jetzt geschaffen worden. Die für kommen- ben hat und sich um die Treuhandnachfolge küm- den Montag geplante Regionalkonferenz Nordthü- melt. Eine Stunde pro Sitzungswoche - und die Kol- ringen wurde infolge zunehmend zu erwartender legen aus der Koalition kommen regelmäßig zu spät, Erfolglosigkeit wieder einmal abgesagt. so daß wir keine Beschlußfähigkeit haben. Jetzt sage ich mal etwas ein bißchen Kompliziertes. Ich bitte von vornherein um Entschuldigung. Mein (Dr. Peter Struck [SPD]: Unglaublich!) Kollege Jüttemann und ich kennen die Kollegen Das soll diesen Problemen gerecht werden? Ich dort, er als Betriebsratsvorsitzender natürlich viel, stimme Ihnen zu, das ist nicht Ihr Privatvergnügen. viel besser. Er lädt Sie mit Ihrer Rede nach Bischoffe- Hier sind Sie verlängerter Arm der Bundesregierung, rode ein und verspricht Ihnen, wenn Sie Ihre Rede aber das zeigt die Haltung der Bundesregierung vor den Kumpels gehalten haben - die lassen sich gegenüber den Treuhand-Nachfolgeproblemen. nämlich nicht gern veralbern -, wird er Sie persön- lich beschützen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der PDS) und der PDS) Gehen Sie da hin, und sagen Sie den Leuten das, was Sie hier gesagt haben! Haben Sie den Mut, Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nun spricht machen Sie es! noch einmal der Kollege Wolfgang Bierstedt. Frau Kaspereit, hinsichtlich der Unterstützung (Zuruf von der CDU/CSU: Def hat schon durch die Landesregierungen stimme ich mit Ihnen genug Mist erzählt!) überein. Wir hatten das am Montag beim Minister- präsidenten schon einmal kurz skizziert. Dazu will -- Ich muß doch bitten, Herr Kollege! ich nichts weiter sagen, da haben wir ziemlichen Konsens.

Wolfgang Bierstedt (PDS): Sehr geehrter Herr Prä- Herr Schulz, zur Konjunkturumfrage: Ich hatte sident! Meine Damen und Herren! Herr Hollerith, ich Ihnen schon am Telefon gesagt, zumindest Ihrem entschuldige mich bei Ihnen, daß ich auf Ihre fol- Mitarbeiter, daß das ein kleiner Lapsus gewesen ist. gende Rede vielleicht nicht mehr antworten kann, Sie haben das seit 48 Stunden, und es hat sich um aber ich möchte einfach einmal auf einige Positionen, eine Umfrage gehandelt, nicht um eine Studie. Da die benannt worden sind, antworten. Sehen Sie es hatte ich um Entschuldigung gebeten. einfach einmal als den Versuch einer inhaltlichen Aber eines kann ich hier nicht im Raum stehen las- Auseinandersetzung. - sen, und das betrifft Ihre Frage nach der Aktualität. Erstens zu Herrn Dr. Pohler. Sie haben zum SKET Sie haben sie sehr stark in Zweifel gezogen. Es fällt gesprochen und von verschiedenen Konzepten, von mir schwer, aber ich sage Ihnen: Das ist ganz einfach Unternehmenskonzepten, Erhaltungskonzepten. Ich ein Schlag ins Gesicht Ihrer grünen Kollegen, die mit empfehle Ihnen ganz einfach mal die Presse- und mir gemeinsam an diesen Arbeitskämpfen teilge- dpa-Meldungen als Lektüre, die heute herausge- nommen haben. kommen sind, und ich empfehle Ihnen auch die (Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE Äußerungen des Konzernbetriebsrats und verschie- GRÜNEN]: Sie mußten einmal das Mittel dene andere Studien, die vorliegen. Ich sage Ihnen der Aktuellen Stunde begreifen!) ganz einfach, ich stimme mit den Kollegen vom Betriebsrat und auch mit den beiden Geschäftsfüh- Ich finde, es ist ganz einfach ein starkes Stück. Sagen rern völlig überein. SKET mit tausend Leuten ist Sie es bitte Ihren eigenen Kollegen. scheibchenweise zum Untergang verurteilt. Das muß man sehen. Ein Maschinenbauunternehmen in die- (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das ist eine Debatte, ser Größenordnung und mit dieser Leistung - alles aber keine Aktuelle Stunde mehr! - Werner aus einer Hand! - auf tausend Leute abschmelzen zu Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ wollen, Kernbereiche herauszunehmen, das ist kein NEN]: Was Sie machen, ist eine Nachlese, Konzept, das ist Tod auf Raten. keine Aktuelle Stunde!) (Beifall bei der PDS) - Na gut, das ist eine Aktuelle Stunde, ich mache eine Nachlese. Wissen Sie, wenn man hier gemein- Nun zum Problem Bischofferode. Herr Jüttemann schaftlich niedergemacht wird, dann hat man sicher- hat ja leider nicht die Chance, sich hier zu melden, lich auch mal die Chance, darauf einzugehen. 