Plenarprotokoll 13/216

Deutscher

Stenographischer Bericht

216. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Inhalt:

Begrüßung des Vorsitzenden der Volks- in Verbindung mit versammlung der Republik Albanien, Herrn Professor Skender Gjinushi, und Zusatztagesordnungspunkt 3: seiner Delegation 19657 A Antrag des Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abgeordneten Dr. und Abgeordneten Carl-Detlev von Hammer- der Fraktion der F.D.P.: Arbeit ist ge- stein und der Abgeordneten Editha Lim- nug vorhanden - Neue Initiativen zur bach 19657 B Beschäftigungsförderung (Drucksache Erweiterung und Abwicklung der Ta- 13/9743) 19659 B gesordnung 19677 B, 19733 D SPD 19659 B Absetzung von Tagesordnungspunkten . 19658 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 19662 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ Nachträgliche Ausschußüberweisungen . 19658 A DIE GRÜNEN 19665 D Dr. Gisela Babel F.D.P 19670 D Tagesordnungspunkt 13: Dr. PDS 19669 D Arbeitsmarkt-Debatte Ulf Fink CDU/CSU 19672C, 19675 C a) Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe Ernst Schwanhold SPD 19675 A Jens, Ernst Schwanhold, weiterer Ab- SPD 19676 A, 19678 C geordneter und der Fraktion der SPD: Schaffung von Arbeitsplätzen im Dienst- CDU/CSU 19678 B leistungssektor (Drucksache 13/5353) 19658 D Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 19679 A b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU , Ministerpräsident (Saar und F.D.P.: Mehr Beschäftigung im land) 19681 C Dienstleistungssektor (Drucksache 13/ Dr. Norbe rt Blüm CDU/CSU 19686 C, D 9599) 19659 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 19687 B in Verbindung mit (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19692 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Dr. Gisela Babel F.D.P 19694 B Erste Beratung des von den Fraktionen Ulf Fink CDU/CSU 19694 D der CDU/CSU und F.D.P. eingebrach- Dr. Hermann Otto Sohns F.D.P. . . . . 19695 B ten Entwurfs eines Gesetzes zur sozial- - Dr. Uwe Jens SPD 19697 B rechtlichen Absicherung flexibler Ar- beitszeitregelungen (Drucksache 13/ Dagmar Wöhrl CDU/CSU 19699 C 9741) 19659 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 19702 A II Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Tagesordnungspunkt 4: stung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (Drucksache 13/9529) 19713 C a) Antrag der Abgeordneten Norbe rt Otto (Erfurt), Dr. Hermann Pohler, Gerhard e) Erste Beratung des von der Bundesre- Schulz (Leipzig) und der Fraktion der gierung eingebrachten Entwurfs eines CDU/CSU sowie des Abgeordneten Gesetzes zu dem Abkommen vom Jürgen Türk und der Fraktion der 18. April 1997 zwischen der Bundesre- F.D.P.: Absatzförderung für Produkte publik Deutschland und der Republik aus Ostdeutschland (Drucksache 13/ der Philippinen über die Förderung 9385) 19702 D und den gegenseitigen Schutz von Ka- pitalanlagen (Drucksache 13/9531) . . 19713 C b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Ilte, , Tilo Braune und wei- f) Erste Beratung des von der Bundesre- teren Abgeordneten: Absatzförderung gierung eingebrachten Entwurfs eines für Produkte aus Ostdeutschland Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. Ok- (Drucksache 13/8080) 19702 D tober 1991 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und der Republik Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 19703 A Chile über die Förderung und den ge- Wolfgang Ilte SPD 19704 A genseitigen Schutz von Kapitalanlagen Dr. PDS 19706 A (Drucksache 13/9532) 19713 D Jürgen Türk F.D.P. 19706 C g) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19707 B Gesetzes zu dem Abkommen vom Rolf Kutzmutz PDS 19708 B 18. März 1997 zwischen der Bundesre- Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär publik Deutschland und der Libanesi- BMWi 19709 B schen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Ka- Petra Bläss PDS 19710 A pitalanlagen (Drucksache 13/9533) . . 19713 D 19710 D Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . . . h) Erste Beratung des von der Bundesre- Wolfgang Ilte SPD 19711 D gierung eingebrachten Entwurfs eines Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . . . 19712 A Gesetzes zu den Protokollen zu den Abkommen über Partnerschaft und Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P...... 19712 D Zusammenarbeit zwischen den Euro- päischen Gemeinschaften und ihren Tagesordnungspunkt 16: Mitgliedstaaten einerseits und der Überweisungen im vereinfachten Verfah- Russischen Föderation, der Ukraine ren und der Republik Moldau andererseits (Drucksache 13/9547) 19713 D a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines i) Erste Beratung des von der Bundesre- Gesetzes zur Kontrolle und Transpa- gierung eingebrachten Entwurfs eines renz im Unternehmensbereich (Druck- Gesetzes zu dem Abkommen vom sache 13/9712) 19713 B 22. Juli 1997 zwischen der Bundesre- publik Deutschland und der Republik b) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- Litauen zur Vermeidung der Doppel- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes besteuerung auf dem Gebiet der Steu- zur Steigerung der Effizienz von Auf- ern vom Einkommen und vom Vermö- sichtsräten und zur Begrenzung der gen (Drucksache 13/9548) 19714 A Machtkonzentration bei Kreditinstitu- ten infolge von Unternehmensbetei- j) Erste Beratung des von der Bundes- ligungen (Drucksache 13/9716) . . . 19713 B regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu den Verträgen vom c) Erste Beratung des von der Bundesre- 14. September 1994 des Weltpostver- gierung eingebrachten Entwurfs eines eins (Drucksachen 13/9574, 13/9694) . 19714 A Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit Zusatztagesordnungspunkt 4: vom 22. April 1996 zwischen den Euro- päischen Gemeinschaften und ihren Weitere Überweisungen im vereinfachten Mitgliedstaaten einerseits und der Re- Verfahren publik Armenien andererseits (Druck- a) Erste Beratung des von der Bundesre- sache 13/9512) 19713 B gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung d) Erste Beratung des von der Bundesre- des Strafverfahrensrechts - Strafver- gierung eingebrachten Entwurfs eines fahrensänderungsgesetz 1996 (Druck- Gesetzes zu dem Abkommen vom - sache 13/9718) 19714 B 10. April 1997 zwischen der Bundesre- publik Deutschland und der Republik b) Erste Beratung des von der Bundesre- Polen über die gegenseitige Hilfelei gierung eingebrachten Entwurfs eines Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 III

Sechsten Gesetzes zur Änderung des Königreich der Niederlande über nie- Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrän- derländische Kriegsgräber in der Bun- kungen (Drucksache 13/9720) . . . . 19714 B desrepublik Deutschland (Kriegsgrä- berabkommen) (Drucksachen 13/7991, c) Erste Beratung des von den Fraktionen 13/9469) 19715 B der CDU/CSU, SPD und F.D.P. einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur f) Zweite Beratung und Schlußabstim- verbesserten Abschöpfung von Vermö- mung des von der Bundesregierung gensvorteilen aus Straftaten (Drucksa- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes che 13/9742) 19714 B zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 23. Januar d) Erste Beratung des vom Bundesrat 1995 zwischen den Europäischen Ge- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes meinschaften sowie ihren Mitglied- zur Änderung der Bundesrechtsan- staaten einerseits und der Republik waltsordnung (Drucksache 13/9610) . 19714 C Kasachstan andererseits (Drucksachen 13/8457, 13/9470) 19716 A Tagesordnungspunkt 17: g) Zweite Beratung und Schlußabstim- Abschließende Beratungen ohne Aus- mung des von der Bundesregierung sprache eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes a) Zweite und dritte Beratung des von der zu dem Abkommen vom 14. Juni 1996 Bundesregierung eingebrachten Ent- zwischen der Bundesrepublik Deutsch- wurf eines Gesetzes zur Änderung land und dem Staat Katar über die För- des Raumfahrtaufgabenübertragungs- derung und den gegenseitigen Schutz gesetzes (Drucksachen 13/8711, 13/ von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/ 9471) 19714 C 8826, 13/9495) 19716 B b) Zweite und dritte Beratung des von den h) Zweite Beratung und Schlußabstim- Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, mung des von der Bundesregierung Maritta Böttcher, Dr. Ludwig Elm, wei- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes teren Abgeordneten und der Gruppe zu dem Vertrag vom 14. Mai 1996 zwi- der PDS eingebrachten Entwurfs eines schen der Bundesrepublik Deutsch- Gesetzes zur Änderung des Bundes- land und der Republik Venezuela über rückerstattungsgesetzes (Drucksachen die Förderung und den gegenseitigen 13/5803, 13/8371) 19715 A Schutz von Kapitalanlagen (Drucksa- c) Zweite und dritte Beratung des vom chen 13/8827, 13/9496) 19716 C Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- i) Zweite Beratung und Schlußabstim- nes Gesetzes über die Finanzierung der mung des von der Bundesregierung Sanierung von Rüstungsaltlasten in eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes der Bundesrepublik Deutschland (Rü- zu dem Vertrag vom 21. März 1996 stungsaltlastenfinanzierungsgesetz) zwischen der Bundesrepublik Deutsch- (Drucksachen 13/8295, 13/9105) . . . 19715 B land und der Republik Ecuador über d) Zweite und dritte Beratung des von der die Förderung und den gegenseitigen Bundesregierung eingebrachten Ent- Schutz von Kapitalanlagen (Drucksa- wurfs eines Gesetzes über die Zusam- chen 13/8828, 13/9497) 19716 C menarbeit mit dem Internationalen j) Zweite Beratung und Schlußabstim- Strafgerichtshof für Ruanda (Ruanda- mung des von der Bundesregierung

Strafgerichtshof - Gesetz) (Drucksache eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes 13/7953) 19715 C zu dem Vertrag vom 25. Juni 1996 zwi- - Zweite und dritte Beratung des von schen der Bundesrepublik Deutsch- den Abgeordneten Dr. Uschi Eid, land und Rumänien über die Förde- Gerald Häfner, Wolfgang Schmitt rung und den gegenseitigen Schutz (Langenfeld), (Köln) von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/ und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE 8829, 13/9498) 19716 D GRÜNEN eingebrachten Entwurfs k) Zweite Beratung und Schlußabstim- eines Gesetzes über die Zusammen- mung des von der Bundesregierung arbeit mit dem Internationalen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Strafgerichtshof für Ru anda (Druck- zu dem Abkommen vom 10. Juli 1995 sachen 13/6165, 13/9734) 19715 C zwischen der Bundesrepublik Deutsch- e) Zweite Beratung und Schlußabstim- land und der Republik Indien über die mung des von der Bundesregierung Förderung und den Schutz von Kapi- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes talanlagen (Drucksachen 13/8830, 13/ zu dem Abkommen vom 31. Oktober 9499) 19716 D 1996 zur Änderung des Abkommens l) Zweite Beratung und Schlußabstim- vom 8. April 1960 zwischen der Bun- mung des von der Bundesregierung desrepublik Deutschland und dem eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes IV Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

zu dem Vertrag vom 21. September s) Beschlußempfehlung und Bericht des 1995 zwischen der Bundesrepublik Ausschusses für Wahlprüfung, Immuni- Deutschland und der Föderativen tät und Geschäftsordnung: Änderung Republik Brasilien über die Förderung der Geschäftsordnung des Deutschen und den gegenseitigen Schutz von Bundestages; hier: Beschluß des Deut- Kapitalanlagen (Drucksachen 13/8831, schen Bundestages betr. Aufhebung 13/9500) 19717 A der Immunität von Mitgliedern des Bundestages gemäß Anlage 6 GO-BT m) Zweite Beratung und Schlußabstim- (Drucksache 13/9519) 19718 A mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes t) Beschlußempfehlung und Be richt des zu dem Vertrag vom 6. Mai 1996 zwi- Ausschusses für Umwelt, Naturschutz schen der Bundesrepublik Deutsch- und Reaktorsicherheit zu der Unterrich- land und der Republik Nicaragua über tung durch die Bundesregierung: Vor- die Förderung und den gegenseitigen schlag für eine Richtlinie des Rates Schutz von Kapitalanlagen (Drucksa- über Abfalldeponien (Drucksachen 13/ chen 13/8832, 13/9501) 19717 A 7541 Nr. 2.4, 13/9292) 19718 A n) Zweite Beratung und Schlußabstim- u) Beschlußempfehlung und Be richt des mung des von der Bundesregierung Ausschusses für Verkehr zu den Unter- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes richtungen durch die Bundesregierung: zu dem Vertrag vom 30. April 1996 Empfehlung für einen Beschluß des Ra- zwischen der Bundesrepublik Deutsch- tes zur Ermächtigung der Kommission, land und der Republik Kuba über die Verhandlungen über ein Seeverkehrs- Förderung und den gegenseitigen abkommen zwischen der Gemein- Schutz von Kapitalanlagen (Drucksa- schaft und ihren Mitgliedstaaten und chen 13/8834, 13/9502) 19717 B der Volksrepublik China aufzunehmen o) Zweite Beratung und Schlußabstim- Empfehlung für einen Beschluß des Ra- mung des von der Bundesregierung tes zur Ermächtigung der Kommission, eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Verhandlungen über ein Seeverkehrs- zu dem Abkommen vom 29. Oktober abkommen zwischen der Gemein 1996 zwischen der Bundesrepublik schaft und ihren Mitgliedstaaten und Deutschland und dem Königreich Sau- der Republik Indien aufzunehmen di-Arabien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanla- (Drucksachen 13/8615 Nr. 2.22 und Nr. gen (Drucksachen 13/8691, 13/9503) . 19717 B 2.23, 13/9451) 19718 B p) Zweite Beratung und Schlußabstim- v) Beratung der Beschlußempfehlung des mung des von der Bundesregierung Haushaltsausschusses zu der Unterrich- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes tung durch die Bundesregierung: Haus- zu dem Vertrag vom 22. Dezember haltsführung 1997 1995 zwischen der Bundesrepublik Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel Deutschland und der Aserbaidschani- 25 04 Titel 526 45 - Planungskosten für schen Republik über die Förderung Baumaßnahmen außerhalb des Parla- und den gegenseitigen Schutz von mentsviertels - (Drucksachen 13/9052, Kapitalanlagen (Drucksachen 13/8692, 13/9066 Nr. 6, 13/9452) 19718 C 13/9504) 19717 C w) Beschlußempfehlung und Be richt des q) Zweite Beratung und Schlußabstim- Haushaltsausschusses zu dem Antrag mung des von der Bundesregierung des Bundesministeriums für Wi rtschaft: eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Rechnungslegung über das Sonderver- zu dem Vertrag vom 3. Mai 1996 zwi- mögen des Bundes „Ausgleichsfonds schen der Bundesrepublik Deutsch- zur Sicherung des Steinkohlenein- land und der Republik Kenia über die satzes" für das Wirtschaftsjahr 1996 Förderung und den gegenseitigen (Drucksachen 13/8562, 13/9453) . . . 19718 D Schutz von Kapitalanlagen (Drucksa- chen 13/8693, 13/9505) 19717 C x) Beratung der Beschlußempfehlung des r) Zweite Beratung und Schlußabstim- Haushaltsausschusses zu der Unterrich- mung des von der Bundesregierung tung durch die Bundesregierung: Haus- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes haltsführung 1997 zu dem Vertrag vom 25. Juni 1993 zwi- Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel schen der Bundesrepublik Deutsch- 11 02 Titel 682 01 - Erstattung von land und der Republik Georgien über- Fahrgeldausfällen bei der unentgelt- die Förderung und den gegenseitigen lichen Beförderung Schwerbehinder- Schutz von Kapitalanlagen (Drucksa- ter - (Drucksachen 13/8924, 13/9066 chen 13/8694, 13/9506) 19717 D Nr. 5, 13/9454) 19719 A Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 V y) Beschlußempfehlung und Be richt des des Gesetzes über die Errichtung ei- Ausschusses für Post und Telekommu- nes Bundesamtes für Strahlenschutz nikation zu der Unterrichtung durch die (Drucksachen 13/8641, 13/8958, 13/ Bundesregierung: Vorschlag für eine 9543, 13/9771) 19733 D Richtlinie des Europäischen Parla- ments und des Rates über angeschal- Zusatztagesordnungspunkt 7: tete Telekommunikationsgeräte und Beschlußempfehlung des Ausschusses die gegenseitige Anerkennung ihrer nach Artikel 77 des Grundgesetzes Konformität (Drucksachen 13/8615 (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz Nr. 2.11, 13/9536 (neu)) 19719 B zur Neuregelung des Rechts des Na- z) Beschlußempfehlungen des Petitions- turschutzes und der Landschaftspflege, ausschusses: zur Umsetzung gemeinschaftsrecht- Sammelübersichten 274 bis 285 zu Pe- licher Vorschriften und zur Anpassung titionen anderer Rechtsvorschriften (Druck- (Drucksachen 13/9624 bis 13/9635) . . 19719 B sachen 13/6441, 13/7778, 13/8180, 13/ 8268, 13/9638) 19720 D Zusatztagesordnungspunkt 5: Zusatztagesordnungspunkt 8: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes a) Beschlußempfehlung und Bericht des (Vermittlungsauschuß) zu dem Gesetz Ausschusses für Umwelt, Naturschutz zum Schutz des Bodens (Drucksachen und Reaktorsicherheit zu der Verord- 13/6701, 13/7891, 13/8182, 13/9637) . 19720 D nung der Bundesregierung: Zustim- mungsbedürftige Verordnung über Zusatztagesordnungspunkt 9: die Rücknahme und Entsorgung ge- brauchter Batterien und Akkumula- Beschlußempfehlung des Ausschusses toren (Batterieverordnung) (Drucksa- nach Artikel 77 des Grundgesetzes chen 13/9516, 13/9669 Nr. 2.1, 13/9762) 19720 C (Vermittlungsausschuß) zu dem Ge- setz zur Durchführung der Rechtsak- b) Antrag der Bundesregierung: Ausnah- te der Europäischen Gemeinschaft me vom Verbot der Zugehörigkeit zu über die besondere Etikettierung von einem Aufsichtsrat für ein Mitglied der Rindfleisch und Rindfleischerzeugnis- Bundesregierung (Drucksache 13/9702) 19720 C sen (Rindfleischetikettierungsgesetz) (Drucksachen 13/8052, 13/8837, 13/ Zusatztagesordnungspunkt 6: 9325, 13/9641) 19721 A Naturschutzrecht, Flora-Fauna-Habi- tat-Richtlinie und Ausgleichsregelung Zusatztagesordnungspunkt 10: für die Landwirtschaft 19720 D Aktuelle Stunde betr.: Haltung der Hans-Peter Repnik CDU/CSU 19721 B Bundesregierung zur Eignung des Ter- Ulrike Mehl SPD . . . .19722 C, 19726 C, 19727 A mins 13. August 1998 für ein öffent- Lisa Peters F.D.P. 19724 D liches19734 Gelöbnis A (Nordstrand) SPD 19734 A CDU/CSU 19725 A CDU/CSU 19735 C Birgit Homburger F D P. 19726 A BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Kurt-Dieter Grill CDU/CSU 19726 D NEN 19736 D Ulrich Heinrich F D P. 19727 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . 19737 D Eckart Kuhlwein SPD 19728 A PDS 19739 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19728 C, 19732 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 19740 A Ulrich Heinrich F D P. 19730 A SPD 19742 B Birgit Homburger F.D.P. (Erklärung nach CDU/CSU 19743 B § 30 GO) 19730 B Rudolf Scharping SPD 19744 D Eva Bulling-Schröter PDS 19730 C Hans Raidel CDU/CSU 19746 A Dr. , Bundesministerin BMU 19731 B, 19732 D Peter Zumkley SPD 19746 D Frederick Schulze (Sangerhausen) CDU/ Zusatztagesordnungspunkt 13: CSU 19747 C Beschlußempfehlung des Ausschusses- Gerd Höfer SPD 19748 B nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz Andreas Krautscheid CDU/CSU . . . 19749 C zur Änderung des Atomgesetzes und Dieter Heistermann SPD 19750 B VI Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Tagesordnungspunkt 7: Tagesordnungspunkt 5: - Zweite und dritte Beratung des von den Große Anfrage der Abgeordneten Uwe Abgeordneten Gerald Häfner, Volker Hiksch, Achim Großmann, weiterer Ab- Beck (Köln), weiteren Abgeordneten geordneter und der Fraktion der SPD: und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE Zukunft der Bauwirtschaft (Drucksa- GRÜNEN eingebrachten Entwurfs ei- chen 13/6318, 13/7741) 19778 D nes Gesetzes zum Schutz der Nicht- Otto Reschke SPD ...... 19778 D raucher in der Öffentlichkeit (Nicht- Hansjürgen Doss CDU/CSU raucherschutzgesetz) (Drucksachen 13/ 19780 D 6166, 13/9740) 19751 C Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19783 B - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Roland Sauer (Stuttgart), Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 19784 C Uta Titze-Stecher, Dr. Manfred Müller (Berlin) PDS 19785 B und weiteren Abgeordneten einge- Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär brachten Entwurfs eines Gesetzes zum BMWi 19786 B Schutz der Nichtraucher (Nichtrau- cherschutzgesetz) (Drucksachen 13/ Uwe Hiksch SPD 19788 A 6100, 13/9740) 19751 C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P...... 19788 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . 19790 C NEN 19751 D Tagesordnungspunkt 6: Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . 19753 A Beschlußempfehlung und Be richt des Editha Limbach CDU/CSU 19754 C Ausschusses für Wahlprüfung, Immuni- Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 19755 C tät und Geschäftsordnung zu dem Ent- Uta Titze-Stecher SPD . . 19756 B, 19757 B, 19761 A schließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu dem Gesetz- Dr. R. Werner Schuster SPD 19757 A entwurf der Fraktionen der CDU/CSU Manfred Hampel SPD 19758 A und SPD zu dem Entwurf eines Ge- Arne Fuhrmann SPD 19758 C setzes zur Neuregelung der Rechtsstel- lung der Abgeordneten (Drucksachen Petra Bläss PDS 19758 D 13/3281, 13/9517) 19792 B CDU/CSU 19759 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 19792 C Dr. Burkhard Hirsch F D P. 19762 A Dr. CDU/CSU . . 19794 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . 19763 B, 19766 C Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . 19796 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 19763 D Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN 19796 C Roland Sauer (Stuttga rt) CDU/CSU . 19764 C Jörg van Essen F.D.P. 19797 C Ingrid Matthäus-Maier SPD . . 19765 A, 19766 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS 19798 B CDU/CSU 19766 B , Bundesminister BMG . 19767 A Tagesordnungspunkt 8: Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ a) Beschlußempfehlung und Bericht des CSU 19768 D Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu dem Antrag der Fraktio- Jürgen W. Möllemann F.D.P. (Erklärung nen der CDU/CSU und F.D.P.: nach § 30 GO) 19769 C Für mo- derne Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Freizeit- und Tourismuswirt- Namentliche Abstimmung über den Än- schaft (Drucksachen 13/8045, 13/8892) 19799 B derungsantrag der Abgeordneten Roland Sauer (Stuttgart), Uta Titze-Stecher und b) Beschlußempfehlung und Bericht des Dr. Burkhard Hirsch (Drucksache 13/9703) 19770 C Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu dem Antrag der Abgeord- Namentliche Abstimmung über den Ände- neten Jann-Peter Janssen, Susanne rungsantrag des Abgeordneten Dr. Wolf- Kastner, weiterer Abgeordneter und gang Freiherr von Stetten (Drucksache 13/ der Fraktion der SPD: Die Arbeits- 9311 (neu)) 19773 B platz- und Ausbildungssituation in der Fremdenverkehrswirtschaft (Drucksa- Namentliche Abstimmung über den von chen 13/2981, 13/6788) 19799 C den Abgeordneten Roland Sauer (Stutt- c) Beschlußempfehlung und Bericht des gart), Uta Titze-Stecher und Dr. Burk-- Ausschusses für Fremdenverkehr und hard Hirsch eingebrachten Entwurf eines Tourismus zu der Unterrichtung über Nichtraucherschutzgesetzes (Drucksache ein Unionsdokument gemäß § 93 Abs. 2 13/6100) 19776 A GO-BT: Geänderter Vorschlag für ei- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 VII

nen Beschluß des Rates über ein erstes Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Mehrjahresprogramm zur Förderung Lemke, Monika Knoche, Marina Stein- des europäischen Tourismus „PHILO- dor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE XENIA" (1997 bis 2000) (Drucksachen GRÜNEN: Vermeidung von Gesund- 13/8894 Nr. 2.2, 13/9322) 19799 C heitsrisiken für den Menschen durch Einschränkung des Antibiotikaeinsat- d) Beratung des Berichts des Ausschusses zes in der Tierhaltung (Drucksachen für Bildung, Wissenschaft, Forschung, 13/7528, 13/8910) 19809 D Technologie und Technikfolgenab- schätzung gemäß § 56 a der Geschäfts- in Verbindung mit ordnung: Technikfolgenabschätzung; hier: „Entwicklung und Folgen des Zusatztagesordnungspunkt 11: Tourismus" (Drucksache 13/9446) . . 19799 D Antrag der Abgeordneten Ulrike Höf- Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 19800 A ken, Monika Knoche, weiterer Abge- Jann-Peter Janssen SPD 19801 A ordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Benzol- und Halo Saibold BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19802 D Toluolbelastungen von Lebensmitteln Dr. F.D.P 19803 D, 19806 A ausschließen (Drucksache 13/8762) . 19809 D Christina Schenk PDS 19805 A Ernst Hinsken, Parl. Staatssekretär BML 19810 A Brunhilde Irber SPD 19805 C Reinhold Hemker SPD 19811 C CDU/CSU 19806 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär NEN 19812 C BMWi 19807 C Günther Bredehorn F.D.P. 19813 D Dr. Günther Maleuda PDS 19814 D Tagesordnungspunkt 9: Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU . 19815 D a) Erste Beratung des von der Bundesre- Dr. SPD 19816 C gierung eingebrachten Entwurfs eines Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU 19817 D Dritten Gesetzes zur Änderung des Futtermittelgesetzes (Drucksache 13/ 9534) 19809 B Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Konrad Ku- b) Erste Beratung des von der Bundes- nick, , weiterer Abgeord- regierung eingebrachten Entwurfs ei- neter und der Fraktion der SPD: För- nes Ersten Gesetzes zur Änderung derung der Seeschiffahrt in Deutsch- des Milch- und Margarinegesetzes land (Drucksache 13/9075) 19818 B (Drucksache 13/9535) 19809 B c) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höf- Tagesordnungspunkt 11: ken, Steffi Lemke, Halo Saibold, Ch ri a) Erste Beratung des von den Abgeord- -stian Sterzing und der Fraktion BÜND- neten Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Dagmar NIS 90/DIE GRÜNEN: Umsetzung der Enkelmann, weiteren Abgeordneten verbesserten Standards zur Herstel- und der Gruppe der PDS eingebrachten lung von Tierkörpermehlen und Tier- Entwurfs eines Gesetzes zur Ergän- mehlen in den EU-Mitgliedstaaten zung der parlamentarischen Demo- zur Bekämpfung des Rinderwahnsinns kratie durch unmittelbare Demokratie 19809 B (Drucksache 13/7962) (Drucksache 13/9280) 19818 C d) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höf- b) Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar ken, Monika Knoche, Steffi Lemke, Enkelmann, Dr. Uwe-Jens Heuer, wei- weiterer Abgeordneter und der Frak- terer Abgeordneter und der Gruppe der tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ge- PDS: Änderung der Geschäftsordnung sundheitsgefährdende Lebensmittelver- des Deutschen Bundestages (Drucksa- packungen verbieten - BADGE (Bis che 13/9281) 19818 C phenol-A-DiGlycidyl-Ether)-Anwen dung einstellen (Drucksache 13/8425) 19809 C Dr. Dagmar Enkelmann PDS 19818 B e) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höf- Nächste Sitzung 19819 D ken, Monika Knoche, Steffi Lemke, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Höchst- Anlage 1 mengen für Ochratoxin A in Lebens- Liste der entschuldigten Abgeordneten . 19820* A mitteln festsetzen (Drucksache 13/ 8426) 19809 C - Anlage 2 f) Beschlußempfehlung und Be richt des Erklärung nach § 31 GO der Abgeord Ausschusses für Ernährung, Landwirt- neten , Ge rt Willner, Elke schaft und Forsten zu dem Antrag der Wülfing, Karl-Josef Laumann, Reinhard VIII Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Freiherr von Schorlemer und Werner Len- Anlage 6 sing (alle CDU/CSU) zur Abstimmung Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstim- über die Beschlußempfehlung des Aus- mungen über die Gesetzentwürfe zum schusses nach Artikel 77 des Grundgeset- Schutz der Nichtraucher (Tagesordnungs- zes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz punkt 7) zum Schutz des Bodens (Zusatztagesord- nungspunkt 8) 19820* B CDU/CSU 19821* C Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . 19822* B Anlage 3 Klaus Bühler (Bruchsal) CDU/CSU . . 19822* C Erklärung nach § 31 GO des Abgeordne- Erika Steinbach CDU/CSU 19822* D ten Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU) zur Dr. Heinrich L. Kolb CDU/CSU 19823* A Abstimmung über die Beschlußempfeh- Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 19823* B lung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu Rosel Neuhäuser PDS 19823* C dem Gesetz zum Schutz des Bodens (Zu- Peter Götz CDU/CSU 19823* D satztagesordnungspunkt 8) 19820* C Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 19824* A

Anlage 4 Anlage 7 Zu Protokoll gegebener Be richt des Vorsit- Zu Protokoll gegebene Reden zu Tages- zenden des Ausschusses für Gesundheit, ordnungspunkt 10 (Antrag: Förderung der Dr. Dieter Thomae, über die Ausschußbe- Seeschiffahrt in Deutschland) ratungen zu dem von den Abgeordneten Werner Kuhn Gerald Häfner, Volker Beck (Köln), Cem CDU/CSU 19824* C Özdemir, weiteren Abgeordneten und der Konrad Kunick SPD 19826* A Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- Egbert Nitsch (Rendsburg) CDU/CSU . 19827* D gebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Lisa Peters F.D.P. 19828* A Schutz der Nichtraucher in der Öffentlich- keit (Nichtraucherschutzgesetz) - Druck- Dr. Dagmar Enkelmann PDS 19828* D sache 13/6166 - sowie zu dem von den Abgeordneten Roland Sauer (Stuttga rt), Anlage 8 Uta Titze-Stecher, Dr. Burkhard Hirsch und weiteren Abgeordneten eingebrach- Zu Protokoll gegebene Reden zu Tages- ten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz ordnungspunkt 11 (a - Entwurf eines Ge- der Nichtraucher (Nichtraucherschutzge- setzes zur Ergänzung der parlamentari setz) - Drucksache 13/6100 - (Tagesord- -schen Demokratie durch unmittelbare De- nungspunkt 7) 19820* C mokratie, b - Antrag: Änderung der Ge- schäftsordnung des Deutschen Bundes- tages) Anlage 5 Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU . 19829* C Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO der Abge- Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . 19830* A ordneten CDU/CSU zu den Abstimmungen über die Gesetzentwürfe Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜ zum Schutz der Nichtraucher (Tagesord- NEN 19831* A nungspunkt 7) 19821* A Jörg van Essen F.D.P. 19832* A

- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19657

216. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Beginn: 9.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und b) Erste Beratung des von der Bundesregierung einge- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit- brachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Ände- rung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zung ist eröffnet. - Drucksache 13/9720 - Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes ich auf der Ehrentribüne den Vorsitzenden der zur verbesserten Abschöpfung von Vermögensvorteilen Volksversammlung der Republik Albanien, Herrn aus Straftaten - Drucksache 13/9742 - Professor Skender Gjinushi, mit seinen Parlamenta- d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Ent- riern, die zu einem zweitägigen Arbeitsbesuch in wurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesrechts- Bonn sind, recht herzlich willkommen heißen. anwaltsordnung - Drucksache 13/9610- 5. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Beifall) (Ergänzung zu TOP 17) a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Wir wünschen Ihnen bei dem schwierigen Prozeß Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- der Demokratisierung, der Stabilisierung und des cherheit (16. Ausschuß) zu der Verordnung der Bundes- Aufbaus der Marktwirtschaft in Ihrem Lande viel Er- regierung folg. Nach den Gesprächen gestern und den heuti- Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Rücknah- gen Gesprächen hier in Bonn weiß ich, wie sehr wir me und Entsorgung gebrauchter Batterien und Akku- Gespräche und Zusammenarbeit brauchen. Alles mulatoren (Batterieverordnung - BattV) - Drucksachen 13/9516, 13/9669 Nr. 2.1, 13/9762 - Gute auf Ihrem Weg! b) Beratung des Antrags der Bundesregierung: Ausnahme vom Verbot der Zugehörigkeit zu einem Aufsichtsrat Dann möchte ich zunächst dem Kollegen Carl-Det- für ein Mitglied der Bundesregierung - Drucksache 13/ lev von Hammerstein, der am 26. Januar seinen 9702 - 60. Geburtstag feierte, und der Kollegin Editha Lim- 6. Vereinbarte Debatte: Naturschutzrecht, Flora-Fauna-Habi- bach, die am 1. Februar ihren 65. Geburtstag beging, tat-Richtlinie und Ausgleichsregelung für die Landwirt- nachträglich herzliche Glückwünsche des Hauses schaft aussprechen. 7. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu (Beifall) dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege, zur Umsetzung gemeinschafts- Nun zu den Amtlichen Mitteilungen: Interfraktio- rechtlicher Vorschriften und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften - Drucksachen 13/6441, 13/7778, 13/ nell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesord- 8180, 13/8268, 13/9638- nung um die Ihnen mit einer Zusatzpunktliste vorge- 8. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach legten Punkte zu erweitern: Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu

dem Gesetz zum Schutz des Bodens - Drucksachen 13/ 2. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und 6701, 13/7891, 13/8182, 13/9637 - F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur sozial- rechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen 9. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach - Drucksache 13/9741- Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäi- 3. Beratung des Antrags des Abgeordneten Ulf Fink und der schen Gemeinschaft über die besondere Etikettierung von Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Gisela Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (Rindfleischeti- Babel und der Fraktion der F.D.P.: Arbeit ist genug vorhan- kettierungsgesetz - RiFlEtikettG) - Drucksachen 13/8052, den - Neue Initiativen zur Beschäftigungsförderung - 13/8837, 13/9325, 13/9641- Drucksache 13/9743 - 10. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Hal- 4. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren tung der Bundesregierung zur Eignung des Termins 13. August 1998 für ein Öffentliches Gelöbnis (Ergänzung zu TOP 16) 11. Beratung des Antrags der Abgeordneten Ul rike Höfken, a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- Monika Knoche, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und

ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergän- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Benzol - und To-

zung des Strafverfahrensrechts - Strafverfahrensände- luolbelastungen von Lebensmitteln ausschließen - Druck-

rungsgesetz 1996 - (StVÄG 1996) - Drucksache 13/9718 - sache 13/8762 - 19658 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 12. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/ Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend DIE GRÜNEN: Haltung der Bundesregierung zu der vom Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technolo- Bundesrat geplanten Verschärfung des Asylbewerberlei- gie und Technikfolgenabschätzung stungsgesetzes Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, Der in der 151. Sitzung des Deutschen Bundestages am soweit erforderlich, abgewichen werden. 16. Januar 1997 überwiesene nachfolgende Antrag soll nachträglich zusätzlich dem Ausschuß für die Angelegen- Weiterhin ist vereinbart worden, die kulturpoliti- heiten der Europäischen Union zur Mitberatung überwie- sche Debatte sowie die Tagesordnungspunkte 12 a sen werden. und b - Kapitalaufnahmeerleichterungs- und Stück- Antrag der Abgeordneten (Wiesloch), aktiengesetz - und 14 a bis c - Vorlagen zum Urhe- , Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und berrecht - abzusetzen. Sodann soll heute mit der Be- der Fraktion der SPD: Ziviler Friedensdienst - Experten- dienst für zivile Friedensarbeit - Drucksache 13/6204- ratung des Tagesordnungspunktes 13 in Verbindung mit weiteren Vorlagen zur Arbeitsmarktdebatte be- überwiesen: gonnen werden. Hieran schließt sich Tagesordnungs- Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung (federführend) punkt 4 - Absatzförderung für Produkte aus Ost- Auswärtiger Ausschuß deutschland - als weiteres Kernzeitthema an. Ausschuß für Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach den Beratungen ohne Aussprache und der Der in der 210. Sitzung des Deutschen Bundestages am Abstimmung über einige Ergebnisse des Vermitt- 11. Dezember 1997 überwiesene nachfolgende Antrag soll lungsausschusses soll der Tagesordnungspunkt 7 - nachträglich zusätzlich dem Haushaltsausschuß zur Mitbe- Nichtraucherschutzgesetz - aufgerufen werden. Die ratung überwiesen werden. forschungspolitische Debatte soll auf Freitag, 9 Uhr Antrag der Abgeordneten Günter Verheugen, Rudolf Schar- verschoben werden. ping und der Fraktion der SPD: Errichtung eines Sozial- werks für tschechische NS - Opfer - Drucksache 13/9395 - Außerdem mache ich auf nachträgliche Überwei- überwiesen: sungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerk- Innenausschuß (federführend) sam: Auswärtiger Ausschuß Haushaltsausschuß Der in der 210. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. Dezember 1997 überwiesene nachfolgende Gesetzent- Die in der 213. Sitzung des Deutschen Bundestages am wurf soll nachträglich zusätzlich dem Ausschuß für Ernäh- 15. Januar 1998 überwiesenen nachfolgenden Anträge sol- zurrung,über- Mitberatung Landwirtschaft und Forsten len nachträglich zusätzlich dem Finanzausschuß zur Mitbe- wiesen werden. ratung überwiesen werden: Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung des Antrag der Abgeordneten Michaele Hustedt, Gila Altmann Euro (Euro - Einführungsgesetz - EuroEG) - Drucksache 13/ (Aurich), Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter 9347 - und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Konsequen- überwiesen: zen aus den Ergebnissen der Klimakonferenz in Kioto für Rechtsausschuß (federführend) die deutsche und europäische Umweltpolitik - Drucksache Finanzausschuß 13/9411- Ausschuß für Wirtschaft Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Fremdenverkehr uns Tourismus Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend) Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Finanzausschuß Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Verkehr Der in der 211. Sitzung des Deutschen Bundestages am Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 12. Dezember 1997 überwiesene nachfolgende Gesetzent- wurf soll nachträglich zusätzlich dem Ausschuß für Ernäh- Antrag der Fraktion der SPD: Die Ergebnisse der Klima- rung, Landwirtschaft und Forsten und dem Ausschuß für konferenz in Kioto weiterentwickeln und notwendige Post und Telekommunikation zur Mitberatung überwiesen Maßnahmen durchsetzen - Drucksache 13/9602 - werden. überwiesen: Gesetzentwurf der zur Reform des Güterkraftverkehrs- Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit rechts - Drucksachen 13/9314, 13/9437 - (federführend) überwiesen: Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Verkehr (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Wi schaft rt Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit lung Ausschuß für Post und Telekommunikation Sind Sie mit den Vereinbarungen einverstanden? - Der in der 214. Sitzung des Deutschen Bundestages am Das ist der Fall. Dann verfahren wir so. 16. Januar 1998 überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll nachträglich zusätzlich dem Ausschuß für Bildung, Wis- senschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenab- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b schätzung zur Mitberatung überwiesen werden. sowie die Zusatzpunkte 2 und 3 auf: Gesetzentwurf der zur Umsetzung des Versorgungsberichts

(Versorgungsreformgesetz 1998 - VReformG) - Drucksache Arbeitsmarkt - Debatte 13/9527 - a) Beratung des Antrags der Abgeordneten überwiesen: 13. Dr. Uwe Jens, E rnst Schwanhold, Ingrid Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung der Fraktion der SPD Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19659

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Schaffung von Arbeitsplätzen im Dienstlei- ser jungen Leute einen Ausbildungs- oder einen stungssektor Arbeitsplatz zu schaffen. - Drucksache 13/5353 — Im Dezember 1985 war die Arbeitslosigkeit auf Überweisungsvorschlag: dem gleichen Niveau, und der Bundeskanzler sagte: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Finanzausschuß Die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung bleibt auch 1986 unsere wichtigste innenpoliti- Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Gesundheit sche Herausforderung. Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Tech- nologie und Technikfolgenabschätzung Die Arbeitslosigkeit verharrte auf demselben Ni- Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus veau, und der Bundeskanzler sagte 1987/88 in seiner Neujahrsansprache: b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Wir stehen alle vor einer gemeinsamen Aufgabe, die eben nur in Solidarität gelöst werden kann. Mehr Beschäftigung im Dienstleistungs- sektor ( [CDU/CSU]: Gemeinsam!) - Drucksache- 13/9599 1989/90 sagte der Bundeskanzler: Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Die Zahl der Beschäftigten steigt, aber wir haben Finanzausschuß bei der Überwindung der Arbeitslosigkeit noch Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung viel zu tun. Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Tech- Und tatsächlich: Die Arbeitslosigkeit war bescheiden nologie und Technikfolgenabschätzung zurückgegangen. Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus In seiner Neujahrsansprache von 1990/91 sagte der ZP2 Erste Beratung des von den Fraktionen der Bundeskanzler: CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur sozialrechtlichen Absiche- Aber wir haben die Kraft, und wir haben die Mög- rung flexibler Arbeitszeitregelungen lichkeiten, es gemeinsam zu schaffen. - Drucksache 13/9741 — (Gert Willner [CDU/CSU]: Gemeinsam!) Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Die Arbeitslosigkeit lag bei 1,8 Millionen. Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft 1992/93 sagte der Bundeskanzler: Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Gesundheit Es geht jetzt darum, Arbeitsplätze zu sichern und Haushaltsausschuß neue zu schaffen.

ZP3 Beratung des Antrags des Abgeordneten Ulf Die Arbeitslosigkeit stieg auf 3,1 Millionen. Fink und der Fraktion der CDU/CSU sowie 1993 sagten Sie, Herr Kohl: der Abgeordneten Dr. Gisela Babel und der Fraktion der F.D.P. Beschäftigung zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen - dies ist unsere gemeinsame Pflicht. Arbeit ist genug vorhanden - Neue Initiativen zur Beschäftigungsförderung Die Arbeitslosigkeit stieg auf 3,7 Millionen. - Drucksache- 13/9743 1995 sagten Sie: Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Wir müssen uns gemeinsam anstrengen, um Ausschuß für Wirtschaft neue, zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen. Ausschuß für Gesundheit Haushaltsausschuß Die Arbeitslosigkeit verharrte bei 3,6 Millionen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind 1996 sagten Sie: für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Und wir müssen uns anstrengen, um neue, zu- Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Abge- kunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen. ordnete Rudolf Scharping. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 3,8 Millionen. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Rudolf Scharping (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Dezember DIE GRÜNEN]: Halbierung!) 1982, zum Jahreswechsel, gab es in Deutschland 1997 sagten Sie: 2 349 000 Arbeitslose. Der Bundeskanzler sagte in sei- ner Neujahrsansprache: - Wir müssen auch für jene handeln, die einen Ar- beitsplatz suchen und heute arbeitslos sind. Ich bin ganz sicher, daß es unserer gemeinsamen Bemühung gelingen wird, 1983 den meisten die Die Arbeitslosigkeit stieg auf 4,1 Millionen. 19660 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Rudolf Scharping Und in der diesjährigen Neujahrsansprache sagten menhalt praktisch zu üben. Nur in dieser Bundesre- Sie: gierung finden sie dafür keinen Pa rtner. Wir dürfen die Arbeitslosen und ihre Familien (Beifall bei der SPD) nicht ihrem Schicksal überlassen. Jeder wird ge- Die Wohlfahrtsverbände haben appelliert. Die Ca- braucht. ritas, das Diakonische Werk und die Arbeiterwohl- Die Arbeitslosigkeit stieg auf 4,8 Millionen. fahrt machen in eindringlichen Berichten darauf auf- merksam, was es in dieser Zeit bedeutet, zu jenen Sie verhöhnen die Menschen mit Ihren Ankündi- jetzt 4,8 Millionen Menschen gezählt zu werden, die gungen, denen keine Taten folgen. keine Arbeit mehr haben, zu jenen weit mehr als 500 000 jungen Menschen zu zählen, die keine Arbeit (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ finden, zu jenen weit mehr als 1,5 Millionen Men- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der schen zu zählen, die länger als ein Jahr arbeitslos PDS) sind. Was Sie mit Ihrer Politik dulden, hinnehmen und zum Teil sogar fördern, hat eine Versteinerung, Das, was Sie uns jetzt als sogenanntes Programm eine Verfestigung der Arbeitslosigkeit zur Folge. Sie vorlegen, hat in der deutschen Öffentlichkeit eine ergreifen aber keine Maßnahmen um sie abzubauen. entsprechende Reaktion gefunden. Die Koalition ver- Gegen diese Koalition der Ignoranz und der steiner- fährt nach der Methode: Es muß etwas geschehen, nen Herzen muß endlich etwas getan werden; denn aber es darf nichts kosten. - Der „Kölner Stadtanzei- sonst gibt es in Deutschland keine Änderung. ger" schreibt, die Bonner Koalition reagiere nervös. Andere Zeitungen nennen Sie ratlos, bezeichnen Ihr (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Programm als einen Bonner Bluff, als eine Beschäfti- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gungstherapie ohne Wirkung, als eine Beruhigung und der PDS) ohne Hilfe. Manchmal, wenn ich höre, wie Sie mit den Men- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne schen umgehen und was Sie sagen, überlege ich mir ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) - und ich hoffe, auch Sie überlegen es sich -: Wie war das wohl, als die Familien zum Jahreswechsel Meine Damen und Herren, wenn in Deutschland zusammensaßen, in denen ein Mitglied der Familie so viele Menschen wie noch nie zuvor seit dem Zwei- arbeitslos ist, ein Kind auf der Suche nach einem ten Weltkrieg arbeitslos sind, dann verbietet sich Ausbildungsplatz ist? Wie war das wohl in jenen Fa- jede Routine: die Routine von immer neuen Ankündi- milien angesichts der Erfahrungen, die man sammeln gungen, ohne irgend etwas zu tun, die Routine von mußte? Mittlerweile sind es ja nicht 4,8 Millionen, immer neuen Vertröstungen, ohne eine einzige kon- sondern weit mehr als 10 Millionen Familien, die die krete Entscheidung zu treffen, die Routine, den Men- konkrete Erfahrung von Arbeitslosigkeit machen schen angeblich Zuspruch zu geben, sie dann aber mußten. durch Ihre Taten alleine zu lassen. Was bedeutet das mit Blick auf Ihre Politik, mit Was Sie machen, ist eine Politik der Vertröstungen Blick auf Ihre Fähigkeit, mit den Menschen zu den- ohne jeden konkreten Trost, eine Politik der Verta- ken und zu fühlen? Was Sie hier vorlegen, ist eine so gung ohne jede konkrete Entscheidung, eine Politik, blamable, eine so schlimme, eine so enttäuschende die Menschen alleine läßt und sie belastet, anstatt Vorstellung, daß man sich nur noch wundern kann, wirksam zu helfen, wo Politik mit Ihren Entscheidun- mit welcher Dreistigkeit Sie das Wo rt „christlich" be- gen helfen könnte. anspruchen, das Nächstenliebe beinhaltet. Sie legen Anträge vor, die nichts anderes beinhalten als eine (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Verschiebung der Verantwortung auf andere Ebe- DIE GRÜNEN) nen, anstatt die eigene Verantwortung wahrzuneh- men. Ich weiß auch, daß man immer wieder anmahnen muß - das wird auch heute geschehen -, daß etwas (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ geschieht, daß man immer wieder versuchen muß, DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/ neue Aufmerksamkeit für das Schicksal der betroffe- CSU) nen Menschen zu erreichen, und daß man immer wieder appellieren muß. Man müßte - das weiß jeder - die wirtschaftlichen Rahmenbedigungen verbessern. Wir haben Ihnen Appelle gibt es genug. Die Bereitschaft, gemein- hier viele Vorschläge gemacht. sam etwas zu tun, ist vorhanden. Die christlichen Kir- (Widerspruch bei der CDU/CSU und der chen haben sich in bemerkenswe rten Worten zur F.D.P.) wirtschaftlichen und sozialen Lage unseres Landes geäußert. Die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer Wir haben angeregt, die Lohnnebenkosten zu sen- waren bereit, ein Bündnis für Arbeit zu schließen ken, dazu beizutragen, daß ein Bündnis für Arbeit und auch Belastungen zu tragen, wenn es den ar- mit niedrigeren Lohnnebenkosten einen Ansatz- beitslosen Mitbürgern hilft. Sie beweisen- diese Be- punkt findet, usw. reitschaft jeden Tag in Tarifverhandlungen und Tarif- verträgen, durch konkrete Vereinbarungen in den (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Zerstritten Betrieben. Sie sind bereit, Solidarität und Zusam- seid Ihr! Nichts halten könnt Ihr! Blockade!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19661

Rudolf Scharping Jeder weiß, daß die Bereitschaft der Koalition, Lohn- Bericht des Winterbauausschusses des Landesar- nebenkosten zu senken, Arbeitsplätze wettbewerbs- beitsamtes Nord erhalten. Dieser Be richt gibt Aus- fähiger zu machen, die Chance auf neue Arbeits- kunft über Kontrollen auf Baustellen. Er gibt Aus- plätze einzuräumen, gescheitert ist an den inneren kunft über Mißstände auf Baustellen. Er gibt Aus- Widersprüchen der Koalition und an der Unfähigkeit kunft darüber, daß mit Hilfe ausländischer Verleihfir- der F.D.P., einmal umzudenken. men dort Bauarbeiter beschäftigt werden, die Stun- denlöhne von weniger als 3 DM bekommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn man sich dann anschaut, daß in Deutschland gegen diese illegale Verleihpraxis nichts wirksam Jeder weiß, daß zum Beispiel der Kollege Solms, unternommen werden kann, weil Sie außer mit der jetzt nicht da ist, die Diskussionswürdigkeit einer Österreich keine Rechtshilfeabkommen mit den an- solchen Politik ausdrücklich anerkannt hat, und jeder deren europäischen Ländern geschlossen haben, weiß, daß er in seiner Fraktion damit gescheitert ist. sage ich: Lassen Sie uns doch wenigstens gemeinsam Jeder weiß, daß Sie nicht bereit sind - das muß dann ein Aktionsprogramm gegen illegale Beschäftigung eben am 27. September geändert werden -, Lohnne- machen! Lassen Sie uns den Straftatenkatalog ver- benkosten zu senken und wenigstens die versiche- schärfen und dafür sorgen, daß Menschen in ihrer rungsfremden Aufgaben aus der Beitragsfinanzie- Notlage nicht so hemmungslos ausgebeutet werden rung herauszunehmen. können, wie dies heute der Fall ist! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Manfred Müller [Berlin] und der PDS) [PDS]) Man kann doch nicht darüber hinwegsehen, daß Was, meine Damen und Herren, hat denn die Finan- Ihre Politik der Verschlechterung des Schlechtwet- zierung von Fremdrenten, was hat die Finanzierung tergeldes auf der einen Seite und der mangelnden der Auffüllbeträge für ostdeutsche Renten, was denn Durchsetzung von gleichen Löhnen auf deutschen beispielsweise die Beseitigung des SED-Unrechts mit Baustellen auf der anderen Seite dazu beigetragen den Beitragszahlern zu tun? hat, daß allein deswegen in Deutschland weit über (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sie wissen, daß 250 000 Bauarbeiter keine Arbeit mehr finden. das nicht wahr ist!) Dasselbe sage ich Ihnen im Zusammenhang mit Das ist eine gemeinsame Aufgabe des ganzen deut- der Schwarzarbeit und mit der Scheinselbständig- schen Volkes, die Sie nicht nur den Beitragszahlern keit. Sie wissen doch ganz genau, daß ein Lkw-Fah- aufbürden dürfen, zu Lasten der Arbeitsplätze und rer, daß ein Kellner nicht selbständig sein kann. der Arbeitseinkommen. (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Es ist nicht zu fas (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sen, Herr Scharping!) DIE GRÜNEN) Sie wissen auch ganz genau, daß es in Deutschland Jeder weiß - es macht fast keinen Sinn mehr, es mittlerweile über 1 Million Menschen gibt, die auf noch zu beklagen; dennoch muß man es in Erinne- diese Weise aus der Sozialversicherung hinausge- rung rufen -: Es wäre auch besser gewesen, man drängt werden, deren Arbeitgeber die Sozialversi- hätte wenigstens erste Schritte hin zu einem sozial cherung fliehen und dazu beitragen, daß andere eine gerechteren, wirtschaftlich vernünftigeren Steuersy- wesentlich höhere Leistung für die gemeinsame so- stem unternommen. Auch das ist gescheitert. ziale Sicherheit erbringen müssen. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: An wem Ich appelliere an Sie, jetzt gemeinsam etwas gegen denn?) diese Form der Scheinselbständigkeit zu tun, die eine Spaltung der Gesellschaft, eine Spaltung der Ar- Noch im Dezember haben Sie angekündigt, daß Sie beitsmärkte und eine schwere Belastung auch der entsprechende Gesetzentwürfe vorlegen, und im Ja- Menschen bedeutet, die noch in regulärer Arbeit nuar hat die Koalitionsrunde unter Vorsitz des Bun- sind. deskanzlers beschlossen, daß es keinen Anlauf mehr gibt, um wenigstens das zu Vereinbarende, das Ge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne meinsame in der Steuerpolitik in das Bundesgesetz- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) blatt zu bringen. Sie haben das blockiert und damit Ich appelliere an Sie, wenn wir wegen Ihrer Blok- verhindert, daß bessere wirtschaftliche Rahmenbe- kadehaltung schon nicht bei Steuern, schon nicht bei dingungen durchgesetzt werden konnten. Lohnnebenkosten, schon nicht beim Abbau der Bü- (Beifall bei der SPD) rokratie vorankommen, doch wenigstens dazu beizu- tragen, daß die versicherungsfreien Tätigkeiten auf Jetzt appelliere ich an Sie, in den nächsten Wochen das begrenzt werden, was mit ihnen einmal gemeint zumindest das zu tun, was unbedingt getan werden war, nämlich Tätigkeiten, die während der Semester- muß, um wenigstens Recht und Ordnung auf den Ar- ferien oder als Aushilfe, als Gelegenheitsarbeit erfol- beitsmärkten durchzusetzen. In Deutschland- sind gen. Man kann es doch nicht hinnehmen, daß eine nach den Feststellungen der Arbeitsverwaltung und Handelskette in Deutschland andere damit kaputt anderer Institute mehrere hunderttausend Menschen konkurriert, daß sie über die Hälfte ihrer Belegschaft illegal beschäftigt. Ich habe vor wenigen Tagen den außerhalb der Sozialversicherung beschäftigt. Das ist 19662 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Rudolf Scharping ein schwerer Mißbrauch gesetzlich eingeräumter wenigstens die Kraft auf, jetzt endlich das durchzu- Möglichkeiten. Ich appelliere an Sie: Beseitigen Sie setzen, was durchgesetzt werden muß: bessere Rah- dies endlich, damit Teilzeitarbeitsplätze in Deutsch- menbedingungen, Recht und Ordnung auf den Ar- land entstehen können! beitsmärkten, bessere Chancen für die jungen Men- schen. Wenn Sie nicht mehr in der Lage sind, wenig- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne stens die bescheidensten Konsequenzen aus einer ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) vollständig gescheiterten Politik zu ziehen, dann ha- Meine Damen und Herren, ich will noch einen an- ben Sie es nicht nur verdient, abgewählt zu werden; deren Punkt erwähnen, nämlich aktive Arbeits- dann verraten Sie - jedenfalls die Christlich-Demo- marktpolitik. Als wir im Dezember des letzten Jahres kratische Union - Ihren eigenen Anspruch durch täg- den Haushalt und den Nachtragshaushalt berieten, liches Nichthandeln immer mehr. haben Sie uns mit großer Geste und mit manchem dröhnenden Wort dargetan, daß mit diesem Haushalt Neben allen anderen Bedrängnissen ist aus meiner die Wende der wirtschaftlichen Entwicklung und die Sicht eines der problematischsten - wenn nicht das Wende auf dem Arbeitsmarkt vollzogen werden problematischste - Ergebnisse überhaupt, daß dank könnten. Gleichzeitig haben Sie die Instrumente der Ihrer Politik im öffentlichen Leben Rücksichtnahme, aktiven Arbeitsmarktpolitik weiter reduziert. Toleranz, Hilfsbereitschaft - alles das, was Elemente der Nächstenliebe sind - ausgehöhlt wurden, obwohl Ich sage Ihnen: Neben der Verbesserung der wirt- die große Mehrzahl unserer Bürgerinnen und Bürger schaftlichen Rahmenbedingungen, neben einem So- täglich beweist, daß sie es anders wollen und daß sie fortprogramm, um Recht und Ordnung auf den Ar- es auch anders können. Sie haben sich so weit von beitsmärkten durchzusetzen, wäre es jetzt dringend den Menschen entfernt; Sie dürfen sich nicht wun- geboten, wenigstens die zerstörten Instrumente der dern, wenn sich die Menschen jetzt auch von Ihnen aktiven Arbeitsmarktpolitik wiederaufleben zu las- entfernen. sen und sie ordentlich zu finanzieren. Wer mit einiger Schwierigkeit dazu in der Lage war, den Solidaritäts- (Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall zuschlag zu senken und das so zu finanzieren, wie beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie das finanziert haben, der sollte angesichts dieser schrecklichen Rekordzahl von über 4,8 Millionen Als nächster Bürgerinnen und Bürgern ohne Arbeit in der Lage Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: spricht Bundesminister Dr. Norbe rt Blüm. sein, im Sinne einer aktiven Arbeitsmarktpolitik we- nigstens das wiederaufleben zu lassen, was man zer- (Franz Thönnes [SPD]: Der Bundesarbeitslo schlagen hat. Dies muß geschehen, damit Menschen senminister! - Gerd Andres [SPD]: Oh Nor einen Weg in die Arbeitswelt finden können und da- bert, mit dem Rücken an der Wand! - Wei mit auch in ein Leben, das aus eigener Arbeit finan- terer Zuruf von der SPD: Du bist doch für ziert wird und nicht von der Hilfsbereitschaft anderer soziale Unordnung!) abhängig ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Sozialordnung: Frau Präsidentin! Meine Damen und und der PDS) Herren! Die Lage ist zu ernst, als daß ich auf diese Meine Damen und Herren, Ihre Politik ist vollstän- Kalauer eingehen möchte. dig gescheitert. Sie haben Ziele reklamie rt, die Sie zu keinem einzigen Zeitpunkt erreicht haben. Sie haben (Zurufe von der SPD: Oh! - Joseph Fischer immer wieder behauptet, Ihre Politik würde zu einer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Belebung der Wirtschaft, zu neuen Investitionen, zu Deshalb macht ihr so einen Antrag, weil es neuen Arbeitsplätzen führen. Ihre Politik hat in so ernst ist!) 15 Jahren schrittweise immer tiefer in die Spaltung, - Weil es so ernst ist. in die Ausgrenzung, in die Hoffnungslosigkeit für viele Menschen geführt. Ich beginne mit einer ganz nüchternen Feststel- lung: Ein Patentrezept zur Überwindung der Arbeits- Ich weiß auch, daß es sehr vielen Menschen in losigkeit gibt es nicht; es gibt nur den Weg der tau- Deutschland sehr gut geht, daß sehr viele Menschen außerordentlich gute Chancen haben. Aber ich weiß, send Schritte. daß ein Land auf Dauer nicht bestehen kann, wenn (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ durch dieses Land ein so tiefer Riß geht, wie das DIE GRÜNEN]: 999 habt ihr hinter euch!) heute der Fall ist, und wenn Millionen Menschen ausgegrenzt und in die Hoffnungslosigkeit abge- Es gibt keine Patentrezepte. Wer den Bürgern etwas drängt werden. anderes erklärt, täuscht sie. Ändern Sie Ihre Politik wenigstens in den Berei- (Ottmar Schreiner [SPD]: Nichts Neues, chen, in denen das sofort möglich ist! Wenn Sie schon nichts Neues bisher!) nicht mehr die Kraft haben, gemeinsam zu vereinba- ren, was vereinbar wäre, nämlich bei den- Steuern, Der Staat steht in der Verantwortung, auch für die bei den Lohnnebenkosten, bei anderen Themen der Arbeitslosen. Aber der Staat kann nicht alles ma- wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, dann bringen chen. Darin besteht der Grundirrtum der SPD: Im- Sie angesichts dieser dramatischen Zahlen doch bitte mer, wenn ein Problem auftaucht, forde rt sie zweier- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19663

Bundesminister Dr. Norbert Blüm lei: mehr Geld und mehr Gesetze. Das kann aber Ich will noch hinzufügen: So viel Geld kann man nicht die Lösung sein. auch nicht sparen, wie Arbeitslosigkeit kostet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Es kann doch niemand behaupten, daß wir keine und der F.D.P. - Ottmar Schreiner [SPD]: Arbeitsmarktpolitik betreiben. Wir stehen an der Dummes Zeug!) fünften Stelle in Europa. Die vor uns Stehenden, au- ßer Dänemark, haben eine noch höhere Arbeitslosig- Der Staat kann nicht die unternehmerische Initia- keit. Wir haben proportional einen höheren arbeits- tive und die Verantwortung der Sozialpartner erset- marktpolitischen Einsatz als zu Ihrer Zeit. Ich weiß zen - genausowenig die Verantwortung der Arbeit- nicht, ob diese Rechnerei weiterführt. Aber sich nur geber, die Arbeit geben. Wie das Wo rt „sozial" ja be- hinzustellen und den Eindruck zu erwecken, wir sagt, tragen die Sozialpartner nicht nur Verantwor- würden nichts machen, ist und bleibt die Unwahr- tung für diejenigen, die Beschäftigung haben. heit. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sehr gut!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sie sollten nicht die Festung der Erwerbstätigen zu- mauern, sondern sie sollten Brücken bauen. Das ist Wir haben ein neues Arbeitsförderungsgesetz mit eine Aufgabe für die Tarifpolitik - für eine Tarifpoli- Verantwortung vor Ort von Arbeitgeber und Ge- tik, die zurückhaltend ist und Beschäftigung ermög- werkschaften und mit mehr Flexibilität. licht. Darin besteht die wichtigste Verantwortung der (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Das hat aber Sozialpartner. nichts gebracht!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Es ist seit dem 1. Januar in Kraft. Wenn nur ein Teil ordneten der F.D.P.) derjenigen, die Probleme beklagen, einen Teil ihrer Auch das große Ziel, die Arbeitslosigkeit zu halbie- Kraft dafür abzweigen, um etwas zu machen, dann ren, befand sich nicht in einer Solo-Erklärung der sind wir schon ein großes Stück weiter. Ich lade auch Bundesregierung, sondern dabei handelt es sich um all diejenigen, die heute demonstrieren - das ist ihr das gemeinsame Ziel von Arbeitgebern, Gewerk- gutes Recht; das sage ich, damit kein Zweifel auf- schaften und Staat. Daß Initiativen nicht folgenlos zu kommt -, dazu ein, einen Teil der Kraft zu verwen- sein brauchen und daß es in unserer Wi rtschaft Ver- den, um mit den Arbeitsämtern vor Ort - da ist große antwortung gibt, das beweist das Ergebnis der An- Bereitschaft vorhanden - nach neuen Wegen zu su- strengungen für die Schaffung von Ausbildungsplät- chen. Dafür stellen wir neue Geldmittel zur Verfü- zen. Die Zahl der Ausbildungsplätze hat zum ersten- gung. Wir müssen neue Wege suchen. Der Kreativität mal seit 1984 zugenommen - trotz schwieriger Zeit. ist keine Grenze gesetzt. Es gibt 20 neue Instru- Rechnerisch ist der Ausgleich geschaffen worden. mente, zum Beispiel Trainingsmaßnahmen oder Das ist ein großartiger Beweis dafür, daß es in unse- Lohnkostenzuschüsse. rer Wirtschaft noch Verantwortung gibt. Ich danke al- (Ottmar Schreiner [SPD]: Das ist grotesk! len, die mehr als bisher gemacht haben; ich danke Gott sei Dank ist bald Aschermittwoch!) besonders vielen kleinen und mittelständischen Be- trieben. - Lieber Herr Schreiner, ich bemühe mich darum, In- itiativen vor Ort zu mobilisieren. Diese sollten Sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge nicht konterkarieren, sondern Sie sollten mitmachen, ordneten der F.D.P.) damit vor Ort mehr Beschäftigung entsteht. Herr Scharping, der Beweis für die Richtigkeit mei- ner Meinung ist, daß Sie auch in dieser Angelegen- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU heit nach dem Staat gerufen haben und daß Sie wei- und der F.D.P.) terhin nach dem Staat rufen. Ich bin nicht für einen Bleiben wir doch einmal beim Staat. Er besteht Nachtwächterstaat; der Staat steht in der Verantwor- nicht nur aus der Bundesregierung; er besteht auch tung. Aber Arbeitsmarktpolitik kann nicht die Be- aus Landesregierungen. Die Landesregierungen ha- mühungen der Unternehmer und Tarifpartner erset- ben ihre Mittel für die Arbeitsmarktpolitik zurückge- zen. Arbeitsmarktpolitik kann auch nicht Wi rt nommen. Ich bedaure das sehr. Am stärksten hat das -schafts- und Finanzpolitik ersetzen. Herr Scharping, Land seine entsprechenden Mittel zurückgenom- so viele Arbeitsplätze auf dem zweiten Arbeitsmarkt men, das am lautesten schreit: Sachsen-Anhalt hat und durch ABM, Fortbildungs- und Umschulungs- seine Gelder für Arbeitsmarktpolitik von allen fünf maßnahmen kann kein Mensch schaffen, wie durch neuen Ländern am meisten und radikalsten gekürzt. die Blockade der Steuerreform auf dem ersten Ar- beitsmarkt vernichtet werden. (Zuruf von der SPD: Weil ihr für zurückge hende Einnahmen in Deutschland sorgt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Zuruf von der SPD: Meinen Sie die F.D.P.?) Deshalb, Herr Scharping, reden Sie doch einmal mit Ihren Parteifreunden. So tüchtig - ich sage es noch einmal - kann keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmenpolitik sein, daß sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU die Vernichtung von Arbeitsplätzen durch eine und der F.D.P.) blockierte Steuerpolitik ausgleichen könnte.- Es geht auch darum, mit einer Unternehmensphilo- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge sophie zu arbeiten, die ihre Erfolge nicht an Freistel- ordneten der F.D.P.) lung und Personalabbau mißt. Auch das ist mein Ap- 19664 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Bundesminister Dr. Norbert Blüm pell an die Unternehmer. Gewinne und Einstellung man denn nicht fragen, ob jemand wirklich arbeitslos sind keine Gegensätze. Man kann durch Personalab- ist? Was ist daran unzumutbar, daß sich jemand, der bau Gewinne machen. Man kann aber auch durch Geld vom Staat erhält, beim Arbeitsamt melden ein intelligentes Personalmanagement Gewinne ma- muß? chen. Man kann Personalüberhang durch Sozial- pläne - ich sage: passiv - reduzieren oder beispiels- Lieber Herr Scharping, da fordere ich Sie zur Klar- weise durch Teilzeit bzw. durch Altersteilzeit. Dazu heit auf. Vielleicht kann das auch Herr Lafontaine bieten wir heute das Instrument: ein Gesetz, das die tun. Ich habe kraftvolle Worte Ihres möglichen Kanz- Altersteilzeit verbessert, mit einem Potential von lerkandidaten Schröder gelesen. Am 11. September 1,5 Millionen Menschen, die davon Gebrauch ma- 1997 hat er im „Handelsblatt" gesagt: Wir erwarten, chen können. Das ist doch intelligent: Zwei ältere Ar- daß diese Maßnahmen, nämlich Zumutbarkeit, spür- beitnehmer reduzieren ihre Arbeit um die Hälfte, um bare Entlastung bringen. Diese neue Zumutbarkeit einem jüngeren eine neue Chance zu geben. Das ist muß voll ausgeschöpft werden. - Diese Zumutbar- praktisch angewandter Generationenvertrag. Das ist keitsregelung, die Schröder ausnutzen will, haben praktische Politik und nicht heiße Luft von allgemei- Sie im Deutschen Bundestag abgelehnt. nen Reden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU ordneten der F.D.P.) und der F.D.P.) Schröder sagt: Man muß die Zumutbarkeit voll Ich habe hier den B rief eines Personaldirektors: ausnutzen. - Lafontaine sagt: Das ist eine Zumu- tung. - Entscheiden Sie sich einmal! Oder haben Sie Es ist ein betriebswirtschaftliches Gebot, die Per- Kanzlerkandidaten für jede Gelegenheit? Bei der sonalanpassungsprobleme so anzugehen, daß IG Metall holzt Lafontaine; bei den Arbeitgebern sich Lösungen ohne Arbeitslosigkeit ergeben. schmust Schröder. Das ist ein Theaterstück, wie es Weiter heißt es: euch gefällt: Jedem das Seine. Ihr müßt Klarheit schaffen, was jetzt gilt. Es ist sattsam bekannt, daß es die teuerste Lösung ist, auf Auftragsschwankungen mit Entlassungen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge und späteren Neueinstellungen zu reagieren. ordneten der F.D.P.) Heute besteht die Möglichkeit, Flexibilität nicht Sie sagen: Illegale Beschäftigung wächst. Wir be- durch Ausstieg aus dem Arbeitsverhältnis zu er- kämpfen sie. Sie fordern hier: Die Strafen müssen er- reichen, sondern im bestehenden Arbeitsverhält- höht werden. Das haben wir vor acht Wochen be- nis. schlossen. Sie stellen hier Forderungen - waren Sie Was beklagen Sie? Warum soll ein Sozialhilfeemp- nicht im Saal, oder wissen Sie es nicht? -, die wir fänger nicht arbeiten? Ist Arbeit eine Schande? längst erfüllt haben. Warum soll nicht ein deutscher Arbeitsloser auch in (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU der Landwirtschaft arbeiten? Ist das eine Schande? und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist die neue Mode in Deutschland, daß ständig Was für einen polnischen Mitbürger möglich ist, darf Forderungen gestellt werden, wodurch die Kraft und für einen deutschen Arbeitslosen nicht unzumutbar die Aufmerksamkeit abhanden kommen, um das sein. durchzusetzen, was geboten ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, wir brauchen Risikobe- reitschaft auf allen Seiten. Natürlich muß ein Arbeits- Ich will eines festhalten, damit kein falscher Ton in loser - wie das in vielen anderen Ländern auch der die Debatte kommt: Arbeitslose sind keine Betrüger. Fall ist - einen Arbeitsplatz auch unter seiner Qualifi- Gegen dieses Kollektivurteil wehre ich mich ent- kation annehmen.. Allerdings - auch das ist richtig -: schieden. Aber wer will bestreiten, daß es auch Aus- Das darf ihm bei seiner nächsten Bewerbung nicht nutzer gibt, daß es Clevere gibt, die durch die Kombi- als Makel ausgelegt werden. Ein Ingenieur, der als nation von Schwarzarbeit und staatlicher Unterstüt- Maurer arbeitet, hat bei mir ein Plus und kein Defizit zung mehr Geld in der Tasche haben als die Malo- - so wie das auch in Amerika ist: Wir brauchen eine cher, die täglich zur Arbeit gehen? Wi ll jemand in Mentalitätsveränderung. Arbeit ehrt. Wer Arbeit an- diesem Saal das bestreiten? nimmt, hat ein Plus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - ordneten der F.D.P.) Widerspruch bei der SPD) Solidarität ist nicht nur schutzwürdig; sie ist auch schutzbedürftig. Solidarität bedeutet nicht nur Herr Pumm hat gesagt - das habe ich gerade gele- Rechte, sondern auch Pflichten. sen -: Wer Arbeit unter seiner Qualifikation annimmt, begibt sich auf die Abstiegsspirale, weil er, wenn er Wir haben 1993 persönliche Meldekontrollen ein- wieder arbeitslos wird, weniger Arbeitslosengeld er- geführt. Da war festzustellen: Auf die- erste Mel- hält. Falschmeldung, um nicht zu sagen: Lüge! Wir deaufforderung haben sich 611 000 überhaupt nicht haben die Regel, daß jemand, der nach drei Jahren gemeldet, wobei ich die Zahl derjenigen abziehen erneut arbeitslos wird, Arbeitslosengeld bezogen auf muß, die möglicherweise krank waren. Aber darf seinen ersten Verdienst bekommt. Warum informiert Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19665

Bundesminister Dr. Norbert Blüm ihr die Arbeitslosen falsch? Warum macht ihr angst? Arbeit und haben Arbeit gefunden. Wir brauchen in Das ist eine Falschmeldung! Deutschland (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - (Zuruf von der SPD: Eine andere Regie Zuruf von der SPD) rung!) - Ich kann mich in die Lage eines Familienvaters nicht mehr Staat. - Das ist die einzige Empfehlung, bzw. einer Mutter, die arbeitslos sind, versetzen. Das die Ihnen einfällt: Staat morgens, Staat abends, Staat ist gar keine Frage. mittags, Staat nachts. Wir antworten darauf: Selbst- (Zurufe von der SPD: Oh! Oh!) verantwortung, Innovation, Initiative und Investition, und der Sozialstaat wird die Menschen weiterhin in Vergleichen Sie aber nicht Deutschland mit Frank- schwierigen Lagen begleiten. reich. Dieser Vergleich ist unzulässig. In Frankreich erhalten Jugendliche unter 25 Jahren überhaupt (Ottmar Schreiner [SPD]: Also doch Staat!) keine Sozialhilfe. Das können Sie doch nicht mit un- Aber es wird auch von jedem verlangt mitzuwirken. seren Verhältnissen vergleichen. In Frankreich be- Auch der Arbeitslose muß mitwirken. trägt die Jugendarbeitslosigkeit 27,5 Prozent. Fast je- der dritte Jugendliche ist arbeitslos. Bei uns beträgt Im übrigen möchte ich der Bundesanstalt für Arbeit die Arbeitslosenrate der Jugendlichen 10,9 Prozent ausdrücklich für 3,3 Millionen Vermittlungen plus und ist damit halb so hoch wie die entsprechende 500 000 Vermittlungen über das Stelleninformations- Durchschnittsrate in Europa. In Frankreich gibt es in system danken. Am heutigen Tag werden viele Ar- den ersten acht Tagen der Arbeitslosigkeit überhaupt beitsämter belage rt werden. Dies ist Grund, einmal kein Arbeitslosengeld. Nach neun Monaten Arbeits- zu sagen: Die Arbeitsamtsbediensteten leisten mit losigkeit wird es um 17 Prozent, nach weiteren sechs der Vermittlung von fast 4 Millionen Beschäftigten Monaten noch einmal um 17 Prozent gekürzt. Wer hervorragende Arbeit. Aber wo keine offenen Stellen Deutschland mit Frankreich vergleicht, handelt un- sind, können sie nicht helfen. Wir haben den Arbeits- redlich, oder er belügt die Leute. Wir haben Gott sei ämtern durch neue Instrumente neue Aufgaben ge- Dank eine Arbeitslosenunterstützung. geben. Wir können es schaffen, wenn alle mitma- chen. Dazu lade ich Sie ein, nicht zum Mitklagen, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) sondern zum Mitmachen. Ein Arbeitsloser ohne Kind bezieht in Deutschland (Ottmar Schreiner [SPD]: Das sagen Sie seit 1 144 DM Arbeitslosenhilfe, in Frankreich 690 DM, zehn Jahren!) ein Ehepaar mit Kind in Deutschland 1 500 DM, in Frankreich 690 DM. Alleinerziehende bekommen in - In diesen zehn Jahren, Herr Schreiner, haben wir Deutschland 1 321 DM, in Frankreich 690 DM. das große Werk der deutschen Einheit vollbracht, Meine Damen und Herren, wir brauchen den So- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) zialstaat. Er ist der soziale Mantel. Aber der Sozial- staat kann nicht die wirtschaftlichen Probleme mei- das eine arbeitsmarktpolitische Herausforderung stern. Dafür brauchen wir Unternehmer und Sozial- sondergleichen war. Diese Herausforderung, die uns partner. Es wird niemand sagen, daß wir keine Chan- auf dem Arbeitsmarkt in Bedrängnis gebracht hat, cen hätten. Wir sind das Land mit der am besten aus- bleibt noch immer ein großer Gewinn für die Men- gebildeten Arbeitnehmerschaft. Das ist ein großer schen in Ost und West. Standortvorteil. Auch sind unsere Bedürfnisse an (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Dienstleistungen noch nicht befriedigt; Dienstlei- Gerd Andres [SPD]: Das war der Mutma stung ist nicht nur als sektorale Beschäftigung zu se- cher Blüm!) hen, sondern geradezu als eine Gesinnung: Der Kunde ist König. Wir brauchen eine Gesinnung, die die Produktion stärker an Kundenwünschen orien- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der tiert. Das ist nicht nur eine Frage von Gesetzen, son- Abgeordnete . dern eine Frage von Mentalität. (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE (Beifall der Abg. Dr. Gisela Babel [F.D.P.]) Joseph Fischer GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- Es gibt neue Beschäftigungsfelder im Biobereich, ren! Am heutigen Tag werden durch den Präsidenten in der Informatik und beim Umweltschutz. Mit Kla- der Bundesanstalt für Arbeit die jüngsten Arbeitslo- gen werden Sie keine Arbeitsplätze schaffen. Wir senzahlen veröffentlicht. Mit über 4,8 Millionen Ar- brauchen in Deutschland keine Miesmacher, wir beitslosen hat dieses Land einen einmaligen Höchst- brauchen mehr Mutmacher. stand an Arbeitslosigkeit nach dem Kriege zu ver- zeichnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Herr Blüm, es geht hier nicht um Ablenkung, son- Wir haben in Westdeutschland - dies ist überra- dern es geht um eine wirksame Bekämpfung der Ar- schend, jedoch nicht beruhigend - jetzt 1,3 Millionen beitslosigkeit, zu der Sie und Ihre Regierungskoali- mehr Beschäftigte als bei unserem Regierungsantritt, tion offensichtlich nicht mehr in der Lage sind. weil mehr Menschen - ich begrüße das -- Arbeit su- chen und gefunden haben. Wir hatten Zuwanderun- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gen. Mehr Frauen als je zuvor - was ich nicht kriti- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten siere, dies ist ein Prozeß der Emanzipation - suchen der PDS) 19666 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Joseph Fischer (Frankfurt) Es geht nicht um den Vergleich zwischen Deutsch- Dieser Antrag ist ein Dokument der völligen Abdan- land und Frankreich. Es geht darum, warum in Ihrer kung. Diesen Antrag angesichts einer einmalig ho- Regierungszeit, in der Regierungszeit von Dr. Helmut hen Zahl von 4,8 Millionen Arbeitslosen als die Ant- Kohl, die Arbeitslosigkeit Jahr für Jahr auf diesen wort der Koalition und der Regierung auf dieses zen- einmaligen Höchststand gestiegen ist. Es geht nicht trale Problem vorzulegen, ist eine schlichte Frech- um die Frage: mehr Staat oder weniger Staat? Was heit, ist eine Bankrotterklärung dieser Koalition und muß denn noch passieren, damit wir in diesem Lande dieser Bundesregierung. endlich eine andere Politik bekommen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten und bei der SPD) der PDS) Ich erinnere mich noch, Herr Bundeskanzler: - es Wir befinden uns in einer Situation, in der sich ist ja typisch, daß der Bundeskanzler heute morgen zwei Dinge auf verderbliche A rt und Weise verbin- nicht mit einer Regierungserklärung vor das deut- den können: sche Volk getreten ist -: (Zuruf von der CDU/CSU: Rot und Grün! - (Eckart Kuhlwein [SPD]: Er kann es auch Heiterkeit bei der CDU/CSU und F.D.P.) nicht mehr erklären! - Heiterkeit bei der SPD) - Das ist Ihre große Furcht. Rot und Grün wären für Sie in der Tat verderblich; das ist mir klar. Blühende Landschaften wurden im Zusammenhang mit der deutschen Einheit versprochen. Schauen Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich einmal vor allen Dingen an Hand der Entwick- und bei der SPD) lung der Arbeitslosenzahlen in Ostdeutschland an, Ich prophezeie Ihnen: Sie sind doch diejenigen, die was aus diesem Versprechen von den blühenden die Notwendigkeit von rot-grün mit jedem Tag, den Landschaften geworden ist! Mich würde interessie- Sie länger im Amt sind, in diesem Lande klarma- ren, was Sie heute dazu zu sagen haben. chen. Sie haben von einer Halbierung der Arbeitslosig- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keit gesprochen, Herr Bundeskanzler. Mich würde und bei der SPD) interessieren, was aus diesem Versprechen gewor- den ist. Statt einer Halbierung der Arbeitslosigkeit Ihr Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, dieses erleben wir, daß die Arbeitslosigkeit immer höher ge- Dokument der Handlungsunfähigkeit, hat das nach- gangen ist und, wenn Sie weiter im Amt bleiben, die drücklich unterstrichen. Fünfmillionengrenze übersteigen wird. Doch jenseits dieser Albernheiten, meine Damen (Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!) und Herren: Wir stehen vor dem großen Problem des vertagten Strukturwandels in diesem Lande. Daß in Das ist die Situation, mit der wir es heute zu tun ha- der Zeit, als die Chance, die deutsche Einheit zu nut- ben. Das Schlimme an der ganzen Sache ist: Wir ha- zen, daß in der Zeit, in der die Steuereinnahmen auf ben es hierbei mit einer echten Systemgefährdung zu Grund des großen Konjunkturprogramms deutsche tun, die zuerst und vor allen Dingen die sozialen Si- Einheit geflossen - - cherungssysteme und ihre Zukunftsfähigkeit durch die hohe Arbeitslosigkeit betrifft. Wenn es aber so (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Wer weitergehen wird, wird diese Systemgefährdung blockiert denn? - Zuruf der Abg. Dr. Gisela meines Erachtens auch auf die Politik durchschla- Babel [F.D.P.] - Weitere Zurufe von der gen. CDU/CSU und der F.D.P.) Wenn man dieses Drama sieht und wenn man - Zur F.D.P. und ihrem gigantischen Konjunkturpro- sieht, wie handlungsunfähig die Koalition in dieser gramm „Abschaffung der Vermögensteuer" komme Frage geworden ist, dann muß man sich den Antrag, ich noch. Halten Sie sich ganz ruhig zurück, Frau Ba- den Sie heute vorgestellt haben, einmal genau an- bel! Ich frage Sie: Wie viele Arbeitsplätze haben schauen. Es ist bitter, es ist ein schlechter Witz, was denn die 9,5 Milliarden DM Senkung der Vermögen- Sie hier heute vorgelegt haben. In diesem Antrag steuer gebracht? steht nichts Konkretes, was diese Bundesregierung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betrifft. Was Sie vorgelegt haben, ist ein Antrag einer und bei der SPD sowie bei Abgeordneten Opposition, die Politik auf erbärmlichstem, unterstem der PDS) Niveau betreibt. Ich muß Sie fragen: Wer regiert denn dieses Land eigentlich noch, wenn Sie als Ko- Ich sage Ihnen: Nicht ein Butler, nicht ein Dienstmäd- alition solche Anträge in den Deutschen Bundestag chen mehr wurde eingestellt. Vielmehr wurden damit einbringen? allein die Anlageprobleme der Besser- und Bestver- dienenden vergrößert. Das ist die F.D.P.-Politik, näm- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lich eine Umverteilung von unten nach oben. Bei der und bei der SPD sowie bei Abgeordneten Vermögensteuer ist das sehr klar geworden. Das Ver- der PDS) jubeln und Verjuxen der Privatisierungserlöse, die Mir fehlt die Zeit, um hier ins Detail zu gehen. Die zahlreichen Steuervergünstigungen und die durch einzigen konkreten Dinge in dem Antrag sind Forde- eine falsche Politik hervorgerufenen Steuerausfälle rungen zu Lasten Dritter, nämlich der Gemeinden. des Dr. Waigel haben nicht dazu beigetragen, die Ar- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19667

Joseph Fischer (Frankfurt) beitslosigkeit zu verringern. Was ist denn an Zu- dern wir in diesem Hause seit vier Jahren, damit wir kunftsinvestitionen aus den Privatisierungserlösen endlich die hohen Bruttolohnkosten senken können. durch diese Regierung finanziert worden? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) und bei der SPD - Zuruf von der SPD: Nichts!) Wir brauchen jetzt eine Umverteilung von Arbeit. Hier wird immer Holland angeführt. In Holland und Das ist Ihre Politik. Mir fielen dazu noch viele andere in Dänemark wurden die Erfolge durch eine Teilzeit- Dinge ein. offensive erzielt, wie wir sie hier schon lange gefor- dert haben. In Holland wurden diese Erfolge dadurch Doch zurück zum Thema: Der vertagte Struktur- erzielt, daß auf der einen Seite Lohnzurückhaltung wandel, der in den Jahren 1990 bis 1994, meinetwe- geübt wurde und auf der anderen Seite verbindliche gen auch mit einer Nettoentlastung bei der Einkom- Einstellungszusagen in einem Bündnis für Arbeit ge- mensteuerreform, möglich gewesen wäre, die Sie da- geben wurden. Ich frage Sie: Gab es in Deutschland mals, als die Haushaltslöcher noch nicht so groß wa- Lohnzurückhaltung? Schauen Sie sich die Entwick- ren, nicht angepackt haben - - lung bei den Reallohneinkommen an: Es gab hier (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Wer eine Lohnzurückhaltung. Es hat aber keine verbind- stimmt denn immer dagegen?) liche Zusage für Neueinstellungen gegeben. Das liegt unter anderem daran, daß Sie das „Bündnis für - Wir haben unseren Vorschlag vorgelegt, Herr Arbeit" aus schlichtem Mutwillen gegen die Wand Dr. Schäuble. gefahren haben. (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Der hat nichts (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN getaugt!) und bei der SPD) Wir waren bereit, auf dieser Grundlage zu verhan- Deswegen sagen wir Ihnen: Senkung der Brutto- deln. Wir sind aber nicht bereit, eine Politik mitzuma- lohnkosten durch eine ökologische Steuerreform; ein chen, wie Sie sie bei der Senkung der Vermögen- Bündnis für Arbeit, das auf einer Neuverteilung der steuer offenbart haben. Mit uns ist eine weitere Um- Arbeit durch mehr Teilzeit und auf einer gerechteren verteilung von unten nach oben nicht zu machen Verteilung der Arbeit durch eine Beseitigung der zwei Milliarden Überstunden gründet, die wir in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1997 hatten; ein Bündnis für Arbeit, das nicht nur auf und bei der SPD) einer Basis, nämlich Lohnzurückhaltung bei den Be- Ich sage Ihnen auch, warum. Das zeigt schlicht schäftigten, sondern endlich auch auf verbindlichen und einfach die Konjunkturentwicklung in diesem Zusagen zu Neueinstellungen und Investitionen auf Land. Es geht doch nicht darum, die oben noch wei- der Unternehmerseite gründet. Das werden Sie nicht ter zu entlasten. Die schwache Binnenkonjunktur in mehr hinbekommen. Dazu brauchen wir einen Poli- diesem Lande zeigt nur allzu klar, wo der Schuh tik- und damit auch einen Mehrheitswechsel. wirklich drückt: Wir müssen endlich dafür Sorge tra- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gen, daß die Massenkaufkraft angekurbelt wird und und bei der SPD) durch eine Stärkung der Gemeindefinanzen wieder Binnennachfrage entsteht, so daß die regionale Wi rt -schaft eine Perspektive hat und einstellen kann. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Gisela Babel. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Für mich ist der entscheidende Punkt aber ein an- Damen und Herren! Der Präsident der Bundesanstalt derer: Wenn sich die weltwirtschaftlichen Gefahren, für Arbeit hat heute mit 4,8 Millionen Arbeitslosen ei- die sich vor allen Dingen durch die Ostasienkrise er- nen neuen Rekord bekanntgegeben. geben, mit dem vertagten Strukturwandel verbin- den, wenn die Volksrepublik China in den nächsten (Zuruf von der SPD: Tolle Leistung!) 18 Monaten tatsächlich eine Abwertung vornehmen 4,8 Millionen Arbeitslose in Deutschland, das ist eine muß, wie es verschiedene Experten und Analysten schwere Hypothek. Sie lastet auf der gesamten Ge- prophezeien, und wenn wir nicht endlich den Mut zu sellschaft, sie lastet auf der Politik in Bund, Ländern einer aktiven Arbeitsmarktpolitik haben, dann, und Gemeinden. Sie lastet auch auf den Gewerk- fürchte ich, werden wir die Grenze von 5 Millionen schaften und den Arbeitgeberverbänden. Arbeitslosen in diesem Land übersteigen. Um das zu verhindern, müssen Sie die Mittel allerdings bereit- Diese hohe Arbeitslosigkeit steht durchaus im Wi- stellen. Sie haben mit den Kürzungen bei ABM, mit derspruch zur wi rtschaftlichen Lage. Nach wie vor ist der Gesundheitsreform und mit dem chaotischen die deutsche Wirtschaft eine der leistungsfähigsten Vorgehen bei der Entsenderichtlinie zu einer Steige- und modernsten in der Welt. Die deutsche Börse, die rung der Arbeitslosigkeit beigetragen. Dieses ist un- seit den 90er Jahren eine steile Entwicklung vollzo- ter anderem durch die Bundesanstalt für Arbeit- do- gen hat, auch im internationalen Vergleich, eilt von kumentiert. Wir brauchen jetzt einen Politikwechsel Rekord zu Rekord. Dies we rte ich durchaus auch als und endlich den Mut, die Lohnnebenkosten durch Beweis dafür, daß es ein Vertrauen in deutsche Un- eine ökologische Steuerreform zu senken. Das for- ternehmen gibt. Doch diese Wirtschaftskraft schlägt 19668 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Gisela Babel sich nicht in neuen Arbeitsplätzen nieder. Im Gegen- Das Thema Steuerreform ist bei der Frage der Sen- teil: Die Zahl der Arbeitsplätze wurde abgebaut und kung der Abgabenlast ein Schlüsselthema. Wer aber, die Zahl der Arbeitslosen hat zugenommen. Auffal- wie die SPD es tut, Steuern nicht nachhaltig senkt, lend ist: Die Ausländer investieren ihr Geld in den sondern - im Gegenteil - Steuern erhöht, um sie in deutschen Finanzmarkt, sie scheuen aber konkretes soziale Sicherungssysteme zu pumpen, der senkt die wirtschaftliches Engagement in Form von Direktin- Abgabenlast nicht und der wird auch den Wandel vestitionen in Betriebe und Unternehmen in Deutsch- auf dem Arbeitsmarkt nicht schaffen. land. Es gibt in der ganzen Welt kein Land, das seine (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das muß Wirtschafts- und Beschäftigungsprobleme durch doch Gründe haben!) Steueranhebungen gelöst hat. Es gibt aber viele Län- der, die durch konsequentes und mutiges Absenken Ist das verwunderlich? der Steuern Arbeitslosigkeit erfolgreich bekämpft (Eckart Kuhlwein [SPD]: Nein, bei dieser haben. Regierung nicht!) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Unternehmen, die sich bei uns niederlassen wollen ten der CDU/CSU) und engagieren wollen, müssen sich durch den Als Beispiel verweise ich auf die USA. Für Sie beson- Drahtverhau deutscher Regulierungen, Genehmi- ders interessant und lehrreich sollte sein, daß Tony gungsverfahren und Auflagen durchbeißen Blair das Senken der Steuern für Unternehmen auf (Widerspruch bei der SPD und dem 31 Prozent erwägt. Das muß Sozialdemokraten doch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sehr schmerzen. und scheitern mitunter an großspurigen Landesfür- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Hört! sten wie Gerhard Schröder, der selber Firmen auf- Hört!) kauft, wie wir das gestern beredet haben, um sichere Im Gegensatz zur Opposition hat die Koalition Arbeitsplätze noch sicherer zu machen. diese Tatsachen richtig erkannt und eine zutreffende Ein ganz entscheidender Grund für ausbleibende Diagnose gestellt. Der Reformkurs als Therapie war Investitionen im In- und Ausland ist zweifellos die ebenfalls richtig; aber die Dosis war zu schwach und Höhe der Kosten, die ein solcher Arbeitsplatz verur- die Therapie wurde zu spät begonnen. sacht. Der internationale Vergleich zeigt es ganz Wir haben die sozialen Sicherungssysteme refor- deutlich: Zwar zahlen wir in Deutschland die höch- miert; es handelte sich dabei um echte Strukturrefor- sten Löhne, aber den deutschen Arbeitnehmern wird men. Die Reform der Arbeitslosenversicherung - das auch am meisten weggenommen. wird oft vergessen; Arbeitsminister Blüm hat darauf (Zuruf von der SPD: Dank Ihnen!) hingewiesen - ist ja erst vor knapp fünf Wochen, zum 1. Januar dieses Jahres, in Kraft getreten. Die Ren- Während ein japanischer Facharbeiter etwa 60 Pro- tenreform wirkt in Minischritten überhaupt erst ab zent seines Bruttoverdienstes in der Tasche behält, 1999. Trotz Abschaffung der Frühverrentung haben darf ein deutscher Facharbeiter oft nur 30 Prozent wir auf Grund des Vertrauensschutzes nach wie vor seines Lohnes mit nach Hause tragen. Hunderttausende von Frührentnern jährlich. Hier ha- ben wir zu spät gehandelt. (Dr. Peter Struck [SPD]: Warum denn?) Es gibt durchaus einige Bereiche - das sage ich als Es handelt sich hierbei um schwer arbeitende Leute. F.D.P.-Mitglied -, die eine noch stärkere Liberalisie- Herr Fischer hat mit seiner Idee der Grundsiche- rung vertragen. Das gilt für das Arbeitsrecht, zum rung ein wunderbares Rezept, das einer Familie Beispiel im Bereich der Zeitarbeit. Warum können 4 000 DM ohne jede Gegenleistung garantiert. Dieje- wir in Deutschland nicht mehr Zeitarbeit zulassen? nigen, die dies finanzieren müssen, sind wiederum Warum verbessern wir nicht die Voraussetzungen? die Facharbeiter. Das ist mit uns nicht zu machen. Die Niederlande führen uns eindrucksvoll vor, in welchem Maße sich das Instrument der Zeitarbeit zur (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Integration von Arbeitslosen entwickelt hat. Ich ten der CDU/CSU) stimme in diesem Punkt mit meinem Kollegen Lou- ven überein, daß in Deutschland - zum Nachteil von Diese gigantische Umverteilungsmaschine bremst Arbeitslosen - Möglichkeiten nicht genutzt werden. die Leistungsbereitschaft; sie mindert die Wettbe- Dies zu tun wäre also eine Aufgabe des Herrn Ar- werbschancen und die Effizienz in der Wirtschaft. beitsministers. Deshalb ist es richtig, hier den Hebel anzusetzen. Um unsere Reformstrategie sichtbar und überzeu- Herr Scharping, es reicht nicht aus, wenn Sie sich gend zu machen, halte ich es übrigens auch für zwin- hier hinstellen und tränenreich das Schicksal be- gend notwendig, Lohnnebenkosten wenigstens do rt schwören, Mitleid zum Ausdruck bringen, aber sich zu senken, wo es schnell möglich wäre. im Grunde genommen verweigern, wenn es um die Bedingungen geht, die erfüllt werden müssen, um (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Arbeitslosigkeit in unserem Lande zu bekämpfen.- Wir haben in der Koalition vereinbart, diese Lohnzu (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne satzkosten wieder unter 40 Prozent zu drücken. Zur ten der CDU/CSU) Zeit liegen die Lohnzusatzkosten bei 42,1 Prozent. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19669

Dr. Gisela Babel Leider ist die F.D.P. weit und breit die einzige Partei, Rückzug von der Regelung in bezug auf die gesetzli- die jetzt für eine Senkung des Beitrages in der Pfle- che Lohnfortzahlung im Krankheitsfall angetreten. geversicherung um 0,2 Prozent von 1,7 Prozent auf 1,5 Prozent eintritt. Wir werden dies auch weiterhin (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Un mit Vehemenz fordern. Es geht uns darum, die ver- glaublich!) einbarte Senkung der Lohnzusatzkosten wenigstens Meine Damen und Herren, Sie versagen in Nord- einzuleiten. Dabei ist mir bewußt, daß dies nur ein rhein-Westfalen konkret im Fall von Garzweiler II, kleiner Schritt ist; aber das zurückzugebende Geld Sie versagen in Schleswig-Holstein, Sie begnügen beträgt immerhin 3,6 Milliarden DM. Es gehört in die sich in Niedersachsen damit, Arbeitsplätze, die sicher Tasche der Beitragszahler. sind, noch sicherer zu machen, indem der Landes- (Beifall bei der F.D.P.) fürst eine entsprechende Beteiligung auf Pump er- wirbt. Das ist wirklich kein Beweis dafür - Sie sehen Es gehört eben nicht, wie mir Kollege Andres in ei- ja die Schaffung von Arbeitsplätzen als Chefsache nem Brief geschrieben hat, den Pflegebedürftigen. an -, daß Sie in irgendeiner Weise vernünftig han- Sie haben nur Anspruch auf die Leistungen aus der deln. Pflegeversicherung, an denen wir ja nicht rütteln wollen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU) Mehr Geld in der Tasche der Beschäftigten, mehr Eigeninitiative, mehr Leistungsbereitschaft, weniger Auf dem steinigen Weg zu mehr Arbeit dürfen wir Versorgungsleistungen nach dem Gießkannenprin- nicht in Schutzhütten mit der Aufschrift „Beschäfti- zip - das sind die Stichworte, die auch beim Thema gungsprogramm" Zuflucht suchen. Wir müssen uns Beschäftigung von Sozialhilfeempfängern anzumer- dem Wind und sogar dem Hagel von Wettbewerb ken sind. Hier wird das Menschenbild erkennbar: und Leistung aussetzen. Dazu braucht der Bürger Nicht der Versorgungsempfänger erhebt Ansprüche, wieder mehr Freiheit zum Handeln, mehr Geld in der sondern er bietet seine Arbeitskraft an und erhält Ar- Tasche, aber natürlich auch die Bereitschaft zu mehr beitsgelegenheiten. Es ist wichtig, diese gerade für Leistung. Jugendliche zu schaffen. Das ist ein Schwerpunkt unseres Antrages und - wie ich finde - ein richtiger Zu dem Kurs der Koalition und der Bundesregie- Ansatz. rung gibt es keine Alternative. Allenfalls kann man - nach meiner Meinung - versuchen, mit mehr Tempo (Beifall bei der F.D.P.- Gerd Andres [SPD]: und Entschlossenheit schneller voranzukommen. Ihr seid ein Haufen da drüben! Das ist wohl Nur das hilft den Arbeitslosen; nur das hilft der Ge- wahr!) sellschaft.

Gegenstand unserer Debatte ist auch der Gesetz- Ich bedanke mich. entwurf zur Flankierung flexibler Arbeitszeit. Mit diesem Gesetzentwurf setzt die Koalition ihren Re- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) formkurs fort , indem sie damit Regelungen zur flexi- blen Arbeitszeit erleichtert. Jahreskonten und Le- benszeitkonten erfordern flexible Regelungen in den Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Sozialversicherungen. Sie sind in diesem Gesetzent- Abgeordnete Dr. Gregor Gysi. wurf verankert.

Für die F.D.P. ist es ganz wichtig, daß diese Verein- Dr. Gregor Gysi (PDS): Frau Babel, Sie irren. Es barungen jetzt innerhalb von drei Jahren in Betriebs- gibt immer Alternativen, die realisierbar sind. vereinbarungen und in Einzelverträgen ohne Tarif- vorbehalt abgeschlossen werden können. Danach ist (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sie sind eine, aber allerdings eine tarifvertragliche Regelung ein Erfor- eine abschreckende!) dernis. Das ist ein wichtiges Signal in der Diskussion über die notwendige Flexibilisierung. Ich bin sehr - Natürlich bin ich eine Alternative. Daß Sie sie als gespannt, zu hören, wie sich die Sozialdemokraten abschreckend empfinden, ehrt mich bei der Politik, zu diesem Gesetz, das immerhin die Zustimmung der die Sie in den letzten Jahren hier bet rieben haben, in Gewerkschaften gefunden hat, stellen werden. gewisser Hinsicht. 4,8 Millionen Arbeitslose dürfen die Gesellschaft (Beifall bei der PDS) nicht ruhen lassen. Auch die Opposition sollte ver- meiden, Arbeitslosigkeit als reines Wahlkampfthema Wir haben es tatsächlich mit einer sehr ernsthaften zu Markte zu tragen und sich ansonsten aus der Ver- Situation zu tun. Ich freue mich, daß heute das erste antwortung zu stehlen. Mal Arbeitslose in Deutschland auf die Straße gehen, (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ( [CDU/CSU]: Druck der ten der CDU/CSU) Straße - das wollt ihr!)

Sie haben die Steuerreform blockiert. Sie- war eines sich selbst einmal zu Worte melden und nicht mehr der wichtigsten Reformvorhaben in Deutschland nur als Zuschauer verharren und sich anschauen, überhaupt. Sie waren gegen alle Sparvorschläge in was da oben geschieht. Sie erkennen vielmehr, daß den Sozialversicherungen. Jetzt haben Sie sogar den sie sich selbst bewegen müssen, damit sich in dieser 19670 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Gregor Gysi Gesellschaft etwas bewegt. Das halte ich für völlig wirklich einmal ansehen. Da schreiben Sie, Herr richtig. Schäuble: (Beifall bei der PDS - Michael Glos [CDU/ Die Kommunen sind aufgefordert, jede Möglich- CSU]: Straße aktivieren - das wollten die keit der Beschäftigung von Sozialhilfeempfän- Kommunisten zu allen Zeiten!) gern, insbesondere durch Schaffung von Arbeits- gelegenheiten, im eigenen finanziellen Interesse Auf der anderen Seite haben wir die erschrek- zu nutzen, aber auch die Kürzungsvorschriften kende Zahl von mehr als 4,8 Millionen offiziell regi- bei Ablehnung von Arbeitsangeboten, bis hin zur strierten Arbeitslosen. Beides veranlaßte die Koali- vollständigen Versagung, konsequent anzuwen tion, heute einen Antrag vorzulegen. Ich finde, daß den. es sich lohnt, sich damit zu beschäftigen. Was heißt das im Klartext? Sie fordern für Sozialhil- Ich sage Ihnen etwas zu den neuen Bundeslän- feempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger nicht dern. Wenn Herr Bundesminister Blüm hier am einmal Arbeitsplätze, sondern Sie fordern nur noch Schluß seiner Rede erklärt, daß an der Arbeitslosig- „Arbeitsgelegenheiten" . Sie sagen aber nicht einmal, keit die deutsche Einheit schuld sei, die er dennoch was das sein soll, und drohen ihnen bei Ablehnung begrüße, dann behaupte ich, daß er ein Mann ist, der mit Kürzung oder vollständiger Versagung von Ar- die deutsche Einheit kaputtredet, der in Wirklichkeit beitslosenhilfe. spaltet. Nein, schuld an der Arbeitslosigkeit ist nicht die deutsche Einheit, sondern Ihre verfehlte Politik. Eine Frage beantworten Sie allerdings nicht: Was Dazu müssen Sie sich hier einmal bekennen. soll aus demjenigen, dem Sozialhilfe vollständig ver- sagt wird, eigentlich werden? Soll er verhungern? Sie (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne müssen das hier schon erklären, was aus einem sol- ten der SPD - Widerspruch bei der CDU/ chen Menschen werden soll. CSU - Dr. Norbe rt Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Das habe ich Wieso sollen die Kommunen das machen? Das ist nicht gesagt, Herr Gysi!) ein Aufruf an Dritte. Sie sagen, die Kommunen hät- ten dafür zu sorgen. Damit sind die Länder und der - Sie haben gesagt, sie habe die Situation auf dem Bund raus, und Sie haben damit überhaupt nichts zu Arbeitsmarkt wesentlich erschwert. Damit haben Sie tun. Also: kein Arbeitsplatzangebot für Sozialhilfe- in der deutschen Einheit eine Ursache der Arbeitslo- empfänger. sigkeit gesehen. Das ist eine völlig falsche Analyse. Zweitens. Im Falle der Arbeitslosenhilfeempfän- (Weitere Zurufe von der CDU/CSU) ger fordern Sie lediglich, vorhandene Gesetze anzu- - Sie können der DDR wirklich viel vorwerfen, bloß wenden. Was ist denn an dieser Initiative neu, daß nicht einen Mangel an Arbeitsplätzen. vorhandene Gesetze angewandt werden sollen? (Zustimmung bei der PDS - Lachen bei der (Heiterkeit und Beifall bei der PDS) CDU/CSU und der F.D.P. - Dr. Wolfgang Außerdem sagen Sie - wieder an Dritte gewandt; Schäuble [CDU/CSU]: Schon allein die nicht etwa Sie wollen etwas tun, und nicht die Regie- Stasi, nicht?) rung soll etwas tun -: Aber ich würde gerne auf Ihr Programm zurück- Der Deutsche Bundestag forde rt die Arbeitsämter kommen, das Sie heute vorgelegt haben. Ich habe auf, von diesen neuen Möglichkeiten intensiven mich über eines gewundert: Weder Herr Blüm noch Gebrauch zu machen. Frau Babel sind auf das eingegangen, was Sie hier vorgelegt haben. Warum stehen Sie eigentlich nicht Also sind die Arbeitsämter schuld. Mit der Regierung zu dem Entwurf des Beschlusses, den Sie vorgelegt hat das Ganze nichts zu tun. haben? Warum diskutiert niemand über dieses Pa- pier? Darüber soll doch nachher abgestimmt werden! Ganz abgesehen davon: Wovon sollen sie denn ei- gentlich mehr Gebrauch machen, Herr Schäuble? (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sie haben nicht Wissen Sie, worauf Sie hinweisen? Sie weisen darauf zugehört, Herr Gysi!) hin, daß die Arbeitsämter jetzt auch p rivate Service- agenturen beauftragen dürfen, Arbeitsvermittlung Schauen wir uns doch einmal an, was Sie in Anbe- zu organisieren. Davon soll konsequent Gebrauch tracht von über 4,8 Millionen Arbeitslosen diesem gemacht werden. Deutschen Bundestag ernsthaft anbieten. Wenn eine Oppositionsfraktion vom Niveau her so etwas vorge- Nur eins erklären Sie in diesem Punkte nicht: Wie legt hätte - einmal abgesehen davon, daß es ihr in- wollen Sie denn, ob nun privat oder staatlich, Arbeit haltlich nicht zuzutrauen wäre -, hätten Sie das in vermitteln, wenn keine bezahlte Arbeit vorhanden der Luft zerrissen - mit der, übrigens völlig berechtig- ist, wenn es keine Arbeitsplätze gibt? Das ist doch ten, Bemerkung, daß durch ein solches Programm das Problem. Das ist doch keine Vermittlungsfrage, nicht ein einziger Arbeitsplatz in diesem Lande ent- sondern es ist die Frage des Angebots an Arbeitsplät- stehen kann. zen. Dieses Angebot fehlt. (Beifall bei der PDS) - (Beifall bei der PDS) Erstens: arbeitslose Sozialhilfeempfänger. Was Drittens kommen Sie zu dem Punkt arbeitslose Ju- bieten Sie da ernsthaft an? Das muß man sich gendliche und sagen, Sie bräuchten mehr Ausbil- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19671

Dr. Gregor Gysi dungs- und Praktikantenstellen für arbeitslose Ju- ein Bündnis gegen Langzeitarbeitslosigkeit machen, gendliche. Wie sieht jetzt der Vorschlag aus? Ich lese aber lassen wir das dahingestellt. es Ihnen wieder vor: (Heiterkeit bei der PDS) Der Deutsche Bundestag forde rt die Bundesre- Was bieten Sie ernsthaft an? Sie sagen: Die Lohn- gierung auf, struktur muß stärker gespreizt werden. Sie sagen: - hier kommt sie das erstemal vor - Wir brauchen endlich billig bezahlte Dienstleistun- gen. Sie schlagen vor, daß das Personal um Pförtner, mit den Ländern, den Kommunen, der Bundesan- Schuhputzer und Hilfen an Tankstellen und in Super- stalt für Arbeit und den Sozialpartnern darüber in märkten erweitert werden muß. Sagen Sie einmal, Gespräche einzutreten. Frau Babel und Herr Schäuble: Soll Ihr Vorschlag an Dann schreiben Sie: die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft der sein, daß gesagt wird: Dies gilt besonders (Beifall bei Abgeordneten der PDS) - ich weiß gar nicht, was mit „dies" gemeint ist: die Wir lösen das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit, Gespräche? - indem wir wieder mehr Pförtner einstellen und für die Länder, bei denen die Nachfrage nach Schuhputzer auf die Straße stellen. Lehrstellen das Angebot übersteigt. Es ist wahr: Wenn man durch Indien fährt, sieht Also, die Länder, bei denen das so ist, sollen beson- man mehr Schuhputzer, als wenn man durch ders viel reden. Deutschland fährt. Das ist wahr. Aber ich sage Ihnen: Sie werden diese Probleme in Deutschland nicht auf Das heißt, Ihr ganzer Vorschlag läuft darauf hinaus, diesem Weg lösen. Ich halte es auch für einen zivili- daß man sich miteinander unterhalten soll und dabei satorischen Rückschritt, ernsthaft anzunehmen, daß möglicherweise eine Idee hat, wie man Praktikanten man durch Billigdienstleistungen, durch sichtbare stellen für jugendliche Arbeitslose schafft. Das bieten Armut auf der Straße, durch ganz schlecht bezahlte Sie ernsthaft als kurzfristiges Programm zur Bekämp- Jobs Arbeitslosigkeit mindern kann. Das wird nie- fung von Massenarbeitslosigkeit in Deutschland an. mals der Weg sein. Das mag Ihr Versuch sein, aber Und damit ist auch Schluß. Das sind die drei Punkte, die Linke in Deutschland wird diesen Weg nicht ge- die Sie dafür anbieten. hen. Dann kommen Ihre mittelfristigen Pläne. Da (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne dachte ich: Nun kommt es aber; jetzt kommen die Re- ten der SPD) formen. Was schlagen Sie da vor? Als erstes schlagen Sie vor: die Vereinheitlichung des Arbeitslosenhilfe Wenn Sie die Massenarbeitslosigkeit wirklich be- rechts und des Sozialhilferechts. Können Sie mir sa- kämpfen wollten, dann hätten Sie ein ganz anderes gen, was für ein Arbeitsplatz durch die Vereinheit- Programm vorlegen müssen, dann hätten Sie ein Pro- lichung von Sozialhilfe- und Arbeitlosenhilferecht gramm darüber vorlegen müssen, wie Sie die Arbeit entstehen soll? Wie soll das die Arbeitslosigkeit be- neu verteilen wollen, das heißt, wie Sie eine Arbeits- kämpfen? zeitverkürzung erreichen wollen, wie Sie das Ar- beitszeitgesetz der Bundesrepublik Deutschland so (Beifall bei der PDS) verändern wollen, daß wir von der über 1 Million Ich habe in diesem Zusammenhang keine Ideen. Überstunden endlich herunterkommen und daß dar- aus Arbeitsplätze werden. Sie hätten Vorschläge Wissen Sie, das einzige, das dann passiert, ist: Sie dazu machen müssen, wie man die Arbeitsmarktpo- versuchen die Arbeitslosenhilfe abzuschaffen, Sie litik aktiv gestaltet und wie man die Maßnahmen, versuchen, aus all diesen Leuten Sozialhilfeempfän- die Sie zurückgenommen haben, wieder einführt. gerinnen und Sozialhilfeempfänger zu machen, und Sie hätten Vorschläge machen müssen - daraus zwar mit dem einzigen Ziel, die Statistik zu bereini- kann man den Staat nicht entlassen, Herr Dr. Blüm -, gen, wie wir bei über 4,8 Millionen Arbeitslosen versu- (Beifall bei der PDS) chen, mit Hilfe eines öffentlich geförderten Beschäf- tigungssektors Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finan- weil Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeemp- zieren, und zwar in Bereichen, wo es keine Konkur- fänger nicht in der Arbeitslosenstatistik aufkreuzen. renz gibt, bei der Pflege, im ökologischen Bereich, im Das ist nun wirklich die klassische Politik, wie ich sie Kulturbereich, im Bildungsbereich und im Bereich noch von früher kenne. Man beseitigt nicht das Pro- von Dienstleistungen, wie zum Beispiel Schulderin- blem, nen- und Schuldnerberatung. (Beifall bei der PDS) Das ist auf Dauer nicht über Arbeitsbeschaffungs- sondern man ändert die Statistik über das Problem. maßnahmen und schon gar nicht über die Abschaf- fung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen möglich. (Beifall bei der PDS) Wir brauchen sowohl aus inhaltlichen Gründen als auch zur sozialen Sicherung dauerhafte Arbeits- Ich sage Ihnen: Damit kommen Sie nicht durch.- plätze. Dann fließen wieder Steuern und Beiträge in Jetzt kommt Ihr Hauptpunkt: das Bündnis für die Versicherungssysteme, die Kaufkraft wird ge- Langzeitarbeitslose. Ich hatte gehofft, Sie wollten stärkt. Das ist in jeder Hinsicht erforderlich. Sie kön- 19672 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Gregor Gysi nen nicht alles auf die Wirtschaft abschieben. Was die Hinterzieher hoher Steuern. Gegen diese Men- die Wirtschaft nicht leistet, müssen wir durch einen schen macht die Koalition nichts. öffentlich geförderten Beschäftigungssektor ergän- zen. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der PDS) Sie haut immer nur bei der Sozialhilfeempfängerin und beim Arbeitslosen drauf. Kümmern Sie sich ein- Sie hätten Vorschläge machen müssen, wie Sie die mal um die Reichen in dieser Gesellschaft! Bei denen Lohnzusatzkosten endlich so berechnen wollen, daß ist etwas zu holen, nicht bei den Armen in Deutsch- einerseits die Unternehmen nicht daran zugrunde land. gehen und daß auf der anderen Seite die Unterneh- men, die zahlen können, auch die entsprechenden (Beifall bei der PDS) Beiträge in die Versicherungssysteme leisten. Wir schlagen seit Jahren vor, die Lohnzusatzkosten der Unternehmen an die Bruttowertschöpfung und nicht Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: In der Debatte an die Zahl der Beschäftigten, nicht an den Brutto- spricht jetzt der Abgeordnete Ulf Fink. lohn zu koppeln, um sie nicht arbeitsfeindlich, son- dern vom Wirtschaftsergebnis eines Unternehmens Ulf Fink (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr abhängig zu machen. Das wäre ein sinnvoller Schritt. verehrten Damen und Herren! Die Regierungskoali- Wo ist Ihr Vorschlag zur Förderung der kleinen tion hat Ihnen heute ein Programm gegen Langzeit- und mittelständischen Unternehmen? Dazu gibt es arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit vorge- keinen einzigen Vorschlag in Ihrem Programm. legt. (Beifall bei Abgeordneten der PDS) (Lachen bei der SPD - Dr. Peter Struck [SPD]: Was? Das Ding ist ja ein Witz!) Wo ist Ihr Vorschlag, die Kommunen zu stärken, damit sie als öffentlicher Auftraggeber auftreten kön- Dieses Programm entspricht der auf dem EU-Gipfel nen? Dafür braucht man nicht einmal mehr Geld; wir getroffenen Verabredung, daß sich staatliche Politik müssen nur die Landes- und Bundesförderungen in vor allem auf die Problemgruppen des Arbeitsmark- großem Umfang abschmelzen und den Kommunen tes zu beziehen habe. Konjunkturprogramme à la das Geld pauschal geben, damit sie sich selbst ver- Schmidt - das haben wir gesehen - haben sich zu- walten können, wie es das Grundgesetz forde rt, und meist als wirkungsloses Strohfeuer entpuppt. öffentliche Aufträge ausschreiben können, und zwar in kleinen Losen, um eigene kleine und mittelständi- (Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saar sche Unternehmen endlich zu fördern und regionale land]: Außer daß sie die Arbeitslosigkeit Strukturen aufzubauen. zurückgeführt haben!) Wo ist Ihr Vorschlag zur Stärkung der Kaufkraft? Dieses Programm gegen Langzeitarbeitslosigkeit Ohne Kaufkraftstärkung wird es keine neuen Ar- und Jugendarbeitslosigkeit hat die CDU/CSU-Bun- beitsplätze in Deutschland geben. destagsfraktion seit Sommer des vergangenen Jahres in vielen Expertengesprächen mit Vertretern der Re- Wo ist Ihr Vorschlag zu einer Steuerreform, die gierung, der Länder, der Städte, des Deutschen Ge- endlich Arbeit begünstigt und nicht länger Arbeit be- werkschaftsbundes sorgsam ausgearbeitet. Im ver- straft? gangenen November haben wir dazu in Berlin einen Alle diese Vorschläge bleiben aus. Alles, was Sie in großen Kongreß durchgeführt, auf dem die Städte- den letzten Jahren gemacht haben, ist, die Besserver- tagspräsidentin Roth, und Dieter dienenden, die Vermögenden, die Reichen ständig Hundt anwesend waren, um nur einige zu nennen. zu begünstigen, wobei Sie immer versprochen ha- Aus all diesen Beiträgen haben wir das vorliegende ben, daß das Geld von jenen zur Schaffung von Ar- Programm entwickelt. beitsplätzen eingesetzt würde. Frau Babel, wenn Sie Deshalb ist es auch kein Wunder, daß der Deutsche das je geglaubt haben sollten, müßten Sie doch in- Industrie- und Handelstag, der Bundesverband der zwischen akzeptieren, daß es nicht funktioniert hat. Deutschen Industrie, der Deutsche Städte- und Ge- Die Abschaffung der Vermögensteuer hat zu keinem meindebund, beispielsweise das Geschäftsführende neuen Arbeitsplatz geführt. Das gilt auch für viele Präsidialmitglied Landsberg, dieses Programm aus- andere Steuergeschenke, die Sie gemacht haben. drücklich begrüßt und gesagt haben, bisher gebe es Alle Steuerschlupflöcher, über die Sie sich heute be- keine Alternative zu diesem Programm. Als bei Ihnen schweren, haben Sie selber organisiert. offenbar noch keine Sprachregelung ausgegeben worden war, hat selbst Ihr wi rtschaftspolitischer Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Dr. Gysi, bitte Sprecher, Herr Schwanhold, gesagt, dieses Pro- kommen Sie zum Schluß. gramm sei insbesondere in seinem arbeitslose Sozial- hilfeempfänger betreffenden Teil wichtig. Er hat das wohl aber nur sagen dürfen, bevor Sie Ihre neuen Dr. Gregor Gysi (PDS): Ich komme zum Schluß. - Sprachregelungen ausgegeben haben. Ich fordere Herr Blüm, ich finde, es ist ein Skandal, wenn Sie - Sie auf: Kommen Sie aus Ihren Schützengräben her- darauf hinweisen, daß es unter Arbeitslosen auch Be- aus! trüger gibt. Das mag es im Einzelfall geben. Aber die Betrüger, unter denen diese Gesellschaft leidet, sind (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19673

Ulf Fink Ein ganz wichtiger Teil ist, daß 100 000 arbeitslose Es gibt kein einziges Argument, warum Kommu- Sozialhilfeempfänger in diesem Jahr neu in Arbeit nen arbeitslose Sozialhilfeempfänger nicht beschäfti- gebracht werden können. Das ist ein Auftrag nach gen sollen. Wenn sie es nicht tun, liegt es an Gedan- dem Bundessozialhilfegesetz an die Kommunen. Sie kenlosigkeit, Bürokratie oder daran - auf diesen Ver- haben nach § 18 die Aufgabe, arbeitslosen Sozialhil- dacht könnte man kommen -, daß der eine oder an- feempfängern Beschäftigungsgelegenheiten anzu- dere sozialdemokratische Bürgermeister eine klamm- bieten. Dafür gibt es doch heute schon großartige heimliche Freude über hohe Arbeitslosenzahlen hat. Beispiele, etwa Lübeck und Leipzig, wo jedem ar- beitslosen Sozialhilfeempfänger eine Arbeit angebo- (Zurufe von der SPD und der PDS: ten wird, Osnabrück-Land, Mannheim, Berlin, wo Unglaublich! - Unerhört! - Dr. Peter Struck über 50 000 Sozialhilfeempfänger arbeiten. Das sind [SPD]: Eine Frechheit, was Sie hier erzäh großartige Beispiele dafür, was geschehen kann, len!) wenn man sich dabei wirklich Mühe gibt. Ein nächster Punkt. Es rechnet sich doch auch. Herr Ruschmeier, der Oberstadtdirektor von Köln, kommt zwar daher und (Gerd Andres [SPD]: Das war jetzt ein sagt, das könne nicht bezahlt werden. Alle Erfahrun- Schmutz-Fink!) gen zeigen aber ein ganz anderes Bild. Sobald So- Na- zialhilfeempfänger zur Arbeit aufgefordert werden, Ich komme zum Thema Jugendarbeitslosigkeit. türlich ist es besser, wenn ein Jugendlicher einen Ar- stellt ein Drittel den Kontakt zum Sozialamt ein, weil beitsplatz oder eine Lehrstelle erhält. Da aber, wo ganz offenbar bei ihnen das Gefühl nicht vorhanden dies nicht gelingt, ist es gut - dies schlagen wir vor -, ist, daß eine Leistung einer Gegenleistung bedarf. wenigstens einen Praktikantenplatz bei gleichzeiti- Ein weiteres Drittel schafft es, endgültig in den ersten ger Qualifizierung anzubieten. In Hamburg hat man Arbeitsmarkt überzutreten. das mit großem Erfolg insbesondere für die Jugendli- (Zuruf von der SPD: Wunschvorstellungen chen ohne Hauptschulabschluß getan. Das sind sind das!) 80 000 Jugendliche pro Jahr. Die kann man doch nicht außen vor stehen lassen. Sie bekommen im Ein weiteres Drittel hat dann Ansprüche gegenüber Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Be- dem Arbeitsamt. schäftigungsverhältnisses 800 DM brutto bzw. 500 DM netto.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Fink, gestat- Angesichts dessen sagen manche, das sei ein Bil- ten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten ligprogramm. Was glauben Sie denn, wo wir leben Schwanhold? und wie hoch tarifvertragliche Lehrlingsvergütungen sind? Im Handwerk verdient man im ersten Lehrjahr im Durchschnitt 750 DM brutto, im zweiten Lehrjahr Ulf Fink (CDU/CSU): Nein. Ich will dies im Zusam- 850 DM und im dritten 1000 DM. Es gibt viele Lehr- menhang ausführen. berufe, in denen man weniger verdient, zum Beispiel Nur ein ganz geringer Teil fällt wieder in die So- im Schuhhandwerk in Ostdeutschland: 400 DM im zialhilfe zurück. ersten, 450 DM im zweiten und 500 DM im dritten Lehrjahr. Wo leben wir denn überhaupt? Da sagt der Da kann ich Herrn Ruschmeier nur folgendes vor- Herr Wiesehügel, der Kollege von der IG Bau, das al- rechnen: Wenn man in Nordrhein-Westfalen ein Be- les sei nichts, es sei ein schlimmes Programm, was schäftigungsverhältnis mit einem Entgelt von bei- wir nach dem Hamburger Vorbild umsetzen wollen. spielsweise monatlich 3000 DM finanziert, dann kommen einschließlich Arbeitgeberbeiträgen pro (Zuruf von der SPD: Recht hat er!) Jahr Kosten in Höhe von rund 43 000 DM zustande. Nach Abzug der Zuschüsse, die das Land Nordrhein Ich will Ihnen aus einem Protokoll des Hamburger Westfalen den Kommunen für die Beschäftigung ei- Arbeitsamtes, Abteilung Berufsberatung, mit Datum nes Sozialhilfeempfängers zahlt, nämlich von 18 000 vom 30. Mai 1997 vorlesen. Da steht ausdrücklich: DM, entstehen der Stadt Nettokosten von 25 000 DM. Das Quas-Konzept wird von allen am Ausbil- Dagegen muß nun aber gerechnet werden, was der dungsmarkt beteiligten Institutionen unterstützt. Jahresunterhalt eines arbeitslosen Sozialhilfeemp- Die Senatsbehörde für Schule, Jugend und Be- fängers kostet. Das sind pro Jahr über 10 000 DM. rufsbildung stieg in die Finanzierung mit ein. Das ist wenig gerechnet. Das heißt, bereits nach spä- testens 16 Monaten hat es sich für die Gemeinde aus- (Gerd Andres [SPD]: Und wo steigen Sie bei gezahlt, den Sozialhilfeempfänger zu beschäftigen. der Finanzierung mit ein?)