6918 Deutscher Bundestag - 13, Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Wolfgang Bierstedt Herr Kollege Paul Friedhoff, wissen Sie, mir fiel 120 Millionen DM. Es ist eines der erfolgreichsten eigentlich nur ein Stichwort ein: Sehhilfe. Arbeitge- Unternehmen in den neuen Bundesländern, aus dem bersicht ist letztlich nicht Arbeitnehmersicht. Das ist ich komme. wahrscheinlich der Unterschied, den man letztlich nicht gesehen hat. (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das ist wie in der Grundschule!) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nicht immer, aber immer öfter!) Trotzdem gehe ich davon aus, daß man auch mal ein bißchen über den Tellerrand schauen muß und nicht Zu den Substanzfragen in Richtung des Herrn nur in seinen kleinen Bereich sehen darf. Staatssekretärs Kolb. Sie haben sehr ernst gesagt: Aber. Das ist ja eine Formel. Ich will Ihnen einfach Zu Herrn Schulz. Sie hatten mich ja schon als sagen, 16,5 Prozent Arbeitslose sind eine ernste Schreihals bezeichnet. Na gut, das steht Ihnen ein- Geschichte. Dann haben Sie gesagt, es gibt erfolgrei- fach zu. Ich muß es Ihnen aber noch einmal sagen: che Privatisierungen, und da gibt es keine Insolven- Lesen und zitieren Sie die Studie bis zum Schluß. zen. Das kann ja sogar stimmen. Aber wenn Sie das Dort steht nämlich drin, daß 40,5 Prozent der Unter- MAW von 6 000 bis 8 000 Arbeitskräften auf 200 her- nehmen von einem Arbeitsplatzabbau ausgehen. unterrubeln, die Waggonfabrik Dessau von 3 000 bis Natürlich ist es positiv, wenn der Umsatz steigt und 4 000 auf 135, sich die Unternehmen in einer stabilen Situation befinden. Das Problem ist aber doch ein ganz ande- (Ina Albowitz f F.D.P.]: Warum denn wohl?) res. Es geht um den Arbeitsmarkt. Hier stellt sich das SKET von 12 000 auf 1 000, Getriebewerk Werni- Problem, daß die Arbeitslosigkeit ständig ansteigt. Es gerode von 1 000 auf 26 und die Maschinenfabrik geht um die Leute, nicht nur um den Umsatz. Buckau von 2 000 auf 50, dann muß ich Ihnen doch (Beifall bei der PDS - Ina Albowitz [F.D.P.]: ganz einfach sagen: Gehen Sie einmal dorthin, dann Aber um Märkte!) kann ich Ihnen die Geschichte mit Buckau ganz genau erzählen, was da alles gelaufen ist. Ihre Redezeit (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Mach's Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: ist abgelaufen. nachher!) Vielleicht noch ein ganz kleines Problem dazu. Der (PDS): Ein letzter Satz: Herr Kollege fing hier doch immer so an: Schlußfolgerun- Wolfgang Bierstedt Schürer ist nicht mein Freund; das gebe ich ganz ehr- gen. Herr Austermann, Schlußfolgerung null. Wenn lich zu. Ich möchte auch dem Kollegen aus Sachsen ich mich recht entsinne, sind Sie Mitglied des Haus- noch einen Tip geben: Wenn Sie schon aus dem haltsausschusses. Jahre 1939 zitieren, dann ziehen Sie doch bitte die (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Letzte Rüstungsindustrie ab. Das wäre vielleicht etwas fai- Minute!) rer. Darüber können Sie einmal nachdenken. Schät- zen Sie dann noch einmal die realistische Wirt- Ich hatte eine ganze Reihe von Schlußfolgerungen schaftssituation in Sachsen ein! Wir verleugnen doch vorbereitet. Ich will Ihnen mal eine vorlesen: nicht die Erfolge. Aber Erfolgshudelei hatten wir in Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Son- der DDR genug. Sehen Sie sich einmal das Problem deraufgaben gibt in diesem Jahr fast 2 Milliarden an, das auf der Tagesordnung steht. Es geht um DM weniger aus, als vom Bundesfinanzminister als Arbeitslosigkeit! Deckungslücke bewilligt war. Die BVS plant eine - Danke schön - und schönes Wochenende. Kürzung des Budgets im nächsten Jahr auf 3 Milliar- den DM und 1997 eine weitere Kürzung auf (Beifall bei der PDS) 1,8 Milliarden DM. Die Kürzungen erfolgen mit Billi- gung der Mehrheit des Haushaltsausschusses. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile dem (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Es wer Abgeordneten Josef Holle rith das Wort. den weniger Betriebe!)

Meine Schlußfolgerung biete ich Ihnen einfach an: Josef Hollerith (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Setzen Sie sich im Haushaltsausschuß auseinander, sehr verehrten Damen und Herren! Ich empfinde es und probieren Sie das einfach einmal! als ziemliche Unverfrorenheit, Herr Ilte, Sie haben etwas Schönes über diese Bau- (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das ist wohl wahr!) firma gesagt. Das ist eine ganz tolle Sache. Ich sage Ihnen ganz einfach: Schauen Sie mal ein bißchen daß die PDS diese Aktuelle Stunde beantragt hat. über den Tellerrand! (Widerspruch bei der PDS) (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) Es ist eine besondere Dreistigkeit, wenn der Versuch Ich sage Ihnen, ich komme aus einem Unternehmen unternommen wird, hier die Feuerwehr, die Sanierer, in Sachsen-Anhalt, das in den letzten zwei Jahren die Männer und Frauen, die die Beseitigung der Alt- eine Vervierfachung des Umsatzes erzielt hat. Damit lasten des Kommunismus leisten, Sie vielleicht einmal eine Vorstellung von der Grö- ßenordnung bekommen: Wir liegen derzeit bei (Widerspruch bei der PDS) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6919 Josef Hollerith an den Pranger zu stellen, um von den Brandstiftern, Natürlich erfordert es ein gigantisches Werk, diese also den Verursachern dieser Misere, abzulenken. Strukturen zu verändern. Dies hat in Deutschland gewaltige Anstrengungen zur Folge; dabei denke ich (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - zum Beispiel an den Solidaritätszuschlag. Dies hat Christina Schenk [PDS]: Lassen Sie sich mal gewaltige Einschnitte für die Menschen in den etwas anderes einfallen!) neuen Bundesländern bedeutet. Sie von der PDS sind die Nachfolger dieser Brandstif- Natürlich sind bei diesem gigantischen Umbau ter. Sie sind die Nachfolger der Kommunisten, die auch Fehler vorgekommen. Die Marktwirtschaft ist Nachfolger der SED. Der Kollege Bierstedt war laut ein Prozeß, der durch „Trial and error" gekennzeich- seiner Biographie schon 1978 Mitglied der Sozialisti- net ist und in der Summe zum Erfolg führt. Bei der schen Einheitspartei Deutschlands. Summenbilanz bin ich sehr optimistisch. Wir haben, Sie lösen die großen Probleme, die in den neuen Bun- was die Perspektiven und die Aufbauleistung desländern bestehen, auch nicht dadurch, daß Sie angeht, eine positive Bilanz vorzuweisen. Die große hier Zensuren erteilen. Sie haben in dieser Debatte Mehrheit der Menschen in den neuen Bundeslän- mit keinem Satz Lösungen aufgezeigt, die den Men- dern, so empfinde ich es jedenfalls, erkennt diese schen dienen könnten. positive Bilanz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der und der F.D.P. - Clemens Schwalbe [CDU/ gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat am 14. No- CSU]: Das haben sie 40 Jahre nicht vember 1995 festgestellt, gemacht! - Ina Albowitz [F.D.P.]: Sie haben (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]: Das können 40 Jahre nur Schrott gemacht! - Wider aber keine Menschen aus dem Osten sein!) spruch bei der PDS) daß er bei den zentralen Indikatoren in den neuen Meine sehr verehrten Damen und Herren, um eine Bundesländern im Jahre 1995 ein von gerechte Bewertung zu ermöglichen, muß man auf Wachstum 7 Prozent und im Jahre 1996 ebenfalls von 7 Prozent die Ausgangslage blicken, auf die Eröffnungsbilanz erwartet. Er erwartet in den neuen Bundesländern nach 40 Jahren Kommunismus, nach 40 Jahren Plan- ein Plus in der von 154 000 wirtschaft, Stasi-Herrschaft und Unterdrückung der Zahl der Erwerbstätigen Menschen für 1995, in 1996 ein Plus von 111 000 Menschen. Wie war denn die Ausgangslage im Jahr Menschen - und dies bei einem sehr, sehr moderaten 1990? Die Ausgangslage war durch wegbrechende Inflationswert von 2,75 Prozent. Märkte, ein ausgeplündertes Land, eine kaputte Infrastruktur und unterlassene Investitionen in den Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bot- Betrieben gekennzeichnet. schaft, die wir den Menschen bringen müssen, ist (Zurufe von der PDS) natürlich auch, daß wir dort, wo Probleme sind, wo Schwierigkeiten sind, Lösungen anbieten. Das heißt Ich muß sagen: Ich bewundere die Menschen in für uns, daß wir die Kultur der Selbständigkeit, die Leuna - ich habe das dort mit eigenen Augen gese- in 40 Jahren Kommunismus vernichtet worden ist, hen -, daß sie ausgehalten haben, daß sie in diesen wieder entwickeln, maroden Fabriken und unter diesen gesundheitsge- fährdenden Arbeitsbedingungen überhaupt noch in (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]: Das sagen