Zu einem noch besseren Ergebnis kommt man, Die Arbeitgeberorganisationen einschließlich der wenn man dies für einen verheirateten arbeitslosen Kammern sowie Sozialhilfeempfänger mit zwei Kindern berechnet. Denn da kostet das Arbeitsverhältnis wiederum rund - jetzt kommt es - 25 000 DM. Dagegengerechnet werden müssen- aber fast 22 000 DM, die für den Unterhalt dieser Familie der Deutsche Gewerkschaftsbund und die DAG zu zahlen sind. Das heißt, bereits nach drei Monaten Hamburg bemühten sich erfolgreich, Hindernisse hat sich die Beschäftigung für die Gemeinde gelohnt. zum Beispiel tarifrechtlicher und vertragsrecht- 19674 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ulf Fink licher Natur aus dem Wege zu räumen und bei Herr Lafontaine, im Sommer letzten Jahres hat Ihr den Hamburger Bet rieben Akzeptanz für das Pro- Konkurrent, Herr Schröder, an einem Programm ge- jekt zu erreichen. arbeitet und hat - das war der strahlende Punkt des Vorschlags - neue Wege der SPD vorgeschlagen. Da- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nach sollte ein arbeitsloser Sozialhilfeempfänger zu- Wie kann denn auf einmal das, was in Hamburg vom mindest 50 Prozent von dem, was er verdient, behal- DGB ausdrücklich unterstützt wird, dann falsch sein, ten dürfen. Die ganze Welt bei Ihnen hat gejubelt; wenn wir es bundesweit vorschlagen? Das kann Ottmar Schreiner hat gesagt: P rima! Aber die Bun- doch nicht in Ordnung sein. desregierung, der Seehofer, will denen nur 10 Prozent belassen. - Sie haben gesagt, das sei unglaublich, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ hasenfüßig und überhaupt nicht in Ordnung. DIE GRÜNEN]: Vorschlagen ist gut!) Was soll ich sagen? Jetzt hat der Bundesgesund- Sie sollten auch einmal die Scheuklappen herun- heitsminister diese Verordnung tatsächlich entworfen ternehmen, was das Thema Löhne angeht. Natürlich und sie in den Bundesrat eingebracht. Aber was hö- ist es das beste, wenn man wenigstens 15, 20 oder ren wir nun? 25 DM in der Stunde verdient. Klar ist das gut. Aber es werden auf der anderen Seite nicht so viele Ar- (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Da beitsgelegenheiten angeboten, weil manche eben sa- sind sie, die Blockierer!) gen, sie könnten es sich nicht leisten, jemanden für 15, 20 oder 25 DM Stundenlohn einzustellen, wenn Daß ihr immer alles ablehnt, ist ja nichts Neues. Aber noch die Arbeitgeberbeiträge hinzukommen. mit welcher Begründung lehnen Sie dies ab? Sie leh- nen es nicht ab, weil das, was wir den Sozialhilfe- (Widerspruch bei der SPD) empfängern belassen wollen, etwa zuwenig ist; Sie wollten doch ursprünglich 50 Prozent. Nein, jetzt Dann ist es doch in Ordnung, zu sagen: Laßt uns plötzlich ist es zuviel. doch einmal sehen, wie wir aus dem Dilemma her- auskommen. Es werden bei uns bestimmte einfache (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Rich Dienstleistungen nicht angeboten, weil sie einfach zu tig!) teuer sind. Dabei besteht gerade im Dienstleistungs- sektor ein riesiges Beschäftigungspotential. Wir ha- Die Gradlinigkeit eines hakenschlagenden Hasen ist ben gerade in Hannover einen Kongreß gehabt. Do rt immer noch höher zu veranschlagen als die Haltbar- haben wir gesehen: Das, was da an Existenzgrün- keit Ihrer Programmvorschläge. dungen möglich ist, birgt Riesenmöglichkeiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Aber natürlich ist es schwer. Wir wollen den Men- schen doch wenigstens ein bestimmtes Mindestein- Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen geben. Deshalb muß man das tun, was in ich sage dazu nur folgendes und möchte damit gerne der sozialen Marktwirtschaft schon immer das Er- die Worte des Bundespräsidenten in seiner bedeu- folgsrezept unserer Väter gewesen ist: Primärein- tenden Berliner Rede aufnehmen und sie hier zitie- kommen müssen sich am Markt orientieren, ren. Er hat gesagt: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Durch Deutschland muß ein Ruck gehen. und Sekundäreinkommen und Transferzahlungen (Dr. Peter Struck [SPD]: Wohin wohl?) müssen hinzukommen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgeworde- Schauen Sie: Die Bundesvereinigung der Deut- nen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle schen Arbeitgeberverbände hat einen sehr vernünfti- müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen: gen und realistischen Vorschlag, den Vorschlag eines Kombilohns, gemacht, eines Zusammenstellens von Er sagt weiter: Primär- und Sekundäreinkommen, was ich als ehe- die Arbeitgeber, indem sie Kosten nicht nur durch maliger Stellvertretender Vorsitzender des Deut- Entlassungen senken; die Arbeitnehmer, indem schen Gewerkschaftsbundes ausdrücklich begrüße. sie Arbeitszeit und -löhne mit der Lage ihrer Be- (Zurufe von der SPD) triebe in Einklang bringen; die Gewerkschaften, indem sie betriebsnahe Tarifabschlüsse und flexi- Dieter Schulte hat dies im Sommer ebenfalls getan. blere Arbeitsbeziehungen ermöglichen; Bundes- Er ist aus Amerika zurückgekommen und hat gesagt: tag und Bundesrat, indem sie die großen Reform- Jawohl, laßt uns über diese Frage reden. Mittlerweile projekte jetzt rasch voranbringen; die Interessen- ist im Wahlkampf wieder Beton gemischt worden. gruppen in unserem Land, indem sie nicht zu La- Offensichtlich darf er dies jetzt gar nicht mehr ma- sten des Gemeininteresses wirken. chen. Er sagt weiter: Meine Damen und Herren, lassen Sie uns nur ein- mal einen kleinen Schritt anschauen, der- zu tun ist, Die Bürger erwarten, daß jetzt gehandelt wird. damit sich die Arbeit für die Betreffenden lohnt. Neh- Wenn alle die vor uns liegenden Aufgaben als men wir einmal das Thema der arbeitslosen Sozial- große, gemeinschaftliche Herausforderung be- hilfeempfänger, § 76 der Verordnung. greifen, werden wir es schaffen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19675

Ulf Fink Ich habe diesen Worten des Bundespräsidenten gen Ihrer Politik - meist mit unmenschlichen Mitteln nichts hinzuzufügen. - abgemildert werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Zuruf von der SPD: Flach war das!) ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Kollege Ulf Fink. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Schwanhold. Ulf Fink (CDU/CSU): Herr Abgeordneter Schwan- hold, mir liegt eine dpa-Meldung vom 29. Januar Ernst Schwanhold (SPD): Frau Präsidentin! Meine 1998 vor, in der es heißt: sehr verehrten Damen und Herren! Erstens. Der Ab- geordnete Fink hat eben in seiner Rede gesagt, es Zugleich räumte Schwanhold ein, daß er auch gebe offenbar sozialdemokratische Oberbürgermei- Einzelheiten der Regierungspläne mitträgt. Die ster, die eine klammheimliche Freude daran hätten, SPD weise seit langem darauf hin, „daß es sinn- daß die Arbeitslosigkeit steigt. Ich stelle fest: Dies ist voller ist, Arbeit zu finanzieren als Arbeitslosig- eine ungeheure infame Unterstellung, eine Art von keit". Dreckschleuderei, die dieser Sache nicht angemes- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) sen ist. Deshalb müsse man auch Sozialhilfeempfängern (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ eine Dienstleistung abverlangen, erklärte er zur DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Absicht der Unionsfraktion, 100 000 arbeitsfähige PDS) Sozialhilfeempfänger über die Kommunen zu be- schäftigen und an bezahlte Arbeit auf dem ersten Zweitens. Der Abgeordnete Fink hat meine Aussa- Arbeitsmarkt heranzuführen. Es sei richtig zu gen auf einer Pressekonferenz und die Berichterstat- prüfen, „wie wir die Arbeitslosigkeit auch durch tung darüber falsch und nur zu einem Teil zitiert. Ich solche Maßnahmen am zweiten Arbeitsmarkt be- habe darauf hingewiesen, daß angesichts von fast kämpfen können" . 4,9 Millionen Arbeitslosen die Debatten über Pro- gramme, mit denen Sozialhilfeempfänger in Arbeit Herr Schwanhold, Sie sollten sich einfach zu Ihren kommen, viel zu kurz greifen und daß das Wichtigste Aussagen bekennen. ist, Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Dafür sollten die politischen Möglichkeiten, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge die diese Regierung hat - und die sie sträflich ver- ordneten der F.D.P.) nachlässigt -, genutzt werden. Ich habe darüber hinaus nicht gesagt, daß SPD- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Oberbürgermeister aus parteipolitischen Motiven DIE GRÜNEN) heraus eine solche Politik verfolgen, (Dr. Peter Struck [SPD]: „Klammheimliche Drittens. Einerseits über Sozialhilfeempfänger zu Feinde" haben Sie gesagt!) reden und so zu tun, als könne man damit die Ar- beitslosigkeit beseitigen, und andererseits zuzulas- sondern nur darauf hingewiesen: Es kommt einem sen, daß Vollzeitarbeitsplätze durch Umwandlung in dieser Verdacht. - Und der muß einem in der Tat 620-Mark-Arbeitsplätze abgeschafft werden, daß die kommen. Menschen, die Sozialhilfe bekommen, wegen dieser geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse nicht in (Widerspruch bei der SPD) die sozialen Sicherungssysteme hineingenommen Ich kann Ihnen ja einmal die Zahlen vortragen: In Es- werden und daß 5,5 Millionen Arbeitsplätze ohne so- sen - 627 000 Einwohner - sind nur 755 arbeitslose ziale Sicherung angeboten werden, spricht dem Pro- Sozialhilfeempfänger beschäftigt. Allein in Berlin da- blem Hohn und ist ein Schlag ins Gesicht für die- gegen - ich habe es Ihnen bereits vorhin gesagt - jenigen, die Arbeit suchen und gerne in sozialver- sind es 50 000. In Hannover beispielsweise -523 627 sicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen arbeiten Einwohner - sind genau 283 Sozialhilfeempfänger möchten. beschäftigt. In Bochum, meiner alten Heimatstadt - (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne 400 000 Einwohner -, sind genau 242 arbeitslose So- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zialhilfeempfänger beschäftigt. und der Abg. Petra Bläss [PDS]) Da muß man mehr tun! Sie sollten sich an die Städte wenden, die von Oberbürgermeistern Ihrer ei- Viertens. Die Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu genen Partei regiert werden. Wenn Ihnen der Kampf schaffen, der mittelständischen Wi rtschaft Investitio- gegen die Arbeitslosigkeit so wichtig ist, dann tun nen in die eigene Zukunft zu ermöglichen und einer Sie das, was in Leipzig getan wird! neuen Existenzgründungswelle Vorschub zu leisten, nicht auszunutzen, ist eine Vernachlässigung- dessen, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge was wir eigentlich zu tun haben, nämlich Unterneh- ordneten der F.D.P. - Peter Dreßen [SPD]: men zu gründen, in denen Menschen beschäftigt Das ist aber auch ein SPD-Oberbürgermei werden, anstatt darüber nachzudenken, wie die Fol- ster!) 19676 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wir setzen die De- bürgermeisterin, hat Ihre Vorschläge mehrfach zu- batte fort. Der nächste Debattenredner ist Kollege rückgewiesen. Sie würden die finanziellen Kapazitä- Ottmar Schreiner. ten der Städte völlig überfordern. Die Bundesvereinigung aller kommunalen Spit- Ottmar Schreiner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe zenverbände hat vor kurzem in einer gemeinsamen Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja hier eine Erklärung folgendes öffentlich formuliert: etwas eigenartige Debattenlage: Vor wenigen Wo- Die kommunalen Spitzenverbände fordern die chen hat der Bundeskanzler das große strategische Aufgaben- und Finanzverantwortung des Bundes Ziel der Bundesregierung und der sie tragenden sowie die vorrangige Verantwortung der Tarifver- Koalitionsfraktionen, die Arbeitslosigkeit in Deutsch- tragsparteien im Bereich der Arbeitsmarktpolitik land bis zum Jahr 2000 zu halbieren, zurückgenom- ein. Sie sprechen sich eindeutig und unmißver- men. Er hat dieses Ziel zurückgenommen. Er hat jah- ständlich gegen einseitige Kommunalisierungs- relang den Menschen in Deutschland eingeredet, bestrebungen dieses Politikfeldes aus. diese Regierung verfüge über Konzepte, die Arbeits- losigkeit in einigen Jahren auf ein erträgliches Maß Das ist eine klare Erklärung gegen Ihr Pseudopro- zurückzuführen. gramm. Eindeutiger kann es von seiten der kommu- nalen Spitzenverbände gar nicht formuliert werden. (Zuruf von der CDU/CSU: Lügen Sie doch nicht!) Ich zitiere Ihnen aus den Nachrichtenmeldungen des gestrigen Tages: Dieses Ziel ist zurückgenommen worden, und wir würden ganz gern wissen: Wie geht es denn weiter, Mit heißer Nadel, die Verkündung des neuen Ar- Herr Bundeskanzler? Was ist denn jetzt das neue Ziel beitslosenrekordes durch die Bundesanstalt für der Bundesregierung, wenn es schon keine Halbie- Arbeit vor Augen - hatten Union und F.D.P. ihre rung der Arbeitslosenzahlen bis zum Jahre 2000 Job-Initiative gestrickt und am Dienstag abend mehr gibt? Was sind die nächsten kurzfristigen Ziele durch die Fraktionen geboxt. Selbst Unionsfrakti- der Bundesregierung? Mit welchen Instrumenten, ons-Chef Schäuble (CDU), habe am Abend vor mit welchen Vorschlägen wollen Sie in Zukunft die dem Beschluß noch keine konkreten Einzelteile Massenarbeitslosigkeit bekämpfen, und aus welchen gekannt, hieß es. Dabei war in der Union vor Gründen ist Ihr Halbierungsziel gescheitert? Erklä- Schnellschüssen und „Pseudoaktionen" gewarnt ren Sie das bitte einmal im Deutschen Bundestag! worden. (Beifall bei der SPD) Soweit das Zitat. Und jetzt redet Herr Kollege Fink hier von einem Ruck, der mit diesem Programm Es geht doch nicht an, daß i n einer so zentralen durch das Land gehe. Das ist geradezu lächerlich. Da Frage der Bundeskanzler hier bräsig herumsitzt und geht ja nicht einmal ein Ruck durch die Unionsfrak- daß sich irgendwelche verzweifelten Koalitionsabge- tion! Nicht einmal das ist der Fall. ordneten darum bemühen, noch zu retten, was zu retten ist. Das kann doch wohl im Ernst vom deut- Im übrigen, wenn ich den Nachrichtenagenturen schen Parlament nicht so akzeptiert werden. vertrauen darf, hatten die Kollegen Geißler und Grund ein Programm mit 2,3 Milliarden DM zur Aus- (Dr. Peter Struck [SPD]: Warum sitzt er weitung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefor- hier?) dert. Das, Herr Minister Blüm, sind offenkundig Deshalb fordern wir Sie dringlich auf, die Lage staatliche Maßnahmen. Sie sagen, die SPD verlange immer nur Staat, Staat, Staat. Augenscheinlich hat endlich zu verändern, sich in die Ho rizontale zu be- geben und zu erklären, mit welchen Instrumenten sich der Kollege Geißler mitsamt dem etwas verwirr- und Vorschlägen es nun in Sachen Arbeitslosigkeit ten Kollegen Grund in die falsche Formation einge- nach Auffassung der Bundesregierung in den näch- reiht. Sie müssen das wohl in den Koalitionsfraktio- nen, in der Unionsfraktion unterstützt haben. Das ist sten Monaten weitergehen soll. alles abgelehnt worden zugunsten eines Pseudo- Zweiter Punkt: Der Kollege Fink hat eben zu erklä- schnellschusses des Kollegen Fink, der nicht davor ren versucht, das sogenannte Konzept, das er hier zurückschreckt, sich gewissermaßen als Alibi der Ko- gerade vorgestellt hat, sei vom DGB, von den kom- alitionsfraktionen mißbrauchen zu lassen. munalen Spitzenverbänden, von den Städten usw. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne mitgetragen worden. Herr Kollege Fink, ich kann ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN jetzt reihenweise zitieren. Ich kann den Bundesvor- und der PDS) sitzenden des DGB zitieren, den Sie eben für sich in Anspruch genommen haben. Dann heißt es weiter: Herr Schulte hat vor wenigen Tagen in Düsseldorf, Genau eine solche Aktion sei nun beschlossen bezogen auf dieses merkwürdige Programm, gesagt, worden, urteilen die Kritiker. „Das, was jetzt in- es handele sich um eine erschreckende Zwischenbi- szeniert wird, ist nur eine nach außen gerichtete lanz. Kurzfristige Pseudoprogramme aus dem Boden Show und bringt uns keinen Millimeter weiter", zu stampfen, um langfristige Versäumnisse verges- sagte der Vorsitzende des Verbandes der kommu- sen zu machen, gehe nicht an. So Schulte.- nalen Arbeitgeberverbände. Wiesehügel haben Sie selbst zitiert. Die Präsiden- Eindeutiger kann die Kommentierung, kann die tin des Deutschen Städtetages, die Frankfurter Ober- Nachrichtenlage in bezug auf dieses eigentümliche Deutscher Bundestag - 93. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19677

Ottmar Schreiner Programm nicht sein. Ich sage Ihnen, wenn der Re- Gewerkschaften angebotene „Bündnis für Arbeit" gierung bei knapp 5 Millionen Arbeitslosen - das ist aufgekündigt. ein dramatischer Rekord in der deutschen Nach- kriegsgeschichte; wir sind nicht mehr sehr weit ent- (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei fernt von den 6 Millionen Arbeitslosen des Jahres Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU) 1932 -, wenn der Regierung in einer so dramatischen Situation nichts anderes einfällt als ein schlichtes - Natürlich ist das so. Strohfeuer, als eine Summe von Appellen und Schuldzuweisungen an die Kommunen, an die Tarif- Zweitens. In Holland beträgt die Teilzeitquote vertragsparteien und an die Arbeitsämter, dann ist über 30 Prozent. Bei uns dümpelt diese Quote bei das eine endgültige Bankrotterklärung in Sachen Be- etwa 16, 17 Prozent, weil diese Koalition nicht in der schäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik dieser Regie- Lage ist, endlich dem hemmungslosen Mißbrauch so-

rung und der sie tragenden Fraktionen. zialversicherungsfreier 620 - DM - Arbeitsverhältnisse einen Riegel vorzuschieben. Das ist die zentrale (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Bremse gegen eine vernünftige Ausweitung von Teil- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der zeitarbeit. PDS) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Ich sage Ihnen nochmals: Es gibt auch sehr viele ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sozialdemokratisch geführte Kommunen, die sich die und der PDS) allergrößte Mühe geben, arbeitslosen Sozialhilfe- empfängern eine Arbeitsperspektive zu vermitteln. Ein letztes Beispiel; es bezieht sich auf etwas, was Das sind über 200 000. Aber was man nicht machen nicht vom Staat kommt. Sie erklären ja hier immer, kann, ist, die finanziellen Grenzen der Kommunen zu wir würden ständig nach dem Staat rufen. Dieses sprengen. Viele Kommunen in Regionen mit hoher Beispiel müßte Sie eigentlich sehr nachdenklich stim- Arbeitslosigkeit haben schon heute keinerlei poli- men. Zu Beginn der Tarifrunde für den öffentlichen tische Gestaltungsmöglichkeiten mehr. Dienst hat der Bundesvorsitzende der ÖTV, der Kol- lege Mai, öffentlich eine solidarische Lohnpolitik (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie haben angeboten. Man sei bereit, auf denkbare Lohnerhö- gerade nicht zugehört!) hungen zu verzichten, wenn es zu entsprechenden Arbeitszeitverkürzungen und in der Folge der Ar- Sie haben die Kommunen über Änderungen im Be- beitszeitverkürzungen zu Einstellungen von Arbeits- reich der Lohnersatzleistungen in den letzten Jahren losen im öffentlichen Beschäftigungssektor komme. mit über 8 Milliarden DM Sozialhilfekosten im Zu- Das wäre eine solidarische Lohnpolitik gewesen. sammenhang mit der Arbeitslosigkeit belastet. Das ist ein Höchststand. Die Kommunen sind am Ende ih- Das ist von der Großen Tarifkommission abgelehnt rer finanziellen Kapazitäten. Deshalb macht es über- worden. Nun könnte man sich ja fragen: Sind die haupt keinen Sinn, jetzt so zu tun, als ließe sich das Menschen in Deutschland böser oder schlechter ge- Problem der Arbeitslosigkeit über weitere kommu- worden, als sie es vor Jahren waren? - Das ist mit- nale Anstrengungen auf ein erträgliches Maß zu- nichten der Fall. Eine Krankenschwester, die hart ar- rückführen. Was Sie hier betreiben, ist reine Roßtäu- beitet, hat am Monatsende eben noch weniger als scherei, 50 Prozent ihres Bruttoeinkommens als verfügbares Einkommen in den Händen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS) (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) ein pures Ablenkungsmanöver von der Tatsache, daß - Das ist das direkte Ergebnis Ihrer Steuer- und Ab- sie überhaupt kein Konzept dazu, wie es denn wei- gabenpolitik. tergehen soll, haben. Sie sitzen hier herum als eine (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Ansammlung von ratlosen Zeitgenossen. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Siegfried (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Hornung [CDU/CSU]: Das ist doch lächer PDS - Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: lich!) Erzähle uns doch mal, was ihr vorhabt! - Wenn der Stahlarbeiter und der Müllfahrer am Mo- Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Lieber natsende nach mühevoller Arbeit aufhören!) ( [CDU/CSU]: Sie sind - Ich habe nicht mehr sehr viel Zeit, noch drei Minu- ein Müllredner! - Weiterer Zuruf von der ten. Ich will Ihnen zwei Beispiele aus den letzten Wo- CDU/CSU: Damit haben Sie sich disqualifi chen und Monaten nennen. ziert!) Sie weisen ja immer auf Holland hin. In Holland je nach Familienstand ein verfügbares Einkommen beträgt die Arbeitslosenquote 5 Prozent. Die Hollän- haben, das weniger als 50 Prozent des Bruttoeinkom- der haben dieses Ziel mit zwei Maßnahmen erreicht. mens ausmacht, und wenn die Krankenschwester Erstens gibt es dort seit Jahren ein gut funktionieren-- und der Müllfahrer morgens in der Zeitung lesen des „Bündnis für Arbeit", das von der Regierung ins müssen, daß in Deutschland mehr als die Hälfte der Leben gerufen worden ist. Bei uns hat die Bundesre- Einkommensmillionäre auf legale Weise keinen ein- gierung ohne jede Not und mutwillig das von den zigen Pfennig Steuern zahlt, dann sieht man, daß die 19678 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ottmar Schreiner gesamte Richtung in diesem Lande nicht mehr halten, darüber nachzudenken, ob wir nicht mit Pro- stimmt. grammen, bei denen man vielleicht etwas Geld inve- stieren müßte, diesen Menschen Hoffnungen geben, (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei wohl wissend, daß Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE nicht die Lösung des Problems sind, sondern uns ein GRÜNEN) Stück weit auf dem Weg helfen können, Leuten Hoff- Dann dürfen Sie sich nicht wundern, daß die Entsoli- nung zu vermitteln. darisierung in der gesamten Bevölkerung ein drama- (Beifall bei der CDU/CSU) tisches Ausmaß annimmt. Das ist das direkte Ergeb- nis einer Politik, die alle Maßstäbe sozialer Gerech- Herr Abgeordneter tigkeit in den letzten Jahren mit Füßen getreten hat. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Schreiner. Eine letzte Bemerkung dazu. Der Bundeskanzler (Zurufe von der SPD) hat in den frühen 80er Jahren hier im Deutschen Bundestag einmal gesagt, wenn die Arbeitnehmer- schaft weniger als 50 Prozent des Bruttoeinkommens Ottmar Schreiner (SPD): Frau Präsidentin, ich als verfügbares Nettoeinkommen in den Händen möchte dem Kollegen Grund nur zur Kenntnis brin- habe, dann sei sie im Sozialismus gelandet. Der Bun- gen, daß ich der Nachrichtenlage folgenden Satz ent- deskanzler hat zahlreiche deutsche Arbeitnehmerin- nehme: nen und Arbeitnehmer in den Sozialismus geführt, In einem von der „Sächsischen Zeitung" zitierten ohne daß die Betroffenen es gemerkt haben. Das ist Papier des ostdeutschen CDU-Parlamentariers offenkundig das Ergebnis dieser Politik. Manfred Grund heißt es, der Wahlkampf werde (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der ohne Trendwende am Arbeitsmarkt „sehr schwer PDS) zu führen" sein. „In einigen Regionen der neuen Bundesländer könnte man dann auf das Anbrin- Ich finde, hier sitzt eine Ansammlung von ratlosen gen von Plakaten getrost verzichten." Damen und Herren der Koalitionsfraktionen. Packen Sie Ihre Koffer! Bereiten Sie sich auf den Umzug in (Beifall bei der SPD) die Oppositionsbänke vor! Lieber Kollege Grund, ich will Sie fragen, ob ich das richtig interpretiere, daß es Ihnen weniger um Herzlichen Dank. die Arbeitslosen und um die Bekämpfung der Ar- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE beitslosigkeit geht, sondern daß Sie sich Gedanken GRÜNEN und der PDS) über Ihr Mandat, über Ihre Pfründe machen, daß das der eigentliche Beweggrund Ihrer Umtriebe ist. Sind Sie bereit, die Kosten, die die Plakate verursachen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort zu einer würden, den Arbeitsloseninitiativen in Ihrem Bun- Kurzintervention hat der Kollege Manfred Grund. desland zu spenden und auf das Anbringen von Pla- katen konsequenterweise ganz zu verzichten? Manfred Grund (CDU/CSU): Frau Präsidentin, der (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Das ist unfair! Das Kollege Schreiner hat mich angesprochen. Dazu ist selbst unter Ihrem Niveau, Herr Schrei möchte ich zweierlei feststellen. Erstens. Das beste ner!) Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm ist eine große Steuerreform. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Grund. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Zuruf von der SPD: Ach!) Manfred Grund (CDU/CSU): Herr Kollege Schrei- Wer hier „Ach!" geschrien hat, möge sich einmal die ner, das wäre sicher ein bißchen vordergründig. Tat- sächlich geht es mir darum, daß diese Koalition auch Vereinigten Staaten anschauen. Nicht nur die Millio- nen Arbeitsplätze, die auf Grund der Reaganschen nach dem 27. September ihre erfolgreiche Arbeit fort- Steuerreform entstanden sind, sind dafür ein bered- setzen kann und wir nicht zu den Instrumenten zu- tes Beispiel. Die sprudelnden Steuereinnahmen wer- rückkehren müssen, mit denen Sie schon in den sieb- den durchaus auch im sozialen Bereich verwandt. ziger Jahren gescheitert sind. (Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der Zweitens. Für uns bleibt es dabei: Wir müssen SPD: Das war gegen die Geschäftsord strukturelle Reformen im Bereich der sozialen Siche- nung!) rungssysteme, des Arbeitsrechtes und der Arbeits- zeitflexibilisierung angehen. Allerdings müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, daß diese strukturellen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Nein, Herr Schrei- Reformen eine langfristige Wirkung haben, die sich ner hat ihn unmittelbar gefragt, und er hat unmittel- nicht sehr kurzfristig und schnell einstellt. Wenn das bar eine Antwort bekommen. So etwas muß im parla- so ist und wir Regionen mit einer Arbeitslosenquote mentarischen Bereich möglich sein, wenn man es un- von 30 Prozent und mehr haben, mit Betroffenen,- die mittelbar provoziert. es sehr schwer haben, am ersten Arbeitsmarkt Fuß (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) zu fassen, und sich ein erster Arbeitsmarkt zum Teil gar nicht so schnell einstellt, dang sind wir schon ge- Das Wort hat jetzt der Bundesminister Dr. Rexrodt. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19679

Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: welt entgegenstellen, daß Sie die Öffnung der Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ha- Märkte in den verschiedensten Bereichen bekämp- ben trotz günstiger Konjunktur steigende Arbeitslo- fen - bei der Energie, bei der Telekommunikation -, sigkeit.` Heute gehen viele betroffene Menschen auf daß Sie in den Kommunen und Ländern nicht bereit die Straße. Wir haben das Thema Arbeitslosigkeit sind zu privatisieren und daß bei den Grünen überall wieder im Bundestag: das fünfte Mal innerhalb eines die latente Technikfeindlichkeit, halben Jahres. Das ist gut so, das ist richtig. Dieses Thema gehört immer wieder in dieses Haus. Ob die (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Menschen, die wirklich betroffenen Menschen auf DIE GRÜNEN]: Offene!) der Straße etwas davon haben, Herr Schreiner, wenn die Arbeitsplätze kostet, erkennbar ist. Das sind die wir uns hier gegenseitig in die Ecke stellen, wenn Fakten. wir uns hier lautstark Vorwürfe machen, daß wir den Ernst der Situation nicht richtig erkannt hätten und Gehen Sie doch nicht her und sagen: Auch wir uns das Bewußtsein fehle, die Probleme zu lösen? wollen Strukturwandel. Wenn wir sinnvolle Konzepte zum Strukturwandel vorlegen, sind doch Sie es, die Ich sage hier mit großem Ernst, meine Damen und lauthals dafür eintreten, dagegen auf Länderebene, Herren: Wir haben das Problem voll erfaßt und über auf kommunaler Ebene und auch im Bundestag zu alle Maßen Anstrengungen darauf verwandt, durch Felde zu ziehen, um das Ganze zu blockieren. Das praktisches Handeln die Arbeitslosigkeit in Deutsch- sind die wirklichen Ursachen, die bekämpft werden land zurückzuführen. müssen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. - Gerd (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Andres [SPD]: Der Bundesladenschlußmi ten der CDU/CSU) nister spricht!) Im übrigen ist das Konzept, das wir vorgelegt ha- Wir haben Konzepte, von denen Sie sagen - das ben, durch internationale Organisationen, den Sach- liegt auf der Hand -, sie seien gescheitert, wir sollten verständigenrat und viele andere bestätigt worden. doch nur auf die Arbeitslosenzahlen schauen. Ich Ich möchte Sie hier gar nicht mehr - das ist in den sage: Unsere Konzepte sind richtig. Es sind im übri- letzten Wochen und Monaten so oft getan worden - gen Konzepte, die in anderen Ländern erfolgreich mit den Einzelheiten dieses Konzepts und der Refor umgesetzt werden - gerade in Ländern, die sozialde- men konfrontieren. mokratisch regiert werden. Daß die Konzepte noch nicht richtig wirken, liegt daran, daß es leider immer Meine Damen und Herren, ich möchte mich ganz wieder erfolgreiche Versuche der Verhinderung, der kurz - es ist wenig Zeit - mit dem auseinandersetzen, Verzögerung und der Blockade gibt. Das ist das ei- was Sie konzeptionell entgegenhalten wollen. Das ist gentliche Problem, weswegen es nicht gelungen ist, das Entscheidende. Die Menschen im Lande mögen die Arbeitslosigkeit befriedigend zu senken. darüber nachdenken. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Das erste Argument, das Sie bringen, lautet: Wir ten der CDU/CSU) müssen die Binnennachfrage steigern; die Binnen- nachfrage ist wichtig für das Anlaufen der Konjunk- Meine Damen und Herren, wir haben auch genü- tur, da muß etwas getan werden. Wenn da etwas ge- gend Programme. Wir haben Programme zur Förde- tan würde, dann wäre auch die Nachfrage da, um in rung der Selbständigkeit, zur Förderung des Mittel- diesem Lande neue Arbeitsplätze zu schaffen. standes, zur Förderung von Forschung und Entwick- lung. Wir machen Programme zur Eingliederung der Das zweite Argument, das Sie bringen, lautet: Die Langzeitarbeitslosen. Es gibt die verschiedensten Unternehmen im Lande machen phantastische Ge- ABM-Programme; ich erinnere an § 249h AFG. Das winne. Aber sie behalten die Gewinne ein oder ge- ist unsere Tagesarbeit. Diese Programme müssen wir ben sie dem Shareholder; sie schaffen mit diesen Ge- ausfeilen. Wir müssen die Arbeit an und mit diesen winnen keine Arbeitsplätze. Das ist Ihr Argument. Programmen fortsetzen. Wir können dadurch Härten Bei diesem zweiten Argument klingt an: Nehmt die abwenden. Wir können Brücken schlagen. Wir kön- Gewinne und schüttet sie nicht nur an den Sharehol- nen manches erleichtern. Ich werde in absehbarer der aus, sondern verteilt sie an den Staat und an die Zeit ein neues Programm für Existenzgründung und Privaten, und der Staat und die P rivaten mögen dann Innovation vorstellen. eine erhöhte Nachfrage zeigen oder über den zwei- ten Arbeitsmarkt und die Infrastruktur Arbeitsplätze Wenn wir ehrlich sind, meine Damen und Herren, schaffen. müssen wir aber zugeben: Wir können noch so viele Programme machen - die Probleme lösen wir nur (Rudolf Scharping [SPD]: Was für ein dann, wenn wir ihre Ursachen beseitigen. Um ihre Quatsch!) Ursachen beseitigen zu können, brauchen wir einen Strukturwandel in diesem Land. - Das ist Ihre Argumentation, Herr Scharping. Sie sagen, auch Sie wollen den Strukturwandel. (Rudolf Scharping [SPD]: Blödsinn!) Aber was ist die Realität? Ich will Sie da nicht nur mit - Reden Sie doch nicht so. Sie sagen doch: Es wird zu - der Blockade der Steuerreform konfrontieren; das ist wenig investiert. Die Gewinne sind do rt fehl am ein ganz wichtiger Punkt, der immer wieder ange- Platze, wir verteilen sie mal eben um. sprochen werden muß. Faktum ist aber auch, daß Sie sich einer sinnvollen Flexibilisierung der Arbeits- (Rudolf Scharping [SPD]: Falsch!) 19680 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt Mit der Umverteilung geschieht dann das, was wir würden. Wenn der Bürger mehr in der Tasche hat, wollen. wenn die Differenz zwischen dem Brutto- und dem Nettolohn kleiner ist, und wenn wir verstärkt Investi- (Rudolf Scharping [SPD]: Lügen Sie nicht so tionen durch bessere Bedingungen für Investitionen rum!) bewirken, haben wir eine größere Binnennachfrage, Es erhöht sich die Binnennachfrage, und es wächst die wichtig für die Konjunktur ist, die aber niemals so die Fähigkeit des Staates, der mehr Steuern hat, zu hervorgerufen werden kann, wie Sie sich das vorstel- investieren. Das ist doch Ihre Argumentation. Sie len. Das ist das erste Argument. sind damit gar nicht vertraut, Herr Scharping. Was reden Sie denn da? Gehen Sie doch nicht von Ihrer Das zweite Argument bezieht sich auf den Zusam- eigenen Argumentation ab! menhang zwischen „Gewinnexplosionen" und Un- ternehmensinvestitionen. Ich verstehe sehr gut, daß (Rudolf Scharping [SPD]: Das ist Ihr Feind Sie damit operieren. Das Argument „Gewinnaus- bild, aber nicht unsere Argumentation!) schüttung, aber keine Arbeitsplätze" zielt auf die Emotionen der Menschen. Es zielt auf das Gefühl des Das ist sie doch und nichts anderes. einzelnen, gegenüber anderen benachteiligt zu sein. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Aber was sind die Fakten? Lassen Sie mich den Ich will mich mit Ihren Argumenten auseinander- Sachverständigenrat zitieren, der in seinem letzten setzen, und zwar zunächst mit der Stärkung der Bin- Gutachten folgendes feststellt: Richtig ist, daß sich nennachfrage. Wer die Binnennachfrage - auf die ich die Gewinnsituation der Unternehmen in Deutsch- noch zu sprechen komme und die ich für wichtig land in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. halte - jetzt mit einer expansiven Lohnpolitik ankur- Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen: Im in- beln will, macht den Menschen in unserem Land et- ternationalen Vergleich hinken die Renditen in was vor. Deutschland immer noch hinterher. Hinzu kommt: Die Gewinnsteigerungen sind auch das Resultat von (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und Rationalisierungsanstrengungen und Personalabbau. der CDU/CSU) Leider ist das so. Lohnsteigerungen bedeuten immer zuerst höhere Kosten für die Unternehmen. Um eine Binnennach- Ich versuche, das Ganze einmal nach den Aspek- frage von 100 DM durch persönliches Einkommen ten aufzugliedern, von denen sich die für Arbeits- entstehen zu lassen, entsteht für unsere Unterneh- plätze Verantwortlichen leiten lassen. Mit Rationali- men eine Kostenbelastung von 300 DM. Die Unter- sierungsanstrengungen hat die Wi rtschaft versucht, nehmen werden im globalen beinharten Wettbewerb die extremen Steigerungen bei den Kosten in allen auf höhere Kosten damit reagieren, daß sie rationali- Bereichen in der ersten Hälfte der 90er Jahre aufzu- sieren. Sie werden kostengünstige Vorleistungen aus fangen. dem Ausland beziehen oder sogar die Produktion Im übrigen muß einmal gesagt werden - wir müs- dorthin verlagern. Ein Teil der höheren Löhne - ich sen nicht immer nur schwarzmalen -: Die verbesserte komme darauf noch zu sprechen - würde unmittelbar Situation bei den Erträgen hängt schon mit den Inve- im Ausland nachfragewirksam werden. stitionen zusammen. 1997 stiegen die Anlageinvesti- Der Sachverständigenrat hat bereits vor 20 Jahren tionen in Deutschland um 4 Prozent. Noch wird die die Kaufkraftideologie als einen Weg in die Sack- Konjunktur in der Breite nicht von den Investitionen gasse bezeichnet. In dieser Sackgasse befinden sich getragen, aber es gibt viele, die sich wieder für Inve- viele von Ihnen bis zum heutigen Tage; nein, ich muß stitionen in Deutschland interessieren. das differenzieren: weite Teile von Ihnen. Deshalb müssen wir die Ertragserwartungen bei (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und kleinen und mittleren Unternehmen, die geringer als der CDU/CSU) im Ausland, geringer als anderswo sind, verbessern. Viele große Branchen - Auto, Chemie und andere - Ich leugne das Gewicht der Binnennachfrage für stellen heute wieder ein. Der Mittelstand aber ist zö- die Konjunktur gar nicht. Der Unterschied in der Be- gerlich, weil seine Ertragserwartungen weit unter trachtung liegt nur darin, wie diese Binnennachfrage dem liegen, was vorher möglich war und was in an- gefördert werden soll: nach Ihrem Rezept, Herr deren Ländern üblich ist. Scharping, oder nach einem Konzept, das so aus- sieht, daß wir uns auf eine Förderung und Begünsti- In anderen Ländern wird in eindrucksvoller A rt gung von Investitionen in diesem Land konzentrie- und Weise Reformpolitik praktiziert, und es werden ren. Nur Investitionen schaffen Arbeitsplätze, und dort gute Rahmenbedingungen geschaffen, die sich nur zusätzliche Arbeitsplätze können die Binnen- in Arbeitsplätzen auszahlen. nachfrage kurzfristig so anregen, wie wir das brau- chen. Die USA konnten im letzten Jahr über 3 Millionen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) zusätzliche Arbeitsplätze verbuchen. Die Arbeitslo- senquote liegt unter 5 Prozent. Die anhaltende Zu- Die damit einhergehende steuerliche- Entlastung nahme der Beschäftigung ist do rt vor allem auf ge- würde dazu führen, daß der Bürger mehr in der Ta- ringe Steuer- und Abgabenquoten, auf geringere Re- sche hat. Das gilt im übrigen auch, wenn wir die Poli- gulierungsdichte und eine ausgeprägte Lohndiffe- tik zur Senkung der Lohnnebenkosten fortsetzen renzierung zurückzuführen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19681

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt Großbritannien hat im letzten Jahr einen Beschäf- Diese Reformen wollen wir. Das ist der einzige tigungsanstieg von 1,5 Prozent verzeichnet, und die Weg, um mit der Arbeitslosigkeit fertig zu werden. Arbeitslosigkeit liegt ebenfalls bei nur 5 Prozent. Was (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ist das Geheimnis in Großbritannien gewesen: um- ten der CDU/CSU - Jörg Tauss [SPD]: Dün fangreiche Deregulierungen und Privatisierungen, ner Beifall! Ein bißchen mehr könnte es leistungsfördernde Reformen - wir könnten das im schon sein! - Ottmar Schreiner [SPD]: einzelnen durchgehen -, insbesondere im Steuer- Schütter, schütter!) und Transfersystem, umfassende Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Das ist in Großbritannien der Schlüs- sel zum Erfolg gewesen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt der Ministerpräsident des Saarlandes, Herr Lafon- Das sind auch unsere Ziele, meine Damen und taine. Herren. Sie werden aber an jeder Stelle blockiert und konterkariert. Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und In den Niederlanden, die hier angesprochen wur- Herren! Ich nehme den Beitrag des Herrn Wirt- den, ist die Beschäftigung in den letzten drei Jahren schaftsministers gern zum Anlaß, noch einmal die um durchschnittlich 2 Prozent gestiegen. In den Nie- unterschiedlichen Auffassungen in der Wirtschafts- derlanden ging der Beschäftigungsboom mit einer und Finanzpolitik darzulegen. Wir sind nämlich der kräftigen Ausweitung der Teilzeitarbeit - das ist völ- Meinung, daß Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik die lig richtig - und mit einer umfassenden Sozialreform Ursache für die steigende Massenarbeitslosigkeit in einher. Aber entscheidend in den Niederlanden - Deutschland ist. auch das müssen Sie sagen - war eine über Jahre (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne hinweg durchgehaltene gemäßigte Lohnpolitik. ten der PDS) (Zuruf von der SPD: Gibt es bei uns längst!) Ich möchte noch einmal betonen, daß ich der Auf- fassung bin, daß Sie - genauso wie wir - bemüht Diese beschäftigungspolitischen Erfolge jahrelan- sind, die Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Ich halte ger Zurückhaltung sollten unsere Tarifpartner bestär- es nicht für einen guten Stil, das dem jeweils anderen ken, den Kurs tarifpolitischer Vernunft fortzusetzen. abzusprechen. Insoweit würde ich auch den Kollegen Fink bitten, seine Aussage zu überdenken. Es wäre (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne nämlich genauso möglich, zu sagen: Die Tatsache, ten der CDU/CSU) daß Arbeitsmarktmittel gekürzt worden sind, zeigt, daß Sie froh darüber sind, daß die Arbeitslosigkeit steigt. So wie Sie Haushaltsgründe geltend gemacht Meine Damen und Herren, dieses Land krankt haben, so müssen auch die Gemeinden Haushalts- nicht an nackter Gewinnsucht der Unternehmer, es gründe geltend machen. Es wäre gut, wenn das aus krankt nicht an mangelndem Fleiß der Arbeitnehmer. der Welt käme. Es mangelt auch nicht an materiellen Ressourcen, und es gibt keine materielle Not. (Beifall bei der SPD) Ich will darauf hinweisen, daß der Bundeskanzler (Jörg Tauss [SPD]: Es krankt an einer im letzten Februar bei einer Arbeitslosenzahl, die schlechten Regierung!) noch geringer war als die heutige, gesagt hat: Dies ist die schwärzeste Zahl meiner Amtszeit. - Auch Platitüden tun diesem Land nicht gut. Wir brauchen diese Aussage ist ernst zu nehmen. Es ist von daher vielmehr Argumente. heute die Frage zu stellen, warum wir jetzt eine noch schwärzere Zahl, noch höhere Arbeitslosigkeit haben (Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: und ob Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht doch Da haben Sie recht!) falsch orientiert ist. Damit die Debatte - vielleicht - nicht nur als ein Und die Argumente lassen Sie vermissen; das ist das Gegeneinander von Opposition und Regierung be- Faktum. griffen wird, weise ich darauf hin, daß das, was ich jetzt in dieser Debatte deutlich zu machen versuche, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) bis in die Zeit der sozialliberalen Koalition zurück- reicht. Die Debatte hat mit dem Sachverständigen- Dieses Land muß sein Beharrungsvermögen, sein gutachten 1977/78 begonnen, in dem der Sachver- Besitzstandsdenken überwinden, zu dessen Anwalt ständigenrat die sogenannte Angebotspolitik als Re- Sie sich in weiten Bereichen gemacht haben. Dieses zept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit empfohlen Land krankt nicht an der Marktwirtschaft, sondern hat. Diese Angebotspolitik war damals umstritten. dieses Land krankt daran, daß es einen Mangel an Sie sollte eine Politik ablösen, die Angebot und Marktwirtschaft und einen Mangel an Bereitschaft Nachfrage zu steuern versucht hatte; man behaup- zu marktwirtschaftlichen Reformen gibt. - tete von ihr, daß sie in der Lage wäre, die Arbeitslo- sigkeit zurückzuführen, die Staatsschulden zu sen- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ken und die Steuer- und Abgabenlast der Beschäftig- ten der CDU/CSU) ten und der Steuerzahler zurückzuführen. 19682 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland) Mit diesen Behauptungen mußte sich schon da- unstreitig -, wie der Sachverständigenrat bemerkt mals die sozialliberale Koalition auseinandersetzen. hat, durch eine ganze Reihe von ständig wechseln- Zumindest die Entscheidungen in der Endphase der den Zielen, ständig wechselnden Steuervorgaben zu- zweiten Ölpreiskrise sind nach unserer Auffassung nächst einmal das Ziel verfehlt hat, eine gewisse Ste- schon deshalb nicht mehr richtig getroffen worden, tigkeit als Grundlage von Wachstum und Beschäfti- weil sich die angebotspolitische Linie mehr und mehr gung zu erreichen. Sie hat zweitens das Ziel verfehlt, durchsetzte. Auf die erste Ölpreiskrise hat man noch die Rahmenbedingungen stabil zu halten, und sie mit einem entsprechenden Programm reagie rt . Das hat zum dritten in den letzten Jahren das Ziel ver- führte zu einem Anstieg der Beschäftigung. Bei der fehlt, Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu zweiten Ölpreiskrise hat man anders reagie rt. Die geben. Zahlen liegen alle vor. Sie sind für jeden überprüfbar. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Ich bin der Auffassung, daß die Versprechungen der Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Angebotspolitik widerlegt sind. Es müßte doch mög- NEN]) lich sein, einmal sachlich darüber zu debattieren. Diese Analyse trifft nicht für die Vereinigten Staa- (Beifall bei der SPD) ten zu; in den Vereinigten Staaten hat insbesondere Was ist das Credo der Angebotspolitik? Zunächst in den 80er Jahren die Finanzpolitik wesentliche Im- fordert die Angebotspolitik - das können Sie in allen pulse für Wachstum und Beschäftigung gegeben. In Gutachten nachlesen -, daß es möglichst niedrige den 90er Jahren hat die Geldpolitik diese Rolle über- Unternehmensteuern geben solle, um die Investoren nommen. zum Investieren zu bringen und um die Kapitalrendi- Zunächst bleibe ich aber noch bei der Wirtschafts- ten zu erhöhen. Zum zweiten weist sie darauf hin, und Finanzpolitik dieser Regierung. daß die Staatsquote gesenkt werden solle - ich ver- weise auf Dänemark oder Holland und empfehle, In diesem Zusammenhang ist die Steuerreform diese Staatsquoten einmal mit der deutschen zu ver- streitig gestellt worden; sie spielte hier vorhin bereits gleichen - und insbesondere soziale Leistungen zu- eine Rolle. Ich will mich mit diesem Thema sachlich rückgeführt werden sollten. Zum dritten forde rt die auseinandersetzen und auf die Polemik der letzten Angebotspolitik immer wieder, daß die Löhne zu- Monate verzichten. In Ihrem Steuerreformkonzept rückhaltend, beschäftigungsorientiert, moderat er- war unter anderem auch das Ziel enthalten, die höht werden sollten. In den letzten Jahren ist ver- Mehrwertsteuer anzuheben - zusätzlich zu der be- sucht worden, diese Politik - mehr oder weniger - reits beschlossenen Mehrwertsteueranhebung - und umzusetzen. Es ist sicherlich nicht unsachlich, festzu- eventuell auch noch die Mineralölsteuer anzuheben. stellen, daß das Ziel, die Arbeitslosigkeit, die Staats- Ganz klar war das zwar nicht, aber entsprechende schulden und die Steuer- und Abgabenlast zu sen- Diskussionsbeiträge sind öffentlich geleistet worden. ken, nicht erreicht worden ist. Also wäre es doch ver- Dies kann man für richtig halten, man kann es nünftig, darüber zu diskutieren, ob diese Politik nicht auch nicht für richtig halten. Wir haben dies in der korrigiert werden muß und ob es Beispiele gibt, wo jetzigen Situation nicht für richtig gehalten, weil wir diese Politik nicht verfolgt worden ist. die Meinung vertreten: Angesichts der Tatsache, daß (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. ) wir vor dem Hintergrund der schwachen Binnen- nachfrage Handwerk, Einzelhandel und ortsgebun- Ich möchte den Beitrag des Kollegen Rexrodt, der dene Dienstleistungen bereits mit einer Mehrwert- die Vereinigten Staaten angeführt hat, zum Anlaß steuererhöhung konfrontieren, ist es nicht sinnvoll, nehmen, um meine Argumente vorzutragen, die eine zweite Mehrwertsteuererhöhung und eine wei- deutlich werden lassen, daß in den Vereinigten Staa- tere Verbrauchsteuererhöhung anzukündigen, weil ten in den letzten Jahren eine andere Wirtschafts- dadurch die Binnennachfrage negativ beeinträchtigt und Finanzpolitik gemacht worden ist als in Europa würde. und insbesondere in der Bundesrepublik Deutsch- land. (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Das stimmt!) Im übrigen haben wir darauf hingewiesen, daß in Die Wirtschafts- und Finanzpolitik hat drei größere Japan mit einer 2prozentigen Anhebung der Ver- Bereiche, die über Wachstum und Beschäftigung ent- brauchsteuern negative Erfahrungen gemacht wor- scheiden: Das ist die staatliche Wirtschafts-, Finanz- den sind. Wir haben dafür geworben, daß diese ne- und Steuerpolitik, das ist die Tarifpolitik, und das ist gativen Erfahrungen bei unseren Entscheidungen die Geldpolitik. Jeder, der die Frage objektiv unter- berücksichtigt werden. Dies ist ein sachliches Argu- sucht, warum beispielsweise das Ifo-Institut zu der ment, das Sie nicht übernehmen müssen, das wir Auffassung gekommen ist, 40 bis 50 Prozent unse- rer Arbeitslosenprobleme seien konjunkturbedingt, aber ins Feld führen, wenn wir sagen, daß Ihre Steu- erreformpläne aus unserer Sicht nicht vernünftig sind müßte sich doch die Frage stellen, ob auf dem Gebiet und nicht in die Landschaft passen. der Wirtschafts- und Finanzpolitik in den letzten Jah- ren eine Fehlsteuerung eingetreten ist. (Beifall bei der SPD) Ich komme zunächst einmal zur Finanz- und Steu- Zweiter Punkt. Es kommt auch auf die Einkom- erpolitik, die hier heute schon eine Rolle -spielte. Wir mensstruktur, auf die Wirkungsweise des Steuersy- sind der Auffassung, daß die Finanz- und Steuerpoli- stems auf die Einkommensstruktur an. Hier gibt es tik erstens ihre Aufgabe nicht erfüllt hat, die Kon- wirklich fundamentale Unterschiede in der Betrach- junktur zu unterstützen, daß sie vielmehr - dies ist ja tungsweise. Wenn wir über Steuern und Abgaben re- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19683

Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland) den, dann müssen wir wissen, daß die Abgaben nur das schaffe keine Arbeitsplätze, dann ist das aus öko- von einem Teil der Bevölkerung gezahlt werden, daß nomischer Sicht nicht sauber, es beeindruckt uns insbesondere diejenigen, die hohe Einkommen ha- aber auch nicht. Wir sind der Auffassung: Die Fami- ben, zum Beispiel als Selbständige, von der ständi- lien in Deutschland müssen bessergestellt werden. gen Erhöhung der Abgabenlast nicht betroffen sind. So einfach ist das! Das ist für uns eine wichtige Grundlage unserer Vorgehensweise. Wir sind der Auffassung, daß die Finanzierung vie- ler Aufgaben über Abgaben, insbesondere der deut- (Beifall bei der SPD) schen Einheit, ein schwerer struktureller Fehler ist, Der zweite wesentliche Bereich, in dem eine unter- weil sie zu Einkommensungleichgewichten geführt schiedliche Vorgehensweise in Europa und in Ame- und den Druck auf die Arbeitsplätze, auf die Rationa- rika festzustellen ist, ist der Bereich der Geldpolitik. lisierungen weiter verstärkt hat. Das ist schlicht und Während wir etwa im Jahre 1992 - so etwas entwik- einfach eine strukturelle Betrachtungsweise, die Sie kelt sich ja über lange Zeit - in Amerika im kurzfristi- teilweise übernommen haben, indem Sie gesagt ha- gen Bereich einen Realzins von Null hatten, hat die ben: Auch wir haben das Ziel, die Höhe der Abgaben Bundesbank mit einem Diskontsatz von 8,5 Prozent zurückzuführen. - Die Ergebnisse kennen Sie selbst; versucht, den Vereinigungsboom abzubremsen. Sie ich brauche sie hier gar nicht zu benennen; den Streit hat damit nach dem Urteil der internationalen Fach- in der Koalition darüber kennen Sie ebenfalls; ich welt die Massenarbeitslosigkeit in Gesamteuropa brauche das nicht auszuführen. - Aber die vertei- wesentlich gesteigert. lungspolitische - und damit ökonomische - Wirkung dieser Vorgehensweise ist in vielen Stellungnahmen Der Bundesfinanzminister hat in einem Interview von Ihnen nicht berücksichtigt worden. Es gibt gesi- in dieser Woche - ich referiere das rein sachlich - cherte internationale Untersuchungen, die auswei- gesagt, daß die Wechselkursprobleme im Zeitraum sen, daß eine Stärkung der konsumintensiven Ein- 1993/1994 mindestens 500000 Arbeitsplätze gekostet kommen auch über die Steuer- und Abgabenpolitik hätten. Ich richte an ihn die Frage, worauf die- zu entsprechenden Wirkungen auf den Binnenmarkt se Wechselkursprobleme eigentlich zurückzuführen führt, während eine Schwächung der konsumintensi- waren. Sie waren unter anderem darauf zurückzu- ven Einkommen und eine relative Stärkung der führen, daß die deutsche Geldpolitik in dieser Situa- nichtkonsumintensiven Einkommen zu den Ergeb- tion in keiner Weise ihrer Aufgabe, neben der Preis- nissen führen, die wir hier seit Jahren zu beobachten stabilität auch Wachstum und Beschäftigung im haben. Anders ausgedrückt: Wenn Sie beispiels- Auge zu haben, gerecht geworden ist, was beinahe weise hohe Einkommen mit großen Steuerentlastun- dazu geführt hätte, daß das europäische Währungs- gen fördern, dann stärkt das nicht die Binnennach- system auseinandergeflogen wäre. frage, allenfalls - da haben die Kollegen Scharping und Fischer recht - haben dann bestimmte Leute Pro- (Beifall bei der SPD) bleme, ihr Geld anzulegen. Die Binnennachfrage hat Die Amerikaner jedenfalls hatten mit einem Real- davon aber wenig. Es ist eine Binsenweisheit, daß zins von Null im kurzen Bereich Wachstum und Be- diejenigen, die nun einmal ein geringes Einkommen schäftigung wesentlich unterstützt. Das ist also ein haben, zusätzliches Geld auch ausgeben. Auch aus zweiter Bereich, in dem die deutsche Wirtschafts- diesem Grunde ist Ihre Steuerpolitik falsch. und Finanzpolitik fehlorientiert ist. (Beifall bei der SPD) Als einen dritten Bereich möchte ich die Tarifpoli- tik ansprechen, von der vorhin schon die Rede war. Sie haben, Herr Kollege Schäuble - soweit ich das Herr Kollege Rexrodt, Sie sprachen von Lohnmäßi- den Unterlagen entnehmen kann -, nicht, wie die Ba- gung. Ich glaube, auch Herr Fink - ich bin mir nicht reis-Kommission vorgeschlagen hat, Einzelfallbe- ganz sicher; es könnte auch der Kollege Blüm gewe- rechnungen veranlaßt. Ich sage, das war ein schwe- sen sein - sprach von moderater Lohnpolitik. rer Fehler. Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie diesen Fehler machen würden. Die Einzelfallberechnungen Ich möchte darauf hinweisen, daß die moderate haben ergeben, daß die Kumulation der Kürzungen Lohnpolitik schon seit einer ganzen Reihe von Jahren von Kilometerpauschale, Arbeitnehmerpauschale, das Ergebnis hat, daß in Deutschland die Lohnquote Nacht- und Schichtzulage bei Berufsgruppen wie permanent sinkt. Sie ist deutlich niedriger als in den Krankenschwestern und Facharbeitern, die für Vereinigten Staaten und deutlich niedriger als in Wachstum und Beschäftigung ganz entscheidend Großbritannien. Wie weit soll die Lohnquote noch sind, zu Einkommensverlusten geführt hätte. Sie hal- absinken, bis Sie meinen, die Voraussetzungen für ten an diesen Punkten fest. Auch aus diesem Grunde Wachstum und Beschäftigung seien erfüllt? ist eine solche Steuerreform mit uns schlicht und ein- fach nicht zu machen. Es wäre ökonomisch falsch. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Es ist ein schwerer Irrtum, dem Sie unterliegen. Die Lohnquote hat nämlich etwas mit Wachstum und Sie mögen das anders sehen. Ich wollte nur einmal Beschäftigung zu tun. Die These, die Lohnquote darauf hinweisen, daß wir drei wichtige Argumente müsse immer weiter zurückgehen, ist schlicht falsch. haben, die Steuerreform in dieser Form nicht zu ak- Da Sie immer von moderater und auch beschäfti- zeptieren. Im übrigen sind wir der Auffassung, daß gungssichernder Lohnpolitik sprechen: Es gibt eine bei der Stärkung der Massenkaufkraft auch die Fa- einzige Formel, die tragfähig ist und die Ihnen zum milien durch ein höheres Kindergeld bedacht werden Beispiel in Ostdeutschland zu Beginn der Vereini- sollten. Wenn beispielsweise der BDI-Präsident sagt, gung hätte verbieten müssen, zu sagen: Gleicher 19684 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland) Lohn für gleiche Arbeit, so war es ja in Berlin plaka- das kommt zumindest bei Ihnen so an. - Sie mögen tiert. Denn Sie haben damit den Eindruck erweckt, daran glauben, daß Deregulierung das richtige, das daß der gleiche Beruf zu gleicher Bezahlung in West- Allheilmittel ist, um Wachstum und Beschäftigung zu und Ostdeutschland führen müsse. Ich will das alles steigern. Ich bitte Sie, einmal zu überdenken, ob es aber jetzt nicht weiter vertiefen. nicht eine ganze Reihe von Prozessen gibt, die deut- lich machen, daß die Formel der Deregulierung nicht (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: trägt, daß sie sogar dazu geführt hat, daß erhebliche Sie haben doch das gleiche vertreten!) Wachstums- und Beschäftigungsverluste zu ver- zeichnen sind. Also: Es gibt eine einzige Formel, an der man sich zu orientieren hat. Das ist die Produktivitätsformel. Ich nehme einmal die Ostasienkrise. Die Formel Jedes Land, das zu lange die Produktivitätsformel der Deregulierung ist auf die internationalen Finanz- mißachtet, schwächt systematisch die Binnennach- märkte nicht anwendbar. frage. Genau dies finden wir derzeit in Deutschland vor. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD) Sie ist im Grunde genommen mit ursächlich dafür, daß wir diese Fehlentwicklungen haben, die zu Be- Es ist ja interessant, daß der Sachverständigenrat schäftigungsverlusten in vielen Staaten der Welt füh- dieses Jahr zum ersten Mal wieder die Produktivi- ren. Bei den internationalen Finanzmärkten wäre Re- tätsorientierung der Lohnpolitik nach längerer Zeit gulierung angesagt und nicht Deregulierung. - er hat 1977/1978 diese Politik empfohlen - etwas deutlicher betont, wenn auch verschämt. Ich will Ih- (Beifall bei der SPD) nen aber auch hier zwei Zahlen präsentieren, damit Mittlerweile hat man das auch auf dem Kolloquium Sie die Zusammenhänge überprüfen können. Die in Davos erkannt. Herr Bundeskanzler, Sie sollten Lohnsumme in den Vereinigten Staaten ist im letzten sich das einmal etwas näher ansehen. Jahr um 6 Prozent angestiegen. Bei uns ist sie, ohne daß die Kürzungen des Weihnachtsgeldes berück- (Bundeskanzler Dr. : Wir waren sichtigt worden sind, nur um ein halbes Prozent an- doch da! Es hat doch niemand vertreten, gestiegen. Die Reallöhne sind in den Vereinigten was Sie eben gesagt haben!) Staaten im letzten Jahr um 3,5 Prozent gestiegen. Vor diesem Hintergrund sind Forderungen wie Nullrun- - Wenn Sie sagen, das habe doch niemand vertreten, den, wie sie noch immer von einzelnen Verbands- dann haben Sie nicht genau verfolgt, über was dort sprechern der Wirtschaft kommen, schlicht und ein- diskutiert worden ist. Die internationale Fachwelt fach Forderungen, die nur auf ökonomische Ignoranz diskutiert jetzt darüber, ob nicht auf den internatio- zurückzuführen sind, weil Betriebswi rtschaft mit. nalen Finanzmärkten unter Mitwirkung von IWF, Volkswirtschaft verwechselt wird. Das kann auf Weltbank und anderen Institutionen mehr Regulie- Dauer nicht tragen. rung notwendig ist, um solche Fehlentwicklungen zu vermeiden. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Solange Sie also - das ist meine These - an Ihrer an- Herr Geißler nickt. Ich will das hier gar nicht pole- gebotspolitischen Orientierung festhalten, werden misch anlegen. Er ist in seiner Schrift, die ich schon Sie, Herr Bundeskanzler, jedes Jahr, das Sie diese Re- einmal zitiert habe - ich bin wahrscheinlich der ein- gierung noch führen, mit der schwärzesten Zahl Ihrer zige in diesem Kreis, der sie gelesen hat, aber immer- Amtszeit konfrontiert sein, weil Ihrer Politik eine sy- hin: Sie haben einen Leser, Herr Geißler -, zu dem stematische Schwächung der Binnennachfrage inne- Ergebnis gekommen, daß internationale Zusammen- wohnt, die dann - im Gegensatz zur Lage in Großbri- arbeit an dieser Stelle zwingend notwendig ist, um tannien und in den Vereinigten Staaten - zu den Ar- ökonomische Fehlentwicklungen zu vermeiden. beitslosenzahlen führt, die wir hier in Deutschland und teilweise in Gesamteuropa haben. Denn: Das, (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Ja!) was wir hier in Deutschland veranstalten, insbeson- dere bei der Geldpolitik, aber auch bei den anderen - Jetzt sagen Sie wieder „ja", Herr Bundeskanzler. Politikbereichen, etwa bei der Steuerpolitik auf Unter- Dann sind wir uns ja wieder einig. Aber Sie müssen nehmerseite usw., ist nicht mehr nur eine Entschei- sich jetzt entscheiden: Wollen Sie weiter deregulie- dung für Deutschland. Alle Politikentscheidungen, die ren, wir hier treffen, sind Entscheidungen, die direkt oder (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Er will weiter indirekt auf Gesamteuropa Auswirkungen haben. regieren!) Deshalb ist Ihre zentrale These „Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause" grundfalsch. Beschäftigungs- oder haben Sie erkannt, daß die internationalen Fi- politik kann nur noch in Europa und zu Hause ge- nanzmärkte stärker reguliert werden müssen? Dann macht werden, aber nicht nur zu Hause. wären wir schon ein Stück weitergekommen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Sie, Herr Kollege Rexrodt, haben dann wiederum Nun kommen wir zu den Strukturreformen im In- das Rezept der Deregulierung vorgeschlagen. - Ich nern. Zu den Lohnnebenkosten ist viel gesagt wor- versuche, das hier sachlich vorzutragen. Ich hoffe, den. Sie waren nicht in der Lage, die Lohnnebenko- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19685

Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland) sten zu senken. Das liegt schlicht und einfach daran, Das waren vier Reformvorhaben im Inneren, die daß Sie eine Fehlfinanzierung vieler Aufgaben vor- nach meiner Auffassung unzureichend angegangen genommen haben. Diese Fehlfinanzierung hat einen worden sind. doppelten Effekt: Der Druck auf die Arbeitsplätze ist Ein fünftes Vorhaben will ich ansprechen: die öko- erhöht worden, und die Einkommensverteilung ist zu Lasten der Facharbeiter, der Arbeitnehmer verscho- logische Reform des Steuer- und Abgabensystems. Es ist doch nicht unsachlich, wenn ich darauf ver- ben worden. Dieser doppelte Effekt schwächt die weise, daß auch innerhalb der Koalitionsfraktionen Binnenkonjunktur und führt zu Arbeitsplatzverlu- immer wieder Anläufe unternommen worden sind, sten. diese Reform schrittweise anzugehen. Es ist unstreitig in diesem Hause, daß beispiels- Wir sind der Auffassung, daß diese Reform wirklich weise strukturell auch anzugehen wäre, die Bildung, einen sehr tiefen ökonomischen Sinn hat. die Forschung, die Infrastruktur und vieles andere mehr zu verbessern. Aber Sie haben in den letzten (Beifall bei der SPD) Jahren genau das Gegenteil von all dem getan, und Alle Staaten haben sich in ihrer Entwicklung der zwar auch wieder aus einem falschen Glauben her- letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte, so könnte man aus. Es ist einfach die Wahrheit, daß Forschungsaus- fast sagen, darauf verlegt, die Arbeitsproduktivität zu gaben und öffentliche Investitionsausgaben in den steigern. Wer aber - auch durch die Preisbildung, ich letzten Jahren systematisch zurückgegangen sind. denke an die Lohnnebenkosten - Signale gibt, die Das ist eine klare Fehlorientierung, eine falsche Wei- Arbeitsproduktivität zu steigern, hat natürlich auch chenstellung, die korrigiert werden muß, wenn es in mit den Folgen dieser Entwicklung zu kämpfen. Wer Deutschland wieder zu Wachstum und Beschäfti- auf der anderen Seite seinen ganzen Ehrgeiz daran- gung kommen soll. setzen würde, die Energieprodukvität zu steigern, der würde die entscheidenden Impulse für Beschäfti- (Beifall bei der SPD) gung und für Absatzmärkte der Zukunft geben, die dann entstehen würden, wenn wir die Energiepro- Nun haben Sie, Herr Kollege Rexrodt, in aller duktivität in den Mittelpunkt der ökonomischen Be- Sachlichkeit die Frage aufgeworfen, ob in Deutsch- mühungen stellen würden. land genügend Marktwirtschaft sei. Es stellt sich in (Beifall bei der SPD) der Tat die Frage, ob diese Koalition - in einigen Be- reichen sicher - überall in Anspruch nehmen kann, Auch bei dieser Reform, meine Damen und Herren, daß sie auf entsprechende Preisbildung hinwirkt und sind wir kein bißchen vorangekommen. Marktpreise gelten läßt. Ich nenne nur den Bereich der Landwirtschaft. Ich sehe hier den CSU-Vorsitzen- Natürlich bedarf es einer Politik, die Strukturrefor- den, aber ich will das gar nicht vertiefen. men anpeilt. Ich sage bewußt, es gibt auch in Ihren Reihen Diskussionen; ich greife nur das Beispiel auf, das der Kollege Schreiner hier angeführt hat, nämlich Ich nenne jetzt weiter den Bereich der Selbständi- die 620-DM-Arbeitsverhältnisse. Es ist doch nicht so, gen, Herr Kollege Rexrodt. Das ist ein Thema, zu als wenn es nicht eine Mehrheit in diesem Hause dem Sie zu fragen wären, wie es zum Beispiel um die gäbe, die der Auffassung ist, daß die 620-DM-Ar- Honorarordnungen steht. Ist das wirklich in vollem beitsverhältnisse eingegrenzt werden müssen und Umfang Marktpreisbildung? Ich verweise ferner auf der größte Teil von ihnen in sozialversicherungs- die relativ schwache Handhabung des Kartellrechtes pflichtige Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden in den letzten Jahren. Auf der einen Seite haben grö- muß, wie das zum Beispiel die Holländer mit großem ßere Unternehmen Vorteile, Waren abzusetzen und Erfolg getan haben. In diesem Hause ist eine Mehr- Innovationen auf den Markt zu bringen, auf der an- heit dafür vorhanden. deren Seite ist damit eine geringere Flexibilität der Güterpreise verbunden. Darauf ist keine einfache (Beifall bei der SPD) Antwort zu geben. Ich werfe die Frage auf, warum Sie bei solchen Entscheidungen - Senkung der Lohnnebenkosten, Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, Strukturreform, Veränderung der Beschäftigungsbe- daß wir häufig beobachten müssen, daß zum Beispiel dingungen für geringfügig Beschäftigte - nicht wei- große Unternehmen, wenn bei ihnen ökonomische terkommen, nachdem auf dem CDU-Parteitag solche Schwierigkeiten auftreten, Zweigwerke schlicht und Vorschläge als große Reformansätze gefeiert worden einfach schließen, während ein mittelständischer Un- sind. Wir vertreten sie seit langem. Warum kommen ternehmer, wenn er Eigner des Unternehmens ist, wir an dieser Stelle nicht weiter? um seine Existenz kämpfen und versuchen würde, durch Produktinnovation und selbstverständlich Es bleibt im Hinblick auf Amerika das oft wieder- auch durch Kostenmanagement die Arbeitsplätze zu holte Argument, der Niedriglohnbereich sei nicht ge- erhalten. Großunternehmen legen statt dessen im nügend entwickelt, die Flexibilität nicht genügend Zeitalter von Shareholder Value diese Bet riebe still. ausgeprägt. Wir haben Millionen von sozialversiche- Das führt zu einer systematischen Starrheit der Gü- rungspflichtigen Halbtagsbeschäftigungen oder Ar- terpreise. Die Güterpreise sind an dieser Stelle zu beitsverhältnisse, denen nicht die reguläre Arbeits- starr. Und wer das Kartellrecht sehr zaghaft einsetzt, zeit zugrunde liegt. Das sind etwa 5 Millionen. Aber wird zu einer immer stärkeren Verhärtung der Güter- wir haben eine zwischen 3 und 5 Millionen schwan- preise beitragen. kende Zahl - sie sind ja nicht registriert - von 620- 19686 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland) DM-Arbeitsverhältnissen. Ist irgend jemand hier der Sie einmal, irgend jemanden dazu zu bringen, die- Auffassung, diese bewegten sich im Hochlohnbe- selbe Fleißarbeit wie der Arbeitsminister zu machen, reich? Ist irgend jemand der Aufassung, daß bei die- damit nicht nur dargestellt wird, daß pro Jahr bei Ar- sen Arbeitsverhältnissen nicht genügend Flexibilität beitslosen und Rentnern 98 Milliarden DM gespart bestünde? Ich stelle diese Frage einfach mal. Flexibi- worden sind, sondern daß auch dargestellt wird, was lität und Niedriglohnbereich sind in Deutschland in über Veränderungen bei der Vermögensteuer und größerem Umfang vorhanden, als immer wieder be- den Unternehmensteuern und über Reformen im Ein- hauptet wird. Der einzige systematische Mangel ist kommensteuertarif den Höherverdienenden und den der, daß diese Arbeitsverhältnisse im Gegensatz zu Vermögenden in unserem Lande gegeben worden Holland und anderen Ländern nicht sozialversiche- ist. Es ist einfach wahr: Die Reichen sind immer rei- rungspflichtig sind. Genau diese Reform bieten wir cher geworden, und die Armen sind relativ immer är- Ihnen seit Jahren an. mer geworden. Das ist die traurige Bilanz einer sol- chen Politik, die vielleicht gut gemeint war, aber zu (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dieser Massenarbeitslosigkeit wesentlich beigetra- DIE GRÜNEN) gen hat. Dann haben Sie, Herr Kollege Rexrodt, hier noch (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ einmal angeführt, das Besitzstandsdenken blockiere DIE GRÜNEN) die notwendigen Reformen. Ich möchte in aller Sach- lichkeit feststellen, daß dieser Frage schlicht und ein- fach unterschiedliche Wertmaßstäbe und unter- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Minister- schiedliche Wertorientierungen zugrunde liegen. Ich präsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ab- hatte hier schon einmal darauf hingewiesen, daß die geordneten Norbe rt Blüm? Durchschnittsrenten der Frauen 900 DM und die der Männer 1600 DM betragen. Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland): Ja. (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Das sagt nichts über das Einkommen aus!) Dr. Norbert Blüm (CDU/CSU): Herr Ministerpräsi- dent, ich frage Sie, wer die Beiträge zahlt und wem - Frau Babel, ich wiederhole Ihren Zuruf: „Das sagt die Senkung in Höhe von 98 Milliarden DM zugute nichts über das Einkommen aus!" Ich greife ihn gekommen ist. Das sind die Beitragszahler: die Ar- gerne auf. Die Statistik über die Einkommen der beitnehmer und Arbeitgeber. Rentnerhaushalte zeigt, daß es eine ganze Reihe von Rentnerinnen und Rentnern gibt, die noch andere (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Einkünfte haben. Da haben Sie recht. Aber nun kommt unser entscheidender Einwand: Es gibt aber Ministerpräsident (Saarland): auch viele Frauen, die auf diese 900 DM angewiesen Oskar Lafontaine Das ist richtig, Herr Kollege. sind. Es ist Aufgabe der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, darauf zu achten, daß unser Begehren, (Lachen bei der CDU/CSU) denen nicht noch eine relative Kürzung auf dem Ge- setzeswege zuzumuten, nicht als Besitzstandswahre- Ich habe an dieser Stelle nicht gesagt, Sie hätten bei rei diskriminiert wird. den Unternehmern gespart, und ich habe auch nicht gesagt, Sie hätten bei den Arbeitnehmern gespart. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Was Sie sagen, ist richtig. Aber es ist eine Tatsache, GRÜNEN und der PDS) daß Sie stolz verkünden, daß Sie bei Arbeitslosen und Rentnern 98 Milliarden DM eingespart hätten. Zu meinem Erstaunen habe ich gelesen, daß Nor- Sie sollten sich eher schämen, als stolz darauf zu sein bert Blüm kürzlich einen Aufsatz veröffentlicht hat, und zu sagen: Was habe ich nicht alles für Leistun- in dem er seinen Kollegen in den Koalitionsfraktio- gen vollbracht. Ich habe den Unternehmern und den nen dargelegt hat, daß er nach heutiger Rechnung Arbeitnehmern Geld zurückgegeben. Im übrigen 98 Milliarden DM im Sozialhaushalt bei Rentnern, stimmt das auch nicht. Im Saldo sind die Beiträge Arbeitslosen usw. eingespart habe. Ich hatte den Ein- trotz dieser Bemühungen, Herr Kollege Blüm, syste- druck, daß Sie das mit einem gewissen Stolz vorge- matisch immer weiter nach oben gegangen. tragen haben, Herr Bundesarbeitsminister. Im Hin- blick auf die Vermögensteuer und die Steuerpolitik (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Abg. der letzten Jahre überhaupt bitte ich einmal darum, Dr. Norbe rt Blüm [CDU/CSU] meldet sich daß die Regierung Kohl nicht nur auflistet, was sie erneut zu einer Zwischenfrage) bei Rentern und Arbeitslosen eingespart hat, sondern auch das, was sie Vermögenden und Menschen mit - Nun lassen Sie mich das einmal zu Ende führen. höheren Einkommen, pro Jahr gerechnet, an Steuer- (Widerspruch bei der CDU/CSU) vergünstigungen gegeben hat. - Ihre Fraktion glaubt, Sie haben noch etwas ganz (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne besonders Kluges drauf. Bitte schön. Aber es ist die ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) letzte Intervention, die ich zulasse. Dann würden Sie schlagartig erkennen, -meine Da- men und Herren, wie fehlgeleitet Ihre Politik in den Dr. Norbert Blüm (CDU/CSU): Herr Ministerpräsi- letzten Jahren war. Machen Sie es geheim und nicht dent, wenn wir diese 98 Milliarden DM nicht gespart öffentlich, wenn Sie Angst davor haben. Versuchen hätten, dann wären die Beiträge, die Sie heute schon Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19687

Dr. Norbert Blüm als zu hoch beklagen, noch höher, dann müßten die chen, der es möglich machen sollte, in dieser Tonart Arbeitnehmer, die Handwerker und Arbeitgeber auch weiter Argumente über Alternativen auszutau- weitere 98 Milliarden DM zahlen. Ist das richtig? schen. (Zuruf von der SPD) Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland): Das ist richtig, Herr Kollege Blüm. - Vielleicht schaffen auch Sie das. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Arbeitslosigkeit ist zu hoch. Das ist sehr be- Sie brauchen die Systematik aber nicht immer wieder drückend. Die Frage ist: Gibt es bessere Wege, um vorzutragen. Ich sage Ihnen einmal ganz ha rt: Wenn die Arbeitslosigkeit schneller abzubauen? Das ist die auf Grund Ihrer Steuerpolitik die veranlagte Einkom- Frage dieses Tages. Darüber muß man diskutieren. mensteuer, die über 40 Milliarden DM lag, jetzt im (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Minusbereich angekommen ist, die Vermögensteuer abgeschafft wurde und die Unternehmensteuern im- Sie haben gesagt, die Wirtschafts- und Finanzpoli- mer wieder mit dem Ergebnis gesenkt wurden, daß tik sei schuld daran, und haben den Eindruck er- sie real die niedrigsten nach dem Kriege sind, dann weckt, es gäbe eine Alternative. Sie haben ein wenig haben Sie schamlos umverteilt. Das muß Ihnen ent- in Richtung des amerikanischen Vorbildes argumen- gegengehalten werden. Deshalb ist Ihre Politik tiert. Die Worte aus Ihrem Munde insbesondere in gescheitert. bezug auf die Steuerpolitik der Vereinigten Staaten (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE von Amerika in den 80er Jahren haben mich doch et- GRÜNEN und der PDS) was überrascht. Denn bisher dachte ich immer, „Rea- ganomics" sei aus Ihrem Munde ein Schimpfwort für Meine Damen und Herren, ich will durch meine eine Politik gewesen, die die Vereinigten Staaten von Rede dazu beitragen, daß Sie einmal darüber nach- Amerika in den 80er Jahren bet rieben haben. denken, warum die Arbeitslosenzahlen Jahr für Jahr immer höher werden. Ich habe hier ganz bewußt ge- Denn sie haben durch eine Politik, die eine Zeit- sagt: Ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie nicht ge- lang - länger, als damals in Amerika vorgesehen - er- nauso wie wir bemüht sind, die Arbeitslosigkeit zu hebliche, wenn nicht gar dramatische Defizite in senken. Aber die Erfahrung allgemein ist doch, daß Kauf genommen hat, nämlich drastische Steuersen- man dann, wenn man einen bestimmten Weg geht kungen und eine Verbesserung der Angebotsbedin- und ein gewisses Ziel erreichen will, man aber immer gungen für die Wirtschaft, Beschäftigungsimpulse das Gegenteil erreicht, den Weg und seine Methoden ausgelöst, die jetzt, in der zweiten Hälfte der 90er überprüft. Jahre, in den Vereinigten Staaten von Amerika zu Er- gebnissen führen, die, jedenfalls was die Beschäfti- Wir verstehen einfach nicht mehr, daß Sie hartnäk- gungsquote anbetrifft, besser sind als die Beschäfti- kig an einer Wirtschafts- und Finanzpolitik festhal- gungszahlen, die wir im Augenblick in Deutschland ten, die erwiesenermaßen zu immer höheren Arbeits- haben - mit einer Reihe von Folgen, angesichts deren losenzahlen geführt hat. Wahrscheinlich ist damit wir gemeinsam der Überzeugung sind, daß sie für notwendig wirklich belegt, daß der Politikwechsel uns nicht akzeptabel sind. ist, der diese Wirtschafts- und Finanzpolitik durch eine Politik ersetzt, die auf Wachstum und Beschäfti- Wenn man aber die Frage prüft: Gibt es wirk lich gung orientiert ist und die damit die Sozialkassen eine Alternative?, muß man zu der Frage kommen: wieder in Ordnung bringen kann und das Schicksal Worin liegen die Ursachen, daß die Vereinigten Staa- vieler Menschen verbessert. Denn Arbeitslosigkeit ist ten von Amerika und die Bundesrepublik Deutsch- ein hartes Schicksal. land im Vergleichszeitraum von etwa 1980 bis 1990 Man wagt es ja fast nicht mehr zu sagen, daß dieje- kumuliert ziemlich genau das gleiche reale Wachs- nigen, die jetzt außerhalb dieses Hauses protestieren, tum zu verzeichnen hatten, daß aber der Beschäfti- unsere Solidarität haben, weil sie solche Worte all- gungseffekt in den Vereinigten Staaten von Amerika mählich nicht mehr annehmen. Das sollte uns allen erheblich größer geworden ist? Es besteht ja das Pa- zu denken geben. Die jetzige Wirtschafts- und Fi- radoxon, daß der englische Beg riff „jobless growth", nanzpolitik ist eine der wesentlichen Ursachen für Wachstum ohne Wirkung auf den Arbeitsmarkt, in diese Fehlentwicklung. Daher muß sie korrigiert wer- Amerika ein Fremdwort ist, während es in Deutsch- den. land fast eingedeutscht worden ist. Da liegen die Ur- sachen, nicht in dem, was Sie dargelegt haben. (Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Wir haben ein befriedigendes Wachstum. Die Abgeordneten der PDS) OECD hat uns doch in ihrer Prognose für 1998 in der Reihe „vergleichbare Industrieländer", was die Wachstumsperspektiven anbetrifft, mit die beste Das Wort hat Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Position gegeben. Das heißt: Es ist nicht ein konjunk- jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der turpolitisches Problem, wie Sie es dargelegt haben. CDU/CSU, Wolfgang Schäuble. Wer es zum konjunkturpolitischen Problem macht, ist nach unserer Überzeugung auf der falschen Fährte Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Frau Präsi- und wird die Probleme nicht lösen. dentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerprä- sident Lafontaine, Sie haben in einem Ton gespro- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 19688 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Wolfgang Schäuble Nein, die Frage ist: Warum hat sich ein in der Ent- Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften verabre- wicklung für das Jahr 1997 und auch in der Prognose det. Eine Ausnahme ist die Steuerreform; dazu werde für 1998 ausgewiesenes befriedigendes Wachstum ich noch einige Bemerkungen machen. Die Frage ist: noch nicht auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt? Oder: Warum hat dies noch nicht die Wirkung gehabt, die Was kann man tun, damit es sich stärker auswirkt? wir uns gemeinsam im Januar 1996 davon erhofft ha- ben? Vielleicht könnten wir uns auch einmal darüber verständigen, Herr Kollege Schreiner, daß wir nicht Da sind wir bei dem Problem, das Sie in Ihren Aus- immer wieder gebetsmühlenhaft falsche Behauptun- führungen zu den internationalen Finanzmärkten gen widerlegen müssen. angesprochen haben. Sie haben da übrigens einen kleinen Kunstgriff gemacht. Das ist legitim; das (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Er kann das nicht macht jeder. Sie haben nämlich die Ausführungen lassen!) des Bundeswirtschaftsministers zum Thema „Dere- Wir reden ja jetzt ganz sachlich und vernünftig mit- gulierung in Deutschland" - die ich im übrigen einander, weil die Lage zu ernst ist und die Men- 100 prozentig unterschreibe: Wir haben zuviel Regu- schen draußen von uns nicht erwarten, daß wir jetzt lierung in Deutschland, insbesondere auf dem Ar- wild übereinander herfallen. beitsmarkt, wir werden einen besseren Beschäfti- gungseffekt haben, wenn wir do rt weniger struktu- Norbert Blüm hat heute morgen zu Beginn der De- relle Regulierungen haben; das bringt mehr Bewe- batte noch einmal ganz klar und präzise erklärt, was gung - auf die internationalen Finanzmärkte bezo- im Januar 1996 war. Es gab kein Versprechen des gen. Bundeskanzlers, die Arbeitslosigkeit zu halbieren. Das wäre ja auch ganz falsch; das kann die Regie- Sie haben im vergangenen Jahr einmal geschrie- rung nicht. Die Regierung kann keine solchen Zusa- ben, der Standortwettbewerb im Zuge der Global- gen machen. isierung sei keine Lösung. Leider ist ihm nicht auszu- weichen, und das Problem bleibt: Um in der Global- (Zurufe von der SPD) isierung zu bestehen, hat heute keiner ein inte rnatio- - Frau Fuchs, Sie wissen es doch besser. Es gab eine nal so funktionierendes Regelwerk, wie wir es mit Verabredung zwischen Regierung, Wirtschaft und der sozialen Marktwirschaft der Nachkriegszeit seit Gewerkschaften, Ludwig Erhard hatten, mit der wir nicht schlecht ge- fahren sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Trotzdem: Die Globalisierung findet statt. Das in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen alles bringt veränderte Anforderungen an die Steuerpoli- zu tun, um einer Verbesserung der Lage am Arbeits- tik aller Länder mit sich, die ihre Wettbewerbsfähig- markt bei den anstehenden Entscheidungen Priorität keit in einer globalisierten Weltwirtschaft bewahren zu geben. wollen. Diesem Prinzip muß die Steuerpolitik ver- pflichtet sein. (Horst Kubatschka [SPD]: Keiner ist es gewesen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es war die gemeinsame Einschätzung, daß, wenn Deswegen mußten wir die Substanzsteuern ab- dies geschehe, das Ziel erreicht werden könnte, die schaffen. Sie machen daraus eine Verteilungsde- Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren. batte. Ich halte das unter den Bedingungen einer glo- balisierten Wirtschaft für eine falsche und der Be- (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ schäftigungslage nicht förderliche Debatte. Mit Ver- DIE GRÜNEN]: Ja, ja!) teilungsdebatten ist in einer globalisierten Wi rtschaft Es ist bedauerlich, daß man heute der Ehrlichkeit nichts zu gewinnen. halber sagen muß: Es spricht mehr dafür, daß dieses (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Ziel bis zum Jahr 2000 nicht zu erreichen sein wird. und der F.D.P.) Daran kann niemand Freude haben. Es unterstellt auch niemand dem anderen, man habe Freude Was wir brauchen, ist insoweit die Verbesserung der daran, daß die Arbeitslosigkeit zunehme. Das hat Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. auch Ulf Fink nicht gesagt; Sie sollten ihn nicht an- Deswegen mußten die Substanzsteuern - die Vermö- ders verstehen. gensteuer und die Gewerbekapitalsteuer - abge- schafft werden. (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Außer Herrn Fink!) (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Seit wann ist die Vermö - Nein, er hat es auch noch einmal klargestellt. gensteuer eine Substanzsteuer?) Ich glaube, wir müssen über die Ursache dafür Ich füge hinzu: Es war schade, daß es so lange ge- sprechen, warum wir alle - wahrscheinlich auch Sie, dauert hat, bis die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft zumindest aber wir - gemeinsam mit der Regierung, worden ist - Sie haben das zu lange blockiert -, und den Wirtschaftsverbänden und den Gewerkschaften es war ein Fehler, daß die Abschaffung im Vermitt- im Januar 1996 optimistischer waren. Das meiste von - lungsausschuß überkompensiert werden mußte. dem, was damals vereinbart worden ist, ist, zumin- dest was die Politik angeht, umgesetzt worden - (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge überwiegend gegen Ihren Widerstand, obwohl mit ordneten der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19689

Dr. Wolfgang Schäuble Wenn Sie schon das amerikanische Vorbild anfüh- stung herunterfahren können. Denn sie ist insgesamt ren, dann brauchen wir uns doch wirk lich nicht über zu hoch. solch irreführende Begriffe wie „Steuerschlupf- löcher" zu streiten. Das Problem ist: Wir haben im in- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU ternationalen Vergleich - und damit sind wir nicht und der F.D.P.) konkurrenzfähig - zu hohe Steuersätze. Aber ich will dann doch mit Blick auf einen Mini- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sterpräsidenten - insofern sind Sie ja auch ein biß- und der F.D.P.) chen Mehrheitsführer im Bundesrat - folgende Be- Diese zu hohen Sätze bei der Lohn-, Einkommen- merkung machen: Im Bundeshaushalt sinken die und Körperschaftsteuer führen dazu, daß die Not- Ausgaben seit 1994 Jahr für Jahr, Wir haben inzwi- wendigkeit, immer mehr Ausnahmen zu regeln, ge- schen, Herr Ministerpräsident Lafontaine, den nied- radezu unausweichlich ist. Wer diesen Tatbestand rigsten Anteil der Einnahmen des Bundes an den öf- beseitigen will - nach amerikanischem Vorbild, nach fentlichen Gesamteinnahmen. Der Anteil von Län- dem Vorbild vieler europäischer Länder mit überwie- dern und Gemeinden ist gestiegen, der des Bundes gend sozialdemokratischen Regierungen -, muß zu- geht zurück. nächst einmal und in erster Linie alle Steuersätze deutlich senken. Im Zuge dessen kann man auch In einer Zeit, in der wir den Aufbau der neuen Bun- Ausnahmen von der Besteuerung beseitigen. desländer nach 40 Jahren Teilung und Sozialismus über den Bundeshaushalt finanzieren müssen und Nun haben Sie heute merkwürdigerweise Ihre alte die Finanzierungslasten für die Europäische Union Argumentation, mit der Sie die Steuerreform blok im Bundeshaushalt haben, kann das nicht richtig kiert haben, nicht mehr so verwandt wie damals. Wir sein. haben das bemerkt. Damals haben Sie nämlich ge- sagt, eine Nettoentlastung komme nicht in Frage. (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das war das vorderste Argument in Ihrer Blockade. Und für das Saarland!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Na gut, auch für das Saarland. Heute haben Sie bemerkenswerterweise gesagt, Sie haben die Steuerreform abgelehnt, blockiert, weil (Michael Glos [CDU/CSU]: Das kostet auch wir eine Umschichtung zwischen direkten und indi- Geld!) rekten Steuern vorgesehen haben. Wir haben das niedrigste Niveau beim Verhältnis (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Das ist toll!) der Ausgaben des Bundes zum Bruttoinlandsprodukt Herr Lafontaine, Sie müssen sich das eine oder das seit den 50er Jahren. Beim Bund haben wir also andere Argument aussuchen, aber Sie müssen sich nachhaltig gespart. Das ist eine große Leistung des festlegen. Wenn Sie schon blockieren, sollten Sie we- Bundesfinanzministers und der ganzen nigstens in der Begründung kontinuierlich bleiben. Regierung sowie der Koalition. Am allerbesten wäre, Sie wechselten nicht die Be- gründung aus, sondern die Verweigerung der Zu- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - stimmung. Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Kindergeld! Bundeswehrverringerung!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Entwicklung bei Ländern und Gemeinden ist Inzwischen sagen Sie wie wir - darin stimmen wir nicht deckungsgleich. Es wird zu einer Belastung un- überein; das macht die Sache noch dringlicher -, daß seres - richtigen - föderalen Systems, wenn wir nicht das Steuersystem unter diesen Rahmenbedingungen zu einer größeren Parallelität der finanzpolitischen nicht befriedigend sei. Ja, dann muß es verbessert Entwicklung auf allen Ebenen der öffentlich-rechtli- werden. Übrigens: Das Gesetz ist vom Bundestag am chen Gebietskörperschaften kommen. Diesen Appell 30. Juni 1997 hier verabschiedet worden. Es mangelt will ich an Sie richten. nur an der Zustimmung des Bundesrates. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die Bundes wehr verkleinern! Das wäre eine Möglich Wenn man die Richtigkeit des Konzeptes, die Sätze keit zum Sparen! - Widerspruch bei der zu senken und eine Nettoentlastung in Kauf zu neh- CDU/CSU und der F.D.P.) men, erkennt, muß man auf der Ausgabenseite spa- ren. Wer die Steuer- und Abgabenbelastung als zu - Frau Kollegin, weil Sie gesagt haben, wir sollten hoch beklagt - was erfreulicherweise auch Sie getan die Bundeswehr verkleinern - - haben -, der muß zu Ausgabensenkungen bereit sein. Jedenfalls muß er bereit sein, den Anstieg der (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die Kommu Ausgaben zu bremsen. Da haben wir von Ihrer Seite nen könnten ja die Bundeswehr verklei bisher zuwenig Unterstützung, sondern nur Kritik er- nern! Das wäre eine Möglichkeit zum Spa fahren. Kritik ist manchmal hilfreich, aber ausschließ-- ren!) lich Kritik ist gelegentlich ein bißchen schwierig. Wir kommen nicht darum herum, die Dynamik des Aus- - In diesem Falle muß ich Frau Babel ausnahmsweise gabenanstiegs zu bremsen, damit wir die Steuerbela- zustimmen, was die Auseinandersetzung mit den 19690 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Wolfgang Schäuble Kollegen anbetrifft: Das wird jetzt wirklich nicht Hätten wir eine vergleichbare Stärke des Dienstlei- besser. stungssektors, des tertiären Sektors, an der Gesamt- beschäftigung - das muß gar nicht so hoch wie in den ( [Köln] [SPD]: Hören Sie doch Vereinigten Staaten von Amerika sein; denn der auf, wenn es nicht besser wird!) nächste Redner wird das große Modell Vereinigte Staaten von Amerika, das Herr Lafontaine beschrie- - Frau Kollegin Fuchs, bleiben Sie bei Ihrem üblichen ben hat, zurücknehmen und sagen, das seien alles Charme. die Billigjobs -, hätten wir schwedische oder hollän- Wenn Sie hier beklagen, was die Kommunen anbe- dische Anteile der Beschäftigung im Dienstleistungs- trifft, sollten Sie bitte drei Tatsachen hinzufügen, mit sektor, wäre die Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht denen der Bund die Kommunalfinanzen entlastet einmal halb so hoch. Deswegen müssen wir den Weg hat: Die Pflegeversicherung entlastet die Sozialhilfe- gehen, die Bereitschaft zu Dienstleistungen in unse- träger erheblich. Der Rückgang der Asylbewerber- rem Land entscheidend zu fördern. zahlen, den wir, mühsam genug, seit 1993 endlich er- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU reicht haben - da haben Sie auch ziemlich lange ge- und der F.D.P.) braucht -, entlastet die Sozialhilfeträger erheblich. Wenn Sie daran mitwirken würden, daß wir die Lei- Das heißt aber auch, daß wir eine größere Bereit- stungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz so schaft hervorrufen müssen, daß Menschen angebo- zurückführen können, daß die Anreizwirkung für tene Arbeitsplätze annehmen und daß sie mehr kun- Schlepperbanden geringer wird, kämen wir noch denorientiert arbeiten, auch was die Flexibilität der weiter. Arbeitszeit angeht. Warum klagen denn ganze Bran- chen, daß sie weder qualifizierte Auszubildende (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) noch qualifizierte Arbeitnehmer in Bereichen bekom- Die Aussiedlerzahlen waren durch eine kluge Poli- men, in denen die Arbeitszeiten nicht so sind, wie sie tik, die darauf abzielt, das Tor offenzuhalten, aber zu- den Wünschen der Mehrzahl der Deutschen entspre- gleich die Zuwanderung maßvoll und im Einverneh- chen, nämlich von montags 9 Uhr bis freitags men mit den Betroffenen zu verstetigen und zurück- 14.30 Uhr und nicht darüber hinaus? zuführen, im Jahre 1997 um ein Drittel niedriger, als Wenn ich mich recht erinnere, so hat der rhein- sie im Jahre 1996 waren. Sie waren übrigens niemals land-pfälzische Sozialminister vor kurzem gesagt: so hoch wie die Asylbewerberzahlen. Wenn alle Flüchtlinge kurzfristig nach Bosnien zu- rückkehren würden, dann müßte er in den Kranken- Das heißt, wir haben unsere Verantwortung für die häusern ganze Abteilungen schließen. Dazu sage Kommunalfinanzen durchaus wahrgenommen. Des- ich: Da kann doch etwas in Deutschland nicht in Ord- wegen können wir auch entsprechend unserem An- nung sein. Das muß man ansprechen, und das muß trag, den Ulf Fink gut begründet hat und zu dem ich man ändern, wenn man Arbeitslosigkeit bekämpfen um Ihre Zustimmung bitte, auch sagen: Liebe Kom- will. munen, helft bitte mit, daß wir in einer gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) dort, Ich habe im vergangenen Jahr - ich habe darauf (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Wo bleibt schon einmal hingewiesen - erlebt, daß Vertreter der der Beitrag des Bundes?) Metall- und Elektrobranche gesagt haben, sie hätten die Ausbildungsplätze nicht besetzen können. Als wo die Verbesserung von Rahmenbedingungen am ich mit Vertretern des DGB-Kreisverbandes in mei- Arbeitsmarkt allein nicht ausreicht, die besonderen nem Wahlkreis darüber gesprochen habe, wurde mir Problemgruppen tatsächlich auch in Arbeit bringen. bestätigt: Das stimmt; das ist auch bei uns so. - Da Und das geht nur auf dem Wege unseres Antrages. kann etwas nicht in Ordnung sein. Deswegen müs- sen wir die Rahmenbedingungen weiter verbessern. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich kann nicht erkennen, daß die Höhe des Zinsni- Dazu gehört, daß wir es schaffen müssen, bessere veaus - Sie, Herr Lafontaine, haben die Geldpolitik Rahmenbedingungen, die zu mehr Wachstum ge- der Bundesbank zwischendurch auch noch verant- führt haben, auch umzusetzen, so daß in Deutschland wortlich gemacht - dazu beigetragen hat. Wenn ich mehr Bewegung durch Deregulierung, aber auch es richtig sehe, haben wir inzwischen im langfristi- durch eine Veränderung der Mentalität entsteht. Das gen Vergleich ein historisch niedriges Zinsniveau er- ist der Weg in die Dienstleistungsgesellschaft. Des- reicht. Sie, Herr Lafontaine, haben übrigens bei all wegen haben wir ja auch die Anträge zu einer Ver- Ihren Bemerkungen zur internationalen Entwicklung stärkung von Dienstleistungen. und zu mehr Kontrollen wenig zu den Chancen ge- Schweden hat einen Anteil von Arbeitsplätzen im sagt, die die Europäische Währungsunion uns auf Dienstleistungsbereich an der Gesamtbeschäftigung diesem Feld bietet. von 43 Prozent. Die Vereinigten Staaten von Amerika (Zuruf von Ministerpräsident Oskar Lafon haben einen Anteil von Dienstleistungsarbeitsplät- taine [Saarland]) zen an der Gesamtbeschäftigung von 39 -Prozent. Die Bundesrepublik Deutschland hat einen Anteil von Wenn wir stärkere Reglementierungen im Hinblick Dienstleistungsarbeitsplätzen an der Gesamtbeschäf- auf die Auswirkungen der Internationalisierung der tigung von 27 Prozent. Wirtschafts- und Finanzbeziehungen wünschen - Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19691 Dr. Wolfgang Schäuble das können wir heute nicht leisten; das bekommt Menschen nicht freiwillig, aber im Ergebnis scheiden auch die UNO nicht zustande -, dann sind die euro- sie zu früh aus. Alles zusammen führt dazu, daß die päische Einigung und die Schaffung einer Europäi- Kosten unserer Systeme der sozialen Sicherung auf schen Währungsunion - der Bundesfinanzminister die Dauer wirtschaftlich nur dann tragbar sind, wenn hat es dieser Tage wieder zu Recht öffentlich gesagt wir den Ausgabenanstieg verlangsamen. Deswegen - ein Beitrag dazu, um die erratischen Auswirkungen ist Ihre Diffamierung der Rentenreform langfristig von Schwankungen in anderen Teilen der Erde für unverantwortlich. Die Reform ist notwendig, damit uns in Europa zu verringern und die Lage bei uns zu die Renten sicher bleiben. stabilisieren. Deswegen ist die Europäische Wäh- rungsunion richtig und hilft uns bei der Lösung die- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ser Probleme. Deswegen müssen Sie, wenn Sie die Lohnzusatz- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) kosten nicht steigen lassen, sondern senken wollen, endlich einmal mitmachen, so daß wir im Bereich der Darin sind wir uns einig. gesetzlichen Krankenversicherung zu Einsparungen Aber weil dies alles richtig ist, brauchen wir eine kommen, wie wir es gegen Ihren Widerstand durch- Steuerpolitik - das sage ich noch einmal -, bei der gesetzt haben. Deshalb müssen wir auch im Bereich wir international, jedenfalls im europäischen Ver- der Sozialhilfe - ich bin wieder bei unserem Antrag - gleich, wettbewerbsfähig sind. Herr Ministerpräsi- dafür sorgen, daß jeder, wenn er arbeitet, mehr hat, dent Lafontaine, im europäischen Vergleich betrach- als wenn er nicht arbeitet, weil sonst die Geschichte tet, sind unsere Verbrauchsteuersätze zu niedrig und nicht funktioniert. unsere Sätze bei den direkten Steuern zu hoch. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Sehr Daher müssen wir, wenn wir mehr Dienstleistun- richtig!) gen und überhaupt mehr Arbeitsplätze wollen, auf- Deswegen ist es im Sinne einer europäischen Har- hören, die Arbeitgeber zu verteufeln. Wir haben monisierung, wenn wir eine Nettoentlastung durch nicht nur zuwenig Arbeitsplätze, wir haben auch zu- sparsames Wirtschaften bei Bund, Ländern und Ge- wenig Arbeitgeber in Deutschland. Deswegen brau- meinden, aber auch eine Korrektur des Verhältnisses chen wir mehr Existenzgründer. Deswegen brau- zwischen direkten und indirekten Steuern anstreben. chen wir viel mehr kleine und mittlere Unternehmen. Dazu kommt noch, daß wir Ausnahmen von der Be- steuerung beseitigen wollen. Wenn wir das so ma- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) chen, bekommen wir eine Steuerreform, die die Wir brauchen auch die großen Unternehmen. Das Wachstumskräfte in unserem Land stärkt und die uns eine ist nicht die Alternative zum anderen. Im Umfeld hilft, die zu hohe Arbeitslosigkeit schneller zu be- von großen Unternehmen gedeihen auch die kleinen kämpfen. Unternehmen besser. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ( [SPD]: Wie viele Pleiten hat es Sie haben auch von den Sozialkosten gesprochen. denn im letzten Jahr gegeben?) Das, was Sie gesagt haben, ist ebenfalls wahr. Aber - Weil wir gerade bei Niedersachsen sind, möchte wenn man dieses Problem ernsthaft lösen will, darf ich dazu eine Bemerkung machen. Wir brauchen man wiederum nicht nur an den Symptomen herum ausländische Investitionen; deshalb habe ich über- korrigieren, sondern man muß den Menschen klar haupt nichts dagegen, daß sich auch ein österreichi- sagen: Bei unserem hohen Maß der sozialen Sicher- sches Unternehmen in der deutschen Stahlindustrie heit - vergleichen Sie einmal, was Arbeitslose in engagiert. Frankreich und was sie in Deutschland bekommen; das hat auch Norbert Blüm gesagt; das zeigt, daß wir (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) in Deutschland ein hohes Maß an sozialer Sicherheit haben - können wir aber unsere Augen vor der de- Wenn Sie einmal genau hinschauen: Unter dem re- mographischen Entwicklung nicht verschließen. Die lativ großen Einfluß des Landes Niedersachsen - Menschen leben länger; die Geburtenzahlen gehen noch hat es eine SPD-Regierung - - zurück. Als Folge davon nimmt der Anteil älterer (Horst Kubatschka [SPD]: Das bleibt auch Menschen in unserer Gesellschaft ständig zu. Der so!) medizinische Fortschritt hat Folgen sowohl für das Renten- als auch für das Gesundheitssystem. Dazu - Das entscheiden die Wähler in Niedersachsen am kommen dann immer kürzere Lebensarbeitszeiten, 1. März. Vorläufig ist es noch so. Das ist aber nicht weil die Ausbildungszeiten immer länger - ich sage: mein Punkt. zu lang - werden. Ich sage, Herr Ministerpräsident: (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Ge Machen Sie in den Ländern statt 13 doch 12 Schul- schenkt!) jahre. Verkürzen Sie die Ausbildungszeit. Die Länder sind für die Dauer der schulischen Ausbildung und Ich wollte zum Zusammenwirken von großen, mitt- auch für die Hochschulen zuständig. leren und kleinen Unternehmen etwas sagen. Die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)- Mittelstandspolitik in Niedersachsen, ausgehend von der Politik von Volkswagen gegenüber seinen mittel- Die Ausbildungszeiten sind zu lang. Das tatsächli- ständischen Zulieferern, ist nicht das Modell, das ich che Ruhestandseintrittsalter ist zu niedrig, bei vielen mir wünsche. Da hat offenbar die SPD zuviel Staats- 19692 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Wolfgang Schäuble einfluß in der Unternehmenspolitik. Wir sind mehr Unser Gesetzentwurf zur Altersteilzeit soll die Ta- für Privatisierung. rifpartner bei ihren Bemühungen unterstützen, durch mehr Flexibilität mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Auf (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) diesem Weg werden wir in Deutschland am ehesten Wir brauchen mehr Existenzgründer. mehr Arbeitsplätze und weniger Arbeitslosigkeit er- reichen. Diesem Ziel bleiben wir verpflichtet. Wir (Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saar werden unsere Bemühungen auch weiterhin darauf land]: Das ist bei Ford ganz anders!) konzentrieren. Das haben wir bisher bereits getan. Wenn Sie uns in Zukunft nicht mehr blockieren, - Aber auch wenn Ihr Freund - Sie sind doch so eng kommen wir noch schneller voran. befreundet; jedesmal, wenn Sie sich treffen, umar- men Sie sich - einen so maßgeblichen Einfluß hat, Herzlichen Dank. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das tun Sie mit (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und dem Kanzler nicht!) der F.D.P.) können Sie doch den Fehler, der dort begangen wird, Das Wort hat nicht dadurch entschuldigen, daß Sie sagen: Auch Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: andere machen Fehler. Das mag schon sein. Aber da- jetzt die Abgeordnete Marieluise Beck. mit wird das eigene Fehlverhalten nicht besser. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Mehr Existenzgründer werden wir übrigens auch NEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! nur dann bekommen, wenn wir die Verteilungsde- Selbst wenn Sie sich, Herr Schäuble, jetzt mit filigra- batten nicht weiter führen. Es geht um die Vertei- nen Formulierungen darum bemühen, uns zu über- lungsdebatten mit unten und oben. Das ist ganz zeugen, daß der Kanzler nie versprochen habe, die falsch. Was wir brauchen, sind mehr Investitionen, Arbeitslosigkeit bis zum Ende der Legislaturpe riode mehr Bereitschaft zum Risiko, mehr Engagement, zu halbieren, ist nicht zu übersehen, daß der Kanzler mehr Bereitschaft, Neues zu wagen, und mehr Be- nicht wirklich versucht hat, das, was ihm in den ver- reitschaft, vorhandene Arbeit anzunehmen und sich gangenen Jahren zugeschrieben worden ist, von sich darum zu bemühen. Jeder muß seinen Teil dazu bei- zu weisen. tragen. Nur so kommen wir voran. Immer mit dem Finger auf andere zu zeigen nützt überhaupt nichts. Natürlich ist die Regierungskoalition mit dem Ver- sprechen angetreten, durch ihre Maßnahmen die Ar- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) beitslosigkeit bis zum Ende der Legislaturpe riode zu halbieren. Sie können das nicht wegdrücken - auch Ich bekenne mich dazu: Ich hatte im Januar 1996 wenn hier volkswirtschaftliche Proseminare gehalten die Hoffnung, daß, wenn alles, was damals zwischen werden -, sondern müssen zugeben, daß heute wie- Bundesregierung, Wirtschaftsverbänden und Ge- werkschaften verabredet worden war, schneller um- der einmal ein Tag ist, an dem durch die Statistiken unumstößlich dokumentiert wird, daß sich die Ar- gesetzt wäre, wir mehr Wirkungen auf dem Arbeits- beitslosenzahl der nächsten Millionenschwelle nä- markt hätten. Die Verwerfungen durch die Globa- hert, nämlich der 5-Millionen-Schwelle. Vor zwei lisierung, durch die technologische Revolution, also Jahren wäre es wahrscheinlich undenkbar gewesen, die Rationalisierung, die sozialen Veränderungen bis hin zum Altersaufbau sind offenbar noch größer, und daß dieses Land das überhaupt aushalten kann. deswegen sind die Anforderungen an uns härter. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deshalb ist der Weg aber nicht falsch, sondern die sowie bei Abgeordneten der SPD und der Anstrengungen müssen verstärkt werden. Die Blok- PDS) kaden müssen dort, wo wir noch blockiert sind, auf- gegeben werden. Ich habe bei Ihren Ausführungen Wir dürfen jetzt nicht - Sie können es noch viel we- keine Alternative erkennen können. niger - sagen: Nun müssen wir wirklich einmal über die volkswirtschaftlichen Grundlagen nachdenken. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Das reicht den Menschen nicht, die das Recht haben, zu erfahren, wie es weitergehen soll. Ich habe Ihnen sehr genau zugehört, Herr Mi- nisterpräsident Lafontaine. Ich habe in dem, was Sie Es hat hier einen interessanten Schlagabtausch vorgetragen haben, nicht den Ansatz einer Alterna- über die Frage Wachstum und Beschäftigung gege- tive für mehr Beschäftigung in Deutschland erken- ben. Was die Bevölkerung draußen am eigenen Leibe nen können. Deswegen bleibt uns nur der Weg, die spürt, ist, daß diese Gleichung offensichtlich so nicht Weichen für mehr Wachstum zu stellen, dafür, daß mehr aufgeht, und zwar nicht deshalb, weil sich die mehr Wachstum auch zu mehr Beschäftigung führt, Ökologen, die Grünen als wachstumskritische Partei uns darauf zu konzentrieren, daß wir Problemgrup- weltweit durchgesetzt hätten, sondern offensichtlich pen, Langzeitarbeitslose und Jugendliche, die nach deshalb, weil es selbst mit den unterschiedlichen der schulischen Ausbildung gleich in Arbeitslosigkeit ökonomischen Ansätzen - es ist egal, ob sie eher an- zu fallen drohen, in Beschäftigung führen, wie es un- gebots- oder nachfrageorientiert sind - und bei ei- ser Antrag zeigt, die Flexibilität, auch mit mehr Teil- nem maßvollen Wachstum von 2 bis 3 Prozent nicht zeit und mehr Bereitschaft zu Dienstleistungen,- und möglich ist, Beschäftigung in einem Umfang zu im übrigen auch den Gestaltungsspielraum für die schaffen, das es allen Menschen in den Industriege- Tarifpartner zu erhöhen, so daß sie selber flexibler sellschaften erlaubt, so am Arbeitsmarkt teilzuhaben, werden. wie sie es wollen. Das Problem entsteht nicht aus Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19693 Marieluise Beck (Bremen) ökologischen Gründen, sondern aus Gründen, die in Gerechtigkeit und der Chance auf Teilhabe für alle der Ökonomie selbst liegen. Damit hat sich hier nie- wirklich herzustellen. mand auseinandergesetzt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wenn wir uns dieser Frage aber nicht widmen, sowie bei Abgeordneten der SPD) dann werden wir trotz maßvollen ökologischen Wachstums auch in den kommenden Jahren ver- In der Nähe, gleich hinter der Grenze ist ein Land, zweifelt vor steigenden Arbeitslosenzahlen stehen. das mit größerem Erfolg gegen die soziale Spaltung Das ist das Problem, um das es hier geht. gekämpft hat als unser Land. Das holländische Mo- dell ist genau dieser Grundidee gefolgt, daß selbst in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einer Wachstumsökonomie und gerade bei hoher Produktivität nur die Verteilung von Erwerbsarbeit Es gibt seit 1974 durchaus maßvolles Wachstum. die Chance auf soziale Teilhabe bietet. Das ist die Ich will die ökologische Frage, ob das wünschens- Grundidee des holländischen Modells. Dazu gab es wert ist oder nicht, einmal vollkommen außer acht in Holland eine politische Basis aller gesellschaftli- lassen. Trotzdem ist die Zahl der Arbeitslosen von Re- chen Kräfte, von den Tarifpartnern, den Unterneh- zession zu Rezession in Millionensprüngen gestie- men bis hin zur Politik und den kommunalen Ebe- gen. Das ist das Problem, mit dem wir uns auseinan- nen, die sich dieser Aufgabe, eine gerechte derzusetzen haben. Vertei- lung von Arbeit hinzubekommen, gemeinsam ge- Offensichtlich sind die Wachstumsstrategien, wie stellt haben. sie nach wie vor verfolgt werden, nicht geeignet, zu erreichen, daß das Wachstum die Produktivitäts- Dagegen hat die Bundesregierung - das war ver- schübe, die gleichzeitig mit dem Wachstum erfolgen, mutlich der größte Fehler in dieser Legislaturpe riode übersteigt. Deswegen haben wir trotz wirtschaftli- - das Bündnis für Arbeit zerschlagen und damit die chen Wachstums eine Abnahme von Erwerbsarbeit, Chance, alle Kräfte an einen Tisch zu bekommen, die eine Abnahme des Bedarfs an menschlicher Arbeit. eine gerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen Daraus resultieren die fast 5 Millionen Menschen, die herstellen könnten, vertan. Sie werden keine zweite vom Erwerbsarbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Chance bekommen. Das kann nur eine neue politi- sche Konstellation in diesem Land herstellen, die Deswegen ist die grundsätzliche Frage, ob die alte überhaupt das Vertrauen mobilisieren kann, das er- Gleichung, die die 50er, 60er, 70er und 80er Jahre be- forderlich ist, um diesen Weg zu beschreiten. stimmt hat, nämlich daß wir einen Gleichklang von Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und wach- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sendem Einkommen haben, die 90er Jahre und das sowie bei Abgeordneten der SPD) kommende Jahrtausend überhaupt noch abbilden Herr Schäuble hat gesagt: Schaut in die USA, do rt kann, ob die Gleichung, daß Wirtschafts- und Ar- gibt es Wachstum und entsprechende Beschäfti- beitsmarktpolitik gleich Wachstumspolitik sein müs- gungseffekte. Er hat auf die Dienstleistungsgesell- sen, überhaupt noch zeitgemäß ist oder ob nicht Wi rt schaft verwiesen. Zunächst einmal, Herr Schäuble, -schafts- und Arbeitsmarktpolitik vor allem - da bin wissen wir - und das wissen Sie vermutlich auch -, ich ganz anderer Meinung als Sie, Herr Schäuble - Verteilungspolitik ist. Verteilungspolitik allerdings (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Nein!) nicht im Sinne einer Neiddebatte. daß der Anteil der Dienstleistungen in unserer Öko- Wenn es stimmt, daß die Wachstumsraten faktisch nomie von 27 Prozent im Verhältnis zu 40 Prozent in von den Produktivitätsschüben aufgefressen werden Schweden sehr umstritten ist, weil - wie bei allen - wir brauchen diese Produktivitätsschübe wegen Statistiken - entscheidend ist, wie gezählt wird. Es der globalisierten Wettbewerbssituation -, bestehen gibt andere Gutachten, die belegen, daß der Anteil bei abnehmendem Erwerbsvolumen gesellschaftlich von produktiven Dienstleistungen in Deutschland nur zwei Möglichkeiten: Erstens. Das Erwerbsvolu- sehr viel höher ist. men wird auf einen relativ kleinen Teil der Bevölke- rung verteilt, der als vollzeit tätige, gut verdienende Allerdings haben wir gerade in den Bereichen der „weiße Mittelklasse" im Zentrum der Gesellschaft produktiven Dienstleistungen auch extreme Rationa- steht. Ein immer größer werdender Teil von Men- lisierungsschübe. Denn dort werden mit Erfolg die schen, die sich in den sozialen Transfersystemen am modernen Informations- und Kommunikationstech- Rande der Armut bewegen müssen, steht dagegen nologien eingesetzt, die wir alle auch wollen. Sie draußen. Die sind einmal ein bißchen drin oder be- sind aber in sich Rationalisierungstechnologien. Die kommen die Jobs, die Sie jetzt anbieten wollen, näm- Deutsche Post, die Telekom, die Banken, sie alle ste- lich die Niedriglohnjobs im prekären, ungesicherten hen vor großen Entlassungswellen. Dort wird Arbeit Bereich. durch intelligente Maschinen, durch Computer, er- setzt. Vor der Lösung dieses Problems kann man sich Zweitens. Das Erwerbsvolumen dieser Gesellschaft nicht drücken. wird auf alle verteilt, die am Arbeitsmarkt teilhaben wollen, auch auf die Frauen, die sich nicht mehr weg- Als Antwort bleibt dann das, was Herr Fink hier er- drängen lassen wollen. Es geht also um eine Sozial- klärt hat - das ist dann auch die Konsequenz dessen, politik, um eine Arbeitszeitpolitik, um eine Tarifpoli- was in diesem Blättchen hier vorgelegt wird -: perso- tik, um die Anstrengung aller gesellschaftlichen nennahe Dienstleistungen. Herr Fink sagt ehrlicher- Kräfte, um diese Verteilung im Sinne der sozialen weise: Das müssen die Niedriglohnbereiche sein. 19694 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Marieluise Beck (Bremen) Meine Damen und Herren, gleichzeitig sagen Sie: fen - schon mit der Sanktion, daß, wenn sie nicht an- Wir wollen kein Working poor. Ich fürchte, es wird genommen würden, die Jugendlichen die Unterstüt- nicht beides zu erreichen sein. Wenn Sie wirklich zung verlieren oder diese zumindest gemindert wird den Schaffner wieder mitfahren lassen wollen, wenn -, auf einem völlig anderen Konzept beruht als die Sie die Lebensmittel ins Haus bringen lassen wollen Arbeitslager in der NS-Zeit? Vielmehr beruht dies - eine wunderbare Vorstellung -, glauben Sie dann hier auf einem humanen Ansatz. In Dänemark - die- wirklich, daß 30 bis 35 DM brutto von den Konsu- sem Land kann man solche Vorwürfe wirklich nicht menten für diese Art von Dienstleistungen bezahlt machen - wird so etwas mit großem Erfolg prakti- wird? Wohl eher nicht. Wenn diese Kosten nicht er- ziert. bracht werden, dann haben Sie Stundenlöhne von 6, (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Aber die Ober 7 oder 8 DM, und dann haben Sie Working poor. flächlichkeit ist unglaublich!) Mit diesem Ausweg, den Sie jetzt anbieten - von der Gartenarbeit über die Haushälterin, die perso- Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nennahen Dienstleistungen in diesen unteren Berei- NEN): Manchmal geht einem im Eifer des Gefechts chen, in die Sie die schlecht Qualifizierten hinein- auch etwas schief; das möchte ich hier zugeben. schieben wollen, und zwar nicht nur mit sanftem, sondern massivem Druck; denn Sie drohen damit, ih- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nen die Sozialhilfe zu kürzen -, werden Sie vermut- bei der CDU/CSU und der F.D.P.) lich doch eine Gruppe von Working poor schaffen. Ich habe, als ich gesagt habe, ich möchte diesen Ver- Denn eine Lösung, über die Sie meinen nachdenken gleich nicht ziehen, ihn nun doch ins Spiel gebracht. zu müssen, nämlich daß man diese niedrigen Ein- Ich bitte Sie, mir das nachzusehen. Das möchte ich kommen mit Transfereinkommen aufbessern müßte, zurücknehmen. ist von Ihrem Kronzeugen Professor Siebert aus Kiel als nicht finanzierbar hingestellt worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Ulf Fink [CDU/CSU]: Das ist aber nicht Was ich sagen möchte, ist: Diese Art von großange- unsere Auffassung!) legten Arbeitsprogrammen für Sozialhilfeempfänger - da kenne ich mich aus, weil ich Kommunalpolitik Er geht davon aus - auch wir haben diese Einschät- gemacht habe - läßt ohne Einsatz von Mitteln nur zung; das betrifft auch das Problem des Bürgergelds Schippe-und-Schaufel-Programme zu. Sie haben und der negativen Einkommensteuer -, daß vermut- nämlich auf der Investitionsseite nichts angesetzt. Sie lich so hohe Transfervolumen notwendig werden, haben keine Qualifizierungsmittel eingesetzt. daß kein Land sie finanzieren kann. (Zustimmung bei der SPD) Das heißt also: Sie stellen sich nicht der wirklichen Verteilungsfrage von Arbeit und Einkommen im Es ist nichts für die Ausbildung da. Das heißt, es sind positiven Sinne, sondern Sie landen bei diesen klei- billige Programme. Sozialhilfeempfänger halten nen, unglaublich oberflächlichen Programmen, dann mit Besen und Schaufel die Städte sauber. Das ist kein Weg und keine Brücke zurück in den ersten (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!) Arbeitsmarkt; denn wir wissen, der Bau solcher Brük- ken ist wirklich mühselig und immer mit Ausbildung, die aber letztlich unter dem Deckmantel der Für- Fortbildung und Qualifikation verbunden. Aber ein sorge, nämlich Arbeit statt Sozialhilfe, doch den mit Zwang versehenes Angebot, bei dem Sie sagen, Schritt in billige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen be- wer die Arbeit nicht annimmt, dem wird die Sozial- deuten, über Arbeitszwang hin zur Arbeitszwang- hilfe gekürzt und schließlich gestrichen, ist politisch mentalität. Ich will nicht noch deutlicher werden. schärfstens abzulehnen. Das wollte ich mit meinen Man sollte nicht an das Dritte Reich und an diese Aussagen ausdrücken. Phantasien anknüpfen, nein. Eine moderne Gesellschaft muß allen Menschen (Lachen bei der CDU/CSU - Wolfgang Zöl die Möglichkeit geben, über Qualifikation auch an ler [CDU/CSU]: Das ist ja unverschämt!) Arbeitsplätzen teilzuhaben, die zur modernen Indu- Aber der Zwang, den Sie hier aufbauen, nährt die striegesellschaft gehören. Vorstellung - an die knüpfen Sie an -, daß derjenige, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der arbeiten will, es in diesem Land auch kann. Ge- sowie bei Abgeordneten der PDS) nau das ist nicht der Fall. Wir wissen, die Menschen wollen Arbeit, und Sie müssen sie nicht an ihre Gestatten Sie Pflichten erinnern. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: noch eine Zwischenfrage des Kollegen Fink? - Bitte.