Sie der Lage waren, die Produktion aufrechtzuerhalten einmal den Arbeitslosen!) und damit Sozialprodukt zu erwirtschaften. - daß wir die Instrumente der regionalen Strukturpoli- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge tik, die Aufgabe der Länder ist, weiter entwickeln, ordneten der F.D.P. - Widerspruch bei der daß wir die Möglichkeiten der Eigenkapitalhilfe, der PDS) Existenzgründungen, der Risikokapitalbereitstellung verstärken, daß wir den Mut aufbringen, die Aufga- Das war die Ausgangslage nach 40 Jahren Kommu- ben gemeinsam in einem großen Pakt der Solidarität nismus. Sie wurde von denen hinterlassen, deren von Kapital und Arbeit entwickeln. Das ist die Bot- Nachfolger Sie sind. schaft, die wir politisch ins Land bringen müssen und nicht eine Negativbotschaft, die Sie hier zu entwik- (Widerspruch bei der PDS) keln versuchen, die von den wahren Ursachen abzu- lenken versucht und das Erreichte in den negativen Trend bringen möchte, um den Menschen die Per- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Eine Sekunde, Herr Kollege. spektive zu nehmen. Sie wollen nur die alten Struk- turen wiederherstellen. Sie wollen nicht, daß es Herr Jüttemann, ich mahne Sie, sich zurückzuhal- damit aufhört, daß es den Menschen besser geht und ten. Ansonsten werde ich Ihnen einen Ordnungsruf daß die Menschen mit Optimismus in die Zukunft erteilen. Es reicht allmählich. schauen. Bitte fahren Sie fo rt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Josef Hollerith (CDU/CSU): Danke, Herr Präsi- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Die Aktuelle dent. Stunde ist damit beendet. 6920 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Ehe ich schließe, möchte ich darauf hinweisen, daß Ich möchte allen Anwesenden ein frohes Weih am Dienstag, den 16. Januar 1996, um 11 Uhr der nachtsfest, ein glückliches, gesundes neues Jahr und israelische Staatspräsident Weizman vor den Mitglie- Ihnen allen persönlichen Erfolg wünschen. dern des Bundestages und des Bundesrates sprechen wird. Es wird Ihnen dazu eine gesonderte Einladung (Beifall - Zuruf von der CDU/CSU: Danke zugehen. gleichfalls!) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- Die Sitzung ist geschlossen. destages auf Mittwoch, den 17. Januar 1996, 13 Uhr ein. (Schluß der Sitzung: 13.27 Uhr)

Berichtigung 77. Sitzung, Seite 6808 D, 4. Zeile: Zwischen den Worten „Chancen des" sind die Worte „der Aufklä- rung" einzufügen.

- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6921*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Anlage 2

Liste der entschuldigten Abgeordneten Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 14 entschuldigt bis (Entwurf eines Mikrozensusgesetzes Abgeordnete(r) einschließlich und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes) Belle, Meinrad CDU/CSU 8. 12. 95 Manfred Such (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Berger, Hans SPD 8. 12. 95 geltende Mikrozensusgesetz, auf Grund dessen zu Böttcher, Maritta PDS 8. 12. 95 Planungszwecken jährlich 1 Prozent der Bevölke- rung repräsentativ befragt wurden, läuft zum Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 8. 12. 95 ** 31. Dezember 1995 aus. Durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung soll ein solcher Zensus unter Dietzel, Wilhelm CDU/CSU 8. 12. 95 Ausweitung des Frageprogramms ab 1996 bis zum Jahr 2004 weiter durchgeführt werden. Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 8. 12. 95 * Das heißt im Klartext: Erfragt werden sollen etwa 100 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 8. 12. 95 zum Teil hochsensible Themen (wie Einkommen, Ver- mögen, Krankheitsanfälligkeit, Rauchgewohnheiten, Höfer, Gerd SPD 8. 12. 95 Arbeitswilligkeit von Erwerbslosen, Aufenthalt von Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 8. 12. 95 Ausländern): etwa 74 Themen bei 1 Prozent (§ 4 Abs. 1 Nr. 1), zirka 27 weitere Themen nur mit halbierter Stich- Irber, Brunhilde SPD 8. 12. 95 probe von 0,5 Prozent (§ 4 Abs. 1 Nr. 2). Zusätzlich sollen ab 1996 jährlich zirka 56 weitere Themen im vierjähri- Jung (Düsseldorf), Volker SPD 8. 12. 95 gen Wechsel bei 1 bzw. 0,5 Prozent der Bevölkerung abgefragt werden (§ 4 Abs. 2 bis 4). Parallel dazu kann Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 8. 12. 95 die EG-Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte wei- Klemmer, Siegrun SPD 8. 12. 95 terhin durchgeführt werden (§ 12). Dr. Knake-Werner, Heidi PDS 8. 12. 95 Die Auskünfte sind nur zum geringsten Teil freiwil- lig (§ 7 Abs. 4), nämlich nach § 4 Köhne, Rolf PDS 8. 12. 95 - Wohn-/Lebensgemeinschaft; Eheschließungsjahr Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 8. 12. 95 (Abs. 1 Nr. 1 a); - Höchster Schul- oder Ausbildungsabschluß (Abs. 1 Lederer, Andrea PDS 8. 12. 95 Nr. 1 d), wenn der Befragte älter als 51 Jahre ist; Meißner, Herbert SPD 8. 12. 95 - Aufenthaltsdauer von Ausländern (Abs. 1 Nr. 1 k); Neumann (Berlin), Kurt SPD 8. 12. 95 - Wohnsitz, Nicht-/Erwerbstätigkeit 95; Pflegebe- dürftigkeit und und Pflegeleistungen 1996 bis 1998 Papenroth, Albrecht SPD 8. 12. 95 (Nr. 2 d/e); Purps, Rudolf SPD 8. 12. 95 - Ausbildung, Weg zur Arbeit, im Ausland lebende Verwandte von Ausländern (Abs. 2 Nr. 1/2); Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 8. 12. 95 Hermann - Lebensversicherung, vermögenswirksame Leistun- gen (Abs. 3 Nr. 1, 2 b); Schultz (Everswinkel), SPD 8. 12. 95 Reinhard - Krankheit, Risiko, Vorsorge, Unfall, Behinderung, Pflegebedürftigkeit (Abs. 5 Nr. 2); Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 8. 12. 95 - Telefonnummer (§ 5 Nr. 2). Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 8. 12. 95 Im übrigen kann die Auskunftspflicht per Zwangs- Wettig-Danielmeier, Inge SPD 8. 12. 95 geld und Erzwingungshaft durchgesetzt werden. Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 8. 12. 95 Hieran erheben wir Kritik: Erstens, zum Umfang der Fragen: Wohlleben, Verena SPD 8. 12. 95 Um die Stichprobe hochrechnen und die Angaben Zierer, Benno CDU/CSU 8. 12. 95 * * als politische Planungsgrundlage verwenden zu kön- nen, fehlen einerseits wichtige Fragen (zum Beispiel zur Ausländerstatistik, wo derzeit große Unsicherhei- ten und Dunkelfelder existieren). Andererseits gehen * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Ver- die Fragen zu weit: zum Beispiel die Pflicht für unter sammlung des Europarates 51jährige, Angaben zu ihrer Formalausbildung zu ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen machen, welche für Erwerbsfähigkeit in dem Alter Union wohl eine geringere Rolle spielt. 6922* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

Zweitens zur Auskunftpflicht: Änderungsantrag der SPD-Fraktion - Drucksache Die Bundesregierung ignoriert den Hinweis des Bun- 13/3241 - zum Gesetz zur Neuregelung der Rechts- desdatenschutzbeauftragten auf ausländische posi- stellung der Abgeordneten wollte ich teilnehmen tive Erfahrungen genauso wie den auf wissenschaft- und mit Ja stimmen. Leider konnte ich nicht rechtzei- liche Untersuchungen, wonach bei freiwilligen Aus- tig zur Stimmabgabe den Plenarsaal erreichen. künften der mögliche Ausfall von Antworten gerin- ger als befürchtet und für eine Nutzung der Daten im Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Dem Änderungsan Rahmen politischer Planung jedenfalls tolerierbar ist. trag der SPD-Bundestagsfraktion (Drucksache 13/ Der Auskunftszwang hingegen wird vielmehr 3241) zur Offenlegung der Einkünfte von bestimm- Befürchtungen weitere Nahrung geben, daß die erho- ten Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten benen Daten reanonymisiert und für staatliche Exe- stimme ich trotz Bedenken zu. Meine Bedenken ge- kutivmaßnahmen verwendet werden könnten. Schon hen in zwei Richtungen: Zum einen habe ich trotz aus Furcht oder Protest werden sich daher absehbar der Änderungen in dem nun vorliegenden Antrag in signifikantem Umfang Antwortverweigerungen, gegenüber seinen Vorläufern noch verfassungsrecht- Falschauskünfte und somit Verzerrungen der Daten liche Zweifel, ob eine solche Offenlegungspflicht - Stichprobe ergeben, die sich nach der Hochrechnung für nur eine Berufsgruppe - mit dem Grundgesetz zu „Datenschrott" auswachsen könnten. - Unser vereinbar ist. Zum anderen halte ich es auch politisch Änderungsantrag soll diesen absehbaren statisti- für falsch, eine solche Offenlegung ausschließlich schen Mißerfolg ebenso wie darauf aufbauende politi- von Abgeordneten zu verlangen. Eine solche sonder- sche Fehlplanungen vermeiden helfen. gesetzliche Regelung für Abgeordnete erweckt den Hier hätte die Regierung von den USA lernen kön- unzutreffenden Eindruck, als ob Abgeordnete mehr nen: Die von anderen Regierungsstellen demonstra- als andere Berufsgruppen anfällig seien für finan- tiv abgeschottete Zensus-Behörde führt seit 1790 alle zielle Einwirkungen und Abhängigkeiten. Ich hielte 10 Jahre freiwillige Befragungen mit hohem und vali- daher - bei Ausräumung der verfassungsrechtlichen dem Rücklauf (geschätzte Unterzählung: unter Zweifel - eine Regelung wie z. B. in den USA oder 5 Prozent) durch. Ohne Befürchtung vor exekutiver Schweden für besser, nach der auch