Gestatten Sie Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ulf Fink (CDU/CSU): Frau Kollegin Beck, Sie ha- eine Zwischenfrage der Kollegin Babel? - Bitte ben vorhin gesagt, daß Arbeiten für Sozialhilfeemp- schön. fänger nicht dazu führen, daß die Betroffenen nach- her bessergestellt sind. Würden Sie mit mir überein- Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Frau Kollegin- Beck, glau- stimmen, daß alle Untersuchungen, die dazu bisher ben Sie nicht auch, daß die Vorstellung, die in dem vorliegen, zum Beispiel jüngst die des Deutschen Papier von Herrn Fink erläutert worden ist, daß wir Städtetages, zeigen, daß ein Drittel der Sozialhilfe- nämlich Arbeitsgelegenheiten für Jugendliche schaf- empfänger die Arbeit ablehnt, ein Drittel aber nach Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19695

Ulf Fink dieser Arbeit in den ersten Arbeitsmarkt integ riert Es geht um die Instrumente, mit denen wir ein bes- ist, auf dem es sonst nie eine Chance gehabt hätte, seres Ergebnis erreichen wollen. Dazu haben Sie in- und ein weiteres Drittel nach diesen Arbeiten An- teressante Ausführungen - nicht zum erstenmal, son- sprüche gegenüber dem Arbeitsamt auf berufliche dern wiederholt - zu dem Verhältnis von Angebots- Fortbildung, Arbeitslosengeld und dergleichen mehr und Nachfragepolitik gemacht. Ich frage mich, ob hat? Würden Sie sich der Meinung anschließen, daß Sie wirklich ein richtiges Verständnis von dem ha- dieses ein Fortschritt für die arbeitslosen Sozialhilfe- ben, was Angebotspolitik bedeutet. Viel besser und empfänger ist? verständlicher wäre es, sie vielleicht als kostenorien- tierte Politik zu benennen. Es geht doch darum, daß die Bedingungen für Arbeit in Deutschland so gestal- Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- tet werden, daß die Produkte, die aus dieser Arbeit NEN): Herr Kollege Fink, ich komme aus einem Bun- entstehen, auf den Märkten wettbewerbsfähig sind desland, wo von seiten der Grünen in die Koalitions- und verkauft werden können. verhandlungen die Stärkung des Programms „Arbeit statt Sozialhilfe" eingebracht worden ist. Insofern bin Wenn die Kosten über dieses wettbewerbsfähige ich auf Ihrer Seite. Aber ich weiß auch, daß dieses Maß hinaus steigen, dann fallen die deutschen Un- Programm ein teures Programm war. ternehmen aus dem Wettbewerb heraus oder sie sind gezwungen, die Kosten so umzugestalten, daß sie (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Bei wieder wettbewerbsfähig werden. Genau das ist die- den Grünen wird alles teuer!) ser wahnsinnige Kostendruck zur Erreichung von Es war nicht auf der Basis eines Nullsummenspiels, Produktivitätssteigerungen, der dazu führt, daß wie Sie es hier heute morgen vorgemacht haben, zu menschliche Arbeit durch Kapital ersetzt wird, wenn haben. Wir haben nämlich die Erfahrung gemacht: man überhaupt im Wettbewerb bestehen will. Sozialhilfeempfänger sind oft lange Zeit erwerbslos (Beifall bei der F.D.P.) gewesen, mit allen sozialen Folgeerscheinungen, die das nach sich zieht. Das heißt, man brauchte einen Deswegen haben wir Arbeitslosigkeit in dieser Höhe; hohen Einsatz an sozialpädagogischer Betreuung, deswegen haben wir den Expo rt von Arbeitsplätzen. man brauchte Schuldnerberatung, man brauchte für Wenn Sie also erreichen wollen, daß in Deutschland die alleinerziehenden Frauen - das ist ein hoher An- wieder mehr menschliche Arbeit nachgefragt wird, teil - Kinderbetreuung, man brauchte ein langandau- dann müssen Sie eine noch konsequentere Ange- erndes Qualifikationsprogramm. Das alles zusam- botspolitik machen, als wir das getan haben und tun mengenommen war ein Programm, das leider dann konnten, weil wir durch Sie - hier im Bundestag und so teuer war, daß wir es nicht so auslegen konnten, insbesondere im Bundesrat - immer daran gehindert wie es die Nachfrage von Sozialhilfeempfängern in worden sind. Bremen gefordert hätte. Die Nachfrage war größer als das, was die Kommune finanziell vorhalten Es ist richtig, daß wir uns zu Beginn der 90er Jahre konnte. Wir hätten den Umfang dieses Programmes durch die Einflüsse der deutschen Einheit und die gerne verdoppelt und verdreifacht. Das spricht nicht schwierigen Aufgaben, die mit ihr auf uns zugekom- gegen das Programm, aber gegen ein Programm, das men sind, nicht mit der vollen Konsequenz auf diese angeblich nichts kosten soll. Reformarbeit konzentriert haben, die wir in den 80er Jahren ja sehr erfolgreich begonnen hatten. Wir ha- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ohne Geld geht ben Ende der 80er Jahre mehr als 3 Millionen Ar- es nicht!) beitsplätze geschaffen! Das bekommen Sie leider so nicht hin. In dieser Legislaturpe riode haben wir uns bemüht, die Strukturen in allen Bereichen zu reformieren; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN man muß an die Strukturen herangehen, um dieses sowie bei Abgeordneten der SPD) Ergebnis zu verbessern. Es ist interessant, daß Ange- botspolitik in Form einer sauberen Strukturpolitik, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat die zu Kostenverbesserungen führt, die Nachfrage jetzt der Fraktionsvorsitzende der F.D.P., Hermann gar nicht negativ beeinflußt; vielmehr beeinflußt sie Otto Solms. auch diese positiv. Aber wir haben in Deutschland das Problem, daß wir Weltmeister auf dem Gebiet der (Joseph Fischer [Frankfu rt ] [BÜNDNIS 90/ Höhe der Lohnzusatzkosten sind. Wenn es gelingen DIE GRÜNEN]: Der Kanzler schweigt!) würde, die Lohnzusatzkosten - in der Bauindustrie machen die Lohnzusatzkosten beispielsweise 111 Pro- zent der Bruttolöhne aus, also mehr als einen zusätz- Dr. (F.D.P.): Frau Präsidentin! lichen Lohn - zu senken, dann hätten die Arbeitneh- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr La- mer ein höheres Nettogehalt, könnten mehr nachfra- fontaine, ich bedanke mich, daß Sie uns nicht unter- gen und die Arbeitgeber hätten geringere Kosten stellen - das unterstellen wir Ihnen selbstverständlich und könnten mehr Arbeitsplätze anbieten. auch nicht -, wir würden es nicht ernst meinen mit unserer Sorge um Verbesserungen auf dem Arbeits- (Beifall bei der F.D.P. - Wolf-Michael Caten markt. - husen [SPD]: Wie wollen Sie das machen?) (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ So sieht der ökonomische Zusammenhang aus; DIE GRÜNEN]: Sie meinen es bitterernst!) deswegen muß man eine solche Strukturreformpoli- 19696 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Hermann Otto Solms tik konsequent, schnell und mutig voranbringen. halte es nach wie vor für den ökonomisch einzig rich- Dann wird sie auch gute Ergebnisse erzielen. tigen Weg. Was Sie heute über die USA gesagt haben, das war Diesen Weg können aber nicht nur die Bundesre- ja nun wirklich überraschend. gierung oder die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und Kommunen gehen; dazu gehören (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist natürlich auch die Tarifvertragsparteien. Ich rede wahr!) Lohnsenkungen nicht das Wo rt. Aber eines ist klar: Es widersprach dem völlig, was Sie uns bislang im- Lohnerhöhungen, die über die Produktivitätserhö- mer als Lehre aus der USA dargeboten haben. Bisher hungen hinausgehen, führen zwingend zu Entlas- haben Sie immer ganz anders gesprochen. Erinnern sungen. Sie sich doch an die zwei Reaganschen Steuerrefor- (Beifall bei der F.D.P.) men - insbesondere die 1986er Reform -, die zu- nächst zu erheblichen Ausfällen bei den Steuerein- Also muß sich die Lohnentwicklung an der Produkti- nahmen und zu erheblichen Budgetdefiziten geführt vitätsentwicklung orientieren. haben, die aber dann wegen ihrer Wirkung auf Inve- Herr Siebert hat, wenn ich es richtig in Erinnerung stitionen einen erheblichen Beschäftigungseffekt habe, gerade jetzt in einem Inte rview im „Spiegel" ausgelöst haben, so daß die Amerikaner jetzt schluß- gesagt: 170 000 Arbeitsplätze könnten entstehen, endlich sogar einen ausgeglichenen Haushalt haben. wenn die Lohnsteigerungen um 1 oder 2 Prozent un- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ter der Produktivitätsentwicklung bleiben würden. ten der CDU/CSU) (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Ach, das Vor wenigen Jahren hätte nie jemand geglaubt, daß meinen Sie!) dies dadurch einmal erreichbar sein werde. Ich kann diese Rechnung in bezug auf die Zahlen Genau dasselbe würden auch wir in diesem Lande nicht prüfen. Aber ich kann sagen, daß die Aussage erreichen, wenn wir eine mutige Steuerreform durch- hinsichtlich der Tendenz richtig ist. Sie erreichen führen würden - an der Sie uns gehindert haben -, aber den gleichen Effekt - - auch mit dem Ziel, dadurch mehr Steuergerechtig- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Also wol keit zu erreichen, daß wir alle Ausnahmen ohne An- len Sie doch Reallohnsenkungen!) sehen von Personen und Gruppen gestrichen und da- für die Tarife drastisch gesenkt hätten. - Nein. Was Ihre Verhandlungsführer uns in den Verhand- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Natürlich!) lungen angeboten haben, das war keine Steuerre- - Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt: Ich will die form, sondern eine Steuerumfinanzierung, die am Lohnzusatzkosten senken. Ende zu einer Mehrbelastung geführt hätte. Genau diejenigen, die Arbeitsplätze hätten schaffen sollen, (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ökosteuer!) hätten die Kosten tragen müssen; die anderen, die sie nicht geschaffen hätten, wären entlastet worden. Ich will eine maßvolle Lohnpolitik, orientiert an der Produktivitätsentwicklung, und ich will natürlich (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Da sind wir wirk eine flexiblere Lohnpolitik mit einer größeren Lohn- lich unterschiedlicher Auffassung!) spreizung, weil die Tendenz der Tarifvertragspar- teien in den letzten 30 Jahren, die Sockellöhne im- Das hätte uns wirklich nicht weitergeführt. mer stärker anzuheben, dazu geführt hat, daß Men- Zu einer solchen Politik gehört aber nicht nur eine schen, die zu komplizierten Arbeiten nicht fähig Steuerreform, sondern auch eine Strukturreform im sind, aus dem Arbeitsprozeß ausgegliedert worden sozialen Bereich. Aus Sicht der F.D.P. ist eines der sind. Kernprobleme, mit dem wir uns auf Dauer beschäfti- (Beifall bei der F.D.P.) gen müssen, daß die sozialen Kosten durch das Um- lagefinanzierungssystem zu 100 Prozent an die Ar- Das hat jeder schon erlebt: In jedem Bet rieb gab es beitsplätze gebunden sind. Das traurige Ergebnis ist, jemanden, der einfache Tätigkeiten ausgeübt hat. daß die Arbeitskosten auf diese Höhe gestiegen sind; Diese Tätigkeiten sind verschwunden; diese Men- andere Länder haben in diesem Punkt bessere Kon- schen leben heute von Sozialhilfe. Das müßte nicht zepte gehabt. Deswegen fordern wir auch eine Sen- so sein. Dazu wäre eine Lohndifferenzierung not- kung der Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,2 Pro- wendig. Die Vorlagen, die Herr Fink in diesem Zu- zent. sammenhang präsentiert hat, sind ausgesprochen hilfreich. (Lachen bei der SPD) Das ist der Ke rn der Auseinandersetzung: Wie lö- Das ist kein großer Schritt. Doch jeder kleine Schritt sen wir unsere Strukturprobleme? Andere Länder, hilft uns, voranzukommen. die mit guten Ergebnissen vorangegangen sind, ha- (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. ben genau diesen Weg beschritten. Sie haben die Ar- Michael Glos [CDU/CSU]) - beitsbedingungen so gestaltet, daß Wettbewerbsfä- higkeit entstanden ist. Sie haben Flexibilität auf dem Das ist ein Signal in die richtige Richtung. Leider ha Arbeitsmarkt möglich gemacht. Dadurch sind in den ben wir uns darauf bis jetzt noch nicht geeinigt. Ich Vereinigten Staaten, in Großbritannien, in Ho lland Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19697

Dr. Hermann Otto Solms und in Neuseeland neue Arbeitsplätze in großer Zahl Das war ein vernünftiger Ansatz, der Erfolge hätte entstanden. bringen können. Das Bündnis ist aber mit Sicherheit nicht an den Sozialdemokraten und an den Gewerk- Das heißt, wir müssen uns mehr auf die Menschen schaften gescheitert. Vielmehr habe ich Sie, Herr verlassen. Sie sind leistungsbereit. Man muß sie nur Kanzler Kohl, ein bißchen in Verdacht. Ich sage Ih- lassen; man darf sie nicht fesseln. Wir haben sie zu nen: Sie hätten Herrn Henkel von Zeit zu Zeit zu- sehr gefesselt, und wir müssen ihnen jetzt den Frei- rechtweisen und ihm sagen müssen, was er für ein raum geben. Mit Verteilungspolitik ist das Problem dummes Zeug in der Öffentlichkeit redet. Das wäre nicht zu lösen. Ihre Aufgabe gewesen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne (Beifall bei der SPD) ten der CDU/CSU) Ich will nicht auf alle Vorwürfe eingehen. Ich halte Der Neidgedanke hilft hier nicht. den Blockadevorwurf, wie er immer von Herrn Rex- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: 4,8 Millionen!) rodt vorgetragen wird, für ausgesprochen unsinnig. Das ist eine Manier, um von den eigenen Problemen Es geht darum, die Strukturreformen konsequent an- abzulenken. zugehen; denn die beste Sozialpolitik - das ist meine persönliche Überzeugung -, die man machen kann, Ich will einmal kurz darstellen, was wir Sozialde- ist eine Politik, die die Menschen in die Lage ver- mokraten anders machen würden als Sie. setzt, ihren Lebensunterhalt aus eigener Arbeit zu fi- nanzieren. Das wollen wir erreichen. (Jürgen Türk [F.D.P.]: Das wäre gut!) (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Tatsäch Von Geldpolitik ist gesprochen worden. Aber die lich?) realen Zinsen - wohlgemerkt: die realen; ich hoffe, Sie begreifen das - sind noch immer zu hoch, und sie Vielen Dank. sind zu lange zu hoch gewesen. Sie hätten niedriger sein müssen. Dann hätten wir das Beschäftigungs- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne problem der Lösung eher etwas nähergebracht. ten der CDU/CSU) Bei der Steuerpolitik - davon bin ich zutiefst über- zeugt - geht es in Zukunft darum, daß wir verstärkt Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Professor Uwe Jens. die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entla- sten und nicht mehr die der großen. Das ergibt kei- nen Sinn. Dr. Uwe Jens (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Solms, ich will Die Ausgabenpolitik ist von Ihnen leider prozy- kurz auf Ihre Darstellung eingehen. Es läßt sich doch klisch betrieben worden. beim besten Willen nicht leugnen, daß die Argumen- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tation von Oskar Lafontaine nicht falsch war. Fakt ist, daß wir seit etwa 1980 eine angebotsorientierte Poli- Die wirtschaftlichen Schwankungen wurden unter- tik betrieben haben. Sie betreiben eine global ange- stützt, statt eliminiert. Es kommt in Zukunft darauf botsorientierte Politik mit den Auswirkungen, die Os- an, daß wir die Ausgaben des Staates auf allen Ebe- kar Lafontaine dargestellt hat. Gehen Sie nicht ein- nen verstetigen fach über diese Argumente hinweg! Nehmen Sie doch die Effekte und Auswirkungen auf Beschäfti- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Verläßlich!) gung, auf Verschuldung und auf die Verteilung der und möglicherweise die Einnahmen schwanken las- Arbeit zur Kenntnis! sen. Wenn wir die Ausgaben von vornherein verste- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wollen die tigt hätten, hätten wir ein bißchen mehr an Beschäfti- nicht!) gung erreicht. Man kann sie nicht ignorieren. (Beifall bei der SPD - Anke Fuchs [Köln] [SPD]: In der Bauwirtschaft zum Beispiel!) (Beifall bei der SPD) Schließlich hätten wir - man kann gar nicht alles Wir müssen darüber nachdenken, was wir in Zukunft aufführen - in der Forschungs- und Technologie- besser machen können. So geht es nicht weiter. politik nun wirklich nicht sparen dürfen, Herr Kanz- ler. Da hätten wir mehr Geld zur Verfügung stellen Die Sozialdemokraten haben sich zu einer Politik der müssen. Doch wir haben uns so benommen wie ein Neuerungen und der Innovationen bekannt. Wir wol- Agrarstaat, der gewissermaßen darangeht, das Saat- len eine evolutionistische Wirtschaftspolitik prakti- getreide zu verfrühstücken. Hier liegen aber die Zu- zieren. Das ist die Lösung der Probleme von morgen. kunftschancen. Hier muß geklotzt und darf nicht ge- Denken Sie einmal darüber nach, ob das nicht der bessere Weg ist, den wir gemeinsam gehen sollten! kleckert werden. Hier müssen wir die Weichen für die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft stel- (Beifall bei der SPD) len. - Ich bedauere außerordentlich, daß das Bündnis für (Beifall bei der SPD) Arbeit gescheitert ist. Die Bundesregierung hat die Weichen leider häu- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr wahr!) fig falsch gestellt. Arbeitslosigkeit - das sage ich jetzt 19698 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Uwe Jens ein bißchen pointiert und vielleicht auch ein bißchen nehmer, der nur auf seine Rendite achtet. Wir brau- überzogen - ist nicht primär ein Verteilungsproblem. chen vor allem den kreativen Unternehmer; Es ist nicht so, daß wir die Arbeitslosigkeit beseiti- gen, wenn wir den Reichen mehr geben. Das ist nicht (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Vor allem brau richtig. Arbeitslosigkeit ist auch nicht primär ein Ko- chen wir Unternehmer!) stenproblem. Sie können mit den Kosten noch soweit um den geht es in Zukunft verstärkt. Wir brauchen nach unten gehen, Sie schaffen trotzdem nicht unbe- auch nicht den Unternehmer, der glaubt, man könnte dingt mehr Arbeitsplätze. ein Gleichgewicht auf dem Markt durch Lohnsen- (Beifall bei der SPD) kung oder Preissenkung herstellen. Wir brauchen den Unternehmer, der neue Arbeitsplätze schafft und Arbeitslosigkeit ist vor allem ein Innovationsproblem. neue Produkte auf den Markt bringt. Um den geht Die deutsche Volkswirtschaft ist faul und satt; sie ist es. übersättigt. Sie müßten verstärkt etwas tun, um neue Produkte zu entwickeln, neue Märkte zu erschließen Es bringt uns auch nicht weiter, wenn wir andau- und Neuerungen auf den Markt zu bringen. Darum ernd über Kostenreduzierung reden, wie es in den geht es in Zukunft. Das ist die Programmatik der So- Unternehmen bis vor kurzem noch immer gemacht zialdemokraten. worden ist; „cost cutting" hieß das auf hochdeutsch so schön. Aber was ergibt es für einen Sinn, wenn die (Beifall bei der SPD) Unternehmen dazu übergehen, etwa die Abteilung für Forschung und Entwicklung zu schließen oder Was die Bremsklötze angeht, die wir möglicher- die Zahl der dort Tätigen zu halbieren, und sich dann weise aufgestellt haben: Wenn man ehrlich ist, muß hinterher wundern, daß sie nichts Neues auf den man doch zugestehen, daß bei der Regierung Ver- Markt bringen? Das macht überhaupt keinen Sinn. säumnisse liegen. Denken wir nur einmal an Solar- technologie, aus meiner Sicht ein Zukunftsmarkt par Wir müssen auch an die Dienstleistungen denken. excellence. Aber hier haben Sie die deutschen An- Die Daten, die soeben vorgetragen wurden, Herr bieter zunächst einmal vertrieben; sie sind nach Schäuble, waren nicht korrekt. Es gibt neuere Unter- Amerika gegangen. Jetzt hat Herr Rüttgers Geld ge- suchungen vom IW und vom DIW, die besagen: Es nommen und ein paar Anbieter wieder hier angesie- gibt bei uns keine große Dienstleistungslücke. Es ist delt. Das hätte man einfacher haben können. jedoch zweifellos so, daß wir noch viele Arbeitsplätze in den Bereichen schaffen könnten, wo es um das (Beifall bei der SPD) Helfen, das Dienen und das Wissen geht. Das sind die Bereiche der Zukunft im Dienstleistungssektor. Oder denken wir an die Biotechnologie. Da haben Sie - Sie sind dafür verantwortlich; das war kein zu- Beim Helfen, glaube ich, müssen wir über neue Fi- stimmungsbedürftiges Gesetz - die Gesetze so ge- nanzierungsinstrumente nachdenken; Vorschläge macht, daß die Deutschen ihre Produktionskapazitä- dazu haben wir gemacht. ten in Frankreich oder in den Vereinigten Staaten aufgebaut haben. Dann haben Sie das korrigiert, und (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Haben die abge jetzt wundern Sie sich darüber, daß sie nicht wieder lehnt!) nach Deutschland kommen. Das ist doch nicht in Beim Dienen geht es vor allem darum, die Mentali- Ordnung. tät der Menschen in der Republik ein wenig zu ver- ändern; das gebe ich gern zu. Beim Wissen müssen (Beifall bei der SPD - Bundeskanzler Dr. wir Bremsklötze wegräumen; gar keine Frage. Helmut Kohl: Das ist ja absurd! Das ist wirk lich absurd, was Sie sagen!) Oskar Lafontaine hat bereits über die Honorarord- nung gesprochen. Warum gehen Sie eigentlich nicht Oder denken Sie bitte an den Markt für Umwelt- an die Honorar- und Gebührenordnungen heran? schutz - ein Milliardenmarkt, auf dem wir wiederum zurückgefallen sind. Hier müssen wir endlich ver- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Da ist die stärkt unsere Chancen nutzen und die ökonomischen F.D.P. so mutig! - Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Weichen so stellen, daß in Umweltschutz investiert Architekten!) wird. Wir dürfen vor allem nicht andauernd über die Risiken reden. Das ist das Gebot der Zukunft. Sie sind doch extrem verkrustet. Warum gehen Sie nicht verstärkt an das Werbeverbot für freie Berufe (Beifall bei Abgeordneten der SPD) heran? Warum schaffen Sie nicht endlich das Rechts- beratungsgesetz aus dem Jahre 1935 ab? Wir brauchen - das sollten meine Beispiele zeigen - eine aktive Strukturpolitik des Staates, um neue (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Auch da Märkte zu erschließen und damit neue Arbeitsplätze ist die F.D.P. so mutig!) in dieser Republik zu schaffen. Das sind Bremsklötze, die dazu beitragen, daß wir (Beifall bei der SPD) zukünftige Entwicklungen nicht so richtig auf die - Schiene setzen. Wir brauchen nicht den Unternehmer, der nur Share holder-value macht; den wollen auch Sie wahr (Beifall bei der SPD - Anke Fuchs [Köln] scheinlich nicht. Wir brauchen auch nicht den Unter [SPD]: Klientelpolitik!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19699

Dr. Uwe Jens Aber das hat vielleicht etwas - das greife ich gern auf dann findet auch ein Stimmungswechsel statt. Aber - mit der Interessenlage der F.D.P. zu tun. Das ist Ihre vorher muß diese Regierung abgelöst werden. politische Klientel. Wir dürfen aber keine ausneh- Schönen Dank. men, auch nicht Ihre politische Klientel. (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, der Antrag, der uns vorgelegt wurde, soll offenbar zeigen, daß Sie etwas tun. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt die Abgeordnete Dagmar Wöhrl. (Ernst Schwanhold [SPD]: Weiße Salbe!) Es steht aber kein Pfennig Geld zur Verfügung, und Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Prä- Sie verschieben die Verantwortung auf die Kommu- sidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Obwohl nen, die sich aus meiner Sicht redlich bemühen. Das sich unsere Konjunktur belebt und weiter beleben ist in der Tat ein Ablenkungsmanöver; es ist weiße wird, zeigen uns die neuesten Arbeitslosenzahlen, Salbe. Das bringt nun überhaupt nichts ein. daß der Arbeitsmarkt von diesem Trend leider immer noch nicht profitiert. Es zeigt sich aber auch noch et- (Beifall bei der SPD - Anke Fuchs [Köln] was anderes, nämlich daß wir unseren entschlosse- [SPD]: Erbärmlich!) nen Reformkurs, den wir eingeschlagen haben, bei- Taktisch kann ich das sogar gut verstehen. Ich behalten müssen. kann durchaus nachvollziehen, daß Sie sagen: Wir Wir haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von müssen noch schnell etwas machen, damit sich das Maßnahmen ergriffen, um unser Land zu modernisie- Klima in der Wirtschaft ändert. Ich glaube, es ist auch ren und wettbewerbsfähig zu machen. Aber auch Sie wichtig, daß sich das Klima verbessert; denn Wirt- alle hier im Saal wissen, daß Reformen nicht kurzfri- schaftspolitik besteht zu 50 Prozent aus Psychologie stig, sondern zumeist erst langfristig wirken. und zu 50 Prozent aus Harte-Fakten-Setzung. Das ist gar keine Frage. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Aber mit diesem Antrag verbessern Sie das Klima Wir können keine Nachfrageprogramme auf Pump nicht. Statt dessen tragen Sie dazu bei, daß die Bür- gebrauchen. ger das Gefühl haben: Die bringen überhaupt nichts (Dr. [CDU/CSU]: Sehr rich mehr zustande. Sie verschlechtern das Klima-tig!) in der Öffentlichkeit. Ein falscher Weg wäre es, die Bundesbankgewinne (Beifall bei der SPD - Anke Fuchs [Köln] für ein wie auch immer gea rtetes Beschäftigungspro- [SPD]: Sie blamieren sich!) gramm einzusetzen. Mit diesem Vorschlag ignoriert Herr Scharping, wofür die Bundesbankgewinne - sie Was die Frage der Problemlösungskapazität auf betragen derzeit über 7 Milliarden DM - vom Gesetz dem Felde der Beschäftigung angeht, so bringt uns vorgesehen sind, nämlich zur Rückführung von lang- Ihr Vorschlag nicht weiter. Ich habe in Ansätzen - ich fristigen Schulden. Offenbar wird darauf spekuliert, gebe das gern zu; man könnte es vertiefen - die daß sich „Gewinnverwendung" für die Menschen Punkte umrissen, die wir praktizieren würden, wenn besser anhört als „Kreditaufnahme", obwohl beides wir drankämen. auf das gleiche hinausläuft. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Dran kommen! - (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das hat Herr Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Kommt Waigel doch auch gemacht!) ihr aber nicht!) - Es war eine ganz andere Situation. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß wir damit das Problem der Beschäftigung eher einer Lösung zufüh- (Ernst Schwanhold [SPD]: Er hat sogar Zah ren als mit solchen Papieren. Wenn Sie das Klima lungszusagen nicht eingehalten!) verbessern wollen, müssen Sie zunächst einmal auf- Die Bundesregierung hat mehr getilgt, als sie nach hören, den Standort Deutschland schlechtzureden. In dem Tilgungsplan hätte tilgen müssen. Das läßt sich der letzten Zeit machen Sie das auch nicht mehr; das aber nicht beliebig wiederholen; das wissen Sie ganz gebe ich gern zu. genau, liebe Frau Kollegin Fuchs. (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Das habe (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ich noch nie gemacht!) Als Mutter von zwei Kindern möchte ich nicht, daß - Ihre Klientel hat das eifrig betrieben. ein beschäftigungspolitisches Strohfeuer von nach- folgenden Generationen bezahlt werden soll. Aber auch das hilft nicht mehr weiter. Wir müssen den Bürgern wirklich sagen: Hier ist Geld; wir wollen (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Aber meine Kin dieses und jenes anpacken, und wir wollen diese und der wollen Arbeitslosigkeit nicht in Kauf jene Maßnahme ergreifen. Ein paar Vorschläge dazu nehmen!) habe ich gemacht. Wenn wir das hinbekommen- - ich bin davon überzeugt, wir würden das hinbekom- - Liebe Frau Kollegin Fuchs, Sie haben offenbar ver- gessen, daß Sie in den 70er Jahren das sogenannte men -, Deficit-spending betrieben haben. Auch die erfah- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Werden!) rene Wirtschaftsmacht Japan hat, wie Sie damals, da- 19700 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dagmar Wöhrl mit Schiffbruch erlitten. Es ist nicht gelungen, die Was haben Sie beim Wagniskapital gemacht? Wirtschaft mit den riesigen Konjunkturprogrammen anzukurbeln. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das lehnen Sie doch ab!) (Ernst Schwanhold [SPD]: Das hat damit überhaupt nichts zu tun! Entschuldigung, Sie tönen ganz groß, wir brauchten mehr Wagniska- die Japaner machen gerade Konjunkturpro pital. Das wissen wir alle; wir arbeiten auch daran gramme! Das ist völlig mißlungen, Frau mit unserem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz. Wöhrl!) Aber was machen Sie in den Ländern, in denen Sie die Möglichkeit haben, das zu realisieren? In Nieder- Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposi- sachsen beträgt das Wagniskapital 1,50 DM pro tion, die SPD-Matadore Lafontaine und Schröder, de- Kopf. Lesen Sie einmal Ihre Statistiken nach. In Bay- ren Länder den ersten und dritten Platz bei der Pro- ern sind es 38 DM. Kopf-Verschuldung einnehmen, zeigen, wohin Ihr Zug fährt: in die Schuldenfalle und nirgendwohin (Monika Ganseforth [SPD]: Sprechen Sie sonst. einmal über Bundespolitik! - Ernst Schwan hold [SPD]: Wagniskapital muß nicht der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Staat geben! Das ist p rivates Kapital!)

Keinerlei beschäftigungspolitische Effekte sind do rt Deutschland ist auf dem richtigen Weg. Unsere Re- erkennbar. Man braucht sich nur die Arbeitslosen- formen stellen den richtigen Weg in die Zukunft dar. zahlen in diesen beiden Ländern anzuschauen, die Es zeigt sich auch, daß der Standort Deutschland für sich am Ende des Ländervergleichs befinden. Ihr lie- ausländische Investoren wieder attraktiv ist. ber Kollege Schröder aus Niedersachsen hat es in (Beifall bei der F.D.P. - Ernst Schwanhold den ersten sieben Jahren seiner Regierungszeit sogar [SPD]: Es ist Ihnen nicht gelungen, ihn geschafft, 25 Milliarden DM Schulden zu machen. kaputtzureden!) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Und wieviel Das zeigt sich auch an Rückverlagerungen von Schulden hat Herr Waigel gemacht?) deutschen Firmen nach Deutschland. Schauen Sie sich Varta an, das die Produktion von Minibatterien In den 44 Jahren zuvor wurden insgesamt nur 37 Milliarden DM Schulden gemacht. von Singapur zurück nach Ellwangen verlagert, oder den Maschinenbauer Ex-Cell-O, der die Produktion (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) von Tschechien nach Deutschland zurückverlagert. Das sind Zeichen, daß wir auf dem richtigen Weg Wir brauchen niedrige Steuern und niedrige Abga- sind. Die Unternehmer antworten auf die Frage, ben. Dadurch muß es zu mehr Investitionen kommen. warum sie zurückverlagern: Inzwischen gibt es hier Das ist das A und O. Wir brauchen Investitionen in wieder bessere Bedingungen und wachsende Ge- neue Betriebe, neue Produkte, neue Dienstleistun- winne sowie moderate Lohnabschlüsse. gen und neue Märkte. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Und steigende (Ernst Schwanhold [SPD]: Das alles machen Arbeitslosigkeit!) die jetzt trotz Ihrer fabelhaften Politik nicht!) Das sind die Aussagen der Unternehmen, die ihren Sitz nach Deutschland zurückverlagern. Daher muß es weiterhin unser Ziel sein - wie es das Diese sich abzeichnende Trendwende müssen wir auch bis jetzt schon gewesen ist -, die Investitions-, weiter forcieren. Sie darf keinesfalls durch irgend- Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit unserer welche lautstarken Verkündigungen, wie zum Bei- Wirtschaft und vor allen Dingen unseres Mittelstan- spiel die von Herrn Lafontaine, der vom „Ende der des zu verbessern. Bescheidenheit" gesprochen hat, gefährdet werden. (Ernst Schwanhold [SPD]: Ich verstehe gar (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Er war nicht, Frau Wöhrl, warum sie das nicht nie bescheiden!) schon machen, obwohl Sie doch angeblich eine so großartige Politik machen!) Es geht nach wie vor darum: Wir brauchen weniger Staat; wir brauchen mehr Eigenverantwortung. - Lieber Kollege Schwanhold, Sie tönen mit großen Investitionsprogrammen nach draußen. Aber was (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge machen Sie denn in Ihren eigenen Ländern? ordneten der F.D.P.) (Ernst Schwanhold [SPD]: Ich investiere in Eine Volkswirtschaft ist auf Dauer nicht wettbe- Niedersachsen alles, was ich habe!) werbsfähig, wenn jede zweite Mark durch öffentliche Kassen fließt. Wir brauchen einen breiten Bewußt- In Niedersachsen haben Sie Investitionsdarlehen auf seinswandel weg von unserem Anspruchsdenken, 61 DM pro Kopf der Bevölkerung heruntergefahren. das wir gegenüber dem Staat haben, hin zu mehr Ei- - In Bayern sind es dagegen 538 DM. genverantwortung. (Monika Ganseforth [SPD]: Das ist wirklich (Ernst Schwanhold [SPD]: Leiten Sie ihn peinlich, was Sie hier vortragen!) doch mal ein, Frau Wöhrl!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19701

Dagmar Wöhrl Das gilt für die soziale Absicherung ebenso wie für heraufgesetzt wurde, im Handwerk zu zusätzlichen die Teilnahme am Berufsleben. Eigenverantwortung 20 000 Arbeitsplätzen geführt hat. im Berufsleben kann noch immer derjenige am be- sten realisieren, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Der Arbeit hat!) Dies ist ein kleiner Schritt. Aber es ist der richtige der sich selbständig macht. Schritt in die richtige Richtung. Dies müssen wir kon- sequent weiterverfolgen. Auch die Tarifparteien Besondere Chancen für die Gründung einer selb- müssen in einem noch viel stärkeren Umfang als bis- ständigen Existenz bietet der Dienstleistungssektor, her Öffnungsklauseln in ihren Tarifverträgen vorse- auf dessen Stärkung unser Antrag hinzielt, der heute hen und davon Gebrauch machen. in der gesamten Diskussion in meinen Augen leider ein bißchen zu sehr in den Hintergrund geraten ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Das stimmt! Lei 60 Prozent unserer Arbeitslosen sind gering oder der!) nicht qualifiziert. Für diese Menschen gibt es keine Neun von zehn Existenzgründungen finden inzwi- Arbeit zu Kosten, die der Markt akzeptiert. Diese schen im Dienstleistungssektor statt. Besonders dy- Menschen wären es, die den unterentwickelten Be- namisch entwickeln sich die unternehmensbezoge- reich der einfachen Dienstleistungen erschließen nen Dienstleistungen. Große Potentiale bieten aber könnten, jedoch nur bei stärkerer Spreizung der auch die personenbezogenen Dienstleistungen - vor- Lohnstruktur. Ohne das Inkaufnehmen einer stärke- ausgesetzt, daß sich eine noch positivere Einstellung ren Lohnspreizung wird der deutsche Arbeitsmarkt zu den Dienstleistungen durchsetzt. Wir brauchen nicht die Dynamik erhalten, die unter den gegebe- hier noch mehr Servicebereitschaft und noch mehr nen Umständen notwendig ist. Dann bleibt der Be- Flexiblität. schäftigungsaufbau aus, oder Arbeitgeber und Ar- beitnehmer weichen, wie es leider schon jetzt der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Fall ist, auf außertarifliche Absprachen, Schwarz- arbeit oder geringfügige Beschäftigung aus. Das ist Unser Privatisierungskurs, den wir sehr erfolg- es, liebe Kollegen, was unseren Sozialstaat dann es- reich durchgeführt haben, und zwar bei der Post, der sentiell bedroht. Bahn, der Telekom und der Lufthansa, ist eine solide Grundlage für moderne Dienstleistungsunternehmen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU der Zukunft. Inzwischen haben auch die Länder ka- und der F.D.P.) piert und eingesehen, daß unternehmerische Aufga- Liebe Kollegen und Kolleginnen, der Knoten ben von Privaten besser wahrgenommen werden könnte platzen: bei den Investitionen und auf dem können als von staatlichen Verwaltern - aber leider Arbeitsmarkt. noch nicht alle: Einige Länder sind hier noch immer gefordert. Vor allem auch die Kommunen sind ge- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das er fragt. Es stellt sich wirklich die Frage, warum Prüf- zählen Sie doch schon seit 15 Jahren!) und Testverfahren oder Planungs- und Überwa- chungsleistungen nicht von privater Hand entwickelt Aber die Voraussetzung dafür ist, daß sich die Re- bzw. erbracht werden sollen. Diese tun es mit Sicher- formbereitschaft gegenüber den Beharrungskräften heit effizienter, maßgerechter und folglich auch bes- durchsetzt, den Beharrungskräften, die jetzt insbe- ser. sondere in der Bundesratsmehrheit und in der Bun- destagsopposition zu finden sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ja, ja, jetzt haben wir es wieder! - Zuruf von der SPD: Liebe Kollegen und Kolleginnen, insbesondere im Wo denn noch?) Dienstleistungssektor wäre mehr Beschäftigung möglich, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Aber, liebe Kollegen und Kolleginnen von der Op- der Vereinbarung der Arbeitsbedingungen sowie der position, ich bin sehr, sehr zuversichtlich, daß sich Löhne und Gehälter mehr Freiheit hätten, als das ge- die Menschen in Niedersachsen, in Sachsen-Anhalt genwärtig der Fall ist. Gerade im Arbeitsrecht muß und in ganz Deutschland Deregulierung eine Daueraufgabe sein. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Bayern!) Daß wir auf dem richtigen Weg sind, hat mir diese für die Reformkräfte der Zukunft entscheiden wer- Woche ein Treffen mit dem Handwerksverband ge- den. zeigt, Vielen Dank. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Donner wetter!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - bei dem uns gesagt worden ist, daß unsere Deregu lierung im Arbeitsrecht, infolge derer die Schwelle Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat für den Kündigungsschutz auf zehn Arbeitnehmer jetzt die Kollegin Heidi Knake-Werner. 19702 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Frau Präsidentin! Drittens. Was haben die Abschaffung des Schlecht- Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin wettergeldes, die Aufweichung des Kündigungs- Wöhrl, auch ich bin davon überzeugt, daß sich die schutzes und die Einschränkung der Lohnfortzah- Menschen in Niedersachsen, in Sachsen-Anhalt und lung gebracht? Arbeitsmarktpolitisch ein Flop nach am 27. September auch in der gesamten Bundesre- dem anderen. Das gilt für Ihr großangekündigtes Al- publik für die Reformkräfte in diesem Land entschei- tersteilzeitgesetz ebenso wie für das Arbeitsförde- den werden. rungs-Reformgesetz. Da hat Ihnen sogar der ,,Focus" die Pleite bescheinigt. (Beifall bei der PDS) Mit dieser Politik bekämpfen Sie nicht die Arbeits- Gestern ging die Meldung durch die Medien, daß losigkeit, sondern die Arbeitslosen. Sie tragen die der Neubau des Bundeskanzleramtes in Berlin Verantwortung dafür, daß weiterhin Monat für Monat 70 Millionen DM teurer werden darf. Aber für einen mehrere hunderttausend Arbeitsplätze verschwin- Antrag, den die Regierungskoalition heute unter den. dem anspruchsvollen Titel „Arbeit ist genug vorhan- den - Neue Initiativen zur Beschäftigungsförderung" Die schlimmsten Einbrüche sind auch in diesem einbringt, wird keine müde Mark bereitgestellt. Das, Monat wieder in Ostdeutschland zu verzeichnen. Bei was Sie hier vorhaben, ist doch ein völlig durchsichti- einer Arbeitslosenquote von über 21 Prozent ist do rt ges Wahlkampfgeklapper. Diese A rt von Prioritäten- inzwischen jede fünfte Frau bzw. jeder fünfte Mann setzung in Ihrer Politik ist es, die die Menschen zu- arbeitslos. Deutlicher kann man den Bankrott Ihrer nehmend auf die Palme bringt - und, wie ich finde, Politik wirklich nicht mehr machen. zu Recht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den Arbeits- (Beifall bei der PDS) losenzahlen von heute sind wir aber längst noch nicht auf dem traurigen Rekord. Schon sind weitere Für Repräsentations- und Prestigeprojekte wird Arbeitsplatzverluste in erheblicher Größenordnung das Geld mit vollen Händen ausgegeben. Bei den Ar- angekündigt, insbesondere in den Schlüsselindu- beitslosen aber, bei den Sozialhilfeempfängerinnen strien. Der Dienstleistungsbereich wird diese eben und -empfängern wird gespart, gestrichen und ge- nicht auffangen. kürzt, was das Zeug hält. Wer noch immer behauptet, der Arbeitslosigkeit sei heute kostenneutral beizu- Wir stehen in der Tat vor tiefgreifenden Umbrü- kommen, der will sie nicht wirklich bekämpfen. chen und brauchen den Umbau dieser Arbeitsgesell- schaft. Wir brauchen jetzt eine Trendwende auf dem Im Januar hat der Bundesarbeitsminister Blüm alle Arbeitsmarkt. Sie muß heute eingeleitet werden. Mitglieder der Regierungsfraktionen mit einer um- Aber was Sie mit dem auf vier Seiten beschriebenen fangreichen „Fleißkärtchenbilanz" ausgestattet. Papier vorlegen, verläuft genau nach dem hilflosen Akribisch genau zählt er dort auf, wie durch seine Motto: Augen zu - und weiter so! Aktivitäten allein 1997 38 Milliarden DM im Bereich der Arbeitsförderung und der Arbeitslosenversiche- (Beifall bei der PDS) rung eingespart worden sind. 38 Milliarden DM an Einsparungen! Das kann man ja wollen, und offen- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich schließe die sichtlich wollen Sie das. Wenn Sie diese Einsparun- Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung gen aber schon vornehmen - zu Lasten der sozialen der Vorlagen auf den Drucksachen 13/5353, 13/9599, Situation von Arbeitslosen und zu Lasten der aktiven 13/9741 und 13/9743 an die in der Tagesordnung auf- Arbeitsmarktpolitik -, dann hätten Sie, Herr Minister, geführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie ein- wenigstens erklären sollen, was diese Einsparungen verstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Über- zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit beigetra- weisungen so beschlossen. gen haben. Eine solche Bilanz hätte ich mir von dem Bundesarbeitsminister dieser Regierung in dieser Si- tuation gewünscht. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nor- Nicht eine konkrete Zahl taucht in Ihrem Papier be unter dem Punkt „Beschäftigungsförderung" auf. rt Otto (Erfurt), Dr. Hermann Pohler, Ger- Kein Wunder; denn Sie haben hinsichtlich der Ef- hard Schulz (Leipzig) und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Jürgen fekte auf dem Arbeitsmarkt nur Negativrekorde vor- zuweisen. Türck und der Fraktion der F.D.P. Absatzförderung für Produkte aus Ost- Ich will Ihnen einmal meine Bilanz aufführen. Er- deutschland stens. Was hat das Arbeitszeitgesetz mit seinen Gummiparagraphen an Arbeitsplätzen gebracht? - Drucksache 13/9385 — Überstunden in Milliardenhöhe statt neue Beschäfti- Überweisungsvorschlag: gungsverhältnisse. Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Zweitens. Was hat die Änderung des Ladenschluß- Haushaltsausschuß gesetzes gebracht? Abbau von Vollzeitarbeitsplätzen und mehr Frauen in ungeschützten Beschäftigungs- b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolf- verhältnissen, die Sie auch do rt lassen wollen, wie gang Ilte, Ernst Bahr, Tilo Braune und weiterer Sie jetzt verkündet haben. Abgeordneter Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19703

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Absatzförderung für Produkte aus Ost- Produkten und des Lieferantenprofils hier auf die Ge- deutschland fahren aufmerksam zu machen. - Drucksache 13/8080 Unter diesem Gesichtspunkt kommt es in bezug —Überweisungsvorschlag: auf die Absatzförderung nicht nur auf finanzielle Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Hilfe an, sondern es geht auch um vertrauensbil- Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dende Maßnahmen. Haushaltsausschuß Für die Aussprache ist eine Dreiviertelstunde vor- Unter „vertrauensbildenden Maßnahmen" ver- gesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so stehe ich unter anderem die verstärkte Teilnahme beschlossen. ostdeutscher Unternehmen an Wirtschaftsdelegatio- nen der Bundesregierung und der jeweiligen Lan- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst desregierung; denn der potentielle Kunde wird mit der Abgeordnete Hermann Pohler. Recht davon ausgehen, daß nur vertrauenswürdige Unternehmen mit echter Zukunftschance an solchen Dr. Hermann Pohler (CDU/CSU): Sehr geehrte Reisen teilnehmen. Es ist daher erfreulich festzustel- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach len, daß auf Bundesebene 1997 zirka 110 ostdeutsche der Umstellung des Wirtschaftssystems im Zuge der Unternehmen an Ministerreisen teilnahmen. Zu er- deutschen Einheit und den wirtschaftlichen Verände- wähnen ist auch, daß im Rahmen gesamtdeutscher rungen in Mittel- und Osteuropa war der Absatz der Exportförderveranstaltungen 1997 zirka 420 ostdeut- ostdeutschen Indust rie- und Nahrungsmittelpro- sche Unternehmen an über 40 Veranstaltungen im dukte innerhalb kürzester Zeit rapide gesunken. In- und Ausland beteiligt waren. Trotz des erfolgreichen Umstrukturierungs- und Auf- bauprozesses in den letzten Jahren sind ostdeutsche All diese Maßnahmen, zu denen auch Projekte zur Unternehmen nach wie vor unterproportional am Vermarktungshilfe zählen, sind wirksame Hilfen zur Markt vertreten. Selbsthilfe. Die Politik kann nur flankierend, gewis- sermaßen als Türöffner, tätig sein; denn für die Unter- Obwohl immer mehr wettbewerbsfähige Produkte nehmens- und Absatzstrategie ist der Unternehmer angeboten werden können, bestehen nach wie vor verantwortlich. erhebliche Probleme, diese Produkte abzusetzen. Die Ursachen für die Absatzschwierigkeiten sind vielfäl- Daß diese begleitenden Maßnahmen von den Un- tig. Neben der Eigenkapitalschwäche der ostdeut- ternehmen angenommen und erfolgreich genutzt schen Unternehmen gibt es viele weitere Gründe: werden, zeigt auch die Tatsache, daß sich der Außen- Um ein Produkt absetzen zu können, muß es entwe- handelsumsatz der neuen Bundesländer im ersten der deutlich besser sein als die Produkte der Konkur- Halbjahr 1997 gegenüber dem gleichen Vorjahres- renz oder deutlich billiger, um diese vom ange- zeitraum um 9,9 Prozent auf 40,7 Milliarden DM er- stammten Platz zu verdrängen. Hinzu kommen hohe höht hat. Damit setzt sich die seit 1994 eingetretene Anforderungen der Großabnehmer im Hinblick auf positive Entwicklung im Außenhandel der neuen Rabatte und gleichbleibende Qualität. Bundesländer weiter fo rt. Zu einem guten und absatzfähigen Produkt gehört Ich meine, das sind bemerkenswe rte Zahlen, auch aber auch die kundenorientierte Vermarktung, also wenn die Ausgangsbasis niedrig ist; denn insgesamt das, was heute so schön neudeutsch unter „Marke- ist der Anteil der neuen Bundesländer am gesamt- tingstrategien" zu verstehen ist. Oft sind es der feh- deutschen Außenhandelsumsatz mit 5,2 Prozent lende Bekanntheitsgrad eines Produktes oder aber noch unbefriedigend. die Vernachlässigung der Käufermentalität, die den Absatz erschweren. Hier kann insbesondere auch Diese Ergebnisse müssen uns Anlaß sein, den ein- das von der Deutschen Ausgleichsbank geförderte geschlagenen Weg nicht nur weiter zu beschreiten, Patenschaftsprogramm eine gute Hilfestellung lei- sondern noch effektivere Maßnahmen zu suchen, um sten. den positiven Trend weiter zu beschleunigen. (Vo r sitz: Vizepräsidentin Michaela Geiger) Diesem Ziel dient nicht nur der von uns vorgelegte und heute zur Diskussion stehende Antrag zur Ab- Entscheidend für die potentiellen Abnehmer ist satzförderung, sondern auch der Erfahrungsaus- nicht nur das Vertrauen in das Produkt, sondern auch tausch des Wirtschaftsausschusses mit ostdeutschen die Solidität des anbietenden Unternehmens. Lang- Unternehmen und Institutionen, der im Frühjahr die- fristige Geschäftsbeziehungen werden nur dann auf- ses Jahres auf unsere Anregung zu Fragen der Ab- gebaut, wenn die Abnehmer zuversichtlich davon satzförderung in Leipzig durchgeführt wird. Ich bitte ausgehen können, daß sie von ihren Pa rtnern auch hierzu im Sinne der Sache um konstruktive Mitar- noch im nächsten Jahr und darüber hinaus beliefe rt beit. werden. Wenn allerdings täglich - nicht nur in den Medien - der Eindruck erweckt wird, daß das Recht schönen Dank. Schwert des Konkurses über den ostdeutschen Un- ternehmen schwebt, so sind diese Äußerungen kon- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) traproduktiv. Ich will hier die finanziellen Schwierig- keiten vieler Unternehmen in den neuen Bundeslän- dern weder ignorieren noch verharmlosen; doch es Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat der muß erlaubt sein, im Interesse der Vermarktung von Abgeordnete Wolfgang Ilte, SPD-Fraktion. 19704 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Wolfgang Ilte (SPD): Sehr verehrte Frau Präsiden- Die ostdeutschen Produzenten mit ihren teilweise tin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Pohler, Ur- über 100jährigen Traditionsmarken brauchen wieder sprung und Ausgangspunkt waren sicherlich nicht eine Chance beim Kunden - und zwar in West- die Förderung des Absatzes der ostdeutschen Indu- deutschland. Der Handel kann aber mit neuen oder strie im Export. Ausgangspunkt unserer ursprünglich anderen Produkten nur handeln, wenn der Kunde sie gemeinsam ins Leben gerufenen Initiative war der auch kauft. Dafür brauchen diese Produkte nun ein- Absatz ostdeutscher Produkte in Westdeutschland. mal einen entsprechenden Bekanntheitsgrad. Aber Daß der Absatz innerhalb Ostdeutschlands hängt, das Preis-Leistungs-Verhältnis muß auch akzeptabel wissen wir alle. Daß der Absatz ostdeutscher Pro- sein; da haben Sie völlig recht. Denn auch Produkte dukte im Export hängt, das wissen wir auch. Aber aus Ostdeutschland müssen letztlich am Markt be- die Ausgangslage war ursprünglich eine andere. stehen.

Die Absatzförderung für Produkte aus Ost- Was kann die Politik denn hierbei leisten? Als aller- deutschland war das Thema, das sich eine partei- erstes können wir Politiker dafür sorgen, daß ein be- übergreifende Arbeitsgruppe von Abgeordneten die- stimmtes Problembewußtsein geschaffen wird. Das ses Hauses gestellt hatte. Als diese Arbeitsgruppe war eigentlich auch der ursprüngliche Sinn dieser Anfang 1996 langsam ins Laufen kam, glaubte ich, Arbeitsgruppe. Aber auch dann, wenn dieses Pro- daß alle Beteiligten hierbei eben nicht die parteipoli- blembewußtsein geschaffen sein sollte, braucht man tische Profilierung suchten, sondern daß sie der weiterhin eine permanente Einflußnahme. Es muß Wunsch einte, ein Stück zur deutsch-deutschen Nor- doch nun einmal jeder auch sein eigenes persönli- malität beizutragen. Wir waren der Auffassung, daß ches Kaufverhalten analysieren, und er wird bald es an der Zeit sei, auch in Stuttga rt, Köln oder Ham- feststellen, daß dieses spezielle Problembewußtsein burg Produkte kaufen zu können, die in den fünf noch lange nicht vorhanden ist - auch bei uns selbst. neuen Bundesländern hergestellt wurden. Natürlich wird kein Händler hier in Bonn beispiels- weise ab morgen ostdeutsche Produkte ins So rtiment (Beifall des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS]) aufnehmen, weil irgend jemand einmal nachgefragt hat. Aber wenn der Zehnte nachfragt, dann wird der Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß auch Händler möglicherweise beim nächsten Einkauf zu- Kunden in Düsseldorf oder Köln mittlerweile bereit mindest auf das Produkt aufmerksam. Schon dann sind, ein Stück Butter zu essen, das in Schwe rin her- haben wir etwas erreicht. gestellt wurde. Das Problem ist nur: Wie bekommt Eine solche Situation erreicht man nicht mit einer man das hin? Wir mögen noch so sehr an den Hanno- einmaligen Aktion, sondern hier ist, wie gesagt, per- veraner Kunden appellieren, er möge doch bitte ost- manente Einflußnahme erforderlich. Das kann Politik deutsche Produkte kaufen - solange er sie in den Re- auch nicht allein leisten; dazu brauchen wir, wie ge- galen nicht vorfindet, wird er dies beim besten Willen sagt, die Öffentlichkeit und insbesondere die Me- nicht tun können. dien. Die Frage kann also nur lauten: Wie bringe ich die (Norbert Otto [Erfu rt] [CDU/CSU]: Richtig!) Produkte zum Kunden? Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, daß auch in den Führungsetagen Politik kann darüber hinaus noch Unterstützung für des deutschen Einzelhandels das Verständnis für die Marketing und Werbung leisten; dies ist selbstver- Lage der ostdeutschen Produzenten durchaus gege- ständlich ebenfalls dringend erforderlich. Wir kön- ben ist. Dennoch müssen wir als Politiker akzeptie- nen zusätzlich das Einkaufsverhalten von Bundesbe- ren, daß insbesondere in der heutigen wirtschaftli- hörden oder Unternehmen in Bundesbesitz ändern. chen Lage eines jeden Unternehmens kaufmännisch Es ist doch ein Skandal, wenn Uniformen für unsere verantwortungsvoll zu kalkulieren ist, und zwar nicht Bundeswehr in Indonesien hergestellt werden, wäh- nur im Interesse einer Gewinnmaximierung, wie hier rend wir gleichzeitig Textilarbeiterinnen und Textil- vielfach unterstellt wird - jeder weiß, wie gering die arbeiter in Brandenburg und Sachsen in die Arbeits- Gewinnspanne derzeit im Einzelhandel ist -, sondern losigkeit schicken. mindestens mit dem gleichen Stellenwert auch auf (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Grund der Verantwortung gegenüber den Mitarbei- ten der PDS) terinnen und Mitarbeitern der jeweiligen Unterneh- men. Deren Arbeitsplätze sind nun einmal nur dann Dies alles hatte sich die Arbeitsgruppe auf die sicher, wenn das Unternehmen auch schwarze Zah- Fahne geschrieben. Wie kommt es nun, daß von der len schreibt. ursprünglichen interfraktionellen Eintracht bei dieser Problematik heute offensichtlich nicht mehr viel ge- Dies scheint bei oberflächlicher Betrachtung ein blieben ist? Der interessierte Zuschauer wird sich fra- gordischer Knoten zu sein, den man aber, so glaube gen: Wie kommt es denn, daß hier auf einmal zwei ich, durchaus lösen kann. Annähernd gleiche Le- konträre Anträge eingebracht werden? Um dies zu bensbedingungen in ganz Deutschland zu schaffen beantworten, muß man vielleicht ein bißchen in die erfordert auch eine annähernd gleiche Wertschöp- Historie zurückgehen. Im März 1996 fanden erste fung. Als Alternative dazu bleiben demzufolge nur Kontaktgespräche statt, um eine solche Arbeits- noch Transferleistungen. Für unsere Gesellschaft ist gruppe zu gründen. Wie gesagt, das war schon 1996, - es nun einmal allemal besser, Ostdeutschland in die jetzt haben wir 1998. Im Mai haben wir es dann ge- Lage zu versetzen, seinen Lebensstandard selbst zu schafft, diese Arbeitsgruppe zu installieren, und es erarbeiten. wurden die Ziele abgesteckt und die Initiativen for- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19705

Wolfgang Ilte muliert, mit denen wir ein Ergebnis erreichen woll- letzte Fassung stammt vom 2. Juni 1997. Um zeitnah ten. im September in den Deutschen Bundestag zu kom- men, wurde in der Arbeitsgruppe verabredet, noch Zum Auftakt sollten drei Dinge parallel laufen: vor der letzten Sommerpause diesen Antrag als zum einen eine medienwirksame Präsentation ost- Gruppenantrag in den Deutschen Bundestag einzu- deutscher Produkte hier in Bonn, unterstützt durch bringen - Gruppenantrag deshalb, damit er eben bundesweite Presse; zum zweiten, parallel dazu, eine nicht im Vorfeld die gesamten Gremien der Fraktio- Beilage in den Mitgliedermagazinen der beteiligten nen durchlaufen mußte, sondern damit wir die Mög- Parteien, und die dritte parallele Aktion war die For- lichkeit bekämen, ihn nach Einbringung an die Aus- mulierung eines gemeinsamen interfraktionellen An- schüsse zu überweisen und über eine zweite und trages, um auch hier, in diesem Hause, eine politi- dritte Lesung weitere Öffentlichkeit herzustellen. sche Diskussion beginnen zu können, die dann fort -geführt werden sollte. Im Oktober 1996 waren die er- Wir haben uns an diese Verabredung gehalten. Ich sten Entwürfe eines solchen interfraktionellen Antra- habe in Absprache mit den Kollegen von CDU und ges fertig, und im März 1997 lag der erste Entwurf F.D.P. diesen Antrag mit den Unterschriften von SPD auf dem Tisch. und Bündnis 90/Die Grünen in der letzten Sitzungs- Nun muß man der Öffentlichkeit ruhig einmal er- woche im Parlamentssekretariat eingebracht. Noch läutern, wie so etwas vor sich geht. Ich habe damals in der letzten Sitzungswoche erhielt ich die Zusage, die aus meiner Sicht wichtigen Punkte aufgeschrie- daß die Unterschriften von CDU und F.D.P. im Rah- ben und entsprechend formuliert. Da stand natürlich: men der von ihren Fraktionen geplanten Sondersit- Die Bundesregierung muß endlich dieses oder jenes zung in der ersten sitzungsfreien Woche in der Som- machen. Erwartungsgemäß hat dann die Koalitions- merpause nachgereicht werden. Darauf haben wir seite diese Vorschläge mit Hilfe des Bundeswirt- uns verlassen. Noch am 26. August, also in der Wo- schaftsministeriums umgearbeitet. Die Formulierung che vor der Ausstellung, als wir die gemeinsame erfolgte nach dem Tenor: Die Bundesregierung wird Bundespressekonferenz abhielten und auch dort gebeten, die positive Politik fortzuführen. Schön, das schon diesen Antrag gemeinsam ankündigten, war sind nun einmal parlamentarische Spielchen, aber von einer Aufkündigung der Zusammenarbeit keine damit kann man ja leben. Rede. Zur gleichen Zeit empfing der Kanzler die Chefs Im Laufe des Septembers taten mir eigentlich nur der führenden Handelsunternehmen zu einer Be- die Beamten des Parlamentssekretariats leid, weil sie sprechung, deren wesentliches Ergebnis zum einen nun nicht wußten, was sie mit dem Antrag machen die Zusage der Verdoppelung der Einkäufe aus Ost- sollten. Ich bat den zuständigen Beamten, den An- deutschland und zum anderen die Ausrichtung einer trag noch zurückzuhalten mit dem Argument, es Messe für Ostprodukte vom 1. bis 3. September in würden noch Unterschriften aus CDU und F.D.P. Düsseldorf war. In aller Bescheidenheit sei mir an kommen. Natürlich hatte ich Verständnis, daß er sich dieser Stelle erlaubt, anzumerken, daß ich glaube, in einer gewissen Zwickmühle befand. Es waren ge- am Zustandekommen dieses Treffens einen kleinen nügend Unterschriften auf dem Gruppenantrag, er Anteil gehabt zu haben, worauf ich nicht näher ein- war im Juni von mir eingebracht, mit Eingangsstem- gehen möchte. Ich möchte vielleicht dazu doch noch pel versehen, eigentlich hätte das Sekretariat ihn vor- so viel sagen: In einem anderthalbstündigen Ge- legen müssen. Bis Ende September konnte ich das spräch mit dem damals zuständigen Staatssekretär Verfahren hinauszögern. Wir haben also noch drei Dr. Ludewig hatte ich zumindest den Eindruck ge- Monate gewartet. Danach mußten wir uns entschei- wonnen, daß die Regierung die Problematik endlich den: Bringen wir ihn ein, oder ziehen wir ihn zurück? erkannt hat und auch durchaus bereit ist, nach Lö- Ich habe vorher noch einen dringenden Hilferuf sungsmöglichkeiten zu suchen. Ob mittlerweile sein schriftlich an den Kollegen Otto geschickt, doch die Nachfolger die gleiche Einsicht zeigt, muß man aller- Arbeitsgruppe einzuberufen, um weitere Zielstellun- dings derzeit bezweifeln. gen und weitere Vorgehensweisen zu besprechen, Trotzdem aber ergab sich die Möglichkeit, genau was im übrigen bis heute nicht passiert ist. Als Ant- diese Einkaufsmesse in Düsseldorf zu nutzen, um wort erhielt ich zwei Tage später einen B rief, in dem zeitnah unsere Vorstellungen verwirklichen zu kön- stand, die CDU-Fraktion habe noch Beratungsbedarf. nen. Das heißt zum einen die Präsentation der Bei- Das muß man sich einmal vorstellen: über anderthalb lage, die von den Mitgliedermagazinen „Union" und Jahre einen Antrag fraktionsübergreifend beraten, „Vorwärts" im Monat September herausgebracht der in seiner Endfassung durch das Bundeswirt- worden ist, was im übrigen noch unter der dankens- schaftsministerium gelaufen ist und dessen erklärtes werten Mitwirkung des Generalsekretärs der CDU, Ziel es war, ihn ohnehin vor Verabschiedung in die Herrn , und unseres Bundesgeschäfts- Parlamentsgremien zu überweisen. führers Franz Müntefering im Rahmen einer Bundes- pressekonferenz mit echtem bundesweitem Interesse Jeder, der sich unseren Antrag vornimmt, wird geschah. leicht feststellen, daß dies natürlich kein üblicher An- trag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ist. Derar- Nur die parallele Behandlung der seit anderthalb tige Formulierungen würden uns gar nicht einfallen. Jahren vorbereiteten parlamentarischen Initiative Nichtsdestotrotz wurde der Konsens aufgekündigt. klappte nicht. Warum? Woran lag das? Wir hatten, Ich muß Ihnen ehrlich gestehen: Ich weiß bis heute wie gesagt, im März im wesentlichen die Fassung nicht, warum. Möglicherweise erfahren wir es noch fertig. Sie wurde noch mehrfach überarbeitet. Die heute in der Debatte. 19706 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Wolfgang Ilte Anfang Januar dieses Jahres sicke rte nun in unse- des stehen wir nicht zur Verfügung. Dazu ist uns das rer Fraktion durch, daß die Koalition im Dezember in Thema viel zu ernst. aller Eile einen eigenen Antrag zusammengestrickt hat, um diesem hier irgend etwas entgegenzusetzen. Vielen Dank. Daraus ergibt sich für mich nur die Schlußfolgerung, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ daß Sie als Koalition nicht einmal in dieser Frage be- DIE GRÜNEN) reit sind, einen Konsens zu wollen.

(Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile das Wort jetzt dem Abgeordneten Jürgen Türk, F.D.P.- Sie hatten anderthalb Jahre Zeit, alle Ihre Vorstellun- Fraktion. gen einzubringen. Ich kann Ihnen versichern, im In- teresse der Sache hätten wir bis auf die eine oder an- dere Formulierung inhaltlich auch das mitgetragen, Jürgen Türk (F.D.P.): Sehr geehrte Frau Präsiden- was Sie heute aus der Tasche zaubern. tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich, lieber Kollege Ilte, über die Bürokratie, wie man einen Antrag stellt, jetzt nicht unterhalten, son- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- dern zur Sache kommen. Wenn die Koalition und die ter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordne- SPD jetzt auch getrennt beantragen, so haben wir, ten Enkelmann? Kollege Ilte, doch hoffentlich auch weiterhin das ge- meinsame Interesse, den Absatz für Produkte aus Ostdeutschland zu fördern. Wolfgang llte (SPD): Gerne. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Monika Ganseforth [SPD]: Warum beantra Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte. gen Sie dann getrennt!) Die Absatzförderung ist auch deshalb wichtig, weil Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): Kollege Ilte, wenn nur das abgesetzte Produkt bezahlt wird - wenn es es Ihnen tatsächlich um die Sache ging, wenn es Ih- bezahlt wird. Nur mit dem eingenommenen Geld nen tatsächlich darum ging, den Absatz von Ostpro- kann man Arbeitsplätze erhalten. Diese Absatzförde- dukten zu fördern, warum haben Sie dann nicht auch rung soll keine Dauerveranstaltung werden, sondern PDS-Abgeordnete gefragt, ob Sie den Antrag mit un- ein Nachteilsausgleich sein, um Chancengleichheit terstützen? beim Markteintritt zu erreichen; denn Nachteile sind noch immer vorhanden: Ostmärkte sind weggebro- chen; Westmärkte waren und sind besetzt; der Be- (SPD): Frau Kollegin Enkelmann, wir Wolfgang Ilte kanntheitsgrad der Produkte ist noch immer gering; haben natürlich überlegt, mit wem wir das alles ma- die Mittel für die Werbung sind knapp bzw. nicht vor- chen können. Dabei war die Frage: Ist die Mitarbeit handen; das gleiche gilt für das Vermarktungs- der PDS hilfreich? Es ist nicht persönlich gemeint, ich Know-how. habe mit der PDS kein Problem. Aber die Frage war, ob die Mitgliederzeitschrift der PDS tatsächlich in Wie kann der Handicapausgleich erreicht werden? Düsseldorf, Hamburg oder München gelesen wird Erstens durch Erhöhung des Bekanntheitsgrades. und, wenn ja, in welchem Umfang. Das muß man Denn was der Kunde nicht kennt, das kauft er natür- sich an dieser Stelle fragen. lich nicht; und was nicht gekauft wird, wird natürlich auch nicht gelistet. Das erklärte Ziel war nicht, Frau Enkelmann, die Förderung von Ostprodukten in Ostdeutschland Ein guter Anfang zur Verbesserung des Bekannt- durchzusetzen, wo die PDS sicherlich eine hilfreiche heitsgrades war natürlich die Konsumgütermesse - Unterstützung gewesen wäre. Wir haben uns auf die das muß man hier einfach sagen: dazu hat Herr Ilte Fahne geschrieben, ostdeutsche Produkte in West- beigetragen -, die vom 1. bis 3. September 1997 in deutschland abzusetzen. Da erschien Ihre Hilfe aus Düsseldorf stattgefunden hat. Sie wurde überaus gut unserer Sicht nicht erforderlich. Ich habe von Ihnen genutzt, nämlich von über 900 ostdeutschen Ausstel- auch nicht gehört, Frau Enkelmann, daß Sie da unbe- lern, die ihre Leistung zeigen und Kontakte knüpfen dingt mitmachen wollten. konnten. (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Darauf muß man aufbauen, und man muß diese Abgeordneten der CDU/CSU) Messe zu einer festen Institution etablieren. Darum muß 1998, und zwar im Rahmen der Einkaufsoffen- Zu der Situation, daß Sie heute einen Antrag aus sive „Neue Bundesländer 2000", die am 6. November der Tasche zaubern, den wir bereits seit einer Woche 1997 in Berlin konstituiert wurde, eine Nachfolge- kennen, müssen Sie mir erlauben, zu sagen, daß ich messe organisiert werden. die Art und Weise des Umgangs miteinander, Herr Kollege Otto - das gilt auch für Ihre Fraktionskolle- Wir sollten bei der Vermarktungshilfe für ostdeut- gen -, als eine Frechheit empfinde, die- entweder sche Konsumgüter aber nicht stehenbleiben. Hier Ausdruck der eklatanten Unfähigkeit der in der Sa- muß und kann eine Erweiterung auf den Schwer- che handelnden Personen ist oder aber ein parteipo- punkt Investitions- und Ausrüstungsgüter, also verar- litisches Ränkespiel Ihrer Fraktionsführung. Für bei- beitendes Gewerbe, erfolgen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19707 Jürgen Türk Warum soll es eine solche Messe nicht in den ginnen! Ursprünglich sollte heute ein interfraktionel- neuen Bundesländern geben, zum Beispiel in Cott- ler Antrag verhandelt werden. Offensichtlich ist sich bus? die Koalition jedoch nicht zu schade, auch dieses Thema zum Wahlkampfthema zu machen, so daß da- (Beifall der Abg. Lisa Peters [F.D.P.]) bei letztendlich zwei Anträge mit Bleichlautendem Unsere Messe-GmbH hat dort in den letzten Jahren Titel und teilweise identischem Inhalt herausgekom- Erfahrungen gewonnen. men sind. Die großspurige Ankündigung in Form einer gemeinsamen Hochglanzbroschüre - anfangs Warum soll man nicht Kunden und Verbraucher noch mit der SPD - und der gemeinsamen Pressekon- zum Produzenten holen und das mit touristischen ferenz ist in diesem jetzt eiligst eingebrachten Antrag Angeboten verbinden? Das ist ein ernstgemeinter gelandet. Eine parteiübergreifende Initiative zur par- Vorschlag. lamentarischen Umsetzung war mit der CDU nicht Über die Messen hinaus kann ich mir zwar keine mehr möglich. Butterfahrten - Sie haben von Butterfahrten gespro- chen, Herr Kollege Ilte -, aber gut organisierte Futter- (Jürgen Türk [F.D.P.]: Das ist gar nicht kor fahrten vorstellen, das heißt Schnuppertouren mit rekt!) Bus, Bahn oder Zweirädern in die neuen Bundeslän- Die Produkte aus ostdeutscher Produktion sind in- der. Auch so lernt man Ostprodukte und das Land zwischen in den neuen und alten Bundesländern kennen. trotz alledem so gefragt wie nie zuvor, und zwar auch Marktöffnung und Absatz bleiben die größte Her- ohne einen interfraktionellen Antrag. Die Produkte ausforderung in Ostdeutschland. erreichen in den neuen Bundesländern inzwischen wieder einen Marktanteil von 50 Prozent. In den Ein zweiter Weg ist die gezielte Unterstützung von alten Bundesländern hängt er jedoch noch immer bei Existenzgründern. Dabei reicht es nicht, Gewerbe- rund 3 Prozent. räume günstig zur Verfügung zu stellen. Vielmehr ist es notwendig, den innovativen Unternehmer von der Eine Umfrage der Agrarmarketinggesellschaft Idee bis zum verkauften Produkt zu unterstützen und Sachsen-Anhalt hat ergeben, daß fast alle westdeut- zu begleiten. Hierzu ist noch mehr bzw. grundsätz- schen Befragten Produkte aus den neuen Bundeslän- lich das umfangreiche Netz von ostdeutschen Grün- dern probieren möchten, diese dazu aber stärker an- dungs- und Technologiezentren zu nutzen. geboten werden müßten. Es geht nicht darum, ir- Eine dritte Notwendigkeit ist die noch bessere Un- gendwelchen Jammer-Ossis neue Zuschüsse zu ge- terstützung der Markterschließung im Ausland - wir ben, sondern darum, die Rahmenbedingungen zu haben gestern im Wirtschaftsausschuß darüber ge- schaffen, um eine real existierende Nachfrage mit sprochen -, wie zum Beispiel der Einsatz von Know- einem entsprechenden Angebot bef riedigen zu kön- how, von Baumaterialien und Dienstleistungen in nen. China. Das ist ein großer Markt. Hier müssen ange- Die von Sachsen-Anhalt 1996 ins Leben gerufene sichts der riesigen Chancen mindestens eine Förde- Aktion „Ostpakete für den Westen" war ein voller Er- rung der Entwicklung von Marktzutrittskonzeptio- folg. Sie hat zu einem hohen Öffentlichkeitsinteresse nen und die Zusammenführung von Interessenten, geführt. Sie hat den teilnehmenden Unternehmen der sogenannte Firmenpool, möglich sein. Wenn das und den teilnehmenden Produktmarken zu einem durch Bündelung vorhandener Möglichkeiten geht, wesentlichen Aufschwung verholfen und hat die Ak- ist das um so besser. tivitäten der Parteien und Fraktionen im Bundestag Das gleiche gilt zum Beispiel auch für Vietnam und mit ausgelöst. für Länder, in denen ostdeutsche Firmen schon vor der Wende auf dem Markt waren und wo riesiger Be- Ich denke, daß dies gezeigt hat, daß eine Absatzer- darf beim Infrastrukturaufbau besteht. Hier sollten höhung auch in den alten Bundesländern möglich und müssen wir wegen des großen Marktes, der do rt ist, daß vor allem der Bedarf an diesen Produkten exi- mit Sicherheit kommt, unterstützen. Auch hier geht stiert. Eine weitere Investition in der Ernährungs- es um den so wichtigen Anschub für selbsttragende industrie als einer der beschäftigungsintensivsten Projekte mit immenser Wertschöpfung. Branchen ist gerade in den neuen Bundesländern vor dem Hintergrund der heute morgen geführten De- Und noch eines: Warum sollte der Absatzförderer - batte sinnvoll, weil sie auch Arbeitsplätze in nachge- das muß nicht immer nur der Bund sein - im Erfolgs- lagerten und nebengelagerten Bereichen nach sich fall nicht an dieser Wertschöpfung beteiligt werden? zieht.

Vielen Dank. Einzelne Traditionsmarken aus den neuen Bundes- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ländern sind inzwischen zu Marktführern avanciert. ten der CDU/CSU) Sie haben es geschafft, wie man so schön sagt. Dies hat auch nichts mehr mit Solidarität zu tun, die in den ersten Jahren nach der Eingliederung vielleicht Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat die einigen ostdeutschen Produkten entgegengeschla- Abgeordnete Steffi Lemke, Bündnis 90/Die Grünen. - gen ist. Jetzt kommt es aber darauf an, auch anderen Produkten den Markt zu eröffnen, die nicht mit so re- Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr nommierten Namen werben können und auch noch geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen und Kolle keine langjährige Tradition besitzen. 19708 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Steffi Lemke Der Aufwärtstrend für die Markenprodukte sollte Das zentrale Problem „sind und bleiben die auch andere ostdeutsche Produkte mit sich ziehen Märkte für die ostdeutschen Bet riebe - die an den und in den westdeutschen Handelsketten etablieren Westen verlorenen heimischen Märkte im Raum der können. Die zentrale Marketingorganisation hat seit früheren DDR und die Exportmärkte der Welt." - So ihrer Gründung im Jahre 1969 eine Summe von Klaus von Dohnanyi 1996. Das Bild hat sich bis heute 220 Millionen DM in die Verbesserung der Vermark- nicht verändert, obwohl nicht wenige finanzielle Mit- tung für heimische Nahrungsmittel gesteckt. Dabei tel eingesetzt wurden, um zum Beispiel die Eigenka- ist aber zu wenig herausgekommen. Der Anteil deut- pitalbasis von Unternehmen zu stärken. scher Produkte im Lebensmittelsortiment hat sich Wurden aber Maßnahmen zur Marktsicherung für insgesamt stetig verringert. Der Anteil der Ausgaben ostdeutsche Unternehmen überlegt und durchge- für Lebensmittel an den Gesamtausgaben deutscher setzt? Wurden Präferenzen beschlossen, die den Ab- Haushalte ist rückläufig. satzproblemen entgegenwirkten? Nein. Gab es staat- Die CMA hat französische und niederländische Er- liche Auflagen für Handelsketten, in den neuen Län- zeugnisse ins Visier genommen und damit auf Feind- dern regionale Produkte zumindest im Lebensmittel- bilder gesetzt, anstatt sich um die deutschen Konsu- bereich mit anzubieten? Nein. Die Nahrungshilfen mentinnen und Konsumenten zu bemühen. für Osteuropa wurden keineswegs über brachlie- gende ostdeutsche Kapazitäten realisie rt . Das Argument, man könne nicht für einzelne Mar- ken werben, weil dies Wettbewerbsverzerrung be- Aus diesen und anderen „Nein" leiten sich eine deute, und müsse statt dessen ein Gemeinschafts- Reihe von Forderungen im SPD-Antrag ab. Das Pro- marketing betreiben, hat den westdeutschen Land- blem ist aber: Wir stehen nicht am Anfang dieses Pro- wirten in den 70er und 80er Jahren ebensowenig ge- zesses, sondern sind mittendrin. bracht, wie es heute dem Bekanntheitsgrad ostdeut- Nun gibt es den Antrag der Fraktionen der CDU/ scher Qualitätsprodukte nutzt. CSU und der F.D.P. Ich will hier einmal sagen: Wenn Ich denke, daß eine Umorientierung in der Werbe- dort nicht Ihre Namen, sondern mein Name und der strategie absolut notwendig ist und daß die vorlie- der PDS gestanden hätten, wäre dieser Antrag hoff- gende Exportstrategie den Produkten und den Her- nungslos zerrissen worden. Denn das, was in diesem stellern nichts bringt. Vielmehr kann eine Exportstra- Antrag geäußert wird, zeigt das Glauben an eine tegie im Lebensmittelbereich nur solchen Unterneh- staatliche Plankommission, das Glauben an eine men, die mit beiden Füßen im deutschen Markt - so- überzentralisierte Wirtschaft. Das kann einfach nicht wohl Ost wie auch West - stehen, überhaupt eine aufgehen, was Sie dort vorhaben. Ich wundere mich Hilfe sein. nur, daß Sie so etwas aufschreiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der PDS - Zuruf des Abg. Jür sowie bei Abgeordneten der SPD) gen Türk [F.D.P.]) Die gängige Praxis von Listungsgebühren und Ein- - Herr Türk, ich will einmal zitieren: standspreisen im Handel sollte insgesamt einer Über- prüfung unterzogen werden. Ich denke, daß davon Die Industrie soll - im Vergleich zu 1995 - vor al- auch westdeutsche Landwirte und Hersteller von Le- lem das Einkaufsvolumen bis zum Jahr 2000 um bensmitteln profitieren könnten; denn Dumping- 50 % steigern ... Die Unternehmen des Handels preise im Einzelhandel nützen weder dem Verbrau- sollen ihr Einkaufsvolumen bis 1998 gegenüber cher noch den Landwirten. Die Menschen wollen 1995 verdoppeln ... keine anonymen Lebensmittel, sie wollen Transpa- Die Zitate ließen sich fortsetzen. - Auf die Idee, wie renz, Sicherheit und Identifikation in Ost wie in gesagt, den Bundestag in eine staatliche Plankom- West. Altbewährte Produkte, vertraute Markenna- mission zu verwandeln, wäre selbst ich nicht gekom- men und der regionale Bezug sind Faktoren, mit de- men. nen sich das Vertrauen der Verbraucher erwerben und auf Dauer festigen läßt. Angesichts der realen Lage und Rahmenbedingun- gen der Ostunternehmen beinhaltet die Forderung: In diesem Sinne unterstützen wir die Absatzan- strengungen der Agrarmarketinggesellschaften in 5. Die ostdeutschen Bet riebe sollen ihre Absatz- den neuen Bundesländern. strategien unternehmerisch und selbstbewußt weiterentwickeln und verfolgen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) eine Lyrik, die mir vom SED-Parteitag bekannt war. Zur Ehrenrettung der Einreicher sage ich einmal: Sie verleugnen wenigstens nicht ihre Herkunft. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Rolf Kutzmutz, PDS. (Beifall bei der PDS - Heiterkeit bei der PDS und der SPD) Rolf Kutzmutz (PDS): Verehrte Frau Präsidentin! Das alles geht doch meilenweit an der von Ihnen ver- Meine Damen und Herren! Angesichts der heute tretenen Marktwirtschaft und den inzwischen vor- schon oft diskutierten Arbeitslosenzahlen- macht es handenen praktischen Erfahrungen vorbei. ganz sicher Sinn, den kleinen wirtschaftspolitischen Ausschnitt „Förderung des Absatzes ostdeutscher In Ihrem Antrag feiern Sie die bewährte „Einkaufs- Produkte" zu besprechen. offensive Neue Bundesländer", deren Höhepunkt ja Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19709 Rolf Kutzmutz wohl die Kanzler-Messe im September in Düsseldorf Sie beweisen, daß mit Innovationsfreude und mit un- gewesen sein soll. Deren Ergebnis: „Viele gute Ge- ternehmerischer Zähigkeit auf den internationalen spräche, aber kaum etwas gelistet." Das sagt zumin- Märkten Erfolge erzielt werden können. Vor weni- dest Thomas Hambüchen, und der CMA-Geschäfts- gen Wochen, im Dezember letzten Jahres, hat Bun- führer muß es ja wohl wissen. desminister Dr. Rexrodt zusammen mit der Wi rt -schaftsinitiative „wir" einige ostdeutsche Unterneh- Die Ursachen dieser Pleite liegen weder im bösen men mit dem Exportpreis ausgezeichnet. Der erste Willen noch in Vorurteilen. Erst das Fell des erlegten Preis ging an ein Unternehmen aus Brandenburg, Bären verteilen - dies war schließlich der fatale das mit Schleif- und Trennwerkzeugen satte 85 Pro- Grundzug Ihrer Anschlußpolitik seit März 1990 -, um zent seines Umsatzes im Ausland erwirtschaftet. dann die Raubtiere - Pardon: die Marktteilnehmer - anzubetteln, doch bitte wieder ein Stück herauszu- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne rücken - wie mit dem vorliegenden Antrag -, das ist ten der CDU/CSU) nicht philanthropisch, sondern das ist ganz einfach dumm. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Ein anderes ist das des innovativen Kleinunternehmens aus Meck- Sie bieten buchstäblich nichts außer Wortgeklin- lenburg-Vorpommern, das gerade ein Elektronenmi- gel, für das Sie niemand haftbar machen kann. Mit kroskop gegen starke internationale Konkurrenz an Ihrem Absatzförderprogramm Ost erinnern Sie von die japanische Weltraumbehörde verkauft hat. Sol- der Koalition - wie auch zum Teil die Kollegen von che Beispiele zeigen: Preis und Qualität ostdeutscher der SPD, die aber zugegebenermaßen wesentlich Produkte stimmen. vorsichtiger formulieren - mich an Ärzte, die einen Beinamputierten in ein Sauerstoffzelt schieben und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sich wundern, warum er nicht gleich wieder zu lau- fen anfängt. Statt mehr Sauerstoff braucht er zu- Aus diesen Einzelbeispielen ergibt sich auch ein nächst einmal Prothesen. Gesamtbild. Die nackten Zahlen der Statistik bewei- sen: In den ersten neun Monaten von 1997 sind die Um die Wirtschaft im Osten zum Laufen zu brin- ostdeutschen Exporte um rund 26 Prozent gestiegen. gen, bräuchten wir beispielsweise Überlegungen Die Auftragseingänge der Industrie aus dem Ausland zum politischen Umgang mit der Tatsache, daß in weisen einen Zuwachs von knapp 40 Prozent im letz- Deutschland acht Handelsketten den Absatz von ten Jahr auf und gingen damit steil nach oben. 80 Prozent aller Milchprodukte kontrollieren. Statt Forderungskataloge an den Handel zu richten, ist (Beifall bei der F.D.P.) der Umgang mit Nachfragemacht im Kartellrecht zu regeln. Ist es nicht absurd, daß Sie ostdeutsche Bei den Investitionsgüterherstellern entwickelten Fleischprodukte in westdeutsche Regale puschen sich die Exportaufträge mit plus 50 Prozent sogar ge- wollen - Herr Ilte nimmt Butter mit dazu -, was so radezu boomartig. Das zeigt: Wir sind auf einem gu- nicht gelingen wird, statt sich der Tatsache zu stellen, ten Weg; die Maßnahmen greifen. daß der Selbstversorgungsgrad der neuen Länder Richtig ist aber auch: Erhebliche Probleme be- beispielsweise bei Schweinen mittlerweile bei nur stehen fort. So dürfte das Wachstum in den neuen noch 50 Prozent liegt? Die Schaffung der Rahmenbe- Ländern 1997 mit rund 2 Prozent leicht hinter dem dingungen für regionale Wirtschaftszusammenhänge westdeutschen Wachstum zurückgeblieben sein. - beispielsweise durch drastische Verteuerung der 1998 wird es ähnlich aussehen, wenn sich auch das Transporte statt aussichtsloser Fernabsatzpropa- Wachstum insgesamt etwas beschleunigen dürfte. ganda - wäre ökologisch und wirtschafts- wie ar- Der Hintergrund ist: Beim tiefgreifenden Struktur- beitsmarktpolitisch sinnvoll. wandel in Ostdeutschland steht der Rückgang des (Beifall bei der PDS) überdimensionierten Bausektors dem dynamischen Wachstum der Industrie mit etwa 10 Prozent gegen- Das sind nur zwei Beispiele für den Weg, den wir - über und zehrt dieses teilweise auf. übrigens nicht nur im Interesse des Ostens - be- schreiten müssen: ökologischer und ökonomischer Aber - auch das muß deutlich gesagt werden - die Umbau der gesamten Gesellschaft statt folgenloser Exportbasis der neuen Länder ist noch zu schmal. unverbindlicher Plattheiten. Die neuen Länder haben erst einen Anteil am ge- samtdeutschen Export von gut 5 Prozent. Viele ost- (Beifall bei der PDS) deutsche mittelständische Unternehmer haben zwar beachtliche Erfolge beim Absatz ihrer Produkte, aber eben auch noch Schwierigkeiten. Ich füge hinzu: Wie Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. könnte es denn anders sein? Die Mehrzahl der Unter- Heinrich Kolb. nehmen ist noch jung. Sie müssen sich auf einem hart umkämpften Markt erst einen Namen machen. Auch der Glanz alter Marken muß nach 40 Jahren Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Sozialismus erst wieder hart erarbeitet werden. Mar- desminister für Wirtschaft: Frau Präsidentin!- Liebe ketingerfahrung gewinnt man nicht von heute auf Kolleginnen und Kollegen! Die ostdeutschen Unter- morgen, sondern in langjähriger Praxis. Solche Ent- nehmen melden sich auf den Weltmärkten zurück. wicklungsprozesse brauchen Zeit. (Zuruf von der SPD: Ach?) (Zurufe von der PDS) 19710 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb Ich betone aber erneut: Die Erfolge werden jetzt bedeutsamer ist, daß die Hermes-Bürgschaften wei- sichtbar und sollten uns allen Mut machen. ter vorrangig für Unternehmen aus den neuen Bun- desländern zur Verfügung stehen. Um es ganz klar zu sagen: In einer Marktwirtschaft ist zuallererst der Unternehmer für den Absatz seiner Hilfen sind aber nicht allein Sache des Bundes. Produkte verantwortlich. Dafür stehen auch die ein- Vielmehr möchte ich sehr deutlich darauf hinweisen, gangs genannten Beispiele. Aber zweifelsohne ist daß auch die neuen Länder ihre regionale Verantwor- der Aufbau in den neuen Bundesländern noch nicht tung verstärkt wahrnehmen müssen, zum Beispiel selbsttragend; daher wird die Bundesregierung die- durch die Unterstützung von regionalen Messen, sen Aufbau weiterhin unterstützen. Zunächst einmal auch verstanden als Nachfolgeveranstaltungen der ist hier das mittelfristige Förderkonzept für die Zeit Düsseldorfer Messe vom September letzten Jahres. von 1998 bis zum Jahr 2004 zu nennen, mit dem wir Die westdeutsche Industrie, der Handel, die Banken im letzten Jahr die Weichen für die Festigung von In- und die Sozialpartner müssen ihre Zusagen aus der vestitionen und Innovationen gestellt haben. gemeinsamen Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland einhalten. Der Schwung der erfolg- Herr Staatsse- reichen Einkaufsmesse in Düsseldorf muß genutzt Vizepräsidentin Michaela Geiger: werden. Um es anders auszudrücken: Ostdeutsche kretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abge- ordneten Bläss? - Bitte. Produkte müssen auch in westdeutschen Regalen zu einem gewohnten Bild werden.

Petra Bläss (PDS): Herr Staatssekretär Kolb, ich (Norbert Otto [Erfurt] [CDU/CSU]: Sehr gut! möchte Sie fragen, ob Sie sich vorstellen könnten, Jawohl!) eine Idee der PDS aufzugreifen. Die PDS hat vor kur- Ich glaube sagen zu können, daß die beiden vorlie- zem bei einer öffentlichkeitswirksamen Großveran- genden Anträge zeigen, daß wir in der Zielsetzung staltung die Chance genutzt, in Köln-Chorweiler ost- mit der Opposition einig sind, den Absatz aus ost- deutsche Produkte zu verkaufen. Ich kann Ihnen sa- deutschen Unternehmen, wo immer dies möglich ist, gen, daß das ein ziemlich großer Erfolg war. Könnten zu stützen. Doch dafür müssen auch die Instrumente Sie sich vorstellen, daß auch die F.D.P. den kommen- stimmen. Wir wollen keinen neuen Interventionismus den Wahlkampf dafür nutzt, in Westdeutschland bei mit Eingriffen in unternehmerische Entscheidungen. ihren Veranstaltungen ostdeutsche Produkte zu ver- Wer neue Fördermaßnahmen des Staates will, muß kaufen? gleichzeitig sagen, wo er an anderer Stelle kürzen (Jürgen Türk [F.D.P.]: Eine gute Idee! Wahl möchte. -kampfhilfe!) Meine Damen und Herren, der Antrag der Koali- tion macht deutlich, daß wir den eingeschlagenen Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- und auch mit Erfolg begleiteten Weg konsequent desminister für Wi rtschaft: Das ist möglicherweise und mit Geduld weitergehen müssen. Ich bitte Sie, eine innovative Idee. Ich habe Schwierigkeiten mir diesen Antrag zu unterstützen. vorzustellen, dann im Kombi bei Terminen und Ver- anstaltungen durch die Lande zu fahren. - Aber Spaß (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) beiseite, Frau Kollegin Bläss: Die Bundesregierung hat ja mehr als das getan. Wir haben im letzten Jahr in Düsseldorf mit nicht unerheblichem Kostenauf- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Der letzte Red- wand eine Messe auf die Beine gestellt, an der sich ner im Rahmen dieser Debatte ist der Abgeordnete mehr als 900 Unternehmen aus den neuen Bundes- Norbert Otto, CDU/CSU-Fraktion. ländern beteiligt haben; viele davon mit großem Er- folg. 70 Prozent der Unternehmen haben bereits auf Norbert Otto (Erfurt) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! dieser Messe Verkaufsabschlüsse tätigen können, Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ein- weitere im Zeitraum nach der Messe. Ich denke, das gangs folgende Bemerkung machen. Herr Ilte, wir ist viel wirksamer als das, was Sie hier vorgeschlagen haben gut anderthalb Jahre schön, praktisch und haben. Das ist auch der Weg, auf dem wir weiter vor- praktikabel zusammengearbeitet. Ich möchte aus angehen werden. dem Auseinanderdriften der beiden Anträge jetzt (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne kein Auseinanderdriften der Zielstellungen ableiten; ten der CDU/CSU) vieles von dem, was hier gesagt wurde, ist einfach ein Orakelspiel. Wir haben die Meinung vertreten, Mit der Fortschreibung des mittelfristigen Förder- daß es besser ist, die Ergebnisse der Düsseldorfer konzepts haben wir im letzten Jahr die Weichen bis Messe abzuwarten und sie noch in der Formulierung zum Jahr 2004 gestellt. Daneben gibt es konkrete des Antrags zu berücksichtigen. Sie waren anderer Hilfen beim Absatz, die die Innovations- und Investi- Meinung, und so waren die beiden unterschiedlichen tionsförderung flankieren. Diese Absatzhilfen setzen Vorstellungen zeitlich nicht zu vereinbaren. dort an, wo der größte Nachholbedarf besteht, näm- lich beim Export. Daneben werden auch die Förde- Die Kollegin Lemke hat aber richtig gesagt: Wer rung von Inlandsmessen, von wichtigen- Auslands- die Anträge liest, weiß, daß die Zielstellungen völlig messen und die erfolgreichen Vermarktungshilfen identisch sind. Es gibt ein paar unterschiedliche For- und Vermarktungsprojekte im Ausland fortgeführt. mulierungen, die uns jedoch vom Inhalt her über- Besonders wichtig und in der Praxis vielleicht noch haupt nicht auseinanderdividieren. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19711

Norbert Otto (Erfurt) Mit unserer Vorlage wollen wir in keiner Weise in „Vorwärts" im vergangenen Jahr. Die Generalsekre- marktwirtschaftliche Regularien eingreifen. Jedoch täre Hintze und Müntefering stellten damals zusam- tragen wir Verantwortung dafür, daß die politischen men das Heft unter dem Titel „Marktplatz Deutsch- Rahmenbedingungen abgesteckt und nötigenfalls land - Qualitätsprodukte aus ostdeutschen Landen" auch angepaßt werden. Das hat überhaupt nichts mit vor. Diese Präsentation und das Sonderheft waren sozialistischer Marktwirtschaft zu tun. Wer die sozia- eine Initiative unserer überparteilichen Arbeits- listische Marktwirtschaft kennengelernt hat, weiß, gruppe zur Absatzförderung, die im März 1996 mit was hier für Unterschiede vorhanden sind. zehn ostdeutschen Kollegen gegründet wurde. Sie alle waren von dem gleichen Ziel beseelt, etwas für (Zuruf des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS]) den Absatz ostdeutscher Produkte zu tun. - Lesen Sie im Kürschner nach, dann wissen Sie, wo Das Projekt erzielte sowohl in den Medien als auch ich war. bei den Verbrauchern und Unternehmen nachhaltig Die Schieflage bei den Marktanteilen zuungunsten positive Wirkung. Außerdem zeigt der überparteili- der ostdeutschen Produkte geht in unserem Land che Charakter, daß wir eine gemeinsame Zielstellung schließlich auch auf politische Umschichtungen zu- verfolgen, die wir auch in Zukunft gemeinsam wei- rück. Wir erinnern uns: Nach der Wiedervereinigung terverfolgen werden. Für die Mitarbeit in dieser mußten die Unternehmen in Ostdeutschland mit Gruppe möchte ich noch einmal allen Mitgliedern massiver Konkurrenz aus den westlichen Ländern danken, insbesondere den Kollegen Ilte und Türk, rechnen und zurechtkommen. Zudem brachen die die die Arbeit wesentlich gestaltet haben. vormals sicheren Absatzmärkte in Osteuropa völlig weg. Ich denke, daß es mit Blick auf diese nachteilige Eine hilfreiche Maßnahme zur Erhöhung des Be- Ausgangssituation mehr als gerechtfertigt ist, wenn kanntheitsgrades ostdeutscher Artikel war auch die wir hier versuchen, ein wenig korrigierend, aber Einkaufsmesse in Düsseldorf. - Ich komme gleich nicht dirigierend - das war Planwirtschaft - zugun- zum Ende, Frau Präsidentin. - Mehr als 10 Prozent sten der ostdeutschen Bet riebe auf die Rahmenbe- der 900 Aussteller kehrten mit konkreten Vertragsab- dingungen einzuwirken. schlüssen zurück. Klar ist, daß sich die Unternehmen in den neuen Wer auf der Grünen Woche in Berlin die Men- Ländern dem Wettbewerb stellen müssen. Die mei- schenmengen vor den Ständen der Thüringer Wurst- sten Betriebe stellen inzwischen mit hochmodernen bratereien, vor dem Stand mit Köstritzer Schwarzbier Anlagen qualitativ und preislich absolut wettbe- oder vor anderen Ständen mit ostdeutschen Waren werbsfähige Produkte her. Gebremst werden die Un- gesehen hat, der kann ungefähr erahnen, welche ternehmen aber noch immer dadurch, daß häufig die Absatzmöglichkeiten Produkte aus den neuen Län- nötige Eigenkapitalausstattung fehlt. Nur mit ausrei- dern haben. So mancher westdeutsche Bürger hat chender Eigenkapitalausstattung können sie aber spätestens hier erkannt, was ihm an kulinarischen die notwendigen Investitionen und vor allem die er- Genüssen aus Ostdeutschland bisher entgangen ist. folgreichen Strategien für den Eintritt in den gesamt- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) deutschen und den internationalen Markt verwirkli- chen. Nur dadurch können sie den Bekanntheitsgrad Letzter Satz: Mit den vorliegenden Anträgen eröff- und schließlich den Absatz ihrer Produkte steigern. nen wir zumindest von der politischen Seite her die Möglichkeit, daß demnächst bundesweit noch mehr Über eines müssen wir uns aber im klaren sein: Menschen in den Genuß ostdeutscher Qualitätspro- Qualität und Menge der Produkte sowie Liefertreue dukte kommen. Dafür wünsche ich Ihnen guten Ap- und Leistungsfähigkeit ostdeutscher Unternehmen petit. sind inzwischen durchweg vergleichbar mit denen der Konkurrenz in den alten Ländern. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die pauschale Kritik des CMA-Chefs an den Erzeug- nissen der Unternehmen aus den neuen Bundeslän- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Die SPD hat dern geht völlig ins Leere und ist - Gott sei Dank - noch vier Minuten übrig, die sie nutzen möchte. Es mittlerweile korrigiert worden. spricht jetzt der Abgeordnete Wolfgang Ilte. Das sehr viel ausschlaggebendere Hindernis sind Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich ma- jedoch die hohen Listungsgelder. Der Appell in unse- che Sie darauf aufmerksam, daß wir im Anschluß rem Antrag richtet sich deshalb auch an den Handel: daran einen Abstimmungsmarathon vor uns haben. Machen Sie Ihr dem Bundeskanzler gegebenes Ver- sprechen wahr und verdoppeln Sie den Einkauf ost- deutscher Waren bis Ende 1998! Geben Sie den Qua- Wolfgang Ilte (SPD): Frau Präsidentin! Meine Da- litätsprodukten aus den neuen Ländern eine faire men und Herren! Vielen Dank, daß wir noch ein paar Chance für den Markteintritt! Soweit unser Appell Minuten haben. Ich will sie gerne ausnutzen. an den Handel. Herr Otto, wir haben in der Arbeitsgruppe andert- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) halb Jahre lang gemeinsam an einem Antrag gefeilt und haben um Formulierungen gerungen. Der Sinn Viele von Ihnen erinnern sich an die Präsentation der Sache war dabei klar; jedenfalls bin ich immer des gemeinsamen Sonderheftes von „Union" und davon ausgegangen, daß er jedem klar war. Im Au- 19712 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Wolfgang Ilte gust vorigen Jahres haben Sie dann plötzlich gesagt: Ihrer Fraktion in diesem Fa ll genauso gehandelt hät- Jetzt wollen wir das nicht mehr machen; wir warten ten und man sich auf die Absprachen hätte verlassen erst die Ergebnisse der Düsseldorfer Einkaufsmesse können, dann wäre das hier sicherlich ebenso gelau- ab. - Wenn Sie das heute anders darstellen, ist das - fen. nehmen Sie es mir nicht übel - eine Unverschämt- Sie sprechen die „Einkaufsoffensive neue Bundes- heit. länder" an. Herr Kolb, dazu fällt mir eigentlich gar nichts mehr ein. Ihre Aufgabe ist es doch, das zu ma- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Gestatten Sie chen. Ihre Aufgabe ist, dafür zu sorgen, daß der Bun- eine Zwischenfrage des Abgeordneten Otto? destag und die Bundesregierung Aufträge aus dem Bundeshaushalt in der Form vergeben, daß wenig- stens 20 Prozent der Waren im Osten eingekauft wer- Wolfgang Ilte (SPD): Gerne. den. Sie machen das doch nicht! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte schön. Wenn Sie endlich verstehen, was Ihre politische Auf- gabe ist, möchte ich darum bitten, daß Sie dieser Norbert Otto (Erfurt) (CDU/CSU): Herr Ilte, seien auch nachkommen. wir mal ganz ehrlich: Der Gedanke des Antrages ist erst wesentlich später geboren worden. Unser Wenn Sie den Kanzler in bezug auf die Messe in Grundgedanke war die gemeinsame Beilage in den Düsseldorf loben, dann muß ich Ihnen sagen: Der beiden Parteimagazinen. Um diesen Grundgedanken Kanzler hat sich in Düsseldorf hingestellt, sich von al- zu untermauern, haben wir gesagt, daß wir diesen len abfeiern lassen und ist dann gegangen. Das war Antrag nachschieben. alles. Das kann nicht der Sinn der Sache gewesen sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Stellen Sie nur Ihre Frage, Herr Abgeordneter. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- ter, es besteht der Wunsch nach einer weiteren Zwi- Norbert Otto (Erfurt) (CDU/CSU): Ist Ihnen das schenfrage, und zwar vom Abgeordneten Dr. Kolb. noch bewußt, oder können Sie das so zur Kenntnis nehmen? Wolfgang Ilte (SPD): Gleich. - Das war auch nicht der Sinn unserer ursprünglichen Initiative. Der Sinn Wolfgang Ilte (SPD): Herr Otto, da müssen Sie Ge- der ursprünglichen Initiative war, daß dies weiterge- dächtnislücken haben. Ich habe die Papiere mit Ihren führt wird. Mit einer einmaligen Aktion bekommen Unterschriften auf meinem Platz, und wenn die Zeit Sie so etwas nicht gebacken. es erlauben würde, würde ich sie holen. Ich habe im Oktober 1996 den ersten Vorschlag formuliert, und Bitte sehr, Herr Staatssekretär. Ihr Büro hat ihn im Frühjahr 1997 in Antragsform ausformuliert. Nun stellen Sie sich nicht hier hin und Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.): Herr Kollege Ilte, Sie versuchen, uns einzureden, daß der Sinn des Antra- haben gesagt, es sei Aufgabe der Bundesregierung, ges erst im Sommer 1997 entstanden sei. Wir haben dafür zu sorgen, daß 20 Prozent der Einkaufsvolu- ihn in der Arbeitsgruppe mehrfach diskutiert, und er mina des Bundes in den neuen Bundesländern getä- ist mehrfach umformuliert worden. Ich kann nicht be- tigt werden. Ist Ihnen bekannt, daß wir diese Zahl de greifen, wieso Sie sich hier herstellen und plötzlich facto erreichen? behaupten, Ihnen sei das im August eingefallen. Ich will noch auf folgendes hinweisen. Herr Staats- Wolfgang Ilte (SPD): Das ist mir nicht bekannt, ich sekretär Kolb hatte hier auf das mittelfristige Förder- bin aber gern bereit, das prüfen zu lassen. konzept 1999 bis 2004 hingewiesen. Herr Kolb, bei Eines möchte ich noch anfügen: Herr Türk, es ist der Aufstellung dieses Konzepts gab es zwei unter- zwar sehr charmant - auch ich komme aus Branden- schiedliche Vorlagen, eine von Ihrer Regierung und burg -, die Messen in Cottbus stattfinden zu lassen. eine von der SPD. Wir haben dies - es wäre schön, Aber es ging bei dieser Aktion nicht darum, die ost- wenn Sie und auch die anderen Kollegen sich daran deutschen Exporte zu steigern - das ist eine wichtige noch erinnerten - noch vor der letzten Sommerpause Aufgabe -, es ging nicht darum, den Absatz der Ost- in einem großen Konsens über die Bühne gebracht. produkte in Ostdeutschland zu steigern - auch das Ich habe seinerzeit mit dem Abgeordneten Schulz ist eine wichtige Aufgabe -, es ging einfach und al- von der CDU/CSU-Fraktion, mit dem Bauministe- lein, Herr Kolb, um die Aufgabe, die sich diese Ar- rium, mit dem Wirtschaftsministe rium und mit dem beitsgruppe gestellt hat, nämlich den Anteil der Ost- Finanzministerium verhandelt. Es hat geklappt, of- produkte im westdeutschen Einzelhandel zu stei- fensichtlich, weil man sich in der Arbeitsgruppe, die gern. wir damals eingerichtet haben, an das erinnert hat, was man gemeinsam abgesprochen hat. Man hat ge- Ich will es noch einmal in aller Ruhe sagen: Herr meinsame Festlegungen getroffen und sie durchs Türk, wir haben lange genug in der Arbeitsgruppe Parlament gezogen. Es ist gut, daß Sie dieses Beispiel gesessen, und wir wissen, eine Messe in Cottbus noch einmal gebracht haben. Wenn die Kollegen aus hilft, so leid mir das tut, nichts. Den Kölner Einzel- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19713

Wolfgang Ilte händler bekommen wir möglicherweise nach Cott- ten und ihren Mitgliedstaaten einerseits bus, aber wenn wir die Messe in Köln veranstalten, und der Republik Armenien andererseits ist das sinnvoller. Deshalb haben wir uns ja auch ent- - Drucksache 13/9512 schlossen, die Messe nicht in Leipzig oder Cottbus zu veranstalten. —Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Herr Türk, vielleicht wird es in den nächsten Jah- Auswärtiger Ausschuß ren klappen. Ich werde dann leider nicht mehr daran Finanzausschuß Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen teilnehmen können, obwohl es mir sehr viel Spaß ge- Union macht hätte. Wie Sie wissen, werde ich im nächsten Deutschen Bundestag nicht mehr vertreten sein. Ih- d) Erste Beratung des von der Bundesregie- nen persönlich wünsche ich, daß sie wieder dabei rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- sind, Ihrer Partei wünsche ich das natürlich nicht. In- zes zu dem Abkommen vom 10. April 1997 sofern könnte es passieren, daß der nächste Deutsche zwischen der Bundesrepublik Deutschland Bundestag ohne Ihre geschätzte Mitwirkung aus- und der Republik Polen über die gegensei- kommen muß. tige Hilfeleistung bei Katastrophen oder Vielen Dank. schweren Unglücksfällen - Drucksache 13/9529 (Beifall bei der SPD) —Überweisungsvorschlag: Innenausschuß (federführend) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich schließe die Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Aussprache. heit

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen e) Erste Beratung des von der Bundesregie- auf den Drucksachen 13/9385 und 13/8080 an in der rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- zes zu dem Abkommen vom 18. April 1997 gen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. zwischen der Bundesrepublik Deutschland Dann sind die Überweisungen so beschlossen. und der Republik der Philippinen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz Wir kommen nun zu den Beratungen ohne von Kapitalanlagen Aussprache, und zwar zu den Tagesordnungspunk- - Drucksache 13/9531 — ten 16a bis 16j sowie den Zusatzpunkten 4 a bis 4 d: Überweisungsvorschlag: 16. Überweisungen im vereinfachten Verfahren Ausschuß für Wirtschaft a) Erste Beratung des von der Bundesregie- f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Kontrolle und Transparenz im Un- zes zu dem Vertrag vom 21. Oktober 1991 ternehmensbereich (KonTraG) zwischen der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 13/9712 — und der Republik Chile über die Förde- rung und den gegenseitigen Schutz von Überweisungsvorschlag: Kapitalanlagen Rechtsausschuß (federführend) Sportausschuß - Drucksache 13/9532 — Finanzausschuß Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wi rtschaft Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung g) Erste Beratung des von der Bundesregie- b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stei- zes zu dem Abkommen vom 18. März 1997 gerung der Effizienz von Aufsichtsräten zwischen der Bundesrepublik Deutschland und zur Begrenzung der Machtkonzentra- und der Libanesischen Republik über die tion bei Kreditinstituten infolge von Unter- Förderung und den gegenseitigen Schutz nehmensbeteiligungen von Kapitalanlagen - Drucksache 13/9716 - Drucksache 13/9533 — —Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- c) Erste Beratung des von der Bundesregie- setzes zu den Protokollen zu den Abkom- rung eingebrachten Entwurfs eines- Geset- men über Partnerschaft und Zusammen- zes zu dem Abkommen über Partnerscha ft arbeit zwischen den Europäischen Ge- und Zusammenarbeit vom 22. April 1996 meinschaften und ihren Mitgliedstaaten zwischen den Europäischen Gemeinschaf einerseits und der Russischen Föderation, 19714 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Michaela Geiger der Ukraine und der Republik Moldau an- d) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- dererseits brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung der Bundesrechtsanwaltsordnung - Drucksache 13/9547 —

Überweisungsvorschlag: - Drucksache 13/9610 - Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wi rtschaft (federführend) Finanzausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse i) Erste Beratung des von der Bundesregie- zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be- zes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1997 schlossen. zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Litauen zur Vermeidung Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunk- der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet ten 17 a bis 17 z sowie den Zusatzpunkten 5 a und 5 b. der Steuern vom Einkommen und vom Ver- Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt 17 a auf: mögen Abschließende Beratungen ohne Aussprache - Drucksache 13/9548 — Überweisungsvorschlag: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Finanzausschuß desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Raumfahrtaufga- j) Erste Beratung des von der Bundesregie- benübertragungsgesetzes rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- - Drucksache 13/8711 - zes zu den Verträgen vom 14. September 1994 des Weltpostvereins (Erste Beratung 200. Sitzung) Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- - Drucksachen 13/9574, 13/9694 — schusses für Bildung, Wissenschaft, For- Überweisungsvorschlag: schung, Technologie und Technikfolgenab- Ausschuß für Post und Telekommunikation schätzung (19. Ausschuß) - Drucksache 13/9471 - ZP4 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 16) Berichterstattung: Abgeordnete a) Erste Beratung des von der Bundesregie- Lothar Fischer (Homburg) rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Simone Probst zes zur Änderung und Ergänzung des Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Strafverfahrensrechts - Strafverfahrensän- Wolfgang Bierstedt derungsgesetz 1996 - (StVÄG 1996) - Drucksache 13/9718 Der Ausschuß für Bildung, Wissenschaft und For- schung, Technologie und Technikfolgenabschätzung —Überweisungsvorschlag: empfiehlt auf Drucksache 13/9471 Nr. 1, den Gesetz- Rechtsausschuß (federführend) entwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejeni- Innenausschuß gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthal- b) Erste Beratung des von der Bundesregie- tungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung rung eingebrachten Entwurfs eines Sech- mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Ent- sten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes haltung der Opposition angenommen. gegen Wettbewerbsbeschränkungen

- Drucksache- 13/9720 Wir kommen zur Überweisungsvorschlag: dritten Beratung Ausschuß für Wirtschaft (federführend) und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Rechtsausschuß Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsver- c) Erste Beratung des von den Fraktionen der hältnissen angenommen. CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur verbesserten Der Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, For- Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus schung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Straftaten empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/9471 die Annahme einer Entschlie- - Drucksache 13/9742 ßung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - —Überweisungsvorschlag: Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußemp- Rechtsausschuß (federführend) fehlung ist mit den Stimmen der Regierungskoalition Innenausschuß bei Enthaltung der Opposition angenommen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19715

Vizepräsidentin Michaela Geiger Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 17 b: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17 d: Zweite und dritte Beratung des von den Abge- - Zweite und dritte Beratung des von der Bun- ordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Maritta Bött- desregierung eingebrachten Entwurfs eines cher, Dr. Ludwig Elm, weiteren Abgeordneten Gesetzes über die Zusammenarbeit mit dem und der Gruppe der PDS eingebrachten Ent- Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bun- (Ruanda-Strafgerichtshof-Gesetz) desrückerstattungsgesetzes - Drucksache 13/7953 - - Drucksache 13/5803 - (Erste Beratung 192. Sitzung) (Erste Beratung 135. Sitzung) - Zweite und dritte Beratung des von den Abge- ordneten Dr. Uschi Eid, Gerald Häfner, Wolf- Beschlußempfehlung und Be richt des Finanz- gang Schmitt (Langenfeld), Volker Beck (Köln) ausschusses (7. Ausschuß) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 13/8371 - eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Berichterstattung: Strafgerichtshof für Ruanda Abgeordnete Wolfgang Ilte - Drucksache 13/6165 - Reiner Krziskewitz (Erste Beratung 151. Sitzung) Dr. Uwe-Jens Rössel Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 8371, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über ausschusses (6. Ausschuß) den Gesetzentwurf der Gruppe der PDS auf Drucksa- - Drucksache 13/9734 - che 13/5803 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die Berichterstattung: dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Abgeordnete Norbe rt Röttgen Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Dr. Herta Däubler-Gmelin Stimmen der Regierungskoalition und der SPD bei Wir stimmen zunächst über den Gesetzentwurf der Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Bundesregierung ab. Ich bitte diejenigen, die dem Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen weitere Beratung. wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen des Hauses bei Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17 c: Enthaltung der PDS angenommen. Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- Dritte Beratung rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzierung der Sanierung von und Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen, die Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- Deutschland (Rüstungsaltlastenfinanzierungs- ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der gesetz - RüstAltFG) Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Mehrheitsver- - Drucksache 13/8295 - hältnis angenommen. Wir kommen nun zur Beschlußempfehlung des (Erste Beratung 192. Sitzung) Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ Beschlußempfehlung und Be richt des Haus- haltsausschusses (8. Ausschuß) 9734, Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Ge- setzentwurf für erledigt zu erklären. Wer stimmt für - Drucksache 13/9105 - diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit Berichterstattung: den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Abgeordnete Peter Jacoby Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17 e: Kristin Heyne Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Der Haushaltsausschuß empfiehlt, den Gesetzent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom wurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf 31. Oktober 1996 zur Änderung des Abkom- des Bundesrates abstimmen und bitte diejenigen, die mens vom 8. April 1960 zwischen der Bundes- dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das republik Deutschland und dem Königreich der Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltun- Niederlande über niederländische Kriegsgrä- gen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit ber in der Bundesrepublik Deutschland den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und Bündnis 90/ (Kriegsgräberabkommen) Die Grünen gegen die Stimmen von SPD und PDS abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsord- - Drucksache 13/7991 - nung die weitere Beratung. (Erste Beratung 188. Sitzung) 19716 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Michaela Geiger Beschlußempfehlung und Bericht des Auswär- h) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des tigen Ausschusses (3. Ausschuß) von der Bundesregierung eingebrachten Ent- - Drucksache 13/9469 - wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 14. Mai 1996 zwischen der Bundesrepublik Berichterstattung: Deutschland und der Republik Venezuela Abgeordnete Andreas Krautscheid über die Förderung und den gegenseitigen Dieter Schloten Schutz von Kapitalanlagen Gerd Poppe - Drucksache 13/8827 - Ulrich Irmer (Erste Beratung 203. Sitzung) Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt, den Gesetz- Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- entwurf unverände rt anzunehmen. Ich bitte diejeni- schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich - Drucksache 13/9496 - zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des gesam- Berichterstattung: ten Hauses angenommen. Abgeordneter Erich G. Fritz

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17f: i) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. März 1996 zwischen der Bundesrepublik wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Deutschland und der Republik Ecuador über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom die Förderung und den gegenseitigen Schutz 23. Januar 1995 zwischen den Europäischen von Kapitalanlagen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kasachstan ande- - Drucksache 13/8828 - rerseits (Erste Beratung 203. Sitzung) - Drucksache 13/8457 - Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- (Erste Beratung 192. Sitzung) schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) - Drucksache 13/9497 - Beschlußempfehlung und Be richt des Auswär- tigen Ausschusses (3. Ausschuß) Berichterstattung: - Drucksache 13/9470 - Abgeordneter Erich G. Fritz

Berichterstattung: j) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des Abgeordnete Willy Wimmer (Neuss) von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Dieter Schloten wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom Dr. Helmut Lippelt 25. Juni 1996 zwischen der Bundesrepublik Dr. Olaf Feldmann Deutschland und Rumänien über die Förde- rung und den gegenseitigen Schutz von Kapi- Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt, den Gesetz- talanlagen entwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejeni- - gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich Drucksache 13/8829 - zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? (Erste Beratung 203. Sitzung) - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des gesam- Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- ten Hauses angenommen. schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) - Drucksache 13/9498 - Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunk- ten 17g bis 17r: Berichterstattung: g) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des Abgeordneter E rich G. Fritz von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom k) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des 14. Juni 1996 zwischen der Bundesrepublik von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Deutschland und dem Staat Katar über die wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom Förderung und den gegenseitigen Schutz von 10. Juli 1995 zwischen der Bundesrepublik Kapitalanlagen Deutschland und der Republik Indien über die Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen - Drucksache 13/8826 - - Drucksache 13/8830 - (Erste Beratung 203. Sitzung) (Erste Beratung 203. Sitzung) Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) - Drucksache 13/9495 - - Drucksache 13/9499 - Berichterstattung: Berichterstattung: Abgeordneter E rich G. Fritz Abgeordneter E rich G. Fritz Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19717

Vizepräsidentin Michaela Geiger l) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- von der Bundesregierung eingebrachten Ent- schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom - Drucksache 13/9503 - 21. September 1995 zwischen der Bundesre- publik Deutschland und der Föderativen Re- Berichterstattung: publik Brasilien über die Förderung und den Abgeordneter E rich G. Fritz gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen p) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des - Drucksache 13/8831 - von der Bundesregierung eingebrachten Ent- (Erste Beratung 203. Sitzung) wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. Dezember 1995 zwischen der Bundes- Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- republik Deutschland und der Aserbaidscha- schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) nischen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalan- - Drucksache 13/9500 - lagen Berichterstattung: - Drucksache 13/8692 - Abgeordneter E rich G. Fritz (Erste Beratung 200. Sitzung) Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- m) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) von der Bundesregierung eingebrachten Ent- - Drucksache 13/9504 - wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 6. Mai 1996 zwischen der Bundesrepublik Berichterstattung: Deutschland und der Republik Nicaragua Abgeordneter E rich G. Fritz über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen q) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des - Drucksache 13/8832 - von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom (Erste Beratung 203. Sitzung) 3. Mai 1996 zwischen der Bundesrepublik Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- Deutschland und der Republik Kenia über die schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Drucksache 13/9501 - - Drucksache 13/8693 - Berichterstattung: (Erste Beratung 200. Sitzung) Abgeordneter Erich G. Fritz Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) n) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- - Drucksache 13/9505 - wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom Berichterstattung: 30. April 1996 zwischen der Bundesrepublik Abgeordneter E rich G. Fritz Deutschland und der Republik Kuba über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von r) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des Kapitalanlagen von der Bundesregierung eingebrachten Ent- - Drucksache 13/8834 - wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom (Erste Beratung 203. Sitzung) 25. Juni 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Georgien über Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- die Förderung und den gegenseitigen Schutz schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) von Kapitalanlagen Drucksache 13/8694 - - Drucksache 13/9502- - (Erste Beratung 200. Sitzung) Berichterstattung: Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Abgeordneter E rich G. Fritz schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) - Drucksache 13/9506 - o) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Berichterstattung: wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom Abgeordneter Erich G. Fritz 29. Oktober 1996 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und dem Königreich Saudi Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt auf den Arabien über die Förderung und den gegen- Drucksachen 13/9495 bis 13/9506, die Gesetzent- seitigen Schutz von Kapitalanlagen- würfe unverände rt anzunehmen. Wenn Sie damit einverstanden sind, lasse ich über die zwölf Gesetz- - Drucksache 13/8691 - entwürfe gemeinsam abstimmen. - Dagegen erhebt (Erste Beratung 200. Sitzung) sich kein Widerspruch. Dann verfahren wir so. 19718 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Michaela Geiger Ich bitte diejenigen, die den zwölf Gesetzentwür--schuß) zu den Unterrichtungen durch die Bun- fen zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt desregierung dagegen? - Enthaltungen? - Dann sind die zwölf Ge- setzentwürfe mit den Stimmen des gesamten Hauses Empfehlung für einen Beschluß des Rates zur angenommen. Ermächtigung der Kommission, Verhandlun- gen über ein Seeverkehrsabkommen zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17 s: und der Volksrepublik China aufzunehmen Beratung der Beschlußempfehlung und des Empfehlung für einen Beschluß des Rates zur Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Ermächtigung der Kommission, Verhandlun- Immunität und Geschäftsordnung (1. Aus- gen über ein Seeverkehrsabkommen zwischen schuß) der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten Änderung der Geschäftsordnung des Deut- und der Republik Indien aufzunehmen schen Bundestages - Drucksachen 13/8615 Nr. 2.22 und Nr. 2.23, hier: Beschluß des Deutschen Bundestages 13/9451 - betreffend Aufhebung der Immunität Berichterstattung: von Mitgliedern des Bundestages gemäß Abgeordneter Konrad Kunick Anlage 6 GO - BT - Drucksache 13/9519 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Ent- haltungen? - Dann ist die Beschlußempfehlung mit Berichterstattung: den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Abgeordneter Dieter Wiefelspütz Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17v: Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegen- probe! - Enthaltungen? - Dann ist die Beschlußemp- Beratung der Beschlußempfehlung des Haus- fehlung mit den Stimmen des gesamten Hauses an- haltsausschusses (8. Ausschuß) zu der Unter- genommen. richtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17 t: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 25 04 Beratung der Beschlußempfehlung und des Titel 526 45 Berichts des Ausschusses für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuß) - Planungskosten für Baumaßnahmen außer- zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- halb des Parlamentsviertels - rung - Drucksachen 13/9052, 13/9066 Nr. 6, 13/ Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über 9452 - Abfalldeponien Berichterstattung: - Drucksachen 13/7541 Nr. 2.4, 13/9292 - Abgeordnete Dieter Pützhofen Berichterstattung: Jürgen Koppelin Dr. Rolf Niese Abgeordnete Steffen Kampeter Oswald Metzger Dr. Liesel Hartenstein Dr. Jürgen Rochlitz Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Ge- Birgit Homburger genprobe! - Enthaltungen? - Dann ist die Beschluß- empfehlung mit den Stimmen des gesamten Hauses Der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reak- angenommen. torsicherheit empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluß- empfehlung auf Drucksache 13/9292 Kenntnis- nahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17 w: Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Beratung der Beschlußempfehlung und des Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/ Berichts des Haushaltsausschusses (8. Aus- CSU, F.D.P., SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen schuß) zu dem Antrag des Bundesministeri- die Stimmen der PDS angenommen. ums für Wirtschaft Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 2 seiner Be- Rechnungslegung über das Sondervermögen schlußempfehlung auf Drucksache 13/9292 die An- des Bundes nahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Be- schlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Stein- - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von kohleneinsatzes" für das Wirtschaftsjahr 1996 CDU/CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen von - Drucksachen 13/8562, 13/9453 - Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Berichterstattung: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17u: Abgeordnete Beratung der Beschlußempfehlung und des Manfred Hampel Berichts des Ausschusses für Verkehr (15. Aus Antje Hermenau Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19719

Vizepräsidentin Michaela Geiger Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Ge- Sammelübersicht 235 zu Petitionen genprobe! - Enthaltungen? - Dann ist die Beschluß- - Drucksache 13/9625 - empfehlung mit den Stimmen des gesamten Hauses Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- angenommen. tionsausschusses (2. Ausschuß)

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17x: Sammelübersicht 276 zu Petitionen Beratung der Beschlußempfehlung des Haus- - Drucksache 13/9626 - haltsausschusses (8. Ausschuß) zu der Unter- Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- richtung durch die Bundesregierung tionsausschusses (2. Ausschuß)

Haushaltsführung 1997 Sammelübersicht 277 zu Petitionen Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 1102 - Drucksache 13/9627 - Titel 682 01 Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuß) - Erstattung von Fahrgeldausfällen bei der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehin- Sammelübersicht 278 zu Petitionen derter - - Drucksache 13/9628 - - Drucksachen 13/8924, 13/9066 Nr. 5, 13/ Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- 9454 - tionsausschusses (2. Ausschuß) Berichterstattung: Sammelübersicht 279 zu Petitionen Abgeordnete Dr. Kontanze Wegner - Drucksache 13/9629 - Hans-Joachim Fuchtel Antje Hermenau Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Ina Albowitz tionsausschusses (2. Ausschuß) Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Ge- Sammelübersicht 280 zu Petitionen genprobe! - Enthaltungen? - Dann ist die Beschluß- - Drucksache 13/9630 - empfehlung mit den Stimmen des gesamten Hauses Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- angenommen. tionsausschusses (2. Ausschuß)

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17 y: Sammelübersicht 281 zu Petitionen Beratung der Beschlußempfehlung und des - Drucksache 13/9631 - Berichts des Ausschusses für Post und Tele- leratung der Beschlußempfehlung des Peti- kommunikation (17. Ausschuß) zu der Unter- tionsausschusses (2. Ausschuß) richtung durch die Bundesregierung Sammelübersicht 282 zu Petitionen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- - Drucksache 13/9632 - schen Parlaments und des Rates über ange- schaltete Telekommunikationsgeräte und die Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität tionsausschusses (2. Ausschuß) - Drucksachen 13/8615 Nr. 2.11, 13/9536 (neu) - Sammelübersicht 283 zu Petitionen - Drucksache 13/9633 - Berichterstattung: Abgeordnete Elmar Müller (Kirchheim) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Hans Martin Bury tionsausschusses (2. Ausschuß) Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Ge- Sammelübersicht 284 zu Petitionen genprobe! - Enthaltungen? - Dann ist die Beschluß- - Drucksache 13/9634 - empfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- und SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen tionsausschusses (2. Ausschuß) und PDS angenommen. Sammelübersicht 285 zu Petitionen Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17 z: (Abschaltung defekter Kernkraftwerke) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- - Drucksache 13/9635 - tionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 274: Wer stimmt dafür? - Wer Sammelübersicht 274 zu Petitionen stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Sammelübersicht 274 mit den Stimmen der Koalition - Drucksache 13/9624 - bei Enthaltung der Opposition angenommen. Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Sammelübersicht 275: Wer stimmt dafür? - Wer tionsausschusses (2. Ausschuß) stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese 19720 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Michaela Geiger Sammelübersicht mit den Stimmen von CDU/CSU, Stimmen der Regierungskoalition gegen die Stim- F.D.P. und SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die men der Opposition angenommen. Grünen gegen die Stimmen der PDS angenommen. Sammelübersicht 276: Wer stimmt dafür? - Wer Wir kommen zu Zusatzpunkt 5, und zwar zunächst stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die zu Zusatzpunkt 5 a: Sammelübersicht 276 mit den Stimmen von CDU/ Beratung der Beschlußempfehlung und des CSU, F.D.P., Bündnis 90/Die Grünen und SPD gegen Berichts des Ausschusses für Umwelt, Natur- die Stimmen der PDS angenommen. schutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuß) Sammelübersicht 277: Wer stimmt dafür? Wer zu der Verordnung der Bundesregierung stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Sammelübersicht 277 mit den Stimmen von CDU/ Rücknahme und Entsorgung gebrauchter Bat- CSU, F.D.P. und SPD bei Enthaltung des terien und Akkumulatoren (Batterieverord- Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der nung - BattV) PDS angenommen. - Drucksachen 13/9516, 13/9669 Nr. 2.1, 13/ Sammelübersicht 278: Wer stimmt dafür? - Wer 9762- stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Sammelübersicht 278 mit den Stimmen von CDU/ Berichterstattung: CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen des Abgeordnete Steffen Kampeter Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS angenom- Marion Caspers-Merk men. Dr. Jürgen Rochlitz Birgit Homburger Sammelübersicht 279: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer Sammelübersicht 279 mit den Stimmen von CDU/ stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschluß- CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen des empfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS angenom- F.D.P., SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die men. Stimmen der PDS angenommen. Sammelübersicht 280: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Wir kommen zu Zusatzpunkt 5 b: Sammelübersicht 280 mit den Stimmen des Hauses, Beratung des Antrags der Bundesregierung außer denen der PDS, die dagegen ist, angenommen. Ausnahme vom Verbot der Zugehörigkeit zu Sammelübersicht 281: Wer stimmt dafür? - Wer einem Aufsichtsrat für ein Mitglied der Bun- stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die desregierung Sammelübersicht 281 bei dem gleichen Mehrheits- verhältnis angenommen. - Drucksache 13/9702- Sammelübersicht 282: Wer stimmt dafür? - Wer Wer stimmt für den Antrag? - Wer stimmt dage- stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die gen? - Enthaltungen? - Dann ist der Antrag mit den Sammelübersicht 282 mit den Stimmen von CDU/ Stimmen des Hauses, außer denen der PDS, die da- CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen des gegen ist, angenommen. Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS angenom- men. Ich rufe die Zusatzpunkte 6 bis 9 auf: Sammelübersicht 283: Wer stimmt dafür? - Wer ZP6 Vereinbarte Debatte stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Sammelübersicht 283 mit den Stimmen der Regie- Naturschutzrecht, Flora-Fauna-Habitat-Richt- rungskoalition gegen die Stimmen der Opposition linie und Ausgleichsregelung für die Land- angenommen. wirtschaft Sammelübersicht 284: Wer stimmt dafür? - Wer ZP7 Beratung der Beschlußempfehlung des Aus- stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes Sammelübersicht 284 bei dem gleichen Mehrheits- (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur verhältnis angenommen. Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege, zur Umsetzung Sammelübersicht 285: Dazu liegt ein Änderungs- gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften und antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften den wir zunächst abstimmen. Wer stimmt für den Än- derungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltun- - Drucksachen 13/6441, 13/7778, 13/8180, 13/ gen? - Dann ist der Änderungsantrag mit den Stim- 8268, 13/9638- men der Koalition gegen die Stimmen der Opposition Berichterstattung: abgelehnt. Abgeordneter Michael Müller (Düsseldorf) Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Peti- tionsausschusses? - Wer stimmt dagegen? - Enthal- ZP8 Beratung der Beschlußempfehlung des Aus- tungen? - Dann ist die Sammelübersicht 285 mit den schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19721

Vizepräsidentin Michaela Geiger (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zum Bevölkerung, den Landwirten, auf der anderen Seite Schutz des Bodens tangiert. - Drucksachen 13/6701, 13/7891, 13/8182, 13/ Die Rechtsprechung erkennt bei Beschränkungen 9637 - aus Gründen des Naturschutzes den Bauern nur sel- ten einen Entschädigungsanspruch wegen Enteig- Berichterstattung: nung zu. Weil dem so ist, wollen wir durch ein neues Abgeordnete Anke Fuchs (Köln) Entschädigungsrecht den Ausgleich von Ertragsein- bußen, wenn Auflagen für Landwirte über die allge- ZP9 Beratung der Beschlußempfehlung des Aus- meinen Regeln hinausgehen. schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben die große Durchführung der Rechtsakte der Europäi- Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz von der er- schen Gemeinschaft über die besondere Eti- satzlosen Streichung des Entschädigungsanspruchs kettierung von Rindfleisch und Rindfleischer- abhängig gemacht. Dem konnten und können wir zeugnissen nicht folgen. Deswegen ist dieses wichtige Gesetz leider gescheitert. (Rindfleischetikettierungsgesetz - RiFlEtikettG) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Drucksachen 13/8052, 13/8837, 13/9325, 13/ 9641- Ich sage deshalb „leider" , weil wir natürlich wissen, daß es noch eine ganze Reihe von Defiziten gibt, die Berichterstattung: wir in diesem Gesetz regeln wollten. Aber ohne eine Abgeordneter Dr. Entschädigung für die davon negativ betroffenen Bauern sehen wir dafür keine Möglichkeit. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wo- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) bei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieben Mi- nuten erhalten soll. - Ich höre keinen Widerspruch. Dem Vermittlungsausschuß und nunmehr auch Dann ist so beschlossen. dem Deutschen Bundestag liegt eine „kleine No- velle" vor, die nur noch die FFH-Richtlinie der EU Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abge- umsetzt. Es geht konkret um den Schutz von Natur- ordneten Hans-Peter Repnik, CDU/CSU-Fraktion, schutzgebieten von europaweiter Bedeutung. Diese das Wort. Gebiete müssen Brüssel gemeldet werden. Mit der Umsetzung sind wir - das wissen wir alle - in Verzug. Deshalb muß sie schnell kommen. Im Dezember 1997 Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Prä- hat uns der EuGH bereits ein erstes Mal in dieser sidentin, gestatten Sie, daß ich zu dem vorherigen Frage verurteilt. Tagesordnungspunkt zurückspringe, weil ich auf et- (Eckart Kuhlwein [SPD]: Ach ja!) was aufmerksam machen möchte: Sie haben - mit ei- nem Blick auf die Regierungsbank - den Parlamenta- Im Normalfall werden nur bereits ausgewiesene rischen Staatssekretär E rnst Hinsken ermahnt, Still Schutzgebiete gemeldet. Die Rechtsgrundlagen für -schweigen zu bewahren. die Ausweisung von Naturschutzgebieten stehen im bereits gültigen Naturschutzrecht. Deshalb müßten unsere Landwirte in Deutschland keine zusätzlichen Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich habe die Re- Belastungen wegen der FFH-Richtlinie fürchten und gierungsbank allgemein ermahnt, keinen speziellen diesbezügliche Sorgen haben. Kollegen. Wenn das Thema dennoch eine politische Bedeu- tung gewonnen hat, so deshalb, weil wir zur Kennt- Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Verehrte Frau Prä- nis nehmen müssen - daran führt kein Weg vorbei -, sidentin, ich wollte nur Ihr Augenmerk darauf rich- daß zum Beispiel am Niederrhein die grüne nord- ten, daß Ernst Hinsken Gratulation zu seinem 55. Ge- rhein-westfälische Umweltministerin unter Hinweis burtstag erfahren hat. Deshalb hat er sich so gefreut. auf die FFH-Richtlinie in großem Stil neue Schutzge- Ich wollte diese Gratulation von hier aus nachtragen. biete ausweisen will, und zwar ohne eine Entschädi- (Beifall) gung den Landwirten gegenüber. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Vizepräsidentin Michaela Geiger: Dann muß ich und der F.D.P. - Widerspruch bei der SPD - meine Rüge natürlich sofort zurücknehmen und mich Gegenruf des Abg. Ulrich Heinrich [F.D.P.]: ganz herzlich der Gratulation anschließen. Das können Sie doch nicht bestreiten!) Wenn Sie seitens der SPD meinen, Einspruch erhe- Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Meine sehr ver- ben zu müssen, dann will ich ein anderes Bundes- ehrten Damen und Herren, wir haben es in dieser land, das ebenfalls mehrheitlich von der SPD regiert vereinbarten Debatte zum Vermittlungsergebnis, die wird, nämlich Schleswig-Holstein, anführen. Dort heute auf die Tagesordnung genommen wurde, mit geht es so weit, daß dies sogar in der Koalitionsver- einem Thema zu tun, das den klassischen Konflikt einbarung verankert ist: In der Koalitionsvereinba- zwischen dem Umweltschutz auf der einen Seite und rung für die laufende Legislaturpe riode wurde den den Rechten einer anderen wichtigen Gruppe der Naturschutzverbänden ein Vorschlagsrecht für die 19722 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Hans-Peter Repnik Neuausweisung von Naturschutzgebieten einge- Wir hoffen auf Ihr Einsehen, wir hoffen auf ein Ein- räumt. sehen der Länder, so daß wir in einem zweiten Ver- fahren sowohl den naturschützenden Belangen als (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/ auch den berechtigten Interessen der Landwirtschaft CSU]: Tolles Ding!) Rechnung tragen können. Ich glaube, daß wir nach Eine Organisation - deren Recht wir ja nicht be- diesem zweiten Durchgang dieser Novelle im Deut- schneiden wollen - soll die Möglichkeit erhalten, Na- schen Bundestag zustimmen können. turschutzgebiete auszuweisen. Diejenigen, die davon Herzlichen Dank. ganz konkret negativ betroffen sind, die Landwirte, sollen das Nachsehen haben. Das ist ein Verfahren, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) das wir so nicht mittragen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ulrike Mehl, SPD-Fraktion. Durch die Zurückweisung des Vermittlungsergeb- nisses wollen wir unseren Standpunkt noch einmal klar aufzeigen: Wir brauchen im Naturschutzrecht ei- Ulrike Mehl (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolle- nen fairen finanziellen Ausgleich für die Bauern. ginnen und Kollegen! Herr Repnik, Sie haben eben Ohne ein besseres Entschädigungsrecht gibt es - das gesagt, der Streit halte sich in Grenzen. Wenn es müssen doch auch die Naturschützer wissen - stän- doch nur so wäre! Das, was ich Ihnen vorwerfe, ist, dige Konflikte zwischen Naturschutz und Landwirt- daß Sie und Kolleginnen und Kollegen aus den Koali- schaft. Diese Konflikte auf Dauer auszuräumen, dem tionsfraktionen dafür sorgen, daß er sich eben nicht sollte unser Vorschlag einer Entschädigung dienen. in Grenzen hält. Sie treiben die Leute, die in der Ich lade Sie dazu ein, hier mitzumachen. Landwirtschaft arbeiten, auf die Palme und bekom- men sie dann nicht mehr von dort herunter - und das ried Hornung [CDU/ (Beifall des Abg. Siegf nur aus wahltaktischen Gründen. Das werfe ich Ih- CSU]) nen vor. Gerade wer einen ökologischen, einen naturschüt- (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der zenden Anspruch erhebt, muß doch einer davon be- CDU/CSU und der F.D.P.) nachteiligten Gruppe, den Landwirten, eine Entschä- digung zugestehen. Sie haben richtig festgestellt: Die umfassende Ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) samtnovelle des Bundesnaturschutzgesetzes ist im Herbst im Vermittlungsausschuß in erster Linie daran Meine sehr verehrten Damen und Herren, die öko- gescheitert, daß Sie an Ihren Uraltforderungen be- logische Vielfalt soll und muß gefördert werden. Al- züglich der Form der Ausgleichszahlungen an die lerdings müssen die verschiedenen Anforderungen Landwirtschaft festgehalten haben, die wir nicht mit- ebenfalls berücksichtigt werden. Da in unserem fö- machen. Das war für Sie überhaupt nichts Neues. Es deralen Staat die Länder für die Ausweisung von war für Sie eigentlich schon absehbar, daß das so Schutzgebieten zuständig sind, tragen sie auch die kommt. Entschädigungspflicht. Dieser Entschädigungspflicht verweigern sich aber die meisten Länder. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sagen Sie das noch einmal!) Eigentumsrechtlich geht es darum, daß wir der Aushöhlung des Eigentums einen Riegel vorschieben Ich will bei dieser Gelegenheit gleich das wieder- wollen, und ordnungspolitisch kann es doch nicht an- holen, was wir seit Jahren sagen: Wir sind nicht gehen, daß bei Naturschutzauflagen, die die Länder grundsätzlich gegen Ausgleichszahlungen. Die Aus- finanziell nicht ausgleichen wollen, schlußendlich gleichszahlungen werden von den Ländern auch ge- die Bauern bluten müssen. Das entspricht zumindest leistet, und zwar in Millionenhöhe. Zu diesem Punkt nicht unserem Gerechtigkeitssinn. komme ich noch. Land- und Forstwirten, deren Flächen einen hohen (Zuruf von der CDU/CSU: Wie ist das in Natur- und Landschaftswert besitzen, ist dies, wie Schleswig-Holstein?) wir wissen, nicht in den Schoß gefallen. Sie haben - Das könnte ich Ihnen auch erzählen, aber dazu ist bereits in der Vergangenheit ihre Flächen verantwor- leider meine Redezeit zu kurz. tungsbewußt und nachhaltig bewi rtschaftet. Wir haben mit Ministerin Merkel vereinbart, daß (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wir wenigstens eine kleine Novelle beraten, weil al- Wenn sie eine Beschwernis erfahren, müssen sie da- len Beteiligten klar ist, daß die seit dreieinhalb Jah- für einen Ausgleich erhalten. ren überfällige Umsetzung der Flora - Fauna - Habitat- Richtlinie nicht nur aus Naturschutzgründen, son- Wir streben ein zweites Vermittlungsverfahren an, dern auch aus Kostengründen notwendig ist, denn es und wir appellieren nachhaltig nicht nur an die SPD winken bereits - das ist eben gesagt worden - hohe und an die Grünen im Deutschen Bundestag, son- Geldstrafen. Wir sind vom EuGH wegen Nichtumset- dern auch an die Länder, sich den Interessen der zung bereits verurteilt worden. Landwirte ebenso verpflichtet zu fühlen wie dem Na- turschutz. Der Streitwert hält sich übrigens in Gren- Die im Mai 1992 vom Rat der Europäischen Ge- zen, und der Streit kann beigelegt werden. meinschaft beschlossene Richtlinie war ein Meilen- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19723 Ulrike Mehl stein für den Naturschutz, weil sie eine neue Natur- Tisch. Für wie dumm halten Sie eigentlich uns oder schutzphilosophie in Recht umgesetzt hat, nämlich die Menschen in diesem Land? Das sieht doch ein daß es Naturschutzkonzeptionen gibt, die insbeson- Blinder, daß Sie - vor allen Dingen die F.D.P. - nur dere den Lebensraumschutz betreffen. Deswegen ist ein Ziel haben: Sie wollen glimpflich über die Land- es besonders wichtig, diese Richtlinie für den Natur- tagswahlen in Niedersachsen hinwegkommen. schutz umzusetzen. (Zuruf von der F.D.P.: Blödsinn!) In der Richtlinie ist zu lesen, daß sich der Zustand der natürlichen Lebensräume im europäischen Ge- Dafür hauen Sie Ihrer Umweltministerin die Faust in biet unaufhörlich verschlechtert und daß dem vor al- das Gesicht, und sie läßt sich das auch noch gefallen. lem mit der Einrichtung eines zusammenhängenden ökologischen Netzes Einhalt geboten werden muß. (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] Die Bundesregierung hat diese Richtlinie unter- [CDU/CSU]: Ihr wollt den Bauern die Faust schrieben, und jetzt ist sie nicht mehr bereit, europäi- ins Gesicht schlagen!) sches Recht in deutsches Recht umzusetzen. Ich sage Ihnen: Die große Volkspartei CDU läßt sich Der Vermittlungsausschuß hat sich auf eine Geset- zum wiederholten Male von ihrem kleinen Koaliti- zesvorlage von Ministerin Merkel geeinigt; sie liegt onspartner wie ein Tanzbär am Nasenring hier durch heute auf dem Tisch. Nun haben die Koalitionsfrak- den Saal führen. tionen in ihrer großen Weisheit beschlossen, dieses (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Peter von ihrer Bundesumweltministerin und stellvertre- Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: tenden CDU-Bundesvorsitzenden mitgetragene Er- gebnis abzulehnen. Bauernleger!) (Otto Schily [SPD]: Weisheit ist bei der Bun Ich frage mich, wer in Niedersachsen diesen Chaos- desregierung nicht gegeben!) klub eigentlich in politische Verantwortung wählen soll. Dieses Ergebnis hat Frau Merkel als ein echtes Ver- mittlungsergebnis bezeichnet. Damals konnten alle (Beifall bei Abgeordneten der SPD) davon ausgehen, daß das den Bundestag passieren Ich möchte noch auf zwei weitere Punkte näher würde. Ich glaube, daß dieser Vorgang ziemlich ein- eingehen. Wie dringend die Umsetzung der FFH- malig ist: Richtlinie ist, haben die Verurteilung durch den (Beifall des Abg. Eckart Kuhlwein [SPD]) EuGH wegen Nichtumsetzung von EG-Recht Die Koalition lehnt ein von ihr zunächst akzeptiertes (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Davon Vermittlungsergebnis im Bundestag ab und nimmt in redet überhaupt niemand! Es geht um den Kauf, daß ihre Umweltministerin massiv beschädigt Ausgleichsfonds!) aus dieser völlig wirren Taktiererei hervorgeht. und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom (Beifall bei Abgeordneten der SPD) 21. Januar 1998 zur A 20 gezeigt. Das BVG stellt aus- drücklich fest, daß der Planfeststellungsbehörde in Der Landwirtschaftsminister hat sich gleich selbst Schleswig-Holstein keinerlei Verfahrensfehler vorzu- beschädigt, weil er erklärt hat, die FFH-Richtlinie werfen sind; es bestünden aber in der Frage des Um- komme ohne Ausgleichszahlungen nicht. gangs mit der FFH-Richtlinie erhebliche Rechtsunsi- cherheiten, weil die Bundesrepublik diese Richtlinie (Zuruf von der SPD: Der Landwirtschaftsmi nicht umgesetzt hat. Sogar der Bundesverkehrsmi- nister ist beschädigt!) nister hat gestern noch erklären lassen, daß er auf Heute kommt sie ja auch nicht. Aber Sie haben ja eine ganz schnelle Umsetzung der Richtlinie drängt gleich mit beschlossen, daß der Vorschlag so, wie er und selbige anmahnt. heute auf dem Tisch liegt, dann, wenn er in vier Wo- chen wieder vorgelegt werden wird, von Ihnen mit- (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] getragen werden würde, [CDU/CSU]: Darum geht es doch gar nicht! Es geht um eine Entschädigung für die Bau (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie wissen ern!) doch, daß Sie uns erpressen! Sie wissen das doch ganz genau!) Da frage ich: Wer regiert hier eigentlich? Und warum sagt Herr Wissmann das der Presse und nicht seiner so denn der Vermittlungsausschuß nicht zu einem Fraktionsführung? - Machen Sie Ihre Hausaufgaben, anderen Ergebnis kommt. Jetzt müssen Sie mir ein- dann können Sie wiederkommen! mal erklären, warum nach einem solchen Vorlauf der Vermittlungsausschuß zu einem anderen Ergebnis (Beifall bei der SPD) kommen sollte. Sie haben sich jahrelang mit dem Argument zu- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) rückgelehnt, die Länder seien ja für den Naturschutz - zuständig. Sie haben dabei ignoriert, daß Sie die Hier geht es doch um Wahltaktik. Ich kann Ihnen europäische Richtlinie unterschrieben haben und sagen, was herauskommen wird: In vier Wochen, daß Sie für deren Umsetzung zuständig sind. Sie ha- nach der Wahl, haben wir es dann wieder auf dem ben jetzt von einem Bundesgericht und außerdem 19724 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ulrike Mehl vom EuGH bestätigt bekommen, daß Ihr Handeln den Besitzern; Naturschutz könne man do rt machen, mangelhaft ist. wo man Lust dazu habe. (Zuruf von der SPD: Das unterlassene Han (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist -deln!) eine Unverschämtheit, was Sie hier erzäh len! - Otto Schily [SPD]: Die Wahrheit ist - Das unterlassene Handeln; so ist es. keine Unverschämtheit!) Sie haben offenbar nicht damit gerechnet, daß So geht es nicht! Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, auch ein- mal Projekte, die Sie gern voranbringen wollen, tref- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist fen könnten. eine Unverschämtheit, was Sie hier erzäh len!) (Dr. Uwe Küster [SPD]: Es zählt das gebro chene Wort !) Was ich aber für ein wirklich starkes Stück halte - hören Sie einmal zu, das tut Ihnen vielleicht gut -, ist, Bei dem zweiten Punkt handelt es sich um den ei- daß Sie den Eindruck vermitteln, die Länder wollten gentlichen Streitpunkt, nämlich um die Ausgleichs- keine Ausgleichszahlungen tätigen, und zwar bei na- zahlungen an die Landwirtschaft. turschutzbedingten Einschränkungen. Tatsache ist, (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das wollen daß zum Beispiel das Land Brandenburg im Jahr Sie nicht!) 40 Millionen DM aus diesen Gründen an die Land- wirtschaft zahlt und das Land Hessen etwa 43 Millio- Daß sich nun ausgerechnet die selbsternannte Sub- nen DM naturschutzbedingte Ausgleichszahlungen ventionsstreichungspartei F.D.P. an die Spitze der Be- leistet. Darüber haben sich, nach dem, was ich mir wegung setzt, ist, finde ich, der absolute Gipfel. habe sagen lassen, bisher die Landwirte nicht über- mäßig beschwert, um nicht zu sagen: gar nicht be- (Eckart Kuhlwein [SPD]: Das ist der Ham schwert, sondern sie sind damit recht gut gefahren. mer! - Zuruf von der CDU/CSU: Das sind Aus diesem Grunde sind wir der Meinung, daß es bei doch keine Subventionen!) dieser Regelung bleiben sollte. Sie haben daraus eine Grundsatzfrage gemacht. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Wir haben jetzt (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben ein zwei Wünsche nach Zwischenfragen. Frau Peters gestörtes Verhältnis zum Eigentum!) steht noch an und Herr Carstensen.