Wirtschaftsfüh- Nutzung der Daten und aufgrund breiter Einsicht in rer, Selbständige und hohe Beamte ihre Einkünfte of- den Nutzen dieses anonymen Zensus geben die mei- fenlegen müssen. sten Befragten Auskunft; wer zweifelt, kann einfach Obwohl ich also gegen ein derartiges Sonderrecht schweigen, so daß weniger Falschangaben die für Abgeordnete grundsätzliche Vorbehalte habe, Datenvalidität verringern. Selbst „illegale" Auslän- stimme ich dem Antrag zu, weil er ein erster Schritt der geben daher Auskunft - in Deutschland mit den in Richtung von mehr Transparenz ist, mehr Transpa- vorgeschlagenen Mitteln kaum vorstellbar. renz insbesondere über die Unabhängigkeit bzw. Wir haben in Ausschußberatungen beantragt, die wirtschaftlichen Interessenverknüpfungen von Ab- Vorlage dahin gehend zu ändern, daß die Auskünfte geordneten aber für die Glaubwürdigkeit der Politik für die Erhebungen insgesamt freiwillig sein sollen. dringend notwendig ist und der vorliegende Antrag Ein eventuell notwendiger Folgeantrag könnte lau- der derzeitig einzig praktikable und am ehesten ten: Die in § 4 genannten Stichproben-Sätze (1 Pro- mehrheitsfähige ist. zent/0,5 Prozent) werden zum Ausgleich des bei Frei- willigkeit der Auskünfte begrenzt steigenden Aus- fallrisikos auf das Doppelte erhöht. Da bei Freiwilllig- keit die Ausfälle/Auskunftsverweigerungen nicht Anlage 4 linear gleichmäßig anfallen, sondern regional und schichtenspezifisch variieren werden, müßten die Erklärungen nach § 31 GO Statistiker vor der Hochrechnung diese- Faktoren zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes berücksichtigen bzw. bereinigen. Dies gelingt zum zur Neuregelung der Rechtsstellung Beispiel in den USA offenbar ohne weiteres. Das der Abgeordneten, aber hat die Mehrheit des Hauses leider abgelehnt. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung Der Änderungsvorschlag des Bundesrates ist schon der Abgeordnetenbezüge durch § 17 BStatG abgedeckt und daher unbeacht- für den Deutschen Bundestag lich. Deshalb entspricht der vorgelegte Entwurf in und das Europäische Parlament keiner Weise unseren Vorstellungen. und Entwurf eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Anlage 3

Erklärungen nach § 31 GO Friedhelm Julius Beucher (SPD): Ich werde der ge zur Abstimmung über den Änderungsantrag planten Diätenerhöhung erneut nicht zustimmen. der Fraktion der SPD Für die Erhöhung der Abgeordnetenbezüge ist nach zur zweiten Beratung des Gesetzentwurf es meiner Überzeugung ein breiter öffentlicher Konsens der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD notwendig. Der ist weder unter den im Bundestag zur Neuregelung der Rechtsstellung vertretenen Parteien möglich geworden noch in der der Abgeordneten auf Drucksache 13/3241 veröffentlichten Meinung festzumachen. Dabei meine ich nicht die Heucheleien und schein- Gila Altmann, (Aurich) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ baren Entrüstungen einiger „Meinungsführer" unter NEN): Bei der namentlichen Abstimmung über den den Journalisten, sondern vor allem den Protest und Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 6923' das mir entgegengebrachte Unverständnis aus ver- bar sind. Dennoch unterscheidet sich die Stellung schiedenen Teilen der Bevölkerung über den soge- eines Abgeordneten grundlegend von „normalen" nannten Deal der beiden großen Koalitionen des Tätigkeiten, bei denen einer wie auch immer Hauses. bestimmbaren Leistung ein entsprechendes Entgelt gegenübersteht. Ich bin selbstbewußt genug bezüglich der Wert- schätzung und vor allem des Umfangs meiner eige- Die Leistung der Abgeordneten ist kaum meßbar. nen Arbeitsleistung, daß ich jedem erklären kann, Sie ist nach meinem Dafürhalten auch nicht der Maß- daß ich die augenblickliche Diätenregelung von der stab für das richtige Entgelt. Schon gar nicht darf die Höhe her für unbefriedigend halte und hier eine Ver- Honorierung der Abgeordneten unter Karrierege- änderung angezeigt ist. Nur meine ich mit gleichem sichtspunkten gesehen werden dürfen. Sie darf nicht Selbstbewußtsein und guter Überzeugung, daß das finanziell „interessant" sein, da sonst ungeeignete Parlament diese Entscheidung über die Höhe der Personen das Amt der/des Abgeordneten erstrebten. Abgeordnetenbezüge einer „unabhängigen Kom- mission" übertragen soll, die gegen Ende der Legis- Ich meine, in der Entlohnung für unsere Tätigkeit laturperiode die Höhe der Bezüge für die nächste muß sich für jedermann erkennbar ausdrücken, daß es eine Ehre, ja eine Auszeichnung ist, im Auftrage Wahlperiode festlegt. der Wähler die Geschicke dieses