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Gestatten Sie Ulrike Mehl (SPD): Wenn Sie sie hintereinander eine Zwischenfrage? schalten könnten, wäre ich Ihnen dankbar. (Eckhart Kuhlwein [SPD]: Nur, wenn sie Ulrike Mehl (SPD): Ich will diesen Abschnitt erst zu sich anständig benehmen!) Ende bringen. Sie können sich gleich noch einmal melden; Sie wissen ja, wie lange ich rede. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte schön, Frau Sie wollten mit einer Vorschrift im Bundesrahmen- Peters. recht den Ländern in die Tasche greifen Lisa Peters (F.D.P.): Frau Kollegin Mehl, ich hätte (Zuruf von der CDU/CSU: Sie wollen den Sie gerne gefragt, ob ich Sie richtig verstanden habe. Bauern in die Tasche greifen!) Sie haben eben von Subventionen gesprochen, als es und erklären gleichzeitig, daß sie für Naturschutz um Ausgleichszahlungen für Ertragseinbußen ging. Betrachten Sie das wirklich als Subvention, wenn nicht zuständig sind. uns Landwirten nachgewiesene Ertragseinbußen aus- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie wollen geglichen werden, weil wir Auflagen erfüllen müs- eine naturschutzrechtliche Enteignung, sonst sen? nichts!) (SPD): Da sind wir genau an dem Ich bleibe jetzt bei Ihren Begrifflichkeiten, weil ich Ulrike Mehl Punkt, den man hier leider nicht ausführlicher be- den entsprechenden Spruch von Ihrer Seite schon öf- handeln kann. Da ist genau die Schnittstelle. Wir sa- ter gehört habe: Sie wollen die Musik bestellen, und gen: Wir zahlen Ausgleichsgelder an die Landwirt- die Länder sollen sie bezahlen. schaft, wenn sie nachweisen kann, daß sie durch na- (Otto Schily [SPD]: Das machen die immer turschutzbedingte, über die Sozialpflichtigkeit des so!) Eigentums hinausgehende Ertragseinbußen erleidet; dann sind wir bereit, zu zahlen, dafür fließen diese Statt endlich dafür zu sorgen, daß die in die Land- Mittel. wirtschaft fließenden Millionen von Ländern, Bund und Europa in eine umweltfreundliche und naturver- Aber die Frage ist die Abgrenzung. In Ihrem Ge- trägliche Landwirtschaft fließen, machen Sie hier setzesvorschlag steht der Begriff der „guten fachli- einfach nur Klientelpolitik mit der Behauptung- - Sie chen Praxis". Sie sind nicht bereit, zu definieren, was haben sie heute nicht aufgestellt, aber sie kommt ge- die gute fachliche Praxis in bezug auf den Natur- legentlich -, 80 Prozent der Fläche der Bundesrepu- schutz ist. Es reicht nämlich nicht aus, was da steht. blik seien privaten Gärten vergleichbar und gehörten Das ist genau unser Streitpunkt. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19725

Ulrike Mehl Solange das nicht geklärt ist und solange Sie nicht erklären, machen Sie alles kaputt, was da an Ge- bereit sind, eine Ökologisierung der Landwirtschafts- meinsamkeit geschaffen wurde. Deswegen kann ich politik anzuerkennen, und zwar nicht nur als Ni- Ihnen nur raten: Wenn Sie wollen, daß auch in der öf- schenpolitik, so lange sind wir auch nicht bereit, so fentlichen Meinung die Landwirtschaft Zuspruch von etwas in das Bundesnaturschutzgesetz zu schreiben. denjenigen erhält, die für den Naturschutz eintreten, Da gehört es so nicht hinein. dann reichen Sie die Hand, dann benutzen Sie nicht die Faust, so wie Sie es in der letzten Zeit - ich meine (Beifall bei der SPD) nicht Sie persönlich - gemacht haben.

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Wir haben jetzt (Beifall bei der SPD - Siegfried Hornung nicht nur die Frage von Herrn Carstensen, sondern [CDU/CSU]: Sie nehmen doch die Faust!) noch zwei weitere. Aber zu diesem Thema - das kann ich Ihnen verspre- chen - kommen wir noch, allerdings nicht heute. (SPD): Das ist dann die letzte. Ulrike Mehl Sie hetzen mit Ihrer Art der Diskussion, mit der Sie hier verdecken, in welcher Bredouille Sie in der Ko- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das ist die letzte. alition sind, daß Sie sich hier gegenseitig im Gehege Gut, dann müssen die anderen beiden Kollegen bitte sind, mit halbwahren oder unvollständigen Darstel- ihre Frage zurückziehen. lungen völlig unnötig die Landwirtschaft auf den Na- turschutz. Peter Harry Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Jetzt hört Ich bedanke mich, Frau Mehl, daß ich noch dran- es aber auf! Sie machen doch alles kaputt!) kommen darf. Das Schlimmste ist, daß Sie die Landwirte durch Ihr (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber nicht Nichtstun um EU-Mittel in Millionenhöhe bringen. zu nahe!) (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] Ist Ihnen bewußt, daß Sie gerade eine Äußerung ge [CDU/CSU]: Wo ist denn das Geld geblie macht haben, die an sich ein bißchen verräterisch ist? ben? Doch nicht bei den Landwirten!) (Otto Schily [SPD]: Wollen Sie eine Frage Seit 1996 ist ein europäisches Programm, nämlich stellen, oder wollen Sie kommentieren?) LIFE, an Vogelschutzgebiete und FFH-Gebiete ge- - Lieber Herr Schily, Sie sind Ju rist. Dann wissen Sie bunden. Im Jahre 1996 ist wegen Nichtumsetzung wahrscheinlich nicht, daß eine Frage mit „W" an- der FFH-Richtlinie die Hälfte der deutschen Anträge fängt. zurückgewiesen worden. Ist Ihnen bewußt, daß Sie eine Bemerkung über (Eckart Kuhlwein [SPD]: Hört! Hört!) die Sozialpflichtigkeit gemacht haben und über das, Das ist die Wahrheit! was über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hin- ausgehende Einbußen betrifft? Können Sie mir bitte Es ist mir, ehrlich gesagt, ziemlich unbegreiflich, einmal sagen, welche Unterschiede in Deutschland warum der Präsident des Bauernverbandes ver- bei den Umweltministern der Länder hinsichtlich der schweigt, daß die Landwirtschaft bereits Millionen- Sozialpflichtigkeit gemacht werden? Können Sie beträge aus dem Bereich des Naturschutzes be- bitte bewerten, wie die Sozialpflichtigkeit durch den kommt. Man kann ja darüber reden, ob man es rich- Umweltminister in Schleswig-Holstein definie rt wird, tig findet, wie sie verteilt werden. Aber so zu tun, als der sagt: Die Sozialpflichtigkeit in der Landwirtschaft gäbe es da überhaupt nichts, als würde sich der Na- geht extrem weit? Geht sie so weit, daß die Landwirte turschutz verweigern, finde ich wenig konstruktiv. nicht mehr in der Lage sind, überhaupt noch in ihren Betrieben zu arbeiten? (Beifall bei der SPD) Auch finde ich, daß diese Haltung dem öffentlichen Ulrike Mehl (SPD): Lieber Herr Kollege Carstensen, Ansehen der Landwirtschaft nicht besonders dienlich ich würde Ihnen vorschlagen, daß Sie zu diesem ist. Deswegen biete ich dem Bauernverband an, über Thema eine Kurzintervention machen, weil Sie ganz diese Punkte außerhalb des Wahlkampfes konstruk- genau wissen, daß die Antwort auf die Fragen, die tiv zu reden. Die Taktik, die die Koalition hier jetzt Sie gestellt haben, mindestens eine Stunde dauern angewendet hat - einen billigen, wahlkampfbezoge- würde. Soviel Zeit habe ich nicht. Sie brauchen keine nen Trick -, ist meiner Meinung nach für die gesamte Sorge zu haben, daß ich mich hinter irgend etwas Politik ein echter Schaden. Das bedauere ich sehr. verstecke. Aber ich weiß, wie es im Naturschutz seit (Beifall bei der SPD) vielen Jahren zugeht und welche Position die Land- wirtschaft in den letzten 15 Jahren eingenommen Ich halte abschließend fest: Erstens. Die Bundesre- hat. gierung ist trotz bereits erfolgter Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof nicht bereit, europäi- In dem Zeitraum zwischen 1980 und 1990 haben sches Recht in deutsches Recht umzusetzen. wir es geschafft, zwischen Naturschutz und- Land- wirtschaft ein konstruktives Gespräch zu etablieren. Zweitens. Sie nimmt dafür in Kauf, daß die Bun- Das fing 1990 an zu bröseln. Mit dem, was Sie hier desumweltministerin aus billigen, wahltaktischen vertreten und was Sie auch in den Medien öffentlich Gründen massiv beschädigt wird. 19726 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ulrike Mehl Drittens. Die Bundesumweltministerin und stellver- kann, liegt in Ihrer Verantwortung. Die SPD hat das tretende CDU-Bundesvorsitzende ist von ihrem Vorhaben zu Fall gebracht. Daß Sie sich jetzt hier Kanzler und ihrem Fraktionsvorsitzenden im Regen hinstellen und sagen, die Bestimmung fehle nun bei stehengelassen worden. Das hat sie sich auch noch der Umsetzung der FFH-Richtlinie, kann ich nicht gefallen lassen. nachvollziehen. Sie müssen konsequent handeln und dürfen nicht erst das Vorhaben zu Fall bringen und (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Erzählen sich anschließend hier hinstellen und Krokodilsträ- Sie doch keinen solchen Unsinn!) nen vergießen. Zum Schluß stellt sich mir deshalb nur noch die (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Frage, Frau Merkel: Wie stimmen denn Sie ab? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Frau Abgeord- nete Mehl, wollen Sie antworten? - Bitte schön.

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention der Abgeordneten Ulrike Mehl (SPD): Frau Kollegin Homburger, ich Birgit Homburger, F.D.P.-Fraktion. habe geahnt, daß Sie trotz der langen, nun schon mehr als zehn Jahre dauernden Debatten - das Ge- setz soll schon seit zehn Jahren novelliert werden; (F.D.P.): Frau Kollegin Mehl, ich Birgit Homburger Herr Töpfer hat sich gehütet, das zu tun, weil er möchte auf drei Punkte, die Sie genannt haben, kurz schon damals erkannt hat, wo der Hase im Pfeffer eingehen und sie aus unserer Sicht richtigstellen. liegt - überhaupt nicht mitbekommen haben, wie Sie haben hier gesagt: Wer die Musik bestellt, be- sich die Diskussion geändert hat. Sie sagen, die Län- zahlt. - Sie verkennen dabei vollkommen, daß die der wollen nicht zahlen. Natürlich zahlen sie. Das Möglichkeit, Naturschutzgebiete auszuweisen, und habe ich eben gesagt. Aber der Spruch ging so: Sie die Verantwortlichkeit dafür bei den Ländern liegen. bestellen die Musik. Wer Naturschutzgebiete ausweist und die Möglich- keit hat, zu bestimmen, wie groß sie werden und auf (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.) welche Höhe sich die Kosten aus eventuell daraus re- - Richtig! Sie wollten etwas ins Bundesgesetz hinein- sultierenden Entschädigungen belaufen, ist der An- schreiben, was die Länder zu bezahlen haben. sprechpartner, der bezahlt. Wenn der Bund das be- zahlen müßte, könnten die Länder ohne Beachtung (Widerspruch bei der CDU/CSU und der von Argumenten und vor allen Dingen ohne Beach- F.D.P.) tung finanzieller Auswirkungen beschließen, was sie wollten. Der Vorwurf, den Sie immer wieder erheben, Das ist das erste. ist, so denke ich, überhaupt nicht gerechtfertigt. Das zweite ist: Sehr geehrte Frau Homburger, (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und wenn Sie uns bei den Beratungen zugehört hätten, der CDU/CSU) hätten Sie mitbekommen, daß wir gesagt haben - das habe ich eben auch schon einmal gesagt -, daß Zum zweiten: Wenn Sie bereit sind, zu zahlen, die Definition der „guten fachlichen Praxis", die im wenn auch die SPD-regierten Bundesländer oder die Bodenschutzgesetz steht, für den Naturschutz nicht rotgrün-regierten Bundesländer, wie sie immer be- ausreicht und daß wir deswegen eine andere Defini- haupten, in diesen Fällen bereit sind, Entschädigun- tion brauchen. Das ist das Minimum dessen, was in gen für die Landwirte zu zahlen, dann frage ich Sie: der Diskussion erreicht werden muß. Warum kann das nicht in ein Gesetz geschrieben werden? Im übrigen weise ich Sie darauf hin, daß sich zum Beispiel das Land Bayern dagegen gewendet hat, (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne dies im Bundesrecht zu ändern. ten der CDU/CSU) Das haben Sie bis jetzt noch in keiner Weise erklärt. (Beifall bei der SPD) (Ulrike Mehl [SPD]: Sie haben nicht zuge hört!) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Wir haben eine weitere Kurzintervention des Abgeordneten Ku rt - Ich habe Ihnen sehr gut zugehört. -Dieter Grill, CDU/CSU. Der dritte und letzte Punkt: Sie haben sich hier hin- (Eckart Kuhlwein [SPD]: Der Mann, der gestellt und sich darüber beschwert, daß wir nicht sehr viel Schatten wirft! - Weitere Zurufe bereit gewesen seien, die „gute fachliche Praxis" zu von der SPD) definieren. Wir haben es in einem langen Verfahren, an dem Sie beteiligt waren, geschafft, die „gute fach- liche Praxis" im Bundes-Bodenschutzgesetz festzule- Ku rt- Dieter Grill (CDU/CSU): Frau Präsidentin! gen. Falls es Ihnen entgangen sein sollte: Wir hatten Meine Damen und Herren! Frau Mehl, ich möchte in der Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz- eben- zunächst einmal festhalten, daß Ihre Behauptung, die falls einen Hinweis auf diese Bestimmung im Boden- Länder zahlten, zumindest für Niedersachsen nicht schutzgesetz vorgesehen. Daß das Bundesnatur- gilt, weil dort gerade das Geld für das, was bisher als schutzgesetz nicht umfassend novelliert werden Vertragsnaturschutz verkauft wird, auf ein Drittel der Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19727

Kurt-Dieter Grill Summe gekürzt wird, ohne daß die Landwirte kon- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Liebe Kollegin- sultiert worden sind. Das ist das eine. nen und Kollegen, es muß hier ein bißchen ruhiger werden; sonst versteht man sein eigenes Wo rt nicht. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Ich bitte um Aufmerksamkeit für den Abgeordneten. Das zweite ist: Aus dem, was hier gesagt wurde, könnte man möglicherweise den Schluß ziehen, den Ulrich Heinrich (F.D.P.): Liebe Kolleginnen und Frau Griefahn im Bundesrat gezogen hat, nämlich Kollegen, ich erkläre hier für die F.D.P.: Wir sind für daß Sie in Wahrheit der Auffassung sind, daß Land- die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht. wirte - so Frau Griefahn im Bundesrat -, die Aus- Wir wollen das nicht verhindern. Wir sind für Natur- gleichszahlungen erhalten wollen, Ladendiebe sind. und Umweltschutz. Die Richtlinie ist auf europäi- Was Sie hier vorhin vertreten haben, entspricht eher scher Ebene gültig, und wir haben sie jetzt in deut- dieser Auffassung. sches Recht umzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU (Anhaltende Unruhe) und der F.D.P.)

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Kann man die Vizepräsidentin Michaela Geiger: Möchten Sie dar- Überkreuzgespräche jetzt bitte beenden! auf antworten, Frau Abgeordnete Mehl? - Bitte schön. Ulrich Heinrich (F.D.P.): Aber eins muß klar sein: Die Umsetzung kann nicht gegen, sondern nur mit Ulrike Mehl (SPD): Das ist die typische Taktik! Herr der Landwirtschaft vollzogen werden. Das müssen Grill ist bekannt dafür, daß er den Bundestag beson- Sie sich merken. ders gern zu einer Landtagswahlkampfarena macht. Folgende Fakten belegen, daß die Landwirtschaft Ich behaupte, daß das, was Sie gesagt haben, nicht bereit ist, in einer vernünftigen, freiwilligen Rege- wahr ist, und fordere Sie auf, es mir nachzuweisen. lung Extensivierungs- und Umweltschutzmaßnah- (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Anhal men mitzutragen: 37 Prozent der Agrarfläche sind tende Zurufe von der CDU/CSU) heute schon mit besonderen Naturschutz-, Umwelt- schutz- und Extensivierungsmaßnahmen belegt. Da- von ist mehr als ein Drittel der gesamten Agrarfläche Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat betroffen, und das funktioniert. jetzt der Abgeordnete Ul rich Heinrich, F.D.P.-Frak- tion. (Ulrike Mehl [SPD]: Das sagt der Bauernver band! Das habe ich gelesen!) (Eckart Kuhlwein [SPD]: Frau Präsidentin, können Sie nicht einmal den pöbelnden Meine Damen und Herren, wenn wir eine Richtli- Haufen dort zur Ordnung rufen?) nie umsetzen, dann muß uns klar sein, daß mit dem Umsetzen europäische Zuständigkeit in deutsche - Dieses Wort wollen wir überhört haben. Umweltgesetzgebung hineinreicht und Brüssel in diesen Fragen in Zukunft mehr mitredet als in der Vergangenheit. Darum ist es sehr wichtig, wie wir Ulrich Heinrich (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine -diese Umsetzung vornehmen. Wenn wir eine Eins verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kol- zu-Eins-Umsetzung, also eine direkte Umsetzung legin Mehl, Sie gehören dem Hause lange genug an, von europäischem Recht in deutsches Recht vorneh- um zu wissen, daß hier eine Rahmengesetzgebungs- men, müssen wir sehr sorgfältig prüfen, ob das nach kompetenz des Bundes gegeben ist. Wir schlagen unserer deutschen Verfassung überhaupt erlaubt ist. nicht den Ländern die Höhe der Entschädigung vor, Da sage ich Ihnen: Ich habe sehr große Bedenken. sondern dies soll nach Landesrecht gestaltet werden. Das Parlament tut, wenn es sich um Eingriffe in das Es soll keine generelle Entschädigung auf Grund der Eigentum handelt, gut daran, sehr sorgfältig zu prü- Flächenausweisung geben, sondern nach nachge- fen und sehr genau hinzusehen, ob wir hier nur et- wiesenen Einschränkungen und Belastungen der was in blindem Gehorsam umsetzen oder ob wir das einzelnen Landwirte. Verbreiten Sie in diesem Raum mit deutschem Recht, mit der deutschen Verfassung doch nicht solchen Unsinn! Das glaubt doch kein in Einklang bringen können. Mensch. (Marion Caspers-Merk [SPD]: Der Minister (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) rat hat doch der Entschließung zugestimmt, Zum Schluß meiner einleitenden Bemerkung muß Herr Heinrich!) ich noch sagen - um mich danach der Sache zuzu- Ich sage Ihnen: Enteignungsvorgänge sind aus- wenden -: Es ist bemerkenswe rt, daß kein einziger gleichspflichtig. Art. 14 des Grundgesetzes gewähr- Agrarpolitiker aus Ihrer Fraktion bei dieser Debatte leistet den Schutz des Eigentums durch geeignete weilt. Wo sind denn Ihre Agrarpolitiker? Die haben Ausgleichs- und Entschädigungsregelungen. sich versteckt, weil sie sich Ihrer Ausführungen schä- men. Das würde mir genauso gehen. - Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - ter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeord- Unruhe) neten Kuhlwein? 19728 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ulrich Heinrich (F.D.P.): Ich möchte meinen Gedan- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ihre Redezeit ist ken mit einem Satz noch zu Ende bringen. zu Ende, Herr Abgeordneter.

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte schön. Aber Ulrich Heinrich (F.D.P.): Ich stelle zum Schluß ein- anschließend ist es gestattet. fach noch einmal lapidar fest: (Zuruf von der SPD: „Lapidar"!) Ulrich Heinrich (F.D.P.): Unter diesem verfassungs- rechtlichen Aspekt, wonach das Eigentum in unserer Die Opposition ist nicht bereit, bei Eingriffen in das Verfassung - Gott sei Dank - einen höheren Wert Eigentum entsprechenden Ausgleich zu gewähren einnimmt als in Ihren Köpfen, müssen wir diese und das auch im Rahmen einer Rahmengesetzgebung Frage hier sorgfältig prüfen. des Bundes zu verankern. Dazu kann man nur sagen: Eigentumsfeindlicher geht es wohl nicht mehr. (Beifall bei der F.D.P.) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Bitte sehr. ten der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD) Eckart Kuhlwein (SPD): Herr Kollege Heinrich, wollten Sie eben sagen, daß die Bundesregierung Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile das 1992 im Europäischen Rat bei ihrer Zustimmung zur Wort der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bündnis 90/ FFH-Richtlinie nicht wußte, was sie tat? Die Grünen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ei- Ulrich Heinrich (F.D.P.): Die Richtlinie kann mit ei- gentlich sollten Sie auch Rügen wegen Falschaussa- ner zusätzlichen Entschädigungsregelung umgesetzt gen an den Kollegen Hein rich verteilen. Mit dem werden. Hier ist deutsches Recht gefordert. Wir müs- Ausgleich verhält es sich ja wohl nicht so - das hat sen jede europäische Richtlinie, die wir in deutsches Frau Mehl überzeugend dargelegt -, wie Sie meinen. Recht umsetzen, mit Blick auf unser Verfassungs- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war ja recht überprüfen. Sie werden mir doch wohl recht schwach, was die Frau Mehl gesagt hat!) geben, daß eine Überprüfung dann nicht standhält, wenn Eingriffe in das Eigentum in der A rt und Weise Das ist der erste Punkt: Wenn es auf den Machter- vorgenommen, wie das mit der FFH-Richtlinie ge- halt ankommt, ist der Bundesregierung jedes Mittel schieht. recht. Nicht nur der soziale Konsens, sondern auch der bisherige gesellschaftliche Konsens zur Erhal- (Beifall bei der F.D.P.) tung der Umwelt wird aufgekündigt. Sie können sich drehen und wenden, wie Sie wol- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wer schreibt len: Es ist die Pflicht des Parlaments, die Regierung dir so einen Mist auf?) zu kontrollieren. Auch das sage ich ganz offen. Über das, was 1992 entschieden worden ist, haben wir Von wegen Konflikte ausräumen: Die rechtswidrige noch nicht in der notwendigen Breite diskutiert. Das Verhinderung einer notwendigen Umweltpolitik in ist heute unsere Aufgabe, wenn wir diese Richtlinie Form der Umsetzung der Artenschutz - und Natur- in deutsches Recht übernehmen. Ich lasse mir als schutz - Richtlinien wird hier gar zum Schutz der Eigen- Parlamentarier nicht das Recht nehmen, hier mitzu- tumsrechte von CDU/CSU und F.D.P. hochgejubelt. bestimmen. Gott sei Dank hat dieser Bundestag ent- sprechende Möglichkeiten, zuzustimmen oder nicht (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das stimmt zuzustimmen. nicht!) Meine Damen und Herren, vorhin wurde gesagt: Damit einher geht eine haltlose Panikmache. Sie er- Wer die Musik bestellt, der muß sie auch bezahlen. - zählen das nämlich den Bauern, so daß sie glauben, Das ist richtig, Frau Kollegin Mehl. Aber die Länder sie würden enteignet und eine zweite Bodenreform bestellen die Musik. Die Länder sind für die Auswei- erleben. sung der Gebiete zuständig. Ich betone noch einmal: (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] Wir machen hier nur ein Rahmengesetz. Die Länder [CDU/CSU]: Bei der Enteignung würden sie füllen es aus, und sie haben die Pflicht, die Auswei- Entschädigung bekommen!) sungen vorzunehmen. Das Ganze wird Ihnen selbst auf die Füße fallen, weil Deshalb ist es nicht mehr als recht und billig - do rt, letztendlich auch Sie diese EG-Richtlinie, die 1992 wo der Bund keine direkten Einflußmöglichkeiten unterschrieben wurde, umsetzen müssen. Seitdem hat, sondern im Benehmen mit ihm Meldungen nach war weiß Gott Zeit genug, um diese Umsetzung zu Brüssel nur weitergeleitet werden -, eine klare finan- betreiben, statt den Leuten irgendeinen Scheiß zu er- zielle Regelung zu schaffen. Das ist Ihr Denkfehler: zählen. daß Sie nicht erkennen, daß nicht der Bund mit der Rahmengesetzgebung, sondern die Länder mit ihrer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Meldung von Flächen die Musik bestellen- und sie sowie bei Abgeordneten der SPD) deshalb auch bezahlen müssen. Es geht Ihnen eigentlich nur darum, die Länder an (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) den Pranger zu stellen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19729

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Frau Abgeord- ist, wenn noch nicht einmal eine Definition vorliegt? nete, der letzte Ausdruck war nicht sehr parlamenta- Richtig ist doch, daß eine naturschutzrechtliche Ein- risch. wirkung nicht im Bodenschutzgesetz festgeschrieben werden kann, sondern in das Naturschutzgesetz ge- hört. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): - Mist, Mist! -, weil sie keinen Pauschal-Entschädi- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS gungsfreibrief für die zum großen Teil nur vermeintli SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) chen Einschränkungen ausstellen wollen. Das ist der entscheidende Punkt. Es geht nicht darum, daß die Damit verbunden sind doch schließlich auch finan- Länder „die Musik bestellen" könnten. Das geht, zielle Forderungen und Rechtssicherheit für die Be- Frau Homburger, auf Unkenntnis zurück oder ist troffenen, die Sie ihnen nicht geben wollen. eine Irreführung. Die Länder sind keineswegs in der Lage, die FFH-Gebiete nach ihrem Belieben auszu- Das Weitere ist, daß die Betroffenen noch nicht ein- weisen, sondern diese Kriterien sind gemäß den EG- mal ordnungsgemäß informiert worden sind. Auch Richtlinien definiert. Es gibt vielleicht ein Vetorecht diese Verpflichtung ist in den Richtlinien verankert. der Länder in bestimmten Fällen, aber es ist nicht so, Zu den Betroffenen gehören die Wi rtschaft, die Land- daß die Länder dort ausweisen könnten, wo es ihnen wirtschaft und die Bevölkerung. Sie spüren, was es gerade Spaß macht. heißt, von der Umsetzung eines FFH-Gebietes betrof- (Birgit Homburger [F.D.P.]: Wer meldet an? fen zu sein. Das eben macht den Leuten angst. Auf Die Länder!) dieser Basis wollen Sie nun Wahlkampf machen. Ich finde das schändlich! - Nein, Sie sollten die Richtlinie vielleicht einmal le- sen. Des weiteren verweigert die Bundesregierung noch immer eine finanzielle Unterstützung mit dem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verweis auf die „Musik der Länder", die - wie ich und bei der SPD) eben schon gesagt habe - so nicht existiert. Im übrigen ist ja auch die Diskussion um die A 20 genau auf diesen Faktor zurückzuführen. Es gab eine Entwicklung zum Positiven - das haben wir hier Vizepräsidentin Michaela Geiger: Gestatten Sie schon festgestellt -, die von Ihnen jetzt konterkariert eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hein rich? wird. Selbstverständlich legen auch die Länder neue Programme auf, etwa Niedersachsen mit dem Was- serpfennig. Für die Eskalation des Konfliktes tragen Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): die Bundesregierung, Frau Merkel und Landwirt- Gleich. - Dabei stehen die Entschädigungsleistungen schaftsminister Borche rt die Verantwortung. für die Landwirtschaft kaum im Vordergrund. Im Vor- dergrund steht die Realisierung der im Rahmen der (Zuruf von der SPD: Wie heißt der?) FFH-Richtlinie geforderten Maßnahmen wie die Er- Die Verweigerung der Umsetzung der FFH-Richtlinie fassung von Schutzgebieten, von Tier- und Pflanzen- in nationales Recht hat eine unverantwo rtliche arten, das Erstellen von Bewirtschaftungsplänen und Rechts- und Umsetzungsunsicherheit geschaffen, ihre Überwachung, die Verfassung von Berichten, die Information und die Koordination. Für die Umset- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das will zung dieser Maßnahmen haben wir schon im Haus- doch überhaupt niemand! Sie reden halt 1997 gefordert, daß entsprechende Gelder zur genauso wie Frau Mehl um die Sache Verfügung gestellt werden. Das ist nicht passiert. Sie herum! - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: haben das abgelehnt, nicht wir. Thema verfehlt! - Gegenruf von der SPD: Oberlehrer Kampeter!) Diese mangelhafte Vorbereitung macht den Zugriff die die Landwirtschaft - und das sagt der BDI auch -, auf die Finanzförderungsprogramme zunichte. Dies die Länder und Kommunen in eine zu Recht kriti- geschieht auch zu Lasten der Landwirtschaft. sierte Planungsunsicherheit bringt. Deutschland ist unter Ihrer Regierung ein Nachzüg- ler auf dem Gebiet des Naturschutzes geworden. Da- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei sind Naturschutz und Artenschutz Zukunftsauf- sowie bei Abgeordneten der SPD) gaben und nicht etwa irgendein Firlefanz.

Ein zweiter Punkt: Die Umsetzung wurde ewig in (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS die Länge gezogen, bis es nicht mehr ging. Abge- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) lehnt wurden die Änderungsanträge von Bündnis 90/ Die Grünen und vom Bundesrat auf eine getrennte Umsetzung, die mehr Raum für eine Diskussion ge- Der Abgeord- geben hätte und die drohende Zwangsgeldverhän- Vizepräsidentin Michaela Geiger: nete Heinrich steht noch immer da und möchte gern gung abgewendet hätte. seine Zwischenfrage stellen. Ein dritter Punkt betrifft die „gute fachliche- Pra- xis", die nicht definie rt worden ist. Wie sollen denn die Länder, wenn ein Automatismus festgeschrieben Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, er wird, festsetzen, was ein Entschädigungstatbestand darf es jetzt tun. 19730 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ulrich Heinrich (F.D.P.): Frau Kollegin, von Ihnen lerdings ergibt sich nach A rt . 75 des Grundgesetzes, wird uns Wahlkampf vorgeworfen. daß für diesen Fall für den Vollzug der Gesetze die Länder zuständig sind. Somit legen die Länder fest, (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Zu welche Gebiete zu Naturschutzgebieten werden. Sie Recht!) reichen ihre Festlegungen der Bundesregierung ein, Ist Ihnen bekannt, daß wir 1994, nach der Bundes- die diese dann nach Brüssel weitermeldet. All das ge- tagswahl, den Grundsatz der Ausgleichspflicht in hört dazu, nicht nur das Lesen einer Richtlinie. Es unser Koalitionspapier hineingeschrieben haben, geht nicht an, daß Sie nur die Richtlinie lesen und daß wir das als eine grundsätzliche Frage betrachten, dann behaupten, die Bundesregierung sei zuständig. die man nicht beliebig variieren kann, und daß das Was Sie sagen, ist unrichtig. Zusammenfallen der Beratung dieses Gesetzes, mit den demnächst stattfindenden Wahlen nur dadurch (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und zustande kommt, weil die Verabschiedung des Ge- der CDU/CSU) setzes in Verzögerung geraten ist?

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das jetzt die Abgeordnete Eva Bulling-Schröter, PDS. Gesetz ist deswegen in Verzögerung geraten, weil Sie selbst es verzögert haben. Das ist der eine Punkt. Der zweite ist, daß die Ausgleichszahlungen für Lei- Eva Bulling-Schröter (PDS): Frau Präsidentin! stungen beispielsweise der Landwirtschaft, die über Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kern der Aus- die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinausgehen einandersetzung im jahrzehntelang währenden Streit oder die - wie die EU-Kommission sagt - besondere um die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes Leistungen sind, auf irgendeiner Grundlage definie rt -liegt im Verhältnis zwischen Naturschutz und Land werden müssen. Solange Sie diese Grundlage nicht bzw. Forstwirtschaft. Das ist eindeutig belegt. Im liefern und eine solche Festschreibung deshalb auch Gegensatz zur Agrarindustrie hat die natürliche Um- auf der Bundesebene nicht erfolgen kann, sind die welt leider keine schlag- und finanzkräftige Lobby. Länder nicht in der Lage, einen pauschalen Freibrief Ehrenamtliche Naturschutzverbände können nur die zu erteilen. Das ist das ganze Problem. öffentliche Meinung mobilisieren, während Bauern- Wir fordern die Bundesregierung auf, die Umset- verbände und Chemiekonzerne engste Verbindun- zung der Artenschutz- und FFH-Richtlinie nicht wei- gen zu Regierungskreisen und zur Parlamentsmehr- ter zu blockieren, den Vereinbarungen des Vermitt- heit pflegen - wie hier bewiesen. lungsausschusses zuzustimmen - in diesen Vereinba- rungen sind auch Öffnungsklauseln für die Landwirt- Der Widerstand der Koalition gegen ein zukunfts- schaft und die Entschädigung enthalten -, die Er- weisendes Naturschutzrecht hat nun seinen Höhe- pressung der Länder bezüglich eines Entschädi- punkt erreicht. Trotz der drohenden 1,5 Millionen gungsautomatismus fallenzulassen, im Rahmen der DM täglicher Strafgelder ist sie sich nicht zu schade, Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes, die sich die überfällige rechtliche Umsetzung der Flora- auch im Vermittlungsausschuß befindet, und einer Fauna-Habitat-Richtlinie mediengerecht - quasi auf Neuvorlage eines Bundesnaturschutzgesetzes die Bauernfang in Niedersachsen - zu verzögern, indem „gute fachliche Praxis " als Voraussetzung für die Un- diese mit der Ausgleichsdebatte verknüpft wird. terstützung der Landwirtschaft zu definieren sowie (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das kön die notwendigen Finanzen für die Umsetzung der nen Sie Ihren Kindern zu Hause erzählen, FFH-Richtlinie durch eine Bundesbeteiligung bereit- aber nicht unseren Mitbürgern!) zustellen, wie es die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag zum Bundeshaushalt 1997 gefordert Die F.D.P. sagt in ihrer Presseerklärung vom Diens- hat. Dazu haben Sie, Herr Repnik, gesagt, daß der tag deutlich, worum es ihr geht: Die klare Ablehnung Streitwert nicht hoch sei. Dann wollen wir doch mal des schwererkämpften Vermittlungsergebnisses sehen, was Sie in dieser Frage einbringen. durch die Koalition wäre „agrar- und vor allem eigen- Danke schön. tumspolitisch die absolut richtige Entscheidung". Von Umweltpolitik findet sich kein Wo rt. Die F.D.P. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hält die vorgesehene Ausweisung von 8,5 Prozent der Landesfläche Nordrhein-Westfalens entspre- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Frau Kollegin chend den FFH-Kriterien für ein „abschreckendes Homburger fühlt sich persönlich angesprochen und Beispiel" kann deshalb nach § 30 unserer Geschäftsordnung eine Erklärung abgeben. Da paßt es auch ins Bild, daß die Ausweisung neuer Naturschutzgebiete in Ostdeutschland durch großflächige Privatisierungen ökologisch we rtvollster Birgit Homburger (F.D.P.): Frau Kollegin, Sie haben Flächen behindert wird. mich angesprochen und gesagt, daß ich einmal die Richtlinien lesen solle. In der Tat gehört zum Erfassen (Zuruf von der CDU/CSU: Sie bleiben doch eines Tatbestandes nicht nur das Lesen einer- Richtli- Naturschutzgebiete!) nie, sondern auch die Kenntnis der Zusammenhänge. In den Richtlinien steht, daß der Mitgliedstaat an die Wir hatten in der letzten Woche eine Debatte dar EU meldet. Mitgliedstaaten sind nicht die Länder. Al- über. Es soll alles verscherbelt werden, auch die Na- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19731

Eva Bulling-Schröter turschutzgebiete in den neuen Bundesländern. Ich von essentieller Bedeutung für die Akzeptanz des sage es hier noch einmal: Das ist ein Skandal! Naturschutzes sind.

(Beifall bei der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Sie von der Opposi tion sollten das auch tun! Die Erklärung Die PDS wendet sich genausowenig gegen Aus- allein reicht nicht!) gleichszahlungen an Land- und Forstwirte wie die Umweltverbände. Allerdings dürfen diese Zahlun- Der Unterschied in unserer Auffassung hat seine Ur- gen nicht zu Geschenken aus den Töpfen der Um- sache in der Tatsache, daß ich nach dreijährigen Be- welthaushalte der Länder verkommen, wie es die mühungen und vielen kontroversen Diskussionen Bundesregierung in ihrem Entwurf zur Naturschutz- mit den Vertretern der Länder leider keine Aussicht novelle vorhatte. auf Erfolg mehr gesehen habe. Die Koalition hat in diesem Zusammenhang eine Ich möchte hier noch einmal ganz deutlich sagen - Verdummungskampagne entfacht. Es existieren das hat auch Herr Hein rich gesagt -: Die Koalition nämlich Instrumente zum berechtigten Ausgleich. wird europäisches Recht umsetzen. Sie wird die Man kann darüber diskutieren, ob die Höhe der Mit- FFH-Richtlinie - unabhängig vom Ausgang eines tel ausreicht. Die Zahlungen werden auf Grund spe- neuen Vermittlungsverfahrens - umsetzen. Aber es zieller vertraglicher Vereinbarungen zwischen den geht hier darum, daß wir in einer wichtigen Frage Umweltministerien und betroffenen Landwirten ge- eine größere Einigkeit bekommen, als wir sie bisher leistet. Teilweise erfolgen sie über regional be- haben. Die Ausgleichsfrage ist von essentieller Be- grenzte, pauschalierte Sockelbeträge, auf die dann deutung. Deshalb respektiere ich den Wunsch vieler noch speziellere vertragliche Vereinbarungen aufset- Kollegen hier im Hause, zu sagen: Wir müssen alle zen können. Dagegen will die Koalition an Landwirte unsere Möglichkeiten ausschöpfen, um zu versu- für deren Flächen - egal, ob bewirtschaftet oder chen, diesen Ausgleich für die Landwirte hinzube- nicht, egal ob Acker, Brache, Wiese oder sogar Wald kommen. - pauschal Geld ausschütten - und das auch noch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) rückwirkend -, wenn diese innerhalb von Schutzge- bieten liegen. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Frau Ministerin, Wir meinen dagegen: Wenn durch die Ausweisung gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten von Naturschutzgebieten tatsächlich Verluste für Höfken? Landwirte entstehen, dann sind diese selbstverständ- lich auszugleichen. Wir meinen aber auch, daß eine Bundesministerin für Umwelt, allgemeine Subvention zur Führung Ihres Wahl- Dr. Angela Merkel, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Nein, ich möchte kampfes abgelehnt werden muß. die ganze Rede zusammenhängend halten. Noch ein Wort zur Verbindung zwischen Bund und Land. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Die ganze Rede keine Zwischenfragen?

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Kein Wort mehr. Dr. Angela Merkel, Bundesministerin für Umwelt, Es blinkt schon eine Zeitlang. Ihre Redezeit ist zu Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ja. Ende. Natur- und Artenschutz sind Kernpunkte der Um- weltpolitik dieser Bundesregierung und dieser Koali- tion. Aber Natur- und Umweltschutz brauchen die Eva Bulling-Schröter (PDS): Schade. Vielleicht das nächste Mal. Akzeptanz der Menschen. Gerade im Naturschutz geht es um die Akzeptanz im ländlichen Bereich. (Heiterkeit - Beifall bei der PDS) Frau Mehl, Sie haben selber gesagt: Seit den 90er Jahren bröckelt der Dialog mit den Bauern. Warum?, frage ich. Deshalb, weil an vielen Stellen das, worauf ein Anrecht besteht, mißachtet wird, nämlich daß in Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile jetzt dem Maße, wie Einkommenseinbußen entstehen - das Wort der Bundesministerin Angela Merkel. das sind keine Subventionen -, Ausgleich gezahlt wird,

Dr. Angela Merkel, Bundesministerin für Umwelt, (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Präsidentin! NEN]: Wenn Sie eine andere Agrarpolitik Meine Damen und Herren! Sie alle wissen, daß ich machen würden, wäre das nicht passiert!) mich in den vergangenen Tagen für eine Zustim- und weil wir, gerade die städtische Bevölkerung, mung zu dem Vermittlungsergebnis zur Umsetzung nicht das Recht haben, den Menschen, die von der der FFH-Richtlinie eingesetzt habe. Ich- habe dies Nutzung des Bodens leben, ihren Erwerb zu schmä- nicht etwa deshalb getan, weil ich gegen Ausgleichs- lern, der oftmals sowieso sehr kritisch ist. regelungen wäre. Ich bin nämlich sehr wohl der Mei- nung, daß Ausgleichsregelungen für die Landwirte (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 19732 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Bundesministerin Dr. Angela Merkel Deshalb hat im übrigen auch die Europäische Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist Union im Rahmen des Life-Programms genau das ge- etwas unverständlich, Frau Ministerin Merkel, daß tan, was auch wir für richtig halten: Sie hat Gelder Sie uns die Fragen, die Frau Mehl konkret gestellt für Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt. hat, nicht beantwortet haben, nämlich auf der einen Deshalb plädiere ich dafür, daß wir Deutsche diese Seite: Wie stimmen Sie ab? Und auf der anderen Gelder nutzen. Seite: Wie ist Ihre Erklärung? Daß Sie sagen, die FFH-Richtlinie würde umgesetzt, müsse aber noch (Vorsitz: Vizepräsident Hans-Ulrich Klose) einmal den Vermittlungsausschuß durchlaufen, ist Wir alle, die am Naturschutz interessie rt sind, ha- eine völlig inakzeptable Situation für dieses Parla- ben in den letzten Jahren - ich erinnere an die Wat- ment. Das müssen Sie einfach akzeptieren. tenmeer-Konferenz - die Erfahrung gemacht, wie brenzlig die Stimmung vor Ort ist. Diese Wirkung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN müssen wir bekämpfen. Da glaube ich, daß vernünf- und bei der SPD) tige Ausgleichsregelungen eine gute Maßnahme Entweder man stimmt heute dem Ergebnis des Ver- sind. Ich sage auch noch einmal, daß unser Bundes- mittlungsausschusses zu, oder man gibt ein Angebot programm mit den 40 Millionen DM jährlich für ab. Beides ist nicht passiert. Ich denke, das ist ein Strukturmaßnahmen im Naturschutz mit Ausgleichs- Sich-drehen-im-Kreise. Das sind interne Auseinan- maßnahmen und Hilfen für die Landwirte der rich- dersetzungen, die wir hier austragen müssen, weil tige Weg ist, solche Projekte zu schaffen, wie wir sie Sie die Leitbilddiskussion beispielsweise in der Land- wollen. wirtschaft verpaßt haben. Ich stimme auch denen zu, die sagen, wir bräuch- ten die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, um Pla- Das zweite. Sicherlich haben Sie recht, was die nungssicherheit zu haben. Wir haben das an dem Konflikte mit den Bauern betrifft. Ich würde an Ihrer Prozeß um die A 20 gesehen. Denn mein Ziel ist nicht, Stelle ganz gerne Herrn Minister Borche rt beschimp- daß bei Herrn Steenblock die Sektkorken knallen, fen, denn Sie bekommen immer alles ab; das finde ich auch nicht gerecht. Aber es ist natürlich auch (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ eine verfehlte Agrarpolitik, die zu dieser Situation DIE GRÜNEN]: Nichts gegen Sektkorken! geführt hat. Die ganze Preissenkungspolitik, die Sekt ist ein landwirtschaftliches Produkt!) letztendlich mit Naturschutz ausgeglichen werden soll, kann nicht funktionieren. Insofern an dieser weil die Autobahn um Lübeck nicht gebaut werden Stelle ein Verweis auf die Agrarpolitik. kann, sondern mein Ziel sind Berechenbarkeit und Planungssicherheit. Dafür ist auch die Umsetzung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN europäischen Rechts notwendig. und bei der SPD - Ecka rt Kuhlwein [SPD]: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wo ist Borchert? Er drückt sich!) Liebe Frau Mehl und liebe Kolleginnen und Kolle- gen von der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen, Vizepräsident Hans - Ulrich Klose: Frau Ministerin, Sie haben sich in den vergangenen Tagen darüber wollen Sie erwidern? empört, daß bei der Umsetzung dieser FFH-Richtlinie wiederum ein Zeitverzug eintritt. Ich habe am 4. Juli im Bundesrat, als die Gesamtnovelle des Bundesna- Dr. Angela Merkel, Bundesministerin für Umwelt, turschutzgesetzes leider gescheitert ist, so daß sie Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ja. nicht umgesetzt werden konnte, gebeten, daß die Länder von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen - - Bitte. ich hatte Herrn Steenblock persönlich angesprochen -, Vizepräsident Hans Ulrich Klose: den Vermittlungsausschuß anzurufen, um gerade im Blick auf das europäische Recht eine schnelle Umset- Dr. Angela Merkel, Bundesministerin für Umwelt, zung möglich zu machen. Die Länder haben von die- Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin, ser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Deshalb erstens habe ich deutlich gemacht, daß ich den möchte ich sagen: Gerade die, die heute laut rufen, Wunsch der Koalition und des Parlamentes, von ih- wir bräuchten die FFH-Richtlinie schnell, haben da- rem Recht, den Vermittlungsausschuß in einer sol- mals gar nichts dazu beigetragen, daß es zu ihrer chen Frage anzurufen, Gebrauch zu machen, respek- Umsetzung kommen konnte. tiere. Zweitens möchte ich ganz deutlich machen, Wir von der Bundesregierung haben den Vermitt- daß die Fragen des Naturschutzes und der Umwelt- lungsausschuß angerufen, und wir werden auch da- politik natürlich eng zusammenhängen und in der für sorgen, daß die FFH-Richtlinie umgesetzt wird, Agrarpolitik sehr wohl Vorkehrungen getroffen wur- wie es Europa erfordert. den, zum Beispiel mit der Verordnung 2078 für Ver- tragsnaturschutzmaßnahmen, die sehr wohl Maß- Herzlichen Dank. nahmen im europäischen Bereich für den Zusam- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - menhang von landwirtschaftlicher Nutzung und Um- Zuruf von der SPD: Umfaller!) weltpolitik beinhaltet. Heute aber geht es darum, daß wir vor Ort - das

Vizepräsident Hans - Ulrich Klose: Das Wort zu ei- wissen Sie genauso wie ich - Grabenkämpfe und ner Kurzintervention hat die Kollegin Höfken. hohe Emotionen darüber haben, daß die Bauern zum Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19733

Bundesministerin Dr. Angela Merkel Teil Auflagen bekommen, die nicht ausgeglichen Grünen und PDS sowie einigen Gegenstimmen aus werden, und daß der Naturschutz je nach Haushalts- der CDU/CSU angenommen. lage einer der ersten Streichungsposten in einigen (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Erhebli Bundesländern ist. Es hilft doch denjenigen, die sich che! - Eckart Kuhlwein [SPD]: Erhebliche! für den Naturschutz einsetzen, überhaupt nichts, Fast ein Drittel!) wenn wir gerade an diesen Stellen sparen. In der Sa- che kämen wir dadurch nicht voran. - Herr Kollege Kuhlwein, mein Wort „einige" steht jetzt im Protokoll und Ihr Zwischenruf „erhebliche" Die Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen ist auch, also sind wir beide zufrieden. Länderaufgabe. Sie wird unterschiedlich gehand- habt, aber in einigen Ländern ist sie absolut nicht zu- Wir kommen zu Zusatzpunkt 9, zur Beschlußemp- friedenstellend und wirft uns im Naturschutz eher fehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zurück, als daß sie uns voranbringt. Deshalb sagen zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen wir: Wir brauchen bundeseinheitliche Festlegungen, Gemeinschaft über die besondere Etikettierung von damit nicht jeder innerhalb der Rahmengesetzge- Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen. Berichter- bungskompetenz machen kann, was er will. statter ist der Kollege Dr. Heribert Blens. - Das Wo rt zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. Erklä- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) rungen liegen nicht vor. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich schließe die Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungs- Aussprache. ausschuß hat wiederum gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 sei- ner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deut- Wir kommen nun zu Zusatzpunkt 7: Beschlußemp- schen Bundestag über die Änderungen gemeinsam fehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz abzustimmen ist. Wer stimmt für die Beschlußemp- zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und fehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksa- der Landschaftspflege, zur Umsetzung gemein- che 13/9641? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die schaftsrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti- anderer Rechtsvorschriften. Berichterstatter ist der onsfraktionen und der SPD-Fraktion sowie der Kollege Michael Müller (Düsseldorf). - Ich höre je- Gruppe der PDS bei Gegenstimmen von Bündnis 90/ doch, daß das Wort zur Berichterstattung nicht mehr Die Grünen angenommen. gewünscht wird. Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tages- Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungs- ordnung um die Beratung der Beschlußempfehlung ausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Ge- des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Än- schäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bun- derung des Atomgesetzes und des Gesetzes über die destag über die Änderungen gemeinsam abzustim- Errichtung eines Bundesamtes für Strahlenschutz zu men ist. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des erweitern. Über die Beschlußempfehlung soll, wie Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/9638? - ich höre, sofort abgestimmt werden. Ist das Haus mit Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußemp- der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - fehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS Damit rufe ich den soeben aufgesetzten Zusatz- abgelehnt. punkt 13 auf: Wir kommen zu Zusatzpunkt 8: Beschlußempfeh- Beratung der Beschlußempfehlung des Aus- lung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zum schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes Schutz des Bodens. Berichterstatter ist die Kollegin (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Anke Fuchs. - Das Wo rt zur Berichterstattung wird Änderung des Atomgesetzes und des Geset- nicht gewünscht. Ich teile aber dem Hause mit, daß zes über die Errichtung eines Bundesamtes es zahlreiche Erklärungen nach § 31 der Geschäfts- für Strahlenschutz ordnung gibt, und zwar von den Kollegen Ge rt Will- - Drucksachen 13/8641, 13/8958, 13/9543, 13/ ner, Hubert Deittert, Elke Wülfing, Karl-Josef Lau- 9771- mann, Freiherr von Schorlemer, Werner Lensing und Jürgen Augustinowitz.*) Berichterstattung: Abg. Dr. Peter Struck Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungs- ausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Ge- Das Wort zur Berichterstattung wird nicht ge- schäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bun- wünscht. Erklärungen zur Abstimmung gibt es auch destag über die Änderungen gemeinsam abzustim- nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung. men ist. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/9637? - Satz 1 seiner Geschäftsordnung wiederum beschlos- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußemp- sen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderun- fehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen - gen gemeinsam abzustimmen ist. Wer stimmt für die und der SPD bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/9771? - Gegenprobe! - Enthaltun- *) Anlagen 2 und 3 gen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen 19734 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Op- in der Bundeswehr. Sie versuchen, stellvertretend die position abgelehnt. ganze Gesellschaft für die Entwicklung in der Bun- deswehr verantwortlich zu machen. Das wird Ihnen Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 10 auf: aber nicht gelingen. Denn diese Bundeswehr ist mit unserer Unterstützung in unserer Gesellschaft fest Aktuelle Stunde verankert. auf Verlangen der Fraktion der SPD (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Warum Haltung der Bundesregierung zur Eignung sind Sie dann nicht dabei?) des Termins 13. August 1998 für ein öffentli- ches Gelöbnis Öffentliche Gelöbnisse, die nur durch größten Poli- zeischutz abgehalten werden können, bringen Un- Ich eröffne die Aussprache. Das Wo rt hat der Kol- frieden und tragen nicht dazu bei, die Verankerung lege Walter Kolbow, SPD-Fraktion. der Bundeswehr in der Gesellschaft zu festigen. (Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU/ Walter Kolbow (SPD): Herr Präsident! Meine Da- CSU: Müssen wir denn vor den Kommuni men und Herren! Mit Ihrer Ankündigung auf der sten zurückweichen?) CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth und der fo rt -währenden Bekräftigung, am 13. August 1998 in Ber- Der Umgang mit Gelöbnissen, insbesondere die lin vor dem Roten Rathaus ein öffentliches Gelöbnis Wahl des Ortes und des Zeitpunktes, erfordern be- der Bundeswehr abhalten zu wollen, haben Sie, Herr sonderes Fingerspitzengefühl. In Deutschland ist Bundesverteidigungsminister Rühe, diese Aktuelle nach den verherenden Kriegen dieses Jahrhunderts Stunde im Deutschen Bundestag geradezu provo- der Gebrauch tradierter Formen der Militärge- ziert. schichte nie unproblematisch. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Beifall bei Abgeordneten der SPD) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein solches Zeremoniell, wie es das feierliche Gelöb- Es war und ist Ihre Absicht, die gelobenden Wehr- pflichtigen und die Bundeswehr zum Instrument nis darstellt, muß positive öffentliche Wirkung haben, um seinem Zweck zu dienen. wahltaktischer Auseinandersetzungen zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Gün (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der ther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Blödsinn! - F.D.P.) Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Daran sind alle dera rtigen Veranstaltungen zu mes- Skandal!) sen. Gelöbnisse in der Öffentlichkeit dürfen nicht zu Dafür haben Sie zwei Gründe. Erstens wollen Sie Gegendemonstrationen und Gewalt führen, ange- von Ihrer politischen Verantwortung für die zur Se rie sichts der sich die Bundeswehr hinter einem riesigen gewordenen Vorfälle mit rechtsradikalem Hinter- Polizeiaufgebot verstecken muß. grund in den Streitkräften ablenken. Zweitens wol- len Sie dem politischen Gegner am Zeug flicken und (Widerspruch bei der CDU/CSU) ihn als Bösen an den Pranger stellen, weil er gegen Weder den beteiligten Soldaten - es sind unsere jun- den 13. August und gegen öffentliche Gelöbnisse gen Wehrpflichtigen - noch den sie schützenden überhaupt ist, wenn es zu nicht gewaltfreien Pro- Polizeibeamten ist solch eine unwürdige Situation testen in Berlin kommt. zuzumuten. (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: „Nicht gewalt frei" heißt „gewalttätig"!) (Beifall bei der SPD) Sie wissen genau, daß Sie mit dem Termin am 13. Au- Der 13. August ist kein geeignetes Datum für ein gust in Berlin spalten. öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr in Berlin. (Paul Breuer [CDU/CSU]: Wen? Die SPD?) (Zurufe von der CDU/CSU: Warum?) Das wird aus vielen Diskussionen vor O rt, in Zei- Der Mauerbau vor 37 Jahren erinnert an die tungskommentaren und Leserbriefen deutlich. Auch schmerzhafte deutsche Teilung, an die brutale Wirk- in der Bundeswehr wird dies artikuliert. lichkeit des kalten Krieges, die Berlin zerrissen und Leid für die Menschen gebracht hat. Der Mauerbau (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Aber war eine massive Verletzung der Menschenrechte nicht in eurem Sinne!) Aber Sie nehmen das billigend in Kauf. Mehr noch, (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Sehr rich dies ist Ihre Absicht, Herr Bundesminister-tig!) der Vertei- digung. und ein Akt brutaler staatlicher Willkür, in deren (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Folge Menschen durch das Grenzregime auch ermor- DIE GRÜNEN) - det wurden. Sie wollen Ihren Bezug herstellen zwischen den (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Gelöbnissen und den besorgniserregenden Vorfällen F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19735

Walter Kolbow Der 13. August war eine Niederlage für die Demo- Paul Breuer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine kratie, ja, der Demokratie. Vor diesem Hintergrund, Damen und Herren! Die Debatte um das feierliche öf- fentliche Gelöbnis junger Wehrpflichtiger in Berlin (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Ziehen wir die scheint groteske Formen angenommen zu haben. richtige Lehre!) (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ in den, Herr Feilcke, nicht nur die große Politik, son- NEN]: Woran liegt denn das?) dern auch verletzte Gefühle und Trauer um verpaßte Lebenschancen einfließen, hat die Planung eines öf- Ich denke, daß der Beitrag des ansonsten sehr ge- fentlichen Gelöbnisses in Berlin etwas Herbeigerede- schätzten Kollegen Kolbow ein beredtes Beispiel da- tes und Erzwungenes. für war. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Auch das Verhältnis eines gelernten DDR-Bürgers zum 13. August - es hat mich sehr beeindruckt, was Wenn ich diese Rede einmal analysiere, dann ist es gestern im Verteidigungsausschuß vom Kollegen offenbar so, daß es beim feierlichen öffentlichen Ge- Ortleb dazu gesagt worden ist - ist gespalten. Das löbnis in der Hauptstadt Berlin - - Gefühlsspektrum muß doch tole riert werden. Herr (Walter Kolbow [SPD]: Ein Heuchler spricht!) Rühe meinte dazu, daß Menschen aus der früheren DDR, die wegen ihrer Befindlichkeit den 13. August - Das bitte ich zu Protokoll zu nehmen. Der Kollege als Datum für ein öffentliches Geblöbnis ablehnen, Kolbow hat gerade gesagt: „Ein Heuchler spricht". noch nicht angekommen seien. Welche Hyb ris ver- ordnen Sie? Die Richtigkeit von Geschichte und von (Walter Kolbow [SPD]: So ist es! - Zurufe Gefühlen der Menschen im Zusammenhang mit Ge- von der CDU/CSU: Pfui!) schichtsdaten? Ich bin bereit, vieles hinzunehmen. Das aber ist unter (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne dem Niveau, auf dem wir normalerweise miteinander ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu verkehren pflegen. und der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU) So ist es wieder einmal mehr Georg Leber gewe- sen, der in der „Bild am Sonntag" geschrieben hat: Da es beim feierlichen öffentlichen Gelöbnis in Es ist aber eine Frage politischer Klugheit und Berlin offenbar nur um die Terminfrage geht und politischer Verantwortung, ob ein Gelöbnis in der nicht darum, daß junge deutsche Staatsbürger in der heißen letzten Phase des Bundestagswahlkamp- deutschen Hauptstadt vor der gesamten deutschen fes in der Mitte von Berlin sinnvoll ist oder nicht. und auch der internationalen Öffentlichkeit ihr Ge- löbnis auf unsere freiheitliche Verfassung abgeben, ist das Schauspiel, das die SPD hier bietet, unwürdig. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Zeit, Herr Kol- lege. (Beifall bei der CDU/CSU - Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie haben nichts verstanden, Herr Kollege! - [SPD]: Sie verhei- Walter Kolbow (SPD): Meine letzten Sätze, Herr Präsident. zen die Bundeswehrsoldaten! Das ist es!) Die Anordnung eines Gelöbnisses ist ein militäri- Meine Damen und Herren, in unserer Gesellschaft scher Befehl, zu dem der Bundeskanzler sind nicht allzu viele in die Pflicht genommen, sich notfalls unter Einsatz von Leib und Leben für Frieden - auch der hat sich noch eingemischt - und Freiheit einzusetzen. Treue zum Staat, Verteidi- (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Unerhört!) gung von Recht und Freiheit - sind das etwa keine Werte, für die es sich lohnt, öffentlich einzutreten? im Frieden nicht befugt ist. Indem er sich persön- lich darauf festbeißt, wird das Ereignis zu einem (Uta Zapf [SPD]: Thema verfehlt!) Politikum, und - ob er es will oder nicht: Das Ge- löbnis erhält wegen des Zeitpunktes, des Ortes Anstatt sich an dieser zentralen Frage zu orientieren, und der Art, wie es verlaufen kann, völlig unnötig verzettelt sich die SPD in der Frage des passenden einen politischen, parteipolitischen und auch pro- Termins. vozierenden Stellenwert. (Uta Zapf [SPD]: Quatsch!) Dafür und im übrigen auch für die gesamte nega- tive Entwicklung in unseren Streitkräften trägt dieser Ich behaupte: Alles ist nur vorgeschoben. Bundesminister der Verteidigung die Verantwortung. (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Genau! - (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN NEN]: Von Ihnen!) und der PDS) - In Berlin wird die SPD den Ansprüchen einer Haupt- stadtpartei in keiner Weise gerecht. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Paul Breuer, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) 19736 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Paul Breuer Es wäre eine Beleidigung für die Provinz, sie dort als Wir haben gegen die Mauer demonstrie rt, als sie Provinzpartei zu bezeichnen. stand, und Sie bezeichneten uns als „kalte Krieger". Die Juso-Fahnen wehten rings um uns herum. (Beifall des Abg. Jochen Feilcke [CDU/ CSU]) Die Juso-Fahnen in Berlin beim öffentlichen Ge- löbnis am 13. August werden beim Pöbel sein, der Schlimmer aber ist, daß sie heute hier in Bonn auch gegen die Veranstaltung demonst riert. Um das zu noch Unterstützung dafür erhält. vertuschen, führen Sie diese Diskussion. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Heuchler!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Eine besondere Qualität hat auch das, was an Dis- ordneten der F.D.P. - Winfried Nachtwei kussion, an Theater in Hamburg stattfindet. Was vor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben 21 Jahren unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und Demonstrierende als „Pöbel" bezeichnet!) Verteidigungsminister Georg Leber möglich war, (Walter Kolbow [SPD]: Den habe ich gerade Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Liebe Frau Kol- zitiert!) legin Fuchs und verehrter Kollege Kolbow, Sie sind beide lange genug im Parlament, um zu wissen, daß nämlich ein Gelöbnis auf dem Rathausmarkt durch- die Bezeichnung eines Kollegen mit dem Wo rt zuführen, ist heute offenbar verpönt. „Heuchler" jenseits der parlamentarischen Ordnung liegt. Beachten Sie das bitte! (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Das ist aus der Rede von Rühe! (Gerhard Zwerenz [PDS]: Ist „Pöbel" in Nichts als abgeschrieben!) Ordnung? - Dr. Barbara Höll [PDS]: Sind Menschen, die demonstrieren, der „Pöbel"? Herr Kollege Kolbow, Sie haben sich gestern im - Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Er hat Sie Verteidigungsausschuß von Ihren Genossen in Ham- doch nicht persönlich angesprochen!) burg distanziert. Dies habe ich heute hier im Plenar- saal des Deutschen Bundestages vermißt. Ich weiß, - Er hat niemanden persönlich angesprochen. Wenn Hamburg ist Ihnen peinlich. Und wenn Sie nach dem ich Ihnen das noch einmal erläutern darf: Wenn iden- Konsens der Demokraten fragen: Stellen Sie den tifizierbar ist, daß eine solche Bezeichnung auf eine Konsens einmal in Ihrer eigenen Partei her, Herr Kol- bestimmte Person gemünzt ist, dann gilt das außer- lege Kolbow! halb dieses Parlaments als Beleidigung und hier im (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Parlament als wichtig genug, daß dies einen Ord- ordneten der F.D.P.) nungsruf nach sich zieht. Es ist für die große Volkspartei SPD beschämend, Jetzt die Kollegin Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grünen. (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: So groß ist sie nun auch nicht!) Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr wie sehr sie sich - da verweise ich auf Hamburg - in Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist einer Koalition von den Grünen instrumentalisieren ja nicht ungeschickt, Herr Rühe, wie Sie die Gelöb- läßt. Es wird deutlich, daß Sie in einer rotgrünen Ko- nisse in die öffentliche Debatte gebracht haben, um alition in den Fragen der Verteidigungs- und der Si- von Ihren eigenen Problemen und denen der Bun- cherheitspolitik absolut unberechenbar werden, so- deswehr abzulenken. weit Sie es überhaupt jemals waren. (Beifall des Abg. Winfried Nachtwei [BÜND (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - NIS 90/DIE GRÜNEN]) Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Na, na Freundchen! Werde nicht frech!) Sie hoffen auf eine Langzeitwirkung in den Wahl- kampf hinein. Ich muß Sie aber leider enttäuschen: Wenn Sie, meine Damen und Herren Kollegen von Das wird nicht funktionieren, nicht in diesem Stil, der SPD, darauf verweisen - dies hat Herr Struck ge- nicht bei dem Rumgeballere. Zu offensichtlich ist Ihr stern gemacht -, daß die SPD-Verantwortlichen in Versuch und der der Koalition, die Bundeswehr Berlin am 13. August - ein geeignetes Datum - zu wahlkampftaktisch in Beschlag zu nehmen, sie zu in- Gedenkfeiern anläßlich des Mauerbaus gehen, dann strumentalisieren. Es wird Ihnen auch nicht gelingen, fühle ich mich persönlich angesprochen. Ich erinnere damit die sachliche Aufklärungsarbeit über rechtsex- mich daran, Herr Kollege Scharping, in den 70er Jah- tremistische Vorfälle in der Bundeswehr zu torpedie- ren als Mitglied der Jungen Union an solchen De- ren. monstrationsveranstaltungen gegen die Mauer teil- genommen zu haben. Ich habe damals allerdings (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Wann machen festgestellt, daß die Jungsozialisten - das sind die Sie denn mobil?) SPD-Verantwortlichen von heute - Flugblätter ver- Sind Sie wirklich so naiv, zu glauben, daß durch teilt haben, in denen sie uns als „kalte Krieger"- be- zeichneten. militärisches Zeremoniell in der Öffentlichkeit die Ar- mee demokratisch integrie rt wird? Gerade durch sol- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) che Veranstaltungen, die in der Vergangenheit - es Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19737

Angelika Beer ist erwähnt worden - nicht selten von einem riesigen durchaus interessant, nur, nicht im Hinblick auf die Polizeiaufgebot begleitet wurden, Gelöbnisse. Versuchen Sie doch nicht, die Kasernen auf die Marktplätze zu verlegen. (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Weil Sie ge stört haben! - Siegf ried Hornung [CDU/ (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Genau dort CSU]: Da standen Sie oftmals an der gehören sie hin!) Spitze!) Ich schlage Ihnen vor: Verfolgen Sie den Gedanken machen Sie die Bundeswehr besonders für jene at- der gläsernen Kaserne weiter, und zwar in dem traktiv, die Sie - so sagen Sie jedenfalls - gar nicht Sinne, daß wir endlich sicher sein können, daß die haben wollen, nämlich für Menschen mit rechtsex- Verherrlichung der Wehrmacht nicht länger in Tradi- tremem und nationalautoritärem Gedankengut. tionsräumen der Bundeswehr bet rieben werden Weil dies so ist und weil Ihr Wunsch, ausgerechnet kann! zum Jahrestag des Mauerbaus, am 13. August, ein (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS öffentliches Gelöbnis in Berlin zu erzwingen, von SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der politischer Instinktlosigkeit zeugt, ist öffentlicher und PDS - Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Was hat demokratischer Protest gegen das Gelöbnis mehr als das mit dem Thema zu tun?) gerechtfertigt. Wir werden uns beteiligen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ein öffentliches Gelöbnis am Tag des Mauerbaus, und bei der PDS - Jürgen Augustinowitz Herr Rühe, ist nichts anderes als eine politische De- [CDU/CSU]: Aha! So, so!) monstration. Sie ist eine Provokation für alle, die des Tages des Mauerbaus mit Ruhe, Ernsthaftigkeit und Mit Ihren pauschalen Diffamierungen der Kritiker Trauer gedenken wollen statt mit militärischem und Kritikerinnen, die das von Ihnen gewählte Da Tschingderassabum. tum und den Ort aus sehr guten Gründen nicht ak- zeptieren, zeigen Sie lediglich, daß Sie den Stil de- (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: mokratischer Auseinandersetzungen nicht beherr- Wer hat denn die Mauer eigentlich gebaut? schen. Die Kritiker und Kritikerinnen nehmen ein Rechtfertigen Sie das im nachhinein? Das selbstverständliches Recht in einer Demokratie wahr ist eine merkwürdige Argumentation!) und wehren sich gegen den Verfall der politischen Wer sich in den öffentlichen Raum begibt, Herr Mi- Kultur. Und das ist gut so. nister Rühe, muß auch öffentliche Kritik vertragen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können, muß in der Lage sein, auch mißliebige Stim- sowie der Abg. Dr. Barbara Höll [PDS]) men auszuhalten. Gerade hierin - das haben Ihre Re- aktionen deutlich gemacht - fehlt Ihnen leider die Daß die Traditionalisten in der Bundeswehr noch demokratische Toleranz. nie etwas mit demokratischen Tugenden am Hut hat- ten, das ist bekannt. Ausgesprochen bedauerlich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aber ist, daß Sie, Herr Rühe, sich - trotz aller verbalen und bei der PDS sowie bei Abgeordneten Bekundungen - in der Praxis zu diesem Kreis gesel- der SPD) len.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Was heißt Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der „zu diesem Kreis"? Das müssen Sie erläu Kollege Günter Nolting, F.D.P. tern!) Sie haben ja recht, Herr Minister Rühe, wenn Sie Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Herr Präsident! sagen, daß die Grünen grundsätzlich gegen Gelöb- Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Beer, ich nisse auf öffentlichen Plätzen sind; denn wir sind weise Ihre Aussage zurück, die Sie gerade gemacht überzeugt: Gelöbnisse gehören in die Kasernen. haben, (Jürgen Augustinowitz [CDU/CSU]: Warum?) (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ - Das sage ich Ihnen gerne: Die Bundesrepublik ist NEN]: Fühlen Sie sich auch betroffen?) eine zivile Gesellschaft, in der nicht Sekundärtugen- den wie Disziplin und Gehorsam zählen, sondern die Bundeswehr werde für Rechtsextreme und selbstbewußtes und eigenverantwortliches Auftre- Rechtsradikale attraktiv gemacht. Sie sollten sich ten. Deshalb appelliere ich an Sie: Verzichten Sie auf schämen! Ihre Gelöbniskampagne - man muß wissen: bis zum (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) 13. August gibt es immerhin 66 öffentliche Gelöb- nisse, mit denen Sie den Druck eskalieren lassen Die Bundeswehr ist die Streitkraft unserer Demo- wollen -, die dazu dient, die Relegitimierung von Mi- kratie. Frau Kollegin Beer, das haben Sie vielleicht litär und seine interventionistischen Aufgaben in der auch vergessen. Gesellschaft durchzusetzen! Versuchen Sie nicht, das Auslaufmodell Wehrpflicht mit öffentlichen Gelöb- (Rudolf Scharping [SPD]: Die Bundeswehr nissen rechtfertigen zu wollen! - ist die Armee des Parlaments!) Andererseits gibt es einen Vorschlag von Ihnen, - Die Bundeswehr ist die Armee des Parlaments - den wir gut finden: die gläserne Kaserne. Das ist Herr Kollege Scharping, das ist richtig - und sie ist 19738 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Günther Friedrich Nolting durch und durch mit unserer freiheitlich-demokrati- schrift „Grüne gratulieren der Bundeswehr nicht" schen Grundordnung verbunden. Ich hätte mich ge- mitteilte: freut, wenn auch dazu aus Ihren Reihen etwas ge- kommen wäre. Erst dann, nach der Abschaffung der Bundes- wehr, haben wir einen wirklichen Grund zum Fei- (Rudolf Scharping [SPD]: Keine Sorge!) ern.

Die Bundeswehr ist jünger als dieser deutsche (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Staat und von ihm in dem Bewußtsein geschaffen NEN]: Sie sollten die ganze Presseerklärung worden, daß Freiheit, Demokratie und Menschen- zitieren, dann hat das einen Sinn!) rechte immer wieder verteidigt werden müssen. Des- wegen haben die Freien Demokraten im letzten Jahr Wen wundert es, daß Vertreter einer solchen Hal- in ihr Wiesbadener Grundsatzprogramm unter ande- tung die Bundeswehr nicht sehen möchten, weder öf- rem aufgenommen - ich zitiere -: fentlich noch nichtöffentlich? Ich bedaure es, daß sich die SPD hier hat einbinden lassen, sich hier hat Wer es ablehnt, Frieden und Freiheit zu sichern, fesseln lassen. Das beweist wohl auch die heutige notfalls auch mit militärischen Mitteln, läßt die Aktuelle Stunde. Menschen im Stich. Wir sagen dazu: Wir lassen die Menschen nicht im (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Stich, und unsere Bundeswehr tut es auch nicht. Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Was hat das mit dem Gelöbnis zu Ich bedaure dies, weil es sich bei der Sozialdemokra- tun?) tie um eine wichtige Kraft handelt, die in der Ge- schichte durchaus Verdienste um diese Bundeswehr Sie hilft, wo sie nur helfen kann, und dies hat sie in hatte. Ich betone „hatte" und erinnere an die ehema- den letzten 40 Jahren immer wieder bewiesen. ligen Verteidigungsminister Schmidt, Apel und Le- ber. Aber, Herr Kollege Kolbow, ich weise den törich- Meine Damen und Herren, diese Bundeswehr hat ten Vorwurf zurück, wir wollten mit Ort und Termi- das Recht, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Nie- nierung eines Gelöbnisses Wahlkampf machen. mand darf ihr das ernsthaft bestreiten und erst recht nicht die Vertreterin der Grünen. (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles andere zu behaupten wäre (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - scheinheilig!) Rudolf Scharping [SPD]: Das tut doch auch niemand!) Gehen wir noch einmal auf den 13. August 1961 Mein Bundesvorsitzender Dr. hat ein. An diesem Tage geschah tiefes Unrecht. Das dazu gesagt: SED-Regime mauerte die Deutschen im östlichen Teil unseres Landes ein. Es war das Eingeständnis Eine Armee der Demokratie muß auch Gelöb- der Ohnmacht gegenüber dem Grundrecht auf Frei- nisse auf Plätzen der Demokratie abhalten kön- zügigkeit. Fast 30 Jahre später aber siegten Recht nen. und Freiheit, die Mauer stürzte und kurz nach ihr das SED-Regime. Er war - das zeigt die Debatte heute - leider gezwun- gen, diese Tatsache, die eigentlich eine Selbstver- Deutsche diesseits und jenseits der eingerissenen ständlichkeit sein sollte, erneut auszusprechen, weil Mauer erhielten die Chance, nach über 40 Jahren das Verhältnis von Teilen der Opposition zur Bundes- Trennung wieder in einem Staat zusammenzufinden. wehr zutiefst gespalten ist. Dafür haben wir heute ja Die Bundeswehr, die entschieden für Recht und Frei- wieder einige Bestätigungen bekommen. heit eintritt, stand an der Spitze dieses Einigungspro- zesses; sie erhielt den Qualitätsstempel „Armee der (Jürgen Augustinowitz [CDU/CSU]: Sehr Freiheit". Frau Kollegin Beer, wenn Sie hier von einer richtig!) Demonstration gesprochen haben, dann haben Sie recht: Es ist eine Demonstration für Recht und Frei- Ich will hier daran erinnern, daß es die Bündnis- heit. grünen nach wie vor als programmatisches Ziel be- trachten, die Bundeswehr und übrigens auch die (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) NATO abzuschaffen. (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Deshalb halte ich es für richtig, daß junge Wehr- NEN]: Wenn Sie nicht einmal lesen können, pflichtige, die die Existenz der schändlichen Mauer sollten Sie auch nicht das Wo rt ergreifen!) als Kinder erlebt haben, am Jahrestag des Mauer- baus öffentlich geloben, daß sie das Recht und die Die sprachliche Relativierung, die es in letzter Zeit Freiheit des deutschen Volkes tapfer verteidigen wol- dazu gegeben hat, ist nichts anderes als weiße Tün- len. che. - Ich sage aber auch: Es gibt zweifelsohne auch an- Ich will auch daran erinnern, daß meine Vorred- dere Daten, die dazu gleichermaßen geeignet wären. nerin in einer Presseerklärung unter der Über- Lassen Sie uns deshalb, Herr Kollege Kolbow, ge- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19739

Günther Friedrich Nolting ureinsam dafür eintreten, daß auch an solchen Tagen nisse abgelegt haben, die sich gegen den Westen öffentliche Gelöbnisse in unserem Lande stattfinden. richteten. Jetzt werden Gelöbnisse mit einer umge- Ich appelliere deshalb an Sie, an die SPD, mit der Ko- kehrten Stoßrichtung abgelegt. Vergessen Sie doch alition darüber einen Konsens herzustellen. einmal diese Geschichte, die ja so glücklich ausge- gangen ist. Ich fordere Sie noch einmal auf: Lösen Sie sich von den ideologischen Fesseln der Grünen! Stehen Sie (Günter Friedrich Nolting [F.D.P.]: Freiheit!) mit uns fest zur Bundeswehr, damit die Irritationen, die es in der Bundeswehr gibt, wieder beseitigt wer- - Freiheit; in der Tat. Aber wo ist denn hier das Wo rt den können! Das wäre in Ihrem Sinne und im Sinne Freiheit gefallen? Sie reden doch nur von Waffen und der SPD, Herr Kollege Kolbow, und es wäre in unse- Soldaten. Sie sind doch nur an dem militärischen rem Sinne. Es wäre aber vor allen Dingen im Sinne Aspekt interessie rt, nicht an dem der Freiheit. der vielen Soldatinnen und Soldaten unserer Bundes- wehr. (Beifall bei der PDS - Uwe Lühr [F.D.P.]: Sie haben doch gar nicht zugehört! Unmög Vielen Dank. lich!)

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - - Ja, „unmöglich". Hier werden immer nur solche Sa- Zuruf von der SPD: Amen!) chen möglich gemacht; es ist endlich an der Zeit, daß so etwas unmöglich gemacht wird.

Über den 13. August 1961 läßt sich natürlich spre- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Gerhard Zwerenz, PDS. chen. Da muß auch Aufklärung geleistet werden. Es wäre auch darüber zu sprechen, welchen Grund (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Es bleibt uns Herr Adenauer eigentlich gehabt hat, so lange nicht nichts erspart! Weltkrieg-II-Soldat!) zur Mauer zu gehen. Es wäre darüber aufzuklären, wie sehr damals Westdeutschland überrascht worden ist. Aber man kann doch nicht aufklärend wirken, in- Gerhard Zwerenz (PDS): Herr Präsident! Meine Da- dem man Soldaten auf einen Platz schickt und dann men und Herren! Herr Kollege Nolting, wenn ich mir auf sie als Stellvertreter alles ablädt. Die Soldaten das Vokabular Ihrer Rede in das Gedächtnis zurück- wissen doch darüber gar nichts. Wir haben doch ge- rufe, muß ich sagen: Diese Rede hätten Sie auch vor stern erst im Verteidigungsausschuß erlebt, wie we- 10 oder 20 Jahren halten können. Es ist eigentlich nig darüber, auch bei Offizieren, bekannt ist. Ich bitte eine Rede aus dem kalten Krieg. Man merkt an ihr Sie! überhaupt nicht, daß Zeit vergangen ist. Natürlich wäre auch das Datum des 20. Juli ein (Beifall bei der PDS) möglicher Termin; mir persönlich gefiele er besser. Aber dann muß ich schon wiederum fragen: Weshalb Es ist das Vokabular des kalten Krieges. scheuen Sie sich denn eigentlich, an Orte von Kon- zentrationslagern, Zuchthäusern und Hinrichtungs- (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Jawohl: stätten zu gehen? Dort kann man den Soldaten zei- Recht, Freiheit, Menschenrechte!) gen, was es heißt, einen falschen Eid zu leisten. Man kann ihnen auch klarmachen, daß sie ein Gelöbnis Auch die „ewige Mauer" kam vor. Sie wissen doch ablegen und damit eventuell etwas ganz anderes ver- ganz genau, daß es wieder genügend Leute gibt, die binden. Aber man muß wissen, was einem solchen eine um drei Meter erhöhte Mauer wieder aufbauen Eid nachfolgen kann, wie viele Eide und Meineide in wollen. Auf beiden Seiten wachsen dera rtige Stim- diesem Jahrhundert geleistet worden sind. Nach mungen nach. Darauf sollten Sie einmal eingehen. Dachau, wo Niemöller eingesperrt war, nach Bu- chenwald, wo Thälmann ermordet worden ist und Ich muß überhaupt einmal fragen: Was ist das ei- worüber Kogon sein Buch „Der SS-Staat" konzipiert gentlich für eine Partei, die in einer Zeit, in der es hat, nach Bergen-Belsen, wo Anne Frank gestorben Millionen von Arbeitslosen gibt, nichts anderes zu ist, nach Papenburg, wo Ossietzky eingesperrt gewe- tun hat, als über Waffen, über die Bundeswehr und sen ist und wo das Lied von den Moorsoldaten ent- über Gelöbnisse zu sprechen? standen ist, nach Torgau, wo über tausend Deser- teure hingerichtet worden sind, do rt können Sie mei- (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Die netwegen Bundeswehrsoldaten hinschicken. Aktuelle Stunde ist von der SPD beantragt worden!) (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit militärischem Man muß sich einmal vor Augen halten: Was ist Zeremoniell!) das für ein Jahrhundert? Man muß sich einmal fra- gen, wie viele Eide geleistet wurden, die sich als Darüber ließe sich noch reden. Das sind die eigent- Meineide herausstellten, wie viele Schwüre geleistet lichen Orte, zu denen man gehen kann und an denen wurden, die sich als falsche Schwüre herausstellten,- man geloben kann: Nie wieder Rassismus; nie wieder und wie viele Gelöbnisse es gegeben hat. Wissen Sie Nationalismus! Diese Bundeswehr ist eine Armee des nicht, daß auch die NVA Gelöbnisse durchgeführt Friedens! Aber eine solche Haltung haben sie bis hat? Unter uns sind so viele, die in der NVA Gelöb- heute noch nicht gezeigt; vielmehr machen sie kalten 19740 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Gerhard Zwerenz Krieg und provozieren Parteienstreit. Sie legen Ge- nirgendwo ein Gelöbnis durchgeführt, zu dem ich löbnisse auf solche Termine, daß ein Teil dieses Vol- nicht eingeladen gewesen wäre. Wer noch ein biß- kes das nicht akzeptieren kann. Das ist das Schäbige chen Erinnerung hat, wird sich vielleicht entsinnen an der Wahl dieses Termins. können, daß ich in den letzten Jahren eher bremsend gewirkt, vorsichtig angefangen habe und auch mit Danke. dem ersten Gelöbnis in der Leber-Kaserne kritisiert worden bin. Warum nicht gleich am Pariser Platz? (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne Das haben wir aus guten Gründen so gemacht. ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Bei Als wir vor dem Schloß Charlottenburg mit dem so einer Rede klatscht der Thierse! Das Bundespräsidenten ein öffentliches Gelöbnis durch- werde ich in Berlin petzen!) geführt haben, hat sich gezeigt, daß es auch do rt ge- walttätige Demonstranten und Leute gab, die sich dagegen gewehrt haben. Deswegen ist es falsch, Das Wort hat Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: diese Auseinandersetzung an einem Termin festzu- Herr Bundesminister Rühe. machen. Vielmehr müssen wir zur Kenntnis nehmen: Es gibt in unserem Lande Kräfte, auch in diesem Par- lament - ich denke an die Grünen -, die diese Form Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich der öffentlichen Verpflichtung ablehnen. Das muß in hoffe, daß es uns in der Debatte doch noch gelingt, aller Deutlichkeit angesprochen werden. klarzumachen, worüber wir uns einig sind und wor- Öffentliche Gelöbnisse sind ein Teil der Tradition über wir uns nicht einig sind. der Bundeswehr. Wir waren uns doch darüber einig, Gestern haben auf dem Rathausplatz von Lebach daß die Tradition der Bundeswehr wieder stärker in mitten in der Stadt fast 300 junge Rekruten aus acht den Mittelpunkt gerückt werden sollte. Es ist ein ern- Bundesländern unter großer öffentlicher Anteil- stes, würdevolles Ereignis, bei dem sich unsere Sol- nahme - mehrere tausend Bürger und Eltern - ihr daten zu ihrer besonderen Verantwortung bekennen, Gelöbnis abgelegt. Sie haben versprochen, was vor eine Verantwortung, die auch den äußersten Fall ein- ihnen bereits mehr als 10 Millionen Soldaten seit schließt, nämlich notfalls ihr Leben für Frieden und 1957 gelobt haben, nämlich unserem Land treu zu Freiheit unseres Landes zu geben. dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Ich habe den jungen Es gibt im Laufe des Jahres einige hundert Gelöb- Männern gesagt - ich wiederhole das hier ganz be- nisse. Die meisten haben mit einem symbolträchtigen wußt im Plenum -: Heute legen wir stellvertretend Termin überhaupt nichts zu tun. für das ganze deutsche Volk den Schutz unserer Frei- (Zuruf von der PDS: Eben!) heit auch in Ihre Hände. Ich habe mich gefreut, daß der Ministerpräsident - Hören Sie doch einmal in Ruhe zu, damit wir einmal des Saarlands seinen Kultusminister geschickt hat, feststellen können, in welchen Punkten wir uns einig der ausdrücklich darum gebeten hat, die Front als sind und in welchen nicht. eine Geste gegenüber den Soldaten abzuschreiten. (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]: Kommen Sie Auch der Landtagspräsident war da. zum streitigen Punkt!) (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! - Zuruf der Abg. Dr. Cornelie Sonntag-Wol Sehr viele finden auf großen, zentralen öffentlichen gast [SPD]) Plätzen statt. Das hat überhaupt nichts mit Waffenge klirr und Säbelrasseln zu tun. Das ist kein Relikt aus - Hören Sie doch einmal zu! der verstaubten Traditionskiste, sondern es ist eine gute Tradition der Bundeswehr. Wir nehmen sie mit (Hans Wallow [SPD]: Thema!) der Wehrpflicht, die dieses Haus zu verantworten hat, in die Pflicht. Dann müssen wir ihnen für ihren - Das Thema ist eben, daß wir uns nicht einig sind, schwierigen Dienst auch den Rückhalt geben. Diesen daß öffentliche Gelöbnisse überall in Deutschland haben Sie zu Recht von uns zu erwarten. mitten in der Stadt, so wie gestern, durchgeführt wer- den können. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Das heißt, es geht hier um den Kern unseres Ver- ständnisses von der Bundeswehr als Armee der Bür- Darüber müssen wir uns zunächst unterhalten. Dann ger. Es wäre doch geradezu absurd, wenn die Armee sprechen wir über Berlin und über den Termin. der Bürger irgendwelche geheime Zeremonien hinter (Widerspruch bei der SPD) den Kasernenmauern veranstalten würde. Nein, das Gelöbnis findet in der Mitte der Stadt statt. Jeder soll Öffentliche Gelöbnisse sind in vielen Städten unse- hören, was dort gesprochen wird. Jeder soll sehen, res Landes eine bewäh rte Tradition. Immer- wieder wie dieses öffentliche Gelöbnis abgehalten wird. Ich bitten mich Minister, Abgeordnete, Bürgermeister finde, darüber sollten wir uns alle einig sein, wenn und Stadträte um ein Gelöbnis in ihrer Heimatstadt. wir wollen, daß es eine Armee ist, die tief in der Ge- Das war in Berlin nicht anders. Ich habe im übrigen sellschaft integriert ist. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19741

Bundesminister Volker Rühe Es geht also um den Kern unseres Verständnisses pathetisch. Darüber habe ich mit einigen diskutiert. von der Bundeswehr. Mit der Teilnahme bezeugt un- Ich fand deshalb den Vorschlag, der aus Berlin ge- sere Öffentlichkeit den Soldaten Respekt - das ver- kommen ist, gut, das Gelöbnis mitten in Ostberlin vor misse ich bei den Grünen, Frau Beer -, den unsere dem Roten Rathaus durchzuführen. Soldaten als Staatsbürger in Uniform verdienen. Wer ein bißchen Geschichte kennt, weiß: Am (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ 6. September 1948 wurden die gewählten Vertreter NEN]: Ich habe über Sie, nicht über die aller demokratischen Parteien Berlins von den Kom- Bundeswehr gesprochen!) munisten gewaltsam aus diesem Rathaus vertrieben. Erst 1990 konnten die frei gewählten Vertreter der Das Verständnis haben Sie, lieber Herr Kollege Klose, Herr Präsident, 1977 beim großen öffentlichen wiedervereinigten Stadt erneut in das Rote Rathaus einziehen. Deswegen sind dieses Rathaus und der Gelöbnis - damals übrigens noch zusammen mit ei- Platz davor ein Symbol und ein Mahnmal für die Ein- nem Zapfenstreich - vor dem Hamburger Rathaus heit und Freiheit ganz Berlins und hervorragend ge- gezeigt, als Sie dieses Gelöbnis als „demokratische Solidarität mit unseren Streitkräften" bezeichnet ha- eignet, um ein öffentliches Gelöbnis durchzuführen. ben. Ich kann das nur voll unterstreichen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. ordneten der F.D.P.) sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich fand die Diskussion im Ausschuß über das Da Ich frage mich: Warum ist diese ganz normale demo- tum für das Gelöbnis sehr bewegend. Herr Thierse, kratische Solidarität heute nicht mehr möglich? Sie haben kein Monopol. Professor Ortleb hat ge- schildert, wie er nach dem 13. August in der Klasse - Viel wichtiger als alles andere ist, daß wir uns, und das war seine einzige Möglichkeit - das Lied Herr Scharping, darüber verständigen, daß es auch „Gedanken sind frei" angestimmt hat. Herr Zwerenz in diesem Jahr überall in Deutschland, in der Mitte und andere haben geschildert, wie es war, als er die der Bürgerschaft, in der Mitte der Städte möglich ist, DDR nicht mehr betreten durfte. Andere haben ge- öffentliche Gelöbnisse durchzuführen. Ich werde alle schildert, wie es war, als sie die DDR nicht mehr ver- Ministerpräsidenten - bekanntlich regiert die SPD lassen konnten. zur Zeit in vielen Bundesländern - wie auch die ver- teidigungspolitischen Sprecher ansprechen, do rt Ge- (Gerhard Zwerenz [PDS]: Weil ich vorher löbnisreden zu halten. gegen die Entwicklung protestiert habe!) Bei den beiden wichtigsten und größten öffentli- - Ja, ist ja gut. In dem Punkt haben Sie meinen Re- chen Gelöbnissen, die ich für alle Teilstreitkräfte in spekt. Bordenau durchgeführt habe, um an Scharnhorst zu (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Toller Typ!) erinnern, haben einmal Herr Klose, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, und ein Jahr danach - Nein, er hat meinen Respekt, daß er als früherer der ehemalige Verteidigungsminister Leber Reden Kommunist den Mut aufgebracht hat zu opponieren. gehalten. Soweit zu der parteipolitischen Unausge- Das muß man respektieren. wogenheit. Das waren die beiden wichtigsten und größten öffentlichen Gelöbnisse, die ich durchgeführt Ich fand das sehr bewegend. Wenn Sie sich einmal habe. die Briefe der Bürgerrechtler, die ich bekommen habe, anschauen, Herr Thierse, dann werden Sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) feststellen: Die finden es sehr wohl richtig, das Ge- löbnis am 13. August durchzuführen. Ich muß Ihnen sagen: Alle Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland waren sich einig - (Lachen bei Abgeordneten der PDS) egal, aus welcher Partei sie kamen -, daß Gelöbnisse eine wichtige Tradition sind. Ich erinnere mich noch - Da sollten Sie von der SED bzw. PDS gar nicht la- an den Pöbel hier in Bonn gegen das öffentliche Ge- chen. Ich finde das schlimm. löbnis, das Hans Apel dennoch mutig durchgeführt Hier ist eine gute Diskussion entstanden; hat. Ich frage mich: Sollen wir 20 Jahre später vor sol- chem Pöbel zurückweichen? Ich finde es falsch, eine (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ so wichtige und gute Tradition aufzugeben. NEN]: Sie machen sie selber wieder kaputt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) die kann auch weitergeführt werden. Unsere Armee Es gibt im übrigen kaum einen besseren Ort für öf- ist die Armee der Einheit und der Freiheit. Das ist der fentliche Gelöbnisse als den Rathausplatz. Das Rat- Kontrapunkt zum 13. August. Daran muß man doch haus steht wie das Parlament für den Bürgerwillen erinnern dürfen. und unser demokratisches Selbstverständnis. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Ich komme zu Berlin. Da gilt das in besonderem ordneten der F.D.P.) Maße. Ich habe immer gesagt: Am Pariser Platz ha- ben wir die Verbündeten verabschiedet. Deshalb Mich hat der 17. Juni politisiert. Sonst wäre ich finde ich es eine zu pathetische Geste, das- Gelöbnis heute wahrscheinlich gar nicht hier. Der 17. Juni hat dort abzuhalten. Ich finde, auch am Gendarmen mich zur Politik gebracht. Natürlich können wir im markt läßt sich auf Grund der Architektur kein nor- nächsten Jahr am 17. Juni, Herr Scharping - das geht males Gelöbnis durchführen. Auch dort wäre es sehr auch im Zusammenhang mit den Einberufungstermi- 19742 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Bundesminister Volker Rühe nen -, in Berlin eine Veranstaltung durchführen. hältnis zur Bundeswehr und ihr Ja zu öffentlichen Wenn es hinsichtlich der Einberufung technisch Gelöbnissen nicht zu belehren. möglich ist, können wir das auch am 20. Juli machen. Ich glaube, es gibt niemanden, der mehr gemacht (Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU/ hat als ich. Ich habe die größte Kaserne Berlins nach CSU: Doch! - Hamburg!) Julius Leber benannt. Darum hat mich niemand ge- Dies ist auch nicht Gegenstand der heutigen De- beten. Es war mein eigener Wille. Ich gehe deswegen batte. auch als Verteidigungsminister in den Bendlerblock, weil ich mich zum deutschen Widerstand bekenne. Wir sind uns vielleicht auch noch darüber einig, daß bei Fragen der Traditionspflege und bei der öf- Ich finde, es gibt mehrere geeignete Termine. fentlichen Selbstdarstellung der Bundeswehr ein be- Dazu gehört auch der 13. August. Vielleicht hat die sonderes Ausmaß historischer und politisch-psycho- Debatte auch ein Gutes, nämlich daß wir uns gegen- logischer Sensibilität gefragt ist. Nichts ist hier f al seitig berichtet haben - jedenfalls haben wir-scher im Ver- als das Brecheisen und der Holzhammer. teidigungsausschuß damit begonnen -, wie wir den 13. August erlebt haben. Dort legen 19jährige junge Hier ist auch immer der Konsens der demokrati- Männer ihr Gelöbnis auf das wiedervereinigte schen Parteien notwendig. Den haben Sie verletzt, Deutschland ab. Diesen muß die Zeitgeschichte klar indem Sie zusammen mit Herrn Diepgen für Berlin werden. Für die gehört das Jahr 1948, in dem die ein Datum festgelegt haben, ohne die andere demo- Kommunisten das Rote Rathaus plattgemacht haben, kratische Partei in die Überlegungen einzubeziehen. fast zum Mittelalter. Für die ist auch der 13. August, Sie haben dies also zum Gegenstand der heutigen über den wir unsere Geschichten erzählen können, Debatte gemacht. Sie haben es zu einem Parteien- ganz weit weg. streit gemacht, indem Sie so vorgegangen sind. Sie können jetzt nicht den Spieß umdrehen. Ich finde, was in Hamburg geschieht, ist eine schlimme Sache. Herr Scharping, manche Dinge dür- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne fen nicht von der Zusammensetzung einer Koalition ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) abhängig sein. Es gibt bestimmte Dinge - die Bun- Ich will Ihnen jetzt noch einmal in aller Ruhe zur deswehr gehört dazu -, die in der Kontinuität gleich Sache sagen, warum ich und, wie ich meine, sehr behandelt werden müssen. viele Berliner und sehr viele Ostdeutsche den 13. Au- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gust für ein falsches Datum halten. (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt Wenn Hamburg von Rotgrün regiert wird, mag das nicht!) den Hafen und die Wirtschaft treffen. Aber es geht nicht an, daß die Bundeswehr unterschiedlich behan- Der 13. August steht für eine Niederlage, deren Op- delt wird, je nach dem, welche Parteikonstellation es fer die Berliner und die Ostdeutschen waren. gibt. (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Alle Deut (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) schen!) Deswegen ist es meine herzliche Bitte, daß man zu Hier ist zunächst und vor allem die Politik der So- einer sachlichen Diskussion zurückkehrt. Niemand wjetunion und ihrer militärischen Macht, aber auch denkt daran, es zu einer Tradition zu machen und die des SED-Regimes gescheitert, das die Bevölke- dies immer am 13. August durchzuführen. rung einsperren mußte, weil sie sie nicht anders im Lande hielt. Dies war das Dokument des endgültigen (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE Scheiterns dieses politisch-ideologischen Versuchs. GRÜNEN]: Nein, wir haben auch nicht Gescheitert war aber auch die westliche Politik der immer Wahlkampf!) Zurückdrängung, der rheto rischen Konfrontation. Ich habe das eben auch deutlich gemacht. Aber die- Die Folgen brauche ich nicht zu schildern: bittere jenigen, die für öffentliche Gelöbnisse mitten in un- menschliche Schicksale, Trennung von Familien, seren Städten sind, bitte ich noch einmal, dies in die- Tote an der Mauer, dreißigjähriges Eingesperrtsein. sem Jahr deutlich zu machen. Wir verlangen viel von Deshalb - das werden Sie doch verstehen - ist dieser unseren Soldaten, und die Soldaten haben es ver- Tag ein Tag der traurigen Erinnerungen und der bit- dient, daß wir sie unterstützen. teren Gefühle der Berliner und der Ostdeutschen Ich danke Ihnen. und eben auch der assoziierten Bilder - daran habe ich erinnert - von Kampfgruppenaufmärschen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Darauf hinzuweisen, was in unseren Berliner und ostdeutschen Köpfen und Herzen vor sich geht, was Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der darin steckt und was am 13. August wachgerufen Kollege Wolfgang Thierse, SPD. wird, heißt eben nicht, Bundeswehr und Kampfgrup- pen miteinander zu vergleichen, ja gleichzusetzen, sondern setzt den Unterschied voraus. An diesem Wolfgang Thierse (SPD): Herr Präsident!- Meine Tag geht es wegen der menschlichen Realität dieses Damen und Herren! Eine Bemerkung vorweg Herr Datums nicht. Dies muß man in Erinnerung rufen. Rühe - ich will das grundsätzlich sagen -, Sie brau- chen die SPD über ihr grundsätzlich positives Ver- (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19743

Wolfgang Thierse Wer mir unterstellt, ich würde hier eine Gleichset- nahe am Wahltag. Genau das war die Kritik; das an- zung machen, der betreibt eine böswillige, verfäl- dere wurde nachgeschoben. schende, verleumderische Interpretation und setzt sich dem Verdacht aus, dieses Gelöbnis eben doch (Zurufe von der CDU/CSU: Peinlich!) parteipolitisch zu Wahlkampfzwecken zu mißbrau- chen. Es geht Ihnen in der Tat um Wahlkampf. (Beifall bei der SPD) (Zurufe von der SPD: Ihnen!) Natürlich, Herr Rühe, haben Sie recht: Der 13. Au- Frau Holzhüter, die Berliner SPD-Führung fürchtet gust gehört niemand. Ich habe ihn nicht für mich al- offensichtlich negative Auswirkungen auf das Wahl- leine in Anspruch genommen. Ich habe auf die ergebnis, wenn junge Sozialdemokraten an Störak- menschliche Realität dieses Tages hingewiesen. tionen gegen das Gelöbnis beteiligt sind.