Landes maßgeblich Nach dem - zwar gescheiterten - Versuch im Sep- mitzubestimmen. Ich halte es für naheliegend, daß wir tember 1995, mit Hilfe einer Verfassungsänderung weniger bekommen als das, was nach den verschiede- die Höhe der Bezüge zu verändern, kann der von mir nen denkbaren Maßstäben uns „zustehen" müßte. vorgeschlagenen Lösung der Entscheidungsübertra- gung aus dem Bundestag heraus nicht mit Verfas- Gewiß haben wir kein Armutsgelübde abgelegt, sungsgründen begegnet werden. als wir uns um den Posten eines Abgeordneten bemühten. Aus meiner Sicht reicht es aber vollauf, Hier müßte dann eben auch der Versuch gemacht wenn wir ein auskömmliches Einkommen haben, werden, den Teil der Verfassung durch Mehrheits- welches uns einen üblichen Lebensstandard ermög- entscheidung im Parlament zu verändern. Ich bin licht. Dieser Anforderung genügt das gegenwärtige fest davon überzeugt, daß die grundsätzliche Ent- Einkommen eines Abgeordneten ohne weiteres. Eine scheidung, daß Abgeordnete zukünftig nicht mehr Erhöhung ist somit nicht erforderlich. über ihre eigenen Bezüge abstimmen könnten, auf breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen würde. Ich werde der von Leistungsbeurteilungen werden in unserer Gesell- Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): schaft in anderen Bereichen außerhalb der Politik in der CDU/CSU und SPD vorgeschlagenen Erhöhung der Regel auch nicht selbst, sondern von Dritten vor- der Diäten zustimmen, weil eine angemessene Ent- genommen. Es stünde dem Parlament, insbesondere schädigung der Abgeordneten auch Voraussetzung in diesen Zeiten der allgemeinen gesellschaftlichen für eine ausschließlich den Interessen der Bürger ver- Verweigerung, gut an, selbstbewußt diesen Weg zu pflichtete Arbeit ist. Gleichzeitig halte ich es jedoch gehen und so die parlamentarische Arbeitsleistung für nicht hinnehmbar, daß der Deutsche Bundestag auf den „öffentlichen Prüfstand" zu stellen. Auch im Umfeld dieser Entscheidung darüber debattiert, nach dieser Debatte werde ich weiterhin für diese den Solidarzuschlag abzubauen und Kürzungen bei Empfängern von Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe und Grundsatzüberzeugung streiten. Arbeitslosengeld vorzunehmen. Die mir im Falle des wahrscheinlich erneuten Unterliegens meiner Meinung bzw. Ablehnung der Ich erkläre hiermit, daß ich gegen jegliche Kür- Diätenerhöhung dennoch zufallende „Mehreinnah- zungen in diesen Bereichen stimmen werde. Ich bitte men" werde ich zum großen Teil sozialen, gemein- alle meine Kolleginnen und Kollegen, die, wie ich, nützigen und politischen Zweckbestimmungen- der Diätenerhöhung heute zustimmen, sich bei den zuführen. kommenden Abstimmungen über die sogenannte Reform der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe Für selbstverständlich halte ich im übrigen die ebenso zu verhalten. Desgleichen halte ich es für Offenlegung der Einkünfte von Abgeordneten und erforderlich, daß sich Abgeordnete ebenso wie Bezie- werde deshalb einer entsprechenden Regelung her gleicher oder höherer Einkommen noch so lange zustimmen. durch einen Solidarzuschlag auf die Einkommen- steuer an der Finanzierung der Angleichung der (Augsburg) (F.D.P.): Ich werde Lebens- und Sozialverhältnisse in Deutschland betei- Hildebrecht Braun ligen, bis dieses Ziel erreicht ist. Auch hier bitte ich die vorliegenden Gesetzentwürfe zur Neuregelung alle Kolleginnen und Kollegen, eine vorzeitige Strei- der Rechtsstellung der Abgeordneten ablehnen. chung des Solidaritätszuschlages für Bezieher von Ich begründe mein Abstimmungsverhalten wie Einkommen in der Größenordnung von Abgeordne- folgt: ten und darüber abzulehnen. Alle Gesetzentwürfe unterstellen, daß die Abge- ordneten höher honoriert werden müßten, als dies Ernst Kastning (SPD): Seit Beginn meiner Zugehö gegenwärtig der Fall ist. Alle Gesetzentwürfe versu- rigkeit zum Deutschden Bundestag, das heißt seit chen, Anknüpfungspunkte für die angemessene 1983, bemängele ich die fehlende Kraft des Parla- Bezahlung der Abgeordneten bei der Entlohnung für ments, seine eigenen Angelegenheiten und damit andere berufliche Tätigkeiten zu finden. Ich halte auch die seiner Mitglieder in souveräner Weise ange- diesen gedanklichen Ansatz für falsch: Die Tätigkeit messen zu regeln. Mit der 19. Änderung zum Abge- eines Abgeordneten stellt zwar in weiten Bereichen ordnetengesetz wird die 18. Anderung materiell teil- Anforderungen, die anderen Berufsbildern vergleich weise wieder zurückgenommen. Ich halte unter an- 6924* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995