Sie müssen uns nicht belehren, was wir zu tun ha- (Beifall bei der CDU/CSU) ben. Aber wer ausgerechnet diesen 13. August will, einen Tag, der für ganz viele Menschen so negativ Der Sprecher der „Kampagne gegen Wehrpflicht" besetzt ist, der muß positive Argumente angeben: erklärt zu diesem Thema: Warum ausgerechnet an diesem Tage? Das habe ich bisher nicht gehört. Sie schreiben ja selber und ha- Es wird niemals Normalität sein, ein öffentliches ben es hier in Erinnerung gerufen: Dieses Datum Gelöbnis durchzuführen. Das ist ein öffentliches steht für Unfreiheit, Diktatur und gewaltsame Tei- Ärgernis, und es wird Widerstand geben. lung. Die Herbsttage, 3. Oktober, 9. November, 9. Ok- tober, die stehen für Befreiung, Einheit und Neuan- Der Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Ber- fang. lin, der junge Sozialdemokrat Linnekugel, fügt hinzu: Die Beteiligung der Jungsozialisten an Aktionen ge- (Beifall bei der SPD) gen dieses Gelöbnis ist selbstverständlich. Ich will abschließend sagen: Man dient der Bun- (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! - deswehr und ihrer bleibenden, immer neu zu bestär- Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ kenden Integration in die demokratische Gesell- NEN]: Wäre das denn Gotteslästerung?) schaft nicht, wenn man den Konsens der demokrati- schen Parteien absichtsvoll verletzt und sich rück- Davor fürchten Sie sich; das verstehe ich. sichtslos, ja arrogant gegenüber Erinnerungen und Gefühlen wichtiger Teile unserer Bevölkerung ver- Meine Damen und Herren von der SPD, sorgen Sie hält. einmal für einen Konsens in Ihrer Partei! Es war wirk- lich angenehm zu hören, daß Herr Scharping gesagt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne hat, er werde kommen. Ich bin der Meinung, alle ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sollten kommen. Sie sollten sich darum bemühen, Deswegen bitte ich Sie noch einmal: Suchen Sie daß diejenigen, die sich am Gelöbnis stören, daran den Konsens der Demokraten! Es geht nicht um den teilnehmen, es aber nicht stören. Sorgen Sie dafür, Ort, es geht nicht um die Stadt, es geht nur um dieses daß junge Sozialdemokraten nicht gegen öffentliche Datum. Das ist ein ernsthafter Appell, den ich an Sie Gelöbnisse mobil machen! Wie soll denn eine Verein- richte. Dies ist das falsches Datum, mit den falschen, barung über Ort und Zeit eines öffentlichen Gelöb- bitteren und traurigen Erinnerungen und Gefühlen nisses im Konsens erfolgen, wenn Sie nicht einmal in sehr vieler Berliner und sehr vieler Ostdeutscher. der Lage sind, innerhalb Ihrer eigenen Partei den Konsens herzustellen? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ) Ich akzeptiere doch, daß es in unserer Gesellschaft Gruppen gibt, die etwas gegen die Bundeswehr äu- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der ßern und auch etwas gegen die öffentliche Darstel- Kollege Jochen Feilcke, CDU/CSU. lung der Bundeswehr haben. (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Jochen Feilcke (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine NEN]: Aber?) Damen und Herren! „Was ist daran falsch, an einem Tag der Unfreiheit ein Bekenntnis für die Freiheit ab- - Aber, Frau Kollegin Beer, es ist schlimm, wenn sich zulegen?" Volksvertreter oder auch Kandidaten für den Bun- destag öffentlich zur Bundeswehr so äußern, daß (Beifall bei der CDU/CSU) diese Bundeswehr genauso in der Tradition der deut- Das fragte Generalmajor von Kirchbach in einer öf- schen Wehrmacht wie die PDS in der der SED steht. fentlichen Veranstaltung in meinem Wahlkreis Kreuzberg/Schöneberg. Natürlich weiß jeder hier im (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Hause, daß nichts daran falsch ist. NEN]: Wer hat das denn gesagt?) Deshalb bezog sich die Kritik Ihrer Fraktions-- und - Das ist mein nicht verehrter Gegenkandidat Strö- Landesvorsitzenden aus Berlin, Herr Thierse, logi- bele, der sich darum bemüht, einen Spitzenplatz auf scherweise nicht auf den 13. August wegen seiner der Liste Ihrer Partei in Berlin zu bekommen. Ich Bedeutung, sondern die Kritik war: Der Tag liegt zu finde es auch unerträglich, wenn Sie, Frau Kollegin 19744 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Jochen Feilcke Beer, sagen, die Bundeswehr habe es sich zur Auf- ten, Recht und Freiheit des deutschen Volkes, und gabe gemacht, die Wehrmacht zu verherrlichen. zwar aller Deutschen, ob sie dafür oder dagegen sind, tapfer zu verteidigen? (Angelika Béer {BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Das habe ich doch nicht gesagt! (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]: Wer bedroht Hören Sie doch mal zu, wenn Sie mich denn Recht und Freiheit des deutschen Vol schon kritisieren wollen! Blindflug!) kes?) Das sind alles Vorgänge, die ich nicht akzeptiere. Richard von Weizsäcker sagte am 20. Jahrestag, am 13. August 1981: Nun hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Herr Thierse, der sich rechtzeitig vor der Bundestags- Die Mauer ist das Bauwerk gegen Menschen wahl auch in Berlin zurückmeldet, eine Verbindung schlechthin. Sie ist die versteinerte Zwangsab- zwischen den Kampfgruppen der DDR und dem Auf- sage der Politik an die Menschlichkeit. Dennoch treten der Bundeswehr vor dem Berliner Rathaus in und eben deshalb ist sie, so lange sie steht, der Berlin-Mitte - und nicht Ostberlin, Herr Minister - tägliche Beweis, daß die Zusammengehörigkeit hergestellt. lebt, die sie vergessen machen will. (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben aber gestern gehört, Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Zeit, Herr Kol- wie er das gemeint hat!) lege! - Wer sich so äußert, muß sich nicht wundern, wenn (CDU/CSU): Ich füge hinzu, Herr er so verstanden wird. Jochen Feilcke Präsident: Nicht nur die Zusammengehörigkeit und (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE der Einheitswille leben dauerhaft, sondern auch der GRÜNEN]: Sie haben ihn gehört!) unbeugsame Wille, Recht und Freiheit durchzuset- zen und, wenn wir sie erreicht haben, tapfer zu ver- Ist Ihnen eigentlich klar, daß Sie mit dieser Bezug- teidigen. Der 13. August wird niemals ein Tag der nahme einerseits die Kampfgruppen, nämlich die Freude sein können. Er bleibt immer ein Tag der Ver- Mauerbauer, verharmlosen und andererseits die pflichtung. Bundeswehr schmähen? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ ordneten der F.D.P.) NEN]: Halten Sie das für politische Gepflo genheit, ständig falsche Äußerungen in den Mund zu legen? - Wolfgang Thierse [SPD]: Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Das ist verleumderisch, was Sie sagen! Ver Kollege Rudolf Scharping, SPD-Fraktion. leumderisch ist das!) (SPD): Herr Präsident! Meine Es ist übrigens kein Zufall, daß sich Angehörige Rudolf Scharping Damen und Herren. Es geht offenkundig nicht mehr der Bundeswehr, die vorher in der NVA gedient ha- darum, über ein Datum und einen geeigneten Ort für ben, durch diese Inbezugnahme besonders beleidigt ein öffentliches Gelöbnis zu reden, um sich gegensei- fühlen. Sie haben es mir jedenfalls mehrheitlich so tig zu überzeugen und Argumente verständlich zu gesagt. Es ist deshalb ganz logisch, daß der Heraus- machen, sondern offenkundig geht es darum, getrof- geber der „Berliner Zeitung" zu Ihrer Äußerung fene Entscheidungen zu begründen, zu rechtferti- schreibt: „Thierses Vergleich ist schlicht unsinnig"; gen, und im Zweifel auch darum, sich gegen unge- ich sage: unanständig. rechtfertigte Vorwürfe zu wehren, so wie sie bei- (Beifall bei der CDU/CSU) spielsweise soeben gegen Wolfgang Thierse erhoben worden sind. Meine Damen und Herren, am 19. August 1961, sechs Tage nach dem Beginn des Mauerbaus, bekräf- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tigte der damalige Vizepräsident der USA im Namen Wenn das der Charakter der Debatte ist, macht es ja seines Präsidenten vor dem Berliner Abgeordneten- wenig Sinn, Herr Kollege Rühe, Sie noch einmal an haus und dem Senat das Engagement der Amerika- einige Dinge zu erinnern: ner mit den Worten: Die Bundeswehr ist eine Armee in der Demokratie. Für das Überleben und die schöpferische Zukunft Sie gehört nicht der Bundesregierung, sondern wird dieser Stadt haben die Amerikaner in der Tat das nur von ihr befehligt. Es wäre klug gewesen, gerade verbürgt, was unsere Vorfahren bei der Schaf- auch angesichts der Erfahrungen mit Gelöbnissen in fung der Vereinigten Staaten verbürgt haben: un- Berlin, im Parlament zwischen den Fraktionen - so ser Leben, unser Gut und unsere heilige Ehre. wie wir es bei anderen Dingen, die problematisch Sind Sie, meine Damen und Herren, nicht auch der werden können ebenfalls handhaben - einmal über Meinung, daß unsere jungen Soldaten - vielleicht diese Dinge miteinander zu reden. sind sogar Söhne von Mauerbauern dabei - in dieser (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Tradition genau am Jahrestag des schrecklichen- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mauerbaus, nachdem die Berliner in ihrem unbeug- samen Freiheitswillen die Mauer zunächst einge- Aber offenkundig geht Ihr Verständnis ja nicht da drückt und dann beseitigt haben, versprechen soll- hin, daß die Bundeswehr die Streitmacht des Parla- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19745

Rudolf Scharping ments ist; vielmehr haben Sie offenkundig ein ande- mit einer abseitigen Meinung „auf die Backe zu kle- res Verständnis. ben", ist doch genau der Beweis dafür, wie taktisch Sie denken und wie taktisch Sie argumentieren. Wenn es wahr ist, daß die Bundeswehr Armee in der Demokratie ist, dann ist es eine gute Tradition, (Beifall bei der SPD - Jochen Feilcke [CDU/ daß sie nicht nur gesellschaftlich, zum Beispiel durch CSU]: Die Jungsozialisten sind keine Min die Wehrpflicht, verankert ist, sondern auch,-derheit!) daß sie ihre Verpflichtungen für das Land insgesamt und die Jetzt möchte ich zum Bundesverteidigungsminister Menschen, die in ihm wohnen, öffentlich dokumen- zurückkehren und Sie bitten, sich folgendes zu über- tiert. Das kann dadurch geschehen, daß man die Öf- legen: Es gab ja vor zwei Jahren das Gelöbnis in Ber- fentlichkeit in Kasernen einlädt; das kann dadurch lin. Ich stimme Ihnen zu, daß es in Berlin und viel- geschehen, daß öffentliche Gelöbnisse auf Markt- leicht in der einen oder anderen großen Stadt in plätzen oder andernorts stattfinden. Ich unterstütze Deutschland auch gar nicht möglich sein wird, ein öf- das ausdrücklich - und mit mir tut das die SPD-Bun- fentliches Gelöbnis durchzuführen, ohne gleichzeitig destagsfraktion -, weil öffentliche Gelöbnisse de- Krawalle, Demonstrationen und Ärger zu haben. Das monstrieren, daß diese Armee, daß diese Bundes- ist meine Einschätzung. Ich bedaure, daß es so ist, wehr von der Gesellschaft nicht abgesondert ist, son- wie es ist. Damit hat man sich auseinanderzusetzen. dern ein wichtiger Teil von ihr ist. Wenn es so ist, daß man in Berlin und vielleicht auch in anderen Städten mit solchen Auseinandersetzun- (Beifall bei der SPD) gen rechnen muß - die Erfahrung spricht leider dafür -, dann wäre es um so dringender notwendig gewe- Herr Bundesverteidigungsminister, ich warte ge- sen, im Sinne einer wohl abgewogenen Sorgfalt mit- spannt darauf, ob Sie in den nächsten Wochen jenes einander darüber zu reden, welcher Ort und welches kleine Stück Souveränität aufbringen, das dazu ge- Datum geeignet ist. hört, eine einmal getroffene Entscheidung zu über- prüfen und im Zweifel zu korrigieren. (Beifall bei der SPD)

(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es wäre nach den Erfahrungen, die wir vor zwei Jahren gemacht haben, auch im Interesse der Bun- deswehr und gerade der Wehrpflichtigen gut gewe- Wenn das alles richtig ist - es ist unbestreitbar rich- sen, ein öffentliches Gelöbnis in Berlin am 20. Juli tig; ich brauche Sie nicht an entsprechende Urteile durchzuführen, des Bundesverfassungsgerichtes zu erinnern - wäre es wirklich gut, wenn man gerade bei solchen, sehr (Beifall bei der SPD) demonstrativ gedachten Daten und Orten zunächst den Versuch machen würde, miteinander zu reden um auch der kritischen Öffentlichkeit deutlich zu ma- und ein Einverständnis zu finden. chen, was der entscheidende Teil der Tradition ist und auf welche einzelnen Persönlichkeiten der (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Jochen Wehrmacht die Bundeswehr zurückgreift. Dies sollte Feilcke [CDU/CSU]: Sie sind ja noch nicht genau deswegen geschehen, um sie von dem unbe- einmal in Ihrer Partei einig!) rechtigten, aber gegen sie erhobenen Verdacht ein Stück freier zu machen, als sie ohnehin schon ist. - Verehrter Herr Kollege, noch nicht einmal in einer (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Kompanie, geschweige denn in einer politischen Par- tei, ist eine hundertprozentige Einigkeit herzustellen. Vor diesem Hintergrund und auch mit Blick auf Das geht nicht. Ich strebe es auch nicht an. das, was Wolfgang Thierse und andere geschildert haben, sage ich Ihnen: Es wäre klug gewesen, mit Im übrigen möchte ich Ihnen folgendes sagen: Ich den Fraktionen des Parlamentes darüber zu reden; es habe noch nie wegen einer nationalistischen nahe wäre klug gewesen, den 20. Juli zu wählen; es wäre am Rechtsextremismus befindlichen Äußerung ein- klug gewesen, darüber von vornherein Einverständ- zelner CDU-Mitglieder die ganze CDU für nationali- nis herbeizuführen. Ich bitte Sie herzlich, Herr Rühe, stisch oder sich in der Nähe des Rechtsextremisus be- diese Klugheit vielleicht im nachhinein aufzubrin- findend oder sonstwas gehalten, niemals! gen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Jochen (Günther F riedrich Nolting [F.D.P.]: Reden Feilcke [CDU/CSU]: Wer sagt denn so Sie einmal über einen Einberufungstermin!) einen Quatsch!) Es würde Ihnen zur Ehre gereichen und die Bundes- wehr aus einem Konflikt herausführen, in den sie Es ist ja interessant, wie Sie argumentieren. Die nicht gehört und von dem auch viele in der Generali- Identifizierung einer ganzen Partei mit der Meinung tät sagen, sie möchten nicht, daß auch nur der leise- einer Minderheit und die Infragestellung ihrer ste Schatten der parteipolitischen Instrumentalisie- Glaubwürdigkeit dadurch, daß Sie versuchen, ihr rung auf die Bundeswehr fällt. Vielleicht nehmen Sie insgesamt kleine Minderheiten aus dieser Partei das ernster, als das, was ich hier sage. Nehmen Sie es bitte ernst! (Paul Breuer [CDU/CSU]: Ist Hamburg eine kleine Minderheit?) (Beifall bei der SPD) 19746 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Deswegen warne ich Rotgrün und auch die PDS Kollege Hans Raidel, CDU/CSU. davor, sich als Stichwortgeber für politische Gewalt gegen den Staat herzugeben. (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Hans Raidel NEN]: Was soll das denn?) sehr verehrten Damen und Herren! Ich wünsche uns allen bei diesem Thema etwas mehr Gelassenheit. Bremen läßt grüßen. Lesen Sie einmal nach, was Wir reden über einen ganz normalen und selbstver- 1980 alles in Bremen passiert ist. Ich will Sie aber ständlichen Vorgang; zu Aufgeregtheiten besteht überhaupt nicht daran hindern, weitere Eigentore zu überhaupt kein Anlaß. Es weiß doch jeder, daß feier- schießen, wie Sie es schon gemacht haben. Das ist liche Gelöbnisse grundsätzlich in öffentlicher Form Ihre Sache. durchgeführt werden. Nur derjenige, der kein Traditionsverständnis hat, (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ kann argumentieren, das Zeremoniell des Gelöbnis- NEN]: Können!) ses sei ein Relikt vergangener Tage und nicht mehr zeitgemäß. Den Gegnern geht es nicht um die Form, In einem solch feierlichen Rahmen wird gezeigt, was sondern sie wollen ganz generell die Bundeswehr die Bundeswehr von jungen Menschen verlangt und aus der Öffentlichkeit verbannen. Es gilt eben der was Bundeswehr wirklich ist. Der Herr Minister hat Grundsatz: Wenn man eine Institution vernichten das sehr eindrucksvoll ausgeführt. will, dann muß man zuerst ihre Symbole zerstören. Das feierliche Gelöbnis ist ein solches Symbol. Es Ein Gelöbnis kann doch weiß Gott keine Provoka- geht den Gegnern also weniger um die Ablehnung tion sein. Seit wann sollte dies denn der Fall sein? des Gelöbnisses als um die Ablehnung der Institution Wer sich provoziert fühlt, der wird natürlich immer Bundeswehr insgesamt. Deswegen sage ich noch einen Anlaß suchen, um gegen die Bundeswehr, einmal: Wir treten dafür ein, daß die Bundeswehr Ge- gegen die Verteidigungsbereitschaft insgesamt löbnisse an jedem Tag und an jedem Ort in dieser Re- und auch gegen die Friedenspolitik zu demonstrie- publik öffentlich abhalten kann. ren. Niemand kann ihn daran hindern; in einer Für den 13. August wünsche ich mir: Gelassen und Demokratie ist es sein selbstverständliches Recht. ruhig soll es zugehen. Es soll eine Stunde der Besin- Aber - und darauf kommt es mir an - er kann sich nung sein, damit deutlich wird, was die Bundeswehr eben nicht darauf berufen, dazu provoziert zu wer- für uns ist, was sie für diesen Staat und für die Bevöl- den. Es ist vielmehr umgekehrt. Was hier gesagt kerung bedeutet. worden ist, deutet darauf hin, daß die Bundeswehr provoziert werden soll. Das ist doch etwas ganz an- (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ deres. NEN]: Dann sagen Sie das Gelöbnis am 13. August ab!) Wir sehen dem Gelöbnis gelassen entgegen. Ich Ich wünsche mir auch, daß dieses Gelöbnis so gestal- bin sicher, daß alles so ablaufen wird, wie wir uns das tet wird, daß es aufzeigen kann, in welch interessan- vorstellen. Persönlich halte ich diesen Ort und diesen ten, aber auch in welch schwierigen Zeiten wir leben. Tag für geeignet. Die Mehrheit der Bürger in diesem Das sollte doch mit etwas mehr Gelassenheit von uns Lande denkt genauso, weil sie Gelöbnisse dieser A rt allen gemeinsam geschafft werden. und in dieser Form als eine Selbstverständlichkeit und als eine Normalität anschaut. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Bundeswehr ist der Garant für Frieden. Sie Vizepräsident Hans - Ulrich Klose: Das Wort hat der braucht sich doch nicht hinter Kasernenmauern zu Kollege Peter Zumkley, SPD-Fraktion. verstecken, wie das hier zum Teil gefordert worden ist. Fragen Sie einmal Eltern, Verwandte und Peter Zumkley (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolle- Freunde von Wehrdienstleistenden. Alle finden ein ginnen und Kollegen! Noch einmal zur Klarstellung: solches Gelöbnis in der Öffentlichkeit eindrucksvoll Das gesetzlich verankerte Gelöbnis von Wehrpflichti- und sehr angemessen. Die Bundeswehr unterstreicht gen ist grundsätzlich unter Beteiligung der Öffent- damit, daß sie die Armee aller Bürger ist. Was ist lichkeit innerhalb und außerhalb von Kasernen und denn daran falsch? im Prinzip an fast jedem Ort und zu jedem Zeitpunkt möglich. Unsere Bevölkerung weiß genau, was sie von Tril- lerpfeifen und Sirenen, von Sitzblockaden und mili- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU tanten Störungen dieser Gelöbnisse zu halten hat. sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Sie weiß auch, welche Gruppierungen, Parteien und Sensibilität und Gespür für bestimmte Orte und Zei- Medien sich als Brandstifter und Vergifter der öffent- ten sind jedoch geboten. Ein öffentliches Gelöbnis lichen Meinung betätigen und parteipolitisch Honig gehört zu den Veranstaltungen, bei denen größtmög- aus Beschuldigungen und Verdächtigungen- saugen licher Konsens aller Beteiligten hergestellt werden wollen. Das ist doch bekannt; es ist fast jeden Tag - sollte. zumindest im Moment - nachlesbar, sehbar und hör- bar. (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19747

Peter Zumkley Man braucht in der Regel, Herr Minister, auch Zeit, durch den jährlichen Soldatenempfang des Senats im derartige Veranstaltungen inhaltlich und organisato- Rathaus unterstrichen. Man muß das ja nicht immer risch vorzubereiten. wiederholen. Zur Zeit besteht - auch nach Ihrer Rede, Herr Mi- Herr Minister, Sie haben uns geschrieben, daß der nister, bei der wir in vielen Passagen übereinstimmen 13. August 1961 unter anderem nicht der Berliner - der Verdacht, daß die Bundeswehr doch parteipoli- SPD gehöre. Sie haben recht; niemand bezweifelt tisch instrumentalisiert wird. das. Aber ebenso ist die Bundeswehr auch keine CDU-Armee und auch nicht die einer anderen Partei. (Beifall bei der SPD) Es gibt auch den Vorwurf, daß derartige öffentliche (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Gelöbnisse besonders im Wahljahr plaziert würden, um damit, wie die „Zeit" kommentiert, Systemgeg- Die Bundeswehr ist seit ihrer Aufstellung im Jahre ner zu schaffen. Dies alles ist geeignet, in dieser 1955 gut damit gefahren, daß sie in der Öffentlichkeit Frage zu spalten, und das auf dem Rücken der Bun- eher zurückhaltend aufgetreten ist, ohne sich ver- deswehr und vor allem der jungen Wehrpflichtigen. steckt zu haben. Sorgen Sie, Herr Minister, als Inha- Ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie das wollen. ber der Befehls- und Kommandogewalt dafür, daß So befürchtet auch die Truppe teilweise, zu Wahl- keine Zweifel an Ihrer Pflicht gerechtfertigt sind, die kampfzwecken mißbraucht zu werden. Bundeswehr parteipolitisch neutral zu halten und sie aus politischen Streitereien herauszuhalten! Ziehen (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Die Truppe Sie sie nicht in solche Streitigkeiten hinein! hat keine kollektive Meinung!) Ich danke Ihnen. Für das Entstehen derartiger negativer Eindrücke sind Sie, Herr Minister - ich kann nichts dafür - ver- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ antwortlich. DIE GRÜNEN) Was Hamburg angeht, Herr Minister - auch Herrn Kollegen Breuer zur Kenntnis -, bin ich befremdet Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der darüber, wie Sie an die Stadt herangetreten sind. Es Kollege Frederick Schulze, CDU/CSU. gab keine offizielle Bitte an die Stadt, ein öffentliches Gelöbnis durchführen zu lassen, Frederick Schulze (Sangerhausen) (CDU/CSU): (Walter Kolbow [SPD]: Hört! Hört!) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 13. August 1961 errichtete das SED-Regime die Berli- und auch keine von Ihnen initiierten Sondierungsge- ner Mauer und schuf damit ein monströses Bauwerk, spräche. Sie haben vielmehr im Rahmen einer Partei- das es „antifaschistischen Schutzwall" nannte. Tat- veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrates am 11. Ja- sächlich sollte die Mauer jedoch nicht vor dem bösen nuar 1998 eine dera rtige Veranstaltung auf dem Rat- Westen schützen, sondern es ging darum, den Ge- hausmarkt gefordert. Im Wahlkreis Hamburg-Har- nossen Ulbricht davor zu schützen, ein König ohne burg, in dem Sie für den Bundestag kandidieren, ha- Untertanen zu sein. Schließlich hatten bis zum Som- ben Sie anläßlich eines Neujahrsempfangs der CDU- mer 1961 Hunderttausende von Menschen dem Ar- Bezirksfraktion den Vorschlag gemacht, vor dem beiter- und Bauernstaat den Rücken gekehrt. Seit Harburger Rathaus ein öffentliches Gelöbnis zu ver- dieser Zeit und bis zum November 1989 hatte die anstalten. Welch ein Stil ist das eigentlich, auf Partei- Mauer mitten durch Berlin zu unsäglichem Leid in veranstaltungen nach dem Motto „Vogel friß oder der Bevölkerung geführt. Sie wissen alle, wovon ich stirb" derartig sensible und wichtige Themen voran- spreche. bringen zu wollen? Hätte uns damals, in den 60er, 70er und 80er Jah- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ren, jemand gesagt, im Jahre 1998 streitet sich der DIE GRÜNEN) Bundestag des nunmehr wiedervereinten Deutsch- Da kann durchaus der Gedanke aufkommen, daß land darüber, ob an eben jenem 13. August ein feier- parteipolitische Konfrontation mehr gewünscht ist als liches Gelöbnis der Bundeswehr in Berlin stattfinden Verständigung mit der Stadt. solle oder nicht, hätten wir uns vielleicht glücklich geschätzt, im Jahre 1998 scheinbar keine anderen (Beifall bei der SPD) Probleme mehr zu haben. Dem Ersten Bürgermeister der Stadt Hamburg bin (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ich dankbar, daß er, ebenso wie meine Partei in Ham- burg, öffentliche Gelöbnisse nicht abgelehnt hat, Tatsache ist jedoch, daß wir im Jahre 1998 vor Pro- sondern seinerseits verschiedene Plätze in Hamburg blemen und Herausforderungen stehen, die unsere in die Diskussion gebracht hat. Auch den Rathaus- ungeteilte Aufmerksamkeit verlangen, so daß ich mir markt hat er nicht grundsätzlich ausgeschlossen, son- wünsche, wir würden die gewöhnlichen Dinge der dern er hat angesichts der von uns allen bedauerten Normalität überlassen. Ein feierliches Gelöbnis jun- rechtsradikalen Vorfälle die Auffassung- vertreten, ger Rekruten der Bundeswehr sollte ein Stück Nor- daß der Rathausmarkt derzeit eine zu bequeme Lö- malität darstellen. Dabei kann der ausgewählte Ort sung sei, um darauf zu antworten. Die Bundeswehr Berlin heißen, und dieses Gelöbnis kann auch an ei- ist in Hamburg sehr willkommen. Dies wird auch nem 13. August stattfinden; denn zu Recht hat Ver- 19748 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Frederick Schulze (Sangerhausen) teidigungsminister Rühe in einem Brief an die Mit- aus der Tradition heraus ein roter Genosse als ein glieder dieses Hauses darauf verwiesen, daß die schwarzes Schaf. Bundeswehr zusammen mit den Streitkräften un- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Joseph serer Verbündeten mehr als 40 Jahre lang Garant Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ für den Frieden in Freiheit nicht zuletzt auch in NEN]: Ein schwarzer Hammel!) Berlin war. Herr Minister, Sie haben gesagt, die Soldaten ver- Es gibt also durchaus eine Verbindung zwischen dienten den Respekt des gesamten Hauses. Ich teile dem Gedenken an den Mauerbau am 13. August Ihre Meinung. Aber sie verdienen insbesondere 1961 und dem Gelöbnis junger Soldaten der Bundes- Ihren Respekt, weil Sie die Verantwortung als Vertei- wehr als Armee der Demokratie. digungsminister tragen und Inhaber der Kommando- gewalt sind. Es macht auch keinen Sinn, den Kon- Herr Thierse hat eine Wesensgleichheit zwischen sens einzufordern - auch wenn er in der Vergang en- Bundeswehr, NVA und Kampftruppen hergestellt. heit bestanden hat -, um ihn als Alibi dafür zu benut- Diese Aussagen, die er in einem n-tv-Inte rview An- zen, daß Sie heute nicht versucht haben, ihn herbei- fang der Woche gemacht hat, bestreitet er jetzt vehe- zuführen. ment. (Beifall bei der SPD) (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Er ist weg! - Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Er hat sich Sie haben selbst gesagt, der 13. August sei nicht entschuldigt!) geeignet, eine Tradition in der Bundeswehr für feier- liche Gelöbnisse in der Öffentlichkeit zu begründen. - Herr Thierse ist jetzt weg, das ist wohl wahr. - Er Ich bedanke mich ausdrücklich dafür; so deutlich drückt lediglich den Schlingerkurs aus, den große habe ich das noch nicht gehört. Ich habe aber fest- Teile der Sozialdemokratie einschlagen, wenn sie stellen müssen, daß Sie den Traditionserlaß, den Sie sich eindeutig zur Bundeswehr und den jungen Sol- wie eine Monstranz vor sich hertragen und bei des- daten bekennen sollen. Dieses darf gesagt werden. sen Erwähnung Sie immer wieder honorige sozialde- mokratische Namen wie den von Herrn Apel ins Wofür stehen unsere Soldaten? Sie sollen geloben: Spiel bringen, der diesen Erlaß hat erarbeiten lassen Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland und herausgegeben hat - dadurch ist er wesentlich treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des besser geworden; wir haben ihm zu danken -, mit deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr Füßen treten. Das werde ich Ihnen jetzt nachweisen. mir Gott helfe. In diesem Erlaß steht ganz klar, daß das feierliche Ich bin stolz darauf, diesen Eid vor mehr als 30 Jah- Gelöbnis zur Tradition der Bundeswehr gehört und ren geleistet zu haben. daß es üblich ist, daß fünf bis sechs Wochen nach der Einberufung ein Gelöbnis stattfindet. Das wäre in (Zuruf des Abg. Horst Kubatschka [SPD]) diesem Fall die 31. oder 32. Woche, also vor dem 13. August. - Daß Sie ihn nicht geleistet haben, glaube ich glatt. (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Herr Höfer, an (Horst Kubatschka [SPD]: Ich habe ihn welchem Tag, bitte?) geleistet, aber nicht auf die CDU, mein Lie ber!) - In der 31. oder 32. Woche, also in jedem Fall vor dem 13. August, nämlich spätestens am 11. Dann Ich meine, daß es durchaus Argumente für einen sind die sechs Wochen um. anderen Tag gibt, der ebenfa lls als Gedenktag geeig- net wäre. Ich jedenfalls halte es aber für stil- und (Lachen bei der CDU/CSU) haltlos, wenn Teile der Opposition dem Bundesver- teidigungsminister im Laufe der Diskussion vorwer- - Wer mit Kleinigkeiten umgeht, muß sich gefallen fen, die Bundeswehr zu Wahlkampfzwecken zu in- lassen, daß man mit Kleinigkeiten antwortet. strumentalisieren. Dies macht ausschließlich die Op- (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Das ist dann position, insbesondere Herr Thierse, der seine roten viel weiter weg vom Wahltag, stimmt!) Genossen und die Jungsozialisten in seinem Wahl- kreis beruhigen will. Herr Kolbow, ich schäme mich Das feierliche Gelöbnis ist Bestandteil der Traditi- dafür, daß Sie sich dem anschließen. onspflege. Insoweit ist die Normalität hergestellt. Der Zeitpunkt ist festgelegt. Das Gelöbnis fände norma- Ich danke. lerweise zwischen dem 4. und dem 11. August statt, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - also in der sechsten Woche nach dem Einberufungs- Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ termin. Verantwortlich wären die Kompaniechefs DIE GRÜNEN]: Das war total daneben! und Kommandeure - so steht es in dem Erlaß -, und Jetzt kommt der Kalte Krieger wieder raus! zwar im eigenen Ermessen. Sie legen in der Regel Was waren das noch für Zeiten!) den Ort, den Platz, den Redner und diejenigen, die eingeladen werden, fest. So ist es positive Routine in - der Bundeswehr, und diese ist zu begrüßen. Die Ge- Gerd Höfer (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! löbnisse sind in der Regel öffentlich, sei es, daß die Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um die Öffentlichkeit in die Kaserne kommt, sei es, daß die Stimmung noch ein bißchen mehr anzuheizen: Lieber Gelöbnisse in der Öffentlichkeit stattfinden. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19749

Gerd Höfer Es wäre also alles ganz normal, wäre da nicht ein Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der einziger Kristallisationspunkt, den Sie, Herr Minister, Kollege Krautscheid, CDU/CSU. nicht begründen konnten, sondern zu dem Sie ganz im Gegenteil sogar gesagt haben, er könne nicht Ge- genstand der Tradition werden: Der Minister be- Andreas Krautscheid (CDU/CSU): Herr Präsident! stimmt die Zeit, den Ort, und er redet. Ich unterstelle Meine Damen und Herren! Ich möchte am letzten einmal, daß Sie eingeladen sind. Der arme Komman- Beitrag anknüpfen: Mir scheint, es ist aus Ihrer Sicht deur hat ja kaum eine Chance, den obersten Chef wirklich kein Argument zu absurd, um um diesen nicht einzuladen. Warum möchte denn der Minister 13. August herumzukommen. Da wird eine Sechswo- reden? Er hat es schon öfter getan. Ich kenne viele chenfrist ausgerechnet, um schließlich auf den seiner Reden; es gibt auch vieles schriftlich. Er 11. August zu kommen. Das ist die Rechnung eines möchte reden, weil er sich an dem Traditionserlaß Kompaniefeldwebels, aber nicht die eines Politikers. orientiert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge In dem Traditionserlaß steht, daß die Tradition aus ordneten der F.D.P. - Günther F riedrich Nol bestimmten Symbolen, Zeichen und Zeremonien be- ting [F.D.P.]: Nichts gegen die Kompanie steht. Das Zeremoniell ist nun einmal das feierliche feldwebel!) Gelöbnis, gegen das nichts einzuwenden ist. Was ist - Ich entschuldige mich bei allen ehrenwerten Kom- denn nun mit den Symbolen und Zeichen? Daraus paniefeldwebeln. hat der Minister ein Gemisch gemacht: Berlin, Rotes Rathaus, Mauerbau. Mit Berlin und dem Roten Rat- Kollege Kolbow, Sie sagen, wir sollten die Gelöb- haus komme ich noch einigermaßen klar, weil sie in nisse grundsätzlich nur dann abhalten, wenn sie vielfältiger Weise eine Tradition begründen können. ohne die Provozierung von öffentlichem Protest über Aber mit dem 13. August komme ich nicht klar, zu- die Bühne gehen. Was ist das für eine grundsätzliche mal Sie selbst gesagt haben, er könne keine Tradition Einstellung? Eine Angelegenheit, die vom Gesetz begründen, das müsse ein einmaliges Ereignis sein. und von der Verfassung gedeckt ist, braucht man nicht zu verstecken, wenn andere protestieren wol- (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Was quält Sie len. Es gibt keinen Grund, sich in die Kasernen zu- denn?) rückzuziehen. In diesem Moment beginnen Sie, Herr Minister (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Rühe - das haben Sie selbst gesagt -, etwas zu instru- mentalisieren, was nicht zu instrumentalisieren ist. Ihre Genossen in Hamburg sind die ersten, die Sie mißbrauchen die Bundeswehr, obwohl beim feier- nach der Bundeswehr schreien, wenn sie in ihrer lichen Gelöbnis die Wehrpflichtigen im Mittelpunkt Stadt Hochwasser haben. Aber sie haben nicht die stehen sollten, indem Sie - ich nehme an, daß Sie das Traute, ein öffentliches Gelöbnis auf die Beine zu wollten - den 13. August in den Mittelpunkt der Aus- stellen und den gleichen jungen Leute die Ehre zu einandersetzung gestellt haben. Das waren Sie, kein erweisen. Das bekommen sie nicht auf die Beine ge- anderer. Es waren keine Sozialdemokraten, keine stellt. Freien Demokraten; die müssen gehorchen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - (Lachen des Abg. Günther Fried rich Nolting Walter Kolbow [SPD]: Sie reden wider bes [F.D.P.]) seres Wissen!) Sie verletzen damit die Tradition, die Sie selber in Gespalten ist durch diese Diskussion nicht die Re- Berlin unter anderem mit der Namensgebung für die publik oder die Politik, sondern allenfalls die SPD. Julius-Leber-Kaserne begonnen haben. Das treten Denn die meisten von Ihnen, gerade die Verteidi- Sie jetzt mit Füßen. Sie haben selbst gerade aufge- gungspolitiker, merken ja, daß sie wieder einmal auf zählt, an welchen freiheitlich-symbolträchtigen Stel- dem falschen Weg und im falschen Boot sind. len in Berlin man ein Gelöbnis genausogut hätte durchführen können. (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Was heißt hier „wieder einmal"?) (Beifall bei der SPD) Mir ist ein Gesichtspunkt noch ein besonderes Be- Das heißt, Sie wollten bewußt instrumentalisieren dürfnis. Ich fand es schön, daß sich Kollege Schar- und bewußt polarisieren, damit Sie Ihre CDU als ping einmal mit verteidigungspolitischen Aspekten Wahrer und Hüter der Ordnung hinstellen können. beschäftigt hat. Wir sind wieder in die Nähe der vaterlandslosen Ge- sellen gerückt worden. Es nützt Ihnen nichts, hier (Walter Kolbow [SPD]: Häufiger als Sie! - Namen zu nennen und sie sozusagen als Alibi zu be- Weitere Zurufe von der SPD) nutzen, damit ein Konsens möglich wird. - In der Tat, es kann ihm nicht schaden. - Herr Kol- Mit dieser sozialdemokratischen Partei wäre für lege Scharping, nur eines wundert mich: Ich hatte ein feierliches Gelöbnis an bestimmten Orten - auch mich sehr gefreut, in der „Süddeutschen Zeitung" in Berlin - und zu bestimmten Zeiten selbstverständ-- vom 31. Januar 1998 zu lesen, daß die SPD das Zen- lich ein Konsens erreichbar gewesen. trum für Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz besucht hat. Da war vielleicht der Genius loci im (Beifall bei der SPD) Spiel. Jedenfalls lautete die betreffende Überschrift 19750 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Andreas Krautscheid in der „Süddeutschen Zeitung": „Scharping: SPD - Ich möchte zunächst einmal auf den Kollegen nimmt teilt an Gelöbnis am 13. August". Krautscheid antworten. - Wer Demokratie für sich in Anspruch nimmt, der muß hier auch demokratische (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Bravo!) Gepflogenheiten beachten. Dieses Parlament ist Ferner war zu lesen, Scharping „plädiere ... dafür, nicht der Befehlsempfänger des Bundesverteidi- daß auch führende Sozialdemokraten daran teilneh- gungsministers. men sollten". (Andreas Krautscheid [CDU/CSU]: Sie sind (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) eingeladen?) Eine Überschrift in der „Berliner Zeitung" vom - Über die Form der Einladung muß man, so denke 2. Februar 1998 lautet dann: „SPD-Fraktion verärgert ich, reden. Er kann den Verantwortlichen befehlen, über Scharping - Bemerkung zum Gelöbnis ,wenig die ihm unterstellt sind. In diesem Parlament aber hilfreich' " . Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Ber- gilt nicht der Befehlston, sondern der Gesprächston. liner Abgeordnetenhaus teilte mit - so ist in dem be- (Beifall bei der SPD) treffenden Artikel zu lesen -: „Da gehe ich mit Si- cherheit nicht hin". Zwei Tage später, am 4. Februar Wir legen schon sehr großen Wert darauf, daß die 1998, ist in der „Berliner Zeitung" in der Überschrift Unterschiede dort klargemacht werden, wo es ange- zu lesen: „Gelöbnis-Streit: Scharping macht Rückzie- messen ist. Wir entscheiden hier nicht als Befehls- her - SPD-Teilnahme wieder offen". empfänger des Ministers. Herr Scharping, Sie haben soeben eine große Herr Minister, lassen Sie mich das einmal ganz Chance verpaßt. Wenn Sie noch ein bißchen Mumm deutlich sagen: Die Bundeswehr ist wichtig. Verteidi- haben, dann stellen Sie sich hier hin und sagen Sie: gungsminister kommen und gehen. Es könnte Ihnen Ja, ich komme am 13. August nach Berlin und gehe passieren, daß Sie zu letzterem noch einige Ausfüh- zum Gelöbnis. rungen machen müssen, nämlich dann, wenn der Zeitpunkt zum Gehen gekommen ist. Ich denke, das (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) sollten Sie immer im Auge haben. Sie sollten in die- Denn diese Angelegenheit hat nur insofern etwas mit sem Hause nicht falsche Relationen aufzeigen, indem Wahlkampf zu tun, wenn es sich denn um die Veran- Sie der Opposition global unterstellen: Wer am staltung einer Partei handeln würde. Aber, meine Da- 13. August nicht erscheint, ist kein Demokrat oder men und Herren, Sie haben doch alle Chancen. Kom- hat kein Verhältnis zur Bundeswehr. Was für ein per- men Sie nach Berlin! Nehmen Sie als SPD mit Masse fider Diskussionsansatz ist das! teil! Dann ist das kein Wahlkampf für eine Partei, (Beifall bei der SPD) sondern eine Demonstration für die Demokratie und eine Demonstration für diejenigen, die unsere Demo- Ich kann nur sagen, Herr Minister: Dieser Ansatz fällt kratie schützen wollen. voll auf Sie zurück. Man muß nämlich darauf antwor- ten: Das, was Sie erzeugen wollen, ist Konfrontation (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ und kein Konsens. DIE GRÜNEN]: Oh!) (Beifall bei der SPD) Zum Abschluß vielleicht ein versöhnlicher Ge- danke - denn es ist soeben wieder gesagt worden, es Herr Minister, ich muß Sie einmal offen fragen: werde natürlich massiven Protest, Streits, vielleicht Wer hat denn die Konsenspflicht in diesem Hause auch gewaltsame Auseinandersetzungen geben -: herzustellen? Muß dies das Parlament gegenüber Für den Fall der Fälle werden diese jungen Männer dem Ministerium tun? Oder ist der Minister diesem und Frauen, die do rt vereidigt werden sollen, ihr Ge- Parlament verantwortlich, und muß der Minister mit löbnis abhalten, die Meinungs- und auch die Demon- den parlamentarischen Gremien dieses Hauses Kon- strationsfreiheit derjenigen schützen, von denen sie takt halten, wenn er eine Einladung ausspricht? am gleichen Tag beschimpft und von denen sie unter Umständen in den Schmutz gezogen werden. Ich (Beifall bei der SPD) finde, diejenigen, die sich do rt für den Schutz unserer Die Fronten müssen hier schon klar genannt werden. Demokratie zur Verfügung stellen, haben mehr Un- Ich denke, das ist durch dieses Parlament einzufor- terstützung aus dem Parlament verdient. dern. Vielen Dank. Ich möchte doch noch einige Worte zum öffentli- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) chen Gelöbnis sagen. Was sind eigentlich Gelöb- nisse?

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Versprechen!) Kollege Heistermann, SPD. Um wen geht es da? An dem Tag des Gelöbnisses geht es um die Grundwehrdienstleistenden, um die Dieter Heistermann (SPD): Herr Präsident! Liebe wehrpflichtigen Soldaten, die zum erstenmal gelo- Kolleginnen und Kollegen! ben, die zum erstenmal einen Eid ablegen und damit ihr Verhältnis zur Verfassung deutlich machen. (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Kommen Sie denn, Herr Heistermann?) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19751

Dieter Heistermann Das ist nicht der Tag des Ministers und auch nicht Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf: der Tag der Opposition. Das ist der Tag der Grund- - Zweite und dritte Beratung des von den Abge- wehrdienstleistenden. Sie haben im Mittelpunkt zu ordneten Gerald Häfner, Volker Beck (Köln), stehen; um deren Interessen hat es zu gehen. Cem Özdemir, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jochen gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Feilcke [CDU/CSU] - Günther F riedrich Schutz der Nichtraucher in der Öffentlichkeit Nolting [F.D.P.]: Und deswegen solltet ihr kommen!) (Nichtraucherschutzgesetz) - Drucksache 13/6166 - Ich möchte deutlich machen - wer einmal an Gelöb- (Erste Beratung 157. Sitzung) nisveranstaltungen teilgenommen hat, weiß dies -: Was heißt es denn für die Grundwehrdienstleisten- - Zweite und dritte Beratung des von den Abge- den, das Bewußtsein zu bekommen, daß das, was ordneten Roland Sauer (Stuttga rt), Uta Titze man gelobt, eines Tages ernst werden könnte. Ich Stecher, Dr. Burkhard Hirsch und weiteren habe bei dem Gelöbnis immer viele ernste Gesichter Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines feststellen können, weil die jungen Menschen zum Gesetzes zum Schutz der Nichtraucher erstenmal damit konfrontiert werden, etwas zu gelo- ben und dafür letztendlich das eigene Leben einzu- (Nichtraucherschutzgesetz - NRSG) setzen. Ich habe die Gefühle der Eltern kennenge- - Drucksache 13/6100 - lernt, die gespürt haben, daß das bei ihren Söhnen ei- (Erste Beratung 157. Sitzung) nen besonderen inneren Zwiespalt ausgelöst hat: Kann ich das so geloben? Bin ich dazu bereit und in Beschlußempfehlung und Be richt des Aus der Lage? schusses für Gesundheit (14. Ausschuß) - Drucksache 13/9740 - Ich denke, wir haben mehr auf diese Befindlichkei- ten der jungen Wehrdienstleistenden Rücksicht zu Berichterstattung: nehmen als auf äußerliche Formen oder Gedenktage, Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch wie wichtig sie auch immer gewesen sind. Herr Mi- nister, wenn wir auf diese Gefühle der jungen Men- Es liegt ein Entschließungsantrag der Abgeordne- schen Rücksicht nähmen, dann täten wir auch gut ten Horst Seehofer, Wolfgang Lohmann (Lüden- daran - das will ich ganz deutlich sagen -, sie am Tag scheid), Jürgen W. Möllemann und weiterer Abge- des Gelöbnisses, wo immer es auch stattfinden soll, ordneter vor. Außerdem gibt es vier Änderungsan- in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen und nicht träge. irgendwelche Äußerlichkeiten. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre Ich bitte Sie auch darum, diese feine Art, wie wir keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. mit der Bundeswehr umgegangen sind, beizubehal- ten; dies hat der Kollege Zumkley hier bereits darge- Ich eröffne die Aussprache. Das Wo rt hat der Kol- stellt. Wir waren immer bemüht, die Bundeswehr so lege Häfner, Bündnis 90/Die Grünen. normal zu halten wie nur möglich. Sie sollte weder herausgehoben noch untergebuttert werden. Sie Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr sollte so normal behandelt werden, wie es auch bei Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht jeder anderen Organisation praktiziert wird. Die um das Rauchen geht es hier heute, nicht darum, ob Bundeswehr ist nichts Besonderes, sondern Teil un- man in diesem Land in Zukunft noch rauchen darf serer Verfassung und schwört auf unsere Verfassung. oder nicht, Deshalb hat sie den gleichen Schutz dieses Parla- mentes und kann gewiß sein, daß sie dieses Parla- (Zuruf von der SPD: Um was denn dann?) ment immer dann in Schutz nimmt, wenn sie unan- sondern um den Schutz der Nichtraucher, um den gemessen angegriffen wird. Schutz derjenigen Menschen, die - wie ich meine, sehr zu Recht - einen Anspruch darauf haben und Deshalb, Herr Minister: Stellen Sie den Konsens diesen Anspruch in Zukunft auch gewahrt sehen mit diesem Parlament wieder her! Laden Sie die wollen, nicht gegen ihren Willen mit Zigaretten- Fraktionen zu einem Gespräch ein, wie man zu einer qualm vollgenebelt zu werden. Denn - das wissen gemeinsamen Lösung kommen kann! Wenn alle auf- wir - Zigarettenrauch ist nicht nur unangenehm, er einander zugehen, denke ich, ist eine gemeinsame reizt nicht nur die Augen, die Lunge, die Schleim- Form dieser Veranstaltung möglich. Wir jedenfalls häute, sondern er ist in sehr hohem Maße gesund- rufen Sie noch einmal in aller Deutlichkeit dazu auf. heitsschädlich. Vielen Dank. Ich will Sie auf eines hinweisen: Wir haben heutzu- tage in vielen Bereichen Grenzwerte für den Arbeits- (Beifall bei der SPD) platz durchgesetzt, was dazu führt, daß viele Schad- - stoffe - die im Promillebereich der Schadstoffwerte liegen, was bei Zigaretten emittie rt wird - verboten Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Die Aktuelle sind, während der Zigarettenrauch mit seinen unzäh- Stunde ist beendet. ligen Schadstoffen, die in ihm enthalten sind, die 19752 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Gerald Häfner Menschen nach wie vor auch gegen den Willen von das Jugendschutzgesetz eingeschränkt worden. Wir Betroffenen umnebeln darf. meinen, daß ähnliches in Zukunft auch für Zigaretten gelten müßte. Wir wollen das Rauchen nicht verbieten. Wir wol- len Rauchern nicht Einschränkungen auferlegen. Wir Wir können die Doppelmoral nicht ganz verstehen, wollen das, was alle hier im Hause behaupten, zu die in diesem Hause häufig herrscht. wollen: Wir wollen mehr Toleranz, wir wollen mehr Rücksichtnahme. Wir wollen, daß diejenigen, die (Beifall bei der SPD und der PDS) nicht möchten, daß in ihrer Umgebung geraucht Zigaretten sind ein Suchtmittel und tragen in ganz wird, darauf zukünftig einen Rechtsanspruch haben. hohem Maße zu Gesundheitsschädigungen in der Denn - das ist leider so - mit persönlicher Rücksicht- Bevölkerung bei. Hier wird gegen Konsumenten wei- nahme ist es oft nicht getan. Diese Rücksichtnahme cher Drogen manchmal in einer Weise vorgegangen, findet oft immer weniger statt. die befremdet, aber das Zigarettenrauchen wird Deshalb brauchen wir eine gesetzliche Regelung. überhaupt nicht thematisiert. Das liegt auch daran, Wir wollen eine gesetzliche Regelung, die maßvoll daß der Staat an jeder Zigarette, die in diesem Lande ist, die moderat ist, die liberal ist. Wir wollen nicht - geraucht wird, in erheblichem Maße mitverdient. wie in manchen anderen Ländern - einen starken Wir wollen, daß in Zukunft auch mehr getan wird Staat, der den Leuten sagt, was sie zu tun und zu las- für die Aufklärung der Bevölkerung über die Ge- sen haben. Aber wir wollen einen Individualschutz. sundheitsschädlichkeit des Rauchens. Wir wollen, Wir wollen einen Schutz derjenigen Menschen, die daß Ärzte künftig verpflichtet sind, bei Schäden an wollen, daß in ihrer Umgebung nicht geraucht wird. Kindern, die nachweislich durch Passivrauchen her- Deswegen - das ist ein ganz wichtiger Unterschied vorgerufen werden, darauf aufmerksam zu machen; zu dem anderen vorliegenden Gesetzentwurf - ha- denn wir wissen, daß diese Zusammenhänge den El- ben wir in der entscheidenden Passage, in der die tern oder denen, die diese Schäden hervorrufen, viel- fach nicht bekannt und nicht bewußt sind. Frage des Rauchens am Arbeitsplatz geregelt wird, nicht formuliert „Das Rauchen am Arbeitsplatz ist Aber es ist kein Gesetz des starken Staates, kein verboten" und dann Ausnahmen normiert, sondern Gesetz, das zentral mit Verboten arbeitet, sondern wir haben deutlich gesagt - das ist der wichtige um- ein Gesetz, das maßvoll, liberal und moderat do rt gekehrte Ansatz -: „Jeder Beschäftigte hat einen An- Schutzbestimmungen aufrichtet, wo diese aus der Er- spruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz ". Dieses fahrung heraus notwendig sind. Recht wird gegenwärtig nicht gewährleistet. Sie wis- sen, daß die Rechtsprechung vor den Arbeitsgerich- Ich möchte zum Schluß eines sagen: Wir haben ei- ten sehr unterschiedlich ausfällt. Angestellte der nen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich finde, es Lufthansa etwa sind gescheitert bei dem Versuch, ei- ist ein Ruhmesblatt der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz nen, daß es in dieser Fraktion keine Trennlinie zwi- durchzusetzen. Darunter waren auch Angestellte, die schen Rauchern und Nichtrauchern gab oder gibt. selbst bereits massive Schädigungen durch Passiv- Das war und ist überhaupt nicht die Frage, und es rauchen geltend machen konnten. darf auch bei der Abstimmung am Ende nicht die Frage sein. In unserer Fraktion haben Raucherinnen Deshalb brauchen wir eine gesetzliche Regelung. und Raucher wie Nichtraucherinnen und Nichtrau- Wir wollen diese gesetzliche Regelung auch für eine cher gemeinsam diesem Gesetzentwurf zugestimmt, Reihe weiterer Bereiche. Wir wollen sie für die Berei- weil sie alle gemeinsam der Ansicht waren, daß ein che öffentliche Gebäude, öffentliche Verkehrsmittel Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern und Verkehrsflächen. Wir wollen sie für den Bereich und Passivraucherinnen und Passivrauchern geboten der Gaststätten, für die, so meinen wir, eine Rege- ist, notwendig ist und auch im Interesse der Raucher lung dringend erforderlich ist - allerdings eine maß- liegt, denen im übrigen niemand ihren Genuß ver- volle Regelung, eine Regelung, die Gaststätten mit wehren möchte, solange andere dadurch nicht in weniger ais 50 Sitzplätzen ausnimmt. Denn wir mei- Mitleidenschaft gezogen werden. nen, daß dort - insbesondere natürlich bei Stehimbis- sen, bei „der Kneipe um die Ecke" - eine gesetzliche Wir haben diesen Entwurf vorgelegt. Wir werden Regelung nicht nur nicht erforderlich, sondern auch in der Abstimmung für diesen Entwurf eintreten. Un- nicht praktikabel ist. Aber in großen Gaststätten, die ser wichtigstes Ziel aber ist, daß ein wirksames Ge- über die räumlichen Möglichkeiten verfügen, müs- setz zum Schutz der Nichtraucher und der Passivrau- sen nach unserer Meinung künftig Nichtraucherbe- cher in diesem Lande zustande kommt. Wir werden reiche angeboten und eingerichtet werden. nach der ersten Abstimmung sehen, welcher Entwurf der aussichtsreichere ist. Sollte sich nicht der grüne, Wir sind der Auffassung, daß der Kinder- und Ju- sondern der interfraktionelle Entwurf, den die Kolle- gendschutz dringend verstärkt werden muß. Das gin Titze-Stecher, die Kollegen Sauer, Hirsch und an- heißt unter anderem, daß Zigaretten künftig nicht dere formuliert haben, durchsetzen, würden wir an mehr im unmittelbaren Zugangsbereich von Kindern zwei Stellen um eine Änderung dieses Entwurfs bit- und Jugendlichen angeboten werden sollen. Deswe- ten. Wir haben deshalb Anträge gestellt. Das betrifft gen wollen wir auch eine Einschränkung des Ver- den Kinder- und Jugendschutz, und es betrifft die kaufs durch Automaten. Sie wissen, daß es vor langer Regelung für den Arbeitsplatz, die in unserer Formu- Zeit in unserem Land möglich und üblich war, auch lierung sehr viel mehr Spielraum für innerbetriebli- Schnaps und Bier, also Alkoholika, öffentlich in den che Regelungen, für Regelungen auch zusammen Straßen an Automaten zu verkaufen. Dies ist durch mit dem Betriebsrat und den Gewerkschaften beläßt, Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19753

Gerald Häfner also nicht so sehr mit der Keule, mit dem Verbot ar- rauchens an Lungenkrebs. Das Passivrauchen ver- beitet, sondern mehr mit moderaten Regelungen. schlimmert Herzerkrankungen bis hin zum Herzin- farkt. Das Risiko einer Herzkreislauferkrankung Wir werden aber am Ende alle gemeinsam dafür steigt um bis zu 88 Prozent, wenn Nichtraucher mit sorgen, daß heute ein wirksamer Nichtraucherschutz Rauchern ständig zusammenleben müssen. beschlossen wird. Deshalb wird es, sollte sich unser Entwurf nicht durchsetzen, dennoch an den Stimmen Ich frage Sie: Sind Sie schon einmal in eine Klinik der Grünen und an der Unterstützung der Grünen gegangen, in der die Opfer des Aktiv- und Passivrau- für ein wirksames Nichtraucherschutzgesetz in die- chens liegen? Sprechen Sie doch einmal mit Lungen- sem Hause nicht fehlen. fachärzten, die Tag für Tag Menschen an der Teer- lunge operieren müssen, falls dies überhaupt noch Ich danke Ihnen und bitte sie dringend und herz- möglich ist, und die dann anschließend mit ansehen lich, dem Entwurf zuzustimmen. müssen, wie diese Menschen unter schlimmen Um- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ständen dahinsiechen und sterben müssen! Sprechen bei der SPD und der PDS) Sie doch einmal mit diesen Lungenfachärzten. Ich würde dies jedem empfehlen, auch denen, die mit ei- nem Federstrich über dieses Nichtraucherschutzge- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Roland Sauer, CDU/CSU. setz hinweggehen wollen. Die Passivraucher erleiden nahezu die gleichen akuten und chronischen Ge- sundheitsschäden wie die Aktivraucher. Roland Sauer (Stuttgart) (CDU/CSU): Herr Präsi- dent! Meine Damen und Herren! Beim Nichtraucher- Nicht von ungefähr haben in diesen Tagen 130 In- schutz gehen verständlicherweise die Emotionen stitutionen des deutschen Gesundheitswesens und hoch. die namhaftesten deutschen Professoren auf diesem Gebiet nochmals eindringlich an den Bundestag ap- (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Ich bin doch pelliert, auf Grund der eindeutigen Datenlage doch ganz ruhig!) nun endlich diesem Nichtraucherschutzgesetz zuzu- - Ja, das kommt vielleicht noch. - Da ist die Rede von stimmen. Wollen wir als verantwortungsvolle Politi- der Bevormundung des Bürgers, ker dies einfach in den Wind schlagen? Will dies der Gesundheitsminister einfach ignorieren? Ich glaube, (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Leider wahr!) das kann nicht wahr sein. von der Schaffung neuer Konflikte, von der Spaltung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Gesellschaft, von dem Verlust von Tausenden der F.D.P., der SPD, des BÜNDNISSES 90/ von Arbeitsplätzen, von den angeblich vielen Milliar- DIE GRÜNEN und der PDS) den, die das Nichtraucherschutzgesetz kosten würde. Die Zigarettenindustrie und ihre Lobbyisten sind ner- Die Freiheit und die Mündigkeit des Bürgers, von vös geworden. denen immer wieder gesprochen wird, haben dort ihre Grenze, wo zum Beispiel Kinder, Schwangere (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der und viele Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz durch PDS) Passivrauchen gesundheitlich schwer geschädigt Sie streuen auch bewußt Falschmeldungen. Die Red- werden. Wir ziehen nun daraus mit einem sehr mo- ner von unserer Seite werden nachher darauf einge- deraten Gesetzentwurf die Konsequenzen - moderat, hen. weil das Gesetz nur dann greifen soll, wenn unein- sichtige Raucher keine Rücksicht auf die Gesundheit Ich möchte vorweg klipp und klar feststellen: Es ihrer Mitmenschen nehmen wollen. Wir wollen ein wird keinen Krieg gegen die Raucher geben. Rauchverbot am Arbeitsplatz durchsetzen, weil die bestehenden Regelungen nicht ausreichen. (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Noch nicht!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, Sie werden nicht an den Pranger gestellt, sie werden der F.D.P., der SPD und der PDS) nicht stigmatisiert oder kriminalisiert, wie dies in den Vereinigten Staaten von Amerika leider der Fall ist. Es gab in den letzten Jahren über 100 Arbeitsge- richtsurteile, durch die Arbeitnehmer in Deutschland Es gibt kein absolutes Rauchverbot. Wir wollen nur ihren rauchfreien Arbeitsplatz erstreiten mußten. den Schutz des Nichtrauchers dort durchsetzen, wo Diese hohe Zahl von Klagen zeigt doch klar - das er zwangsläufig mit Rauchern zusammentreffen sollte sich auch der Bundesarbeitsminister einmal vor muß, nicht ausweichen kann und so unfreiwillig zum Augen halten -, daß bei uns nicht alles geregelt ist, Mitrauchen gezwungen ist: im öffentlichen Bereich, wie man es immer von gewisser Seite hört. in öffentlichen Gebäuden, in öffentlichen Verkehrs- mitteln und am Arbeitsplatz. Die Gegner der Gesetzesinitiative glauben, eine gesetzliche Reglementierung sei unnötig. Man sagt, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, Herr Kollege Feilcke, man könne alles mit Rücksicht- der SPD und der PDS) nahme und Toleranz lösen. Der Grund dafür liegt in der eindeutigen, erhebli- (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Richtig!) chen Gesundheitsschädigung durch das -Passivrau- chen. Es handelt sich um chronische Erkrankungen Dies ist aber nicht möglich, da nach Ansicht renom der Atemwege, Teerlungen und Lungenkrebs. mierter Wissenschaftler 60 Prozent der Raucher in 400 Menschen sterben pro Jahr infolge des Passiv- Deutschland nikotinabhängig, also süchtig sind; sie 19754 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Roland Sauer (Stuttgart) sind verständlicherweise gar nicht in der Lage, Rück- kommen. Tragen wir diesem Votum Rechnung! Stim- sicht zu nehmen und für eine gesunde Luft für ihre men Sie bitte diesem moderaten Gesetzentwurf zu! Mitmenschen zu sorgen. Herzlichen Dank. Nun hat kurz vor den Schlußberatungen des feder- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, führenden Gesundheitsausschusses der Verband der der F.D.P., der SPD, des BÜNDNISSES 90/ Cigarettenindustrie kalte Füße bekommen. Mit ei- DIE GRÜNEN und der PDS) nem dubiosen Gutachten wurde ein Schreckenssze- nario an die Wand gemalt. Der deutschen Wi rtschaft Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die würden über 30 Milliarden DM Kosten durch das Kollegin Editha Limbach, CDU/CSU. Nichtraucherschutzgesetz entstehen. So wurden zum Beispiel allein für die Schaffung von Raucherräumen 16 Milliarden DM hochgerechnet. Man muß sich ein- Editha Limbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe mal vorstellen, wie das passieren und wie das gehen Kolleginnen und Kollegen! Was generell für das Zu- soll. Schon heute haben 30 Prozent der Bet riebe ähn- sammenleben von Menschen gilt, ist natürlich auch liche Nichtraucherschutzregelungen. Do rt gibt es So- für das Zusammenleben von Rauchern und Nichtrau- zialräume. Da wird ein Sozialraum mit einem „R" ge- chern unerläßlich, nämlich die gegenseitige Rück- kennzeichnet. Das ist der Raucherraum. Ein anderer sichtnahme. Ich denke, wir brauchen hier jetzt nicht Sozialraum wird mit einem „N" bezeichnet. Das ist darüber zu diskutieren, daß Rauchen schädlich ist. der Nichtraucherraum. Wo entstehen denn da Ko- Das wissen sogar die Raucher selbst. Auch brauchen sten? Es entstehen geringfügige Kosten für das Hin- wir nicht darüber zu reden, daß Passivrauchen für weisschild, aber doch keine 16 Milliarden DM. Nichtraucher schädlich ist. Das ist zwar in seinem Ausmaß und in den Auswirkungen wissenschaftlich etwas unterschiedlich gewichtet, aber alle sind sich (Beifall bei Abgeordneten der SPD) darüber einig, daß auch Passivrauchen schädlich ist. Daß es darüber hinaus stört und belästigt, wissen wir Dieses Gutachten ist im Gesundheitsausschuß wie auch. Deshalb ist es heute in dieser Debatte nicht die auch im Haushaltsausschuß überhaupt nicht zur Frage, ob Rauchen schädlich ist oder nicht, ob Passiv- Kenntnis genommen worden, weil es unbrauchbar rauchen schädlich oder belästigend ist. Die Frage ist: war und weil es nur das Ziel hatte, eine Verabschie- Ist das ein Problem, das wir nur mit einem Gesetz re- dung dieses Gesetzentwurfes noch weiter hinauszu- geln können? Ist das nicht ein Problem, das wir auch zögern. anders lösen können? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, Der Strafgedanke steht bei unserem Gesetzent- der F.D.P. und der SPD) wurf nicht im Vordergrund, sondern nur die psycho- logische Wirkung. Wir haben in unserem Änderungs- Brauchen wir für das Miteinander von Rauchern antrag die Bußgeldbewehrung am Arbeitsplatz her- und Nichtrauchern wirklich gesetzliche Regelungen, ausgenommen und sagen: Dieses Problem an allen die über diejenigen hinausgehen, die wir bereits ha- Arbeitsplätzen, auch des öffentlichen Dienstes, muß ben? Jugendschutz, Arbeitsstättenverordnung und durch innerbetriebliche Sanktionsmechanismen ge- alles mögliche sind schon vorhanden. Also frage ich regelt werden. Wir haben Vertrauen, daß wir damit mich: Haben diejenigen recht, die eine gesetzliche einen Beitrag zu einem guten Bet riebsklima geleistet Regelung wünschen, ober haben nicht doch diejeni- haben. gen recht, die auf die Bereitschaft und die Fähigkeit der Menschen vertrauen, in weiten Bereichen ihre ei- genen Angelegenheiten auch ohne gesetzlichen Denken Sie nur einmal, wenn Sie die Bußgeldbe- Druck eigenverantwortlich und verträglich zu gestal- wehrung kritisieren, an die Einführung der Gurt- ten? pflicht. Hätten wir damals bei der Anschnallpflicht nach wenigen Monaten kein Bußgeld eingeführt, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, nachdem wir es zuerst nicht hatten, dann wäre dieses der F.D.P. und der SPD) Gesetz im Interesse der Verkehrssicherheit nicht so Eines ist natürlich richtig: Durch die Diskussion schnell in die Tat umgesetzt worden. über die Gesundheitsgefährdung auch durch das Passivrauchen, die schon seit vielen, vielen Jahren (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, läuft, wie wir alle wissen, hat sich das Bewußtsein der F.D.P., der SPD, des BÜNDNISSES 90/ verändert. Es ist schon vieles geschehen, was im DIE GRÜNEN und der PDS) Grunde aber nur beweist, daß es eben auch ohne Ge- setz geht. Lassen Sie mich schließen. Gestern abend haben Ich nenne entsprechende Betriebsvereinbarun- in der ARD-Sendung „Raucher raus!" über 100 000 gen. Ich wiederhole, was der Kollege Sauer gesagt Menschen über Ted angerufen. Nahezu 65 000 Men- hat, der von 30 Prozent Bet rieben sprach, in denen es schen haben sich für dieses Nichtraucherschutzge- auch schon für die Sozialräume das berühmte „R" setz ausgesprochen. Das ist die große überwiegende bzw. „NR" gibt. Mehrheit. Bei anderen Befragungen sind zum Teil bis zu 84 Prozent Zustimmung zu diesem Gesetz, so Ich denke an die rauchfreien Flüge, die den Rau- zum Beispiel beim Bayerischen Rundfunk, herausge- chern zu schaffen machen, die die Lufthansa gerade Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19755

Editha Limbach in diesen Tagen aber auch für Interkontinentalflüge schick wäre, das Rauchen im Beisein von Kindern beschlossen hat. und Jugendlichen zu unterlassen. (Uta Titze-Stecher [SPD]: Das ist ein inter (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, nationales Verbot!) der F.D.P. und der SPD) Ich denke an Nichtraucherzonen in Gaststätten, an Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin ganz si- Rauchverbote im öffentlichen Personennahverkehr, cher: Wir brauchen für das Zusammenleben in einer in öffentlichen Einrichtungen, überall do rt, wo eine freien Gesellschaft kein Nichtraucherschutzgesetz. Kommune ihr Hausrecht so nutzt, wie sie es für rich- Wir brauchen mehr Gemeinsinn und gegenseitige tig hält. Rücksichtnahme. Gemeinsinn und Rücksichtnahme kann man nicht per Gesetz verordnen. Deshalb müs- Wenn es nicht nur große, sondern auch kleine Be- sen wir auf die vorliegenden Gesetzentwürfe ver- triebe gibt, in denen es ganz selbstverständlich ist, zichten. Lassen Sie uns gemeinsam, und zwar nicht daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Freie nur im Bundestag, für Gemeinsinn und Rücksicht- gehen, wenn sie rauchen möchten, wenn ich höre, nahme auch auf diesem Feld werben und eintreten. daß die DAG festgestellt hat, daß die Zahl der Strei- Das ist die bessere Lösung. tigkeiten um das Rauchen und Nichtrauchen am Ar- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge beitsplatz dramatisch zurückgegangen ist, wenn ich ordneten der F.D.P. und der SPD) höre - was der Kollege Sauer eben selber gesagt hat -, daß die Gerichte, wenn sie zu entscheiden haben, ohnehin Urteile zugunsten der Nichtraucher fällen, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurzin- dann frage ich mich wieder: Brauchen wir wirklich tervention erteile ich nun dem Kollegen Braun das noch ein zusätzliches Gesetz, um den Schutz der Wort. Nichtraucher zu verbessern? Hildebrecht Braun (Augsburg) (F.D.P.): Frau Lim- (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer) bach, es ehrt Sie natürlich, daß Sie gegenüber den Heute morgen hat mich ein Bürger im Hinblick auf Kleinkindern und Kindern bei uns zumindest ein diese Debatte gefragt: Können wir Deutschen denn schlechtes Gewissen haben, weil sie Gefahren aus- nicht ohne Gesetz und Bürokratie etwas Vernünftiges gesetzt sind, die Sie sehr wohl erkannt haben. regeln? Gestatten Sie, daß ich als Vorsitzender der Kinder- kommission des Deutschen Bundestages die Auf- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. merksamkeit auf diese besondere Belastung der Kin- sowie bei Abgeordneten der SPD) der durch das Mitrauchenmüssen lenke. Kinder kön- Ich möchte diesem Bürger heute abend gern sagen nen ihren Aufenthaltsort meist nicht selbst bestim- können: Doch, wir können das. Wir setzen uns für In- men. Sie sind von dem Willen der Eltern abhängig. formation und für Aufklärung ein; wir werben um ge- Wenn die Eltern es so wollen, müssen Kinder im genseitige Rücksichtnahme; und wir gehen selbst Wohnzimmer, im Auto, auch im Zugabteil mitrau- mit gutem Beispiel voran. Das müßten wir dann aller- chen. dings auch tun. (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Auch im Rat -haus!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P. und der SPD) Hierbei geht es nicht darum, daß Kindern etwas zu- gemutet würde, was sie als lästig empfinden mögen. Das würde ich diesem Bürger, aber auch anderen Es geht vielmehr um eine riesige Gesundheitsgefähr- Bürgerinnen und Bürgern heute wirklich gern sagen. dung, (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr gut!) (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/ Etwas Kopfzerbrechen - das gebe ich zu - macht DIE GRÜNEN und der PDS) mir natürlich die Gefährdung von Säuglingen und Kleinstkindern. der Kinder mit ihrem kindlichen Organismus in ganz anderer Weise ausgesetzt sind als die Erwachsenen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.], Gewiß will der vorliegende Gesetzentwurf nicht in der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD] - die familiäre Situation hineinregieren. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ach ja?) (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Er redet nicht zur Sache!) Da ist die Problematik aber noch viel schwieriger. Wir können schließlich nicht in jedes Kinderzimmer Das bedeutet, daß Kinder durch dieses Gesetz nicht und in jede Wohnstube einen Raucherpolizisten stel- vor dem Gift der rauchenden Eltern oder der älteren len. Das wollen wir auch gar nicht. Also ist es auch Geschwister in der Wohnung geschützt werden kön- da richtig: an die Eigenverantwortung appellieren, nen, wohl aber in öffentlichen Verkehrsmitteln. Also Informationen geben, Meinungsbildung- betreiben würde auch etwa in Zugabteilen sichergestellt, daß und ein gutes Beispiel geben. Ich könnte mir - ich Kinder nicht wie bisher oft viele Stunden unter Be- bin selbst Mutter und Großmutter - nichts Besseres dingungen leben müssen, die mehr der Umweltqua- vorstellen, als wenn es „in" wäre, gesellschaftlich lität eines Abluftkamines gleichen. Wir alle wissen, 19756 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Hildebrecht Braun (Augsburg) daß oft nur in Raucherabteilen Platz ist, weil mehr nem Bereich, in dem es nicht darum geht - das sei Ih- Kunden der Bahn in die Nichtraucherabteile drän- nen zum Ziel dieses Gesetzentwurfes gesagt -, Ihnen gen, und sich die Bahn diesem geänderten Bedarf die Wahl des Genußmittels zu vermiesen. noch nicht angepaßt hat. Wir wollen kein totales Rauchverbot in der Repu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, blik einführen. Uns graut es, wenn wir nach Amerika der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ schauen, wo es Bundesländer, in denen Sie über- NEN und der PDS) haupt keine Zigarette mehr rauchen dürfen, und öf- Wir von der Kinderkommission haben eine Anhö- fentliche Parks, in denen das nicht gestattet ist, gibt. rung der Kinderärzte in Deutschland durchgeführt. Dies sind in meinen Augen fundamentalistische Vor- Wir hatten dort auch Professor von Mühlendahl als stellungen. Seien Sie froh, daß die Initiatoren das Referenten, der uns über die Gefährdungen durch Rauchen nur für die Bereiche regeln wollen, in denen Asbest, Ozon, Formaldehyd sowie durch Auspuff- Raucher und Nichtraucher gezwungenermaßen ne- gase und ähnliches informiert hat. Am Schluß habe beneinander und miteinander leben müssen und, ich ihn gefragt: Welches von diesen Giften ist eigent- Frau Limbach, sich nicht ausweichen können. lich wie giftig? Würden Sie es uns bitte an Hand des Beispieles des bekannten Giftes in Form des Mitrau- Da Sie ständig auf die Appelle zurückkommen, die chenmüssens der Kinder erklären? Er sagte uns - man doch an vernünftige Menschen richten könnte und zwar unter Beifall aller anwesenden Mitglieder und die zu etwas führen müßten, frage ich Sie, des Vorstandes der Kinderärzte in Deutschl and -, warum der Präsident der Bundesärztekammer, Kar- daß all die Gefährdungen durch Asbest, Ozon, For- sten Vilmar, gesagt hat - dies war in diesen Tagen in maldehyd usw. zusammengenommen noch nicht ein- der „Süddeutschen Zeitung" zu lesen -: Mit Appel- mal 1 Prozent der Gefährdung ausmachen, der Kin- len ist nicht gedient. Ihre Wirkungslosigkeit ist er- der durch das Mitrauchenmüssen ausgesetzt sind. wiesen. Die Ausführungen zumindest sämtlicher me- dizinischen Sachverständigen im Rahmen der öffent- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) lichen Anhörung im Oktober letzten Jahres haben Vor diesem Hintergrund ist es nicht vertretbar, daß eindeutig erwiesen, daß ein Nichtraucherschutz - wir die Dinge so lassen, wie sie sind. Wir brauchen dieser Name ist Programm - auf gesetzlicher Basis das Signal dieses Gesetzes, damit sich die Situation dringend notwendig ist. für unsere Kinder verbessert. Deswegen bitte ich Sie dringend, für dieses Gesetz zu stimmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der PDS) (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der PDS) Ich sage Ihnen auch, warum, Frau Limbach. Die Freiheit bei der Wahl des Genußmittels ist Ihnen un- benommen. Ob Sie Ihre Leber durch zuviel Whisky Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wollen Sie ant- schädigen oder ob Sie Ihren Körper durch Drogen- worten? - Nein. konsum schädigen, interessie rt uns nicht. Aber Sie Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Uta Titze-Ste- zwingen auch keinen Zuckerkranken zur täglichen cher. Portion Torte. Wieso sollen wir dann zum Mitrauchen und zu den Schädigungen gezwungen werden, die (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Jetzt nicht dadurch entstehen? übertreiben!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der Uta Titze-Stecher (SPD): Keine Angst, Herr Mölle- CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ mann, ich übertreibe nie. NEN und der PDS)

(Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Das verbin Hier geht es doch nicht um die Toleranz der Nicht- det uns beide!) raucher. Entschuldigung, ich kann doch nicht davon Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! sprechen, daß ich tolerant bin, wenn ich hinter mir Spätestens an der Unruhe ist zu merken, daß es hier die Whiskyflasche stehen habe und immer dann, um eine wichtige Sache gehen muß. Wahrscheinlich wenn ich will, auch trinken kann. Der Raucher fragt sehen wir Initiatoren, die in dieser Legislaturpe riode doch nicht den Nichtraucher: „Paßt es dir, wenn ich den zweiten Versuch machen, einen ganz moderaten jetzt rauche?" Ich habe als Nichtraucher doch keine Gesetzentwurf zu beschließen, dies gelassener als Wahl. die, die sich hier mit Hilfe von Lobbyistenvorlagen und unter starkem Druck (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: In welchen Kreisen verkehren Sie denn?) (Dr. Peter Struck [SPD]: Na, na, na!) gegen eine gesetzliche Regelung wehren, Ich denke, bei der Abwägung der Persönlichkeits-

rechte - das sage ich ganz friedlich, aber sehr be- (Widerspruch bei der CDU/CSU) - stimmt - muß ein fairer Interessensausgleich zugun- die bereits in 90 Ländern der Erde, auch in 14 von sten der Gesundheit stattfinden dürfen. 15 EU-Ländern, Realität ist. Deutschland bildet hier das berühmte hartleibige Schlußlicht; und dies in ei (Zustimmung bei der PDS) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19757

Uta Titze-Stecher Dazu sind wir als Gesetzgeber verpflichtet. Das sei ner Lächerlichkeit, daß wir angeblich auch das Rau- hinter die Ohren des Gesundheitsministers geschrie- chen an Zebrastreifen oder offenen Bushaltestellen ben. reglementieren wollen. Die Beg riffe ,,Verkehrsmit- tel" und „Verkehrsanlagen" beziehen sich auf ge- (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei schlossene Räume; das ist die Definition. Ich bitte Abgeordneten der CDU/CSU und des Sie, nicht auf Feldern zu kämpfen, wo niemand als BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ihr Gegner auftaucht.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Frau Kollegin, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schu- PDS) ster? Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Frau Kollegin, Uta Titze-Stecher (SPD): Ja, gem. auch der Kollege Dreßen möchte eine Zwischenfrage stellen. - Nicht mehr? Gut. Dr. R. Werner Schuster (SPD): Liebe Frau Kollegin, wie Sie persönlich wissen, trage ich in diesem Punkt Uta Titze-Stecher (SPD): Ich habe sowieso nur fünf auf zwei Schultern: Als Arzt weiß ich - Sie brauchen Minuten Redezeit, und ich sehe, daß ich bei meiner mich da nicht zu überzeugen -, wie recht Sie haben. letzten Minute angekommen bin. Ich hoffe, daß die Auf der anderen Seite liebe ich Zigarren. Ich unter- Kollegen, die den Gesetzentwurf befürworten, auf stütze trotzdem Ihre Initiative. Fragen, die von mir wegen der Kürze der Zeit nicht Nur habe ich eines nicht verstanden: Warum darf beantwortet werden können, noch eingehen. ich nicht, wenn ich meine Mitarbeiter gefragt habe Ich denke, nicht nur die gesundheitlichen Schäden und in deren Büros nicht rauche, in meinem eigenen erfordern eine gesetzliche Regelung, sondern auch Büro, im öffentlichen Bereich, rauchen? Das läßt Ihr die Tatsache, daß das Rauchen eine höchst persönli- Vorschlag nämlich nicht zu. Ich meine, die gegensei- che genußvolle Entscheidung ist. Wie gesagt: Wie tige Rücksichtnahme, die ich gerne praktizieren will, Sie niemandem, der zuckerkrank ist, aufzwingen bedeutet auch, daß man in abgetrennten Räumen, in können, täglich sein Stück Torte zu essen - dann denen man arbeitet, rauchen darf, auch wenn es im wird er nämlich noch kränker -, genauso können Sie öffentlichen Bereich ist. niemanden gegen seinen Willen zwingen mitzurau- Eine letzte Anmerkung: Ich selber plädiere schon chen. Wenn Sie schon von Freiheit und Toleranz lange dafür, Herr Seehofer, daß wir eine zweckge- sprechen, dann praktizieren Sie das doch gegenüber bundene Abgabe in Form von Steuern auf Alkohol den Nichtrauchern! Die werden, wie gesagt, in die- und Nikotin einführen, um damit endlich Gesund- sen Entscheidungsprozeß nicht eingebunden. Sie ha- heitsförderung ordentlich bezahlen zu können. ben ihn mit allen Konsequenzen zu erdulden. Herr Seehofer, wenn es in den Zigaretten bekann- Uta Titze-Stecher (SPD): Herr Kollege Schuster, ich termaßen 4000 schädliche Substanzen gibt, von de- bin Ihnen für diese Steilvorlage dankbar. Denn eines nen 50 krebserregend sind, die sich verlustlos sum- der vielen falschen Gerüchte, die gezielt gestreut mieren - es gibt dort keine Schwelle, ab der der werden, ist, daß man in einem nicht öffentlich orien- Krebs erst entsteht -, und wenn sogar die amerikani- tierten Raum - ein solcher ist das Abgeordnetenbüro; sche Umweltbehörde EPA den Tabakrauch als das denn dort haben Sie nicht ein ständiges Kommen Umweltgift Nummer eins bezeichnet hat - vergleich- und Gehen - nicht rauchen darf. bar mit Arsen, Asbest und Radon -, dann frage ich (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ Sie angesichts der Zuzahlungsmechanismen, die CSU und der F.D.P. - Zuruf von der CDU/ nicht die Opposition zu verantworten hat: Wieso soll CSU: Publikumsverkehr!) denn ein kranker Passivraucher für seine Behand- lungskosten noch zuzahlen, wo er doch an der Ent- - Da empfangen Sie nur die Besucher, die Sie aus- stehung seiner Krankheit nicht einmal beteiligt war? wählen. Das ist ja absurd! Wenn Sie wollen, daß weniger ge- zahlt wird und die Volksgesundheit besser wird, (Lachen bei Abgeordneten der F.D.P.) dann sorgen Sie bitte dafür, daß die Volksgesundheit Beim Arbeitsamt oder im Krankenhaus dagegen gibt durch ein Nichtraucherschutzgesetz verbessert wer- es eine andere Art von Öffentlichkeit. den kann. Dieses Mißverständnis räume ich aus. Wo nur Rau- Mir persönlich tut es leid, daß wir in diesem Gesetz cher in einem Großraumbüro miteinander arbeiten, nur den Aspekt des Nichtraucherschutzes regeln, ist das kein Problem. Da klagt niemand einen Nicht- und zwar nur für die Bereiche, in denen man nicht raucherplatz ein. In einem Raum, in dem Sie alleine ausweichen kann, das Gaststätten und Hotels also zu arbeiten haben, oder in einem Lkw - auch da ist außen vor bleiben. Mir tut es auch leid, daß die Kin- alles andere ein übles Gerücht - bestimmen Sie der im Privatbereich nicht geschützt werden können. alleine. Wo kein Kläger, da kein Richter. Wir haben aber gesagt, daß wir die Schnüffelei, die (Zustimmung bei der SPD) das Durchsetzen eines gesetzlichen Schutzes zur Folge haben würde, nicht wollen, und haben uns Wenn ich schon dabei bin, will ich auch ein zweites deswegen auf die wirklich notwendigen Bereiche be- Gerücht ausräumen. Ich finde es fast rührend in sei- schränkt. 19758 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Uta Titze-Stecher Ich danke zum Schluß - das habe ich auch bei und empfindliche Strafen geschehen? Ich weiß nicht, der ersten Lesung getan - meinen beiden Kollegen ob wir damit das gewünschte Ziel, Nichtraucher zu Dr. Burkhard Hirsch und Sauer stellvertretend für schützen, erreichen. Toleranz, Vernunft, Freiwillig- alle Unterstützerinnen und Unterstützer, meinem keit und gegenseitige Rücksichtnahme wären bes- Büro und allen anderen, die eine Flut von negativen sere Instrumente, den Nichtraucherschutz durchzu- und positiven, militanten und nichtmilitanten Zu- setzen. Deswegen plädiere ich, wie in diesem Antrag schriften zu bewältigen hatten. Ich bitte Sie ganz formuliert und gefordert, dafür, daß eine Untersu- herzlich, Ihrem Herzen einen Ruck zu geben und die chung stattfindet. Auf der Basis der Ergebnisse die- Chance zu ergreifen, den Nichtraucherschutz auf ser Untersuchung könnten der Umfang und die A rt eine einwandfreie Basis zu stellen, damit der persön- des Schutzes gefährdeter Personengruppen anders liche Konfliktfall endlich aus dieser Ebene herausge- als unbedingt durch neue gesetzliche Regelungen holt werden kann. festgelegt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ CDU/CSU und der F.D.P.) NEN, der F.D.P. und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat Hampel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kolle- jetzt der Abgeordnete Manfred Hampel. gen Fuhrmann?

Manfred Hampel (SPD): Ich bin zwar am Ende, Manfred Hampel (SPD): Frau Präsidentin! Meine aber warum nicht? Damen und Herren! Ich spreche für den Entschlie- ßungsantrag auf Drucksache 13/9752 und damit ge- gen die Entwürfe des Nichtraucherschutzgesetzes. Arne Fuhrmann (SPD): Verehrter Herr Kollege, ich möchte eine einzige Zwischenfrage stellen, weil mir (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr gut!) der erste Satz so gut gefallen hat. Herr Kollege Ham- pel, haben Sie schon ein einziges Mal im Leben er- Damit keine Mißverständnisse aufkommen, sage ich lebt, daß jemand zu Kindern gesagt hat: Gestattet ihr, Ihnen: Ich bin seit mehr als 20 Jahren leidenschaft- daß ich rauche? licher Nichtraucher. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr gut!) des Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]) Einer der am häufigsten gesprochenen Sätze, an den ich mich aus der Zeit, in der ich noch geraucht habe, Manfred Hampel (SPD): Das ist eine Frage, die ich erinnern kann, war: Gestatten Sie, daß ich rauche? in dieser Form nicht beantworten kann. Ich kann nur - Sollten wir nicht lieber wieder dahin kommen? für mich sprechen. Ich selbst habe lange Jahre - über 15 Jahre - ziemlich stark geraucht. Für mich war es (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der immer ein Anliegen, Rücksicht zu nehmen. Ich CDU/CSU und der F.D.P.) denke, daß auch viele Raucher so wie ich handeln. Es ist auch unstrittig - Herr Kollege Sauer hat es Sie fragen, ob es stört, wenn sie rauchen. Dabei ist es dargestellt -, daß Nichtraucher durch Passivrauchen völlig gleichgültig, ob die Betroffenen Erwachsene gefährdet sind. Das bestreitet keiner. Es gibt eine oder Kinder sind. Wenn Kinder im Raum sind, dann Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen dar- braucht man oftmals gar nicht zu fragen, man tut es über. Es muß auch gemeinsames Anliegen von Befür- einfach nicht. wortern und Gegnern dieses Nichtraucherschutzge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der setzes sein - ich gehe davon aus, daß es das ist -, daß CDU/CSU und der F.D.P.) bestimmte Personengruppen besonders geschützt werden müssen: Schwangere, Säuglinge, Kleinkin- der, Menschen mit asthmatischen Erkrankungen und Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat anderen Erkrankungen der Atemwege. Ich denke, jetzt die Abgeordnete Petra Bläss. das muß unser Anliegen sein. (PDS): Frau Präsidentin! Liebe Kolle- In diesem Sinne habe ich in gewisser Weise auch Petra Bläss ginnen und Kollegen! Die Debatte um die Beschluß- Sympathie für das Anliegen der Initiatoren dieses fassung über ein Nichtraucherschutzgesetz hat mitt- Nichtraucherschutzgesetzes. lerweile einen Grad an Peinlichkeit erreicht, über (Uta Titze-Stecher [SPD]: Dann stimm doch den man lachen könnte, wenn es nicht um die Ge- zu, Manfred!) sundheit von Millionen Bürgerinnen und Bürgern ginge. Muß das aber unbedingt durch einen typisch deut- schen Regelungswust, durch eine Vielzahl von Para- Eigentlich ist alles klar: Sämtliche Umfragen bestä- graphen tigen, daß eine satte Mehrheit der Bevölkerung - im- - merhin 75 Prozent und sogar die Hälfte der Rauchen- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist doch den hierzulande - ein Nichtraucherschutzgesetz be- gar nicht typisch deutsch! Das gibt es in fürwortet. Unzählige wissenschaftliche Studien bele- 90 Ländern!) gen die gesundheitlichen Gefahren, die vom Passiv- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19759

Petra Bläss rauchen ausgehen. Ich verweise diesbezüglich nur Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Glaube, das auf das Protokoll der Anhörung des Gesundheitsaus- Problem löse sich von selbst, Nichtrauchende und schusses und die vielen Zuschriften, die uns Abge- Rauchende kämen schon zu einem Einvernehmen, ordnete in der letzten Zeit erreicht haben. hat sich als Illusion erwiesen. Deshalb gibt es keine tragfähige Alternative zu einem Nichtraucherschutz- Die Unterstützerinnen und Unterstützer des Nicht- gesetz. raucherschutzgesetzes haben immer wieder deutlich gemacht, daß es ihnen nicht um die Diskriminierung (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne von Rauchenden, sondern um den Schutz von Nicht- ten der SPD) rauchenden, um ihren Anspruch auf eine rauchfreie Umwelt in öffentlichen Gebäuden, in Verkehrsmit- Der heute zur Abstimmung stehende, fraktions- teln und am Arbeitsplatz geht. übergreifend eingereichte Gesetzentwurf ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner. Das vorge- (Beifall der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann schlagene Nichtraucherschutzgesetz würde lediglich [PDS]) Mindeststandards setzen und käme sowieso nur im Konfliktfall zur Anwendung. Es würde, insbesondere Bezeichnenderweise geht der eigentliche Streit was den Arbeitsplatz bet rifft, die unklare Rechtslage nicht um die Inhalte, sondern um die Notwendigkeit, beseitigen. Die Initiatorinnen und Initiatoren des die Verhältnismäßigkeit und die Durchführbarkeit Gruppenentwurfs haben die notwendigen Präzisie- des Nichtraucherschutzgesetzes. Die Gegnerinnen rungen für den Geltungsbereich und die Sanktionie- und Gegner der heute zur Debatte stehenden Mini- rung vorgenommen. mallösung - um mehr geht es in der Tat erst einmal nicht - haben sich in den letzten Wochen mit ihrer Unter dem Strich bleibt festzustellen: Ein Nichtrau- Geschäftigkeit selbst ein Armutszeugnis ausgestellt. cherschutzgesetz ist notwendig, angemessen und Die Lobbyarbeit der Tabakindustrie hinter den Kulis- durchführbar. Während der anschließenden Abstim- sen lief auf Hochtouren. Da wurde sogar extra ein mungen haben wir Abgeordnete die Chance, frakti- Gefälligkeitsgutachten über die Kosten eines Nicht- onsübergreifend den Forderungen einer klaren Be- raucherschutzgesetzes für die unternehmerische völkerungsmehrheit nachzukommen und ein politi- Wirtschaft in Auftrag gegeben. sches Signal für den überfälligen Nichtraucherschutz hierzulande zu setzen. Sowohl die nichtrauchenden (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Kosten als auch die rauchenden Abgeordneten der PDS wer- haben Sie noch nie interessiert!) den dies heute tun. Wir werden mehrheitlich auch Da wird ausgerechnet von denen, die - wie heute dem Gesetzentwurf der Bündnisgrünen zustimmen, vormittag und auch sonst - ein Hohelied auf die USA denn er setzt, was den Anspruch auf einen rauch- singen, die Gefahr amerikanischer Verhältnisse her- freien Arbeitsplatz und die Festschreibung gesund- aufbeschworen. heitlicher Aufklärung betrifft, wichtige und notwen- dige Akzente. (Beifall bei Abgeordneten der PDS und der (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne SPD) ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Ich denke, daß meine Vorrednerinnen und Vorred- GRÜNEN) ner, die für das Nichtraucherschutzgesetz sprachen, deutlich gemacht haben, daß es hierum überhaupt Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat nicht geht. jetzt der Abgeordnete Franz Peter Basten. Den Gipfel der Peinlichkeit stellen die Hilferufe des Verbandes der Cigarettenindustrie dar, die zu- Franz Peter Basten (CDU/CSU): Frau Präsidentin! gleich Gehör bei ihren Handlangern in den Koaliti- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin als onsfraktionen gefunden haben, das Nichtraucher- Gelegenheitsraucher für den Schutz von Nichtrau- schutzgesetz stelle eine Gefahr für die Wettbewerbs- chern, aber gegen die vorgelegten Gesetzentwürfe. fähigkeit der Unternehmen und des Standortes Deutschland dar. Die Entwürfe haben schwere Mängel. Der hekti- sche Abänderungsaktivismus der letzten Tage zeigt (Zuruf von der PDS: Nicht zu fassen!) ja nur, daß die Autoren selbst nicht so recht wissen, was sie wollen. Sie können nicht unterschiedslos Daß sich ausgerechnet Bundesgesundheitsminister reine Belästigungstatbestände und Tatbestände der Seehofer so vehement gegen ein Nichtraucher- gesundheitlichen Gefährdung unter eine gesetzliche schutzgesetz wendet, finde ich erschreckend und Verbotsnorm zwingen, die dazu noch keine Aus- skandalös. nahme duldet. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne Belästigungen schafft man zwischen erwachsenen ten der SPD) Leuten im Rahmen von Anstand und Rücksicht aus Zu Recht ist ihm deshalb vor kurzem vom Nichtrau- der Welt. cherbund Berlin ein entsprechender Preis verliehen (Zustimmung bei der CDU/CSU) worden. Selbst der Tagesschau war die Überreichung- des „Stinkstiefel 1998" - ich zitiere diesen bestimmt Zur Beseitigung der gesundheitlichen Gefährdungen unparlamentarischen Ausdruck hier nur - eine Mel- stehen andere Lösungswege zur Verfügung als die dung wert . vorgelegten Gesetzentwürfe. 19760 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, nicht durchdacht und nicht überlegt ist. Er bringt uns gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen bei der Bevölkerung in Schwierigkeiten, weil das, Sauer? was wir eigentlich sinnvollerweise anstreben sollten, nur karikiert wird. Franz Peter Basten (CDU/CSU): Nein, jetzt nicht. Wenn die Berechnungen des Instituts der Deut- Der Gruppenantrag führt im Einzelfall zu völlig un- schen Wirtschaft auch nur annähernd stimmen, dann sinnigen Ergebnissen. Ich nenne an Hand des Grup- kommt auf die Privatwirtschaft, insbesondere auf die penantrags drei Beispiele: mittelständische Wi rtschaft, eine Belastung in zwei- stelliger Milliardenhöhe zu. Erster Fall. In einem Schreibbüro eines mittelstän- dischen Unternehmens ohne Publikumsverkehr ar- (Zuruf von der CDU/CSU: Milchmädchen beiten zwei Raucher. Gleichwohl besteht ein striktes rechnung! - Zuruf von der SPD: Dummes Rauchverbot, denn als Ausnahmetatbestand kommt Zeug!) nur § 2 Abs. 2 - Räume ohne Publikumsverkehr, die Wir können nicht die Entlastung der Wi rtschaft von Rauchern als Einzelräume dienen - in Betracht. Kosten zur Schicksalsfrage der Nation erheben und Zweiter Fall. Von den zwei Arbeitnehmern ist einer gleichzeitig durch solche Gesetze Milliarden DM Raucher und der andere Nichtraucher. draufsatteln. Die Debatte heute morgen und diese Debatte passen nicht zusammen. Auch das will ich (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ist doch Fir bei dieser Gelegenheit einmal sagen. lefanz!) (Beifall bei der CDU/CSU) Der Nichtraucher ist mit dem Rauchen einverstan- den. Es besteht trotzdem ein striktes Rauchverbot, Der angesehene Staatsrechtslehrer Hans-Peter denn eine dera rtige Vereinbarung ist unzulässig. Das Schneider weist in einem Gutachten nach, daß der ist kein Firlefanz; es entspricht der Lebenswirklich- Gruppenantrag unter anderem auch gegen das Ver- keit. Sie müssen sich daran gewöhnen, daß Sie die hältnismäßigkeitsprinzip sowie gegen das Übernor- Gesetze, die Sie machen, an den Lebenswirklichkei- mierungsverbot verstößt und damit zu allem Über- ten, an den Realitäten auch in der Wirtschaft orientie- fluß auch noch verfassungswidrig ist. Die geltende ren. Rechtslage gewährt bereits Rechtsschutz in erhebli- chem Umfang. § 5 Arbeitsstättenverordnung und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU § 618 BGB sehen Schutzbestimmungen vor. Beson- und der F.D.P.) dere Schutznormen gibt es im Mutterschutzgesetz Ansonsten werden Sie mit Ihren Initiativen - ich je- und im Jugendarbeitsschutzgesetz. Diese gesetzli- denfalls werde solchen Initiativen nicht zustimmen - chen Regelungen geben den Betroffenen einklag- scheitern. bare Rechte. In der Anhörung hat ein einschlägig er- fahrener sachverständiger Rechtsanwalt von einer Dritter Fall. Er ist schon angesprochen worden: der hohen Erfolgsquote gesprochen. Bestehende Lücken, Abgeordnete im Bürgerbüro. Selbstverständlich han- wie zum Beispiel beim Luftverkehr oder in Gaststät- delt es sich um Publikumsverkehr. Wie soll er denn ten, können durch Vereinbarungen geschlossen wer- sonst seine Arbeit machen? Publikumsverkehr ist den. Man arbeitet auch daran. Aber gerade für diese doch gerade die Voraussetzung für den Kontakt mit Bereiche sehen auch die Entwürfe keine Regelungen den Leuten. Es gibt gar keinen Zweifel, Frau Kollegin vor. Titze-Stecher, daß nach den Gesetzentwürfen auch dort ein Rauchverbot bestehen würde. Das gleiche Die vorhandenen gesetzlichen Regelungen und gilt für die Anwaltskanzlei und für das Steuerbüro. betrieblichen Vereinbarungen lassen, im Gegensatz Sie könnten die Liste endlos fortsetzen. zum kompromißlosen Totalverbot der Entwürfe, dif- ferenzierte betriebs- und ortsbezogene Lösungen zu. (Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Das ist doch Wir sprechen so viel vom Subsidiaritätsprinzip. Hier absurd!) können wir es anwenden. Mit betrieblichen Verein- barungen werden auch die Mitbestimmungsrechte Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, der Belegschaft gewahrt. Die vorgesehenen gesetzli- gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Titze chen Regelungen schaffen die Mitwirkungsrechte Stecher? des Betriebsrates ab. Völlig zu Recht hat sich der DGB in einer Presseerklärung vom 3. Februar 1998 gegen die vorliegenden Entwürfe ausgesprochen. Franz Peter Basten (CDU/CSU): Nein, ich beant- worte jetzt keine Zwischenfrage. Ich möchte ohne Zum Schluß noch folgende Bemerkung. Die An Unterbrechung weiterreden. hänger der Gesetzentwürfe verweisen immer wieder darauf, daß eine große Mehrheit der Bevölkerung Es gibt weitere Kuriositäten. Wenn der städtische diese Gesetze zum Schutze der Nichtraucher wolle. Angestellte verbotswidrig raucht, begeht er eine Ich begegne viel öfter der Frage: Habt ihr in Bonn an- Ordnungswidrigkeit und zahlt. Wenn der Angestellte gesichts der wirklichen Probleme im Lande nichts im Privatbetrieb im Gebäude nebenan unter densel- Besseres zu tun, als solche Gesetze auf den Weg zu ben Voraussetzungen verbotswidrig raucht,- begeht bringen? er keine Ordnungswidrigkeit und zahlt dementspre- chend nicht. Aber in jedem Fall zahlt der Chef. Das (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sind die logischen Folgen eines Gesetzentwurfs, der und der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19761

Franz Peter Basten Wir Politiker fordern immer: weniger Staat, weni- präsentieren, spricht schon gegen Ihre Argumentati- ger Gängelung, weniger Regulierung und weniger onskette. Bevormundung. Wir führten gestern eine Anhörung zum Ehrenamt durch und rufen heute nach dem (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Staat, um Anstand und Rücksichtspflichten zu kodifi- ten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ zieren. Der Ruf nach dem Staat zur Regelung von DIE GRÜNEN und der PDS) Rücksichtnahme und Toleranz ist eine Kapitulations- erklärung und mit der Vorstellung vom selbstbewuß- Der nächste Punkt: das Abgeordnetenbüro. Natür- ten und zur Konfliktregelung fähigen Bürger nicht lich sind wir alle daran interessie rt und müssen daran vereinbar. Es ist ein schlechter Weg, den Sie gehen. interessiert sein, den Kontakt zum Bürger zu pflegen. Ich kann diesen Gesetzentwürfen nicht meine Zu- (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Nein, nicht stimmung geben. alle!)

Vielen herzlichen Dank. Wenn ich in meinem Büro alleine bin - darum geht es ja -, kann ich machen, was ich will. Ich kann die Zi- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) garette sogar fressen, wenn es mir schmeckt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurzin- tervention erhält die Kollegin Titze-Stecher das Wo rt. - Ich muß das einmal spaßig bringen, weil es solche Irrsinnsargumente sind, die vorgebracht werden. In dem Moment, da ich mit einer Mitarbeiterin in einem Raum sitze - aber zeigen Sie mir den Abgeordneten, Uta Titze-Stecher (SPD): Herr Kollege Basten, um mit Ihrem letzten Vorwurf anzufangen: Wenn dieses bei dem das der Fall ist; das ist doch Fiktion -, ist das Gesetz heute keine Mehrheit findet, dann kann ich etwas anderes. mich als Mitinitiatorin zwar damit trösten - wie auch (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Frau Limbach bemerkt hat -, daß zumindest das Be- wußtsein in der Bevölkerung für die Problematik und Ich traue Ihnen zu, Herr Basten, daß Sie in dem Mo- die Gesundheitsschäden zugenommen hat, wenn ment, da Sie Besuch in Ihrem Wahlkreisbüro empfan- auch ohne Konsequenzen. gen und der Besucher Sie bittet, nicht zu rauchen, weil er empfindlich ist, Rücksicht nehmen. Davon Aber was Sie zur Kapitulationserklärung gesagt gehe ich aus. haben, möchte ich anders ergänzen: „Die Nichtver- abschiedung des notwendigen Gesetzes wäre für (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf mich eine Kapitulation vor den Interessen der Tabak- von der SPD: Der raucht weiter!) lobby." - Hinter mir sagt jemand: Der raucht weiter. Das muß (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne er selber verantworten. Jeder ist für die Dummheiten, ten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ die er anstellt, selber zuständig. DIE GRÜNEN und der PDS) Ich komme jetzt zur Verfassungsmäßigkeit. Herr So wörtlich in einer amerikanischen Zeitung zur De- Basten, wir haben vier Jahre lang an diesem Gesetz- batte um das Nichtraucherschutzgesetz in Deutsch- entwurf herumgebastelt, der jetzt wirklich nur noch land. Die ganze Welt begreift gar nicht, daß dieses einen Zahn hat. Sie dürfen rauchen, aber nicht im- Thema zur Standortfrage hochstilisiert wird, obwohl mer, wenn Sie wollen, und nicht überall, wo Sie wol- es um das Thema Gesundheit geht. len. Sie müssen es eben auf gekennzeichnete Räume beschränken. Das ist aber den Preis we rt, nämlich (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des den der besser werdenden Gesundheit bei Passivrau- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der chern und Rauchern. PDS) Glauben Sie denn nicht, daß, nachdem zweifelsfrei Wenn wir schon immer die Ökonomie über die festgestellt wurde, daß der Bundesgesetzgeber die Ökologie stellen, stellen Sie doch hier einmal die Ge- Gesetzgebungskompetenz hat, die Verfassungsmä- sundheit über die Ökonomie, Herr Basten. In diesem ßigkeit vorausgesetzt ist? Fall ist es so - wahrscheinlich wissen Sie das nicht -, Letzter Punkt. daß die volkswirtschaftlichen Kosten der Schädi- gung durch Tabakrauch auf eine Summe zwischen 80 und 90 Milliarden DM beziffert werden. Bei den Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Frau Titze-Ste- Kosten, die die Wirtschaft berechnet hat, und zwar cher, Sie haben nur drei Minuten Redezeit. Sie kön- auf Grund einer komischen Umfrage kurz vor Weih- nen noch einen Satz sagen. nachten in Form von telefonischen Recherchen bei zehn Unternehmen, hochgerechnet auf die ganze Re- publik, übrigens im Auftrag der Tabakindustrie- - Uta Titze-Stecher (SPD): Die von Ihnen erwähnten „Wes Brot ich ess', des Lied ich sing' " -, war klar, Betriebsvereinbarungen sind nach den Zuschriften, was herauskommt. Daß Sie es wagen, eine solche un- die ich von Mitarbeitern bei Siemens und anderen seriöse Grundlage hier als ve ritables Gutachten zu großen Konzernen erhalten habe, deswegen nicht 19762 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Uta Titze-Stecher greifend, weil die Machtspielchen je nach Mehrhei- fach, wie ich in den letzten 20 Jahren keinen anderen ten Sieger oder Verlierer hinterlassen. Wir möchten gesehen habe; er hat sieben einfache Paragraphen. dieses durch das Gesetz entschärfen und befrieden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ ten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der PDS) DIE GRÜNEN und der PDS) Es wird von Kriminalisierung gesprochen. Nichts davon ist wahr. Das Rauchen in Gaststätten wird völ- lig ausgeklammert. Das Rauchen in einem Büro ohne Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es wird keine Publikumsverkehr wird völlig herausgenommen. Pu- Antwort gewünscht. Dann hat der Kollege Burkhard blikumsverkehr herrscht in Büros, die für jedermann Hirsch das Wort. offen sind, also beispielsweise Meldestellen und Poli- zeiwachen. Ihr Büro zählt dazu natürlich nicht. Das Rauchen am Arbeitsplatz ist von jeder Buße (F.D.P.): Frau Präsidentin! Dr. Burkhard Hirsch freigestellt. Es bleibt eine Regelung wie in vielen an- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kol- deren Bereichen übrig: Wenn Sie zum Beispiel im lege Basten, Sie haben laut, voll innerer Überzeu- Straßenverkehr 50 km/h statt 30 km/h fahren, wird gung und ohne jede Rücksicht auf den Text der vor- Ihnen ein Bußgeld in Höhe bis 100 DM und nicht gelegten Anträge gesprochen. mehr auferlegt. Es bleibt schließlich eine Buße für diejenigen übrig, die die Hinweisschilder nicht an- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des bringen, also für die Inhaber des Hausrechts, oder für BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der diejenigen, die einer Durchführungsverordnung, die PDS) die Bundesregierung erlassen wird, zuwiderhandeln. Wir haben kein Raucherverbotsgesetz vorgelegt, Die Buße beträgt 5 000 DM. sondern ein Nichtraucherschutzgesetz. Wir wollen Denken Sie bitte daran, daß in der Gewerbeord- das Rauchen nicht verbieten, sondern wir wollen die- nung bei Kleinigkeiten eine Buße in Höhe von bis zu jenigen schützen, die gegen ihren Willen gezwungen 10 000 DM vorgesehen ist, ohne daß ich jemals gehört werden, Tabakrauch, Nikotin und andere krebserre- habe, daß Sie sich darüber beschwert hätten. gende Stoffe einzuatmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen der SPD und der PDS) und der Gruppe der PDS) Die Kernfrage ist und bleibt: Warum machen wir überhaupt einen Gesetzentwurf? Wir befinden uns mit diesem Gesetzentwurf in völli- ger Übereinstimmung mit den Entschließungen des (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Rates und des Ministerrats der Europäischen Ge- meinschaft, einer Erklärung der Bundesregierung Das will ich Ihnen sagen. Gesetze sind Streitregelun- von 1992, einer Entschließung des Bundesrates von gen; sie erfassen die Fälle, in denen die Menschen 1993 und der Entschließung des Europarates vom die normale Rücksichtnahme auf den anderen nicht Dezember 1997. erbringen. Das sind die Fälle, in denen die Raucher nicht akzeptieren, daß sie nicht nur sich selbst, son- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dern ihre Mitmenschen gegen deren Willen gesund- heitlich schädigen. Wir könnten auf die meisten Ge- Es ist kein unerhörter Verstoß, sondern Gesetze die- setze, auf das Ehegesetz, auf die Straßenverkehrs- ser Art bestehen in über 90 Ländern dieser Erde. ordnung, auf jede strafrechtliche Bestimmung, sogar auf den größten Teil der Zehn Gebote verzichten, Nach der Anhörung ist völlig unstreitig - übrigens wenn die Menschen sich so benähmen, wie sie sich auch bei denjenigen, die die Entschließung bean- benehmen sollten. Aber sie tun es nicht! tragt haben -, daß das Passivrauchen nicht nur lästig (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der und ärgerlich, sondern auch gesundheitsschädlich CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS ist. Nur der Verband der Cigarettenindustrie behaup- SES 90/DIE GRÜNEN) tet unverände rt etwas anderes. Das Passivrauchen ist gesundheitsschädlich, es erhöht die Zahl von Krebs- Nun ist die Frage, ob wir als Gesetzgeber den und Kreislauferkrankungen. Auf dieser Grundlage Nichtraucher damit alleinlassen sollen. Die Recht- haben wir einen Gesetzentwurf beraten, den wir sprechung zum Nichtraucherschutz, verehrter Herr durch einen von Ihnen karikierten Änderungsantrag Anwaltskollege, ist leider nicht einheitlich. Geht ein sogar abschwächen, um die Akzeptanz zu vergrö- Nichtraucher zum Arbeitsgericht, dann ist er der Stö- ßern. Wir haben Folgerungen aus der Anhörung ge- renfried. Er muß nachweisen, wie hoch die Belastung zogen. Bei Ihnen mag es vielleicht ungewöhnlich in seinem Einzelfall ist, wieviel in seinem Großraum- sein, Folgerungen aus den Anhörungen zu ziehen. büro geraucht wird und wer das tut. Er muß darle- gen, daß er mit seiner gesundheitlichen Konstitution Trotzdem haben wir uns mit einer Reihe- von Argu- nicht zurechtkommt und deswegen auf einem rauch- menten auseinanderzusetzen, die offenkundig ge- freien Arbeitsplatz besteht. Er wird im Hinblick auf genstandslos sind. Da wird von einer Überreglemen- das Betriebsklima in die Rolle des Angreifers ge- tierung gesprochen. Der Gesetzentwurf ist so ein- drängt, obwohl er sich doch verteidigt. Sein Chef hat Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19763

Dr. Burkhard Hirsch es einfach. Er sagt, hier wird nicht geraucht, oder er Zum ersten Punkt. Die Gesetzentwürfe sind unnö- steckt sich eine an, und alle anderen müssen es ak- tig, weil wir im deutschen Arbeits- und Zivilrecht be- zeptieren. reits ausreichende gesetzliche Vorschriften sowie die Arbeitsstättenverordnung und das Beamtenrechts- Darum brauchen wir ein Gesetz: Das Gesetz rahmengesetz haben. Darüber hinaus haben wir schützt den Schwachen. Sie lassen denjenigen allein, durch die Mitbestimmungsregeln des Bet riebsverfas- der sich nicht durchsetzen kann; er muß hinnehmen, sungsgesetzes hinreichend Möglichkeiten, im Be- was der andere will. trieb zu Vereinbarungen zwischen Rauchern und (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der Nichtrauchern zu kommen, die sicherstellen, daß CDU/CSU und der SPD) beide zu ihrem Recht kommen. Das gleiche gilt für Behörden. Jeder, der heute einen Behördengang Hinzu kommt - das wissen Sie genau -, daß ein er- macht, weiß doch, daß es längst Bestimmungen gibt, heblicher Teil der Raucher nikotinabhängig ist und die in den Behörden das Rauchen weitestgehend sich gar nicht mehr klarmacht, was das Rauchen für ausschließen. die anderen bedeutet. Jeder von uns weiß das aus zahllosen Sitzungen. In der Anhörung unseres Ausschusses, liebe Kolle- ginnen und Kollegen - ich wende mich an diejenigen Letzte Bemerkung: Die Emotionen, mit denen wir bei der SPD, die den Gesetzentwürfen zustimmen -, zu kämpfen haben, kommen nicht nur aus den wi rt haben ausgerechnet die Gewerkschaftsvertreter mit -schaftlichen Interessen der Tabakindustrie, sondern allem Nachdruck dafür geworben, nicht dieses Ge- auch daraus, daß das Rauchen eine dramatische Ent- setz zu beschließen, sondern die Mitbestimmungsre- wicklung genommen hat. Die erste automatische Zi- geln weiter gelten zu lassen. Ich bitte Sie, das doch garettenherstellungsmaschine ist 1880 aufgestellt ernst zu nehmen. worden. Damals war der durchschnittliche Konsum eines Rauchers 40 Zigaretten pro Jahr. Heute ist der (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) durchschnittliche Konsum eines Rauchers 12 000 Zi- garetten pro Jahr. Allein in Deutschland sind 17 Mil- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege lionen Menschen nikotinabhängig; das ist gering ge- Möllemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des schätzt. Das ist der Grund, warum so viele Emotionen Kollegen Heuer? entstehen: Wir müssen nämlich zur Kenntnis neh- men, daß eine eingefleischte Gewohnheit nicht nur lästig, sondern gesundheitsschädlich ist, und zwar Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Ja. Da dies hier eine nicht nur für einen selbst, sondern auch für andere. Debatte ist, selbstverständlich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS): Werter Kollege Mölle- Wir müssen die Sache wieder vom Kopf auf die mann, Sie sagen, dieser Gesetzentwurf sei unnötig. Füße stellen. Es ist nicht normal, daß sich der Rau- Wie erklären Sie dann die ungeheuren Anstrengun- cher einfach eine ansteckt und die anderen es dulden gen der Zigarettenindustrie, ihn zu verhindern? müssen. Normal ist es genau umgekehrt: Derjenige, (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) der die Gesundheit seiner Mitmenschen berührt, muß sich den Nichtrauchern anpassen. Daran müs- sen wir uns gewöhnen, auch Sie, verehrter Herr Kol- Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Ich beabsichtige ei- lege. Deswegen bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf zu- gentlich nicht, die Anstrengungen irgendeiner Indu- zustimmen. strie zu erklären. Ich vertrete hier vielmehr meine Meinung. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und SES 90/DIE GRÜNEN) der CDU/CSU - Lachen bei der SPD und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat Ich denke, daß das jeder für sich reklamie rt. Mit der jetzt der Kollege Jürgen W. Möllemann. billigen Methode, über die ich auch nach 25 jähriger Zugehörigkeit zu diesem Haus noch staunen kann, Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Frau Präsidentin! daß man bei Bedarf Amerika heranzieht oder es ver- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Nichtrau- teufelt, daß man bei Bedarf die Gewerkschaft, die cher, habe drei Kinder, bin Mitglied des Gesund- Wirtschaft oder etwas anderes heranzieht oder sie lä- heitsausschusses und will versuchen, zu begründen, cherlich macht, warum ich trotzdem gegen die vorgelegten Gesetz- (Widerspruch bei der SPD und der PDS) entwürfe bin. Ich halte die Gesetzentwürfe erstens für unnötig, zweitens für unverhältnismäßig und drit- können Sie bei mir nichts erreichen. Ich fand die Ar- tens für nicht kontrollierbar. gumente der Gewerkschaftsvertreter eindrucksvoll und finde, Sie sollten sie sich zu Herzen nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Peter (Beifall des Abg. Jörg van Essen [F.D.P.]) - Struck [SPD]) Zweiter Punkt. Ein rigoroses Rauchverbot, wie es Darüber hinaus verursachen sie unnötige, teilweise in den Gesetzentwürfen vorgesehen ist, halte ich für unvertretbare Kosten. unverhältnismäßig. Nach meinem Lebensgefühl ha- 19764 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Jürgen W. Möllemann ben wir schon genug Regelungen und Vorschriften Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege in diesem Lande. Möllemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sauer? (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Peter Struck [SPD]) Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Ja, besonders gerne. Es wird immer stärker in den p rivaten Lebensbe- (Heiterkeit) reich hineinreglementiert. Ich will das einfach nicht. Ich bin für eine nachhaltige und deutliche Aufklä- rung über die Gesundheitsgefahren des Rauchens Roland Sauer (Stuttgart) (CDU/CSU): Lieber Herr aus der Überzeugung heraus, daß wir auf Prävention Kollege Möllemann, haben Sie schon einmal etwas ausgerichtet sein müssen. von Bewußtseinsbildung und von Sensibilisierung gehört, Aber es kann dabei nicht darum gehen, dem ein- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der zelnen seine persönliche Lebensgestaltung immer F.D.P.) stärker vorzuschreiben. Man kann es mit Händen greifen: Es geht immer ein Schrittchen weiter. Heute die man durch ein Nichtraucherschutzgesetz auch tun Sie das beim Rauchen; morgen werden Sie das bei Eltern und Familien erzeugen kann, indem durch beim Alkohol und bei anderen Dingen tun. dieses Gesetz klargemacht wird, daß Passivrauchen gesundheitsschädigend ist? Hilft dies nicht auch den (Widerspruch bei der SPD) Kindern und den Eltern, verantwortungsvoll mit die- sem Thema umzugehen? Der mündige Mensch sollte im eigenen Verantwor- tungsbereich hinreichend Spielräume bekommen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, und sollte nicht von bestimmten Moralaposteln bis in der F.D.P. und der SPD) den letzten Bereich hinein Vorschriften gemacht be- kommen. Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Herr Kollege Sauer, ich habe schon einmal etwas davon gehört, daß man (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sich von hinten durch das Knie in das Auge schießen sowie des Abg. Dr. Peter Struck [SPD]) kann. Wer will, daß die Eltern zu Hause nicht rau- Nun will ich auf einen dritten Punkt zu sprechen chen, wer ständig das Argument heranzieht, es gelte, kommen, der mich wirklich fuchst. Herr Kollege die Kinder zu schützen, und wer gleichzeitig einen Braun, jetzt meine ich Sie und die anderen, die diese Gesetzentwurf einbringt, der genau diese Frage Meinung vertreten. Im Gesundheitsausschuß haben komplett ausklammert, soll mir nicht mit der Hilfs- 80 Prozent der Herren Professoren, deren Kenntnisse krücke kommen, er wolle den Eltern auf diese Weise ich wirklich bewunde rt habe, immer nur von den irgendwie das richtige Bewußtsein vermitteln. Sie, Kindern gesprochen. Herr Kollege, sind mir der richtige Bewußtseinsver- mittler! Nein, das bringt nichts. (Beifall der Abg. Editha Limbach [CDU/ (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) CSU]) Ich will einen letzten Punkt ansprechen. Wer soll Dann habe ich gefragt: Können Sie mir einmal sagen, eigentlich die Einhaltung eines solchen Gesetzes an welcher Stelle dieser Gesetzentwurf irgend etwas überwachen? Ich sehe schon: Wie es bei allen Geset- für Kinder bewirkt? zen ist, wird es auch hier sein. Wir wissen, daß der Großteil der Menschen gegen die permanente Regle- (Franz Peter Basten [CDU/CSU]: Heuchelei! mentierung ist. Sie sagen auf Ihren Parteiveranstal- So ist es!) tungen wie wir auf den unsrigen: Es muß Schluß sein mit Bürokratisierung und Reglementierung, mit dem Verstehen Sie: Das ist die Sauerei. Man spricht die Hineinregieren des Staates. Aber jeden Monat ma- ganze Zeit von den Kindern und weiß genau, daß sie chen wir hier ein neues Gesetz! Deswegen nehmen im wesentlichen zu Hause geschädigt werden. Man die Leute das allmählich nicht mehr ernst. traut sich aber nicht, per Gesetz festzulegen, daß zu Hause nicht mehr geraucht werden darf. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Peter Struck [SPD]) Ein solches Gesetz ist nicht notwendig; die be- stehenden Regelungen sind hinreichend. Es ist un- Sie sprechen von Arbeitsstätten und von Behörden. verhältnismäßig, verursacht Kosten, reglementiert in Wo bleiben denn da die Kinder? Wenn Sie keine bes- einer Weise, die meinem Lebensgefühl nicht ent- seren Argumente haben als den Kinderschutz, dann spricht. Ich bitte Sie daher, die Gesetzentwürfe abzu- fordern Sie doch konsequenterweise: Wir wollen die lehnen. Kinder durch Rauchverbote, die auch zu Hause gel- Vielen Dank. ten, schützen. Das trauen Sie sich nicht, weil Sie wis- sen, Sie würden von den Wählern davongefegt, (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und wenn Sie auch das noch fordern würden. Das ist an der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Peter dieser Stelle eine verlogene Debatte. Struck [SPD]) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19765

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat Regelung haben, aber wir nicht, dann kann es nicht jetzt die Abgeordnete Ingrid Matthäus-Maier. typisch deutsch sein. Einwand Nummer drei: Man brauche kein Gesetz; Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Sehr geehrte Frau das regele sich schon einvernehmlich zwischen Rau- Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollen chern und Nichtrauchern. - Das ist eindeutig falsch. mit dem Nichtraucherschutzgesetz den Nichtraucher Die vielen Klagen, die die Menschen anstrengen, um vor dem unfreiwilligen Passivrauchen schützen. sich am Arbeitsplatz rauchfrei zu halten, zeigen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) doch, daß die Regelung bisher nicht einvernehmlich geklappt hat. Unser Ziel ist nicht die Missionierung der Raucher. (Beifall des Abg. Dr. Burkhard Hirsch (Zuruf von der F.D.P.: Doch!) [F.D.P.]) Sie sollen überall rauchen können, wo sie Nichtrau- Müssen wir denn die vielen Nichtraucher zwingen, cher nicht beeinträchtigen. Aber Passivrauchen daß sie alle als Individuen den mühevollen Weg zum schadet der Gesundheit und ist eine Belästigung, Gericht wählen, nur damit sie endlich geschützt wer- insbesondere dann, wenn es, wie oft am Arbeitsplatz, den, meine Damen und Herren? über mehrere Stunden hinweg geschieht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Jochen CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ Feilcke [CDU/CSU]: Sehr richtig!) NEN und der PDS sowie des Abg. Dr. Burk Es gibt viele rücksichtsvolle Raucher, meine Da- hard Hirsch [F.D.P.]) men und Herren, aber es gibt eben auch rücksichts- lose Raucher, die stur weiterrauchen, wenn man sie Übrigens: Wer ernsthaft meint, die Dinge seien bittet aufzuhören, und die sogar denjenigen, der bit- schon in Ordnung und alles sei geregelt, der braucht tet, man möge aufhören, in die Ecke des Quenglers, vor diesem Gesetz keine Angst zu haben; denn dann Nörglers und Störenfriedes abschieben. würde sich ja nichts ändern. Sie sehen an diesem Ar- gument, wie lächerlich der Einwand ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der F.D.P., des BÜNDNISSES 90/ (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Na, na!) DIE GRÜNEN und der PDS) Einwand Nummer vier: Das Gesetz koste furchtbar Dies wollen wir mit einem Gesetz, mit einem Rauch- viel Geld, ein Gutachten hat ergeben: 33 Milliarden verbot in öffentlichen Gebäuden, in öffentlichen Ver- DM. Meine Damen und Herren, Lobbyarbeit in Bonn kehrsmitteln und am Arbeitsplatz, ändern. ist wichtig und legitim, aber sie muß intelligent sein. Nun gibt es Gegenargumente; ich will einige da- (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dr. von aufgreifen. Einwand Nummer eins: Es gebe Uwe Küster [SPD]: Und seriös!) wichtigere Probleme in Deutschland. 33 Milliarden DM! Dümmlichere Zahlen gibt es gar (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nicht. Das ist eine eindeutige Auftragsarbeit der Zi- Das ist zweifellos richtig. Die Bekämpfung der Ar- garettenindustrie. beitslosigkeit ist unser wichtigstes politisches Anlie- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der gen. Das darf uns aber doch nicht daran hindern, CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ endlich den Nichtraucher stärker zu schützen. Das NEN und der PDS) sind immerhin mehrere Millionen Menschen. Wenn Nichtraucherschutz zu solchen Horrorkosten (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der führte, dann müßten die USA, wo die Gesetze viel CDU/CSU, der F.D.P. und des BÜNDNIS schärfer sind, doch längst pleite sein. SES 90/DIE GRÜNEN) Einwand Nummer zwei: Wir hätten schon genug Ich habe es satt, meine Damen und Herren: Die Gesetze in Deutschland. Ganz sicher haben wir sogar Wirtschaft forde rt uns jeden Tag auf, machen Sie es zu viele davon. Schlanker Staat heißt, daß wir alle doch wie in den USA, da ist alles viel besser! - Und uns bemühen müssen, die Zahl der Gesetze zurück- nun machen wir etwas wie in den USA, nur sehr viel zuführen. Aber die Notwendigkeit, den Paragra- maßvoller, jetzt geht angeblich der Standort kaputt. phendschungel in diesem Lande zu lichten, kann So ein Unsinn! doch nicht bedeuten, daß wir eine Regelung, die zum (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der Schutze der Nichtraucher dringend notwendig ist, CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ nicht verabschieden, eine Regelung, die 90 Länder NEN und der PDS sowie des Abg. Dr. Burk der Welt bereits haben. hard Hirsch [F.D.P.]) (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der Einwand Nummer fünf - letzter Einwand -: Sie CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ können dieses Gesetz auch mit abstrusen Beispielen NEN und der PDS sowie des Abg. Dr. Burk und mit Beispielen aus den Grenzbereichen nicht lä- hard Hirsch [F.D.P.]) - cherlich machen. Der Kollege Uldall hat gestern im Manchmal wird gesagt: Typisch deutsch! Dazu will Fernsehen ernsthaft behauptet: Wenn jemand mor- ich nur anmerken: Wenn 90 Länder der Welt diese gens um 6 Uhr an der Bushaltestelle raucht, dann 19766 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Ingrid Matthäus-Maier muß er 5000 DM Strafe bezahlen. - Das ist absoluter schen mit immer weiteren gesetzlichen Regelungen Unsinn. zu knebeln und zu knechten. (Franz Peter Basten [CDU/CSU]: Nur (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU 100 Mark!) und der F.D.P.)

Denn erstens darf er do rt rauchen, und zweitens muß Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ebenfalls zu ei- er deshalb auch kein Bußgeld bezahlen. ner Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Mölle- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der mann das Wort. Sie dürfen dann auf beide zusammen CDU/CSU) antworten, Frau Matthäus-Maier. - Bitte.