derem die vorgesehene Regelung der Abgeordneten- 1. Ausschuß am 5. Dezember noch einmal kurzfristig entschädigung und der Kostenpauschale für unzurei- eine substantiell-nachteilige Veränderung erfahren chend. Deshalb stimme ich dem Gesetz nicht zu. hat. Die Übergangsvorschriften des Gesetzentwurfes Gerhard Scheu (CDU/CSU): Die Neuregelungen auf Drucksache 13/3154 beachten die sich aus den des Gesetzentwurfes (Drucksache 13/3121) in der Art. 48 Abs. 3 und 14 GG ergebenden spezifischen Fassung der Beschlußempfehlung des 1.. Ausschusses Anforderungen. Wegen der ungewöhnlichen, keinen (Drucksache 13/3240) lassen sich von praktischer weiteren Aufschub duldenden Besonderheit der Vernunft und von den tatsächlichen Gegebenheiten Lage (Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zum leiten. Die stufenweise Anhebung des seit 1. Juli „ 18. Änderungsgesetz") stimme ich daher diesem 1992 nicht mehr veränderten Mandatsgehalts eines Gesetz zu, auch wenn die darin festgesetzten absolu- Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf bis zu ten Beträge (§ 11) für einen um der Mandatsaus- 12 875 DM (zwölfmal jährlich) ab 1. Januar 1998 hält übung willen auf außerparlamentarisches Einkom- auch der kritischsten Betrachtungsweise stand. Da- men verzichtenden Abgeordneten nur im Zusam- mit wird lediglich ein Defizit korrigiert, das verfas- menhang mit dem Übergangsgeld und der Altersver- sungsrechtlich (Art. 48 Abs. 3 GG) nicht mehr länger sorgung (75 v. H. nach 20 Jahren) nach diesem tolerabel war, und insoweit legitimieren sich die maß- Gesetzentwurf als noch angemessen erscheinen. vollen Anpassungsschritte aus sich selbst. Die gravie- renden Absenkungen und Einschnitte beim Über- Dr. Erika Schuchardt (CDU/CSU): Wegen eines gangsgeld und bei der Altersversorgung belegen Unfalls war ich leider nicht in der Lage, an den na- den Willen des Bundestages zur darüber hinausge- mentlichen Abstimmungen teilzunehmen. Ich hätte henden Selbstbeschränkung auf das Notwendigste. dem Gesetzentwurf (Drucksachen 13/3121 und 13/ Ob dieses Beispiel allerdings anderen Verfassungsor- 3240) zugestimmt und den Änderungsantrag der ganen als der Nachahmung wert erscheinen kann, SPD-Fraktion (Drucksache 13/3241) abgelehnt. bezweifle ich wie ebenso, ob es eine faire Würdigung durch Medien und Öffentlichkeit finden wird.

Meine Ablehnung des Gesetzentwurfes der Mehr- Anlage 5 heit gründet allein darauf, daß das Gesetz erstmals und ohne ausreichende Überlegung der Folgen von Amtliche Mitteilungen dem - aus meiner Sicht verfassungsrechtlich aus den Art. 48 Abs. 3 und 14 des Grundgesetzes folgenden - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Grundsatz abweicht, daß die rechtlichen Rahmenbe- mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU dingungen für den Status als Abgeordneter für die Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäi- sche Parlament zu Kenntnis genommen oder von gesamte Wahlperiode unverände rt Geltung behalten müssen und daß strukturell eingreifende Neurege- einer Beratung abgesehen hat: lungen immer nur zu Beginn einer neuen Legislatur- Finanzausschuß periode in Kraft gesetzt werden können (vgl. „Kis- Drucksache 13/2306, Nr. 2.53 sel" -Kommission, Drucksache 12/5020, Tz. 11I.8). Ein Abgeordneter muß sicher sein können, daß die sta- Ausschuß für Wirtschaft tusrechtlichen Vorschriften, unter deren Geltung er Drucksache 13/2674, Nr. 2.16 Drucksache 13/2674, Nr. 2.20 gewählt worden ist - dazu rechnet gerade auch die Drucksache 13/2674, Nr. 2.34 gesetzliche Zusage einer an der angemessenen Ent- Drucksache 13/2674, Nr. 2.41 wicklung des Mandatsgehalts teilnehmenden Ver- sorgung -, nicht ohne zwingenden Grund oder Ausschuß für Gesundheit besonderes ausgleichendes Aquivalent- während Drucksache 13/725, Nr. 156 einer laufenden Wahlperiode zu seinem Nachteil ver- Drucksache 13/1096, Nr. 2.19 ändert werden. Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Aus eben diesem Grunde hat auch das Bundesver- Drucksache 13/2306, Nr. 1.4 fassungsgericht davon abgesehen, selbst verfas sungswidriges Statusrecht für nichtig zu erklären (BVerfGE 40, 296/329; insoweit zust. auch Sondervo- Berichtigung: In dem Anhang zum Stenogra- tum Seuffert, a. a. O., S. 347). phischen Protokoll der 59. Sitzung vom 29. Sep- tember 1995 ist unter dem Titel Ausschuß für die Diesen m. E. für das Abgeordnetenrecht essentiel- Angelegenheiten der Europäischen Union der Punkt len Grundsatz verletzt die Übergangsregelung des Drucksache 13/1614, Nr. 1.10 und 1.11 ersatzlos zu § 35 a. Hinzu kommt, daß Abs. 1 dieser Vorschrift im streichen.