Auch unser Gesetzentwurf ist zweifellos unvoll- Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Frau Kollegin Mat- kommen; denn wir können mit diesem Gesetzent- thäus-Maier, Sie haben soeben einen Kollegen, der wurf zum Beispiel die Babys und Kinder, die zu die gleiche Auffassung hat wie ich, den Bundesge- Hause von ihren Eltern vollgequalmt werden, nicht sundheitsminister, noch bevor dieser seine Meinung schützen. Aber ich bin der festen Überzeugung: begründet hat - aber schon einmal vorsichtshalber -, Wenn wir mit diesem Gesetzentwurf ein Signal in wegen seiner Auffassung zum Oberlobbyisten eines Richtung Nichtraucherschutzgesetz setzen, dann ist Wirtschaftszweiges gemacht. das auch ein Signal an diese Eltern und ein Appell, nicht zu rauchen, wenn Kinder anwesend sind, weil (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist das für Kinder gesundheitsschädlich ist. eine Sauerei!) Darf ich Sie fragen, ob Sie damit auch alle Ihre Kolle- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der gen in Ihrer Fraktion, die die gleiche Auffassung ver- CDU/CSU und der PDS) treten wie wir, zu Oberlobbyisten machen? Oder Meine Damen und Herren, nach mir spricht Ge- handeln die aus einem besseren Bewußtsein heraus, sundheitsminister Seehofer. Ich kann ja verstehen, weil sie Sozialdemokraten sind? daß der eine oder andere aus dem Bereich der Wi rt Ich verbitte mir es - auch im Namen Ihrer Kollegen, -schaft hier eine andere Meinung hat. Aber ausge- die unsere Meinung teilen -, daß Sie hier das Gute rechnet der Gesundheitsminister, dem wir jährlich - vertreten, während die, die eine andere Meinung ha- zu Recht! - lobenswerterweise 10 Millionen DM zur ben, von Ihnen als Lobbyisten diskreditiert werden. Bekämpfung der Krebsgefahren zur Verfügung stel- Ich finde das nicht in Ordnung. len, wird gleich gegen das Gesetz reden! Ich bin sehr erstaunt, daß Sie hier zum Oberlobbyisten der Ziga- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der rettenindustrie geworden sind. CDU/CSU und der SPD - Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist die neue Vor (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der stellung von Toleranz und Meinungsfrei CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ heit!) NEN, der F.D.P. und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Frau Matthäus Maier, bitte. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurzin- tervention erteile ich der Kollegin Steinbach das Wort. Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Herr Kollege Mölle- mann, erstens ist es richtig, daß Herr Seehofer erst später spricht. Aber er hat ja seine Meinung zum Ge- Erika Steinbach (CDU/CSU): Frau Kollegin Mat- setzentwurf schon kundgetan. thäus-Maier, eigentlich müßte ich Ihnen ja sehr Zweitens. Wenn Sie mir genau zugehört haben, dankbar sein; denn ich gehöre zur Gruppe der ar- werden Sie gemerkt haben, daß ich ausdrücklich ge- men, unterdrückten Nichtraucher. Trotzdem müßte sagt habe: Wenn jemand aus einem anderen Arbeits- ich Ihnen eines sagen: Wir brauchen mehr Rücksicht bereich - zum Beispiel aus der Wirtschaft - anders auf freiwilliger Basis. Gerade diejenigen, die jahr- abstimmt, könnte ich das hinnehmen. zehntelang die hemmungslose Selbstverwirklichung der Menschen gepredigt haben, wollen heute alles (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Unverschämt per Gesetz regeln. heit!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Aber daß der Bundesgesundheitsminister, dem wir und der F.D.P.) Geld zur Verfügung stellen, um den Krebs zu be- kämpfen, dieses Gesetz ablehnt, halte ich für un- Wir benötigen die Einsicht, daß man schon von Kin- glaubwürdig und für widersprüchlich. desbeinen an pfleglich miteinander umgehen muß. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Vor diesem Hintergrund kann ich es für mich als PDS) Nichtraucher nicht als eine wirkliche Erleichterung empfinden, daß ich heute zwangsbeglückt- werden Wenn sich schließlich ein Vertreter der Zigaretten- soll mit einem zusätzlichen Gesetz, das letzten Endes industrie in vielen Zeitungsartikeln rühmt, daß er fast bei den Bürgern dieses Landes den Eindruck verstär- alle Abgeordneten „abgeklappert" habe und daß es ken wird, daß wir als Politiker alles tun, um die Men ihm gelungen sei, eine Mehrheit dagegen zustande Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19767

Ingrid Matthäus-Maier zu bringen - das werden wir gleich sehen -, dann parteiübergeifenden Konsens, wenn es um die Frage kann ich nur sagen: Hier ist massiv Lobbyismus be- geht, wie wir Menschen schützen, wenn es auf das trieben worden, und davon halte ich nichts, meine persönliche Verhalten von Mitmenschen ankommt, Damen und Herren. um Dritte vor Ansteckungen, vor Gesundheitsgefah- ren zu schützen. In allen Bereichen, zum Beispiel bei (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Suchtgefahren, bei gefährlichen Infektionskrankhei- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ten, gab es in diesem Hause immer Konsens darüber, und der PDS) daß wir uns primär auf Information, Aufklärung und Jetzt zu der Frau Kollegin: Frau Kollegin, Sie ha- Eigenverantwortung stützen, weil uns immer ge- ben noch einmal wiederholt - es wäre ja schön, wenn meinsam die Überzeugung getragen hat, daß man es so wäre -, daß man eigentlich auf die Einsicht der Verantwortungslosigkeit, Sprachlosigkeit, Egoismus Menschen vertrauen könne, daß sie nicht etwas tun und Anonymität nicht mit mehr Gesetzen und Para- würden, was die Gesundheit der anderen schädige. graphen überwinden kann, sondern nur mit mehr Ei- Da halte ich Ihnen aber folgendes entgegen: Es ist of- genverantwortung. fensichtlich, daß Autofahrer, wenn sie durch die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Städte rasen, die Gesundheit anderer gefährden. Es ist offensichtlich, daß Autofahrer, wenn sie betrunken Meine Damen und Herren, wir können Erfolge vor- Auto fahren, andere Verkehrsteilnehmer gefährden. weisen, auch was das Rauchen betrifft. Heute sind Trotzdem gibt es rasende Autofahrer und betrunkene wesentlich weniger Jugendliche in Deutschland Rau- Autofahrer. Man braucht offensichtlich Gesetze, um cher als vor 20 Jahren. Heute werden von den Men- die Vernunft zu unterstützen, und das wollen wir mit schen am Arbeitsplatz, in den Flugzeugen der Luft- diesem Gesetz. hansa, in der VIP-Lounge und in öffentlichen Gebäu- den wesentlich mehr freiwillige Absprachen getrof- (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei fen, und es wird mehr Rücksicht genommen als je- Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE mals zuvor. GRÜNEN) (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Gehen Sie mal in die Ausschüsse!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt Herr Bundesminister Seehofer. Wir sollten diesen Weg der Eigenverantwortung und der freiwilligen Rücksichtnahme weitergehen. Von der HIV-Infektion bis zu den Drogen: Wir haben sehr Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: positive Entwicklungen auf Grund der Rücksicht- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und nahme und des Vorrangs der Eigenverantwortung Herren! Niemand bezweifelt ernsthaft, daß Rauchen vor einem staatlichen Verbot zu verzeichnen. der Gesundheit schadet. Das ist unbestritten, und wir sind uns auch alle darüber einig, daß wir, wo immer (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU möglich, Anstrengungen brauchen, um die Gesund- und der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Peter heitsgefahren durch Rauchen zu verringern. Ohne Struck [SPD]) Zweifel gilt das auch für den Schutz der Nichtraucher Wir in Deutschland haben keinen Mangel an ge- vor dem Passivrauchen. Wir streiten also nicht um setzlichen Regelungen. Mit immer mehr Gesetzen das Ziel, sondern allein um den Weg, wie Nichtrau- wird in immer mehr Lebensbereiche eingegriffen. cher wirkungsvoller vor dem blauen Dunst geschützt Wir müssen mit dem Irrglauben Schluß machen, daß werden können. der Staat in bezug auf Prävention und Gesundheits- Frau Matthäus-Maier, wenn wir uns darüber einig vorsorge der beste Problemlöser ist. Mehr Staat heißt sind, daß Rauchen gesundheitsschädlich ist, daß es mehr Bürokratie; mehr Bürokratie führt zu mehr Be- auch um den Schutz von Passivrauchern vor Rau- vormundung, und mehr Bevormundung durch den chern geht und daß wir nur über den richtigen Weg Staat führt zu immer weniger Eigeninitiative und Ei- streiten, ist es einfach grob unfair, dem Gesundheits- genverantwortung. minister zu unterstellen, ihm liege weniger am Ge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sundheitsschutz der Bevölkerung als Ihnen. und der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Peter (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Struck [SPD]) ordneten der F.D.P.) Eines meiner Hauptbedenken gegen dieses Gesetz lautet: Ein Übermaß an bürokratischen Vorgaben Ich habe beispielsweise in der Europäischen Union gegen das Werbeverbot für Tabak gestimmt, weil ich würde genau das lähmen, was wir in unserer Gesell- es für grob unlogisch gehalten habe, daß wir einer- schaft in vermehrtem Umfang brauchen, seits ein in sich völlig unschlüssiges Werbeverbot (Uta Titze-Stecher [SPD]: Wo denn?) verabschieden und andererseits den Tabakanbau in der Europäischen Union subventionieren und för- nämlich die Bereitschaft zur Übernahme von Verant- dern, meine Damen und Herren. wortung durch den einzelnen. Wir brauchen Freiheit und Verantwortung. Was wir nicht brauchen, ist Frei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU heit von Verantwortung. und der F.D.P.) - (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Wir haben seit vielen Jahrzehnten in der Gesund- ordneten der F.D.P. und des Abg. Dr. Peter heitsvorsorge und in der Prävention einen großen, Struck [SPD]) 19768 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Bundesminister Horst Seehofer Ich stimme ausdrücklich dem Deutschen Gewerk- erreichen, was wir wollen. Wir werden eine Menge schaftsbund zu, der nach sorgfältigen und, wie ich Ärger bekommen; an kleinen Beispielen haben wir weiß, auch sehr kontroversen internen Diskussionen es heute gemerkt. Es geht etwa um die Frage: Was ist öffentlich erklärt hat, daß er von gesetzlichen Maß- ein öffentlicher Raum? Es wird rechtliche Auseinan- nahmen wenig hält, weil er das Subsidiaritätsprinzip dersetzungen und vieles andere mehr geben. In der in den Vordergrund stellt, das ja besagt: Man soll ei- Praxis werden wir nur sehr wenig oder gar nichts im ner größeren Einheit, dem Staat, nichts übertragen, Hinblick auf Bewußtseinsbildung und Verhaltensän- was eine kleinere Einheit, die Fami lie oder die Be- derung der Menschen erreichen können. Deshalb schäftigten am Arbeitsplatz, genauso gut erledigen bleibe ich bei dem Konsens, den wir in Deutschland kann. seit 50 Jahren in der Gesundheitsvorsorge und der Prävention haben - das gilt parteiübergreifend im- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge mer dann, wenn es bei der Prävention auf das Ver- ordneten der F.D.P. und des Abg. Dr. Peter halten der einzelnen Menschen ankommt -: nämlich Struck [SPD]) auf die Eigenverantwortung, die Information und die Deshalb sagt die Arbeitnehmervertretung in bezug Aufklärung zu setzen. auf den Bereich, in dem wir uns während unseres Le- bens die längste Zeit aufhalten: Das soll nicht der Ich schließe mit einem sehr weisen Spruch von Eu- Staat auf zentralistische Weise regeln; das sollen die gen Roth, der so wunderschön geschrieben hat: Betriebs- und Personalräte mit ihren Kolleginnen Ein Mensch ist manchmal wie verwandelt, und Kollegen vor Ort regeln. Das funktioniert näm- sobald man menschlich ihn behandelt. lich in der Praxis besser, als wenn der Staat mit Gebo- ten und darüber hinaus mit Kontrollen und Bußgel Meine Damen und Herren, behandeln wir unsere dern arbeitet. Mitmenschen rücksichtsvoll und menschlich. Das be- Das Problem der Kinder ist hier immer wieder in wirkt viel mehr als Gesetze und Paragraphen. die Debatte eingeführt worden. Das Hauptproblem (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. dieses Gesetzentwurfs liegt darin: Do rt, wo sich Kin- sowie des Abg. Dr. Peter Struck [SPD]) der aufhalten, greift das Gesetz überhaupt nicht. Ich habe in einer Senator-Lounge der Lufthansa, in ei- nem Finanzamt oder in einem Rathaus noch nie er- lebt, daß dort regelmäßig eine übergroße Anzahl von Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang Freiherr von Stetten. Kindern oder Kleinkindern ist, so wie zu Hause, etwa Ich bitte darum, auch dem letzten Redner in Ruhe zu- im Wohnzimmer, oder in Pkws, wo aber der Gesetz- zuhören. entwurf nicht greift. Dieses Problem macht deutlich, daß wir mit Paragraphen vielleicht nur unser Gewis- sen beruhigen wollen, Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle- ordneten der F.D.P. und des Abg. Dr. Peter gen! Das Nichtraucherschutzgesetz hat doch be- Struck [SPD]) trächtliche Emotionen freigelegt, wie wir hier in der letzten halben Stunde gehört haben. Mancher Bürger daß wir aber in bezug auf das Verhalten der Men- im Land fragt sich sicher, ob angesichts vieler Pro- schen nichts erreichen, wenn es uns nicht gelingt, bleme, die wir auf dem Tisch haben, der Aufwand wieder mehr Rücksichtnahme und mehr Eigenver- von drei namentlichen Abstimmungen diesem antwortung in unserer Gesellschaft zu fördern. Frau Thema angemessen ist. Titze-Stecher, was hilft denn der schönste Paragraph, wenn sich ein Vater in seiner Eigenschaft als Be- (Uta Titze-Stecher [SPD]: Wir haben keine triebsrat dieses Paragraphen brüstet, zu Hause Kette beantragt!) raucht und die Wohnung, in der seine Kleinkinder sind, verpestet und auch im Auto keine Rücksicht - Ich habe auch keine namentliche Abstimmung be- nimmt? antragt.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Völlig rich Viele sind der Meinung, daß wir gar nichts machen -tig!) sollten, so auch unser Kanzler, dem ich sonst gern blind folge. Aber hier bin ich der Meinung, daß wir Was wir in unserer Gesellschaft brauchen, ist, daß etwas tun müssen, so daß es einen Ruck gibt, damit wir wieder mehr miteinander reden, daß wir mehr Nichtraucher mit Rauchern - und umgekehrt - besser Rücksicht aufeinander nehmen, daß wir also mehr auskommen. miteinander sprechen und weniger mit Hilfe der Rechtsschutzversicherung gegeneinander prozessie- Am liebsten hätte ich einen Gesetzentwurf mit der ren. Das ist die Herausforderung unserer Zeit! Überschrift vorgelegt: „Raucherschutzgesetz", mit (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU drei Paragraphen 1. Das Rauchen ist erlaubt, wo es und der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Peter nicht verboten ist. 2. Wo das Rauchen erlaubt ist, Struck [SPD]) - müssen Nichtraucherzonen ausgewiesen werden. 3. Wo das Rauchen verboten ist, müssen Raucherzo- Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß wir mit Ge- nen ausgewiesen werden. Das Gesetz tritt in Kraft ... setzen und Paragraphen eher das Gegenteil von dem Damit wäre alles, wenn wir vernünftig wären, gere- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19769

Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten gelt. Aber wenn wir vernünftig wären, bräuchten wir Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Vielen Dank, Frau in der Tat kein Gesetz. Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fühle mich durch eine Bemerkung der Kollegin Mat- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU thäus-Maier betroffen und möchte mich hier dage- und der F.D.P.) gen wehren. Die vorgelegten Nichtraucherschutzgesetze ein- Frau Kollegin Matthäus-Maier hat gesagt, daß die- schließlich der Änderungsanträge leiden daran, daß jenigen, deren Arbeitsgebiet die Gesundheitspolitik Raucher in die kriminelle Ecke gestellt werden, ist - das gilt für den Minister, das gilt für die Abge- wenn sie sich an das eine oder andere Rauchverbot ordneten des Gesundheitsausschusses -, in besonde- nicht halten. Ich halte es für unangemessen, einen rer Weise verpflichtet seien, dem Anliegen der Ge- Raucher mit einem Bußgeld von 100 DM oder Ver- setzentwürfe zu entsprechen. Wenn sie das nicht tä- antwortliche für die Einhaltung des Rauchverbots mit ten, seien sie Lobbyisten der Zigarettenindustrie. einem Bußgeld bis zu 5000 DM zu belegen. Das ist nicht in Ordnung. Ich möchte niemandem das Rau- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) chen verbieten. Ich war selber starker Raucher und weiß, wie schwierig das Nichtrauchen ist. Es soll Ich weise das zurück und sage Ihnen, liebe Frau auch niemand auf die Straße geschickt werden, weil Kollegin Matthäus-Maier: Wir alle hier, unabhängig für die Raucher Raucherzonen auszuweisen sind. Es davon, in welchem Ausschuß wir sind, sind auf die genügt der Hinweis auf raucherfreie Zonen oder gleichen Aufgaben verpflichtet. Der Vorwurf, daß Raucherzonen, ob in größeren Räumen oder auf dem diejenigen, die dem Entwurf nicht zustimmen, Lob- Flur, wenn ein Bedarf besteht. byisten seien, würde dann in gleicher Weise auf die- jenigen Ihrer Kolleginnen und Kollegen von der SPD Ich habe aus dem Gesetz bewußt Verkehrsanlagen zurückfallen, die die Gesetzentwürfe ebenfalls nicht herausgenommen, weil es nämlich nicht klar ist, ob akzeptieren wollen. man dann auf Bahnsteigen, Straßenbahn- und Omni- busbahnhöfen noch rauchen darf. Es wäre sicher ein Ich bitte Sie herzlich, diese Diskriminierung blei- schlechter Witz, wenn man im Freien nicht rauchen benzulassen. dürfte. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und In der Diskussion kam - auch heute - immer wie- der CDU/CSU) der die Frage der hohen Belastung der Wirtschaft zur Sprache. Das Gutachten ist sicher nicht seriös, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich denke, wir aber Kosten fallen natürlich an. Damit Kleinbetriebe sind uns einig, daß alle Kollegen und Kolleginnen mit zehn und weniger Arbeitnehmern vom Gesetz hier nach ihren Überzeugungen und ihrem Gewissen ausgenommen werden, habe ich gesagt: Für sie gilt abstimmen können. das Nichtraucherschutzgesetz nicht. Damit sind 80 Prozent der Arbeitnehmerstätten ausgenommen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Ich weiß, daß die meisten in diesen kleinen Bet rieben miteinander gut auskommen. Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Folgende Kollegen und Kolleginnen haben nach § 31 der Ge- Mein Änderungsantrag, für den ich um Zustim- schäftsordnung schriftliche Erklärungen zur Ab- mung werbe, ist sicher nicht der große juristische stimmung abgegeben: Renate Blank*), Wolfgang oder politische Wurf. Das Gesetz ist sicher auch kein Dehnel, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Klaus Bühler „Tiger". Aber ich glaube, es wäre ein guter Beitrag (Bruchsal), Erika Steinbach, Dr. Heinrich L. Kolb, für ein Miteinander von Rauchern und Nichtrau- Hartmut Büttner (Schönebeck), Rosel Neuhäuser, Pe- chern, ohne gleich - wie die anderen Gesetze es tun ter Götz und Alois Graf von Waldburg-Zeil. Sind Sie - mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Versuchen einverstanden, daß wir diese Erklärungen zu Proto- wir es mit dem milderen Mittel. Ich bitte um Ihre Zu- koll nehmen? **) - Das ist der Fall. stimmung. Der Ausschuß für Gesundheit hat zu den Gesetz- Danke schön. entwürfen keine Beschlußempfehlung abgegeben, sondern auf Drucksache 13/9740 empfohlen,***) ei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU nen Beschluß im Plenum herbeizuführen, was wir und der F.D.P.) jetzt machen müssen. Ich stelle Ihnen die Abstim- mungsreihenfolge vor. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich schließe da- Zunächst werden wir über den Gesetzentwurf der mit die Aussprache. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen. Danach folgt die Abstimmung über die vier Änderungsan- Das Wort zu einer Erklärung zur Aussprache nach träge zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten § 30 unserer Geschäftsordnung erhält nun der Kol- Roland Sauer (Stuttga rt), Uta Titze-Stecher, lege Möllemann. Dr. Burkhard Hirsch und anderer, und zwar in fol- (Zurufe von der SPD) gender Reihenfolge: - Das ist ein geschäftsordnungsmäßiges Recht: Erklä- *) Anlage 5 **) Anlage 6 rung zur Aussprache, die eigene Person betreffend. ***) Anlage 4 (Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Ich bitte darum, das in Ruhe anzuhören. Gesundheit, Dr. Dieter Thomae) 19770 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Erstens. Änderungsantrag der Abgeordneten Ge- PDS und gegen einige Stimmen aus der SPD bei etli- rald Häfner und der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- chen Enthaltungen insgesamt abgelehnt worden. nen. Das ist Drucksache 13/9749. Jetzt kommen wir zur ersten namentlichen Abstim- Zweitens. Änderungsantrag der Abgeordneten mung: Abstimmung über den Änderungsantrag der Rita Grießhaber und der Fraktion Bündnis 90/Die Abgeordneten Sauer, Titze-Stecher und Dr. Hirsch Grünen. Das ist Drucksache 13/9748. Über diese bei- auf Drucksache 13/9703. Es ist namentliche Abstim- den Änderungsanträge wird nicht namentlich abge- mung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und stimmt. Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist, soweit ich sehen Drittens. Über den Änderungsantrag der Abgeord- kann der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. neten Roland Sauer (Stuttgart), Uta Titze-Stecher, Dr. Burkhard Hirsch auf Drucksache 13/9703 wird Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das namentlich abgestimmt. Danach müssen wir die Sit- seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das scheint zung unterbrechen. nicht der Fall zu sein. Viertens. Änderungsantrag des Abgeordneten Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schrift- Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten. Das ist Drucksa- führer und Schriftführerinnen, mit der Auszählung che 13/9711 (neu). Auch die Abstimmung über die- zu beginnen. sen Änderungsantrag wird eine namentliche sein. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich Dann werden wir die Sitzung noch einmal unterbre- die Sitzung. chen. (Unterbrechung von 18.25 bis 18.32 Uhr) Danach wird die namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf in zweiter Beratung stattfinden. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Die unterbro- Sind Sie mit diesem Vorgehen einverstanden? - chene Sitzung ist wieder eröffnet. Dann machen wir das so. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Wir stimmen zunächst über den Gesetzentwurf der Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Schutz der Abstimmung über den Änderungsantrag der Abge- Nichtraucher in der Öffentlichkeit ab. Das ist Druck- ordneten Roland Sauer, Uta Titze-Stecher und sache 13/6166. Ich bitte die, die dem Gesetzentwurf Dr. Burkhard Hirsch zum Entwurf eines Gesetzes zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegen- zum Schutze der Nichtraucher bekannt, Drucksache probe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in 13/9703. Abgegebene Stimmen: 630; mit Ja haben zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitions- gestimmt: 264; mit Nein haben gestimmt: 330; es gab fraktionen und der SPD gegen die Stimmen von 36 Enthaltungen. Der Änderungsantrag ist damit ab- Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei zwei Enthaltun- gelehnt. gen der PDS abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die Endgültiges Ergebnis Helmut Jawurek weitere Beratung. Dr. Egon Jüttner Abgegebene Stimmen: 629; Irmgard Karwatzki Damit kommen wir zum Gesetzentwurf der Abge- davon Peter Keller ordneten Roland Sauer (Stuttga rt), Uta Titze-Stecher, ja: 264 Dr. Bernd Klaußner Dr. Burkhard Hirsch und weiterer Abgeordneter zum Manfred Kolbe nein: 329 Norbert Königshofen Schutz der Nichtraucher. Das ist Drucksache 13/ enthalten: 36 Dr. Hermann Kues 6100. Es liegen, wie gesagt, vier Änderungsanträge vor. Ja Werner Lensing Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Eduard Lintner Änderungsantrag der Abgeordneten Gerald Häfner Dr. Manfred Lischewski und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das ist CDU/CSU Sigrun Löwisch Drucksache 13/9749. Wer stimmt für diesen Ände- Dr. Michael Luther rungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die- Günter Marten ser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koali- Rudolf Meinl Jürgen Augustinowitz Dr. Angela Merkel tionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Rudolf Meyer (Winsen) Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei zwei Enthaltun- Dr. Sabine Bergmann-Pohl Norbert Otto (Erfurt) gen der PDS und einigen Enthaltungen der SPD ab- Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Gerhard Päselt gelehnt worden. Dr. Maria Böhmer Dr. Peter Paziorek Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Hans-Wilhelm Pesch Wir kommen zur Abstimmung über den Ände- Dr. Winfried Pinger rungsantrag der Abgeordneten Rita Grießhaber und Wolfgang Dehnel der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das ist Druck- Maria Eichhorn Dieter Pützhofen sache 13/9748. Wer stimmt für diesen Änderungsan- Hans-Joachim Fuchtel Thomas Rachel trag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieser Hermann Gröhe Helmut Rauber Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koaliti- Claus-Peter Grotz Christa Reichard (Dresden) Dr. Renate Hellwig Dr. Bertold Reinartz onsfraktionen und den meisten Stimmen aus der SPD Peter Hintze Hans-Peter Repnik gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen, Hubert Hüppe Dr. (München) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19771

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Franz Romer Dr. Uwe Küster Berthold Wittich Rolf Köhne Kurt J. Rossmanith Werner Labsch Dr. Wolfgang Wodarg Rolf Kutzmutz Roland Sauer (Stuttgart) Detlev von Larcher Hanna Wolf (München) Heidemarie Lüth Dr.-Ing. Joachim Schmidt Waltraud Lehn Heidi Wright Dr. Günther Maleuda (Halsbrücke) Klaus Lennartz Manfred Müller (Berlin) Frederick Schulze Klaus Lohmann (Witten) Rosel Neuhäuser (Sangerhausen) Christa Lörcher BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Dr. Uwe-Jens Rössel Diethard Schütze (Berlin) Erika Lotz Christina Schenk Wilhelm Josef Sebastian Dr. Marieluise Beck (Bremen) Steffen Tippach Winfried Mante Volker Beck (Köln) Klaus-Jürgen Warnick Dorle Marx Dr. Winfried Wolf Dr. Rita Süssmuth Ingrid Matthäus-Maier Amke Dietert-Scheuer Gerhard Zwerenz Heide Mattischeck Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid SPD Ulrike Mehl (Berlin) Fraktionslos Herbert Meißner Joseph Fischer (Frankfurt) Brigitte Adler Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Rita Grießhaber Kurt Neumann (Berlin) Ernst Bahr Michael Müller (Düsseldorf) Gerald Häfner Jutta Müller (Völklingen) Antje Hermenau Christian Müller (Zittau) Kristin Heyne Nein Ingrid Becker-Inglau Volker Neumann (Bramsche) Ulrike Höfken Wolfgang Behrendt Dr. Edith Niehuis Michaele Hustedt Hans-Werner Bertl Günter Oesinghaus Dr. Manuel Kiper CDU/CSU Friedhelm Julius Beucher Manfred Opel Monika Knoche Adolf Ostertag Dr. Angelika Köster-Loßack Lilo Blunck Kurt Palis Steffi Lemke Dietrich Austermann Anni Brandt-Elsweier Albrecht Papenroth Dr. Helmut Lippelt Heinz-Günter Bargfrede Tilo Braune Dr. Willfried Penner Oswald Metzger Franz Peter Basten Marion Caspers-Merk Dr. Kerstin Müller (Köln) Dr. Wolf-Michael Catenhusen Georg Pfannenstein Winfried Nachtwei Peter Conradi Karin Rehbock-Zureich Christa Nickels Hans-Dirk Bierling Dr. Herta Däubler-Gmelin Otto Reschke Egbert Nitsch (Rendsburg) Dr. Heribert Blens Christel Deichmann Bernd Reuter Cem Özdemir Dr. Marliese Dobberthien Günter Rixe Simone Probst Dr. Norbert Blüm Gerhard Rübenkönig Halo Saibold Ludwig Eich Dr. Hansjörg Schäfer Christine Scheel Peter Enders Gudrun Schaich-Walch Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Wolfgang Bötsch Bernd Scheelen Rezzo Schlauch Klaus Brähmig Petra Ernstberger Siegfried Scheffler Albert Schmidt (Hitzhofen) Rudolf Braun (Auerbach) Annette Faße Otto Schily Wolfgang Schmitt Paul Breuer Dieter Schloten (Langenfeld) Iris Follak Horst Schmidbauer Ursula Schönberger Klaus Bühler (Bruchsal) (Nürnberg) Hartmut Büttner Marina Steindor Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (Schönebeck) Katrin Fuchs (Verl) Christian Sterzing Regina Schmidt-Zadel Dankward Buwitt Arne Fuhrmann Manfred Such Dr. Emil Schnell Dr. Peter Harry Carstensen Monika Ganseforth Antje Vollmer Walter Schöler Ludger Volmer (Nordstrand) Günter Gloser Reinhard Schultz Helmut Wilhelm (Amberg) Hubert Deittert Hans-Joachim Hacker (Everswinkel) Margareta Wolf (Frankfurt) Albert Deß Klaus Hagemann Volkmar Schultz (Köln) Christel Hanewinckel Ilse Schumann Dr. Liesel Hartenstein Dr. R. Werner Schuster F.D.P. Werner Dörflinger Dr. Ingomar Hauchler Dietmar Schütz (Oldenburg) Hansjürgen Doss Dieter Heistermann Dr. Angelica Schwall-Düren Hildebrecht Braun Dr. Dr. Barbara Hendricks Lisa Seuster (Augsburg) Monika Heubaum Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Olaf Feldmann Uwe Hiksch Wolfgang Spanier Hans-Dietrich Genscher Stephan Hilsberg Dr. Dietrich Sperling Dr. Burkhard Hirsch Jelena Hoffmann (Chemnitz) Antje-Marie Steen Birgit Homburger Frank Hofmann (Volkach) Dr. Bodo Teichmann Jochen Feilcke Ingrid Holzhüter Margitta Terborg Ulf Fink Eike Hovermann Franz Thönnes PDS Dirk Fischer (Hamburg) Barbara Imhof Uta Titze-Stecher (Hamburg) Brunhilde Irber Adelheid Tröscher Wolfgang Bierstedt Renate Jäger Hans-Eberhard Urbaniak Petra Bläss Dr. Gerhard Friedrich Dr. Uwe Jens Siegfried Vergin Maritta Böttcher Erich G. Fritz Klaus Kirschner Karsten D. Voigt (Frankfurt) Eva Bulling-Schröter Siegrun Klemmer Hans Georg Wagner Dr. Ludwig Elm Dr. Heiner Geißler Dr. Hans-Hinrich Knaape Hans Wallow Dr. Dagmar Enkelmann Michael Glos Nicolette Kressl Dr. Konstanze Wegner Dr. Wilma Glücklich Volker Kröning Wolfgang Weiermann Andrea Gysi Dr. Reinhard Göhner Thomas Krüger Gert Weisskirchen (Wienloch) Dr. Gregor Gysi Peter Götz Horst Kubatschka Hildegard Wester Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Wolfgang Götzer Helga Kühn-Mengel Inge Wettig-Danielmeier Gerhard Jüttemann Kurt-Dieter Grill Konrad Kunick Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Heidi Knake-Werner Wolfgang Gröbl 19772 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Horst Günther (Duisburg) Michael Stübgen Rudolf Purps Carl-Detlev Freiherr von Dr. Rolf Olderog Egon Susset Hermann Rappe Hammerstein Friedhelm Ost Michael Teiser (Hildesheim) Dr. Susanne Tiemann Renate Rennebach (Großhennersdorf) Ulrich Petzold Gottfried Tröger Dr. Edelbert Richter Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Reinhold Robbe Otto Hauser (Esslingen) Pfeiffer Angelika Rudolf Scharping Hansgeorg Hauser Dr. Gero Pfennig Wolfgang Vogt (Düren) Dr. (Rednitzhembach) Dr. Friedbert Pflüger Dr. Horst Waffenschmidt Klaus-Jürgen Hedrich Dr. Theodor Waigel Horst Schild Manfred Heise Alois Graf von Waldburg-Zeil Günter Schluckebier Detlef Helling Dr. Hermann Pohler Dr. Jürgen Warnke (Aachen) Ernst Hinsken Marlies Pretzlaff Kersten Wetzel (Meschede) Josef Hollerith Dr. Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Ottmar Schreiner Elke Holzapfel Dr. Bernd Protzner Gert Willner Brigitte Schulte (Hameln) Dr. Karl-Heinz Hornhues Rolf Rau Bernd Wilz Bodo Seidenthal (Neuss) Siegfried Hornung Peter Rauen Willy Wimmer Erika Simm Joachim Hörster Otto Regenspurger Johannes Singer Pete Jacoby Klaus Dieter Reichardt Dr. Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Susanne Jaffke (Mannheim) Dagmar Wöhrl Georg Janovsky Erika Reinhardt Michael Wonneberger Jörg-Otto Spiller Dr. Dionys Jobst Roland Richter Elke Wülfing Dr. Peter Struck Michael Jung (Limburg) Klaus Riegert Peter Kurt Würzbach Jörg Tauss Dr. Jella Teuchner Dr. Harald Kahl Hannelore Rönsch Wolfgang Zeitlmann (Pforzheim) Bartholomäus Kalb (Wiesbaden) Benno Zierer Josef Vosen Steffen Kampeter Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Wolfgang Zöller Reinhard Weis (Stendal) Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Klaus Rose Matthias Weisheit Adolf Roth (Gießen) Gunter Weißgerber Norbert Röttgen SPD Welt Dr. Christian Ruck Jochen Ulrich Klinkert Dr. Jürgen Rüttgers Gerd Andres Dr. Norbert Wieczorek Dr. Helmut Kohl Dr. Wolfgang Schäuble Hans Berger Helmut Wieczorek Hans-Ulrich Köhler Hartmut Schauerte Ursula Burchardt (Duisburg) (Hainspitz) Heinz Schemken Dr. Michael Bürsch Dieter Wiefelspütz Eva-Maria Kors Karl-Heinz Scherhag Hans Martin Bury Dr. Christoph Zöpel Hartmut Koschyk Gerhard Scheu Hans Büttner (Ingolstadt) Peter Zumkley Manfred Koslowski Norbert Schindler Karl Diller Thomas Kossendey Dietmar Schlee Peter Dreßen Rudolf Kraus Ulrich Schmalz Elke Ferner BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Andreas Krautscheid Lothar Fischer (Homburg) Arnulf Kriedner Christian Schmidt (Fürth) Norbert Formanski Gerd Poppe Dr.-Ing. Paul Krüger Andreas Schmidt (Mülheim) Anke Fuchs (Köln) Reiner Krziskewitz Hans-Otto Schmiedeberg Iris Gleicke Werner Kuhn Hans Peter Schmitz Günter Graf (Friesoythe) F.D.P. Dr. Karl A. Lamers (Baesweiler) Dieter Grasedieck Achim Großmann (Heidelberg) Michael von Schmude Ina Albowitz Dr. Birgit Schnieber-Jastram Karl Hermann Haack Dr. Gisela Babel Dr. (Extertal) Dr. Paul Laufs Dr. Manfred Hampel Günther Bredehorn Karl-Josef Laumann Reinhard Freiherr von Klaus Hasenfratz Jörg van Essen Schorlemer Reinhold Hemker Gisela Frick Peter Letzgus Reinhold Hiller (Lübeck) Paul K. Friedhoff Editha Limbach Dr. Dieter Schulte Erwin Horn Walter Link (Diepholz) (Schwäbisch Gmünd) Wolfgang Ilte Dr. Klaus W. Lippold Gerhard Schulz (Leipzig) Gabriele Iwersen Dr. Wolfgang Gerhardt (Offenbach) Clemens Schwalbe Jann-Peter Janssen Joachim Günther (Plauen) Dr. Christian Schwarz Ilse Janz Wolfgang Lohmann Dr. (Lüdenscheid) Schilling Volker Jung (Düsseldorf) Dr. Julius Louven Horst Seehofer Susanne Kastner Marion Seib Ernst Kastning Ulrich Heinrich Erich Maaß (Wilhelmshaven) Wilfried Seibel Hans-Peter Kemper Walter Hirche Dr. Dietrich Mahlo Heinz-Georg Seiffert Marianne Klappert Dr. Hans-Ulrich Klose Ulrich Irmer Dr. Martin Mayer Bernd Siebert Walter Kolbow Dr. (Siegertsbrunn) Jürgen Sikora Fritz Rudolf Körper Roland Kohn Wolfgang Meckelburg Bärbel Sothmann Eckart Kuhlwein Dr. Heinrich L. Kolb Margarete Späte Brigitte Lange Dr. Jürgen Koppelin Carl-Dieter Spranger Dieter Maaß (Herne) Dr.-Ing. Karl-H ans Laermann Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Dr. Gerd Müller - Elmar Müller (Kirchheim) Dr. Gerhard Stoltenberg Siegmar Mosdorf Sabine Leutheusser Engelbert Nelle Andreas Storm Dr. Rolf Niese Schnarrenberger (Bremen) Doris Odendahl Uwe Lühr Johannes Nitsch Matthäus Strebl Leyla Onur Jürgen W. Möllemann Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19773

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Günther Friedrich Nolting Hans Raidel Endgültiges Ergebnis Frank Hofmann (Volkach) Dr. Dr. Peter Ramsauer Dr. Uwe Jens Lisa Peters Dr. Norbert Rieder Abgegebene Stimmen: 625; Dr. Hans-Hinrich Knaape Dr. Klaus Röhl Ortrun Schätzle davon Nicolette Kressl Helmut Schäfer (Mainz) Dr. Wolfgang Freiherr von ja: 79 Konrad Kunick Cornelia Schmalz-Jacobsen Stetten nein: 506 Werner Labsch Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Detlev von Larcher Dr. enthalten: 40 Markus Meckel Dr. Hermann Otto Sohns SPD Dr. Martin Pfaff Dr. Siegfried Scheffler Carl-Ludwig Thiele Konrad Gilges Ja Dr. Emil Schnell Dr. Dieter Thomae Uwe Göllner Horst Sielaff Jürgen Türk Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Wolfgang Weng Alfred Hartenbach CDU/CSU Jörg-Otto Spiller (Gerlingen) Gerd Höfer Franz Thönnes Dr. Sabine Kaspereit Peter Altmaier Hans-Eberhard Urbaniak Dr. Elke Leonhard Anneliese Augustin Siegfried Vergin Ulrike Mascher Jürgen Augustinowitz Hildegard Wester PDS Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Joseph-Theodor Blank Lydia Westrich Dr. Eckhart Pick Dr. Heribert Blens Inge Wettig-Danielmeier Hanns-Peter Hartmann Joachim Poß Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Heidemarie Wieczorek-Zeul Margot von Renesse Wolfgang Dehnel Hanna Wolf (München) Heinz Schmitt (Berg) Dr. Alfred Dregger Enthalten Gisela Schröter Michaela Geiger Dr. Mathias Schubert Hermann Gröhe Schuhmann Richard BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Claus-Peter Grotz CDU/CSU (Delitzsch) Otto Hauser (Esslingen) Horst Sielaff Monika Knoche Joachim Tappe Christa Nickels Elke Holzapfel (Emstek) Lydia Westrich Irmingard Schewe-Gerigk Heinz Dieter Eßmann Uta Zapf Dr. Egon Jüttner Michaela Geiger Dr.-Ing. Dietmar Kansy Joachim Gres Dr. Bernd Klaußner F.D.P. Manfred Grund BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Manfred Kolbe Helmut Heiderich Norbert Königshofen Hildebrecht Braun Wolfgang Krause (Dessau) Angelika Beer Dr. Hermann Kues (Augsburg) Herbert Lattmann Annelie Buntenbach Dr. Karl A. Lamers Dr. Olaf Feldmann (Heidelberg) Karl Lamers Renate Blank (CDU/CSU) hat gemäß § 31 Abs. 2 GOBT erklärt, Dr. Paul Laufs an der Abstimmung nicht mitzuwirken. Nein Werner Lensing Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski CDU/CSU Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Än- Dr. Angela Merkel derungsantrag des Abgeordneten Dr. Wolfgang Frei- Johannes Nitsch Ulrich Adam Dr. Rolf Olderog Dietrich Austermann herr von Stetten auf Drucksache 13/9711 (neu). Auch Dr. Gerhard Päselt Heinz-Günter Bargfrede hierzu ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich Hans-Wilhelm Pesch Franz Peter Basten bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer wieder, Dr. Winfried Pinger Dr. Wolf Bauer die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Thomas Rachel Brigitte Baumeister Rolf Rau Meinrad Belle Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich er- Dr. Bertold Reinartz Dr. Sabine Bergmann-Pohl öffne damit die Abstimmung. - Dr. Norbert Rieder Peter Bleser Franz Romer Dr. Norbert Blüm Ist jemand hier im Raum, der noch nicht abge- Gerhard Scheu Friedrich Bohl stimmt hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann Dr.-Ing. Joachim Schmidt Jochen Borchert schließe ich die Abstimmung. Die Schriftführer wer- (Halsbrücke) Dr. Wolfgang Bötsch den die Auszählung vornehmen. Bis zur Bekannt- Hans-Otto Schmiedeberg Klaus Brähmig Wolfgang Schulhoff Rudolf Braun (Auerbach) gabe des Ergebnisses unterbreche ich die Sitzung. Diethard Schütze (Berlin) Paul Breuer Wilhelm Josef Sebastian Monika Brudlewsky (Unterbrechung von 18.39 bis 18.45 Uhr) Dr. Wolfgang Freiherr von Georg Brunnhuber Stetten Klaus Bühler (Bruchsal) Dr. Rita Süssmuth Hartmut Büttner Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Die unterbro- Gottfried Tröger (Schönebeck) chene Sitzung ist wieder eröffnet. Gert Willner Peter Harry Carstensen (Nordstrand) Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Er- Hubert Deittert gebnis der namentlichen Abstimmung über den Än- SPD Albert Deß derungsantrag des Abgeordneten Dr. Wolfgang von Renate Diemers Stetten auf Drucksache 13/9711 (neu) bekannt. Ab- Tilo Braune Wilhelm Dietzel gegebene Stimmen: 626. Mit Ja haben gestimmt: 79. Freimut Duve Hansjürgen Doss Petra Ernstberger Wolfgang Engelmann Mit Nein haben gestimmt: 506. Enthaltungen: 41. Gabriele Fograscher Rainer Eppelmann Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Dr. Barbara Hendricks Horst Eylmann 19774 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Anke Eymer Dr. Klaus W. Lippold Hans Peter Schmitz Dr. Michael Bürsch Use Falk (Offenbach) (Baesweiler) Hans Martin Bury Jochen Feilcke Wolfgang Lohmann Michael von Schmude Hans Büttner (Ingolstadt) Ulf Fink (Lüdenscheid) Birgit Schnieber-Jastram Marion Caspers-Merk Dirk Fischer (Hamburg) Julius Louven Dr. Andreas Schockenhoff Wolf-Michael Catenhusen Klaus Francke (Hamburg) Sigrun Löwisch Dr. Rupert Scholz Peter Conradi Herbert Frankenhauser Heinrich Lummer Reinhard Freiherr von Dr. Herta Däubler-Gmelin Dr. Gerhard F riedrich Dr. Michael Luther Schorlemer Christel Deichmann Erich G. Fritz Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dieter Schulte Karl Diller Hans-Joachim Fuchtel Dr. Dietrich Mahlo (Schwäbisch Gmünd) Dr. Marliese Dobberthien Norbert Geis Erwin Marschewski Gerhard Schulz (Leipzig) Peter Dreßen Dr. Heiner Geißler Günter Marten Frederick Schulze Ludwig Eich Michael Glos Dr. Martin Mayer (Sangerhausen) Peter Enders Dr. Reinhard Göhner (Siegertsbrunn) Clemens Schwalbe Gernot Erler Peter Götz Wolfgang Meckelburg Dr. Christian Schwarz Annette Faße Dr. Wolfgang Götzer Dr. Michael Meister Schilling Elke Ferner Horst Seehofer Kurt-Dieter Gri ll Friedrich Merz Lothar Fischer (Homburg) Marion Seib Wolfgang Gröbl Rudolf Meyer (Winsen) Iris Follak Wilfried Seibel Manfred Grund Hans Michelbach Norbert Formanski Heinz-Georg Seiffert Horst Günther (Duisburg) Dr. Gerd Müller Dagmar Freitag Rudolf Seiters Carl-Detlev Freiherr von Elmar Müller (Kirchheim) Anke Fuchs (Köln) Johannes Selle Hammerstein Engelbert Nelle Katrin Fuchs (Verl) Gottfried Haschke Bernd Siebert Arne Fuhrmann Bernd Neumann (Bremen) Jürgen Sikora (Großhennersdorf) Claudia Nolte Monika Ganseforth Gerda Hasselfeldt Bärbel Sothmann Iris Gleicke Friedhelm Ost Margarete Späte Hansgeorg Hauser Eduard Oswald Günter Gloser (Rednitzhembach) Carl-Dieter Spranger Uwe Göllner Norbert Otto (Erfurt) Wolfgang Steiger Klaus-Jürgen Hedrich Günter Graf (Friesoythe) Dr. Peter Paziorek Erika Steinbach Manfred Heise Angelika Graf (Rosenheim) Ulrich Petzold Dr. Gerhard Stoltenberg Detlef Helling Dieter Grasedieck Anton Pfeifer Andreas Storm Dr. Renate Hellwig Achim Großmann Angelika Pfeiffer Max Straubinger Ernst Hinsken Karl Hermann Haack Dr. Gero Pfennig Matthäus Strebl Peter Hintze (Extertal) Dr. Friedbert Pflüger Michael Stübgen Josef Holle rith Hans-Joachim Hacker Beatrix Philipp Egon Susset Dr. Karl-Heinz Hornhues Klaus Hagemann Ronald Pofalla Michael Teiser Siegfried Hornung Manfred Hampel Ruprecht Polenz Dr. Susanne Tiemann Joachim Hörster Christel Hanewinckel Marlies Pretzlaff Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Hubert Hüppe Alfred Hartenbach Probst Gunnar Uldall Dr. Albert Dr. Liesel Hartenstein Peter Jacoby Wolfgang Vogt (Düren) Dr. Bernd Protzner Klaus Hasenfratz Susanne Jaffke Dr. Horst Waffenschmidt Dieter Pützhofen Dr. Ingomar Hauchler Georg Janovsky Dr. Theodor Waigel Helmut Rauber Dieter Heistermann Helmut Jawurek Alois Graf von Waldburg-Zeil Peter Rauen Reinhold Hemker Dr. Dionys Jobst Dr. Jürgen Warnke Otto Regenspurger Monika Heubaum Michael Jung (Limburg) Kersten Wetzel Christa Reichard (Dresden) Uwe Hiksch Ulrich Junghanns Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Klaus Dieter Reichardt Stephan Hilsberg Dr. Harald Kahl Bernd Wilz (Mannheim) Jelena Hoffmann (Chemnitz) Bartholomäus Kalb Willy Wimmer (Neuss) Steffen Kampeter Erika Reinhardt Ingrid Holzhüter Hans-Peter Repnik Matthias Wissmann Manfred Kanther Dr. Fritz Wittmann Erwin Horn Irmgard Karwatzki Roland Richter Eike Hovermann Dr. Erich Riedl (München) Dagmar Wöhrl Volker Kauder Michael Wonneberger Wolfgang Ilte Eckart von Klaeden Klaus Riegert Barbara Imhof Dr. Heinz Riesenhuber Elke Wülfing Ulrich Klinkert Peter Ku rt Würzbach Gabriele Iwersen Hannelore Rönsch Dr. Helmut Kohl Cornelia Yzer Renate Jäger (Wiesbaden) Hans-Ulrich Köhler Wolfgang Zeitlmann Jann-Peter Janssen Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (Hainspitz) Benno Zierer Ilse Janz Dr. Klaus Rose Eva-Maria Kors Wolfgang Zöller Volker Jung (Düsseldorf) Hartmut Koschyk Kurt J. Rossmanith Susanne Kastner Manfred Koslowski Adolf Roth (Gießen) Ernst Kastning Thomas Kossendey Norbert Röttgen SPD Hans-Peter Kemper Rudolf Kraus Dr. Christian Ruck Klaus Kirschner Andreas Krautscheid Dr. Jürgen Rüttgers Brigitte Adler Marianne Klappert Arnulf Kriedner Roland Sauer (Stuttga rt) Gerd Andres Siegrun Klemmer Dr -Ing. Paul Krüger Ortrun Schätzle Doris Barnett Hans-Ulrich Klose Reiner Krziskewitz Dr. Wolfgang Schäuble Klaus Barthel Walter Kolbow Werner Kuhn Hartmut Schauerte Ingrid Becker-Inglau Fritz Rudolf Körper Dr. Norbert Lammert Heinz Schemken Wolfgang Behrendt Volker Kröning Helmut Lamp Karl-Heinz Scherhag Hans Berger Horst Kubatschka Armin Laschet Norbert Schindler Hans-Werner Bertl Eckart Kuhlwein Karl-Josef Laumann Dietmar Schlee- Friedhelm Julius Beucher Helga Kühn-Mengel Christian Lenzer Ulrich Schmalz Rudolf Bindig Dr. Uwe Küster Peter Letzgus Bernd Schmidbauer Lilo Blunck Brigitte Lange Editha Limbach Christian Schmidt (Fürth) Anni Brandt-Elsweier Waltraud Lehn Walter Link (Diepholz) Andreas Schmidt (Mülheim) Ursula Burchardt Klaus Lennartz Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19775 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Klaus Lohmann (Witten) Dr. Bodo Teichmann Günther Bredehorn Dr. Winfried Wolf Erika Lotz Margitta Terborg Jörg van Essen Gerhard Zwerenz Dr. Christine Lucyga Jella Teuchner Gisela Frick Dieter Maaß (Herne) Uta Titze-Stecher Paul K. Friedhoff Winfried Mante Adelheid Tröscher Horst Friedrich Fraktionslos Dorle Marx Ute Vogt (Pforzheim) Rainer Funke Kurt Christoph Matschie Karsten D. Voigt (Frankfurt) Hans-Dietrich Genscher Neumann (Berlin) Ingrid Matthäus-Maier Josef Vosen Dr. Wolfgang Gerhardt Heide Mattischeck Hans Georg Wagner Joachim Günther (Plauen) Ulrike Mehl Dr. Konstanze Wegner Enthalten Dr. Karlheinz Guttmacher Herbert Meißner Wolfgang Weiermann Angelika Mertens Reinhard Weis (Stendal) Dr. Helmut Haussmann Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Matthias Weisheit Ulrich Heinrich CDU/CSU Siegmar Mosdorf Gunter Weißgerber Walter Hirche Michael Müller (Düsseldorf) Gert Weisskirchen (Wiesloch) Birgit Homburger Hans-Dirk Bierling Jutta Müller (Völklingen) Jochen Welt Dr. Werner Hoyer Dr. Maria Böhmer Christian Müller (Zittau) Dr. Norbert Wieczorek Ulrich Irmer Wolfgang Bosbach Volker Neumann (Bramsche) Helmut Wieczorek Dr. Klaus Kinkel Dankward Buwitt Dr. Edith Niehuis (Duisburg) Roland Kohn Manfred Carstens (Emstek) Dr. Rolf Niese Dieter Wiefelspütz Dr. Heinrich L. Kolb Werner Dörflinger Doris Odendahl Berthold Wittich Jürgen Koppelin Maria Eichhorn Günter Oesinghaus Dr. Wolfgang Wodarg Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Heinz Dieter Eßmann Leyla Onur Heidi Wright Dr. Otto Graf Lambsdorff Wilma Glücklich Joachim Gres Manfred Opel Uta Zapf Sabine Leutheusser Peter Keller Adolf Ostertag Dr. Christoph Zöpel Schnarrenberger Wolfgang Krause (Dessau) Kurt Palis Peter Zumkley Uwe Lühr Albrecht Papenroth Herbert Lattmann Jürgen W. Möllemann Dr. Willfried Penner Rudolf Meinl Günther Friedrich Nolting Georg Pfannenstein BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEr Dr. Hermann Pohler Dr. Rainer Joachim Poß Ortleb Hans Raidel Marieluise Beck (Bremen) Rudolf Purps Lisa Peters Dr. Peter Ramsauer Volker Beck (Köln) Hermann Rappe Dr. Klaus Röhl Johannes Singhammer Matthias Berninger (Hildesheim) Helmut Schäfer (Mainz) Annelie Buntenbach Karin Rehbock-Zureich Cornelia Schmalz-Jacobsen Amke Dietert-Scheuer Renate Rennebach Dr. Edzard Schmidt-Jortzig SPD Dr. Uschi Eid Otto Reschke Dr. Irmgard Schwaetzer Andrea Fischer (Berlin) Bernd Reuter Dr. Hermann Otto Solms Ernst Bahr Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Edelbert Richter Dr. Max Stadler Konrad Gilges Rita Grießhaber Günter Rixe Carl-Ludwig Thiele Gerd Höfer Gerald Häfner Reinhold Robbe Brunhilde Irber Antje Hermenau Dr. Dieter Thomae Gerhard Rübenkönig Sabine Kaspereit Kristin Heyne Jürgen Türk Dr. Hansjörg Schäfer Thomas Krüger Ulrike Höfken Dr. Wolfgang Weng Gudrun Schaich-Walch Dr. Elke Leonhard Michaele Hustedt (Gerlingen) Rudolf Scharping Christa Lörcher Dr. Manuel Kiper Dr. Guido Westerwelle Bernd Scheelen Ulrike Mascher Dr. Angelika Köster-Loßack Horst Schild Gerhard Neumann (Gotha) Steffi Lemke Otto Schily Dr. Eckhart Pick Dr. Helmut Lippelt PDS Dieter Schloten Margot von Renesse Oswald Metzger Günter Schluckebier Dr. Hermann Scheer Kerstin Müller (Köln) Wolfgang Bierstedt Horst Schmidbauer Dagmar Schmidt (Meschede) Winfried Nachtwei Petra Bläss (Nürnberg) Heinz Schmitt (Berg) Egbert Nitsch Maritta Böttcher Ulla Schmidt (Aachen) (Rendsburg) Gisela Schröter Cern Özdemir Eva Bulling-Schröter Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Dr. Mathias Schubert Gerd Poppe Dr. Ludwig Elm Regina Schmidt-Zadel Schuhmann Richard Simone Probst Walter Schöler Dr. Dagmar Enkelmann (Delitzsch) Halo Saibold Ottmar Schreiner Dr. Ruth Fuchs Hans Wallow Christine Scheel Brigitte Schulte (Hameln) Dr. Gregor Gysi Rezzo Schlauch Reinhard Schultz Hanns-Peter Ha rtmann (Everswinkel) Albert Schmidt (Hitzhofen) Dr. Uwe-Jens Heuer BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Wolfgang Schmitt Volkmar Schultz (Köln) Gerhard Jüttemann Ilse Schumann (Langenfeld) Dr. Heidi Knake-Werner Angelika Beer Ursula Schönberger Dr. R. Werner Schuster Rolf Kutzmutz Manna Steindor Dietmar Schütz (Oldenburg) Heidemarie Lüth Christian Sterzing F.D.P. Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Manfred Such Günther Maleuda Bodo Seidenthal Manfred Müller (Berlin) Lisa Seuster Dr. Antje Vollmer Dr. Burkhard Hirsch Ludger Volmer Rosel Neuhäuser Erika Simm Helmut Wilhelm (Amberg) Dr. Uwe-Jens Rössel Johannes Singer Margareta Wolf (Frankfurt) Christina Schenk PDS Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Steffen Tippach Wolfgang Spanier - Klaus-Jürgen Warnick Rolf Köhne Dr. Dietrich Sperling F.D.P. Antje-Marie Steen Dr. Peter Struck Ina Albowitz Renate Blank (CDU/CSU) hat gemäß § 31 Abs. 2 GOBT erklärt, Jörg Tauss Dr. Gisela Babel an der Abstimmung nicht mitzuwirken. 19776 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Damit kommen wir nun zur Abstimmung über den SPD Günter Oesinghaus Gesetzentwurf in zweiter Beratung, und zwar ohne Manfred Opel Änderungen, da beide Änderungsanträge abgelehnt Brigitte Adler Adolf Ostertag Ernst Bahr Kurt Palis sind. Es ist namentliche Abstimmung über den origi- Doris Barnett Albrecht Papenroth nären Gesetzentwurf verlangt. Ich bitte die Schrift- Klaus Barthel Dr. Willfried Penner führerinnen und Schriftführer, wieder die vorgesehe- Ingrid Becker-Inglau Dr. Martin Pfaff nen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Wolfgang Behrendt Georg Pfannenstein Das ist der Fall. Dann eröffne ich hiermit die Abstim- Hans-Werner Bertl Karin Rehbock-Zureich mung. Friedhelm Julius Beucher Otto Reschke Rudolf Bindig Bernd Reuter Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das Lilo Blunck Günter Rixe seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das scheint Anni Brandt-Elsweier Gerhard Rübenkönig nicht der Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung Tilo Braune Dr. Hansjörg Schäfer Marion Caspers-Merk Gudrun Schaich-Walch und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu be- Wolf-Michael Catenhusen Bernd Scheelen ginnen. Peter Conradi Siegfried Schef fler Wiederum unterbreche ich die Sitzung bis zum Dr. Herta Däubler-Gmelin Otto Scully Christel Deichmann Dieter Schloten Vorliegen des Ergebnisses. Dr. Marliese Dobberthien Horst Schmidbauer (Unterbrechung von 18.50 bis 18.56 Uhr) Ludwig Eich (Nürnberg) Peter Enders Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Gernot Erler Regina Schmidt-Zadel Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Die unterbro- Petra Ernstberger Walter Schöler chene Sitzung ist wieder eröffnet. Gabriele Fograscher Dr. Mathias Schube rt Iris Follak Reinhard Schultz Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Ab- Dagmar Freitag (Everswinkel) stimmung in zweiter Beratung über den Gesetzent- Katrin Fuchs (Verl) Volkmar Schultz (Köln) wurf der Abgeordneten Roland Sauer, Uta Titze-Ste- Monika Ganseforth Ilse Schumann Günter Gloser Dr. R. Werner Schuster cher, Dr. Burkhard Hirsch und anderer bekannt. Ab- Angelika Graf (Rosenheim) Dietmar Schütz (Oldenburg) gegebene Stimmen: 626. Mit Ja haben gestimmt: Hans-Joachim Hacker Dr. Angelica Schwall-Düren 256. Mit Nein haben gestimmt: 366. Enthaltungen: Klaus Hagemann Lisa Seuster 34. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung Christel Hanewinckel Dr. Dietrich Sperling abgelehnt. Dr. Ingomar Hauchler Jörg-Otto Spiller Dieter Heistermann Antje-Marie Steen Dr. Barbara Hendricks Dr. Bodo Teichmann Endgültiges Ergebnis Dr. Hermann Kues Monika Heubaum Margitta Terborg Karl Lamers Uwe Hiksch Franz Thönnes Abgegebene Stimmen: 624; Helmut Lamp Stephan Hilsberg Uta Titze-Stecher davon Werner Lensing Jelena Hoffmann (Chemnitz) Adelheid Tröscher ja: 255 Eduard Lintner Frank Hofmann (Volkach) Hans-Eberhard Urbaniak Dr. Manfred Lischewski Ingrid Holzhüter Siegfried Vergin nein: 335 Sigrun Löwisch Barbara Imhof Karsten D. Voigt (Frankfurt) enthalten: 34 Dr. Michael Luther Brunhilde Irber Hans Georg Wagner Rudolf Meinl Renate Jäger Hans Wallow Dr. Angela Merkel Dr. Uwe Jens Dr. Konstanze Wegner Ja Rudolf Meyer (Winsen) Klaus Kirschner Wolfgang Weiermann Johannes Nitsch Siegrun Klemmer Gert Weisskirchen (Wiesloch) Norbert Otto (Erfurt) Dr. Hans-Hin rich Knaape Hildegard Wester CDU/CSU Dr. Gerhard Päselt Nicolette Kressl Inge Wettig-Danielmeier Hans-Wilhelm Pesch Volker Kröning Heidemarie Wieczorek-Zeul Peter Altmaier Dr. Friedbert Pflüger Horst Kubatschka Berthold Wittich Jürgen Augustinowitz Dr. Winfried Pinger Helga Kühn-Mengel Dr. Wolfgang Wodarg Meinrad Belle (München) Ruprecht Polenz Konrad Kunick Hanna Wolf Dr. Sabine Bergmann-Pohl Heidi Wright Dieter Pützhofen Dr. Uwe Küster Dr. Joseph-Theodor Blank Werner Labsch Thomas Rachel Dr. Maria Böhmer Detlev von Larcher Rolf Rau Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Waltraud Lehn BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Helmut Rauber Monika Brudlewsky Klaus Lennartz Reichard (Dresden) Wolfgang Dehnel Christa Klaus Lohmann (Witten) Marieluise Beck (Bremen) Maria Eichhorn Dr. Bertold Reinartz Christa Lörcher Volker Beck (Köln) Ulf Fink Hans-Peter Repnik Erika Lotz Matthias Berninger Hans-Joachim Fuchtel Dr. Erich Riedl (München) Dr. Christine Lucyga Annelie Buntenbach Hermann Gröhe Franz Romer Winfried Mante Amke Dietert-Scheuer Claus-Peter Grotz Kurt J. Rossmanith Dorle Marx Dr. Uschi Eid Dr. Renate Hellwig Roland Sauer (Stuttga rt) Ingrid Matthäus-Maier Andrea Fischer (Berlin) Peter Hintze Dr.-Ing. Joachim Schmidt Heide Mattischeck Joseph Fischer (Frankfurt) Hubert Hüppe (Halsbrücke) Markus Meckel Rita Grießhaber Helmut Jawurek Frederick Schulze Ulrike Mehl Gerald Häfner Dr. Egon Jüttner (Sangerhausen) Herbert Meißner Antje Hermenau Irmgard Karwatzki Diethard Schütze (Berlin) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Kristin Heyne Peter Keller Wilhelm Josef Sebastian Michael Müller (Düsseldorf) Ulrike Höfken Dr. Bernd Klaußner Johannes Selle Jutta Müller (Völklingen) Michaele Hustedt Manfred Kolbe Dr. Rita Süssmuth Christian Müller (Zittau) Dr. Manuel Kiper Norbert Königshofen Gottfried Tröger Volker Neumann (Bramsche) Dr. Angelika Köster-Loßack Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19777

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Steffi Lemke Dr. Wolf Bauer Eckart von Klaeden Dr. Klaus Rose Dr. Helmut Lippelt Brigitte Baumeister Ulrich Klinkert Adolf Roth (Gießen) Oswald Metzger Hans-Dirk Bierling Dr. Helmut Kohl Norbert Röttgen Kerstin Müller (Köln) Dr. Heribert Blens Hans-Ulrich Köhler Dr. Christian Ruck Winfried Nachtwei Peter Bleser (Hainspitz) Dr. Jürgen Rüttgers Christa Nickels Dr. Norbert Blüm Eva-Maria Kors Dr. Wolfgang Schäuble Egbert Nitsch (Rendsburg) Friedrich Bohl Hartmut Koschyk Hartmut Schauerte Cern Özdemir Jochen Borchert Manfred Koslowski Heinz Schemken Simone Probst Wolfgang Bosbach Thomas Kossendey Karl-Heinz Scherhag Halo Saibold Dr. Wolfgang Bötsch Rudolf Kraus Gerhard Scheu Christine Scheel Klaus Brähmig Wolfgang Krause (Dessau) Norbert Schindler Irmingard Schewe-Gerigk Rudolf Braun (Auerbach) Andreas Krautscheid Dietmar Schlee Rezzo Schlauch Paul Breuer Arnulf Kriedner Ulrich Schmalz Albert Schmidt (Hitzhofen) Georg Brunnhuber Dr.-Ing. Paul Krüger Bernd Schmidbauer Wolfgang Schmitt Hartmut Büttner Reiner Krziskewitz Christian Schmidt (Fürth) (Langenfeld) (Schönebeck) Werner Kuhn Andreas Schmidt (Mülheim) Ursula Schönberger Dankward Buwitt Dr. Karl A. Lamers Hans-Otto Schmiedeberg Marina Steindor Manfred Carstens (Emstek) (Heidelberg) Hans Peter Schmitz Christian Sterzing Peter Harry Carstensen Dr. Norbert Lammert (Baesweiler) Manfred Such (Nordstrand) Armin Laschet Michael von Schmude Dr. Antje Vollmer Hubert Deittert Herbert Lattmann Ludger Volmer Renate Diemers Dr. Paul Laufs Birgit Schnieber-Jastram Helmut Wilhelm (Amberg) Wilhelm Dietzel Karl-Josef Laumann Dr. Andreas Schockenhoff Margareta Wolf (Frankfurt) Werner Dörflinger Christian Lenzer Dr. Rupert Scholz Hansjürgen Doss Peter Letzgus Reinhard Freiherr von Dr. Alfred Dregger Editha Limbach Schorlemer F.D.P. Wolfgang Engelmann Walter Link (Diepholz) Wolfgang Schulhoff Ramer Eppelmann Dr. Klaus W. Lippold Dr. Dieter Schulte Hildebrecht Braun Horst Eylmann (Offenbach) (Schwäbisch Gmünd) (Augsburg) Anke Eymer Wolfgang Lohmann Gerhard Schulz (Leipzig) Dr. Olaf Feldmann Ilse Falk (Lüdenscheid) Clemens Schwalbe Hans-Dietrich Genscher Jochen Feilcke Julius Louven Dr. Christian Schwarz Dr. Burkhard Hirsch Dirk Fischer (Hamburg) Heinrich Lummer Schilling Klaus Francke (Hamburg) Erich Maaß (Wilhelmshaven) Horst Seehofer Herbert Frankenhauser Dr. Dietrich Mahlo Marion Seib PDS Dr. Gerhard F riedrich Erwin Marschewski Wilfried Seibel Erich G. Fritz Günter Marten Heinz-Georg Seiffert Wolfgang Bierstedt Norbert Geis Dr. Martin Mayer Rudolf Seiters Petra Bläss Dr. Heiner Geißler (Siegertsbrunn) Bernd Siebert Maritta Böttcher Michael Glos Wolfgang Meckelburg Jürgen Sikora Eva Bulling-Schröter Wilma Glücklich Dr. Michael Meister Bärbel Sothmann Dr. Ludwig Elm Dr. Reinhard Göhner Friedrich Merz Margarete Späte Dr. Dagmar Enkelmann Peter Götz Hans Michelbach Carl-Dieter Spranger Dr. Ruth Fuchs Dr. Wolfgang Götzer Dr. Gerd Müller Wolfgang Steiger Dr. Gregor Gysi Joachim Gres Elmar Müller (Kirchheim) Erika Steinbach Dr. Uwe-Jens Heuer Kurt-Dieter Gri ll Engelbert Nelle Dr. Gerhard Stoltenberg Gerhard Jüttemann Wolfgang Gröbl Bernd Neumann (Bremen) Andreas Storm Dr. Heidi Knake-Werner Horst Günther (Duisburg) Claudia Nolte Max Straubinger Rolf Köhne Carl-Detlev Freiherr von Dr. Rolf Olderog Matthäus Strebl Rolf Kutzmutz Hammerstein Friedhelm Ost Michael Stübgen Heidemarie Lüth Gottfried Haschke Eduard Oswald Egon Susset Dr. Günther Maleuda (Großhennersdorf) Dr. Peter Paziorek Michael Teiser Manfred Müller (Berlin) Gerda Hasselfeldt Ulrich Petzold Dr. Susanne Tiemann Rosel Neuhäuser Otto Hauser (Esslingen) Anton Pfeifer Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Dr. Uwe-Jens Rössel Hansgeorg Hauser Angelika Pfeiffer Gunnar Uldall Christina Schenk (Rednitzhembach) Dr. Gero Pfennig Wolfgang Vogt (Düren) Steffen Tippach Klaus-Jürgen Hedrich Beatrix Philipp Dr. Horst Waffenschmidt Klaus-Jürgen Warnick Manfred Heise Ronald Pofalla Dr. Theodor Waigel Dr. Winfried Wolf Detlef Helling Dr. Hermann Pohler Alois Graf von Waldburg-Zeil Gerhard Zwerenz Ernst Hinsken Marlies Pretzlaff Josef Hollerith Dr. Albert Probst Dr. Jürgen Warnke Elke Holzapfel Dr. Bernd Protzner Kersten Wetzel Fraktionslos Dr. Karl-Heinz Hornhues Hans Raidel Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Siegfried Hornung Dr. Peter Ramsauer Gert Willner Kurt Neumann (Berlin) Joachim Hörster Peter Rauen Bernd Wilz Peter Jacoby Otto Regenspurger Willy Wimmer (Neuss) Susanne Jaffke Klaus Dieter Reichardt Matthias Wissmann Nein Georg Janovsky (Mannheim) Dr. Fritz Wittmann Dr. Dionys Jobst Erika Reinhardt Dagmar Wöhrl Michael Jung (Limburg) Roland Richter Michael Wonneberger CDU/CSU Ulrich Junghanns Dr. Norbert Rieder Elke Wülfing Bartholomäus Kalb- Klaus Riegert Peter Kurt Würzbach Anneliese Augustin Steffen Kampeter Dr. Heinz Riesenhuber Cornelia Yzer Dietrich Austermann Dr.-Ing. Dietmar Kansy Hannelore Rönsch Wolfgang Zeitlmann Heinz-Günter Bargfrede Manfred Kanther (Wiesbaden) Benno Zierer Franz Peter Basten Volker Kauder Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Wolfgang Zöller 19778 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer SPD Dr. Norbert Wieczorek Helmut Heiderich Gerhard Neumann (Gotha) Helmut Wieczorek Dr. Harald Kahl Dr. Edith Niehuis Gerd Andres (Duisburg) Ortrun Schätzle Dr. Eckhart Pick Hans Berger Dieter Wiefelspütz Johannes Singhammer Joachim Poß Ursula Burchardt Uta Zapf Dr. Wolfgang Freiherr von Heinz Schmitt (Berg) Dr. Christoph Zöpel Dr. Michael Bürsch Stetten Dr. Emil Schnell Hans Martin Bury Peter Zumkley Gisela Schröter Hans Büttner (Ingolstadt) Richard Schuhmann Karl Diller SPD Peter Dreßen BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN (Delitzsch) Elke Ferner Freimut Duve Horst Sielaff Lothar Fischer (Homburg) Gerd Poppe Annette Faße Wolfgang Spanier Norbert Formanski Konrad Gilges Joachim Tappe Anke Fuchs (Köln) Uwe Göllner Lydia Westrich Iris Gleicke F.D.P. Alfred Hartenbach Günter Graf (Friesoythe) Dr. Liesel Hartenstein Dieter Grasedieck Ina Albowitz Gerd Höfer BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Achim Großmann Dr. Gisela Babel Thomas Krüger Karl Hermann Haack Günther Bredehorn Dr. Elke Leonhard Angelika Beer (Extertal) Jörg van Essen Ulrike Mascher Monika Knoche Manfred Hampel Gisela Frick Klaus Hasenfratz Paul K. Friedhoff Renate Blank (CDU/CSU) hat gemäß § 31 Abs. 2 GOBT er- ch Reinhold Hemker Horst Friedri klärt, an der Abstimmung nicht mitzuwirken. Erwin Horn Rainer Funke Eike Hovermann Dr. Wolfgang Gerhardt Wolfgang Ilte Joachim Günther (Plauen) Gabriele Iwersen Dr. Karlheinz Guttmacher Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die Jann-Peter Janssen Dr. Helmut Haussmann weitere Beratung. Ilse Janz Ulrich Heinrich Volker Jung (Düsseldorf) Walter Hirche Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent- Sabine Kaspereit Birgit Homburger schließungsantrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Susanne Kastner Dr. Werner Hoyer Ernst Kastning Ulrich Irmer Wolfgang Lohmann, Jürgen Möllemann und weiterer Hans-Peter Kemper Dr. Klaus Kinkel Abgeordneter auf Drucksache 13/9752. Wer stimmt Marianne Klappert Roland Kohn für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen! - Hans-Ulrich Klose Dr. Heinrich L. Kolb Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit Walter Kolbow Jürgen Koppelin der Mehrheit der Stimmen des Hauses aus den unter- Fritz Rudolf Körper Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann schiedlichen Fraktionen abgelehnt worden. Eckart Kuhlwein Dr. Otto Graf Lambsdorff Brigitte Lange Sabine Leutheusser Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungs- Dieter Maaß (Herne) Schnarrenberger Christoph Matschie Uwe Lühr punktes. Angelika Mertens Jürgen W. Möllemann Siegmar Mosdorf Günther Friedrich Nolting Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Dr. Rolf Niese Dr. Rainer Ortleb Doris Odendahl Lisa Peters Beratung der Großen Anfrage der Abgeordne- Leyla Onur Dr. Klaus Röhl Rudolf Purps Helmut Schäfer (Mainz) ten Uwe Hiksch, Achim Großmann, Otto Hermann Rappe Cornelia Schmalz-Jacobsen Reschke, weiterer Abgeordneter und der Frak- (Hildesheim) Dr. Edzard Schmidt-Jortzig tion der SPD Margot von Renesse Dr. Irmgard Schwaetzer Renate Rennebach Dr. Hermann Otto Sohns Zukunft der Bauwirtschaft Dr. Edelbert Richter Dr. Max Stadler Reinhold Robbe Carl-Ludwig Thiele - Drucksachen 13/6318, 13/7741 - Rudolf Scharping Dr. Dieter Thomae Dr. Hermann Scheer Jürgen Türk Dazu liegt je ein Entschließungsantrag der Frak- Horst Schild Dr. Wolfgang Weng tion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Günter Schluckebier (Gerlingen) nen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Guido Westerwelle ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich Dagmar Schmidt (Meschede) sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so Ottmar Schreiner beschlossen. Brigitte Schulte (Hameln) PDS Bodo Seidenthal (Vorsitz : Vizepräsident Hans-Ulrich Klose) Erika Simm Hanns-Peter Hartmann Johannes Singer Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Enthalten Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich eröffne die Dr. Peter Struck Aussprache. Das Wort hat der Kollege Otto Reschke, Jörg Tauss SPD-Fraktion. Jella Teuchner CDU/CSU Ute Vogt (Pforzheim) Josef Vosen Ulrich Adam - Otto Reschke (SPD): Herr Präsident! Meine sehr Reinhard Weis (Stendal) Albert Deß verehrten Damen und Herren! Man darf sich wirklich Matthias Weisheit Heinz Dieter Eßmann fragen, wie tief die deutsche Bauwirtschaft noch fal- Gunter Weißgerber Michaela Geiger Jochen Welt Manfred Grund len muß, bis diese Regierung endlich begreift, in Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19779

Otto Reschke welch katastrophaler Lage sich der Bausektor, die Die SPD-Fraktion hat ein Aktionsprogramm mit Bauwirtschaft insgesamt befindet. konkreten Vorschlägen vorgelegt, um die Rahmen- bedingungen in der Bauwirtschaft und für die Ar- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne beitsplätze zu verbessern: ten der PDS) Erstens. Wir müssen auf dem Arbeitsmarkt bei ille- Die Bauwirtschaft war in Deutschland immer Kon- galer Beschäftigung und Schwarzarbeit am Bau Ord- junkturlokomotive, bis 1994 im Westen und 1995 im nung schaffen. Osten der Absturz kam. 300 000 Bauarbeiter haben seitdem - in diesen etwas mehr als drei Jahren - ihre Zweitens. Wir müssen das Sozialdumping auf den Arbeitsplätze verloren. Auch in diesem Jahr stehen Baustellen beenden, das unseren Bauarbeitern keine wieder 100 000 Arbeitsplätze auf der Kippe. Es be- Chance läßt. steht erneut die Gefahr, diese Arbeitsplätze zu verlie- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ren. ten der PDS) (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das Das Mindestlohn- und Entsendegesetz hat kaum rührt den Kanzler überhaupt nicht!) Wirkung gezeigt. Das haben übrigens viele, die wis- send sind, schon vorausgesagt. Schon bei der Ab- Die Zahl der Insolvenzen und Konkurse steigt von schaffung des Schlechtwettergeldes hat die Regie- einem traurigen Rekord zum nächsten. Allein 1996 rung vorgeführt, wie kontraproduktiv ihre Politik ist - entfiel ein Viertel der rund 18 000 westdeutschen nach dem Motto: Koste es, was es wolle; wir sparen Konkurse auf die Baubranche. Im Osten übrigens ein, egal, was es hinterher kostet. waren es sogar 36 Prozent. Die aktuellen Zahlen des Bauhauptgewerbes für das letzte Quartal des Jahres (Beifall bei der SPD - Achim Großmann 1997 im Vergleich zu dem des Jahres 1996 bieten ein [SPD]: Der Flop des Jahres! - Dr.-Ing. Diet verheerendes Bild: Minus, minus, minus, und zwar mar Kansy [CDU/CSU]: Alte Platte, Herr ein Minus bei den Wirtschaftsbauten, beim öffentli- Reschke!) chen Bau und beim Wohnungsbau. Es ist keine Nachfrage mehr zu verzeichnen. Es zeigt sich, daß Ein drittes Stichwort, was die Rahmenbedingun- sich hier im Grunde genommen Schleifspuren der gen angeht: Die Ordnungs- und Wettbewerbspolitik hausgemachten Konjunktur niederschlagen. muß den Mittelstand stärken. Ihre Vorschläge für eine neue Vergabeverordnung, die die Auftragsver- Besser als wir kann dies natürlich der Hauptver- gabe an reine Generalunternehmen vorsehen, be- band der Bauindustrie beschreiben. Er sieht für 1998 deuten den Todesstoß für die mittleren und kleinen keine Anzeichen einer Besserung. Ich zitiere: Bauunternehmen in Deutschland. Trotz eines bereits extrem niedrigen öffentlichen (Achim Großmann [SPD]: So ist es! Sub, Investitionsniveaus müssen sich die im öffentli- sub, sub! - Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/ chen Bau tätigen Unternehmen auf den propor- CSU]: Die gibt es ja gar nicht!) tional größten Produktionsrückgang einstellen. Viertens. Wir brauchen vor allem verläßliche Rah- Im Wohnungsbau werden die Impulse aus dem menbedingungen, um die Baunachfrage zu versteti- Eigenheimbau auch 1998 nicht ausreichen, um gen und Arbeitsplätze zu sichern. Die Wohnungspoli- die Rückschläge im Geschoßwohnungsbau auf- tik dieser Bundesregierung hat entscheidend dazu zufangen. beigetragen, daß der Bauwirtschaft der Boden unter Ich bin der Auffassung - das möchte ich hier unter- den Füßen weggezogen wird. Schlagzeilen - und das streichen -: Die letzte Regierung Kohl redet seit gut sind ja nicht unsere Schlagzeilen - wie „Bonn würgt zwei Jahren über die Lage am Bau; getan hat sie den Wohnungsbau ab" treffen den Nagel auf den nichts. Kopf. Ich nenne nur in Stichworten, was dazu geführt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne hat, daß der Wohnungsbau abgewürgt worden ist: ten der PDS) Erhöhung der Grunderwerbsteuer, Verschlechterung Sie stiehlt sich bei der Bekämpfung der Baukrise aus der Abschreibungsbedingungen im Mietwohnungs- der Verantwortung. Die ständigen Vertröstungen auf bau, vor allem im Osten, eine baldige Erholung sind eine Verhöhnung der (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Auf Bauarbeiter, die auf den Baustellen auf Weiterbe- Vorschlag der SPD im Vermittlungsaus schäftigung hoffen, und sind eine Verhöhung derje- schuß!) nigen, die arbeitslos sind. Rückzug des Bundes aus dem sozialen Wohnungs- (Beifall bei der SPD) bau und Verunsicherung über die zukünftige steuer- liche Behandlung von Immobilien und Bauleistun- Das groß angekündigte Investitionsprogramm - gen. Gewerkschaften, Mieterbund und Baufirmen, über eine Woche aktuell und in Koalitionskreisen dis- Herr Kansy, schlugen Alarm, da die Steuerreform- kutiert - hat sich in dieser Woche als eine Lachnum- pläne der Regierung über 300 000 Arbeitsplätze im mer erwiesen. Die Bundesregierung schaut- tatenlos Baugewerbe gekostet hätten. Deswegen haben wir zu, wie „der Karren auf ein Riff fährt, daß es nur so auch nein zu dem gesagt, was Sie vorgelegt haben. kracht"; so Ignaz Walter, der neue Präsident des Hauptverbandes der Bauindustrie. (Beifall bei der SPD) 19780 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Otto Reschke Diese Politik ist die Ursache der Krise und der Ar- liarden DM an Sachinvestitionen, von denen zirka beitsplatzvernichtung in der Bauwirtschaft. 80 Prozent Baumaßnahmen sind. 1996 betrug diese Summe der kommunalen Sachinvestitionen nur noch Zur Verstetigung der Baunachfrage und der Bauin- 36 Milliarden DM. Nimmt man den Stand von 1992 vestitionen haben wir klare Vorgaben für die Zu- als Mindestbedarf an, so ist in den Jahren 1993 bis kunft. Wir fordern daher: 1997 ein Investitionsrückstand bei den Baumaßnah- Erstens. Der Wohnungsbau als wichtigste Säule men von insgesamt zirka 20 Milliarden DM entstan- der Bauwirtschaft darf nicht weiter eingeschränkt den. Diesen gilt es aufzulösen, sonst geht die Sub- werden. Der soziale Wohnungsbau muß auf einem stanz vor Ort in vielen Bereichen völlig vor die ausreichendem Niveau fortgeführt werden, und er Hunde. muß in Deutschland weiter gefördert werden. Wir treten für eine Reform der steuerlichen Förderung (Beifall bei der SPD - Dr.-Ing. Dietmar des frei finanzierten Mietwohnungsbaus ein. Wir Kansy [CDU/CSU]: Fangt mal bei der A 20 wollen und wir werden sicherstellen, daß Investitio- an!) nen in Wohnungen, Infrastruktur und Umwelt do rt Hier liegen, so meinen wir, Investitions-, Wachs- getätigt werden, wo sie dringend notwendig sind, tums- und Beschäftigungspotentiale brach, deren und nicht dort, wo die höchste Steuerersparnis lockt. Ausnutzung für den Standort Deutschland unver- (Beifall bei der SPD) zichtbar ist. Übrigens ist neben Bildung und Ausbil- dung eine hochwertige und leistungsfähige Infra- Die Eigenheimförderung muß zielgenauer werden. struktur das A und O unserer Wi rtschaft. Wenn darin Die Reformen der Eigenheimzulage hat sich zu ei- nicht mehr investiert wird, wenn die Bauten vor Ort nem Renner für die Baukonjunktur entwickelt; das zu Klamotten verkommen, wenn die Qualität sinkt, zweifelt niemand an. Doch Familien mit Einkommen werden ausländische Investoren fernbleiben und in- über 160 000 DM im Jahr brauchen in dieser Situa- ländische Investoren abwandern. tion keine staatliche Hilfe. Was hier zu sparen ist, soll den Schwellenhaushalten zugute kommen. Das ist Hören Sie also auf, den Ast, auf dem wir alle sitzen, unsere Auffassung. Nur so kann dauerhaft eine aus- weiter abzusägen! Stimmen Sie den Maßnahmen zur reichende und preiswerte Wohnraumversorgung für Verbesserung der Beschäftigung in der Bauwirt- breite Schichten gesichert und - das wollen wir - die schaft, die wir vorgeschlagen haben, zu! Stimmen Bauwirtschaft stabilisiert werden. Sie unserem Entschließungsantrag zu! Wir meinen, auf dieser Basis könnte Sinnvolles im Sinne der Bau- Zweites Stichwort unseres Forderungskatalogs: wirtschaft geschehen. Die Mittel zur Städtebauförderung müssen insbeson- dere für die alten Bundesländer aufgestockt und der Schönen Dank. Maßnahmenkatalog muß erweitert werden. 80 Millio- nen DM Städtebauförderung West jährlich seit 1991 (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne sind völlig unzureichend. ten der PDS) (Beifall bei der SPD - Achim Großmann [SPD]: Lachhaft!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Hansjürgen Doss, CDU/CSU. Es gibt in den Kommunen einen riesigen Bedarf an Investitionen, die durch eine deutlich verbesserte (Uwe Hiksch [SPD]: Er gibt dir jetzt recht, Städtebauförderung angestoßen werden müssen. Die Otto!) Städtebauförderung muß endlich zu einem Infra- strukturelement entwickelt werden. Hansjürgen Doss (CDU/CSU): Herr Präsident! Drittes Stichwort: Die Handlungsfähigkeit der Meine lieben Kollegen! Herr Reschke, ich gebe Ih- Städte und Gemeinden muß durch eine Gemeinde- nen zum Teil recht. Nur, der Bau braucht Reformen finanzreform wiederhergestellt werden. und keinen Aktionismus. Deswegen erlauben Sie (Achim Großmann [SPD]: Das ist überfällig!) mir, daß ich zu Ihren Ausführungen im Rahmen mei- ner Rede Stellung nehme. Die kommunalen Investitionen sind das Rückgrat öf- fentlicher Auftragsvergabe in der Bauwirtschaft. Na- Festzustellen ist, daß die Exportwirtschaft boomt hezu 70 Prozent aller öffentlichen Investitionen wer- und der Bau lahmt. So zerrissen, wie unsere Kon- den von Städten und Gemeinden getragen. Doch un- junktur ist, so unterschiedlich sind die Chancen und sere Städte und Gemeinden sind mittlerweile durch Probleme der einzelnen Sparten der Bauwirtschaft. Bundesgesetze in ihren Finanzspielräumen so einge- Im Wohnungsbau, den Sie ankurbeln wollen, haben schränkt, daß ihre Mittel nicht mehr zum Erhalt be- wir Leerstände; Sie wissen das. Hier wird in einem stehender Infrastruktur ausreichen. Bereich gefördert, in dem die Bedarfsdeckung im Grunde bereits ihre Grenzen erreicht hat. (Achim Großmann [SPD]: So ist das! - Wil helm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Genau!) (Achim Großmann [SPD]: Aber nur bei den hohen Mieten! Sie haben doch keine Ich will Ihnen zum Schluß an einem kleinen- Bei- Ahnung!) spiel aufzeigen, welch enormer Investitionsstau sich in unseren Städten und Gemeinden auftut. 1992 tä- - Statt gegen die Regierung gerichtete Polemik tigten die Kommunen in allen Ländern noch 46,8 Mil- schulden wir dem Bau Ehrlichkeit, eine saubere Ana- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19781

Hansjürgen Doss lyse und zielführende Reformen. Das darf der Bau sind gering genug. Da explodieren die Gewinne von uns erwarten. wahrlich nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall des Abg. Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU] und bei Abgeordneten der Der Wirtschaftsbau hat etwas mit der allgemeinen F.D.P.) Konjunkturlage zu tun; darüber haben wir heute morgen geredet. Wenn die Wirtschaft nicht läuft, Nicht diese Regierung - Ihr Lieblingsthema - ist an wenn die Rahmenbedingungen nicht so sind, wie wir allem schuld. schaftsbau sie brauchen, dann wird auch im Wi rt (Uwe Hiksch [SPD]: Aber sie ist an vielem nichts passieren. schuld!) Kollege Reschke, der öffentliche Bau macht rund - Das ist der Grund für die, sagen wir einmal, geistig 15 Prozent des Bauvolumens aus. Rund ein Siebtel nicht sehr Anspruchsvollen. Aber wir sollten lieber davon liegt in der Verantwortung des Bundes. Hier sachlich bleiben. - Vielmehr ist das Ende des Bau- rr-sind Länder, die durch einen tragischen Wähleri booms nach der deutschen Wiedervereinigung einer tum mehrheitlich in der Hand anderer Regierungen der Gründe. In dieser Zeit wurden 3,1 Millionen sind, und die Gemeinden gefordert. Wir sind nur mit Wohnungen neu gebaut. Die Bauinvestitionen er- einem Siebtel von 15 Prozent dabei. reichten 1995 das höchste Niveau der Nachkriegsge- Beim Verkehrswegebau sind die Voraussetzungen schichte. Das können Sie doch bei einem gewissen - auch das gehört zur Wahrheit - im Grunde genom- Maß an gutem Willen und Seriosität nicht leugnen. men gar nicht schlecht. Ich bin mit Ihnen der Mei- Die auf dem deutschen Markt tätige internationale nung, daß der Bau Schlüsselbranche und Seismo- Konkurrenz aus dem europäischen Ausland bringt graph der deutschen Wirtschaft ist. Sie haben recht: uns mit kostengünstigeren Bauleistungen in weitere Es muß uns alle bedrücken, daß die Baunachfrage in Bedrängnis. Verbote und Reglementierungen alleine Gesamtdeutschland, gemessen von Januar bis Okto- helfen da wenig. Wir müssen dafür sorgen - und das, ber 1997, mit minus 6,9 Prozent rückläufig ist. Wei- was in den Händen der Politik liegt, tun -, daß die tere Zahlen dazu erspare ich mir. Bauwirtschaft in Deutschland wieder wettbewerbsfä- higer wird. Die Ertragslage ist äußerst angespannt. Das Brut- toergebnis der westdeutschen Bauwirtschaft ist seit (Uwe Hiksch [SPD]: Genau das habe ich 1994 um zwei Drittel gesunken. Die Umsatzrenditen gesagt!) sind um 2,5 Prozent zurückgegangen und liegen heute bei weniger als einem Prozent. Es hat über- Viele Konkurse, die wir heute haben, sind An- haupt keinen Sinn, diese Tatsachen zu leugnen. schlußkonkurse. Zu ihnen kommt es dann, wenn ein Großer in Konkurs geht und der Kleine nicht die (Achim Großmann [SPD]: Wäre ja auch Kraft hat, zu überleben. Die Eigenkapitalquote ist noch doller!) verheerend. Wir sind dort unterschiedlicher Auffassung, wo Sie (Achim Großmann [SPD]: Das ist das Sub meinen, diesen Strukturproblemen mit Aktionismus subsubsystem!) begegnen zu können. - Zum Beispiel. (Achim Großmann [SPD]: Mit Aktionismus nicht, aber mit einer neuen Regierung!) Es ist im übrigen einfach unzutreffend - ich sage es Ihnen einmal in dieser eleganteren Form -, wenn Sie - Entschuldigung, ich weiß, wovon ich rede: Ich habe uns unterstellen, daß wir mit Generalunternehmern noch einen bürgerlichen Beruf, der etwas mit dem die Zukunft gewinnen wollten. Wir kämpfen mit Bau zu tun hat. Und darüber hinaus verantworte ich Nachdruck darum, daß in Einzellosen ausgeschrie- das, was ich tue, noch. Das heißt, ich weiß absolut, ben und vergeben wird. Es gibt genug Beispiele, die wovon ich rede. dies belegen. Aber es gehört einfach dazu, daß Sie solche Unterstellungen vortragen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Einige der Ursachen sind durchaus auch von unse- rer Seite beeinflußbar: das Bruttolohnniveau - ich In einigen Bereichen gibt es Überkapazitäten, weil sage das ausdrücklich, damit nicht wieder der Ver- der Markt gesättigt ist. Die Auslastung der Bet riebe hetzungsvorwurf erhoben wird; das Nettolohnniveau sinkt. Das ist unbestreitbar. Die Zahl der Konkurse ist ist nicht das Problem -, die Produktivität, die Lohnzu- beängstigend. Ursächlich ist, daß die Eigenkapital- satzkosten, die Steuer- und Abgabenlast und auch basis der Betriebe so schwach ist und die Renditen so die rechtlichen Rahmenbedingungen. gering sind. Der von Ihnen eben zitierte Ignaz Walter, Präsident Wenn ich mit sozialdemokratischen Bürgermei- des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, stem in meinem Wahlkreis rede, dann höre ich: „Die hat folgende Zahlen genannt: Der Stundenlohn eines Gewinne explodieren, und dann schmeißen- die noch einheimischen Baufacharbeiters liegt bei 24,95 DM. die Leute raus." Sie sollten sich entscheiden, was Sie Die Lohnzusatzkosten betragen 27,75 DM. Das be- wollen. Ich sage Ihnen: Die Erträge unserer auf dem deutet, daß wir einen Mittellohn von 53 DM haben. heimischen Markt tätigen mittelständischen Bet riebe Der Mitarbeiter erhält 14,32 DM. 19782 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Hansjürgen Doss Der Stundenlohn eines portugiesischen Baufachar- wir etwa 200 Millionen DM dazugelegt. Ich bin dar- beiters - das ist einfach die Realität, damit haben wir über sehr froh. Eine der teuersten Handwerkerstun- zu leben - beträgt 16 DM; im übrigen nach gelten- den ist nämlich die Stunde, in denen der Handwer- dem Recht. Die Lohnnebenkosten betragen bei ihm ker im Stau steht, und das tut er morgens und 6 DM. Der Mittellohn liegt bei 22 DM. Der Mitarbei- abends. Deswegen bin ich der Meinung, daß wir die- ter erhält 12 DM. Das heißt, wir müssen mit 53 DM sen Stau auflösen müssen. Deswegen brauchen wir Mittellohn konkurrieren, wobei der deutsche Fach- noch viele Ortsumgehungen, gut ausgebaute Land- arbeiter lediglich 14,32 DM bekommt, während der straßen, damit der Verkehr flüssig rollt und die Men- Portugiese 22 DM Mittellohn kostet und 12 DM auf schen zu ihrer Arbeit und die Güter an ihr Ziel kom- die Hand bekommt. men. (Uwe Hiksch [SPD]: Wegen Ihrer unsoliden (Zustimmung bei der CDU/CSU und der Steuerpolitik!) F.D.P.) - Ach, hören Sie doch auf! - Das ist ein Problem, das Deshalb sage ich: Offensiv in den Straßenbau! Da nicht gelöst ist. Da besteht gar keine Chance für den gibt es noch eine ganze Menge Möglichkeiten. Die Wettbewerb. Wenn dann zum Beispiel einer der gro- Bundesregierung hat an dieser Stelle investiert. ßen Betriebe diese Mitarbeiter beschäftigt, werden alle anderen, wollen sie im Wettbewerb bestehen, Es ist absolut unmöglich, in der Kürze der Zeit die überhaupt nicht umhinkommen, ähnliches zu ma- vielfältigen Probleme des Baues hier abzuhandeln. chen. Das ist der Teufelskreis. Deswegen müssen die Ich sage Ihnen nur eines: Der Schlüssel zu allem deutschen Lohnkosten gesenkt werden, und zwar (Achim Großmann [SPD]: Ist der Regie die Bruttolohnkosten, nicht die Nettolohnkosten; rungswechsel!) denn die sind gerade niedrig genug. sind nicht kurzfristige Programme, Strohfeuer, Inve- Ein Mühlstein am Hals - das sollten Sie wissen; ich stitionen in Bereichen, wo kein Bedarf besteht, son- weiß nicht, ob Sie es wissen - ist die Höhe der Lohn- dern der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Entlastung zusatzkosten. Sie liegt bei uns auf dem Bau bei der arbeitenden Menschen und der Bet riebe. Wir 113 Prozent. Ansonsten liegen sie im Durchschnitt sollten uns daranmachen. bei 85 Prozent. Daran sehen Sie, wie wichtig es ist, daß hier reformiert wird. Ich will ebenfalls erwähnen, daß wir das eine oder Ich will noch etwas gegen den weitverbreiteten andere gemacht haben, was mir nicht gefällt. Das zu Eindruck sagen, bei uns gehe die Arbeit aus. Das sagen gehört zur Ehrlichkeit. Das sage ich für mich wird immer wieder erzählt. Wir haben allein 550 Mil- persönlich. Ich meine zum Beispiel, daß wir Bet riebe, die im Wettbewerb stehen, mit liarden DM Umsätze im Bereich der Schwarzarbeit. bürokratischen Auf- lagen 550 Milliarden - das müssen Sie sich einmal auf der belasten, wie zum Beispiel durch die Einfüh- Zunge zergehen lassen. Überlegen Sie einmal, wie rung eines Sicherheitskoordinators am Bau. viele Arbeitsplätze das sind! Ich behaupte, daß diese (Zuruf von der SPD: Das werde ich meinem Schwarzarbeit nicht in erster Linie deswegen nach- Vater sagen, dem Innungsmeister!) gefragt wird, weil die Deutschen so kriminell gewor- den sind, sondern wir haben ihnen durch zu hohe La- Anstatt daß wir die Bauwirtschaft entlasten, bringen sten auf den Faktor Arbeit den Spaß an der legalen wir solche Dinge, die Kosten verursachen. Arbeit verdorben. Ich erwähne weiter vergabefremde Vorgaben bei (Uwe Hiksch [SPD]: Das ist ja ein Blödsinn!) öffentlichen Aufträgen. Etwas, das gut gemeint ist, ist immer etwas Schlechtes. Besser wäre es, wenn Deswegen sage ich Ihnen nochmals: Die Kosten müs- man so etwas der freien Vereinbarung überläßt. In sen gesenkt werden. diesem Sinne haben wir ja auch vorhin abgestimmt. Weil Sie so freundlich waren, noch einmal auf die Die Handwerksmeister in Deutschland haben deswe- Steuerreform aufmerksam zu machen: Ich halte das, gen mehr Lehrstellen geschaffen, weil man an ihre was die Opposition betrieben hat, tatsächlich für un- Ehre - das ist etwas sehr Altmodisches - appelliert verantwortlich. Wir haben im Deutschen Bundestag hat. das Steuerreformkonzept, das ein wesentlicher (Gert Willner [CDU/CSU]: Und an ihre Ver Schritt gewesen wäre, beschlossen, und die gleichen antwortung! - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] Genossen haben es dann im Bundesrat blockiert. Das [SPD]: Dann ist die Industrie also ohne ist eine fast geschichtliche Schuld, die Sie auf sich Ehre? - Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist geladen haben. aber schlimm, wenn Sie die Indust rie als (Widerspruch bei der SPD) ehrlos bezeichnen!) Sie blockieren Reformen und beklagen dann die Deswegen hat man in diesem Bereich Leute einge- Konsequenzen aus dieser Tatsache. Ich halte das stellt - und nicht deswegen, weil man sie dazu ge- wirklich für unerträglich. zwungen hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Ich bin der Meinung, daß wir im Bereich des Stra- Ich halte eine bundesweite Sperre für öffentliche ßenbaus noch Chancen haben. Dort sind auch die In- Aufträge bei Wettbewerbsverstößen für genauso ver- vestitionen nicht rückläufig. Darüber hinaus haben kehrt. Herr Staatssekretär, darüber wird zur Zeit in Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19783

Hansjürgen Doss Ihrem Haus nachgedacht; ich empfehle dringend, Insbesondere in Ostdeutschland hat sie mit dem daß man das sofort vom Tisch nimmt. Jemand, der Fördergebietsgesetz die Bauwirtschaft kurzzeitig gegen ein Wettbewerbsgebot verstößt, gehört ge- aufgebläht und führt mit dem abrupten Abbau der straft. Aber daß ein größeres Unternehmen, dessen Steuervorteile nun den Absturz der Branche herbei. selbständige Niederlassung in Schleswig-Holstein Gleichzeitig verniedlicht die Bundesregierung die möglicherweise gegen eine Wettbewerbsregel ver- Probleme der Arbeitslosigkeit und der Lohndrückerei stoßen hat - ich bin ja nicht gerade der Lobbyist die- in der Bauwirtschaft und ignoriert ihre eigene Mit- ser Großunternehmen -, in München keine Aufträge verantwortung durch den halbherzigen Umgang mit mehr bekommen soll, das ist eine Art von Sippenhaft, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und der Einfüh- die ich nicht gut finde. rung von Mindesttarifen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Man sollte solche Überlegungen wirklich zurückstel- len und sollte Entlastungen überall dort, wo sie mög- Dabei geht es um zahlreiche Arbeitsplätze. Die lich sind, sobald wie möglich und so weit wie möglich 219 000 Unternehmen im Bauhauptgewerbe und im herbeiführen. Ausbaugewerbe beschäftigen 2,5 Millionen Mitar- beiter. Dabei verfügen die großen Baukonzerne über In diesem Sinne glaube ich, daß die Rahmenbedin- gerade einmal 90 000 Arbeitsplätze. Die Bauwirt- gungen zu verändern das Gebot der Stunde ist. Wir schaft ist überwiegend mittelständisch organisiert brauchen keinen kurzatmigen Aktionismus, der der und daher besonders anfällig. wirklich bedrängten Bauwirtschaft nicht hilft, son- dern sie nur belastet, weil das letztendlich nur Wege Die Investitionen gingen 1996 um 2,7 Prozent zu- in die falsche Richtung sind. rück, die der öffentlichen Hand sogar um 6,8 Prozent, 1997 nochmals um 2,5 Prozent. Für 1998 erwartet der Ich bedanke mich für die freundliche Begleitung Hauptverband der Bauindustrie gleiches. meiner Rede durch meine sozialdemokratischen Kol- legen. In den vergangenen Jahrzehnten waren die Inve- stitionshaushalte von Bund, Ländern und Gemeinden (Otto Reschke [SPD]: Haben wir gern der Nachfragemotor für die Bauwirtschaft. Dies wird gemacht!) in Zukunft anders sein. Bund und Länder können die Es ist immer gut, wenn man sieht, wie Sie dazuler- bisherigen Fördervolumina nicht mehr aufrechterhal- nen. ten. Die Folgen dieser Politik waren ein rasanter An- stieg der Bodenpreise, hohe Zersiedelungseffekte, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - falsche Signale an die Bauwirtschaft. Die falschen In- Lachen bei der SPD) vestitionsentscheidungen der Vergangenheit sind ein wesentlicher Grund dafür, daß die öffentlichen Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Haushalte den Erfordernissen langfristiger wirt- Kollege Helmut Wilhelm, Bündnis 90/Die Grünen. schaftlicher und ökologischer Stabilität nicht mehr genügen. Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE Die bisherige Politik kann also weder aus ökologi- GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Her- schen noch aus ökonomischen Gesichtspunkten fo rt ren! Die deutsche Bauwirtschaft befindet sich auf ei- -gesetzt werden. Die Ausgabenpolitik der öffentlichen ner dramatischen Talfahrt. Die Zahl der Konkurse hat Hände muß sich am Prinzip der Zukunftsfähigkeit einen ähnlich traurigen Rekord erreicht wie die Höhe orientieren. Die Förderung überflüssiger Groß- und der Arbeitslosigkeit. Prestigeprojekte darf nicht weitergeführt werden. Der kostenträchtige Ausbau des Straßennetzes Die Krise der Bauwirtschaft ist eine strukturelle Krise. Lange Zeit prosperierte die Bauwirtschaft in (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Aha!) den wirtschaftlichen Wachstumsjahren der Nach- muß einen neuen Aufgabenschwerpunkt im Bau- kriegszeit. Sie war damit nicht zu Anpassungen, Um- erhalt und der Reparatur zeigen. stellungen und Modernisierungen gezwungen. Die Bundesregierung spricht von einem Zusammenwir- (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sollen wir nun ken konjunktureller und struktureller Komponenten bauen oder nicht?) und sagt lapidar: Ab 1998 dürfte die Baubranche dann wieder auf einen günstigeren Entwicklungs- Einen generellen großen Ausbaubedarf der Ver- kurs einschwenken. Diese Antwort zeigt, daß die kehrsinfrastruktur gibt es hingegen im Bereich der Bundesregierung die strukturelle Bedingtheit der Eisenbahnen. Krisenerscheinungen und die reale Krisensituation in Beim sozialen Wohnungsbau ist wichtig: Sicherung der Bauwirtschaft unterschätzt und sie vorwiegend der Bestände und der sozialen Bindungen, langfri- als konjunkturbedingte Erscheinung deutet. stige Vermögensbindung, Aufbau einer zielgruppen- (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!) genauen Förderung. Die steuerliche Wohnbauförde- rung ist zu ersetzen durch ein Konzept von Bauzula- Die Bundesregierung betreibt eine äußerst unste- gen. Für die Bauwirtschaft ergeben sich dabei deut- tige Bauförderpolitik. - lich neue Tätigkeitsfelder. (Uwe Hiksch [SPD]: Das ist freundlich aus Vom Neubau zur Bestandserneuerung: Zirka gedrückt!) 80 Prozent des Bruttoanlagevermögens der deut- 19784 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Helmut Wilhelm (Amberg) schen Volkswirtschaft sind in Bauwerken aller A rt Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der gebunden. Seine Pflege rückt aus umweltpolitischer Kollege Hildebrecht Braun, F.D.P. und volkswirtschaftlicher Sicht immer mehr in den Mittelpunkt. Umbau und Modernisierung sind ar- (Augsburg) (F.D.P.): Herr Präsi- beitsintensiv. Der Lohnkostenanteil ist hierbei beson- Hildebrecht Braun dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der ders hoch. Schon heute erweist sich nicht der Neu- Beitrag von Herrn Reschke hat deutlich gemacht, wie bau, sondern die Werterhaltung als Stabilisator der unterschiedlich die Rezepte für einen Sachverhalt Branche. Mit dem wechselnden Bestand an Bauwer- sind, den wir alle ganz gut kennen. Herr Reschke for- ken, dem zunehmenden Alter, steigenden Ansprü- dert - wen nimmt es wunder? - mehr Geld vom Staat. chen und wandelnden Nutzerbedürfnissen wächst Herr Reschke sagt: Der Wohnungsbau darf nicht die Nachfrage nach kleinteiligen Bauleistungen. mehr zurückgeführt werden. An wen richtet er sich Eine große Zukunftschance bieten bauliche Sanie- eigentlich? Hier debattiert der Gesetzgeber. Die rungen. Mit einer Mark öffentlicher Mittel werden Wohnungen werden aber von P rivaten gebaut. bei städtebaulichen Sanierungen p rivate Investitio- Tatsache ist, daß genau die andere Botschaft rich- nen in mehrfacher Höhe angestoßen. Mit einem jähr- tig wäre: Wie können wir es schaffen, daß die Bau- lichen Programmvolumen von 1 Milliarde DM könn- wirtschaft weniger abhängig wird vom Staat? ten 80 000 bis 100 000 Arbeitsplätze gerade bei Bau- unternehmen, bei mittelständischen Unternehmen in (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) der Region gesichert werden. Die Refinanzierung er- folgt aus anfallender Mehrwert- und Lohnsteuer auf Das wäre das richtige Rezept. Bisher muß doch der dem Fuße. Eindruck entstehen, der Bundesfinanzminister sei der eigentliche Bauminister; denn von den Entschei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dungen in der Finanzpolitik hängt ab, was sich im Baubereich tut und was nicht. Das zeigt diese unge- Erneuerung von Infrastruktur und städtischen Bra- sunde Abhängigkeit vom Staat statt vom Markt. Die chen ist zwingend geboten. Neue planerische, orga- führt zu diesen Ausschlägen in der Bauwirtschaft: nisatorische und technische Aufgabenfelder bieten Riesenproduktion und dann ein Abfallen in ein Tal, sich in diesem Bereich. Weitere Aufgabenfelder für das der Bauwirtschaft und speziell ihren Mitarbeitern die Bauwirtschaft zeigen die dringend notwendige überhaupt nicht guttut. Erneuerung und Bestandspflege kommunaler Infra- strukturen. Denken Sie doch an folgendes: 1990 hatten wir in Deutschland 200 000 fertiggestellte Wohnungen. Bis Durch ein konsequentes Klimaschutzprogramm zum Jahr 1995 stieg die Zahl der fertiggestellten mit Verschärfung der Wärmeschutzverordnung und Wohnungen rapide auf 600 000 an. Ein solcher An- dergleichen mehr könnten deutliche Sanierungsakti- stieg, führt natürlich dazu, daß viele neue Bet riebe vitäten von 100 Milliarden DM ausgelöst werden. gegründet werden, daß viele neue Mitarbeiter einge- Auf die Dauer können damit 120 000 Arbeitsplätze stellt, angelernt, ausgebildet werden. Jetzt sinkt die erhalten oder geschaffen werden. Bauen und Sanie- Zahl der Neubauwohnungen ganz natürlich. Warum? ren mit ökologischen Baustoffen, die teils hochwerti- Weil wir im statistischen Durchschnitt nur 470 000 ger sind als die konventionellen, sind erforderlich. Es und nicht 600 000 Wohnungen pro Jahr brauchen. besteht also Handlungsbedarf. Wenn wir einige Jahre mehr Wohnungen bauen, Wir fordern die Bundesregierung auf, die Chancen als nachgefragt werden, wird es eine ganz normale der Bauwirtschaft zu erkennen, den Wandel voranzu- Marktreaktion geben: Die Zahl der Neubauwohnun- treiben und richtige Rahmenbedingungen zu setzen. gen wird deutlich sinken. Die Zeche dafür zahlen Das sind ökologisch soziale Steuerreform, eine Mit- aber in erster Linie die Mitarbeiter der Bauwirtschaft, telstandspolitik, die einen besseren Zugang zu Risi- die dann nämlich wieder ausgestellt werden müssen, kokapital verschafft, ein transparentes, zielgerichte- weil die Betriebe keine Arbeit mehr haben. tes Fördersystem, eine Wettbewerbspolitik, die die Deswegen muß es das Ziel vorausschauender Bau- Kooperation kleiner und mittelständischer Unterneh- politik sein, daß wir die Feinsteuerungsmechanis- men fördert, und eine Handwerksreform, die Zu- men besser im Griff haben, damit die Ausschläge gangsvoraussetzungen für die Gründung einer selb- nach oben und nach unten geringer ausfallen. Konti- ständigen Existenz erleichtert, sowie eine Umwelt-, nuierliche Beschäftigung ist das Ziel der Bauwirt- Forschungs- und Technologiepolitik, welche den Be- schaft. Das liegt im Interesse aller. reich des ökologischen Bauens als einen der großen Zukunftsmärkte erkennt. (Zustimmung bei der CDU/CSU) Notwendig sind - damit komme ich zum Schluß - Wir haben immer wieder folgendes Problem ge- ökonomische und arbeitsmarktpolitische Regelun- habt: Mit viel Aufwand, mit viel Geld wurden exzel- gen, die Lohn- und Sozialdumping, Scheinselbstän- lente deutsche Facharbeiter herangezogen. Dann digkeit und illegale Leiharbeit vermeiden. fehlten die Aufträge. Man konnte diese Facharbeiter nicht halten. Sie wande rten in andere Branchen ab Ich danke. und kehrten auch dann nicht zurück, als sie wenige Jahre später wieder gebraucht wurden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Worauf will ich hinaus? Würde der Markt diesen PDS) Bereich regulieren wie andere Bereiche der Wirt- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19785

Hildebrecht Braun (Augsburg) schaft, hätten wir diese Ausschläge nicht. Warum? Dabei muß man berücksichtigen, daß die Bauwirt- Weil wir in kaum einem Teilbereich der Wi rtschaft schaft einen zentralen Platz in unserer Volkswirt- eine so kontinuierliche Nachfrage haben wie im schaft einnimmt, und das nicht allein, weil hier fast Wohnungsbau. Diese ist der wesentliche Faktor im jeder zwölfte Beschäftigte Arbeit findet. Wichtiger gesamten Baubereich. ist, daß an jeder Mark, die für den Bau ausgegeben wird, ein zweieinhalbmal so hohes Produktionsvolu- (Achim Großmann [SPD]: Keine Nettolohn men in den vor- und nachgelagerten Branchen zuwächse, keine Nachfrage!) hängt. Wir haben seit 40 Jahren eine kontinuierliche Ent- Aber - und das macht das Thema heute so interes- wicklung: Pro Person wird pro Jahr etwa ein halber sant - die Lage in der Bauwirtschaft ist auch ein zu- Quadratmeter Wohnfläche zusätzlich nachgefragt. verlässiger Indikator für den Zustand der gesamten Daraus errechnen sich die 470 000 neuen Wohnun- Volkswirtschaft. Nirgendwo wird die Schwäche der gen, die wir pro Jahr für unsere Bevölkerung brau- Binnenwirtschaft so deutlich wie auf dem Bausektor. chen. Wenn aber über Jahre hinweg - wie Ende der Nirgendwo anders läßt sich die Schwäche der gegen- 80er Jahre - nur zwischen 200 000 und 300 000 Woh- wärtigen Wirtschafts- und Finanzpolitik so unver- nungen gebaut werden, ergibt sich ein kurzfristiger fälscht studieren wie in der Bauwirtschaft. Nachfrageboom. Die Bundesregierung kann sich in ihrer Antwort (Achim Großmann [SPD]: Wer war denn da auf die Anfrage der SPD nicht damit herausreden, Bauministerin?) daß sich die Bauwirtschaft in einem strukturellen An- Wenn dieser steuerlich gefördert wird, kommt er ent- passungsprozeß befindet. Die Bauwirtschaft hat nur sprechend schneller. erhebliche Schwierigkeiten, sich an diese, Ihre Poli- tik anzupassen. Einerseits leidet sie unter dem drasti- Wir haben das Problem, daß über die steuerliche schen Rückgang öffentlicher Investitionen. Anderer-

Förderung investitionsfremde Erwägungen in die seits ist sie mit einem Lohn - und Sozialdumping kon- Kalkulation einfließen. Man will nicht die normale frontiert, das mehr an das 19. als an das kommende Rendite, sondern die steuerlichen Vorteile aufneh- 21. Jahrhundert erinnert. men. Das führt notwendigerweise zu Fehlentwick- lungen, das geht am Markt vorbei. Das führt zu Leer- (Beifall bei der PDS) ständen speziell im Gewerbebau, die uns überhaupt Fast genau vor zehn Jahren veröffentlichte das Ifo nicht guttun und die zu diesem Absacken speziell in Institut eine Studie, nach der ein Bedarf an Baulei- den neuen Bundesländern führen. stungen bis zum gegenwärtigen Jahr in der Größen- (Achim Großmann [SPD]: Wer ist denn jetzt ordnung von rund 2000 Milliarden DM veranschlagt für die steuerliche Förderung zuständig?) wurde. Obwohl sich dieser Bedarf mit der deutschen Einheit noch erheblich erhöhte, ist gerade einmal die Diejenigen, die draufzahlen, sind die Mitarbeiter Hälfte davon abgearbeitet worden. und die Betriebe in der Bauwirtschaft. Deswegen ist ein Umsteuern in der Baupolitik hin zu weniger Staat Ein entscheidender Grund für diese mangelhafte und zu mehr Markt dringend veranlaßt. Dann hätten Befriedigung des Baubedarfs liegt auf der Hand: Wir wir die Entwicklung, die die Bauwirtschaft braucht, müßten über keine Krise in der Bauwirtschaft reden, nämlich eine kontinuierliche Entwicklung zugunsten wenn sich die öffentliche Bautätigkeit am wirklichen aller in diesem Bereich Beteiligten. Bedarf orientieren könnte. Das tut sie nicht, und ins- besondere die Kommunen können das nicht, weil die Vielen Dank. Haushalts- und Finanzpolitik dieser Bundesregie- rung auf der einen Seite Steuergeschenke in dreistel- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) liger Milliardenhöhe verteilt und auf der anderen Seite öffentliche Investitionen zugunsten der Maas- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der trichter Konvergenzkriterien abwürgt. Kollege Manfred Müller, PDS. Immerhin ist die Bundesregierung so ehrlich, selbst zuzugeben, daß jeder dritte Arbeitsplatz, der in den Manfred Müller (Berlin) (PDS): Herr Präsident! vergangenen Jahren in der Bauwirtschaft beseitigt Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als die Bundesre- wurde, auf das Konto rückläufiger öffentlicher Inve- gierung im Mai letzten Jahres in ihrer Antwort auf stitionen geht. Aber das sollte sie dann ehrlicher- die Große Anfrage der SPD eine Verschlechterung weise auch den arbeitslosen Bauarbeitern sagen, daß der Lage in der Bauwirtschaft prognostizierte, lag sie nämlich jeder Dritte seine Arbeitslosigkeit der Politik ausnahmsweise einmal richtig: Die Lage hat sich ver- dieser Bundesregierung und keiner abstrakten schlechtert, und sie wird sich weiter verschlechtern. Strukturkrise verdankt und daß schon gar nicht - wie es auch heute wieder angeklungen ist - die Einkom- Gestern meldete das „Handelsblatt", daß die Bau- mensbedingungen der Beschäftigten schuld an der industrie für dieses Jahr mit einem Verlust von weite- Massenarbeitslosigkeit auch auf dem Bau sind. ren 70 000 bis 100 000 Arbeitsplätzen rechnet. Heute erfuhren wir von der Bundesanstalt für Arbeit,- daß Diese Regierung ist auch an dem auf deutschen die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter seit dem letzten Baustellen wuchernden Lohn - und Sozialdumping Monat von 288 000 auf 368 000 - also um rund ein nicht schuldlos. Die Entsenderichtlinie der Europäi- Drittel - gestiegen ist. schen Union ist von Ihnen auf eine Weise umgesetzt 19786 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Manfred Müller (Berlin) worden, die das Wort „unzureichend" zu einer maß- lege Reschke hat es gesagt - kippte die Baukonjunk- losen Untertreibung macht. tur allerdings. Seit dieser Zeit geht es mit der Bau- wirtschaft bergab. Der Kollege Wilhelm hat von einer Erstens ist das Entsendegesetz in seinem Kern Talfahrt gesprochen. Um im Bild zu bleiben: Wir er- wertlos, weil die Höhe des gesetzlichen Mindestloh- warten für dieses Jahr, daß die Talsohle zumindest im nes der Willkür der Bundesvereinigung der Arbeitge- Westen erreicht wird. berverbände überlassen bleibt. Ohne selbst Tarif- partner zu sein, entscheiden die BDA-Funktionäre Dabei ist das Bild, das die Bauwirtschaft bietet, al- über den auf deutschen Baustellen zu zahlenden lerdings nicht einheitlich. Das betrifft sowohl die ein- Mindestlohn. Wie bereits vom Bundesrat beantragt, zelnen Bausparten als auch die Entwicklungen im sollte sich der Bundesarbeitsminister künftig bei ei- Westen beziehungsweise im Osten. Im Bereich des nem Patt im Tarifausschuß über die Blockadehaltung Wohnungsbaus gibt es zur Zeit im Eigenheimbau der Arbeitgeber hinwegsetzen und die Allgemein- positive Impulse. Es ist zu erwarten, daß der Wi rt verbindlichkeit von sich aus erklären können. -schaftsbau in diesem Jahr dem allgemeinen Auf- schwung folgen wird. Auch der öffentliche Bau (Beifall bei der PDS und der SPD) dürfte etwas - wenn auch nur leicht - zunehmen. Zweitens sind die durch Lohndumping oder ille- Betrüblicher sind die Aussichten allerdings im gale Beschäftigung zu erzielenden Gewinne so hoch Osten. Dort ist nach dem Boom infolge der Vereini- und die kassierten Bußgelder so niedrig, daß sie of- gung mit weiterer Abkühlung zu rechnen. Herr Kol- fensichtlich alles mögliche bewirken - nur keine Ab- lege Wilhelm, ich halte es aber schon für richtig, daß schreckung. Nach Mitteilung der Bundesregierung wir den Bau zum Motor der Entwicklung in den wurden im Jahr 1996 von April bis Dezember 6661 neuen Bundesländern gemacht haben und daß der Verstöße mit Werkvertragsarbeitnehmern geahndet. Nachholbedarf an modernen Wohnungen gedeckt Die Bußgeldeinnahmen betrugen 3,54 Millionen DM. worden ist. Es mußte aber jedem klar sein, daß sich Das sind pro Fall sage und schreibe 531 DM. diese Entwicklung nicht auf Dauer so fortsetzen (Uwe Hiksch [SPD]: Das ist ein Skandal!) konnte. Ich nehme einmal an, daß die durch Lohndumping Es geht allerdings nicht, auf der einen Seite laut oder illegale Beschäftigung zu erzielenden Gewinne das Schließen von Steuerschlupflöchern zu fordern das Zehn- bis Zwanzigfache betragen. und auf der anderen Seite zu beklagen, daß in den neuen Bundesländern bestimmte steuerliche Rah- Drittens ist nach Angaben der Gewerkschaft menbedingungen nicht auf Dauer fortgelten können. Bauen-Agrar-Umwelt ein großer Teil des Sozial- dumpings trotz intensiver Kontrolle überhaupt nicht (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) feststellbar, weil nicht überprüft wird, ob für die ent- Insgesamt ist die Durststrecke der Bauwirtschaft sendeten Arbeitnehmer in ihren Heimatländern tat- noch nicht überwunden. Auch die Beschäftigung am sächlich Sozialversicherungsbeiträge und Lohn- Bau ist weiter rückläufig. steuer abgeführt werden. Dazu bedarf es europäi- scher Regelungen, wie sie die IG Bau seit langem for- Diese von mir beschriebene gegenwärtige Schwä- dert. chephase der Bauwirtschaft stellt auch an die Wi rt -schaftspolitik besondere Anforderungen. Wir sind in (Uwe Hiksch [SPD]: Und der SPD-Antrag!) diesem Bereich nicht untätig geblieben. Ich will das Aus all den genannten Gründen werden wir uns an drei Aktionsfeldern aufzeigen. den Entschließungsanträgen der SPD-Fraktion sowie dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen anschlie- Erstens. Der Kollege Wilhelm hat von einer unsteti- gen Politik der Bundesregierung gesprochen. Das ßen. will ich ausdrücklich zurückweisen. Wir sind davon Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. überzeugt, daß es wichtig ist, die Bauinvestitionen zu verstetigen. Das ist der Grund dafür gewesen, warum (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne die Bundesregierung im März 1997 das „Konzept zur ten der SPD) Verstetigung beschäftigungsfördernder Investitio- nen" beschlossen hat. Dieses Programm ist gut auf- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der genommen worden: Der zur beschleunigten Umset- Staatssekretär Kolb. zung öffentlicher Bauvorhaben vorgesehene Kredit- rahmen von über 20 Milliarden DM ist bisher zu zwei (Uwe Hiksch [SPD]: Da muß ich mitschrei Dritteln beansprucht. Wir gehen davon aus, daß das ben!) die Beschäftigung von rund 100 000 Bauarbeitneh- mern gesichert hat und weiter sichern wird. Weiter- Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- hin haben wir mit dem Programm auch die private desminister für Wi rtschaft: Herr Präsident! Liebe Kol- Wohnraummodernisierung gefördert und die Mög- leginnen und Kollegen! Kollege Hiksch, es lohnt sich lichkeit zur privaten Finanzierung zur Förderung von immer mitzuschreiben. öffentlichen Investitionen verbessert. Bis 1995 hatte die Bauwirtschaft eine- lange Auf- Das Neue und für mich besonders Wichtige ist, daß wärtsphase. Diese wurde 1990 durch die deutsche das alles ohne neue Belastungen des öffentlichen Einheit und den Aufbau der neuen Länder sogar Haushalts geschieht. Darin liegt der wichtigste Un- noch verstärkt. Im Laufe des Jahres 1995 - der Kol- terschied zu den Ausgabenprogrammen der 70er- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19787

Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb Jahre. Durch Schulden finanzierte staatliche Ausga- auch ineffiziente Bauweisen, hohe Bodenkosten und benprogramme sind kein tauglicher und gerade in gesetzliche Vorschriften, die das Bauen verteuern. der jetzigen Haushaltssituation kein gangbarer Weg der Wirtschaftspolitik. Mit den zum 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Vorschriften des neuen Baugesetzbuches werden flä- (Beifall bei der F.D.P.) chen- und kostensparendes Bauen erleichtert, Ver- Solche Programme nützen wenig; sie erzeugen nur fahren vereinfacht und damit auch beschleunigt. Das kurzfristige konjunkturelle Strohfeuer und haben ist nur ein Teil der Deregulierungspolitik. Genehmi- hohe Mitnahmeeffekte. Auf lange Sicht erhöhen sie gungsverfahren und Bauvorschriften, Umwelt- und die öffentliche Verschuldung und das Zinsniveau. Sicherheitsauflagen, Raumordnungsverfahren und Wir setzen deshalb darauf, p rivate Initiative und En- städtebauliche Vorschriften sind alles Regulierungen, gagement zu ermutigen. die die Bautätigkeit beeinflussen. Sie dürfen sich nicht zu einer Bremse - das muß unsere gemeinsame (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Sorge sein - für die Dynamik im Bausektor entwik- ten der CDU/CSU) keln. Zweitens. Die Bauwirtschaft muß - ich bin mir si- (Achim Großmann [SPD]: Das sind erste cher, sie wird - den Strukturwandel meistern, um kleine Schritte! Dafür haben Sie 15 Jahre wettbewerbsfähig zu bleiben. Allerdings muß sie gebraucht!) dazu auch Innovationen wagen. Insofern gibt es noch erhebliche Möglichkeiten, die genutzt werden müs- - Ich lade Sie ausdrücklich ein, Herr Kollege, daß wir sen. gemeinsam weitere entschiedenere Schritte auf die- sem Weg gehen. Dazu gehört auch, die hohe Arbeitsintensität im Baubereich zu reduzieren. Dies ist nur zum Teil (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das durch verstärkte Mechanisierung oder Automatisie- haben Sie doch schon mehrfach abgelehnt!) rung möglich. Es kommt hier auch auf ganzheitliche Konzepte an, die alle Beteiligten und die am Bau Be- Sie werden die Regierung an Ihrer Seite finden. schäftigten einbeziehen. Um es anders zu sagen: Die (Uwe Hiksch [SPD]: Ab September aus der Zahl der Schnittstellen in den Bereichen Planung Opposition heraus!) und Bauausführung kann verringert und die Koordi- nation verbessert werden. Es gibt keine Alternative: Es müssen bestehende neue Vorschriften laufend überprüft und do rt, wo Das heißt, die Bauunternehmen müssen und wer- notwendig, vereinfacht werden. Mit dem Gesetz zur den sich umstellen. In der Vergangenheit sind vor al- Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist ja lem einzelne Bauleistungen nachgefragt worden. auch ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan. Demgegenüber werden heute zunehmend ganzheit- Seine Änderungen müssen jetzt in die entsprechen- liche Systemlösungen gefordert. den Regelungen der Länder übernommen werden. Im eigenen Interesse sind auch mittelständische Bauunternehmen aufgerufen, diesem veränderten (Otto Reschke [SPD]: Es gibt eine Verfalls Nachfrageverhalten Rechnung zu tragen, um wett- klausel, nicht nur für diese Regierung, son bewerbsfähig zu bleiben. dern auch für Gesetze!) Ich will an der Stelle noch einmal sagen, daß wir Sie sehen, wir haben einige Weichen neu gestellt, beim Ausbau des neuen Bundeswirtschaftsministeri- damit die sicherlich vorhandene Baunachfrage neue ums in Berlin gerade darauf Wert gelegt haben, mit- Flügel bekommt und wirksam werden kann. Wenn telständischen Bietergemeinschaften eine Chance zu der begonnene Aufschwung in der Gesamtwirtschaft geben. Ein nicht unbeträchtlicher Auftrag ist dann sich jetzt weiter fortsetzt, so wird er an der Bauwirt- auch in Konsequenz an eine solche Bietergemein- schaft, insbesondere am Wirtschaftsbau, nicht vorbei- schaft gegangen. Wir erhoffen uns davon auch Erfah- gehen. rungen und wünschen uns, daß zukünftig noch mehr Eine Bemerkung zum Schluß: Von der SPD sind er- Mittelständler in diesem Bereich Beschäftigung fin- neut Änderungen der gesetzlichen Vorschriften zur den können. Bekämpfung von illegaler Beschäftigung am Bau ge- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne fordert worden. ten der CDU/CSU) (Uwe Hiksch [SPD]: Richtigerweise!) Wir wollen zur Reduktion der Zahl der Schnittstel- len von seiten der Regierung und auch einer breiten Mit dem zum 1. Januar 1998, also vor wenigen Wo- Mehrheit hier im Parlament mit der Novelle zur chen in Kraft getretenen Ersten Gesetz zur Änderung Handwerksordnung vermehrt Angebote aus einer des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sind bereits Hand schaffen und damit für den Bauherrn attraktive eine Reihe von Maßnahmen beschlossen worden, mit Offerten des Handwerks ermöglichen. denen Leistungsmißbrauch sowie illegale Beschäfti- gung wirksamer bekämpft werden können. Das stän- Das führt mich zum dritten Thema, nämlich ko- dige Nachbessern von Kontrollvorschriften führt sten- und flächensparendes Bauen. Die Bundesregie-- nicht zum gewünschten Erfolg. Die neuen Regelun- rung verfolgt dieses Thema mit Nachdruck weiter. gen, die auch eine Erhöhung des Bußgeldrahmens Einflußfaktoren für teures Bauen sind nämlich nicht bei illegaler Ausländerbeschäftigung auf eine halbe nur Lohnkosten oder Lohnnebenkosten, sondern Million DM beinhalten, Herr Kollege Müller, und seit 19788 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb Anfangßungsantrag dieses Jahres gelten, das müssen fordern, nun zunächst was die SPD-Bundestags- erst einmal angewandt werden. fraktion auch schon vor wenigen Wochen gesagt hat. Wir haben deutlich gemacht, daß die Bekämpfung Aktionismus hilft nicht. Wir gewinnen dadurch der illegalen Beschäftigung bei dem, was Sie vorge- auch keine Glaubwürdigkeit. Gleichwohl sind wir legt haben, nicht effektiv und notwendigerweise so, alle aufgerufen, die Rahmenbedingungen für eine wie es theoretisch geschehen kann, auch tatsächlich möglichst positive Entwicklung der Bauwirtschaft in passiert. Deshalb zeigen wir auf, was notwendig ist, Zukunft gemeinsam und, wie ich hoffe, auch frakti- um diesen Skandal zu beenden, daß auf der einen onsübergreifend zu gestalten. Seite zur Zeit 400 000 Bauleute arbeitslos sind und Vielen Dank. auf der anderen Seite Hunderttausende von i llegal Beschäftigten arbeiten. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Ich selbst glaube, daß das nicht Aktionismus ist, sondern genau das Gegenteil. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Uwe Hiksch, SPD. (Beifall des Abg. Otto Reschke [SPD]) Wir spüren als Sozialdemokraten, daß die Menschen Uwe Hiksch (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! draußen im Land, daß die Bauleute, die an den Bau- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär stellen vorbeilaufen Kolb, wenn Sie davon sprechen, daß kurzfristiger Ak- tionismus von seiten der Sozialdemokratie bet rieben (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Waren wurde, so frage ich Sie, ob Sie auf einem anderen Sie schon mal auf der Baustelle?) Planeten leben. 1996 gingen Hunderttausende von und sehen, daß sie selbst arbeitslos sind, während Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft verloren, 1997 auf den Baustellen immer mehr Illegale arbeiten, ein sind Hunderttausende von Bauleuten arbeitslos ge- Recht auf Gesetze zur Einschränkung i llegaler Be- worden, und 1998 erwarten sowohl die Indust rie als schäftigung haben. Mit Aktionismus hat das nichts auch das Handwerk im Baubereich und auch die Ge- zu tun, sondern mit Realitätssinn für die Situation in werkschaft, daß mindestens 70 000 Bauleute arbeits- unserem Lande. los werden. Dann spricht die Bundesregierung da- von, daß wir kurzfristigen Aktionismus betrieben! - (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Nein, wir nehmen uns dieser Bauleute an; wir küm- GRÜNEN und der PDS) mern uns darum, daß in diesem Land endlich etwas geschieht, daß die Kolleginnen und Kollegen auf der Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Baustelle wieder Hoffnung schöpfen können. Braun hat richtigerweise darauf hingewiesen, daß der jetzige Finanzminister manchmal der eigentliche (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ Bauminister ist. Ein Finanzminister, der die Arbeit- GRÜNEN und der PDS - Dr.-Ing. Dietmar nehmerinnen und Arbeitnehmer und die kleinen Kansy [CDU/CSU]: Sie sollten Glasbläser Leute aussaugt, so daß sie nichts mehr in den Ta- werden, so viel Luft ist bei Ihnen drin!) schen haben, (Lachen bei der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Hiksch, ge- statten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten ein Finanzminister, der die Kommunen kaputtmacht Dr. Kolb? und wie eine Zitrone, die nicht mehr gebraucht wird, auspreßt, ein Finanzminister, der kleinen und mittel- ständischen Unternehmen durch eine völlig verfehlte Uwe Hiksch (SPD): Ja, bitte. Sozialpolitik Lohnnebenkosten in unvorstellbarer Höhe zufügt, ein solcher Finanzminister ist ein Bau- Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.): Herr Kollege Hiksch - minister, nämlich ein „Bauzerstörungsminister", und danke, daß Sie die Zwischenfrage zulassen -, haben ein Minister, der in diesem Lande alles kaputtmacht. Sie mich falsch verstanden, oder wollen Sie mich (Beifall bei der SPD und der PDS) falsch verstehen? Ich habe von Aktionismus in dem Zusammenhang gesprochen, daß man vier Wochen Auch deshalb muß der Finanzminister weg, damit nach Inkrafttreten eines Gesetzes, das entscheidende die Kommunen, die Menschen und die kleinen und Rahmenbedingungen verändert, bereits wieder for- mittelständischen Unternehmen endlich wieder in dert, neue Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich die Lage versetzt werden, zu investieren und der glaube, wir sind alle gut beraten, zunächst einmal Bauwirtschaft zu helfen. die Wirkungen dieser Gesetzesänderung zu beob- achten. Wenn das geschehen ist, können wir uns (Gert Willner [CDU/CSU]: Der meint, er sei gerne über weitere Änderungen unterhalten. Das hier beim Ortsverein! Das ist ja ein Niveau!) war der enge Kontext, in dem ich von Aktionismus Kollege Kolb, in einem möchte ich Ihnen wider- gesprochen habe. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis sprechen - vielleicht habe ich Sie da falsch verstan- zu nehmen? den; ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das klarstel- - len -: Der Abbau von 270 000 Arbeitsplätzen im Bau- Uwe Hiksch (SPD): Lieber Kollege Kolb, ich bin be- bereich ist nicht eine Notwendigkeit; es ist auch kein reit, das zur Kenntnis zu nehmen. Ich möchte Sie struktureller Abbauprozeß nötig. Die Gewerkschaft aber darauf hinweisen, daß wir in unserem Entschlie IG Bau spricht davon, daß, wenn allein die illegale Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19789 Uwe Hiksch Beschäftigung eingeschränkt werden könnte, das ganisiert würde. Alles andere ist eine Diffamierung Bauvolumen in der Bundesrepublik selbst auf dem des deutschen Baus. niedrigen Stand, den wir zur Zeit haben, leicht aus- reichen würde, um den deutschen und ausländischen (Beifall bei der SPD) Kolleginnen und Kollegen, die zu anständigen Rah- Deshalb hat die SPD-Bundestagsfraktion klarge- menbedingungen auf den hiesigen Baustellen arbei- macht, daß gehandelt werden muß. Allein im letzten ten, genug Arbeit zu geben. Jahr, Kollege Doss, gab es in Westdeutschland 2700 Deshalb sehen wir als Sozialdemokratinnen und Insolvenzen im Bereich des Baus. In den neuen Sozialdemokraten nicht eine strukturelle Notwendig- Bundesländern kamen 2100 Insolvenzen hinzu. Das keit, daß 400 000 Bauleute arbeitslos sind: Vielmehr macht zusammen 4800 Unternehmen, die ver- weisen wir darauf hin, daß die Arbeitslosigkeit un- schwunden sind. Die Zunahme der Insolvenzen hat mittelbar damit zu tun hat, daß endlich wieder Ord- beispielsweise in Ostdeutschland 27 Prozent betra- nung auf den Baustellen geschaffen werden muß. gen, und Sie wollen mir erzählen, daß es nicht not- Derjenige, der auf einer Baustelle arbeitet und do rt wendig ist, sich mit der Bauwirtschaft zu beschäfti- sein Geld verdienen möchte, muß dafür auch anstän- gen und konkret zu sagen, was wir ändern müssen. dig bezahlt werden. Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, haben mit dem (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Entschließungsantrag aufgezeigt, wie wir erreichen wollen, daß Ordnung auf den Baustellen geschaffen Lassen Sie mich eine dritte kurze Replik auf Ihre werden kann, damit die Menschen in diesem Land Rede machen. Es ist auch nicht richtig, wenn Sie da- endlich wieder wissen, daß für anständige Arbeit von sprechen, daß die Bundesregierung eine Politik auch anständiges Geld bezahlt wird. Wenn wir ab zur Verstetigung der Baunachfrage gemacht habe. dem 27. September regieren, werden wir dafür sor- Leider ist das Gegenteil eingetreten. Im Bereich der gen, daß die illegale Beschäftigung von Ausländern, Städtebauförderung beispielsweise hat die Bundes- die illegale Leiharbeit, die Scheinselbständigkeit und regierung zugelassen, daß die Förderung von ehe- die unerlaubte Ausübung des Handwerks endlich mals einer Milliarde DM auf 600 Millionen DM im eingeschränkt werden und daß endlich durchgesetzt Bundeshaushalt heruntergefahren wurde. Hat das et- wird, daß Firmen, die das nicht einhalten, streng be- was mit Verstetigung zu tun? straft werden. Im Bereich des sozialen Wohnungsbaus hat die (Beifall bei der SPD) Bundesregierung durch eine falsche Politik zugelas- sen, daß der Etat im Bundeshaushalt von 3,4 Milliar- Es muß einmal deutlich ausgesprochen werden: den DM auf 1,4 Milliarden DM, also auf ein Drittel, Firmen, die solche Praktiken mit illegaler Leiharbeit zurückgefahren wurde. Das ist keine Verstetigung und illegaler Beschäftigung von Ausländern durch- im Bereich der Baupolitik, sondern das Gegenteil. Es führen, und Generalunternehmen, die wissend hin- ist sozusagen eine Zerstörung der Baupolitik und da- nehmen, daß solche Praktiken bei ihren Subunter- mit eine Zerstörung dessen, was notwendig ist. nehmen durchgeführt werden, handeln eindeutig kriminell und sind für die Gesellschaft parasitär. Ich empfinde es als schlichtweg schlimm, daß der Kollege Doss von purem Aktionismus gesprochen (Beifall bei der SPD) hat. Unser Programm wird deshalb dafür sorgen, daß die (Zuruf von der SPD: Der kommt aus Mainz!) illegale Beschäftigung bekämpft und daß das Lohn- dumping auf den deutschen Baustellen einge- Die Menschen draußen im Lande erwarten, daß wir schränkt werden kann. ihnen hier im Deutschen Bundestag eine Antwort ge- ben, Weil wir der Überzeugung sind, daß die illegale Beschäftigung kein Kavaliersdelikt ist, fordern wir, (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Aller daß es eine Erhöhung der Bußgelder auf 1 Million dings!) DM für schwere Fälle geben muß, daß diese Rege- daß Arbeit, die getan werden muß, auch endlich ge- lung angewendet und in Europa vollstreckbar wird. tan werden kann. Sie wollen nicht das, was Sie be- Wir fordern weiter, daß es eine klare Stärkung der treiben, wodurch sie arbeitslos werden. Rechtsstellung der Bundesanstalt für Arbeit als be- deutendster Behörde bei der Bekämpfung der illega- Kollege Doss, als Sie in Ihrer Rede davon sprachen, len Beschäftigung geben muß, weil wir der Überzeu- daß deutsche Bauleute wieder konkurrenzfähig wer- gung sind, daß das, was wir richtigerweise für die den müßten, hatte ich ein wenig den Eindruck, daß Finanzbehörden geregelt haben - nämlich einzuräu- Ihnen die 1,50- und die 5-DM-Jobs auf deutschen men, daß sie im Fall des Steuerbetrugs bei Ge richt Baustellen gefallen und daß Sie geradezu herbeiseh- einen Strafbefehl beantragen können -, auch für die nen, daß die Löhne der Kolleginnen und Kollegen, Bundesanstalt für Arbeit möglich werden soll. die für ihre schwere Arbeit niedrig genug sind, noch einmal gesenkt werden. Wir treten ganz klar dafür ein und werden dies ab dem 27. September auch umsetzen, daß es endlich zu Deutsche Bauleute sind produktionsorientiert; einer Haftung der Generalunternehmen für Sozial- deutsche Bauleute bringen höchste Leistungen- und versicherungsbeiträge, für Steuern und für nicht be- wären auch eindeutig konkurrenzfähig, wenn end- zahlten tariflichen Mindestlohn kommt. Wenn die lich bei den illegal Beschäftigten eingegriffen würde Subunternehmer eindeutig kriminell handeln, müs- und der Arbeitsmarkt für den Bau endlich wieder or- sen die Generalunternehmer bezahlen. 19790 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Uwe Hiksch Wir wollen auch endlich erreichen, daß die Verfol- deren Stern. Sie reden von den Hunderttausenden gungsbehörden personell und sachlich so gestärkt arbeitslosen Bauleuten, als wenn es statistische Zah- werden, daß sich die Kolleginnen und Kollegen, die len und keine Menschen wären. Hinter jedem dieser sich darum bemühen, die illegale Beschäftigung zu 400 000 arbeitslosen Bauleute steckt ein Individuum, bekämpfen, nicht vorkommen wie diejenigen, die zu das das Recht hat, daß man sich seiner annimmt und einem Platz hinrennen, obwohl es an tausend Plätzen daß es wieder Arbeit bekommt. Ihre Regierung muß brennt. Wir brauchen mehr Leute, die sich darum weg, und wir werden dafür sorgen, daß auf dem Bau- kümmern, daß auf den Baustellen überwacht wird markt endlich wieder Ordnung herrscht. und durchgesetzt wird, daß auf den Baustellen end- Besten Dank. lich wieder Ordnung herrscht. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Wir wollen auch ganz klar eine Strafverschärfung GRÜNEN und der PDS) bei illegaler Ausländerbeschäftigung, weil wir der Überzeugung sind, daß das nicht nur eine Ordnungs- widrigkeit, sondern eine Straftat ist, die deutlich an- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der gegriffen und bekämpft werden muß. Kollege Dr. Dietmar Kansy, CDU/CSU. Um dies europäisch abzusichern, wird die SPD- Bundestagsfraktion dafür sorgen, daß dies auf EU- Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Herr Präsi- Ebene umgesetzt wird. Es kann in einem Europa, das dent! Meine Damen und Herren! Ich weiß zwar nicht, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial zusam- wie zur Zeit die Form unserer Eisläuferinnen in Ja- menwachsen soll, nicht mehr hingenommen werden, pan ist. Aber falls sie Probleme mit der B-Note für daß keinerlei Sozialversicherungsbeiträge ins hei- künstlerische Selbstdarstellung haben, werden wir matliche oder ins nationale System eingezahlt wer- Sie, Herr Hiksch, für Olympia nachmelden. den. Wir wollen, daß die Kontrollbehörden zusam- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - menarbeiten und zu einer EU-weiten Kooperation Uwe Hiksch [SPD]: Ich bin sicher, daß ich kommen, um solche Praktiken überwachen zu kön- eine Goldmedaille holen würde!) nen. Etwas anderes haben Sie heute abend nämlich nicht Wir wollen weiter erreichen, daß es zu einer Erf as geboten. sung aller EU-Baubetriebe und der von ihnen ent- sandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Wir hätten schon in dem Fachkreis die Chance nut- kommt, damit auch überwacht werden kann, ob die zen sollen, die tatsächliche und nicht nur vermeintli- Kolleginnen und Kollegen tarifvertraglich bezahlt che Strukturkrise ein bißchen ernster zu behandeln, werden und sozialversicherungspflichtig abgesichert als wir das mit der alten Masche - staatliche Pro- sind. gramme und Schuldzuweisung - wieder getan ha- ben. Wenn wir das demnächst nicht tatsächlich ein- Wir wollen auch erreichen, daß das Sozialdumping mal machen, wird man - wer auch immer, ob der be- wirksam bekämpft werden kann. Deshalb wollen troffene Arbeitnehmer oder der betroffene Unterneh- wir, daß die EU bei grenzüberschreitender Entsen- mer - von uns als Politikern früher oder später kein dung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Stück Brot mehr nehmen. koordinierend und unterstützend eingreifen kann. Wir haben eine Bringeschuld, über Wahlkämpfe Das Arbeitnehmer - Entsendegesetz, das bisher bis hinaus nachzudenken: Was ist eigentlich los auf dem zum 1. Januar 1999 beschränkt ist, wollen wir dar- Bau in Deutschland? Über das Konjunkturelle ist über hinaus ausbauen. Wir waren nicht für das heu- heute abend alles gesagt worden. Ich möchte das tige Arbeitnehmer-Entsendegesetz, aber wir glau- nicht unnötig wiederholen. Aber es ist doch wohl ben, daß es besser ist als nichts. ganz klar, daß wir eine ernste Strukturkrise, und Es gibt für die SPD-Bundestagsfraktion eines, was zwar eine mit vielen unterschiedlichen Wurzeln, ha- wir als Regierung umsetzen werden. Wir sind der fe- ben, die es uns besonders schwer macht, das Problem sten Überzeugung, daß, wenn es uns nicht gelingt, anzugehen. den Bauleuten wieder eine Perspektive zu geben (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und ihnen zu zeigen, daß die Politik verstanden hat, wo sie der Schuh drückt - Ihre Regierung hat das Da ist - da haben Sie völlig recht - die Internatio- nicht verstanden; Ihre Regierung tritt die Bauleute nalisierung des Arbeitsmarktes, und zwar in legaler mit Füßen -, bei den Bauleuten ein Potential geweckt und in illegaler Weise. Das hat doch der Kollege Doss wird, das wir alle nicht haben wollen. Bauleute sind angesprochen. - Wissen Sie, ich finde es schon ein gewohnt, multikulturell zu arbeiten. Bauleute haben bißchen unverschämt, wenn Sie ihm unterstellen, immer multikulturell gearbeitet. Aber Bauleute wol- daß er seine Freude daran habe, wenn auf den Bau- len auch wissen, daß das, was sie getan haben, ernst stellen unseriös gearbeitet wird. genommen wird, daß das, was sie tun, auch anstän- (Uwe Hiksch [SPD]: Wenn er leiden würde, dig bezahlt wird und daß umgesetzt wird, daß ille würde er was dagegen tun!) gale Beschäftigung, die von Ihnen geduldet wird, be- kämpft wird. - Gelitten haben wir, als wir Ihnen zehn Minuten zu- - gehört haben. Das, was Sie, Herr Staatssekretär, gesagt haben, und das, was von den Kollegen der Regierungsfrak- (Uwe Hiksch [SPD]: Hoffentlich haben Sie tionen gekommen ist, scheint mir wie von einem an- das gemacht!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19791 Dr.-Ing. Dietmar Kansy Meine Damen und Herren, wir haben in den letz- gute. Ich will nicht verhehlen, daß ich noch Möglich- ten Monaten und Jahren mit zig staatlichen Eingrif- keiten sehe, beim KfW-Programm für Energieeinspa- fen reagie rt : wesentliche Erhöhung der Bußgelder - rung und im Bereich des Wohneigentums usw. über der Staatssekretär hat es gesagt -, verstärkte Kontrol- Erhöhungen nachzudenken. Aber auf die Dauer wer- len, Entsendegesetz, Tariftreueerklärung und, und, den wir - das ist die Wahrheit - mit allen unseren und. Ich frage mich langsam, ob wir damit wirklich Maßnahmen und allen unseren Strangulierungen den Bauarbeitern helfen oder ob wir unfreiwillig ei- nicht verhindern können, daß deutsche Unterneh- nen Beitrag zu Illegalität und Betrügereien leisten. men bei ihren pausenlosen Bemühungen, sich gegen Wenn wir langsam, aber sicher - kommen Sie auf un- die Marktkräfte durchzusetzen, geringere Chancen sere Bundestags- und Bundesregierungsbaustellen haben, als sie es in all den Nachkriegsjahrzehnten in Berlin, die mittlerweile vom BGS gesichert wer- gewöhnt waren; das wird die Politik nicht ändern den, und zwar nicht nur wegen Abhörerei - aus un- können. seren Baustellen halbe Gefängnisse machen und wenn das unser Instrument ist, dieser Branche Hoff- Ich möchte ein weiteres Thema ansprechen. Wir nung zu geben, so ist das. ein Weg, der nicht zum Ziel haben einige Bereiche zuwenig in den Vordergrund führen wird. Wer das nicht ausspricht, der verklei- gestellt. Es war heute wieder vom Wohnungsbau die stert, was wirklich los ist. Rede. Es war vom Straßenbau die Rede, vom Wirt -schaftsbau. Das ist alles richtig. Aber wir haben seit (Beifall bei der CDU/CSU) Jahren über vieles zuwenig gesprochen, so daß es auf der Strecke geblieben ist: Betreibermodelle, Bau- Meine Damen und Herren, ich verhehle nicht, daß leasing, Energie-Contracting und vieles andere. Wir einzelne Vertreter der Bauwirtschaft mit der Politik hatten Konferenzen von Rio bis Kioto. Wir haben Lö- unseriös umgehen. Manche Lösung, die wir in den sungsvorschläge auf dem Tisch, wie man gleichzeitig letzten ein, zwei Jahren erarbeitet haben, verhöhnen Arbeit für hochqualifizierte Kräfte in mittelständi- sie heute als weiße Salbe, obwohl sie vorher mit in schen Unternehmen schaffen und den CO 2-Ausstoß der weißen Salbe gerührt hatten. Auch waren Ar- vermindern kann. Trotzdem reden wir noch immer beitszeitkonten eigentlich zur Verhinderung von Ar- von staatlichen Programmen für den Wohnungsbau, beitslosigkeit im Winter gedacht und nicht als obwohl wir nach der Errichtung von 3 Millionen schwarze Kasse für Schwarzarbeit, als die sie teil- Wohnungen in den letzten Jahren zur Zeit am Markt weise benutzt werden. vorbei bauen würden. Wir haben Probleme, be- Aber - ich wiederhole mich - wir müssen ernsthaft stimmte Randgruppen zu versorgen, aber zur Zeit - mit der Bauwirtschaft und der Gewerkschaft, nicht kein Wohnungsproblem im Hinblick auf breite Grup- in Selbstüberschätzung der Politik - diskutieren, die pen. Probleme wirklich aufnehmen und, uns fragen, was (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wirklich auf unseren Baustellen los ist - ob es zum Beispiel der Weisheit letzter Schluß ist, wenn eine Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch Baufirma aus Brandenburg, die mit Zustimmung ih- überlegen, ob wir nicht, während wir über die Lage rer Arbeitnehmer einen betrieblichen Tarifvertrag der Bauwirtschaft diskutieren, schon wieder dabei abgeschlossen hat, in Berlin abgewiesen wird, wenn sind, Überregulierungen zu schaffen und neue Feh- sie baut, obwohl die Leute klargemacht haben: Wenn lei- zu machen. Ich frage mich zum Beispiel, ob es die wir in Brandenburg Berliner Löhne nehmen, ist unser richtige Zeit ist, die EG-Baustellen-Richtlinie umzu- Betrieb pleite. - Das kommt davon, wenn wir von setzen, früh bis spät regulieren, statt wirklich an die Pro- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) bleme heranzugehen. was wahrscheinlich Baukostenerhöhungen von 3 bis (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU 4 Prozent - in Großbritannien wird sogar von 8 Pro- sowie bei der F.D.P.) zent geredet - nach sich zieht, oder ob es zur Zeit be- Deswegen heißt politische Verantwortung zu über- sonders vernünftig ist, das deutsche Vergaberecht nehmen für uns nicht, die alten Platten wieder abzu- umzustellen. spielen. Wir müssen bei dem Wettbewerbsdruck, un- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. ter dem die deutsche Bauwirtschaft steht - - Bei Ihrer Jürgen Türk [F.D.P.]) Unterstreichung des Wortes „deutsch" in jedem drit- ten Satz stellt sich mir übrigens die Frage: In wel- Das diskutieren wir aber an einem anderen Tag, chem Land befinden wir uns eigentlich, während wir heute angeblich angetreten sind, 400 000 arbeitslose Bauarbeiter in Arbeit und Brot zu (Uwe Hiksch [SPD]: In Deutschland!) bringen. und in welcher Zeit befinden wir uns, da wir in der (Uwe Hiksch [SPD]: Ihnen sind sie vielleicht Europäischen Union arbeiten? Wurscht, uns nicht!) Wir haben reagie rt. Wir haben in einem 25-Milliar- Meine Damen und Herren, weil die öffentliche den-DM-Programm für Investitionen alle MW-Pro- Hand trotz mancher Luftnummer mit ihren eigenen gramme zusammengefaßt, das schon erwähnte Ei- Bauausgaben diese Strukturkrise nicht wird beheben genheimzulagengesetz verabschiedet, Vorschriften können, haben wir eine Bringepflicht, über neue verschlankt, das Baugesetzbuch novelliert. Die Ab- Wege nachzudenken, wie durch Innovation, durch schaffung der Gewerbekapitalsteuer und vieles an- neue Produkte, durch ein Stückchen Mut und vor al- dere kommt natürlich auch den Bauunternehmen zu- len Dingen durch Wahrheit gegenüber den Bauar- 19792 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr.-Ing. Dietmar Kansy beitnehmern in diesem Land eine Chance geschaffen CSU und der F.D.P. zu dem Gesetzentwurf der wird, daß auch die deutsche Bauwirtschaft überleben Fraktionen der CDU/CSU und der SPD kann. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rechtsstellung der Abgeordneten Jürgen Türk [F.D.P.]) - Drucksachen 13/3281, 13/9517 - Einige von Ihnen, meine Damen und Herren, wa- Berichterstattung: ren am Montag bei einem parlamentarischen Abend des Verbandes der deutschen Zimmerleute. Da hat Abgeordnete Dieter Wiefelspütz uns der Meister gesagt - wir waren völlig baff -, daß Jörg van Essen die Zimmerleute optimistisch in die Zukunft gingen. Simone Probst (Uwe Hiksch [SPD]: Weil demnächst Wahl Dr. Bertold Reinartz ist! Sie rechnen mit unserem Wahlsieg!) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Das war nicht immer so. Es gab auch im Zimmer- die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Wi- handwerk eine schwere Strukturkrise. Aber dann ha- derspruch höre ich nicht. Dann ist es beschlossen. ben sich die Zimmerleute umgestellt. Sie haben nicht Ich eröffne die Aussprache. Das Wo rt hat der Kol- nur Dachstühle gerichtet, sondern moderne Hallen lege Wilhelm Schmidt, SPD. und moderne Holzbrücken gebaut, haben Komplett- angebote im Häuslebau gemacht, kurzum: sie haben Innovation erreicht und neue Produkte angeboten. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Herr Präsi- Heute hat das Zimmerhandwerk in Deutschland wie- dent! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen der eine Zukunft. und Kollegen! Heute beraten wir die Beschlußemp- fehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immuni- Das haben große Teile der Bauwirtschaft noch vor tät und Geschäftsordnung, die im Zusammenhang sich. In einem staatlich gestützten Korsett war der mit der Neuregelung der Rechtsstellung der Mitglie- Druck, nach zukunftsfähigen Lösungen zu suchen, der des Deutschen Bundestages Ende des Jahres nicht besonders stark verbreitet. Dies auszusprechen 1995 steht. Damals hatte der Deutsche Bundestag und danach zu handeln, scheint uns von der CDU/ den Geschäftsordnungsausschuß beauftragt, die Ver- CSU-Fraktion jedenfalls wichtiger zu sein, als wieder haltsregeln für Mitglieder des Bundestages, also die eine Garantie abzugeben, es brauche nur die Partei X Regeln, die die Offenlegung von Nebeneinkünften zu regieren, und alle 400 000 arbeitslosen deutschen betreffen, dahin gehend zu überprüfen, ob und in- Bauarbeiter seien aus der Arbeitslosigkeit heraus. wieweit diese Regelungen einer Ergänzung bedür- Das ist unseriös und nach hinten gewandt. Zukunfts- fen. Der entsprechende Antrag der Koalitionsfraktio- gewandt ist, was wir in diesem Bereich angehen, nen sah seinerzeit vor, daß der Be richt des Geschäfts- ohne uns dabei zu übernehmen. ordnungsausschusses so rechtzeitig vorliegen sollte, daß der Bundestag bis zur Sommerpause 1996 ent- Vielen Dank. scheiden könnte. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Hintergrund des Koalitionsantrages war ein von der SPD-Fraktion eingebrachter Änderungsantrag Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich schließe die im Zusammenhang mit der Neuregelung der Rechts- Aussprache. stellung der Mitglieder des Bundestages. Der SPD- Antrag sah eine Änderung des Abgeordnetengeset- Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- zes mit dem Ziel vor, eine weitreichende Pflicht zur ßungsantrag der SPD auf Drucksache 13/9745. Wer Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Mitglie- stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Die Ge- dern des Deutschen Bundestages festzulegen. Damit genprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsan- hätten wir einen qualitativen Sprung für die Weiter- trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge- entwicklung der Offenlegungsregelungen gehabt, gen die Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthal- und wir hätten ein hohes Maß an zusätzlicher Trans- tung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. parenz eingeführt. Dies haben Sie jedoch seinerzeit Nun erfolgt die Abstimmung über den Entschlie- abgelehnt und meinten, sich damit über die Runden ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen helfen zu können, daß Sie durch Ihren Entschlie- auf Drucksache 13/9768. Wer stimmt für diesen Ent- ßungsantrag damals jenen Auftrag mit auf den Weg schließungsantrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltun- gegeben haben, an dem wir dann in den vergange- gen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen nen Monaten - um nicht zu sagen: in den vergange- der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von nen Jahren - gearbeitet haben. Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthal- Insbesondere - daran will ich erinnern - der parla- tung der SPD abgelehnt. mentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Andreas Schmidt hatte seinerzeit der SPD-Fraktion Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf: vorgeworfen, einen Schnellschuß abzugeben und aus taktischen Überlegungen handeln zu wollen. Er Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- sagte damals wörtlich - ich zitiere -: schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge- schäftsordnung (1. Ausschuß) zu dem Ent- Wir schlagen Ihnen vor, diese Verhaltensregeln schließungsantrag der Fraktionen der CDU/ im Geschäftsordnungsausschuß zu überprüfen, Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19793

Wilhelm Schmidt (Salzgitter) damit wir sie bis zum Sommer des nächsten die Korrektur von unve rtretbaren Doppelalimentatio- Jahres nen aus öffentlichen Kassen. - also 1996 - Weiterhin soll die Pflicht zur Anzeige der Höhe der Einkünfte aus Nebentätigkeiten bei der Präsi- gegebenenfalls konkreter fassen können ... Ich dentin des Bundestages ausgeweitet werden. Neben appelliere an Sie: Lassen Sie von diesem Schnell- der Herabsetzung der Mindestgrenzen soll hierfür schuß ab, und stimmen Sie diesem vernünftigen die Unterscheidung zwischen Tätigkeiten, die bereits Entschließungsantrag zu. Dann können wir in vor der Mitgliedschaft ausgeübt worden sind, und dieser Angelegenheit gemeinsam etwas errei- solchen, die erst während der Mitgliedschaft aufge- chen. Das ist der Sache insgesamt angemessen. nommen worden sind, beseitigt werden. Dies ist jetzt Ich erinnere deswegen daran, weil wir damit auch ein Zustand, der als sehr ärgerlich bezeichnet wer- die Art und Weise unserer Diätenerhöhung sehr den muß. nachdrücklich begründet haben, die wir im Winter Nach unseren Vorstellungen sollen künftig auch 1995 vorgenommen haben und deren nächste Stufe alle nebenberuflichen Tätigkeiten, und zwar nicht am 1. April dieses Jahres ins Haus steht. Wir waren nur Tätigkeiten in Aufsichtsräten, Vorständen usw., damals - mit Bedenken - zu dieser Verfahrensweise einbezogen werden. Mit Rücksicht auf die von den bereit, hatten allerdings schon die Sorge, daß sich die Koalitionsfraktionen zu erwartenden Widerstände Koalitionsfraktionen nur von der Verantwortung für haben wir auf einen Vorschlag zur Veröffentlichung den Teil der Regelungen im Bereich der Rechtsstel- der Höhe der Einkünfte zugunsten eines möglichen lung der Abgeordneten reinwaschen oder zurückhal- Kompromisses bei der Überarbeitung der Verhaltens- ten wollten. regeln verzichtet. Wir sind Ihnen also schon im Ver- Wir waren allerdings schon damals nicht mit der fahren der vergangenen Monate entgegengekom- Art und Weise einverstanden, mit der die Koaliti- men. onsfraktionen dieses ganze Thema dann im Ge- Unsere Vorschläge sahen außerdem vor, die We rt schäftsordnungsausschuß betrieben haben. Denn wir -grenzen für die Anzeige bzw. die Veröffentlichung hatten sehr schnell den Eindruck, daß sie von vorn- von Direktspenden an Abgeordnete erheblich her- herein die Absicht verfolgt haben, die Überprüfung abzusetzen. Spenden an Abgeordnete wären hier- der Verhaltensregeln zu verschleppen und zu blok- nach statt bisher ab 20 000 schon ab 10 000 DM im kieren. Jahr zu veröffentlichen. Letztlich schlagen wir eine Ich halte es für bemerkenswe rt, daß in der Frage Veröffentlichung der veröffentlichungspflichtigen der Offenlegung ausgerechnet die Koalitionsfraktio- Angaben nicht nur im Amtlichen Handbuch des Bun- nen der SPD taktisches Verhalten vorgeworfen ha- destages, sondern auch in einer Bundestagsdrucksa- ben, während sie selbst seither keine Gelegenheit che, die in Form eines Berichts der Bundestagspräsi- ausgelassen haben, die für das Selbstverständnis des dentin jährlich erscheint, vor. Das verbessert eben- Parlaments wesentliche Frage der Offenlegung in falls die Zugänglichkeit und die Transparenz einer den Hintergrund zu drängen. Die Verweigerungshal- solchen Veröffentlichung, die nämlich über das Amt- tung der Koalitionsfraktionen wird besonders durch liche Handbuch relativ umständlich für die Öffent- die Präsenz in der vom Geschäftsordnungsausschuß lichkeit zu erreichen wäre. im Juni 1996 durchgeführten Anhörung namhafter Diese Vorschläge sind nicht so weitgehend, und sie Experten anschaulich. Von der Fraktion der F.D.P. sind außerordentlich ausgewogen. So, wie wir sie im war gar keiner und von der CDU/CSU waren ab und Jahre 1995 zunächst ins Gespräch gebracht haben, zu zwei Abgeordnete anwesend. Auch dies spricht enstprechen sie allerdings nicht mehr ganz dem Maß für die Einstellung zu diesem Themenkomplex. der Dinge, eben weil wir eine Möglichkeit gesucht Im Gegensatz dazu hat sich die SPD-Fraktion - ich haben, mit Ihnen eine gemeinschaftliche Regelung füge hinzu: auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- zu erreichen. nen und die PDS - im Laufe des Überprüfungsverfah- An die Koalitionsfraktionen gerichtet sage ich, daß rens immer wieder bemüht, das Verfahren im Sinne auch Sie nicht umhin kommen werden, sich einer der zeitlichen Vorgaben des Bundestages einzuhal- Verschärfung der Offenlegungsregeln für Nebenein- ten. Es war jedoch offenkundig, daß dies von den künfte zu öffnen. Es besteht entgegen Ihrer im Ge- Fraktionen der Regierungskoalition nicht gewollt schäftsordnungsausschuß vertretenen Auffassung war. ein Bedürfnis hierzu in der Öffentlichkeit, wie ich Wir haben uns dann im Herbst des vergangenen finde aber auch - wenn man ehrlich miteinander um- Jahres entschlossen, eigene und neue Vorschläge geht - unter uns Parlamentariern hier im Hause. konkreter Art zur Änderung der Verhaltensregeln (Beifall der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann vorzulegen. Ich will Ihnen nicht ersparen, hier an die- [PDS]) ser Stelle die wesentlichen Grundzüge des Vorschla- ges der SPD-Fraktion kurz darzustellen. Die Vor- Die Bürgerinnen und Bürger haben den Wunsch schläge unserer Fraktion sehen die Veröffentlichung und das Recht, zu erfahren, in welchem Umfang die von Bezügen aus öffentlichen Kassen vor, wenn ein Abgeordneten Nebentätigkeiten ausführen, welche bestimmter Mindestbetrag überschritten wird. Nach Interessen sie dabei vertreten, welchen Einfluß diese unserer Auffassung ermöglicht dies eine verbesserte Interessen auf ihr Mandat haben könnten und wel- Transparenz bei den Politikerbezügen und erleichtert che Bezüge sie aus ihren Nebentätigkeiten beziehen. 19794 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Die öffentliche Entrüstung wird zunehmen, wenn, sagt, keine neue und überzeugende Begründung für wie schon in letzter Zeit in Ihren Reihen geschehen - diese Anträge von Ihnen gehört. ich wende mich dabei bewußt an die Koalitionsfrak- (Jörg van Essen [F.D.P.]: Sehr richtige tionen -, Abgeordnete hauptberufliche Verbands- Bemerkung!) funktionäre werden, ihr Mandat behalten und in ih- rem Hauptberuf ein Vielfaches der Abgeordnetenbe- Aber vielleicht folgt das noch in dieser kurzen De- züge hinzuverdienen. batte. Bei Ihrer Rede waren übrigens vier Kollegen Ihrer Fraktion zugegen, jetzt sind es noch zwei. So (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Sie meinen brennend scheint dieses Problem also für die große Gewerkschaftsvorsitzende, oder wen mei Mehrzahl der Mitglieder Ihrer eigenen Fraktion nicht nen Sie?) zu sein. Hier stellt sich der Bürger zu Recht die Frage, ob (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - diese Abgeordneten ihr Bundestagsmandat noch frei Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Bei der von äußeren Interesseneinflüssen wahrnehmen kön- Abstimmung, die hinter uns liegt, ist das nen und genügend Zeit finden, sich dem Mandat zu doch kein Wunder!) widmen. - Ich sage das ohne jene Polemik. Nur, nach dem Pa- (Beifall bei der SPD und der PDS) thos! Dies würde erweiterte Offenlegungsregelungen zu- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was mindest transparenter als bisher machen. sollen wir uns die falschen Argumente anhören!) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Resümee der Diskussion um die Offen- - Sie ersetzen die Präsenz durch pausenlose Zwi- legung von Nebeneinkünften stelle ich also fest, daß schenrufe. Ich bitte, das nicht auf meine Zeit anzu- in diesem heute zu diskutierenden und abzuschlie- rechnen. ßenden Bericht weiterhin ein erheblicher Reformbe- darf bleibt. Meine Faktion hat hierzu mehrfach Vor- Die geltenden Regeln sind nach den Erfahrungen schläge vorgelegt, die alle von den Koalitionsfraktio- der letzten Jahren geeignet, das etwas komplizierte nen abgelehnt worden sind. Aber die Diskussion Nebeneinander von Rechten und Pflichten aus dem wird weitergehen; das kann ich Ihnen schon jetzt an- Mandat und gleichzeitig von vielen, nicht von allen, kündigen. ausgeübten beruflichen Tätigkeiten zu ermöglichen und auch ein Stück transparenter zu gestalten. An die Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. ge- richtet sage ich, daß es Ihnen nicht gelingen wird, Aber die Vorschläge der SPD und der Grünen füh- das Thema von der politischen Tagesordnung abzu- ren zu unscharfen Beg riffen. Ich will in der Kürze der setzen. Hierbei wird Ihnen auch Ihr Taktieren, Blok- Zeit nur einmal darauf verweisen, was die Berichter- kieren und Verhindern nicht helfen. statter - jedenfalls deren Mehrheit - auf Seite sechs des Ausschußberichtes ausgeführt haben, etwa hin- (Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Na, na, sichtlich des unscharfen Beg riffes der „öffentlichen na, Herr Schmidt!) Kassen" . Das führt zu einer unnötigen Komplizie- rung, die wir - im Interesse der Kolleginnen und Kol- Ich kann an Sie nur appellieren, das Ansehen des legen - nicht wünschen. Parlaments nicht weiter zu beschädigen und sich so bald wie möglich dieser Thematik zu stellen. Wir In einem Bundesland haben wir ja erlebt, was un- werden deswegen den Be richt des Geschäftsord- scharfe Begriffe in Regelungen über Bezüge von Mi- nungsausschusses ablehnen. nistern und Abgeordneten bedeuten können. Das sollten wir vermeiden, auch bei der Neuregelung von Vielen Dank. Verhaltensregeln. (Beifall bei der SPD und der PDS) (Jörg van Essen [F.D.P.]: Über den Frei spruch hat keiner berichtet!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der - Ich will nur kurz darauf verweisen, daß das für uns Kollege Dr. Gerhard Stoltenberg, CDU/CSU. alle eine Mahnung sein sollte, bei gesetzlichen Rege- lungen und der Regelung von Verhaltensregeln für Minister und Abgeordnete nur mit ganz präzisen, Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU/CSU): Herr Präsi- eindeutigen Rechtsbegriffen zu arbeiten und unnö- dent! Meine Damen und Herren! Ich möchte empfeh- tige Komplizierungen zu vermeiden. len, daß wir dem Votum des federführenden Aus- schusses folgen, die Verhaltensregeln für Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nete nach dem geltenden Recht zu bestätigen und die weiterführenden oder anderslautenden Anträge Vor allem aber greifen Sie, so glaube ich, ohne der SPD abzulehnen. überzeugende Begründung stärker als sinnvoll in die Privatsphäre der Abgeordneten des Bundestages ein. Wir glauben, daß sich die geltenden -Regeln von Herr Kollege Schmidt, was mich stört, ist, daß Sie ge- 1995 bewährt haben. Herr Kollege Schmidt, Sie ha- gen den allgemeinen Trend in der Gesetzgebung ben über Verfahren geredet, Sie haben noch einmal und Rechtsprechung in der Bundesrepublik gehen. Ihre Anträge hier vorgetragen. Ich habe, offen ge- Wir wissen alle - es gibt ein wichtiges Urteil des Ver- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19795

Dr. Gerhard Stoltenberg fassungsgerichts dazu -, daß der Stellenwert des Da- zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die hier im tenschutzes für die Bürgerinnen und Bürger in den Bundestag besonders verantwortliche Aufgaben - letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat, wie wir alle wissen, gibt es in der Wirklichkeit unse- res Parlaments gewisse Abstufungen - oder Minister- (Jörg van Essen [F.D.P.]: Ja!) ämter übernommen haben, im Gegensatz zu einem in Gesetzgebung und Rechtsprechung. Ich erwähne weit verbreiteten Vorurteil auf Einkommen verzichtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die haben. unbestrittene Berufsfreiheit, das in Deutschland be- sonders stark geschützte Steuergeheimnis. Das gilt übrigens auch für meine eigene Biogra- phie. Ich habe vor meinem Mandat - was ja öffentlich (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Darum bekannt war - eine leitende Tätigkeit in der deut- haben wir auch die Sache mit dem Lausch schen Wirtschaft ausgeübt und mit meiner ersten Be- angriff gemacht!) rufung zum Bundesminister 1965 auf Einkommen verzichtet. Das war für mich kein Problem. Aber es - Da seid ihr ja nicht einig. Das müßt ihr miteinander gibt Grenzen der Zumutbarkeit. Ich sage das in einer austragen. Das will ich deswegen heute abend hier Zeit, in der sich bestimmte Professoren und Publizi- gar nicht weiter vertiefen. Man könnte dazu einiges sten überschlagen in der Diffamierung der Abgeord- sagen; aber die Zeit reicht nicht. neten, auch hinsichtlich der Bezüge - eine Sache, der Ich will noch einmal sagen: Die öffentliche Mei- wir alle entschieden widersprechen sollten! nung, die Gesetzgebung, die Rechtsprechung haben sich in Deutschland in die andere Richtung bewegt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Wir müssen uns sehr genau überlegen, inwieweit be- sowie bei Abgeordneten der SPD) sondere Verpflichtungen für die Abgeordneten des Das heißt also, heute ist die Attraktivität der parla- Bundestages, die wir alle bejahen und die ja auch mentarischen Laufbahn in den Kommunen, in den mit den Verhaltensregeln begründet sind, im Ge- Ländern und im Bund für viele geringer geworden. samtkontext der Rechtsentwicklung nicht mehr ver- Die zeitliche Beanspruchung hat in der Regel zuge- tretbar sind. nommen. Ich erinnere daran, daß wir erst vor zehn Jahren Daher bin ich der Meinung, daß wir im Bundestag eine große außerparlamentarische Bewegung gegen und daß vor allem unsere Kolleginnen und Kollegen die Volkszählung hatten, weil viele meinten - ich in den Landtagen auch darüber reden sollten, ob weiß, daß auch einige Mitglieder der linken Seite man nicht die Arbeit auch unter Wahrung von Min- dieses Hauses an dieser Bewegung mitgewirkt ha- derheitenrechten etwas rationeller und effektiver ge- ben -, stalten könnte, nicht indem man Minderheitenrechte (Christa Nickels [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ wegnimmt, sondern indem man die Ausübung von NEN]: Richtig!) Rechten etwas genauer überprüft. Da gibt es man- ches an Leerlauf, was vermieden werden kann. Aber daß es den Bürgern nicht zumutbar sei, weniger all- insgesamt hat die zeitliche Beanspruchung zuge- gemeine, persönliche Daten den zuständigen Behör- nommen; das öffentliche Meinungsklima ist un- den mitzuteilen, obwohl das für die kommunale und freundlicher geworden. staatliche Daseinsvorsorge zweifellos sehr wichtig war. Ich denke auch an die Erosion der allgemeinen Ich sage das ohne Larmoyanz. Wer sich ins politi- Meldepflicht. sche Rampenlicht begibt - das gilt nicht nur für uns im Bundestag -, muß mit Kritik leben, gelegentlich Natürlich, bestimmte besondere Verpflichtungen auch mit ungerechter Kritik. Aber insgesamt müssen für uns Abgeordnete bejahen wir alle - aber mit Au- wir es ernst nehmen, daß das öffentliche Meinungs- genmaß! Die Formel, daß wir keinen „gläsernen Ab- klima unfreundlicher geworden ist. geordneten" wollen, muß ernst genommen werden. Wir sollten nichts beschließen, was für die Mitglieder Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Leuten, die des Deutschen Bundestages und ihre Familien unzu- ihren Familien und sich das nicht mehr zumuten wol- mutbar wird, auch aus sehr konkreten Gründen. len. Das kann ein Verlust für die Lebendigkeit unse- rer Demokratie und auch ein Verlust für den reprä- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - sentativen Charakter unserer Parlamente sein. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war übrigens auch nicht unser Ziel!) Ich verstehe es, offen gesagt, nicht, Herr Kollege Schmidt - ich sage das ganz höflich -, daß Sie hier Ich sage als einer der Älteren und vor allem als ei- nun noch heftige Kritik an einigen Kolleginnen und nes der dienstältesten Mitglieder diesen Hohen Hau- Kollegen geübt haben, die hauptamtliche Aufgaben ses am Ende meiner parlamentarischen Laufbahn: in Verbänden übernommen haben. Seitdem ich dem Mir macht große Sorge - auch im Zusammenhang Bundestag angehöre, haben wir immer hervorra- mit der jetzt laufenden Kandidatendiskussion -, daß gende Gewerkschaftsführer in diesem Parlament ge- die Tätigkeit im Deutschen Bundestag, aber eben habt, die Hauptämter hatten. Ich habe das immer be- auch die in den Landtagen und in der kommunalen grüßt, und ich habe in einer meiner letzten Reden im Selbstverwaltung für viele tüchtige, im Beruf be- vergangenen Jahr die persönliche Leistung des Kol- - währte und im guten Sinne erfolgreiche Leute der legen Rappe in einem bestimmten Zusammenhang jüngeren und mittleren Generation weniger attraktiv ausdrücklich gewürdigt. ist als vor 20 oder 40 Jahren. Ich erinnere aus meiner Erfahrung von vier Jahrzehnten einmal daran, daß (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 19796 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Gerhard Stoltenberg Auf Leute wie ihn sollten wir nicht verzichten. ren Weise erweitern. Das aber ist für mich ein öffent- liches Thema, das über den heutigen Tag hinaus- Aber dann müssen Sie doch auch akzeptieren, daß geht. Eine solche Erweiterung auf die hier genannten es Geschäftsführer oder Vorsitzende von anderen Gruppen und andere wäre gut für unsere Demokra- Verbänden im Hauptamt gibt, die hier tätig sind. tie, gut auch für unser Parlament. (Jörg van Essen [F.D.P.]: Sehr richtig!) Schönen Dank. Diese Art von Polemik bringt uns in der Gemeinsam- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) keit der Abgeordneten doch überhaupt nicht weiter. Ich will noch zwei Dinge sagen. Die maßlose Kritik, Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die die einige üben, muß zurückgewiesen werden. Herr Kollegin Christa Nickels, Bündnis 90/Die Grünen. von Arnim, Professor in Speyer, hat jetzt ein Buch veröffentlicht mit dem unsäglichen Titel „Fetter Bauch regiert nicht gerne - die politische Klasse Christa Nickels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): selbstbezogen und abgehoben". Wenn das ein nach Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! seinem Verständnis angesehener deutscher Ordina- Zum wiederholten Male befassen wir uns mit der rius tut, muß ich sagen: Es ist unter jedem Niveau, es Frage nach einer möglichen Pflicht zur Offenlegung ist im Grunde ein Skandal. der Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Dabei geht es aber nicht nur um eine technische Spezialfrage (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - des Parlamentsrechtes, sondern um das Vertrauen Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD] der Bürgerinnen und Bürger in die Abgeordneten, meldet sich zu einer Zwischenfrage) die schließlich über Gesetze befinden, die unter- Wenn Sie es mir nicht anrechnen, Herr Präsident, schiedslos für alle Menschen in unserem Land zu gel- will ich die Zwischenfrage gerne zulassen. ten haben. Eine funktionierende Demokratie ist auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Parlament angewiesen. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte, Herr Kol- lege Schmidt. Darum ist auch die Frage der Nebeneinkünfte der Abgeordneten nicht unbedeutend. Zwei Gesichts- punkte sind zu beachten: Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Herr Kollege Dr. Stoltenberg, würden Sie bitte zur Kenntnis neh- Zum einen sind Nebeneinkünfte selbstverständlich men, daß auch ich und meine Fraktion genau in der legal. Jeder Abgeordnete hat grundsätzlich das gleichen Weise Kritik an diesem Professor üben, wie Recht, neben seinem Mandat andere Tätigkeiten Sie es eben zum Ausdruck gebracht haben? auszuüben. Herr Kollege Stoltenberg hat schon zu Recht gesagt, daß sich viele Freiberufler praktisch Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU/CSU): Ich bin nicht kaum noch um ein Bundestagsmandat bewerben, überrascht, daß Sie das sagen, aber ich begrüße Ihre wenn sie ihre Praxen und Kanzleien für die Dauer ausdrückliche Bestätigung. des Mandates schließen müßten. Ein Verbot solcher Nebentätigkeiten oder auch nur ein Genehmigungs- Ich sage, wir müssen mit Kritik leben, aber diese vorbehalt, wie er von der PDS gefordert wird, wäre Art einer verkommenen Sprache - um das deutlich unserer Meinung nach deshalb verfassungspolitisch zu sagen - in der Auseinandersetzung mit den demo- unsinnig, weil Selbständige und Freiberufler damit kratisch gewählten Abgeordneten ist wirklich nicht aus dem Parlament gedrängt würden. Das kann nie- mehr akzeptabel. Er erinnert mich als habilitierten mand wollen. Historiker, der einmal darüber gearbeitet hat, schon an die Fehlleistungen mancher deutscher Professo- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr ren vor 1933, meine Damen und Herren. Ich denke richtig!) daran, wie damals der Parlamentarismus madig ge- Zum anderen können natürlich solche Nebenein- macht wurde. Das waren nicht nur Leute, die nach- künfte aber auch politisch durchaus bedenklich sein. her mit Hitler marschiert sind. Das waren Leute, die Wenn man weiß, daß einige Kolleginnen und Kolle- sich dann wieder distanziert haben. gen auch aus den Koalitionsfraktionen Nebentätig Ich will zum Abschluß folgendes sagen: Was ich keiten in einer Zahl wie Perlen an der Schnur aus- wünsche, ist eine Erweiterung der Diskussion auf üben, dann muß sich ein normaler Mensch fragen, ob Verhaltensregeln für andere gewählte Inhaber politi- denn für diese Kolleginnen und Kollegen der Tag 48 scher Ämter. Oberbürgermeister, Bürgermeister, statt 24 Stunden hat und wie sie diese zahlreichen Landräte, Intendanten von öffentlich-rechtlichen Nebentätigkeiten mit der anstrengenden und verant- Rundfunkanstalten und die Spitzenkräfte do rt haben wortungsvollen Tätigkeit eines Bundestagsabgeord- auch ein politisches Mandat. Wir sollten uns einmal neten vereinbaren. darüber unterhalten, ob es nicht an der Zeit ist, daß (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestimmte Verhaltensregeln, die wir bereits haben, und bei der PDS) auch für diese Träger politischer Mandate gelten soll- ten. Ich bin dagegen, daß wir immer nur- über eine Man kann vornehm davon sprechen, daß solche weitere Ausprägung des Sonderrechtes für die Abge- Tätigkeiten, wenn sie in einer solchen Vielzahl aus- ordneten des Deutschen Bundestages reden. Wir geübt werden, eine übermäßige Belastung für das sollten die Diskussion in einer vernünftigen und fai- Bundestagsmandat und für die Arbeit für die Bevöl- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19797

Christa Nickels kerung bedeuten würden. Daraus können natürlich das, was notwendig ist, gemacht wird, ohne die Ab- auch Interessenverflechtungen resultieren. geordneten nackt und bloß dastehen zu lassen. Ich möchte jetzt eine Passage aus einem Urteil des Danke schön. Bundesverfassungsgerichts von 1975 zitieren, in dem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr deutlich gesagt wird: Das Grundgesetz verlangt und bei der PDS sowie bei Abgeordneten gesetzliche Vorkehrung dagegen, daß Abgeordnete der SPD) aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem soge- nannten Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die da- nach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb et- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der was erhalten, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Kollege Jörg van Essen, F.D.P. Mandat erwartet wird, sie würden im Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unterneh- Jörg van Essen (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Da- mers oder der zahlenden Großindustrie vertreten und men und Herren! Erneut beschäftigt uns heute das nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen. Ein- Thema Parlamentsreform. Wir haben unter diesem künfte dieser Art sind mit dem unabhängigen Status Leitbegriff bisher drei große Themenbereiche behan- des Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleich- delt: die Reform der Parlamentsarbeit und die Stär- mäßige finanzielle Ausstattung in ihrem Mandat un- kung der Handlungsmöglichkeiten des einzelnen vereinbar. Abgeordneten - hierbei haben wir in der laufenden Diese Ansicht teilen wir Grünen. Die anderen Kol- Legislaturpe riode am schnellsten einige positive leginnen und Kollegen haben schon dargelegt, wel- Schritte getan -, die Problematik der Amtsausstat- che Vorstellungen sie haben. Wir sind der Meinung, tung von Mandatsträgern mit der Verabschiedung daß die Vorschläge der SPD-Fraktion hier keine Ab- des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsstellung hilfe schaffen können. Aus der Begründung des An- der Abgeordneten und schließlich die Frage einer trags der SPD geht ja hervor, daß Sie Doppelalimen- Parlamentsverkleinerung einschließlich der damit tationen vermeiden helfen wollen. Doppelalimenta- zusammenhängenden wahlrechtlichen Fragen und tionen zu vermeiden ist aber gerade Aufgabe des Ge- der notwendigen Wahkreisneueinteilung. Das dies- setzgebers. Mehrfachbezahlungen aus öffentlichen bezügliche Gesetz werden wir in der nächsten Wo- Kassen gehören nicht öffentlich beobachtet; solche che verabschieden. Mehrfachbezahlungen gehören parlamentarisch ab- Offengeblieben war in den bisherigen Beratungen geschafft. noch die Frage, ob und inwieweit die Regelungen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über die Anzeigepflichten aus Gründen der Transpa- und bei der PDS) renz einer Ergänzung bedürfen. Wir haben uns im Geschäftsordnungsausschuß in dieser Hinsicht inten- Dazu haben wir auch noch einen anderen Antrag siv mit entsprechenden Vorlagen befaßt, sind aber eingebracht. Um ihn geht es aber heute nicht. Dar- mehrheitlich eindeutig zu der Auffassung gelangt, über hinaus haben wir einen Gesetzentwurf zur daß eine Beibehaltung der geltenden Verhaltensre- Frage der Nebentätigkeiten eingebracht, der keines- geln am besten den von allen Parteien geforderten wegs den gläsernen Abgeordneten schafft, sondern fairen Ausgleich zwischen Transparenz auf der einen selbstverständlich die legitimen Interessen der Abge- Seite - aber das ist eben nur ein Wert - und dem ordneten berücksichtigt. Aber er stellt natürlich auch Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung die notwendige Transparenz für die Öffentlichkeit auf der anderen Seite - dieses Wo rt ist in der Rede her, damit sich die Wählerinnen und Wähler ein Bild des Kollegen Schmidt überhaupt nicht gefallen - ge- von den Interessen und Tätigkeiten der Abgeordne- währleistet. ten machen können. Die Opposition, allen voran die SPD, hatte hierzu Unser Antrag umfaßt drei Punkte. andere Vorstellungen, die selbstverständlich ange- sichts der Bedeutung des Themas im Kontext einiger Erstens. Bagatellbeträge brauchen nicht offenge- Erosionserscheinungen der politischen Kultur in die- legt zu werden - an ihrer Kenntnis besteht kein öf- sem Lande diskutabel sind. Ich möchte an dieser fentliches Interesse. Stelle also deutlich betonen, daß die F.D.P., wie in Zweitens. Einkommen, das aus Einkommensarten allen anderen Fragen der Parlamentsreform auch, stammt, die nicht mandatsrelevant sind, werden selbstverständlich offen ist für entsprechende Anre- nicht offengelegt. gungen. Schließlich waren wir es, gemeinsam mit Hildegard Hamm-Brücher und Burkhard Hirsch, die Drittens. Unser Antrag sieht vor, daß dem GO-Aus- den Prozeß der Parlamentsreform wesentlich mit in- schuß eine Einzelfallprüfung aufgetragen wird, wenn itiiert haben. schutzwürdige Interessen des Abgeordneten das öf- fentliche Interesse der Offenlegung überwiegen. Aber bei genauerem Hinsehen vermögen die Vor- schläge der Opposition nicht zu überzeugen. Trotz Unser Modell sichert also die notwendige Transpa- gegenteiliger Aussagen führen sie letzten Endes renz der Nebeneinkünfte der Abgeordneten, ohne doch zu dem mehr oder minder gläsernen Abgeord- die Abgeordneten zum gläsernen Menschen zu ma- neten. Es werden, ohne daß ich an dieser Stelle auf chen. Wir würden uns freuen, wenn diese Vorschläge Grund der knappen Zeit auf alle Einzelheiten einge- Ihre Zustimmung finden würden, so daß wir nicht hen kann, eine Vielzahl von Anzeigepflichten vorge- wieder unendlich lange Debatten führen müssen, bis schlagen. Diese beschneiden jedoch deutlich über 19798 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Jörg van Essen das bislang schon verlangte Maß hinaus das Grund- es wesentlich spannender gefunden, wenn zum Bei- recht - ich unterstreiche es noch einmal: Grundrecht spiel der Kollege Graf Lambsdorff zu dem Thema ge- - auf informationelle Selbstbestimmung, die Berufs- sprochen hätte. Aber gut, das haben Sie leider ver- freiheit und auch das Eigentumsrecht. Die angestreb- hindert. ten Regelungen führen letzten Endes dazu, daß der Abgeordnete seine persönlichen Einkommensver- (Jörg van Essen [F.D.P.]: Er hat alles veröf hältnisse weitgehend offenlegen müßte. fentlicht, was zu veröffentlichen ist!) Wen berührt das in allererster Linie? Natürlich die Ich weiß gar nicht, wie oft ich, seitdem ich im Bun- Berufsgruppe, die im Parlament ohnehin unterdurch- destag bin, zu diesem Thema gesprochen habe. Alle schnittlich vertreten ist: die Freiberufler und die Selb- Vorschläge, die in den Jahren gemacht worden sind, ständigen, also Handwerker wie Ärzte, Rechtsan- sind letzten Endes von einer Blockade der Mehrfach- wälte genauso wie Unternehmer. Kein Selbständiger verdiener verhindert worden. Wir beklagen uns hier oder Freiberufler kann es sich leisten, Einkommens- -und auch anderswo oft genug über eine Null-Bock zahlen zu veröffentlichen, die seinem Konkurrenten auf-Politik-Mentalität insbesondere bei jungen Men- Einblick in seine Ertragslage und damit Wettbe- schen. Aber Politikverdrossenheit - man sollte besser werbsvorteile bringen würden. Der berufliche Scha- sagen: Politikerverdrossenheit - hat ihre eigentlichen den wäre vorprogrammiert und würde tendenziell zu Ursachen nicht in Beiträgen von „Bild"-Zeitung oder einem Verzicht auf das Mandat führen. „Spiegel", sondern genau hier in diesem Haus. Die Vorschläge der Opposition dienen also nur der Null Bock auf Politik gründet sich auf Erfahrungen Verarmung der Mitgliedervielfalt, der Berufsvielfalt fehlender Teilhabemöglichkeiten an politischen Ent- des Parlaments. scheidungen und verbindet sich mit der Erkenntnis, daß es in politischen Auseinandersetzungen immer (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) weniger um tatsächliche Problemlösungen, dafür im- Wir aber wollen, daß das Parlament die verschiede- mer mehr um medienwirksamen Schlagabtausch nen Bevölkerungsgruppen möglichst gleichmäßig re- geht. Das geht mit einem zunehmenden Mißtrauen präsentiert. gegenüber Repräsentanten der Politik einher, weil deren Handeln kaum kontrolliert oder nachvollzogen Schon die Kissel-Kommission, in der im übrigen werden kann. Daher muß uns eines klar sein: Es geht unter anderem auch die damalige Präsidentin des dabei nicht um uns als Personen, sondern letztlich Bundes der Steuerzahler gesessen hat, die ja jetzt um das Mißtrauen gegenüber parlamentarischer De- Gelegenheit hat, die tatsächlichen Verhältnisse des mokratie. Die Offenlegung von Nebentätigkeiten Lebens von Abgeordneten kennenzule rnen, hat sich und Nebeneinkünften könnte ein kleiner Baustein gegen Offenlegungspflichten gewandt. Ich darf zitie- sein, dieses Mißtrauen aufzubrechen. ren: (Beifall bei der PDS) Der „gläserne" Abgeordnete garantiert weder ausreichenden Schutz vor Fehlverhaltensweisen Meine Damen und Herren, tun wir doch nicht so, noch trägt dieses Bild dazu bei, qualifizierte Mit- als seien wir hier der Karnevalsverein von Buxte- glieder für die Bewerbung um ein Mandat zu ge- hude. Der muß witzig und unterhaltsam sein, mehr winnen. nicht. Weiter heißt es in dem Abschlußbericht - ich darf er- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Nichts neut zitieren -: gegen den Karnevalsverein von Buxte Eine solche Verfahrensweise käme dem Offenba- hude!) rungseid sehr nahe und könnte nach dem Ver- Wir sind der oberste Gesetzgeber, demokratisch ständnis der Kommission auch nicht im entfernte- gewählte Vertreterinnen und Vertreter des Volkes, sten mit der im übrigen vom Bürger zu Recht ein- gewählt mit dem klaren Auftrag, uns tatsächlich und geforderten Transparenz von Abhängigkeiten mit voller Kraft um die Belange der Bürgerinnen und und wirtschaftlichen Verbindungen begründet Bürger zu kümmern. Daß ein Teil der Abgeordneten werden. Die Veröffentlichungen im Handbuch nach der Wahl schnell vergessen hat, woher er des Bundestages ... erfüllen den angestrebten kommt, steht auf einem anderen Blatt. Zweck. Der Bekanntmachung tatsächlicher Ein- künfte bedarf es dazu nicht. Diese sind ohnehin Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erhalten für nur beschränkt aussagefähig. das, was wir hier tun, das Geld der Steuerzahler. Ob jeder von uns es zu Recht erhält, sei einmal dahinge- Dem habe ich nichts hinzuzufügen. stellt. Das Leistungsprinzip gilt für den Bundestag Vielen Dank. bekanntlich nicht. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Na! Na! Na!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die Aber gerade weil wir hier im Auftrag unserer Wäh- Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann, PDS. lerinnen und Wähler sitzen, weil wir nach dem - Grundgesetz Vertreterinnen und Vertreter des ge- Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): Herr Präsident! samten Volkes sein sollen, haben unsere Wählerin- Meine Damen und Herren! Herr van Essen, ich hätte nen und Wähler ein Recht, zu erfahren, was wir hier Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19799

Dr. Dagmar Enkelmann tun, was wir neben unserer Tätigkeit als Abgeord- Berichterstattung: nete tun und was wir dafür bekommen. Abgeordnete Halo Saibold Werner Kuhn Kollege Stoltenberg, es geht nicht um ein Verbot Jann-Peter Janssen von Nebentätigkeiten; sondern es geht darum, den Dr. Olaf Feldmann Wählerinnen und Wählern diese Nebentätigkeiten offenzulegen, b) Beratung der Beschlußempfehlung und des (Beifall bei der PDS - Wilhelm Schmidt Berichts des Ausschusses für Fremdenverkehr [Salzgitter] [SPD]: Das stimmt!) und Tourismus (21. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Jann-Peter Janssen, Su- und zwar nicht, um vielleicht ihre Neugierde zu be- sanne Kastner, Anke Fuchs (Köln), weiterer friedigen. Wir stehen hier in der Öffentlichkeit. Ich Abgeordneter und der Fraktion der SPD denke, wir haben eine besondere Verpflichtung ge- Die Arbeitsplatz- und Ausbildungssituation genüber der Öffentlichkeit, der wir auch gerecht in der Fremdenverkehrswirtschaft werden müssen. - Drucksachen 13/2981, 13/6788 - Es geht letzten Endes - das ist schon mehrfach ge- sagt worden - um mögliche Interessenkonflikte zwi- Berichterstattung: schen der Tätigkeit als Abgeordneter und der Tätig- Abgeordnete Halo Saibold keit, die neben dem Abgeordnetenmandat wahrge- Hans-Joachim Fuchtel nommen wird. Es geht darum, diese Interessenkon- Jann-Peter Janssen flikte rechtzeitig zu erkennen und möglicherweise Dr. Olaf Feldmann auch auszuräumen. Es geht um politische Integ rität. Es geht auch um politische Moral. Ich denke, es c) Beratung der Beschlußempfehlung und des würde uns allen ganz gut stehen, uns darum zu küm- Berichts des Ausschusses für Fremdenverkehr mern. und Tourismus (21. Ausschuß) zu der Unter- richtung über ein Unionsdokument gemäß § 93 Lapidar besagt die Beschlußempfehlung des Ge- Abs. 2 GO-BT schäftsordnungsausschusses: Es bleibt alles beim al- ten; bloß nicht daran rühren. Wir, die PDS, meinen: Geänderter Vorschlag für einen Beschluß des Es besteht dringender Handlungsbedarf. Das sind Rates über ein erstes Mehrjahresprogramm wir unseren Wählerinnen und Wählern schuldig. Die zur Förderung des europäischen Tourismus PDS hat in dieser und auch in der letzten Legislatur- „PHILOXENIA" (1997 bis 2000) periode mehrfach entsprechende Vorschläge einge- - Drucksachen 13/8894 Nr. 2.2, 13/9322 - bracht. Deswegen lehnen wir diese Beschlußempfeh- lung ab. Berichterstattung: (Beifall bei der PDS) Abgeordnete Halo Saibold Dr. Roll Olderog Brunhilde Irber Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich schließe die Dr. Olaf Feldmann Aussprache. d) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bil- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluß- dung, Wissenschaft, Forschung, Technologie empfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Im- und Technikfolgenabschätzung (19. Ausschuß) munität und Geschäftsordnung zu dem Entschlie- gemäß § 56 a der Geschäftsordnung ßungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und Technikfolgenabschätzung F.D.P. zu dem Gesetzentwurf zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten. Das sind die hier: „Entwicklung und Folgen des Touris- Drucksachen 13/3281 und 13/9517. Wer stimmt für mus" diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - - Drucksache 13/9446 - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim- Berichterstattung: men der Opposition angenommen. Abgeordnete Wolfgang Bierstedt Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 d auf: Dr. Karlheinz Guttmacher Josef Hollerith a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Dr. Manuel Kiper Berichts des Ausschusses für Fremdenverkehr Thomas Rachel und Tourismus (21. Ausschuß) zu dem Antrag Überweisungsvorschlag: der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus (federfüh- rend) Für moderne Ausbildungs- und Arbeitsplätze Ausschuß für Wirtschaft in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technolo- - Drucksachen 13/8045, 13/8892 - gie und Technikfolgenabschätzung 19800 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Es liegen je ein Entschließungsantrag und ein Än- Endlich gibt es auch in den Ländern und Regionen derungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Aufbruch zu neuen Ufern, zu mehr Professio- vor. nalität. Fachleute haben das schon über viele Jahre von uns gefordert: statt Konkurrenzdenken mehr Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Kooperation. In vielen Regionen erarbeiten heute die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Wi- Fachleute Tourismuskonzeptionen, erzeugen Leit- derspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen. bilddiskussionen in der Öffentlichkeit eine neue Auf- Ich eröffne die Aussprache. Das Wo rt hat der Kol- bruchstimmung. lege Dr. Rolf Olderog, CDU/CSU. Was sind jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, die nächsten Schritte? Diese sind eine noch stärkere Konzentration der Mittel für Werbung und Marke- Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ting auf überörtlicher, regionaler und nationaler ein Wort zu den kurzfristig vorgelegten Anträgen Ebene, noch mehr Kundenorientierung bei den An- vom Bündnis 90/Die Grünen. Zu „Philoxenia" haben geboten, wie zum Beispiel Pauschalangebote, Son- wir öffentlich detailliert und dezidiert ablehnend derangebote, Baukastensysteme und anderes. Stellung bezogen: zu nebulös, ohne klare Aussage, (Susanne Kastner [SPD]: Sagen Sie doch keine Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität einmal etwas über Ihren Antrag! Es geht und kein Wort zur Finanzierung. Wir bleiben bei un- um Ausbildungs- und Arbeitsplätze!) serer Ablehnung. Bei Reha und Kuren kommen wir um den Abbau von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Überkapazitäten leider nicht herum. Aber mancher und der F.D.P.) Ort hat auch eine Chance mit innovativen Angeboten für Selbstzahler. Den TAB-Bericht, der noch gar nicht fertig ist, sollten wir nicht in den politischen Streit hineinziehen. Wir (Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ sind deshalb für Ausschußüberweisung. NEN]: Ihr laßt sie verhungern!) (Susanne Kastner [SPD]: Wer streitet denn?) Was brauchen wir weiter? Wir brauchen eine mo- derne Infrastruktur, ausgestattet vor allem mit Ange- - Der Streit würde vielleicht kommen, wenn wir dar- boten für unbeständiges Wetter. Wir müssen syste- über ausführlich diskutierten. matisch eine Strategie gegen unsere Benachteiligung durch schlechtes Wetter entwickeln. Wir brauchen Meine Damen und Herren, wo liegen die Problem- unbedingt mehr Freundlichkeit und Service in felder, denen wir uns als Tourismuspolitiker zu stel- Deutschland. len haben? Wenig ermutigend waren in den letzten Jahren vor allem die Zahlen und Daten für Reisen (Susanne Kastner [SPD]: Sola rium nach und Urlaub in Deutschland. Das zeigt auch das Gut- Schleswig-Holstein!) achten des Büros für Technikfolgenabschätzung. Wir brauchen eine weitere Verbesserung - das ist si- Aber gerade deshalb möchte ich mit großem Nach- cher am schwierigsten, Frau Kastner - beim Preis- druck meine Überzeugung ausdrücken: Es gibt kei- Leistungs-Verhältnis und eine noch stärkere Koope- nen Grund zur Resignation. ration aller Organisationen und Leistungsanbieter in (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Sehr richtig!) landschaftlich zusammengehörenden Gebieten wie zum Beispiel an der Nordseeküste, an der Ostseekü- Es gibt Grund zur Zuversicht, Stichwort „Die Krise ste, im Schwarzwald, im Harz oder im Thüringer als Chance". Wald, in der Mecklenburgischen Seenplatte oder im Erzgebirge. Gerade für den Deutschlandtourismus hat sich doch Entscheidendes getan. Endlich haben wir auf Wir brauchen eine noch anspruchsvollere Ausbil- Bundesebene mit der neuen DZT, der Deutschen dung. Die neuen Ausbildungsberufe, die wir fordern, Tourismus Marketing GmbH, und mit dem Reservie- werden das Ausbildungsangebot noch breiter gestal- rungssystem DIRG drei leistungsfähige Marketing- ten. Ferner brauchen wir mehr Qualität und Intensi- institutionen errichtet. Durch die Fusion der DZT mit tät in der Fortbildung, insbesondere auch für die der DTM und den weiteren Ausbau aller Institutio- Chefs der kleinen und mittleren Unternehmen. nen werden sie noch leistungsfähiger. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist mit seiner landschaftlichen Endlich gibt es eine flächendeckende Werbe - und Vermarktungsoffensive für Deutschland in Deutsch- Schönheit und Vielfalt, mit seinen historischen Städ- land. Im vergangenen Jahr standen bescheidene ten, mit seinen kulturellen Angeboten von den Mu- 3 Millionen DM für die Dachwerbung zur Verfügung. seen bis zu den Musicals und - an anderer Stelle - 1998 sollen es 10 Millionen DM werden. Endlich gibt mit seiner eindrucksvollen Modernität ein faszinie- es die enge Zusammenarbeit zwischen den Regie- rendes und auch für Deutsche aufregendes Land. rungen in Bonn und den Ländern, auf die wir jahre- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU lang gewartet haben. und der F.D.P.) - (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Jahrzehnte! - Wenn die Deutschen mehr über die Reize und Susanne Kastner [SPD]: Wir wollen einmal Schönheiten ihres eigenen Landes, über die Faszina- etwas über Arbeitszahlen hören!) tionen vieler Landschaften wüßten, dann würden sie Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19801

Dr. Rolf Olderog zwar trotzdem weiterhin oft ins Ausland und zum diesem wichtigen Thema vorgelegt, wenn auch etwa Warmwasser fahren, aber sie würden auch öfter Ur- 18 Monate nach uns. laub und Reisen in Deutschland machen. Obendrein (Susanne Kastner [SPD]: Wie immer!) würden sie damit einen Beitrag zu Arbeit und Ein- kommen im eigenen Land leisten. Beim ersten Lesen hatte ich darauf gehofft, daß man auf der Regierungsseite die Bedeutung dieses The- Vielen Dank. mas im Fremdenverkehr erkannt hat. Leider wird Ihr (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Antrag dieser Hoffnung nicht ganz gerecht. Dennoch ist es schön - um dies zu Beginn zu sagen -, daß es gewisse Gemeinsamkeiten in den vorliegenden An- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der trägen gibt. Die gegenwärtige wi rtschaftliche Bedeu- Kollege Jann-Peter Janssen, SPD. tung des Tourismussektors wird erkannt; die zukünf- tigen Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten werden gesehen. Jann-Peter Janssen (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin- Wir reden über eine der expansivsten Wirtschafts- nen und Kollegen! Wir reden heute zum dritten - und branchen in Deutschland mit zirka 2 Millionen Be- zum vorerst wohl letztenmal in dieser Wahlperiode schäftigten. Das sind etwa 1,4 Millionen Vollarbeits- über die Arbeitsplatz- und Ausbildungssituation im plätze sowie über 70 000 Stellen für Auszubildende in Fremdenverkehrsgewerbe. unserem Land. Auch die Europäische Union sieht im Tourismus den Sektor mit dem größten Potential für (Susanne Kastner [SPD]: Nur Herr Olderog die Schaffung von Arbeitsplätzen in den kommenden nicht!) Jahren. Wir begrüßen auch die Fortentwicklung bei Das Thema beschäftigt uns in diesem Hause seit der Neuordnung der Berufsausbildung im Gastge- nunmehr drei Jahren. Am 27. Januar 1995 habe ich werbe und möchten die bisherigen Leistungen der im Namen der SPD-Bundestagsfraktion in der ersten Tarifpartner in diesem Bereich anerkennen. tourismuspolitischen Debatte in dieser Wahlperiode (Beifall bei der SPD) versprochen, der Situation der Beschäftigten in der Tourismusbranche sowie deren Perspektiven einen Denn durch die Neugestaltung der Ausbildungs- höheren politischen Stellenwert zu verschaffen. Ja, gänge macht sich das Gewerbe fit für die Zukunft ich darf wohl sagen, daß der SPD das zu einem ge- und für kommende Anforderungen im Wettbewerb. wissen Maße gelungen ist. Es bleibt zu hoffen, daß der Zeitplan eingehalten (Beifall bei der SPD) werden kann und die Neuregelungen ab August 1998 greifen. Denn eine gute Ausbildung Die heutige Diskussion wird ein Beleg dafür sein. und dadurch qualifiziertes Personal ist und bleibt das wichtigste Kapital der Tourismuswirtschaft. Jedoch läßt mich die Art und Weise des Zustande- kommens der heutigen Debatte befürchten, daß das (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Thema der Arbeitsplatz- und Ausbildungssituation DIE GRÜNEN) im Tourismus zumindest bei der Regierungskoalition leider noch nicht den von uns erwünschten Stellen- Eine Abbrechquote von 40 Prozent darf nicht hinge- wert hat. Nein, vielmehr ist es schon merkwürdig nommen werden. Nein, sie ist sehr imageschädigend. und traurig, daß die Regierungskoalition es verhin- Wir müssen daher dem Bild von Ausbeutung und dert hat, heute mehr Redezeit für dieses Thema zur Mißbrauch des beruflichen Nachwuchses entgegen- Verfügung zu haben. arbeiten. Auszubildende dürfen nicht zu billigem Personal verkommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Denn 30 Minuten, die auch noch mit anderen - zuge- Mit der Einführung der dreijährigen Ausbildung geben: wichtigen - Themen geteilt werden müssen, zu dem neuen Berufsbild „Fachfrau oder Fachmann sind zuwenig, um der Sachlage gerecht zu werden. für Systemgastronomie" wird man zum Beispiel dem Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der neue- wachsenden Stellenwert dieser Gastronomie gerecht. sten offiziellen Arbeitsmarktzahlen: Knapp 5 Millio- Ja, wir erwarten etwa 1 500 neue Arbeitsplätze in nen Menschen sind ohne Arbeit und Lohn. Das ist diesem Bereich. Das sind 1 500 Jugendliche mit einer ein trauriger Rekord und eindeutig das Ergebnis ei- beruflichen Perspektive mehr. Wir gehen davon aus, ner falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser daß die Branche der Systemgastronomie ihrer Ver- Regierung. antwortung für die jungen Menschen, welche die (Beifall bei der SPD und der PDS) Ausbildung nun einmal mit sich bringt, gerecht wird. Mindeststandards in der Ausbildung müssen ge- Im Fremdenverkehrs- und Gastgewerbe aber liegt wahrt bleiben. ein bedeutendes Potential für eine positive Arbeits- marktpolitik. Es ist schön, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß - jetzt auch Union und F.D.P. das Gewicht der System- Wir sprechen heute über zwei Anträge zu dem Be- gastronomie erkannt haben. In der Debatte am 1. Fe- reich der Arbeitsplatz- und Ausbildungssituation. bruar 1996 war das nämlich noch nicht so: Der Kol- CDU/CSU und F.D.P. haben einen eigenen Antrag zu lege Fuchtel zum Beispiel äußerte damals nur den 19802 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Jann-Peter Janssen Wunsch, „den Angriff auf die deutsche Eßkultur" - weiterhin nicht hinzunehmende Zustände für die einzuschränken. Während die Regierungskoalition Kolleginnen und Kollegen in den Hotels, in den Her- beim Thema Systemgastronomie Lernfähigkeit be- bergen, in den Restaurants und Gaststätten. Ich wies und dies Erlernte in ihren Antrag aufgenommen werde nicht müde werden und die Mißstände immer hat, ist das bei anderen Themen unseres Antrages wieder aufzählen: bef ristete Arbeitsverträge, Saison- leider nicht geschehen. Damit hat es leider auch ein arbeit, versicherungsfreie Arbeitsverhältnisse, Ende mit den erwähnten Gemeinsamkeiten. schlechte Bezahlung, mehr als ungünstige und über- lange Arbeitszeiten, Mehrarbeit als Regel und nicht Ich stelle nämlich fest, daß Sie in Ihrem Antrag als Ausnahme. zwar eine Überschrift „Neue Berufe in der Touris- musbranche" haben, das eigenständige Berufsbild Die Hauptprobleme der im Fremdenverkehr Be- „Fremdenverkehrsamtsleiter" aber nicht wollen. Ich schäftigten sind und bleiben: schlechte und für die stelle weiter fest, daß Sie zu dem Thema Abschaffung erbrachten Leistungen unverhältnismäßige Entloh- der Trinkgeldbesteuerung kein Wort sagen. Ja, nung sowie ungünstige Arbeitszeiten, die in der Sai- manchmal kann einem der Verdacht kommen, daß son überlang sind und völlig außerhalb der normalen die Regierungskoalition ihren Antrag nur einge- Arbeitszeiten liegen. Zugegeben, oft geht es nicht bracht hat, um diesen Teil unseres Antrages mit aller anders; denn die Arbeit fällt nun einmal an Wochen- Gewalt zu verhindern. enden und abends an. Aber die Rahmenbedingun- gen können und müssen durch Arbeitszeitpläne, (Susanne Kastner [SPD]: Das ist die Wahr durch die Kooperation mehrerer Bet riebe oder durch heit!) höhere Löhne verbessert werden. Denn bei dem Thema Abschaffung der Trinkgeldbe- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Halo steuerung tut sich die Koalition besonders schwer. Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Ich nicht!) Unsere Sozialdemokratische Partei wird sich weiter- Die F.D.P., hier der Kollege Dr. Feldmann, erklärt im hin für die Belange der Arbeitnehmerinnen und Ar- Plenum, die Trinkgeldbesteuerung müsse abge- beitnehmer einsetzen; denn wir dürfen und werden schafft werden. In der Ausschußsitzung, in der über nie vergessen, daß jeder Arbeitsplatz auch ein Ge- diesen Punkt abgestimmt wird, ist er nicht da. Wo rt sicht hat. und Tat gehen hier also weit auseinander. Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Ab- Trinkgelder sind und bleiben die Anerkennung schluß: Unsere Beschäftigten in der Fremdenver- des Gastes für eine erbrachte Leistung. kehrsbranche haben es verdient, daß wir ihnen auf einer möglichst breiten politischen Front unsere Un- (Beifall bei der SPD) terstützung zukommen lassen. Eine Besteuerung des Trinkgeldes als Arbeitslohn (Susanne Kastner [SPD]: Aber der Olderog widerspricht dem persönlichen Charakter dieser Be- macht es nicht!) lohnung; es ist keine Entlohnung. Darum bleiben wir dabei: Die Bundesregierung soll einen Bericht über Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß der von der die Erfahrungen mit den geltenden Bestimmungen SPD-Bundestagsfraktion vorgelegte Antrag „Die Ar- über die Besteuerung von Trinkgeldern vorlegen. beitsplatz- und Ausbildungssituation in der Frem- denverkehrswirtschaft " dazu einen Beitrag leisten (Beifall bei der SPD - Dr. Olaf Feldmann kann. Aus diesem Grund bitte ich Sie um Zustim- [F.D.P.]: Sehr gut!) mung zu unserem Antrag. - Danke schön, Herr Dr. Feldmann. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gastgewerbe und der PDS) ist ein dynamischer Wirtschaftssektor mit Zukunft. machen vor die- Struktur- und Technologiewandel Ich gebe das sem Zweig natürlich nicht halt. Diesem Wandel wird Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Wort der Abgeordneten Halo Saibold. sich das Gewerbe anpassen müssen. Aber der Blick in die Zukunft darf nicht von den Problemen der Ge- genwart ablenken. Nein, positive Aussichten dürfen Halo Saibold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gegenwärtige Mißstände nicht überdecken. Eines ist geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ganz sicher: Die Fortentwicklung im Bereich des In vier Minuten Redezeit kann ich leider nur ein paar Fremdenverkehrs darf und wird nicht auf Kosten der kurze Sätze sagen. in diesem Bereich beschäftigten Kolleginnen und (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Kollegen gehen. Hierfür wird die SPD sorgen. Das ist aber eine gute Erkenntnis!) (Beifall bei der SPD) Zuerst einmal zu „Philoxenia". Sie, die Vertreter der Es ist unserer Meinung nach nämlich mehr- denn je Koalitionsfraktionen, lehnen dieses gestaltungsfä- notwendig, auf die Situation der Beschäftigten und hige Programm einfach ab, während der Bundesver- der Auszubildenden im Tourismus zu achten. Es gibt band der Tourismuswirtschaft sogar beim Bundes- - das wissen wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen kanzler für „Philoxenia" interveniert hat und sich auf Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19803

Halo Saibold EU-Ebene massiv dafür einsetzt. Die Blockadehal- ferenz wollten Sie von den Koalitionsfraktionen tung der Bundesregierung führte wieder einmal plötzlich nicht mehr dabeisein, und hier im Bundes- dazu, daß sich Deutschland auf internationaler Ebene tag haben Sie den Bericht mit drei anderen Anträgen lächerlich gemacht hat. in eine halbstündige Debatte gequetscht. Dieses peinliche Taktieren wird Ihnen aber nur Kopfschüt- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) teln in der Fachöffentlichkeit einbringen. Sie haben heute die Möglichkeit, dies auszugleichen, Ich werde mich natürlich dafür einsetzen, daß die- indem Sie unserem Entschließungsantrag zustim- ser TAB-Bericht nicht in der Schublade verschwin- men. det. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Auch wir wol Und nun zum TAB-Bericht: Vor etwa einem halben len ihn debattiert haben!) Jahr hat Wirtschaftsminister Rexrodt den Tourismus Deshalb hat meine Fraktion heute einen Entschlie- in die Reihe der drei wichtigsten Zukunftsbranchen ßungsantrag zum TAB-Be richt eingebracht. des nächsten Jahrhunderts eingeordnet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Der Kerl hat recht!) Es würde mich mittlerweile nicht mehr wundern, wenn Sie diese Vorschläge, über die es eigentlich Das ist nicht nur eine wi rtschaftliche Herausforde- parteiübergreifenden Konsens geben müßte, wieder rung, sondern vor allem eine gesellschaftliche, eine einmal nur deswegen überstimmen würden, weil sie ökologische und nicht zuletzt eine politische Heraus- von meiner Fraktion eingebracht worden sind. Ich forderung. Dieser Herausforderung wollten wir uns kann Ihnen aber heute schon versprechen, daß im Tourismusausschuß mit der Vergabe des Gutach- Bündnis 90/Die Grünen in einer neuen Regierung al- tens an das Büro für Technikfolgenabschätzung stel- les daransetzen werden, daß die Zukunftsfragen im len. Tourismus richtig angepackt werden. Ich bin sehr froh, daß der Ausschuß meinem Vor- Vielen Dank. schlag gefolgt ist und das Gutachten im Ausschuß auf breite Zustimmung stieß. Es liefert eine hervorra- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - gende partei- und interessenunabhängige Zusam- Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Wir werden uns menschau über Tourismus und Wirtschaft, Umwelt, bemühen, das zu verhindern!) Technik, Wertewandel sowie Tourismuspolitik. Gleichzeitig zeigt es auch die jeweiligen Mängel auf. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nun spricht Die ersten Reaktionen aus der Wissenschaft und der Abgeordnete Dr. Olaf Feldmann. der Praxis haben gezeigt, daß dieses Gutachten in keiner Uni-Bibliothek und auf keinem Schreibtisch Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.): Herr Präsident! Liebe der Verbände fehlen wird. Es hilft uns, die Zukunfts- Kolleginnen und Kollegen! Wir spannen mit dieser fragen im Tourismus mit dem nötigen Weitblick an- kurzen Debatte heute einen sehr weiten Bogen um zugehen. Dafür möchte ich mich beim Büro für Tech- die vielfältigen Felder des Tourismus. Frau Kollegin nikfolgenabschätzung bedanken; dieses Büro hat Saibold, ich kann Ihnen nur in einem Punkt recht ge- sich in seiner relativ kurzen Geschichte einen ausge- ben: In Fünfminutenbeiträgen kann man diesen wei- zeichneten Ruf erarbeitet. ten Themenfeldern wirklich nicht gerecht werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Tourismus ist ein expansiver und dynamischer Wirtschaftszweig. Es wäre schön gewesen - auch wir Für uns Politiker und Politikerinnen ist die Analyse sehen das so -, wenn wir etwas mehr Redezeit zur der Tourismuspolitik in Deutschland das Entschei- Verfügung gehabt hätten. dende. Noch entscheidender ist natürlich, wie wir mit dieser Analyse umgehen. Das TAB stellt fest, daß (Beifall des Abg. Albert Schmidt [Hitzhofen] Tourismuspolitik in Deutschland „kein wohlbestell- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) tes Feld" ist, sondern konzeptionslos erfolgt. Diese Herr Janssen, die Koalition hat die Ausbildungs- Feststellung kommt an anderer Stelle noch deutlicher und die Arbeitsplatzsituation, vor allem im Touris- zum Ausdruck. Das TAB kritisiert - ich zitiere wört- musbereich, in aller Deutlichkeit gewürdigt. Das er- lich - „Unübersichtlichkeit, unzulängliche Kommuni- kennen Sie auch an unserer Vorlage. Die Ausbil- kation, fehlende Abstimmung, Doppelarbeit, Blocka- dungssituation im Gastgewerbe ist wirklich ein- den und Ineffizienz" in der deutschen Tourismuspoli- drucksvoll - vielleicht hätten Sie ein Wo rt darüber tik. verlieren sollen -: (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Sie tun gerade (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie so, als wenn Sie dabei die Feder geführt müssen nur zuhören!) hätten!) 1996 wurden 8 Prozent mehr Ausbildungsverhält- Diese wissenschaftlich begründete Ohrfeige für nisse neu begonnen als 1995. 1997, Herr Kollege das Versagen der Bundesregierung in der Tourismus- - Janssen, gab es noch einmal fast 7 Prozent mehr Aus- politik wird Folgen haben. Es verwundert mich gar bildungsplätze als 1996. nicht mehr, daß die Koalition den Be richt mittlerweile am liebsten totschweigen würde. Bei der Pressekon- (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Bravo!) 19804 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Olaf Feldmann Das sind fast 32 000 neue Ausbildungsverhältnisse. Dieses Problem können wir nur lösen, wenn wir die Das ist ein Wort. Dafür verdient das Gastgewerbe Ursachen durch eine wirk liche Steuersenkung und Anerkennung. durch die Beseitigung von Abgaben im Bereich der Lohnkosten bekämpfen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das Zum TAB-Bericht, Frau Saibold. Der Bericht ist stimmt!) besser, als wir befürchtet haben. Er weist zum Bei- spiel auf den Koordinationsbedarf hin. Aber wir sind Die F.D.P. begrüßt die kontinuierlichen Bemühun- doch schon längst auf dem Weg zu mehr Koordina- gen der Bundesregierung zur Neuordnung der Be- tion und Kooperation im Tourismus. Wenn man nur rufsausbildung im Gastgewerbe. Wir haben das zwei Legislaturpe rioden zurückschaut, dann sieht neue Berufsbild „Systemgastronomie" ganz deutlich man, was wir bereits erreicht haben. Der Kollege Ol- begrüßt, Herr Janssen. Wir begrüßen auch das neue derog hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, daß Berufsbild „Reiseverkehrskaufmann" und die Tatsa- DZT und DFV gemeinsam die DTM finanzieren, da- che, daß mehr Professionalität in den Fremdenver- mit im In- und Ausland für Urlaub und Reisen in kehrsämtern Einzug halten soll. Ich habe überhaupt Deutschland geworben werden kann, was vor weni- keine Probleme damit, der Forderung des VDKF zu- gen Jahren - Sie müssen einmal zurückblicken und zustimmen. Wir sagen aber deutlich, daß wir Pro- sehen, wo wir standen - noch undenkbar war. Auch bleme mit dem Berufsbild „Reiseleiter" haben. Wir bei der DIRG haben wir endlich den Durchbruch ge- können uns den Bedenken der Bundesregierung schafft. nicht verschließen. Der TAB-Bericht ist aber auch widersprüchlich. Herr Kollege Olderog, auch die F.D.P. - das haben Auf der einen Seite beklagt er die knappe Personal- wir schon mit gemeinsamen Anträgen getan - wen- ausstattung des Bundes. Auf der anderen Seite stellt det sich mit Nachdruck gegen eine besondere Kom- er aber richtigerweise fest: Verfassungsrechtlich ist petenz der EG im Tourismusbereich. Auch wir wol- die Kompetenzverteilung für Tourismus zugunsten len Subsidiarität. Deswegen haben wir gemeinsam der Länder geregelt. Das ist so. Deswegen hat der das „Philoxenia" -Programm abgelehnt, obwohl Bund nicht die Hauptkompetenz. Frau Saibold, wir einige Punkte - da werden Sie mir wahrscheinlich sind eine Republik aus Bundesländern und kein Zen- zustimmen - durchaus unterstützenswert sind. Es tralstaat. Das müssen auch die Grünen verstehen ler- gab aber zu viele unklare Formulierungen, die allen nen. Wir können keine zentralistisch ausgerichtete möglichen Auslegungen durch die EG-Bürokratie Tourismuspolitik betreiben. Tür und Tor geöffnet hätten. Wir haben mit der Generaldirektion XXIII bereits in der Vergangenheit Die Bundesregierung - ich darf das zum nicht immer die besten Erfahrungen gemacht - leider Schluß feststellen - verdient Lob für ihre Anstren- nicht. gungen, Statt ständig neue Kompetenzen für die EG zu ver- (Susanne Kastner [SPD]: Immer hübsch auf langen, sollte diese erst einmal die vielfältigen Auf- dem Teppich bleiben!) gaben, die noch unerledigt auf dem Tisch liegen, ab- arbeiten. Die EG sollte sich erst einmal darin bewäh- die Berufsbilder im Bereich des Tourismus voranzu- ren, die Diskriminierung von Reiseleitern in einigen treiben. Wir bedauern, daß Sie, obwohl wir - wie ha- Mitgliedsländern zu beseitigen, ben Sie gesagt? - so viele Gemeinsamkeiten auf die- sem Gebiet haben, unserem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Warum stimmen Sie nicht zu? die gegenseitige Anerkennung der Ausbildungszer- tifikate zu erleichtern und die Koordination im Fe- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege rienbereich voranzutreiben. Da gibt es noch viele Be- Feldmann, Ihre Redezeit! tätigungsfelder; ich habe nur einige genannt.

Ich wundere mich, daß Sie im Gegensatz zu Ihrer Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.): Die Trinkgeldbesteue- Haltung im Ausschuß noch nichts zu den geringfügi- rung - das darf ich zum Schluß sagen - will ich ge- gen Beschäftigungsverhältnissen gesagt haben. Das nauso abgeschafft haben wie Sie. Aber ich warte auf Gastgewerbe, das wissen Sie doch genau, ist mehr die groß angekündigten Initiativen von der Länder- noch als andere Branchen - auf jeden Fall mehr als seite für die Abschaffung dieser Steuer. die Metaller, Herr Kollege Janssen - auf flexible Ta- rifmodelle angewiesen, um den starken saisonal, wochen- und tageszeitlich sowie den wetterbeding- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, ten Nachfrageschwankungen gerecht werden zu ich sage es ungern, aber Ihre Redezeit ist abgelau- können. fen. Die Zunahme der Zahl von geringfügig Beschäftig- ten ist doch nur ein Indiz dafür, daß irgend etwas in Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.): Herr Präsident, ich be- der Lohnstruktur nicht stimmt. danke mich. Meine Damen und Herren, vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Susanne Kastner [SPD]: Daß etwas mit der Regierung nicht stimmt!) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19805

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das sein und sich auf qualifizierte Kräfte stützen. Das Wort der Abgeordneten Ch ristina Schenk. heißt, mit den jetzt geltenden Förderungskriterien und Finanzierungsmodalitäten sind ABM im Grunde Christina Schenk (PDS): Herr Präsident! Meine Da- dafür ungeeignet. men und Herren! Es stehen hier zwei Anträge zur Ar- Statt nun aber an diesen Unzulänglichkeiten her- beitsplatz- und Ausbildungssituation im Tourismus umzulaborieren, sollten wir hier im Bundestag end- zur Diskussion. Ich will gleich vorausschicken, daß lich mit einer ernsthaften Debatte über den Aufbau wir den Antrag der Regierungskoalition ablehnen des von der PDS schon seit längerem geforderten öf- werden, weil er - wie schon andere zuvor - schwam- fentlich geförderten Beschäftigungssektors begin- mig, ungenau und unkonkret ist. Dem Antrag der nen, der tariflich bezahlt und als Teil des sogenann- SPD hingegen werden wir zustimmen und uns bei ten ersten Arbeitsmarkts ein Ausweg auch im Touris- den Abstimmungen über die Beschlußempfehlungen musbereich wäre. des Ausschusses entsprechend verhalten. Danke schön. Ich möchte eine Bemerkung zur Frage der Qualifi- zierung in Tourismusberufen machen. Von Expertin- (Beifall bei der PDS) nen und Experten ist schon sehr oft darauf hingewie- sen worden, daß die bis dato bestehende Qualifika- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich will ein tion für deutsche Reiseleiterinnen und Reiseleiter Versäumnis nachholen und zu der Rede des Kollegen sehr verbesserungsbedürftig ist. Im Vergleich zu an- Feldmann der Kollegin Brunhilde Irber das Wo rt zu deren europäischen Staaten, wie zum Beispiel der einer Kurzintervention geben. Türkei, Griechenland oder Frankreich, schneidet die Bundesrepublik schlecht oder zumindest nicht be- sonders gut ab. Es ist in den letzten Jahren sogar im- Brunhilde Irber (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolle- mer wieder zu Behinderungen, bis hin zu vorläufigen ginnen und Kollegen! Ich beziehe mich auf die Rede Festnahmen, deutscher Reiseleiterinnen und Reise- von Herrn Feldmann und seiner Ausführungen zu leiter im Ausland gekommen, weil sie gemäß der je- „Philoxenia". Leider Gottes, muß ich sagen, hat die weils in den einzelnen Länder herrschenden Vor- Bundesregierung der deutschen Tourismuswirtschaft schriften nicht befugt waren, Reisegruppen zu leiten. mit der Ablehnung von „Philoxenia" und des Mehr- jahresprogrammes schweren Schaden zugefügt. Zu einer dramatischen Situation könnte es kom- men, wenn im Rahmen der EU tatsächlich einheitli- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) che Qualifizierungsstandards als Voraussetzung für Das Subsidiaritätsprinzip, das Sie hier anführen, die Ausübung des Berufs durchgesetzt würden. Das hätte beileibe nicht darunter gelitten, weil sich alle ist aus unserer Sicht zwar wünschenswert, käme al- Maßnahmen nach dem Subsidiaritätsprinzip gerich- lerdings unter den jetzigen Gegebenheiten wahr- tet hätten und deshalb hier keine Gefahr bestanden scheinlich einem Berufsverbot für die deutschen Rei- hätte, daß der Europäischen Union Kompetenzen zu- seleiterinnen und Reiseleiter gleich. Ich meine, daß gekommen wären, die ihr nicht zustehen. Ihnen ging hier ganz dringender Handlungsbedarf besteht. es vielmehr nur ums Geld. Sie haben es abgelehnt, Wir meinen auch, daß die Schaffung eines Be- weil Sie 5 Millionen, maximal 15 Millionen DM, auf rufsbildes Fremdenverkehrsamtsleiterin/Fremden- einen mehrjährigen Zeitraum verteilt, als zu große verkehrsamtsleiter und auch die Qualifizierung der Belastung des Haushaltes gefürchtet haben. Reiseleiter sehr dringend erforderlich ist. Nach der Es ist interessant: Das Wi rtschaftsministe rium hat ITB 1994 ist von mehreren Institutionen unter dem in den ersten Stellungnahmen bei der Diskussion im Dach des Bundesinstituts für Berufsbildung ein Rah- Ausschuß „Philoxenia" befürwortet, und auch Sie menlehrplan für die Grundqualifizierung von Reise- haben durchblicken lassen, daß es notwendig wäre, leitern und Gästeführern erarbeitet, mittlerweile er- „Philoxenia" zu verabschieden. Aber dann kam der probt und inzwischen auch evaluie rt worden. Wir Einwand aus dem Finanzministerium, und leider meinen, daß es an der Zeit ist, diesen auch bundes- Gottes bestimmt bei uns die Finanzpolitik alle ande- weit für verbindlich zu erklären. ren Politikfelder. Sie hatten nicht den Mut, „Philoxe- Zum Schluß möchte ich noch eine ergänzende Be- nia" durchzusetzen, obwohl Sie genau wissen, wie merkung zum Ausbau des Tourismus in Ostdeutsch- notwendig das gewesen wäre. land machen. Während in den alten Bundesländern Herr Godin von der GD XXIII hat letzte Woche ge- der Tourismus von festangestellten Mitarbeiterinnen sagt, daß er kein Budget hat, und alles, was nun auf und Mitarbeitern organisiert und betreut wird, liegt europäischer Ebene zur Förderung des Tourismus er in den neuen Bundesländern hauptsächlich in den getan werden könne, sei, daß man einen Rat mit fünf Händen von ABM-Kräften, die in der Regel, wie es Weisen einsetze. Der kann natürlich kluge Gedan- jetzt der Fall ist, nach einem Jahr ausgewechselt wer- ken fassen. Aber dabei kommt für die Tourismuswirt- den. Kontinuierliche und kompetente Arbeit ist auf schaft nichts heraus, obwohl sie der Beschäftigungs- diese Weise nicht möglich. sektor mit dem größten Wachstum in der Zukunft ist: (Susanne Kastner [SPD]: Stimmt!) Jetzt haben wir 9 Millionen, in Zukunft haben wir 12 Millionen Beschäftigte. Für den Aufbau einer stabilen, strukturell abgesi- cherten Tourismuswirtschaft im Osten sind auch wei- Sie sind dagegen. Das kann ich nicht verstehen, terhin öffentliche Mittel notwendig, bis sich die touri- und mit mir Herr Kaub, der Vorsitzende des Bundes- stischen Strukturen do rt entsprechend entwickelt ha- verbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft. Ich ben. Allerdings müssen diese längerfristig angelegt möchte ein Zitat von ihm hier zur Kenntnis geben: 19806 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Brunhilde Irber Daß nun Finanzpolitik unsere Tourismuspolitik Computer- und Rechentechnologien. Es ist völlig bestimmt, ist eigentlich schon eine Absage an die richtig - Jann-Peter Janssen hat es vorhin gesagt -: Zukunftsorientierung von Politik überhaupt. 2 Millionen Arbeitnehmer sind in dieser Branche be- Dem kann ich nur zustimmen. schäftigt. 5,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entfallen auf sie. Das ist erwähnenswert. Da sind (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE auch Ansatzpunkte für Beschäftigungs- und Arbeits- GRÜNEN und der PDS) marktpolitik. Mehr als 100 000 junge Menschen werden jährlich Herr Kollege Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: in den unterschiedlichsten Berufen der Tourismus- Feldmann, Sie können darauf antworten. und Fremdenverkehrswirtschaft und des Freizeitbe- reiches ausgebildet. Ich möchte in diesem Zusam- Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.): Vielen Dank, Herr Prä- menhang allen Bet rieben, die jungen Leuten die sident. - Ich bedanke mich bei der Kollegin Irber für Chance gegeben haben, ausgebildet zu werden, ein das Lob auf die Koalition. Es ist richtig, daß diese Ko- herzliches Dankeschön sagen. alition besonders sorgfältig mit den Finanzen - das sind nämlich die Steuergelder der Bürger - umgeht. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU - Lachen bei der Sie haben streckenweise auch über den Bedarf hin- SPD) aus ausgebildet. Die geburtenstarken Jahrgänge ha- ben es wirklich verdient. Es ist unbedingt notwendig, Sie wissen ganz genau - oder vielleicht erfahren Sie daß den jungen Menschen mit einer guten Ausbil- es jetzt zum erstenmal -, daß ein Großteil der Ausga- dung auch eine Zukunft gegeben wird. ben, die im Rahmen Europas und unter europäischer Flagge geleistet werden, aus deutschen Steuergel- (Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ dern kommt. Deswegen haben wir eine besondere NEN]: Warum brechen so viele die Ausbil Verpflichtung, mit den Geldern, die nach Europa ge- dung ab?) hen, sehr sorgfältig umzugehen. Das mag bei Ihnen Der Reiseverkehrskaufmann wird, wenn ich mich anders gesehen werden. nicht täusche, zum 1. August 1998 tatsächlich als Be- Wir haben sehr deutlich gemacht - das weiß auch rufsbild definie rt sein. Das halten wir auch für sehr Herr Dr. Kaub vom Bundesverband der Deutschen wichtig und erwähnenswert. Die Systemgastronomie Tourismuswirtschaft -, daß wir einzelne Elemente ist sicherlich eine futuristische Angelegenheit, die des „Philoxenia" -Vorschlages, wie er zuletzt in Lu- aber mehrere tausend neue Arbeitsplätze bringen xemburg beschlossen wurde, durchaus begrüßen, wird. Da denke ich nicht nur an Fast-food-Ketten, daß wir aber insgesamt - ich weiß nicht, ob Sie über- sondern auch an die hochqualifizierten Restaurant- haupt den „Philoxenia"-Text sorgfältig gelesen ha- ketten wie Mövenpick und Nordsee. ben - einem solch allgemeinen Text nicht zustimmen Diesbezüglich kann ich dem Wirtschaftsministe- können. Wenn Sie von Gesetzestexten und juristi- rium nur ein Lob aussprechen. Die zuständige Refe- scher Gesetzesarbeit Ahnung haben, können Sie das rentin hat alles dafür getan, daß diese Berufsbilder auch nicht tun; das wäre fast verantwortungslos. So entsprechend definie rt und in die Gesetzestexte ge- sieht das auch Herr Dr. Kaub. Wir haben unsere Hal- schrieben werden. tung erklärt. Lassen Sie es unsere Sorge sein, wie wir mit dem Bundesverband der Deutschen Tourismus- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU wirtschaft zurechtkommen. und der F.D.P.) Uns ist dieser Text zu allgemein. Offensichtlich ha- Über die Berufsbilder des Reiseleiters und Frem- ben Sie schon verdrängt, was in der Generaldirek- denverkehrsamtsleiters läßt sich streiten. Ich bin der tion XXIII in den letzten Jahren an Mitteln ganz Auffassung, daß junge Menschen einen solchen Be- böse verschludert worden ist. Die Strafverfahren, die ruf nicht aus dem Lehrbuch heraus erlernen können. da laufen, haben Sie alle schon vergessen. Oder ha- Vielmehr brauchen sie ein gewisses Standing und ben Sie keine Ahnung, was da gelaufen ist? Es Lebenserfahrung und können als Quereinsteiger sol- scheint mir fast so zu sein. che Berufe oft viel besser erlernen. Da sind Sie mit Vielen Dank. mir sicherlich einer Meinung. Deshalb muß ich das nicht mit Kraft hineindrücken und unbedingt solche (Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ neuen Berufe definieren, zumal der Bedarf so groß NEN]: Wer hat denn den Generaldirektor so gar nicht ist. Das sagen uns auch die Verbände. gelobt?) Beim Kaufmann für den Verkehrsservice ist be- Nun gebe ich sonders die Bahn avantgardistisch nach vorne ge- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: gangen; sie bietet dieses Berufsbild den jungen Men- das Wort dem Abgeordneten Werner Kuhn. schen an. Das gleiche gilt für den Luftverkehr. Das (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Er bedeutet, das fliegende Personal hat in Zukunft die hält jetzt eine Last-minute-Rede!) Chance, im Bodenbereich als Kaufmann für Ver- kehrsservice arbeiten zu können. Das ist auch im Be- Werner Kuhn (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine reich der Tarife viel günstiger. sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es wurde (Susanne Kastner [SPD]: Sagen Sie einmal heute schon mehrmals erwähnt: Die Tourismuswirt-- etwas zum Trinkgeld!) schaft ist eine der Wachstumsbranchen in unserer Volkswirtschaft. Sie ist ungefähr gleichzusetzen mit Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir set- dem Bereich der Telekommunikation oder dem der zen nach wie vor in der Ausbildung auf das duale Sy- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19807

Werner Kuhn stem, also die Berufsschule und den Lehrbetrieb. Da- Wir wollen, daß kleine und mittelständische Bet riebe bei ist es notwendig, daß ich den Blockunterricht - gefördert werden, daß sie nach oben kommen. Ich das möchte ich an dieser Stelle einmal erwähnen - sage Ihnen nur eines: Marx ist tot; der Mittelstand zeitlich so gestalte, daß der Auszubildende dann im lebt. Betrieb ist, wenn das saisonale Geschäft läuft. Zu die- ser Zeit bekommt er das meiste Wissen vermittelt. Ich (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P - Lachen bei der SPD) bin nicht Ihrer Auffassung, daß das Billigarbeits- kräfte sind und die jungen Leute ausgebeutet wer- den. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nun gebe ich dem Parlamentarischen Staatssekretär Hein rich Kolb (Beifall des Abg. Ul rich Heinrich [F.D.P.]) das Wort. Das bringt das Image gerade dieser Berufsgruppen immer weiter nach unten. Dann brauchen wir uns Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- nicht zu wundern, wenn in Zukunft niemand den Be- desminister für Wirtschaft: Herr Präsident! Liebe Kol- ruf des Kochs, der Kellnerin, der Restaurantfachfrau leginnen und Kollegen! Mit dem Schlußsatz des Kol- usw. als sein persönliches Lebensziel ansieht. legen Kuhn ist eigentlich schon vieles - wenn nicht (Susanne Kastner [SPD]: Wird jetzt das alles - gesagt worden. Trinkgeld besteuert oder nicht?) (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. - Die überbetriebliche Ausbildung hat gerade beim Lachen und Widerspruch bei der SPD) Boom in den letzten Jahren eine enorme Rolle ge- Ich möchte trotzdem noch zu drei Punkten, die in die- spielt. Auch das System der theoretischen Ausbil- ser Debatte heute eine Rolle gespielt haben, Anmer- dung in den einzelnen überbetrieblichen Ausbil- kungen machen, nämlich zu dem Bereich der Ausbil- dungseinrichtungen, kombiniert mit einem Prakti- dungsplätze in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft, kum und auch mit IHK-Prüfung, hat gute Früchte ge- zum TAB-Bericht und zu dem Thema „PHILOXE- tragen. NIA". Interessant ist dabei, daß wir in Zukunft auch neue Zum ersten Thema, zu modernen Ausbildungs- Berufsbilder haben müssen. Ich denke dabei nur und Arbeitsplätzen in der Freizeit- und Tourismus- daran, daß das deutschlandweite Informations- und wirtschaft: Hier möchte ich noch einmal auf die be- endlich in die Praxis überführt Reservierungssystem sondere Bedeutung hinweisen, die die Bundesregie- werden muß rung der deutschen Tourismuswirtschaft auf Grund (Susanne Kastner [SPD]: Das wird es doch ihres Anteils von etwa 5,6 Prozent an der Nettowert- längst!) schöpfung und der hier wiederholt erwähnten 2 Mil- lionen Arbeitsplätze beimißt. Deswegen hat die Bun- und daß wir Call-Center aufbauen müssen. Wer von desregierung auf die veränderten Anforderungen an den jungen Menschen oder überhaupt von den die Qualifikation der im Tourismus beschäftigten Ar- Fremdenverkehrsbetrieben kann denn in der Wer- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die In- bung beispielsweise mit e-mail arbeiten? Wer hat itiierung der Neuordnung und Modernisierung von schon einmal im Internet Angebote veröffentlicht Ausbildungsordnungen sowie durch die Schaffung oder Homepages selber erstellt? neuer Berufe reagie rt. (Lachen der Abg. Susanne Kastner [SPD]) Allein im Hotel- und Gaststättenbereich haben Hier muß in Zukunft doch Ausbildung stattfinden. sich die Sozialpartner Ende 1996 auf die Neuordnung von sechs Berufen geeinigt. Diese Neuordnungen Meine sehr verehrten Damen und Herren, 90 Pro- und das neue Berufsbild des Fachmannes oder der zent aller Betriebe in der Tourismuswirtschaft sind Fachfrau für Systemgastronomie werden am 1. Au- kleine und mittelständische Unternehmen. Zwei gust dieses Jahres in Kraft treten. Auch bei der Neu- Drittel aller Beschäftigten dieser Branche sind in ih- ordnung des Berufsbildes des Reiseverkehrskauf- nen beschäftigt. In den letzten zehn Jahren sind hier mannes bzw. der Reiseverkehrskauffrau ist jetzt end- 2 Millionen Arbeitsplätze entstanden, während lich der Durchbruch gelungen. Die Sozialpartner ha- 500 000 im Industriebereich abgebaut worden sind. ben sich auf einen Kompromißvorschlag des Bundes- Wenn wir über Arbeitsmarktpolitik sprechen, muß ministeriums für Wirtschaft verständigt, so daß auch das erwähnt werden. Hier sind unsere Chancen. diese Ausbildungsordnung zum 1. August 1998 in Wir hatten ja schon viele Philosophen, die uns den Kraft treten kann. Kapitalismus richtig definieren wollten. Ich erinnere Daneben sind weitere neue Berufe geschaffen wor- nur an die Entwicklungsphilosophie des Kapitalis- mus von Marx. den. So ist am 1. August letzten Jahres der Beruf des Kaufmanns für Verkehrsservice angeboten worden. (Zurufe von der SPD und der PDS) Hier sind bereits rund 1 000 neue Ausbildungsplätze entstanden. Das zeigt, wie wichtig die Arbeit ist, die - Sie wissen das sicher noch viel besser als ich. - Da wir hier leisten, und wie kurzfristig sie Wirkungen wurde verkündet, die Monopolisierung der Wirt- auf dem Ausbildungsmarkt zeitigen kann. Auch schaft werde weiter voranschreiten, die Großen wür- beim Servicekaufmann im Luftverkehr erwarten wir den die Kleinen fressen. Wir haben hier genau das zahlreiche Ausbildungsplätze auf Flughäfen und in Gegenteil. Sie dagegen streben mehr den staatsmo- Luftverkehrsgesellschaften. Dieser Beruf wird eben- nopolistischen Kapitalismus an. falls ab dem 1. August dieses Jahres angeboten wer- (Lachen bei der SPD) den. 19808 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb Ich will zu dem, was die Kollegin Irber hier gesagt Der vorgelegte Be richt zeigt, daß das TAB gute Ar- hat, noch anmerken, daß mir die Ausbildung zum beit geleistet hat - das will ich hier ausdrücklich sa- Reiseleiter und zum Fremdenverkehrsamtsleiter eher gen -, indem versucht wurde, diese Daten und Fak- für eine Fortbildungsregelung als für eine Ausbil- ten in sechs Kapiteln systematisch aufzubereiten. dungsregelung, also für eine Erstausbildung, geeig- Viele der Schlußfolgerungen sind meines Erachtens net scheint, da sich die Anforderungen, was diese zutreffend. beiden Berufe anbelangt, eher von jungen Erwachse- (Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ nen mit Berufserfahrung erfüllen lassen und sich we- NEN]: Hört, Hört!) niger an Jugendliche richten. Im übrigen dürfte der Ausbildungsbedarf der Tourismuswirtschaft einen ei- - Frau Kollegin Saibold, wir wollen doch nicht, daß genen Ausbildungsberuf „Reiseleiter" nicht rechtfer- das jetzt in der Schublade verschwindet. Aber man tigen. muß auch sagen, daß die aufgezeigten Schwachstel- len und die daraus abgeleiteten Empfehlungen und Zusammenfassend ist festzustellen: Wir sind stolz Forderungen der Prüfung bedürfen, inwieweit sie darauf, daß in den neun bestehenden Ausbildungs- Grundlage für politisches Handeln sein können. berufen der Tourismusbranche 1996 bundesweit rund 78 000 Ausbildungsverhältnisse bestanden, von (Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ denen 1996 rund 33 000 neu abgeschlossen wurden. NEN]: Überprüfen Sie doch!) Dabei müssen wir die Realitäten im Auge behalten, Ich nutze die Gelegenheit, hier anzukündigen, daß zum Beispiel was die tourismusbezogene Aufgaben- das Bundeswirtschaftsministerium während der dies- teilung zwischen Bund und Ländern betrifft. Wir jährigen ITB in Berlin Infotage zu Berufen im Touris- müssen auch die Beschlüsse der Bundesregierung, mus sowie Hotel- und Gaststättenbereich zusammen statistische Erhebungen auf das absolut Notwendige mit Kooperationspartnern aus der Wi rtschaft durch- zu reduzieren, sowie die Situation der öffentlichen führen wird, um jungen Berufsanfängern den Ein- Haushalte im Auge behalten. Ich will auch an die stieg in touristische Ausbildungsberufe zu erleich- Grundsätze liberaler Wi rtschaftspolitik erinnern, de- tern. nen sektorspezifische Ansätze eher zuwiderlaufen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Ich erinnere an das von mir zu Beginn meines Bei- ten der CDU/CSU) trags Gesagte: Die Bundesregierung hat die wirt- schaftspolitische Bedeutung des Tourismus als Wirt- Zum Thema „PHILOXENIA": Die Bundesregie- schaftsfaktor längst erkannt. Wir haben verschiedene rung hat - ebenso wie die britische Regierung - in Initiativen ergriffen, um dieser Bedeutung Rechnung der Sitzung des Tourismusministerrates am 26. No- zu tragen. Herr Dr. Olderog hat die wesentlichen hier vember 1997 den modifizierten Vorschlag der luxem- genannt; mit Blick auf die Uhr brauche ich das nicht burgischen Präsidentschaft für ein Mehrjahrespro- zu wiederholen. gramm zur Förderung des europäischen Tourismus Ich denke, die Bundesregierung und der Ausschuß mit Bedacht abgelehnt. Zum einen waren die Gründe für Fremdenverkehr sind mit der Tourismuspolitik finanzieller Natur. Diese finanzielle Argumentation gemeinsam auf einem guten Weg. Wir können mit betrifft nicht den Tourismus allein, sondern entspricht Stolz auf das zurückschauen, was in den letzten Jah- einer Grundsatzhaltung, die mit dem Status der Bun- ren geleistet worden ist. Ich rufe uns alle dazu auf, desrepublik als Nettozahler in der Europäischen auf diesem Weg gemeinsam fortzuschreiten. Union zusammenhängt. Ein weiterer Grund für die Ablehnung war der Umstand, daß die im luxembur- Vielen Dank. gischen Kompromißvorschlag enthaltenen Punkte (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) aus unserer Sicht auch ohne den formellen Beschluß eines Förderprogramms aufgegriffen werden kön- Ich schließe nen. Hierzu ist die Bundesregierung auch bereit. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: die Aussprache. Wichtig ist mir, zu sagen, daß wir mit unserer Hal- Wir kommen nun zu den Abstimmungen, und zwar tung im Tourismusministerrat die Tür keineswegs zu- zunächst über die Beschlußempfehlung des Aus- geschlagen haben. Vielmehr ist die Bundesregierung schusses für Fremdenverkehr und Tourismus zum sehr daran interessie rt, daß die zuständige Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu Generaldirektion XXIII ihr Gewicht in anderen Ge- modernen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in der neraldirektionen der Kommission stärker zur Geltung Freizeit- und Tourismuswirtschaft, Drucksache 13/ bringt und Gemeinschaftspolitiken mit Tourismusbe- 8892. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf zug stärker koordiniert. Hierfür ist aber ein Gemein- Drucksache 13/8045 anzunehmen. Wer der Be- schaftsprogramm wie der Programmvorschlag „PHI- schlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den LOXENIA" meines Erachtens nicht erforderlich. bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Was den TAB - Bericht und die Vermutungen, die hier geäußert worden sind, anbelangt, will ich sehr Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition deutlich sagen, daß ich die Durchführung des Tech- gegen die Stimmen des Hauses im übrigen ange- nikfolgenabschätzungsprojektes „Entwicklung und nommen worden ist. Folgen des Tourismus" durch das TAB für eine sehr Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluß- lobenswerte Initiative des Ausschusses für- Fremden- empfehlung des Ausschusses für Fremdenverkehr verkehr und Tourismus erachte. Tatsächlich gibt es und Tourismus zu dem Antrag der Fraktion der SPD jede Menge Daten und Fakten zum „Phänomen Tou- zur Arbeitsplatz- und Ausbildungssituation in der rismus". Fremdenverkehrswirtschaft, Drucksache 13/6788. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19809

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache stian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/ 13/2981 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung DIE GRÜNEN des Ausschusses auf Ablehnung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimment- Umsetzung der verbesserten Standards zur haltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschluß- Herstellung von Tierkörpermehlen und Tier- empfehlung mit der gleichen Mehrheit angenommen mehlen in den EU-Mitgliedstaaten zur Be- worden ist. kämpfung des Rinderwahnsinns Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluß- - Drucksache 13/7962 empfehlung des Ausschusses für Fremdenverkehr —Überweisungsvorschlag: und Tourismus zu einem geänderten Beschlußvor- Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (fe- schlag der Europäischen Union zur Förderung des derführend) europäischen Tourismus „Philoxenia", Drucksache Ausschuß für Gesundheit 13/9322. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Frak- Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit tion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ul- Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/9767 zu- rike Höfken, Monika Knoche, Steffi Lemke, stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen- weiterer Abgeordneter und der Fraktion probe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Ko- alition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen ab- Gesundheitsgefährdende Lebensmittelver- gelehnt worden ist. packungen verbieten - BADGE (Bisphenol-A- DiGlycidyl-Ether) - Anwendung einstellen Wir stimmen nun über die Beschlußempfehlung des Ausschusses ab. Wer ihr zustimmt, den bitte ich - Drucksache 13/8425 — um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthal- Überweisungsvorschlag: tungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfeh- Ausschuß für Gesundheit (federführend) lung des Ausschusses mit der gleichen Mehrheit an- Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten genommen worden ist. Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Wir kommen zur Vorlage auf Drucksache 13/9446. Interfraktionell wird vorgeschlagen, diese Drucksa- e) Beratung des Antags der Abgeordneten Ul rike che federführend an den Ausschuß für Fremdenver- Höfken, Monika Knoche, Steffi Lemke, wei- kehr und Tourismus und mitberatend an den Aus- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- schuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Bildung, Wis- NIS 90/DIE GRÜNEN senschaft, Forschung, Technologie und Technikfol- genabschätzung sowie an den Ausschuß für Umwelt, Höchstmengen für Ochratoxin A in Lebens- Naturschutz und Reaktorsicherheit zu überweisen. mitteln festsetzen Der Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ - Drucksache 13/8426 Die Grünen auf Drucksache 13/9765 soll an diesel- —Überweisungsvorschlag: ben Ausschüsse überwiesen werden. Gibt es irgend- welche anderen Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Ausschuß für Gesundheit (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9a bis f und den f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Zusatzpunkt 11 auf: Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu 9 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung dem Antrag der Abgeordneten Ul rike Höfken, eingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- Steffi Lemke, Monika Knoche, Ma rina Stein- zes zur Änderung des Futtermittelgesetzes dor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- - Drucksache 13/9534 - NEN Überweisungsvorschlag: Vermeidung von Gesundheitsrisiken für den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (fe- Menschen durch Einschränkung des Antibio- derführend) Ausschuß für Gesundheit tikaeinsatzes in der Tierhaltung - Drucksachen 13/7528, 13/8910 - b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes Berichterstattung: zur Änderung des Milch- und Margarinege- Abgeordneter Heinrich-Wilhelm Ronsöhr setzes - Drucksache 13/9535 — ZP11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ul- Überweisungsvorschlag: rike Höfken, Monika Knoche, Steffi Lemke, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (fe- weiterer Abgeordneter und der Fraktion derführend) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausschuß für Gesundheit - Benzol- und Toluolbelastungen von Lebens- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ul- mitteln ausschließen rike Höfken, Steffi Lemke, Halo Saibold, Chri - Drucksache 13/8762 - 19810 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Überweisungsvorschlag: höchstmögliche Sicherheit bietet. Zufrieden können Ausschuß für Gesundheit (federführend) wir deshalb feststellen, daß alle Tierkörperbeseiti- Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gungsanstalten in Deutschland diese gemeinschafts- Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union rechtlichen Anforderungen erfüllen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Erfreulich ist auch, Kollege Sielaff, daß die Kom- die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wo- mission der wiederholten Forderung der Bundesre- bei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sechs Minu- gierung nach einer Anpassung der Handelsregelun- ten erhalten soll. - Ich sehe und höre keinen Wider- gen für verarbeitetes Säugetiereiweiß an die ge- spruch. Dann ist so beschlossen. nannte Kommissionsentscheidung vom Juli 1996 Ich eröffne die Aussprache und gebe zuerst dem Rechnung getragen hat. Nach einer weiteren Ent- Staatssekretär E rnst Hinsken das Wort. scheidung der Kommission vom Oktober 1997 darf zur Verfütterung bestimmtes Säugetiereiweiß inner- (Horst Kubatschka [SPD]: Ist das die Jung gemeinschaftlich oder nach Drittländer nur verbracht fernrede als Staatssekretär?) oder ausgeführt werden, wenn bei der Herstellung - Von „Jungfer" kann in dem Zusammenhang wohl das bereits genannte Verfahren, das die höchstmögli- überhaupt keine Rede sein. che Sicherheit bietet, angewendet wurde. Gleiche Konditionen gelten auch für die Einführung von ver- Herr Staatssekretär, Sie haben das Wo rt. arbeitetem Säugetiereiweiß und für Heimtierfutter, das unter Verwendung bestimmter gefährlicher Ernst Hinsken, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Stoffe hergestellt wurde. minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Werte Kolleginnen und Kollegen, momentan gibt Kollegen! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführun- es eine große Diskussion um die sogenannten Risiko- gen auf die beiden zur ersten Lesung anstehenden materialien von Wiederkäuern. Das heißt, bestimmte Gesetzentwürfe eingehen und hierbei kurz die we- Teile des Tierkörpers sollen nicht mehr zur Tiermehl sentlichen Zielsetzungen dieser Vorhaben beschrei- herstellung verwendet werden dürfen, sondern an- ben. derweitig entsorgt werden. Manchen geht das noch nicht weit genug. Sie wollen das Tiermehl ganz aus Zunächst: Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung der Fütterung, nicht nur aus der Wiederkäuerfütte- des Futtermittelgesetzes ist beabsichtigt, die Bestim- rung - hier ist bekanntlich der Einsatz von Tiermehl mungen von sechs EG-Ratsrichtlinien in nationales bereits seit 1994 EU-einheitlich verboten -, sondern Recht umzusetzen. Die Regelungen betreffen unter auch aus der Schweine- und Geflügelfütterung, ver- anderem: die Ausweitung der Vorschriften zur Ein- bannen. fuhr und Ausfuhr von Futtermitteln, Zusatzstoffen (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Was großer und Vormischungen; die Anerkennung und Regi- Quatsch ist!) strierung von Bet rieben des Futtermittelsektors, die Aufhebung der Zulassungsbedürftigkeit für den - Ich bedanke mich, Kollege Ho rnung. Ich teile diese größten Teil der Einzelfuttermittel und Vorschriften Meinung. über Rückstände an Schädlingsbekämpfungsmitteln. Das sind aus meiner Sicht ganz eindeutig überzo- Mit Blick auf eine zügige Umsetzung der betreffen- gene Reaktionen. In BSE-freien Ländern ist ord- den Ratsrichtlinien bitte ich Sie, den vorliegenden nungsgemäß hergestelltes Tiermehl kein Risikofak- Gesetzentwurf zu unterstützen. tor. Zum weiteren: Das vorgesehene Erste Gesetz zur (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Änderung des Milch- und Margarinegesetzes enthält und der F.D.P.) im Schwerpunkt Änderungen, die im EG-Recht über Streichfette begründet sind. So werden mit Änderun- Deutschland ist BSE-frei, und wir haben seit langem gen der Straf- und Bußgeldvorschriften die Voraus- das Verfahren der Tierkörperbeseitigung, das die setzungen geschaffen, um Verstöße gegen die ent- höchstmögliche Sicherheit bietet. Dieses in Deutsch- sprechenden gemeinschaftlichen Vorschriften straf- land seit vielen Jahren übliche Verfahren mit minde- rechtlich oder über Ordnungswidrigkeiten verfolgen stens 133 rad, 3 bar und 20 Minuten bietet die zu können. Weitere Änderungen betreffen die Be- höchstmögliche Sicherheit im Hinblick auf die Inakti- griffsbestimmungen und Einzelheiten der bestehen- vierung auch der Traberkrankheit- und BSE-Erreger. den Regelung über Ausnahmegenehmigungen zum (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Und zwar Herstellen und Inverkehrbringen der vom Gesetz er- schon vor der BSE-Geschichte!) faßten Erzeugnisse. Auch hier möchte ich Sie bitten, Im übrigen ist es wissenschaftlich unbest verehrte Kolleginnen und Kollegen, den Gesetzent- ritten, daß den Erzeugnissen, die im Rahmen der Tierkörperbe- wurf zu unterstützen. seitigung gewonnen werden, auf Grund ihrer mikro- (Zuruf von der SPD: Das tun wir!) biologischen Unbedenklichkeit und im Hinblick auf Lassen Sie mich nun auf den Antrag der Fraktion ihre Inhaltsstoffe ein besonderer Stellenwert in der Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Tiermehl einge- Mischfutterindustrie und damit in der Tierernährung hen. Nicht zuletzt durch den Einsatz der Bundesre- zukommt. gierung wurden alle Mitgliedstaaten durch eine Ebenso wie das Thema BSE ist auch die Verwen- Kommissionsentscheidung vom Juli 1996- verpflich- dung von Antibiotika in der Tierhaltung eine aktu- tet, die Tierkörperbeseitigungsanstalten, die zur Ver- elle Frage mit großer gesundheitspolitischer Bedeu- fütterung bestimmtes Tiermehl herstellen, bis zum tung. Damit befaßt sich der Antrag der Fraktion 1. April 1997 auf das Verfahren umzurüsten, das die Bündnis 90/Die Grünen. Eine erste Aussprache zu Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19811

Parl. Staatssekretär Ernst Hinsken diesem Antrag hat bereits im Juni 1997 stattgefun- jeweils aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand den. Maßstab sein kann. Die Anwendung von Antibiotika bei Tieren birgt Drittens. Im übrigen möchte ich darauf verweisen, grundsätzlich die Gefahr der Resistenzbildung bei daß inzwischen auch die Bestimmungen der Zusatz- Mensch und Tier, so die Wissenschaftler. Öffentlich- stoff-Richtlinie fortgeschrieben worden sind. Die keit und Verbraucher sind hierüber zunehmend be- neuen Regelungen wurden 1996 verabschiedet und unruhigt. Die Bundesregierung nimmt diese Sorge treten dieses bzw. teilweise nächstes Jahr in Kraft. ernst und setzt sich bereits seit längerem intensiv mit Abschließend möchte ich feststellen: Der Gesund- diesem Thema auseinander. heitsschutz der Verbraucher endet nicht an den Der Schutz der Gesundheit des Menschen steht für Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten; er ist im Bin- die Bundesregierung an erster Stelle. Daher müssen nenmarkt nicht teilbar. Deshalb brauchen wir eine alle Antibiotika, die in der Tierhaltung verwendet für Europa einheitliche Lösung der Antibiotikafrage. werden, zügig und umfassend unter Einbeziehung Dafür setzt sich die Bundesregierung mit Nachdruck der neuen Erkenntnisse überprüft werden. Diese ein. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, möchte Überprüfung darf im Interesse des Verbraucher- ich bitten, die Bundesregierung gerade hier nachhal- schutzes nicht bei den antibiotischen Futtermittelzu- tig zu unterstützen. satzstoffen enden, sondern muß auch Tierarzneimit- Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. tel einschließen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Die Bundesregierung hat die Europäische Kommis- Lisa Peters [F.D.P.]: Machen wir glatt! - sion bereits aufgefordert, die Verwendung antibioti- Zuruf von der SPD: Herzlichen Glück scher Leistungsförderer und die damit verbundenen wunsch, aber nur zum Geburtstag!) Risiken zu untersuchen und nötigenfalls Korrekturen einzuleiten. Ergeben die Überprüfungen, daß ge- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das sundheitliche Risiken bei bestimmten Stoffen nicht Wort dem Abgeordneten Reinhold Hemker. ausgeschlossen werden können, müssen die betref- fenden Stoffe EU-weit verboten werden. Seit Jahren Reinhold Hemker (SPD): Herr Präsident! Liebe Kol- setzt sich die Bundesregierung auch dafür mit Nach- leginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, wir un- druck ein. terstützen natürlich die Bundesregierung in dieser Als Beispiel dafür, daß wir auch danach handeln, Beziehung ständig und bemühen uns, in der fachli- möchte ich den antibiotischen Leistungsförderer chen Arbeit entsprechend vorzugehen. Avoparcin nennen. Dieses Mittel wurde vor seiner Es ist gut, daß wir jetzt mit der Beratung - und hof- Zulassung in den 70er Jahren umfassend geprüft und fentlich auch mit der baldigen Verabschiedung - des auf der Grundlage des damaligen wissenschaftlichen Dritten Gesetzes zur Änderung des Futtermittelge- Kenntnisstandes als unbedenklich beurteilt. Nach setzes zur notwendigen Anpassung des deutschen der Zulassung dieses Mittels erweiterte sich zum ei- Futtermittelrechtes an das Recht auf europäischer nen der wissenschaftliche Kenntnisstand erheblich, Ebene kommen - auch wenn dort nach dem Prinzip indem zum Beispiel bessere Methoden zur Untersu- des kleinsten gemeinsamen Nenners verfahren chung der Resistenzeigenschaften von Mikroorganis- wurde. Das gleiche sage ich auch im Hinblick auf die men entwickelt wurden. Zum anderen wurde welt- Änderung des Milch- und Margarinegesetzes - und weit eine Verschlechterung der Resistenzsituation im das, nachdem die unmittelbar geltenden Vorschriften medizinischen Bereich beobachtet. Als Ergebnis die- über die Herstellung und Kennzeichnung von Butter, ser Entwicklungen erwuchsen schwerwiegende Be- Streichfetten, Margarine und Milchfetten bereits am denken bezüglich der gesundheitlichen Unbedenk- 1. Januar 1996 in Kraft getreten sind. lichkeit dieses Präparates. Daraufhin wurde dieses Mittel zunächst Anfang 1996 national in Deutschland Es ist wichtig und an der Zeit, daß Deutschland - und anschließend - unter anderem auf Drängen wie die anderen EU-Mitgliedstaaten - seiner Ver- Deutschlands - auch EU-weit verboten. pflichtung nachkommt, wirksame Sanktionen für den Fall eines Verstoßes gegen die Bezeichnungs- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, manchmal schutzregelung sowie die Herstellungs- und Kenn- wird in der öffentlichen Diskussion allerdings kritisch zeichnungsvorschriften festzulegen. Ich begrüße es, gefragt, warum überhaupt solche antibiotischen Fut- daß der Bundestag in seiner Sitzung am 19. Dezem- termittelzusatzstoffe zugelassen sind, deren gesund- ber letzten Jahres keine Bedenken gegen die Gesetz- heitliche Unbedenklichkeit nicht völlig außer Zwei- entwürfe erhoben hat. Ich gehe davon aus, daß im fel steht. Eine solche Kritik greift zu kurz. Bei einer Sinne und im Interesse der Verbraucher verfahren Analyse der gegenwärtigen Situation muß doch be- wird. Das heißt: baldiger Erlaß einer Rechtsverord- rücksichtigt werden, daß erstens Futtermittelzusatz- nung zur ordnungsgemäßen Überwachung der mit stoffe, darunter auch Antibiotika, bereits seit 1970 den Gesetzen vorgegebenen Grundlagen. Das heißt EU-einheitlich zugelassen und durch die Zusatzstoff auch: Kennzeichnung der Straftatbestände und Ord- Richtlinie geregelt werden. Für die Zulassung muß nungswidrigkeitentatbestände und Sicherstellung ein Unternehmen umfangreiche Unterlagen vorle- der eben bereits angesprochenen Sanktionen. gen, in denen vor allem auch die gesundheitliche Un- bedenklichkeit für Mensch, Tier und Umwelt lücken- Im Hinblick auf die Anträge der Fraktion Bündnis los zu belegen ist. - 90/Die Grünen begrüße ich, daß dem Prinzip der Vorsorge gegenüber den Verbrauchern große Be- Zweitens. Es ist selbstverständlich, daß bei der Prü- deutung - und das sehr konkret - beigemessen wird. fung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit nur der Hier helfen die ständigen Hinweise auf das im inter- 19812 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Reinhold Hemker nationalen Vergleich gute deutsche Lebensmittel- schen Lebensmitteln müssen der Vervielfältigung recht nicht. und Übertragung von Resistenzen entgegenwirken. Auf Länderebene wird eine sorgfältige Überwa- (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!) chung der Zulassungsbestimmungen, des Vertriebs Wenn bestimmte Stoffe in Verpackungen gesund- und der Anwendung gefordert. heitsgefährdend sind oder wenn, wie bei Diese und weitere Empfehlungen sollen dazu bei- Ochratoxin A, Gefahrenpotentiale schon lange - bis- tragen, daß Antibiotika in der Tierhaltung umsichtig her ohne Ergebnis - in einer Arbeitsgruppe auf EU- und gezielt zur Anwendung kommen. Die Indust rie - Ebene diskutiert werden, dann ist Handlungsbedarf so in einer Presseerklärung der Arbeitsgemeinschaft gegeben. für Wirkstoffe in der Tierernährung - begrüßt diese (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Vorsorgeempfehlung. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Interesse der Die Ausschußberatungen der Anträge werden das ländlichen Räume, im Interesse der Bauern, insbe- berücksichtigen. sondere derjenigen aus dem Bereich der Tierhaltung, Beim Bereich „Konsequente Verringerung des Ein- ist jede Maßnahme der Akzeptanzsteigerung beim satzes von Antibiotika in der Tierhaltung für eine Verbraucher im Blick auf die bei uns produzierten wirksame Gesundheitsvorsorge beim Menschen" be- Nahrungsmittel zu begrüßen. Die genannten An- grüße ich den Mehrheitsbeschluß des Ausschusses träge gehen in diese Richtung. Sie müssen deswegen für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, mit dem unsere Zustimmung finden. die Bundesregierung aufgefordert wird, europaweit Ich danke Ihnen. auf eine Rücknahme der Zulassung für antibakteriell (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wirksame Futtermittelzusatzstoffe hinzuwirken, DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der wenn Gefahren für die öffentliche Gesundheit beim PDS) Einsatz derartiger Stoffe erkennbar werden. Das geht in die richtige Richtung. Das reicht aber bei weitem nicht aus; das ist zuwenig konkret. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort der Abgeordneten Ulrike Höfken. Wie bereits im Ausschuß vermerkt, verweise ich darauf, daß die SPD-Fraktion den Antrag von Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr Bündnis 90/Die Grünen unterstützt. geehrte Damen und Herren. Ich möchte Herrn Hin- (Beifall des Abg. Albert Schmidt [Hitzhofen] sken ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wenn ich es früher gewußt hätte, hätte ich eine To rte gebacken. Das kann ich nämlich auch, aber wahr- Gleichzeitig mache ich darauf aufmerksam, daß sich scheinlich können Sie es besser. mit der Drucksache 13/6553 ein entsprechender An- trag meiner Fraktion im Geschäftsgang des Bundes- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, tages befindet, der in den Ausschüssen noch ab- bei der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. - schließend beraten werden muß. Zuruf von der SPD: Nachholen! Im Aus schuß essen wir sie dann!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Vielzahl von Menschen - das ist durch Untersuchungen belegt - - Gut. wies resistente Keime in der Darmflora auf. Es wurde Die Ernährungs- und Verbraucherpolitik der Bun- immer deutlicher, daß die Keime über die Nahrungs- desregierung ist von vielen Versäumnissen und Altla- kette aufgenommen wurden. Als Ursache gelten un- sten gekennzeichnet. Das ist auch der Grund, warum ter anderem antibiotische Stoffe, die als Leistungsför- wir heute über diese Punkte debattieren. Langfristige derer zur Beschleunigung des Muskelansatzes bei Probleme mit Rückständen und Kontaminationen der Tierhaltung eingesetzt werden. Deshalb ist eine von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln sind Verringerung des Antibiotikaeinsatzes unbedingt seit vielen Jahren bekannt. Doch letztendlich warten erforderlich. Meine Fraktion hat in dem schon er- wir immer noch auf eine effektive Behandlung dieses wähnten Antrag konkrete Vorschläge gemacht, die Themas und auf einen wirklichen Verbraucher- auf die Verbesserung der heute diskutierten Situa- schutz. tion abzielen. Hier geht es um folgende Themen: Einschränkung Im Rahmen von Stellungnahmen, die aus der Welt- des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung, verbes- gesundheitsorganisation kommen, wurden immer serte Standards zur Herstellung von Tierkörpermeh- wieder Empfehlungen zur Vermeidung von Resistenz- len, Verbot gesundheitsgefährdender Lebensmittel- entwicklungen gegeben. Zum Beispiel: Antibiotika verpackungen, Höchstmengen für Ochratoxin A - müssen vor ihrer Vermarktung grundsätzlich einen ein Pilzgift - in Lebensmitteln, Ausschluß von umfangreichen Zulassungsprozeß durchlaufen, der Benzol- und Toluol-Belastungen in Lebensmitteln. auch Fragen der möglichen Resistenzbildung bein- Diese Themen sollen wir heute neben dem Futtermit- haltet. Antibiotika sollten nicht ungenügendes land- telrecht und ähnlichem auch noch behandeln. Das ist wirtschaftliches Management in der Tierhaltung in der Form natürlich etwas schwierig. kompensieren. Antibiotikaeinsatz: Ich möchte das, was mein Kol- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) lege Hemker gesagt hat, unterstreichen und schlicht- - Umsichtiger Umgang mit diesen Stoffen ist Teil guter weg zusätzlich bemerken: Avoparcin ist 1996 verbo- landwirtschaftlicher Praxis. Hygienische Maßnah ten worden. Herr Hinsken, Sie haben darauf hinge- meni- bei der Gewinnung und Verarbeitung von tier wiesen. Aber das kann wirk lich erst der Anfang sein. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19813

Ulrike Höfken Vor einigen Tagen wurde in Dänemark auch der Lei- Unsachgemäße Lagerung - nicht nur von Bioproduk- stungsförderer Virginiamycin aus gesundheitlichen ten, sondern von allen Produkten - und Kontamina- Gründen aus dem Verkehr gezogen. Das heißt, der tion kann die Verbreitung und Vermehrung dieses Handlungsbedarf ist groß. Die Probleme sind immer Pilzgiftes, das hochtoxisch und krebserregend ist, offensichtlicher. Die Konsequenz muß sein: Antibio- fördern. Es sind bis heute keine Höchstmengen und tika gehören als Masthilfsmittel und als Leistungsför- keine täglich duldbare Aufnahmemenge - das ist der derer nicht mehr eingesetzt. Der ökonomische Nut- ADI-Wert - festgelegt, obwohl in Lebensmitteln zen für die Betriebe steht in keinem Verhältnis zu teilweise sehr hohe Belastungen festgestellt wer- dem Schaden, der damit im gesundheitspolitischen den. Wir fordern konkrete Höchstmengen für Ochra- Bereich ange richtet wird. Wir fordern daher ein Si- toxin. cherheitskonzept, das auch von der SPD getragen BADGE sind Kunststoffbeschichtungen, die haupt- wird. Bestimmte antibakterielle und gesundheitsge- sächlich bei bestimmten Fischkonserven auftreten. fährdende Leistungsförderer müssen sofort vom Auch hier liegt eine Gesundheitsgefährdung vor. Markt genommen werden. Dazu gehört meines Er- Auch hier fordern wir, daß das Vorsorgeprinzip gel- achtens jetzt auch das Virginiamycin, nachdem Dä- ten muß und daß dieser Stoff für Lebensmittelverpak- nemark diesen Schritt schon getan hat. kungen nicht mehr verwendet werden darf. Ich möchte etwas zur Hormonbehandlung von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fleisch sagen. Da ist vor kurzem ein Erfolg erzielt und bei der SPD sowie bei Abgeordneten worden: Die WTO hat zugestimmt, daß die EU ein der PDS) Hormonverbot aufrechterhält. Ich denke, es besteht die Möglichkeit, das Verbot des Einsatzes von Anti- In Österreich sind im Jahr 1997 mehr als eine Million biotika viel stärker und viel energischer als bisher Dosen aus dem Verkehr gezogen worden. Hier pas- durchzusetzen. Man braucht sich dann nicht mehr siert nichts. hinter der WTO zu verstecken. Zu Toluol und Benzol ist noch zu sagen: Auch hier (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN muß der Vorsorgewert gelten. Das muß eine Null- sowie bei Abgeordneten der SPD) summe sein. Entsprechende Maßnahmen sind einzu- leiten. Nächster Punkt: Tiermehle. Die Tiermehle sind der Hauptübertragungsweg von BSE gewesen. Wir ste- Vielen Dank. hen vor der Situation, daß nur 2 von 15 Mitgliedstaa- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ten der EU - wie Veterinärkontrollen im zweiten bei der SPD und der PDS) Halbjahr 1997 gezeigt haben - diese Mindeststan- dards, die Sie so gerühmt haben, einhalten. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Wir gehören dazu! Wort dem Abgeordneten Günther Bredehorn. Wir sind einer davon!) Günther Bredehorn (F.D.P.): Herr Präsident! Liebe Wenn daran die Glaubwürdigkeit einer BSE-Be- Kolleginnen und Kollegen! In Ihrem Antrag, Frau kämpfungspolitik geknüpft wurde, dann müssen Höfken, zur Herstellung von Tierkörpermehlen fehlt zwei Dinge klar sein: mir ein entscheidender Hinweis, nämlich daß Erstens. Man fordert von der EU-Kommission die Deutschland BSE-frei ist sofortige Schließung der Tiermehlfabriken, die die (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist das Standards nicht einhalten. Ich meine, das ist immer Entscheidende!) noch nicht genug. Aber immerhin: Das ist das Min- destmaß. und die deutschen Landwirte Produkte von hervorra- gender Qualität erzeugen. Zweitens. Man muß auch Maßnahmen einführen oder zumindest androhen, die die Einfuhr von Tier- Außerdem möchte ich entschieden der Formulie- mehlen, die die Standards nicht erfüllen, verhindern. rung widersprechen, die in der europäischen Richtli- nie zur Tierkörperbeseitigung vorgegebenen Pro- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN duktionsbedingungen - für die Herstellung von Tier- sowie bei Abgeordneten der SPD - Sieg körpermehl 20 Minuten Erhitzung mit 133 Grad Cel- fried Hornung [CDU/CSU]: Das ist doch sius bei 3 Bar Druck - seien „absolute Mindeststan- längst erfüllt!) dards". Es handelt sich hier nicht um Mindeststan- In Deutschland haben wir eine etwas andere Auffas- dards, sondern um Regelungen, die etwaige Gesund- sung. Aber wenn man die Verbreitung von BSE ein- heitsrisiken ausschließen. dämmen will, muß man zumindest das garantieren, Gerade deshalb und weil Deutschland als BSE-frei damit es nicht zu weiteren Eskalationen kommt. Das einzustufen ist, verlangen wir von Ihnen auch. (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Reines (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da schei Wunschdenken!) nen Sie nicht auf dem neuesten Wissens kann ich den Vorschlag der Grünen nicht unterstüt- stand zu sein!) zen, die Verordnung über die Verarbeitung soge- Ochratoxin, BADGE, Benzol und Toluol sind Bei- nannter Risikomaterialien undifferenzie rt in ganz Eu- spiele dafür, daß es bei der Lebensmittelverarbeitung- ropa anzuwenden. Der hohe Aufwand einer geson- eine Reihe von ungelösten Problemen gibt. Vom derten Behandlung und Entsorgung durch Verbren- Schimmelpilzgift Ochratoxin betroffen sind übrigens nung von Risikomaterialien und die daraus resultie- - das sage ich ganz ehrlich - gerade die Bioprodukte. renden Kosten von zirka 400 DM pro Tonne sind je- 19814 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Günther Bredehorn denfalls in Deutschland nicht gerechtfertigt. Den Ein grundsätzliches Verbot von Antibiotika in der deutschen Landwirten und den Betreibe rn von Tier- Tierzucht halten wir allerdings nicht für erforderlich körperbeseitigungsanlagen in Deutschland dürfen und auch nicht für sinnvoll. Die Verwendung dieser nicht die Schlampereien und die Verantwortungslo- Substanzen als Leistungsförderer und erst recht als sigkeit einiger ihrer europäischen Kollegen angela- Bestandteil veterinärmedizinischer Maßnahmen ist stet werden. bei Einhaltung aller sonstigen tierhygienischen und tierschutzrechtlichen Bestimmungen durchaus ver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) antwortbar und ein Garant für optimale Zuchtergeb- Statt dessen muß die Europäische Kommission nisse und hohe Fleischqualität. Entscheidend ist der Deutschland endlich offiziell als BSE-frei einstufen. verantwortliche Umgang damit. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Der vorliegende Entwurf zur Änderung des Futter- ten der CDU/CSU) mittelgesetzes sieht eine Beschränkung der Zulas- sungsbedürftigkeit auf die in der Richtlinie 82/471/ Die Regionalisierung des Verbots der Verwendung EWG genannten Erzeugnisse vor. Die Option geson- von Risikomaterialien muß kommen. Nur so können derter nationaler Zulassungen von Einzelfuttermit- die Verbraucher sicher geschützt und die deutschen teln soll entfallen. Dies ist auf den ersten Blick sicher Landwirte vor unnötigen Belastungen bewah rt wer- eine wichtige Maßnahme zur Deregulierung und den. EU-Staaten, die nicht bereit sind, die Vorschrif- Entbürokratisierung. ten zur Tierkörperbeseitigung genauestens einzuhal- ten, muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß Herr Brede- nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre eine Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: horn, Ihre Redezeit ist abgelaufen. laxe Handhabung der bestehenden Bestimmungen nicht mehr toleriert werden kann. Die Bundesregie- rung hat unsere Unterstützung bei den Gesprächen Günther Bredehorn (F.D.P.): Ja, ein letzter Satz. und Verhandlungen in Brüssel. Wir sollten in den Ausschußberatungen der kom- Die Frage der Lebensmittelsicherheit und des Ver- menden Wochen noch darüber reden und prüfen, ob trauens der Verbraucher in deutsche Produkte wird dadurch nicht die hohen Standards an die Herstel- auch mit dem Antrag über die Verwendung antibio- lung von Futtermitteln verwässert werden und sich tischer Leistungsförderer und Arzneimittel in der daraus Auswirkungen für die Lebensmittelqualität Tierhaltung angesprochen. Der im November letzten und die Lebensmittelsicherheit ergeben könnten. Jahres veröffentlichte Be richt der Weltgesundheitsor- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ganisation über Resistenzwirkungen bei Menschen Die Einschränkung der Zulassungsbedürftigkeit hat für großes Aufsehen gesorgt und die Verbraucher für Einzelfuttermittel darf jedenfalls nicht zu Quali- verunsichert. Die Rückführung des Phänomens allein tätsnachteilen im Mischfutter führen. Wir werden si- auf die Verwendung von Antibiotika als Masthilfen cher noch Gelegenheit haben, uns darüber zu unter- oder Tiermedikamente ist jedoch zu einfach. Bei nä- halten. herer Betrachtung ergibt sich ein differenzie rteres Bild. So betonen zahlreiche Wissenschaftler, daß der- Schönen Dank. artige Resistenzen in erster Linie auf die übermäßige (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU und nicht selten ungezielte Anwendung von Antibio- sowie des Abg. Reinhold Hemker [SPD]) tika in der Humanmedizin zurückzuführen seien. Gleichwohl ist es geboten, die Verwendung von Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem Antibiotika in der Tierzucht fortwährend zu prüfen Abgeordneten Dr. Günther Maleuda das Wo rt. und sorgsam darauf zu achten, daß etwaige Gefahren für den Menschen gründlich erforscht und rechtzeitig Dr. Günther Maleuda (PDS): Herr Staatssekretär, zu erkannt sowie entsprechende Maßnahmen schon bei Ihrem heutigen 55. Geburtstag auch von unserer geringen Zweifeln an der Unbedenk lichkeit von Gruppe die besten Glückwünsche! Substanzen ergriffen werden. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Entsprechend hat die Bundesregierung inzwischen acht Drucksachen in der verbundenen Debatte ste- die Zulassung von Avoparcin und Dimetridazol aus hen mir drei Minuten zur Verfügung. Man muß den Gründen des vorbeugenden gesundheitlichen Ver- Eindruck gewinnen, es gehe weniger um die Bera- braucherschutzes widerrufen und hat sich erfreuli- tung wichtiger inhaltlicher Probleme als um parla- cherweise mit ihrer Forderung nach einem europa- mentarische Aufräumarbeiten in der Endphase die- weiten Verbot der Substanzen als Futtermittelzusatz ser Legislaturpe riode. durchsetzen können. (Beifall bei der PDS und der SPD sowie bei Die F.D.P. hat sowohl die nationale Entscheidung Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE als auch die Verhandlungen auf EU-Ebene nachhal- GRÜNEN ) tig befürwortet und unterstützt. Wir begrüßen die In- Das ist bedauerlich, denn es stehen acht Drucksa- itiative von Bundeslandwirtschaftsminister Jochen chen zur Diskussion. Bei dieser Redezeit kann man Borchert, der die Europäische Kommission aufgefor- eigentlich auch ohne Debatte auskommen. dert hat, ein umfassendes Programm zur Erforschung des Zusammenhangs zwischen der vielseitigen Ver- Alle vorliegenden Anträge tangieren mehr oder - wendung von Antibiotika in der Tier- und Human- weniger den Verbraucherschutz. Sie finden deshalb medizin und als Zusatz in Futtermitteln und auftre- die Aufmerksamkeit unserer Gruppe. Ich möchte tenden Resistenzen bei Menschen zu erarbeiten. mich für den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zur Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19815

Dr. Günther Maleuda Umsetzung des verbesserten Standards zur Herstel- rike Höfken hat angeboten, eine Torte zu backen. lung von Tierkörpermehlen und Tiermehlen einset- Nun weiß ich, daß Ernst Hinsken Bäckermeister ist. zen und fordere, daß seine Umsetzung nicht auf die (Horst Kubatschka [SPD]: Nein! Konditor! lange Bank geschoben wird. Denn Sicherungs- Lebkuchenmacher!) maßnahmen gegen BSE können nicht ernst genug genommen werden. Ich meine das vor allem unter - Konditor? Das ist ja noch besser. Berücksichtigung der folgenden, jetzt bekannt- (Ernst Hinsken, Parl. Staatssekretär beim gewordenen Tatsache - Frau Höfken hat das bereits Bundesminister für Ernährung, Landwirt gesagt -: Zwischen Deutschland und Finnland gibt schaft und Forsten: Beides!) es auf diesem Gebiet wohl erhebliche Differenzen. Es wäre für Deutschland eine wichtige Aufgabe, auf - Na, das ist ja noch besser. Dann steigt er in meinem europäischer Ebene entsprechenden Einfluß zu neh- Ansehen um so mehr. Das würde er aber noch mehr men, denn nur dann sind verbindliche Garantien ge- tun, wenn er heute eine To rte liefern würde. Das geben. kann man von einem Konditormeister an seinem Ge- burtstag erwarten. Bei den Entwürfen der Gesetze zur Änderung des Futtermittelgesetzes und zur Änderung des Milch- (Beifall bei der PDS) und Margarinegesetzes sind die sachlichen Probleme Meine Damen und Herren, es sind zu mehreren weitgehend klar. Ein generelles Problem ist, daß die Themen wichtige Anmerkungen gemacht worden. Bundesregierung erhebliche Verzögerungen in der Wir beraten heute mehrere Anträge und Gesetzes- Umsetzung von EU - Richtlinien zuläßt. So soll mit vorhaben. Ich möchte mich in meinen Ausführungen den Gesetzesvorhaben nun nach sieben Jahren die auf einige ganz wichtige Anliegen konzentrieren. EU-Richtlinie über die Festsetzung von Höchstgehal- ten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungs- Ich warne davor, in bezug auf die Produktion von mitteln auf und in bestimmten Erzeugnissen pflanzli- Tiermehlen immer wieder den deutschen Verbrau- chen Ursprungs verwirklicht werden. cher zu verunsichern. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So ist es!) Zu beschließen ist heute über den Antrag zur Ein- schränkung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierpro- Wir Deutschen hatten Standards, nach denen die duktion. Wir stehen zu der Beschlußempfehlung des Tiermehle in Deutschland produziert worden sind. Agrarausschusses, die Bundesregierung aufzufor- Sie sind gemäß unseren Standards sicher produziert dern, europaweit auf „eine Rücknahme der Zulas- worden. Wir sind dabei BSE-frei geblieben. BSE ist sung für antibakteriell wirksame Futtermittelzusatz- kein Ergebnis der deutschen Agrarpolitik, sondern stoffe hinzuwirken, wenn Gefahren für die öffentli- ein Ergebnis der britischen und schweizerischen che Gesundheit beim Einsatz dera rtiger Stoffe er- Agrarpolitik, weil man do rt nicht bereit war, die Be- kennbar werden". denken, die immer von deutscher Seite geäußert wor- den sind, ernst zu nehmen und sich den deutschen (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das war Sicherheitsstandards anzunähern. Statt dessen ha- schon immer eine Selbstverständlichkeit!) ben sie Tiermehl unterhalb dieser Sicherheitsstan- Trotzdem bleiben Fragen offen. Die für die Zulas- dards produziert und zur Verfütterung zugelassen. sung geltende Richtlinie ist seit 1987 in Kraft. Eine Das hat letztlich zu BSE geführt. Anzahl der den Futtermitteln beigemischten Lei- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber der stungsförderer ist jedoch vor 1987 zugelassen worden Wahnsinn ist in Deutschland ausgebro und mußte die jetzt geltenden Prüfrichtlinien nicht chen!) bestehen. Mit einer solchen Politik kann man nicht das Vertrauen und erst recht nicht den Schutz der - Darauf komme ich gleich. - Die Nichteinhaltung Verbraucher umfassend erreichen. Es ist eine trügeri- der deutschen Regeln hat letztlich zu den Auswir- sche Hoffnung, darauf zu vertrauen, es werde schon kungen geführt, die wir in Großbritannien und in der nichts passieren. Tatsache ist aber: Bei gewissenhaf- Schweiz zu beklagen haben. Deswegen ist es nicht ter Einhaltung der geltenden gesetzlichen Bestim- richtig, zu sagen, daß man Schlachtabfälle nicht zu mungen beim Einsatz der Leistungsförderer errei- Tiermehl verarbeiten dürfe. chen wir ein hohes Maß an Verbraucherschutz. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Alles an Zusammenfassend sei gesagt: Die Agrarpolitik der dere wäre absurd!) Bundesrepublik und der Europäischen Union muß Nein, man kann sie verarbeiten, wenn man die ent- der Landwirtschaft durch langfristig angelegte Rah- sprechenden Sicherheitsstandards einhält. menbedingungen eine Existenz und den Bürgern ei- nen hohen Verbraucherschutz sichern. Natürlich muß die EU zur Hüterin dieser Sicher- heitsstandards werden. Sie muß in den einzelnen Ich danke Ihnen. Mitgliedstaaten kontrollieren. Wir sollten sie im (Beifall bei der PDS sowie der Abg. Ul rike Deutschen Bundestag auffordern, diese Sicherheits- Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) standards zu überwachen; wir kennen ja die unter- schiedliche Verwaltungspraxis in den einzelnen EU- Ländern. Letztlich geht es hierbei um Verbraucher- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem schutz. Ich kann nur immer sagen: Für diesen Be- Abgeordneten Heinrich-Wilhelm Ronsöhr -das Wo rt. reich des Verbraucherschutzes ist die Europäische Kommission verantwortlich. Leider wissen wir ja, daß Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU): Herr Prä- m-die EU mit ihrer Verantwortung nicht immer so u sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ul gegangen ist, daß sie ihr auch gerecht geworden ist. 19816 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Sie muß in Zukunft dieser Verantwortung gerecht braucherschutz zu einem integralen Bestandteil der werden. Welthandelsverhandlungen wird. Ich glaube, daß wir Agrarpolitiker uns zumindest darüber einig sind, Es wird akzeptiert, keine Tiermehle an Wieder- daß dies ein Bestandteil werden muß, weil wir letzt- käuer zu verfüttern. Das ist auch richtig so. Es ist ein lich nur in den Welthandelsverhandlungen inter- ganz unnatürlicher Vorgang, wenn man Tiermehle national den notwendigen Schutz für unsere Ver- an Wiederkäuer verfüttert. braucher durchsetzen können. Schließlich kommen (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Das stand in aus allen Teilen der Erde Nahrungsmittel zu uns. den Lehrbüchern!) (Horst Sielaff [SPD]: Das merkt ihr aber sehr Nun wird gesagt, wenn man Tiermehle an spät!) Schweine oder Hühner verfüttert, sei auch das sehr Wenn wir diesen Weg weiterhin gemeinsam so problematisch. Ich kann dazu nur sagen: Das ist nicht konsequent beschreiten, wie dies die Bundesregie- problematisch. Es war schon immer so, daß tierisches rung bisher getan hat, Eiweiß an Schweine und Hühner verfüttert wurde. Das ist nicht erst das Ergebnis einer modernen Agrar- (Horst Sielaff [SPD]: Das glaubst du doch konzeption, sondern das war immer Bestandteil des selber nicht!) Futterkonzeptes, wie ich es auch früher auf den Hö- dann werden wir viele Erfolge im Verbraucherschutz fen kannte. Manchmal versucht man hier auch be- erreichen. wußt, den Verbraucher zu verunsichern. Das halte ich nicht für gerechtfertigt. Wir sollten hier sachlich Vielen Dank, daß Sie mir zugehört haben. argumentieren. Wir sollten meinetwegen do rt, wo (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) beim Verbraucherschutz der Finger in eine Wunde gelegt werden muß, den Finger in diese Wunde hin- einlegen. Wieso wir aber das, worüber wir letztlich Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Einigkeit darüber erzielen können - viele Landwirt- Wort dem Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg. schaftsminister, egal welcher Couleur, sind meiner Auffassung und betonen nachhaltig, daß es immer Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Herr Präsident! Liebe diese Verfütterung von Tiermehlen an Hühner und Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal möchte ich Schweine gegeben hat -, hier immer wieder in Frage mich meinen Vorrednern anschließen und Herrn stellen und dadurch zur Verunsicherung beitragen, Hinsken recht herzlich zum Geburtstag gratulieren, kann zumindest ich nicht verstehen. auch im Namen der SPD-Fraktion. Meine Damen und Herren, wir sprechen jetzt auch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) über Antibiotika. Ich halte das Gespräch, den Dialog Sie taten mir heute ein bißchen leid, als Sie als und die Auseinandersetzung darüber für gerechtfer- Bäcker und Konditor über Tiermehl sprechen sollten; tigt, weil es auch in diesem Bereich um Gesundheits- Sie hätten über andere Mehlsorten sicherlich fach- schutz geht. männischer sprechen können. Von daher waren Sie (Horst Sielaff [SPD]: Das ist doch schon in einer etwas undankbaren Rolle. Das kann ich ver- etwas!) stehen. Ich glaube auch nicht, daß Ul rike Höfken es so ge- Bei dem Beitrag von Herrn Ronsöhr haben wir ge- meint hat, wie sie es hier angesprochen hat, als sie hört, daß die Regierungsfraktionen sehr dezidiert sagte, daß wir zwischen ökonomischen und anderen und forsch auftreten. Immer wenn die Regierungs- Überlegungen abwägen müssen. Ich meine, daß der fraktionen sehr lautstark über ein Problem reden, das Gesundheitsschutz immer im Vordergrund zu stehen sie anpacken wollen, dann ist das meist genau der hat. Wir müssen immer dann handeln, wenn von An- schwache Punkt, wo sie am wenigsten machen. tibiotika ein Schaden ausgehen kann. Ich glaube, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne daß wir darüber auch Einigkeit erzielen. ten des BÜNDNISSES 90/Die GRÜNEN Nun sagen einige: Weil das so ist, müßten wir im und der PDS) Grunde genommen Antibiotika verbieten. Aber es ist Ich möchte auf das Beispiel der Antibiotika, das nicht so. Nicht von jedem Einsatz von Antibiotika Sie hier vorgetragen haben, nur ganz kurz eingehen. geht Schaden aus. Die Bundesregierung war immer Obwohl dies meine erste Legislaturpe riode im Deut- bereit, zu handeln und auch EU-weit do rt etwas schen Bundestag ist, muß ich sagen, daß sich schon durchzusetzen, wo Schaden von Antibiotika ausge- vor meinem Eintritt in den Bundestag in Fachkreisen gangen ist. Deswegen haben wir wie die Dänen sehr und unter Hygienikern - ich bin ja Hygieniker - her- frühzeitig Avoparcin verboten. Wir haben gehandelt, umgesprochen hatte, daß an dieser Stelle ein ge- und wir haben das Verbot EU-weit durchgesetzt. Ich waltiger Handlungsdruck bestand. Daß Avoparcin halte es für wichtig, daß wir diesen Verbraucher- verboten gehört, war schon lange bekannt. Daß schutz immer wieder auch EU-weit durchsetzen. Wir Chloramphenicol noch verwendet wurde, war lange haben heute nun einmal europäische Handelsbezie- bekannt und wurde angeprangert. Wir von der SPD hungen auch auf den Agrar- und Nahrungsmittel- haben aus der Opposition heraus jedesmal Medika- märkten. Wir haben sogar weltweite Handelsbezie- ment für Medikament an die Öffentlichkeit gebracht hungen. - und gesagt: Ihr tut nichts, Ihr tut nichts! Sie haben Ich finde folgenden Gedanken wichtig, den ich in dem entgegnet: Ja, das stimmt; da müßte etwas diese Debatte zumindest noch einführen möchte: getan werden. So langsam kamt ihr dann in die Jochen Borchert fordert immer wieder, daß der Ver- Puschen, und dann wurde auch einmal etwas ge- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19817

Dr. Wolfgang Wodarg macht. Es hat immer sehr lange gedauert. Diese Re- Deutschland als Land mitten in Europa soll den glei- gierung muß man zum Jagen tragen. chen Status haben wie Australien, Neuseeland und USA, obwohl es um uns herum die Fälle von BSE (Beifall bei der SPD und der PDS) gibt. In Frankreich ist jetzt im Januar der 32. BSE- Erst wenn in der Öffentlichkeit über Skandale be- Fall aufgetreten. richtet wird, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, Sie wissen genauso gut wie ich, daß zum Beispiel als etwas für die Leute zu tun. Das ist kein Verant- die Firma Rethmann in Deutschland und in Frank- wortungsbewußtsein; da muß sich etwas ändern. reich Tierkörperbeseitigungsanstalten - früher hie- (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: ßen sie Abdeckereien - betreibt. Diese Firma, die auf Herr Wodarg, das sind die typischen Reden europäischer Ebene arbeitet, kann überall in Europa von Oppositionspolitikern!) ihr Tiermehl auf die Laster laden. Die Lkws können hin- und herfahren. Sie können überhaupt nicht Jetzt möchte ich noch etwas zum Thema BSE sa- sagen, woher das Tiermehl kommt, welches hier in gen. In diesem Bereich sieht es genauso aus. Deutschland in das Futtermittel gelangt. Deutschland ist BSE-frei, das hört man hier tönen. Ich habe nachgefragt, und die Bundesregierung Das ist reines Wunschdenken. Das ist Blindflug. hat die Daten über die Tiermehlimporte und -exporte Wenn diese Regierung das auf Grund gründlicher nennen müssen. Bei den offenen Grenzen in Europa Recherche, auf Grund verantwortungsvollen Um- ist das Tiermehl in Europa, auch in England, lange gangs, auf Grund der Ausschöpfung aller ihrer Mög- Zeit hin- und hergefahren worden. lichkeiten, alles in Frage Kommende auch wirklich zu untersuchen, dann könnte ich das verstehen. Dann wäre das in Ordnung. Leider ist hier Wunsch- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege denken der Vater des Gedankens. Wodarg, gestatten Sie, ehe Ihre Redezeit abgelaufen ist, eine Zwischenfrage des Kollegen Ronsöhr? Was ich vermisse, ist eine vernünftige Forschung. Die Bundesregierung tut nichts. Wenn man sich die Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Wenn das nicht auf riesigen Ställe, die ein wahnsinniges Geld gekostet meine Redezeit angerechnet wird. haben, im zuständigen Veterinäramt in Berlin an- guckt - ich bin do rt durchgegangen, habe sie mir zei- Ich gebe Ihnen gen lassen und mit den Leuten geschnackt -, dann Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: noch die Zwischenfrage, wenn Sie sie haben wollen. kann man feststellen, was man dort erforschen könnte, auch was die Übertragbarkeit, die Inkubati- onszeit und den Grad der Sicherheit in Abhängigkeit Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Ja. vom Schlachtalter angeht. Seit über BSE so viel be kannt wurde, seit die Engländer wissen, daß eine be- Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU): Herr Wo- stimmte Dauer der Inkubationszeit erforderlich ist, darg, würden Sie mir recht geben, daß in Deutsch- bis die Kuh die ersten Symptome zeigt, hat man al- land noch kein einziger BSE-Fall aufgetreten ist? lein dadurch, daß man das Schlachtalter vorverlegt Würden Sie das auch nach außen vertreten wollen, hat, dafür gesorgt, daß kein weiteres Tier noch als denn es dient letztlich auch den deutschen Landwir- krank erkannt werden konnte. Das heißt aber nicht, ten, die sich in diesem Verfahren immer wieder kor- daß diese Tiere nicht infiziert waren. Das heißt auch rekt verhalten haben? nicht, daß diese Tiere kein Risiko darstellten. Sie sind (Beifall bei der CDU/CSU) nur, bevor sie krank werden konnten, schon sozusa- gen in den Topf gewandert. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Ich kann Ihnen fol- Diese Art von Blindflug kann man natürlich ver- gende Antwort geben: Es ist sehr viel Tiermehl aus meiden. Unser Vorschlag ist der - das haben wir infizierten Beständen aus dem Ausland, auch aus auch im Zuge der Schlachtaktion, die Sie bei den Ex- England, über viele Jahre nach Deutschland impor- tensivrindern veranstaltet haben, vorgeschlagen -, tiert worden. Noch in den 80er Jahren stand in den daß man Rückstellproben nimmt. Das heißt: Einige deutschen Lehrbüchern, daß Tiermehl die Milchlei- Rinder aus Beständen, deren Tiere man zum Verzehr stung fördert. freigibt, hält man zurück, um sie länger zu beobach- (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: ten und um zu sehen, ob sie während einer langen Können Sie das belegen?) Inkubationszeit von Krankheiten freibleiben. Ein be- stimmter Prozentsatz der Rinder hätte also zurückge- Das heißt, es ist auch in Deutschland Tiermehl an stellt werden müssen, um diese Sicherheit zu erhal- Rinder verfüttert worden. ten und um den Verbrauchern sagen zu können: Ihr (Günther Bredehorn [F.D.P.]: Das stimmt könnt mit Recht sicher sein, weil wir an alles gedacht doch nicht!) haben. Aber was Sie machen, ist Blindflug. Das Risiko war also vorhanden. Den Deal, der dahintersteht, will ich einmal nen- nen: Herr Borche rt möchte natürlich gerne, daß er Wir importieren jetzt sehr viel Fleisch aus den öst- von der für die Lebensmittelwirtschaft - ich gebe das lichen Nachbarländern. Deutsche und auch dänische ja zu - teuren und wirklich umständlichen Aktion mit Landwirte produzieren in den europäischen Nach- den Risikoorganen freikommt. - barländern. Auch in diesem Fall ist die Grenze offen; auch hier geht es hin und her. Wir können Deutsch- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sind Sie land nicht abgrenzen. Wir sind mitten in Europa. Die etwa anderer Meinung?) Risiken, die für unsere Nachbarländer gelten, gelten 19818 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Dr. Wolfgang Wodarg mit einer gewissen Abschwächung, bis wir das Ge- Ich stelle fest, daß alle Reden - die Reden der Kol- genteil beweisen, auch für Deutschland. leginnen und Kollegen Werner Kuhn, Konrad Ku- nick, Egbe Nitsch, Lisa Peters und Dagmar Enkel- Wir können den Kunden nur sagen, daß sie auf der rt mann - zu Protokoll gegeben worden sind.*) Ich sicheren Seite sind, wenn wir nicht beschwören, daß nehme an, daß Sie damit einverstanden sind. wir sicher sind, sondern wenn wir es ihnen beweisen. Dafür tut diese Bundesregierung viel zu wenig. Ich schließe die Aussprache. (Beifall bei der SPD und der PDS - Hein Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage rich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Ich auf Drucksache 13/9075 an die in der Tagesordnung bestehe zumindest auf der Antwort, ob ein aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Ich sehe BSE-Fall aufgetreten ist!) und höre keinen Widerspruch. Dann ist die Überwei- sung so beschlossen. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nein, Herr Kol- lege, das geht nicht. Dann rufe ich die Tagesordnungspunkte 11 a und Damit sind wir am Ende unserer Aussprache. Ich 11b auf: will dem Kollegen Hinsken wirklich Gerechtigkeit a) Erste Beratung des von den Abgeordneten widerfahren lassen. Er ist nicht nur, wie gesagt wor- Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Dagmar Enkelmann, den ist, Bäckermeister und nicht nur, wie gesagt wor- Maritta Böttcher, weiteren Abgeordneten und den ist, Konditormeister, sondern er ist Bäckermeister der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs und Konditormeister. Darum verdient er doppelte eines Gesetzes zur Ergänzung der parlamen- Glückwünsche. tarischen Demokratie durch die unmi ttelbare Interfraktionell wird die Überweisung der Vorla- Demokratie gen auf den Drucksachen 13/9534, 13/9535, 13/7962, - Drucksache 13/9280 - 13/8425, 13/8426 und 13/8762 an die in der Tagesord- Überweisungsvorschlag: nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Ich Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord- sehe und höre keinen Widerspruch. Dann sind diese nung (federführend) Überweisungen so beschlossen. Innenausschuß Dann kommen wir zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschuß Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und For- sten zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- b) Beratung des Antrags der Abgeordneten nen zur Vermeidung von Gesundheitsrisiken für den Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Uwe-Jens Heuer, Menschen durch Einschränkung des Antibiotikaein- Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und satzes in der Tierhaltung. Der Ausschuß für . Ernäh- der Gruppe der PDS rung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt unter Änderung der Geschäftsordnung des Deut- Nr. 1 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/ schen Bundestages 8910 die Annahme einer Entschließung. Wer für diese Beschlußempfehlung des Ausschusses stimmt, - Drucksache 13/9281 - den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Überweisungsvorschlag: Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord- Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition nung und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Für diese Aussprache ist nach einer interfraktionel- Stimmen der Fraktion der SPD und der Gruppe der len Vereinbarung eine halbe Stunde vorgesehen, wo- PDS angenommen worden ist. bei die Gruppe der PDS fünf Minuten erhalten soll. - Unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Druck- Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das sache 13/8910 empfiehlt der Ausschuß, den Antrag so beschlossen. auf Drucksache 13/7528 abzulehnen. Wer der Be- Gleichzeitig stelle ich fest, daß die Reden der Kol- schlußempfehlung des Ausschusses auf Ablehnung legen Andreas Schmidt, Wilhelm Schmidt, Gerald zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Häfner und Jörg van Essen zu Protokoll gegeben Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich worden sind. **) fest, daß die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wo rt der des Hauses im übrigen angenommen worden ist. Abgeordneten Dagmar Enkelmann.

Damit rufe ich den Tagesordnungspunkt 10 auf: Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beratung des Antrags der Abgeordneten Kon- rad Kunick, Gerd Andres, Lilo Blunck, weite- „Wir sind das Volk" war richtig in einem totalitä- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD ren System. Für die Demokratie bedeutet dieser Slogan aber die Diskriminierung unseres parla- Förderung der Seeschiffahrt in Deutschland mentarischen Systems. - Drucksache 13/9075 - So Rupert Scholz, CDU, 1993 in der Gemeinsamen Überweisungsvorschlag: Verfassungskommission von Bundestag und Bundes- - Finanzausschuß (federführend) rat. Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung *) Anlage 7 Ausschuß für Verkehr **) Anlage 8 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19819

Dr. Dagmar Enkelmann Welche Überheblichkeit eines gewählten Volksver- gefragt zu sein, wenn es um ihre eigenen Belange treters! geht. (Beifall bei der PDS) Es gibt übrigens ein hübsches chinesisches Sprich- wort, das ich hier als sehr passend empfinde: Wenn Welche Selbstzufriedenheit! Welche Ignoranz gegen- man den Teich austrocknen will, darf man die über einer Mehrheit der Bevölkerung, die seit lan- Frösche nicht fragen. Nebenbei bemerkt: Bei meiner gem eine stärkere Beteiligung in politischen Ent- Sympathie für Frösche möchte ich, daß auch sie ge- scheidungsprozessen forde rt! Das ist Arroganz der fragt werden. Macht pur. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger fordern, daß 1992/1993 wandten sich zirka 230 000 Bürgerinnen sich da etwas ändert, daß sie stärker Einfluß auf poli- und Bürger mit der Forderung nach einer verfas- tische Entscheidungsprozesse nehmen können. Ge- sungsrechtlichen Verankerung plebiszitärer Demo- nau vor diesem Hintergrund schlägt die PDS in ihrem kratie an die Gemeinsame Verfassungskommission. Gesetzentwurf vor, erstens Volksinitiative, Volksbe- In Meinungsumfragen sprechen sich zwischen 65 gehren und Volksentscheid im Grundgesetz zu ver- und mehr als 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ankern, für eine Volksgesetzgebung aus. Eine deutliche Mehrheit gibt sich eben nicht mehr damit zufrieden, (Beifall bei der PDS) alle vier oder fünf Jahre zur Wahl zu gehen, um dann zweitens das Petitionsrecht insbesondere im Hinblick hilflos zusehen zu müssen, was mit ihrem Wählerwil- auf Rechte der Vertreterinnen und Vertreter von len passiert. Eine deutliche Mehrheit will bei wichti- Massenpetitionen zu präzisieren und zu erweitern, gen politischen Entscheidungen gefragt werden, will drittens darüber hinaus einen Bürgerbeauftragten nicht mehr nur die Stimme bei der Wahl abgeben, oder eine Bürgerbeauftragte mit weitgehenden Initi- um dann stimmlos vier Jahre zum Zuschauer degra- ativrechten einzusetzen, diert zu werden. (Beifall bei der PDS) (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das kann bloß bei der PDS der Fall sein!) viertens ein Grundrecht auf Verfahrensbeteiligung im Grundgesetz festzuschreiben. Die PDS möchte mit ihren Vorschlägen den Über- gang von der Zuschauerdemokratie zur Teilhabede- „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus". mokratie einleiten. Wäre es nicht so spät, würde es Diesem Satz des Grundgesetzes wollen wir endlich jetzt wahrscheinlich einen Aufschrei geben: Ausge- mehr Gewicht verleihen. Wir wollen damit eben rechnet Sie! Sie haben doch die Demokratie mit Fü- nicht die Diskriminierung des parlamentarischen Sy- ßen getreten. 40 Jahre haben Sie die Menschen in stems, sondern seine Demokratisierung erreichen. der DDR bevormundet und ihnen keine demokrati- schen Rechte zugebilligt. - Dann sage ich Ihnen: Ja, (Beifall bei der PDS) gerade wir. Denn ein großer Teil von uns hat sich bei Ich kann Sie nur auffordern: Machen Sie mit! der Wende aktiv in die politischen Veränderungen eingebracht, hat sich an Demonstrationen für mehr (Beifall bei der PDS) Pressefreiheit und Demokratie beteiligt und hat an Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche runden Tischen gesessen. eine angenehme Nachtruhe. So wie wir erfahren jetzt mehr und mehr Bürgerin- (Beifall bei der PDS) nen und Bürger in der ehemaligen DDR Grenzen und Defizite in der neuen Demokratie. Zur Zeit läuft Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Damit schließe in Brandenburg zum Beispiel das Volksbegehren ge- ich die Aussprache. gen den Bau der Strecke des Transrapid zwischen Berlin und Hamburg. Nicht selten sagen mir die Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen Leute: Was können wir schon machen? Die da oben auf den Drucksachen 13/9280 und 13/9281 an die in entscheiden ja doch. Das ist so wie früher. Da hat der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- sich nichts geändert. - Ich finde, dies ist eine schlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der schlimme Erfahrung, die die Leute in der ehemaligen Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. DDR gemacht haben. Wir sind damit am Ende unserer heutigen Tages- Die Möglichkeiten der Beteiligung zum Beispiel an ordnung. Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren wer- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- den nicht ausgeschöpft, weil inzwischen allzuoft die destages auf morgen, Freitag, den 6. Februar 1998, Erfahrung gemacht wurde, daß Widersprüche und 9 Uhr ein. Bedenken vom Tisch gekehrt wurden und daß selbst Die Sitzung ist geschlossen, so daß der Erfüllung Gutachten von Sachverständigen unberücksichtigt des Wunsches von Frau Dr. Enkelmann nichts weiter blieben, wenn ein politischer Wille durchgesetzt wer- im Wege steht. den sollte. Wieder machen Bürgerinnen und Bürger die Erfahrung, für unmündig erklärt zu werden, nicht (Schluß der Sitzung: 22.38 Uhr) 19820* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Anlage 3

Liste der entschuldigten Abgeordneten Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU) zur Abstimmung Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes Altmann (Pommelsbrunn), BÜNDNIS 5. 2. 98 (Vermittlungsausschuß) Elisabeth 90/DIE zu dem Gesetz zum Schutz des Bodens GRÜNEN (Zusatztagesordnungspunkt 8) Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 5. 2. 98 Dem Vermittlungsergebnis zum Bodenschutzge- 90/DIE setz stimme ich nicht zu. GRÜNEN Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 5. 2. 98 Dem Vermittlungsergebnis kann ich nicht zustim- Dreßler, Rudolf SPD 5. 2. 98 men, da keine zufriedenstellende Ausgleichsrege- Graf von Einsiedel, PDS 5. 2. 98 lung für die betroffenen Landwirte vorgesehen ist. Heinrich Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 5. 2. 98 Folta, Eva SPD 5. 2. 98 Ibrügger, Lothar SPD 5. 2. 98 Anlage 4 Dr. Jacob, Willibald PDS 5. 2. 98 Dr. Jork, Rainer CDU/CSU 5. 2. 98 Zu Protokoll gegebener Bericht Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 5. 2. 98 des Vorsitzenden des Ausschusses für Gesundheit, Kleinert (Hannover), F.D.P. 5. 2. 98 Dr. Dieter Thomae, über die Ausschußberatungen Detlef zu dem von den Abgeordneten Gerald Häfner, Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 5. 2. 98 Volker Beck (Köln), Cem Özdemir, Kurzhals, Christine SPD 5. 2. 98 weiteren Abgeordneten und der Fraktion von Larcher, Detlev SPD 5. 2. 98 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf Leidinger, Robert SPD 5. 2. 98 eines Gesetzes zum Schutz der Nichtraucher Lengsfeld, Vera CDU/CSU 5. 2. 98 in der Öffentlichkeit (Nichtraucherschutzgesetz) Dr. Luft, Christa PDS 5. 2. 98 - Drucksache 13/6166 - sowie zu dem Michels, Meinolf CDU/CSU 5. 2. 98 von den Abgeordneten Roland Sauer (Stuttgart), Uta Titze-Stecher, Dr. Burkhard Hirsch Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 5. 2. 98 90/DIE und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurf GRÜNEN eines Gesetzes zum Schutz der Nichtraucher (Nichtraucherschutzgesetz) - Drucksache 13/6100 - Rupprecht, Marlene SPD 5. 2. 98 (Tagesordnungspunkt 7) Schulz (Berlin), Werner BÜNDNIS 5. 2. 98 90/DIE Dem Ausschuß für Gesundheit sind im Frühjahr GRÜNEN letzten Jahres zwei Gesetzentwürfe zum Nicht- Schwanitz, Rolf SPD 5. 2. 98 raucherschutz zur federführenden Beratung über- Sorge, Wieland SPD 5. 2. 98 wiesen worden. Einer Vielzahl weiterer Ausschüsse wurden diese Gesetzentwürfe zur Mitberatung über- wiesen. Es sei an dieser Stelle nur kurz daran er- Anlage 2 innert, daß die Arbeitsbelastung des Ausschusses für Gesundheit im Frühjahr letzten Jahres infolge der Erklärung nach § 31 GO Beratung der dritten Stufe der Gesundheitsreform der Abgeordneten Hubert Deittert, Gert Willner, außerordentlich hoch war. Elke Wülfing, Karl-Josef Laumann, Einigkeit bestand aber zwischen allen Beteiligten, Reinhard Freiherr von Schorlemer daß auf jeden Fall die Gesetzentwürfe in einer öffent- und Werner Lensing (CDU/CSU) zur Abstimmung lichen Anhörung von Sachverständigen intensiv zu über die Beschlußempfehlung des Ausschusses hinterfragen seien. Diese auf acht Stunden Dauer nach Artikel 77 des Grundgesetzes angelegte Anhörung, zu der nicht weniger als (Vermittlungsausschuß) 58 sachverständige Verbände und Institutionen und zu dem Gesetz zum Schutz des Bodens 24 Einzelsachverständige geladen waren, fand in der (Zusatztagesordnungspunkt 8) ersten regulären Sitzungswoche nach der Sommer- Ich kann dem Vermittlungsergebnis zum Boden- pause statt. schutzgesetz nicht zustimmen. Die Auswertung der Anhörung wie auch der um- Begründung: Das Vermittlungsergebnis zum Bo- fangreichen Stellungnahmen der Sachverständigen denschutzgesetz stellt nur einen unbefriedigenden kam zu dem Ergebnis, daß das Meinungsspektrum Kompromiß bei der Ausgleichszahlung für die Land- unter den Sachverständigen mindestens ebenfalls so wirte dar. facettenreich war wie das der Mitglieder des Aus- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19821 schusses. Es zeichnete sich im Ausschuß ab, daß es Anlage 6 zu keinerlei einvernehmlich oder mehrheitlich ge- tragener materieller Empfehlung des Ausschusses Erklärungen nach § 31 GO an das Plenum des Deutschen Bundestages kommen zur Abstimmung über die Gesetzentwürfe werde. zum Schutz der Nichtraucher in der Öffentlichkeit (Nichtraucherschutzgesetz) Nach intensiven Gesprächen zwischen den Ob- (Tagesordnungspunkt 7) leuten und den Gesetzesinitiatoren kristallisierte sich die Möglichkeit heraus, so zu verfahren, wie das auch bei der Beratung des Transplantationsgesetzes Wolfgang Dehnel (CDU/CSU): Gleich anfangs praktiziert wurde, daß der Ausschuß keine dezidierte möchte ich klarstellen, daß ich selbst über Jahre hin- Empfehlung an das Plenum geben sollte. In diese weg zu den Rauchern gehörte. Ich weiß also um das Richtung gingen auch die Empfehlungen einer Reihe Befinden von Rauchern, wenn sie in bestimmter von mitberatenden Ausschüssen. So vereinbarten die Umgebung auf ihre Lust oder ihr Laster verzichten Obleute und Gesetzesinitiatoren und im Anschluß sollen. Als nun langjähriger Nichtraucher weiß ich daran der Ausschuß für Gesundheit einvernehmlich, aber auch um die Belastungen, die den passiv Mit- so zu verfahren. Die einzelnen Abgeordneten sollen rauchenden in Räumen zugemutet werden. im Plenum Gelegenheit haben, frei nach ihrem eige- nen Gewissen über die vorliegenden Gesetzentwürfe Wenn ich heute dem Nichtraucherschutzgesetz zu- abzustimmen. stimme, will ich dem Schutz der Nichtraucher zum Durchbruch verhelfen. Es geht nicht darum, gegen die Raucher Front zu machen, sondern für die Nicht- raucher bessere Einflußmöglichkeiten zum Schutz für ihre Gesundheit zu schaffen. Leider waren bisher Anlage 5 Vorstöße von Nichtrauchern, in geschlossenen Räu- men ein Rauchverbot durchzusetzen, erfolglos. Ich Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO nehme auch entsprechende Vorstöße in unseren der Abgeordneten Renate Bl ank (CDU/CSU) eigenen Reihen nicht aus. Solch eine Negierung von zu den Abstimmungen über die Gesetzentwürfe berechtigten Interessen einer großen Gruppe von zum Schutz der Nichtraucher Bürgern darf es nicht weiter geben. Es handelt sich ja (Tagesordnungspunkt 7) bei den Nichtrauchern um keine Minderheit; selbst dann müßten wir deren Schutz garantieren. Dieser An den Abstimmungen zur zweiten und dritten Be- Schutz macht sich nach meiner Meinung nicht nur ratung der Gesetzentwürfe zum Nichtraucherschutz aus medizinischen und rechtlichen Gründen not- nehme ich nach § 31 Abs. 2 GO nicht teil. wendig. Ich halte den wirksamen Schutz der Nichtraucher Meine Vorredner haben sich dazu schon mehr oder vor den Gesundheitsgefahren des Tabakrauchs zwar weniger geäußert. Mir geht es schon um ein Gebot für ein wichtiges gesundheitspolitisches Anliegen, es der gegenseitigen Achtung der Interessen. Leider ist aber ein Irrtum zu glauben, daß die Politik alles in haben Appelle und Gebote bisher nicht zu Rauchver- unserem Lande verbindlich regeln kann. Deshalb bin zicht in vielen Beratungssälen, Büroräumen usw. ge- ich als nahezu „militante" Nichtraucherin zu dem führt. Im Gegenteil: Es wird trotz Ermahnungen zur Entschluß gekommen, mich nicht an der Abstim- Beschränkung munter weiter geraucht. Oft erfolgt mung zu beteiligen, da ein Gesetz mit der bekannt das in Räumen, wo mehrere Menschen zu Beratun- deutschen Regelungswut das Grundproblem von gen zusammenkommen, oft weniger als zehn, bis fehlender Toleranz und gegenseitiger Rücksicht- hundert und auch mehr als hundert. Darunter befin- nahme zwischen Rauchern und Nichtrauchern aus den sich meist mehr Nichtraucher als Raucher. Dar- meiner Sicht nicht lösen kann. unter befinden sich aber auch Kranke und Schwer- Das Thema „Rauchen und Gesundheit" verdient kranke, die ihrer Pflicht oft ohne Krankenschein große Beachtung und darf deshalb nicht verharmlost nachkommen. Sie haben diese Beispiele alle selbst in werden. Rauchen, das steht fest, schadet der Ge- den Fraktionen. Ist es nicht einfach eine Zumutung, sundheit. Die Gesetzentwürfe werden jedoch durch dann munter weiter zu rauchen, als ob es diesen bürokratische Vorgaben dem im Grundsatz berech- Kollegen, diesen Nachbarn nicht gäbe? Müssen wir tigten Anliegen nicht gerecht. Bei einer zu großen unserer Achtung voreinander nicht noch mehr Nach- Reglementierung besteht die Gefahr, daß die vorran- druck verleihen? In Flurgängen, in der Bahn und gig notwendige Eigenverantwortung und die freiwil- vielen anderen Einrichtungen gibt es schon solche lige Rücksichtnahme zurückgedrängt werden. Gebote und Verbote. In der Regel werden sie einge- halten. Leider fehlt bisher eine klare gesetzliche Re- Die Diskussion um ein Nichtraucherschutzgesetz gelung, damit die berechtigten Interessen der Nicht- setzt aber hoffentlich einen gesellschaftlichen Dialog raucher besser geschützt werden. in Gang, der auch ohne Gesetz zu einem fairen Mit- einander zwischen dem berechtigten Schutz der Im Straßenverkehr gilt eine Grundregel der gegen- Nichtraucher und dem Recht auf Selbstverwirkli- seitigen Rücksichtnahme. Sie ist selbstverständlich chung der Raucher führt. Intensive gesundheitliche auch paraphiert. Solch eine paraphierte Rücksicht- Aufklärung und Prävention, insbesondere der Ju- nahme wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzent- gend, sind für mich wichtiger als Verbote, die be- wurf ebenfalls erreichen. Die Notwendigkeit dazu kanntlich eher Anreiz statt Abschreckung sind. besteht einfach aus den vielen fehlgeschlagenen 19822* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Versuchen von einzelnen Bürgern wie auch zahl- 4. Eigentlich hätten die von mir für mindestens so reichen Gruppen, ein Rauchverbot bei dem geschil- wichtig wie die jetzt zur Abstimmung stehende derten Anliegen zu erzielen. Auch haben bisher viele Nichtraucherschutz-Gesetzgebung gehaltenen nach- Initiativen und Entschließungen der Bundesregie- stehenden Maßnahmen in die Debatte gehört. Ich rung, des Bundesrates und der EG in den vergange- fordere daher nachdrücklich: a) Drastische Erhöhung nen zwanzig Jahren keinen Erfolg gebracht. der Tabaksteuer, b) Verbot der Werbung für Tabak- waren jeglicher Art, c) Verbot der Aufstellung von Ich finde es schon bedauerlich, daß es erst eines Zigaretten-Automaten im öffentlichen Verkehrsraum. Gesetzes bedarf, um dieses Grundrecht der Rück- sichtnahme durchzusetzen. Viele tausend Nicht- raucher haben bisher enorme Rücksicht und Toleranz Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU): Rauchen ist gegenüber Rauchern bewiesen. Umgekehrt bewei- unstrittig für Raucher und Passivraucher ungesund. sen die Reaktionen auf den vorliegenden Gesetz- Allerdings halte ich eine gesetzliche Regelung dieser entwurf, daß von Achtung der Interessen der Nicht- Frage für überflüssig. raucher nicht genügend gesprochen werden kann. 1. Wir haben in Deutschland schon zu viele Ge- Der Gesetzentwurf ist deshalb für mich ein klares setze und zu viele Regulierungen. Statt neue Gesetze Bekenntnis zum Schutz von berechtigten Bürgerin- und Regulierungen zu erfinden, sollten wir uns mehr teressen. Die Raucher werden weiterhin genießen darauf konzentrieren, bürokratische Hürden und können, aber bitte nicht zu Lasten anderer. Gast- Hemmnisse abzubauen. Die ohnehin schon über- stätten sollten auch weiterhin Rauchern und Nicht- lastete Polizei braucht keine zusätzlichen Aufgaben. rauchern das Gefühl der Entspannung und des Wohl- befindens vermitteln. Dies garantiert auch der vorlie- 2. Wir zerstören jegliche Kultur der Eigenverant- gende Gesetzentwurf. Von Überregelungen kann wortung, des Respekts unter- und miteinander in un- also überhaupt keine Rede sein, wenn ich daran serer Gesellschaft, wenn wir menschliches Zusam- denke, daß es für Tausende andere banale Dinge des menleben bis ins Detail regeln wollen. Gegenseitige Lebens Tausende Vorschriften und Regelungen gibt. Rücksichtnahme und Anstand kann man nicht per Der Schutz der Nichtraucher darf nicht weiter unter Gesetz verordnen. dem Niveau des Gebotes der Achtung, der Rück- 3. Es besteht die Gefahr, daß ein gesetzliches sichtnahme und der Zumutbarkeit verhandelt wer- Rauchverbot den Rechtsfrieden und das friedliche den. Die Freiheit des Rauchers ist weiter gegeben. Miteinander der Bevölkerung erheblich beeinträch- Sie darf aber nicht an der Nebelwand für die Nicht- tigt. Zudem ist von den Befürwortern eines gesetz- raucher enden. lichen Rauchverbotes bisher nicht überzeugend dar- Ich bin deshalb meinem Kollegen Roland Sauer gelegt worden, mit welchen straf- oder ordnungs- sehr dankbar, daß er sich für die Interessen der rechtlichen Maßnahmen die gesetzlichen Verbots- Nichtraucher in solch intensiver Weise eingesetzt vorschriften für das Rauchen angewandt werden hat. Die Schmähungen gegen ihn von vielen Seiten sollen. Es besteht somit die Gefahr, daß ein Freiraum bedauere ich sehr. Wir werden sie weiterhin gemein- für Selbstjustiz geschaffen wird. sam tragen, damit der Entwurf des Gesetzes Zustim- Dieses Gesetz ist allenfalls ein Beitrag zu einer mung erfährt. „reglementierten Gesellschaft", die meinem Demo- kratieverständnis nicht entspricht. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Obwohl ich eine gewisse Überregulierung des Lebens in unserer (CDU/CSU): Zu dem Heer der be- Gemeinschaft nicht verhehlen will, stimme ich dem Erika Steinbach drohten und schuldlos gefährdeten Nichtraucher ge- entschärften Gruppenantrag Sauer (Stuttga rt), Titze höre seit Geburt auch ich. Eigentlich sollte ich dank- Stecher und anderen zu. Begründung: bar sein für die Nichtraucherschutzinitiative. Doch 1. Die Tabak- und Zigaretten-Lobby hat es in den danach ist mir keineswegs zumute. vergangenen Jahren der Debatte über den Nicht- raucherschutz immer wieder geschafft, mit falschen In den letzten beiden Legislaturpe rioden des Deut- Argumenten die Öffentlichkeit irrezuführen und schen Bundestages waren und sind so viele Probleme Mehrheiten im Parlament zu verhindern. zu lösen wie vermutlich seit dem ersten Deutschen Bundestag nicht mehr. Wir müssen den Bürgern eini- 2. Als langjähriger Kinder- und Jugendpolitiker ges an Veränderung zumuten. Wir mußten und müs- liegt mir das Bemühen um einen wirksamen Schutz sen Kürzungen vornehmen, die nicht ganz schmerzlos junger Menschen sehr am Herzen. Die von mir mit sind. Die Arbeitslosenzahlen sind die wichtigste formulierten „Ökologischen Kinderrechte" verlan- Herausforderung. Verbrechensbekämpfung und der gen ein konsequenteres Verhalten in Politik und Ge- Asylmißbrauch spannen unsere ganzen Kräfte weiter sellschaft als bisher. Als Asthmatiker habe ich aber an, und die Konsolidierung der Staatsfinanzen erfor- auch selbst unter manchen der Folgen des Rauchens dert vielschichtige Einsicht und Opfer. All das hat zu zu leiden. Verunsicherung und zu Ängsten bei unseren Bür- gern geführt. 3. Die von den „Raucher/innen" vorgelegte Ent- schließung halte ich für windelweich. Sie bleibt wie- Ich vermag überhaupt keine Notwendigkeit zu - der nur im Apellarischen stecken - und eigentlich hat erkennen, zusätzlich das Gefühl zu bestärken, der diese Haltung der Initiator/innen dieses Papiers mich Staat kümmere sich primär darum, die Bürger zu endgültig dazu bewogen, dem Gesetz zuzustimmen. drangsalieren und zu bevormunden, anstatt sich Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19823* der wirklich bedrückenden Themen anzunehmen. Besonders schädlich für ein vernünftiges Zu- Rauchverbot, Herabsetzung der Promillegrenze oder sammenleben von Rauchern und Nichtrauchern ist neue Autofahrerschikanen sind keine Themen, die in die strafrechtliche Bußgeldandrohung von 100 bis diese Zeit des Umbruchs gehören. 5 000 DM. Eine „Kriminalisierung" des Rauchens wird zu ähnlich perversen rechtlichen Situationen Übrigens: die statistischen Zahlen belegen, daß die führen wie in den USA. Der eindeutige Gewinner so Lebenserwartung unserer Bürger stetig gestiegen ist, einer Praxis, wäre vor allem der Stand der Rechts- sowohl die der Raucher als auch die der Nicht- anwälte. Menschlichkeit, Rücksicht und freiwillige raucher. Humanität blieben auf der Strecke. Spannen wir doch unsere Kräfte für die wesent- lichen und den Bürger wirklich bewegenden Pro- Rose! Neuhäuser (PDS): Im Vorfeld der heute an- bleme an und vertrauen auf die gegenseitige Rück- stehenden Entscheidung ist immer wieder laut und sichtnahme unserer Bürger. heftig über die Sinnhaftigkeit und Machbarkeit eines gesetzlichen Nichtraucherschutzes gestritten wor- Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.): Als vernunftbegabter den. Der Interessenkonflikt zwischen handfesten Nichtraucher, der bei einer guten Zigarre auch mal wirtschaftlichen Interessen der Tabakindustrie und eine Ausnahme machen kann, lehne ich die vorlie- den scheinbar weniger greifbaren Gesundheits- genden Gesetzentwürfe kategorisch ab. Das gesell- interessen steht deutlich im Raum. Als kinder- und schaftliche Zusammenleben kann nur funktionieren, jugendpolitische Spreche rin und Mitglied der Kin- wenn wir die unterschiedlichen Einstellungen und derkommission unterstütze ich nachdrücklich die Bedürfnisse unserer Mitmenschen respektieren und Idee eines konsequenten Nichtraucherschutzes, der unser tägliches Miteinander soweit wie möglich unbedingt in ein System des effektiven Kinder- und eigenverantwortlich organisieren. Jugendschutzes hineingehört. Wer glaubt, den Nichtraucherschutz über die be- Für Kinder ist Tabakrauch als Schadstoffgemisch stehenden Regelungen hinaus per Gesetz bis ins die bedeutendste bekannteste und definie rte gesund- letzte Detail regeln zu müssen, befindet sich auf dem heitsschädigende Noxe. Kinder werden im Mutter- Holzweg. Denn die zur Abstimmung stehenden Ge- leib, später in vielfältiger Weise als Passivraucher und setzentwürfe sind typische Beispiele dafür, woran oft bereits im Kindes- und frühen Jugendalter durch unser Land ganz besonders krankt: der geradezu f a- aktives Rauchen geschädigt. Es muß bewußt gemacht natische Ehrgeiz mancher Politiker, die Bürger durch werden, daß die Zumutung von Passivrauchen prak- vollständige Entmündung zu ihrem Glück zu zwin- tisch den Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt. gen und die fehlende Sensibilität in Sachen Bürokra- Das gilt auch und ganz besonders für die Exposition tie. Allein für die Schaffung raucherfreier Zonen in eines werdenden Kindes im Mutterleib. der Privatwirtschaft wären seriösen Schätzungen zu- Daher muß der Gesetzgeber do rt, wo es rechtlich folge etwa sieben Milliarden DM aufzuwenden. realisierbar ist, Menschen vor dem Passivrauchen Hinzu kämen noch die Kosten für die behördliche schützen. Für den sehr wichtigen und sensiblen Überwachung. häuslichen Bereich müssen verstärkt Aufklärungs- Mich ärgert auch der moralinsaure Ton einiger ni- programme entwickelt und angeboten werden. Wer- kotinabhängiger Nichtraucheranwälte, die sich vor bung für Tabakwaren muß auf Produktwerbung be- laufenden Kameras so virtuos empören, aber selbst schränkt bleiben. Life-Style-Werbung und Image entsprechende Rücksicht vermissen lassen. Wer die Werbung in allen Medien und jede A rt von Werbung Gastronomie innerhalb der Bannmeile des Deut- auf öffentlichen Plätzen (Plakatwände, Litfaßsäulen schen Bundestages häufig frequentie rt, weiß, wovon etc.) muß untersagt werden. Verkauf und Weitergabe ich rede. Genau diese Doppelmoral sägt an den Pfei- von Tabakwaren an Minderjährige müssen verboten lern unseres gesellschaftlichen Ethos und riskiert den werden. Konsequenterweise dürfen Zigarettenauto- weiteren Verfall unseres Wertesystems. maten nur in Räumen aufgestellt werden, die Min- derjährigen nicht alleine zugänglich sind.

Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU): Dem Ich will mit meinem Abstimmungsverhalten dazu Nichtraucherschutzgesetz in seiner interfraktionellen beitragen, daß im Interessenkonflikt von Tabakindu- Fassung stimme ich nicht zu. Meiner Meinung nach, strie und Kindergesundheit nicht ein weiteres Mal ist unsere Gesellschaft bereits überreguliert. Weitere die Gruppe mit der schwächeren Lobby unterliegt. Verbote und gesetzliche Zwangsnormen werden Das Recht auf Gesundheit ist unverzichtbares sozia- allen Bestrebungen einer Entbürokratisierung entge- les Menschenrecht. Wer es ernst meint mit dem genlaufen. Schutz der Kinderrechte, sollte sich diesen Überle- gungen nicht verschließen. Auch praktisch sehe ich hierfür keine Notwendig- keit. Es gibt bereits in fast allen Verkehrsmitteln, mittlerweile auch auf Flughäfen und in den meisten Peter Götz (CDU/CSU): Rauchen ist unstrittig für öffentlichen Räumen, separate Zonen für Raucher. Raucher und Passivraucher ungesund. Als Nicht- raucher lehne ich ab, das Rauchen gesetzlich zu re- Gerade weil ich kein Raucher bin, spreche- ich geln. Ich begründe dies so: mich für mehr Freiwilligkeit als für Zwangsmaßnah- men aus. An zahlreichen Arbeitsplätzen gibt es be- 1. Wir haben in Deutschland schon zu viele Ge- reits freiwillige Vereinbarungen. setze und zu viele Regulierungen. Wir sollten unsere 19824* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Anstrengungen eher darauf konzentrieren, wie wir Anlage 7 die Bürokratie weiter abbauen können und keine neue erfinden. Die ohnehin schon überlastete Polizei Zu Protokoll gegebene Reden braucht keine zusätzlichen Aufgaben. Sie hat mit zu Tagesordnungspunkt 10 den wirklich Kriminellen genug zu tun. (Antrag: Förderung der Seeschiffahrt in Deutschland) 2. Wir zerstören jegliche Kultur der Eigenverant- wortung, des Respekts unter- und miteinander in un- serer Gesellschaft, wenn wir menschliches Zusam- Werner Kuhn (CDU/CSU): Wenn wir in dieser De menleben bis ins Detail regeln wollen. Wir fördern batte über die Förderung der deutschen Seeschiff- damit den Werteverfall in unserer Gesellschaft. Ge- fahrt sprechen, geht es in erster Linie auch um die Zu- genseitige Rücksichtnahme kann nicht per Gesetz kunft des maritimen Wirtschaftsstando rts Deutsch- vorgeschrieben werden. Anstand läßt sich nicht ver- land. Dabei spielen nicht nur die 15 000 deutschen ordnen. Seeleute eine wichtige Rolle, wobei zu erwähnen ist, daß 10 000 seemännische Arbeitsplätze auf Schiffen „An den Folgen unbeugsamer Intoleranz sind in unter deutscher Flagge vorgehalten werden, wäh- unserer Gesellschaft schon mehr Menschen zu- renddessen 5 000 deutsche Seeleute weltweit unter grunde gegangen, als an den Folgen von Aktiv- und den verschiedenen Flaggen fahren und ihren Dienst Passiv-Rauchen", schreibt Peter Hahne zu Recht. versehen. Es geht um weit mehr: um die Reederei- Deshalb sind Toleranz und Einsicht besser als eine standorte in den deutschen Küstenmetropolen, in noch so gut gemeinte Vorschrift. Hamburg, Bremen und auch Rostock, um die Exi- stenz der Schiffsmakler, Versicherungsgesellschaf- ten, der Ausrüster und Verlader, und es geht auch Alois Graf von Waldburg-Zeil (CDU/CSU): Die Be mühungen für einen wirksamen Schutz der Nicht- um unsere deutschen Werften. Do rt wurden gerade raucher vor Gesundheitsgefahren durch passiv ein- in den letzten Jahren Schiffsneubauten mit einem geatmeten Tabakrauch von Rauchern betrachte ich Auftragsvolumen zwischen 3 und 5 Milliarden DM mit Verständnis und Respekt. Wenn ich dennoch ge- jährlich geordert . Energiedockung und Schiffsrevi- gen eine gesetzliche Regelung dieses Bereiches sion müssen auch hier mit erwähnt werden. Die Zu- stimme, dann aus folgenden Gründen: lieferbetriebe der Schiffbauindustrie, die im Hoch- technologiebereich arbeiten, liegen in Baden-Würt- 1. Es gibt Bereiche, die zwischenmenschlicher, temberg und Bayern. aber nicht gesetzlicher Regelungen bedürfen. So set- zen sich zum Beispiel Mitmenschen beim Umgang In der Debatte müssen wir auch über unsere See- mit Schnupfen- oder Grippekranken erheblichen häfen mit ihren Schnittstellen zu anderen Verkehrs- Ansteckungsrisiken aus. Beim Husten die Hand vor trägern und ihren dazugehörigen Distributionsein- den Mund zu legen oder sich abzuwenden ist eine richtungen reden. Der ma ritime Wirtschaftsstando rt Erziehungs- und Höflichkeitsfrage, läßt sich aber Deutschland ist genauso wichtig für den seemänni- nicht gesetzlich und schon gar nicht mit Strafbeweh- schen Nachwuchs und damit die Existenz unserer rung regeln. Dazu gehört auch das Verhalten von Seefahrtschulen. Wir reden also heute über mehr als Rauchern. 100 000 Arbeitsplätze, die es gilt zu konsolidieren. 2. Eine allgemeine gesetzliche Regelung zum Die Weltwirtschaft expandie rt. Viele Firmen sind Nichtraucherschutz bleibt als reine Norm völlig wir- Global player geworden. Transportraum auf See wird kungslos. Straf- oder Bußgeldbewehrung bedürfen eminent stark nachgefragt. Die großen Warenströme ihrerseits aber der Anzeige. Anzeigen sind unerläß- von den Wirtschafts- und Handelsplätzen Amerika, lich zur Verhinderung von Schlimmerem. Gesetze, Südostasien und Europa müssen bewältigt werden. die bei Alltagsverstößen zum denunzieren verleiten, Deutschland hat eine leistungsstarke Handelsflotte, können aber leicht diese Grenze überschreiten und besonders im Containerbereich. In den letzten drei zur Unerträglichkeit bei mitmenschlichen Beziehun- Jahren ist diese Flotte durch 150 neue und moderne gen führen. Frachtschiffe auf diesen modernen Stand gebracht worden. Aber trotzdem müssen sich unsere Reederei- 3. Wegen der Wichtigkeit des Anliegens sollten die betriebe täglich dem europäischen und internationa- vielfältigen Wege freiwilliger Vereinbarungen zum len Wettbewerb stellen. Der Ausflaggungsdruck auf Schutze von Nichtrauchern am Arbeitsplatz, im öf- die deutschen Reeder hält nach wie vor an. Das fentlichen Personenverkehr, in öffentlichen Gebäu- schiffahrtspolitische Konzept der Bundesregierung den oder in Restaurants und Hotels aufgezeigt wer- muß, um diesem Kosten- und Ausflaggungsdruck be- den, ganz abgesehen von der Selbstverständlichkeit gegnen zu können, noch in dieser Legislaturperiode von entsprechenden Hausordnungen in Kranken- unbedingt umgesetzt werden. häusern. Es besteht auch dringender schiffahrtspolitischer 4. Es wäre wichtiger, die Bemühungen im Er- Handlungsbedarf angesichts der aktiven Schiffahrts- ziehungsbereich zu verstärken, statt auf gesetzliche förderungspolitik unserer europäischen Nachbar- Regelungen zu vertrauen, die dann doch nicht grei- staaten. Die Niederlande sind hier besonders zu er- wähnen, die vor dem Hintergrund der neuen Leit- fen. - linien der europäischen Gemeinschaft alle staat- Aus diesen Gründen stimme ich gegen die vorge- lichen Beihilfen für den Seeverkehr ausloten. Unsere legten Gesetze. Reedereien harren am Standort Deutschland aus, Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19825' weil die Bundesregierung am 16. Juli 1997 ein Kon- setzungsverordnung, so wie sie im SPD-Antrag auf- zept zur Förderung der Seeschiffahrt in Deutschland gezeigt ist, ist absolut nicht nachzuvollziehen. Sie ist verkündet hat. Nun erwarten sie aber auch konkrete eine Ablehnung jeglicher Flexibilisierung der deut- Maßnahmen. Das Schiffahrtskonzept der Bundes- schen Schiffsbesetzungsvorschriften. Die Realität regierung mit seinen steuerlichen besatzungsrecht- zeigt, daß eine umfangreiche Ausnahmepraxis der lichen und schiffssicherheitstechnischen Maßnah- Seeberufsgenossenschaft beweist, daß hier unbe- men ist nach dem Muster der erfolgreichen mariti- dingt Handlungsbedarf angezeigt ist. Die erfolg- men europäischen Länder wie die Niederlande und reichen maritimen Länder Europas wie Norwegen, die Skandinavier dazu geeignet, den Standort Dänemark und die Niederlande kennen außer für Deutschland für die Seeschiffahrt weiter attraktiv zu den Kapitän keine Staatsangehörigkeitsbestimmung halten. für die große Schiffsbesetzung. Sie haben damit nicht nur ihre Länder als Standorte für große Handelsflot- Dieses schiffahrtspolitische Konzept geht sogar ten gesichert, sondern auch die Beschäftigung der weiter als der Bundesratsvorschlag. Es beinhaltet die Seeleute des eigenen Landes spürbar erhöht. Es be- Fortführung der Finanzbeiträge als Überbrückungs- steht da Übereinstimmung mit den Küstenländern hilfe im Jahr 1998, die Deregulierung der Schiffsbe- über eine Flexibilisierung der Schiffsbesetzungsver- setzungsordnung und die Deregulierung der Schiffs- ordnung. Für Schiffe mit über 8 000 BRZ ist die For- sicherheitsvorschriften per Gesetz. Dieses Programm mel 1-1-1, Kapitän/Technischer oder Nautischer Offi- konnte sich auf die Entschließungen des Verkehrs- zier/ein Nachwuchsmann an Deck oder an der Ma- ausschusses des Deutschen Bundestages vom 4. Juni schine, für Schiffe unter 8 000 BRZ die Formel 1-0-1 1997 und auf eine Entschließung des Bundesrates zur in der Besetzung gefunden worden. Tatsachen sind, Neugestaltung der deutschen Schiffahrtspolitik und daß die Nachfrage nach Seeleuten, nach deutschen zur Sicherung der deutschen Handelsflotte und des Seeleuten mit deutschen Patenten in den letzten Jah- Reedereistandortes Deutschland vom 6. Juni 1997 ren enorm gestiegen ist und die Ausbildung an den stützen. Seefahrtschulen für nautische und technische Offi- Diese Einzelmaßnahmen einschließlich der Flexibi- ziere sowie für Schiffsmechaniker in den letzten Jah- lisierung der Schiffsbesetzungsordnung waren auch ren enorm zugenommen hat. Die Ausbildungshilfe auf hoher Ebene mit den Küstenländern abgestimmt. von 35 000 DM pro Bordarbeitsplatz hat also sehr gut Es ist deshalb erstaunlich, daß der Entschließungs- gegriffen. entwurf der SPD-Fraktion nunmehr in wichtigen Punkten von dieser bisher einheitlichen Position von Das Schiffssicherheitsgesetz zieht die Schlußfolge- Bund und Küstenländern abweicht. Eine starre Ver- rung aus der Tatsache, daß die internationalen bindung der Tonnagesteuer mit der Flaggenfrage Schiffssicherheitsnormen inzwischen einen hohen wäre angesichts der Tatsache, daß ein Reeder sich Standard erreicht haben und in der Europäischen für zehn Jahre fest für die Tonnagesteuer entschei- Union einheitlich interpretie rt, umgesetzt und kon- den muß, absolut kontraproduktiv. Die Registrierung trolliert werden. Die europäischen Vorschriften treten der begünstigten Schiffe im deutschen Schiffsregi- zunehmend an die Stelle der Vorschriften der Mit- ster ist vorgesehen. Das bedeutet im Regelfall auch gliedstaaten. Bestes Beispiel dafür ist die Richtlinie die Führung der deutschen Flagge. Die Reeder für der Sicherheitsvorschriften und Normen für Fahr- zehn Jahre bei der Option Tonnagesteuer in Geisel- gastschiffe, die im Februar 1998 verabschiedet wird. haft zu nehmen, ist absolut irreal. Die Praxis zeigt, Wo immer auch Lücken im internationalen oder euro- daß nach vier Jahren Flaggenbindung anhand der päischen Regelwerk geblieben sein sollten, sie wer- Wirtschaftsdaten die Möglichkeit zum Flaggenwech- den durch eine gleichzeitig mit dem Schiffssicher- sel eingeräumt werden muß. Hier ist Flexibilität un- heitsgesetz verabschiedete neue Schiffssicherheits- bedingt gefragt. verordnung ausgefüllt.

Nun ein Wort zur Lohnsteuerfreiheit. Die vollstän- Deutschland arbeitet aber auch in der Kontrolle dige Lohnsteuerfreiheit, wie sie unter dem deutsch- und Überprüfung der ihre Häfen anlaufenden liberianischen Doppelbesteuerungsabkommen für Fracht- und Fahrgastschiffe absolut vorbildlich. Die deutsche Seeleute im Endeffekt erreicht werden Seeberufsgenossenschaft übt hier die Hafenstadt- kann, ist auf deutschflaggige Schiffe nicht übertrag- kontrolle zu großer Zufriedenheit aus. Deutschland bar. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzho- ist Mitglied in der IMO, MARPOL und SOLAS und fes ist diese Art der Doppelbesteuerungsabkommen weiterer internationaler Schiffssicherheitsvereinba- für Reedereien mit deutschem Standort unter frem- rungen. Wir wollen für unsere Reeder keine Kosten- der Flagge in Frage gestellt. Die Reedereien werden erhöhung durch überzogene nationale Sicherheits- nach Auswegen suchen und ausländische Tochter- forderungen und Überbürokratisierung der Hafen- reedereien gründen, ihre Schiffe do rt mit deutschen stadtkontrolle. Seeleuten bereedern und die ausländischen Seeleute auf deutschen Schiffen in deutschen Unternehmen Die Bundesregierung muß so, wie der Bundestag fahren lassen. Welch ein schizophrener Antrag, der bereits am 12. Dezember 1997 beschlossen hat, unbe- eher deutsche Seearbeitsplätze vernichtet als den dingt alle Wege ausschöpfen, um das Konzept zur maritimen Standort zu konsolidieren. Die Tonnage- Förderung der Seeschiffahrt in Deutschland noch in steuer, kombiniert mit der 40 prozentigen- Einbehal- dieser Legislaturpe riode umzusetzen. Nur so kann tung der Lohnsteuer, muß eine ähnliche Entlastung der maritime Standort Deutschland dauerhaft ge- für die Reedereien bringen, wie sie das niederländi- sichert werden. Die deutsche Seeschiffahrt braucht sche Seeschiffahrtskonzept vorsieht. Die Schiffsbe jetzt ein Signal. 19826* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Konrad Kunick (SPD): Wir Sozialdemokraten stel- Zweitens Steuervergünstigungen. Dazu gehörten len heute unseren Antrag zur „Förderung der See- die entfallenen Sonderabschreibungen für die deut- schiffahrt in Deutschland" zur Beratung, weil der sche Seeschiffahrt, die gekoppelt waren an das Füh- Verkehrsminister zwar in Fachzeitschriften und auf ren der deutschen Flagge. Dazu gehören auch jüng- Kongressen über seine Vorstellungen zur Zukunft ste steuerliche Entlastungen wie zum Beispiel der der deutschen Schiffahrt redet und schreiben läßt, Wegfall der Gewerbekapitalsteuer und die Nichthe- die Koalition aber seit einem halben Jahr sein soge- ranziehung von 80 Prozent der Schiffahrtseinnahmen nanntes „Konzept der Bundesregierung zur Behand- bei der Berechnung der Gewerbeertragsteuer. Diese lung der Unternehmen der deutschen Seeschiffahrt auf den Weg gebrachten Maßnahmen sind übrigens und der Seeleute auf Schiffen unter deutscher der Beweis, daß man nicht alle notwendigen Steuer- Flagge" vom 18. Juli 1997, Drucksache 13/8298, änderungen für die Schiffahrt in einen riesigen nicht auf die Tagesordnung des Bundestages ge- Schneeball namens Steuerreform einbinden muß. bracht hat. Drei Säulen: Erstens Finanzbeiträge, zweitens Steuervergünstigungen, drittens das Internationale Es besteht Eilbedarf, denn die Lage der deutschen deutsche Schiffahrtsregister (ISR). Die geltende Seeschiffahrt ist leider nicht halb so gut, wie sie bei Schiffsbesetzungsverordnung schreibt für Schiffe im oberflächlicher Betrachtung scheinen könnte. Einmal ISR mit 9000 BRT eine Regelbesetzung von 4 deut- ist da die boomende Exportkonjunktur und die wach- schen Schiffsoffizieren und 3 deutschen Schiffsme- sende Verflechtung der Weltwirtschaft, die zum Bei- chanikern vor. Durch Sondergenehmigungen der spiel den deutschen Schiffahrtsvorzeigekonzernen Seeberufsgenossenschaft, begründet auch durch Hapag-Lloyd im Geschäftsjahr 1997 einen Betriebs- technischen Fortschritt der Schiffe, haben wir heute gewinn in der Linienschiffahrt von 80 Millionen DM durchschnittlich 5 Arbeitsplätze für deutsche See- ausweisen ließ. Eine erfreuliche, positive Entwick- leute auf den Schiffen des ISR. Die restliche Besat- lung, zumal sie der Vorstandssprecher mit der öffent- zung besteht aus ausländischen Seeleuten zu Billig- lichen Erklärung verbunden hat, Hapag-Lloyd wolle auch in Zukunft einen „patriotischen Malus" hin- löhnen. nehmen für das Führen der deutschen Flagge, so- Wenn wir heute diese drei tragenden Säulen lange der Aufwand vertretbar sei (DVZ vom 31. Ja- der Seeschiffahrt betrachten, dann trägt die Säule nuar 1998). Dieser Zustand bedingt allerdings politi- „Finanzbeiträge" nicht mehr, da die Koalition sie sche Anstrengungen. Niemand soll sich herausreden Jahr für Jahr als Deckungsausgleich bei der Haus- mit Hinweisen auf eine allgemeine, große Steuer- haltsaufstellung mißbraucht hat. Aktueller Stand reform. 1998: 40 Millionen DM statt der von den Gutachtern geforderten 120 Millionen DM. Ein Trauerspiel. Und dann gibt es eine zweite Entwicklung, die oberflächlich betrachtet Entspannung signalisiert, Auch die zweite Säule „Steuererleichterungen für die aber im Gegenteil der deutliche Vorbote der die Seeschiffahrt" zeigt heute nach Feststellung der künftigen Krise ist. Erfreulich ist, daß die schwarzro Gutachter schwere Risse. Sie weisen nach, daß die goldene Handelsflotte gegenwärtig wächst. Der Zu- Steuerbelastung eines 20 000 Bruttoregister großen gang ins deutsche Register ist größer als der Abgang Containerschiffes unter deutscher Flagge bei Kapi- in fremde Flagge. Das leider nur, weil die Koalition talgesellschaften zirka achtmal so hoch und bei die Sonderabschreibungen für den Schiffbau, die ge- Personengesellschaften zirka sechsmal so hoch ist bunden waren an das Führen der deutschen Flagge, wie die Steuerbelastung desselben Schiffes, wenn es mit dem Bestelldatum vom 25. April 1996 hat auslau- unter der Flagge der Niederlande fährt. fen lassen. Was wir heute haben ist die Abarbeitung Sechs- bis achtmal so hohe Steuerlasten im Ver- eines letzten Auftragsbooms, eines Strohfeuers zu- gleich zur Reedereibesteuerung des Nachbarlandes gunsten der deutschen Flagge, erzeugt in den Auf- sind auf die Dauer völlig unerträglich. Deshalb un- tragsbüchern der Werften. Diese Schiffe werden jetzt sere Forderung: Lassen sie uns alle steuerlichen Be- gebaut, von den Werften abgeliefert und werden stimmungen zur Seeschiffahrt mit dem Reformmodell - nach den alten, für die Zukunft nicht mehr gelten- „Tonnagesteuer" zusammenpacken in ein Standort- den Bestimmungen - für mindestens vier Jahre die sicherungsgesetz für die Wettbewerbsfähigkeit der deutsche Flagge führen. deutschen Flagge auf den Weltmeeren! In unserem Antrag fordern wir, daß die Tonnagesteuer gebunden Während also die Konjunktur im Seetransport und werden muß an das Führen der deutschen Flagge, die jüngsten Flottenzugänge noch ein gutes Bild ma- und daß die Beschäftigung deutscher Seeleute wei- chen, liegt die Axt schon an der Wurzel der deut- terhin Voraussetzung sein muß, diese Flagge führen schen Handelsflotte, wenn nicht schleunigst etwas zu dürfen. passiert. Ich will das nachweisen anhand eines Gut- achtens, das die C&L Deutsche Revision am 4. April Die dritte Säule „ISR" wankt, weil die anderen bei- 1997 dem Verkehrsminister erstattet hat. Drei Säulen den Säulen ohne Einführung der Tonnagesteuer auf trugen in der Vergangenheit die Schiffahrtspolitik: holländischem Niveau nicht mehr tragen. Und hier Erstens Finanzbeiträge zur Stärkung des Reederei- nun werkelt die Bundesregierung an einem völlig standorts Deutschland und zur Sicherung von Be- untauglichen Versuch, zu dem sie die Küstenländer t-schäftigung, die laut gutachterlicher Stellungnahme überreden will: Die deutsche Flagge soll bleiben, nur 120 Millionen DM pro Jahr betragen müßten, so- die verbliebenen deutschen Seeleute sollen von Bord lange die steuerliche Schieflage der deutschen und ersetzt werden durch ausländische Billigsee- Schiffahrtsunternehmen nicht korrigiert ist. leute. Nur noch ein deutscher Kapitän soll festge- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19827 schrieben bleiben, so das Konzept der Bundesregie- zung und der Qualität des Schiffes auf der einen rung. Die zögernden Länder will man jetzt über den Seite und der Höhe des Transportrisikos und damit Tisch ziehen mit dem faulen Kompromiß, es könne langfristig auch der Versicherungsprämien auf der auch ein deutscher Kapitän, ein deutscher Schiffsoffi- anderen Seite. Wir halten Ihnen vor, wie die Bundes- zier und ein deutscher Schiffsmechaniker sein. Statt regierung mit der Schiffssicherheit umgeht. Sie wol- sieben deutschen Seeleuten nach der geltenden Vor- len ein Paket mit Hunderten deutscher Schiffssicher- schrift und fünf Deutschen in der heutigen Praxis nur heitsbestimmungen stornieren und durch internatio- noch drei, am besten nur noch einer! Klar: Der Kapi- nale IMO-Bestimmungen ersetzen, die naturgemäß tän verläßt als letzter das Schiff. Das ist der Unter- Rücksicht nehmen müssen auf den Ausrüstungsstan- gang der qualifizierten deutschen Seeschiffahrt, fei- dard von Schiffen aus Dritte-Welt-Staaten. erlich zugedeckt mit dem schwarzrotgoldenen Flag- gentuch, während tausende deutscher Seeleute den Und: Ihr Ministerium hat systematisch alles hinter- Weg zum Arbeitsamt antreten und das, während hier trieben, was dazu hätte führen können, daß die EG- und heute über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Kommission höhere Sicherheitsstandards für Schiff geredet wird. Gleichzeitig demontie rt diese Bundes- und Ausbildung definiert, um für Europa einen Qua- regierung, dieser Verkehrsminister die personellen litäts-Schiffahrts-Standortvorteil zu schaffen. So heißt Voraussetzungen der Schiffssicherheit. es in der Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Papier der Kommission „Auf dem Weg zu einer Zitat aus dem Gutachten der C&L Deutsche Revi- neuen Seeverkehrsstrategie " : „Deutschland spricht sion vom 4. April 1997: „Bei Änderung ... der deut- sich gegen eigene innereuropäische Sicherheitsstan- schen Besetzungsvorschriften entsprechend dem nie- dards aus ... Grundsätzlich ist internationalen Regi- derländischen Vorbild scheinen mittelfristig Freiset- men, die in der IMO vereinbart werden, unbedingter zungen von über 5000 Seeleuten bei der hier be- Vorrang einzuräumen" (Drucksache 568 des Ver- trachteten Flotte von rund 450 Schiffen nicht ausge- kehrsausschusses vom 11. November 1996). schlossen, was wiederum zu erheblichen Kosten für den Staat und die Sozialversicherungen führen Die Forderung unseres Antrages: Keine Ver- würde. Diese Kosten würden, bezogen auf 5000 Ar- schlechterung der technischen Normen für deutsche beitslose, bis zu 400 Millionen DM p.a. betragen ... Schiffe. Wir verlangen die Einzelüberprüfung der Die Gefahr des Verlustes von qualifiziertem deut- Normen, die der Bundesverkehrsminister in einem schen Personal und damit seemännischem Know- großen Kehraus insgesamt streichen und durch inter- how ist dabei ... unverkennbar. Nachwuchs für den nationale IMO-Standards ersetzen will. Seemannsberuf wäre unter diesen Umständen kaum Zu sinnvollen Änderungen sind wir natürlich be- noch zu gewinnen ... " reit. Wir wollen aber auch zukünftig nicht auf natio- nale oder europäische Regelungen verzichten, weil Die Koalition bzw. die Bundesregierung sagt, sie wir wissen, daß die IMO oft Jahre braucht, um eine wolle trotz des geplanten Fortfalls der heutigen Be- notwendige Vorschrift durchzusetzen. Deutschland setzungsbestimmungen der Arbeitslosigkeit entge- muß auch zukünftig an führender Stelle stehen beim gensteuern, indem sie den Reedern 40 Prozent der Schutz der Meeresumwelt, der Sicherheit der Trans- von den Seeleuten gezahlten Lohnsteuer vergütet. portgüter und dem Schutz von Mannschaft und Schiff. Sie wissen genau, daß das nicht reicht. Warum sonst wollen sie den Reedereien die Möglichkeit eines wei- Wir haben uns am Anfang der Legislaturpe riode in teren Lohnabbaus durch Billigseeleute eröffnen? großer Übereinstimmung vorgenommen, die deut- sche Seeschiffahrt zu stärken zugunsten des See- Wir Sozialdemokraten fordern mit unserem Antrag mannsberufes und der Schiffe unter deutscher die volle Lohnsteuerbefreiung wie sie Seeleute vieler Flagge, zugunsten der Reedereien, der Küstenregion anderer Nationen auch haben. Damit hätten wir ein und der gesamten Volkswirtschaft. Die Einführung gutes Fundament für eine konkurrenzfähige deut- einer mit den Niederlanden vergleichbaren Tonna- sche Seeschiffahrt: Das sind deutsche Besatzungen gesteuer würde den notwendigen Spielraum geben nach den heute geltenden Bestimmungen und deut- für konkurrenzfähige Schiffahrt im Sinne der ge- sche Reedereien, deren Wettbewerbsbedingungen nannten Ziele. wir verbessern wollen. Mit einer solchen Reform be- kommt die deutsche Handelsflotte eine dauerhafte Chance. Egbert Nitsch (Rendsburg) (CDU/CSU): Es ist nichts Neues, daß die deutsche Seeschiffahrt seit Damit komme ich zur Schiffssicherheit. Schiffssi- Jahren unter erheblichem Druck steht. cherheit hat eine menschliche und eine technische Komponente. Die menschliche hängt mit dem Know- Das Wort: „Seefahrt tut not" wird nur noch in how der Besatzung, ihrer guten Ausbildung und der Sonntagsreden in den Küstenländern gebraucht und einwandfreien Verständigung an Bord, gerade in hat sich in einem langen Prozeß der Systemanpas- Notsituationen, zusammen. sung als da wären: Ausflaggung, Globalisierung und soziale Demontage der schwer erkämpften Rechte Die technischen Sicherheitsnormen sind in der Seeleute usw. von selbst erledigt. Dieses ist eines Deutschland ganz wesentlich entwickelt worden als der traurigsten Kapitel unserer Geschichte. Die deut- Antwort auf die bitteren Erfahrungen mit Arbeitsun- sche Seefahrt hatte und hat noch nur zum Teil und fällen und Schiffsunglücken. Wir erinnern- an den das doch mehr auf die Vergangenheit bezogen, ihre Untergang der Estonia. Vergessen wir bitte nicht, Bedeutung verloren. Das ist bekannt. Und auch die daß es um Menschenleben geht und daß es einen Zu- Gründe dafür sind jedem, der sich mi t der Materie sammenhang gibt zwischen der Qualität der Besat beschäftigt, nur zu klar. 19828' Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998

Wir stehen vor den Trümmern einer verfehlten dargestellt, was zukünftig das Fahren unter deut- Politik, und insofern kann ich mich den Ausführun- scher Flagge ermöglicht. Wir passen uns damit den gen des Kollegen Kunick und den Schlußfolgerun- europäischen Bedingungen an. Die Niederlande wa- gen des Antrags der SPD nur anschließen. ren hier Vorreiter, sie haben die Tonnagesteuer ein- geführt. Dort wird wieder „eingeflaggt". Das wird Wenn in Zukunft ein Reststandard gehalten wer- auch in der Bundesrepublik der Fall sein. Es hätte den kann, wäre das erstmal ein vorläufiger Anfang. schon der Fall sein können, wenn sie von der SPD im Und nur das. Da muß aus Sicht meiner Partei aber Bundesrat der Steuergesetzgebung, wie sie von uns noch etwas mehr passieren. in dem Steuerreformgesetz vorgeschlagen war, zuge- Wenn zum Beispiel in Schleswig-Holstein durch stimmt hätten. ein ökologisch und wirtschaftlich sinnloses Projekt Ich würde mir wünschen, daß wir in Zukunft das der Vogelflug-Querung mit einem Volumen von Gemeinsame, das vorhanden ist, auch zum Ausdruck ca. 15 Milliarden DM die Fähren über den Fehmann- bringen. Gemeinsam wollen wir, die Bundesregie- Belt verschwinden werden, verlieren 800 bis 1 000 rung, die Abgeordneten und auch die Regierungen hochqualifizierte Menschen ihren Beruf ohne eine in den Küstenländern, daß die Seeschiffahrt weiter Chance von Alternative. Bestand hat, daß zunehmend wieder mehr unter Regionale Entmündigung. Und so geht es weiter, deutscher Flagge gefahren wird und damit Arbeits- und die Sonntagsreden werden weiter gehalten. plätze bereitgestellt werden. Wir brauchen in Deutschland weiter eine ma ritime Ausbildung, wir Es muß Politik für Seefahrt gemacht werden. Auch wollen keine Sicherheitsvorschrift antasten, aber hier stellt sich die Frage der Zukunft, die Frage der dort, wo europäische Anpassungen gefordert sind, Ökologie. Wir brauchen Forschung für bessere An- diese nicht verhindern. triebe, für neue Schiffe - es müssen nicht Rahsegler sein, die die Passatzonen nutzen können. Aber die Wenn die SPD im deutschen Bundestag immer Werft- und Off-Shore-Industrie muß Vorgaben von wieder eine erweiterte deutsche Schiffsbesatzung der Politik angeboten kriegen, um völlig neue See- fordert, die Küstenländer aber mit den Vorstellun- fahrtskonzepte, zum Beispiel auch für Urlaubsreisen, gen, die die Bundesregierung formuliert hat, einver- entwickeln zu können. Nur dann kann Deutschland standen sind, dann ist es schlicht unehrlich, dies und Europa den wichtigen Bereich wiedergewinnen. immer wieder zu fordern und so zu tun, als ob Sie es auch umsetzen würden, wenn Sie es könnten. Denn, so meine ich, muß es auch der Staatssekretär im Lisa Peters (F.D.P.): Heute zu dieser späten Stunde niedersächsischen Wi rtschaftsministerium fordern, beschäftigen wir uns mit dem Antrag 13/9075 der wenn Gespräche mit dem BMV geführt werden. Das SPD-Fraktion zur „Förderung der Seeschiffahrt in ist jedoch nicht der Fall, wie mir gestern noch im Deutschland". Ich denke es ist legitim und sicher Ausschuß von Herrn Hinz bestätigt wurde. auch erforderlich. Daß dieser Antrag jedoch von der SPD-Fraktion gestellt wird, nachdem sie alle Anträge Solange wie wir noch keine neue Gesetzgebung, zur Förderung der deutschen Seeschiffahrt in Bausch die die Tonnagesteuer, die Ermäßigung der Lohn- und Bogen abgelehnt hat, bezeichne ich als nicht er- steuer, die geringere Besteuerung der Unternehmen klärlich und sehr gewagt. Ich denke, es ist auch für in der Schiffahrt, mehr Flexibilisierung sowie eine die Betroffenen durchschaubar, Seeleute und Reeder abgesprochene und geregelte Ausbildung beinhal- lassen sich keinen Sand mehr in die Augen streuen. tet, haben, müssen weiterhin im Haushalt des Bun- des die Finanzbeiträge bereitgestellt werden. Für Das Ja zur Steuerreform hätte nicht nur die deut- 1998 sind 80 Millionen im Haushalt, für 1999 werden sche Seeschiffahrt gefördert, die Reform hätte in al- ebenfalls 80 Millionen eingestellt, so die Bundes- len Bereichen Entlastung und Arbeitsplätze ge- regierung. bracht, die wir in Deutschland dringend benötigen. Ich denke, diese Verweigerung, die nur im Hinblick Ich bin davon überzeugt, daß sofort im Herbst 1998 auf gegenwärtige zukünftige Wahlen im Jahre 1998 die umfassende Steuerreform in die Tat umgesetzt zielt, kann man nicht mehr deutlich machen. Dafür werden kann, die jetzt von den SPD-regierten Län- haben die Menschen in diesem Lande kein Verständ- dern verweigert wird. Ich sage deutlich, der wieder nis mehr. Das vorweg, es muß einfach gesagt werden. neu gestellte Antrag im Deutschen Bundestag, der heute zur Debatte steht, ist ein reiner Schaufenster- Ich denke, wir sind uns alle einig hier im Hause, antrag. Damit ist der Förderung der Deutschen daß wir auch in Zukunft die deutsche Seeschiffahrt Seeschiffahrt heute nicht gedient. Wohlgemerkt, die benötigen. Wir wollen weiter unter den Handels- F.D.P.-Fraktion will ausdrücklich eine Veränderung. nationen der Welt eine Ro lle spielen. Deutschland Wir sind der Auffassung, daß es nicht ohne eine will auch in Zukunft ma ritime Technik exportieren. schlagkräftige Handelsflotte geht. Nicht umsonst ha- Das alles ist nur möglich, wenn noch eine Flotte un- ben wir als Parlamentarier diese Maßnahmen in die ter schwarzrotgoldener Flagge fährt. Es ist Aufgabe Gesetzgebung zur Steuerreform eingebracht. der Bundesregierung und des Deutschen Bundes- tages dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen. (PDS): Die Gewerkschaf Das hat die Bundesregierung getan. Dr. Dagmar Enkelmann - ten ÖTV und DAG werfen der Bundesregierung vor, Auf der Bundestagsdrucksache 13/8298 vom mit ihrem Schiffahrtskonzept der Seeschiffahrt end- 18. Juli 1997 ist im „Bericht der Bundesregierung zur gültig den Garaus zu machen. Ich denke, sie haben Förderung der Seeschiffahrt in Deutschland" alles recht. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19829*

Die Zahlen sprechen für sich. Waren auf deutschen des seemännischen Nachwuchses und die Sicherung Schiffen 1980 noch 28 000 Seeleute beschäftigt, so einer angemessenen Zahl von Ausbildungsplätzen waren es 1991 nur noch 16 000 und Ende 1997 ledig- auf Schiffen unter deutscher Flagge gehören gegebe- lich noch 9 683. Nichts von dem, was die Bundes- nenfalls durch Einführung einer Ausbildungskompo- regierung bisher unternommen hat, konnte den nente bei der Gewährung von Finanzbeiträgen. Niedergang der deutschen Seeschiffahrt stoppen. Der Versuch, durch Einführung des Zweitregisters Ein Wort noch zum Thema Unternehmensbesteue- (ISR - Internationales Seeschiffahrts-Register) und rung, das der SPD-Antrag leider nicht anspricht: den Abbau der geltenden Standards und sozialen Be- Schiffsbeteiligungen sind, so hilfreich sie den Ree- dingungen in Konkurrenz mit den Billigflaggen an- dern im konkreten Fall auch sein mögen, in erster derer Länder zu treten, ist zum Scheitern verurteilt. Linie eine Abschreibungsmöglichkeit, die zur Steuer- Ein Wettbewerb mit Bedingungen, die im Extremfall umgehung geradezu einlädt. Beihilfen für die See- bedeuten, daß Seeleute nur für Kost und Logis arbei- schiffahrt sind erforderlich, darüber besteht Einig- ten, kann nicht gewonnen werden. keit. Diese müssen aber transparent sein und dürfen dem Staat unter dem Strich auf der Einnahmeseite Von daher ist der SPD-Antrag zu begrüßen. Er soll nicht mehr schaden als sie ihm auf der Ausgabeseite zum Beispiel verhindern, daß die grundsätzlich zu nützen. begrüßende Einführung der Tonnagesteuer auch für die 610 Schiffe unter fremder Flagge im deutschen Schiffsregister gelten. Mit solch einer günstigen Steuerregelung würden die Schiffe nämlich mehr ge- fördert, als die 719 Frachter unter deutscher Flagge. Anlage 8 Die Bundesregierung würde, entgegen ihren erklär- ten Intentionen, weitere Anreize zum Ausflaggen Zu Protokoll gegebene Reden oder zur Verlagerung des Betriebssitzes schaffen. zu Tagesordnungspunkt 1 (a - Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung Ebenso wie die PDS kritisieren wir die von der der parlamentarischen Demokratie Bundesregierung geplante Änderung der Beset- durch unmittelbare Demokratie, zungsverordnung. Künftig sollen nicht mehr sieben b - Antrag: Änderung der Geschäftsordnung Seeleute mit deutschen Zertifikaten an Bord beschäf- des Deutschen Bundestages) tigt sein müssen, sondern nur noch ein deutscher Ka- pitän. Es liegt doch auf der Hand, daß in Zukunft dann alle Reeder die ihnen gebotene Chance, Perso- Andreas Schmidt (Mülheim) (CDU/CSU): Die An nalkosten zu sparen, nutzen würden. Wenn nur noch träge der PDS zur Demokratisierung unserer Gesell- der Kapitän ein deutsches Zertifikat haben muß, wer- schaft sind eine Mischung aus Groteske und Unver- den die Reeder künftig alle anderen Stellen mit frorenheit. Auf Grund ihrer parteipolitischen Vergan- Zweitregister-Seeleuten besetzen. Dies würde nicht genheit als SED hat die PDS jeden moralischen An- nur den weiteren Verlust von Arbeitsplätzen bedeu- spruch verwirkt, sich als Verfechter von Recht, Staat ten, sondern letztendlich den Verlust einer ganzen und Demokratie darzustellen. Wenn sich die PDS traditionsreichen Branche. Denn auch die Zukunft jetzt als Verfechterin von Demokratie hinstellt, er- der Werften, insbesondere die Marktchancen hoch- innert das an einen Brandstifter, der sich als Feuer- moderner Schiffe, die höchsten Anforderungen an wehr anbietet. die technische Sicherheit genügen, hängen davon Stellen Sie sich vor, die Wiedervereinigung wäre ab, daß der Zusammenhang von sozial abgesicherten nicht durch eine friedliche Revolution der Menschen hochqualifizierten Seeleuten, modernen Reederei- erkämpft, sondern durch die SED-Diktatur erzwun- betrieben und moderner Technik im eigenen Land gen worden. Wir, die Demokraten, hätten dann erhalten bleibt. jedenfalls keine Chance, Anträge in einem freien Die Seeschiffahrt ist grundsätzlich im internationa- Parlament zu stellen. len Warentransport dann die ökonomischste und Als SED-Nachfolgepartei steht die PDS in der Ver- ökologischste Art, wenn durch Deregulierung die antwortung für Diktatur, für Einschüchterung statt Standards nicht verschlechtert, sondern die ökologi- Meinungsfreiheit, für Mauer und Schießbefehl, für schen Risiken und Sicherheitsrisiken durch geeig- Stasi statt Toleranz, für Wahlbetrug. Nein: Die PDS nete Maßnahmen soweit wie möglich minimiert wer- als Nachfolgepartei der SED ist nicht der Anwalt der den. Eine von der Bundesregierung unter dem Stich- Demokratie, sondern das trojanische Pferd der Dik- wort „Flexibilisierung und Entbürokratisierung" ge- tatur. plante Senkung der nationalen maritimen Sicher- heitsstandards auf ein niedrigeres internationales Daß die PDS das trojanische Pferd der Diktatur ist, Sicherheitsniveau kann langfristig keine Vorteile für zeigt sich auch daran, daß die Mitgliedschaft in der die deutsche Seeschiffahrt bringen. kommunistischen Plattform mit der Mitgliedschaft in der PDS vereinbar ist. Ziel der kommunistischen Ein Schiffahrtskonzept, daß die Rahmenbedingun- Plattform ist es, das theoretische Erbe Lenins wieder- gen der deutschen Seeschiffahrt entscheidend ver- herzustellen. In den Statuten der kommunistischen bessert, ist längst überfällig. Dazu gehört- eine Har- Plattform heißt es: „Eine revolutionäre Überwindung monisierung auf europäischer Ebene, die jedoch kei- des Kapitalismus halten wir für unumgänglich. Dazu nesfalls eine Nivellierung auf den niedrigsten Stan- ist der herrschenden Klasse die Macht zu entreißen, dard sein darf. Weiterhin muß dazu die Förderung und die Eigentumsverhältnisse an Produktions- 19830* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 mitteln sind grundlegend umzugestalten. " Demokra- Die hier vorgelegten Vorschläge der PDS sind je- tie und Kommunismus schließen sich gegenseitig denfalls keine Grundlage. Sie würden dazu führen, aus. Wer etwas anderes behauptet, wird geröstete daß einer populistischen Partei - wie die PDS eine ist Schneebälle zum Verkauf anbieten. - mit geringstem Aufwand über Volksinitiative und Volksbegehren, erhebliche Einflußmöglichkeiten zu- Der Antrag der PDS bietet Anlaß und Chance, sich fließen könnten, die durch das eigentliche Wahl- mit dem Demokratiebegriff der PDS auseinanderzu- ergebnis dieser Partei nicht gedeckt sind. Insgesamt setzen. Alle Kommunisten haben ein totalitäres De- hat man bei dem gesamten Gesetzentwurf den Ein- mokratieverständnis. Marxisten benutzen den Beg riff druck, daß die PDS die repräsentative Demokratie Demokratie als Instrument zur Verschleierung ihrer im Sinne des Grundgesetzes innerlich ablehnt und Ziele. Kommunisten haben noch nie Demokratie als versucht, die bewäh rte Verfassungsordnung auszu- Verfahren politischer Willensbildung anerkannt. hebeln. Der PDS-Antrag mit dem Ziel, unsere Demokratie Die PDS schlägt weiterhin vor, einen Bürgerbeauf- zu ergänzen, steht in dieser antidemokratischen Tra- tragten auf Bundesebene einzuführen. Die Einrich- dition. Der PDS-Antrag dokumentiert, daß die PDS tung eines Bürgerbeauftragten auf Bundesebene er- mit Demokratie eben nicht unser Verfahren zur poli- scheint mir im Grundsatz überlegenswert. Dabei soll- tischen Willensbildung meint und anerkennt, son- ten aber zunächst anderweitige Erfahrungen - etwa dern einen gegen das jetzige demokratische System wie die des Bürgerbeauftragten auf europäischer gerichteten Prozeß. Die PDS versteht unter Demokra- Ebene oder in Rheinland-Pfalz - herangezogen und tisierung offensichtlich die Erzeugung einer Massen- ausgewertet werden. Eingehend nachzudenken dynamik aller Unzufriedenen. Es ist gut, daß die PDS wäre auch über das Verhältnis Bürgerbeauftragter heute diesen Antrag vorgelegt hat. Er dokumentiert, und Petitionsausschuß. daß auch die PDS, wie alle kommunistischen Par- teien, ihre antidemokratische Tradition nicht auf- Die Vorschläge der PDS sind allerdings auch hier gegeben hat. als Diskussionsgrundlage völlig ungeeignet. Ein eigenes Gesetzesinitiativrecht für den Bürgerbeauf- Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Zur Beratung tragten - wie es die PDS vorschlägt - erscheint mir steht ein Gesetzentwurf der Gruppe der PDS an, mit als zu weitgehend und kann aus der grundgesetz- dem die Elemente der unmittelbaren Demokratie lichen Verfassungsordnung nicht legitimie rt werden. gestärkt werden sollen. Hierzu schlägt die PDS im Auch der Vorschlag, den Wehrbeauftragten im Zu- wesentlichen vor, Volksbegehren, Volksinitiative und sammenhang mit der Einführung des Bürgerbeauf- Volksentscheid im Grundgesetz zu stärken sowie tragten abzuschaffen, ist völlig indiskutabel. Der einen Bürgerbeauftragten mit weitreichenden Befug- Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat nissen einzuführen. sich seit seinem Bestehen als Vertreter der Interessen Für die Stärkung plebiszitärer Elemente im Grund- von Soldaten bewährt und ist fest im Bewußtsein der gesetz hat es in der SPD immer Sympathie gegeben. Truppe verwurzelt. Die Abdeckung der spezifischen Ich denke aber, daß die plebiszitären Elemente in Bedürfnisse der Soldaten würde ein allgemeiner Bür- einem ausgewogenen Verhältnis mit den Grundsätzen gerbeauftragter kaum erfüllen können. der repräsentativen Demokratie stehen müssen. Das bedeutet, daß plebiszitäre Elemente die repräsenta- Letztlich hat die PDS auch einen Antrag zur Ände- tive Demokratie lediglich ergänzen dürfen. Sie sollten rung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundes- sie nicht dominieren und handlungsunfähig machen. tages vorgelegt. Mit diesem Antrag sollen die bereits genannten Punkte geschäftsordnungsrechtlich um- Die Vorschläge der PDS sind sehr weitreichend. So gesetzt werden. Bemerkenswert ist in diesem Zusam- wird zum Beispiel ein Recht vorgesehen, durch menhang, daß die PDS als Gesamtüberschrift für Volksinitiative oder Volksbegehren Gesetzentwürfe Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid und Beschlußentwürfe zu Gegenständen der politi- den Begriff „Volksgesetzgebung" benutzt. Die SED schen Willensbildung in den Bundestag einzubrin- läßt grüßen. gen, wenn 100 000 Wahlberechtigte dieses unterstüt- zen. Eine Beschränkung auf bestimmte Themenge- In dem Antrag zur Änderung der Geschäftsord- biete ist nicht vorhanden; das Unterstützungsquorum nung sind allerdings auch Vorschläge versteckt, mit ist ausgesprochen niedrig. Ausgesprochene Minder- dem sich die PDS den Fraktionsstatus im Deutschen heiten könnten insofern erheblichen Einfluß auf die Bundestag verschaffen möchte. Insoweit möchte die Gesetzgebung erhalten und das Gesetzgebungsor- PDS den Fraktionsstatus auch für Abgeordneten- gan lahmlegen. Dieses dürfte kaum mit den Grund- gruppen ermöglichen, die über die Grundmandats- sätzen der repräsentativen Demokratie vereinbar sein. klausel in den Bundestag eingezogen sind. Betreffen würde das nur die PDS selbst. Hierzu bleibt nur der Ich bin dafür, daß wir die in der Gemeinsamen Ver- Hinweis, daß das Bundesverfassungsgericht im fassungskommission begonnene Diskussion über die Herbst des letzten Jahres anders entschieden und Ergänzung des Grundgesetzes durch plebiszitäre festgestellt hat, daß die PDS keinen Anspruch auf Elemente baldmöglichst fortsetzen. In diesen Zusam- den Fraktionsstatus im Deutschen Bundestag hat. menhang gehört auch die Frage, ob die Wahlperiode des Deutschen Bundestages auf fünf Jahre verlän- Als Fazit bleibt festzustellen, daß die Vorschläge gert werden soll, wie es in vielen Bundesländern der PDS aus Sicht der SPD-Fraktion ungeeignet für schon der Fall ist. die weitere Diskussion sind. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 19831*

Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich Die Umsetzung des Verfassungsgebots aus A rt. 20 bedaure ein wenig, daß diese Debatte unter Aus- Abs. 2 ist mehr als überfällig. Deren Umsetzung schluß der Öffentlichkeit so spät stattfindet. Das leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Abbau des Thema Demokratie hat mehr Beachtung verdient. Ich gravierenden Demokratiedefizits in Deutschland als sage das ohne jedes parteipolitische Konkurrenz- einem der letzten Staaten in Europa. denken. Das Thema „Demokratie" beschäftigt mich schon seit über 20 Jahren, und ich bedauere immer, Das Grundgesetz hat im Jahre 1949 längst den daß die Konkurrenzangst der Parteien untereinander Weg der direkten Bürgerbeteiligung gewiesen, als es die Verbesserung der Bürgerbeteiligung immer wie- ausdrücklich neben den Wahlen auch die Abstim- der blockiert hat. Das Trauerspiel der Gemeinsamen mungen zuließ. Bei der Neugliederung des Bundes- Verfassungskommission ist uns allen noch in guter gebietes ist der Grundsatz umgesetzt worden, nicht Erinnerung. jedoch für das normale Gesetzgebungsverfahren. So ist in Art. 20 Abs. 2 ausdrücklich von Abstimmungen Über zwei Drittel der Menschen wollen selbst über die Rede: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie politische Sachfragen entscheiden. Sie wollen nicht wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und länger nur als Steuer- und Beitragszahler den Kopf durch entsprechende Organe ... ausgeübt." Es trifft für eine Politik hinhalten, auf die sie zu wenig Ein- deshalb nicht zu, wenn immer wieder behauptet fluß haben. Aus rechtlichen Gründen ist der amerika- wird, das Grundgesetz kenne ausschließlich die re- nische Grundsatz „no taxation without representa- präsentative Demokratie. tion" nicht auf uns übertragbar. Er drückt aber richti- gerweise den Anspruch der Menschen auf volle Teil- Im Parlamentarischen Rat wurde 1949 bei der Aus- habe am gesellschaftlichen, wi rtschaftlichen und arbeitung des Grundgesetzes das Für und Wider aus- politischen Leben aus. Es reicht eben nicht aus, nur giebig erörtert. Dabei stellte Carlo Schmid, Vorsit- alle vier Jahre den Bundestag zu wählen. Wahlent- zender des Grundsatzausschusses, klar. „Wir wollen scheidungen sind keine Sachentscheidungen. Mehr- kein Monopol für die repräsentative Demokratie." heit im Parlament ist noch keine Mehrheit in der Alle Versuche, den Begriff „Abstimmungen" aus Bevölkerung. dem Grundgesetzentwurf wieder herauszustreichen, wurden abgelehnt. Der Parlamentarische Rat war im Bündnis 90/Die Grünen haben hier bereits einiges Grundsatz offen für die direkte Demokratie, hat diese im Parlament eingebracht oder der Öffentlichkeit Entscheidung aber mit Rücksicht auf die Zeitum- vorgestellt, so das Gesetz über den Bürgerbeauftrag- stände weder im Rahmen der Gesetzgebungszustän- ten und das Bundesabstimmungsgesetz zur Einfüh- digkeiten des Grundgesetzes selbst noch in einem rung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volks- eigenen Bundesgesetz zum Ausdruck gebracht. Es entscheid. Letzterer baut auf den Verfassungsent- ist die Absicht des vorgelegten Entwurfs, nach fast wurf des Kuratoriums für einen demokratisch verfaß- fünfzig Jahren Grundgesetz diese Lücke zu schließen. ten Bund deutscher Länder auf, der ersten gesamt- deutschen Bürgerinitiative nach der Vereinigung. Er Einhunderttausend Stimmberechtigte sollen nach war auch die Grundlage für den Gesetzentwurf der unseren Vorstellungen das Recht haben, das Parla- Bundestagsgruppe Bündnis 90/Die Grünen in der ment im Rahmen einer Volksinitiative mit einer be- Gemeinsamen Verfassungskommission. stimmten Sachfrage zu befassen. Ein solcher Bürger- antrag ist zugleich die verbindliche erste Stufe der Es ist etwas merkwürdig, daß ausgerechnet die dreistufigen Volksgesetzgebung. Nach der parla- PDS dieses Konzept zu einem guten Teil abschreibt mentarischen Beratung und der möglichen Ableh- und vorlegt. Es ist aber in Ordnung, denn dieses Kon- nung des Antrags hat dann die Initiative auf der zept war im Kern richtig und ist auch die Grundlage zweiten Verfahrensebene, des Volksbegehrens, die für unseren eigenen Gesetzentwurf, den ich letzte Möglichkeit, einen Volksentscheid zu beantragen. Woche öffentlich vorgestellt habe und der demnächst Voraussetzung dafür ist das Vorliegen von minde- hier in erster Lesung beraten wird. stens 1,5 Millionen Unterschriften. Auf der dritten Stufe findet dann die Volksabstimmung statt, bei der Meine Kolleginnen und Kollegen von der PDS, ich für einfache Gesetze die einfache Mehrheit der Stim- halte auch Ihren Vorschlag, den Bürgerbeauftragten men genügt. von der Bundesversammlung wählen zu lassen, für wenig gelungen. Hier ist unser Vorschlag einer Wahl Die Volksgesetzgebung unterliegt der gleichen im Bundestag mit Zweidrittelmehrheit deutlich bes- Bindung an das Grundgesetz wie Gesetze, die auf ser. Insgesamt ist mir Ihr Konzept viel zu aufgebläht parlamentarischem Wege beschlossen werden. Die und bürokratisch. Das Zusammenspiel mit dem Peti- uneingeschränkte Kontrolle des beschlossenen Ge- tionsausschuß liegt total im Nebel. Es geht einfach setzes durch das Bundesverfassungsgericht ist nicht zu sagen, „der Bürgerbeauftragte ist in einer ebenso gewährleistet wie die des parlamentarisch Sache vorrangig tätig. Der Petitionsausschuß unter- beschlossenen Gesetzes. stützt ihn". Das wird auch dem Anspruch des Parla- ments so nicht gerecht. Um zu verhindern, daß mit Hilfe eines Volksbe- gehrens gezielt die verfassungsrechtliche Ordnung, Was nun die direkte Demokratie angeht, so gefal- beispielsweise durch Diskriminierung von Minder- len mir die Teile am besten, die Sie von uns übernom- heiten verletzt wird, soll das Bundesverfassungsge- men haben. Gerade mich braucht niemand von der richt die Möglichkeit haben, die Unzulässigkeit fest- Notwendigkeit der Einführung von Volksinitiative, zustellen und so die eigentliche Abstimmung fest- Volksbegehren und Volksabstimmungen auf Bun- zustellen und so die eigentliche Abstimmung zu un- desebene zu überzeugen. tersagen. Außerdem unterliegen die Grundrechte 19832* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Februar 1998 einem besonderen Bestandsschutz. Änderungen des derungen nicht folgen. Unser Petitionsrecht funk- Grundgesetzes bedürfen zudem einer Mehrheit von tioniert gut. zwei Dritteln der Abstimmenden. Das sind sinnvolle Wenn im übrigen Geldmittel, wie es in dem Ge- Regelungen, während das von der PDS vorgeschla- setzentwurf formuliert ist, durch den Wegfall des gene Beteiligungsquorum von 25 Prozent von uns Etats der Wehrbeauftragten sowie der Beauftragten klar abgelehnt wird. Die Gegner einer Volksinitiative für die Belange der Ausländer gewonnen werden sol- rufen zum Fernbleiben auf - damit verfälscht sich das len, dann kann ich nur konstatieren, daß funktionie- Ergebnis völlig. Gerade die PDS hätte sich die Erfah- rende und wichtige Elemente der demokratischen rungen mit der Fürstenenteignung aus der Weimarer Struktur abgeschafft werden sollen, um neue rot- Republik mehr zu Herzen nehmen sollen. grüne Posten zu kreieren. Wenn Finanzmittel für Ich verspreche Ihnen aber, daß mit dem heutigen diese angeblichen Demokratisierungselemente des- Abend das Thema nicht abgehandelt ist. Wir werden weiteren durch Etatkürzungen beim Bundesverfas- dieses Thema - auf fachlich gesicherterer Grundlage sungsschutz, dem BND und bei der Gauck-Behörde - nach der Einbringung unseres Gesetzentwurfs hier erschlossen werden sollen, dann muß ein Schelm erneut beraten. sein, wer bei der PDS dabei Böses denkt. Noch deutlicher wird der Hintergrund des harmlos im Gewande der Demokratisierungsbestrebungen Jörg van Essen (F.D.P.): Der uns vorliegende Ge- setzentwurf der PDS „zur Ergänzung der parlamen- daherkommenden Gesetzentwurfes, wenn man sich tarischen Demokratie durch unmittelbare Demokra- den dazugehörigen Antrag zur Änderung der Ge- tie", wie es im Titel heißt, greift die vielfältig verbrei- schäftsordnung ansieht. Da werden wieder angeb- tete Kritik an der „Zuschauerdemokratie" auf. Und lich fehlende Minderheitenrechte im Deutschen Bun- ich muß sagen, ich teile grundsätzlich die Besorgnis destag beklagt, insonderheit natürlich die schlimme über den derzeitigen Zustand der demokratischen Situation der PDS, und im übrigen irgendwie verges- Kultur in diesem Lande. Wir als Liberale sind für An- sen, daß wir so etwas wie eine Parlamentsreform in- regungen zu einer Verbesserung immer offen. itiiert haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS! Wir ha- Die PDS fordert in ihrem Gesetzentwurf recht Ver- ben es in diesem Hause schon mehrfach debattiert: schiedenes, das nur dem Schein nach unter dem Titel Sie werden hier nicht diskriminiert. Das Bundesver- Demokratisierung zusammengefaßt werden kann. fassungsgericht hat den auf der Geschäftsordnungs- Da ist zunächst einmal die Forderung nach Volks- autonomie beruhenden Gestaltungsspielraum des Deutschen Bundestages in der Frage der Fraktions- initiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden. Abgesehen von der durchaus problematischen Erfah- stärke bestätigt. Und diesen Gestaltungsspielraum haben wir und werden wir auch weiterhin so nutzen, rung mit derartigen Instrumenten in der deutschen wie es dem aus dem Jahre 1969 stammenden Be- Geschichte, die zu einer sehr sorgfältigen Abwägung schluß entspricht, als noch niemand an die PDS ge- mahnen, sind wir Liberale grundsätzlich offen für solche Beteiligungsformen, schließlich haben wir in dacht hat. unseren eigenen Reihen das Instrument des Mitglie- Und wer sich die Praxis einmal neutral anschaut, derentscheids eingeführt. Man sollte aber nicht ver- der wird schnell feststellen, daß Ihrer Gruppe nahezu suchen, wie das die PDS offensichtlich intendiert, alle Rechte eingeräumt werden, die auch einer Frak- hier eine Nebengesetzgebung gegen die parlamen- tion zustehen. Ich brauche das hier nicht erneut im tarische, repräsentative Demokratie einzuführen. einzelnen auszuführen. Gleiches gilt für das etwas ominöse Recht „auf Ver- fahrensbeteiligung im Grundgesetz". Und wenn Sie, weil Sie ansonsten politisch nicht recht weiterkommen, die Einführung einer soge- Die Forderungen nach einer Erweiterung des Peti- nannten „Oppositionserklärung" fordern, dann wird tionsrechts und der grundgesetzlichen Verankerung deutlich, daß Sie mehr an einer im System der Mehr- der Institution einer oder eines Bürgerbeauftragten heitsdemokratie nicht gewollten Blockadepolitik in- hätten glatt von Frau Nickels stammen können, die teressiert sind, als an einer kreativen Ausgestaltung ja immer behauptet, daß ihre sehr umfangreiche der Ihnen vom Wähler zugewiesenen Oppositions- Tätigkeit nicht ausreichend sei. Ich kann diesen For- rolle.